Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen von 1946 bis 1975 9783666562815, 3525562810, 9783525562819


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Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen von 1946 bis 1975
 9783666562815, 3525562810, 9783525562819

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VÔR

BARBARA SCHWAHN

Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen von 1946 bis 1975

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Wolfhart Pannenberg und Reinhard Slenczka Band 74

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufiiahme Schwahn, Barbara: Der Ökumenische Arbeitskreis Evangelischer und Katholischer Theologen von 1946 bis 1975 / Barbara Schwahn. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1996 (Forschungen zur systematischen und ökumenischen Theologie; Bd. 74) Zugl.: München, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-525-56281-0 NE: G T

© 1996 Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - D a s Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. D a s gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Satzspiegel, Göttingen Druck und Bindearbeiten: Hubert 8c Co., Göttingen

Vorwort Zu Beginn möchte ich allen danken, die auf vielfältige Weise zur Entstehung dieser Arbeit beigetragen haben. Namentlich seien alle diejenigen erwähnt, die mir mit Hinweisen bei der Materialsuche behilflich waren und die mir bereitwillig unveröffentlichte Materialien aus den Nachlässen ehemaliger Mitglieder des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen ( = ÖAK) zur Verfügung gestellt haben. Frau Irmgard Schlink (Heidelberg) danke ich für die freundliche Unterstützung bei der Suche nach Dokumenten zum ÖAK im Nachlaß ihres Mannes und für deren Aushändigung sowie für die herzliche Anteilnahme an meinem Vorhaben, Herrn Prof. Dr. Aloys Klein und Herrn Burkhart Neumann (Johann-Adam-Möhler-Institut Paderborn) für die Bereitstellung der Korrespondenz von Kardinal Lorenz Jaeger zum ÖAK in Paderborn, Herrn Direktor Gerhard Krems (Katholische Akademie Schwerte) für die Gastfreundschaft in der Akademie und ihm und Herrn Prof. Dr. Theodor Schneider (Universität Mainz) für die Bereitstellung der Schriftstücke aus dem Nachlaß Josef Höfers. Auch für die vielen Hinweise und Hintergrundinformationen aus Gesprächen bei meinen Besuchen bin ich ihnen allen dankbar. Vor allem habe ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Wolfhart Pannenberg D. D. für seine aufmerksame Betreuung meiner Arbeit zu danken. Er hat mir u. a. die Materialien aus dem Nachlaß von Wilhelm Stählin und Reinhard Mumm überlassen, war mir bei der weiteren Materialsuche behilflich und hat es mir ermöglicht, mir bei der Tagung der ÖAK im April 1991 in Augsburg selbst einen Einblick in dessen Arbeitsweise zu verschaffen. Den Mitgliedern des ÖAK danke ich für die freundliche Aufnahme. Für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Fertigstellung der Arbeit danke ich Frau Heike Streu, die die Korrekturen übernommen hat, sowie Herrn Dr. Daniel Bracher und besonders Herrn Achim Schmidtke, die den Text formatiert und ausgedruckt haben. Diese Untersuchung wurde mit Mitteln der Hessischen Lutherstiftung und der Studienstiftung des deutschen Volkes gefördert und im Februar 1994 von der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ludwig-MaximiliansUniversität München als Dissertation angenommen. Mit großzügigen Druckkostenzuschüssen haben dankenswerterweise die Deutsche Bischofskonferenz, die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, der Deutsche Ökumenische Studienausschuß der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland und die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau die Veröffentlichung der Arbeit ermöglicht.

6

Vorwort

Für die Drucklegung wurde das Kapitel III.2.3. geringfügig überarbeitet und in Kapitel 1.3. einige Aktualisierungen vorgenommen. Genf im Oktober 1995

Barbara Schwahn

Inhalt

Einleitung I.

13

Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität: Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen in seiner Geschichte

17

1.

Gründung 1946 und Zielsetzung

17

2.

Der „offiziöse" Charakter des Kreises: Das Verhältnis zu den Kirchenleitungen

24

3.

Die Zusammensetzung des Kreises 3.1. Gründer, wissenschaftliche Leiter und Protektoren 3.2. Weitere Mitglieder in wichtigen kirchlichen Ämtern und ökumenischen Gremien 3.3. Die Theologen des Katholischen Kreises 3.4. Die Theologen des Evangelischen Kreises

31 35 40 42 44

4.

Arbeitsweise 4.1. Turnus und Ablauf der Tagungen 4.2. Gottesdienste und liturgische Umrahmung 4.3. Themenwahl 4.4. Veröffendichungspraxis

47 47 50 53 56

5.

Krisen der Zusammenarbeit 5.1. Das Monitum „Cum compertum" von 1948 und die Instruktion „De motione oecumenica" von 1949 5.2. Die Dogmatisierung der Aufnahme Mariens in den Himmel 1950 und das Gutachten der Heidelberger Mitglieder des Evangelischen Kreises 5.2.1. Die Vorgänge um die Weiterleitung des Gutachtens nach Rom 5.2.2. Der Inhalt des Gutachtens 5.2.3. Zur Rezeption des Gutachtens 5.3. Die Bedenken gegenüber einer Fortsetzung der Gespräche auf evangelischer Seite im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Mitgliedschaft Hans Asmussens und die „Grundsätze über das Gespräch mit der röm.-kath. Kirche" der VELKD 5.4. Der Umbruch in der Arbeit des Kreises nach dem II. Vatikanischen Konzil

62 62

69 70 75 78

83 91

8

6.

II. A. 1.

Inhalt

Stellung und Bedeutung des ÖAK innerhalb der Ökumenischen Bewegung

100

6.1. Vorläufer und vergleichbare Initiativen während und nach dem 2. Weltkrieg 6.2. Die Bedeutung des ÖAK für die Gründung des Einheitssekretariates und für das Il.Vatikanum

106

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs: Die theologischen Themen des ÖAK bis 1975

109

Die Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch im Zusammenhang mit der Erlangung des Heils

109

Das Wesen des Menschen vor Gott

110

102

1.1. Kreatürlichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen 111 1.2. Möglichkeit und Grenzen natürlicher Gotteserkenntnis 116 1.2.1. Natürliche Gotteserkenntnis als Irrealis oder Potentialis? . . 116 1.2.2. Natürliche Erkenntnis der Ordnungen Gottes und das Naturrecht 120 1.2.3. Gottes Erhaltungswille gegenüber Nichtchristen und das Verhältnis des Christentums zu anderen Religionen . . 125 1.3. Die Sündhaftigkeit des Menschen 129 1.4. Die Bedeutung ontologischer und personaler Aussagekategorien für die Bestimmung des menschlichen Wesens 136 1.4.1. Das Sein des Menschen und seine Gottesbeziehung . . . . 137 1.4.2. Zur Interpretation des Substanzbegriffs innerhalb der katholischen Theologie 143 Exkurs: Der Wandel in der Interpretation der Transsubstantiation als Folge der Neuinterpretation des Substanzbegriffs 146 1.5. Zusammenfassung 153

2.

Die Beteiligung des Menschen am Vorgang seiner Rechtfertigung 2.1. Die Freiheit des Menschen als Voraussetzung von Glaube und Bekehrung 2.2. Die Mitwirkung des Menschen an seiner Rechtfertigung . . . . 2.2.1. Glaube und Liebe im Rechtfertigungsakt 2.2.2. Das Verdienst Christi und das Verdienst des Menschen: Peter Brunners Interpretation der tridentinischen Lehre von der Rechtfertigung des Gotdosen 2.2.3. Die reformatorische Lehre von Gesetz und Evangelium und die tridentinische Verhältnisbestimmung von göttlichem und menschlichem Tun 2.3. Die Auswirkungen der Rechtfertigung am Menschen 2.3.1. Gerechtsprechung und Heiligung 2.3.2. Sünde und Buße im Leben des Gerechtfertigten 2.3.3. Das Wirken des Heiligen Geistes im Gläubigen 2.4. Zusammenfassung

154 155 162 162

165

171 178 178 183 188 192

Inhalt

9

3.

Gottes H a n d e l n durch Christus im Sakrament und die Beteiligung des Menschen an der sakramentalen H a n d l u n g . . 194 3.1. Der Vollzug der Sakramente und ihr gläubiger Empfang . . . . 194 3.2. Das Mitsterben des Menschen mit Christus in der Taufe . . . . 199 3.3. Die Mitwirkung der Glaubenden an der Vergegenwärtigung des Opfers Christi in der Eucharistie 203 3.4. Die Bedeutung des Menschseins Christi für sein Wirken als Mittler und Priester und die Konsequenzen für die Bestimmung der Mitwirkung der Gläubigen an seinem Opfer 208 3.4.1. Christus als der Hohepriester im N T 209 3.4.2. Die Bedeutung von Christi Gottheit und Menschheit für sein hohepriesterliches Amt 212 3.5. Zusammenfassung 215

4.

W a s bleibt nach dem T o d ? 217 4.1. Unsterblichkeit der Seele oder Auferweckung von den Toten? . . 2 1 7 4.2. Zur Mitderfunktion von Verstorbenen und Heiligen 224 4.3. Zusammenfassung 232

5.

Fazit

232

B.

Die Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche im Zusammenhang mit der Heilsvermittlung

234

1.

Christus und die Kirche

234

2.

Wesen und Eigenschaften der Kirche 242 2.1. Die Heiligkeit der Kirche 243 2.1.1. Die Bußfähigkeit der Kirche 243 2.1.2. Defektibilität und Indefektibilität der Kirche 245 2.1.3. Kirche und Welt 248 2.2. Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Kirche 254 2.2.1. Das Recht in der Kirche 254 a) Das Verhältnis von Recht und Pneuma in der frühen Kirche 255 b) lus divinum und ius humanum innerhalb des Kirchenrechts 256 2.2.2. Die Kennzeichen der Kirche und ihre Bedeutung für die Bestimmung der „Grenze" der Kirche 264 2.3. Die Einheit der Kirche 271 2.3.1. Die Bedeutung der Amterstruktur für die Einheit der Kirche 272 a) Das Papstamt 272 b) Presbyterat und Episkopat 278 2.3.2. Schritte zur Einheit 285 a) Der ekklesiologische Status beider Kirchen aus der Sicht der jeweils anderen Konfession 285 b) Evangelisch-katholische Abendmahlgemeinschaft? . . . . 2 9 1 2.4. Zusammenfassung 301

10

Inhalt

3.

Die Kirche in ihrer Funktion als Heilsmittlerin durch die Spendung der Sakramente 303 3.1. Kurze Bemerkungen zum Verhältnis von Taufe und Kirchenzugehörigkeit 304 3.2. Die Rolle der Kirche bei Buße und Beichte 305 3.2.1. Die Bedeutung von Reue und Glaube bzw. Reue, Bekenntnis der Einzelsünden und Genugtuung für die Absolution 307 3.2.2. Die Absolution als richterlicher Akt 311 3.3. Das kirchliche Amt in seiner Bedeutung für die gültige Feier der Eucharistie 313 3.3.1. Sacerdotium und Ministerium 314 3.3.2. Ordination, character indelebilis und allgemeines Priestertum der Gläubigen 317 a) Priesteramt und allgemeines Priestertum 317 b) Character indelebilis oder bleibende Beauftragung . . . 3 1 9 c) Sakramentalität der Ordination und Ordinationspraxis nach der gemeinsamen Stellungnahme über „Ordination und kirchliches Amt" 322 3.4. Zur Sakramentalität der Ehe 327 3.5. Zusammenfassung 332

4.

Die Kirche in ihrer Funktion als Heilsmittlerin durch die Bewahrung und Weitergabe der apostolischen Überlieferung 4.1. Die „sachliche" Vermittlung der Offenbarung 4.1.1. Das Bekenntnis als Basis für eine ökumenische Verständigung 4.1.2. Einheit und Vielfalt der Schrift 4.1.3. Offenbarung und Wort Gottes 4.2. Die personale Vermittlung der Offenbarung 4.2.1. Apostolat 4.2.2. Unfehlbarkeit und Lehramt a) Zur Dogmenbildung b) Dogmatik und Exegese 4.3. Die Verkündigung der Kirchen angesichts der Verborgenheit Gottes 4.3.1. Die Verborgenheit Gottes 4.3.2. Was ist für den chrisdichen Glauben konstitutiv? 4.4. Zusammenfassung

. 334 335 335 339 343 349 349 357 360 364 374 375 381 386

5.

Fazit

387

III.

Von der Kontroverstheologie zur Ökumene: Die Bedeutung der Arbeit des ÖAK fur die gegenwärtige ökumenische Situation . .

391

Schaffung grundlegender Voraussetzungen f ü r eine ökumenische Verständigung heute

392

1.

Inhalt

11

1.1. Anbindung an die Kirchen als Schritt zur Überbrückung der Kluft zwischen der Universitätstheologie und kirchenleitenden Gremien 392 1.2. Ökumene „im Vollzug": Entstehung eines beispielhaften Dialogprozesses 394 1.3. Entwicklung einer Methodik des bikonfessionellen Gesprächs . . 396 1.4. Entdeckung von Gemeinsamkeiten als Ergebnis einer Suche nach den Differenzen 398 2.

Das Projekt der Aufarbeitung der Lehrverurteilungen des 16.Jh. als Ergebnis und Fortführung der früheren Arbeit des ÖAK 399 2.1. Methodische Bezüge zur Aufarbeitung der Lehrverurteilungen . . 399 2.2. Ergebnisse der früheren Arbeit des ÖAK und ihre Bedeutung für das Dokument „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" . . . 4 0 1 2.3. Einige Bemerkungen zur Kritik an dem Dokument auf dem Hintergrund der gesamten Arbeit des ÖAK 404

3.

Eine Perspektive für die Fortsetzung des evangelischkatholischen Dialogs

Literaturverzeichnis

408 411

Einleitung Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit dem Wirken des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen in den Jahren 1946 bis 1975 und geht dabei schwerpunktmäßig auf seine Anfangszeit ein. Ihre besondere Bedeutung liegt darin, daß sie überwiegend auf bisher noch unveröffentlichten Quellen basiert. Es handelt sich hierbei im wesentlichen um eine von Bischof Wilhelm Stählin und Kirchenrat Dr. Reinhard Mumm zusammengetragene, vollständige Sammlung der für die Mitglieder erstellten und vervielfältigten Tagungsprotokolle und der bei den Arbeitstagungen gehaltenen Referate, sofern sie nur maschinenschriftlich oder als Zusammenfassung, bzw. in Form von Sonderdrucken den Mitgliedern zugänglich gemacht wurden ( = Akten EvAk). Diese Sammlung umfaßt ferner ausgiebige offizielle und private Korrespondenz der beiden, die sie in ihrer Eigenschaft als Vorsitzender bzw. Schriftführer des Evangelischen Kreises ( = EvAk) mit den Mitgliedern des ÖAK sowie mit kirchlichen Stellen und Verlagen geführt haben. Sie wurde vor allem ergänzt durch Briefwechsel aus den Jahren 1946 bis 1957 und 1964 bis 1978 ( = Korr Schlink) und sonstige Unterlagen zum ÖAK ( = Akten Schlink) aus dem noch ungeordneten Nachlaß Prof. Dr. Edmund Schlinks im Konfessionskundlichen Institut in Bensheim sowie durch die wenigen vorhandenen bzw. zugänglichen, den ÖAK betreffenden Schriftstücke aus dem ökumenischen Nachlaß des damaligen Erzbischofs von Paderborn Lorenz Jaeger im Johann-Adam-Möhler-Institut in Paderborn ( = Nachlaß Jaeger) und die Unterlagen der katholischen Schriftführer aus dem Nachlaß von Prof. Dr. Josef Höfer in der Katholischen Akademie Schwerte ( = Nachlaß Höfer). Zusammen mit den verstreut veröffentlichten Referaten und den Publikationen, mit denen der ÖAK seit den 60er Jahren an die Öffentlichkeit trat, ergibt sich so ein breiter Überblick über seine Tätigkeit. Mit dem Jahr 1976 begann, verbunden mit einem allmählichen Generationswechsel auch in der Leitung, eine neue Phase der Arbeit, als man dazu überging, über mehrere Tagungen hinweg ein Thema ausgiebig zu erörtern und anschließend die Referate mit einer gemeinsamen Stellungnahme herauszugeben. Dies erklärt die Tatsache, daß erst hier und nicht bereits vor den ersten Publikationen eine Zäsur in der Bearbeitung der Tagungen gemacht wurde. Dazu kommt, daß man zu Beginn der 70er Jahre noch nicht zu jeder Tagung eine gemeinsame Veröffentlichung herausbrachte. Die Untersuchung der neueren Publikationen im Kontext der gesamten gegenwärtigen ökumenischen Diskussion wiederum ist gegenüber

14

Einleitung

der Aufarbeitung der früheren Arbeit des ÖAK als eine neue Aufgabe anzusehen. Der Versuch einer über einen „Rechenschaftsbericht" Edmund Schlinks von 1962 hinausgehenden Gesamtdarstellung der Tätigkeit des ÖAK wurde schon einmal unternommen. Im Dezember 1988 legte Stephan Henrich im Fachbereich Katholische Theologie in Mainz eine Dokumentation der ökumenisch-theologischen Arbeit des Kreises als wissenschaftliche Prüfungsarbeit zum ersten Staatsexamen vor. Darin stellte Henrich zunächst die Charakteristika der Arbeit dar und nahm dann eine Periodisierung der Arbeitstagungen bis 1988 vor. Sie erfolgte im wesentlichen unter dem Aspekt der zunehmenden Hinwendung des ÖAK zur Öffentlichkeit. Eine Liste der Tagungen, ein Verzeichnis der dort gehaltenen veröffentlichten Referate und der Mitglieder des Kreises sind angefügt und wurden 1989 in „Kerygma und Dogma" veröffentlicht Auf eine solche dokumentarische Übersicht wurde deshalb mit Verweis auf Henrichs Publikation in der vorliegenden Arbeit verzichtet Henrich griff in seiner Prüfungsarbeit hauptsächlich auf bereits veröffentlichtes Material zurück. Die Tagungsprotokolle berücksichtigte er nur sehr allgemein. Auf die theologischen Einzelthemen ging er nicht ein. Auch eine systematische Aufarbeitung der Korrespondenz erfolgte nicht. Damit wurde eine hilfreiche Zusammenschau der mehr formalen Aspekte der Arbeit vorgelegt unter Berücksichtigung der Vorgehensweise, der Themenauswahl, der Veröffendichungspraxis etc. Eine umfassende historische und vor allem theologische Aufarbeitung ist jedoch damit nicht erfolgt. In ihrer wissenschaftlichen Hausarbeit zum Ersten Theologischen Examen vom Mai 1989 wurde von der VeriFasserin ein anderer Ansatz gewählt. Vier Tagungen aus der Zeit von der Gründung des Kreises bis zum II. Vatikanum, bei denen man sich mit ekklesiologischen Themen befaßte, wurden unter Zuhilfenahme der Tagungsprotokolle und der Referate inhaltlich systematisiert und dargestellt sowie im Anschluß daran ausgewertet Der Schwerpunkt lag somit auf der exemplarischen Behandlung der theologischen Fragen. Nur in Form eines kurzen Abrisses konnte in dieser Hausarbeit auf die äußeren Gegebenheiten, d.h. auf Zusammensetzung und Zielsetzung, Arbeitsweise und Krisen in der Zusammenarbeit des Kreises sowie seine Bedeutung innerhalb der ökumenischen Bewegung eingegangen werden. In der vorliegenden Dissertation wurde dieser Ansatz nun in Ausweitung auf das gesamte Wirken des ÖAK bis 1975 weiterverfolgt. Im Vordergrund sollte auch hier die dogmatisch-theologische Arbeit des Kreises stehen. Ihre Darstellung in Kapitel II nimmt deshalb den größten Raum ein. Für die Wiedergabe der Diskussionen stützt sie sich auf zum Teil wörtlich aufgenommene, zum Teil auch geraffte mündliche Gesprächsbeiträge der Teilnehmer in den Verlaufsprotokollen, die nur zur Verwendung durch die Mitglieder des Kreises bestimmt waren. Dadurch erklären sich sprachliche Unebenheiten in den Zitaten. Zum besseren Verständnis

Einleitung

15

einzelner Voten oder zur Ergänzung von Lücken durch fehlende oder nur in einer Zusammenfassung oder in Thesenform vorliegende Referate wurden, soweit dies sinnvoll und möglich war, sonstige Veröffentlichungen der jeweiligen Theologen zum Thema herangezogen und ihre gelegentlich spontanen Äußerungen damit in den Gesamtzusammenhang ihres theologischen Ansatzes gestellt. Die Auswertung der Unterlagen ergab zwei Problemkreise, die die Diskussionen des Ö A K durchzogen: Die Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch im Zusammenhang mit der Erlangung des Heils und die Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche im Zusammenhang mit der Heilsvermittlung. Sie wurden deshalb der systematischen Darstellung zugrundegelegt. Die Erörterung der vielfältigen behandelten Themen erfolgte sodann unter dem Aspekt, inwiefern diese beiden Problemkreise im Hintergrund der konfessionellen Auseinandersetzungen zu Einzelfragen standen. Innerhalb der einzelnen Gliederungspunkte wurde die chronologische Abfolge ihrer Behandlung berücksichtigt, um die Entwicklung des Dialogs zu den einzelnen Themen nachvollziehen zu können. Da die ersten Veröffentlichungen des ÖAK gezeigt haben, daß die zusammenfassende Wiedergabe des Diskussionsverlaufs ohne namendiche und konfessionelle Zuordnung gewichtiger Beiträge einem Nichtbeteiligten nur ein sehr vages Bild der Vorgänge zu vermitteln vermag, wurden hier die Positionen einzelner Mitglieder herausgearbeitet, um so ihren Einfluß auf die Arbeit des ÖAK kenntlich zu machen. Gleichzeitig wurde verfolgt, wie sich allmählich eine Methodik des gemeinsamen Arbeitens herausbildete. Dem systematisch-theologischen Hauptteil wurde mit dem I. Kapitel ein Überblick über Geschichte und Arbeitsweise des ÖAK vorangestellt, der zur Einordnung seiner theologischen Arbeit unentbehrlich ist Soweit darin historische Vorgänge, wie etwa die Krisen der Zusammenarbeit, nachgezeichnet wurden, erfolgte dies nahezu ausschließlich anhand der vorliegenden internen Korrespondenz der Mitglieder. Die Briefe wurden, wie die Protokolle, in ihrem originalen Wortlaut, mit allen Fehlern und sprachlichen Unebenheiten zitiert. Erläuternde Anmerkungen der Verfasserin finden sich in eckigen Klammern. Obwohl in den Briefen viele bisher unbekannte Einzelheiten zu internen Abläufen enthalten sind, ist nicht auszuschließen, daß die erst neuerdings verstärkt einsetzende Erforschung der Nachkriegszeit aus kirchen- und ökumenegeschichtlicher Perspektive einmal ein teilweise verändertes Bild der Vorgänge vermitteln wird. Für deren noch umfassendere Aufhellung sowie eine eingehendere Untersuchung der Bedeutung des Ö A K für das II. Vatikanum und des Spektrums ökumenischer Gesprächskreise nach dem Krieg, wäre die Sichtung zahlreicher umfangreicher Nachlässe erforderlich gewesen, die zum Teil noch gar nicht zugänglich sind. Dies hätte den Rahmen dieser dogmatisch orientierten Arbeit zudem bei weitem gesprengt. In einem dritten Teil wurde der Versuch unternommen, auf der Basis

16

Einleitung

der beiden ersten Kapitel noch einmal zusammenfassend methodische und inhaltliche Verbindungslinien zu ziehen von der früheren Arbeit des ÖAK zur gegenwärtigen ökumenischen Arbeit im allgemeinen und zu der des ÖAK im besonderen. Dies ist als Reaktion auf die kritischen Stimmen gegenüber seinem Verfahren bei der Aufarbeitung der Lehrverurteilungen anzusehen und erfolgte deshalb, weil sich mit den beiden genannten inhaltlichen Hauptgliederungssträngen genau jene Fragestellungen als zentral für die früheren Diskussionen des ÖAK herausstellten, deren mangelnde Berücksichtigung ihm heute vorgeworfen wird. Ausschlaggebend war ferner, daß sich viele der Punkte von Anfang an als konsensfähig erwiesen, für die heute von manchen immer noch bleibende Gegensätze behauptet werden. Dabei konnte es in diesem Rahmen nicht um eine umfassende Auseinandersetzung mit der Kritik an der Vorgehensweise bei der Untersuchung zu den Lehrverurteilungen gehen. Es sollte jedoch nicht darauf verzichtet werden, die Relevanz der früheren Tätigkeit des ÖAK für die Bewertung seiner gegenwärtigen Arbeit aufzuzeigen, und somit nicht nur indirekt einen Beitrag zu der noch andauernden Diskussion zu leisten. Bei der Lektüre der vorliegenden Arbeit wird man unschwer feststellen, daß bereits die gesamte vorherige Darstellung aus dieser Perspektive erfolgt ist

I. Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität: Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen in seiner Geschichte 1. Gründung 1946 und Zielsetzung Am 2. und 3.4.1946 fand im Konvikt in Werl bei Soest in Westfalen ein Treffen von katholischen und evangelischen Theologen statt, in dessen Verlauf es zur Gründung eines Katholischen und eines Evangelischen Arbeitskreises kam, die sich in Zukunft abwechselnd zu zwei bis drei Treffen im Jahr einladen wollten. Damit war der Jaeger-Stählin-Kreis oder Paderborner Kreis, wie er in der Anfangszeit nach seinen Gründern bzw. dem häufigsten Tagungsort genannt wurde, ins Leben gerufen. Die Initiative zu dieser Zusammenkunft ging eindeutig von katholischer Seite aus. Wilhelm Stählin berichtet in seinen Lebenserinnerungen, daß Dompropst Paul Simon ihn im Winter 1945/46 in Oldenburg aufgesucht habe, um ihn von dem Plan in Kenntnis zu setzen, eine regelmäßige „Konferenz katholischer und evangelischer Theologen zur Erörterung kontrovers-theologischer Fragen"1 zu gründen. Er habe seine Teilnahme zugesagt, da der Plan seinen eigenen Bestrebungen entgegengekommen sei. Simon arbeitete eng zusammen mit dem damaligen Erzbischof von Paderborn Lorenz Jaeger. Dieser hatte bereits im ersten Jahr seiner bischöflichen Tätigkeit, am 5. August 1942, der Fuldaer Bischofskonferenz den Vorschlag gemacht, „der Episkopat möge selbst einige Theologen bestimmen, um die ökumenische Frage dauernd zu verfolgen, zu prüfen und in regelmäßigen Arbeitskonferenzen, evtl. unter dem Vorsitz eines Bischofs zu besprechen ... Dadurch sollen Gespräche mit evangelischen Theologen vorbereitet werden können. Die Häufung von Treffen sei eher schädlich. Eine theologische Erörterung sei nur in engstem Kreise möglich."2 Daraufhin tagte im Januar 1944 in Fulda unter seinem Vorsitz eine katholische „Arbeitsgemeinschaft zum Studium der die Wiedervereinigung betreffenden Fragen", der zukünftige Mitglieder des Katholischen Arbeits1

Vgl. Stählin, Wilhelm, Via Vitae, Kassel 1968, 554. Vgl. Höfer, Josef, Erinnerungen an Dompropst Prof. Dr. Paul Simon, in: Scheele, Paul-Werner (Hrsg.), Paderbornensis Ecclesia, FS Lorenz Kardinal Jaeger, München/Paderborn/Wien 1972, 631-688, 669. 2

18

Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität

kreises angehörten wie Paul Simon, Robert Grosche und Karl Rahner.3 Wegen der Kriegsereignisse konnte diese Arbeit zunächst nicht fortgesetzt werden. Im April 1946 fand sich unter der Leitung von Jaeger und Simon in Werl dann erneut ein Katholischer Kreis zusammen, dem diesmal Josef Lortz, Bernhard Rosenmöller, Gottlieb Söhngen, Gottfried Hasenkamp (Verlagsleiter), Robert Grosche und Karl Schmitt angehörten. Für den zweiten Tag der Besprechung, wenn Ziele und Methoden der Arbeit schon genauer festgelegt seien, hatte Simon als evangelische Teilnehmer den damaligen Oldenburger Landesbischof Wilhelm Stählin zusammen mit Heinrich Schlier, Peter Brunner und Edmund Schlink dazugebeten.4 Außer ihnen waren schließlich auch noch Pfarrer Mittorp aus Paderborn und auf dessen Anregung hin Hermann Sasse anwesend.5 Die Gründung zweier gleichberechtigter Arbeitskreise, die immer gemeinsam tagen, war also offensichdich nicht von Anfang an beabsichtigt. Vielmehr handelte es sich zunächst nur um ein Treffen, das im Zusammenhang der Beauftragung Jaegers durch die Fuldaer Bischofskonferenz, die „Unionsarbeit zu überwachen und zu beeinflussen, im Einvernehmen mit dem protestantischen Landesbischof STÄHLIN"6 einberufen wurde. Es sollte ein Katholischer Kreis zum Studium der Einigungsbestrebungen gegründet werden und die evangelischen Anwesenden zur Einberufung eines vergleichbaren Gremiums bewegt werden, mit dem man in Austausch treten wollte.7

A . a . O . , 670. Vgl. Simon an Stählin am 24.1.46 (Korr EvAk). Simon erwähnt in diesem Schreiben auch die von Grosche vorgeschlagenen möglichen Teilnehmer an der Besprechung zur Gründung eines „ökumenischen Seminars": Guardini, Söhngen, Hanssler (früherer Studentenseelsorger in Tübingen), Rosenmöller, C. Schmidt, Steinberg (Studentenseelsorger in Bonn), Pinsk, von Löwenstein (Jesuit), Grosche und Simon. 5 Zu den Teilnehmern vgl. die Nachschrift der fragmentarischen Aufzeichnungen Simons zur Tagung (der Inhalt der Tagung kann diesem Dokument nicht entnommen werden) und den maschinenschriftlichen Kurzbericht Höfers (Nachlaß Höfer). 6 Bericht Höfer. 7 Vgl. die Erwähnung des Ö A K im dritten Band von Wilhelm Schmidts Werk „Rassen und Völker" zu „Gegenwart und Zukunft des Abendlandes", Luzern 1949. Schmidt hatte sich bei Jaeger und Höfer über den Fortgang der von Simon eingeleiteten Arbeit informiert und seine kenntnisreiche Kurzdarstellung der Gründungsjahre des O A K wurde vor Drucklegung von beiden abgenommen, so daß sie als zutreffend bezeichnet werden kann (Höfer an Stählin, 2.6.49, Korr EvAk). Er ordnete den Kreis in die Annäherungsbewegung der christlichen Kirchen nach dem Krieg ein, die den Beginn der Vereinigung der Kirchen darstellte. Eine solche bezeichnete er als das Ideal für die Zukunft des christlichen Abendlandes. Zu dem Treffen in Werl bemerkte e r „Dompropst Simon hatte ursprünglich nur vor, den Vorschlag zu unterbreiten, es möchte von katholischer wie von evangelischer Seite ein Seminar zum Studium der Einigungsbestrebungen eingesetzt werden, die von Zeit zu Zeit ihre Arbeitsergebnisse sich mitteilen sollten. Die Besprechung führte aber darüber hinaus zur Vorbereitung von unmittelbaren Zusammenkünften offiziös aufgestellter Vertreter beider 3

4

Gründung 1946 und Zielsetzung

19

Bezüglich der Leitung beider Kreise beschloß man, daß Erzbischof Lorenz Jaeger und Bischof Wilhelm Stählin dem Kreis als Protektoren vorstehen sollten. Dompropst Paul Simon, der bald darauf verstarb und dessen Nachfolger Josef Höfer wurde, und Edmund Schlink sollten als wissenschaftliche Leiter fungieren. Auf evangelischer Seite beschloß man, refoimierte Theologen nicht in den Arbeitskreis aufzunehmen. Rosenmöller bat deshalb die evangelischen Teilnehmer um eine Schilderung der theologischen Lage in der Evangelischen Kirche, die einen solchen Ausschluß rechtfertige und um eine Darlegung der Differenzen. Die Maßnahme ließ sich nur unter Berücksichtigung der Differenzen um die Bekennende Kirche und die Barmer theologische Erklärung sowie die damit verbundene Konfessionalisierung nach dem Krieg erklären. Sasse schilderte deshalb die Neuentdeckung der Sakramententheologie und der Ekklesiologie im Zuge einer Rückkehr von der durch Schleiermacher geprägten neuprotestantischen Theologie des Subjekts zur reformatorischen Theologie. Die unterschiedlichen Auffassungen vom Wesen der Sakramente, der Zeichencharakter im reformierten und das Verständnis als Gnadenmittel im lutherischen Lager, führte er als Hauptdifferenz zwischen beiden Bekenntnissen an.8

Konfessionen" (a.a.O., 481, zum Ganzen 480-483). Wie sich Jaeger und Simon ein solches „Seminar" vorstellten, geht aus einem Bericht Simons für die Fuldaer Bischofskonferenz hervor, die vom 20.-24.8.45 stattfand: „Das ökumenische Seminar soll etwa 6-10 katholische Theologen umfassen, die sich alle Viertel Jahr treffen und die Fragen der Wiedervereinigung in theologischer und praktischer Sicht diskutieren werden. Wir hoffen für diese Arbeit auch weite Kreise der katholischen und evangelischen Gläubigen erwärmen zu können und ihnen die Bedeutung des Glaubens an den einen Hirt und die Einheit der Herde nahe zu bringen. Vor allem glauben wir, daß auch von den evangelischen Theologen, die wir um Mitarbeit bitten, der heilige Wille zur Überwindung der Spaltung der Christenheit unter den evangelischen Gläubigen geweckt wird" (Höfer, Erinnerungen an Dompropst Simon, 672/673). Nach Darstellung Höfers wurde dieses „Ökumenische Seminar" erst mit der Gründung des Joh.-Adam-Möhler-Instituts" in Paderborn 1957 „in gründlicherWeise" realisiert (a.a.O., 673), als dessen evangelisches Pendant dann auch das Konfessionskundliche Institut in Bensheim eröffnet wurde. Bis dahin nahmen offensichtlich allein die beiden gemeinsam tagenden ökumenischen Arbeitskreise diese Funktion auf ihre Art wahr! • Vgl. Stählins Niederschrift der Besprechung in Werl (Akten EvAk), 5. Schlink hob als entscheidende Neuerung innerhalb der evangelischen Theologie „die Rückbesinnung der Kirche auf ihre Mitte, das ist die gottesdienstliche Versammlung" hervor, die aber zugleich eine „neue Bewegung in die Welt hinein" sein müsse (a.a.O., 5). Es gelte nun, entgegen dem Barthschen Ansatz, Maßstäbe für eine konkrete christliche Sozialethik zu entwickeln. In seiner Veröffentlichung „Der Ertrag des Kirchenkampfes" von Silvester 1946 (Gütersloh 2 1947) nennt Schlink wie Sasse als Hauptschwierigkeiten für eine kirchliche Neuordnung die Unterschiede in Lehre und Bekenntnis der beiden evangelischen Konfessionskirchen. Durch die Rückkehr zur „lutherischen und calvinistischen" Reformation seien „zugleich die Unterschiede bekenntnisbestimmter Ordnung lutherischer und reformierter Kirche neu bewußt, ja darüber hinaus insbesondere durch Barths zunehmend heftige Angriffe auf Luthers Lehre von Gesetz und Evangelium, von den zwei Reichen, von der Taufe sowie auf die liturgische Erneuerungsbewegung erheblich vertieft worden" (a.a.O., 68/69). Zugleich

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität

Die Haltung der evangelischen Mitbegründer des ÖAK war jedoch widersprüchlich. Einerseits betonte man, man wolle nicht den Versuch machen „interne Meinungsverschiedenheiten vor der anderen Seite zu verbergen"9, andererseits akzeptierte man keine reformierten Mitglieder, um zu vermeiden, daß „unsere katholischen Gesprächspartner zu Zeugen unserer innerevangelischen Auseinandersetzungen" würden.10 Es gab jedoch auch unter den Lutheranern in der Nachkriegszeit noch genügend Lehrunterschiede, die durchaus in den Diskussionen der Arbeitskreise hervortraten und die man nicht durch den Ausschluß mancher Theologen zu verbergen suchte.11 Erst nachdem die Zusammensetzung des zu gründenden Katholischen Kreises sowie die Methode des Gesprächs - 2-3 Referate, die vor den Tagungen den Teilnehmern in Leitsätzen zugehen sollten - besprochen waren, wurde von H. Schlier die Frage aufgeworfen, „... ob der ökumenische Studienkreis ein rein katholischer sei, oder ob es einen entsprechenden evangelischen Kreis geben soll, der dann auch die katholischen Herren einladen kann."12 Daraufhin beschloß die evangelische Seite einen ver-

spricht er jedoch von einer Gemeinsamkeit beider Konfessionen, die weit über die aus den Unionsgründungen des 19.Jh. erwachsene Gemeinsamkeit hinausgehe. Sie resultiere aus der gemeinsamen Buße über die Vergangenheit der Kirche sowie aus der Tatsache, daß während des Krieges Reformierte Lutheranern und umgekehrt Lutheraner Reformierten Trost gespendet haben, ja sich in Notfällen auch gegenseitig zur Abendmahlsfeier zugelassen haben. Schlink fordert hier sogar eine Regelung für die gegenseitige Zulassung zum Abendmahl in solchen Fällen (a. a. O., 69 und 75)! Von daher hätte die Aufnahme reformierter Teilnehmer wiederum nahegelegen. ' Zu diesem und dem folgenden Zitat vgl. Stählin, W., Via Vitae, 556. 10 Mehrmals, u.a. 1957, kamen Beschwerden aus dem Rat der EKD über die einseitige Zusammensetzung des Kreises. Vgl. dazu Stählin an Schlink am 15.4.57 (Korr EvAk): „Schwierigkeiten machte nur D. Niesei, der sich über die einseitige Zusammensetzung unseres Kreises beschwerte und es für untragbar hält, daß die Theologie Karl Barths dort gar nicht vertreten sei; zum mindesten müßte jemand wie Ernst Wolf eingeladen werden. Ich wies darauf hin, daß unser Kreis keineswegs so einheitlich sei, wie er sich das offenbar vorstelle, und daß wir im übrigen lieber eine gewisse Begrenzung in Kauf nehmen, als daß wir vor unseren katholischen Gesprächspartnern im wesentlichen inner-evangelische Streitgespräche zu führen hätten. Dem stimmte Dibelius lebhaft zu und meinte, ebenso ruhig wie freundlich, daß die Erfüllung der von Niesei geäußerten Wünsche unter Umständen die Aufgabe, ja die Fortführung der ganzen Arbeit unseres Kreises gefährden könnte". " Vgl. Stählin, Via Vitae, 556. In einem Brief an Schlink vom 24.6.46 (Korr EvAk) äußert Stählin: „Dass er [Maurer, Anm.d. Vf.] ein anderes Luther-Verständnis hat als Sasse oder E. Wolf, bedeutet nach meiner Auffassung eher ein Grund dafür als dagegen, ihn einzuladen. Wir wollen den Katholiken auch nicht eine Einigkeit vortäuschen, die in Wahrheit nicht besteht." Er reagierte damit auf ein Schreiben von Schlink vom 18.6.46, der durch Maurers Lutherverständnis die Einheit der evangelischen Theologen gegenüber den katholischen gefährdet sah, zumal bereits zwischen Sasse und Wolf Spannungen bestünden. Die Diskussion darüber, wer die evangelischen Teilnehmer bei der ersten Arbeitstagung im September in Hardehausen sein sollten, erstreckte sich über die erste Besprechung hinaus. Aus der Korrespondenz dieser Zeit geht hervor, daß man vor allem Kirchenhistoriker und Mitglieder des Berneuchener Kreises einladen wollte (Schlink an Stählin am 18.6.46, Korr EvAk). 12 Vgl. Stählins Niederschrift zur ökumenischen Besprechung (Akten EvAk), 3.

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gleichbaren Arbeitskreis zu gründen. Die Bildung zweier konfessionell getrennter Kreise hielt man für notwendig, um „die Sache solide zu fundieren und den Forderungen des Kirchenrechts zu genügen"13, wie Sasse kurz darauf Landesbischof Meiser berichtete. Erst 1968 wurden beide Kreise aus Anlaß der Veröffentlichung zur „Theologie der Ehe" zusammengefaßt und erhielten auf Vorschlag Schlinks die Bezeichnung „Ökumenischer Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen". 14 An der Arbeitsweise änderte sich zunächst nichts. Beide Kreise gaben sich getrennte, doch inhaltlich übereinstimmende Satzungen, in denen sie ihre Zielsetzung und ihren „offiziösen" Charakter formulierten:15 „Die ökumenische Arbeitsgemeinschaft ist ein Arbeitskreis evangelischer Theologen, der sich unter Leitung von Bischof D.Dr. W. Stählin und Professor Lic. Dr. E. Schlink zum Gespräch mit einem gleichgearteten Kreis römisch-katholischer Theologen unter der Führung des Erzbischofs von Paderborn zusammengefunden hat Er hat die Aufgabe, im Glauben an die Eine Kirche jene theologischen Fragen zu studieren, die durch die Spaltung der Christenheit hervorgerufen sind. Er weiss sich in dieser seiner Aufgabe der Gesamtheit der Evangelischen Kirche in Deutschland verantwortlich." „Die ökumenische Arbeitsgemeinschaft ist ein Studienkreis katholischer Theologen, den der Erzbischof von Paderborn gebildet hat Dieser Kreis hat die Aufgabe, im Glauben an die Eine Kirche jene theologischen Fragen zu studieren, die durch die Spaltung der Christenheit hervorgerufen sind. Er tut dies im Gespräch mit einem gleichgearteten Arbeitskreis evangelischer Theologen. Der Arbeitskreis wird dem deutschen Episkopat über seine theologische Arbeit berichten." Angestrebt wurden also in keinem Fall „Unionsverhandlungen" oder Einzelkonversionen, sondern streng wissenschaftliche Arbeit. Bei der Verabschiedung Stählins aus dem Kreis 1970 brachte Lorenz Jaeger, der mittlerweile zum Kardinal ernannt worden war, die damalige Intention folgendermaßen zum Ausdruck: „Vir sagten uns damals: es ist an der Zeit, daß wir jetzt bei diesem großen Zusammenbruch unseres Volkes das Banner der Hoffnung aufpflanzen, irgendein Zeichen der Gemeinsamkeit setzen und unserem Volk den Weg in die Zukunft weisen. Die Kirchenspaltung ist einst durch die Theologen gekommen, sie muß auch wieder durch theologische Arbeit überwunden werden. Wir hatten damals gar nichts anderes vor, als Schutt wegzuräumen, theologische Begriffe, die als Gebrauchsmünzen im Umlauf waren, auf ihre Inhalte zu untersuchen, damit wir uns gegenseitig wieder bei unserem Gespräch verstehen konnten. Wir

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Sasse an Meiser, 22.4.46 (Landeskirchenamt Hannover, D 15 V, Nr. 27). Jaeger an Stählin, 20.7.68 (Nachlaß Jaeger). 15 Rundschreiben Schlinks mit der Satzung beider Arbeitskreise vom 23.4.46 (Korr Schlink). 14

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität

haben uns redlich bemüht, in der damaligen Sicht kontroverstheologischer Bemühung uns auf einander zuzuarbeiten und so wieder eine Basis für das Gespräch zu schaffen."16 Auch kirchenpolitisches Engagement strebte man nicht an und ebensowenig verstand man sich als Forum, die Kircheneinheit bereits durch irgendeine Form der communicatio in sacris vorwegzunehmen.17 Landläufig wird der ÖAK in die während und nach dem Krieg aufgekommene Una-Sancta-Bewegung eingeordnet. Er muß jedoch infolge seiner Entstehung, seiner Anbindung an die Kirchenleitungen und vor allem infolge seines Charakters und seiner Zielsetzung zumindest deutlich von der Una-Sancta-Bewegung im engeren Sinne unterschieden werden, die in 16 Abschied und Dank, Sonderdruck der Abschiedsreden Jaegers, Schlinks und der Erwiderung Stählins bei der 31.Tagung 1970, Münster/Kassel 1971, 3. Vgl. auch Höfers Artikel „Una-Sancta-Bewegung", in: LThK 10, 463-466, in dem er als „Ausgangspunkt und wichtigstes Arbeitsziel" des ÖAK „die Klärung der beiderseitigen Terminologie" anführt. Als man sich 1962 mit dem Ertrag der bisherigen Arbeit auseinandersetzte, behielt man die Zielsetzung auch für die Zukunft bei, wobei die Ansichten darüber auseinandergingen, inwieweit auch der ÖAK durch Überzeugungsarbeit auf die Einheit beider Kirchen hinarbeiten sollte. Schlink hatte daran erinnert, daß gemäß der Satzung des Arbeitskreises von 1946 keine Unionsverhandlungen angestrebt werden sollten (Schlink, E., Pneumatische Erschütterung, in: KuD 8/1962, 221-237, 230/231). Der Tenor der Voten ging dahin, daß mit dem Dialog Überzeugungsarbeit geleistet werden solle, die die Gesamtsituation der Kirche verändere, daß jedoch keine Einzelkonversionen anzustreben seien. Schlink und Schmaus verstanden die Gespräche erst als mittelbar auf die Einheit hin gerichtete Unterredungen, da sie als Voraussetzung für Unionsgespräche die noch nicht erreichte gegenseitige Anerkennung als Kirche ansahen. Lortz hingegen wertete sie schon als Unionsgespräche, da es bereits die Überzeugung beider Partner sei, daß in der jeweils anderen Konfession die Kirche Jesu Christi zu finden sei. Während für Schmaus die neutrale Darstellung der Wahrheit als Zielsetzung ausreichte, betonte Rahner, daß sie in überzeugender Weise erfolgen müsse. Daß dies dem Arbeitskreis nur in begrenzten, konkreten Stücken der Lehre gelingen könne, hob Anz hervor. Festgehalten wurde die Absicht zu verbindlichen Gesprächen (Protokoll der 23. Tagung 1962, 5-11 und 44). 17 Zwar brachte Bischof Kunst in späteren Jahren das kirchenpolitische Element stärker zur Geltung, doch dies betraf im wesentlichen die Abendgespräche und beeinflußte nicht die theologische Arbeit des Kreises. Vgl. dazu H. H. Wolf an Schlink am 23.5.77 (Korr Schlink): „Ich bin auf der einen Seite sehr einverstanden damit, daß Kunst unser Bischof in dieser Runde ist. Ich schätze ihn einerseits hoch, habe andrerseits aber auch immer wieder Vorbehalte gegen ihn. Ich will das hier im einzelnen nicht erklären. Aber seit er in unserem Kreis ist, hat sich einiges gewandelt: Seine abendlichen Glanzstücke sind von allen hochgeschätzt Auf der anderen Seite hat er ein starkes kirchenpolitisches Element in unseren Kreis hineingebracht.. Aber ich dachte daran, in welch schöner Unbekümmertheit wir in früheren Jahren auf solche Dinge in aller Offenheit zu sprechen gekommen waren. Es herrschte noch eine gewissen Unbefangenheit, mit der wir uns auf gegenseitige Mißstände aufmerksam machten. Ich empfand das immer als sehr wohltuend und habe vor allen Dingen immer mit Vergnügen beobachtet, wie Du Deine Pfeile aus Deinem berühmten Köcher hervorholtest und sie in bekannter Weise abschössest. Natürlich waren es alles Herzschüsse, und die Leute rangen mit freundlicher Miene nach Atem. Ich fände es eigentlich schade, wenn wir diese Unbefangenheit preisgäben, Dinge, die wir beobachten, in diesen informellen Zusammenkünften beim Namen zu nennen und sie dabei vielleicht abzustellen."

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Deutschland als „Bruderschaft Una-Sancta" um M. J. Metzger entstanden war und sich unter M. Laros und Th. Sartory weiter ausbreitete.18 Vielmehr ist der ÖAK einzuordnen in die Bemühungen der Katholischen Kirche, die Una-Sancta-Bewegung, deren verschiedene Gruppierungen häufig versuchten, durch Vereinfachung theologischer Probleme und Vorwegnahme der Gottesdienstgemeinschaft die Kircheneinheit herzustellen, in rechte Bahnen zu lenken. So war die Anfangszeit des OAK gekennzeichnet von der Abgrenzung gegenüber dieser Bewegung.19 Nicht zuletzt wegen deren zum Teil zweifelhaften Aktivitäten nämlich war die Stimmung in beiden Kirchen gegenüber dem ÖAK zu Anfang äußerst schlecht Auf evangelischer Seite mußten sich vor allem Schlink und Stählin wegen ihres ökumenischen Engagements heftig gegen den Vorwurf „katholisierender Neigungen" auch von offizieller Seite zur Wehr setzen.20 Die Geheimhaltung der Gespräche21, die Bedeutung, die man der Anbindung an die Kirchenleitungen einräumte, die strenge Vorgehensweise gegenüber Mitgliedern,

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Vgl. Höfer, a.a.O., 464. Siehe unten, Abschnitt 6.1. 20 Von evangelischer Seite warf man ja Stählin schon wegen seiner Zugehörigkeit zum Berneuchener Kreis und dann auch wegen seiner Teilnahme an den Tagungen des Arbeitskreises „katholisierende Neigungen" vor, was ihn im April 1946 zur Abfassung eines Vortrags mit dem Thema „Katholisierende Neigungen in der Evangelischen Kirche" brachte, in dem er klarstellte, welches legitime „katholisierende Neigungen" sind, die der Einheit dienen, bzw. welche Bestrebungen in der Evangelischen wie in der Katholischen Kirche nicht dem Evangelium gemäß und daher nicht akzeptabel sind. (Vgl. Stählin, W., Via Vitae, 554 und Stählin, W., Katholisierende Neigungen in der Evangelischen Kirche, Stuttgart 1947). Bei seiner Amtseinführung als Bischof von Oldenburg 1946 schlug Stählin ebenfalls die ablehnende Haltung der evangelischen Kirchenmänner entgegen, als er um die Assistenz eines ausländischen Bischofs und eines schwedischen Bischofs nachsuchte, um den ökumenischen Charakter dieser Handlung zu betonen und um in der apostolischen Sukzession zu stehen. Für solche Zeichen, die im heutigen ökumenischen Dialog im Ringen um die gegenseitige Anerkennung der Amter als mögliche Elemente auf dem Weg zu einem gemeinsamen Amt angesehen werden, hatte man damals noch kein Verständnis (Via Vitae, 429/30). 19

1950 verhinderten Gerüchte um Stählins „katholisierende Neigungen" die Teilnahme von EKD-Ratsmitgliedern an der Tagung des ÖAK. Dies kam für Schlink nach seinem positiven Eindruck bei seinem Bericht in der Ratssitzung im März überraschend, und er vermutete zunächst, es sei Ausdruck des Mißtrauens einer Gruppe um Niesei gegenüber dem „primär lutherischen Gremium". Dann aber machte er die Gerüchte über katholisierende Tendenzen Stählins dafür verantwortlich, die ihm vor allem in der Form eines Briefs von Dr. Peter Katz, einem Mitglied der Faith and Order-Konferenzen, begegneten, in dem dieser Stählin katholisierender Äußerungen bei der letzten Tagimg bezichtigte (Katz an Schlink, 14.11.49, Korr Schlink). Schlink versprach Stählin, ihn zu unterstützen, zumal ihm Schweitzer aus Genf mitgeteilt hatte, daß sich Stählin bei der Faith and Order-Konferenz durchaus im Rahmen der lutherischen Reformation zu Fragen der Liturgie ausgesprochen habe (Schlink an Stählin, 8.2.50, ebd.) 21 Um die Unbefangenheit der Gespräche zu gewährleisten, beschloß man in Werl zunächst noch sehr vage, nicht alles zu veröffentlichen, was in Zukunft besprochen würde. Auch andere ökumenische Gremien sollten nur mündlich unterrichtet werden (Stählins Niederschrift der Besprechung, 4).

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die durch ihr Verhalten oder ihre Äußerungen den ÖAK in der Öffentlichkeit in die Nähe zu Unionsgesprächen der Una-Sancta brachten, sind aus dieser Situation heraus zu erklären. Denn nicht selten verwendeten Mitglieder dieser Bewegung Äußerungen von Arbeitskreisteilnehmern zu „Propagandazwecken".

2. Der „offiziöse" Charakter des Kreises: Das Verhältnis zu den Kirchenleitungen Daß mit Jaeger und Stählin zwei Bischöfe dem Kreis vorstanden, hielt man noch nicht für eine ausreichende Absicherung gegenüber den Anfeindungen der Anfangszeit. Vielmehr suchte man die Anbindung an beide Kirchen, indem man die Genehmigung zur gemeinsamen Arbeit einholte, ohne sich jedoch an die Erfüllung eines bestimmten Auftrags zu binden. Der ÖAK handelte damit nicht offiziell im Auftrag der Kirchen, aber mit deren Zustimmung, so daß Stählin stets vom „offiziösen" Charakter des Kreises sprach:22 „Von A n f a n g an hatte das Dasein dieser beiden ökumenischen Arbeitskreise insofern einen o f f i z i ö s e n ' Charakter, als der Erzbischof von Paderborn dabei im Auftrag der Fuldaer Bischofskonferenz handelte, und wir Evangelischen z u m mindesten im Einverständnis mit d e m Rat der Evangelischen Kirche in D e u t s c h land."

1947 genehmigte das Hl. Offizium die beiden Arbeitskreise und unternahm damit einen ersten Schritt zur „Legalisierung" bisher ausschließlich privat geführter ökumenischer Gespräche.23 Von Seiten der EKD war man zurückhaltender. Stählin berichtete bei der Kirchenführerkonferenz in Treysa im Mai 1946 dem damaligen Vorsitzenden des Rates der EKD und württembergischen Landesbischof Wurm und der Kirchenkanzlei der EKD z.H. von Hans Asmussen von der Gründung der beiden Arbeitskreise. Wurm brachte daraufhin die Zustimmung des Rates der EKD zur Gründung des Arbeitskreises zum Ausdruck, verbunden mit der Bitte, von Zeit zu Zeit über den Gesprächsverlauf unterrichtet zu werden.24 Dies geschah, indem zeitweilig die Protokolle an das Archiv der Kirchenkanzlei geschickt 22

Vgl. Stählin, Via Vitae, 555. So Höfer in seinem Art Una-Sancta-Bewegung, in: LThK 10, 463-466, 464. 1949 teilte Höfer nach einer Romreise mit, daß Arbeitsmethode und Zielsetzung der Arbeitskreise in Rom ausdrücklich gebilligt worden seien. Als Aufgabe des Kreises hatte er dort die „Beschränkung der Arbeit auf die Klärung der Begriffe, das Studium und die Diskussion der Quellen der Offenbarung und der beiderseitigen Dogmatik" genannt (Höfer an Stählin am 2.6.49, Korr EvAk). 24 Schreiben vom 2.5.46 an Stählin (Korr Schlink). 23

Der „offiziöse" Charakter des Kreises

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wurden und Stählin mehrmals mündlich dem Rat Bericht erstattete.25 Eine offizielle Beauftragung, um die man den Rat der EKD nachgesucht hatte, um dem Evangelischen Kreis denselben Status wie dem Katholischen zu verleihen, erfolgte jedoch nicht Ihr standen besonders Widerstände der bayrischen Ratsmitglieder im Wege. Wurm sagte aber seine Teilnahme bei der ersten geplanten Arbeitstagung in Hardehausen im September zu und bekundete damit sein persönliches Interesse an der geplanten Arbeit 26 In der Zukunft lud man jeweils einen Vertreter der EKD, meist den Bischof der Landeskirche, in deren Bereich man tagte, als Pendant zu Erzbischof Jaeger ein, selten aber mit Erfolg. Die Gespräche sollten nach Auffassung der EKD im privaten Rahmen bleiben. Gerade wegen seines nicht offiziellen Charakters fragte man 1949 bei Stählin an, ob im Plenum des Arbeitskreises oder auch nur im Gespräch mit gewichtigen Vertretern des Katholischen Kreises eine Erörterung der Mischehengrundsätze der Katholischen Kirche erfolgen könne, die der Kanzlei von Landesbischof Lilje als Eingabe eines interkonfessionellen Aus25

Stählin, W., Via Vitae, 555. Vgl. Stählin an Schlink, 6.5.46; Schlink an Stählin, 15.5.46 (Schlink brachte hierin seine Enttäuschung über die zurückhaltende Reaktion des Rates der EKD zum Ausdruck) und Wurm an Stählin, undatiert (alle Korr Schlink). Als der ÖAK 1953 eine Arbeitstagung in der Ev. Akademie in Tutzing durchführen wollte, bekam man nochmals die skeptische Haltung zu evangelisch-katholischen Gesprächen innerhalb der bayrischen Landeskirche zu spüren. Während Landesbischof Meiser es begrüßte, daß eine Tagung in Tutzing stattfinden sollte, da er die Arbeit dieses „Una-Sancta-Kreises" mit Interesse verfolge und sie für „ernstzunehmend" und „nicht ganz fruchtlos" halte (Meiser an Stählin, 16.10.52, Korr EvAk) und dieses Mal ein Grußwort sprach - Stählin hatte um seine Teilnahme als Pendant zu Erzbischof Jaeger gebeten - , hatte der zuständige Referent im Landeskirchenamt zunächst Bedenken gegenüber einer Aufnahme des Arbeitskreises in der Ev. Akademie geäußert. Aus einem Brief von Pfarrer Hildmann (Tutzing) an Stählin vom 11.10.52 (Korr EvAk) geht hervor, daß der Grund dafür in der Skepsis innerhalb der Landeskirche gegenüber der Akademiearbeit im allgemeinen und dem in Tutzing ebenfalls stattfindenden Dialog mit den Katholiken im besonderen zu suchen wan „Da die Akademie eine Außenstelle des Landeskirchenrats ist, mußte ich erst Rücksprache mit dem betreffenden Referenten in München nehmen, ehe ich Ihre Frage beantworten konnte, ob wir die evangelisch-katholische theologische Konferenz bei uns aufnehmen können. Es wurde mir nun leider davon abgeraten, und zwar im Hinblick auf die noch immer schwierige Situation der Akademie in unserer Landeskirche. Es fällt nämlich nicht wenigen Amtsbrüdern und auch Laien in der Synode nicht leicht, den Weg der Akademie zu billigen und zu verstehen. Mit besonderer Besorgnis wird auch gerade unser brüderliches Sprechen mit katholischen Referenten und Tagungsteilnehmern beobachtet. Diese Freiheit gemeinsamen Sprechens möchte ich mir unter keinen Umständen rauben lassen. Eine Beherbergung der evangelisch-katholischen theologischen Konferenz würde aber im Urteil meiner Kritiker unsere eigene Gemeinsamkeit mit katholischen Freunden sehr belasten. Aus diesen Gründen bin ich traurig, von mir aus nicht zusagen zu können. Ich möchte aber doch empfehlen: Wollen Sie nicht einfach an Bischof Meiser schreiben? Er ist schließlich der Hausherr der Akademie. Seine Zustimmung würde die erwähnten Schwierigkeiten aus dem Wege schaffen und doch eine Tagung hier ermöglichen." Meiser ermöglichte dann tatsächlich die Abhaltung der Tagung in Tutzing. 26

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sprachekreises in Schlüchtern/Hessen zugesandt worden waren.27 Stählin schlug daraufhin vor, daß zur 7. Tagung im September endlich einmal ein Vertreter des Rates kommen solle, mit dem Auftrag Liljes, die Angelegenheit mit Jaeger zu besprechen. Zwar sei er selbst auch zu einem Gespräch mit Jaeger in dieser Angelegenheit bereit, aber ein Vertreter der EKD hätte mehr Gewicht Die Diskussion im Plenum lehnte er ab, da es sich bei dem Jaeger-Stählin-Kreis um einen rein theologischen Aussprachekreis handle.28 Der damalige Präsident der Kanzlei der EKD, Brunotte, wiederum äußerte daraufhin Bedenken gegenüber Verhandlungen in offizieller Form, da der Aussprachekreis von Schlüchtern das Problem der Mischehe viel zu einfach sehe. Deshalb lasse man die Angelegenheit auf sich beruhen, falls der Arbeitskreis sich nicht damit beschäftigen wolle.29 Stählin lud daraufhin verstärkt einzelne Mitglieder des Rates zur Teilnahme an der 7. Tagung ein, da der Arbeitskreis zwar im Verborgenen wirken wolle, jedoch in gesamtkirchlicher Verantwortung, und da außerdem ein offizieller Vertreter der EKD das Pendant zu Erzbischof Jaeger wäre, der an den Tagungen regelmäßig teilnehme. Sämtliche geladenen Vertreter der EKD entschuldigten sich jedoch - aus terminlichen Gründen, wie es hieß. Im Oktober teilte Brunotte dann Stählin den wohl eigentlichen Grund für das mangelnde Interesse der Ratsmitglieder an einer Teilnahme an der 7. Tagung mit: Der Rat halte die Teilnahme der Ratsmitglieder am Arbeitskreis für „untunlich". Trotzdem habe man weiterhin großes Interesse an den Berichten.30 Stählin resignierte daraufhin und schrieb im November an Schlink, er wolle nun das „unwürdige und beschämende Spiel" mit der EKD nicht mehr fortsetzen.31 Es ist nicht ganz verständlich, weshalb Stählin so sehr auf die Teilnahme eines Ratsmitglieds der EKD Wert legte. Davon, daß man dies von katholischer Seite gefordert hätte, ist nirgends die Rede. Rom genehmigte die Gespräche auch so weiterhin, und war nicht Stählin selbst als Landesbischof „ebenbürtiges" Pendant zu Erzbischof Jaeger? Die EKD unterstützte den Kreis immerhin finanziell32 und nahm zur 27

Von Harting an Stählin, 7.6.49 (Korr EvAk). Stählin an von Harling, 10.6.49. 29 Brunotte an Stählin, 5.7.49. 30 Hartenstein an Stählin, 13.7.49; Stählin an den Rat der EKD, 23.7.49; Brunotte an Stählin, 2.9.49 und 25.10.49. 31 Stählin an Schlink, 2.11.49 (alle Angaben bis hierher aus Briefwechsel Stählin/Kanzlei der EKD 6/46-3/50, Korr EvAk). 32 Die Tagungen, zu denen der Evangelische Kreis einlud, wurden anfangs nicht nur von der EKD, sondern auch von den jeweiligen Landeskirchen finanziert Wegen der Ungewißheit über die künftige finanzielle Lage der EKD wollte man keine „unbegrenzte und unbefristete Rechtsverpflichtung" eingehen und bewilligte deshalb die Gelder „von Fall zu Fall". (Dr. Merzyn an Stählin, 25.6.46, Briefwechsel Stählin/Kanzlei der EKD 6/46-3/50, Korr EvAk). Hatte die westfälische Landeskirche, in der der ÖAK entstanden war und in der Anfangszeit regelmäßig tagte, zunächst zumindest die Unkosten für die westfälischen OAK28

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Kenntnis, was besprochen wurde, doch auch innerhalb des Rates der EKD meinte man Rücksicht nehmen zu müssen auf die Furcht mancher Kreise vor „katholisierenden Neigungen".33 Interessant ist, daß man schon damals den Kreis als Gremium verstand, das man mit der Aufarbeitung bestimmter Fragenkreise im Zusammenhang der Ökumene betrauen konnte, wenn es auch damals noch nicht um eine offizielle Studie ging, wie sie später mit „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" von der 1980 eingesetzten Gemeinsamen Ökumenischen Kommission (GÖK) in Auftrag gegeben wurde. Vielmehr sollte die Auseinandersetzung mit der Problematik gerade nicht auf offizieller Ebene erfolgen und wurde deshalb quasi in den „privaten" Bereich des ÖAK „verbannt". Bereits 1974 beriet man jedoch über das Verhältnis des ÖAK zu dem „Kontaktgespräch", einem ebenfalls bundesweiten bilateralen Gremium von Vertretern des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz wie später die GÖK, das schon seit 1968 zusammentrat, um aktuelle kirchenpolitische, theologische und ethische Fragen zu behandeln.34 Dieses Gremium, dem aus dem ÖAK Kardinal Volk und Bischof Kunst angehörten, war nämlich mit der Bitte an den ÖAK herangetreten, „ihm in den theologischen Fragen beratend zur Seite zu stehen. Dabei sollen beide Seiten ihre Freiheit behalten, einen solchen Auftrag anzunehmen oder nicht, und das Ergebnis zu übernehmen oder nicht."35 Damit wollte man der Tatsache Rechnung tragen, daß bei den Treffen zum Kontaktgespräch die theologischen Zusammenhänge häufig nicht ausreichend geklärt werden konnten. Der ÖAK gelangte zu dem Ergebnis, unbedingt als selbständiger Kreis mit eigenen Arbeitstagungen fortbestehen zu wollen, sich jedoch für Voten Mitglieder übernommen, so war man dazu nicht mehr bereit, als der Kreis nach 1951 nicht mehr im westfälischen Predigerseminar auf dem Kupferhammer tagen konnte. Ein gesamtkirchlicher Kreis sollte nach Ansicht von Präses Wilm auch von der Gesamtkirche getragen werden (Wilm an Stählin, 2.12.50, Korr EvAk). Als man 1953 in Bayern tagte, war man auch dort wegen der bereits geschilderten Vorbehalte nicht zu finanzieller Hilfe bereit, und das Defizit mußte von der Kirchenkanzlei der EKD gedeckt werden (H. H. Wolf an Stählin, 10.5.53 und Stählin an Wolf, 16.5.53, Briefwechsel Stählin 1946-56, Korr EvAk). Diese Zurückhaltung und die Tatsache, daß es die Vertreter der Landeskirchen häufig aus kirchenpolitischen Gründen nicht für geboten hielten, zu den Arbeitstagungen zu erscheinen, unterstreichen, wie skeptisch man lange Zeit auch von offizieller evangelischer Seite dem ÖAK gegenüber eingestellt war. So lehnte es Präses Wilm auch ab, bei der 15. Tagung 1954 ein Grußwort zu sprechen, weil er der Arbeit gegenüber - besonders weil ein so angefochtener Mann wie Asmussen mitarbeite - zu große Bedenken habe (Wilm an Mumm, 22.2.54, Korr EvAk). 33

Ein weiteres Beispiel dafür, daß der Kreis von verschiedenen Seiten immer wieder angefeindet wurde, ist ein Angriff in der Synode der EKD in Spandau 1954, aufgrund dessen man ausnahmsweise einen Artikel über den ÖAK in epd Bayern Nr. 10 vom 18.3.54 zuließ, in dem die Vorwürfe entkräftet werden sollten (Stählin an Zahrnt, 12.4.54, Pressenotizen und Briefwechsel zu Presseveröffentlichungen, Korr EvAk). Siehe unten Anm. 120. 34 Vgl. Urban, H. J./Wagner, H., Handbuch der Ökumenik III/2, Paderborn 1987, 314. 15 Protokoll der 35. Tagung 1974, 12.

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zur Verfügung zu stellen, die unter Umständen auch von einem kleineren Kreis ausgearbeitet werden könnten, um dann vor der Absendung allen Mitgliedern mitgeteilt zu werden. Nochmals bekräftigte man, der ÖAK wolle sich auf die langfristige Behandlung dogmatischer Probleme beschränken, während z.B. die „Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen", der 1974 gerade die Katholische Kirche offiziell beigetreten war, zu aktuellen Fragen angegangen werden sollte.36 Von Seiten der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD) wurde die Arbeit des ÖAK uneingeschränkt anerkannt. In den Jahren 1955/56 war zwar das Gerücht entstanden, die Augsburgische Bischofskonferenz37 habe einen Beschluß gefaßt, nach dem das Gespräch mit der römischen Kirche auf höchster Ebene zu eröffnen sei, bzw. die VELKD habe die Absicht, einen eigenen Aussprachekreis nach Art des bereits existierenden Jaeger-Stählin-Kreis zu gründen. Innerhalb des Evangelischen Arbeitskreises mußte man sich deshalb fragen, ob dies als eine Absage an den eigenen Kreis zu verstehen sei.38 Jaeger brachte seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, daß die VELKD bisher nicht am ÖAK beteiligt war, und hegte die vage Vermutung, der bayrische Landesbischof Dietzfelbinger wünsche möglicherweise im bayrischen oder süddeutschen Raum einen eigenen Kreis.39 Dietzfelbinger stellte jedoch richtig, daß die Kirchenleitung der VELKD keinen anderen Kreis gründen wolle.40 Es entstand zwar ein ökumenischer Ausschuß, aber kein neuer Kreis mit katholischen Gesprächspartnern. Infolge des Interesses, das Dietzfelbinger aber generell an den ökumenischen Gesprächen zeigte41, beschloß man, ihn als Gast zur 18. Tagung einzuladen. Die Tatsache, daß er schließlich von der VELKD beauftragt wurde, das Gespräch zwischen den beiden Konfessionen zu pflegen, trug dazu bei, daß er bei der Jahrestagung 1958 als ständiges Mitglied in den Arbeitskreis aufgenommen wurde.42 Obwohl durch den halboffiziellen Charakter des Kreises keine unmit36 Ebd., 47 ff. Vgl. besonders Schlink, 49: „Es gibt so viele ökumenische Ausschüsse. Es ist genau zu überlegen, wo etwas hingeleitet wird. Bei uns hier wären grundlegende Fragen zu behandeln. Aktuelle Fragen sollten ausgewählten Mitgliedern zugeleitet werden. Es wäre gut, die Mitglieder aller Kommissionen zu wissen, die über uns angehende Themen arbeiten." 37 Die Bischofskonferenz tagte am 26.9.1955. (Vgl. Luth. Kirchenamt Hannover, Lutherische Generalsynode 1956. Bericht über die zweite Tagung der zweiten Generalsynode der VELKD vom 2.-7.Juni 1956 in Hannover, 344). 38 Stählin an Schlink, Asmussen u. Wendland, 22.10.55 (Korr Schlink), Stählin an Jaeger, 16.7.56 (Briefwechsel Stählin/Jaeger, Korr EvAk). 39 Jaeger an Stählin, 19.7.56 (Briefwechsel Stählin/Jaeger, Κοιτ EvAk). 40 Stählin an Schlink, 1.10.56 (Briefwechsel Stählin/Schlink, Korr EvAk) und Stählin an Jaeger, 8.10.56 (Briefwechsel Stählin/Jaeger, Korr EvAk). 41 Dietzfelbinger hatte bei der Luth. Generalsynode 1956 in Hannover ein Referat zum Thema „Toleranz und Intoleranz zwischen den Konfessionen" gehalten. Diese Synode hatte sich im Ganzen mit dem Toleranzproblem befaßt (Vgl. Luth. Generalsynode 1956, 59-82). 42 Stählin an Jaeger, 28.10.57 (Briefwechsel Stählin/Jaeger, Korr EvAk).

Der „offiziöse" Charakter des Kreises

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telbare Abhängigkeit bestand, beeinflußte er doch personelle Entscheidungen ebenso wie die Veröffentlichungspraxis und die Haltung in Situationen, in denen die Fortsetzung der Gespräche fraglich war. Der ÖAK nahm dadurch bald eine Vorbildfunktion für ökumenische Gespräche ein, die von kirchlicher Seite anzuerkennen waren. Die Instruktion des Hl. Offiziums von 1948 und Richtlinien der VELKD von 1958, die die vielfältigen ökumenischen Aktivitäten damals regeln sollten, betrafen nicht nur nicht den ÖAK, sondern legten seine Arbeitsweise als Maßstab zugrunde.43 Einerseits war und ist die enge Anbindung an beide Kirchen also die Voraussetzung für die Anerkennung des OAK, für seine kontinuierliche Arbeit bis heute und für die Rezeption der erarbeiteten Ergebnisse, auf die man selbst freilich lange Zeit weniger Wert legte. Andererseits wurde die zunehmende Bedeutung, die man ihr in der Anfangszeit beimaß, von einigen Theologen aus den eigenen Reihen, deren theologische Positionen sich stark von der Mehrheitsmeinung abhoben, kritisiert. Hermann Sasse hatte von vornherein die Kammer der EKD als für den Evangelischen Kreis verantwortliches Gremium entschieden abgelehnt. Nach der Begründung 1946 schrieb er an Meiser: „Wie wichtig es ist, daß das deutsche Luthertum die ökumenische Arbeit nicht jedem Beliebigen überläßt oder sie zur Sache der EKiD macht, wurde mir an einem Fall klar, über den ich Ihnen ... bei dieser Gelegenheit kurz berichten darf. Der Erzbischof von Paderborn, Dr. Laurentius Jäger, ist von der Bischofskonferenz beauftragt worden, eine Studiengemeinschaft ins Leben zu rufen, in der katholische und evangelische Theologen sich zur wissenschafdichen Aussprache begegnen sollen... Auf Veranlassung des evangelischen Pfarrers Mittorp in Paderborn, eines trefflichen Lutheraners, wurde ich dazu eingeladen und nahm trotz der Schwierigkeiten der Zeit an der Begründung teil . . . Hätte der Paderborner Pfarrer nicht aufgepaßt, so wäre die Sache ohne mich zu einer Angelegenheit der EKiD geworden."44

Für Sasse gehörte es zu einer „der wichtigsten Fragen, die in nächster Zeit zu klären sind, ... wie weit die ökumenische Vertretung des deutschen Kirchentums in den Händen der EKiD oder der Vereinigten luth. Kirche liegen soll."45 43

Vgl. unten Abschnitt 5. Sasse an Meiser am 22.4.46 (Landeskirchenamt Hannover), vgl. Stählins Niederschrift der Besprechung in Werl, 2/3. 45 Vgl. ebenfalls Sasse an Meiser. Sasse war nur bei der Gründungssitzung und der 1. Arbeitstagung 1946 in Hardehausen anwesend, weil er kurz darauf aus der bayrischen Landeskirche austrat, in die lutherische Freikirche übertrat und an das lutherische Seminar in Australien ging. Stählin bezeichnete diesen Weg als „Weg in die Sekte" (Schlink an Stählin, 3.11.48 und Stählin an Schlink, 9.11.48, Korr Schlink). Er hatte sich bereits für die 3. Tagung 1947 entschuldigt und war damit seinem Ausschluß aus dem ÖAK durch Stählin und Schlink zuvorgekommen. Denn Sasse war zwar von Meiser nicht zur Tagung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Lund 1947 delegiert worden, hatte aber einen Brief nach Lund geschrieben, 44

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität

Als Heinrich Schlier wegen Gerüchten um seine Konversion 1948 von Stählin aufgefordert wurde, dem ÖAK fernzubleiben, mit der Begründung, der Evangelische Arbeitskreis sei vom Rat der EKD anerkannt und auf dessen finanzielle Unterstützung angewiesen, wies er darauf hin, daß er nie von evangelischer Seite zu dem Arbeitskreis delegiert worden, sondern von Dompropst Paul Simon als Exeget zur ersten Zusammenkunft gebeten worden sei. Ursprünglich habe der nichtoffizielle Charakter der Gespräche, bei denen jeder Theologe auf eigene Verantwortung teilgenommen habe, die Unbefangenheit der Arbeit unterstützt. Den „halboffiziellen Kurs" habe er nur „aus Interesse an der Sache" mitgemacht: „Sie werden wahrscheinlich argumentieren, daß es solchen ,einzelnen Theologen' nicht gibt Ich meine - und das ist der tiefste Grund für meine Haltung - , daß es ihn nach den Prinzipien der Evangelischen Kirche geben kann und daß die heutige Lage der Evangelischen Kirche und ihrer Theologie, ja der Kirche und Theologie überhaupt, ihn eine Realität sein läßt. Es ist geradezu die Stärke der Evangelischen Kirche heute, daß sie ihn hat und haben kann. Denn so gewiß das Bekenntnis nicht Sache der Entscheidung des Einzelnen für sich ist, so gewiß fallen die Vorentscheidungen theologischer Art im Einzelnen. Das heißt aber, sie fallen heute so, daß ein Theologe theologisch schon jenseits der Kirche stehen kann, zu der er gehört Daß die Theologie und besonders die exegetische und historische Theologie weithin über die evangelische Tradition hinausgewachsen ist, ist kein Geheimnis mehr. Das geistliche Leben, wie Sie, Herr Bischof, besser wissen als ich, ist es ja auch. Daß dieser Schritt über die evangelische Tradition hinaus zu einer neuen Entdeckung katholischer Lehre führte, ist m. E. ein hoffnungsvolles Zeichen für beide Kirchen. Sollte es in solcher Situation verwundern, wenn ein Theologe, der die Theologie nicht nur in der Distanz betreibt, aufs dringendste vor die Frage gestellt ist, wo die Kirche Christi ist und wohin er selbst zu gehen hat?"46 Er forderte ferner für die ökumenische Arbeit völlige Offenheit in der Sache.

mit Anklagen gegen die Kirchenversammhing in Treysa, weil dort von der EKD statt von einem Bund selbständiger evangelischer Kirchen gesprochen wurde. Die dort beschlossene Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern und Reformierten bezeichnete er als den Weg zur Union. Weil Sasse vorher nach ihrer Kenntnis nicht mit den angegriffenen Lutheranern, vor allem Meiser, gesprochen hatte, hegten Stählin und Schlink Zweifel, ob er weiter an den Tagungen des ÖAK teilnehmen könne (Stählin an Schlink, 8.7.47). Daß auch Stählin von Sasse auf die Seite der Union gerückt wurde, war diesem im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit den „BK-lern" einerseits recht Schlink führte den Schritt Sasses auf dessen völlige Isolierung in Erlangen zurück. Da Sasse von den katholischen Organisatoren schon nach Driburg zur nächsten Tagung eingeladen war, schlug er vor, dort mit Sasse zunächst zu reden, da die innerevangelischen Auseinandersetzungen nicht vor den Augen des Katholischen Kreises ausgetragen werden sollten (Schlink an Stählin, 26.7.47 und Sasse an Schlink, 19.12.47, alle Korr Schlink). * Schlier an Stählin, 3.3.49 (Korr EvAk).

Die Zusammensetzung des Kreises

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Dieselbe Forderung stellte Gottlieb Söhngen zwei Jahre später in Anknüpfung an die von Rom erlassene Instruktion zur ökumenischen Arbeit. Er faßte ihren Erlaß als Gängelung der Ökumeniker auf und kündigte an, nur dann weiterhin im ÖAK mitzuarbeiten, wenn diese aufhöre und er frei agieren könne. Eine offizielle Aufsicht durch Rom über den Vorsitz Erzbischof Jaegers hinaus hielt er für überflüssig. Sich selbst bezeichnete er mit dieser Einstellung als Außenseiter im Katholischen Kreis.47 Obwohl der Vorwurf der einseitigen Zusammensetzung vor allem des Evangelischen Kreises immer wieder nicht ganz zu Unrecht erhoben wurde, zeigen die drei Stellungnahmen zur Anbindung des Kreises an die Kirchen, daß es dennoch genügend Stoff für Auseinandersetzungen gab.

3. Die Zusammensetzung

des Kreises

Bei der Gründungstagung in Werl hatte man auch festgelegt, daß jeder Arbeitskreis bis zu 12 Mitglieder umfassen sollte, von denen die Mehrzahl Theologen, eine geringe Anzahl aber auch Philosophen und Vertreter anderer Fakultäten sein sollten.48 Neue Mitglieder sollten nur in gegenseitiger Absprache aufgenommen werden.49 Anfangs lud man auch fachlich weniger kompetente Pfarrer und Theologen ein, die jedoch ökumenisch sehr interessiert waren. Im Laufe der Zusammenarbeit schätzte aber interessanterweise jede Seite die jeweils andere als fachlich kompetenter ein und bemühte sich, Mitglieder des eigenen Kreises, die weniger zum Gespräch beigetragen hatten, durch Spezialisten zu ersetzen.50 Waren anfangs über47 Briefwechsel Söhngen/Höfer vom 24.1.51 bis 21.2.51 (Nachlaß Höfer). Höfer wies jedoch auf die ebenfalls enge und strenge Bindung der Evangelischen an ihre Kirchenleitung hin. 48 Vgl. die Zusammenstellung der Mitglieder bis 1988 von Stefan Henrich aus seiner Dokumentation über den ÖAK in: KuD 35/1989, 258-295, 277-288, und die maschinenschriftliche Dokumentation selbst, 14-18, zur allgemeinen Struktur des ÖAK. 4 ' Stählin, Via Vitae, 556. 1958 wurden beide Kreise auf 18 Mitglieder erweitert, seit 1970 auf 20. Doch bei den Tagungen waren, unter anderem durch die jeweilige Atmosphäre innerhalb des Kreises bedingt, häufig weit weniger Mitglieder anwesend. Siehe unten Abschnitt 5. 50 Vgl. Schlink an Stählin am 11.7.48 (Korr EvAk). Hier schlägt er in Übereinstimmung mit Brunner und von Campenhausen vor, auf Pfarrer Schumann aus der Michaelsbruderschaft zu verzichten und dagegen mehr Fachleute einzuladen. Da Schumann dennoch an der Tagung teilnahm, war Stählin damit offensichtlich nicht einverstanden, was angesichts der Position Schumanns in der Michaelsbruderschaft und im Hinblick auf Stählins ständige Forderung nach dem Bezug der Gespräche zum Gemeindeleben und vor allem zur Liturgie nicht verwundert Schlink zeigt sich in demselben Brief sogar besorgt um die Weiterführung der Gespräche bei der gegenwärtigen Besetzung des Evangelischen Kreises, der durch das Verhalten Schliers schon geschwächt sei. Vgl. auch Jaeger an Volk am 14.10.57 (Nachlaß Jaeger). Er versuchte damals bereits seit anderthalb Jahren, Mitglieder zu ersetzen, um ein arbeitsfähiges Gremium zu erhalten.

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität

wiegend Dogmatiker und Neutestamentier vertreten, so bezog man - bedingt durch das breite Spektrum der behandelten Themen - mit der Zeit auch Vertreter der anderen Fächer mit ein, vor allem Kirchengeschichtler, Alttestamentler, Fundamentaltheologen, Liturgiewissenschaftler und Kirchenrechtler. Scheidet ein Mitglied aus, so wird bis heute in einer internen Sitzung des betroffenen Kreises, der sogenannten „itio in partes", die bei jeder Tagung stattfindet, ein Theologe, meist aus demselben Fachgebiet, als Nachfolger vorgeschlagen und der andere Kreis um Zustimmung gebeten. Bei der nächsten Tagung nimmt er als kooptiertes Mitglied teil, um dann als Vollmitglied aufgenommen zu werden. Vertreter aus Fächern außerhalb des theologisch-philosophischen Bereichs, wie Juristen, Soziologen oder Physiker, sind von jeher nur zu bestimmten Tagungen als Gäste oder Referenten anwesend.51 Gäste, die der Mehrheit der Teilnehmer unbekannt sind, werden nur ausnahmsweise zugelassen. Mitgliedern, die nicht mehr aktiv an den Arbeitstagungen teilnehmen können oder wollen, räumt man den Status einer korrespondierenden Mitgliedschaft ein und hält sie durch die Versendung der Protokolle auf dem Laufenden. Für deren Abfassung bestellt jede Seite ein nicht offizielles und damit nicht stimmberechtigtes Mitglied des Kreises als Protokollanten.52 Bei der Zuwahl der Mitglieder war es besonders in der Anfangszeit von großer Bedeutung, daß man - wie oben bereits erwähnt - streng auf deren Loyalität gegenüber der Kirche und ihrer Lehre achtete. Manch einer wurde aus kirchenpolitischen Gründen oder wegen der Neigung zu unvorsichtigen Äußerungen gar nicht erst in den Kreis aufgenommen, nicht mit einem Referat betraut oder mußte gar ausscheiden.53 Von katholischer Seite 51

Eine Ausnahme stellte Ο. H. von der Gablentz dar, der als Politikwissenschaftler von 1947 bis 1957 Mitglied war! 52 Zu nennen sind hier auf evangelischer Seite insbesondere Reinhard Mumm, der seit der 7. Tagung 1949 bis 1975mit großem persönlichem Engagement als Protokollant für den Evangelischen Kreis fungierte und dann als Mitglied aufgenommen wurde, und auf katholischer Seite Prof. Dr. Heimo Dolch (1949-1953), Prof. Dr. Remigius Bäumer (1954-1959) und vor allem Msgr. Gerhard Krems (1960-1975). Für die Zeit nach 1976 vgl. die Veröffentlichungen. 53 Vgl. die Auseinandersetzung um Asmussen in Abschnitt 5. Als wie heikel die Auswahl der Referenten empfunden wurde, zeigt die freilich besonders brisante Tagung zur Heiligenverehrung 1950. Es war so schwierig wie noch nie, evangelische Referenten zu finden. Nachdem Dinkier und Skydsgaard Teilnahme und Referate abgesagt hatten (Schlink an Stählin, 7.12.49; Schlink an Höfer, 28.1.50), weigerte sich auch Maurer, das „heiße Eisen" anzupacken. Stählin erwog deshalb, das zweite evangelische Referat (zur Marienverehrung) evd. unbesetzt zu lassen, da nicht zwei Außenstehende zu diesem Thema sprechen sollten, zu dessen Erörterung der Kreis eingespielt sein müsse. Besonders Ebeling hielt er für ungeeignet als Referenten, da er der „Sozietät" nahestehe, was zu starken Differenzen im evangelischen Bereich führe (Stählin an Schlink, 12.1.50). Schlink hatte außerdem Zweifel daran, daß von der Gablentz in der Frage der Marienverehrung eine wirklich reformatorische Position vertreten würde. Stählin wies diesen deshalb auf die Bedeutung jeder Äußerung bei der 8. Tagung hin (Schlink an Stählin, 29.11.49; Stählin an Schlink, 3.12.49).

Die Zusammensetzung des Kreises

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war man vor allem vorsichtig in bezug auf die Aufnahme jüngerer, progressiver Theologen. So zögerte man lange, Ο. H. Pesch aufzunehmen und verzichtete völlig auf die Mitarbeit Hans Küngs.54 Zog man dadurch die Kritik evangelischer Mitglieder auf sich, so konnte man diesen jedoch vorwerfen, daß sie nicht nur reformierte Theologen, sondern auch Bultmann-Schüler weitgehend ausgrenzten. Beide Kreise waren damit im Grunde einseitig geprägt, warfen sich dies aber dennoch gegenseitig vor. Am deudichsten läßt sich am Umgang mit Konvertiten demonstrieren, wie sehr man darauf bedacht war, nach innen und nach außen den Eindruck zu vermeiden, mit unlauteren Mitteln und auf oberflächliche Weise den Konfessionswechsel einzelner Mitglieder oder die Vereinigung der beiden Kirchen herbeiführen zu wollen. Darauf mußte man besonders auf evangelischer Seite achten, weil als einziges Ziel ökumenischer Bemühungen der Katholischen Kirche noch lange Zeit die Wiedereingliederung der reformatorischen Kirchen in die Katholische galt. Als Heinrich Schlier - als Neutestamentier evangelisches Mitglied des ÖAK - 1948 kurz davor stand, zum katholischen Glauben überzutreten, sahen die Mitglieder des Evangelischen Kreises aus Heidelberg sowie Stählin darin eine Gefahr für die Fortsetzung der Gespräche. Stählin legte ihm deshalb nahe, sich vom ÖAK fernzuhalten, um die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen dessen Arbeit und seiner privaten Entscheidung in der Öffentlichkeit zu vermeiden.55 Zwar brachte er Verständnis dafür auf, In Bezug auf Lortz, der bisher immer verhindert war und bei der 6. Tagung 1949 zum ersten Mal teilgenommen hatte, urteilte Schlink in einem Schreiben an Lehmann vom 2.6.49 (alle Briefe Korr Schlink), er sei nicht so ernsthaft wie Söhngen, Grosche oder Volk, er relativiere das Dogma und löse die Wahrheitsfrage zugunsten des religiösen Erlebens auf. Vgl. dazu folgende Äußerung von Lortz: „Wenn nun im jetzigen Gespräch der Nachweis erbracht worden sei, daß auch auf dem Tridentinum Gottes Werk als Werk Gottes gewahrt werde, dann dürfe man sich die Einsicht in die Einheit bezüglich des Wesentlichsten durch Einzelheiten nicht verdunkeln lassen" (Protokoll der 6. Tagung, 10). 54 Pesch wurde erst 1985 Mitglied, war aber bereits 1968 im Gespräch. Damals hielt ihn Lortz für zu progressiv (Lortz an Jaeger, 29.4.68, Nachlaß Jaeger). Die Mitwirkung Küngs wurde von evangelischer Seite stets gefordert Doch wegen seines Konfrontationskurses gegen Rom kam dies für die katholischen Verantwortlichen nicht in Frage. Siehe auch Abschnitt 5.4. 55 Vgl. Stählin an Schlier am 27.10.48 (Korr EvAk): „Sie werden sich nicht darüber wundem, daß bei den Beratungen des Evangelischen Arbeitskreises auch ihre persönliche Situation zur Sprache kam. Da Sie offenbar selbst bei verschiedenen Gelegenheiten darüber gesprochen haben, daß ein Übertritt zur römisch-katholischen Kirche zum wenigsten als Möglichkeit auf ihrem Wege steht, fühlen wir uns berechtigt und verpflichtet, Sie selbst daraufhin anzureden. Ich bitte Sie überzeugt zu sein, daß es mir und, soweit ich urteilen kann, ebenso allen anderen Gliedern unseres Kreises, eine herzliche Freude wäre, Sie weiterhin in unserer Mitte zu sehen und Ihre von mir sehr hochgeschätzte Hilfe in Vortrag und Aussprache zu haben. Aber wir halten es in völliger Einmütigkeit für unmöglich, daß Sie in einem Gespräch dieser Art die evangelische Seite mit vertreten, solange die Konversion zur römisch-katholischen Kirche Ihnen selbst als ein möglicher Weg für Sie erscheint und andere mit dieser Möglichkeit rechnen müssen. Eine bloße Andeutung einer solchen Mög-

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität

daß Schlier diese Bedenken nicht teilte, doch er blieb dabei, daß die Anerkennung der Gespräche durch den Rat der EKD sowie die Abhängigkeit von dessen finanzieller Unterstützung seine weitere Teilnahme ausschließe. Nach einem Gespräch mit Schlink und Brunner schied Schlier schließlich aus dem Arbeitskreis aus, nachdem er bereits zuvor angekündigt hatte, solange seine persönliche Situation nicht geklärt sei den Tagungen fernzubleiben, um bei den evangelischen Teilnehmern keinen Anstoß zu erregen.56

lichkeit, die völlig zu verbergen vielleicht gar nicht in unserer Macht stünde, müßte einen sehr fremdem und gefährlichen Ton in unsere Verhandlungen hineintragen. Noch schwieriger freilich würde es uns erscheinen, wenn Sie einen solchen Schritt vollzögen, ohne sich längere Zeit vorher aus diesem Kreis gelöst zu haben ... Ich versage es mir darum völlig, zu der sachlichen Frage selbst einen unerbetenen Rat zu geben. Nur würde ich Sie auch um Ihrer selbst willen herzlich und dringend bitten, falls Sie sich dazu genötigt sehen, jenen Schritt wirklich zu tun, sich, sobald Ihr Entschluß feststeht, alsbald von unserem Kreise zu lösen und dann eine geraume Zeit mit dem äußeren Vollzug zu warten. Ich verberge mir nicht, wie schwer es wäre, eine schon getroffene Entscheidung für längere Zeit - wir meinten etwa ein Jahr - nur im eigenen Innern zu tragen, ohne irgendeine nach außen erkennbare Folgerung daraus zu ziehen; aber es ist allerdings meine Meinung, daß einem Mann in einem öffendichen Amt und in einer öffendichen Verantwortung ein solches Opfer wohl zugemutet werden müßte, und ich weiß mich darin mit allen evangelischen Teilnehmern unseres Arbeitskreises einig." Dieser Brief führte zu dem nicht unbegründeten Gerücht, Schlier sei von Schlink und Stählin ausgeschlossen worden (Asmussen bat Stählin am 21.1.49 (Korr EvAk), ihn darüber näher zu informieren). Schliers Übertritt zur Katholischen Kirche erfolgte erst 1953 endgültig. (Vgl. Schlier, Heinrich, Der Geist und die Kirche, Freiburg 1980, 305). 56 Schlier bezeichnete in seinem Antwortschreiben an Stählin vom 3.3.49 (Korr EvAk) dessen Brief als anmaßend. Er vermutete hinter dem Bekanntwerden seines Vorhabens einen Vertrauensbruch des einzigen Mitglieds des Arbeitskreises, das davon wußte, und hätte ein Gespräch mit ihm vor Abfassung eines solchen Briefes für richtiger gehalten: „Daß ich mich, falls meine Entscheidung gefallen ist, aus dem Ökumenischen Arbeitskreis zunächst oder überhaupt zurückgezogen hätte, hätten die evangelischen Mitbrüder wohl von mir erwarten, aber auch als selbstverständlich von mir annehmen dürfen. Woher sie freilich das sachliche oder persönliche Recht nehmen konnten, mir eine Frist zwischen meiner Entscheidung und ihrem äußeren Vollzug zu setzen, weiß ich nicht. Es kann keiner, wenn ich Ihre Motive recht verstanden habe, annehmen, daß meine Entscheidung mit meiner Mitarbeit an dem Ökumenischen Arbeitskreis zusammenhängt. Auch könnte ich wirklich nicht eine Belastung des Kreises durch einen solchen Schritt eines Teilnehmers erblicken. Das setzt freilich eine andere Auffassung von der ganzen Arbeit voraus, über die ich gleich noch etwas sagen werde. [Vgl. hierzu das Zitat aus diesem Brief in Abschnitt 2., Anm.d. Vf.]. Aus einem verschiedenen prinzipiellen Verständnis unserer Arbeit erklärt es sich wohl auch, wenn ich entgegen Ihrer Überzeugung meine, durchaus noch am Gespräch teilnehmen zu können und zwar als einer, der von evangelischer Seite dazugestoßen ist, wenn er auch nicht mehr die übliche evangelische Schultheologie dabei vertritt." Vgl. auch Stählin an Schlier am 14.3.49 und am 12.4.49 (Korr EvAk) und Schlink an Stählin am 25.5.49 (Korr Schlink). Schon 1947 hatte eine Äußerung Piepers im privaten Kreis über Schliers mangelnden Widerstand gegen die katholische Lehre und seine baldige Konversion für Aufregung gesorgt Schlink sah zwar schon damals in einer Konversion eine Gefahr für den Kreis, vor allem für dessen „offiziösen" Charakter, doch er verteidigte Schlier gegenüber Pieper, indem er ihm klarmachte, daß für den Kreis statt polemischer evangelischer Theologen natürlich solche eingeladen würden,

Die Zusammensetzung des Kreises

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Bald nach Schlier schied auch Prof.Gerhard Krüger wegen Konversion zur Katholischen Kirche aus, zuletzt gefolgt von Prof. Horst Bürkle, der 1987 den ÖAK verließ. Bemerkenswert ist die Kontinuität der personellen Zusammensetzung im Hinblick auf die maßgeblich mitwirkenden Theologen. Einen größeren Umbruch gab es erst Ende der 60er Jahre, als ediche Mitglieder verstarben und sich dadurch ein Generationswechsel anbahnte.57 3.1. Gründer, wissenschaftliche Leiter und Protektoren Der Charakter des ÖAK wurde maßgeblich geprägt von den wissenschaftlichen Leitern und den Bischöfen, die ihn nach außen hin als Protektoren vertraten.58 Nahezu über den gesamten in dieser Arbeit inhaldich bearbeiteten Zeitraum standen der frühere Erzbischof von Paderborn und spätere Kardinal Lorenz Jaeger (1946-1975) und der Oldenburgische Landesbischof Wilhelm Stählin (1946-1970 Vorsitz, bis 1975 Mitglied), also die beiden Gründer, dem ÖAK als Protektoren vor. Für beide war der evangelisch-katholische Dialog wichtiger Bestandteil ihrer theologischen und kirchlichen Arbeit Lorenz Jaeger (*1892, "f"1975) kann als Initiator der maßgeblichen ökumenischen Einrichtungen der Katholischen Kirche bezeichnet werden. Als Erzbischof von Paderborn regte er 1942 die Fuldaer Bischofskonferenz zur Errichtung eines Referats „für Fragen betreffs Wiedervereinigung im Glauben" an, mit dessen Aufbau und Leitung er betraut wurde. Nach der Gründung des ÖAK 1946 gründete er 1957 das Johann-Adam-Möhler-Institut in Paderborn. Später setzte er sich mit Kardinal Bea für die Errichtung des Einheitssekretariats ein, und als dessen Mitglied vertrat er das ökumenische Anliegen beim II. Vatikanischen Konzil unter anderem dadurch, daß er durch seine auch im ÖAK gewonnenen Erfahrungen „sachgerechte" Informationen über den evangelischen Glauben einbrachte. Wegen seines ökumenischen Engagements wurde er 1965 zum Kardinal ernannt.59 Zusammen mit Hermann Volk nahm er im Auftrag der Fuldaer die aufgeschlossen gegenüber der Katholischen Kirche seien (Schlink an Stählin, 25.3.47, Schlink an Pieper, 14.4.47, Korr Schlink). Schlier hatte sich schon in diesem Zusammenhang gegen den offiziellen bzw. offiziösen Charakter des OAK gewandt, der sich erst allmählich entwickelt habe. Die Gründer, darunter auch er, hätten sich keinesfalls als Vertreter der evangelischen Kirche verstanden, sondern als solche der Wissenschaft Gerade darin habe der Vorteil der evangelischen Seite bestanden. Er kritisierte ferner eine Neigung zur kirchlichen Zensur im Evangelischen Kreis. Dabei gebe es nur entweder den einzelnen innerhalb der unsichtbaren Kirche oder das Glied in der Kirche, die dem einzelnen vorgeordnet sei, keine Mitte (Schlier an Schlink, 22.5.47, Korr Schlink). 57 Vgl. dazu Abschnitt 5.4. 58 Für diesen Abschnitt wurden biographische Daten aus der Dokumentation Henrichs in KuD 35/1989 entnommen. 59 Vgl. Klein, Aloys, Art Jaeger, Lorenz, in: Krüger, Hanfried/Löser, Werner/MüllerRömheld, Walter, Ökumene-Lexikon, Frankfurt 2 1987, 586-587.

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität

Bischofskonferenz am Kontaktgespräch mit Vertretern des Rates der EKD teil, das 1966 ins Leben gerufen wurde und an dem von evangelischer Seite auch Landesbischof Dietzfelbinger beteiligt war. Jaegers Einstellung zur Ökumene ist, bei all seinen Aktivitäten, als konservativ zu bezeichnen. Er fühlte sich stets an die Grenzen gebunden, die ihm seine Kirche steckte. Bei den Tagungen des ÖAK äußerte er sich selten zu inhaltlichen Fragen, wandte sich aber bis zuletzt entschieden gegen seiner Ansicht nach zu weitreichende Schritte wie die Publizierung der Tagungsergebnisse und vor allem gegen jede Form von Interkommunion und gegenseitiger Anerkennung der Amter.60 Wilhelm Stählin (*1883, "f" 1975) war zum Zeitpunkt der Gründung des ÖAK Landesbischof in Oldenburg. Er zeichnete sich schon damals durch ein beträchtliches ökumenisches Engagement aus. Bereits 1925 war er als Vertreter der Jugendbewegung bei der Weltkonferenz für Praktisches Christentum in Stockholm und wurde dann Mitglied des deutschen Ausschusses des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen.61 Später war er beteiligt an den Vorbereitungen zur 2. Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Edinburgh 1937, an der jedoch die Deutschen erwartungsgemäß nicht teilnehmen konnten.62 Auch bei der Gründungsversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 1948 in Amsterdam war er anwesend. Als 1942/43 auch offizielle Stellen der Evangelischen Kirche einsahen, daß verbindliche Gespräche mit der Katholischen Kirche zu führen seien, war es der württembergische Landesbischof Wurm, der vorbereitende innerevangelische Gespräche in Stuttgart anberaumte, an denen Stählin mitbeteiligt war.63 1943 erhielt er vorübergehend Kanzelverbot wegen gemischtkonfessioneller Zusammenkünfte, weil er in Oberammergau Vorträge vor Katholiken und Protestanten gehalten hatte.64 Am wichtigsten in diesem Zusammenhang ist jedoch die Mitwirkung Stählins bei Gesprächen mit katholischen Theologiestudenten, die sich in Münster zu Beginn der 30er Jahre um Prof. M. Schmaus gesammelt hatten, um sich mit evangelischen Theologen auszutauschen. Man kann diese Gespräche als eine Art Vorläufer des ÖAK ansehen, dem Schmaus später ebenfalls angehörte. Sie mußten 1933 abgebrochen werden, wegen der Bedrohung durch die Gestapo, aber auch wegen mangelnden Interesses der evangelischen Teilnehmer.65

60 Vgl. Mumm, Reinhard, 30 Jahre evangelisch-katholischer Dialog, in: Dt. Pfarrerblatt 1975, 508 und 517-519, 517 und Kapitel II. 61 Stählin, Wilhelm, Via Vitae, 237/238. 62 Ebd., 241/242. 63 Ebd., 258/259. " Ebd., 386/387. 65 Ebd., 224/225 und 244/245. Siehe unten Abschnitt 6.1.

Die Zusammensetzung des Kreises

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Stählin zählte außerdem neben Karl Bernhard Ritter und Ludwig Heitmann zu den führenden und prägenden Gestalten der aus der Berneuchener Konferenz hervorgegangenen evangelischen Michaelsbruderschaft. Ihr Anliegen der liturgischen Erneuerung brachte er auch in die Arbeit des ÖAK ein, indem er für die gottesdiensdiche Umrahmung der Tagungen sorgte und in den Gesprächen stets auf die Verbindung von Dogmatik und Liturgie sowie auf den Gemeindebezug besonderen Wert legte. Dies führte zu einem latenten Konflikt mit E. Schlink, der den streng wissenschaftlichen Charakter des Kreises beibehalten wollte.66 Edmund Schlink (*1903, "f"1984), seit 1946 Professor für Systematische und Ökumenische Theologie in Heidelberg, bestimmte von der Gründung bis 1979 als wissenschaftlicher Leiter des Evangelischen Kreises maßgeblich die inhaltliche Arbeit, ihre Methodik und das äußere Erscheinungsbild des ÖAK. Seine Mitwirkung im ÖAK war nur ein kleiner Teil seines umfassenden ökumenischen Engagements, zu dem neben der Gründung des Ökumenischen Inistituts in Heidelberg die Förderung der Ökumenischen Theologie an den Universitäten überhaupt gehörte. Aus seinem Wirken in den verschiedensten ökumenischen Kommissionen und Gremien ist besonders seine über 30jährige Mitarbeit in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK zu nennen und seine aktive Teilnahme als Delegierter der EKD an den Weltkirchenkonferenzen des ÖRK. Neben den Erfahrungen aus dieser Tätigkeit flössen in die Arbeit des ÖAK auch

66 Zu einem Disput kam es bei der 3. Tagung 1947, als Stählin besonderes Gewicht darauf legte, daß alle dogmatischen Aussagen, auch die über die Schöpfung, „auf den kultischen Vollzug des Credo" hin angelegt seien, darauf, daß Gott Ehre entgegengebracht werde (Maschinenschriftl. Referat, Akten EvAk, 1 ). Auch im Verlauf der Aussprache brachte Stählin immer wieder sein Anliegen vor, den liturgischen Bezug dogmatischer Aussagen herzustellen und über begrifflichen Formulierungen den konkreten Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren (Protokoll, 11 und 15/16). Obwohl Stählin immer wieder auf Zustimmung stieß, was die Einbeziehung gottesdienstlicher Elemente in den Tagungsablauf anging, sah man die Notwendigkeit nicht, das Anliegen liturgischer Erneuerung auch unmittelbar in das wissenschafdiche Gespräch einzubeziehen. Schlink stellte klar, daß die dogmatische Arbeit der rechten Verkündigung dienen müsse, sich aber nicht wie diese unmittelbar an den Menschen wende (Prot, 11). Auch Brunner äußerte, nicht jede dogmatische Aussage müsse in der Liturgie aufgehen (Prot, 16).

Bei der 9.Tagung 1950 hatte Stählin offenbar sogar erwogen, neben dem dogmatisch orientierten Kreis einen Kreis für praktische Aufgaben im Kirchendienst zu gründen (Kunst an Stählin, 6.5.50, Korr EvAk). Kunst sollte Stählin Namen für potentielle Mitglieder eines solchen Kreises nennen. Er riet Stählin deutlich zu machen, daß der Kreis dann Frucht der bisherigen dogmatischen Gespräche sei. Von dem Kreis als Unterausschuß des bisherigen Kreises - seiner Meinung nach sollte er nicht gleichberechtigt daneben stehen - solle einmal im Jahr ein Vortrag im „Hauptkreis" gehalten werden, damit die Praktische Theologie nicht von der Dogmatik getrennt werde. Doch Stählin dementierte das Gerücht, daß ein zweiter, praktisch orientierter Kreis hätte entstehen sollen. Es habe sich um einen Plan gehandelt, der unabhängig von den ev.-katholischen Gesprächen gefaßt worden sei (Stählin an Kunst, 10.5.50, Korr EvAk).

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die Eindrücke ein, die er als offizieller Beobachter der EKD beim II. Vatikanischen Konzil gewonnen hatte, Anregungen aus dem Dialog mit der Orthodoxie und sein methodischer Ansatz des Strukturvergleichs dogmatischer Aussagen.67 Auf katholischer Seite gab es eine nicht ganz so durchgängige Kontinuität in der wissenschaftlichen Leitung. Paul Simon (*1882, fl946), Professor für Philosophie an der Universität Tübingen und seit 1933 Dompropst in Paderborn, war maßgeblich an der Gründung des OAK beteiligt, verstarb aber bald darauf, woraufhin sein Schüler Josef Höfer (*1896, jl976) schon 1947 seine Nachfolge antrat.68 Simons ökumenisches Engagement begann nicht erst, als er von 1942 an die Aktivitäten von Erzbischof Jaeger unterstützte. Bereits viele Jahre zuvor hatte er sich für die liturgische Erneuerung und ökumenisches Denken eingesetzt. Unter seinem Vorsitz fand 1934 im Priesterseminar in Hermsdorf bei Berlin ein „Una-Sancta-Gespräch" statt.69 Mit Stählin war Simon bereits seit ihrer gemeinsamen Zeit in Münster (um 1914) verbunden. Sie trafen sich dann wieder bei privaten ökumenischen Zusammenkünften in Simons Wohnung in Paderborn in den 30er Jahren.70 Josef Höfer, Professor für Geschichte der Theologie, der Dogmen und für Ökumenische Theologie in Paderborn, konnte das Amt auch nur übernehmen, bis er 1957 als geistlicher Botschaftsrat nach Rom gesandt wurde. Bis 1976 gehörte er dem ÖAK jedoch als Mitglied an. Mit ihm hatte der ÖAK eine unmittelbare Anlaufstelle in Rom. Umgekehrt konnte er bei den Tagungen manche Information über die Vorgänge dort weitergeben. Er spielte ferner eine zentrale, wenn auch etwas unrühmliche, Rolle bei der Weiterleitung des Evangelischen Gutachtens zur Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens 1950 und konnte im Vorfeld und während der Sitzungen des II. Vatikanischen Konzils im Sinne des OAK Einfluß nehmen.71 1958 übernahm Hermann Volk (*1903, |1988) die wissenschaftliche Leitung des Katholischen Kreises. Er war bereits seit der ersten Arbeits-

67 Vgl. Gaßmann, Günther, Art Schlink, Edmund, in: Ökumene-Lexikon, 1069-1070. Siehe auch unten Abschnitt 5.2. und Kapitel II. 68 Höfer war nicht der einzige Schüler Simons im ÖAK. Auch Josef Pieper hatte er noch selbst als Mitglied berufen, und Gottfied Hasenkamp, Schriftsteller und Verlagsleiter der Westfälischen Nachrichten, dürfte aufgrund seiner Bekanntschaft mit Simon durch den gemeinsamen Einsatz für die liturgische Erneuerung in den ÖAK gekommen sein. Er war Mitglied bis 1961, als er für einen „Fachgelehrten" seinen Platz räumte. Vgl. Höfer, Josef, Erinnerungen an Dompropst Professor Dr. Paul Simon, in: Paderbornensis Ecclesia, Festschrift für Lorenz Kardinal Jaeger, München 1972, 631-688, 639 und 641, und Hasenkamp an Jaeger, 4.3.61 (Nachlaß Jaeger). w Siehe unten Abschnitt 6.1. 70 Vgl. Höfer, a. a. O., besonders 640 und 662-673. 71 Siehe unten Abschnitt 5. und 6.

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tagung 1946 als Professor der Dogmatik in Münster Mitglied und trat 1975, nachdem er 1962 zum Bischof von Mainz und 1973 zum Kardinal ernannt worden war, die Nachfolge Jaegers als Vorsitzender des ÖAK an. Bis zu seinem Tod prägte er somit den Kreis in verantwortlichen Positionen. Im Gegensatz zu Lorenz Jaeger beteiligte er sich auch durch die Übernahme von Referaten sehr engagiert an der theologischen Arbeit. Seine Themen waren die Anthropologie, mit der er sich in ökumenischer Perspektive schon in seinen Dissertationen zur Kreaturauffassung Karl Barths und zu „Emil Brunners Lehre von der ursprünglichen Gottebenbildlichkeit des Menschen" sowie bei seiner Habilitation über „Emil Brunners Lehre von dem Sünder" befaßt hatte, und der Gegensatz zwischen dem für reformatorische Theologie zentralen „Allein" und dem seiner Ansicht nach für katholische Theologie fundamentalen Grundsatz „Gott alles in allem". Beim II. Vatikanischen Konzil übte Volk maßgeblichen Einfluß aus auf die Abfassung der Konstitutionen zur Liturgie, zur Kirche und zur Offenbarung, die die entscheidenden neuen Impulse für die Ökumene enthielten.72 Zu einer größeren Veränderung in der Arbeitsweise des ÖAK kam es erst, als Karl Lehmann und später Wolfhart Pannenberg die wissenschaftliche Leitung übernahmen. Waren die anderen leitenden Persönlichkeiten mit Ausnahme von Schlink im Hinblick auf eine Angleichung der Arbeit an die neue Situation nach dem II. Vatikanum sehr zurückhaltend, so sahen jene in der Fortsetzung der Gespräche nur noch einen Sinn, wenn man stärker auf Ergebnisse hinarbeite und diese auch veröffentliche. Pannenberg setzte sich schließlich auch für die Einbeziehung reformierter Gesprächspartner ein, um eine breitere Rezeption der Ergebnisse innerhalb der EKD zu erreichen.73 Karl Lehmann, damals Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie in Freiburg, trat 1976 die Nachfolge Volks als wissenschaftlicher Leiter an und übernahm, nachdem er 1982 Bischof von Mainz wurde und später Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, 1988 den Vorsitz des Katholischen Kreises. Als wissenschaftlicher Leiter rückte Theodor Schneider, Professor für Dogmatik und Ökumenische Theologie in Mainz, nach. Wolfhart Pannenberg, Professor für Systematische Theologie in München, übernahm 1980 von Schlink die wissenschaftliche Leitung des Evangelischen Kreises. Pannenberg war schon 1956 als Assistent Schlinks in den OAK gekommen. Er führte darüberhinaus auch als Leiter des Instituts für Fundamentaltheologie und Ökumene in München und durch sein viel71 Vgl. Schütte, Heinz, Art Volk, Hermann, in: Ökumene-Lexikon, 1251/1252, dort auch die näheren Literaturangaben, und Kapitel II. 73 Siehe unten Abschnitt 6.2. zum Umbruch in der Arbeit des Kreises nach dem II. Vatikanum.

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fältiges ökumenisches Engagement, u. a. durch seine maßgebliche Mitarbeit in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ORK, in gewisser Weise dessen ökumenische Arbeit fort. In der Nachfolge Stählins stand der evangelische Militärbischof und ehemalige Bevollmächtigte des Rates der EKD am Sitz der BRD, Hermann Kunst, dem Kreis von 1971 bis 1986 vor.74 Dann übernahm Eduard Lohse, Professor em. für Neues Testament in Göttingen und ehemals Landesbischof der Hannoverschen Landeskirche sowie Ratsvorsitzender der EKD von 1979 bis 1985, das Amt. 3.2. Weitere Mitglieder in wichtigen kirchlichen Ämtern und ökumenischen Gremien Neben den obengenannten sind noch andere Mitglieder in kirchenleitenden Positionen und aus ökumenischen Gremien aufzuführen, die ihre Erfahrungen aus den Gesprächen im ÖAK in ihre Kirchen bzw. in ihre sonstige ökumenische Arbeit einbringen konnten und können. Sie waren vor allem in der langen Zeit wichtige Bindeglieder, als man noch nichts über die Tagungen veröffentlichte. Uber sie kann der Dialog aber bis heute zur Heranbildung eines ökumenischen Bewußtseins in beiden Kirchen beitragen. Als langjähriges Mitglied ist auf evangelischer Seite noch der ehemalige bayrische Landesbischof Dietzfelbinger (Mitglied von 1958 bis 1984) zu nennen, der u.a. Vorsitzender des Catholica-Ausschusses und der Ehebzw. Mischehenkommission der EKD sowie von 1967 bis 1973 Ratsvorsitzender der EKD war.75 Für die ersten Jahre ist außerdem Hans Asmussen 74 Kunst war von Stählin bereits 1948 eingeladen worden, hatte aber die Teilnahme abgelehnt, weil er sich aus allen gesamt- und landeskirchlichen Verantwortungen zurückziehen werde (Kunst an Stählin, 28.6.48, Korr EvAk). 1952 bat Stählin ihn erneut um die künftige Teilnahme an den Gesprächen und um die Übernahme eines Referates. Kunst sagte jedoch erneut wegen Arbeitsüberlastung ab. Stählin hatte auf seine Mitarbeit vor allem deshalb Wert gelegt, weil die Katholiken mitderweile mehr als 12 Teilnehmer heranzogen, während es auf evangelischer Seite die letzten Male weitaus weniger waren, und weil die VELKD nur mit 2 Mitgliedern vertreten war. Eine Stärkung der „bewußt lutherischen Seite" hielt er für wichtig (Stählin an Kunst, 4.12.51, Korr EvAk, und Stählin an Schlink, 3.1.52, Korr Schlink). Kunst wurde dann erst 1970 Mitglied und ist dies auch, nachdem er 1987 den Vorsitz abgab, geblieben. 75 Darüber hinaus war er Vorsitzender des Kuratoriums der Lutherischen Stiftung für Ökumenische Forschung und von 1957 bis 1977 Mitglied des Exekutivkommitees des LWB. (Vgl. Lutherische Generalsynode 1967, Hamburg 1974). Zu nennen sind hier ferner die evangelischen Landesbischöfe, die in neuerer Zeit zugewählt wurden: Martin Kruse (BerlinBrandenburg, Vorsitzender des Rates der EKD von 1985-1992, Mitglied seit 1982), Ulrich Wilckens (Nordelbien, Mitglied seit 1983), Gerhard Müller, (Braunschweig, Mitglied seit 1985). Außerdem Hartmut Löwe, ehemaliger Leiter der Hauptabteilung II (Theologie und öffentliche Verantwortung) im Kirchenamt der EKD und zuständiger Referent des Kontaktgesprächskreises zwischen Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates

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zu erwähnen, der von 1948 bis 1955 Propst in Kiel und zwischenzeitlich auch Präsident der Kirchenkanzlei der EKD war (Mitglied von 1947 bis 1958).76 Auf katholischer Seite gehörte Kardinal Joseph Ratzinger von 1964 bis 1981 zunächst als Universitätsprofessor in Tübingen und Regensburg, später als Erzbischof von München und Freising und danach als Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation dem ÖAK als aktives Mitglied an. Nach 1981 wurde er korrespondierendes Mitglied. Seit 1976 setzt Paul-Werner Scheele, Bischof von Würzburg und ehemaliger Professor für Dogmatik und ökumenische Theologie sowie Dompropst und Direktor des J.-A.Möhler-Instituts in Paderborn, in gewisser Weise die Tradition der Paderborner katholischen Theologen im ÖAK fort. Kristen Einar Skydsgaard (Mitglied von 1957 bis 1978), Professor für systematische Theologie in Kopenhagen, war bereits 1948 von Stählin für den ÖAK vorgeschlagen worden und repräsentierte viele Jahre hindurch das skandinavische Luthertum. Er und Schlink hatten ihn bei einer Faith and Order-Tagung kenngelernt, als er in der Forschungsabteilung des ÖRK für das Gespräch mit der Katholischen Kirche zuständig war. Später wurde er Direktor der interkonfessionellen Kommission des Lutherischen Weltbundes. Als Abgesandter des Lutherischen Weltbundes (LWB) nahm auch er am II. Vatikanischen Konzil teil. Einige andere Mitglieder arbeiteten zeitweise in Genf bzw. Bossey, so H. H. Wolf (Mitglied von 1949 bis 1980) und H. H. Harms (Mitglied von 1961-1963) oder waren als Delegierte bei den Vollversammlungen des ÖRK dabei. So waren neben Schlink und Stählin ζ. B. Peter Brunner, Otto Heinrich von der Gablentz, Hans Asmussen und Pfarrer Wilhelm Menn 1948 in Amsterdam vertreten. Dadurch war von Anfang an auch eine Verbindung zur Genfer Ökumene gegeben, wenngleich die inhaltliche Arbeit des ÖAK weitgehend unabhängig von ihr erfolgte. 1962 fand außerdem eine Arbeitstagung in Bossey statt, zu der W. A. Visser 't Hooft als Generalsekretär des ÖRK anwesend war. Einige Mitglieder machten ihren Einfluß im wissenschaftlichen Beirat des J.-A.-Möhler-Instituts und bei der Errichtung des Instituts der Lutherischen Stiftung für ökumenische Forschung in Straßburg geltend.77 der EKD, inzwischen Bevollmächtigter des Rates der EKD am Sitz der BRD in Bonn, Mitglied seit 1982. 74 Zu Asmussen vgl. Abschnitt 5.3. 77 Bei der Gründung gehörten dem Beirat des J.-A.-Möhler-Instituts aus dem ÖAK Robert Grosche, Gottlieb Söhngen, Heinrich Fries, Heinrich Bacht, Heinrich Schlier (!) und Hermann Volk an (Albert Brandenburg, Kardinal Jaeger und das Möhler-Institut, in: Paderbornenis Ecclesia, München 1972, 781-797, 784). Als das Deutsche Nationalkomitee 1957 in Minneapolis die Einrichtung eines Konfessionskundlichen Instituts des LWB vorgeschlagen hatte, gehörten Skydsgaard, Dietzfelbinger und P. Brunner zu dem beratenden Ausschuß, der sich dieser Frage annehmen sollte. (Vgl. Schnell, Hugo, Konfessionskundliches Institut

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1958/59 hatte Stählin auch erwogen, die damaligen Leiter des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes in Bensheim und des J.-A.-Möhler-Institutes, Pfr. Joachim Lell und Dr. Albert Brandenburg, als Gäste einzuladen. Schlink, Dietzfelbinger und einige andere Mitglieder sprachen sich jedoch dagegen aus, weil es wieder zu einer Verschärfung der Spannungen zwischen der Katholischen Kirche und der Ökumenischen Bewegung gekommen war.78 Zur Ökumenischen Zentrale in Frankfurt bestanden Kontakte durch die Mitgliedschaft ihres Leiters Wilhelm Menn im ÖAK von 1947 bis 1955. 3.3. Die Theologen des Katholischen Kreises Wenngleich die Meinungsvielfalt innerhalb des Katholischen Kreises infolge der Unterordnung unter das Lehramt nicht so groß war wie die innerhalb des Evangelischen, so gab es doch keine einheitliche katholische Position. Wie oben bereits erwähnt, stand Gottlieb Söhngen (Mitglied von 1946 bis 1970) den Verlautbarungen Roms, insbesondere den Anweisungen für das ökumenische Gespräch, gelegentlich kritisch gegenüber. Im ÖAK stand er mit seiner theologischen Position zudem manches Mal den evangelischen Teilnehmern näher als den katholischen.79 Er repräsentierte mit Michael des LWB, in: Ev.-luth. Kirchenzeitung 20/1957, 363/364, 363). Seit 1984 ist mit Prof. Harding Meyer das Institut für ökumenische Forschung in Straßburg im ÖAK vertreten. 71 Schlink an Stählin, 9.11.59 und Stählin an Schlink, 11.11.59 (Briefwechsel Stählin/Schlink, Korr EvAk). Vgl. Stählin an Lell am 31.3.58 (ebd.): „Um so mehr tut es mir leid, daß ich nach der übereinstimmenden Meinung von Landesbischof Dietzfelbinger und einigen anderen Herren, mit denen ich darüber gesprochen habe, Dir nicht in Aussicht stellen kann, daß wir Dich zu einer gastweisen Teilnahme an diesen Gesprächen einladen. Du hast vollkommen mit Recht darauf hingewiesen, daß da natürlich auch Dr. Brandenburg von dem Adam-Möhler-Institut in Paderborn eingeladen werden müßte. Und da der Herr Erzbischof niemals irgendeine Andeutung in dieser Richtung gemacht hat, scheint es mir zweifelhaft, ob er selber sehr glücklich darüber wäre, wenn dieser Herr zu diesen Gesprächen zugezogen würde. Auch haben wir im engeren Kreis erwogen, daß Du selbst in eine etwas schwierige Position kämest, wenn Du an Gesprächen teilnehmest, von denen Du dann doch den Herren, mit denen Du zusammenarbeitest, keine Mitteilungen machen dürftest Ich glaube, daß es also auch in Deinem wohlverstandenen Interesse liegt, daß ich Dir zwar nach wie vor mündlich und zum Teil auch schriftlich Kenntnis von diesen Verhandlungen geben will, aber doch keine Möglichkeit sehe, Dich als Mitglied oder als Gast zu diesem Kreis zuzuziehen." Diese Äußerung Stählins erstaunt deshalb, weil bei der 18.Tagung 1957 Dr. Albert Brandenburg bereits als Gast anwesend war (Prot, 2). 79

Vgl. dazu auch Kuss, Otto, Dankbarer Abschied, München 1982, 72/73: „Ein von den Protestanten besonders wohlwollend, ja freudig angenommener Gesprächspartner unter den Katholiken war Gottlieb Söhngen, seit 1947 Professor für Fundamentaltheologie und Fundamentalphilosophie in München ... In seinen ,ökumenischen' Diskussionsbeiträgen ging Söhngen den .Evangelischen' zu deren Begeisterung häufig weit entgegen, kenntnisreich, geistvoll und gelegentlich mit ein wenig sentimental-romantischer Rhetorik; ich höre ihn immer noch, wenn er in seinem unverkennbar kölnischen Sprechakzent bei irgendeinem

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Schmaus, Joseph Pascher und Klaus Mörsdorf die Katholisch-theologische Fakultät München. Bevor auch Otto Kuss (Mitglied von 1950 bis 1962) 1960 von Paderborn nach München wechselte, gehörte er dem Kreis als ebenfalls sehr kritisches Mitglied an. Als Exeget trieb er die Auseinandersetzung mit hermeneutischen Fragen voran, indem er einerseits die vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten der Schrift in einer für einen katholischen Exegeten damals erstaunlichen Weise hervorhob, andererseits aber gerade deshalb die Institution des Lehramts und das katholische Traditionsprinzip gegenüber dem reformatorischen Schriftprinzip verteidigte.80 Daß mit Heinrich Fries (Mitglied seit 1961) und vor allem Karl Rahner (Mitglied von 1947 bis 1973) dem ÖAK zwei maßgebliche Dogmatiker angehör(t)en, die die Lehre ihrer Kirche sehr frei und in auf Verständigung hin angelegter Offenheit, jedoch in voller Loyalität interpretierten, muß nicht weiter ausgeführt werden. Im Gegensatz zu ihnen vertraten andere sehr enge Interpretationen, die wenig Spielraum für eine Annäherung ließen. So z.B. Friedrich Buuck (Mitglied von 1949 bis 1960), der als Professor für Dogmatik an das Päpstliche Collegium Germanicum in Rom berufen wurde.81 Auf evangelischer Seite wurde dadurch das Bewußtsein dafür geschärft, daß bestimmte Interpretationen katholischer Lehrstücke es zulassen, diese zu akzeptieren, daß aber andere wiederum unhaltbar sind und eine Verständigung auf der Basis einer nicht ausdrücklich lehramdich legitimierten Interpretation deshalb nur bedingt durchsetzungsfähig ist.

Thema in keineswegs gespielter Empörung mit völlig ungebremster Stimmgewalt in den Saal rief: ,Und hier erhebe ich aus Gewissensgründen katholischen Protesi - er meinte dann jeweils Thesen, mit denen protestantische Kritik römisch-katholischen Verlautbarungen gegenüber seiner Ansicht nach den Nagel auf den Kopf getroffen hatte, die aber nichtsdestoweniger - wie das eben so im .System' liegt - hartnäckig und nachdrücklich festgehalten wurden und werden mußten - ich selber denke hier dabei etwa an die ebenso unnötige wie verwunderliche .feierliche Dogmatisierung' der .leiblichen Himmelfahrt Mariens', welche allen Teilnehmern der Gespräche, den katholischen ebenso wie den protestantischen, nachhaltig Grund zum Disputieren bot - bis die Zeit die Aufregung dämpfte und das ,Dogma' in jenes .Archiv' rückte, das man ja schließlich nicht alle Tage öffnen muß und dem seit jeher auch heilsame Elemente tröstlichen Vergessens und des .praktischen' Unwirksamwerdens eigen sind." 80 Vgl. z.B. die Diskussion bei der 13.Tagung 1953 (Prot.). Kuss schied auf eigenen Wunsch aus dem OAK aus, nach seinen Angaben deshalb, weil er das Gefühl hatte, man trete mit den Gesprächen auf der Stelle. Es spielten aber auch die Vorgänge um seine Berufung nach München eine Rolle. (Vgl. Dankbarer Abschied, 74 und Briefwechsel Jaeger von März 1960, besonders Jaeger an Volk am 28.3.60, Nachlaß Jaeger). 81 Vgl. Buucks Ausführungen zum Verhältnis von Schrift, Überlieferung und Lehramt bei der 8.Tagung 1950 zur Marienverehrung mit Söhngens Unterscheidung zwischen apostolischer Tradition und späterer Überlieferung bei der Tagung 1948 zu Schrift und Tradition. Vgl. zu Stählin das Protokoll der 8.Tagung 1950, 43: „Aber heute, nach dem Referat von P. Buuck und den Gesprächen ist er ferner als jemals der kath. Auffassung. Hier sind unübersteigbare Hindemisse. Hinter einer Mauer liegt ein Jenseits', das uns völlig fremd ist"

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3.4. Die Theologen des Evangelischen Kreises Nicht nur von Seiten der eigenen Kirchenleitung, sondern auch von katholischen Teilnehmern82 wurde dem Evangelischen Kreis jahrelang seine einseitige Zusammensetzung vorgeworfen. Diese erklärt sich aus dem starken Einfluß, den Stählin und Schlink von Anfang an geltend machten. Hätten die Gespräche rein privaten Charakter gehabt, wäre dies nicht problematisch gewesen. Doch Voraussetzung für die Unterstützung durch die EKD war eine annähernd repräsentative Zusammensetzung des Evangelischen Kreises.83

82 Vgl. Otto Kuss, a.a.O., 66/67: „Überblickte man die protestantische Gruppe, konnte man freilich den Eindruck nicht loswerden, daß man eben ,dem' Protestantismus doch nicht begegnete, es handelte sich eher um einen Freundeskreis gleichgestimmter orthodoxer Lutheraner, von gewiß spürbarem Einfluß, hier und da mit einem Hauch pietistischen Sektentums, und dem kritischen Beobachter wurde wiederum einmal deutlich, daß es ,den Protestantismus' jedenfalls auch nicht annähernd als eine notfalls bis ins letzte definierbare d o g matische' Einheit gab, wie sie im großen und ganzen doch für den damaligen römischen Katholizismus und damit auch für die katholischen Tagungsteilnehmer charakteristisch war." Vgl. femer den Vorwurf Rahners 1962, die evangelische Seite könne sich nur durch die Ausklammerung der gesamten Bultmann-Schule als einheitliches Lehrgebilde präsentieren (Prot, der 23. Tagung, 24/25) und den Briefwechsel von Κ. H. Schelkle und R. Mumm nach der 27. Tagung 1966:

Schelkle an Mumm, 1.12.66: „Herr Bischof Stählin sagte zum Schluß: ,Es bewegt mich sehr, wie wenig unsere Gespräche den Charakter einer Kontroverstheologischen Auseinandersetzung haben.' Dies ist sicher richtig gewesen für die letzte Tagung. Für andere Tagungen zuvor hätte dies wohl oft ebenso gesagt werden können. Aber entspricht dies der Wirklichkeit zwischen evangelischer und katholischer Theologie? oder der Wirklichkeit zwischen evangelischer und katholischer Kirche? Kommen diese Ubereinstimmungen auf den Tagungen des ökumenischen Arbeitskreises nicht doch zum erheblichen Teil deshalb zustande, weil eben solche Herren zusammenkommen, die von vornherein in einer prästabilisierten Harmonie stehen? Wenn wir beide, Sie und ich, uns treffen, werden wir uns in vielem einig finden. Aber ich weiß, daß zwischen einem großen Teil der evangelischen Theologie und mir tiefgehende Verschiedenheiten, ja, Gegensätze bestehen. Täuschen wir uns also nicht, wenn wir am Ende unserer Tagungen weitgehende Übereinstimmung angeblich zwischen evangelischer und katholischer Theologie allgemeinhin feststellen?'' Vgl. auch Mumm an Schelkle, 12.12.66: „Sicher, wir sind in dem Kreis, der sich im Frühjahr wieder in Paderborn versammeln soll, aufeinander abgestimmt. Die evangelischen Teilnehmer repräsentieren gewiß nicht die ganze Breite oder verwirrende Vielfalt alles dessen, was die Bezeichnung ,evangelisch' trägt. Auch umgekehrt darf man wohl sagen, daß sich im Raum der katholischen Kirche noch andere Geister finden als die, die in unserem Kreis repräsentiert sind. Freilich können sie immer darauf hinweisen, daß sie ein stärkeres sie zusammenhaltendes Band besitzen als wir. Ob es gut ist, an diesem Zustand etwas zu ändern? Man sollte es mit Bedacht versuchen. Sprechen Sie doch, bitte, ruhig den Wunsch an die evangelische Seite aus, man möge sich noch ergänzen, um auch Positionen hörbar zu machen, die sonst in unserem Kreis nicht so erkennbar sind. Aber es wäre sicher auch Ihnen nicht gedient, wenn die Unterschiede und Differenzen innerhalb der evangelischen Theologie unser gemeinsames Gespräch verwirren und belasten würden" (beide Briefe Korr EvAk). 83

Siehe oben Abschnitt 1., besonders Anm. 10 und 11.

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Die Zusammensetzung in der Anfangszeit ist maßgeblich beeinflußt worden durch die Auseinandersetzungen um die Neuordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg. Wilhelm Stählin äußert in seinen Lebenserinnerungen, der damalige Parteienstreit sei der Grund für die einseitige Zusammensetzung gewesen.84 Wie H. Sasse schon bei der Gründungstagung ausführte, war die Ausgrenzung der Reformierten sicher eine Folge der zunehmenden Konfessionalisierung, die bei den Kirchenführerkonferenzen von Treysa 1945 bis Eisenach 1948 zu einem andauernden Konflikt zwischen den reformierten Anhängern der Bekennenden Kirche, vertreten durch den Bruderrat um Martin Niemöller, und dem Lutherrat, dem Zusammenschluß der drei „intakten" Kirchen und der lutherischen Bruderräte unter dem bayrischen Landesbischof Meiser, geführt hatte. Die Kontroverse bestand im wesentlichen darin, daß die Lutheraner den neu zu gründenden Zusammenschluß der einzelnen Landeskirchen nur als Kirchenbund, nicht jedoch als Kirche im Sinne von CA VII, akzeptieren konnten, daß sie die Barmer Erklärung nicht als Bekenntnis verstanden und eine generelle Abendmahlsgemeinschaft aller Landeskirchen gleich welchen Bekenntnisses untereinander ablehnten. Sie strebten die Gründung der auf dem lutherischen Bekenntnis gründenden VELKD an.85 Nicht alle Lutheraner standen jedoch der Gründung der EKD von ihrem Bekenntnis her gleichermaßen ablehnend gegenüber, so daß sich unter ihnen wiederum einzelne Gruppierungen bildeten. Zu dem Detmolder Kreis, der sich als Gegengewicht zu den bedingungslosen VELKD-Befürwortern verstand und der im Gegensatz zu diesen die Abendmahlsgemeinschaft unter allen Gliedkirchen der EKD, gleich welchen Bekenntnisses, ablehnte,86 gehörte Stählin, der sich selbst bei der ersten Kirchenversammlung in Treysa 1945 als in der Mitte zwischen Bruderrat und Lutherrat stehend einordnete und feststellte, daß man mit dieser Position von den Verhandlungen so gut wie ausgeschlossen war.87 Außerdem gehörten Wil84

Stählin, Wilhelm, Via Vitae, 501 ff. Hauschild, Wolf-Dieter, Art Evangelische Kirche in Deutschland, in: TRE 10, 1982, 656-677, 669. 86 Smith-van Osten, Annemarie, Von Treysa 1945 bis Eisenach 1948, Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte 9, Göttingen 1980, 263 und 274-276. 87 Stählin, Via Vitae, 501/502. Zu seiner Gesamtbeurteilung der Kirchenkonferenzen und der VELKD vgl. a.a.O., 501-515. Stählin führt zu dem Detmolder Kreis aus, daß dieser im Grunde keine Bedeutung hatte und mit seinen Anliegen nicht zum Zuge kam. Im Anschluß an die Bethler Synode im Januar 1949 gründeten jedoch die Führer des Detmolder Kreises mit Gliedern der VELKD den „Theologischen Konvent Augsburgischen Bekenntnisses". Man hatte sich als Aufgabe gestellt, aktuelle Fragen des kirchlichen Lebens theologisch zu klären. Themen waren etwa 1950 Schrift und Tradition (Peter Brunner war hierzu Referent, vgl. sein Referat bei der 4.Tagung des ÖAK 1948, das in den „Schriften des Theologischen Konvents Augsburgischen Bekenntnisses", auch „Fuldaer Hefte", ebenfalls erschienen ist), Apostolat und Amt im N T etc. Das Wort „lutherisch" vermied man in der Selbstbezeichnung bewußt Als positives Merkmal erwähnt Stählin: „In diesem Kreis konnte man alles sagen, 85

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heim Maurer (Mitglied seit 1947) und Hermann Kunst dem Detmolder Kreis an sowie der württembergische Landesbischof Wurm, der durch sein Einigungswerk schon früh einen Vermittlungsversuch zwischen den Parteien unternommen hatte und der als Ratsvorsitzender der EKD dem ÖAK stets wohlwollend gegenüberstand. Sie vertraten damit eine streng lutherische, wenngleich nicht ebenso extreme Position wie H. Sasse oder H. Asmussen, deren weitere Mitarbeit man ja bald auch nicht mehr wünschte. Ernst Kinder (Mitglied von 1951 bis 1967) gehörte zu den VELKD-Lutheranern des Lutherrates, für die die Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen im Gegensatz zu den lutherischen Freikirchen nach seinen eigenen Worten eine Verpflichtung war und die eine schnelle Neuordnung befürworteten. Kinder wurde deshalb 1951 eingeladen, weil außer Asmussen kein Mitglied des ÖAK der VELKD zugehörte und zudem niemand aus der bayrischen Landeskirche vertreten war.88 Edmund Schlink gehörte ebenfalls zu den Befürwortern der neuen Grundordnung der EKD, so daß der OAK lange Zeit aus „orthodoxen bis gemäßigten" Lutheranern bestand. Stärker wirkte sich in den Diskussionen die Spannung zwischen den Berneuchen bzw. der Michaelsbruderschaft angehörenden Mitgliedern, vor allem Stählin und Mumm,89 und den Theologen um Schlink von der Universität Heidelberg aus. Legten die einen mehr Wert auf den Praxis- und Gemeindebezug der Arbeit sowie auf die Einbeziehung der Liturgie und erreichten so häufig großes Einverständnis mit den katholischen Gesprächspartnern, so prägten die Theologen aus Heidelberg, Günther Bornkamm (Mitglied von 1948 bis 1960), Peter Brunner (Mitglied von 1947 bis 1981) und Hans von Campenhausen (aktives Mitglied von 1947 bis 1978, dann korrespondierend) durch strenge Wissenschaftlichkeit und die Einbeziehung methodischer Fragen den Charakter der Gespräche. Peter Brunner hob sich freilich durch die Betonung der „Verleiblichung" des Heils etwa im Hinblick auf die Rechtfertigung und die Taufe besonders hervor und geriet damit oftmals in die Nähe katholischer Auffassungen, grenzte sich dann aber sogleich wieder scharf von diesen ab. Vor allem über seinen mysterientheologischen Ansatz gab es Verbindungen zu katholischen Mitgliedern wie Viktor Warnach (Mitglied von 1946 bis 1970) und Gottlieb Söhngen. was man auf dem Herzen hatte, ohne die ständige Angst vor dem aufgehobenen Finger der theologischen Verkehrspolizei" (a.a.O., 518). Darin sah er eine Möglichkeit, die seiner Ansicht nach wegen der Einwände Schlinks im ÖAK nicht unbedingt gegeben war (a.a.O., 516-519). 88 Vgl. Smith-van Osten, a.a.O., 285-287 und Stählin an Wendland am 3.11.50 sowie Stählin an Kinder am 3.11.50 (Korr EvAk). " Dazu gehörten auch Pfarrer Horst Schumann (Mitglied von 1946 bis 1970) und Ο. H. von der Gablentz (Mitglied von 1947 bis 1957) sowie H. D. Wendland (aktives Mitglied von 1951 bis 1978, dann korrespondierend).

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In den 60er Jahren machte sich dann bei Fragen des Schriftverständnisses und der Hermeneutik der Unterschied zwischen der Theologie des von W. Pannenberg initiierten „Heidelberger Kreises", im ÖAK vertreten durch W. Pannenberg und U. Wilckens, und einer strengen Wort-Gottes-Theologie bemerkbar, in deren Horizont E. Kinder, W. Joest und E. Lohse argumentierten.90 So präsentierten sich die evangelischen Mitglieder trotz des eingeschränkten Teilnehmerkreises dennoch nicht als homogene Gruppe. 4.

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In diesem Abschnitt geht es zunächst schwerpunktmäßig um die Arbeitsweise in den langen Jahren, bevor der Kreis gezielt auf Veröffentlichungen hinarbeitete, also in dem Zeitraum, den die systematisch-theologische Darstellung des II. Kapitels erfaßt. Für die Arbeit dieser Zeit war charakteristisch, daß sie nicht primär auf Ergebnisse im Sinne gemeinsamer Stellungnahmen oder gar auf Konsensformulierungen hin angelegt war. Man tastete sich vielmehr über verschiedene fundamentaltheologische Themen an die eigentlichen Differenzpunkte heran und übeiprüfte so die eigenen Kenntnisse über die Theologie der anderen Konfession. Beabsichtigt war also zunächst ein gegenseitiges Kennenlernen, das auch das kirchliche Leben und die Gottesdienstpraxis umfaßte. Da deshalb die Arbeit nicht immer so effektiv gestaltet wurde, wie sie es hätte sein können, war in der Zeit des allgemeinen ökumenischen Aufbruchs um das ILVatikanum, als es möglich wurde, konkrete Ergebnisse vorzulegen, eine Neubesinnung erforderlich. Der damit verbundene Umbruch in der Arbeitsweise wird in Abschnitt 5.3. beschrieben. 4.1. Turnus und Ablauf der Tagungen Ursprünglich hatte man beschlossen, sich zweimal im Jahr, jeweils im Frühjahr und im Herbst, zusammenzufinden. Diesen Turnus behielt man bei, bis man 1955 unter anfänglicher Skepsis der katholischen Seite dazu überging, nur noch einmal im Jahr zu tagen. Der Grund hierfür waren die wachsenden Verpflichtungen vor allem der evangelischen Mitglieder in anderen ökumenischen Gremien. Als fester Termin bildete sich die Woche vor dem Palmsonntag heraus, in der die Tagungen bis heute jeweils viertägig" stattfinden. Entgegen allen Befürchtungen gelang es auch nach einem 90

Siehe unten Kapitel II. B., Abschnitt 4.1.3. Gelegentlich kam es auch zu innerkonfessionellen Treffen zwischen den Tagungen. Anfangs trafen sich die katholischen Teilnehmer schon einen Tag früher zu einer Besprechung bzw. einer einheidichen Meinungsbildung. So etwa 1951 zur Klärung des Traditionsbegriffs und seiner Bedeutung für das Assumptio-Dogma (Höfer an Jaeger am 25.8.50 und 20.8.51 und Schreiben an die Mitarbeiter vom 3.9.51, Nachlaß Jaeger). 91

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Jahr, ohne Schwierigkeiten gleich in eine unbefangene und sachliche Diskussion einzusteigen.92 Anfangs begann man den Tag noch mit zwei getrennten Gottesdiensten und beendete ihn mit der gemeinsamen Komplet Schon damals beteiligten sich stets einige Theologen am Gottesdienst der anderen Konfession.93 Seit Beginn der 70er Jahre werden abwechselnd eine katholische Messe und ein evangelischer Abendmahlsgottesdienst gefeiert, an denen jeweils alle Mitglieder teilnehmen. Im katholischen Gottesdienst kommunizieren jedoch nur die katholischen, im evangelischen nur die evangelischen Mitglieder. Die Abendgespräche nach der Komplet dienen dem Austausch von Informationen über andere ökumenische Tagungen, kirchenpolitische Vorgänge und vieles andere. Während des Konzils wurde über die einzelnen Sessionen berichtet Über das Verhandelte finden sich aber nur kurze Vermerke in den Protokollen.94

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Dazu trug wohl auch die Tatsache bei, daß der Austausch über die eigene wissenschaftliche Arbeit und über kirchenpolitische und ökumenische Geschehnisse unter Mitgliedern beider Konfessionen auch zwischen den Tagungen gepflegt wurde. Bereits 1952 fand, wegen der Vollversammlung des LWB in Hannover und der Kommissionssitzung von Faith and Order in Lund, nur eine Tagung im Oktober statt. Dennoch konnte Schlink, u. a. wegen der Vorbereitungen für die Vollversammlung des ORK in Evanston 1954, nicht teilnehmen. Zusammen mit Brunner sprach er sich schon damals für einen einjährigen Turnus aus, weil man sich schon so gut kenne, daß man auch nach einem Jahr sofort in ein sachliches Gespräch einsteigen könne. Die katholischen und ein Teil der evangelischen Teilnehmer waren aber dennoch für die Beibehaltung des halbjährlichen Rhythmus (Schlink an Schmaus, 7.1.52, Schlink an Stählin, 24.9.52 - nicht abgesandt - , Schlink an von Campenhausen, 27.9.52; Korr Schlink und Prot, der 12.Tagung 1952, 33). Auch die Herbsttagung 1954 ließ man wegen der Weltkirchenkonferenz in Evanston ausfallen (Prot der 15. Tagung 1954, 9). Bei der 16. Tagung 1955 schließlich konnte Stählin den einjährigen Turnus wegen der starken Arbeitsüberlastung der evangelischen Tagungsteilnehmer, die zum Teil in zwei oder drei solcher Kreise stünden, durchsetzen (Prot, 21). Katholischerseits wäre man immer noch lieber bei zweimaligen Zusammenkünften im Jahr geblieben, da es ja nicht nur um die Erörterung von Themen ging, sondern auch um den Austausch menschlicher Erfahrungen und die Beseitigung von Mißverständnissen und Spannungen. Man akzeptierte aber die Überlastung maßgeblicher Mitarbeiter auf evangelischer Seite und erklärte sich schließlich mit dem Vorschlag einverstanden, obwohl es Situationen gebe, in denen der Wunsch aufkomme: J e t z t müssten wir uns eigentlich sprechen. Wichtig wäre in solchen kritischen Situationen eine Zusammenkunft, wenn auch nicht unseres ganzen Kreises" (Höfer, Prot., 25). In seinem Schlußwort bei der 17. Tagung 1956 bemerkte Erzbischof Jaeger jedoch, seine Befürchtungen, der Kreis könne durch den neuen Rhythmus auseinanderfallen, hätten sich nicht bestätigt (Prot, 26). 93 So Reinhard Mumm, in: D t Pfarrerblatt 75/1975, 518. Dies wurde aber offiziell mit Rücksicht auf Rom lange nicht praktiziert (Jaeger an Volk, 5.4.58, Nachlaß Jaeger). 94 Bei der 24. Tagung 1963 berichteten Volk und Schlink bereits vom Konzil, ohne daß dies jedoch im Protokoll erwähnt wurde (Krems an Mumm am 27.9.63, Korr EvAk). Bei der 26. Tagung 1965 erstatteten dann Volk, Höfer, Mörsdorf und Skydsgaard von der 3. Sitzungsperiode in Rom Bericht (Prot, Akten EvAk, 14). Höfer informierte über Geschichte und Organisation der Römischen Kurie (a. a. O., 43).

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Die eigentliche wissenschaftliche Arbeit erfolgte lange Zeit in der Regel so, daß am ersten Tag von jeder Seite ein exegetisches, am zweiten Tag je ein dogmatisches Referat zu demselben Thema mit anschließender Aussprache gehalten wurde und man in der verbleibenden Zeit die Thematik insgesamt diskutierte. Auch die Referate wurden also anfangs strikt nach dem Grundsatz „par cum pari" angesetzt, nach dem alle Angelegenheiten des ÖAK geregelt wurden. Einige Male wich man jedoch von dieser Regel ab. 1949 z.B. hielt H. Volk neben W. Maurer aus katholischer Sicht ein Referat über die Rechtfertigungslehre der BSLK. Umgekehrt referierte P. Brunner neben M. Schmaus über die RFL des Tridentinum aus evangelischer Sicht. Daraus erwuchs eine der fruchtbarsten Tagungen. Ähnlich verfuhr man 1962, als Brunner über den ekklesiologischen Status der Römisch-katholischen Kirche aus evangelischer Sicht und H. Fries über den ekklesiologischen Status der Evangelischen Kirche aus katholischer Sicht referierte. Nachdem man immer wieder die Erfahrung gemacht hatte, hinsichtlich des rein exegetischen Befundes weitgehend übereinzustimmen lange Zeit fand nur der neutestamentliche Befund Berücksichtigung - , ging man teilweise dazu über, die beiden Exegeten zu verschiedenen Themen zu hören, bzw. einen zum Alten und einen zum Neuen Testament. Mit der Zeit ersetzte man auch exegetische Referate durch philosophische oder kirchengeschichdiche und beleuchtete so die anstehenden Themen aus verschiedenen Perspektiven.95 Zeitweise erstellten die Referenten Thesen, die eigentlich vor den Tagungen verschickt werden sollten. Dies passierte zwar selten, doch in Zeiten, in denen die Atmosphäre96 es zuließ, dienten sie als Grundlage für gemeinsame Thesen, in denen die Gesprächsergebnisse zusammengefaßt wurden. Wie Kapitel II zeigen wird, traf man darin schon sehr früh erstaunliche gemeinsame Aussagen. Man war sich aber der Einseitigkeiten bewußt, die aus der ursprünglichen Abfassung durch nur ein Mitglied aus einer der beiden Konfessionen resultierten. Selbst wenn die Referenten gemeinsam Thesen ausgearbeitet hatten, wußte man, daß noch viele offene 95

So referierte O. Kuss 1956 ausschließlich über das hohepriesterliche Amt Jesu nach dem Hebräerbrief, G. Friedrich über die Aussagen hierzu in den Synoptikern. 1957 übernahm O. Kuss allein die nd. Grundlegung des Papsttums. Den kirchengeschichtlichen Befund teilte man auf, so daß Maurer für die evangelische Seite über die Situation im Mittelalter und in der Reformationszeit referierte und Karrer katholischerseits über die Alte Kirche. 1967 referierte C. Westermann über den Menschen im Urgeschehen des AT, Κ. H. Schelkle über die Sünde Adams nach dem NT. Bei den Tagungen zu Wesen und Akt 1954 und zur Unsterblichkeit 1959 trat die Exegese zurück, und man befaßte sich vorwiegend mit den philosophischen Implikationen. * Bezeichnenderweise hatte man bei der 3. bis 5.Tagung 1947 bis 1949 schon Thesen aufgestellt In der Zeit der Krisen setzte man aber damit aus und begann erst wieder Anfang der 60er Jahre. Die Gründe dafür, daß man auch dann nicht bei jeder Tagung Thesen aufstellte, lagen nicht mehr in atmosphärischen Spannungen, sondern darin, daß man die Themen während einer Tagung nicht hinreichend ausdiskutieren konnte.

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Fragen und Ungereimtheiten weiterbestanden. Deshalb sah man von ihrer Veröffentlichung lange Jahre ab. Man war sich darüber im klaren, daß sie unweigerlich als eme Art „Konsenspapier" verstanden worden wären und wollte sich nicht dem Vorwurf der Vereinfachung kontroverstheologischer Probleme und der Nivellierung von Unterschieden aussetzen.97 Die gemeinsamen Thesen wurden lediglich in die Verlaufsprotokolle der Tagungen aufgenommen, die je ein Protokollant des Katholischen und des Evangelischen Kreises gemeinsam von den theologischen Diskussionen erstellten.98 4.2. Gottesdienste und liturgische Umrahmung Der gottesdienstliche Rahmen der Tagungen stellte die Teilnehmer in der Anfangszeit vor ungeahnte Schwierigkeiten und führte ihnen vor Augen, daß sie nicht nur mit verschiedenen Theologien, sondern auch mit völlig anderen Frömmigkeitsformen konfrontiert waren. In seiner Niederschrift zur 4. Tagung 1948 berichtet Stählin von den Schwierigkeiten bei der evangelischen Morgenandacht an Epiphanias, auch nur ein gemeinsames Lied zu singen, wegen der verschiedenen Textfassungen, und von dem anschließenden Hochamt in der Kapelle, zu dem Warnach die Liturgie einstudiert hatte und bei dem Pascher über den Zusammenhang von Epiphanie und Ostern gepredigt hatte. An ihm kritisiert er den liturgischen Vollzug: „Aber der Prediger steht - schon in der liturgischen Kleidung - völlig außerhalb des liturgischen Geschehens; auch steht die Predigt an der falschen Stelle nach dem Credo. Das ganze doch mehr Schauspiel. Im Großen und Ganzen sehr ,gekonnt', aber in dem liturgischen Vollzug doch kaum als wirklicher Gottes-

v

Siehe unten Abschnitt 4.4. zur Veröffentlichungspraxis. Obwohl man bereits 1957 und erneut 1962 erwogen hatte, das Protokoll in Zukunft nur noch in Form einer zusammenfassenden Ubersicht zu verfassen, blieb man bis heute bei den Verlaufsprotokollen, um die einzelnen Diskussionsbeiträge gut erkennbar wiedergeben zu können (Prot 18. Tagung 1957, 3 und 23. Tagung 1962, 11). Die katholischen Protokollanten hatten offensichtlich eine andere Auffassung von der Abfassung des Protokolls, als Mumm. Nachdem jener bereits mit Dolch einen Briefwechsel darüber geführt hatte, wie offen im Protokoll Bemerkungen von Teilnehmern wiedergegeben werden sollten, die man eigentlich von der anderen Konfession erwartet hätte, wiederholte sich dieser Konflikt in der Zusammenarbeit mit Bäumer. Mumm äußerte dazu gegenüber Bäumer am 13.8.57 (Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr EvAk): „Es bewegt mich dabei im Gespräch mit Ihnen eine ähnliche Frage, wie ich sie seinerzeit schon mit Herrn Dolch erörtert habe. Darf ich diese Frage offen stellen? Das Gespräch in diesem Arbeitskreis, an dem ich hörend nun seit 6 Jahren teil nehme, hat seine Eigenart in einer großen Offenheit und Rücksichtslosigkeit (im besten Sinne); dabei kommt es nicht selten vor, daß ein Katholik eine evangelische Position und ein Lutheraner eine katholische Stellung einnimmt. Dürfen wir nachträglich dieses Charakteristikum abschwächen oder verwischen?" Ganz wurde man sich in diesem Punkt nicht einig. Es wird jedoch deutlich, daß man um eine möglichst treffende Wiedergabe des Gesprächsverlaufs rang. Dies rechtfertigt die Tatsache, daß die Protokolle in der vorliegenden Arbeit als Basis für eine Darstellung der Arbeit des OAK dienen. 98

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dienst zu werten, sodaß wir es doch alsrichtigempfinden, daß wir vorher unsere einfache Morgenandacht gehalten haben."99 In diesen Äußerungen kommt noch eine große Skepsis und Reserviertheit zum Ausdruck. Positiver beurteilt Stählin die Messe, die Erzbischof Jaeger in einer „sehr würdigen Form" gehalten habe, wobei er alles „sehr bewußt und verständlich"100 gesprochen habe. Zur Komplet erwähnt Stählin, daß die katholischen Herren nur schwer zu dem gemeinsamen Gebet zu bewegen gewesen seien, weil sie ihr Stundengebet sonst für sich allein zu beten gewohnt waren. Stählins Beobachtungen vermitteln einen Eindruck davon, wie wichtig es damals war, neben den theologischen Diskussionen auch die Spiritualität der anderen Konfession kennenzulernen, um zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zu kommen. Allmählich festigte das gemeinsame Gebet auch die Gemeinschaft und trug dazu bei, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, die sicher dazu beigetragen hat, daß der Kreis die vielfältigen „Zerreißproben" der Anfangszeit überstehen konnte.101 Welche fundamentale Bedeutung beide Arbeitskreise dem gemeinsamen Gebet bei den Tagungen beimaßen, wird dokumentiert durch einen Brief an die beiden „Ökumenebeauftragten" ihrer Kirchen Kardinal Jaeger und Landesbischof Dietzfelbinger, den Bischof Stählin und Hans von Campenhausen im Einverständnis mit Kardinal Jaeger abgefaßt hatten und der von allen Anwesenden unterzeichnet wurde. Er bezog sich auf die „Ratschläge für interkonfessionelle Veranstaltungen" der VELKD vom 7.1.65 und auf die „Weisungen der katholischen Bischofskonferenz" zum Problem des „Gemeinsamen Wortgottesdienstes"102 vom März 1965, „das angesichts der neuen römisch-katholischen Unterscheidung von communicatio in sacris und communicatio in spiritualibus im Ökumenismusdekret einer Klärung"103 bedurfte. Beide Verlautbarungen interpretierte man dahingehend, daß „künftig bei ökumenischen Begegnungen eine stärkere Zurückhaltung geübt werden soll."104 Der Brief beinhaltete deshalb folgende Bitten:

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Niederschrift Stählins, Akten EvAk, 11. A.a.O., 5. 101 Stählin stellt fest, „daß diese regelmäßig und mit bewußtem Eifer gepflegte Ordnung gemeinsamen Gebets sehr wesentlich dazu beigetragen hat, diesem doppelten ökumenischen Arbeitskreis seine innere Festigkeit und die Atmosphäre eines schönen menschlichen Vertrauens zu verleihen und zu erhalten" (Via Vitae, 557). IM Vgl. Ratschläge für interkonfessionelle Begegnungen, hrsg. i.A. des Ausschusses der VELKD zur Frage des gemeindlichen Lebens, Missionierende Gemeinde 12, Berlin/Hamburg 1965 und zu den Weisungen der Fuldaer Bischofskonferenz Herder-Korrespondenz 19/1965, 349. 103 Vgl. Lutherische Generalsynode 1967, Hamburg 1974, 378 und zu der Unterscheidung Unitatis redintegratio, Kap.2, Art 8, in: LThK 13, 79/80 sowie den Kommentar von J. Feiner zur Definition von communicatio in spiritualibus und communicatio in sacris durch das vom Einheitssekretariat herausgegebene Ökumenische Direktorium (ebd., 78/79). Stählin, Prot. 26. Tagung, 44. 100

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„1. Wir bitten, unsere und ähnliche theologische Arbeit, die ja auch schon bestimmte Früchte getragen hat, wie bisher zu bejahen und zu unterstützen. 2. Darin, daß es uns verwehrt ist, gemeinsam das Mahl des Herrn zu feiern, kommt die Spaltung der Kirche schmerzlich und beschämend zum Ausdruck. Aber nichts dürfte hindern, daß sich Kreise und Gemeinden, die dafür vorbereitet und dazu willig sind, zu gemeinsamem Gebet auch in Gotteshäusern vereinigen. 3. Da unsere Kirchen übereinstimmend das Gebet als Antwort auf die Anrede Gottes verstehen und sich beide zu der zentralen Bedeutung der Heiligen Schrift bekennen, halten wir es für richtig, wenn sich solche Kreise auch zu gemeinsamem Hören der Heiligen Schrift und zu ihrer Betrachtung zusammenfinden, weil Hören und Beten eine nicht aufzulösende Einheit bilden. Es wäre unserer Meinung nach verhängnisvoll, wenn die notwendige Abwehr einer schwärmerischen Grenzverwischung zu einer ängstlichen und mißtrauischen Zurückhaltung gegenüber solchen Bemühungen und Möglichkeiten führen würde ... a 1 0 5 Die Antwort erfolgte in Form eines Schreibens von Kardinal Jaeger und Bischof Dietzfelbinger an Bischof Stählin und Bischof Volk im August 1965: „Nachdem wir beide uns zweimal über diese Fragen beraten haben, dürfen wir Ihnen folgendes mitteilen: Es ist selbstverständlich, daß wir die theologische Arbeit unseres Kreises, die sich durch lange Jahre hindurch bewährt hat, bejahen und unterstützen. Wir wollen auch andere ähnliche Kreise fördern, die sich um einen ernsthaften Dialog bemühen. Was das gemeinsame Hören auf die Heilige Schrift und das gemeinsame Gebet betrifft, so scheint uns die Art, wie das bisher in unserem Arbeitskreis geschah, in ihrer Wahrhaftigkeit wie in ihrer Sachlichkeit, in der Förderung des Gemeinsamen wie im Achten auf das schmerzhaft Trennende vorbildlich für andere Versuche zu sein. Weder die , Ratschläge' noch die ,Weisungen' legen für solche Begegnungen ein Hindernis in den Weg; sie wollen sie vielmehr fördern, wenn sie nur, wie auch Ihr Brief meint, von Kreisen getragen werden, die dafür recht vorbereitet sind. Bezüglich einer gewissen Zurückhaltung in der Frage der Benützung der Gotteshäuser, die in einem Punkt angedeutet ist, bitten wir um Geduld und Verständnis für die derzeitige Situation. Selbstverständlich bejahen die genannten Dokumente die äußere wie die innere Zusammengehörigkeit von Gebet und Hören auf das Zeugnis der Bibel, liegen doch gerade hier die besten Ansätze zur Vertiefung der ökumenischen Begegnung."106 Dafür, daß man von Seiten der VELKD dem ÖAK eine Vorbildfunktion einräumte, u. a. auch hinsichdich der Gottesdienstpraxis, mag die Mitgliedschaft Dietzfelbingers im ÖAK eine Rolle gespielt haben. Wie jedoch die gesamte Arbeit darauf ausgerichtet war, nicht die von Seiten der Kirchen gesteckten Grenzen zu überschreiten, so war man tatsächlich auch hin105 106

Ebd., 45/46, vgl. auch Stählins Schlußwort, ebd., 70. Akten EvAk.

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sichtlich der Gottesdienstpraxis zurückhaltend, was semen stärksten Ausdruck darin fand, daß man auf jede Form der Interkommunion verzichtete. Auch daran hat sich bis heute nichts geändert.107 4.3. Themenwahl Das Thema einer Tagung wurde jeweils bei dem vorausgegangenen Zusammentreffen bestimmt.108 Charakteristisch für die Arbeitsweise des Kreises war bis in die 70er Jahre, daß ein Thema nie bei der nächsten Tagung weiterbehandelt wurde, sondern „in einer Art umkreisenden Denkens"109 zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen wurde, um zu vermeiden, daß sich das Gespräch verhärtete. Erst mit Beginn der Reihe „Dialog der Kirchen" beraumte man mehrere Tagungen für eine Thematik an, und für die Untersuchung über die Lehrverurteilungen trafen sich die drei gebildeten Untergruppen auch zwischendurch. Das heißt aber nicht, daß die Themen aufeinanderfolgender Tagungen in der Zeit vorher nichts miteinander zu tun gehabt hätten. Durchgängig läßt sich beobachten, was nicht unbedingt auf den ersten Blick aus der Zusammenschau der Themen hervorgeht, daß nämlich häufig mehrere aufeinanderfolgende Tagungen einen Themenkomplex aus verschiedenen Perspektiven beleuchteten oder daß die Diskussion einer Tagung auf ein Thema führte, das im nächsten Jahr aufgegriffen wurde. Eine Einheit bilden z. B. die 5.Tagung 1948 zum Thema Glaube, die 6.Tagung 1949 zur Rechtfertigungslehre, die 7. Tagung 1949 zu Bekehrung und Buße und die 9. und 10. Tagung 1950 und 1951 zur Taufe und dem Geistwirken in den Gläubigen. Unterbrochen wurde diese Betrachtung des „Heilswegs" durch die 8.Tagung zur Heiligen- und Marienverehrung aus aktuellem Anlaß, nämlich wegen der bevorstehenden Dogmatisierung der Assumptio Mariens. Zuvor waren mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen 1947 und mit Schrift und Tradition 1948 Themen der dogmatischen Prinzipienlehre 107 Vgl. die Ausführungen in Kapitel II. B., Abschnitt 2.3.2. b) zur Tagung über Evangelisch-katholische Abendmahlsgemeinschaft 1970. Auch schon vor dem II. Vatikanum, als man durch den Erlaß des Monitum des Hl. Offiziums und der darauffolgenden Instruktion die Fortsetzung der Gespräche gefährdet sah (siehe unten unter 5.), kam zum Ausdruck, welchen hohen Stellenwert man dem gemeinsamen Gebet einräumte. Vgl. Stählin, Via Vitae, 557: „Im Zusammenhang mit jenen Verlautbarungen des Heiligen Offiziums war auch die Frage laut geworden, ob auch das gemeinsame Gebet unter das dort erneut eingeschärfte Verbot jeder communicatio in sacris falle. Wir ließen keinen Zweifel darüber, daß wir es nicht für sinnvoll hielten, theologisch zu diskutieren, wenn wir nicht auch miteinander beten dürfen. Das Ergebnis war, daß wir - nach dem Vorschlag der katholischen Leitung - von da an nicht nur jeden Tag, sondern jede einzelne Sitzung mit gemeinsamem Gebet begannen." 108 Zur Übersicht über Themen, Referate und Referenten der Tagungen bis 1989 vgl. ebenfalls die Dokumentation Henrichs in: KuD 35/1989, 259-277. 109 Mumm, Reinhard, Der Evangelische und Katholische Ökumenische Arbeitskreis, in: Dt. Pfarrerblatt 68/1968, 682.

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behandelt worden. Anfangs erfolgte die Themenwahl also durchaus in Anlehnung an den herkömmlichen Aufbau der Dogmatik, was in einem gewissen Widerspruch zu der von Schlink beschriebenen Absicht steht, sie „nicht in einer gradlinigen systematischen Reihenfolge - etwa dem Aufbau der Dogmatik und der Folge der darin enthaltenen Unterscheidungslehren entsprechend - " n o auszuwählen. Ebenfalls eine Einheit bilden die 12. und 13. Tagung 1952 und 1953 zu Beichte und Absolution bzw. zu dem Verhältnis von Christus und der Kirche, sofern jeweils die Kirchenmitgliedschaft in der sichtbaren Kirche zur Debatte stand. Bei der 14. bis 17.Tagung 1953 bis 1956 kam man über die anthropologische Frage der Erkenntnisfähigkeit natürlicher Ordnungen zur grundsätzlichen Frage des Verhältnisses von Wesen und Akt und schließlich zur Bedeutung der ontologischen bzw. der relationalen Betrachtungsweise für die Gegenwart Christi im Abendmahl, um sich dann dem hohepriesterlichen Amt Christi und damit den christologischen Implikationen des Verhältnisses von göttlichem und menschlichem Handeln zuzuwenden. 1957 und 1958 befaßte man sich mit dem Papstamt bzw. speziell mit der Rolle des Lehramtes im Zusammenhang mit der Frage nach der Einheit der Kirche bzw. der Einheit der Schrift. 1962 bis 1964 ging es um die Bedeutung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten institutionellen Gestalt der Kirche für das Heil. Man bestimmte den gegenseitigen ekklesiologischen Status und behandelte das Verhältnis der Kirche zur Parusie Christi sowie das Problem der nichtchristlichen Religionen. Bei der Erörterung des Weltverhältnisses der Kirche 1966 erwies sich das Sündenverständnis als problematisch, das man deshalb im nächsten Jahr unter dem Thema „Die Sünde Adams" behandelte. Die 31. Tagung 1970 zur Interkommunion vertiefte man im nächsten Jahr durch die Verhältnisbestimmung von Sacerdotium und Ministerium. 1972 und 1973 schob man mit den Themen „Verborgenheit Gottes" und „Was ist für den chrisdichen Glauben konstitutiv?" zwei Tagungen zur zeitgemäßen Verkündigung beider Kirchen ein. In den darauffolgenden Jahren befaßte man sich bei den Tagungen zu Ordination und zu Presbyterat und Episkopat schließlich mit der Aufteilung und der Unterscheidung der Ämter.111 Selten wurde eine in einer der beiden Kirchen aktuelle Thematik aufgenommen.112 Darin war man sehr vorsichtig. Brisante Themen, die besonders von katholischer Seite vorgegeben wurden, wie das AssumptioDogma mit der Problematik des Verhältnisses von Schrift, kirchlicher Tradition und Lehramt oder die gerade in den Sessionen des Konzils erörterten Sachverhalte griff man gar nicht auf, nur sehr grundsätzlich, oder erst 110

Vgl. Schlink, Edmund, Pneumatische Erschütterung?, in: KuD 8/1962, 221-237, 222/223. Vgl. zu den Zusammenhängen im einzelnen Kapitel II. 112 Vgl. den Bezug der Kirchenrechtsthematik der 11.Tagung 1951 zu den rechtstheologischen Diskussionen damals innerhalb der Evangelischen Kirche. 111

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nach sorgfältiger Auswahl des Zeitpunkts. So befaßte man sich im März 1950, also noch vor der endgültigen Dogmatisierung der Assumptio Mariens, mit der Heiligen- und Marienverehrung im allgemeinen.113 Als man 1964 das theologische Problem der nichtchristlichen Religionen behandelte, wollte man offensichtlich von katholischer Seite die Diskussionen des Konzils nicht fortsetzen, denn das Verhältnis der Römischen Kirche zu Nichtchristen bzw. zu anderen Konfessionen wurde nicht aufgegriffen, obwohl dies im Hinblick auf die Dekrete über die nichtchristlichen Religionen und den Ökumenismus das eigentlich Interessante gewesen wäre.114 Der von evangelischer Seite zuvor vorgeschlagene Austausch über die zu erwartenden Beschlüsse des Konzils De Revelatione, De Liturgia oder De Ecclesia wurde katholischerseits abgelehnt.115 Auch zur Arbeit des ORK lassen sich nur gelegentlich inhaltliche Bezüge herstellen. So nahm die 13. Tagung 1953 das Thema „Christus und die Kirche" der 3. Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung 1952 in Lund auf116, und mit dem Thema „Die Kirche in dieser Welt" von 1966 hatte sich der ORK schon längere Zeit befaßt. Für Juli war außerdem eine Weltstudienkonferenz über „Kirche und Gesellschaft heute" angesetzt.117 Die Themenwahl erfolgte also weithin nach Gesichtspunkten, die sich aus der eigenen Arbeit ergaben. Schwerpunktmäßig wurden bis 1962 Themen der Prinzipienlehre, der Lehre von den Gnadenmitteln und der Heilszueignung sowie der Ekklesiologie behandelt, also durchweg rein fundamentaltheologische Themen. Kaum zur Sprache kamen Gotteslehre und Christologie. Vor allem die stärkere Berücksichtigung christologischer Fragen hätte jedoch sowohl im Hinblick auf die ekklesiologischen Probleme als auch im Hinblick auf die mit der subjektiven Heilsaneignung verbundene Problematik klärend wirken können.118 113 Schlink hatte den Vorschlag geäußert, die Tagung erst nach der Dogmatisierung anzuberaumen. Stählin beließ es dennoch bei dem ihr vorausgehenden Termin, da sich die katholischen Teilnehmer dann noch leichter und unbeschwerter aussprechen könnten (Stählin an Schlink, 10.2.50, Korr EvAk). 114 Vgl. Kapitel II. Α., Abschnitt 1.2.3. 115 Prot. 24. Tagung 1963, 23-25. 116 W. Stählin hatte den deutschsprachigen Kongreßbericht herausgegeben. Vgl. ders., „Lund. Dritte Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung", Witten 1954. Aus dem ÖAK hatten neben Stählin auch Menn, Kinder und Schlink teilgenommen (Prot 12. Tagung 1952, 9. Bei dieser Tagung berichteten sie über Lund). Schlink hatte dort ein Referat zum Thema „Das wandernde Gottesvolk" gehalten und war zusammen mit Skydsgaard, Nygren, W. Niesei, Lilje u. a. gemäß der in Lund erstellten neuen Verfassung zum Kommissionsmitglied gewählt worden (Kongreßbericht, 71 ff., zum Referat Schlinks vgl. 102-109). 117 Auch das theologische Problem der nichtchristlichen Religionen, das man 1964 im OAK behandelte, wurde 1961 bereits in Neu-Delhi verhandelt, und auf die Voten von damals wurde des öfteren Bezug genommen. 118 Vgl. Schlink, E., Pneumatische Erschütterung?, 222/223. Dort findet sich auch eine

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Dann beschloß man, vermehrt auch Themen mit Praxisbezug zu wählen, also etwa aus dem Bereich der Moraltheologie. Mit der Behandlung der „Theologie der Ehe" 1968, der „Autorität in der Krise" 1969 und der „Interkommunion" 1970 griff man solche praxisbezogene Themen auf. Im Anschluß daran befaßte sich der Kreis mit der Problematik zeitgemäßer Verkündigung in einer zunehmend säkularisierten Welt, also mit einer Problematik, vor die sich beide Kirchen in gleicher Weise gestellt sahen. Doch es zeigte sich, daß in den Diskussionen immer wieder die dogmatischen Grundfragen angesprochen wurden, und so ging man wieder zu fundamentaltheologischen Themen über, wie es die Reihe „Dialog der Kirchen" dokumentiert. 4.4. Veröffendichungspraxis Lange Jahre war es zwar in Fachkreisen bekannt, daß ein Kreis um Lorenz Jaeger und Wilhelm Stählin bestand, der sich zu ökumenisch brisanten Themen austauschte, doch nähere Informationen flössen nur sehr spärlich und wurden trotz häufiger interessierter Anfragen mit dem Vermerk um vertrauliche Behandlung und unter strenger Beachtung der Gleichbehandlung auf beiden Seiten nur an „vertrauenswürdige" Personen weitergegeben. Über die mündliche Berichterstattung der beiden Vorsitzenden an die Fuldaer Bischofskonferenz bzw. den Vatikan und den Rat der EKD sowie über die zeitweilige Versendung der Protokolle nach Genf und an die beiden Konfessionskundlichen Institute hinaus wurde nur vereinzelt bei anderen Tagungen über den Kreis berichtet119 Übersicht über die Themen bis 1962, nach dem klassischen Aufbau der Dogmatik geordnet Vgl. auch Kapitel II. 119 Vor allem Stählin und Mumm war daran gelegen, durch die Versendung der Protokolle anderen ökumenischen Gremien einen Einblick in die theologische Arbeit des ÖAK zu verschaffen. Gegenüber Dr. Harms (damals ORK Genf) begründete Stählin seine Zusendung der Protokolle so: „Wir haben uns auf beiden Seiten gegenseitig gebunden, nichts zu veröffentlichen, was dort in der Aussprache gesagt worden ist Aber diese Protokolle gehören zu den zwar etwas mühsam zu lesenden, aber doch interessantesten Dokumenten dieser Kontrovers-Theologie" (Stählin an Harms, 5.2.59, Korr EvAk). Mumm verstand die Zusendung der Protokolle an Harms offensichtlich als Beginn eines gegenseitigen Informationsaustausches, da er ihn um die Zusendung von Unterlagen über dessen Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirche bat (Mumm an Harms, 9.2.59, Korr EvAk). Gegenüber O. Kuss berief sich Mumm für seine Vorgehensweise auf das Interesse, das für die Arbeit des OAK überall bekundet wurde. Vgl. Mumm an Kuss, 5.2.59 (Korr EvAk): „Es wird von interessierten Theologen (ich sprach jüngst mit einem theologischen Referenten beim oekumenischen Rat in Genf) geklagt, dass unsere Gespräche und ihre Ergebnisse bisher nicht in die Hände derer gekommen sind, für die sie doch recht wichtig wären. Ich weiss nicht, ob es üblich ist, einen Weg zu finden, der das wichtigste aus der Arbeit unseres Kreises der Öffendichkeit mitteilt Eines scheint mir sicher möglich zu sein, dass die bereits gedruckten Beiträge, eventuell durch weitere bereichert, in einem gemeinsamen Band erscheinen. (...) Ich bin gewiss, daß ein solcher Band grosses Interesse finden wird und auch ohne die Gespräche doch sinnvoll ist" In einem Brief an Joest vom 20.2.59 (Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr

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Beide Kreise verzichteten auch auf Pressenotizen und eigene Berichte in Zeitungen, weil jede Seite befürchtete, auf einen Artikel in der eigenen kirchlichen Presse könne die der anderen Konfession ihrerseits mit einem möglicherweise unsachgemäßen Bericht reagieren.120 Erst aus den 70er Jahren liegen Pressenotizen des epd vor.

EvAk) schlug er erneut vor, Referate und Korreferate jeweils gemeinsam zu veröffentlichen, wenn schon nicht die gesamten Gespräche veröffentlicht würden. Dieses Interesse war auch ausdücklich von Seiten der EKD geäußert worden (von Harling an Stählin, 16.10.57, Korr EvAk). Die Protokolle wurden ferner nach dem Tode Menns auch OKR Hanfried Krüger von der Ökumenischen Zentrale in Frankfurt und vorher bereits Pfr. Joachim Lell vom Konfessionskundlichen Institut in Bensheim zugesandt, letzterem in der Annahme, daß auch das J.-A.-Möhler-Institut die Protokolle studiere. Dabei bat man immer wieder um vertrauliche Behandlung der Unterlagen. Von Lell forderte Stählin eine „schriftliche Verpflichtungserklärung über vertrauliche Behandlung" an (Stählin an Mumm, 29.8.57, Korr EvAk). Dennoch mußten die Protokolle wieder zurückgefordert werden, als Jaeger sich gegen ihre Versendung nach Frankfurt und Genf wandte, da sie im Vatikan bisher nicht eingesehen worden seien. Dort hatte er nach eigenen Angaben nur alle drei Jahre kurz berichtet (Mumm an Krüger, 21.3.59, Korr EvAk). Die Skepsis gegenüber der Informierung anderer ökumenischer Institutionen bestand also überwiegend auf katholischer Seite. Vgl. Mumm an Krüger am 2.4.59 (Korr EvAk): „Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal ausdrücklich betonen, es besteht bei niemand der Verdacht, daß diese Protokolle unrechtmäßig gebraucht würden. Ich bin fest davon überzeugt, daß auch Erzbischof Jäger diesen Verdacht keineswegs hat. Niemand hat gefordert oder gewünscht, daß wir die bereits versandten Protokolle zurückfordern sollten. Die Sache liegt vielmehr ausschließlich so, daß uns bei diesem Gespräch klar wurde, in welch schwieriger Lage sich unsere Gesprächspartner gegenüber bestimmten Gruppen ihrer eigenen Konfession befinden. Nur von daher war es uns klar, daß wir uns aus Gründen der Fairness genauso beschränken müssen wie sie, obwohl wir gar keinen Anlaß dazu sehen, so ängstlich zu sein. Die Ängstlichkeit liegt also ganz auf der anderen Seite, ... Diese Angst liegt nicht im Verhältnis zu uns begründet, sondern im Verhältnis zu gewissen Gruppen im eigenen Lager. Das sind interne Dinge, die wir schwer durchschauen." 120

Gegenüber Presseveröffentlichungen lag die Skepsis das eine Mal mehr bei Stählin, das andere Mal mehr bei Höfer. Doch beiden kam es überwiegend in der Anfangszeit (1948-1954) darauf an, daß der OAK in der Öffentlichkeit nicht in ein falsches Licht gerückt würde, um die Weiterarbeit nicht zu gefährden. Grundsätzlich lehnte man jede Veröffentlichung in der Presse ab. War doch etwas nach außen gedrungen, so ging man dem nach und stellte falsche Darstellungen richtig. Vgl. eine Meldung des CND Stuttgart vom 13.3.48, wo der Arbeitskreis in einem Zuge mit einer außerordentlichen Besprechung zwischen Vertretern der EKD und der Katholischen Kirche Anfang April in der Nähe von Mainz, noch in der amerikanischen Zone, genannt wurde. Stählin befürchtete, daß dadurch „der ganz irreführende Eindruck einer politischen Abzweckung unserer rein theologischen Arbeitsgemeinschaft" (Stählin an Ranft, 3.5.48) entstanden sei und sah den Evangelischen Kreis nun in einer schwierigen Lage gegenüber dem Katholischen Kreis, da sich beide verpflichtet hatten, keine Informationen an die Presse weiterzuleiten (Stählin an Schlink, 30.4.48). Auch die Richtigstellung durch den epd B(ayern) am 6.4.48, in der die Zusammentreffen des ÖAK als „inoffizielle Fühlungnahme zwischen katholischen und evangelischen Theologen, die weder für die katholische noch für die evangelische Seite verbindlich ist", bezeichnet wurden, lehnte Stählin ab, weil die Namen der Teilnehmer teilweise entstellt wiedergegeben worden seien. Er stellte jedoch schon bei dieser Gelegenheit fest, daß er viele Zuschriften

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Ursprünglich war geplant, unter dem Titel „Kirche und Schöpfung" die vier katholischen Referate der 2. und 3. Tagung als Beiheft zur Catholica zu veröffentlichen, die vier evangelischen in einer neuen Reihe im Bertelsmann-Verlag, möglicherweise mit dem Titel „Apostolica". Da die katholischen Beiträge nur mit Druckerlaubnis erscheinen sollten, wollte man von einer Veröffentlichung in einem Band absehen.121 Aus unbekannten Gründen verzichtete man damals dann doch auf eine Veröffendichung. Nur die Referate über den Epheserbrief wurden zusammen in der Reihe „Beiträge zur Kontroverstheologie" herausgegeben. Später überließ man es den einzelnen Referenten, ihre bei den Arbeitstagungen gehaltenen Referate zu

in Verbindung mit dieser Meldung erhalten habe, die zeigten, «daß diese ganzen Besprechungen einem sehr starken Interesse - auch einem nicht immer und überall erwünschten Interesse - begegnen" (Stählin an Jaeger, 1.6.48). Jaeger bedauerte zwar, daß durch die Veröffentlichung „die Atmosphäre vertrauensvoller Unbefangenheit" verlorengehen könne, hielt aber die Notiz für so entstellt, „daß jeder Kenner der Verhältnisse ihre Unwahrheit sogleich durchschauen konnte" (Jaeger an Stählin, 5.6.48). Auch einen Bericht über die Beurteilung des Monitums von 1948 durch den OAK lehnte Stählin ab, während Höfer einen Bericht von einer „wohlinformierten" Person nach Beendigung der öffentlichen Diskussion immerhin für möglich hielt (Höfer an Stählin, 3.12.48 und Stählin an Grueber, 7.12.48). Nachdem auf der Synode in Spandau 1954 über den ÖAK berichtet worden war und darüber eine Meldung im epd B(ayern) Nr. 10 vom 18.3.54 erschienen war, bat das Sonntagsblatt ebenfalls um einen Bericht über „Form und Atmosphäre" des Kreises, zumal sich in den letzten Monaten die konfessionellen Gegensätze merklich zugespitzt hätten (Zähmt an Stählin, 30.3.54). Stählin hielt diesmal einen Bericht für angebracht, zumal ein solcher innerhalb des ÖAK bereits andiskutiert worden sei. Die Mitglieder aus Heidelberg sprachen sich aber gegen eine Veröffentlichung aus. Schlink begründete diese Haltung mit dem Hinweis darauf, daß im Falle einer Veröffentlichung auch die katholische Seite berichten könnte und zwar in einer Weise, die vor der Öffentlichkeit nachteilig wäre. Stählin lehnte daraufhin den Bericht ab und verwies darauf, daß der Bericht des epd nur deshalb nötig gewesen sei, weil in der Synode in Spandau ein Angriff auf das Unternehmen geführt worden sei (Stählin an Schlink, 3.4.54; Schlink an Stählin, 6.4.54; Stählin an Zahrnt, 12.4.54; alle Briefe dieser Anm. und epd-Bericht Korr EvAk). Der epd-Artikel hatte Informationen über die Teilnehmer des Kreises, über die Themen und die Krise durch das Monitum (siehe unter 5.1.) enthalten und gab als Zielsetzung der Arbeit an, „in theologischen Diskussionen die gegenseitige Kenntnis der beiden Konfessionen zu fördern und Mißverständnisse auszuräumen." Dem Vorwurf unzulässiger katholisierender Neigungen sollte wohl durch die Beschreibung der Haltung des Kreises zur Katholischen Kirche nach der Veröffentlichung des Monitum begegnet werden: „Der Arbeitskreis konnte jedoch seine Aussprachen fortsetzen, nachdem von katholischer Seite ausdrücklich erklärt worden war, dass diese Arbeit nicht unter missionarischen Gesichtspunkten betrachtet werden dürfte. Das Ergebnis, so betonte Prof. von der Gablentz, sei ein tieferes Verständnis für die Haltung der anderen Konfession.,Weitgehende, oft überraschende Ubereinstimmung in der Bibelexegese täuschte uns nicht darüber, dass die Gesamthaltung der römischen Kirche aus nichttheologischen Gründen sich immer bedenklicher von der gemeinsamen Grundlage entfernt, dass die Gegensätze aber oft an anderer Stelle liegen, als die hergebrachte Kontroverstheologie annimmt'" m Schlink an Sasse, 25.3.47 (Korr Schlink).

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veröffentlichen. Sie sollten durch einen Vermerk als solche gekennzeichnet sein. Doch nicht alle wurden veröffentlicht, und die durch sie ausgelösten Diskussionen bei den Tagungen blieben im Verborgenen. So entwickelte sich der Kreis in gewisser Weise zu einer „esoterischen Gesellschaft", wie W. A. Visser 't Hooft 1962 in seiner Ansprache an den Kreis in Bossey feststellte, und man nutzte lange nicht die Chance, das gemeinsam Erarbeitete der allgemeinen Diskussion zugänglich zu machen. Dies änderte sich erst, als Schlinks Bericht über den bisherigen Ertrag der Tagungen von 1962, mit dem der ÖAK zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Bilanz seiner Arbeit gezogen hatte, kurz vor der Eröffnung des ILVatikanum erschien. Schlink hatte diesen Termin bewußt gewählt. Zum einen war er der Ansicht, daß dem Beitrag größere Aktualität zukomme, „wenn er noch im selben Monat erscheinen würde, in dem das Konzil beginnt."122 Zum anderen bemerkte er. „ D i e s e Möglichkeit konkreter Beschäftigung mit unseren T h e m e n auf Grund der Veröffentlichungen scheint mir auch deshalb besonders wichtig, weil die Beteiligung der E K D an der Beobachtung des 2. Vatikanischen Konzils leicht mißdeutet und v o n daher auch unsere bisherigen Arbeitsgemeinschaften leicht mißverstanden werden können." 1 2 3

Doch Schlinks Aufsatz war eine individuelle Veröffentlichung über den ÖAK. Erst im Jahr darauf erschien mit der Festgabe für Lorenz Jaeger und Wilhelm Stählin unter dem Titel „Pro veritate"124 die erste Veröffentlichung des gesamten ÖAK. Ist man bereits geneigt, das bis dahin abwechselnde Zögern der evangelischen und der katholischen Mitglieder, mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit heranzutreten, als übertrieben vorsichtig und der Rezeption und weiteren Diskussion der aufgegriffenen Themen in anderen (ökumenischen) Arbeitsgruppen und in einer breiteren Öffendichkeit abträglich zu bewerten, so erscheint das zögerliche Verhalten der katholischen Seite im Zusammenhang dieser ersten Veröffentlichung angesichts des nahenden Beginns des II. Vatikanischen Konzils vollends unverständlich.125 Es führte m Zu Visser *t Hooft vgl. Prot. 23. Tagung 1962, zu Schlink: Schlink an Joest, 14.8.62 (Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr EvAk). Es war fraglich, ob bis zu dem von Schlink genannten Zeitpunkt das Verzeichnis der im Druck erschienen Referate zu erstellen sei, das im Anhang beigefügt werden sollte: „Sollte jedoch wider Erwarten Bruder Mumm keine zuverlässigen Unterlagen haben, dann bliebe nur die Möglichkeit, die Referenten unserer beiden Arbeitskreise schnell anzuschreiben mit der Bitte um genauere Auskunft, oder auf den Anhang Uberhaupt zu verzichten; aber dann würde in der Öffendichkeit leicht der peinliche Eindruck entstehen, als ob doch etwas verheimlicht werden sollte." 123 Ebd. m Schlink, Edmund; Volk, Hennann (Hrsg.), Pro veritate. Ein theologischer Dialog. Festgabe für Erzbischof Lorenz Jaeger und Bischof Wilhelm Stählin, Münster/Kassel 1963. 125 Man besprach sogar mit Kardinal Bea, ob die Herausgabe eines solches Bandes opportun sei (Jaeger an Volk, 12.11.61, Nachlaß Jaeger).

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dazu, daß letztlich nur sechs Referate und die dazugehörigen Korreferate, zusammen mit einer Übersicht über die gesamte Arbeit bis 1961 im Anhang, aufgenommen wurden und die gemeinsamen Erklärungen und Thesen wegen ihres „experimentellen Charakters" sowie die Protokolle weiterhin streng vertraulich blieben.126 Erst nachdem einige Arbeitskreismitglieder wie G. Söhngen und vor allem R. Mumm in den 60er Jahren verstärkt eine Hinwendung zur Öffendichkeit in Form von Berichten über die Arbeit oder in Form eines 124 Die evangelischen Initiatoren Mumm und Schlink hatten die Berücksichtigung möglichst vieler Referate angestrebt, um der Öffendichkeit ein umfangreiches und damit repräsentatives Spektrum der Arbeit des Jaeger-Stählin-Kreises vorzulegen. Schlink ging es dabei vor allem darum, das „spürbare Mißtrauen" von Seiten der Evangelischen Kirche durch eine objektive Darstellung auszuräumen (Schlink an Volk, 10.6.61, alle Briefe im folgenden aus Korr EvAk zu Pro veritate): „Andererseits ist die Tatsache unserer Gespräche ja doch so weit in die Öffentlichkeit gedrungen, daß man vielleicht sogar gut tun würde, die Themen und Referenten bekanntzugeben, damit deutlich wird, daß es sich hier um eine exakte wissenschaftliche Zusammenarbeit, nicht aber um ein halb kirchenpolitisches Unternehmen handelt von der Art der Una Sancta oder der .Sammlung' " (Schlink an Wendland, 23.10.61). Schlink begründet hier seine Meinung, daß nicht nur 4 Vortragspaare aufgenommen werden sollten, folgendermaßen: „Ich fürchte, daß dieser Band dann ein zu wenig bedeutsames Geschenk für die Jubilare wird und auch in der Öffentlichkeit keinen angemessenen Eindruck von unserer nun 15-jährigen Zusammenarbeit geben wird, von der inzwischen doch manches bekannt geworden ist, wenngleich es von einem innerhalb der evangelischen Kirche manchmal spürbaren Mißtrauen umgeben ist Es wäre schon wichtig, daß durch die Darstellung eines größeren, wenn auch immer noch kleinen Teils unserer Arbeit im Sinne der Vorschläge von Bruder Mumm ein objektiver Eindruck in der Öffentlichkeit entsteht, der dieses Mißtrauen beseitigt "

Mumm war es, der sogar erwog, die Erklärungen und gemeinsam aufgestellten Thesen des Kreises abzudrucken (Mumm an Schlink, 24.5.61). Volk, der als wissenschaftlicher Leiter des Katholischen Kreises von dessen Seite als Herausgeber fungieren sollte, sah den Sammelband in erster Linie als Festgabe für die beiden Bischöfe an und hielt es darüber hinaus nicht für notwendig, eine umfangreiche Dokumentation zu veröffentlichen. Er wollte nicht mehr als vier Vortragspaare je eines katholischen und evangelischen Referates zu demselben Thema in den Band hineinnehmen. Vgl. Volk an Schlink, 25.7.61: „Ich bin bis jetzt der Meinung, das bisherige Verfahren habe unserer Arbeit nicht geschadet und habe sie in der Stille, aber doch nicht fruchtlos, gedeihen lassen; ob der Ubergang zu einer offiziellen Publizität uns viel Gewinn bringt, scheint mir fraglich." Und Mumm an Schlink, 14.8.61: Mumm erläutert hier, daß Volk das Buch vor allem als Präsent ansehe, während er selbst es für dessen wichtigsten Sinn halte, „einer weiteren Öffentlichkeit etwas von der sachlich-theologischen Arbeit beider Kreise mitzuteilen." Die Hemmungen, die auf katholischer Seite hinsichtlich der Herausgabe von „Pro veritate" bestanden, erklärte man sich evangelischerseits unterschiedlich. Schlink erklärte sich die Zurückhaltung Volks damit, daß dieser bereits neben zwei anderen Kandidaten als Bischof von Mainz vorgeschlagen worden war. Zum anderen hegte er die Vermutung, daß sich die katholische Seite möglicherweise „wegen jeder Kleinigkeit" bei zentralen Stellen meine absichern zu müssen (Schlink an Mumm, 2.8.61, und Schlink an Mumm, 14.8.62). Wendland mutmaßte, die „katholischen Freunde" seien wieder einmal zu einer gewissen Vorsicht genötigt wegen Tendenzen, die den sogenannten neuesten „Modemismus" erdrücken möchten (Wendland an Mumm, 28.10.61). Schließlich einigte man sich von der Anzahl der aufgenommenen Referate her auf einen Kompromiß.

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zweiten Bandes zu „Pro ventate" gefordert hatten, erschienen drei von Mumm verfaßte Berichte.127 Außerdem trat man 1969, 1970 und 1971 mit den Referaten und zusammenfassenden Berichten über die Diskussionen der Tagungen zu „Theologie der Ehe", „Autorität in der Krise" und „Evangelisch-katholische Abendmahlsgemeinschaft"128 an die Öffentlichkeit, die jedoch immer noch nicht klar die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiteten und auch keine gemeinsame Stellungnahme enthielten, obwohl mittlerweile schon so viele Publikationen zu diesen Themen auf den Markt drängten, daß die Verlage zur Veröffentlichung über die Interkommunion kaum mehr zu überreden waren. Eine freie und klare Meinungsäußerung wäre also möglich gewesen.129 Erst mit den 1975 herausgebrachten Thesen zu Amt und Ordination und deren Veröffentlichung zusammen mit den dazu gehaltenen Referaten in dem Band „Ordination und kirchliches Amt" 1976130 kam es nach eingehender Diskussion und bleibender Skepsis von Seiten Kardinal Jaegers 127 Vgl. Mumm, Reinhard, Der Evangelische und Katholische ökumenische Arbeitskreis, in: Dt. Pfarrerblatt 68/1968, 682 f.; ders., Gemeinsame Teilhabe am Reichtum Christi, in: LM 8/1969, 276-279 und ders., 30 Jahre evangelisch-katholischer Dialog, in: Dt. Pfarrerblatt 75/1975, 508 und 517-519. Nach der 26. Tagung, am 12.4.65 hatte Mumm in einem Brief an Stählin (Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr EvAk) erwähnt, Söhngen habe angeregt, jeweils die Referate einer Tagung in einem Heft erscheinen zu lassen. Man müsse nun mehr an die Öffendichkeit gehen. Dies sollte bei der 27. Tagung erörtert werden. Noch bei der 28. Tagung 1967 beschloß man jedoch, keine gemeinsame Veröffentlichung herauszubringen. Gegebenenfalls sollte irgendwann ein zweiter Band zu „Pro veritate" erscheinen. Ein solcher wäre den beiden wissenschafdichen Leitern Volk und Schlink zu widmen, erfordere jedoch 2 Jahre Vorbereitungszeit (Mumm an Gtimbel vom Stauda-Verlag Kassel, 23.3.67, Korr EvAk und Prot. 28. Tagung, 62). Daß schließlich 1968 eine Veröffentlichung über die „Theologie der Ehe" herauskam, scheint das Verdienst von Reinhard Mumm gewesen zu sein. Er wollte bereits im Mai 1967 einen zusammenfassenden Bericht über die Ergebnisse der ökumenischen Arbeitstagungen für Kerygma und Dogma verfassen. Schlink erschien dies aber nach dem Erscheinen seines Aufsatzes „Pneumatische Erschütterung?" 1962 (!) verfrüht (Joest an Mumm, 9.5.67, Korr EvAk). Auch gegenüber Stählin (Mumm an Stählin, 24.11.67, Korr EvAk) äußerte Mumm den Vorschlag, das jeweilige Jahresgespräch mit Vorträgen und zusammenfassendem Bericht sofort vorzulegen, zumal eine katholische Rezension den Band „Pro veritate" als seit dem Konzil veraltet und überholt bezeichnet habe. Vgl. auch einen Brief an Warnach vom 12.1.68 (ebd.), in dem Mumm die Meinung vertritt, eine evangelisch-katholische Zusammenarbeit müsse nicht mehr von Schweigen umhüllt sein. m

Regensburg/Göttingen, Hrsg. aller drei Bände sind Gerhard Krems und Reinhard Mumm. m Vgl. drei Briefe von Vandenhoeck an Mumm vom 5.3., 2.4. und 16.4.1970 (Korr EvAk), in denen zum Ausdruck kommt, daß sowohl der Pustet-Verlag als auch der VandenhoeckVerlag den Band zunächst nicht herausbringen wollten, weil kurz zuvor das Buch Vilmos Vajtas mit dem Titel „Interkommunion mit Rom?", Göttingen 1969, erschienen war. Erst als der ÖAK drohte, eine andere Verlagsgemeinschaft zu suchen, erklärte man sich zur Veröffentlichung bereit. 130 Paderborn/Bielefeld, Hrsg. Reinhard Mumm, Gerhard Krems.

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und Bischof Volks zu einer gemeinsamen Stellungnahme, wie sie auch die seit Beginn der 80er Jahre herausgegebenen Bände der Reihe „Dialog der Kirchen"131 beinhalten. Daß zu einigen Tagungen der 70er Jahre nichts veröffentlicht wurde, lag daran, daß die entsprechenden Themen im Verlauf einer Tagung nicht hinreichend behandelt werden konnten.

5. Krisen der Zusammenarbeit Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, von der sorgfältigen Auswahl der Mitglieder über die Anbindung an die Kirchenleitungen bis zur Geheimhaltung der Gespräche, sah man mehrmals in der Geschichte des ÖAK die Fortsetzung der Gespräche gefährdet. Die Verlautbarungen Roms 1948 und 1949 zu ökumenischen Zusammenkünften und das Mariendogma von 1950 weckten vor allem bei den evangelischen Mitgliedern massive Zweifel am Sinn des Dialogs und daran, ob er von katholischer Seite überhaupt erwünscht sei. Die damalige resignative Stimmung wurde durch den innerevangelischen Konflikt um die Mitwirkung Hans Asmussens 1954 verstärkt und beeinflußte die Zusammenarbeit in den 50er Jahren. Schließlich machte sich mit dem ILVatikanum eine Unzufriedenheit unter den Mitgliedern über die eigene Arbeitsweise breit Einige sahen in dem veränderten ökumenischen Klima nur noch dann einen Sinn in der Weiterführung der Gespräche, wenn diese effektiver gestaltet würden. Doch die Ansichten hierüber gingen auseinander und so dauerte es längere Zeit, bis sich der ÖAK, unterstützt durch einen gleichzeitig erfolgenden Generationswechsel unter den Mitgliedern, wieder konsolidierte und zu einer zeitgemäßen Ausrichtung fand. 5.1. Das Monitum „Cum compertum" von 1948 und die Instruktion „De motione oecumenica" von 1949 Bei der 5. Tagung im Oktober 1948 sprach man den ganzen ersten Vormittag über das Monitum, das das Heilige Offizium am 5.Juni erlassen hatte. Es beinhaltete das Verbot, nicht ohne Erlaubnis des Heiligen Stuhls interkonfessionelle Versammlungen durchzuführen oder an ökumenischen Versammlungen teilzunehmen. Jede Teilnahme in sacris bei solchen Zusammenkünften wurde untersagt.132 In diesem Gespräch ging es aber nicht nur darum, ob die Tagungen des ÖAK unter diesen Bedingungen fortgeführt werden können, sondern auch um die Verhinderung der Teilnahme katholischer „visitors" an der WeltU1 132

Zu den einzelnen Bänden vgl. Literaturverzeichnis. AAS 40/1948, 257.

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kirchenkonferenz in Amsterdam durch das Monitum.133 Söhngen hatte dabei den Eindruck gewonnen: „Besser konnte das päpsdiche Monitum nicht, dazu ganz unabsichdich, zurechtgerückt werden."134

Einen Einblick in die damalige katholische Argumentationsweise bietet der Briefwechsel zwischen dem Verlagschef des Herder-Verlags und damaligen Präsidenten des Katholikentages, Dr. Herder-Dorneich, mit Schlink im Vorfeld der Tagung. Er betonte, daß sich das Monitum keinesfalls gegen ordnungsgemäße ökumenische Gespräche richte und auch nicht gegen die Weltkirchenkonferenz in Amsterdam, sondern vielmehr gegen die Verwirrung, die die Vorbereitungen zur Teilnahme der katholischen Beobachter in Amsterdam gestiftet hätten, indem die Normen des katholischen Kirchenrechtes nur unzureichend berücksichtigt worden seien. Sowohl das Generalsekretariat in Genf als auch die katholischen Interessenten für Amsterdam hätten den Primat der Wahrheitsfrage nicht beachtet, der durch die Genehmigung ökumenischer Gespräche durch den Hl. Stuhl und durch die Ansprüche des Diözesanbischofs gewährleistet werden sollte. Er berief sich dabei auch auf den Bericht Visser 't Hoofts über die Stellungnahme Roms zu Amsterdam und deren Vorgeschichte.135 Aus der Herder-Korrespondenz gab er wieder, daß die Nichtgenehmigung der Teilnahme „bestimmter Persönlichkeiten" vor allem aus Frankreich, deren Teilnahme wahrscheinlich im holländischen Katholizismus Unruhe hervorgerufen hätte, in der Öffentlichkeit als Diskreditierung empfunden worden sei, die von Rom aber nicht beabsichtigt gewesen sei. Ferner nahm Herder-Dorneich Stellung zur Kritik Schlinks an folgendem Satz in dem „Wort an die getrennten Brüder", der Botschaft des Dt. Katholikentags in Mainz 1948, der sich auf die Wahrheitsfrage als Zentrum aller ökumenischen Gespräche bezog: 133

Sowohl Stählin als auch Höfer hatten dieses Gespräch ausführlich mitprotokolliert; die Aufzeichnungen sind jedoch in den Akten des EvAk nicht vorhanden (Höfer an Schlink, 1.11.48 und Stählin an Höfer, 28.10.48, Korr Schlink). Stählin verfaßte aber außerdem einen Bericht, den er am 29.10.48 zur Weiterleitung an den Rat der EKD an den Ratsvorsitzenden Landesbischof Wurm schickte (Korr Schlink). Stählin und Schlink hatten Wurm dringend gebeten, gerade an dieser Tagung teilzunehmen (Stählin an Wurm 2.10.48, Korr EvAk), weil sie nach dem Erlaß des Monitum die Betonung der kirchlichen Beauftragung des Evangelischen Kreises für wichtig hielten. Da Wurm jedoch, wie schon bei den Tagungen zuvor, seine zunächst angekündigte Teilnahme absagte, hielt man offensichtlich eine schriftliche Berichterstattung für unabdingbar. Stählin forderte in Anbetracht der Erfahrungen mit halbrichtigen Pressenotizen über den Arbeitskreis, die im Vorfeld der Tagung der katholische Christliche Nachrichtendienst (CND) in Stuttgart veröffentlicht hatte, ausdrücklich dazu auf, den Bericht vertraulich zu behandeln. 134 Söhngen an Stählin 23.11.48 (Korr EvAk). 135 Vgl. Visser 't Hooft, „The roman catholic church and the first Assembly of the WCC", in: Ecumenical Review I, Nr. 2 und Herder-Dorneich an Schlink 9.2.49 (Korr Schlink).

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„Wir stellen mit Befriedigung fest, daß dieser Stand der Dinge auch von den Führern der ökumenischen Bewegung anerkannt und bejaht wird."136 Er erklärte, daß bei der Abfassung der Botschaft weder bekannt gewesen sei, daß ein absolutes Verbot der Teilnahme an der Konferenz in Amsterdam ergangen war, noch die Tragweite dieser Entscheidung hätte ermessen werden können. Daraufhin explizierte Schlink sowohl die Haltung der deutschen Katholiken zum Monitum als auch seme Position in einer Weise, die darüber Aufschluß gibt, daß man evangelischerseits die „zurechtgerückte" Fassung im Sinne Söhngens den Katholiken nicht abnahm: „Zwar wird von römisch-katholischer Seite in Deutschland meistens betont, das Monitum des Heiligen Offiziums vom Sommer dieses Jahres wende sich nur gegen gewisse Auswüchse und Schwarmgeistereien der Una-Sanctabewegung in Deutschland, die meiner Kirche nicht weniger unerwünscht sind, wie der Ihrigen. Faktisch aber hat sich das Monitum sowohl durch seinen Zeitpunkt, wie auch durch seinen Inhalt primär gegen die Weltkirchenkonferenz in Amsterdam gewandt und den von ihren Bischöfen (z.B. in Frankreich) bereits bestimmten römisch-katholischen visitors die Teilnahme an der Amsterdamer oekumenischen Begegnung untersagt Als Teilnehmer der Amsterdamer Weltkirchenkonferenz weiß ich, wie weit die Vorbereitung von römisch-katholischer Seite bereits gediehen waren, die durch das Monitum von Rom aus jäh in letzter Minute abgeschnitten wurden. Das Monitum hat daher in der ganzen Oekumene großes Befremden hervorgerufen und es trifft nicht zu, dass, wie es in dem Wort an die getrennten Brüder steht, der durch das römische Dekret herbeigeführte Stand der Dinge ,auch von den Führern der oekumenischen Bewegung anerkannt und bejaht wird.'"137 Als Argument für die Richtigkeit der katholischen Interpretation des Monitums brachten sowohl Herder-Dorneich gegenüber Schlink als auch H ö fer gegenüber Wurm und den Mitgliedern des Evangelischen Arbeitskreises die Tatsache vor, daß auf eine Anfrage Höfers umgehend die Erlaubnis der ursprünglich ja schon für Juli anberaumten 5. Tagung des OAK durch Rom erteilt wurde. Die Vorgänge faßt Stählin in seinem Bericht an Wurm zusammen: „Die ursprünglich auf den Juli d. J. anberaumte, dann wegen der Währungsreform auf Oktober verschobene Arbeitstagung schien durch das , Monitum' des heiligen Officiums in Rom vom 5.Juni zunächst überhaupt gefährdet Schon am 22.Juni konnte indessen Professor Dr. Höfer, der Regens des erzbischöflichen Priesterseminars in Bad Driburg, der im Auftrag des Herrn Erzbischofs von Paderborn die technischen Vorbereitungen unserer Tagungen leitet, allen Teilnehmern der vorigen Tagung zugleich mit dem authentischen Text dieses Erlasses mitteilen, daß unsere Arbeitstagung schon am 18.Juni vom Heiligen Officium ausdrücklich genehmigt worden sei. Trotzdem hielt ich es in Ubereinstimmung mit Professor 136 157

Korr Schlink. Schlink an Herder-Dorneich am 20.12.48 (Korr Schlink).

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D. Schlink für nötig, in einem mündlichen Gespräch mit Professor Dr. Höfer die Frage zu klären, ob auch auf unserer Seite die Voraussetzungen für eine fruchtbare Fortführung der bisherigen Gespräche gegeben seien. Dieses Gespräch fand am 16.Juli in Bad Driburg statt und wurde - im Beisein eines zufällig in Driburg anwesenden Herrn aus Rom, der jederzeit Zugang zum Papst selbst hat - in einer bemerkenswerten Offenheit geführt. Professor Höfer berichtete noch einmal, wie sehr die deutschen Bischöfe selbst von dem Erlaß jenes Monitums überrascht gewesen seien und mit wie bemerkenswerter Schnelligkeit, innerhalb von 3 Tagen, die telegrafische Anfrage an Rom durch eine ausdrückliche Genehmigung unserer Tagung beantwortet worden war. Ich habe auf der anderen Seite keinen Zweifel darüber gelassen, welche verhängnisvollen Rückwirkungen jener Erlaß für das Verhältnis der Konfessionen haben müsse und wie viele Protestanten darin eine Bestätigung der scharfen Worte von dem antichrisdichen Charakter der Kurie sehen müßten. Insbesondere wies ich auf die Frage hin, ob unter das ausdrückliche Verbot jeder communicatio in sacris, das am Ende jenes Erlasses erneut eingeschärft ist, auch das gemeinsame Gebet falle, wie wir es bei unseren Arbeitstagungen bisher geübt hatten; wir waren auf beiden Seiten der Uberzeugung, daß das gemeinsame Gebet eine unerläßliche Voraussetzung unserer theologischen Gespräche sei, und daß wir unsere verheißungsvoll begonnene Arbeit nicht fortsetzen könnten und wollten, falls Rom ein ausdrückliches Verbot solchen gemeinsamen Gebetes aussprechen würde." Von der Tagung selbst berichtet Stählin dann, daß „auf ausdrückliche Anregung" von Höfer morgens die Mette und abends die Komplet gemeinsam abgehalten worden seien. Aufgrund des Verlaufs der Tagung beschloß man innerhalb des Evangelischen Kreises, die Arbeit fortzuführen, was nach der Bekanntgabe des Monitum zunächst fraglich gewesen war: „Aufgrund des Verlaufs der Tagung und aufgrund eingehender Gespräche der evangelischen Teilnehmer untereinander sind wir in voller Einmütigkeit zu dem Ergebnis gekommen, daß es auch nach dem Monitum die Pflicht der evangelischen Kirche ist, in einem sachlich gebundenen, streng theologischen Gespräch der katholischen Kirche gegenüber die gesamtkirchliche Verantwortung der Reformation und ihres Verständnisses der Offenbarung zu vertreten und in Fortführung der bisherigen Begegnungen das christliche Gewissen der katholischen Theologen nicht zur Beruhigung gegenüber den nicht-römischen Konfessionen kommen zu lassen. Wir legen in großer Einmütigkeit Wert darauf, diese unsere Arbeit nicht als ein Privatunternehmen aufzufassen und sind uns unserer gesamtkirchlichen Verantwortung bewußt Diese gesamtkirchliche Verantwortung möchte u. a. darin zum Ausdruck kommen, daß wir wie bisher dem Vorsitzenden des Rates der EKD regelmäßig über den Verlauf unserer Tagungen vertraulich berichten." Die Tatsache, daß die Tagung auf Oktober verschoben wurde, hatte somit den Vorteil, daß Bedeutung und Tragweite des Monitum vorher eingehend geklärt werden konnten.138 Zwar ist schwer zu beurteilen, ob die Einschät138

Vgl. Schlink an Stählin 26.6.48 (Korr EvAk).

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zung der Intention des Monitum und damit die gesamte Diskussion auf evangelischer Seite berechtigt war oder nicht. In jedem Fall ist sie aber Ausdruck des gegenseitigen Mißtrauens, das damals die Atmosphäre belastete.139 139 Am 2.5.49 teilte Söhngen von Campenhausen (?), Schlink und Brunner in einem Brief mit, daß die Mysterienlehre Odo Caséis der Beuroner Benediktinerkongregation unter Berufung auf das Hl. Offizium ausdrücklich verboten worden sei. Er fühlte sich dazu verpflichtet, weil er dieses Verbot von der Vorgehensweise her in einer Linie mit dem Monitum stehen sah und er es nicht für richtig hielt, wenn der Katholische Arbeitskreis Geheimnisse vor seinem evangelischen Pendant habe. Er bedauerte diese Maßnahme sehr und kritisierte die Zweideutigkeit der Aussagen zur Mysterientheologie in der Enzyklika „Mediator Dei" (AAS 39/1947). Pius XII hatte die Enzyklika am 20.11.47 erlassen und damit erstmals offiziell zur Liturgischen Bewegung Stellung genommen, im wesentlichen bejahend. Die innere Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst solle sich auch in äußeren Formen zeigen. Es wird jedoch auch vor Übertreibungen gewarnt, „vor einer abwertenden Gegenüberstellung von subjektiver u. objektiver (liturg.) Frömmigkeit, vor eigenmächtigen Änderungen an der vorgeschriebenen Ordnung, vor der Uberschätzung archaischer Formen, vor der Geringachtung der Privatmessen u. des eucharist Kultes" (Jungmann, J. Α., Art Mediator Dei, in: LThK 7,229/230).

Söhngen verlieh hier seiner Skepsis gegenüber Rom ebenso offen Ausdruck wie später im Zusammenhang mit der Instruktion und der zunehmenden „Beaufsichtigung" des ÖAK durch Rom. (Siehe oben Abschnitt 2.). Er vermittelt so ein Bild davon, daß nicht nur die evangelischen Teilnehmer das restriktive Verhalten des Hl. Offiziums damals nicht billigten, auch wenn Söhngen sicher ein besonderes Sensorium für Vorgänge hatte, die das evangelisch-katholische Verhältnis stören. So lehnte er in demselben Brief das bevorstehende Mariendogma als unvereinbar mit dem urchristlichen Apostelbegriff ab, den er in einer Studie zu Überlieferung und apostolischer Verkündigung (vgl. sein Referat bei der 4. Tagung 1948) dargelegt hatte. Im folgenden eine Passage aus dem Brief: „Nun etwas sehr Ernstes, über das ich Sie und die Kollegen Schlink und P. Brunner unterrichten zu müssen glaubte; denn ich meine, wir katholischen Kollegen von Driburg und Brackwede dürfen vor Ihnen keine verbotenen Geheimnisse haben. Der Alt-Präses hat unter Berufimg auf das Saa. Offizium jüngst ausdrücklich für den Bereich der Beuroner Benediktinerkongregation verboten, die Mysterienlehre (Odo Caséis) in Wort und Schrift weiterhin öffentlich zu lehren und zu verteidigen. Das ist ein ganz schwerer Schlag für die Abtei Maria Laach, aber auch für die katholische Theologie in Deutschland ... Freilich war ich mir von vornherein über die Lithurgie-Enzyklika Mediator Dei im klaren, anders als so manche meiner katholischen Kollegen und manche Benediktiner und - verzeihen Sie - Asmussen (ich meine sein mir unverständliches Schriftchen über Mediator Dei). .Mediator Dei' spricht zwei Sprachen, das nennt man im profanen Leben profan ,zweideutig' oder gar .doppelzüngig', aber die Meinung der Enzyklika ist eindeutig, oder vielmehr allzu eindeutig. Die Enzyklika sagt Ja zur liturgischen Erneuerung und weiss dabei deren Sprache strichweise mitzureden; aber das Ja steht unter einem unbedingt geltenden Vorzeichen und das heisst, im Rahmen der Weisungen des römischen Stuhles - Und wie diese Weisungen aussehen, ausfallen können, davon haben wir nun eine ganz eindeutige Kostprobe. Ich frage mich wirklich, ob wir katholischen Kollegen von Driburg und Brackwede angesichts einer solchen theologischen Situation in der eigenen Kirche noch mit gutem Gewissen unseren evangelischen Kollegen und Brüdern unter die Augen treten dürfen. Ich habe zumindesten da ernste Hemmungen; und ich bin nie ein Freund der apologetischen Ausbügelungen gewesen, wie sie in unserem Lager leider immer noch allzu beliebt sind. Und noch etwas, was mir auf dem Herzen brennt Im Raum der Kirche sollte ein wesensanderes Lied ertönen als im Raum der Welt In der Welt aber ertönen weithin zurzeit die Lieder oder Sprechchöre des kollek-

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Im Anschluß an das Monitum sollte eine Instruktion „die ökumenischen Unternehmungen der katholischen Kirche an bestimmte Regeln"140 binden. Diese reagierte damit nach Einschätzung von H. J. Urban darauf, daß es nicht gelang, die Katholiken von ökumenischen Kontakten generell fernzuhalten. Der Evangelische Arbeitskreis zweifelte nun, nicht zuletzt wegen des verstärkten Druckes von Seiten der evangelischen Öffentlichkeit, erneut daran, ob eine Fortführung der evangelisch-katholischen Gespräche nach den Richtlinien der Instruktion legitim sei.141 Bei der 8. Tagung im März 1950 erfolgte deshalb auf Wunsch der evangelischen Teilnehmer eine eingehende Aussprache über die Verlautbarung. Ihre Bedenken richteten sich hauptsächlich gegen das in dem Dokument zum Ausdruck kommende Verständnis der Reformation als Abfall von der Kirche und gegen die Auffassung von zwischenkirchlichen Gesprächen als „Konvertitenunterricht".142 In der Instruktion wurde nämlich die Wiedervereinigung gemäß den vorausgegangenen Verlautbarungen Roms ausschließlich als Rückkehr zur Katholischen Kirche verstanden.143 Es handelte sich damit vornehmlich um Kritik an der damaligen römischen Ekklesiologie, nach der die eine wahre Kirche mit der Römischen Kirche identisch ist und diese durch die Reformation nicht gespalten wurde, sondern unversehrt blieb in ihrer Fülle, so daß durch die Vereinigung anderer Kirchen mit ihr keine ihr fehlenden Elemente hinzukommen, sondern vom Glauben Abgefallene wieder zur einen Kirche finden.144 Die Zielsetzung von Reunion und Konversion bei

tiven Stils, der mit der klassischen Polyphonie nichts zu tun h a t Wo bleibt angesichts des Monitum des Offizium und nun des Verbotes der Mysterientheologie der eigene christliche Stil in unserer Kirche?" (Korr Schlink). 140 Urban, H. J./Wagner, H. (Hrsg.), Handbuch der Ökumenik II, 108/109. 141 Vgl. Stählin bei der Eröffnung der 8. Tagung 1950, Prot., 2: „Wir sind uns der besonderen Verantwortung, unter der wir hier zusammentreten, voll bewusst Ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich noch einmal wiederhole, dass wir mit einigem Bangen hierhergefahren sind. Denn wir müssen uns ja offen fragen: Welche Rückwirkung wird die eben genannte Verlautbarung aus Rom auf unsere gemeinsame Arbeit haben? Wir hören allerhand Stimmen in unserer evangelischen Kirche, die uns zurufen: Nun könnt Ihr doch da nicht mehr hingehen ! Ihr könnt doch zu dieser Instruktion nicht einfach Ja sagen, wenn Ihr nicht Euer Bekenntnis verleugnen wollt!" Wurm hatte jedoch als Ratsvorsitzender der EKD am 9.8.48 an Höfer geschrieben (Nachlaß Jaeger), daß er es gerade deshalb für wichtig halte, die Tagungen fortzusetzen, weil die Instruktion die Skepsis gegenüber der Ökumene in evangelischen Kreisen verstärkt habe. 112 Vgl. Stählin, Prot., 9/10 und Schlink, ebd., 9: „Die päpstliche Instruktion sieht nur die Kategorie der Reunion oder Konversion. Deshalb bitten wir, uns diese Instruktion auszulegen, damit wir klarer sehen." 143 „Alle, die zu ihr als der einzig wahren Kirche Christi zurückkehren, nimmt sie mit mütterlicher Liebe auf' (Dt. Abschrift der Instruktion, Korr Schlink, 1 und 8). Vgl. zur lat. Fassung AAS 42/1950, 142-147. 144 Vor allem Schlink prangerte an, daß im Gegensatz zur evangelischen Auffassung, nach der in der Katholischen Kirche - wenn auch nur schwer - Merkmale reiner Lehre gefunden

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ökumenischen Gesprächen, wie sie die Instruktion beinhaltete, stand für die evangelischen Teilnehmer zunächst in krassem Gegensatz zu den Grundsätzen beider Arbeitskreise, wie sie bei der Gründung festgelegt worden waren.'45 Die katholische Seite versuchte die Bedenken auszuräumen, indem sie erneut betonte, daß die Instruktion sich grundsätzlich befürwortend hinsichtlich ökumenischer Gespräche äußere und sich nicht gegen die Arbeit des Kreises wende, sondern lediglich gegen die „Unverbindlichkeit" in vielen Una-sancta-Zusammenkünften. Es werde außerdem betont, daß die ökumenische Arbeit „par et par agens" geschehen könne.146 Auf den Arbeitskreis wandte man weniger die Ausführungen zu den Konversionen, sondern vor allem Abschnitt IV l147 an, in dem es um die paritätischen Zusammenkünfte von Theologen ging. Ferner wies man darauf hin, daß convertere nicht gleichzusetzen sei mit „konvertieren", sondern daß bereits ein besseres Verständnis der katholischen Lehre conversio sei.148 Die Schlußfolgerung der katholischen Teilnehmer, in der Instruktion überwiege eine positive Sicht der Ökumene und die Arbeit des ÖAK werde von ihr begrüßt149, ermöglichte es den evangelischen Teilnehmern schließlich, einer

werden könnten, katholischerseits anderen Kirchen der Besitz jeglicher Wahrheit abgestritten werde, und daß auch die Instruktion hier keine andere Haltung einnehme (Prot, 29). «s Vgl. Schlink, Prot. 8/9: „Wir wollten uns gegenseitig näher kennenlernen. Darüber hinaus haben wir uns bemüht, ein Maximum des Gemeinsamen zu formulieren. Wir wollten dabei das Trennende nicht verschweigen und auch keine falschen Hoffnungen erwecken. Es war nie davon die Rede, dass wir durch diese Tagungen eine Reunion oder Konversion beabsichtigen." - Auch die Diskussion um die offizielle Beteiligung der Katholischen Kirche an ökumenischen Tagungen brach wieder auf. Jaeger erläuterte einmal mehr, es sei der Katholischen Kirche unmöglich auf gleicher Ebene mit anderen Gemeinschaften über Fragen des Glaubens und der Sitten zu sprechen (ebd., 10/11). 144 Ebd., 9 und 12, Schlink an Söhngen, 7.9.50 (Korr Schlink). 147 Die Bedingungen, die in Abschnitt IV der Instruktion an Aussprachen zwischen Theologen geknüpft werden - Jahresberichte mit Erläuterung der behandelten Fragen, Angabe der Teilnehmer und Referenten - erinnern an die Berichterstattung des Katholischen Arbeitskreises, so daß nicht auszuschließen ist, daß diese als Vorlage für die Bestimmungen gedient h a t 148 Ebd., 13/14. Allerdings vertraten nicht alle dieses „weite" Verständnis, und Erzbischof Jaeger wies zudem darauf hin, daß sich in dem von mehreren Verfassern erarbeiteten Dokument verschiedene Auffassungen fänden. Vgl. Lortz, ebd., 15 und Jaeger, 31. 149 Ebd., 15 Und 31. Vgl. die Einschätzung Urbans im Handbuch der Okumenik II, 109: „Die ,Instructio' unterscheidet sich im Geist und Ton immerhin deudich von dem kurz vorher erlassenen .Monitum'. Sie eröffnet Möglichkeiten für theologische Gespräche und für eine gewisse Zusammenarbeit auf sozialem Gebiet Sie anerkennt, daß auch von katholischer Seite aktiv für die Wiedervereinigung gearbeitet werden muß." Zwar bestreitet er nicht, daß damals noch in erster Linie vor den Gefahren zwischenkirchlicher Gespräche gewarnt wurde, dennoch kommt er zu dem Schluß, „daß die ,Instructio' ein wichtiger Schritt war in Richtung auf die dann vom Zweiten Vatikanischen Konzil vollzogene Öffnung der katholischen Kirche für die ökumenische Bewegung." Auf evangelischer Seite hatte man damals den Unterschied „in Geist und Ton" nicht wahrgenommen. Schlink vermißte gerade die Bereitschaft zu ge-

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Fortführung der Gespräche zuzustimmen. Allerdings fühlte man sich dem Rat der EKD und der „evangelischen Öffentlichkeit" verpflichtet, in einer Erklärung, die die eigene Kritik und die Interpretation der katholischen Seite beinhaltete, die weitere Teilnahme an den Gesprächen zu begründen.150 5.2. Die Dogmatisierung der Aufnahme Mariens in den Himmel 1950 und das Gutachten der Heidelberger Mitglieder des Evangelischen Kreises Die Ankündigung der Dogmatisierung der Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August 1950 führte nach den Auseinandersetzungen um das Monitum von 1948 und die Instruktion von 1949 erneut zu einer die Arbeit des Jaeger-Stählin-Kreises erheblich gefährdenden Krise. Die Empörung der evangelischen Seite beruhte vor allem auf der Tatsache, daß es sich um die erste Ex cathedra-Entscheidung eines Papstes seit dem I. Vatikanum handelte, die zudem nach evangelischer Auffassung jeder biblischen Grundlage entbehrte.151 Doch auch aus den Reihen der katholischen Theologen wurde dem bevorstehenden Dogma Kritik entgegengebracht Vor allem Pascher und Söhngen sahen dadurch die weitere ökumenische Arbeit gefährdet Söhngens Verständnis für die evangelische Kritik resultierte aus meinsamem „geistigem Ringen" und zur Erkenntnis eigener Fehler: „Es fehlt in der Instructio die Sehnsucht, die nur echt ist, wenn die Bereitschaft zur Neubesinnung, zur Busse da ist ... So geht nichts von der Instructio aus, es springt nichts über. Sondern: Sie weckt Misstrauen!" (Prot, 29/30).Vgl. auch Lortz, ebd., 31. Lortz zeigte Verständnis für Schlinks Anliegen. Auch in einem Briefwechsel mit Höfer übte er insofern Kritik an der Instruktion, als man sehr wohl von den Evangelischen „lebendige Kräfte" übernehmen könne wie ζ. B. die exegetische Betrachtungsweise. Zum anderen teilte er mit, er habe die Evangelischen darauf hingewiesen, daß auch sie von einem „Maximum an Ja-sagen" gesprochen hätten, vergleichbar der von der Instruktion angestrebten conversio. Sie müßten sich noch viel weiter öffnen gegenüber dem katholischen Anliegen (Lortz an Höfer, 28.3.50 und 18.7.50, Nachlaß Höfer). Höfer wiederum hatte Lortz gegenüber geäußert, daß sich die evangelischen Partner nur um Sünde und Rechtfertigung drehten, sei eine Auswirkung echter Häresie und ein Zeichen von Verkümmerung lebendiger Substanz! (an Lortz, 30.3.50, ebd.). 150 Vgl. Erklärung des Evangelischen Ökumenischen Arbeitskreises vom 26.3.50, Anhang zum Protokoll, sowie die Erläuterung durch Stählin, Prot., 30 und die Zustimmung zur Erklärung durch den Katholischen Kreis, ebd., 31. Stählin sandte die Erklärung am 30.3.50 unter dem Vorbehalt an den Rat der EKD, sie je nach Verlauf der öffentlichen Diskussion zu veröffentlichen. Vgl. Stählin an den Rat der EKD, 30.3.50 und Stählin an Höfer, 31.3.50 (Korr EvAk). Ob dies geschah, ist nicht zu eruieren. Interessant ist von Campenhausens Stellungnahme gegenüber Höfer am 3.4.50 (Nachlaß Höfer). Im Gegensatz zu Stählin und Schlink habe er es nicht für notwendig gehalten, die Diskussionen um die Instruktion so sehr auszuführen, weil ihre Auffassung durch die katholischen Mitglieder klar gewesen sei! 151 Vgl. Schlink, Edmund, Pneumatische Erschütterung, in: KuD 8/1962, 221-237, 231, sowie Mumm, Reinhard, Gemeinsame Teilhabe am Reichtum Christi, in: LM 8/1969, 276-279, 278.

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seinen eigenen Bedenken gegen das Dogma. Ihm lag viel daran, die Gespräche auch jetzt nicht abzubrechen.152 Das Dogma selbst war nie Tagungsthema. Bei der 8. Tagung im März 1950 hatte man sich mit der Heiligenverehrung im allgemeinen und der Marienverehrung, wie sie ihren Niederschlag in dem Mariendogma von 1854 gefunden hatte, im besonderen sowie mit den Voraussetzungen einer Dogmatisierung befaßt. Man hatte es jedoch bewußt vermieden, über Verweise auf das bevorstehende Dogma hinaus dieses eingehend zu erörtern. Bei der 9. Tagung im Oktober 1950 kam es nur am Rande des eigentlichen Themas zu einer Aussprache. Die entscheidende Auseinandersetzung des ÖAK mit der Dogmatisierung erfolgte mit der Erstellung eines Gutachtens durch die Heidelberger Mitglieder des Evangelischen Kreises in der Zeit zwischen den beiden Tagungen und darüber hinaus in Form von Stellungnahmen zu diesem Text. Dem Gutachten kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil es sich um eine erste Veröffentlichung - wenn auch nicht des gesamten - OAK handelte, die noch dazu - im Unterschied zu den vorhergehenden Tagungsthemen - auf ein „aktuelles Fundamentalproblem" Bezug nahm und mit großem Engagement einiger evangelischer Mitglieder, insbesondere E. Schlinks, eine in keinem Fall überschreitbare dogmatische Grenzlinie aufzeigte.153 5.2.1. Die Vorgänge um die Weiterleitung des Gutachtens nach Rom

Bemerkenswert ist zunächst, daß das Gutachten nicht abgefaßt worden wäre, wenn es nicht durch Höfer von katholischer Seite aus ausdrücklich angeregt worden wäre. Er hatte im Herbst 1949 die Möglichkeit angedeutet, die Bedenken der evangelischen Theologen gegenüber der Dogmati132 Vgl. die Aussprachen zum Dogma, Prot. 9. Tagung 1950, 7/8 und die „Vertraulichen Aufzeichnungen" (wahrscheinlich von Stählin), 1 (Korr EvAk). 153 So Reinhard Slencka in seinem Referat bei der 41.Tagung 1980 in Friedewald über „Die dogmatische Relevanz der Ergebnisse theologischer Gespräche zwischen römisch-katholischen und evangelischen Theologen", in: OR 29/1980, 440-460, 448/449. Ihm ist darin zuzustimmen, daß damals ein bis heute gültiges „Nein" ausgesprochen wurde, an dem sich die dogmatische Relevanz theologischer Gespräche beispielhaft festmachen läßt. Als nicht zutreffend erweist sich jedoch nach Auswertung der einschlägigen Korrespondenz eine andere Bemerkung in diesem Zusammenhang, daß nämlich die Zusammenarbeit des OAK durch die Verlautbarungen Roms damals zwar klimatischen Veränderungen ausgesetzt gewesen sei, nicht aber grundsätzlich in Frage gestellt worden sei. Man erwog nämlich sehr wohl einige Male den Abbruch der Gespräche (vgl. den gesamten Abschnitt 5.). Umso beachtlicher ist die Tatsache, daß sie auf der Basis der bereits erfahrenen Gemeinschaft dennoch fortgesetzt wurden. Vgl. Höfer an Rahner, 25.3.52 (Nachlaß Höfer). Er stellt hier fest, daß man viele Krisen überstanden habe, dies aber nichts mit der Organisationstechnik zu tun gehabt habe. Vielmehr seien Opfer gebracht worden, vor allem von evangelischen Mitgliedern, die sich mit ihrer Person mehr eingesetzt hätten als die katholischen, die die Irreformabilität ihrer Dogmen akzeptierten.

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sierung in Form einer Denkschrift nach Rom zu bringen. Ohne einen schriftlichen Antrag Höfers wollten jedoch Schlink und Stählin eine Denkschrift nicht in Angriff nehmen, damit eine solche Äußerung nicht als unzulässige Einmischung in innerkatholische Angelegenheiten aufgefaßt werde. Als man sich deswegen im November 1949 an Höfer wandte, war dieser jedoch der Meinung, der Zeitpunkt für solche Eingaben sei nun verstrichen, da mittlerweile auch rechtlich der Dogmatisierung nichts mehr im Wege stehe. Er habe deshalb die Anfrage, ob eine Eingabe des Evangelischen Arbeitskreises opportun sei, unterlassen.154 Diese Information Höfers trug neben dem Erscheinen der Instruktion dazu bei, daß man bei der 8. Tagung im März 1950 über die Fortsetzung der Gespräche diskutierte.155 Im Mai 1950 zeigte sich Höfer dann doch bereit, eine Stellungnahme der evangelischen Teilnehmer des ÖAK zur Dogmatisierung zu übermitteln. Da die Entscheidung über die Dogmatisierung hinausgeschoben worden war und neue Einwände gerade studiert wurden, hielt er eine Stellungnahme nun geradezu für geboten. Sie könne ohne Adressaten erfolgen oder direkt an „Seine Heiligkeit Papst Pius XII" gerichtet werden, je eher desto besser.156 Da in der Kürze der Zeit eine gemeinsame Beratung des gesamten Kreises nicht möglich war, arbeitete Edmund Schlink in Absprache mit den Heidelberger Mitgliedern Günther Bornkamm, Peter Brunner, Hans von Campenhausen und Wilfried Joest das Gutachten aus. Man beabsichtigte, es ohne Anrede abzufassen, um den Charakter eines theologischen Gutachtens zu wahren, und es dem Papst durch Höfer zukommen zu lassen. Zunächst sollte es vertraulich bleiben. Veröffentlichen wollte man es nur im Falle des Bekanntwerdens in der Öffentlichkeit 157 Wie vereinbart sandte Schlink das Dokument am 29.7.50 mit einem Begleitschreiben von Stählin vom 22.7. d.J. an Höfer, so daß es diesen noch vor dessen Abreise in den Urlaub am 1.8.50 hätte erreichen können.158 Als es eintraf, war 154 Vgl. Schlink an Stählin, 28.10.49 (Korr Schlink), Stählin an Höfer, 2.11.49 (Korr EvAk) und Höfer an Stählin, 29.11.49 (Korr Schlink). 155 Vgl. Stählin an Schlink, 3.12.49; Schlink an Stählin, 7.12.49 und Schweitzer (ORK Genf) an Schlink, 23.12.49 (alle Korr Schlink). Schweitzer riet zur Fortsetzung der Gespräche, damit dem Dogma nicht zuviel Ehre zugebilligt werde. 156 Höfer an Stählin, 22.5.50 (Korr EvAk) und Höfer an Schlink, 22.5.50 (Korr Schlink). 157 Stählin an Höfer, 1.6.50 (Korr EvAk) und Schlink an Stählin, 27.5.50 (ebd). Schlink nennt hier die Motivation für die Abfassung des Gutachtens trotz seiner Arbeitsüberlastung: „Trotzdem meinen wir uns der Aufforderung nicht entziehen zu dürfen gemäß der Weisung: ,Gebt Rechenschaft jedermann ..." und auch deshalb, weil wir nichts unterlassen sollten, um die römische Kirche vor weiteren Häresien zu warnen und so tapfere Männer in ihr, wie Altaner u. Söhngen zu unterstützen." Mit Söhngen wollte Schlink auch unbedingt vertraulich über die Angelegenheit reden. Ferner legte er Wert darauf, dem Gutachten einen „offiziellen" Charakter zu verleihen in Form einer Beauftragung durch Stählin als dem leitenden Bischof. 158 Stählin an Höfer, 22.7.50; Schlink an Stählin 29.7.50 (Korr EvAk). Die Abfassung des

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Höfer aber bereits nicht mehr in Paderborn. Man sandte ihm das Gutachten zwar nach, aber er konnte es nicht mehr persönlich überreichen und deshalb nicht für die tatsächliche Venmittlung des Gutachtens bürgen, da der Papst bereits in Castel Gandolfo weilte.159 Dieses Verhalten Höfers stieß besonders bei den mit der Abfassung des Gutachtens befaßten Herrn auf Unverständnis und rief große Enttäuschung hervor.160 Man beschloß nun, das Gutachten möglichst noch mit der Verkündigung des Dogmas am 30. Oktober zu veröffentlichen. Vor allem Schlink, dem der Text am meisten am Herzen lag, war dabei strikt gegen jede Rücksichtnahme auf Höfer. Übereinstimmend vertraten die Heidelberger die Ansicht, mit Höfer sei, was die Tatsache der Veröffentlichung und die Erwähnung des Auftrags von katholischer Seite sowie des Namens von Pius XII angehe, nicht zu diskutieren. Besonders die Erwähnung des Namens Pius XII war Schlink wichtig, weil sonst das Gutachten wegen des Verschweigens der zuvor schon von Rom fixierten „Irrlehren" als „katholisierende Leisetreterei" hätte ausgelegt werden können.161 Höfer sprach sich jedoch massiv gegen die Bezugnahme auf den Papst als Adressaten Gutachtens hatte sich durch eine Krankheit Schlinks verzögert. Zudem wollte Schlink die Voten der anderen Heidelberger Theologen und Stählins einholen und deren Änderungsvorschläge einarbeiten, so daß das Gutachten im letzten Moment erst abgeschickt werden konnte. (Stählins Anderungsvorschläge bezeichnete dieser selbst als nur formaler Art, generell stimmte er mit den anderen dem Gutachten zu.) Zwischenzeitlich hatte Höfer wegen Schlinks Arbeitsüberlastung und seiner Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Materials, das er Schlink zukommen lassen wollte, Bedenken hinsichdich der termingerechten Fertigstellung geäußert Vgl. Briefwechsel Stählin/Schlink vom 27.5.50 bis 21.7.50 (Korr Evak). Schlink hatte offensichtlich Grund daran zu zweifeln, daß Höfer noch an der Erstellung des Gutachtens interessiert war. Auf seine Anfrage hin antwortete Höfer, wenn das Gutachten bereits so weit gediehen sei, dann befürworte er die Fertigstellung. Vgl. Schlink an Höfer, 16.6.50 und Höfer an Schlink, 27.6.50 (Korr Schlink). 159 Höfer an Stählin, 6.8.50 (Korr EvAk). Höfer zeigte sich in dem Brief ergriffen von „Ernst und Takt" des Gutachtens. 160 Auch Erzbischof Jaeger gab zu, daß Höfer mit seiner Urlaubsreise bis zum Eintreffen des Dokuments hätte warten müssen. Mit seinem Brief an Stählin vom 6.11.50, in dem er der Hoffnung Ausdruck verlieh, daß die Stimmung durch das Mißgeschick nicht getrübt werde, konnte er der Verstimmung der evangelischen Seite etwas entgegenwirken. Ebenso brachte Volk sein großes Interesse daran zum Ausdruck, daß die kontroverstheologische Arbeit fortgesetzt werde und bedauerte zum einen, daß das Gutachten dem Papst nicht vorgelegt worden war, zum anderen, daß das Vertrauen der evangelischen Theologen in den Katholischen Kreis ganz gegen dessen Absicht erschüttert worden sei (Volk an Jaeger, 30.12.50, Nachlaß Höfer). 161 Schlink an Stählin, 1.9.50, 11.9.50 und 20.9.50 (Korr EvAk). Schlink am 11.9.: „Nur wenn der Anlaß und der Adressat genannt werden, ist es begründet, daß in dem Gutachten von den bereits in früheren Jahrhunderten fixierten römischen Irrlehren mariologischer und anderer Art geschwiegen ist Ich habe davon nur deshalb geschwiegen weil ich vom Papst nichts unmögliches verlangen wollte. Die bisherigen Dogmen sind ja unkorrigierbar. Ich habe mich auf die Assumptio-Frage konzentriert, weil sie noch nicht dogmatisch fixiert war. Dagegen sind wir der Meinung, daß wir den Namen von Herrn Höfer streichen, falls ihm das unangenehm ist"

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aus, weil das Verfahren „seiner Natur nach vertraulich"162 und „dem gegenseitigen, in mehreren Jahren sachlicher Zusammenarbeit erworbenen Verständnis für einander" entsprungen sei: „Weil der Vatikan in keiner Weise am Zustandekommen des Gutachtens beteiligt ist, mtisste eine Bezugnahme auf den Papst als Adressaten diesen befremden und die Verfasser wie den Vermittler in ein schiefes Licht bringen, das nur schwer aufgeklärt werden könnte, weil die besonderen Beziehungen unserer Arbeitsgemeinschaften aus den von uns wiederholt geprüften Gründen der Öffentlichkeit nicht bekannt gemacht werden."

Er befürchtete, daß „ähnliche vertrauliche Fühlungnahmen" durch eine solche Bezugnahme unmöglich würden.163 Stählin nahm schließlich eine vermittelnde Haltung ein, die evangelischerseits akzeptiert wurde. Weder der Papst noch Höfer sollten, auch unter dem Gesichtspunkt der Weitergenehmigung der Gespräche durch Rom, genannt wenden. Höfer wurde erneut um die Vermittlung des Gutachtens an Rom gebeten.164 Er war dazu auch bereit. Die ursprünglich nicht vorgesehene Veröffentlichung des Gutachtens sollte jedoch unabhängig von dessen erster Bestimmung erfolgen.165 162

Vgl. zu diesem und den folgenden Zitaten Höfer an Stählin, 15.9.50 (Korr EvAk). In eben diesem Brief legte Höfer nochmals die Gründe dafür dar, daß das Gutachten den Papst nicht erreicht hatte. Wie häufig bei Kuriersendungen an den Vatikan, sei das Gutachten von der Zensur festgehalten worden. Nachdem es verspätet in Rom eingetroffen sei, habe er gemäß dem kirchlich-innerkatholischen Grundsatz „Roma locuta - causa finita" persönlich zugestimmt, daß das Gutachten dem Papst nicht mehr vorgelegt werden solle. Diese Begründung konnte Schlink nicht anerkennen, da Rom noch nicht gesprochen habe, sondern nur angekündigt habe, daß es sprechen werde. Aus den Vorgängen zog er die Schlußfolgerung, „dass es ihm [Höfer, Anm.d. Vf.] mit der Vorlage an den Papst wohl doch nicht dringend sei" (Schlink an Stählin, 20.9.50, Korr EvAk). Von Campenhausen urteilte Uber Höfers Verhalten allerdings milder, da er die Ankündigung des Dogmas bereits als Definitimi ansah. (Brunner an Schlink, 21.9.50, Korr Schlink). Schlink hingegen war von Höfers Verhalten sehr enttäuscht. Vgl. Schlink an Superintendent Wiebel, 8.11.50 (Korr Schlink): „Diese ganze Angelegenheit war für mich Uberaus lehrreich. Ich habe Einblicke in die charakterliche Verfassung treuer Katholiken getan, die mir bisher verborgen waren, und deren Kenntnis mir doch von großer Bedeutung sind. Ich bin seit langem nicht so froh gewesen, Glied der evangelischen Kirche zu sein, als in den vergangenen Wochen." 163

164 Stählin an Schlink, 23.9.50 und Schlink an Stählin, 27.9.50, sowie Stählin an Höfer, 2.10.50 (Korr EvAk). Vgl. Stählin an Schlink, 15.9.50: „Ich verstehe Höfers entschiedene Bitte, weder ihn als Vermittler noch den Papst als Adressaten in Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Gutachtens zu nennen. Er hat auf das Entschiedenste erklärt, dass er dadurch genötigt sein werde, sich von unserer Arbeit gänzlich zurückzuziehen, und dass damit auch alle die Möglichkeiten, die unser Kreis wenigstens theoretisch hat, ein für allemal verloren gingen. Ich vermochte schon vor diesem Gespräch den Standpunkt von Herrn von Campenhausen, dass es nicht nötig sei, sich mit Höfer über das Vorwort des Gutachtens zu verständigen, nicht für richtig zu halten . . . " 165 Höfer an Stählin, 6.10.50 (Korr EvAk). Höfer beruhigte die evangelischen Teilnehmer dahingehend, daß ihre Argumente bereits vor der Ankündigung des Dogmas am 14. oder 15.8.50 anderweitig vorgetragen und geprüft worden seien. Eine nachträgliche Überreichung

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Ob das Gutachten dem Papst noch überreicht wurde, ist nicht zu erheben. Veröffendicht wurde es, nachdem es bereits dem damaligen Generalsekretär des ORK in Genf, Visser 't Hooft, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Rates der EKD und der Bischofskonferenz der VELKD zugesandt worden war, die eine Stellungnahme zum Dogma beabsichtigte.166 Nach einem Bericht Stählins vor dem Rat der EKD befürwortete dieser die Fortsetzung der Gespräche entgegen allen Befürchtungen Schlinks. Stählin hatte jedoch darauf verzichtet, Schimks Gegenargumente unter Nennung seines Namens anzuführen, weil er glaubte, daß Schlinks Rückzug dem Rat ohnehin bekannt würde. Schlink legte deshalb Wert darauf, seine Position dem Rat nochmals persönlich vorzutragen. Stählin wollte auch nicht den Eindruck von Gegensätzen innerhalb des Evangelischen Kreises aufkommen lassen und bat deshalb Schlink, als Grund für seine Haltung seine Arbeitsüberlastung anzuführen, denn die anderen Heidelberger hatten für eine Fortführung der Gespräche plädiert167

des Gutachtens hätte seiner Meinung nach auch durch die evangelischen Mitglieder erfolgen können. Zur Publikation ergänzte er: „Dazu wäre der Papst in die Lage gebracht, von Theologen angesprochen zu sein, ohne öffendich antworten zu können. M.W. ist noch nie ein Papst persönlich Kontrahent in einer theologischen Diskussion gewesen. Das ist nicht seine Aufgabe." 166 Schlink an Visser 't Hooft, 5.10.50, Schlink an Lilje, 5.10.50 (Korr Schlink). 147 Vgl. Briefwechsel Schlink/Stählin vom 29.11.50 bis 20.12.50 (Korr EvAk). Schlink an Stählin am 29.11.50: „Bei aller Überprüfung dieser Frage und der geltend gemachten Argumente verschwindet bei mir der erste Eindruck nicht, daß durch die Entwicklung in der Römischen Kirche unsere Gespräche in der bisherigen Zusammensetzung auf römischer Seite nun eine Ende gefunden haben. Ich fühle mich einigen der römisch-katholischen Kollegen ganz nah verbunden und werde alles tun, um die Verbindung mit ihnen auch weiterhin zu pflegen. Aber andere sind mir ferner geworden als 1946 und dasselbe muß ich von der Römischen Kirche auf Grund ihrer neuesten Entwicklung auch als Ganzer sagen. Ich glaube unter diesen Umständen nicht, daß es zu verantworten ist, wenn wir angesichts der inneren Notlage der Evangelischen Kirche und der zahlreichen gerade in den nächsten drei Jahren auf uns zukommenden ökumenischen Verpflichtungen unsere Zeit weiter in einem so hohen Maße für eine im Entscheidenden zur Zeit doch unfruchtbaren Arbeit mit Vertretern und Beauftragten des römischen Episkopats verwenden." Daß die Haltung der einzelnen Mitglieder zur Fortsetzung der Gespräche von ihrer Vorstellung von der Zielsetzung des OAK abhing, geht aus dem folgenden hervor: „Diejenigen Kollegen, mit denen ich hierüber sprach, haben jedoch eine größere Geneigtheit, die Gespräche in der bisherigen Form fortzusetzen. V. Campenhausen meint, daß sich grundsätzlich gar nichts geändert habe, da er von diesen Gesprächen niemals eine Annäherung der Kirchen, sondern nur einen wissenschaftlichen Austausch erwartet habe. Brunner und Joest wiederum meinen vor allem, daß man diejenigen katholischen Brüder, die selbst unter der Entwicklung in der Römischen Kirche litten, nicht im Stich lassen dürfe. Hinzu kommt die Tatsache, daß ja offensichtlich die Römische Kirche größten Wert darauf legt, daß die Gespräche nicht abgebrochen werden. Aber gerade dies kann sehr verschieden bewertet werden und bringt uns leicht in eine zweideutige Situation." Schlink bat ferner um Verständnis dafür, daß er in Zukunft gelegentlich fehlen wolle. Brunner solle ihn dann als wissenschaftlicher Leiter vertreten.

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Die Gespräche erfolgten von da an nicht unbeeinflußt von dieser Auseinandersetzung. Folgende Charakterisierung der Arbeit in den 50er Jahren durch Schlink kann als zutreffend bezeichnet werden, wenngleich er persönlich den Stimmungsumschwung besonders intensiv wahrgenommen hat: „Zwar wurde die Arbeit nach der Krise fortgesetzt, aber die innere Situation war nicht mehr ganz dieselbe. Zwar blieben die Tagungen wissenschaftlich tiefgründiger als manche anderen ökumenischen Versammlungen, und doch waren sie in anderer Hinsicht ärmer, - nämlich arm an lebendiger ekklesiologischer Hoffnung. Nicht selten wurde eine gewisse Müdigkeit und ein Gefühl der Vergeblichkeit spürbar trotz wissenschafdicher Annäherungen und immer wieder beglückender menschlicher Gemeinschaft, - ein lähmendes Gefühl, das noch verstärkt wurde durch die Überlegung, daß hier nur eine verständnisbereite Elite, aber nicht der theologische Durchschnitt, geschweige denn die Volksfrömmigkeit beider Kirchen zur Begegnung kam."168

5.2.2. Der Inhalt des Gutachtens Das Gutachten enthält keine Gesichtspunkte, die nicht bei der 8.Tagung zumindest andiskutiert worden wären. Es stellt im Grunde sogar eine Zusammenfassung der dort von evangelischer Seite aus vorgebrachten Einwände dar. Da Schlink außerdem neben den Heidelbergern auch Skydsgaard und vor allem Stählin169 um Stellungnahmen zu seinem Entwurf ge168

Schlink, Edmund, Pneumatische Erschütterung, in: KuD 8/1962, 221-237, 231. Interessant ist, daß Kardinal Bea offensichtlich die Fortführung der Gespräche des ÖAK trotz dessen vorausgegangener Warnung, sie nicht weiterführen zu können, wenn die Dogmatisierung tatsächlich erfolge, auf die Ehrlichkeit zurückführte, mit der die Katholische Kirche ihre Position in diesem Punkt vertrat, obwohl es um einen kontroversen Sachverhalt zwischen den beiden Konfessionen ging. Darin sah er offensichtlich sogar einen ökumenischen Aspekt der Definition. Stjepan Schmidt zitiert in seiner Biographie über Kardinal Bea, Augustin Bea: der Kardinal der Einheit, Graz/Wien/Köln 1989, 315, aus dessen Artikel „La definizione dell'Assunta e i protestanti": „... hatte die katholische Kirche, obwohl sie die Einheit aller Christen von ganzem Herzen herbeisehnt, den Mut, ihren Glauben und ihre Grundsätze über einen Punkt, der uns leider vom heutigen Protestantismus trennt, offen und ehrlich zu bekennen; sie hat das nicht getan, um die Bemühungen, zur Einheit zu gelangen, zu behindern oder zu hemmen, sondern um einem inneren Gesetz ihrer vom Heiligen Geist eingegebenen und geleiteten doktrinellen Entwicklung zu gehorchen ... Diese Ehrlichkeit mußte notwendigerweise auf alle jene Eindruck machen, welche die Einheit aufrichtig suchen." Davon, daß die Definition des Assumptio-Dogmas auf die evangelischen Teilnehmer des ÖAK wegen ihrer Ehrlichkeit Eindruck gemacht hätte und man gar aus diesem Grund die Gespräche fortgesetzt hätte, kann jedoch nicht die Rede sein. Die Gespräche wurden zwar, was Bea ebenfalls als Argument für den ökumenischen Charakter des Dogmas anführte, nach langen Diskussionen „in einer freundlichen und freundschaftlichen Atmosphäre und mit besten Ergebnissen wieder aufgenommen" (ebd., 315), sie blieben aber dennoch nicht unbeeinträchtigt von den Auseinandersetzungen, wie das obige Zitat Schlinks und der Ablauf der auf die Dogmatisierung folgenden Tagungen zeigt. 169 Wie ein Vergleich von Stählins Änderungsvorschlägen mit dem ersten Entwurf Schlinks und dessen Endfassung ergibt, wurden sie alle von Schlink in das Dokument eingearbeitet

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beten hatte, kann man davon ausgehen, daß das Dokument in seiner Endfassung die Haltung zumindest der Mehrzahl der Mitglieder des Evangelischen Arbeitskreises enthält. Als Hauptargument gegen das Dogma wird in dem Gutachten das fehlende apostolische Zeugnis über eine leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel angeführt. Bei einer Dogmatisierung würde die Kirche deshalb „ohne apostolische Legitimität und damit ohne göttlichen Auftrag handeln und eigenmächtig definieren, was heilsnotwendig zu glauben ist. Sie würde beanspruchen, apostolische Lehre produzieren zu können ... "17° Inhaltlich wird kritisiert, daß Maria als Gottesmutter „aus der Gemeinschaft der Kirche herausgelöst und von dem wartenden Gottesvolk distanziert"171 wird, obwohl nach evangelischem Verständnis gerade ihre menschliche Unvollkommenheit das eigentlich Tröstliche für den Christen sei. Trotz der von katholischer Seite aus vorgenommenen dogmatischen Distinktionen, wonach die Mariologie der Christologie untergeordnet bleibe und Anbetung und Verehrung auseinanderzuhalten seien, wird aus evangelischer Sicht durch das Dogma die Ehre Christi geschmälert, indem der Unterschied zwischen Christus und aller Kreatur verwischt wird. Christus selbst war auch Mensch, weshalb nach evangelischer Auffassung nicht erst Maria das Bild des neuen Menschen verkörpern muß.172 Stärker als bei der 8. Tagung geschehen, arbeitete Schlink die Konsequenzen des Dogmas für den Glauben heraus. Die den ntl. Glaubensbegriff kennzeichnende personale Beziehung zwischen Gott und dem Einzelnen verliere an Bedeutung zugunsten der bereits geschehenen Begegnung Gottes mit einer anderen Person. Zumindest in der Volksfrömmigkeit bestehe deshalb die Gefahr des Abgleitens vom Glauben an Christus.173 Hinsichtlich der Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Evangelischer und Katholischer Kirche prognostizierte er. „ D i e Dogmatisierung der Assumptio würde inmitten der kirchlichen Annäherungsbestrebungen unserer Zeit als ein grundsätzliches N e i n der Römischen Kirche verstanden werden, und zwar nicht nur von der Evangelischen Kirche in Deutschland, sondern auch von dem Weltprotestantismus und von der ort h o d o x e n Christenheit" 1 7 4

Vgl. Entwurf Schlinks (Akten Schlink) und die Änderungsvorschläge Stählins, Beilage zu Stählin an Schlink, 21.7.50 (Korr EvAk), sowie Evangelisches Gutachten zur Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens, München 1950. 170 A.a.O., 11. Zur Apostolizität als Begründung vgl. die dogmatische Beurteilung der Begründung, 7-11. m A.a.O., 13. Diesen Aspekt hatte vor allem Stählin bei der 8.Tagung hervorgehoben. 172 A.a.O., 14/15. 173 A.a.O., 15-17. 174 A. a. O., 20. Im einzelnen wurde die „Außerkraftsetzung von allgemein anerkannten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen" bemängelt und Unverständnis zum Ausdruck gebracht gegenüber den römischen Theologen, die das Dogma nach der Dogmatisierung be-

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Auch die Auswirkungen auf die Auseinandersetzung zwischen den Kirchen und der Welt wurden in den Blick genommen. Die gemeinsame Front beider Kirchen gegenüber dem Säkularismus werde durch die Dogmatisierung eines Mythos geschwächt Als Absicherung gegen den Vorwurf katholisierender Tendenzen lassen sich die Ausführungen zu dem Bewußtsein der „Gefahren einer Relativierung der Wahrheitsfrage und einer Verwischung der Unterschiede ... "175 verstehen. Wie sehr sich Schlink bei der Abfassung des Gutachtens jeglicher Polemik enthalten hatte, zeigt ein Vergleich mit einem von ihm abgefaßten Artikel, der nach der Dogmatisierung in verschiedenen Kirchenblättern erschienen ist 176 Sein Inhalt ist über weite Strecken identisch mit dem des Gutachtens, der Aufbau derselbe. Der Ton ist jedoch wesendich polemischer. Was Schlink mit Rücksicht auf den Papst als den Adressaten und auf das mit dem Gutachten beabsichtigte Ziel sowie nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Haltung Stählins177 in dem Gutachten nicht verbalisiert hatte, sprach er hier offen aus. Hatte Schlink in dem Gutachten nur die päpstlichen Verlautbarungen aufgezählt, in deren Kontext er auch die Dogmatisierung einordnete, so charakterisierte er hier offen den Weg der Katholischen Kirche seit 1870 als „zentralisierende Straffung der Römischen Kirche."178 Als weiteren Grund dafür, daß der Papst, obwohl er um die Inopportunität des Dogmas wußte, dennoch das Dogma erließ, nannte er dessen persönliche Marienfrömmigkeit. Einen Passus zur Entstehung des mariologischen Kultes aus dem „religiösen Drang menschlichen Seins", den er als Triebkraft natürlicher Religion bezeichnete, fügte Schlink ebenfalls ein.179 Den evangelischen Christen in der damaligen Situation riet Schlink in Abwehr verstärkter neuprotestantischer Tendenzen: jahten, während sie vorher Bedenken angemeldet hatten. Ferner wurde die Befürchtung geäußert, der Ökumene mißtrauisch gegenüberstehende evangelische Kreise könnten wieder an Bedeutung gewinnen (a.a.O., 18/19). 175 A.a.O., 22. 176 Vgl. Schlink, Edmund, Die leibliche Himmelfahrt Mariens. Das neue römische Dogma, in: Sonntagsblatt Hamburg (Hrsg. Hanns Lilje), Nr. 47/1950, 10/11 und Teilabdruck in: Ev. Kirchenblatt für Mittelbaden, Freiburg i.Br. und das Markgräferland, Nr.25/1950, 192/193 sowie in: Für Kirche und Gemeinde, Ev. Sonntagsblatt für Baden, 5/1950, Heft 47/48. 177 Stählin an Schlink, 21.7.1950 (Akten Schlink): „Vielleicht wäre es richtig, in dem Gutachten entweder am Anfang oder am Ende ausdrücklich zu sagen, daß dieses Gutachten nicht als eine protestantische' Polemik gegen ein römisches Dogma verstanden werden möchte, sondern als ein Ausdruck einer gesamtkirchlichen Verantwortung, kraft des Wächteramtes, das jeder einzelnen Kirche für die gesamte Christenheit anvertraut ist." Schlinks durchgängige Rede von der Römischen Kirche erkannte er nur in Abgrenzung gegen die mit der Instruktion von neuem erhobenen Ansprüche der Katholischen Kirche an. Sonst hätte er „römisch-katholisch" für angebrachter gehalten. 178 Sonntagsblatt Hamburg, a.a.O., 11. Schlink sieht hier die Enzykliken „ My st ici corporis" und „Mediator Dei", das Monitum von 1948 und die Instruktion von 1949 sowie die Enzyklika „Humani generis" von 1950 auf einer Linie. 179 A.a.O., 10/11. Diesem Angriff auf die natürliche Religion im Barthschen Sinne ver-

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität „Die Aufgabe für den evangelischen Christen besteht vielmehr darin, die Evangelische Kirche mehr als je als die ,eine, heilige, allgemeine, apostolische Kirche' des Glaubensbekenntnisses ernstzunehmen. Je mehr die Römische Kirche ihre apostolische Grundlage verläßt, desto mehr wird sich die Evangelische Kirche ihrer Apostolizität bewußt sein müssen. Je mehr die Römische Kirche mit der Apostolizität auch die Teilhabe an der Katholizität in selbstgewählter Isolierung verliert, desto bewußter, weiter und liebender wird die Evangelische Kirche, auf der apostolischen Botschaft gegründet, Ausschau halten müssen nach den Glaubenden in den anderen Kirchen und die Gemeinschaft mit ihnen suchen . . . So wäre es z.B. ganz verkehrt, wenn man aus Abwehr gegen die neue römische Fehlentwicklung nun antisakramental und antiliturgisch werden wollte oder Dogma und Amt in schwärmerische Aktualismen auflösen wollte."180

Diese Einschätzung der Lage durch Schlink macht es verständlich, daß er an einer Fortführung der Tagungen des Arbeitskreises wenig Interesse hatte.

5.2.3. Zur Rezeption

des

Gutachtens

D a s Gutachten w a r neben der „Erklärung der deutschen evangelischen Bischöfe" 1 8 1 die gewichtigste kritische Verlautbarung z u der D o g m a t i s i e rung v o n evangelischer Seite. Es b o t zugleich die Grundlage für diese Erklärung, w i e ein inhaldicher Vergleich deutlich z e i g t 1 8 2 D i e o b e n dargestellten wesentlichen Aspekte des Gutachtens w u r d e n darin z u s a m m e n gefaßt. A u f s e h e n erregte besonders die Anerkennung der Jungfrauengeburt und der Bezeichnung Marias als „Gottesmutter" im altkirchlichen Sinn. gleichbar sind Schlinks Ausführungen zum thomistischen Naturrecht als katholischer Begründung der gemeinsamen politischen und sozialen Verantwortung beider Kirchen im ersten Entwurf des Gutachtens, die auf Anregung Stählins schließlich weggelassen wurden: „Römischerseits wird diese Zusammenarbeit begründet mit thomistischem Naturrecht, das für den Bereich des Natürlichen eine Gemeinsamkeit unabhängig von einem gemeinsamen Glauben ermöglicht Evangelischerseits ist jener gemeinsame Einsatz nicht naturrechtlich begründet und die thomistische Scheidung von Natur und Übernatur nicht nachzuvollziehen" (Entwurf des Gutachtens, Akten Schlink). 180 A.a.O., 11. 181 Die Welt, 6.11.1950; Heiler, Friedrich/Siegmund-Schultze, Friedrich (Hrsg.), Ökumenische Einheit 2/1951, Heft 2, 85 f. 182 In einem redaktionellen Artikel in der Herder-Korrespondenz 5/1950-1951, 147-152, über „Das neue Mariendogma und die evangelische Welt", wurde der Gedankengang des Gutachtens deshalb dargelegt und die „Erklärung der Lutherischen Bischofskonferenz zu dem durch den Papst in Rom definierten Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel" in dem Wortlaut abgedruckt, in dem Landesbischof Hans Meiser (damals Leitender Bischof der VELKD) sie nach Auskunft der Zeitschrift zuerst am 5.11. in Kulmbach im Gottesdienst verlesen hatte (ebd., 150/151). Die Erklärung wurde als „Schnellurteil" bezeichnet: „Wir drucken daher den vollen Wortlaut ab, der eine beträchtliche Vergröberung des Heidelberger Gutachtens darstellt und daraus die Folgerungen zieht, ohne den Versuch, sich in die katholische Situation und Dogmenentwicklung zu versetzen, alle für die Prüfung dieser Frage erforderlichen Unterlagen abzuwarten oder alle erreichbaren Gesichtspunkte zu berücksichtigen" (ebd., 151).

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Katholischerseits sah man damit die Bischöfe einmal wieder das Lehramt ausüben gegenüber der herrschenden evangelischen Universitätstheologie, die solche Aussagen über Maria weithin nicht mittrage.183 Da auch diese Haltung zur Mariologie dem Gutachten entspricht184, wird einmal mehr anschaulich, daß die maßgeblichen Mitglieder des Evangelischen Arbeitskreises keinesfalls repräsentativ waren für das ganze Spektrum damaliger evangelischer Theologie. Gewichtige evangelische Reaktionen auf das Gutachten blieben dennoch aus. Im Rahmen der katholischen Diskussion um das Dogma wurde auf das Gutachten jedoch um so mehr Bezug genommen.185 Sofern es Resonanz von Seiten der Mitglieder des Katholischen Arbeitskreises gab, war sie positiv hinsichtlich seines Anliegens und des Tons, indem es vorgebracht wurde.186 Inhaltlich konnten sie 1,3 A.a.O., 151: „Immerhin bleibt eine bemerkenswerte Tatsache festzustellen: D. Meiser und die ihm folgenden Landesbischöfe haben den Mut, bei der Abwehr des Primats im Widerspruch zu der herrschenden lutherischen Universitätstheologie die Geburt Jesu, des Sohnes Gottes, aus der Jungfrau Maria zu bekennen und zu gestatten, daß Maria .Gottesmutter' genannt werden ,darf . . . " Vgl. auch Volk, Hermann, Das neue Marien-Dogma, Münster 21951, 127 und evangelischerseits Asmussen, Hans, Ist Christologie auch Mariologie?, in: Ev.-luth. Kirchenzeitung 5/1951, 56-58. 184 Vgl. Ev. Gutachten, München 1950, 11/12: „Die Kirche bekennt auf Grund der Heiligen Schrift Jesum Christum, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn, der empfangen ist vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria' (Apostolicum). Als irdische Mutter des ewigen Gottessohnes und in diesem Sinne als Theotokos gehört Maria unablösbar zur götdichen Heilstat der Fleischwerdung des ewigen Gotteswortes hinzu und nimmt eine exceptionelle Stellung innerhalb des ganzen Menschengeschlechtes ein. Zu keiner Zeit kann die Kirche die irdische Mutter Jesu verschweigen, sie würde sonst die Wirklichkeit der Menschwerdung doketisch auflösen." ins vgl. Söhngen an Schlink, 29.11.50 (Akten Schlink): „Mir fällt auf, wie wenig Geräusch auf katholischer Seite, namentlich in der öffentlichen Presse, soweit sie auch ein katholisches Gepräge hat, von dem neuen Dogma gemacht wird ... Insofern könnte man sagen, daß Ihr Gutachten gewissen Propagandisten sehr willkommen ist. Sie werden sich geschmeichelt finden durch die große Aufmerksamkeit, die ihnen da von der Gegenseite bekundet wird inmitten eines Schweigens im eigenen Lager, bei dem ihnen nicht recht wohl sein kann." 186

H. Volk formuliert in bezug auf das Gutachten und die Stellungnahme der evangelischen Bischöfe: „Es sei festgestellt, daß die evangelischen Äußerungen, die von dem evangelischen Standpunkt aus das Dogma ablehnen, darin doch nicht von irgend einer Art Schadenfreude, sondern von einer ernsten Besorgnis begleitet sind. Es wäre auch wohl verfehlt, die maßgeblichen evangelischen Äußerungen als ein unberechtigtes Sicheinmischen in außerevangelische Angelegenheiten zu betrachten; sie entspringen vielmehr dem Bewußtsein einer Verbundenheit in der apostolischen Lehre, in welchem es dann nicht gleichgültig ist, was die katholische Kirche als apostolische Lehre verkündet Man tut gut, die Anteilnahme im Ganzen als ein Zeichen des Interesses und nicht als Zeichen einer gesuchten Polemik zu betrachten" (vgl. ders., Das neue Marien-Dogma, Münster 21951, 128). Bernhard Rosenmöller schrieb am 4.10.50 an Schlink (Akten Schlink): „Ihnen und Ihren Mitarbeitern danke ich für die ausgezeichnete theologische Arbeit und vor allem auch für den Geist, für die Gesinnung, in der diese Arbeit getan ist. Ihre Hingabe an die Wahrheit und Ihr tiefes Bewusstsein der Verantwortung auch für die katholischen Brüder ist das, was mich in unsern Gesprächen und auch beim Lesen des Gutachtens beglückt Ich bedaure sehr, dass dieses Gutachten nicht rechtzeitig in Rom vorlag." Viktor Warnach schrieb ihm am 5.11.1950 (ebd.)

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jedoch die evangelische Sichtweise nicht teilen.187 "Wie bei der Diskussion der 8. Tagung widerlegten sie durchweg von den katholischen Voraussetzungen her die vorgebrachten Kritikpunkte.188 In der Beurteilung der Auswirkungen des Dogmas auf das ökumenische Gespräch gingen die Meinungen weiter auseinander als bei seiner historischen und dogmatischen Begründung. Erzbischof Jaeger und M. Schmaus bezeichneten das Dogma als opportun auch im Hinblick auf die Ökumene, da der Hl. Geist gerade durch dieses Dogma den Weg zur Gemeinschaft aufzeigen könne, womit damals die Rückkehr zur Katholischen Kirche gemeint war.189 Grosche und Volk vertraten die Auffassung, durch das neue Dogma sei die Kluft zwischen den Konfessionen nicht tiefer, sondern nur deudicher sichtbar geworden. Beide sahen in ihm deshalb eine „hilfreiche Ernüchterung".190 So auch Rahner, der außerdem den Konflikt ansprach, in den viele Katholiken durch das Dogma geraten seien, und der sich deutlich für die Fortsetzung der Gespräche aussprach.191 Die meiste Zustimmung fand das Gutachten - auch inhaltlich - bei Söhngen: „Von den evangelischen Voraussetzungen aus betrachtet ist das Gutachten wirklich zur Sache und auf die Grundlagen durchstoßend; und es ist in einem wirklich ökumenischen Geiste und Tone geschrieben. Da die evangelischen Voraussetzungen für uns katholische Theologen zum mindesten eine ernste Frage bedeuten, so hat auch das Gutachten uns katholischen Theologen wesendiches zu als Einleitung zu eher kritischen Anmerkungen: „Ich habe mich sogleich an sein [des Gutachtens, Anm. d. Vf.] Studium gemacht, da ja die Frage äusserst brennend ist, und muss gestehen, dass mich der Ernst, mit dem Sie samt Ihren Heidelberger Freunden diese so heikle Sache behandeln, sehr tief beeindruckt hat. Allerdings haben mich die Argumente selbst nicht überzeugt; aber sie sind mir zum Anlass geworden, den ganzen Fragenbereich gründlicher zu durchdenken." Robert Grosche äußerte in seinem Artikel „Zum Dogma der Himmelfahrt Mariä", in: Herder-Korrespondenz 5/1950-1951, 2 0 6 - 2 1 1 , 207: „Wir sind unseren evangelischen Brüdern dafür dankbar, daß sie sich zu dieser Verantwortung der Glieder getrennter Kirchen für einander bekennen; und wir sind aus der gleichen Verantwortung heraus bereit, ihre Bedenken und Fragen zu hören. Wir empfinden es mit ihnen schmerzlich, daß durch die Verkündigung des Dogmas die Kluft zwischen den Konfessionen im Augenblick neu aufgerissen zu sein scheint." 187 D a ß das Gutachten von evangelischen Voraussetzungen ausging, wurde ihm aber vor allem von den Apologeten des Dogmas angekreidet. So z . B . von Otto Semmelroth, dem Herausgeber der apologetischen Schrift, Das neue Dogma im Widerstreit. Ein Beitrag zum ökumenischen Gespräch, Würzburg 1950. Vgl. ders., Das Echo der Nichtkatholiken auf die Verkündigung des neuen Mariendogmas, in: Geist und Leben 24/1951, 136. » Vgl. hierzu V. Warnach, a . a . O . , R. Grosche, a . a . O . , H. Volk, a . a . O . , die allgemeinen Ausführungen zum Dogma von M. Schmaus, in: ders., Kath. Dogmatik V, München 2 1961, 241-269. i»9 Vgl. Predigt von Erzbischof Jaeger am 8.12.50 bei der Dankfeier für die Dogmaverkündigung, in: Kirchliches Amtsblatt für die Erzdiözese Paderborn 93/1950, 153-156, 155 und Schmaus, Michael, Kath. Dogmatik V, 2 1961, 266 ff. 1.0 1.1

Vgl. Grosche, Robert, a.a.O., 207 und Volk, Hermann, a . a . O . , 134/135. Vgl. Rahner, Karl, Das „Neue" Dogma, Wien 1951, 2 7 f . und 3 0 f .

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sagen, auch solches, dem wir mit dem Herzen zustimmen müssen. Ich möchte nicht versäumen, Ihnen wirklich meine innere Freude über das echt biblische und wahrhaft schlichte Marienbild auf Seite 12, das Sie da entwerfen, auszudrücken. Ich wünschte, daß in der katholischen Kirche mehr in dieser Weise über Maria gepredigt würde, und nicht in dem Barockpathos, das nicht einmal das für sich hat, daß es ein Pathos von künstlerischem Belang ist"192 Die Einschätzung Grosches und Volks scheint in der Tat zuzutreffen.193 Die empfindliche Reaktion der evangelischen Seite, vor allem Schlinks, auf die Dogmatisierung rührte offenbar daher, daß man nicht zuletzt infolge mancher Äußerung Söhngens und anderer ökumenisch vorwärtsstrebender Theologen im Dialog eine größere Gemeinsamkeit vorausgesetzt hatte, als sie de facto im Bewußtsein der Gemeinden und der Kirchenleitung, aber auch im Bewußtsein vieler Theologen bestand. Andererseits bewiesen die evangelischen Aussagen zur Mariologie und die Kritik am Dogma aus den Reihen der Katholischen Kirche selbst, daß man sehr wohl auf dem Weg war, sich einander anzunähern. Demgegenüber bedeutete das Dogma in der Tat einen Rückschritt. Gemeinsam war den Äußerungen der Mitglieder des Katholischen Arbeitskreises, daß sie die evangelische Reaktion auf das Dogma in ihren Stellungnahmen berücksichtigten, sie positiv würdigten, aber trotz aller mehr oder weniger stark ausgeprägten eigenen Vorbehalte gegenüber dem Dogma ein klares Bekenntnis zum Lehramt ihrer Kirche ablegten. Dabei wurden immer wieder Stählin und Asmussen wegen ihrer positiven Würdigung der Mariologie zur Unterstützung der eigenen Argumentation angeführt194, obwohl beide die in dem Gutachten ausgesprochenen Bedenken gegenüber dem Assumptio-Dogma durchaus teilten.195 m

Söhngen an Schlink, 29.11.1950 (Korr Schlink). Vgl. die erheblich schärfere Formulierung Semmelroths, a.a.O., 136: „Wer also das Una-Sancta-Gespräch über Gebühr belastet sehen will, der nötigt uns die erstaunte Frage ab: Hat man denn vorher nicht gewußt, mit wem man sich an den Tisch des ökumenischen Gespräches setzte? Hat man denn geglaubt, was uns bisher trennte, sei eine Bagatelle, die man bei gutem Willen im gegenseitigen Gespräche bald würde überwinden können? Dann mag es gut gewesen sein, daß durch das neue Dogma der verschiedene Kirchen-, Offenbarungs- und Glaubensbegriff als nicht in sich ruhende Lehrsätze, sondern als lebendige Ganzheiten erwiesen wurden, aus denen Konsequenzen wachsen." im Yg] Volk, Hermann, Das neue Marien-Dogma, 83/84, wo Stählin als Gewährsmann dafür angeführt wird, daß die Auslegung der Hl. Schrift innerhalb der Kirche erfolgen müsse, da man „außerhalb der kirchlichen Tradition" nicht „ein unmittelbares Verhältnis zur Heiligen Schrift gewinnen und also durch historische Exegese zu den ,Quellen' vordringen" könne (Zitat Stählin ebd.). Vgl. auch Grosche, Robert, a.a.O., 209. Er übernimmt Argumente aus Asmussens Marienbuch, um zu zeigen, daß mit der Zuordnung Marias auf die Seite der Menschen bzw. auf die Seite Gottes keine Alternativen beschrieben sind und wendet sich damit gegen einen Einwand des Gutachtens. Vgl. zur katholischen Vereinnahmung Stählins und Asmussens für die Argumentation gegen das Gutachten auch: Das neue Mariendogma und die evangelische Welt, in: Herder-Korrespondenz 5/1950-1951, 148: „Hier [im Gutachten, Anm. d. Vf.] ist noch nicht der Schritt des Erkennens getan, den 1,3

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Mit dieser Haltung - ausgenommen ihre ökumenische Offenheit - waren die Mitglieder des Katholischen Kreises repräsentativ für eine Vielzahl der Voten aus der Katholischen Kirche. Sie gehörten keinesfalls zu den Theologen, die sich ausschließlich kritisch gegenüber der Dogmatisierung geäußert hatten und von denen Schlink im Grunde die Argumentation, was das Fehlen des apostolischen Zeugnisses angeht, übernehmen konnte. Aber ganz im Gegensatz zu den apologetischen Stellungnahmen aus marianischen Kreisen, die zum Teil ohne wissenschafdiche Basis erfolgten bzw. mit falschen historisch-philologischen Herleitungen des Dogmas arbeiteten, waren sie sich des schwachen Fundamentes in Schrift und Tradition bewußt Allerdings akzeptierten sie das Dogma aufgrund der dogmatischen Begründung und in Anerkennung des Glaubensbewußtseins der Kirche als Kriterium, das über Schrift und Tradition steht 196 Asmussen ... und Stählin ... getan haben: Gott zieht durch Christus und in Christus die Menschheit, zuerst Maria, dann die Heiligen, in Seine Herrlichkeit, ohne daß damit der Zusammenhang zur Menschheit abgeschnitten wäre; im Gegenteil, die Erlösung ist erfüllt" W5 Vgl. Stählin, Zum neuen Mariendogma, in: epd, Sonderdienst, (ohne genauere Angabe in Akten Schlink, diktiert bei der 9. Tagung 1950): „Die Nüchternheit, mit der die Bibel bei aller zarten Liebe von der Jungfrau Maria redet, zieht hier eine strenge und unüberschreitbare Grenze. Sie sieht Maria eindeutig auf der Seite der Menschheit; sie erzählt unbefangen von leiblichen Brüdern Jesu und von dem Unverstand der Mutter, die auf Grund ihrer leiblichen Mutterschaft Ansprüche an ihren Sohn stellt, denen er sich versagen muß; und dann, nachdem Maria nach der Auferstehung Christi unter den Jüngern genannt wird, entschwindet sie völlig unserem Blick . . . , wir können unser Erschrecken darüber nicht verbergen, dass mit der Verkündigung dieses Dogmas deutlicher als je der Anspruch dessen, was das ,Kirchenvolk' glaubt und glauben will, der Bindung an die echte Überlieferung der Kirche übergeordnet wird . . . , wir sehen die ernste Gefahr, dass die Gespräche über den Glauben, die seit Jahren zwischen evangelischen und römischen Theologen im Gange sind, keine rechte Grundlage mehr finden, wenn die Bindung an die Verkündigung der Apostel und die Bemühung um ihr rechtes Verständnis nicht mehr die gemeinsame Grundlage solcher Gespräche sind." Vgl. auch Asmussen, Hans, Für und wider das neue Dogma, in: Hochland 43, 334-344, 341 ff., wo er, nachdem er zunächst viel Verständnis für die Dogmatisierung zum Ausdruck gebracht hat, zur Kritik ansetzt: „Wenn nun der Papst auf diese Frage ein solches Gewicht legt, dann will ich als erste Antwort sagen, daß ich meine, die Kirche hätte heute der Welt etwas noch Wichtigeres zu sagen als eine Botschaft von Maria . . . , daß das Wort, welches jetzt gesagt werden müßte, noch viel näher bei Christus stehen müßte als das, was der Papst in seinem Dogma jetzt von Maria gesagt h a t . . Es ist ganz bestimmt ein anormaler Zustand, wenn die Bischöfe der lutherischen Kirche die Lehre von der Geburt aus der Jungfrau verkünden, während die meisten Universitätslehrer in Deutschland dieser Lehre zweifelnd gegenüberstehen. Ich würde es aber nicht wagen, einem Menschen die Vergebung der Sünden zu verweigern, wenn er mir sagt: ,Was die Kirche von Maria glaubt, kann ich nicht glauben.' ... Ihr müßtet uns durch die Schrift besser überzeugen als bisher" (ebd., 341/342). ι* Vgl, di e Zusammenfassimg und Beurteilung wesentlicher Stellungnahmen aus allen Konfessionen zur Dogmatisierung von Friedrich Heiler, Assumptio. Werke zur Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Marias, in: ThLZ 79/1954, Nr. 1, in der auch das Heidelberger Gutachten und die Stellungnahme der evangelischen Bischöfe erwähnt sind, sowie die beiden Sonderhefte von Heiler, Friedrich/Siegmund-Schultze, Friedrich, Ökumenische Einheit, 2/1951, Heft 2/3, in denen die Stellungnahmen im vollen Wortlaut wiedergegeben werden.

Krisen der Zusammenarbeit

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5.3. Die Bedenken gegenüber einer Fortsetzung der Gespräche auf evangelischer Seite im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Mitgliedschaft Hans Asmussens und die „Grundsätze über das Gespräch mit der röm.-kath. Kirche" der VELKD Eine Verschärfung der Spannungen zwischen beiden Kirchen durch die „Weihe Deutschlands an Maria und andere röm.kath. Takdosigkeiten", so Schlink, sowie die innerevangelische Auseinandersetzung um Hans Asmussen stellten die Fortsetzung der Gespräche mit der 16. Tagung 1955 für die evangelischen Teilnehmer erneut in Frage. Ohne eine interne Vorbesprechung vor der Tagung hielt auch Stählin eine weitere Zusammenarbeit nicht für möglich. Zu klären seien die im eigenen Kreis aufgebrochenen Fragen und „manche konfessionspolitische Ereignisse", wie z.B. die Art, in der Erzbischof Jaeger die Bedenken Meisers abgetan habe.197 Die Haltung der Heidelberger Mitglieder zu Stählins Vorschlag schildert Schlink in einem Brief an Stählin vom 30.12.54, der zusammenfassend einen Einblick in die Haltung vermittelt, welche die evangelischen Mitglieder gegenüber Asmussen und in bezug auf die Fortsetzung der Gespräche einnahmen sowie in die allgemeine Skepsis gegenüber der katholischen Seite, die wieder verstärkt das Klima bestimmte:198 1.7 Schlink an Stählin, 17.12.54 (Korr Schlink) und Stählin an Schlink, 18.12.54 (Korr EvAk). 1.8 Dies läßt sich anhand des Briefwechsels von Arbeitskreismitgliedem untereinander belegen. So brachte Friedrich gegenüber Stählin am 18.2.55 (Briefwechsel Stählin 1946-1956, Korr EvAk) zum Ausdruck, er komme nicht mehr so gerne zu den Gesprächen wie bisher und wäre über sein Ausscheiden nicht böse, da seit dem Mariendogma auf der katholischen Seite eine Erstarrung eingetreten sei. Die Gespräche seien nicht mehr persönlich, sondern „akademisch belehrend". Freilich begründete er seine Haltung auch mit den Spannungen „im eigenen Lager", aufgrund derer die Gespräche auseinanderzubrechen drohten. Der Ertrag der letzten Tagungen sei zudem nicht groß gewesen, da zu viele Einzelheiten behandelt worden seien, bei denen nur noch die Fachleute hätten mitreden können. Aufschlußreich über die Einschätzung der ökumenischen Situation durch die Teilnehmer ist auch ein Briefwechsel zwischen Lortz und Schlink. Lortz hatte bei einer Bernhard-Feier im Institut für Europäische Geschichte in Mainz einen Vortrag über Bernhard und Luther gehalten, der von Schlink als „betont katholisch propagandistisch" bezeichnet wurde, weil Lortz mit den Begriffen „katholisch" und „häretisch" den Unterschied zwischen Bernhard und Luther bezeichnet hatte. Schlink sah darin Werturteile, während Lortz angab, den Begriff „häretisch" nur für eine Auswahl im Gegensatz zum Ganzen als dem Katholischen gebraucht zu haben (Lortz an Schlink, 19.1.54, Korr Schlink). Lortz zeigte sich über die Reaktion Schlinks sehr enttäuscht, da sich in ihr die in letzter Zeit zunehmend zu beobachtende empfindliche Haltung der evangelischen Seite wiederspiegle, mit der katholische Äußerungen bewertet würden, „ohne daß man gleichzeitig lebendig von der Sorge bewegt wäre, es könnte möglicherweise der Fehler bei einem selber oder auch bei einem selber liegen." Die Klagen auf der katholischen Seite über die „wachsende Starrheit evangelischer Haltungen" mehrten sich (Lortz an Schlink, 18.3.54, Korr Schlink). Schlink bestätigte daraufhin, daß auch er die zunehmende Entfremdung zwischen Römischer und Evangelischer Kirche mit Schmerz beobachte: „Wir teilen also die Sorgen, daß in der allgemeinen Restauration der deutschen Nachkriegszeit Erkenntnisse und Gaben schuldhaft

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität „Was die Frage einer Zusammenkunft der evangelischen Mitglieder am Tage vor Beginn der Arbeitsgemeinschaft betrifft, so wurde zwar allgemein zum Ausdruck gebracht, daß sowohl der Fall Asmussen, als auch die Frage der Fortsetzung der Gespräche einer innerevangelischen Klärung bedarf, aber darüber hinaus wurden beide Fragen als eine große Verlegenheit empfunden. Außerdem war man der Meinung, daß ein innerevangelischer Austausch am Tage vor Beginn der Arbeitsgemeinschaft ja insofern nicht sehr sinnvoll sei, als man so spät ja weder die Freiheit habe, Asmussen um ein Fernbleiben zu bitten, noch die Freiheit habe, selbst in Paderborn fem zu bleiben. Insofern könnte die innerevangelische Aussprache gerade so gut unmittelbar nach dem evangelisch-katholischen Gespräch stattfinden, wenn man schon überhaupt die Fortsetzung des Gesprächs wolle. In dieser Hinsicht waren die Meinungen recht verschieden. Am stärksten ablehnend gegenüber einer weiteren Beteiligung von Asmussen und einer Fortsetzung der Gespräche mit den Katholiken war Günther Bornkamm. Am stärksten für die Fortsetzung der Gespräche, nötigenfalls selbst unter Beteiligung von Asmussen war Freiherr von Campenhausen, der allerdings bei diesen Gesprächen von vornherein stärker die wissenschafdiche und menschliche Begegnung, als die interkonfessionelle kirchliche Bedeutung im Auge hatte. Brunner und Joest waren sehr unsicher, ob die Fortsetzung der Gespräche, sei es mit, sei es ohne Beteiligung von Asmussen, geboten sei, und von ihnen kam die Anregung, daß ich Sie fragen möchte, ob Sie vielleicht bei einer Ihrer Vortragsreisen die Möglichkeit hätten, ein paar Stunden in Heidelberg zu unterbrechen, um den ganzen Fragenkomplex möglichst noch im Januar oder in der ersten Februarhälfte mit den Heidelberger Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft persönlich durchzuberaten. Ich selbst habe mich in diesen Gesprächen zurückge-

wieder preisgegeben werden, die uns Gott in großer gemeinsamer Not geschenkt hatte. Solange wir dies gemeinsam sagen können, ist gewiß nicht alles verloren" (Schlink an Lortz, 25.3.54, Korr Schlink). Am 20.10.55 (Korr Schlink) äußerte er Kinder gegenüber, er sei jetzt der Überzeugung, das ökumenische Gespräch könne, wenn überhaupt, nur auf der allerhöchsten Ebene geführt werden. Er hielt es nicht unbedingt für taktisch richtig, daß Kinder in der damaligen Situation einen Aufsatz über das Verhältnis zur Katholischen Kirche in der Ecumenical Review und in der Ökumenischen Rundschau veröffentlicht hatte, da durch die Una-Sancta-Arbeit der Römischen Kirche, die in den letzten Jahren zur getarnten Konversionsarbeit geworden sei, viele Gewissen verwirrt seien. Vgl. Kinder, Ernst, Die ökumenische Notwendigkeit des evangelisch-römisch = katholischen Gespräches, in: ÖR 4/1955, 49-57. Kinder hatte hier gerade die resignierte Haltung gegenüber der Katholischen Kirche aufgrund der jüngsten Maßnahmen ihrer offiziellen Instanzen kritisiert und davor gewarnt, die ökumenischen Beziehungen mit der Katholischen Kirche aufzugeben, da ungeachtet der Starrheit offizieller Stellen „das innere Verhältnis von Evangelisch und Katholisch unter der Decke von der Substanz [der Heilsoffenbarung, Anm. d. Vf.] her neu in Huß gekommen ist" (53). Er ging sogar soweit, die Römisch-katholische Kirche als Korrektiv für die Evangelische Kirche zu bezeichnen, damit diese nicht in Liberalisierung oder Substanzauflösung gerate. Ferner setzte er der sich verbreitenden resignierten Stimmung entgegen: „Sieht man auf die tiefsten substantiellen Anliegen, die dort hinter den falschen Verdichtungen und bei uns hinter manchen Auflösungsgefahren doch an sich berechtigtermaßen stehen, so erscheinen die Grundunterschiede in beträchtlichem Maße als grundsätzlich verschiedene Akzentsetzungen, und es ist eine wichtige und ernste Frage, ob man die je charakteristische Grundakzentuierung wirklich nur in kirchlicher Ausschließlichkeit wahren kann!"(57).

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halten und bin ihnen gegenüber ja, wie Sie wissen, schon seit einigen Jahren unsicher, da ich nach der Dogmatisierung der Himmelfahrt Mariens der festen Überzeugung war, daß aus diesem Anlaß das Gespräch hätte abgebrochen werden müssen. Ich habe mich seitdem an den Gesprächen nur noch beteiligt, weil Sie und auch meine Kollegen anderer Meinung waren und ich die Solidarität gerade gegenüber den Katholiken nicht verletzen wollte. Immerhin sehe ich deudich, daß es jetzt viel schwieriger ist, sich aus den Gesprächen zu lösen als damals. Denn es wird vielleicht nicht möglich sein, die Schwierigkeiten, die wir durch Asmussen im eigenen Kreis haben, vor den Katholiken ganz zu verheimlichen, sodaß ein Abbrechen jetzt als Schwächezeichen von unserer Seite erscheinen würde. Außerdem scheint mir Campenhausen mit einem gewissen Recht darauf hinzuweisen, daß wenn man die Äußerungen des Erzbischofs Jäger gegenüber Meiser zum Anlaß des Abbruches der Gespräche machen wollte, man dies bereits vor Monaten hätte tun müssen. Die ganze Sache ist also denkbar schwierig. Ich persönlich bin der römischen Kirche heute ferner als wohl je zuvor, da ich nicht nur auf Grund der Berichte über die Unterdrückung evangelischer Kirchen in Südamerika etc., sondern auch auf Grund meiner Eindrücke in Portugal und Spanien auf der Rückreise von Amerika und schließlich auf Grund ganz bestimmter Erfahrungen und Einblicke in katholische Machenschaften in der staadichen Verwaltung, die ich in meiner Rektoratszeit gemacht habe, mit großem Bedauern zu der Uberzeugung gekommen bin, dass gewisse üble Praktiken der römischen Kirche keine Unglücksfälle, sondern Wesensäußerungen der römischen Kirche sind.' 99 Ich sehe auch die Situation in Westdeutschland so, daß wir uns faktisch mitten in einer Gegenreformation befinden. Unsere kathogelischen Zusammenkünfte sind der römischen Kirche natürlich sehr wichtig, einmal aus politischen Gründen, - und zum anderen da diese Zusammenkünfte beste Informationen über die innerevangelischen Verhältnisse und Arbeitsmethoden vermitteln. Es bleibt natürlich positiv zu beachten, der Dienst, den wir einigen der katholischen Teilnehmer wie z.B. Söhngen tun, von dem ich im November einen tief betrübten Brief 200 über die Verhältnisse in seiner Kirche erhielt Außerdem waren die Gespräche wissenschafdich ja noch immer von einem nicht zu übersehenden Nutzen, auch für die evangelischen Teilnehmer. Aber wiegt dies beides die andere Tatsache auf, daß wir mit diesen friedlichen und freundschaftlichen und mit bester Verpflegung verbundenen Zusammenkünften die immer tiefer und bedrohlicher werdenden Gegensätze zwischen den beiden Konfessionen in Deutschland verkleistern und vor manchen evangelischen Kreisen, die um unsere Gespräche wissen, durch unsere Fortsetzung den Ernst

l w Zu Schlinks Einschätzung trugen auch die damals häufigen Fehlberichterstattungen der Herder-Korrespondenz bei, in denen er den Versuch sah, durch abwertende Hinweise auf Differenzen in der Ökumenischen Bewegung den von dieser ausgehenden Anspruch an die Katholische Kirche abzuwehren (Schlink an die Schriftleitung der Herder-Korrespondenz, 21.7.54, Korr Schlink). Höfer bestätigte Schlink darin, daß seit Lund häufiger Fehlberichterstattungen der Herder-Korrespondenz vorkämen und versprach, sich erneut darum zu kümmern. (Höfer an Schlink, 30.7.54, ebd.). 200 Vgl. Söhngen an Schlink, 7.11.54 (Korr Schlink). Söhngen brachte auch hier wieder seine Skepsis gegenüber der eigenen Kirche vor allem im Hinblick auf das Mariendogma und die Mündigkeit des Einzelnen zum Ausdruck.

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der Lage verharmlosen oder ihnen andererseits ein Ärgernis geben? Dies alles würden wir gemeinsam berücksichtigen müssen, und zwar am besten in einer möglichst baldigen persönlichen Unterredung. - Was nun Asmussen betrifft, so sind alle, mit denen ich sprach, der Meinung, daß es am besten wäre, er würde von sich aus an der Arbeitsgemeinschaft nicht mehr teilnehmen. Als Schwierigkeit wurde es jedoch von einigen empfunden, ihn ausdrücklich auszuschließen, da das nach dem bereits erfolgten Ausschluß von Schlier als ein Zeichen der Schwäche unserer Seite erscheinen würde. Auf der anderen Seite jedoch empfanden alle seine weitere Beteiligung als kaum tragbar gegenüber der evangelischen Kirche." 201 Bei einem T r e f f e n Stählins mit den Heidelberger Mitgliedern, d a s im J a nuar 1955 in H e i d e l b e r g stattgefunden haben muß 2 0 2 , beschloß man schließlich, die Gespräche fortzusetzen. Auch Landesbischof Meiser unterstützte auf A n f r a g e Stählins diese Entscheidung. D i e Einladung zur 16. T a g u n g wurde deshalb angenommen. D e n Ausschluß Asmussens hatte man bereits A n f a n g 1954 als Reaktion auf zwei Rundbriefe erwogen, die Asmussen zusammen mit Pfr. Ernst Fincke (Ffm), Pfr. M a x Lackmann (Gehlenbeck/Westfalen) und Pfr. Wolfg a n g Lehmann ( O f f e n b a c h ) unter dem Titel „ I m Jahrhundert der Kirche . . . " im J a n u a r und April 1954 herausgebracht hatte. 203 Schlink entsetzte sich über die Vermengung von Richtigem und völlig Verkehrtem in dem ersten Flugblatt und k a m zu dem Schluß: „Die Unterzeichner haben sich mit diesem Flugblatt in einer so peinlichen und die Öffendichkeit verwirrenden Weise zu faktischen Helfern der gegenreformatorischen Kräfte im heutigen Deutschland gemacht, daß ich es für unmöglich halte, Asmussen weiter zu unseren evangelisch-katholischen Arbeitsgemeinschaften von evangelischer Seite her einzuladen. Unser evangelischer Kreis kommt

Korr Schlink. Schlink an Stählin, 3.1.55 (Briefwechsel Stählin/Schlink, Korr EvAk). Das Gespräch muß im Januar stattgefunden haben, da Stählin bereits am 20.1. Meiser das Ergebnis mitteilte. Siehe unten. 203 In dem ersten Flugblatt wurde an der Evangelischen Kirche kritisiert, daß sie „nicht einmal in Übereinstimmung steht mit der lutherischen Reformation" (zitiert wird nach den losen Flugblättern in Korr Schlink. Sie wurden wieder abgedruckt in: Asmussen, Hans u. a., Katholische Reformation, Stuttgart 1958). Femer wurde auf die „großen Schätze der vorreformatorischen Kirche" hingewiesen (Bischofsamt, Mönchtum, kath. Missionare), die von evangelischer Seite keine Berücksichtigung fänden. Den Erkenntnissen über den Mangel in der Evangelischen Kirche wurde der Reichtum der Lehre in der Katholischen Kirche kritiklos gegenübergestellt. Femer wurde zu einer Sammlung aller derer, die ebenso denken, „zu einem engeren Zusammenschluß" aufgerufen. In dem zweiten Flugblatt erläuterten sie ausführlicher ihr theologisches Anliegen dahingehend, die reformatorischen Exklusivpartikel so zu verstehen, daß der unlösbare Zusammenhang „zwischen Christus und seiner Kirche, zwischen ungeschaffener und geschaffener Gnade, zwischen der Hlg. Schrift und der Geschichte der Kirche" gewahrt bleibe, da das evangelische „Allein" nicht ohne weiteres dem katholischen „Und" widerspreche. 201 m

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andernfalls der E K D gegenüber in eine unhaltbare und dem katholischen Partner gegenüber in eine lächerliche Lage."204 Stählin teilte Schlinks Kritik an d e m Flugblatt, v o n d e m sich auch die Michaelsbruderschaft distanziert hatte, w a r aber gegen einen sofortigen A u s s c h l u ß Asmussens. Vielmehr solle der Kreis der evangelischen T e i l n e h m e r zunächst o f f e n mit diesem über die Angelegenheit reden. 205 D i e s geschah bereits im Vorfeld der 16. T a g u n g in einem Gespräch z w i s c h e n Friedrich, W e n d l a n d und Asmussen sowie bei der oben erwähnten Vorbesprec h u n g d e s g e s a m t e n Evangelischen Kreises. A s m u s s e n w a n d t e sich entschieden g e g e n seinen Ausschluß aus d e m Kreis und n a h m für sich in Anspruch, d a ß ihm „dasselbe Recht und dieselbe Freiheit zustehen m ü s s ten, w i e Vertretern anderer theologischer Auffassungen o d e r inner-evangelischer Richtungen": 2 0 6 „Wenn man die Dinge nüchtern sieht, so glaube ich nicht, irgendjemandem einen Dienst zu tun, wenn ich so oder so aus unserem bisherigen Kreis ausscheiden würde. Oder wollte jemand behaupten, es sei wünschenswert, daß die Mitunterzeichner - mit oder ohne mich - ihrerseits einen Besprechungskreis mit katholischen Christen sammeln würden! Das Echo des ersten versandten Briefes läßt das als sehr leicht möglich erscheinen. Sollten wir nicht lieber nüchtern anerkennen, daß der ,Protestantismus' heute eine solche Spannweite hat, daß Schlink, von Campenhausen und Asmussen dazu gehören? Niemand kann glauben, daß wir der Auseinandersetzung mit dem Katholizismus dienen, wenn wir vollends getrennt marschieren. Jeder von Ihnen weiß oder ahnt, mit welchen Bedenken ich der Bemühung von Evanston gegenüberstehe, woran Herr Schlink doch offenbar so viel gelegen ist Er läßt sich in die dortige Kirchenpolitik eingliedern, ich nicht. Dennoch nahmen wir bisher beide am Katholisch-evangelischen Gespräch teil."207 204 Schlink an Stählin, 3.2.54 (Korr Schlink). An den Mitunterzeichner des Flugblattes, Pfr. Lehmann, schrieb Schlink am 5.2.54 (nicht abgesandt, Korr Schlink): „Ihr Flugblatt kann durchaus so verstanden werden, als ob Sie den Kreis in der EKD sammeln wollen, den Sie dann in die römische Kirche hinüberführen wollen. Was soll ζ. B. der Satz heißen: ,... wenn unsere Kirche ... nicht einmal in Übereinstimmung steht mit der Kirche der lutherischen Reformation.' Interessiert Sie an der lutherischen Reformation überhaupt noch etwas anderes, als was Sie bei Luther an mittelalterlichen Resten zu finden glauben? ...; aber ist vieles irreführend, so ist es doch einfach unwahr, daß all diese Themen mit einer lähmenden Schweigsamkeit in der evangelischen Kirche zugedeckt werden." 205 Stählin an Schlink, 9.2.54 (Korr Schlink). 206 Wendland an Stählin, 4.6.54, Abschrift für Schlink (Korr Schlink). Wendland berichtete über das vorausgegangene Gespräch in zitiertem Brief. Asmussen habe über das zweite Flugblatt berichtet, das als Ausgangspunkt für ein Gespräch im Arbeitskreis dienen könne, auch er halte ein Gespräch vor der nächsten Zusammenkunft für wünschenswert und notwendig. Konversionen halte er für abwegig, theologische Anschauungen und kirchliches verantwortliches Handeln könne man nicht trennen. Friedrich und Wendland hätten ihm die großen Schwierigkeiten dargelegt, die dem Kreis durch das erste Flugblatt entstanden seien. 207 So Asmussen in einem Antwortbrief an die Mitglieder des EvAk [noch vor dem Gespräch mit Wendland und Friedrich geschrieben, Anm. d. Vf.], die am 1.4.54 bei der 15.Ta-

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Er war schließlich noch bis 1958 Mitglied des ÖAK. Dann schied er auf eigenen Wunsch aus, weil er mit Schlink nicht mehr zusammenarbeiten könne. Der Vorgang blieb für die katholischen Partner im Dunkeln. Daß ihnen die Gründe für Asmussens Ausschluß nicht bekanntgegeben wurden, hielten Volk und Jaeger nicht für richtig.208 Deutlich wurde aber auch für sie, daß die Ursache vor allem in einem Konflikt zwischen Schlink und Asmussen zu suchen war. Dieser war bereits 1951 offen zutage getreten, als Schlink bei einer Tagung zum Kirchenrecht Asmussens Referat vor allem deshalb heftig kritisiert hatte, weil Asmussen in diesem Kreis „in einer unsachlichen Weise an den reformatorischen Positionen und an der Geschichte unserer Kirche Kritik geübt habe"209. Dies hielt er insbesondere in Anbetracht der Tatsache für unangemessen, daß die Gespräche vom Rat der EKD mitfinanziert wurden. Ferner nahm er daran Anstoß, „daß in dem Referat von Asmussen für den Wissenden Anspielungen auf persönliche Zerwürfnisse ,mit bestimmten Kreisen und Einrichtungen der EKD' . . . spürbar gewesen seien."210 Er bestritt zwar nicht „das Recht einer kritischen Prüfung evangelischer Lehre an der Schrift, auch vor Katholiken", stellte aber fest:

gung in Bethel einen Brief an Asmussen verfaßt hatten, der in den Akten des EvAk jedoch nicht in Abschrift vorliegt, vom 24.4.54 (Korr Schlink). Aus diesem Brief geht ferner hervor, daß von Seiten des Ö A K die Äußerungen Asmussens vor allem deshalb für inopportun gehalten wurden, weil Asmussen verantwortlich im öffentlichen Leben der Kirche stand: „Herr Wendland fragte mich, auf welches Ziel wir eigentlich lossteuerten. Ich habe ihm darauf geantwortet, daß mir dieses ebenso wenig bewußt sei wie einem Neutestamender, der seinen Erkenntnissen ja auch ihren Lauf lassen müßte. Herr Wendland schien diese Parallele nicht anzuerkennen. Er sagte, er sei Professor, ich aber sei ein im öffentlichen Leben der Kirche verantwortlich stehender Mann. Ich glaube, daß schon mit diesem kurzen Gesprächsfetzen Wichtiges gesagt worden ist. Diese Unterscheidung vermöchte ich nämlich in gar keiner Weise mitzumachen. Denn in der öffendichen Verantwortung der Kirche stehen wir alle, und ein Professor hat sein vollgerüttelt Maß an der jeweiligen kirchenpolitischen Entwicklung und Gestaltung. Wenn man z. B. die Frage stellen sollte, wer mehr an der kirchenpolitischen Gestaltung mitwirkt, Herr Schlink oder ich, so würde die Waage sicher zu Gunsten von Herrn Schlink sinken. Dennoch würden gewiß nicht alle Teilnehmer unseres Gespräches sich darauf einlassen, in der Herrn Schlink vorschwebenden Konzeption ihren Platz einzunehmen." 208 Volk an Jaeger, 28.3.58 und Jaeger an Volk, 5.4.58 (Nachlaß Jaeger). 1963 fragte Pfr. Emst Fincke bei Mumm an (19.3.63, Korr EvAk), ob Asmussen wieder in den Kreis aufgenommen werden könne, da dieser nun einen bestimmten Abschnitt erreicht habe. Mumm brachte jedoch seine Skepsis darüber zum Ausdruck, ob Asmussen selbst wieder Mitglied werden wolle (Mumm an Fincke, 25.3.63, ebd). 209 Zitat aus Stählin an Schlink, 10.11.51 (Korr EvAk). 210 Ebd. In der Tat klingt in den Ausführungen Asmussens (siehe Kapitel II.) seine Gegnerschaft zu den Gruppierungen durch, die seiner Ansicht nach im Zusammenhang der Neuordnung der E K D das Bekenntnis vernachlässigten. Außerdem hatte er zum Zeitpunkt der Tagung, wegen vielfältiger Vorwürfe gegen ihn, sein Amt als Präsident der Kirchenkanzlei der E K D bereits niedergelegt, so daß er auch zu den Gremien der E K D ein gespanntes Verhältnis hatte.

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„Aber ich kann ein evangelisch-katholisches Gespräch nicht als den Ort anerkennen, wo persönliche innerevangelische Differenzen auf Kosten der Klarheit und Wissenschaftlichkeit der Darlegung des zur Diskussion stehenden Gegenstandes eine Rolle spielen dürfen."211 Stählin wies schon damals Schlinks Kritik mit dem Hinweis zurück, daß lange nicht alle evangelischen Anwesenden sein hartes Urteil teilten und daß die Kritik an den „reformatorischen Positionen und den Uberlieferungen und Denkgewohnheiten unserer Kirche" „zu den amtlichen Verpflichtungen jedes evangelischen Theologen" gehöre, weil gerade in diesem Punkt die Stärke der reformatorischen Position liege.212 Damit brach erneut die von der Gründung des Arbeitskreises an ungeklärte Frage nach dem Sinn der ökumenischen Gespräche auf, die zuletzt im Zusammenhang mit der Konversion Schliers diskutiert worden war und zugleich die Frage nach der Pluralität innerhalb des Evangelischen Kreises und dem Maß an Solidarität, das in Anbetracht der finanziellen Unterstützung durch die EKD dieser entgegenzubringen sei.213 Der Gegensatz zwischen Schlink und Asmussen rührte auch von Asmussens mariologischer Position her. Offensichtlich hatte er nicht nur in seinem Marienbuch eine für Schlink zu „katholische" Mariologie vertreten, sondern auch das Heidelberger Gutachten dahingehend kritisiert, daß es nicht berücksichtigt habe, daß im Apostolicum Maria als Mutter Gottes bekannt werde.214 211

Schlink an Stählin, 17.11.51 (Korr EvAk). Stählin an Schlink, 10.11.51 (Korr EvAk). Hier äußerte sich Stählin auch deutlich zu seiner Haltung gegenüber Schlink und stellte sich eindeutig auf die Seite Asmussens: „Sie wissen . . . , daß ich Ihre Theologie und vor allem Ihre Art, Theologie zu treiben und zu vertreten, nicht für die einzig mögliche innerhalb der evangelischen Kirche halte; sachliche Ubereinstimmung, die mir jedesmal eine aufrichtige Freude war, hebt doch nicht auf, daß mir eine bestimmte Art, theologische Positionen zu vertreten, oft schwer erträglich ist Ich muß darum Asmussen, auch wenn ich damit keineswegs sein Referat in allen Einzelheiten mir zueigen machen kann und will, in dem einen Satz jedenfalls recht geben, daß der, der Ihrer Theologie widerstreitet, damit noch nicht dem Bekenntnis unserer Kirche widerstreitet ... Und es könnte ja sein, daß jemand gerade dadurch in solche Zerwürfnisse verstrickt ist, die ihm ans Mark seines Lebens gehen, wenn er bestimmte Dinge sieht und versteht, die andere nicht sehen und nicht verstehen!" 213 Stählin ebd.: „Es mag sein, daß in dieser Hinsicht von Anfang an innerhalb unseres evangelischen Kreises verschiedene Auffassungen über den Sinn unserer Gespräche bestehen; ich bekenne, daß ich mich niemals an diesen Gesprächen beteiligt hätte, wenn ihre Aufgabe einfach darin bestünde, eine ein für allemal festliegende .evangelische' Position gegenüber der katholischen zu vertreten und zu verteidigen (das gilt in entsprechender Weise für alle theologischen Gespräche auf dem Boden der Ökumene), und ich würde mich sofort aus der Mitverantwortung für diese Gespräche zurückziehen, wenn Ihre Auffassung als die allein mögliche und verpflichtende gelten sollte." Schlink an Stählin, 17.11.51: „Uber die Frage der Verantwortung dieses Kreises gegenüber der EKD und der wissenschafdichen Freiheit haben wir in unserem Kreise seinerzeit ausführlich anlässlich des Problems der weiteren Mitarbeit von Bruder Schlier gesprochen, und wir waren uns damals grundsätzlich und praktisch einig. Mein Standpunkt hat sich seitdem nicht geändert" 214 Schlink an Asmussen, 17.11.51 (Korr EvAk). Daß sich Schlink auch außerhalb der 212

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Doch auch von Seiten der VELKD gab es erhebliche Vorbehalte gegenüber Asmussens unionistischen Äußerungen und Bestrebungen. Als Folge eines von ihm gehaltenen Referats zum „Verhältnis der lutherischen und der römisch-katholischen Kirche unter dem Gesichtspunkt der , katholischen Reformation'"215 wurden von Maurer vorgelegte „Richtlinien für das kontroverstheologische Gespräch zwischen der ev.-luth. und der röm.-kath. Kirche" vom theologischen Ausschuß überarbeitet und ein Memorandum über „Grundsätze über das Gespräch mit der röm.-kath. Kirche" neu ausgearbeitet und der Kirchenleitung der VELKD zugeleitet.216 Die Richtlinien bezogen sich im wesentlichen auf die Gespräche des ÖAK und wurden deshalb den evangelischen Mitgliedern vertraulich zugesandt.217 Bezüglich der Verhandlungspartner und des Verhandlungszieles gingen die Richtlinien nicht über die in der Gründungssitzung des Arbeitskreises erstellte Satzung hinaus. Es wurde jedoch eigens hervorgehoben: „Darum kann die Abfassung von Konsensusformeln nicht zum Zweck der Verhandlung gemacht werden. Wo sie Zustandekommen, stellen sie nicht mehr dar als einen Versuch beider Seiten, ein Mindestmaß ihrer Anschauungen zum Ausdruck zu bringen. Sollen solche Konsensusformeln wahrhaftig sein, dann muß jede Seite sie ergänzen durch die Darstellung der Voraussetzungen von denen aus sie diese Formeln betrachtet, und der Folgerungen, die sie aus ihnen zieht."218

Als Verhandlungsgegenstände wurden die klassischen kontroverstheologischen Themen des 16. und 17. Jh. genannt sowie die Wandlungen im modernen Denken seit der Aufklärung und dem Aufkommen der Naturwissenschaften und die sich daraus ergebenden Probleme für das Verhältnis zwischen den Konfessionen und die Auseinandersetzung zwischen Christentum und Welt. Ferner wurde der nichtöffentliche Charakter der Verhandlungen festgeschrieben, wobei jedoch die Möglichkeit einer gemeinsamen öffendichen Entschließung eingeräumt wurde. Dabei sollte gelten: Belange des Kreises gegen Asmussen engagierte, geht aus einem Briefwechsel zwischen Schlink und OKR D. Beckmann (Düsseldorf) und dem Generalpräses der Evangelischen Kirche im Rheinland Robert Lenz (Osnabrück) hervor, bei dem es um die Übernahme einer Honorarprofessur an der Universität Köln als Gegenstück für die Grosches auf katholischer Seite durch Asmussen ging. Asmussen war von katholischer Seite vorgeschlagen worden. Sowohl Schlink als auch die beiden Herrn aus der Rheinischen Kirche sprachen sich jedoch strikt dagegen aus (vgl. u. a. Schlink an Beckmann, 3.5.55 streng vertraulich, Korr Schlink). 215 Vgl. zu Asmussens Sammelband „Katholische Reformation" von 1958 die Auseinandersetzung zwischen P. Brunner und Asmussen in: Ev.-luth. Kirchenzeitung 1958, 279-284 und 364-366. 2,6 Lutherische Generalsynode 1958, 200/201. 217 Vgl. maschinenschriftl. Exemplar (Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr EvAk) mit Begleitschreiben vom 16.1.59. 218 A. a. O., 2/3. Ferner wurde auf die Verpflichtung der Verhandlungsteilnehmer hingewiesen, auch außerhalb der Besprechungen bei der öffentlichen Behandlung konfessioneller Fragen gemäß Eph 4,15 die Wahrheit zu sagen in Liebe, die aus der Erkenntnis resultiere, daß nur in Christus die Einheit der Christenheit zur Darstellung komme.

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„Entschließungen, in denen eine Seite ihren Dissensus der anderen gegenüber festlegt, sollten nicht veröffentlicht werden."219 Die Richtlinien beschrieben bis auf die Einräumung einer möglichen Veröffentlichung die bisherige Praxis des ÖAK und bedeuteten somit die Anerkennung und Legitimierung nicht nur der zukünftigen, sondern auch der bisherigen Arbeit des Kreises von Seiten der VELKD. Damit erfuhr der Kreis für seine Zielsetzung auch von der Kirchenleitung der VELKD Unterstützung, während sie sich mit der Una-Sancta-Arbeit und vor allem mit der „Sammlung" um Asmussen kritisch auseinandersetzte. Im Tätigkeitsbericht der Kirchenleitung bei der Generalsynode in Berlin-Spandau 1958 heißt es zu deren Auffassung von interkonfessioneller Begegnung: „Mit den von der römisch-katholischen Kirche beauftragten ökumenischen Arbeitskreisen besteht mannigfaltige Berührung. Es hat sich gezeigt, daß man sich dort am besten versteht, wo die Gesprächspartner ihre eigene Position möglichst klar vertreten und dem anderen nahezubringen versuchen. Alle noch so wohl gemeinten Versuche, das Gespräch von einer mitderen Plattform aus zu führen oder Unionsträumen nachzuhängen, fördern das ökumenische Gespräch nicht, sondern sind geeignet, die Begegnung zu belasten oder zu verhindern. Die ökumenische Aufgabe besteht heute darin, die andere Kirche - unbelastet von Vorurteilen und Fehlurteilen - in ihrem Selbstverständnis in den Blick zu bekommen."220 Hier wird nochmals deutlich, inwiefern die Arbeit des ÖAK den Vorstellungen der VELKD entsprach, und daß sie die Vorbehalte der evangelischen Mitglieder gegenüber Asmussen teilte. Da auch Schlink, Brunner und Kinder aus dem ÖAK dem theologischen Ausschuß der VELKD angehörten, ist dies jedoch nicht weiter verwunderlich.221 5.4. Der Umbruch in der Arbeit des Kreises nach dem II. Vatikanischen Konzil Die Unzufriedenheit einzelner Mitglieder während der 50er Jahre weitete sich nach dem ILVatikanum zu einer grundsätzlichen Infragestellung der eigenen Arbeit und zu Zweifeln am Sinn ihrer Weiterführung aus.222 Den m

A.a.O., 1/2. Luth. Generalsynode 1958, 237. 221 Luth. Generalsynode 1953, 302. 222 Den Grund für das allgemeine Unbehagen innerhalb des OAK sah H. H. Wolf wohl zu Recht in den unterschiedlichen Auffassungen über dessen Aufgabe. Vgl. H. H. Wolf an Schlink, 23.5.77 (Korr Schlink). Er nimmt hier Bezug auf das Vorhaben einer gemeinsamen Interpretation der Confessio Augustana: „Aber mein persönlicher Haupteinwand gegen diese Idee ist, daß wir uns damit in allen Hauptproblemen der Theologie auf Positionen zurückzwingen, die heute nicht mehr so die unseren sein können. Das schließt nicht nur die aktuellen Fragen der Ekklesiologie, des Heilsverständnisses etc. der Augustana ein, sondern auch die nicht definierten, sondern übernommenen loci, der Trinitäts- und Zwei-Naturen-Lehre. Da220

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Anlaß zu vielschichtiger Kritik aus den eigenen Reihen bot diesmal also nicht restriktives Vorgehen der Katholischen Kirche gegenüber der Ökumene, sondern gerade ihre Öffnung für sie, die so schnell niemand erwartet hatte und auf die der ÖAK, trotz oder gerade wegen seiner vorausgegangenen langjährigen Arbeit, nicht vorbereitet war.223 Katholischerseits machte man Schlink dafür verantwortlich, daß innerhalb des ÖAK im Gegensatz zu anderen ökumenischen Gruppierungen eine Verhärtung eingetreten war und daß die anfängliche Arbeitsweise immer noch unverändert beibehalten wurde.224 Demgegenüber wurden seit

mit würde man sich meiner Meinung nach wieder einmal von dem doch längst in Gang befindlichen Prozeß separieren, die altkirchliche Tradition neu zu interpretieren, was sicher ein keineswegs harmloses, sondern ein riskantes Geschäft isL Das aber zu tun, ist uns nun einmal aufgetragen, ... Dies ist meine persönliche Meinung. Ich nehme aber an, daß sie von manchen Mitgliedern unseres Kreises geteilt wird. Das ist einer der Gründe für das Unbehagen, mit dem manche der Teilnehmer ihre Mitarbeit fortsetzen, aber auch immer wieder Frustrierung spüren. Wir sind uns vermutlich in dieser Aufgabenstellung nicht einig und machen deshalb in den theologischen Erörterungen weiter. Natürlich kommt dabei auch immer höchst Interessantes heraus, aber konstruktiv können sie nicht werden, da sie methodisch nicht geklärt sind. Ich würde denken, wenn wir uns in der Methode klarer wären, könnten wir es auch erreichen, zu Ergebnissen zu kommen und diese zu formulieren. Sie hätten dann als formulierte schon eher die Kraft, sich auch nach außen hin Gehör zu verschaffen, wenn es die Absicht des Kreises sein sollte, der Offendichkeit zunächst weniger Beachtung zu schenken und alles Gewicht darauf zu legen, daß unsere Gespräche in unserem Kreis zu klaren Ergebnissen führen." U. a. W. Pannenberg reagierte auf die mangelnde Effizienz der Arbeit mit häufigem Fernbleiben von den Tagungen. Von Bischof Kunst veranlaßt, wandte sich deshalb Schlink mit der Bitte an ihn, um der Kontinuität der Arbeit willen und um von evangelischer Seite ein Gleichgewicht herzustellen zu den neu kooptierten jüngeren katholischen Theologen, in Zukunft regelmäßiger teilzunehmen und sich mit Referaten zu beteiligen (Kunst an Schlink, 20.4.76, Schlink an Pannenberg, 25.5.76 und Pannenberg an Schlink, 21.6.76; Korr Schlink). 223 Vgl. Schlink an Jaeger, 5.9.72 (Korr Schlink): „In der Tat hat Gott Großes in den letzten Jahrzehnten an unseren Kirchen getan. Er hat im Verhältnis unserer Kirchen zueinander eine stärkere Öffnung, ja Zuwendung und Gemeinschaft gewirkt, als wir 1946 und selbst 1961 zu hoffen gewagt hatten. Manchmal denke ich, daß unsere Verlegenheit in der gegenwärtigen Situation zum Teil auch daher kommt, daß das Gebet um die Einheit, das nun seit Jahren aus diesen Gemeinden zu Gott aufsteigt, von ihm schneller erhört worden ist, als wir erwartet haben, - schneller, als daß wir dem vielerorts überbordenden und bereits in der Abendmahlsgemeinschaft sich darstellenden Okumenismus theologisch und kirchenregimendich gewachsen wären." Vgl. Volk an Jaeger am 8.2.64, der Bornkamm und vor allem Schlink wegen seiner Erfahrungen beim Konzil für die Situation im ÖAK verantwortlich machte, und Dolch an Volk am 22.1.64 sowie Jaeger an Dolch am 1.2.64 (alle Nachlaß Jaeger). Dolch kündigte sein Ausscheiden aus dem Kreis an aus Gründen, die auch andere Mitglieder störten, u. a. wegen der Art der behandelten Themen (rein exegetisch und dogmatisch, „dogmatisches Oberseminar", während andere Bereiche wie die Ethik oder die Philosophie herausfielen) und der Gesprächsführung. Jaeger entgegnete daraufhin: „Hätten Sie die Argumente, die Sie für Ihr Ausscheiden jetzt angegeben haben, doch einmal öffentlich in unserem Kreise ausgesprochen. Nicht nur ich persönlich, sondern auch viele andere Mitglieder wären Ihnen

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der Bestandsaufnahme von 1962 verschiedene Forderungen erhoben, um zu einer effektiveren Arbeitsweise zu kommen. Zum einen wollte man gezielter auf Ergebnisse hinarbeiten und diese, wie es andere Gremien bereits taten, der Öffentlichkeit präsentieren. Man nahm sich deshalb vor, zumindest wieder Thesen zu formulieren, was aber nicht bei allen Tagungen gelang.225 Außerdem kam immer wieder der Wunsch nach einer umfassenden Darstellung der bisherigen Arbeit auf, damit die gewonnenen Erfahrungen bei aktuellen ökumenischen Gesprächen einfließen könnten.226 Über diese,

dafür dankbar gewesen. Es hätte dann im Gespräch geklärt werden können, daß die derzeitige Themenwahl und Gesprächsführung nicht dem Willen der Mitglieder entspricht. Sie wissen, daß die Arbeitsweise und das Gesamtklima der Arbeitsgemeinschaft früher anders war. Die jetzige Form ist seit 1950 uns aufgezwungen worden durch die Professoren Schlink und Bornkamp. Sie wollten dieses bloß informelle Gespräch, das unverbindlich blieb und allen existentiellen Entscheidungen und auch schon derartigen Fragen und Problemen sorgfältig aus dem Wege ging. Ich werde gern Ihr Ausscheiden zum Anlaß nehmen, zu einer kritischen Besinnung auf den Strukturwandel unserer Arbeitsgemeinschaft und auf das eigentliche Anliegen, das uns zusammengeführt hat." Die Einschätzung ist, was Schlink anbelangt, durchaus zutreffend. Dennoch verwundert sie insofern, als gerade Jaeger und Volk bis zum Ende ihrer Mitwirkung im ÖAK einer Veröffentlichung verbindlich formulierter Thesen widerstanden und Jaeger auch in der Anfangszeit nie existentielle Entscheidungen forderte, sondern die atmosphärische Annäherung für ausreichend hielt (vgl. auch sein Schlußwort bei der 28. Tagung 1967, Prot., 75). Von daher liegt die Vermutung nahe, daß das gespannte Verhältnis zu Schlink, wie bei Volk angedeutet, mit dessen Kritik an den Vorgängen beim Konzil zusammenhing. 225 Vgl. Schlink bei der 31. Tagung 1970, Prot, 109. Er nimmt hier Bezug auf die Dominanz sozialpolitischer Aktionen gegenüber der Beschäftigung mit dogmatischen Fragen an den Universitäten: „Ich glaube nicht, daß wir in einer so bedrohten Zeit uns erlauben können, nur uns freundschafdich auszutauschen. Ich glaube, es müßte überlegt werden, ob man eine größere Effizität erreicht in der Hinsicht, daß man auch zu Ergebnissen kommt, die man vorlegen kann. Es gibt so viel, was wir gemeinsam sagen können. Das braucht gar nicht Ambitionen der Kircheneinigung schon irgendwie explizierend zum Ausdruck zu bringen. Aber es ist doch uns ein gemeinsames Christusbekenntnis und eine weitgehende Entfaltung dieses Bekenntnisses gemeinsam möglich. Ich glaube, daß wir da auch noch einen Gedanken darauf wenden sollten auch in der Zwischenzeit, bevor wir das nächstemal zusammentreffen. Denn sonst könnte es sein, daß wir - so wie es anscheinend im Rat, wo ich gefragt werde: Ja, 25 Jahre, was ist denn dabei herausgekommen? Es war bei euch, wie man hört, immer furchtbar nett, ihr habt euch sehr gut unterhalten und ... Das genügt nicht mehr, wenn ich das so ins Unreine sagen darf?" Für Volk bedeutete größere Effizienz nicht unbedingt mehr Publizität: „Ich glaube auch, wir sollten sehen, daß wir effizient werden. Die erste Vorbedingung ist ja, daß wir zu Thesen kommen am Schluß. Das halte ich auch für unsere Arbeitsweise für wichtig. Es nötigt uns, daß wir in der Weise, wie wir reden miteinander, an die Grenze des Gemeinsamen gehen und diese fixieren. Diese Aussagen, die wir dann gemeinsam machen können, die könnten dann ihr Gewicht eventuell auch im Sinn der Publizität haben. Nicht einfachhin, denn das ist, glaube ich, nicht das Feld, wo das Gewicht bekommt" (Prot., 110). 226 Vgl. Volk an Mumm am 30.12.80 (Korr EvAk) nach dem Papstbesuch in Deutschland: „Bei der Begrüßung bzw. Vorstellung der Vertreter der EKD vor dem Papst habe ich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es schon seit Ende des Krieges, ja im bestimmten Umfang

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auch im Interesse der Fortführung der eigenen Arbeit durchaus sinnvolle, inhaltliche Bestandsaufnahme wurde zwar immer wieder diskutiert, sie wurde aber nicht umgesetzt. 227 schon vorher, ökumenische Bemühungen in Deutschland gegeben hat Ich würde es bedauern, wenn man so tun wollte, von welcher Seite auch immer, als ob solche Bemühungen erst jetzt begännen. Es wird daher alles aufkommen [Fehler im Zitat, Anm. d. Vf.] auf die Zusammensetzung der Kommission [gemeint ist die damals gebildete Gemeinsame Ökumenische Kommission, Anm. d. Vf.], von welcher die Vertreter der E K D wünschten, daß sie nur klein sein solle." Und Mumm an Volk am 26.1.81 (ebd.): „Ihre Sorge, daß die reichen Arbeitsergebnisse auf ökumenischem Gebiet nicht genügend geachtet werden, verstehe ich gut Viele Theologen haben kaum oder gar nicht zur Kenntnis genommen, was seit Jahrzehnten geschehen ist Unsere Kirchen müssen einen großen Lernprozeß noch nachholen; das sage ich gerade im Blick auf die evangelische Seite. Mit Herrn Bischof Kunst hatte ich einen Briefwechsel. Ihn bewegt die gleiche Sorge wie Sie. Wir warten mit Spannung darauf, wer in die neu zu bildende Kommission berufen wird und welche Aufgaben dieser Kommission gestellt werden. Es ist doch eigendich nicht möglich, an dem vorbeizugehen, was der ökumenische Arbeitskreis katholischer und evangelischer Theologen seit 35 Jahren durchdacht und vorgelegt h a t " 227 Vgl. zu Jaeger bei der 36. Tagung 1975, Prot, 15: „Er spricht den dringenden Wunsch aus, es möge der Auftrag zu einer gründlichen geschichtlichen Darstellung der Arbeit erteilt werden, damit eine nachfolgende Generation, die die Anfänge nicht kennt, ein zutreffendes Bild erhält." Bereits 1970 hatte Jaeger aus Anlaß einer Anfrage bei den interkonfessionellen Gesprächen in Loccum, eine „profunde Aufarbeitung der gesamten bisherigen Arbeit" (Prot, 35) gefordert Doch nach einer eingehenden Diskussion darüber, ob Schlinks Bericht von 1962 ergänzt und mit einem Bericht von katholischer Seite verbunden werden sollte, einigte man sich lediglich auf die zukünftige Abfassung von Thesen, um dem Rat der E K D Ergebnisse präsentieren zu können. Damit reagierte man aus der Sicht W. Pannenbergs auf die Erwartungen der Kirchenleitungen nur unzureichend, denn diese wollten Vorarbeiten an die Hand bekommen, „aus denen die Annäherung in kontroversen Themen deutlich wird" (Prot, 37). Ein Fazit der gesamten bisherigen Arbeit hielt man damals nicht für möglich (Prot, 35-38).

1980 wiesen R. Slenczka und Bischof Kunst nochmals mehr oder weniger erfolglos auf die „Chronistenpflicht" hin. Vgl. Mumm an O K R Kalinna, 9.4.80 (Korr EvAk): „Die drei unter uns weilenden Gründungsmitglieder, Kardinal Volk, Prof. Schlink und Prof. Brunner haben diesen Aufruf gehört Kardinal Jaeger hatte in seinem letzten Wort an den Kreis dringend empfohlen, einen Theologen, evtl. in Verbindung mit einem Theologen der anderen Konfession zu beauftragen und freizustellen, um das reiche Material aus den Jahren von 1946 bis zur Gegenwart auszuwerten. Dazu gehören die Akten und der Briefwechsel, die Kardinal Jaeger, Bischof Stählin u.a. hinterlassen haben und die z . T . in verschiedenen Archiven ruhen." Daß man es damit auch versäumte, sich die bisherige Arbeit für die zukünftige eigene Arbeit hinreichend zunutze zu machen, wird deutlich an den Reaktionen der Mitglieder auf das Vorhaben, zur 450-Jahrfeier der CA eine gemeinsame Bewertung zu erarbeiten. H . H. Wolf beschreibt die Reaktionen in einem Brief an Volk, Kunst, Schlink und Lehmann am 4.5.77 (Korr Schlink) kritisch: „Darauf wurde entgegnet, daß man aber die Confessio Augustana erst genauer kennenlernen müsse. Für mich war das ein kleiner Schock, das muß ich Ihnen gestehen. Ich sagte mir, daß wir doch nun seit gut 30 Jahren in vielen Referaten, die von evangelischer Seite gehalten wurden, immer wieder auf die Confessio Augustana zu sprechen gekommen sind, daß wir aufgrund ihrer Aussage argumentiert haben, positiv und kritisch. Ich frage mich wirklich, müssen wir sie nun noch einmal in diesem Kreis in einem neuen Gang von Referaten kennenlernen?"

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Um wirkungsvollere Arbeit leisten zu können als bisher, beschloß man nicht nur, kirchlich brisante Themen aufzugreifen, sondern auch enger mit kirchlichen Gremien, wie dem „Kontaktgespräch", zusammenzuarbeiten, ohne allerdings völlig in einem solchen aufzugehen. Vielmehr sah man die eigene Aufgabe in der dogmatischen Vertiefung und Zuarbeit für kirchliche Gremien, bei deren Zusammenkünften intensive theologische Arbeit nur eingeschränkt möglich ist Dies lag insofern nahe, als einige Mitglieder des ÖAK gleichzeitig in diesen Gremien saßen und bot außerdem die Möglichkeit, die eigene bisherige Arbeit in deren Stellungnahmen einfließen zu lassen.228 Mit der Rezeption der daraufhin veröffentlichten Stellungnahmen, wie z.B. der Thesen zu Amt und Ordination, durch die EKD gab es aber wiederum Schwierigkeiten, die auf evangelischer Seite die Zweifel an der eigenen Arbeit bestärkten.229

228 Vgl. Gundert an Mumm am 22.5.73 (Korr EvAk): „Bei der letzten Sitzung des Kontaktgesprächskreises zwischen Vertretern des Rates der EKD und Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz in Rummelsberg wurde vorgesehen, bei allen künftigen Sitzungen über theologische Fragen zu sprechen. Dies soll geschehen in Verbindung mit dem EvangelischKatholischen Ökumenischen Arbeitskreis. Bischof Kunst erwähnte beiläufig, daß der Arbeitskreis bereits beschlossen habe, aus dem mehr unverbindlichen theologischen Gespräch herauszutreten und in engerem Kontakt mit den verfaßten Kirchen weiterzuarbeiten,- so ähnlich." Und Mumm an Gundert am 28.5.73 (ebd.): „Es handelt sich nicht um einen rechtlichen faßbaren Beschluß, wohl aber um eine Willenserklärung, die kirchlich bedeutsamen Dinge, in diesem Fall die Ordinationsagenden [betrifft die 3 5. Tagung 1974 zur Lehre von der Ordination, Anm.d. Vf.], in das theologische Gespräch einzubringen."

Zwar reagierte der ÖAK mit diesen Kooperationen auf die offenere ökumenische Situation. Daß man jedoch deshalb die bisherige fundierte theologische Arbeit nicht zugunsten von öffendichkeitswirksamen Ergebnissen preiszugeben gedachte, zeigen folgende Äußerungen zur Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Ökumenischen Kommission nach dem Papstbesuch in Deutschland 1980: Kunst an Mumm am 29.12.80: „Ich ahne nicht, wen der Rat in die neu verabredete Kommission entsandt h a t Von Kardinal Volk weiß ich nur, daß die Kommission noch in diesem Jahr tagen sollte. Ich habe mich nun an den Herrn Ratsvorsitzenden gewandt und ihn daran erinnert, daß die von ihm dem Papst genannten drei Dinge erhebliche dogmatische Inklinationen hätten. In keiner Sache kommt man weiter ohne gewissenhafte theologische Arbeit. Ich hoffe, Bruder Lohse am 6.Januar zu treffen. Möglicherweise haben wir Zeit genug, wenigstens in groben Umrissen darüber zu sprechen, wie er sich die Kooperation zwischen unserem Arbeitskreis und dem neu geschaffenen Gremium denkt." Und Volk an Mumm am 6.3.81 (beide Korr EvAk): „Ich bin der Meinung, daß das ökumenische Gespräch weitergeht und bin auch persönlich bereit dazu. Aber die Situation ist erschwert. Schon wird durch evangelische Presseartikel öffendiche Meinung gebildet über die neu errichtete Kommission, die noch gar nicht getagt h a t Wir sind es nicht gewohnt, mit einer so gezielten Strategie, die im voraus betrieben wird, ökumenisch zu arbeiten. Die Autoren täuschen sich, wenn sie meinen, sie tun sich einen Gefallen oder würden uns auf die Dauer schaden. Das wird in der Öffentlichkeit aller Voraussicht nach geschehen; ich habe aber dabei ein gutes Gewissen. Dreißig Jahre haben wir offen miteinander geredet, ohne daß vorher Stimmung gemacht wurde." 229

Vgl. Schlink an H. H. Wolf am 10.5.77 (Korr Schlink): „Da der deutsche Episkopat

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Mit der neuen Standortbestimmung ging man nicht einfach von den dogmatischen zu sozial- oder gesellschaftspolitisch aktuellen Themen über. Der sich ausbreitenden Säkularökumene, die den theologischen Fragen keine Bedeutung beimißt, stand man skeptisch gegenüber.230 Auch die aktuellen Themen Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre ging man von den dogmatischen Implikationen her an, und nur unter dem Gesichtspunkt dogmatischer Vertiefung war ihre Behandlung im ÖAK von dessen Zusammensetzung her sinnvoll und gelungen.231 Diese Neuerungen wurden vorwiegend von solchen Mitgliedern vorgeschlagen, die allmählich die Gründergeneration ablösten. In diesem Generationswechsel lag ein Problem, das sich ebenfalls auf die Stabilität des Kreises nach dem Konzil auswirkte. Denn einige Mitglieder, die von Anfang an dabei waren, wollten an der Arbeitsweise, so Jaeger und Volk, sich in Rom immer noch gegen den Verdacht meint rechtfertigen zu müssen, er sei von der Reformation angesteckt, findet sich hier in Deutschland eine Zurückhaltung der offiziellen Organe, die offensichdich hinter dem zurückbleibt, was in Frankreich und in den Vereinigten Staaten von Amerika in ökumenischen Verhandlungen und gemeinsamen Vorlagen geschehen ist. Symptomatisch für diese Zurückhaltung ist auch das Paderborner Institut. Billigerweise wird man hinzufügen müssen, daß die offizielle Evangelische Kirche sich im großem und ganzen ähnlich zurückhaltend gegenüber der katholischen Kirche verhält Du erinnerst Dich vielleicht an die gemeinsamen Thesen, die wir vor drei Jahren in unserem Kreis Uber das Thema der Ordination unter dem Vorsitz und mit Zustimmung der Kardinäle Jäger und Volk nach einigem Drängen durchgesetzt haben. Aus diesen Thesen waren von den evangelischen Teilnehmern ein paar Folgerungen gezogen worden für die gemeinsame Handhabung der Ordination im Bereich der EKD ... Diese Anregungen hatte ich in mehreren Sitzungen des Catholica-Ausschusses zu vertreten und bin dabei auf große Schwierigkeiten gestoßen, zumal bei einigen Reformierten und Unierten ... Die Frage einer größeren Annäherung oder Distanz gegenüber der römischen Kirche hat bei dem Zustandekommen dieser evangelischen Ordinationsordnungen und auch bei der Diskussion über die Anregungen unseres Kreises so gut wie keine Rolle gespielt Es gibt auch auf unserer Seite sogar in Kirchenleitungen Leute, die genau so naiv sind wie entsprechende Persönlichkeiten im Vatikan, nämlich die auf evangelischer Seite im Grunde erwarten, die römische Kirche müßte protestantisch werden. Unter diesen Umständen habe auch ich mich oft gefragt, ob unsere evangelisch-katholischen Gespräche in dem offiziösen Jäger-Stählin-Kreis sich noch lohnen und weiter führen." 230 Vgl. Schlink bei der 31.Tagung 1970 (Prot, 108/109): „Und ich empfinde es als bedrükkend, daß wir in einer Zeit leben, in der eine ganz veränderte Vorstellung vom Okumenismus sich breit macht, den man auch schon anders bezeichnet als Säkular-Okumenismus, ein Ökumenismus, der die Frage der Kircheneinigung für eine Angelegenheit eines kirchlichen Autismus, einer Nabelschau der Kirche und dergleichen ansieht, welcher dogmatische Fragen sowieso für belanglos hält und nur noch die sozialpolitische Aktion im Auge hat, - eine Verschiebung, die wir auch bei unseren Theologiestudenten merken und wie es ganz deutlich auch an katholischen Fakultäten deutlich spürbar ist Ich finde, in dieser Situation hat eine Bemühung ökumenischer Art um das Dogma und um die dogmatisch begründete Ordnung der Kirche eine gesteigerte Bedeutung. Denn für viele sind wir ein Relikt eines vergangenen Ökumenismus. Aber die Zukunft beider Kirchen hängt davon ab, daß die elementare Basis wach erhalten wird." Ebenso äußerte sich Volk gegenüber Jaeger am 23.3.70 (Nachlaß Jaeger). 231 Zum Inhaltlichen dieser Tagungen vgl. Kapitel II.

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oder an der Zusammensetzung des ÖAK, so Mumm und Schlink, nichts ändern. Andere setzten ihre Hoffnung auf Impulse durch neue Mitglieder und hielten es für notwendig, endlich eine breitere personelle Zusammensetzung anzustreben, um gesamtkirchlich akzeptiert zu werden.232 Aus diesem Grund forderte vor allem Pannenberg als wissenschaftlicher Leiter die Teilnahme reformierter Theologen an dem Projekt zu den Lehrverurteilungen, während Schlink zuvor stets an der lutherisch-unierten Zusammensetzung des Kreises festgehalten hatte.233 Der Generationswechsel 232

Nach dem Tode Kardinal Jaegers und Bischof Stählins sah Mumm die Zukunft des Kreises in neueren Mitgliedern wie K. Lehmann und evangelischerseits H. Bürkle. Vgl. Mumm an Krems am 22.1.76 (Korr EvAk): „Die innere Lage unseres Kreises sehe ich ähnlich wie Sie. Da kann ich nur hoffen, daß Prof. Lehmann die Kraft entwickelt, die nötig ist, um von neuem den Mut zum Wagnis und zum Vorwärtsschreiten zu entfalten. Auf der evangelischen Seite traue ich besonders Horst Bürkle zu, daß er dazu bereit ¡st" H. H. Wolf forderte endlich die Zuwahl von solchen Theologen auf beiden Seiten, die bisher, zum Teil wegen ihrer progressiven Positionen, im ÖAK nicht vertreten waren. Vgl. Wolf an Schlink am 23.5.77 (Korr Schlink): „Wir haben unter unseren katholischen Teilnehmern Theologen der verschiedensten Observanz, angefangen von den schlichten Paderbornern bis hin zu Herrn Lehmann und zu Herrn Fries. Wenn wir schon Herrn Kting nicht haben können, was ich einsehe, dann ist es jedenfalls doch ein großes Manko, daß man solche Leute wie Kasper, Tübingen, und Pesch offenbar nicht dabeihaben kann. Hinsichtlich der Zusammensetzung des Kreises der evangelischen Teilnehmer würde ich selbstverständlich sehr wählerisch sein, aber es doch für gut halten, wenn ein Mann ζ. B. wie Jüngel dabeisein könnte, wenn nun schon reformierte Theologen wie Moltmann u.a. nicht möglich sind, weil sie durch Vertreten der reformierten Tradition das Gespräch komplizieren. Aber im Grunde kann ich die Berechtigung dieses Gesichtspunktes nicht einsehen." Wie andere langjährige Mitglieder auf den mit der veränderten Arbeitsweise verbundenen Generationswechsel reagierten, zeigt ein Brief Friedrichs an Mumm vom 25.11.78 (Korr EvAk): „Die Frage, was aus unserem oekumenischen Arbeitskreis wird, bewegt mich ebenfalls seit einigen Jahren. Früher fuhr ich stets mit großen Erwartungen hin. Jetzt überlege ich mir jedes Mal, ob es noch einen Sinn hat, mitzumachen. Ich finde, daß ein ganz anderer Geist eingekehrt ist Es fehlt die Aggressivität zur Verteidigung von Standpunkten und der Wille zur Brüderlichkeit des Verstehens. Ich vermisse den Humor - abgesehen von den Äußerungen von Bischof Kunst - beim Zusammensein und den Ernst der Fragestellung. Das Ganze verläuft wie ein Seminar auf höherer Ebene, wobei sich für mich immer merkbarer die Differenzen zwischen Jung und Alt fühlbar machen. Das verstärkt nicht die Freude an der Mitarbeit... Ich habe schon an Herrn Joest geschrieben - wahrscheinlich werden wir nach der nächsten Tagung, wenn sich nicht eine Änderung bemerkbar macht und nicht die übernächste Tagung von besonderer Bedeutung ist, ausscheiden, um jüngeren Kräften Platz zu machen." 233 Die Mitarbeit reformierter Theologen hatten die beiden wissenschaftlichen Leiter Pannenberg und Lehmann in einem den Auftrag der GÖK betreffenden Rundschreiben an alle Mitglieder im Dezember 1981 (Akten EvAk) angekündigt: „Unser Arbeitskreis bleibt unbeschadet der Wahrnehmung eines solchen Auftrags autonom und wird dadurch in seiner Struktur auch nicht grundlegend verändert Da die Gemeinsame Ökumenische Kommission jedoch auf der Basis der EKD arbeitet, ist auch die Mitarbeit reformierter Theologen an diesem Gesamtprojekt notwendig. Genauere Modalitäten müssen noch festgelegt werden. Da wir zur Erarbeitung der einzelnen Themenbereiche ohnehin Untergruppen bilden müssen, zu denen wir Kollegen heranziehen müssen, die nicht Mitglieder des Arbeitskreises sind, ist ein erster Weg zur Beteiligung reformierter Theologen aufgezeigt"

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auch im Vorstand des ÖAK bot also gleichzeitig die Chance notwendiger personeller Veränderungen.

Vgl. jedoch die vorsichtige Reaktion Mumms auf dieses Schreiben in seinem Brief an Lehmann und Pannenberg vom 25.1.82 (Korr EvAk): „Ich danke Ihnen meinerseits für die Initiative, die Sie ergriffen haben, und stimme der Verbindung mit der Gemeinsamen Kommission der Bischofskonferenz und des Rates der E K D zu. Dadurch wird ein schwieriges Nebeneinander vermieden und eine nützliche Ordnung hergestellt Der Gedanke, einen reformierten Theologen in unseren Kreis einzuladen, ist gewiß angesichts der gestellten Aufgabe angebracht. Doch möchte ich vorschlagen, diesen reformierten Theologen nur als Gast einzuladen. Unser Arbeitskreis sollte seine seit 35 Jahren bewährte klare Bekenntnisorientierung sich erhalten. Bei eventuellen Gutachten könnte man deutlich machen, was jeweils dem lutherischen Bekenntnis entspricht und was nicht Die Leuenberger Konkordie hat gewiß ihre positiven Seiten, aber sie hat doch auch Schwächen, die wir vermeiden wollen." Mumm nahm hier eine ähnliche Position ein wie Schlink, der 1977 auf die Anregung H . H . Wolfs, den Kreis um reformierte Theologen zu erweitern, ablehnend reagierte. Vgl. Wolf an Schlink am 4.5.77 (Korr Schlink): „Und müßten wir diese Fragen nicht auch unter Hinzuziehung von Theologen in Angriff nehmen, die nicht so ausschließlich, wie die meisten unseres Kreises, der lutherischen Tradition verpflichtet sind, obwohl ich weiß, daß man diese Eingrenzung auf eine Konfession bewußt vorgenommen h a t Aber immerhin, von unserer Seite wird unsere Arbeitsgemeinschaft von der E K D befürwortet. Das würde keineswegs eine Beschränkung auf ein Bekennnis bedeuten müssen. Und ich weiß nur allzugut aus dem ökumenischen Gespräch, auch gerade in der Bundesrepublik, daß wir die Kompetenz unseres Kreises durch Berücksichtigung von Perspektiven bereichem könnten, die z . B . stärker in der reformierten Tradition wurzeln. Ich habe gelegentlich schon im privaten Gespräch mit katholischen Teilnehmern unserer Gruppe die Frage gestellt gehört, warum nicht auch in unserer Delegation Theologen stärker reformierter oder unierter Provenienz um der Effektivität unseres Gespräches willen vertreten seien." Und Schlink an Wolf am 10.5.77 (ebd): „Schließlich noch Deine Frage nach der Zusammensetzung des Kreises. Dieser Wunsch wird von amtlicher katholischer Seite in der jetzigen Situation gewiß begrüßt werden. Denn sie würden dann durch die noch größere Verschiedenheit der bei den evangelischen Teilnehmern zutagetretenden Auffassungen ein noch leichteres Alibi dafür aufweisen können, daß eine Einigung auch nur in gemeinsamen theologischen Sätzen und vollends eine Anerkennung der Ämter und Zulassung zum Abendmahl zwischen unseren Kirchen unmöglich ist Es ist ja in den letzten Jahren zumal von den Paderborner Herren immer wieder die alte Platte aufgelegt worden, daß es im evangelischen Raum so viel verschiedene Auffassungen gibt, daß von einer gemeinsamen Lehre nicht die Rede sein könne und es gibt auch bereits evangelische Stimmen, die sie ungewollt dadurch in der Meinung bestärken, daß die Confessio Augustana heute für die Annäherung der beiden Kirchen nicht mehr als relevant anzuerkennen sei. Die katholische Seite verschweigt dabei, daß auch in der katholischen Kirche heute sehr verschiedene theologische Auffassungen vorliegen und daß auch die katholischen Teilnehmer in unserem Kreis keineswegs die volle Breite der in der katholischen Kirche heute vertretenen Überzeugungen wiederspiegelt, (so war es meinen früheren Bemühungen nie gelungen, Hans Küng in den katholischen Kreis hineinzubekommen). Kurzum, mir scheint es, wenn man überhaupt formulierte Ergebnisse in unserem Kreis anstrebt, durchaus richtig, wenn wir vor allem lutherische Theologen aus lutherischen und unierten Kirchen in diesen Kreis cooptiert haben. Denn hier ist die Erarbeitung gemeinsamer Ergebnisse in einem m. E. erheblichen Umfang möglich. Würde man den Kreis jetzt schon darüber hinaus erweitern, so ist es mir sehr fraglich, ob einem verbindlichen Fortschreiten auf eine engere Zusammenarbeit hin damit gedient würde."

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Während nun neu gegründete Kommissionen, von der Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt, den evangelisch-katholischen Dialog aufnahmen, mußte der OAK in der neuen ökumenischen Landschaft erst seinen Standort bestimmen.234 Man war damit beschäftigt, die eigene Arbeitsweise der anderer Gruppierungen anzupassen, um ebenso effektiv wie diese arbeiten zu können. Statt daß man also aufgrund der gemeinsam gewonnenen Erfahrungen eine „Pionierfunktion" einnahm, indem man sie auswertete, an sie anknüpfte und damit ins allgemeine Bewußtsein rief, wer die eigendichen Vorläufer des ökumenischen Aufbruchs waren, stagnierte die Arbeit in dieser Phase und ihre Fortsetzung stand deshalb erneut auf dem Spiel.235 Die Arbeit wurde aber dennoch weitergeführt, weil der Kreis mittlerweile einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hatte und man nach wie vor schon allein in der Förderung des ökumenischen Bewußtseins an den Universitäten durch seine Mitglieder einen Sinn sah.236 Aber erst als das allgemeine Interesse an der Ökumene schon wieder abzunehmen begann, setzte sich Mitte der 70er Jahre mit der Reihe „Dialog der Kirchen" aus all den Anregungen eine neue Arbeitsform durch. Mit der Aufarbeitung der Anathematismen in den 80er Jahren im Auftrag der Gemeinsamen Ökumenischen Kommission wurde dann vollends deutlich, welche Funktion man außerdem zukünftig wahrnehmen wollte.

234 Vgl. Lehmann an Kunst am 12.12.75 (als Kopie in Korr Schlink): „Es ist kein Geheimnis, daß unser Arbeitskreis ohnehin in einer gewandelten Situation zu einer erneuten Bestimmung seines Standortes und seiner Funktion kommen muß." 235 Vgl. die Einschätzung Pannenbergs in einem Brief an Schlink am 21.6.76 (Korr Schlink): „Ihr Urteil über die Bedeutung der kontinuierlichen Zusammenarbeit in dem ökumenischen Arbeitskreis teile ich. Vielleicht gelingt es ja auch, über die gewisse Stagnation, die sich merkwürdigerweise gerade in den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingestellt hat, als man von diesem Kreis eine Pionierfunktion hätte erwarten sollen, zu überwinden." 256 Vgl. Jaeger in seinem Schlußwort bei der 28.Tagung 1967 (Prot., 75), in dem er auch die Kritik an der Arbeit nochmals zusammenfaßte: „Man kann natürlich fragen: lohnt sich der Zeit- und Kraftaufwand? Man hat auch gesagt, der Kreis sei zu harmonisch zusammengesetzt, zu konservativ, zu wenig explosiv, in der Themenwahl, in den Ausführungen. Ist das ein Nachteil? Sicher verläuft die Arbeit unseres Kreises harmonisch und in ruhigen Bahnen. Aber wir wollen nicht Sensationen, sondern die Wahrheit suchen und sagen, soweit es Menschen möglich ist Wir brauchen freilich weitere Kooptionen und wollen uns darum bemühen. Unser Kreis hat weiter seine Bedeutung für die beiden Kirchen. Der Kreis ist bekannt, und die Optik, die die Öffentlichkeit von unserem Bemühen hat, ist gut Die Öffendichkeit würde schockiert sein, wenn dieser Kreis auseinanderfallen würde. So ist unsere Arbeit nicht nur sinnvoll, sondern mit Verantwortung geladen gegenüber den beiden Kirchen. Wir müssen die Arbeit fortsetzen, weil so das gegenseitige Verständnis gefördert und die Lehraussagen entwirrt werden. Ich bin der Ansicht, daß die hier gewonnenen Erkenntnisse fruchtbar werden. Es ist schon ein Segen für die jungen Theologen, wenn sie in den Vorlesungen den Blick auf die andere Kirche korrekt geboten bekommen und wenn das in Verständnis füreinander und Ehrfurcht voreinander geschieht - bei aller Hochhaltung der eigenen Überzeugung."

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6. Stellung und Bedeutung des ÖAK innerhalb der Ökumenischen Bewegung Die wesentlichen Merkmale des ÖAK sind zusammengefaßt in seiner Charakterisierung als lange Zeit „einziger, kontinuierlich mit Genehmigung der kirchl. Leitungen"237 wissenschaftlich arbeitender evangelisch-katholischer Gesprächskreis. Dem ihm von daher zukommenden Stellenwert entspricht nicht seine durchweg nur kurze Erwähnung in Ökumene-Lexika und anderen zusammenfassenden ökumenegeschichtlichen Arbeiten.238 Dies hängt sicherlich mit seiner bis in die jüngste Zeit vergleichsweise unspektakulären Arbeitsweise und der bisher fehlenden Gesamtdarstellung seiner Arbeit zusammen. Aufschlußreich für die Art, wie er lange Zeit innerhalb der ökumenischen Bewegung wahrgenommen wurde, sowie für die ökumenische Situation bis zum Konzil und die Einordnung des ÖAK in sie, ist der Eindruck, den der ehemalige Generalsekretär des ORK Visser 't Hooft bei der Tagung in Bossey 1962 wiedergab: 237

Vgl. Höfer, Josef, Art Una-Sancta-Bewegung, in: LThK 10, 463-466, 464. In dem von Hanfried Krüger, Werner Löser und Walter Müller-Römheld herausgegebenen „Ökumene-Lexikon", Ffm 1983, ist der ÖAK erwähnt in dem Artikel „Ökumene, innerdeutsche" von A. Basdekis und H. Krüger unter der bilateralen Ökumene (a.a.O., 892-900, 893). In dem Artikel „Dialog II, bilaterale Dialoge" (a.a.O., 254-260) beschränkt sich H. Meyer auf die Aufzählung national/regionaler Dialoge in Deutschland, die in den 60er Jahren begannen, und „aufgrund besonderer Auswirkungen und (publizierter) Ergebnisse hervorgehoben werden müssen" (257). Er beschreibt zu Recht, daß die Form des bilateralen Dialogs mit der Arbeit des ÖRK zuvor zugunsten multilateraler Gespräche zurückgetreten war. Es ist jedoch zu erwähnen, daß der OAK eine der wenigen Ausnahmen in dieser Situation darstellte. In seine Arbeit flössen auch die Probleme unterschiedlicher Spiritualität und Frömmigkeit ein, die nach Meyer erst in neuerer Zeit im bilateralen Dialog Beachtung finden, und er befaßte sich gerade auch mit den Themen, die nach Meyer bisher noch nicht oder noch nicht hinreichend behandelt wurden, wie Papsttum, Mariologie und Heiligenverehrung (a.a.O., 258/259). Deshalb, und weil der ÖAK nach dem Il.Vatikanum ebenfalls wichtige Veröffentlichungen herausgebracht hat, ist es zu begrüßen, daß Meyer in seiner dokumentarischen Übersicht über „Die reformatorischen Kirchen Europas im Dialog mit anderen Kirchen", in: OR 41/1992, 479ff., die Bedeutung des OAK zumindest erwähnt, obwohl er sich auch hier in seiner Darstellung auf die bekannteren kirchlich-offiziellen Gespräche beschränkt. 238

Vgl. ferner Fey, Harold E., Geschichte der Ökumenischen Bewegung 1948-1968, Göttingen 1974, 415, wo der ÖAK im Zusammenhang mit den Beziehungen der Katholischen Kirche zur Ökumenischen Bewegung lediglich genannt wird. Selbst das im Auftrag des J.-A.-Möhler-Instituts von H. J. Urban und H. Wagner herausgegebene Handbuch der Ökumenik (Paderborn 1986) geht im Zusammenhang der katholischen „Einzelinitiativen auf dem Gebiet des Ökumenismus" in Band II nach ausführlicheren Abschnitten zu einzelnen Personen, die sich durch ihr ökumenisches Engagement hervortaten, wie M. J. Metzger und P. Couturier, nur noch am Rande auf den Jaeger-Stählin-Kreis ein, während den vergleichbaren Mechelner Gesprächen mehr Raum eingeräumt wird (a.a.O., 132 und Anhang „Ökumenische Instanzen und Strukturen", Bd. III, 314).

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„Ich habe schon mancherlei von Ihnen gehört, aber es war alles immer ein wenig geheimnisvoll. Ich bin nun aber stark beeindruckt, von dem, was ich in dem Referat von Herrn Schlink über die Arbeit des Kreises in den vergangenen 16 Jahren gehört habe. Das Gespräch wird wohl nirgends so gründlich geführt wie bei Ihnen. Sie sind so lange schon in der gleichen Gruppe zusammen. Ihre Arbeit ist von einer merkwürdigen Vollständigkeit So ist Ihr Kreis wirklich ein unicum in der ökumenischen Situation. Sie leisten eine gewisse Pionierarbeit Viele Gesprächsgruppen gibt es in der ganzen Welt, aber sie sind eigendich alle unsystematisch, unregelmäßig. Fast nirgendwo hat man die ganze Problematik des katholisch-evangelischen Gesprächs so energisch angepackt Es ist zu hoffen, dass Sie diese Arbeit weiterführen und dass von Zeit zu Zeit auch andere von Ihnen etwas zu sehen bekommen: nicht alles, aber doch einiges . . . Sie haben 23 Tagungen miteinander gehalten und stehen so ohne Zweifel in einer , Dialogischen Situation'. Aber das sind immer nur Gruppen hier und da. Die Zahl der Leute, die in ihr stehen, ist noch eine ganz kleine Zahl. Daneben gibt es die zweite Situation: die .Änderung des Klimas'. Sie ist viel unpersönlicher, kennt aber die Begegnung in gegenseitiger Höflichkeit Das trifft sich aber mit einem ganz neuen ökumenischen Interesse. Das ist in manchen Situationen ganz oberflächlich und illusionistisch. Damit werden wir noch viel zu tun haben. Wo große Illusionen sind, da gibt es auch grosse Enttäuschungen. Auf beiden Seiten gibt es dann noch einen ganz grossen Kreis von Männern und Frauen, die noch ganz in der ,monologischen Situation' stehen. Das gibt es auch an hohen Stellen. Gerade in jüngster Zeit haben wir mit Schrecken eine Anzahl äusserst monologischer Stimmen gehört. So hat etwa die Enzyklika ,Aeterni Dei' nicht nur auf der Seite der orthodoxen Kirchen scharfe Reaktionen hervorgerufen. Dieses ist unsere Schwierigkeit: Die Situation der Ungleichzeitigkeit Was wir in dieser Beziehung eigendich erhoffen, ist, dass das Konzil wirklich tun wird, was Congar formuliert hat: die katholische Kirche tritt ein in die Struktur des Dialogs."239 Damit hatte er sowohl die spezifische Bedeutung des Kreises erkannt, die nicht in schriftlich fixierten Ergebnissen bestand, sondern in dem erfolgten Annäherungsprozeß, als auch richtig eingeschätzt, daß es an der Zeit war, die Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Bedeutung des Ö A K für die Ökumene wächst, wenn man sich vergegenwärtigt, welche vergleichbaren Kreise während und nach dem 2. Weltkrieg noch bestanden, die über kurz oder lang die Zusammenarbeit beendeten, und vor allem, welchen Einfluß sein Bestand auf das I L V a t i kanum und die mit ihm verbundene ökumenische Öffnung der Katholischen Kirche hatte, auf die er selbst nur unzureichend vorbereitet war. D a das Spektrum der ökumenischen Initiativen in der Nachkriegszeit noch kaum erforscht ist, kann hier nur auf die wenigen Kreise hingewiesen werden, zu denen die Beschäftigung mit dem Ö A K hinführte bzw. die in der Literatur erwähnt werden. Auch über den Einfluß auf das II. Vatikanum kann hier nur sehr allgemein etwas gesagt werden, weil die damals betei239

Prot., 1-3.

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ligten Mitglieder bereits alle verstorben sind, so daß das, was damals vor allem in Gesprächen geschah, nicht mehr zu erheben ist, und weil die Nachlässe maßgeblich Beteiligter wie die Hermann Volks und Kardinal Jaegers in den kirchlichen Archiven noch nicht zugänglich sind. 6.1. Vorläufer und vergleichbare Initiativen während und nach dem 2. Weltkrieg Die Gründung des Ö A K fiel in eine Zeit, in der - auch ausgelöst durch die gemeinsame Bedrohung durch den Nationalsozialismus vor und während des Krieges - in Deutschland an vielen Orten evangelisch-katholische Gesprächskreise verschiedenster Art entstanden waren. Die wenigsten dieser Gespräche wurden ausschließlich unter Theologen geführt und befaßten sich nur mit Fragen der Lehre. Häufig waren interessierte Laien beteiligt, die - was evangelisch initiierte Kreise anging - zum Teil schon kurz vor der Konversion standen und man behandelte Themen, die stärker auf das kirchliche Leben bezogen waren. Die Gründungsmitglieder des OAK hatten zum Großteil schon an solchen Gesprächen teilgenommen und kannten sich auch daher. Die Münsteraner Gespräche mit Theologiestudenten unter der Leitung von Stählin und Schmaus wurden wegen ihres wissenschaftlichen Charakters als eine Art Vorläufer des ÖAK bereits erwähnt. Daneben ist hinzuweisen auf einen Kreis um Robert Grosche, der seit 1945 in Köln ökumenisch arbeitete.240 Einige Mitglieder des Ö A K waren in den Anfangsjahren gleichzeitig an einem evangelisch-katholischen Gesprächskreis um Ministerialrat Spira aus Wiesbaden, nach einem seiner Tagungsorte auch Braunshardter Kreis genannt, beteiligt. Dessen erste Zusammenkunft fand im März 1947 in Hardehausen statt, wo im Jahr zuvor auch der ÖAK seine erste Arbeitstagung abgehalten hatte. Unterlagen über weitere Tagungen, die jeweils im Frühjahr und Herbst anberaumt wurden, liegen für die Zeit bis 1951 vor. Es 240 Vgl. Prot, der 29. Tagung 1968, 10. Dort berichtete Schumann von dem Kreis, der auch nach dem Tode Grosches in dessen Geist weitergeführt werde (zu Grosche vgl. auch Handbuch der Ökumenik II, 129). Auch in Bielefeld gab es nach Angaben Josef Höfers einen Aussprachekreis von Laien und Theologen beider Konfessionen, an dem er selbst teilgenommen hatte und den Paul Simon einmal in seine Wohnung nach Paderborn eingeladen hatte. Bei diesem Treffen referierte Friedrich Heiler, der auch das Gespräch in Berlin-Hermsdorf initiierte, von dem unten noch die Rede sein wird, über Martin Luthers Abendmahlsauffassung. (Vgl. Höfer, Josef, Erinnerungen an Dompropst Prof. Dr. Paul Simon, in: Scheele, Paul-Werner (Hrsg.), Paderbornensis Ecclesia, Festschrift für Lorenz Kardinal Jaeger, München/Paderborn/Wien 1972, 631-688, 663). In einem Schreiben an Erzbischof Jaeger vom 1.2.49 (Nachlaß Höfer) erwähnt Prof. Dr. Karl Schmitt (Mainz) in einem Zug mit dem „norddeutschen Kreis mit Bischof Stählin" und Wiesbadener Gesprächen (siehe unten zum Braunshardter Kreis) auch einen Offenbacher Kreis und einen Kreis um Otto Karrer in der Schweiz.

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handelte sich um einen inoffiziellen von evangelischer Seite ausgehenden Kreis, der anfangs jedoch unter dem Protektorat Erzbischof Jaegers und des damaligen Bischofs von Mainz, Stohr, stand. Den Kern des Kreises bildete der Freundeskreis Spiras, zu dem vor allem Nichttheologen gehörten. Josef Höfer hatte die Einladung katholischer Teilnehmer übernommen. Von daher ist es nicht verwunderlich, daß zunächst neben ihm und Erzbischof Jaeger auch Grosche, Söhngen, Volk, Schmaus, Rahner, Lortz und Pascher aus dem ÖAK an den Konferenzen teilnahmen. Von den evangelischen Mitgliedern des Ö A K finden sich Maurer, Asmussen, Brunner und Schlier auf den Teilnehmerlisten der Braunshardter Konferenzen. Im Unterschied zum OAK war der Spira-Kreis nach Äußerungen Höfers eher praktisch orientiert. Zwar war der Ablauf der Konferenzen in etwa derselbe wie bei den Tagungen des ÖAK, doch die Referate, die vor allem ekklesiologische Themen und die Abendmahlsproblematik behandelten, wurden auch von Nichttheologen gehalten und Informationen über die sonstige „Unionsarbeit" nahmen mehr Raum ein.241 Der wesentliche Unterschied lag jedoch darin, daß der evangelische Freundeskreis Spiras zu einem großen Teil aus bereits „nahezu gläubigen Katholiken" bestand. Nach Auffassung Höfers betrachteten sie „ihre Vereinigung mit der katholischen Kirche nicht als »Konversion', sondern als die konsequente Vollendung ihres aus der Gnade der Taufe kommenden Strebens. Die hl. Eucharistie ist die Finalursache, die sie bewegt."242 Der daraus resultierende 241 Vgl. Tagesordnung der Tagung vom 5.-7.3.47 in einem Brief Höfers an Ministerialrat Feyerabend vom 6.2.47 (Nachlaß Höfer). Höfer referierte damals über eine Tagung in Hardehausen, bei der es sich wohl um die erste Arbeitstagung des O A K 1946 handelte. Vgl. auch die Teilnehmerlisten zur Tagimg vom 5.-7.3.47, vom 8.-11.47, vom 24.-26.3.49 und den inoffiziellen Bericht der Tagung vom 8.-11.3.50 sowie einen Brief Höfers an Frau Görres vom 7.2.49 (Nachlaß Höfer). 242 Höfer an Rahner am 17.5.47 (Nachlaß Höfer). Daß sich die Zielrichtungen beider Kreise deutlich unterschieden, geht auch aus einem Briefwechsel zwischen dem damaligen Studentenpfarrer Nielen (Ffm) und Höfer hervor. Nielen hatte angenommen, der Spira-Kreis sei die Fortsetzung des von Simon 1946 initiierten Kreises und bedauerte offensichdich dessen unwissenschaftlichen Charakter. Nielen an Höfer am 10.3.49 (Nachlaß Höfer): „Ich bedaure, dass der ursprüngliche Plan Paul Simons eines wirklichen und fortdauernden Gespräches nur zwischen evangelischen und katholischen Theologen auf Grund einer gemeinsamen biblisch-patristischen Arbeit scheinbar nicht fortgesetzt wird. Von der jetzigen Art, wie die uns alle bewegende Frage in Braunshardt behandelt wird, und zwar vor diesem Hörerkreis behandelt wird, verspreche ich mir nicht so viel. Das andere scheint mir wichtiger und entscheidungsvoller." Und Höfer an Nielen am 12.3.49 (ebd.): „Ihr Schreiben vom 10.3. geht von der unrichtigen Voraussetzung aus, in Braunshardt werde die Arbeitsgemeinschaft fortgesetzt, der früher Herr Dompropst Prof. Dr. SIMON vorstand. Das ist nicht der Fall. Der Braunshardter Kreis hat vielmehr sein Zentrum in Herrn Prof. Dr. SPIRA und dessen Freunden, ist ganz anders orientiert als die wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft, an die Sie denken. Seine Tätigkeit ist in einer anderen Weise als bedeutsam erwiesen und erfreut sich der besonderen Schätzung des Hochwürdigsten Herrn Bischofs von Mainz . . . Die Arbeit der Gemeinschaft eines wissenschaftlich orientierten evangelischen und katholischen Theologen-Kreises, die unter der Obhut des H.H. Erzbischofs von Paderborn und des H.H.

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Charakter dieser Gespräche als Unionsverhandlungen dürfte zumindest mit ausschlaggebend dafür gewesen sein, daß sich die Mitglieder des ÖAK allmählich von ihnen distanzierten. Unter den Teilnehmern der Konferenz im März 1950 werden sie nicht mehr genannt. Damit nahmen an den Konferenzen keine Universitätslehrer mehr teil. Auch Erzbischof Jaeger fungierte offensichtlich spätestens von da an nicht mehr als Protektor.243 Die große Zahl von Absagen auf beiden Seiten wurde im Tagungsbericht begründet mit „Krankheit, Arbeitsüberlastung und auch im hessischen Raum durch eine gewisse Zurückhaltung".244 Allerdings läßt sich der Korrespondenz aus der damaligen Zeit entnehmen, daß die Vorbehalte auf katholischer Seite gegenüber sich weitgehend aus konversionswilligen Protestanten zusammensetzenden Kreisen aus naheliegenden Gründen weniger stark waren als auf evangelischer Seite.245 Von unmittelbarer Bedeutung für die Gründung des ÖAK scheinen die sogenannten Mechelner Gespräche und das interkonfessionelle Theologengespräch in Berlin-Hermsdorf 1934 gewesen zu sein. Die Mechelner Gespräche, die von 1921 bis 1925 unter Anglikanern und Katholiken mit Billigung Roms geführt wurden und in deren letzter Phase auch Paul Simon beteiligt war, wurden von Kardinal Jaeger zu Beginn seiner bischöflichen Tätigkeit 1942 explizit als Vorbild für zukünftige Gespräche zwischen deutschen Katholiken und Protestanten hingestellt. Sie waren privat und sollten Mißverständnisse beseitigen und Vorurteile zerstreuen. Mit ihnen sollte die Einigung nicht hergestellt, sondern „nur" vorbereitet werden.246 Nicht nur diese rein dogmatisch-theologische Arbeit kompetenter Gesprächspartner haben beide Institutionen gemeinsam. Wie die Tagungen des ÖAK waren auch die Mechelner Gespräche Bischofs Dr. STÄHLIN steht, ist intensiv weitergegangen." 243 Vgl. einen Brief von Bischof Stohr an Höfer am 12.3.49 (Nachlaß Höfer): „Eigentlich war ich erstaunt, neulich auch von Herrn Erzbischof Jaeger die Frage aufgeworfen zu hören, wer denn nun für den Braunshardter Kreis verantwortlich sei. Meine Auffassung war immer, daß dies alles unter die Obhut des Herrn Erzbischofs gehöre. Bei ihm ist von Spira und Goethe der Antrag auf seine Einberufung gestellt worden. Ich habe die Sache nur unterstützt und gebeten, mit eingeladen zu werden." 244 Vgl. den inoffiziellen Bericht für Höfer zur Konferenz vom 8.-11.3.50 in Braunshardt (Nachlaß Höfer) und eine von Spira und Goethe unterzeichnete Einladung zur Tagung im Oktober 1951 (ebd.), in der nur der Bischof von Mainz und Abt von Niederalteich, Stohr, als Protektor erscheint 245 Vgl. den Brief Höfers an Nielen in Anm. 242 und die Ausführungen Stjepan Schmidts in seiner Biographie über Kardinal Bea, Augustin Bea: der Kardinal der Einheit, Graz/Wien/Köln 1989, 306 ff. Schmidt erwähnt hier, daß die durch Höfer vermittelten Kontakte Beas zur nichtkatholischen ökumenischen Bewegung in Deutschland (den ÖAK zählt er zur katholischen Bewegung) die „Sammlung" um Asmussen betrafen, mit dem er eine Zeitlang in regem Austausch stand. Bea habe diese Bewegung gefördert, wenngleich in zurückhaltender Form, weil er in den Veröffentlichungen ihrer maßgeblichen Mitglieder noch „Lücken in der Kenntnis der katholischen Lehre" (308) festgestellt habe. 246 A.a.O., 685 und Gill, J, Art. Mechelner Gespräche, in: LThK 7, 222/223.

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keine offiziellen Verhandlungen zwischen den Kirchenleitungen, wenngleich sie von Papst Pius X I ausdrücklich gebilligt wurden. Beide unterschieden sich jedoch darin, daß die Mechelner Gespräche offensichtlich nur für einen begrenzten Zeitraum anberaumt worden waren.247 1942 erwähnte Jaeger auch das Theologengespräch, das vom 22.25.5.1934 in Berlin-Hermsdorf stattgefunden hatte und über das er ebenfalls durch den dort anwesenden Paul Simon unterrichtet gewesen sein dürfte. Auf dieses Treffen nahm er mit dem Hinweis Bezug, daß „Rückkehr" nicht die Vorstellung der evangelischen Christen von Einheit treffe, daß aber ein korporativer Zusammenschluß im Bereich des Möglichen liege. Als „wichtigste innerkirchliche Aufgabe" zur Verwirklichung dieses Ziels bezeichnete er die theologische Arbeit, auch wenn sie nicht direkt zur Einigung führe. Damit waren die Weichen für den künftigen Ökumenischen Arbeitskreis schon gestellt. An dem Gespräch, das von Friedrich Heiler nicht ohne Zutun des Berneuchener Kreises anberaumt worden war, hatten aus dem späteren Ö A K neben Simon auch Grosche, Stählin und Rosenmöller teilgenommen. Einige Teilnehmer wie Joh. Pinsk und Romano Guardini waren von Grosche für den Ö A K vorgeschlagen, aber dann doch nicht aufgenommen worden. Stählin zeigte sich im Anschluß an das Treffen tief bewegt und bezeichnete es als „Ereignis von großer Tragweite".248 In einem Vorgespräch hatte man sich unter dem Gesamtthema „Die Gnade" auf die drei Gesprächseinheiten „Gnade und Rechtfertigung", „Gnade und Kirche" und „Gnade und Sakramente" geeinigt. Die Arbeitsweise entsprach mit einem Referat und einem Korreferat sowie einer nachfolgenden Aussprache der des ÖAK. Auch in der Zusammensetzung der ebenfalls je 12 Teilnehmer gibt es Parallelen, insofern als katholischerseits Universitätslehrer, Gemeindepfarrer und Ordensleute teilnahmen, auf evangelischer Seite Universitätslehrer und Gemeindepfarrer, unter denen auch lutherische Theologen aus Schweden, u. a. Prof. Anders Nygren, waren, jedoch keine reformierten Theologen. Im Unterschied zum Ö A K waren außerdem zwei Anglikaner beteiligt und mehrere Personen aus dem Gemeindedienst, so daß mit einer Vikarin und einer Nichttheologin auch zwei Frauen Gelegenheit bekamen, mitzuwirken.

247 Vgl. zu den Teilnehmern und weiterer Literatur Handbuch der Ökumenik II, 119-121, Abschnitt 1.2., Die Mechelner Gespräche. Bei den Gesprächen arbeitete man sich über Fragen der Ekklesiologie und der Sakramentenlehre zu der eigentlichen Kontroverse, der Stellung des Petrus in der Urkirche bzw. dem Papstamt, vor, um bei dem letzten Treffen die Ergebnisse zusammenzufassen. 248 Vgl. Heinz Joachim Nerger, Das interkonfessionelle Theologengespräch in BerlinHermsdorf 1934, in: Hochkirchliche Vereinigung (Hrsg.), Siebzig Jahre Hochkirchliche Bewegung (1918-1988): Hochkirchliche Arbeit Woher? - Wozu? - Wohin?, Jubiläumsdruck Bochum 1989, 124-159, 128/129.

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Alle diese Fakten weisen darauf hin, daß von dem Gespräch in BerlinHermsdorf wichtige Anregungen für den ÖAK ausgingen, in dem der Dialog dann in intensivierter Form fortgeführt wurde.249 Zuletzt sei noch hingewiesen auf die 1952 gegründete Katholische Konferenz für ökumenische Fragen, die auf die Anregung der holländischen Priester F. Thijssen und J . Willebrands zurückging. Mit ihr verfolgte man die Absicht, regelmäßige Gespräche unter katholischen Ökumenikern zu etablieren. Im Unterschied zum ÖAK handelte es sich um eine rein katholische Kommission, die zudem in enger Anbindung an den O R K arbeitete. Die Konferenz beteiligte sich an den Projekten des Ökumenischen Rates mit Stellungnahmen. Damit war eine katholische Einflußnahme und ein Austausch ohne direkte Beteiligung im O R K möglich. In der Methodik, für andere Gremien eingehende theologische Stellungnahmen auszuarbeiten, liegt allerdings eine Parallele zu der Zielsetzung, auf die sich der Ö A K im Laufe der Jahre zubewegte. 6.2. Die Bedeutung des ÖAK für die Gründung des Einheitssekretariates und für das ILVatikanum Die Katholische Konferenz für ökumenische Fragen und der ÖAK waren Gremien, von denen entscheidende Impulse ausgingen für die Errichtung des Sekretariats für die Einheit der Christen und für die ökumenische Öffnung des II. Vatikanischen Konzils. Während erstere eine „Art inoffizielle Vorstufe zu der neuen römischen Institution"250 des Einheitssekretariats darstellte, deren Präsident nach dem Tode Kardinal Beas dann auch der Mitinitiator der Katholischen Konferenz, J . Willebrands, wurde, floß die Arbeit des OAK durch die Kontakte, die Kardinal Jaeger zu Kardinal Bea unterhielt, in die Entwicklung in Rom ein. Ferner gab es neben der oben bereits erwähnten maßgeblichen Beteiligung einiger anderer katholischer Mitglieder des OAK am Konzil, von denen besonders Hermann Volk 251 und Karl Rahner hervorzuheben sind, Verbindungen durch die Anwesenheit Höfers in Rom. Aus einem Schreiben Schlinks an Kardinal Jaeger vom 5.9.72 geht hervor, daß man sie beide während der Konzilsvorbereitungen nicht nur um eine allgemeine Einschätzung der Beziehungen aufgrund ihres vielfältigen ökumenischen Engagements b a t Vielmehr wurde nicht nur Jaeger, sondern auch Schlink selbst von Kardinal Bea konkret zu den Erfahrungen innerhalb des ÖAK befragt. In seinem Rückblick auf den Verlauf der ökume249 Vgl. besonders ebd., 125/126, 129, zum Inhalt der Gespräche 129-156 und die Teilnehmerliste 158/159. Der Ö A K wird hier als Fortführung der mit dem Gespräch in Hermsdorf begonnenen „dialogischen Bewegung" nach 1945 eigens angeführt (158). 250 Vgl. Handbuch der Ökumenik II, 133. 251 Volk wurde zur Vorbereitung auf das Konzil 1960 als Konsultor für das Einheitssekretariat berufen!

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nischen Gespräche seit 1946 anläßlich des bevorstehenden 80. Geburtstags Jaegers stellt Schlink fest: „Nachdem diese Zusammenarbeit zunächst recht verborgen geschehen war, begann sie dann in größerem Umfang sich auszuwirken, als die Vorbereitungen zum zweiten vatikanischen Konzil begannen. Wenn ich an die Gespräche zurückdenke, die Kardinal Bea mit mir in den Monaten vor dem Konzilsbeginn über die Frage der Einladung anderer Kirchen und des Ökumenischen Rates, sowie über die Zulassung der geladenen Vertreter zu den Konzilssitzungen und die Ermöglichung und Verarbeitung ihrer theologischen Äußerungen geführt hat, so ist mir deudich in Erinnerung, wie oft damals Ihr Name gefallen ist und ich nach den methodischen und inhaldichen Erfahrungen gefragt wurde, die wir in der vorausgegangenen fünfzehnjährigen Zusammenarbeit unserer beiden Kreise in Deutschland gemacht hatten. Ich kann mir schwer vorstellen, daß das Okumenismus-Dekret mit den vorzüglichen methodischen Anweisungen seines I.Kapitels so zustande gekommen wäre, wie es nun vorliegt, wenn Sie selbst zusammen mit Bischof Volk und den katholischen Theologen unseres Kreises aus Ihrer Erfahrung heraus nicht bestätigt hätten, daß man so in der Tat miteinander umgehen und sich in Buße, Gebet und wissenschaftlicher Sorgfalt einander öffnen kann."252 In der Tat ist auffallend, daß die Beschreibung des Dialogs als einer Form der „Ökumenischen Bewegung" in Kapitel I, Artikel 4 des Okumenismusdekrets grundlegende Elemente der Arbeit des ÖAK enthält, sofern er nämlich beschrieben wird als „von wohlunterrichteten Sachverständigen geführt"253, „wobei ein jeder die Lehre seiner Gemeinschaft tiefer und genauer erklärt, so daß das Charakteristische daran deudich hervortritt". Als Ziel eines solchen Dialogs wird genannt, „eine bessere Kenntnis der Lehre und des Lebens jeder von beiden Gemeinschaften und eine gerechtere Würdigung derselben." Von dieser Arbeit, die für die katholischen Christen „unter der Aufsicht ihrer Hirten" geschehen soll, wird femer die „Vorbereitung und die Wiederaufnahme" von Konvertiten klar unterschieden. Aber auch an dem in Kapitel II, Art 9 für den Dialog festgehaltenen Gleichheitsgrundsatz („par cum pari agat") wurde etwa bezüglich der Einladungspraxis, der Zusammensetzung und Zuwahl von Mitgliedern vom ÖAK von Anfang an festgehalten.254

252 Korr Schlink. Vgl. auch Fries, Heinrich, Die dogmatische Relevanz theologischer Gespräche zwischen römisch-katholischen und evangelischen Theologen, in: ÖR 29/1980, 261-274, 263 f. Fries bezeichnet hier das Konzil als „dogmatische Rezeption der Ergebnisse theologischer Gespräche zuvor", unter die er auch den OAK rechnet Auch er erwähnt insbesondere die Gespräche der evangelischen Konzilsbeobachter, die in das Konzil eingegangen seien. 253 Zitate nach LThK 13, 61-65. 254 A.a.O., 83. Vgl. auch Mumm, Reinhard, Gemeinsame Teilhabe am Reichtum Christi, in: LM 8/1969, 276-279, 277.

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Gespräche zwischen den Kirchen in jahrzehntelanger Kontinuität

Die Kontakte zwischen Jaeger und Bea reichten allerdings weiter zurück. Durch die Vermittlung Josef Höfers während seiner Zeit als Botschaftsrat in Rom von 1954 an, hielt Bea regen Kontakt zu der Ökumenischen Bewegung in Deutschland255, insbesondere zu Erzbischof Jaeger, der ja im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz für diese zuständig war, und verfolgte - ebenfalls durch Höfer - die Arbeit des Ö A K „mit großem Interesse und voll Hoffnung." 256 Nicht unmittelbar als eine Auswirkung des ÖAK, aber dennoch auf dem Hintergrund der Erfahrungen Jaegers bei dessen Tagungen ist schließlich die auf eine gemeinsame Initiative Jaegers und Beas zurückgehende Gründung des Sekretariates für die Einheit der Christen257 zu sehen, das dann, nicht nur in Form des Ökumenismusdekrets, das ökumenische Anliegen beim Konzil geltend machen konnte. Die in diesen wenigen zugänglichen Informationen anklingende Bedeutung des ÖAK für die evangelisch-katholische Annäherung vor dem Konzil, die zu der ökumenischen Öffnung der Katholischen Kirche beim Konzil beitrug, ist Grund genug für die nun folgende inhaltlich-theologische Darstellung seiner Arbeit.

255 Sein Interesse daran rührte bereits daher, daß er im Hl. Offizium insbesondere die Probleme in Deutschland verfolgen sollte und dort sehr vielfältige ökumenische Bemühungen kennenlernte (Stjepan Schmidt, Augustin Bea, 306/307). 256 A. a. O., 307. 257 Zu den Vorgängen im einzelnen vgl. Klein, Aloys, A r t Einheitssekretariat, in: Ökumene-Lexikon, 307-313 und Schmidt, Stjepan, Augustin Bea, 404 ff.

II. Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs: Die theologischen Themen des ÖAK bis 1975 A. Die Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch im Zusammenhang mit der Erlangung des Heils Die Frage, welche Rolle der Mensch im Rahmen der Heilszuwendung Gottes an ihn spielt, durchzieht als Kontroverse die gesamte Arbeit des ÖAK. Ist Gott der allein Handelnde oder kann und muß der Mensch etwas beitragen, um sein Heil zu erlangen? Wenn ja, aufgrund welcher Voraussetzungen ist der Mensch in der Lage, mit Gott in Beziehung zu treten und mitzuwirken an seinem Heil? Ausgehend von den verschiedensten Themen aus den Bereichen der Anthropologie, der Schöpfungslehre, der Soteriologie oder der Christologie bis hin zur Eschatologie gelangte man immer wieder zu der Frage, ob der Mensch als Kreatur ein sich durchhaltendes Gutes in sich trägt, aufgrund dessen er am Rechtfertigungsgeschehen beteiligt ist und das sich bis über den Tod hinaus durchhält. Dabei beschäftigte man sich auch mit der unterschiedlichen (philosophischen) Begrifflichkeit, mit der diese Frage von beiden Konfessionen beantwortet wird, um das Maß ihrer ursächlichen Bedeutung an den divergierenden Positionen herauszuarbeiten. Im folgenden soll in Umkehrung der Arbeitsweise des Kreises aufgezeigt werden, wie diese Fragestellung sich durch das Gespräch über die verschiedensten dogmatischen Fragen zieht und insbesondere, auf welche Weise man ausgehend von dem herkömmlichen, durch die Kontroverstheologie vermittelten, Verständnis der Theologie des Gesprächspartners allmählich weitgehende Gemeinsamkeiten bezüglich der Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch entdeckte, die heute als Grundlage des ökumenischen Dialogs dienen.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

1. Das Wesen des Menschen vor Gott 1.1. Kreatürlichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen Nicht von ungefähr befaßte man sich bereits 1947 bei der zweiten Arbeitstagung1 mit der Lehre von der Schöpfung und der Gottebenbildlichkeit (G.) des Menschen. Setzte man mit der Kontroverse um die Stellung des Menschen vor Gott doch bei einem dogmatischen Lehrstück an, dessen Inhalt - wie sich an den späteren Auseinandersetzungen demonstrieren läßt - Konsequenzen hat vor allem für die Bereiche der theologischen Erkenntnislehre, der Soteriologie und der Eschatologie. Ferner handelt es sich hier um eine Thematik, die immer wieder auf Anregung von Hermann Volk aufgenommen wurde. Ausgehend von seinen Ausführungen2 wurde der 1 Gemeint ist die Tagung, die vom 9.-13.3.47 in Brackwede/Kupferhammer stattfand. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Grosche, Hasenkamp, Pascher, Pieper, Pollet, Rosenmöller, Söhngen, Volk, verhindert: Rahner, Warnach. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Brunner, von Campenhausen, von der Gablentz, Krüger, Menn, Schlier, Asmussen, verhindert: Schmitt, Sasse, Schumann. Vgl. Teilnehmerliste (Akten EvAk). Als Protokollanten hatte man schon in Hardehausen H. H. Wolf, Nachfolger Schlinks am Westfälischen Predigerseminar und auf dem Betheler Dogmatiklehrstuhl, vorgesehen (Schlink an Stählin, 11.2.47, Korr Schlink). 2 Die Referate zur Schöpfungslehre hatten Volk und Stählin übernommen. Sie wurden nicht veröffendicht Das Referat Volks liegt auch nicht in unveröffentlichter Form in den Akten des EvAk vor. Aus dem Tagungsprotokoll (14) und einem Brief von v. d. Gablentz an Volk vom 18.3.47 (Korr EvAK) geht hervor, daß Volks Referat sich um die Unterscheidung von Natur und Übernatur drehte. Dies setzt voraus, daß er weniger die Schöpfung als Akt, sondern die Kreatur im Blick hatte. Das entspricht dem Interesse, das auch aus seinen Veröffentlichungen bis dahin hervorgeht. Einer philosophischen Dissertation über die Kreaturauffassung bei Karl Barth (1937) folgte eine theologische über Emil Brunners Lehre von der ursprünglichen Gottebenbildlichkeit des Menschen (Emsdetten 1939). Hierin stellt Volk Brunners Interpretation der katholischen Lehre von der G. seine Auslegung entgegen. Dabei geht er auf die Begriffe Natur und Übernatur ein. Nach Volks Darstellung gibt es für Brunner nach katholischer Lehre eine Ebenbildlichkeit und eine Gottesbeziehung, die im Gegensatz zu seiner eigenen Lehre auf Natur und Übernatur verteilt werden, so daß Natur dann eine beziehungslose Ebenbildlichkeit ist, Gnade eine kreatürliche Beziehung. Für Volk ist jedoch im Naturbegriff die Gottesbeziehung und damit die Kreatürlichkeit enthalten. Nur durch eine Offenheit der Kreatur auf Gott hin, läßt sich für ihn eine natürliche Gotteserkenntnis oder ein Naturrecht ableiten (a.a.O., 183). Daraus resultiert für ihn die Unzulänglichkeit der Wesensdefinition des Menschen als animal rationale, die von dem „Heiden" Aristoteles übernommen worden sei und deshalb nicht die personale Gottesbeziehung beinhalte, sondern lediglich den Unterschied zwischen Mensch und Tier, während die Verhältnisbestimmung von Mensch und Gott den Kern des menschlichen Wesens viel eher treffe (a.a.O., 185). Grundsätzlich sind also alle Kreaturen auf Gott hingeordnet Durch die übernatürliche Gnade aber, wendet sich Gott in besonderer Weise dem Menschen zu, um ihm die Teilnahme am innergötdichen Wesen zu ermöglichen. Die soteriologische Abhängigkeit von Gott gehört jedoch nach katholischer Auffassung nicht zum Wesen des Menschen, sondern ist donum superadditum. Volk bemerkt deshalb zu Recht, daß Brunner von daher auch die katholische Lehre in seiner Interpretation wohl ablehnen würde (a.a.O., 186 und 192).

Das Wesen des Menschen vor Gott

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Charakter der Kreatur im Urständ behandelt. Schwerpunktmäßig diskutierte man, inwiefern man von einer gratia elevans sprechen kann, inwiefern also bereits mit der Schöpfung eine Teilhabe an der göttlichen Natur mitgegeben ist, und ob es auch nach dem Fall noch eine unzerstörte Geschöpflichkeit gibt, aufgrund derer der Mensch - unabhängig von der Rechtfertigung - Aussagen über Gott machen kann.3 Im Hintergrund der Diskussion stand also die Beschäftigung mit der katholischen Lehre einer doppelten G., nach der dem Menschen nach dem Sündenfall eine natürliche G. erhalten bleibt, während das donum superadditum der übernatürlichen G. verloren geht. Die Bedenken auf evangelischer Seite gegenüber dieser Lehre richten sich herkömmlicherweise gegen eine dem Menschen einwohnende, bleibende G., aufgrund derer die Abhängigkeit des Menschen von Gott als seinem Gegenüber eingeschränkt wird. Stählin hob deshalb im Anschluß an Barth den Abstand aller Geschöpfe von ihrem Schöpfer hervor. Innerhalb der Natur habe der Mensch zwar eine besondere Stellung, er müsse sich aber mit den anderen Geschöpfen solidarisch erklären („Ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen") und stehe keinesfalls zwischen Gott und ihnen.4 Im Verlauf der Diskussion interpretierte jedoch Volk die katholische Unterscheidung von Natur und Übernatur ebenfalls dahingehend, daß sie der „Heraushebung der absoluten Andersartigkeit Gottes"5 diene, denn Gott könne nach der Schrift von niemandem geschaut werden. Deshalb bedürfe es der gratia elevans, durch die Gott den Menschen an sich teilnehmen lasse. In der Intention stimmten beide also überein. Nicht jedoch in bezug auf deren dogmatische Fixierung. Für die Behauptung einer gratia elevans fehlte den evangelischen Teilnehmern der explizite Schriftbeweis. Wesentlich waren in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Schlink und Söhngen

3

Vgl. Prot., 1-6. Maschinenschriftliches Referat, Akten EvAk, 3/4. Stählin legte in seinen Ausführungen vor allem Wert auf den christologischen Sinn des Schöpfungsglaubens. Vgl. auch Stählin an Volk am 28.1.47 (Korr EvAk), wo er den Inhalt seines Referates angibt Er wandte sich gegen einen allgemeinen Schöpfungsglauben, zu dem der Christusglaube erst hinzutritt und knüpfte damit an die Position von Rads an, der 1936 in seiner Veröffentlichung „Das theologische Problem des alttestamentlichen Schöpfungsglaubens" die dienende Funktion des Schöpfungsglaubens gegenüber dem Erwählungsglauben hervorgehoben hatte. Er plädierte dafür, die Schöpfung als Werk der gesamten Trinität zu sehen, da doch im N T von Christus ausgesagt werde, daß alles durch ihn und zu ihm geschaffen ist (Joh 1, Kol 1, Hebr 1). Vgl. maschinenschriftl. Referat, 6-9, vor allem 9: „Das trinitarische Verständnis der Schöpfung und das kosmische Verständnis des Christusereignisses bedingen einander und fassen von zwei Seiten die gleiche Offenbarung ins Auge. Die christliche Eschatologie ist die Bestätigung und Vollendung dieses Zusammenhangs." Auch damit wandte sich Stählin im Grunde gegen die katholische Lehre, insofern als er den Schöpfungsglauben nicht unabhängig von dem an die Neuschöpfung durch Christus gelten lassen wollte. 4

5

Prot., 14.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

zur biblischen Lehre vom Ebenbild Gottes.6 An ihnen zeigte sich zunächst, wie sehr die Exegese beider von der jeweiligen konfessionellen Dogmatik bestimmt wurde. Schlink betonte zwar, es gehe nicht um „eine kontroverstheologische Darstellung der reformatorischen Lehre vom Ebenbild Gottes"7, auch nicht um eine Fortsetzung der Debatte zwischen Emil Brunner und der katholischen Lehre (siehe oben Anm. 2), sondern um die Darlegung der biblischen Aussagen. So begann er auch mit einer gründlichen, die vielfältigen exegetischen Positionen berücksichtigenden Exegese der ad. und ntl. Stellen zur G.. Bei der systematischen Auswertung jedoch interpretierte er die biblischen Aussagen ganz von der lutherischen Lehre von Gesetz und Evangelium, von der Rechtfertigungslehre und von der Lehre vom gerechtfertigten Menschen als simul iustus et peccator her. Damit argumentierte er zwar nicht explizit, jedoch implizit kontroverstheologisch, insofern er nämlich das lutherische Proprium der Rechtfertigungslehre als Deutungskategorie der biblischen Aussagen über die G. herausstrich. Auch Söhngen bezog die dogmatische Lehre der Katholischen Kirche in seine Auslegung ein. Er erhob aber von vornherein den Anspruch: „... die biblische Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen begegnet uns in der katholischen Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen."8

Sein gesamtes Referat war darauf ausgerichtet, den Einwand zu entkräften, daß gerade die Lehre von einer doppelten G. des Menschen nicht dem biblischen Zeugnis entspreche.9 Er versuchte, den Nachweis zu erbringen, daß die natürliche G. im AT, die übernatürliche G. im N T grundgelegt sei.10 Bezeichnend ist, daß beide Referenten bei ihrer Exegese gleich verfuhren, weitgehend dieselben Textstellen heranzogen und schließlich exegetisch zu denselben Ergebnissen kamen, während ihre dogmatischen Folgerungen grundverschieden waren. Beide nahmen ihren hermeneutischen Ausgangspunkt beim NT.11 6 Schlink, Edmund, Die biblische Lehre vom Ebenbilde Gottes, und Söhngen, Gotdieb, Die biblische Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen, beide abgedruckt in: Schlink, Edmund/Volk, Hermann, Pro veritate, Münster 1963, 1-23 und 23 ff. Söhngen wird im folgenden zitiert nach dem Erstabdruck in: MThZ 2/1951, 52-76. 7 Schlink, Edmund, Die biblische Lehre vom Ebenbilde Gottes, a. a. Ο., 1. 8 Söhngen, Gotdieb, Die biblische Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen, a.a.O., 52. 9 Vgl. a. a. O., 52: „Die geltende katholische Lehre kennt zweierlei Gottebenbildlichkeit im Menschen, ein natürliches und ein übernatürliches Gottebenbild im Menschen. Es scheint auch die Ansicht zu sein, in der diese katholische Lehre sprachlich und sachlich abseits von der entsprechenden biblischen Lehre gegangen ist. Und so treten wir hier vor das Grundproblem der katholischen Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen." 10 A.a.O., 52. 11 Vgl. Söhngen a. a. O., 57, seine vierte These lautete: „Der christliche Theologe vermag die natürliche Gottebenbildlichkeit immer erst von der übernatürlichen Gottebenbildlichkeit

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Grundlegend in den ntl. Aussagen war für beide, daß Christus das Ebenbild Gottes ist, und daß der Sünder durch die Verwandlung des ganzen Menschen in das Ebenbild Christi zum Ebenbild Gottes wird.12 Schlink sah aber die G. als Forderung an den Menschen (Lev 19, 2; Mt 5,48), die dieser selbst nicht zu erfüllen vermag, wozu ihn aber das Evangelium erneuert. D. h. G. ist Forderung und Gabe für den Menschen. Während Christus Gottes Ebenbild ist, ist G. für den Menschen immer Gottes Tat. (Gen 1; Rom 8; Kol 3). G. war von Anfang an Bestimmung des Menschen, nicht dessen Besitz. Schlink vertrat somit im Anschluß an die Aussagen über die Neuschöpfung im N T (1. Kor. 15, 45 ff.) und mit den griechischen Vätern Irenäus, Orígenes, und Athanasius ein teleologisches Verständnis der G. Während für den gefallenen Menschen G. immer Zuspruch der Verkündigung ist, ist der Glaubende bereits Gottes Ebenbild als der Gerechtfertigte, nicht aber als der, der noch sündigt.13 Schließlich lehnte Schlink es ab, das Humanum des Menschen, seine Personalität und Verantwortlichkeit, die ihn vom Tier unterscheiden, als imago Dei zu bezeichnen, da es dann etwas gäbe, was dem Sünder und dem gehorsamen Menschen gemeinsam ist. Er postulierte: „Wir müssen uns abkehren von der griechischen U m f o r m u n g der Lehre v o n den Entscheidungen Gottes über den Menschen in eine Lehre von den Eigenschaften und Möglichkeiten des Menschen." 1 4

Mit diesen Aussagen sprach sich Schlink pointiert gegen einzelne Bestimmungen der katholischen Lehre aus, wie sie Söhngen ausführte. Söhngen erläuterte, daß es nach katholischem Verständnis neben der durch die Sünde verlorengegangenen und durch die Christusebenbildlichkeit wieder hergestellten übernatürlichen Gottebenbildlichkeit noch eine natürliche gebe, die nach dem Zeugnis des AT in der Geistnatur des Menschen besteht, die er damit wesenhaft besitzt und die deshalb nicht verloren gehen konnte.15 Dieser abstrakt-metaphysische Naturbegriff des Aristoteles und der Stoa bekommt s. E. seine Berechtigung durch sein Vorkommen auch im NT. Das „physei" in Röm 2,14 führte er als Beleg an, für ein „gewisses biblisches Daseinsrecht" des Naturbegriffs. her einsichtig zu machen . . . Die Aussagen des Alten Testaments lassen sich klar und deutlich machen erst von den Aussagen des Neuen Testaments her." Zu Schlink vgl. a.a.O., 8/9: „Der Einsatz ist bei den neutestamentlichen Aussagen zu nehmen . . . Wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß in ähnlicher Weise, wie die alttestamentlichen Aussagen über König und Prophet, Priester und Opfer . . . sich im Neuen Testament als Hinweise auf die andere Wirklichkeit des Christus und seiner Gemeinde erweisen, so auch die alttestamentlichen Worte von der Erschaffung des Menschen zum Bilde und Gleichnis Gottes aus dem alttestamendichen Textbestand nicht voll erhellt werden können." a Schlink, a.a.O., 9-12; Söhngen, a.a.O., 57ff. 13 Schlink, a.a.O., 12-21. 14 A.a.O., 22. 15 Söhngen a.a.O, 54/55.

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Der Vergleich beider Standpunkte zeigt, daß der alleinige Rekurs auf die biblischen Aussagen wegen der unterschiedlichen dogmatischen Vorentscheidungen nicht weiterführte. Ist das, was Schlink als Humanuni des Menschen bezeichnete und Söhngen als dessen Geistnatur, als Bestandteil der imago Dei zu verstehen, der dem Menschen trotz seiner Sünde erhalten bleibt, oder besteht diese allein in der durch die Sünde verlorengegangenen Gottesbeziehung? Diese Frage kristallisierte sich nach den obigen Ausführungen als zentral heraus. Im Zusammenhang ihrer Beantwortung zeigte sich zum einen, daß das Urteil evangelischer Theologen über ein sich durchhaltendes „Humanuni" keinesfalls eindeutig war, zum anderen, daß in der Interpretation Volks das Festhalten an der bleibenden Kreatürlichkeit des Menschen nicht im Hinblick auf eine Selbstbehauptung des Menschen vor Gott bedeutsam war, was den Haupteinwand der evangelischen Seite entkräftete. Bei einer späteren Tagung zur Rechtfertigungslehre kritisierte Volk die lutherischen Bekenntnisschriften, weil in ihnen der totale Verlust der G. des Menschen durch die Sünde behauptet werde. Die Äußerungen zur Kreatürlichkeit des Sünders in FC I reichten ihm nicht aus. Vielmehr forderte er die Anerkennung einer auch im Sünder noch wirksamen Schöpfungsgnade, „auch wenn ein solcher Rest von Schöpfung keinerlei Anlaß zur Selbsterlösung ist."16 Die Auseinandersetzung um eine gratia elevans wurde damit fortgesetzt, aber keineswegs einer Lösung zugeführt. Als 1951 das „Wirken des Hl. Geistes in den Gläubigen" 17 thematisiert wurde, gestand man bei der Erörterung der Voraussetzungen des Geschöpfs für das Geistwirken evangelischerseits ein, keine eindeutige begriffliche Lösung für die Schwierigkeit parat zu haben, eine bleibende Geschöpflichkeit der Kreatur, die von Gott gut geschaffen wurde, und ihre völlige Durchdringung durch die Erbsünde gleichzeitig auszusagen. Joest zeigte deutlich die denkerische Schwierigkeit auf, die sich daraus ergibt, sofern man nicht das Böse in den Schöpfungsbegriff integriert, womit wiederum Gott als der Urheber des Bösen bezeichnet würde.18 Sein Versuch, vom personalrelationalen Ansatz Luthers her eine bleibende G. im Menschen insofern festzuhalten, als Gott den Menschen trotz seiner Sünde weiterhin als seine Kreatur betrachtet19, hat den Nachteil, daß die G. dann dem Menschen nicht real eignet, sondern nur aus der Sicht Gottes besteht. P. Brunner versuchte eine Lösung von einem doppelten Begriff der Treue Gottes her,

16 Volk, Hermann, Die Lehre von der Rechtfertigung nach den Bekenntnisschriften der ev.-luth. Kirche, in: Schlink, Edmund/Volk, Hermann (Hrsg.), Pro ventate, Münster 1963, 96-131, 102. Die Tagung fand vom 4.-7.4.1949 in Bad Driburg statt. v Es handelt sich um die 10. Tagung, die vom 12.-15.3.1951 in Kloster Hardehausen stattfand. 18 Vgl. bereits die Auseinandersetzung mit Flacius in FC I. 19 Prot. 10. Tagung, 21/22.

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seiner Urtreue bei der Erschaffung und seiner besonderen erhaltenden Treue dem Gefallenen gegenüber auf das Christusgeschehen hin.20 Eine wie auch immer geartete „doppelte Ebenbildlichkeit" wurde damit auch von evangelischer Seite anerkannt, nicht jedoch deren anthropologische Fixierung.21 Bornkamm gestand solche Treue Gottes nicht nur in seinem „Erdenken" der Kreatur, sondern auch im „Erdachten", also in der Kreatur selbst, nur insofern zu, als der Mensch im Paradox, d. h. in der Erfahrung, daß Gott ihn nicht los läßt, obwohl er los sein möchte, und ihn immer wieder in die Verantwortung ruft, sich als von Gott geprägter Mensch wahrnimmt.22 Katholischerseits hielt man zwar an der anthropologischen Verortung einer bleibenden G. fest, Volk äußerte sich jedoch aufgrund seines die ontologische und personale Beschreibungsweise der Theologie verbindenden Ansatzes insofern weiterführend, als er die bleibende Kreatürlichkeit des Menschen als dessen Wesen beschrieb, seine Beziehung und Ausrichtung auf Gott jedoch als das Wichtigere bewertete.23 Daß man sich hinsichtlich der imago Dei-Lehre aufeinander zu bewegt hatte, machte Bornkamm an den Voten von Brunner und Volk fest: „Brunner und Volk sind einander entgegengekommen. Volk sagt, die gratia creata hat in der Christologie ihren Grund, nicht in der Metaphysik. Brunner sagt, die Frage nach der essentia des Menschen ist nicht gleichgültig und nicht einfach durch die Frage nach der existentia zu ersetzen."24

Ansätze für das weitere Gespräch ergaben sich damit aus der Offenheit einiger evangelischer Theologen für eine stärkere Berücksichtigung der Kreatürlichkeit des Menschen in seiner Gottesbeziehung sowie aus der 20

Ebd., 22. Kinder, ebd., 24. 22 Ebd., 24. Joest hatte mit eben dieser Argumentation, daß der Mensch durch die Sünde in totaler Verkehrung lebt, gerade die Möglichkeit einer G. nach dem Sündenfall abgelehnt (ebd., 23/24). 23 Ebd., 24. Vgl. Volk, Hermann, Gnade und Person, in: ders., Gott alles in allem, Mainz 1961, 113-129, 121, und ders., Die theologische Bestimmung des Menschen, ebd., 62-85, 67. Er hielt zwar daran fest, daß die Beziehung auf Christus nicht das Wesen des Menschen ausmache, bezeichnete aber gleichzeitig das Wesen nicht als das Wichtigste des Menschen (a. a. O., 69). Kreatürlichkeit sei zwar systematisch gesehen die erste theologische Aussage über den Menschen, jedoch nicht das erste, was aus der Offenbarung deutlich werde und nicht das Wichtigste. Das ontologisch Schwächere könne das Höhere und Wichtigere sein. Kreatürlichkeit sei somit Grundlage, müsse aber offen sein für Heil und Unheil, Gnade, Sünde, Menschwerdung, Erlösung und eschatologische Vollendung (a.a.O., 63). 24 Ebd., 20. Brunner brachte sein Verständnis des essentia-Begriffs in Anlehnung an Sartre laut Protokoll so zum Ausdruck: „Die bleibende essentia ist Ausdruck der Treue Gottes. Zur essentia Adams tritt die Doxa hinzu - und dann die Erbsünde. Die essentia hominis steht immer in Verbindung mit unserem heilsoekonomischen Stadium. Ich kann nun allerdings nicht verstehen, was da für eine gratia elevans noch hinzutreten müsste, um den Menschen mit Gott in Verbindung zu bringen. Die Kreatürlichkeit des Menschen besteht aus seiner essentia und der ihm verliehenen doxa" (Prot, 19). 21

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Bewertung beider durch Volk. Außerdem erwies sich der Naturbegriff in seiner aristotelischen Ausprägung, wie er in der katholischen Theologie verwendet wird, als interpretationsfähig.25 Im Hinblick auf eine dem Geschöpf einwohnende gratia creata kam es zu keiner Verständigung. Volks Versuch einer christologischen Begründung wurde nicht diskutiert. Im Hintergrund dieser Auseinandersetzung standen bereits die Fragen nach dem Verhältnis von Wesen und Akt und von ontologischer und relationaler Denkweise und Begrifflichkeit, die bei späteren Tagungen separat behandelt wurden. Sie alle erwiesen sich als bedeutungsvoll für die Auseinandersetzung um das Wesen des Menschen im Angesicht Gottes und sollen deshalb im folgenden zur Darstellung kommen.26 Zunächst aber erscheint es folgerichtig, die Auseinandersetzung mit der Möglichkeit einer natürlichen G-otteserkenntnis als unmittelbare Fortsetzung und Ergänzung der Diskussion um die Gottebenbildlichkeit des Menschen aufzugreifen. 1.2. Möglichkeit und Grenzen natürlicher Gotteserkenntnis 1.2.1. Natürliche Gotteserkenntnis als Irrealis oder Potentialis?

Ausgangspunkt für die Diskussion um die Möglichkeit einer natürlichen Gotteserkenntnis 1947 war die Exegese von Rö 1,20. Die grundlegende Differenz bestand hierbei in der Frage, ob nach Rö 1 die Möglichkeit natürlicher Gotteserkenntnis als Potentialis oder als Irrealis aufzufassen sei. Während Schlink und Brunner im Anschluß an Luther die Auffassung vertraten, natürliche Gotteserkenntnis sei immer Nichtkenntnis und Vollzug des Abfalls von Gott und erst mit der Neuschöpfung gebe Gott auch das Können, vertraten Söhngen von katholischer aber auch Krüger von evangelischer Seite die Position, ein Sollen ohne Können sei sinnlos. Söhngen hatte im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur Gottebenbildlichkeit aus Rö 1,20 gefolgert, der Forderung einer natürlichen Gotteserkenntnis an die Heiden müsse deren Befähigung dazu aufgrund der ihnen verbliebenen natürlichen Gottebenbildlichkeit entsprechen, da nur dann die Verantwortlichkeit des Menschen zum Tragen komme.27 Er ließ jedoch nicht unerwähnt, daß der Mensch durch die Sünde diese seine natürliche G. in ihr Gegenteil verkehre und deshalb der göttlichen Offenbarung bedürfe. Er interpretierte so auch die Bestimmungen des I.Vatikanum im Kapitel De revelatione (Denz. 1785/1786): „Der erste Abschnitt lehrt auf Grund von Rö 1,20 die grundsätzliche Möglich25

Vgl. Volks Ausführungen dazu in Anm. 2 und Söhngen, Prot, 9/10. Die ebenfalls angeklungene Diskussion um das Verhältnis von Dogmatik und Exegese soll als Folgeproblem der ekklesiologischen Unterschiede erst gegen Ende des zweiten Teils als eigene Problematik aufgenommen werden. 27 Vgl. Söhngen, Gottlieb, Die biblische Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen, a. a. O., 74/75. 26

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keit einer sicheren Erkenntnis des Schöpfers aus Seinen Werken mittels des natürlichen Lichtes der Menschenvernunft. Der zweite Abschnitt trägt aber der tatsächlichen heilsgeschichtlichen Lage des gefallenen Menschen Rechnung und lehrt darum im sachlichen und wörtlichen Anschluß an Thomas von Aquin ... eine relative oder moralische Notwendigkeit der besonderen, eigendich götdichen Offenbarung . .." 28 Das Verhältnis von übernatürlicher und natürlicher G. beschrieb er mit Bonaventura: „... Analogiam entis ergo destruimus per analogiam fidei? Absit: sed analogiam entis statuimus. Jesus Christus est nostra analogia fidei assumens et reparans analogiam entis."29 Schlink und Brunner standen mit ihrer Ansicht in diesem Punkt, aber auch in anderen Fragen, häufig gegen die anderen evangelischen Teilnehmer. So auch in der Frage des Standpunktes, von dem aus Aussagen gemacht werden können. Entsprechend ihrer grundsätzlichen Ablehnung der natürlichen Gotteserkenntnis, postulierten sie, nur das Geschöpf, das von der Offenbarung getroffen sei, könne Aussagen über Gott machen, während Schlier und Krüger meinten, einen möglichen „Standpunkt außerhalb" vertreten zu müssen, damit eine „Verständigung mit der Welt" möglich sei und auch die Philosophie ihre Berechtigung habe. Schlier postulierte sogar eine G. als konstante Seinsbestimmung des Menschen. Söhngen stimmte Schlink hingegen sehr häufig zu.30 Die Möglichkeit natürlicher Gotteserkenntnis wurde also auch innerhalb der Konfessionen kontrovers diskutiert. Dennoch konnte Höfer den Gesprächsstand wie folgt zusammenfassen: „Nach dem Stande der Diskussion stehen sich offenbar die Meinungen der evangelischen und katholischen Vertreter der Tagung darin gegenüber, daß die evangelischen in der Behauptung der Möglichkeit einer natürlichen Gotteserkenntnis die Notwendigkeit und Hoheit der Erlösung allein durch Jesus Christus in Gefahr sehen, eine Erlösung, die alle Wege der Selbsterlösung schlechterdings ausschließt Die katholischen Vertreter befürchten, daß mit der etwaigen Leugnung der natürlichen Gotteserkenntnis die menschliche Existenz ihres Seins beraubt wird, daß der Mensch zur willenlosen Schachfigur im Spiel zwischen Gott und Teufel werde, der in keiner Weise verantwortlich zu machen ist" 31 a

A.a.O., 75. A. a. O., 76. 30 So brachte Schlink in seinem Bericht über die 3. Tagung 1947 an Hermann Sasse vom 25.3.47 (Korr Schlink) sein Bedauern über dessen Abwesenheit zum Ausdruck: „Es war ein überaus fruchtbares Zusammensein, sowohl menschlich wie sachlich, und ihre Teilnahme hätte gewiß geholfen, das Ganze noch stärker zu profilieren; denn in dem Gespräch über die Gottebenbildlichkeit und die natürliche Gotteserkenntnis waren Peter Brunner und ich inmitten der evangelischen Delegation manchmal recht einsam und es ergab sich gelegentlich, daß Söhngen der reformatorischen Lehre näher stand als Berneuchen." 31 Prot., 10. 29

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Zur Strukturierung des Gesprächs und „um die Möglichkeit eines etwaigen Consensus z u den strittigen Punkten der natürlichen Gotteserkenntnis festzustellen" 32 stellte Schlink 7 Thesen zur Diskussion, die in folgender Fassung von allen akzeptiert wurden: 33 „1. Gott gibt sich allen Menschen in der Schöpfung zu erkennen und fordert von ihnen die Anerkennung dessen, was Gott von sich zu erkennen gibt (Rö 1,20).

2. Die Heiden erkennen Gott auf Grund dieser seiner Selbstbezeugung. 3. Indem die Heiden Gott ausnahmslos nicht als Gott wahrhaben wollen, erweist sich ihre Gotteserkenntnis ausnahmslos als schuldhaftes Nichtwissen.34 4. Damit sind nicht die relativen Unterschiede zwischen richtigen und falschen Einsichten innerhalb dieses ausnahmslosen Nichtwissens Gottes, sowie die relativen Unterschiede zwischen guten und bösen Werken innerhalb der allgemeinen Sünde des Ungehorsams gegen Gott aufgehoben. 5. Diese Weisheit und diese guten Werke des Heiden sind für den Glauben an das Evangelium, d.h. für den Empfang der Gnade Gottes in Christus in keiner Weise eine günstigere Voraussetzung als Vermessenheit und böse Werke. 6. Der in seinen Werken sich offenbarende Schöpfer wird ohne Verkehrung erkannt nur in Jesus Christus. 7. Gott schenkt mit seiner Offenbarung in der Schöpfung nicht die Rettung von Sünde, Tod und Teufel und wirkt nicht durch die die Anerkennung, die er durch die natürliche Gotteserkenntnis fordert" Im Anschluß an die 5. These bemängelten Volk und Söhngen deren irenischen Charakter. Volk sprach sich dafür aus, in einer These auch die Differenzen, die zweifelsohne noch bestünden, zu formulieren. 35 Diese sah Söhngen vor allem darin, daß „die natürliche Theologie nach katholischem Verständnis als Unterlage des Glaubens zu gelten hat". 36 Gegenüber diesen Einwänden wurde nochmals die Intention der Thesen erläutert: 32

Ebd., 10. Ebd., 10-13. 34 Diese These war ursprünglich formuliert: „Indem die Heiden Gott ausnahmslos nicht anerkennen, ist ihre Gotteserkenntnis ausnahmslos schuldhafte Nichtkenntnis Gottes." Krüger und Schlier legten jedoch Rö 1 gegen Schlink so aus, daß es eine Erkenntnis Gottes sehr wohl gebe, daß aus ihr aber nicht die Konsequenz gezogen werde, Gott die Ehre zu geben. Schlier schlug deshalb die im endgültigen Text vorgenommenen Änderungen vor (a.a.O., 10). 35 A. a. O., 12: „ Volk vermutet bei der erstaunlichen Übereinstimmung in den Auffassungen dennoch grundlegende Differenzen, die doch auf ein verschiedenes Verständnis der Gottesebenbildlichkeit schließen lassen. Man müßte fragen, was hat Schlink in diesen Thesen ausgelassen? Müßte nicht eine These gefunden werden, die diese vermeindichen Differenzen in den Auffassungen klar zum Ausdruck bringt, die als Klammer aller hier gemachten Aussagen zu verstehen wäre?" 36 A.a.O., 12: „Aber Söhngen pflichtet dem Anliegen Volks lebhaft bei. Wird eigentlich von den evangelischen Theologen erkannt, daß die natürliche Theologie nach katholischem Verständnis als Unterlage des Glaubens zu gelten hat, .damit die Taube des Heiligen Geistes umso leichter fliege'? Das Erlösungswerk Gottes soll also gerade nicht verkleinert, sondern 33

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„Es wird allgemein darauf hingewiesen, daß es in diesem Gespräch nicht darum geht, ein compendium doctrinae neu zu schaffen, dem dann eine verbindliche Lehrautorität zukäme. Die von Schlink aufgestellten Thesen sollen dem Versuch dienen, das Gemeinsame in den Lehraussagen beider Konfessionen herauszustellen."37 Obwohl die Einwände von katholischer Seite gegenüber den Thesen durchaus berechtigt waren, ist doch bemerkenswert, daß diese mit der oben zum Ausdruck gebrachten, ihnen zugrundeliegenden Intention allgemein akzeptiert wurden. Damit wurde evangelischerseits eine natürliche Gotteserkenntnis nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern als Reaktion auf Gottes Offenbarung in der Schöpfung anerkannt, sofern die Offenbarung durch Christus in ihrer soteriologischen Funktion als allein ausschlaggebend angesehen und die nur aus ihr resultierende wahre, unverkehrte Gotteserkenntnis deutlich von der natürlichen unterschieden werde. Die innerevangelische Auseinandersetzung um These 3 zeigt freilich, daß die Meinungen je nach dem persönlichen Standpunkt der evangelischen Teilnehmer darin auseinandergingen, ob natürliche Gotteserkenntnis grundsätzlich möglich ist, jedoch faktisch nicht wahrgenommen wird, oder dem Menschen infolge der Sünde gänzlich verwehrt ist. Hierbei wurden die Konsequenzen aus den oben dargestellten unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Gottebenbildlichkeit des Menschen sichtbar. Die Kritik an These 3 wandte sich damit ebenso gegen die deutliche Handschrift Schlinks wie die Kritik an These 5.38 Deren zugespitzte Formulierung erfüllte ihren Zweck: Am Widerspruch zeigte sich, daß die Frage, ob und inwiefern die natürliche Gotteserkenntnis als positive Voraussetzung für die volle Gotteserkenntnis und damit für den Glauben fungieren kann oder nicht, zwischen Katholiken und Lutheranern noch strittig war und damit die Übereinstimmung hinsichtlich der ausschließlichen Bedeutung der Offenbarung durch Christus für die wahre Gotteserkenntnis in letzter Konsequenz noch in Frage stand.

groß gemacht werden. Söhngen sieht das unterschiedliche Verständnis in dem ganzen Fragenkomplex in dem Verhältnis von gratia elevans und gratia sanans. Die katholische Theologie unterscheidet zwischen diesen Gnaden, die evangelische Theologie kennt eine gratia elevans nur als gratia sanans." 37 A.a.O., 12. 38 Auffallend ist auch, daß Schlink bewußt bei der Offenbarung Gottes durch seine Schöpfung einsetzte und nicht bei der Fähigkeit des Menschen, sie zu erkennen!

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1.2.2. Natürliche Erkenntnis der Ordnungen Gottes und das Naturrecht Die Diskussion wurde fortgesetzt, als man 195339 die Berechtigung eines Naturrechts erörterte. Den exegetischen Ausgangspunkt bildete dann nämlich Rö 2,14-16, die zweite für eine Begründung natürlicher Theologie relevante Bibelstelle neben Rö 1,20, die speziell die Erkenntnis der Gesetze Gottes in den Blick nimmt. Sowohl Otto Kuss katholischerseits als auch Günther Bornkamm als evangelischer Referent kamen zu dem Ergebnis, daß nach Rö 2,14-16 den Heiden die Fähigkeit der Gesetzeserkenntnis zugesprochen wird, nicht erst den getauften Heidenchristen. Einvernehmlich wandten sich beide gegen „Fehlinterpretationen" evangelischer Exegeten, die im Gefolge Karl Barths jeden Hinweis auf eine natürliche Offenbarung Gottes im N T bestritten. Vor allem F. Flückiger hatte, wie Barth, im Anschluß an Augustin und unter Berufung auf Jer 31, 33 die Stelle auf das eschatologische Gottesvolk bezogen und die Forderung des Gesetzes, die nach Vers 15 in die Herzen geschrieben ist, als Gottes Werk an den Heiden bezeichnet, aufgrund dessen sie gerecht sind.40 Bornkamm lehnte aber auch die gegenteilige Deutung M. Lackmanns ab, nach der der Mensch der Schreiber der Forderung des Gesetzes im Herzen und somit verloren ist, weil er durch Werkgerechtigkeit sein Heil sucht Während Bornkamm zwar eingehend die Aufnahme des griechischen lex naturae-Gedankens an dieser Stelle schilderte, jedoch deren Umdeutung durch den Gerichtsgedanken dahingehend hervorhob, daß für Paulus die Gesetzeserkenntnis immer eine durch die Sünde gebrochene sei41 - was auch aus dem Kontext der Stelle Rö 1,18-3, 20 hervor39 Es handelt sich um die 14. Tagung vom 29.9.-3.10.53 in Paderborn. Ev. Teiln.: Stählin, Asmussen, Bornkamm, Brunner, Friedrich, v. d. Gablentz, Menn, H. H. Wolf; Prot. Mumm. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Buuck, Gewieß, Hasenkamp, Hirschmann, Kuss, Lortz, Pieper, Rahner, Rosenmöller, Söhngen, Volk, Warnach; Prot. Dolch. Auffallend ist die geringe Teilnehmerzahl auf ev. Seite. Schlink hatte sich wegen seines Rektoratsantritts entschuldigt (Schlink an Höfer, 16.9.53, Korr Schlink), von Campenhausen und Joest hatten aus unbekannten Gründen ebenfalls abgesagt (Schlink an Stählin, 19.9.53, Korr Schlink). Evangelischerseits sollten in Anbetracht der rechtlichen Thematik zwei Gäste dazugebeten werden: Schweitzer, weil er ökumenische Arbeiten [des ORK?, Anm.d. Vf.] über das Rechtsproblem geleitet hatte (Stählin an Höfer, 1.8.53, Korr EvAk), und Staatssekretär Dr. jur. Walter Strauß (Bonn) auf Empfehlung von v. der Gablentz, der ihn als einen der ersten Juristen und lebendiges und aktives Glied der Evangelischen Kirche kannte und wußte, daß Strauß selbst Wert auf die Teilnahme legte. Ein evangelischer Jurist sei deshalb nötig, weil die Katholiken „Personalunionen zwischen Jurisprudenz und Theologie" hätten (von der Gablentz an Stählin, 8.7.53, Korr EvAk). Beide waren letztendlich aber doch nicht zugegen. ** Vgl. Bornkamm, Günther, Gesetz und Natur, in: ders., Studien zu Antike und Christentum, München 1959, 93-118, 106-109 und Kuss, Otto, Die Heiden und die Werke des Gesetzes, in: MThZ 5/1954, 77-98, 77/78. 41 Vgl. Bornkamm a.a.O., 117/118: „Deutlich ist jedenfalls, wie unsere Auslegung gezeigt hat, daß Paulus in Röm 2, 14 f. nicht nur Einzelheiten des Vokabulars, sondern ein in sich zusammengehörendes Gedankengefüge aus der Tradition der heidnischen theologia naturalis positiv aufnimmt, ihm aber durch die Beziehung auf Gottesgesetz und Gericht eine neue,

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gehe - wies Kuss darauf hin, daß Paulus in R ö 1-3 gemäß dem Skopus seiner Argumentation ein einseitiges Bild der Heiden zeichne, wenn er davon ausgehe, daß nicht einmal einige wenige der Forderung in ihrem Herzen Folge leisten. Vielmehr wüßten alle erst von daher, was sie zu tun haben, daß einige es wirklich tun. Dann aber könne die Möglichkeit der natürlichen Gesetzeserkenntnis, wie es der Lehre des Vatikanum I entspricht, nicht vollständig zerstört sein, wenngleich das Heil aus eigener Kraft nicht zu erwirken sei.42 Von dieser Position her würdigte er positiv den theologischen Ansatz von Paul Althaus, der von einer Uroffenbarung Gottes vor dem Wirken des Evangeliums ausgeht, und Rudolf Bultmanns Ausführungen zum Anknüpfungspunkt im Menschen. 43 Deren Positionen wurden jedoch von keinem der evangelischen Arbeitskreismitglieder vertreten. Vielmehr waren auch die übrigen Mitglieder des Evangelischen Arbeitskreises, sofern sie sich äußerten, derselben Meinung wie Bornkamm: Von Rö 2 , 1 4 - 1 6 her muß von der Möglichkeit einer natürlichen Gesetzeserkenntnis gesprochen werden, die jedoch immer von der Sünde gebrochen und verkehrt ist Somit kamen zwar unterschiedliche evangelische Interpretationen zur Sprache. Die Haltung des Evangelischen Kreises entsprach aber der, die von der Mehrheit bereits im Zusammenhang mit der Erörterung einer natürlichen Gotteserkenntnis eingenommen worden war. 44 Im Grunde nahm man eine mittlere Position ein. Natürliche Gotteserkenntnis wurde

völlig ungriechische Deutung und Ausrichtung gibt Die Gedanken jener theologia naturalis lassen sich damit nicht mehr ad maiorem gloriam hominum mißbrauchen. Das bedeutet theologisch, daß also auch eine ontologiche Ausgliederung dessen, was etwa noch als intakter Bestandteil im Menschen behauptet werden könnte - ein Interesse, das bekanntlich die katholische Theologie beharrlich verfolgt - , sich nicht auf Paulus berufen kann; sie wird durch den Gerichtsgedanken in Frage gestellt. Ebenso abwegig und unpaulinisch ist freilich die in der protestantischen Theologie neuerdings verbreitete Tendenz, die positive Aufnahme der Gedanken der antiken theologia naturalis hier und an anderen Stellen bei Paulus generell zu bestreiten." Vgl. Kuss, a.a.O., 90/91 und 82. Kuss war sich freilich der Differenzen zwischen Bultmanns Ansatz und dem katholischen bewußt: „ . . . wie schwer auch immer die Verwundung des Menschen ist, auf den hin Gott sein Heilswerk in Gang bringt, es ist doch keine völlige Vernichtung der Möglichkeit oder Wirklichkeit einer Gotteserkenntnis und eines sitdichen Gesetzes. Aber eine solche Folgerung würde der dogmatischen Tendenz Bultmanns vermutlich schon widersprechen; . . . " (a.a.O., 82). Vgl. auch 79-81. 44 Sehr deutlich läßt sich an dem Uberblick über die Vielfalt „evangelischer" Positionen zur Frage der natürlichen Theologie die einseitige Zusammensetzung des Evangelischen Arbeitskreises oder zumindest die Dominanz der Heidelberger Theologen aufzeigen. Die Positionen von Barth, Bultmann und Althaus kamen in der zusätzlich von Brunner und Volk dominierten Diskussion nicht oder nur ansatzweise zur Sprache. Dolch schrieb an Mumm am 16.11.53 (Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr EvAk), das Anliegen mancher Teilnehmer sei bei der zügigen und konzentrierten Diskussion nicht zum Zuge gekommen, weil das Gewicht von Brunner und Volk zu groß gewesen sei. 42 43

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vom biblischen Befund her nicht grundsätzlich abgelehnt, jedoch ohne die Offenbarung durch Christus nur in ihrer Verkehrung als möglich erachtet Es ging nun aber zusätzlich um die Frage, ob Rö 2,14-26 und Rö 1,18 dasselbe meinen, oder ob Rö 2,14-16 lediglich die Erkenntnis der Ordnungen Gottes meint, nicht aber die Erkenntnis Gottes selbst. Von katholischer Seite wurde als Hauptargument für eine wirkliche Gotteserkenntnis nach Rö 2 angeführt, daß der natürliche Mensch nur dann unentschuldbar sei, wenn er die Schöpfungsordnung als Ordnung Gottes erkennen könne.45 Evangelischerseits wurde zwar anerkannt, daß die Heiden die Gesetzeswerke tun können, ja sogar, daß sie dadurch in Berührung mit der Realität Gottes kommen und ihn als den unsichtbaren wahrnehmen, aber es wurde bestritten, daß sie die volle Gotteserkenntnis gewinnen können.46 Kontrovers war also nicht, ob es Gotteserkenntnis für die Heiden gibt, sondern wie weit diese reicht. Dabei wurde jetzt katholischerseits selbstkritisch angemerkt, daß man die Grenzen der natürlichen Gotteserkenntnis stärker betonen müsse, während evangelischerseits eher die Gefahr bestehe, sie nicht als Möglichkeit zu akzeptieren.47 Als Ursache der evangelischen Haltung wurde von katholischer Seite erneut die enge Verbindung von Gotteserkenntnis und Heil vermutet, die so in der katholischen Theologie nicht hergestellt werde. Zwar sei auch die natürliche Erkenntnis Wirkung der Gnade, aber zwischen der „heilshaften Begegnung mit Gott" und der „Erkenntnisbegegnung" werde unterschieden, wenn auch nicht getrennt.48 Die 45

Prot., 11 Rahner und 14 Lortz. Prot., 13 Brunner, 14 und 19 Bornkamm. Vgl. Brunner, Peter, Gotteserkenntnis, in: ders., Pro ecclesia I, Berlin/Hamburg 1962, 96-107. Brunner geht hier davon aus, daß in dem Soll, das von Gott ins Herz geschrieben wurde, Gott erblickt werden kann. Er hält es aber für fraglich, ob er damit schon erkannt ist, oder genauer, ob die Relation erkannt ist, in der der Mensch zu Gottes gebietendem Willen steht und ob mit der Gestalt des Sollens bereits der Inhalt des gebietenden Willens Gottes erkannt ist sowie die Bedeutung des Nichttuns des Willens für das Gottesverhältnis. Er betont, daß der entscheidende Schritt in der Gotteserkenntnis auf einer anderen Ebene liegt als der von Wahrnehmung und Denken, insofern nämlich, als Gott als der erkannt werden muß, von dem die Überlieferung zeugt (101/102). Vgl. auch Schlink, E., a.a.O., 2: „Der natürliche Mensch kennt zwar Gottes Gesetz, aber er verkennt es gerade im Entscheidenden, nämlich als Gottes Gesetz." Auch er betont, daß die natürliche Gotteserkenntnis „nicht zur Erkenntnis des in seinen Werken sich offenbarenden Gottes" führt, sondern allein das Wort (These I und II, 6 und 8). 47 Prot., 14/15 Rahner. 48 Prot., 16 Volk. Volk nahm damit auf, was Söhngen 1947 in der Begrifflichkeit der katholischen Gnadenlehre mit der Verhältnisbestimmung von gratia elevans und gratia sanans zum Ausdruck gebracht hatte (siehe oben Anm. 36). Kuss machte das sola scriptura-Prinzip für die Abwertung bzw. Eliminierung der Lehre von der natürlichen Gotteserkenntnis oder des Naturrechts unter evangelischen Theologen verantwortlich: „...für wen also die Dogmatik mit der von ihm für richtig oder möglich gehaltenen Theologie des Neuen Testamentes im wesentlichen identisch ist, der wird keine besonders großen Schwierigkeiten haben, Stellen wie die hier besprochenen sehr weit, bzw. noch weiter an den Rand zu schieben oder ganz zu eliminieren. Wer jedoch das Prinzip der sola scriptura aus einer ganzen Reihe von schwerwiegenden Gründen für verfehlt und 44

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Befürchtung der evangelischen Seite, in der katholischen Theologie werde eine organische Entwicklung von der natürlichen zur übernatürlichen Erkenntnis hin angenommen und nur darin sei das katholische Interesse am Naturrecht begründet, wurde katholischerseits als unbegründet angesehen.49 Ging es bis dahin vor allem um die Vielfalt der evangelischen Auffassungen zum Thema, so wies Rahner jetzt darauf hin, daß es auch unter katholischen Theologen unterschiedliche Meinungen darüber gebe, wie weit die außer Frage stehende natürliche Erkenntnis von den Menschen realisiert werden könne. Den optimistischen stünden die eher pessimistischen wie Urs von Balthasar gegenüber, die der evangelischen Position sehr nahe kämen.50 Bei den katholischen Teilnehmern des Arbeitskreises überwog die Anerkennung der Gebrochenheit oder „Niedergehaltenheit" der natürlichen Gotteserkenntnis.51 Die Berücksichtigung des breiten Spektrums der Auffassungen evangelischer und katholischer Theologen hinsichdich der Möglichkeit natürlicher Gotteserkenntnis erbrachte damit, daß diese Frage keineswegs eine rein kontroverstheologische zwischen den Konfessionen ist, sondern auch innerhalb der Konfessionen unterschiedlich beantwortet wird. Dadurch wurde der herkömmliche konfessionelle Gegensatz relativiert und es entstand eine offene Gesprächssituation. Innerhalb des Arbeitskreises hatte man sich soweit verständigt, daß vor allem noch das Maß an Gebrochenheit natürlicher Gotteserkenntnis und deren Bedeutung für die Begegnung mit der Christusoffenbarung strittig war.

auch für praktisch undurchführbar hält, wird zugeben können..., daß sich auf so ,zufälligen' Nebenbemerkungen wie Röm 1,19-21 oder Röm 2,14.15 eine Lehre von der natürlichen Gotteserkenntnis, bzw. vom Naturgesetz und vom Naturrecht im katholischen Sinne , aufbauen' läßt, wenn nur nicht im geringsten bestritten wird, daß es wirkliches Heil vor Gott einzig und allein durch Jesus Christus gibt" (a. a. O., 96/97). Kuss wendet sich hier vor allem gegen Schlink, der in seinem Aufsatz „Die Offenbarung Gottes in seinen Werken und die Ablehnung der natürlichen Theologie", in: Theolog. Blätter 20/1941, 1-14, in Auseinandersetzung mit Althaus und in Ablehnung der Haltung der Deutschen Christen gegen jede Art von natürlicher Theologie angeht, da die Bekenntisschriften als verbindliche Auslegung der Schrift die natürliche Gotteserkenntnis nicht als eigenes dogmatisches Thema kennen, sondern im Rahmen der Lehre von Gesetz und Evangelium behandeln. Sie gehen davon aus, daß Gott durch die Evangeliumspredigt als der in seiner Schöpfung offenbare aber bisher nicht erkannte wahrgenommen wird. Ein Lehrstück von Gottes Offenbarung in den Werken lehnt er auch vom Duktus der ntl. Stellen her ab. Exegetisch bewegt er sich hier auf derselben Linie wie Bornkamm. Vgl. vor allem a.a.O., 1, 6 und 13. 49

Prot., 12/13 Asmussen/Rahner. Vgl. Schlink, a. a. O., 9, These III: „Nicht die natürliche Gotteserkenntnis, sondern der heilige Geist ermöglicht die Erkenntnis des in seinem Wort sich offenbarenden Gottes." Und weiter: „Die natürliche Gotteserkenntnis steht in praxi immer gegen das verkündigte Evangelium, sie ist nicht Vorstufe, sondern Feind des Wortes Gottes, nicht Vorbereitung auf den Glauben, sondern Irrglauben." 50 Prot., 11 Asmussen und 13 Rahner. 51 Prot., 18/19 Rahner und Volk.

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In Anbetracht dessen wurde die Thematik des Naturrechts wesentlich unter dem Aspekt der Erfüllbarkeit naturrechtlicher Forderungen durch den Menschen behandelt. Auf seine Konkretionen in den Bereichen des Familien- und Eigentumsrechts oder der Politik ging man ebensowenig ein, wie auf die noch vorher zu erörternde Frage, ob die theologische Fundierung überhaupt bis in die Inhalte des Rechtes hineinzureichen habe.52 Gegenstand der Erörterung war vielmehr zunächst, inwiefern in Anbetracht der Gefallenheit des Menschen überhaupt theologisch von Naturrecht gesprochen werden kann. Brunner ordnete in diesem Zusammenhang das Naturrecht in die Lehre von der Erhaltung der Welt ein, die auch abgesehen von der Sünde fragt, wieso das Geschaffene in seiner geschichtlichen Existenz außerhalb der Gnade von Gott erhalten wird und wollte lieber von Ordnungen oder Anordnungen Gottes als von natürlichen Ordnungen reden. Von katholischer Seite kam dennoch der Einwand, die evangelische Lehre von der Natur stehe zu sehr unter dem Einfluß der Sündenlehre.53 Ungeklärt war also zum einen, ob es von Gott kommende Ordnungen gibt, die der Natur einwohnen, so daß von natürlichen Ordnungen gesprochen werden kann, zum anderen, ob Ordnungen Gottes als Folge der Sünde oder generell für die Erhaltung der Schöpfung notwendig sind. In diesem Zusammenhang stellte sich dann die Frage der Erfüllbarkeit der naturrechtlichen Forderungen an den Menschen. Nach evangelischer Auffassung erfährt der Mensch gerade im Tun des Gesetzes sein Unvermögen, es wirklich einzuhalten. Das ins Herz geschriebene Gesetz erfüllt damit die Funktion des Gesetzes im reformatorischen Sinn. Nur in Christus kann das Gesetz wirklich erfüllt werden.54 Bezüglich des ins Herz geschriebenen Gesetzes ging man katholischerseits von einer zumindest teilweisen Erfüllbarkeit durch den Menschen aus. Es wurde aber betont, daß es keine naturrechtliche Selbstbehauptung gegenüber Gott, sondern nur ein Naturrecht im Verhältnis der Menschen untereinander gebe.55 Das Ergebnis faßte Hirschmann wie folgt zusammen: „Drei Begriffe sind bedeutsam: 1 ) Naturrecht in Beziehung zur Geschöpflichkeit, natura-creatura. Der evangelische und der katholische Standpunkt stimmen hier weitgehend überein. Evangelische Christen können unseren Gebrauch des Na-

52 So die Diskussionsvorschläge von v. der Gablentz und Mumm, die jedoch nicht aufgenommen wurden. P r o t , 25 und 27/28. 53 Prot., 32/33. 54 P r o t , 36 Brunner. Volk versuchte zu zeigen, wie von seinem (dem katholischen) Standpunkt aus eine Nichterflillbarkeit des Gesetzes unabhängig von der Sündhaftigkeit des Menschen behauptet werden könne, indem nämlich der Mensch als Wesen zu verstehen sei, das nicht ohne Gnade zu seiner Personstruktur in ihrer Finalität gelangen könne (siehe oben!). 55 Prot., 35 und 37.

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turrechtsbegriffes verstehen. 2) Naturrecht und Sündigkeit - hier sind wir nicht ganz klar geworden. Naturgesetz und Gottes Richten sind noch nicht genügend abgeklärt. Muss man nicht auch im Bereich des noch nicht gefallenen Menschen von Naturrecht reden? 3) Naturrecht und Christus - hier muss das Gespräch noch weitergehen."56 Die Erörterungen ergaben damit, daß beide Seiten Anordnungen Gottes für den Umgang der Geschöpfe miteinander als Teil seines erhaltenden Handelns kennen. Hinsichtlich der Einhaltung dieser Ordnungen durch den Menschen erwies sich wieder als ungeklärt, ob der natürliche Mensch aufgrund seiner Konstitution die Gebote Gottes befolgen kann. Von Bedeutung war deshalb die Bemerkung von katholischer Seite, es könne keine naturrechtliche Selbstbehauptung des Menschen vor Gott geben. Sie zeigt, daß beide Seiten in ihrer Haltung gar nicht so weit auseinander waren. Eine Befähigung des Menschen, die Gebote Gottes zu befolgen - im Sinne des usus legis civilis, d. h. im gesellschaftlichen und privaten Umgang miteinander - wird ja evangelischerseits, z.B. in der CA, ausdrücklich festgestellt. Abgelehnt wird nur die Fähigkeit des Menschen, durch die Erfüllung der Gesetze Gottes im Hinblick auf sein Heil etwas erwirken zu können.57 Nach katholischem Verständnis gibt es jedoch keinen usus elenchticus des Gesetzes im Sinne der reformatorischen Lehre von Gesetz und Evangelium, weil der Zusammenhang zwischen der Befolgung des Gesetzes Gottes und dem Heil des Menschen so nicht hergestellt wird.58 1.2.3. Gottes Erhaltungswille gegenüber Nichtchristen und das Verhältnis des Christentums zu anderen Religionen Die Frage nach der Möglichkeit einer natürlichen Gotteserkenntnis außerhalb der Christusoffenbarung zieht diejenige nach der Universalität des göttlichen Heilswillens nach sich und ist damit nicht nur für eine allgemeine Stellungnahme zum Verhältnis von Christen und Nichtchristen bedeutsam, sondern insbesondere auch für das Verhältnis des Christentums zu nichtchristlichen Religionen. Als man 196459 diese Thematik aufgriff, stellten 56

Prot, 37. Vgl. CA XVIII Vom freien Willen, BSLK 73/74. 58 An dieser Thematik tritt ein durchgängiges Problem des ökumenischen Dialogs offen zutage: Vergleichbare Sachverhalte können in den einzelnen Konfessionen in unterschiedlichen dogmatischen Zusammenhängen zur Sprache kommen. Eine Lehre vom Naturrecht gibt es im Aufbau einer evangelischen Dogmatik nicht Für einen Vergleich zog man deshalb evangelischerseits die Lehre von der Erhaltung des Menschen durch Gott und die Lehre von Gesetz und Evangelium heran, die sich beide mit den Ordnungen Gottes befassen. Es handelt sich hierbei um eine Vorgehensweise, die von Schlink später als Methodik für das ökumenische Gespräch empfohlen wurde und die er in seiner Ökumenischen Dogmatik aufnahm (Göttingen 1983). 59 Es handelt sich um die 25. Tagung, die vom 16.-20.3.64 in Heidelberg unter dem Thema „Das theologische Problem der nichtchristlichen Religionen" abgehalten wurde. Kath. Teiln.: 57

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vor allem die evangelischen Teilnehmer den Zusammenhang her, indem sie von Rö 1 her argumentierten, die Religionen reagierten falsch auf die Offenbarung und heidnische Religionen entstünden überhaupt aus der Verkennung der Urwahrheit 60 Die Mehrheit aller Anwesenden wandte sich in Ablehnung der Lehre Karl Rahners vom „anonymen Christentum"61 und Karl Barths, nach dem nach Christi Tod und Auferstehung alle Menschen gerechtfertigt sind und der kirchlichen Verkündigung nur noch die Aufgabe zukommt, dieses Faktum bewußt zu machen62, gegen eine universale Heilsverbindung von Nichtchristen mit Christus, nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Abwertung der Mission.63 Es wurde letztendlich unterschieden zwischen dem Schöpfungs- und Erhaltungswillen Gottes, der sich auf alle Menschen richte, und dem Heil durch Christus, das es nur für den Christen gebe.64 War man zunächst davon ausgegangen, daß es doch bezüglich des „Anknüpfungspunktes" eine konfessionelle Kontroverse geben müsse, ebenso bezüglich der Offenheit des natürlichen Menschen auf Gott hin und hinsichtlich der theologischen Qualifikation von Akten religiöser Menschen65, so zeigte sich, daß die Differenzen in der theologischen Bewertung anderer Religionen ebenso quer durch die Konfessionen gingen, wie die oben aufgezeigten Positionen hinsichtlich der Möglichkeit einer natürlichen Gotteserkenntnis. Exegetisch kam man bezüglich der biblischen Aussagen über die anderen Religionen zu denselben Ergebnissen. In der dogmatischen Diskussion zeigte man

Volk, Fries, Höfer, Lortz, Pieper, Ratzinger, Schelkle, Schnackenburg, Söhngen, Warnach, Ziegler, Prot. Krems, entschuldigt: Jaeger, Grosche, Mörsdorf, Schmaus, Rahner. Ev. Teiln.: Stählin, Dietzfelbinger, Schlink, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, Joest, Kinder, E. Lohse, Pannenberg, Schumann, Westermann, Wolf, Gast: Bischof Prof. D. Heinrich Meyer, Prot. Mumm, entschuldigt: Anz, Lau, Skydsgaard, Wendland, Harms. Lau war verhindert, Harms hatte mit Rücksicht auf eine andere Verpflichtung, die regelmäßig zur selben Zeit stattfand, seinen Verzicht angeboten. Stattdessen kooptierte der Evangelische Arbeitskreis Bernhard Lohse als Reformationsgeschichtler (Prot, 5 und 35). 60 Meyer, Prot., 22, Brunner, 23/24, Greeven, 38, Joest, 37/38. 61 Vgl. Rahner, Karl, Das Christentum und die nichtchristlichen Religionen, in: ders., Schriften zur Theologie V, 136-158. 62 Vgl. Schlinks Vorstellung der Entwürfe, Prot, 27/28, auch die von Heinz Robert Schiette und Anita Röper. Pannenberg wandte gegen Barths Entwurf ein, nicht alles dürfe auf Christus bezogen werden, ohne geschichtliche Vermitdung. ö Schlink, Prot. 28, Brunner, 24, Meyer, 43/44. 44 Vgl. Prot., 35-37. Brunner erörterte, die Inkarnation dürfe nicht in dem Sinne zu einem ewigen Prinzip gemacht werden, daß überall, wo Christus handelt, auch das durch Kreuz und Auferstehung gewirkte Heil sei. Differenzen im Inkamationsverständnis klangen häufig in den verschiedensten Argumentationszusammenhängen an, wurden jedoch nie eigens thematisiert, obwohl Schnackenburg gerade bei dieser Tagung als Themenvorschlag für zukünftige Tagungen „Die Inkarnation in ihrer Bedeutung für Kirche und Welt" vorgeschlagen hatte (Prot, 26/27). Dies ist ein Desiderat vor allem auch im Hinblick auf die Ekklesiologie. 65 Volk, Prot., 42.

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zunächst große Toleranz und Akzeptanz gegenüber nichtchristlichen Religionen66, bis vom biblischen Befund her Widerspruch erhoben wurde. Exegetisch wurde das AT auf das Verhältnis des Gottes Israels zu den anderen Göttern hin untersucht und festgestellt, daß darin sowohl eine positive Beurteilung der Völker als auch die Ablehnung von deren Göttern als „Nichtse" statthat, sowohl ein Universalismus - insofern, als Jahwe Herr aller Völker ist - als auch ein Partikularismus - insofern, als Israel als dem erwählten Volk besondere Fürsorge zukommt.67 Westermann hatte das Verhältnis des Jahwe-Glaubens zu den anderen Religionen von der Grundstruktur des Jahwe-Glaubens her bestimmt, von dem zwischen Jahwe und seinem Volk Geschehenden. Dieses für Israel Eigentümliche besteht für Westermann in Gottes Rettung aus Ägypten, wie sie seiner Meinung nach im Kern des AT, in Ex 1-15, beschrieben ist. Mit dieser Tat habe die Geschichte Gottes mit seinem Volk begonnen, die den Charakter des Ausschließlichen getragen habe. Sie habe sich jedoch innerhalb der Geschichte der Religionen vollzogen, innerhalb von deren Sprache und Formen, weshalb sich das zwischen Jahwe und seinem Volk Geschehende mit der Geschichte der anderen Religionen berühre: „Das Besondere, Eigene und Unvergleichliche in dieser Geschichte ist um so stärker und um so deudicher, je näher es der Grundstruktur der Begegnung am Anfang ist. Jedoch war dieses Geschehen zwischen Jahwe und seinem Volk imstande, Vieles und Vielerlei einzubeziehen, was dieser Mitte ferner lag ... In vielen Fällen war das Hineinnehmen des Fremden und das Angleichen des Übernommenen mit schwerer Gefährdung der innersten Linie verbunden; immer blieben dann noch die ehernen Grenzen des ersten und zweiten Gebotes."68 In der Diskussion zeigte sich, daß man Barths Antwort, die Religionen und der Atheismus seien nichts, nicht für ausreichend hielt Nur bezogen auf Israel seien diese anderen Götter nichts, für den aber, der an sie glaube, existierten sie. Es habe daher keinen generellen Monotheismus gegeben, sondern nur einen, der daraus erwachsen sei, daß Israel dem einen Gott begegnet ist Gefragt wurde, ob die Götter Mächte, Dämonen seien. Die Götter konnten zum einen für Israel eine Gefahr sein (Baal), zum anderen aber auch als Jahwe angesehen werden (Elohim). Vom Noahbund und der nd. Areopagrede wurde die Existenz eines Gottesverhältnisses außerhalb der Engführung auf das Volk Gottes abgeleitet Pannenberg wies darauf hin, daß die Vätergötter sich allmählich verdichteten zu einem Gott, daß Jahwe also bereits eine Religionsgeschichte hinter sich hatte, und somit von der geschichtsmächtigen Realität der Götter auszugehen sei, weshalb sich die Frage nach der Identität des biblischen Gottes stelle. Westermann 66

Vgl. Westermanns Beschreibung der Haltung der Forschung im 20. Jh. bezüglich dieser Fragestellung. Für die neuesten Stimmen hielt er es für kennzeichnend, daß die Konkurrenz zwischen der ad. Religion und den sie umgebenden Religionen weniger betont werde. Vgl. Westermann, Claus, Das Verhältnis des Jahweglaubens zu den außerisraelitischen Religionen, in: ders., Forschung am At, Ges. Studien, Theolog. Bucherei 24, München 1964, 189-218, 190. 67 Vgl. Ziegler, Josef, maschinenschrifdiche Thesen zum Thema „Vom Heil der Völker im Alten Testament", Anlage zum Prot. 68 Vgl. Westermann, a.a.O., 217/218 Zusammenfassung.

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sprach sich daraufhin dafür aus, daß die Spannung zwischen der Einzigartigkeit des israelitischen Glaubens und der rel.-geschichtlichen Verwandtschaft mit anderen Religionen ausgehalten werden müsse. Nicht beantwortet wurde die Frage, ob heute entsprechend von anderen Religionen etwas übernommen werden könne, ob es dort ebenfalls einen Wahrheitsgehalt gebe. Ratzinger hatte das Verhältnis des christlichen Glaubens zu den Weltreligionen aus religionsphänomenologischer Perspektive dargestellt 69 Er ging davon aus, daß das Christentum zu den Religionen der Welt insofern im Verhältnis des Ja und des Nein zugleich stehe, als es sich durch den Bundesgedanken mit ihnen verknüpft sehe, aber Religion als menschliches Mittel der Absicherung gegen Gott ablehne.70 Die Religionsgeschichte reicht nach Ratzinger von den primitiven Erfahrungen über die mythischen Religionen zum dreifachen Ausbruch aus dem Mythos durch Mystik, monotheistische Revolution (Israel) und Aufklärung.71 Die monotheistische Revolution in Israel hob er deutlich ab von den Formen des Eingottglaubens im primitiven Bereich und von dem evolutiven Monotheismus in Indien.72 Im Gegensatz zur Mystik, bei der der Mensch zur „Einung" mit Gott gelangt und Gott passiv verstanden wird, gehe der monotheistische Weg von der Uberzeugung aus, daß der Mensch passiv ist, während Gott handelt Er habe ferner geschichtlichen Charakter, da Gott den Menschen mitten in weltlichen und irdischen Zusammenhängen suche. Entscheidend sei im Gegensatz zur Mystik der Anruf Gottes. „Wenn so das Trennende weitgehend von der Frage her im Vordergrund stand, sollte das Einende doch nicht vergessen sein: daß wir alle Teil einer einzigen Geschichte sind, die auf vielerlei Weisen unterwegs ist zu Gott" 7 3 Im Gegensatz zu Ratzingers phänomenologischem Ansatz74 vertrat Bischof Meyer eher die Barthsche Position hinsichtlich der Religionen. Denn er ging davon aus, daß Religionen grundsätzlich Forderungen an den Menschen stellen, die dieser zu erfüllen habe, während für das Christentum das Heil ein Geschenk der Gnade sei.75

" Vgl. Ratzinger, Joseph, Der christliche Glaube und die Weltreligionen, in: Metz, Johann Baptist, u. a. (Hrsg.), Gott in Welt Festgabe für Karl Rahner, Bd. II, Freiburg 1964, 287-305. 70 Ratzinger, a. a. O., 290. 71 A.a.O., 295. 72 A.a.O., 299. 73 A. a. O., 305, zum vorhergehenden vgl. 300-305. 74 Vgl. Prot., 28-30. 75 Meyers Referat liegt nicht vor. Vgl. die Diskussion um seine Position, Prot, 13 ff. und Meyer, Heinrich, Die Religion und das Evangelium, Christus und die Welt 4, Bad Salzuflen 1960, 3-11, besonders 7-10. Hier postuliert Meyer, Religion sei „das Gespräch des Menschen mit sich selbst" (8), da sie das Du nicht finde. Das Christentum stelle ebenso eine Religion dar, wie alle anderen. „Es gibt nicht,etwas', woran man den Unterschied aufzeigen könnte, sondern es gibt nur Einen, eine lebendige Person, nämlich den Mann Jesus, der im Mittelpunkt aller christlichen Verkündigung steht" (9). (Siehe da zur Biographie Meyers). In der Diskussion bestritt Meyer, daß es eine Gnadenreligion außerhalb des Christentums gebe. Die Schulen der Bhakti ζ. B. erkannte er nicht als solche an, weil sie Jesus Christus nicht verkünden (Prot, 15/16).

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Zu einer auch nur annähernden Lösung des Problems kam es nicht. Des öfteren wurde Bezug genommen auf Voten bei der 3. Vollversammlung des ORK in Neu-Delhi 1961, wo man hinsichtlich der Bewertung nichtchristlicher Religionen ebenfalls zu keinem Ergebnis gekommen war.76 Bedeutungsvoll war aber auch in diesem Zusammenhang die Feststellung, daß beide Konfessionen vor diesselbe Problematik gestellt waren und nicht konfessionelle Unterschiede im Zentrum standen. Die von Schlink nur kurz angeschnittene und vom Plenum nicht aufgegriffene Frage nach dem Verhältnis der Römischen Kirche zu Juden und Heiden sowie zu anderen Konfessionen wäre im Hinblick auf die Dekrete des ILVatikanum über die nichtchristlichen Religionen und den Ökumenismus, insbesondere im Hinblick auf deren zu erwartende Aussagen zum Verhältnis der Römischen Kirche zu Nichtchristen im Unterschied zu anderen Konfessionen, das eigentlich Interessante gewesen. Aber offensichtlich wollte man besonders auf katholischer Seite die Diskussionen des Konzils in diesem Rahmen nicht fortsetzen. 1.3. Die Sündhaftigkeit des Menschen Während die Gottebenbildlichkeit des Menschen und die Möglichkeit natürlicher Gotteserkenntnis samt der unterschiedlichen philosophischen Voraussetzungen bereits in einer sehr frühen Phase der Gespräche aufgegriffen wurden, behandelte man die Sünde Adams und ihre Auswirkungen auf die Menschheit erst 1967 als eigenes Thema.77 Man knüpfte damit an die vorausgegangene Tagung zum Thema „Die Kirche in dieser Welt" an, bei der es gleichermaßen um Heiligkeit und Sündhaftigkeit der Kirche und um das Ausmaß der Sündenverfallenheit der Schöpfung ging.78 76 Vgl. Visser 't Hooft, Willem A. (Hrsg.), Neu-Delhi 1961. Dokumentarbericht über die Dritte Vollversammlung des ÖRK, Stuttgart 2 1962, Bericht der Sektion „Zeugnis", 90, Nr. 17: „Die Kirche ist in dem Glauben gesandt, daß Gott auch unter den Menschen, die Christus noch nicht kennen, sich selbst nicht unbezeugt gelassen hat, und daß die durch Christus bewirkte Versöhnung die ganze Schöpfung und die ganze Menschheit u m f a ß t . . . Wir vertreten aber unterschiedliche Meinungen, wenn wir versuchen zu definieren, wie jene Menschen sich gegenüber dem Wirken Gottes unter ihnen verhalten und wie sie darauf antworten." Vgl. auch das Votum Schlinks (ebd., 101), es sei noch nicht möglich, zu einer gemeinsamen Stellungnahme zur Frage des Handelns Gottes unter Menschen, die sich außerhalb der Verkündigung des Evangeliums befinden, zu gelangen. 77 Vgl. 28. Tagung vom 13.-17.3.67 in Paderborn. Ev. Teiln.: Stählin, Dietzfelbinger, Schlink, Anz, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, Joest, B. Lohse, E. Lohse, Schumann, Westermann, Prot. Mumm, entschuldigt: Kinder, Pannenberg, Skydsgaard, Wendland, Wolf. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Fries, Höfer, Lortz, Pieper, Rahner, Schelkle, Schnackenburg, Warnach, Prot. Krems, entschuldigt: Grosche, Mörsdorf, Ratzinger, Schmaus, Söhngen, Ziegler. n Westermann hatte bereits in diesem Zusammenhang das segnende Handeln Gottes an der gesamten Schöpfung als die bestimmende Aussage von Gen 1-11 hervorgehoben. Die Uberschrift „Der Sündenfall" über Gen 3 sei sekundär und beinhalte bereits eine Deutung,

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Damit griff man erst sehr spät wichtige Fragen auf, ohne deren Beantwortung nicht zu klären ist, in welchem Maß der Mensch von der Sünde durchdrungen ist und welche Fähigkeiten und welcher Stellenwert vor Gott der Kreatur bleiben. So zeigte sich bei der Exegese der Urgeschichte in Gen 1-3 sehr schnell, wie relevant die Auslegung der biblischen Lehre von Urständ und Fall für anthropologische Schlußfolgerungen der Dogmatiker ist Den Leitfaden der exegetischen Diskussion bildete die von Rahner gestellte Frage, ob Gen 1-3 als historische Einleitung oder als prophetischexistentiale Aussage zu verstehen sei. Sowohl Westermann als auch Schelkle hatten in ihren Referaten die ersten Kapitel der Genesis nicht als geschichtliche Darstellung interpretiert, sondern als existentiale Beschreibung des allgemeinen Zustandes der Menschheit. Westermann wandte sich vor allem gegen ein zeitliches Nacheinander von status integritatis und status corruptionis, da dann der status corruptionis die eigentliche Bestimmung des Menschen wäre79: „Eine Systematisierung der Aussage von Gen 1-11 in der Weise, daß von einem sündenfreien Urständ und der gefallenen Menschheit (durch den Sündenfall) gesprochen wird, ist vom Text her nicht zulässig. Wenn neben die Aussage von der Erschaffung die andere von der Begrenztheit des Menschen gesetzt wird, so wird mit beiden eine Spannung zum Ausdruck gebracht, die dem Menschsein eignet Die besondere, einmalige Geschichte Gottes mit seinem Volk setzt die Grundelemente des Geschaffenseins und des Begrenztseins des Menschen voraus."80

In Gen 1, 26 interpretierte er Adam als Kollektiv, nicht als Namen: „Der von Gott geschaffene Mensch ist nicht ein Individuum namens Adam, sondern der Mensch, der in seinen Nachkommen bis in die Gegenwart reicht" 81 die dem Text nicht unbedingt entspreche. Nirgends stünde außerdem, daß Gen 3 den Fall der ganzen Schöpfung meine. Vgl. Westermann, Prot, der 27.Tagung 1966, 11 und 33/34. Zu Westermanns Interpretation der Urgeschichte vgl. sein Referat bei der 28. Tagung 1967, Der Mensch im Urgeschehen, in: KuD 13/1967, 231-246. Vgl. besonders ebd., 238: „... wesendich ist, daß die aus dem Garten Gottes vertriebenen Menschen die von Gott gesegneten Menschen bleiben oder, anders gesagt, daß die Kraft der Fruchtbarkeit auch dem Menschen, der gegen Gott gefrevelt hat, bleibt" Ferner 239: „... die Gemeinschaft von Mann und Frau wird durch den Ungehorsam gegen Gott gestört und bedroht. Aber auch hier ist zu sagen: Zerstört wird die Gemeinschaft durch den Ungehorsam nicht, die Gemeinschaft und der Frieden, d.h. das Heilsein der Gemeinschaft bleibt den von Gott entfernten Menschen erhalten. Sie bleiben gesegnet und sie behalten den Frieden." Vgl. dazu auch die folgenden Ausführungen. Auf diese Tagung wird nochmals im Zusammenhang der Frage nach der Unsterblichkeit der Seele einzugehen sein. Ausführlich behandelt wird sie unter B. 2.1.3. " Prot., 15. Er bezeichnete gerade als Spezifika der Genesis gegenüber außerbiblischen Schöpfungsberichten, daß Gott einer ist und die Schöpfung gut. 80 Westermann, Claus, Der Mensch im Urgeschehen, a.a.O., 231, These 8. 81 Ebd., 237/238.

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Die Geschichtlichkeit der Erschaffung des Menschen besteht deshalb nach Westermann „nicht in einem fixierbaren Ereignis in einer Zeitreihe, sondern in der Bezogenheit der Erschaffung des Menschen am Anfang (in der Urzeit) auf die jetzt existierende Menschheit."82 Da die Schöpfung keine Zeugen hatte, kann die Urgeschichte keine Bezeugung der Schöpfung sein, sondern sie ist in ihrem Kern Lob des Schöpfers.83 Die wichtigste - seine Intention zum Ausdruck bringende - Schlußfolgerung, die Westermann aus seiner Interpretation zog, war die Feststellung, daß die aus dem Garten Gottes vertriebenen Menschen die von Gott gesegneten bleiben.84 Daraufhin wurde die Frage der Allgemeingültigkeit der Auffassung Westermanns erörtert. Er selbst bemerkte dazu, er gehe von allgemeinen Grundlagen aus, ohne jedoch - wie von Rad und Rendtorff im Anschluß an Gunkel - eine Steigerung der Schuld in Gen 3-11 anzunehmen. Die religionsgeschichtlichen Voraussetzungen heute seien andere als die der religionsgeschichtlichen Schule um 1900.85 Dogmatiker (und Kirchengeschichtler) beider Konfessionen brachten daraufhin massive Einwände gegen eine ausschließlich existentiale Interpretation des Urgeschehens vor, da mit ihr offensichtlich die Lehre von Urständ und Fall in ihrer herkömmlichen Ausformung ins Wanken geriet. Rahner meinte, der existentiale Aspekt sei nicht von der Kausalität der Geschichte zu lösen. Fries betonte den antimythischen Charakter der biblischen Aussagen.86 Es gehe nicht nur um Prophetie und Aitiologie, sondern „Urständ" meine einen wesentlichen Sachverhalt.87 Brunner, von Campenhausen und Schlink wollten am geschichtlichen Charakter des Urgeschehens festhalten. Brunner und von Campenhausen hoben die geschichtliche Darstellungsform des Urgeschehens hervor, was darauf hindeute, daß ein reales Geschehen festgehalten sei. Von Campenhausen verstand Adam als geschichtliche Person. Der Duktus der Urgeschichte reiche von Adam bis Mose. Mit Schlink wies er darauf hin, daß auch innerhalb des status corruptionis Geschichte möglich sei, in der ein zeitliches Nacheinander bestehe. Brunner hinterfragte Westermanns Unterscheidung zwischen Urgeschehen, Urgeschichte und Rettungsgeschichte (ab Gen 12). Er bezweifelte, daß die Genealogien zum Urgeschehen gehörten. Rahner kritisierte ferner die Behauptung eines rein doxologischen Charakters der biblischen Schöpfungsaussagen. Vom Lobpreis her sei auf die dahinter liegende Sache zu reflektieren. 81

Ebd., 237/238. Ebd., 236. 83 Ebd., 236. 84 Ebd., 238. 85 Prot., 7. 86 Der Versuch einer Klärung des Mythos-Begriffs war erfolglos, so daß man beschloß, den Begriff im weiteren Verlauf der Diskussion nicht mehr zu gebrauchen (Prot, 17/18). 87 Prot., 9/10 und 14/15. Ώ

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Westeimann räumte schließlich ein, daß die Urgeschichte auch Daten aus der Frühzeit der Menschheit enthalte und damit Historie im weiteren Sinne sei. Die Aufeinanderfolge zweier status lehnte er jedoch weiterhin ab.88 Schelkle war ebenfalls von einer existentialen Deutung von Gen 3 ausgegangen und zog aus ihr Konsequenzen für die Auslegung der ntl. Stellen zum Thema der Sünde Adams: „Paulus hält die Geschichte des Adam für Historie. Doch ist es nicht seine Absicht, die Historizität zu lehren und zu verbürgen. Wir werden wohl Genesis 3 als eine teils existentiale, teils ätiologische Deutung der menschlichen Vorfindlichkeit in der Sünde verstehen und danach auch Rö 5,12-21 interpretieren."89

Schelkle kam femer zu dem Ergebnis, daß Paulus zwar eine Lehre vom Erbtod, nicht aber von einer Erbsünde kenne: „Grundsätzlich ist zu fragen, ob die Wörter Erbtod und Erbsünde geeignet sind, den paulinischen Gedanken sachgerecht auszusprechen. Jenes sind biologische Begriffe, während Paulus geschichtlich (heilsgeschichdich) und halachisch (juridisch) denkt Paulus spricht nicht von einem naturhaften Mangel des Menschen, sondern von - weiterwirkender - Verurteilung nach menschlicher Sünde."90

Wenn dies das paulinische Grundverständnis des Menschen sei, so Schelkle, dann sei es auch - etwa in den Begriffen „Welt" und „Fleisch" - bei den Synoptikern und bei Johannes zu finden: „Eine gelegendich zu hörende Behauptung, die Evangelien wissen nicht nur nichts von einer Erbsünde, sondern widersprächen ihr geradezu, trifft so nicht ZU.

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Westermann und Schelkle bewiesen mit ihren exegetischen Positionen eine Unabhängigkeit von den dogmatischen Voraussetzungen ihrer Konfessionen, die bei den exegetischen Referaten der vorhergehenden Tagungen kaum zu finden war. Westermanns Intention, die Übermacht des Beistandes Gottes gegenüber seinem Geschöpf über dessen Sündhaftigkeit anhand der Urgeschichte aufzuzeigen, und Schelkles Ablehnung eines „naturhaften" Mangels des Menschen riefen so starken Widerspruch der Dogmatiker hervor, daß wieder einmal nicht eine konfessionelle Differenz, sondern diesmal der Konflikt zwischen moderner exegetischer Forschung und den bestehenden dogmatischen Lehraussagen der Kirchen sich als problematisch erwies. An Schelkles Position wurde vor allem die Überbetonung der 88

Prot., 10-18. Zusammenfassung seines Referates im Prot., 6. Vgl. auch Schelkle, Karl Hermann, Schuld als Erbteil, Theologische Meditationen 20, Einsiedeln 1968. " Prot., 5. 91 Prot., 6. 89

Das Wesen des Menschen vor Gott

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persönlichen Sünden gegenüber der überkommenen Erbsünde beanstandet 92 Die Verhältnisbestimmung von Grundsünde und aktualen Sünden prägte dann auch den Dialog über dogmatische Fragen93, da die starke Gewichtung der personalen Sünde gegenüber der Erbsünde die am wenigsten akzeptierte Konsequenz aus der existentialen Interpretation der Urgeschichte war. Von lutherischer Seite, besonders von Seiten der Heidelberger Lutheraner, stand dabei die vollkommene Verdorbenheit der Natur bzw. der Zorn Gottes infolge der Erbsünde als Voraussetzung der Rechtfertigung sola fide auf dem Spiel. Dies läßt sich auch an den Reaktionen Brunners und Schlinks zu Rahners Interpretation der katholischen Erbsündenlehre ablesen. Rahner sah sich zwar dem Tridentinum verpflichtet, legte es jedoch in seiner eigenen Begrifflichkeit aus. Als Voraussetzung einer Erbsündenlehre nannte er „das Wissen des Menschen in der christlichen Grundoffenbarung von sich selbst als dem Sünder, der Vergebung und Heil allein durch Christus erhält" 94

Den Begriff „Erbsünde" bezeichnete er als problematisch, da er im Vergleich zur Anwendung auf die personale Sünde des Menschen nur als analog aufgefaßt werden könne.95 Zwar sprach Rahner auch von Adam als der „ursprunggebenden Menschheit", eine rein existentiale Interpretation der Urgeschichte lehnte er jedoch ab96: „Denn das Offenhalten dieser besonderen Frage impliziert ja nicht die Meinung, die Erbsündenlehre sei umzuinterpretieren in eine Lehre, die nur etwas von jedem Menschen, ,dem Menschen', dem Adam, der wir alle sind, aussage, ohne etwas an Aussage von seiner Herkünftigkeit aus einer einmaligen Geschichte, aus einem echten, konkreten und realen Anfang zu implizieren."97

Voraussetzung für Rahners Bestimmung des Wesens der Erbsünde ist die „gnadenhafte Selbstmitteilung Gottes, die im voraus zu einer sittlichen Entscheidung den Menschen schon heiligt." Sie ist nach Rahner nicht dem Einzelnen gegeben, sondern der ganzen Menschheit, wobei die Herkunft oder Zugehörigkeit des Einzelnen zur Menschheit „für den einzelnen Menn

Prot, 20/21. Dies ist Schelkle jedoch nicht vorzuwerfen. Vgl. ders, a.a.O., 24/25: „Zur echten und ganzen Lehre des Paulus gehört gemäß Röm 5,12 die Spannung von solidarischer Einheit mit Adam, wie auch der Geschichte der Sünde aller von Adam her einerseits und persönlicher Entscheidung und Tat der Sünde andererseits. Will die Exegese genau und getreu sein, darf sie weder das eine noch das andere auslassen. Biblisch ist allein die Aussage der Einheit unentrinnbarer Verfallenheit an die Sünde wie auch der persönlichen Verantwortlichkeit" 93 Auch bei der systematischen Diskussion überschnitten sich alte konfessionelle Unterschiede mit modernen Fragestellungen. Vgl. Schlink, Prot, 61. 94 Karl Rahner, Die Sünde Adams, in: ders., Schriften zur Theologie DC, 259-275, 261. 95 Ebd., 263. Vgl. auch Rahners Thesen, Prot., 23-25. 96 Siehe oben seine Einwände gegen Westermann. 97 Rahner, a.a.O., 264.

134

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

sehen weder Grund noch unmittelbare Vermittlung seiner Rechtfertigung und Heiligung" 98 ist: „Diese Herktinftigkeit sollte aber wenigstens die unmittelbare Vermittlung der vorexistentiellen rechtfertigenden Heiligkeit des einzelnen Menschen sein. Grund: Schöpfung auf Gnade (Christi) hin. Da sie aber das nicht ist, richtet sich dieses Fehlen gegen den Willen des begnadenden Schöpfers und bildet den Zustand einer,Sündigkeit', was mit peccatum originale originatum gemeint ist." 99

Daß die Herktinftigkeit des Menschen diese „Heiligkeit" vermittelnde Funktion nicht hat, ist die Folge personaler Schuld der ursprunggebenden Menschheit. Diese kann aber nach Rahner nicht im Sinne einer Kollektivschuld vererbt oder angerechnet werden: „Es ist gerade nicht der Inhalt des Erbsündendogmas, daß die subjektiv personale Schuld eines Einzelnen oder weniger als solche auf die Nachkommen übertragen worden wäre." 100

Erbsünde ist für Rahner ferner dialektisches Moment zu dem Heilswillen Gottes, der durch Christus vermittelt wird. Diese Voraussetzung wurde so von evangelischer Seite aus geteilt. Zwar bestätigte Brunner außerdem, der Skopus der Rahnerschen Ausführungen entspreche dem Anliegen der reformatorischen Erbsündenlehre, doch auch die Frage nach dem Urteil Gottes, nach seinem Zorn aufgrund der vorgegebenen „Sündigkeit" und die Frage, ob diese „Sündigkeit" im Urteil Gottes Verlorenheit bewirke, sollten seiner Meinung nach gestellt werden.101 Auch Schlink beanstandete Rahners Unterscheidung zwischen Erbsünde und Kollektivschuld und beklagte darüberhinaus die Neigung zu personalistischer Reduktion der Sünde, ohne die Verderbtheit des Ganzen anzuerkennen.102 Von Bedeutung war seine Frage, wie sich Rahners Aussagen zum allgemeinen Heilswillen Gottes zu Westermanns Unterscheidung

A.a.O., 267. " Prot., 24. 100 Ebd. 101 Prot., 25-28 und Brunner 43. 102 Ein von Mumm (Prot., 53/54) angeregter Exkurs zum Zusammenhang zwischen Sündenlehre und der Praxis der Kindertaufe galt der Frage, ob die Tendenz, den personalen Sünden größere Bedeutung beizumessen als der Erbsünde, sich bezüglich der Kindertaufe dahingehend auswirke, daß ihr Hintergrund nicht mehr gesehen und sie deshalb weniger praktiziert werde (so Mumm und Stählin, Prot., 70 und 73). Es wurden Parallelen gezogen von Rahners Konzeption des allgemeinen Heilswillens Gottes zu Barths Aussagen zur Taufe. Gefragt wurde, ob es auch von katholischer Seite aus die Tendenz zu einer rein signifikativ-noetischen Auffassung gebe (Prot., 71). Femer wurde die Bedeutung der Unterscheidung von Segen und Heil für die Taufe angesprochen. Ist Mk 10,13-16 in der Taufordnung angebracht? Bedeutet die Kindertaufe nur Segnung oder auch Rettung von der Sünde? Diese Fragen wurden zwar nicht erörtert, die Herstellung des Zusammenhangs war jedoch durchaus berechtigt. 98

Das Wesen des Menschen vor Gott

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von Segnung und Rettung verhalten,103 obwohl dieser Vergleich nicht näher erörtert wurde. Entscheidend für Schlink und Brunner war nämlich der Wegfall der Aei/jhaften Verbindung des Menschen mit dem Schöpfer. Brunner postulierte deshalb gegen Westermann, die Bundesgeschichte fange bereits mit Gen 1 an, und die Verbindung zum Schöpfer sei nach CA II mit dem Einbruch der Sünde gänzlich weggefallen.104 Aber wie Westermann die Macht der Sünde in ihren Möglichkeiten, also in ihrer Zukünftigkeit sah, nicht in ihrer Herkunft, da Gen 11 zu Gen 3 dazugehöre, so bedeutete auch für Joest die Grundsünde nicht Verlorenheit des Menschen im Urteil Gottes.105 Joest hatte sich in seinem Referat auch gegen ein im strengen Sinne historisches Verständnis der Adamsgeschichte in der Genesis gewandt.106 „Die Frage, ob die Theologie der praehistorischen eine konsequent aktuale Deutung entgegenstellen darf"107, beantwortete er für die Erschaffung und den Sündenfall unterschiedlich.108 „Adam" bezeichnete er zwar als Ursprung des zeidichen Prozesses Menschsein. Aber: „ D e r ,Adam, der wir alle sind', kann seine Sünde nicht ebenso von dem ersten A d a m im eben bestimmten Sinne her haben wie er sein Sein v o n ihm her h a t D e n n das hieße: er hat sie von A d a m her, wie G o t t ihn in seiner creatio originane vor der Zeit in die Zeit entspringen ließ, also von G o t t selbst" 1 0 9

Für den Sündenfall gilt nach Joest allein die aktuale Deutung. Zwar hielt er an der Verwurzelung des Menschen in seinem Sündersein fest, wie es in der Erbsündenlehre zum Ausdruck kommt, doch er bezeichnete es als menschliches Grundverhalten, nicht als naturhafte Seinsbestimmung, die dem Menschen von außen zukommt.110 Von daher haben wir, nach Joest, auch nicht im gleichen Sinn die Sünde von Adam, wie die Gerechtigkeit (als iustitia aliena) von Christus.111

103 Schlink, Prot., 42. Vgl. den Protest an Rahners Lehre vom „anonymen Christentum" im Zusammenhang mit der Diskussion um das Verhältnis des Christentums zu anderen Religionen. 104 Prot., 45. 105 Prot., 48 und 52/53. 106 Das Referat liegt nur in Form ausführlicher Thesen im Protokoll, 28-33, vor. Vgl. ebd., 28/29. Joest sprach jedoch von der Adamsgeschichte als prophetischer Schau „eines unmittelbarer Erkenntnis nicht zugänglichen Anfangens der menschlichen Dinge." Ähnlich Rahner: „Der entzogene Anfang - man könnte ihn auch Urgeschichte nennen als jetzt waltender ist konstituiert durch jene Ursprünglichkeit, die unserer Freiheit verborgen vorausliegt . . . " (Rahner, a.a.O., 265/266). 107 A.a.O., 29. 1C * Diese Unterscheidung wurde von Rahner so akzeptiert und aufgenommen, Prot., 34. 109 Prot., 31. 110 Prot., 32. 111 Prot., 33.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Der Widerspruch der Heidelberger lutherischen Dogmatiker gegen die von allen vier Referenten vertretene Deutung der Erbsünde als personale Sünde jedes einzelnen Menschen mag auf den ersten Blick als Ignoranz gegenüber den Ergebnissen der neueren Exegese erscheinen. Seine Bedeutung lag aber in dem Hinweis darauf, daß bei der herausgearbeiteten wichtigen Übereinstimmung der Referenten im Blick auf die sich durchhaltende Geschöpflichkeit des Menschen neben seiner Sündhaftigkeit nach lutherischem Verständnis stets zu betonen ist, daß sich der Mensch bezüglich seines Heils vor Gott nicht auf seine Geschöpflichkeit berufen kann, sondern den Zorn Gottes auf sich zieht. Dies zu leugnen war jedoch weder die Absicht Westermanns und Joests, noch die der katholischen Kollegen. So bekräftigten neben anderen Pieper und Volk, das Geschöpfsein sei kein Grund zur Rechtfertigung, sondern qualifiziere das menschliche Verhalten als noch schlimmer, bzw. das „Gutsein" der Natur stelle auch nach katholischem Verständnis den Ernst der Sünde nicht in Frage.112 In diesem Punkt wurde aber nicht einfach ein Konsens behauptet, sondern Schlink und Brunner wiesen einmal mehr auf die Schwierigkeit hin, mit der ontologischen Begrifflichkeit katholischer Theologie die vollkommene Sündhaftigkeit des Menschen mit dem Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer, in Einklang zu bringen. Es war wichtig, daß dabei festgestellt wurde, das lutherische Sündenbekenntnis sei keine ontologische Aussage und damit keine Reflexion gegen das thomistische Verständnis. Man kam überein, daß ontologisch gesehen, die thomistische, personal gedacht, die lutherische Auffassung sinnvoll sei. Von daher stellte sich die Frage, ob die Theologien an ihre vorgegebenen philosophischen Kategorien gebunden bleiben müßten, oder ob man sich nicht darüber hinaus finden könne. Für die terminologischen Schwierigkeiten erwog man, eine eigene Tagung anzusetzen.113 Man war also weit davon entfernt, die inhaltliche Übereinstimmung in einem - wenn auch entscheidenden - Punkt zum Anlaß zu nehmen, die unterschiedlichen Begrifflichkeiten und Denkweisen für nebensächlich zu erklären, sondern nahm sie in ihrer Verschiedenheit ernst. 1.4. Die Bedeutung ontologischer und personaler Aussagekategorien für die Bestimmung des menschlichen Wesens Schon viel früher, nämlich bereits bei einer Tagung zum Thema „Akt und Sein" 1954, hatte man sich eigens mit dem Unterschied und den Möglichkeiten ontologischer und personal-relationaler Aussagekategorien beschäftigt, um das Denkmodell der jeweils anderen Konfession besser verstehen zu lernen. Außerdem wollte man herausarbeiten, worin die Einseitigkeiten oder Grenzen der dogmatisch-philosophischen Konzeptionen liegen, aufm 113

Prot., 58 und 60/61. Prot., 57-59 und 61.

Das Wesen des Menschen vor Gott

137

grund derer katholischerseits etwa die vollkommene Verdorbenheit der Kreatur durch die Sünde, evangelischerseits die bleibende Kreatürlichkeit nur unzureichend Berücksichtigung finden. Ein erster Ansatz, solche durch die Begrifflichkeit vorgegebene Einseitigkeiten zu überwinden, war dabei die Diskussion der katholischen Theologen um die Eignung des Substanzbegriffs für eine Ontologie und allgemein die Feststellung der Wandelbarkeit philosophischer Begriffe. Diese Einsicht gewann Bedeutung für die ökumenische Verständigung hinsichtlich der Realpräsenz Christi im Abendmahl, indem sie einen Wandel in der Interpretation der Transsubstantiation ermöglichte. 1.4.1. Das Sein des Menschen und seine

Gottesbeziehung

Die Beschäftigung mit den anthropologischen Fragen beinhaltete durchgehend die Frage, ob es ein der Gottesbeziehung des Menschen vorgängiges, eigenständiges Sein des Menschen gibt, das erst sekundär in eine Beziehung zu Gott tritt, oder ob die Gottesbeziehung das Sein des Menschen begründet und erhält und damit das Ganze des menschlichen Wesens umfaßt und ausmacht. Zwar hatte man sich bereits dahingehend verständigt, daß sowohl die Hervorhebung der Gottesbeziehung des Menschen auf evangelischer als auch des kreatürlichen Seins des Menschen auf katholischer Seite auf einer jeweils einseitigen Betrachtungsweise basiert. Gleichzeitig war man sich aber offensichdich dessen bewußt, daß die bestehenden Unterschiede in der jeweiligen konfessionellen Gesamtkonzeption der Dogmatik wurzeln und deshalb nur unter Berücksichtigung von deren Kontext und von deren philosophischem Hintergrund zu klären ist, welches Gewicht ihnen zukommt. Bei der Tagung zum Thema „Akt und Sein" 1954 setzte man sich deshalb mit den unterschiedlichen anthropologischen Ansätzen und den ihnen zugrundeliegenden Ontologien auseinander.114 Dies sollte im Dialog mit der Physik erfolgen, der dann jedoch eine untergeordnete Rolle spielte.115 114

Die Tagung fand vom 29.3.-2.4.54 in Bethel statt. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Buuck, Dolch, Gewieß, Kuss, Lortz, Rosenmöller, Söhngen, Volk, Warnach, Prot Remigius Bäumer. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Bornkamm, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, von der Gablentz, Joest, Kinder, Maurer, Wendland, Wolf, als Gast A. Kratzer (Physiker) Münster, Prot. Assistent Gerd Blaetgen (Bethel) und Mumm. 115 Für das evangelische Referat zu „Moderne Physik und Ontologie" war zunächst Prof. C. Weizsäcker als Physiker eingeladen. Nach seiner Absage war der Physiker A. Kratzer aus Münster als Gast anwesend (Stählin an Schlink, 28.12.53, Briefwechsel Stählin/Schlink, Korr EvAk). Schließlich referierten Dolch, Physiker und Theologe in einem (Stählin an Kratzer, 9.11.53, Briefwechsel Stählin 1946-1956, Korr EvAk),und Kratzer zum Thema „Moderne Physik und Ontologie". Zu Dolch vgl. Skizze zum Referat, Anhang des Protokolls. Söhngen referierte zu „Wesen und Akt in der scholastischen Lehre von der participatio und analogia entis", abgedruckt in: Studium Generale 8/1955, 649-666, Joest zu „Sein und Akt in der Existenz des Menschen vor Gott", erschienen ebd., 689-697.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Als Ergebnis der Debatte war zu verzeichnen, daß man katholischerseits nicht nur vom Sein des Menschen spricht und auf evangelischer Seite nicht nur von einem dem Menschsein zugrundeliegenden Akt, sondern daß die Differenz in erster Linie in der Reihenfolge der theologischen Erörterung beider Aspekte und in der dieser zugrunde liegenden Gewichtung und Wertung liegt.116 So stellte Joest in seinem Referat heraus, daß auch Luther seinshafte Elemente kenne, etwa in der Sakramentenlehre.117 Gegenüber einem Aktualismus, der nur „Ereignis" kenne „und das Fragen nach Substanz' grundsätzlich verwirft"118 sprach er vom Sein Gottes, in dem der grundlegende Akt menschlicher Existenz festgemacht sei, der Akt der Rückbeziehung auf Gott, wie er den Glauben bezeichnete. Von diesem Akt der Gottesbeziehung her erfolgt nun nach Joest in der reformatorischen Theologie das Denken zur substantiellen Seinsverfassung des Menschen hin, „bis in ihre Leibseite hinein"119, und nicht umgekehrt von der substantiellen Seinsverfassung auf die personalen Akte der Gottesbeziehung hin. Das Sein des Menschen ist somit in erster Linie vom Akt, von der Relation her bestimmt Aus ihr geht das „substantiell geheilte" Sein des Menschen erst hervor: „Der Akt schafft Sein, weil in ihm die reale Verbindung mit Christus geschieht, in dem die Schöpferkraft Gottes gegenwärtig ist." 120 Obwohl man Fachleute eingeladen hatte, kam das Gespräch mit den Physikern nicht recht in Gang. Dies lag vor allem daran, daß die Referate von Dolch und Kratzer nicht parallel verliefen und ihnen, wie Schlink bemerkte, ein gemeinsamer Bezugspunkt fehlte (ProL der 15. Tagung, 7). Möglicherweise lag es auch an der Zusammensetzung und Konzeption des ÖAK, daß - ähnlich wie bei den späteren Diskussionen um aktuelle, eher praktisch-theologische Themen - der Dialog mit den Physikern nicht so eingehend erfolgte, wie dies in einem Gremium mit Theologen hätte der Fall sein können, die speziell den Dialog mit den Naturwissenschaften suchen. 116 Vgl. Stählin, Prot, der 15. Tagung, 26, der im Blick auf die bisherige Diskussion feststellte, daß weder das Sein von der einen noch der Akt von der anderen Seite einseitig betont werde. 117 „Es besteht, wie gesagt, zunächst die Versuchung, den Gegensatz der reformatorischen Theologie vor allem Luthers zu der scholastischen Theologie vor allem etwa thomistischer Prägung in dieser Frage auf die Formel hie Aktualismus - hie Substanzmetaphysik zu bringen, wobei im Hintergrund die den Gegensatz relativierende Erwägung auftauchen könnte, ob man es hier nicht einfach mit zwei konkurrierenden Möglichkeiten philosophischer Denkformen zu tun habe. Vor einem derartigen Schema, das sei vorweg gesagt, sollte uns aber schon der Umstand warnen, daß Luther selbst auch dem Aktualismus heterogene, seinshafte Elemente in seiner Theologie behält, und zwar sehr betont festhält - man denke nur an seine Sakramentslehre, an seine Auffassung der Realpräsenz, die das dem Akt des Glaubens gegenüber unabhängige Sein der Heilsgabe bis zu der Konsequenz der manducatio impiorum verficht Ganz abgesehen davon, daß der nach jenem Schema zu konstruierende Gegenpol einer massiv und einseitig substanzmetaphysischen scholastischen Theologie ebenfalls ein künstliches Gebilde wäre" (a.a.O., 690). 118 Ebd., 691. Ebd., 693. 120 Ebd., 695/696.

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M e n s c h l i c h e S u b s t a n z besteht a l s o in d e r T e i l h a b e a m Sein G o t t e s , w o b e i z u b e t o n e n ist, d a ß ein G e f ä l l e v o m Sein G o t t e s z u d e m d e s M e n s c h e n besteht. 1 2 1 J o e s t b e t o n t e a u c h , d a ß d e r M e n s c h nicht willenloses P r o d u k t sei - wie es v o n k a t h o l i s c h e r Seite in b e z u g auf die r e f o r m a t o r i s c h e A n thropologie behauptet werde - , sondern personhaftes Gegenüber. Dieses b e s t e h e a b e r nicht v o r d e r G o t t e s b e z i e h u n g , s o n d e r n e r s t d u r c h sie u n d in ihr, s o d a ß menschliches Sein nicht z u e r s t f ü r sich b e s t i m m t w e r d e n k ö n n e . 1 2 2 J o e s t entwickelte sein R e f e r a t „ a m L e i t f a d e n k o n k r e t e r heilsgeschichtlicher T h e m e n " 1 2 3 z u n ä c h s t im H i n b l i c k auf die G e s c h ö p f l i c h k e i t , d a n n im H i n b l i c k auf die S ü n d e u n d die G n a d e . D a d u r c h wies e r d e r E r ö r t e r u n g d e s Seins d e s M e n s c h e n s c h o n ihren s p e z i f i s c h e n O r t innerhalb d e r r e f o r m a t o r i s c h e n T h e o l o g i e z u , d e r bereits in d e n v o r a u s g e g a n g e n e n D i s k u s s i o n e n i m m e r d a n n v o n k a t h o l i s c h e r Seite kritisiert w u r d e , w e n n a u s evangelischer Sicht die M ö g l i c h k e i t natürlicher G o t t e s e r k e n n t n i s a u s schließlich unter d e m A s p e k t ihrer B e d e u t u n g f ü r d a s H e i l d e s M e n s c h e n b e h a n d e l t w u r d e . Ferner m a c h t e er d i e W o r t - G l a u b e - R e l a t i o n z u m G r u n d g e f ü g e seiner A u s f ü h r u n g e n , i n d e m er die G o t t e s b e z i e h u n g d e s M e n s c h e n als S e l b s t b e z i e h u n g G o t t e s z u ihm d u r c h d a s W o r t u n d als R ü c k b e z i e h u n g

Ebd., 690 und 694. Ebd., 692. m Ebd., 690. Für die Gottebenbildlichkeit folgerte er: „Denken wir aber das Mensch-Sein konstitutiv als durch und in aktualer Gottesbeziehung existierend, denken wir also über den Menschen nicht von der Substanz, sondern von dem Akt her, dann ist die Fragesituation gewandelt. Die Alternative: Noch ein Rest, oder nichts mehr, hat dann keinen Sinn. Die Gottesbeziehung bleibt ja erhalten, sie ist weder aufhebbar noch teilbar oder abtragbar ... In gewissem Sinne ist also die Ebenbildlichkeit des Menschen unaufhebbar, weil sie nämlich in jener Aktualität des Gegenüber des existentiellen Antwort-Verhältnisses zu Gott besteht ... Aber in diesem ihrem Fortbestehen ist die Ebenbildlichkeit pervertiert" (694). Diese Verkehrung kann erst durch die erlösende Gnade in Christus geheilt werden (695). Auch in seinem Buch „Ontologie der Person bei Luther", Göttingen 1967, in dem Joest die bei der Tagung behandelte Problematik breit entfaltet, fragt er ausschließlich nach Luthers Seinsverständnis des Menschen in Korrelation zu der Weise, wie die Heilswirklichkeit für den Menschen da ist, weil dies das Grundthema Luthers sei. Die Aussagen Luthers über das Sein Gottes und der Kreatur an sich läßt er weg, bestreitet aber nicht, daß sie eine eigene Studie wert wären (13-16). Seiner Untersuchung liegt die Arbeitshypothese zugrunde, daß das Personale bei Luther so beschaffen sein muß, daß es in innerer Einheit zu den seins- bzw. naturhaften Zügen steht und umgekehrt, denn die Fragen der Passivität des Menschen hinsichtlich seines Glaubens, der Zweinaturenlehre und des Sakramentsrealismus blieben bei der personalen Lutherdeutung offen (36-46). Als weitere evangelische Veröffentlichung zum Thema sei genannt Dietrich Bonhoeffers „Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie", wieder abgedruckt in: Reuter, H.-R. (Hrsg.), Dietrich-Bonhoeffer-Werke, Bd. 2, München 1988. Bonhoeffer zeichnet, seinem freilich sehr spezifischen Ansatz gemäß, zunächst den Gegensatz zwischen der evangelischen Auffassung des Seins in Relation zu Gott und der ontologischen Grundthese katholischer und altprotestantischer Dogmatik „agere sequitur esse", um dann in der „Akt-Seinseinheit" der Kirche die Lösung des Problems zu finden, die er, gemäß seiner Definition von Kirche als „Christus als Gemeinde existierend", personhaft denkt. m m

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

des Menschen zu Gott in Gestalt des Glaubens faßte. Auf philosophische Erörterungen verzichtete er. Er wies lediglich darauf hin, daß der ontologische Streit bereits bis in die Antike zurückgehe.124 Söhngens Referat hingegen war rein philosophisch ausgerichtet und untersuchte das Verhältnis von Akt und Sein innerhalb des Begriffs der analogia entis.125 Dabei kam es ihm darauf an zu zeigen, daß Barths analogia relationis, die sich als eine „recht verstandene analogia entis" von der analogia entis im katholischen Mißverständnis abheben solle, mit der Lehre des Thomas dennoch einiges gemeinsam habe, denn auch Thomas spreche von der analogia entis als analogia proportionalitatis.126 Den Unterschied sah er erst darin, daß Barth von einer „analogia attributionis mere extrinsecae" ausgehe, während die Thomisten die analogia entis als „analogia proportionalitatis intrinsecae auf dem Grund einer analogia attributionis intrinsecae verstehen".127 Ferner unterscheide sich Barths Analogiebegriff durch den Aktualitätscharakter, so daß der Gegensatz genauer heißen müsse: „analogia actionis et relationis vel attributionis contra analogiam substantiae seu qualitatis vel contra analogiam proportionalitatis essentialis."128

Das formale Schema der Analogie bei Barth und Thomas hielt er für dasselbe, wenn er auch einen Unterschied in der Reihenfolge der beiden Verhältnisse konstatierte, denn bei Thomas heiße es „sicut finitum aequatur alicui finito, ita infinito infinitum"129, während Barth die Analogie zwischen den Geschöpfen von der innerhalb der Trinität ableite. Söhngen schränkte jedoch ein: „... aber dieser Unterschied betrifft den Unterschied zwischen philosophisch ontologischem und offenbarungsmäßig ontologischem Gebrauch des Analogieprinzips, zwischen analogia entis und sogenannter analogia fidei, aber nicht den Gegensatz einer analogia entis zur analogia relationis in deren von Barth an jenem Beispiel dargestelltem formalen Schema."130

Die zweite von Thomas vertretene Hauptweise der Analogie, die analogia attributionis, ist nach Söhngen als analogia attributionis intrinsecae zu bezeichnen, die zwar in die Nähe der analogia proportionalitatis gerate, jedoch die innere wesenhafte Abhängigkeit der einen Seite von der anderen 124

Joest, a.a.O., 689 und 696. Söhngen, a.a.O., 652. m A.a.O., 650. 127 A.a.O., 651. Söhngen kam hier auch auf den Unterschied zwischen dem Kantschen Analogiebegriff und dem des Thomas zu sprechen, den er im metaphysischen Seinsgehalt sah. Der als Symbolbegriff und reine Denkform verstandene Analogiebegriff Kants sei für das katholische Verständnis nicht wirklichkeitserftillt genug. 128 A.a.O., 652. 129 A.a.O., 656, Zitat aus IV Sent d. 19. q. 2a.l ad 6. 130 Ebd. 125

Das Wesen des Menschen vor Gott

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und die Rangordnung des prius und posterius mitbezeichne, womit sie den Inhalt des Begriffs der participatio einbeziehe.131 Am Ende seines Referates kam Söhngen dahin, daß sich eine analogia essentiae oder qualitatis nicht umgehen lasse: „Aber mitnichten in dem Begriff, als wenn die Weltdinge irgendwelche an ihnen haftende göttliche Qualität aufwiesen, die uns Menschen den Weg zu unserem großen götdichen Verwandten wiese!" 132

Trotz dieser wichtigen Einschränkung Söhngens und aller begrifflichen Distinktionen, die Gemeinsamkeiten zwischen dem relationalen evangelischen Grundverständnis und dem katholischen hervortreten lassen sollten, lassen sich die Unterschiede in der philosophischen Zugangsweise nicht leugnen: Zwar konnte er zeigen, daß sich ontologische und relationale Betrachtungsweise nicht ausschließen und daß hierin nicht der eigentliche Gegensatz besteht, doch er ging vom Sein des Menschen aus und nahm seinen Ausgangspunkt nicht beim Handeln Gottes, seiner Offenbarung und seinem erhaltenden Handeln, welches das Sein des Menschen und seine Erkenntnis durch den Menschen erst ermöglicht. Über diesen Unterschied zu dem von Joest dargestellten evangelischen Verständnis und insbesondere zum Ansatz Barths konnte auch nicht hinwegtäuschen, daß er im Gegensatz zu einer rein philosophischen Ontologie die Erschaffung der Natur und Welt durch Gott voraussetzte und in der Gottähnlichkeit den Unterschied zwischen Gott und Kreatur festhielt.133 An Söhngens Referat wurde von evangelischer Seite vor allem die Analogiebildung zwischen göttlichem und menschlichem Sein beanstandet, die so nicht zutreffe. Allein in Christus spiegele sich das göttliche Sein und Handeln direkt.134 Schlink zeigte in einer längeren Stellungnahme „die grundsätzlich verschiedene Stellung der kath. und ev. Dogmatik zur Ontologie und Analogie auf" 135 . Dabei hob er, wie schon so oft, darauf ab, daß nur vom Standpunkt des Glaubens aus theologische Aussagen gemacht werden könnten, daß jedoch die Analogie ein betrachtendes Vergleichen voraussetze, also einen Standpunkt neben dem Geschehen: „Mit solchem betrachtendem Vergleichen verlassen wir aber den Standort des Hörenden und Anbetenden. Das ist nicht unerlaubt. Das Denken hat die Möglichkeit, von der Seite her zu betrachten und also kritisch zu durchdenken, was man als Betroffener erfahren hat. Aber die evangelische Dogmatik hat ein wesendich geringeres Interesse an diesem Standort als die katholische Dogmatik.

131 132 133 134 135

A.a.O., 659. A.a.O., 662. Söhngen, a.a.O., 649 und 661 f. Kinder Prot., 29/30. Prot., 31 (-34).

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Die Gefahr aber ist, daß aus dem Standort abseits der Standort der Dogmatik überhaupt wird."136 Demgegenüber entfalte sich theologische Erkenntnis in der Antwort des Menschen auf das geschichtliche Heilshandeln Gottes im Gebet, das in Dank, Fürbitte, Bitte und anbetendem Lobpreis bestehen kann. So werde Gott in seinem Sein bezeugt, das sich von dem des Menschen unterscheide. Deshalb müsse sich auch die Begrifflichkeit, mit der wir vom Menschen reden, von der, mit der wir von Gott reden, unterscheiden.137 An der von Joest vorgetragenen Position bemängelte Volk nun katholischerseits die fehlende Berücksichtigung der Eigenstellung der Kreatur unabhängig von der Gottesbeziehung, wenngleich ja auch er stets die Beziehung zu Gott als das wesentliche und wichtigste bezeichnete.138 Die Entgegnungen der evangelischen Teilnehmer auf diesen Einwand brachten zutage, daß es verschiedene Positionen hinsichtlich des Verhältnisses von Gottes Schaffen und der Kreatur, von creatio und creatura gab, insbesondere hinsichtlich der Interpretation der creatio continua. Die Frage war, ist das kontinuierliche Element das Wirken Gottes oder das geschaffene Sein? Während Wolf sehr stark darauf abhob, daß allein „dem göttlichen Schöpferwillen"139 Kontinuität zugeschrieben werden könne, so daß die Existenz des Menschen in einem Akt Gottes bestehe, akzeptierten Brunner und Bornkamm diese Deutung der creatio continua nicht, sondern hoben die Kontinuität des Geschöpfes Gottes hervor, um die creatio prima ernst zu nehmen, mit der das kreatürliche Wesen, das Sein, gesetzt wurde. Sie unterschieden also zwischen kreatürlichem Wesen und göttlichem Schaffen. Daß Joest in seinem Referat davon gesprochen habe, daß die Kreatur Gottesbeziehung sei, obwohl er im Verlauf der Diskussion bewiesen habe, 136

Prot., 33. Vgl. zu dieser Diskussion die Ausführungen Josef Piepers zum Thema „Was heißt ,Gott spricht?'", bei der 26. Tagung 1965, veröffentlicht in: Catholica 19/1965, 171-191. Pieper hatte den Versuch unternommen, das Reden Gottes vom menschlichen Sprechen abzuleiten, indem er zunächst klärte, was das Spezifische am Sprechen des Menschen ist im Vergleich zu anderen Formen menschlicher Äußerung. Seine Voraussetzung war eine analogia entis zwischen Geschöpf und Schöpfer, da ein menschliches Tun nicht von Gott ausgesagt werden könne, wenn das radikale Anderssein Gottes gegenüber seinem Geschöpf vertreten werde (a.a.O., 172). Damit vertrat er eine Position, die von einem Teil der evangelischen Teilnehmer nicht anerkannt wurde, da er rein rational vom menschlichen Reden ausging, anstatt von Gottes Anrede, die menschlichem Reden immer vorausgehe. So äußerten sich vor allem Kinder und Skydsgaard (Prot., 20). Pannenberg hingegen äußerte Bedenken philosophischer Art gegenüber der scholastischen Analogielehre. Dabei bezweifelte er nicht, daß „Wort Gottes" als Metapher eine Seinsbeziehung (zwischen Gott und Mensch) impliziere. Um der Redlichkeit theologischen Denkens willen müßten jedoch die Übertragungsvorgänge offengelegt werden (Prot, 55). 137

138 139

Prot., 20, 22 und 25. Prot, 21/22.

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daß er das Sein der Kreatur nicht als Aneinanderreihung einzelner Ereignisse auffasse, sollte nach Bornkamm zeigen, „daß die Kreaturhaftigkeit der Kreatur und das Gottsein Gottes eine völlig andere Bezeugung hat und einen völlig anderen Zugang erfordert, als er im Rahmen einer Ontologie eröffnet wird. Das ,ens increatum' sprengt alle Ontologie".140

In den mehrheitlichen Voten der evangelischen Teilnehmer kam damit zum Ausdruck, daß das Sein der Kreatur sehr wohl berücksichtigt werden müsse, aber nur als in der Gottesbeziehung stehend. Deutlich wurde ferner, daß beide Seiten die Personalität des Menschen gewahrt wissen wollten, daß sie jedoch den Personbegriff unterschiedlich füllten. Ein substantialer Personbegriff, wie er den Voten von Volk zugrundelag, stand dem relationalen Personbegriff auf evangelischer Seite, für den die Gottesbeziehung konstitutiv ist, gegenüber.141 Festzuhalten ist also wieder einmal dasselbe Anliegen auf beiden Seiten. Die Differenz zeigte sich jedoch auch in der katholischen Anfrage, warum das Sein der außermenschlichen Kreatur in Joests Referat nicht vorkam.142 Von einer Betrachtungsweise des der Gottesbeziehung vorgeordneten Seins aus, kann und muß die Natur um den Menschen gleichzeitig in den Blick genommen werden, während von einer relational-heilsgeschichtlichen Betrachtungsweise aus die Beziehung zwischen Schöpfer und außermenschlichem Geschöpf erst von den Erfahrungen des Menschen mit Gott her beleuchtet werden kann: „Die Aussagen über die Heilsgeschichte haben das Prius gegenüber den Aussagen über die Natur. Dabei dürfen das ontologische und das noetische Prius nicht miteinander verwechselt werden. Die Schöpfung ist - um mit Barth zu sprechen - der äußere Grund des Bundes, der Bund aber der innere Grund der Schöpfung·"143

1.4.2. Zur Interpretation des Substanzbegriffs innerhalb der katholischen Theologie Bei der innerkatholischen Diskussion um die Eignung des Substanzbegriffs für eine Ontologie144 war von entscheidender Bedeutung die Offenheit der 140 P r o t , 2 5 / 2 6 . Vgl. Joest, Prot., 20 und seine Haltung in „Zur Ontologie der Person bei Luther". Bornkamm wandte sich in seiner Stellungnahme gegen die These Käsemanns, die in der Auferstehung gelegene Kontinuität sei ausschließlich die Kontinuität des göttlichen Handelns (Prot., 21). 141 Vgl. Joest, Zur Ontologie der Person bei Luther, 2 6 / 2 7 . 142 Vgl. Vorwurf Höfers an Joest, Prot., 3 / 4 . 143 Prot., 1 8 / 1 9 Kinder. 144 Im Verlauf des Gesprächs über den Substanzbegriff spielte auch die Frage eine Rolle, welche Bedeutung die moderne Physik für die Theologie spielen könne. Von einer näheren Erörterung wurde jedoch wegen einer möglichen Uberforderung der Teilnehmer abgesehen.

144

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katholischen Gesprächspartner dafür, den Substanzbegriff in seiner aristotelischen Ausprägung fallen zu lassen und den Substanzbegriff als solchen neu zu fassen.145 Dolch ging in seiner kurzen historischen Darstellung des Problems „Akt und Sein" von ersten Aussagen über das Seiende bei Aristoteles aus, die von einem an der Physik ausgebildeten Denken geprägt seien. Bei Leukipp und Demokrit werde das Seiende dann als Substanz verstanden, als „Materieklötzchen, das durch eine ,vis externa' zur Verwirklichung getrieben wird."146 Thomas dagegen habe keinen dinglichen Substanzbegriff, sondern kenne lediglich die „forma" der Dinge, als von Gott gesetzten Auftrag, sich zu verwirklichen. Nach Thomas könne also nur das innere Prinzip der Substanz angegeben werden. Ob es verwirklicht wurde, sei seiner Meinung nach nicht Gegenstand des Denkens, sondern von Erfahrungsaussagen. In der Neuzeit (16.-19.Jh.) sei der Substanzbegriff von Demokrit und Leukipp wieder aufgegriffen, im 20.Jh. jedoch durch den Funktionsbegriff ersetzt worden (Cassirer). Wichtig sei nun die Funktion als sich selbst tragendes Beziehungsgefüge und das amorphe Teilchen. Die Aufgabe besteht nach Dolch nun darin, „diese beiden Pole wieder zueinander zu bringen und das Innesein des Formalen im Materiellen herauszustellen. Dabei, so Dolch, werde der thomistische Substanzbegriff entscheidende Dienste leisten können. - Die aristotelische Kategorienlehre aber stellte er insofern in Frage, als sie das Sein als das selbstverständlich Gegebene ansieht und für dessen Bestimmung die Relation zur Transzendenz als unwesentlich erachtet. Der evangelische Physiker Howe meint, den Substanzbegriff endgültig ad acta legen zu können, aber das sieht er nicht richtig. Wir wollen zwar nicht die ganze Kategorienlehre des Aristoteles wieder aufnehmen, wohl aber den Substanzbegriff neu und vertieft fassen."147

Daß der thomistische Substanzbegriff damals dem aristotelischen vorgezogen und der Gebrauch philosophischer Systeme innerhalb der Theologie grundsätzlich als wandelbar angesehen wurde, deutete bereits die MögEs wurde lediglich von Söhngen bemerkt, die Ergebnisse der modernen Physik seien geeignet, der Theologie die Bedeutung der quantitativen Bestimmung der Substanz vor Augen zu führen. Sie liege nämlich nicht darin, neue Gottesbeweise zu erbringen. Vgl. Höfer, Prot, 8: „... weist darauf hin, daß die thomistische Substanzlehre noch unterbaut werden muß. Wir sind auf kein philosophisches System eingeschworen. Es gibt kein compendium in aeternum permanens. Weiterbildung ist dauernde Aufgabe. Das Grundproblem ist mir: Wie soll der offenbarungsgläubige christliche Theologe die Naturwirklichkeit sehen und vom Offenbarungsglauben aus deuten? Ob der Substanzbegriff für verwendbar gehalten wird, ist wichtig, aber kein Fundamentalproblem." 145 Volk, Prot., 13 und Dolch im folgenden. 146 Prot., 11. Diese Ausführungen Dolchs unmittelbar zum Thema „Akt und Sein" sind erheblich aufschlußreicher, als die im Anhang des Protokolls vorliegende Skizze des Referates zum Thema „Moderne Physik und Ontologie", die jemandem, der das Referat nicht gehört hat, kaum ein Bild des Gesagten vermittelt und zudem nichts zur eigentlich kontroversen Problematik beiträgt 147 Prot., 12.

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lichkeit der Annäherung durch weitergehende Interpretation an, die schließlich im Hinblick auf ein gemeinsames Verständnis der Realpräsenz Christi im Abendmahl im Verlauf der Arbeit des ÖAK weiterverfolgt wurde. Hinzuweisen ist jedoch noch auf eine vergleichbare Aussprache über den Naturbegriff, die notwendig wurde, als es - wie oben dargestellt - darum ging, die Tragweite natürlicher Theologie, natürlicher Gotteserkenntnis und des Naturrechts zu bestimmen. Evangelischerseits wandte man sich gegen einen abstrakt-philosophischen Naturbegriff, der die Natur in ihrer reinen Wesenhaftigkeit bezeichnet, wie er im Anschluß an Aristoteles bei Thomas Anwendung findet Weil nach der herkömmlichen Verwendung unter Natur eine unveränderliche Größe zu verstehen sei, wollte man den Begriff besser gar nicht anwenden oder durch den der Kreatur ersetzen.148 Im Hintergrund stand die Frage, ob der Mensch seine Natur selbst zerstören könne, was von Thomas verneint wird.149 Von katholischer Seite betonte man aber vehement, daß Aristoteles nicht in erster Linie maßgeblich sei, sondern daß der Naturbegriff theologisch gefüllt werden müsse.150 Indem Volk schließlich den Naturbegriff dahingehend interpretierte, daß die Natur ein Bonum enthalte, weil Gott sie geschaffen habe, daß sie aber offen sei für die Sündigkeit und auf die Verwirklichung ihres „telos", die ihr nicht aus eigener Kraft gelinge, erst hinlebe, gelangte er in große Nähe zu Brunners Votum über den Menschen als Geschöpf.151 Während Brunner jedoch lediglich von Gottes erhaltendem Wirken am Geschöpf sprach - wozu auch das Naturrecht diene - , weil das Geschöpf die Möglichkeit habe, sich seiner Entwicklung auf seine Bestimmung hin zu widersetzen, ging Volk von der Abhängigkeit des Geschöpfs vom Schöpfer in bezug auf seine Sinnerfüllung in einem dynamischen Prozeß von der perfectio formae zur perfectio finis aus, der sich unbeschadet der Sündigkeit des Menschen vollziehe. Die konfessionelle Differenz trat noch klarer hervor, als Rahner die Konkretion des umgreifenden Handelns Gottes im Geschöpf ansprach und forderte, wegen der „durchhaltenden Inhaldichkeit" am Naturbegriff festzuhalten.152 Damit zeigte sich, daß nicht nur in der Begrifflichkeit ein Unterschied bestehen blieb, sondern nach wie vor auch in dem mit ihr zum Ausdruck gebrachten Sachverhalt, daß der Wille Gottes als eine bleibende Größe im Menschen anzusehen ist, und dieser in diesem Sinne als aus sich selbst bestehendes Wesen betrachtet wird. Dennoch war es von Bedeutung, daß katholischerseits unterschiedliche Interpretationen des Naturbegriffs zur Sprache kamen, bei denen 148

Prot, der H.Tagung 1953, 24 Brunner, 27 Mumm. Pieper, Prot, 28: „Nach Thomas kann der Mensch nicht nur nicht sein Menschsein zertreten, sondern - darüber hinaus - auch nicht einmal die Grundrichtung seiner Natur auf das Gute. Thomas ist sich dabei klar, daß er so die Schwierigkeit der Frage, wieso der Mensch sündig werden könne, enorm vergrößert" 150 Hirschmann war in seinem dogmatischen Referat, das nicht vorliegt, offenbar ausschließlich vom aristotelischen Naturbegriff ausgegangen ohne die Modifikationen durch Thomas zu berücksichtigen, der die Naturwirklichkeit immer als durch Schöpfung entstanden denkt. Vgl. Pieper, Prot., 23. 151 Dies bemerkte auch Rahner, Prot., 26; vgl. Prot, 22/23 Volk und 24 Brunner. al Prot., 24/25 Brunner, 25/26 Volk und 26/27 Rahner.

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die Sündhaftigkeit des Menschen und seine Abhängigkeit von Gott mitberücksichtigt wurden. 153

Exkurs: Der Wandel in der Interpretation der Transsubstantiation als Folge der Neuinterpretation des Substanzbegriffs Die grundsätzliche Offenheit für Neuinterpretationen des Substanzbegriffes in der katholischen Theologie eröffnete vor allem Möglichkeiten für eine Verständigung über die Gegenwart Christi im Abendmahl. Diese sollen hier deshalb aufgenommen werden, weil die Thematik unmittelbar im Anschluß an die Tagung über „Akt und Sein", quasi als deren sinnvolle Fortsetzung bzw. Konkretisierung im Hinblick auf die Abendmahlslehre, aufgegriffen wurde.154 Der Diskussion lag Rahners Interpretation des Substanzbegriffs zugrunde: 151 Zum Spektrum der Interpretationsmöglichkeiten sei auf Söhngens instruktiven Aufsatz „Natürliche Theologie und Heilsgeschichte. Antwort an Emil Brunner" hingewiesen, in: ders., Die Einheit in der Theologie, München 1952, 248-264. Söhngen versucht darin, die heilsgeschichtliche Betrachtungsweise der theologia naturalis im Anschluß an Augustin und Bonaventura gegen Brunner als ebenso maßgeblich für die katholische Theologie zu verteidigen wie die des Thomas (251). Den Unterschied im jeweiligen Naturbegriff beschreibt er so: „Es werden freilch wieder besonders die Theologen, die ein näheres Verhältnis zu Augustin haben, von Augustin her auf solche Stellen den Finger legen und die , Dialektik' von objektiv-physischem und subjektiv-moralischem, von abstrakt-philosophischem und konkret-heilsgeschichdichem Naturbegriff zur Geltung bringen. Der Unterschied zwischen den Augustinisten und den Thomisten in dieser Dialektik kann allgemein so gekennzeichnet werden: Bei Augustin, Anselm, Hugo von St. Victor, Bonaventura steht der konkret-heilsgeschichtliche Naturbegriff noch ganz im Vordergrund, d. h. die Betrachtung der Menschennatur in ihrer wirklichen Heilszuständligkeit, in der unversehrten und der gefallenen; der abstrakt-philosophische ist ein unvermeidbarer Hil/sbegriff, und zwar ein stets mehr und mehr unvermeidbarer. Bei Thomas dagegen kommt von Aristoteles her der abstrakt-philosophische Naturbegriff, d.h. die Betrachtung der Natur in ihrer reinen Wesenhaftigkeit und den in dieser angelegten reinmenschlichen Möglichkeiten, zum vollen Durchbruch, ohne freilich den konkret-heilsgeschichtlichen Naturbegriff völlig oder beinahe außer Kraft zu setzen; seine kritische Funktion an der theologia naturalis bleibt auch hier immerhin noch bedeutend" (255). Den Unterschied zum reformatorischen Verständnis der theologia naturalis kennzeichnet er so: „Wenn Brunner darauf erwidern wird, daß er gerade eine bloß relative oder moralische Notwendigkeit der Wortoffenbarung für unsere Erkenntnis der Schöpfungsoffenbarung als ungenügend ablehne, daß einem reformatorischen Verständnis der theologia naturalis allein die absolute Notwendigkeit entspreche, so haben wir gegen den so gekennzeichneten Unterschied von unserer Seite nichts einzuwenden ... Der Unterschied ist nicht einfach der zwischen ungebrochener und gebrochener, sondern zwischen absolut und relativ gebrochener Natur und Naturtheologie" (255/256). 154 Gemeint ist die 16. Tagung, die vom 28.3.-1.4.55 im Collegium Leoninum in Paderborn zum Thema „Die Gegenwart Christi im Abendmahl" stattfand. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Asmussen, Bornkamm, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, von der Gablentz, Joest,

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„Substanz ist dasjenige, was bei einer adaequaten, umfassend gültigen Aussage der Wirklichkeit, also derjenigen, in der Gott redet oder der Mensch für sich allein mit Recht reden darf, objektiv macht, daß ein bestimmtes zeigbares, dargereichtes Etwas entweder wirklich Brot und nur das, oder eben dieses nicht, sondern der Leib Christi ist Spezies ist das empirische Erscheinungsbild einer Sache, wie dieses sich unserer, nicht von höherem, umfassenderen, »wahreren« Standpunkt aus kritisierten Erfahrungserkenntnis darbietet In diesem Sinn der Worte wird gesagt: Aus der Substanz des Brotes ist unter Bleiben der bloßen Brotsgestalt im Ereignis des wirksamen Wortes Christi die Substanz des Leibes Christi geworden." 155 Rahner grenzte sich mit dieser D e f i n i t i o n g e g e n katholische T h e o l o g e n ab, die in rationalistischer U m d e u t u n g der Begriffe Substanz und Spezies z w i schen verständlicher realistischer Wirklichkeit und religiöser Sinndeutung unterscheiden, damit d e n Unterschied v o n A k z i d e n z und Substanz angeben und s o aus der Transsubstantiation etwas völlig Verständliches machen: „Das geht nicht, weil für das kath. Glaubensverständnis weder die Substanz des Brotes noch die des Leibes Christi idealistisch in irgendwelche Bedeutungs- und Sinnwirklichkeiten verdünnt werden können, wenn Christus in die Dimension hineinspricht, in der er sehr konkret seinen Aposteln eine Speise reicht, die sein Leib ist" 156 V o n evangelischer Seite traf ihn der Vorwurf, w a s v o n d e n Vätern als Substanz bezeichnet werde, w e r d e nach seiner D e f i n i t i o n zur Spezies. 1 5 7 Rahner entgegnete darauf, T h o m a s biete neben der formallogischen eine ontische Erklärung der Transsubstantiation, die im TranssubstantiationsKinder, Maurer, Menn, Schumann, H. H. Wolf, Prot. Mumm und Pannenberg, Gast: Pfr. Asmussen jun. (Kiel). Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Dolch, Gewieß, Hasenkamp, Kuss, Lortz, Mörsdorf, Rahner, Rosenmöller, Schmaus, Söhngen, Volk, Warnach, Prot Bäumer. Die Diskussionen des ÖAK über das Abendmahl werden unter dem hauptsächlich strittigen Aspekt der Mitwirkung von Menschen am Opfer Christi bzw. am Zustandekommen seiner Gegenwart dargestellt, so daß die Aufnahme der Problematik um die Transsubstantiation auch aus diesem Grunde an dieser Stelle sinnvoller erschien. 155 Vgl. sein dogmatisches Referat, Rahner, Karl, Die Gegenwart Christi im Sakrament des Herrenmahles nach dem katholischen Bekenntnis im Gegenüber zum evangelisch-lutherischen Bekenntnis, in: Catholica 12/1959, 105-128, 122. 156 Ebd. 157 Schlink hielt es für eine apologetische Anpassung des Substanzbegriffs an die moderne Situation, daß Rahner die bei der Wandlung zurückbleibenden Eigenschaften als Erfahrungswirklichkeit interpretierte: „Thomas' Erörterungen S.Th.q.77 art 5 zeigen, dass Ihr Verständnis von species damals nicht selbstverständlich war: aliqui bestritten, dass überhaupt in der Eucharistie eine Ernährung stattfindet Andere haben die Ernährungswirkung aus der umgebenden Luft erklärt. Andere lassen bei der Verdauung die Substanz des Brotes zurückkehren. Thomas selbst schliesslich lehrt, dass ein zweites Wunder geschieht, wodurch den species die Möglichkeit gegeben wird, den menschlichen Körper zu ernähren: Bei der Wandlung wird die Kraft zur ernährenden Substanzbildung auf die quantitas dimensiva des Brotes übertragen. - Im Effekt dieser beiden Wunder ist das da, was Sie meinen: die ganze Erfahrungswirklichkeit" (Prot, 15). Vgl. auch Brunner, Prot., 12.

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dogma nicht eingeschlossen sei und mit der eben eine Reihe weiterer Probleme entstünden.158 Es war für die evangelischen Theologen von großem Gewicht, daß Rahner die Transsubstantiationslehre als „legitime Interpretation des biblischen Zeugnisses von der Realpräsenz zu erweisen"159 suchte, indem er zwischen ontischer und logischer Erklärung unterschied, um zu zeigen, „dass die Transsubstantiation eine ähnliche Bezeugung des biblischen Zeugnisses darstellt wie das trinitarische und christologische Dogma." 160

Rahners These, „das Dogma von der Transsubstantiation (soweit es wirklich streng Dogma ist) ist eine logische, nicht ontische Erklärung der wörtlich genommenen Worte Christi",161

soll deutlich machen, „die Lehre von der Transsubstantiation sagt mir inhaltlich nicht mehr als mir die Worte Christi sagen, wenn ich sie ernst nehme. Die Funktion dieser Lehre ist nicht die Erklärung der Realpräsenz durch die Mitteilung des Wie ihres Werdens, derart, daß diese Weise in sich verstanden, als ein anderer Vorgang begriffen, verständlich mache, wie es zur Realpräsenz komme."162

Er war sich freilich der Tatsache bewußt, daß seine Auslegung des tridentinischen Transsubstantiationsdogmas nicht das Einverständnis aller katholischer Theologen findet163: ^ Ebd. 159 Brunner, Prot., 11. 160 Ebd. 161 Rahner, Die Gegenwart Christi, 120. Diese These basiert auf folgender Definiton: „Eine logische Erklärung eines Satzes über einen bestimmten Sachverhalt möchte ich einen Satz nennen, der den zu erklärenden Satz klar, d. h. deutlicher und unmißverständlicher macht, indem er ihn aus diesem selbst heraus verdeutlicht, d. h. ohne auf Sachverhalte überzugreifen, die von dem zu erklärenden verschieden sind ... Darum kann das zur Erklärung verwendete Begriffsinstrumentar aus dem zu erklärenden Sachverhalt selbst entnommen und an ihm abgelesen werden. Dieses wäre auch dann noch der Fall, wenn die verbale Terminologie, die in der Erklärung verwendet wird, an sich anderswoher bezogen würde, gesetzt nur, daß darüber Einverständnis herrscht..., daß die so verwendete Terminologie nur in dem Umfang, der Bedeutung und Tragweite gemeint ist, wie es sich aus dem zu Erklärenden selbst ergibt... Eine ontische Erklärung des Satzes über einen bestimmten Sachverhalt heiße jene Erklärung, die einen anderen, als den zu erklärenden, Sachverhalt aussagt, der geeignet ist, den zu erklärenden verständlich zu machen und ihn auf diese Weise, d.h. durch Angabe seiner Ursache, der bestimmten und konkreten Weise, wie er entsteht usw. vor Mißverständnissen schützt" (a.a.O., 118/119). 162 A.a.O., 120. Vgl. Rahner Prot., 12: „Transsubstantiation voll und ganz genommen besagt: dies ist nicht mehr Brot, sondern der Leib Christi. Ich kann dieses Faktum von einer metaphysischen Konzeption von Substanz her verstehen, aber vom definierten Dogma her heisst Transsubstantiation nur ganz formalisiert: Dasjenige, was da ist, ist nicht mehr Brot im gewöhnlichen Sinn. Dabei ist der Gedanke der Veränderung mitausgedrückt." 163 A.a.O., 118.

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„Weil es nicht immer leicht möglich ist, diese und jene Sachverhalte eindeutig zu unterscheiden, mag es unter den kath. Theologen Meinungsverschiedenheiten geben darüber, was genauerhin eindeutig einerseits im Dogma der Transsubstantiation (weil in Christi Worten) impliziert sei und was darum zum Dogma gehört, was andererseits nur zur theologischen Erklärung dieses Dogmas in Funktion einer bestimmten philosophischen Konzeption gehört, aber daß beide Dinge grundsätzlich unterschieden werden müssen, darüber sind sich wohl die kath. Theologen einig."164 Die bei der Tagung anwesenden katholischen Theologen widersprachen Rahner nicht. Auch evangelischerseits meinte man schließlich, den Rahnerschen Substanzbegriff akzeptieren zu können, hinterfragte aber dennoch, wozu am Begriff der Substanz unbedingt festgehalten werden müsse, wenn er zum einen nicht eindeutig bestimmbar sei und zum anderen „viele abwegige Denkmöglichkeiten"165 mit sich bringe. Rahner hatte zwar entsprechend dem Ergebnis der 15. Tagung die Fixierung auf eine bestimmte philosophische Ausformung des Substanzbegriffs abgelehnt, jedoch keinen Hehl daraus gemacht, daß ihm die Substanz-Akzidenz-Metaphysik der Scholastik durchaus richtig zu sein scheine. Daß das lutherische Bekenntnis trotz der Anerkennung der Realpräsenz die Transsubstantiation ablehnt, könne er sich nur so erklären, daß die scholastische „Transsubstantiationsspekulation" mit dem definierten Dogma identifiziert und deshalb das Dogma selbst abgelehnt werde. Ferner gelte für das evangelische Verständnis: „man will die Tat Gottes in der bloß göttlichen Sphäre belassen, sie ist nicht da verändernd, wo die Dinge der Welt - das Brot, die Moral, das Grab usw. - sind. Sie bleiben irgendwie jenseits, nicht bloß der Erfahrung des Nichtglaubens (was auf jeden Fall richtig ist), sondern der weltlichen Wirklichkeit selbst; Gott bleibt im Himmel; da wo das Brot ist, geschieht nichts. Freilich schiene es mir dann konsequenter zu sagen: Christus ist nur im Glauben, ja sogar nur durch den Glauben allein gegenwärtig. Daß im großen und ganzen doch weithin die zwinglianische oder kalvinische Lehre über das Abendmahl gesiegt hat, wäre dann nicht mehr zufällig. Was nicht ausschließt, daß wir uns freuen über das Stück Konsensus, das bleibt zwischen der lutherischen und der katholischen Lehre."166 Am Substanzbegriff wollte Rahner also festhalten, weil er klarmache, daß es um die konkrete Gegenwart Christi gehe.167 Seine Interpretation der Transsubstantiation näherte sich aber wieder dem altkirchlichen WandA.a.O., 121. So Schlink, Prot., 15. 166 Die Gegenwart Christi, 124 Zitat und 123. 167 Prot., 15. Rahner verwies in seinem Referat auch auf die Bedeutung, welche die katholischen Schulstreitigkeiten über genauere Interpretationen des T.dogmas für das kontroverstheologische Gespräch einmal erlangen könnten (a.a.O., 124). 165

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lungsbegriff an, der noch nicht mittels philosophischer Begrifflichkeit Zeichen und Wirklichkeit auseinandertreten ließ, sondern das Geschehen innerhalb des Mysteriums beließ.168 Damit konnte er zwar den evangelischen Einwand gegenüber der philosophischen Spekulation hinsichtlich des „Wie" der Realpräsenz Christi entkräften, nicht aber die Bedenken gegenüber einer bleibenden Veränderung der Elemente und der daraus resultierenden Annahme der Gegenwart des Herrn auch extra usum, da er ja gerade die Bedeutung des Vorgangs an den Elementen nachhaltig betonte. 169 Immerhin stellte er aber unter Berücksichtigung der tridentinischen Aussagen hierzu fest, daß für beide Seiten die Gegenwart Christi auf den usus beschränkt sei, dieser nur nach evangelischer Ansicht enger zu fassen sei als nach katholischer. 170 Während man katholischerseits keinen terminus ad quem akzeptieren wollte, sondern in der Dauer der Aufbewahrung der Hostie einen menschlichen Spielraum sah, blieb man auf evangelischer Seite dabei, daß der Zeitraum zwischen Konsekrationsmoment und Nießung möglichst eng zusammenzurücken sei, da die Worte „Das ist mein Leib" nur gültig seien in bezug auf die vorausgehenden „Nehmet hin und esset". 171

ιω Vgl. den Exkurs zum geschichtlichen Hintergrund der Diskussion um die Transsubstantiation, in: Lehmann, K./Pannenberg, W. (Hrsg.), Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, Freiburg/Göttingen } 1988, 98 f. und Schlink, E., Struktur und Rangordnung der dogmatischen Aussagen über das Herrenmahl, in: Lehmann, K./Schlink, E. (Hrsg.), Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche, Freiburg/Göttingen 2 1986, 138-175, 167. Man hatte argumentiert, Luther habe sich in viel geringerem Maße gegen die Transsubstantiation gewandt, als gegen den Spiritualismus und sich nur gegen den Versuch ausgesprochen, mit inadaequaten philosophischen Mitteln das „Wie" der Gegenwart Christi bei der Eucharistie zu erklären. Nicht das Anliegen, sondern die Konsequenzen der T.lehre im Hinblick auf das extra usum habe er für gefährlich gehalten. Vgl. Kinder, Prot., 13/14. Schlink hatte in der Diskussion die Perspektive von der Verwandlung der Elemente auf die „Hineinverwandlung in Christus" hin gelenkt, die allein entscheidend sei (Prot, 20). 170 Rahner hatte in seinem Referat ausgeführt: „So eindeutig das Konzil die Lehre ablehnt, Christus sei nur gegenwärtig ,in usu, dum sumitur' ( D 886; 876), so unbefangen gibt es zu, dieses Sakrament sei von Christus gestiftet, ut sumatur ( D 878). Brot und Wein sind anthropologische Wirklichkeiten und Begriffe und haben als solche eine für sie wesentliche Bezogenheit zum Genuß, zum usus (a.a.O., 111) . . . Ich meine aber, wir katholischen Theologen könnten da von der in-usu-Lehre der evangelischen Christen etwas lernen, ohne die Lehre des Tridentinums zu verleugnen . . . Der erste Satz der Eucharistielehre ist: Das ist mein Leib; nicht der. Darunter bin ich gegenwärtig . . . Von da aus aber könnte man sich die Frage stellen, ob man nicht die grundlegenden Aussagen über die Eucharistie so formulieren und verdeutlichen könnte, daß in ihnen zwar die Realpräsenz deutlich erkennbar ist, aber zuerst und umfassend der Opfer- und Speisecharakter und in beiden der Geschehenscharakter dieses Vorgangs ausgesagt wird . . . Wäre auf diese Weise eine deutlichere Rückbindung der Realpräsenz und der damit gegebenen anbetenden Verehrung des Herrn in der Eucharistie zum Empfang, zum ,usus' nicht möglich und so eine genauere Abgrenzung zwischen einem berechtigten eucharistischen Kult außerhalb der Messe und manchen Fehlentwicklungen erreichbar?" (127/128) 171

Vgl. u.a. Kinder und Rahner, Prot., 14, Brunner, 24.

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Einen weitaus größeren Einschnitt für die Interpretation des Substanzbegriffs und für ein sich daraus ergebendes gemeinsames Verständnis der Realpräsenz Christi im Abendmahl bedeutete aber die von dem reformierten Theologen F. Leenhardt vorbereitete und hauptsächlich von den katholischen Theologen P. Schoonenberg und E. Schillebeeckx vertretene Auffassung einer Transsignifikation, die 1970 bei einer Tagung zur Interkommunion von W. Pannenberg in modifizierter Form in die Diskussion eingebracht wurde.172 Ihre Bedeutung liegt gerade in der Rahner noch vorgeworfenen Abwehr der einseitigen Berücksichtigung der Elemente bei der Bestimmung der Abendmahlsgabe, die zu den katholischen, lutherischen und reformierten Ausprägungen der Abendmahlslehre geführt hat. Die personale Anteilhabe an Jesus tritt nun in den Vordergrund. Der Begriff der Transsignifikation berücksichtigt, so Pannenberg, den Sinnzusammenhang menschlichen Verhaltens, in dem natürliche Gegebenheiten stehen. Der Substanzbegriff wird vom Begriff der Bedeutung her neu definiert.173 Daraus folgt: „Gehört also das Wesen oder die Substanz mit der Bedeutung zusammen, so ist Substanz nicht mehr wie für Aristoteles das unveränderlich allem Wechsel Zugrundeliegende, sondern ist selbst in einen Prozeß hineingerissen; denn was Ereignisse und Dinge letzten Endes bedeuten, das steht noch nicht endgültig fest" 174

Für Pannenbergs gegenüber Schillebeeckx modifizierte Fassung der Transsignifikation ist nun kennzeichnend, daß der Bedeutungswandel der Elemente eschatologischen Charakter hat, damit endgültig ist und nicht durch neue Bedeutungserfahrungen veränderbar. Damit wird die bleibende Identität des Wesens zum Ausdruck gebracht, die der traditionelle Substanzbegriff aussagen sollte, jedoch ohne die denkerischen Schwierigkeiten, die er - wie im übrigen auch der lutherische Gedanke der Konsubstantiation - mit sich brachte. Im Gegensatz zu Schillebeeckx ist bei Pannenberg der Dualismus von Transsubstantiation und Transsignifikation und damit von Zeichen und Sache aufgehoben.175 V1 Vgl. Pannenberg, Wolfhart, Die Problematik der Abendmahlslehre aus evangelischer Sicht, in: Krems, Gerhard/Mumm, Reinhard (Hrsg.), Evangelisch-katholische Abendmahlsgemeinschaft?, Göttingen 1971, 9-45. Hierbei handelt es sich um die Veröffentlichung der Vorträge, die bei der 31. Tagung 1970 in Tutzing gehalten wurden. Zu den anwesenden Teilnehmern vgl. ebd., Anhang 200-202. 173 Hierzu und zum folgenden vgl. ebd., 35-40. 174 Ebd., 36. 175 Die Voraussetzung für die Aufnahme des Transsignifikationsbegriffs durch Pannenberg ist, daß er die Frage nach dem „Wie" der Präsenz Christi im Abendmahl nicht als spekulativ ausklammert Vgl. These 7 der Kurzfassung seines Referates, Prot, der 31. Tagung 1970, 7: „Die Frage, wie die Gegenwart Christi im Abendmahl verstanden werden könne, läßt sich nur auf dem Boden eines gesetzlichen Wortverständnisses für unwesentlich erklären. Mit dem Begriff der Transsignifikation scheinen in der gegenwärtigen Diskussion die bisherigen

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Faszinierend an diesem Ansatz ist, daß er die berechtigten Anliegen der lutherischen, reformierten und katholischen Lehre von der Realpräsenz, die bei der Diskussion um Rahners Definition des Substanzbegriffs zur Sprache kamen, weitgehend in sich aufzunehmen vermag, seine Akzeptanz also von keiner Seite die Aufgabe der eigenen Position fordert, jedoch deren Einseitigkeit überwindet Mit der Annahme eines endgültigen Bedeutungswandels nahm Pannenberg jedoch verstärkt das wesentliche katholische Anliegen auf und löste damit eine kontroverse Diskussion bezüglich des „extra usum" aus, bei der er von katholischer Seite mehr Zustimmung fand als der Ansatz von Schillebeeckx, von evangelischer Seite jedoch Bedenken entgegennehmen mußte. K. Lehmann hielt diese Interpretation für besser als die der Holländer, da bei einem bleibenden Bedeutungswandel auch extra usum wieder eine Brücke zum Begriff der Transsubstantiation bestehe.176 P. Brunner sah darin eine noch bestehende Kontroverse und wies zumindest auf die Probleme in der praktischen Handhabung hin. Als man - wie bereits 1955 - von beiden Seiten bekräftigt hatte, das Geschehen des Abendmahls müsse hingeordnet sein auf den Vollzug,177 bemängelte er noch praktizierte Formen des „extra usum", die nicht stiftungsgemäß seien. Vergleicht man die soeben dargestellten Ergebnisse der Auseinandersetzungen um die Transsubstantiation mit den Grundsätzen, die gegenwärtig vom ÖAK als Basis für die Uberwindung der Kontroverse vorgeschlagen werden178, so erweisen sich diese als Resultat fruchtbarer, mit viel Gespür für unaufgebbare Elemente der eigenen Lehre geführter, interkonfessioneller Auseinandersetzungen, die bereits lange vor dem II. Vatikanischen Konzil begannen und nicht etwa eine „Neuentdeckung" gegenwärtiger ökumenischer Bemühungen darstellen.

Alternativen zwischen Symboltheorie, Transsubstantiation und Konsubstantiation überwunden zu sein." 176 Vgl. Prot., 11 und 8 8 ff. m Pannenberg hatte dies nochmals betont und dabei klargestellt, seiner Ansicht nach gebe es zwar etwas Irreversibles, aber nicht in verdinglichter Art (Prot, 104). Außerdem erklärte Volk das Anliegen des „extra usum" so, daß es evangelischerseits auf Anerkennung stieß. Vgl. Joest, Prot., 115: „Das war doch sicher für uns Evangelische eine ganz große Überraschung, wie Herr Bischof Volk das vorhin erklärt hat, was für ihn, also für katholische Christen, darin liegt, die Entschiedenheit, in der Christus da ist für uns. Ja, also dann muß ich sagen, ist das das klassische Beispiel dafür, wie unter uns vielleicht völlig befremdlich anmutende Formen, wie diese Formen zum Ausdruck desselben Glaubens werden können, an dem uns genauso liegt. Ich würde nach wie vor mit dem ,extra usum' wenig anfangen können, aber es stört mich nicht mehr, wenn es das bedeutet." m Vgl. Lehrverurteilungen - kirchentrennend? I, 97-113, besonders 107/108. Vgl. auch das gesonderte Kapitel zu der praktischen Neugestaltung der Eucharistiefeier seit der Liturgiereform des Il.Vatikanum, die verstärkt die Mahlfeier selbst in den Mittelpunkt rückt (ebd., 108-113).

Das Wesen des Menschen vor Gott

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1.5. Zusammenfassung Blickt man kurz zurück auf die bisherige Darstellung, so zeigt sich eines durchgängig: Wollte man den Gesprächspartner der anderen Konfession auf eine der herkömmlichen kontroverstheologischen Unterscheidungslehren festlegen, so sah er die eigene Lehre durch sie häufig nicht richtig wiedergegeben. Weder konnte die evangelische Seite den Vorwurf akzeptieren, sie nehme die Kreatürlichkeit des Menschen nicht ernst, noch sahen die katholischen Theologen in ihrer Auffassung der Gottebenbildlichkeit und der Möglichkeit natürlicher Gotteserkenntnis die Gefahr der Selbstbehauptung des Menschen gegenüber Gott gegeben. Bei dieser Suche nach dem eigentlich Trennenden - und das ist entscheidend für eine Beurteilung der Ergebnisse des ÖAK bis heute - kam man somit nicht zu einer gegensätzlichen, sondern zu einer übereinstimmenden Antwort auf die Frage nach dem Wesen des Menschen vor Gott, die sowohl die bleibende Kreatürlichkeit des Menschen umfaßte, als auch die ihm fehlende Möglichkeit der Selbstrechtfertigung vor Gott als Folge seiner Sünde. Umstritten blieb das Maß der Durchdrungenheit des Menschen durch die Sünde und damit das Ausmaß natürlicher Gotteserkenntnis sowie der Befähigung, natürliche Ordnungen bzw. Anordnungen Gottes befolgen zu können, und damit auch die Bewertung nichtchristlicher Religionen und die Annahme einer universalen Heilsverbindung von Nichtchristen mit Christus. Abgesehen davon, daß diese im wesentlichen graduellen Unterschiede auch innerhalb der Konfessionen bestanden, zeichnete sich immer deutlicher ab, daß weitgehend die unterschiedlichen Perspektiven und Aussageformen für die herkömmlich angenommenen und noch bestehenden Differenzen in diesen Punkten verantwortlich sind: Eine auf katholischer Seite zunächst unabhängig von der Heilsfrage vorgenommene Bestimmung des Menschen vor Gott berücksichtigt dessen Geschöpflichkeit ebenso wie seine Sündhaftigkeit, und innerhalb ihres ontologischen Denkmodells läßt sich eine vollkommene Durchdringung durch die Sünde nicht mit der Geschöpflichkeit des Menschen vereinbaren. Der heilsgeschichtlich-relationale Ansatz nimmt den Menschen ausschließlich im Zusammenhang mit seiner Rechtfertigung in den Blick und betont deshalb seine Verlorenheit durch die vollkommene Sündhaftigkeit. Die Diskussion 1967 zeigte schließlich, daß sich bereits aus einer von der Dogmatik unvoreingenommenen Exegese der Urgeschichte die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Berücksichtigung beider Perspektiven, sowohl der Geschöpflichkeit als auch der Sündhaftigkeit des Menschen, ergibt. Von den ersten Erörterungen der Gottebenbildlichkeit 1947 bis 1967 zeichnete sich infolge dieser festgestellten inhaltlichen Annäherungen immer klarer die Untersuchung der beiderseitigen Aussagekategorien als Notwendigkeit ab, um deren Tauglichkeit und Legitimität im Hinblick darauf, wie das Wesen des Menschen zu bestimmen sei, zu beurteilen. Dabei erwies

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

sich die philosophische Terminologie der katholischen Dogmatik grundsätzlich als wandelbar und in hohem Maße interpretationsfähig, wie sich am Beispiel des Natur- und vor allem des Substanzbegriffs herausstellte. Von daher diskutierte man auch den Begriff der Transsignifìkàtion als Alternative zur Beschreibung der Wandlung der Elemente im Abendmahl als Transsubstantiation. Mit der Annahme eines bleibenden Bedeutungswandels blieb jedoch das Problem des „extra usum" zumindest in der praktischen Handhabung bestehen.

2. Die Beteiligung des Menschen am Vorgang seiner Rechtfertigung Die Diskussion um das Wesen des Menschen gewinnt an kontroverstheologischer Brisanz, wo es darum geht, die Voraussetzungen auf Seiten des Menschen und seine Möglichkeiten im Hinblick auf seine Rechtfertigung zu bestimmen. Diese Fragestellung war deshalb bereits im Zusammenhang der anthropologischen Erörterungen aufgenommen worden. Zu einer Verständigung über eine dem Menschen trotz seiner sündhaften Verstrickung verbleibende Kreatürlichkeit konnte es nur deshalb kommen, weil von katholischer Seite jede menschliche Selbstbehauptung gegenüber Gott und jede Möglichkeit der Selbstrechtfertigung aufgrund der natürlichen Eigenschaften des Menschen ausgeschlossen wurde. Ob dies jedoch bereits die Fähigkeit des Menschen ausschließt, als Wirkung der vorausgegangenen Gnade Gottes sich zu Gott zu wenden, oder in irgend einer Weise verdienstlich bei der Rechtfertigung mitzuwirken, war damit noch nicht gesagt. Umgekehrt nahm man von evangelischer Seite zwar zunehmend nicht mehr nur den Menschen als Sünder in den Blick, sondern auch als Geschöpf. Ob ihm dadurch jedoch mehr Verantwortung in dem allein als Gottes Tat verstandenen Vorgang der Rechtfertigung zugesprochen wurde, blieb noch offen. Um diese Fragen ging es schwerpunktmäßig bei den frühen Tagungen des ÖAK Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre, während danach ekklesiologische Themen im Zentrum der Gespräche standen. Wie bei der Behandlung der anthropologischen Fragen waren auch bei der Beschäftigung mit der Rechtfertigungsproblematik neben den inhaltlichen die strukturellen und die in der unterschiedlichen Denkweise beider Konfessionen begründeten Differenzen Gegenstand der Erörterung. Sobald man sich über die Auswirkungen der Rechtfertigung am Menschen unterhielt, schloß dies die erneute Reflexion über die Berechtigung und die Einseitigkeiten substanzmetaphysisch-ontologischer bzw. personal-relationaler Begrifflichkeit ein.

Die Beteiligung des Menschen am Vorgang seiner Rechtfertigung

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Ein struktureller Unterschied in den Lehren beider Kirchen wurde ζ. B. manifest, als man 1960 die Lehre von Gesetz und Evangelium aufnahm. Ähnlich wie es bei der Erörterung des Naturrechts in umgekehrter Weise der Fall war, sah man sich hierbei vor das Problem gestellt, daß „Gesetz und Evangelium" als eigenes Lehrstück in den katholischen Lehrbüchern nicht vorkommt. Ebenso, wie man evangelischerseits die Naturrechtslehre deshalb von der Erhaltung der Geschöpfe durch den Schöpfer her zu verstehen suchte, und damit zwei unterschiedliche Lehrstücke verglich, zog man nun das tridentinische Rechtfertigungsdekret zu einem Vergleich heran. Ein Abschnitt dazu, der vor allem diesem methodischen Vorgehen und seinen Ergebnissen gewidmet ist, soll am Ende der Ausführungen zur Mitwirkung des Menschen am Rechtfertigungsakt stehen. 2.1. Die Freiheit des Menschen als Voraussetzung von Glaube und Bekehrung Obwohl es für die damalige Arbeitsweise des ÖAK nicht charakteristisch war, ein Thema bei aufeinanderfolgenden Tagungen systematisch zu behandeln, erfolgte bei der 5.-7. Tagung 1948 und 1949 aus drei verschiedenen Perspektiven eine Aufarbeitung der Rechtfertigungsproblematik, die inhaldich an das Gespräch über die Gottebenbildlichkeit bei der 3. Tagung 1947 anschloß und die mit der 9. und 10. Tagung 1950 und 1951 zur Taufe und zur Wirkung des Hl. Geistes in den Gläubigen fortgeführt wurde. Man orientierte sich bei der Themenwahl offenkundig am Ablauf des Heilsweges.179 Als erstes wurde, ausgehend von den Evangelien und den paulinischen Schriften, der Glaube des Menschen angesprochen.180 Dabei ging es zuAufgrund des inhaldichen Verlaufs der 9. Tagung zur Taufe macht es Sinn, sie erst unter 3. aufzunehmen. 180 Die entsprechende Tagung fand vom 18.-22.10.48 in Kupferhammer bei Brackwede statt. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Gewieß, Grosche, Hasenkamp, Pollet, Rosenmöller, Söhngen, Volk, Wamach. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, von der Gablentz, Maurer, Menn, Schumann (Pfarrer), Thimme (Ephorus am Predigerseminar Kupferhammer, später Präses der Ev. Kirche von Westfalen), Bornkamm. Schlier hatte sein Referat für die 5. Tagung wegen eines Auslandsaufenthaltes abgesagt, und nachdem man vergeblich auf sein Manuskript gewartet hatte, war Schlink kurzfristig eingesprungen. Bei der Tagung, die ursprünglich im Juli stattfinden sollte, dann aber wegen Schwierigkeiten mit der Finanzierung der Reisekosten infolge der Währungsreform auf Oktober verschoben wurde (Schlink an Stählin 26.6.48, Korr EvAk), hielten damit Wamach und Schlink Referate Uber den Glauben bei den Synoptikern und bei Johannes, Bornkamm und Gewieß über den Glauben bei Paulus. Keines der Referate wurde veröffentlicht oder liegt als Zusammenfassung vor. Günther Bomkamms Aufsatz „Glaube und Vernunft bei Paulus", in: ders., Studien zu Antike und Christentum, München 1959, 119-137, ist nicht als Veröffentlichung eines bei einer Tagung des Jaeger-Stählin-Kreises vorgetragenen Referates gekennzeichnet, wie es gerade bei dieser 5. Tagung beschlossen wurde (Prot, 10, Wortlaut: „Vortrag gehalten auf einer gemeinsamen theologischen Tagung eines katholischen und

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

nächst um die Freiheit des Menschen, sich für den Glauben - und damit für sein Heil - entscheiden zu können. Es war also die Kontroverse um den freien bzw. unfreien Willen, die hier berührt wurde, und die nun im Kontext der Rechtfertigungslehre die Frage einer Disposition des Menschen zu verantwortlichem Handeln gegenüber Gott aufgriff. Zu klären war nun, ob und inwiefern der Mensch in Anbetracht seiner Sünde ein eigenständiges Subjekt im Gegenüber zu Gott bleibt, das vor die Entscheidung gestellt wird, zu glauben. Die Voraussetzung der Gnade für den Glaubensakt des Menschen als dessen Ermöglichung war dabei nicht strittig. In welchem Maß aber der Mensch nicht nur die Gnade Gottes empfängt, sondern aufgrund seiner natürlichen Fähigkeiten Verantwortung für seinen Glauben trägt, wurde diskutiert Entsprechend den Diskussionen über das Wesen des Menschen stimmte man auch in diesem Kontext darin überein, daß das Personsein des Menschen gewahrt bleiben müsse, und dem Menschen aufgrund seiner natürlichen Fähigkeiten eine gewisse Freiheit verbleibe. Katholischerseits leitete man aus dieser Tatsache jedoch eine Verantwortung des Menschen auch im Hinblick auf den Glauben ab, evangelischerseits wurde eine solche bestritten. Während Schlink und Brunner von evangelischer Seite davon ausgingen, daß dem Menschen jegliche Disposition für die Entstehung des Glaubens, die über die Tatsache des Menschseins hinausgeht, fehle, und daß allein das Evangelium den Menschen zur Entscheidung frei mache, vertraten die katholischen Teilnehmer die Position, die Möglichkeit der Entscheidung für Jesus liege im Menschen selbst, und das Gering-Sein, das in Mk 9,42 angesprochen sei, sei als Hinweis auf eine solche Disposition für eine Hinwendung zu Jesus anzusehen. Vor allem Söhngen legte Wert darauf, daß die Entscheidungsfreiheit zum Menschsein dazugehöre. Die von Schlink angeführte Unterscheidung zwischen dem alten Menschen, der nur nein sagen, und dem neuen Menschen in Christus, der allein ja sagen könne, lehnte er ab, da das Nein-Sagen des alten Menschen immer die Möglichkeit des Ja-Sagens beinhalten müsse.181 Schlink hatte versucht, mit seiner Unterscheidung eine Antwort zu geben auf die von Volk angesprochenen Fragen zum Verhältnis von Gnade und Glauben, bzw. Gnade und Mitwirkung des Menschen im Rechtfertigungsgeschehen. Volk wollte nämlich geklärt wissen, welche Funktion der Glaube

evangelischen ökumenischen Arbeitskreises. Das entsprechende Referat von Herrn . . . erscheint . . . ".). Zudem befaßt er sich schwerpunktmäßig mit dem Stellenwert der Vernunft bei Paulus und handelt kaum vom Glauben. 181 Protokoll, 9. Vgl. die Diskussion um die natürliche Gotteserkenntnis, bei der in Frage stand, ob dem Menschen, damit er für seine Verkennung Gottes verantwortlich gemacht werden könne, grundsätzlich die Möglichkeit rechter Gotteserkenntnis einzuräumen sei.

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nach der Wirkung der gratia präveniens noch habe und inwiefern der Mensch dann Person und Subjekt des Glaubens bleibe. Damit hatte er die oben bereits als zentral für die konfessionelle Auseinandersetzung in diesem Punkt hervorgehobene Frage angesprochen.182 Schlink bezeichnete als Subjekt den neuen Menschen in Christus und sah das Personsein somit nicht in Frage gestellt und gleichzeitig die Abhängigkeit von Christus gewahrt. Weiterführender war Brunners Hinweis auf die Urstandslehre Vilmars, der zwischen der formalen Freiheit, der Möglichkeit den Zustand des Urstands zu bewahren, und der realen Freiheit, der Möglichkeit zur Sünde, unterscheide. In diesem doppelten Freiheitsbegriff sah Brunner zu Recht die Möglichkeit, Freiheit als generelles Konstituens des Menschseins und Gefangensein des Menschen in der Sünde zusammenzudenken. Stählin wies auf den Gebrauch des Imperativ passiv im N T hin, der die Dialektik zwischen dem Ausgeliefertsein des Menschen an Knechtschaft und Tod und seiner Verantwortung zum Ausdruck bringe. Söhngen bezog sich auf die scholastische Formel der actio immanans, um die Gleichzeitigkeit des Empfangens und der Beteiligung des Menschen im Glaubensakt hervorzuheben.183

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In seinem Aufsatz „Gnade und Person", in: ders., Gott alles in allem, Mainz 1961, 113-129, kritisiert Volk, daß die herkömmliche katholische Theologie ausschließlich nach dem Verhältnis der Gnade zur Natur, nicht nach dem zur Person frage (113). Demgegenüber begrüßt er den theologischen Personalismus, wie ihn R. Guardini, M. Schmaus oder K. Rahner vertreten, da die Kategorien Aktualität und Intensität für das Verhältnis von Person und Gnade dort wichtiger seien als die Quantität. Die Reduktion auf die Ich-Du-Beziehung lehnt er aber ab, da dann die Bestimmung der Kreatur, nämlich ihr Person-Sein, mit ihrer Ausrichtung auf Gott zum Wesen der Kreatur gemacht werde (119). Demgegenüber bezeichnet er als Wesen der Kreatur die perfectio formae, die sich zur perfectio finis, der Ich-DuBeziehung als der Bestimmung der Kreatur und damit als dem Wichtigeren, erst entwickelt. Allerdings ist der Mensch für ihn insofern Person von Anfang an, als er Gottes Ebenbild ist Er wird Person, sofern es eine personale Aufgabe ist, die Natur vollständig in die Person einzubeziehen (121/122). Nach Volk nimmt die übernatürliche Gnade nicht das natürliche Ziel des Menschen vorweg, sondern sie ist der Heilszusammenhang mit Gott selbst und erhöht sowohl die perfectio formae als auch die perfectio finis (125/126). Im Rechtfertigungsgeschehen geschieht eine Verwandlung, sofern die Gnade die Kreatur in das Leben Gottes einbezieht (127-129). So sehr die Hinwendung Volks zum Personalismus von evangelischer Seite zu begrüßen ist, er bleibt dennoch im Denkschema des Thomas. Der Ansatzpunkt bei der Gottebenbildlichkeit des Menschen, aufgrund derer sich dieser in Richtung auf seine eigene Bestimmung hin entfalten kann, und die ihm einen Handlungsspielraum außerhalb der Gnade einräumt, steht im Widerspruch zum evangelischen sola gratia. 183 Vgl. Prot, 1/2: Aussprache zu den Referaten von Wamach und Schlink mit dem Thema „Der Glaube bei den Synoptikern und bei Johannes". Zu Söhngens Hinweis auf die actio immanans sei auf Thomas v. Aquins Unterscheidung zwischen Gottes Wirksamkeit im Glauben von außen - durch die Offenbarungspredigt - und seiner Wirksamkeit im Glauben von innen - durch die Wirkung der Gnade auf Erkenntnis und Willen - hingewiesen. Vgl. Trütsch, J., Art. Glaube II, in: LThK 4, 918.

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Alle diese Lösungsversuche beweisen, wie schwierig es ist, unabhängig von den konfessionellen Gegebenheiten die grundsätzliche Freiheit des Menschen und seine Unfreiheit im Hinblick auf den Glauben zusammenzudenken, ohne den Freiheitsbegriff überzustrapazieren. Die Betonung der Verantwortlichkeit des Menschen auf katholischer Seite und die Hervorhebung der Alleinwirksamkeit der Gnade evangelischerseits erwiesen sich schließlich in Anbetracht der beiderseitigen Betonung des Vorrangs der göttlichen Gnade vor dem Glauben des Menschen offensichtlich als einseitige Akzentuierungen zweier sich im Grunde ergänzender Sachverhalte, da man bei der Formulierung der folgenden zusammenfassenden Thesen, insbesondere der Thesen 3-5, beide Aspekte berücksichtigte und damit ihrer beider Bedeutung gemeinsam anerkannte: „1. Der Glaube ist ermöglicht durch die Heilstat Gottes in Jesus Christus, durch welche die Knechtschaft in der alten Welt des Gesetzes, der Sünde und des Todes aufgedeckt und gebrochen und uns in Christus Gerechtigkeit und Leben erschlossen worden ist 2. Der Glaube wird verwirklicht in der Begegnung des Evangeliums mit den Menschen. 3. Daß der Mensch das Evangelium im Glauben annimmt, ist nicht eine Leistung des Menschen, sondern eine Gnadentat Gottes. 4. Durch die Begegnung mit dem Evangelium wird der Mensch zur Entscheidung des Glaubensgehorsams befreit. 5. Der Glaube ist der Gehorsam, der Gott die Ehre gibt. Der Unglaube ist der Ungehorsam, der Gott die Ehre verweigert."184

Damit war jedoch nicht gleichzeitig ausgesagt, daß die Akzentuierungen der beiden Konfessionen nicht relevant seien und nicht weiter Gegenstand der Erörterung sein müßten. Legt man die Intention der 1947 zur natürlichen Gotteserkenntnis formulierten Thesen zugrunde, so sollte auch bei der Formulierung dieser Thesen lediglich das auf dem Boden des N T über den Glauben gemeinsam Aussagbare zusammengefaßt, nicht aber eine gemeinsame verbindliche Lehre aufgestellt werden. Die strittigen Punkte wurden damals zwar erörtert, aber wohl in Anbetracht der anfangs noch sehr optimistischen Haltung der eigenen Arbeit gegenüber nicht formuliert 185 184 Prot, 10. Eine Diskussion über die Thesen wird nicht geschildert, jedoch eine Erläuterung Söhngens zur 3. und 4. These, in der er nochmals ausführlich darstellt, daß der Mensch im Hinblick auf den Glauben sehr wohl tätig sei, aber immer nur aus der empfangenen Gnade heraus. Er kommt letztlich auch zu dem Schluß, daß das Nein des Unglaubens aus einer Fehlleistung des Menschen herrührt, während das Ja des Glaubens allein aus dem Vertrauen auf Gott entstehen könne (9). Es handelte sich insgesamt um 12 Thesen. Diejenigen, die hier nicht zitiert wurden, werden an anderer Stelle aufgenommen, da sie andere kontroverse Punkte im Zusammenhang mit der Rechtfertigung betreffen. 185 Bei späteren Versuchen, die Differenzen in anderen Fragen zusammenzufassen, zeigte sich jedoch, daß dies erheblich schwieriger war, als gemeinsame Aussagen zu treffen.

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Am Rande streifte auch Peter Brunner bei der zweiten in unserem Zusammenhang relevanten Tagung, der 6. Tagung 1949,186 die soeben behandelte Problematik. Im Zuge seiner Interpretation der tridentinischen Rechtfertigungslehre stellte er zum Verhältnis von freiem Willen und Gnade fest, daß zum einen nach der Konzilslehre Ausgangspunkt der Rechtfertigung die gratia praeveniens sei (VI 5; D 797), die dem reformatorischen sola gratia entspreche, und daß zum anderen mit dem Eindringen der Gnade ein Geschehen im Rahmen personaler Relationen gemeint sei, innerhalb dessen der Mensch, der durch die Gnade bereits umgewandelt wurde, sie nun seinerseits annnehme. Zuvor hatte er bereits gezeigt, daß auch nach den Aussagen von Trient das verantwortliche Entscheidungsvermögen des Menschen in seinem gefallenen Zustand in bezug auf die Erlangung seines Heils ein geknechtetes sei (D 793). Die Aussagen über die voluntaria susceptio gratiae et donorum in VI 7 (D 799) legte er offensichdich unter dieser Voraussetzung dahingehend aus, daß der gefallene Mensch zwar noch im Rechtfertigungsakt aus seinem natürlichen Wesen heraus formal die Möglichkeit habe, die Gnade abzulehnen, daß aber de facto die Gnade im Vollzug der Rechtfertigung diese Entscheidung ausschließe, und damit allein Ursache des personalen Ja sei.187 Brunner akzeptierte es also, die Annahme der Gnade als verantwortliche Entscheidung des Menschen zu bestimmen, sofern festgehalten wird, daß allein die Gnade den Menschen zu dieser Entscheidung disponiert.188 AusEine Teilnehmerliste für diese Tagung, die vom 4.-7. 4.49 in Bad Driburg stattfand, liegt nicht vor. Aus der Korrespondenz des EvAk und den Gesprächsbeiträgen im Protokoll lassen sich folgende Teilnehmer ermitteln. Kath. Teiln.: Volk, Schmaus, Söhngen, Lortz, Höfer, Gewieß, Buuck (statt Rahner), Pascher, Grosche, Jaeger, Prot. Dolch. Ev. Teiln.: Maurer, Brunner, Schlink, Bornkamm, Asmussen, Wolf (zugleich Prot.), Friedrich, Stählin, von Campenhausen, verhindert: Krüger und Skydsgaard. Lortz war bisher verhindert gewesen und nahm zum ersten Mal teil. Zur Bedeutung dieser Tagung trug der Sachverhalt bei, daß Volk als Katholik über die Rechtfertigungslehre der lutherischen Bekenntnisschriften referierte, und Brunner als Protestant über die des Tridentinum. Eine solche Interpretation der dogmatischen Grundlagen der jeweils anderen Konfession war bis dahin noch nicht erfolgt. Beide Referate wurden veröffentlicht in: Schlink, E./Volk, H. (Hrsg.), Pro ventate, Münster/Kassel 1963, 59-131. Die Korreferate von Maurer zur evangelischen und Schmaus zur katholischen Rechtfertigungslehre wurden nicht veröffentlicht und liegen auch nicht als Zusammenfassung vor. Vgl. jedoch die entsprechenden Abschnitte in: Maurer, Wilhelm, Historischer Kommentar zur CA, Bd. 2, Gütersloh 1978 und Schmaus, Michael, Katholische Dogmatik III/2, 3./4.Aufl. München 1951. 187 Vgl. Brunner, Peter, Die Rechtfertigungslehre des Konzils von Trient, a.a.O., 83-85. Vgl. auch die mit ihm übereinstimmende Interpretation Söhngens in seinem Kommentar zur 3. und 4.These der 5.Tagung 1948! 188 Brunner sah in den Dekreten von Trient damit zwei Grenzlinien in bezug auf die Verhältnisbestimmung von freiem Willen und Gnade eingehalten, die bereits bei der vorausgegangenen Tagung übereinstimmend festgehalten wurden: „1) Der nicht-gerechtfertigte Mensch kann aus seinen natürlichen Kräften heraus jenen entscheidenden Schritt hinüber in das Reich Christi nicht vollziehen, auch nicht mit Hilfe

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gehend von diesen Betrachtungen schloß er, das Anathema von Kanon 7 in Dekret VI (D 817), das die verdammt, die glauben, daß alle Werke vor der Rechtfertigung Sünde seien, sei aufgrund der dogmatischen Voraussetzungen der Dekrete V und VI dann nicht aufrechtzuerhalten, wenn es sich auf die Werke vor der ersten Berührung mit dem Evangelium beziehe. Denn es gebe zwar Unterschiede unter den Werken vor der Berufung, aber in Kanon 1 stelle Trient explizit fest, durch die Erbsünde seien bereits alle Sünder.189 Dieser Punkt stand nicht im Zentrum der Ausführungen Brunners und wurde bei der Aussprache auch nicht mehr aufgegriffen, so daß Zustimmung oder Ablehnung der katholischen Theologen hinsichtlich seiner Interpretation nicht auszumachen sind. Brunners Bemerkungen sind jedoch deshalb interessant, weil er - noch dazu als evangelischer Theologe - in diesem Punkt wie in vielen anderen vorführte, daß bei entsprechender Interpretation das völlige Angewiesensein des Geschöpfs auf die Gnade, das man zuvor gemeinsam festgestellt hatte, auch den offiziellen Lehrdokumenten der Katholischen Kirche entnommen werden kann.190 Trotz unterschiedlicher Akzentsetzung berücksichtigten auch bei der 7. Tagung 1949191 sowohl Josef Gewieß aus katholischer als auch Gerhard

des Gesetzes. Dieser Schritt ist in der Tat eine translatio: der Mensch wird hinüber-getragen von der Gnade. 2) Es handelt sich aber bei diesem Geschehen um einen Menschen mit verantwortlichem Entscheidungsvermögen ... Da dieses Geschehen nicht naturhaft ist, sondern im Umkreis personaler Relationen sich vollzieht, wird Gott und will Gott den von ihm selbst gesetzten Tatbestand respektieren, daß er es nämlich auch beim gefallenen Menschen mit einer Person zu tun hat, der ein verantwortliches, freilich im Blick auf die Erlangung des Heils geknechtetes Entscheidungsvermögen verblieben ist" (a. a. O., 83). 189 A. a. O., 63-65. 1.0 Zu den Reaktionen auf Brunners Interpretation und einer ausführlicheren Darstellung der Tagung vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.2. und 2.3. 1.1 Die Teilnehmer dieser Tagung vom 12.-15.9.49 in Bremen-Lesum waren auf evangelischer Seite: Stählin, Schlink, von Campenhausen, Brunner, Bornkamm, Krüger, Maurer, von der Gablentz, Friedrich, Menn, Prot. R. Mumm. Auf katholischer Seite: Höfer, Gewieß, Volk, Grosche, Buuck, Wamach, Prot. Dolch, als Gast Pfr. Dr. Alfons Kirchgäßner (Teilnehmerliste, Prot, der 7. Tagung). Eingeladen aber verhindert waren Jaeger, Schumann, Wolf sowie Skydsgaard, der als Gast teilnehmen sollte. Femer Dibelius und die Vertreter des ORK Ehrenström bzw. sein Stellvertreter Schweitzer aus Genf, die nach Beschlüssen der letzten Tagungen eingeladen werden sollten (Jaeger an Stählin, 4.8.49, Korr EvAk, Stählin an Schlink, 7.7.49, Schlink an Stählin, 2.8.49, Korr Schlink). Stählin wollte außerdem Rev. Porter aus Oxford als anglikanischen Gast dabei haben, der jedoch ebenfalls verhindert war. Seine Aufnahme als Mitglied war nicht möglich, da bei der 6. Tagung beide Arbeitskreise beschlossen hatten, keine Vertreter der Anglikanischen Kirche einzuladen (Schlink an Stählin, 24.8.49, Porter an Stählin, 20.9.49, Korr Schlink). Die Referate von Josef Gewieß und Gerhard Friedrich zur „Bekehrung des Juden und des Heiden nach dem NT" und von Alfons Kirchgäßner und Hans von Campenhausen zur „Buße des Christen nach dem N T ' wurden, wie zuvor beschlossen, in Auszügen dem Protokoll beigefügt (Stählin an Schlink, 16.9.49, Korr Schlink). Veröffentlicht wurde nur das

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Friedrich aus evangelischer Sicht bei ihrer Darstellung der Bekehrung von Juden und Heiden nach dem NT beide Aspekte: die geschenkte Gnade Gottes und die durch sie hervorgebrachte Antwort des Menschen als einem Subjekt im Gegenüber zu Gott. Fraglich erscheint von den Aussagen des Römerbriefs über die Stindenverfallenheit von Juden und Heiden (Rö 3, 9 ff.) her, trotz der auch von Paulus anerkannten Sonderrolle der Juden als dem auserwählten Volk Gottes, jedoch die These von Gewieß, daß die Juden im Hinblick auf die Bekehrung an Bisheriges anknüpfen könnten, während die Heiden zu einer völligen Neuorientierung gezwungen würden.192 Im Gegensatz zu seinem evangelischen Kollegen Gerhard Friedrich, betonte er ferner die Freiheit des Menschen, der die Bekehrung als Geschenk Gottes erfahre, der aber Subjekt bleibe, indem er die Kraft Gottes in sich wirken lasse.193 Friedrich brachte zuerst die paulinische Rede von der Abkehr aller Menschen von Gott zur Geltung, wobei er hervorhob, daß die einzelnen (moralischen) Sünden Folgen der Verfehlung des Menschen vor Gott seien. Die Art der Versündigung von Juden und Griechen bezeichnete er als verschieden. Entscheidend sei aber, daß beide vor Gott in gleicher Weise schuldig seien. Diese pessimistische Ansicht über den Menschen leitete er nicht nur von Paulus, sondern auch von Johannes dem Täufer und von Jesus ab (Mt 3, 7; Lk 13, 2-5). Mit seiner Auffassung, daß bei der Umkehr die letzte Entscheidung beim Menschen liege, sah Friedrich das Rabbinertum im Gegensatz zu AT und N T stehen. Da alle Erneuerungsversuche des Menschen in der menschlichen Sphäre blieben, könne der Ursprung einer Veränderung nur außerhalb seiner selbst liegen Qoh 3, 6; Eph 1, 8). Der Mensch sei jedoch insofern nicht ausgeschaltet bei seiner Bekehrung, als sie kein kosmisch-naturalistischer, sondern ein personal-geschichtlicher Vorgang sei, bei dem der Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt auf den an ihn ergehenden Ruf antworte, durch den er aus seinen Bindungen an die Welt befreit werde.194

Referat von Gewieß unter dem Titel „Die Bekehrung nach dem NT", in: Ecclesia Apostolica, JB des Kath. Akadem. Missionsbundes 1949/50, 7-21. ra Vgl. ¿¡g Zusammenfassung des Referates, Anlage zum Protokoll der 7. Tagung, 3. 1,3 Prot., 3 und 6. im Ygi Prot^ 3_5. Friedrichs Terminologie war offensichtlich von Rudolf Bultmann beeinflußt, dessen Theologie des N T 1948 in einer ersten Teilauflage erschienen war. Dort spricht Bultmann davon, daß sich das Heilsgeschehen in der Verkündigung des Wortes vollzieht, das den Hörer anredet und zur Entscheidung aufruft: „Damit aber ist das Heilsgeschehen, das im Mythos der Gnosis in der Dimension kosmisch-naturhaften Geschehens bleibt, in die Dimension echt geschichtlichen Geschehens transponiert. Die Verbundenheit der Glaubenden mit Christus zu einem soma ist jetzt nicht in der Teilhabe an der gleichen übernatürlichen Substanz begründet, sondern darin, daß Tod und Auferstehung Christi im Wort der Verkündigung zur Möglichkeit der Existenz werden, der gegenüber die Entscheidung fallen muß, und daß der Glaube sie ergreift und sich zu eigen macht als die die Existenz des Glaubenden bestimmenden Mächte." Vgl. Bultmann, Rudolf, Theologie des NT, Tübingen '1984, 302.

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2.2. Die Mitwirkung des Menschen an seiner Rechtfertigung 2.2.1. Glaube und Liebe im Rechtfertigungsakt Von der Klärung der Voraussetzungen des Menschen für den Glauben ist die Frage nach einem etwaigen verdienstlichen Tätigwerden des Menschen im Hinblick auf seine Rechtfertigung, neben dem Glauben durch Werke der Liebe, zu unterscheiden. Bezüglich des Zusammenwirkens von Glaube und Liebe innerhalb des Rechtfertigungsvorgangs sah man von Anfang an wenig Konfliktstoff, was die alleinige Bedeutung des Glaubens als Voraussetzung für die Rechtfertigung anging. Die entscheidende Frage in diesem Kontext war nämlich nicht die, ob die Rechtfertigung aus Glauben mit der Liebe verbunden ist, sondern die, ob die Rechtfertigung aufgrund von Werken der Liebe erfolgt.195 Dazu äußerte sich Volk eindeutig: „Weder die Liebe noch die Liebesfrüchte des Glaubens sind die Ursache der Rechtfertigung. Man wird nicht wegen der Liebe gerechtfertigt, sondern aus Glauben. Darüber herrscht weitgehend Übereinstimmung."196

Schlink konnte daraufhin feststellen: „Die Differenzen sind hier nicht so groß, wie Sie denken. Die Gnade schenkt dem Menschen den Glauben, aber der Mensch ist passiv, aber diese Passivität ist höchste Aktivität. Der Glaubensakt ist eine Entscheidung des Menschen." 197

Dennoch wurde auf katholischer Seite die Zusammengehörigkeit von Glaube und Liebe stark verteidigt, während vor allem Schlink und von Campenhausen die theologische Relevanz dieses Zusammenhangs nicht verstehen mochten. Bereits im obigen Zitat hatte Schlink ja die Aktivität des Menschen nur in seiner Entscheidung im Glaubensakt gesehen. Er hielt den Zusammenhang höchstens aus dem Jakobusbrief und den Pastoralbriefen für ableitbar, nicht aber von Paulus her, da auch Gal 5,6 umstritten sei.198 Volk betonte demgegenüber die Zusammengehörigkeit von Glaube und Liebe, um die Beanspruchung des Menschen durch Gott zum Ausdruck zu bringen. Warnach befürchtete, das sola fide könne zu intellektualistisch «5 Vgl. dazu Schlink, Prot, der 5. Tagung 1948, 5: „Die entscheidende Frage ist nicht die, ob die Rechtfertigung mit der Liebe verbunden ist, sondern ob die Rechtfertigung wegen der Liebe erfolgt. Ist die Liebe die conditio der Rechtfertigung, dann werden Glaube und Liebe zum Werk, das vorhanden sein muß, wenn jene gerechtfertigt werden soll. Diese Frage muß geklärt werden. In diesem Punkt kann es Kirchenspaltung geben." 1% Ebd. 1,7 Ebd. " · Ebd., 5, v. Campenhausen 3. Söhngen interpretierte Gal 5, 6 so, daß der Glaube sich in der Liebe auswirke und nicht etwa durch die Liebe bewirkt werde. Warnach ging jedoch davon aus, daß im Galaterbrief die Liebe zu Gott gemeint sei und vertrat deshalb die zweite Position (3/4).

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verstanden werden, während der Glaube doch ein Totalakt sei. Das Mitsterben mit Christus nach Rö 6 sei nur in der Liebe möglich.199 Bornkamm, Gewieß und Söhngen versuchten auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen mit der Feststellung, der Glaube sei im Hinblick auf die Rechtfertigung reines Empfangen, im Hinblick auf die ethische Bewährung jedoch müsse er aktiv werden.200 Dementsprechend konnte Brunner das katholische Anliegen der Verbindung von Glaube und Liebe so verstehen, daß die caritas Zeichen des rechten Glaubens sei, das ihn vom falschen Glauben unterscheide. Nur deshalb werde sie mit dem Glauben eng zusammengesehen, nicht etwa, weil sie als zusätzliche Bedingung der Rechtfertigung verstanden würde.201 Unter der von den katholischen Teilnehmern ausdrücklich anerkannten Voraussetzung der Rechtfertigung allein aus dem durch die göttliche Gnade gewirkten Glauben202, eröffnete Brunners Interpretation des katholischen Liebesbegriffs grundsätzlich die Möglichkeit, auch von evangelischer Seite zwischen Glaube und Liebe eine engere Verbindung zu sehen und in ihr nicht den Ansatz einer Werkgerechtigkeit zu erblicken, sondern den Versuch, den auf katholischer Seite stark von der intellektuellen Zustimmung her verstandenen Begriff des Glaubens zu ergänzen, so daß in ihr letztlich nichts anderes zum Ausdruck kommt als in dem umfassender verstandenen evangelischen Glaubensbegriff. Daß die Beteiligung des Menschen im Hinblick auf seinen Glauben und auf seine Rechtfertigung auf evangelischer Seite stärker berücksichtigt werden sollte, forderte Volk auch im Rahmen seiner Interpretation der lutherischen Bekenntnisschriften 1949. Hier vermißte er eine ausgiebigere Beschreibung der Liebe, die über ihre Bedeutung als Frucht der Rechtfertigung hinausgeht: „Ohne Liebe kann der Mensch nicht vor Gott bestehen; diese eindeutige Aussage der Schrift muß zur Geltung kommen, wenn eine Verengung der Wirklichkeit vermieden bleiben soll."203 m Ebd., 3 und 5. Schlink widersprach ihm mit der Behauptung, der Glaube sei, wenn er mit der Liebe verbunden sei, gerade kein Totalakt mehr. Rö 6 verstand Warnach offensichtlich mystisch-sakramental. 200 Ebd., 3/4. 201 Ebd., 4. 202 Vgl. die 6. zusammenfassende These, Prot., 10: „Der Gehorsam des Glaubens ist die Anerkenntnis und die Annahme der Heilsbotschaft unter Preisgabe jeder Selbstrechtfertigung aus Werken in vertrauensvoller Hingabe an den treuen und gnädigen Gott und Seine Verheißung." 203 Volk, Hermann, Die Lehre von der Rechtfertigung nach den Bekenntnisschriften der ev.-lutherischen Kirche, a.a.O., 96-131, 115. Die theologische Beschreibung der Liebe in Ap IV, 218 ff. bezeichnete er dort als enttäuschend. Vgl. Prot, der 6. Tagimg 1949, 1/2, wo Volk vor allem die Einordnung der Liebe - i. Ggs. zum Glauben - in den Bereich des Gesetzes als Herabminderung wertet Gegen diese Wertung wurde von evangelischer Seite Einspruch erhoben, da die Liebe nach Rö 13 die Erfüllung des Gesetzes sei.

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Eine solche Verengung der Wirklichkeit sah Volk nicht nur in der evangelischen Auffassung der Liebe gegeben, sondern in deren gesamter Sicht der Rechtfertigung, wie sie in den Bekenntnisschriften ihren Niederschlag fand. Sein wesentlicher Kritikpunkt und der seiner Ansicht nach größte Unterschied zwischen dem evangelischen und katholischen Verständnis war die ausschließliche Betonung der Rechtfertigung als Sündenvergebung im Sinne einer bloßen Gerechtsprechung nach den lutherischen Bekenntnisschriften im Gegensatz zu der Zusammengehörigkeit von Sündenvergebung und Heiligung im Sinne einer inneren Verwandlung in der katholischen Tradition. Er bemängelte, daß nach den Aussagen der Bekenntnisschriften der Mensch in keinem Sinne an der Rechtfertigung beteiligt sein könne, „auch wenn er durch die Art der Beteiligung nicht Ursache der RF wird."204 Auch die damit zusammenhängende fehlende Aufnahme der Bedingungen der Rechtfertigung, die Kennzeichnung der Vergebung als durch die Gerechtigkeit Christi als einer iustitia aliena gewirkte, und die Vernachlässigung des heiligenden Charakters der Sakramente warf er den Bekenntnisschriften vor.205 Deutlich hatte Volk also zum Ausdruck gebracht, daß sich die hauptsächliche katholische Kritik an den evangelischen Aussagen zur Liebe, wie auch an den im folgenden noch näher auszuführenden Aspekten der Rechtfertigung, auf die mangelnde Berücksichtigung des Menschen als Subjekt bezieht, das durch den Glauben ein anderes wird und an dem durch die Rechtfertigung eine Veränderung geschieht. Wie sich herausstellte, war damit nicht die Ausgangsfrage kontrovers, ob der Mensch sich durch Werke der Liebe sein Heil verdienen müsse, sondern die Beteiligung des Menschen an seiner Rechtfertigung war lediglich insofern strittig, als auf katholischer Seite die ontologischen Auswirkungen des Glaubens stärker betont wurden als dies auf evangelischer Seite der Fall war. Damit hatte sich der Konfliktpunkt, von dem man herkömmlicherweise ausgegangen war, auf die Differenz zwischen ontologischer und personal-relationaler Betrachtungsweise verlagert.206 Selbstkritisch merkte Volk dazu an: „Eine Annäherung, wenigstens besseres und leichteres Verständnis d e r katholischen L e h r e ist dann zu erhoffen, wenn in der katholischen Lehre personale

204 Volk, a.a.O., 117 und 1 3 0 / 1 3 1 . Volk bezeichnet dies als Konsequenz des „Gott allein" (117). Vgl. als Gegensatz dazu den Titel seiner Gesammelten Schriften „Gott alles in allem". 205 Volk, a.a.O., 1 2 0 / 1 2 1 , 127 und 1 3 0 / 1 3 1 . Gegen die einengende Deutung der BSLK durch Volk wandte sich Schlink, indem er bestritt, daß die Zuordnung von Wort und Sakrament dort fehle. Den Vorwurf bezeichnete er als „dem normalen katholischen Verständnis eigentümlich" (Prot., 4). 206 Vgl. dazu folgende Unterscheidung Söhngens: „Wird die RF als Akt verstanden, dann kann die Liebe nie der Grund der Rechtfertigung sein. Wird sie als habitus verstanden, dann ist der Gestalt-Grund die Liebe, der Formgrund ist in der caritas infusa zu suchen" ( P r o t , 4)·

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Kategorien selbstverständlich gebraucht werden, wodurch sich auch Begriffe wie ,Natur' und ,übernatürlich' eher erschließen würden."207 2.2.2. Das Verdienst Christi und das Verdienst des Menschen: Peter Brunners Interpretation der tridentinischen Lehre von der Rechtfertigung des Gottlosen Während Volk lediglich die nach katholischem Verständnis nicht tragbaren Aussagen der Bekenntnisschriften hervorgehoben hatte, mit dem Hinweis auf die grundlegenden Differenzen zwischen der personal-relationalen und der ontologischen Betrachtungsweise, machte Brunner den Versuch, das Tridentinum so zu interpretieren, daß seine Aussagen mit der lutherischen Rechtfertigungslehre zu vereinbaren sind, ohne dessen ontologische Denkweise zu verlassen. Dabei konnte er sich auf den im 16.Jh. vom Konzil abgelehnten Konzilsentwurf des Ordensgenerals der Augustiner-Eremiten, Seripando, beziehen, der die biblisch-augustinische Position eingebracht hatte. Für Brunners Interpretation war die Auffassung zentral, daß mit dem Begriff der gratia inhaerens das Anliegen Seripandos von der duplex iustitia hinlänglich aufgenommen sein könnte. Das hieße, das meritum Christi, das in diese gratia eingegangen ist, wird im Vorgang der Rechtfertigung des Gottlosen von dem Einzelnen appliziert, indem ihm die gratia mit ihren Gaben Gerechtigkeit, Glaube, Hoffnung und Liebe geschenkt wird. Diese Interpretation beinhaltet, daß die essentielle Gerechtigkeit Christi, durch die er für uns Verdienste erworben hat, zwar die Voraussetzung der Rechtfertigung ist, aber nicht das Wesen unserer Gerechtigkeit. Von uns appliziert wird vielmehr die Gerechtigkeit, die die Frucht des Heilswerkes Christi ist, „die, wenn unsere Auslegung zutrifft, indem sie neugebiert, gleichzeitig die merita Christi kommuniziert und, indem sie die merita Christi kommuniziert, gleichzeitig neugebiert,"208 und damit die translatio in den status gratiae bewirkt. Für die Rechtfertigung des Gerechtfertigten ergibt sich daraus, daß die guten Werke der Gläubigen nur deshalb Verdienstcharakter haben, weil sie von der virtus Christi umkleidet sind, die nicht nur die erneuernde Kraft ist, sondern die das Verdienst Christi beinhaltet (Kap 16, Kanon 26 ).209 Doch Brunners Interpretation ermöglichte ihm selbst nicht die uneingeschränkte Zustimmung zu allen Einzelpunkten des tridentinischen Rechtfertigungsdekrets. Nicht ausreichend war nämlich für ihn, daß vom Tri207

Volk, a.a.O., 131 Anm.12. Brunner, Peter, Die Rechtfertigungslehre des Konzils von Trient, a.a.O., 75, zum Vorhergehenden vgl. ebd., 68-75. 209 Ebd., 95. 208

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dentinum nur die Taufe als „Mittel" für die Applikation des Verdienstes Christi genannt wird. Auch das verkündete Evangelium und der Glaube dürften nach reformatorischer Auffassung nicht nur als Vorbereitung angesehen werden, sondern müßten ebenfalls als Mittel der Gnade aufgefaßt werden. Dafür sei mit Seripando der Inhalt des Evangeliums im Zusammenhang der Lehre von Gesetz und Evangelium zu entfalten, und der Glaube dürfe nicht nur im Fürwahrhalten allgemeiner Verheißungen bestehen, sondern müsse Glaube an die eigene Rechtfertigung sein, gewiß im Blick auf Gottes Verheißungen. Die Lehre des Tridentinum, nach der man an den allgemeinen Verheißungen festhalten könne, während man an seiner eigenen Rechtfertigung zweifele, bezeichnete er als unvereinbar mit dem reformatorischen Bekenntnis. Die Anathematismen von Kanon 13 und 14 zur Heilsgewißheit wies er daher zurück.210 Hinsichtlich des Verdienstes, aufgrund dessen die Rechtfertigung erfolgt, konnte er insofern die tridentinischen Aussagen im reformatorischen Sinne auslegen, als nach gängiger evangelischer Auffassung der Sünder infolge seines Glaubens durch die Anrechnung des Verdienstes Christi gerecht wird.211 Brunners Intention war es also nicht, einfach zu behaupten, das Tridentinum habe über die Rechtfertigung nichts anderes gelehrt als die Reformatoren. Seine Interpretation war vielmehr als Anfrage an die katholischen Mitglieder des Arbeitskreises gedacht und sollte die Grenzen des Interpretationsspielraums aufzeigen. Er erläuterte: „Meine Ausführungen sind als eine Anfrage an das Dogma und die Dogmatik der römisch-katholischen Kirche gemeint Dies gilt nicht nur dort, wo ausdrücklich Fragen formuliert sind, sondern auch für die Interpretation der Texte selbst. Ist die von mir versuchte Auslegung zutreffend? Ist sie nur mühsam oder gar gewaltsam den Texten abgerungen mit Hilfe eines unzulässigen Rückgriffes auf 210 Ebd., 75-81. Zum Glaubensverständnis beider Konfessionen vgl. Abschnitt B. 4.3.2. zu den Konstitutive christlichen Glaubens. 211 Diese Auffassung ist bis heute allgemein üblich. Neuerdings vertritt jedoch W. Pannenberg in Anlehnung an Ulrich Wilckens' Auslegung von Rö 3, 21 ff. die Position, der Sünder werde nicht erst durch die Gerechterklärung nach der Annahme der fremden Gerechtigkeit Christi im Glauben gerecht, sondern der Glaube selbst sei vor Gott schon die Gerechtigkeit, aufgrund derer dann die Gerechtsprechung erfolge. Pannenberg hält den Glauben also nicht für eine bloße Voraussetzung der Rechtfertigung, sondern für ihren Gegenstand. Der Glaubende ist seiner Meinung nach, indem er glaubt, bereits gerecht und die Gerechtsprechung durch Gott damit ein analytisches Urteil. Somit macht er zwar in einer neuen Weise das reformatorische „sola fide" stark, seine Intention ist es aber nicht, eine konfessionelle Lehre zu stärken, sondern hinter die Lehren der Kirchen auf das nd. Zeugnis als ihr Korrektiv zurückzugehen. Seine Position beinhaltet insofern zugleich eine neue Bestimmung des Verhältnisses von forensischer und effektiver Rechtfertigung, als die effektive Gerechtmachung durch den Glauben der Gerechterklärung vorausgeht Vgl. Pannenberg, Wolfhart, Die Rechtfertigungslehre im ökumenischen Gespräch, in: ZThK 88/1991, 232-246, 244-246 und zur herkömmlichen Umkehrung dieses Verhältnisses Abschnitt 2.3.1.

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den Augustinismus eines Seripando? Ist sie nur eine zur Not mögliche Auslegung, die vielleicht am Rande der römisch-katholischen Kirche gerade noch geduldet werden kann, aber ihr eigentliches dogmatisches Verständnis der Rechtfertigung keineswegs adäquat wiedergibt? Oder sollte meine Auslegung bereits die Grenze überschritten haben, die das Dekret selbst zieht? Es dürfte unmittelbar deutlich sein, daß von der Antwort auf diese Fragen Entscheidendes abhängt" 212 Aus dem Vergleich zwischen Brunners Interpretation der einschlägigen Aussagen des Tridentinum und der von Schmaus folgerte man evangelischerseits, daß Brunner die Grenze der Auslegungsmöglichkeiten in der T a t überschritten habe. So stellte Schlink fest: „Das Referat von Prof. Brunner stellte das weitmöglichste Entgegenkommen in der Interpretation des Tridentinum dar, wie es nach unserer Meinung noch im Zusammenhang der Heiligen Schrift zu verstehen ist Die Differenzen in der Interpretation sind aber angesichts des Referates von Prof. Schmaus so deutlich zutage getreten, daß der Versuch der Interpretation von Brunner als gescheitert angesehen werden muß."213 Brunner konkretisierte den Unterschied im Hinblick auf sein Hauptanliegen, die Rechtfertigung ausschließlich auf das meritum Christi zu gründen: „Es ist in der Tat so, daß die versuchte Interpretation des Tridentinum zusammenbricht, wenn die Interpretation Schmaus zu Recht besteht Wenn behauptet wurde, daß aufgrund der Eingießung der sanctitas die Sünde getilgt wird, dann steht rangmäßig die Eingießung an erster Stelle und die Sündentilgung an zweiter, beides ist aber nur als gleichzeitiger Akt zu verstehen. Wenn dieser Satz gilt, bricht alles zusammen. Denn die Eingießung der sanctitas hat ihre Maße, das meritum Christi aber hat kein Maß, und die Rechtfertigung gibt mir ein perfectum. Die iustitia Christi ist vollkommen, sie ist es, die mich über dem Abgrund hält, sie ist es, die die meine wird. Das ist der entscheidende Punkt. Wenn es aber so ist, daß auf Grund der Eingießung der sanctitas meine Sünde getilgt wird, so wird alles schwankend und relativ. Dann beruht meine Sündentilgung auf meiner mehr oder weniger vorhandenen sanctitas."214 D i e schroffe Ablehnung des leider nicht vorliegenden Referates von Schmaus durch Schlink und Brunner versetzt in Erstaunen, wenn man dessen Ausführungen zur Rechtfertigungslehre in seiner Katholischen D o g matik Bd. I I I / 2 , heranzieht, die geprägt sind von einer an vielen Stellen Vgl. Volk, a.a.O., 96. Prot., 7. 214 Ebd. Schlink äußerte ebenfalls Bedenken hinsichtlich vier weiterer Aspekte der Interpretation von Schmaus. So bezeichnete er es als eine Entleerung des Evangeliums, wenn sich die Rechtfertigung nur in der Taufe vollziehe. Ferner werde der Glaube nicht als causa iustificationis verstanden. Die Unterscheidung von gratia infusa und gratia praeveniens schließlich schaue auf das Tun des Menschen. Während die lutherischen Bekenntnisschriften vom Standpunkt des Betroffenen aus redeten, werde im Tridentinum „vom Zuschauen her eine Theologie der vielen Möglichkeiten entfaltet" (Prot, 9). 212 2U

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sehr differenzierten Sichtweise der reformatorischen Position, aufgrund derer er manche Verwerfungen als nur bedingt oder gar nicht zutreffend bezeichnen konnte, und die selbst verschiedentlich zur reformatorischen Position hin tendieren.215 Auch aus dem Protokoll ist ersichtlich, daß Schmaus bezüglich der Gleichzeitigkeit von Gerechtsprechung und Eingießung der Gnade im Grunde mit Brunner übereinstimmte.216 Aus den zitierten Äußerungen wird jedenfalls deutlich, daß sich Brunner mit seiner Interpretation sehr weit nach vorne gewagt hatte, und man gewinnt den Eindruck, daß es den evangelischen Teilnehmern, namentlich Schlink, nicht unrecht war, daß sie sich durch die Ausführungen von Schmaus als nicht haltbar erweisen ließ.217 215 Vgl. dazu Kath. Dogmatik III/2, 3./4.Aufl., München 1951. Schmaus behauptet hier, nach Schlinks Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften gehörten Gerechtsprechung und Wiedergehurt nach den BSLK zusammen, damit sei Luther von den Verwerfungen des Konzils in diesem Punkt zunächst nicht betroffen. Der Unterschied bestehe vielmehr in der Ablehnung jeder metaphysischen Betrachtungsweise durch die reformatorische Lehre, so daß Rechtfertigung für sie keine seinshafte Veränderung sei (a.a.O., 95-102). Ebenso meint er, Luthers Formel „simul iustus et peccator" werde von der Verurteilung des Tridentinum nicht getroffen, wenn sie nicht metaphysisch, sondern konkret geschichtlich gemeint sei. Nur die metaphysische Ausdeutung seiner Lehre sei dann verurteilt worden. Außerdem hebt er hervor, daß etwa in der Liturgie der Katholischen Kirche die Lehre von der inneren Erneuerung sehr deutlich mit der von der tatsächlichen Sündhaftigkeit verbunden werde (a.a.O., 116/117). Für dieses „simul" im katholischen Verständnis führt er Robert Grosches Aufsatz „Simul peccator et iustus", in: den., Pilgernde Kirche, Freiburg 1938, 147-158 an. Grosche hatte damals schon erkannt, daß es hier im wesentlichen um ein Sprachproblem geht, da Luthers Sprache nicht ontologisch, sondern die der religiösen Wirklichkeit sei. Luther selbst habe aber beide Sprachformen in der Auseinandersetzung mit der Scholastik vermischt, deshalb müsse sein ursprünglicher Ansatz wieder ausfindig gemacht werden (ebd., 154-158). Bezüglich der Verwerfungen im Zusammenhang mit der Heilsgewißheit in Kanon 13 und 14 hebt er hervor, daß nur die von den Reformatoren gelehrte Art der Gewißheit abgelehnt worden sei, nicht die Heilsgewißheit überhaupt Die Gewißheit liege im „existentiellen und personalen, nicht im metaphysischen und abstrakt-theologischen Bereich" (ebd., 223). Schmaus geht also davon aus, daß die Verwerfungen zumindest zum Teil auf Mißverständnissen gründen, die aus dem verschiedenen theologischen Hintergrund resultieren. Was die Vorbereitung des Menschen auf die Rechtfertigung angeht, so interpretiert Schmaus Luther dahingehend, daß der Mensch nicht gänzlich passiv sei. Luther habe vielmehr als Prediger gesprochen, der von der Verlorenheit des Menschen und der Wirkmacht der göttlichen Gnade ergriffen gewesen sei. „Passiv" meine dann nur, das Verhalten des Menschen sei allein von Gott gewirkt. Damit treffe auch die Verwerfung in diesem Punkt Luther nicht unbedingt (ebd., 287/288).

Wichtig aus evangelischer Sicht scheint mir auch seine Erkenntnis zu sein, daß das Zusammenwirken von götdicher Wirkmacht und menschlicher Freiheit sich verstandesmäßig nicht auflösen lasse, sondern Mysteriencharakter habe (ebd., 335-342). Die Lehre Seripandos von der doppelten Gerechtigkeit lehnt er jedoch mit dem Konzil ab (ebd., 132/133), so daß hierin in der Tat ein Gegensatz zu Brunners Interpretation besteht. 216 Protokoll, 11 und 17. 217 Brunner stand auch in anderen Zusammenhängen mit seiner theologischen Position in großer Nähe zur ontologischen Betrachtungsweise katholischer Theologie. Bei der ausgiebigen Diskussion über die Auslegung von Rö 6, die bei der 9. Tagung 1950 zur Taufe geführt

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Trotz der Ablehnung von katholischer Seite war Brunners Interpretation jedoch von Bedeutung, 218 denn es ist nochmals hervorzuheben, daß eine wurde, zeigte sich dies an seiner Variante der mysterientheologischen Deutung. Ferner hob er stets die Effektivität der Rechtfertigung gegenüber einem rein forensischen Verständnis hervor, wie im folgenden zu erläutern sein wird. Von daher ist sein grundsätzliches Verständnis für die tridentinische Rechtfertigungslehre, das seiner Interpretation zugrunde liegt, nicht verwunderlich. Auch in ekklesiologischen Fragen, wie etwa hinsichtlich des Amtsverständnisses, stand er der katholischen Position näher als manches andere evangelische Mitglied des Ö A K Trotz dieser weitreichenden Annäherungen grenzte er sich jedoch immer dann entschieden von dem katholischen Verständnis ab, wenn man katholischerseits meinte, keinen Unterschied mehr zu erkennen, zwischen seiner und der eigenen Haltung. Die Bedenken etwa, die für ihn im Hinblick auf die Rechtfertigungslehre von Trient bestanden, hatte er - wie oben dargestellt - in seinem Referat nicht verschwiegen. Von der soeben skizzierten Haltung Brunners unterschied sich die Schlinks. Er kehrte kontinuierlich die Strukturunterschiede und die unterschiedlichen Standpunkte in der katholischen und evangelischen Theologie hervor, um durch deren Aufweis ein besseres gegenseitiges Verständnis dafür zu erreichen, daß viele Differenzen als Folge verschiedener Anliegen zu sehen sind, für die in den beiden Konfessionen unterschiedliche Ausdrucksformen als adäquat erachtet wurden. Seine Haltung war deshalb von vornherein unmißverständlicher. (Siehe oben, Kapitel I., Abschnitt 3.4.). 218 Umgekehrt wurde Volks Interpretation der B S L K evangelischerseits von ihrem methodischen Ansatz her kritisiert. Volk hatte nämlich im Gegensatz zu seinem evangelischen Korreferenten Maurer alle Teile der Bekenntnisschriften als auf gleicher Ebene stehend betrachtet und einen mit Hilfe des anderen ausgelegt. Schlink und von Campenhausen beanstandeten diese unhistorische Vorgehensweise. Schlink kritisierte laut Protokoll: „Die Concordienformel würde jedoch im Gegensatz zur Augustana keineswegs von allen luth. Kirchen als Bekenntnisschrift anerkannt, sie antworte sowohl auf inner-evangelische (Oslander) Auseinandersetzungen, als auf tridentinische Entscheidungen und habe von daher eine gewisse polemische Prägung relativ zur Augustana. Es ist daher methodisch gut, die Bekenntnisschriften zur Grundlage zu nehmen, die zeitlich vor dem Tridentinum verfaßt sind" (1). Von Campenhausen hob die Bedeutung der historischen Betrachtungsweise hervor, indem er im Verlauf der Diskussion darauf hinwies, daß die theologische Auseinandersetzung im 16. Jh. an praktischen Fragen aufgebrochen sei, in deren Zusammenhang sie immer gesehen werden müsse (Prot, 8). Volk rechtfertigte sein Vorgehen damit, „daß so vorgegangen werden müsse, denn Augustana und Apologie lasse manche Frage offen, beide bedürfen in Wichtigem einer Verdeutlichung. Die ,Offenheit' weise aber in eine bestimmte Richtung - eben auf die Concordienformel, sodaß in dieser zwar ein Spannungsverlust, aber kein Substanzverlust eingetreten sei" (laut Prot., 1). Damit argumentierte er jedoch innerhalb seiner ja gerade kritisierten Auslegungspraxis. Maurer hatte die historische Entstehung und den historischen Zusammenhang der einzelnen Bekenntnisschriften bei seiner Interpretation berücksichtigt. Vgl. dazu seinen oben genannten Kommentar zur CA, in dem er die Entstehung der einschlägigen Rechtfertigungsartikel der CA und der Apologie im Kontext der Entwicklung innerhalb der Lehre Luthers und Melanchthons sieht Er nennt CA 4-6 im Zusammenhang mit CA 3 und CA 19-21 und vertritt die These, die Rechtfertigungslehre durchdringe die gesamte CA und bewähre sich so als articulus stands et cadentis ecclesiae (ebd., 74; vgl. auch 63-162). Er kommt dann zu dem Schluß: „Die Rechtfertigungslehre der CA ist kein monolithischer Block, sondern weist Spalten und Risse auf" (ebd., 69). Diese versucht er zwar historisch zu erklären, er läßt sie jedoch stehen ohne durch Heranziehung der anderen Teile der B S L K eine einheitliche Lehre zu entwickeln.

Die unterschiedliche Vorgehensweise von Volk und Maurer läßt sich wohl kaum ausschließlich aus der Tatsache erklären, daß Maurer als Kirchengeschichtler und Volk als Dogmatiker sprachen. Vielmehr scheint sich hier eine typische Differenz in der Dogmenin-

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solche Interpretation der dogmatischen Grundlagen der jeweils anderen Konfession in Form eines Referates, wie sie Volk und Brunner vorgenommen hatten, bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt war. Sie beruhte auf einer Feststellung, die als eine wichtige Voraussetzung für ein wachsendes gegenseitiges Verständnis im Verlauf dieser Tagung betrachtet werden kann, daß nämlich sowohl die Aussagen des Tridentinum, als auch die der Bekenntnisschriften die Lehre der Kirche in komprimierter Form zum Ausdruck bringen und deshalb einer ausführlichen Interpretation bedürfen, bzw. positiv formuliert, eben breiten Interpretationsspielraum lassen.219 Brunner nutzte diese Erkenntnis und interpretierte das Tridentinum so, daß es seiner Meinung nach in wesentlichen Punkten von evangelischer Warte aus akzeptiert werden könnte. Dabei wies er auf Mißverständnisse der evangelischen Lehre hin und darauf, daß auf ihnen basierende Anathematismen zu Unrecht bestehen. Damit hatte er bereits 1949 den ersten Versuch einer Aufarbeitung und Neubewertung der Lehrverurteilungen im Rahmen des ÖAK unternommen. Daß seine Ergebnisse damals im Arbeitskreis noch kein positives Echo fanden, liegt sicher mit daran, daß man noch am Anfang der gemeinsamen Arbeit stand. Problematisch war jedoch auch, daß er nicht unter Berücksichtigung der Unterschiede in der Denkweise des tridentinischen und des reformatorischen Ansatzes seine Zustimmung artikulierte, sondern versuchte, die tridentinischen Aussagen unmittelbar so zu interpretieren, daß sie von evangelischer Seite angenommen werden können. Das Dokument des OAK über die Lehrverurteilungen von 1986 ist demgegenüber das Ergebnis eines ausführlichen gemeinsamen Studiums der kirchenamtlichen Dokumente, das entsprechend dem veränderten Stand des ökumenischen Dialogs eine erheblich differenziertere Sicht bietet, das aber dennoch - wie Brunners Referat zeigt - in Kontinuität zu der vorausgegangenen jahrzehntelangen Arbeit des OAK steht. Brunners Ausführungen sind jedoch nicht nur aus heutiger Sicht wegen ihres Bezugs zur neueren Arbeit des ÖAK von Bedeutung, sondern sie trugen bereits damals zu einer erheblichen Vertiefung des Gesprächs über die Rechtfertigung bei, für die die gesamte Tagung 1949 wichtig war.220

terpretation beider Kirchen bemerkbar gemacht zu haben. 219 Vgl. Schlink, Prot., 3: „Die Bekenntnisschriften sind keine Gesamtdarstellungen (auch nicht der Denzinger), sie stellen die Mitte dar. Eine weitere Interpretation und Ergänzung ist möglich. Es gibt Uneinigkeiten, die können der Tod der Kirche sein. Nicht das Gleiche ist zu sagen von den Unterschiedenheiten, die Äußerungen des Lebens der Kirche sein können, sie sind deshalb tragbar." Vgl. dazu den Abschnitt über den Wandel in der Interpretation des Substanzbegriffs und der Transsubstantiation! 220 Vgl. Schlinks Charakterisierung der Tagung in einem Schreiben an Erzbischof Jaeger vom 14.4.49 (Korr Schlink): „Das Gespräch rührte diesmal tiefer an den bloßen Nerv des ev.-kath. Zwiespaltes, als es in irgendeinem der vorangegangenen Gesprächen geschehen war." Ferner sei das „Verlangen nach weiterer schrittweiser Aufhellung und Neuinterpretation der ernsten Differenzpunkte" damals noch lebendiger geworden.

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2.2.3. Die reformatorische Lehre von Gesetz und Evangelium und die tridentinische Verhältnisbestimmung von göttlichem und menschlichem Tun Die Interpretation des tridentinischen Rechtfertigungsdekrets wurde 1960 fortgesetzt, als man die reformatorische Lehre von Gesetz und Evangelium thematisierte.221 Ihr Vergleich mit dem tridentinischen Rechtfertigungsdekret lag nahe, weil es kein solches Lehrstück auf katholischer Seite gibt, die Problematik jedoch in Trient im Kontext der Rechtfertigungslehre indirekt behandelt wurde.222 Das Thema Gesetz und Evangelium wurde als eines der schwierigsten Themen des kontroverstheologischen Gesprächs bezeichnet, da das „und" eine Vielzahl von Korrelationsmöglichkeiten biete.223 Die Vorwürfe, die in diesem Themenbereich seit der Reformation gegenseitig erhoben wurden, bezogen sich auf die Vermengung von Gesetz und Evangelium mit der Konsequenz der Werkgerechtigkeit in der katholischen Theologie nach evangelischer Auffassung bzw. auf die mangelnde Berücksichtigung oder gar Ablehnung des Gesetzes mit den jeweiligen Konsequenzen für das Verständnis der Rechtfertigung in der evangelischen Theologie nach katholischer Meinung Daß dieser Gegensatz so kraß nicht besteht, sondern weitgehend auf falschen Interpretationen der gegenseitigen Lehren beruht, wurde im Verlauf der Tagung deutlich. Inhaltlich hatten sowohl Söhngen als auch Schlink in ihren Referaten festgestellt, daß die Anathematismen des in Frage stehenden Dekretes nicht auf Luther oder Calvin zu beziehen seien, sondern allgemein auf damalige antinomistische Irrlehren.224 Im Verlauf der Diskussion kam man darin überein, daß weder die Reformatoren als Antinomisten bezeichnet noch

221 Die Tagung fand vom 4.-8.4.60 im Petersstift in Heidelberg statt. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Dolch, Höfer, Kuss, Mörsdorf, Rahner, Schmaus, Söhngen, Warnach, Prot. Krems, als Gast Dr. Peter Manns (Mainz), abwesend: Buuck, Gewieß, Grosche, Hasenkamp, Lortz, Pieper, Pollet, Rosenmöller. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Bornkamm, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Joest, Kinder, Pannenberg, Schumann, Skydsgaard, Westermann, Prot Mumm, abwesend: Dietzfelbinger, Anz, Maurer, Wendland, Wolf. 222 Vgl. Schlink in seinem dogmatischen Referat »Gesetz und Evangelium als kontroverstheologisches Problem", in: ders., Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen, Göttingen 1961, 126-159, 145: „Man wird freilich nicht übersehen dürfen, daß die Formel Gesetz und Evangelium als Konzentration der Themen Gericht und Rechtfertigung, Glaube und Werke usw. zu verstehen ist Diese Themen aber sind auch vom Tridentinum durchaus behandelt worden, wenn auch im Gegensatz zur reformatorischen Theologie. Insofern sind das tridentinische Dekret von der Rechtfertigung und die dazugehörigen Cánones doch als indirekter Beitrag zur Lehre von Gesetz und Evangelium emst zu nehmen." 223 Vgl. Schlink, a.a.O., 126 und Söhngen, Gottlieb, Gesetz und Evangelium, in: Catholica 14/1960, 81-105, 82. Vgl.' auch Schlink, Edmund, Gesetz und Paraklese, in: Antwort, Festschrift für K. Barth zum 70. Geb., Zürich 1956, 323-335 und Söhngen, G., Gesetz und Evangelium, Freiburg/München 1957; ders., Art. Gesetz und Ev., in: LThK 4, 831-835 sowie ders., Art Fundamentaltheologie, ebd. 452-459 zur kategorialanalytischen Methode Söhngens. 224 Schlink, a.a.O., 147, Söhngen, a.a.O., 90/91, Anm.5 und 6.

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das Tridentinum synergistisch interpretiert werden dürften. Katholischerseits wurde erneut betont, daß aller Verdienst des Menschen nur unter dem Vorzeichen der Gnade gesehen werden dürfe.225 Schmaus ging sogar soweit, daß er die Aussagen des Tridentinum wegen ihrer geschichtlichen Frontstellung lediglich als „Grenzmarkierungen" bezeichnete und über das Tridentinum hinaus allein dem Evangelium die Rechtfertigung zuordnete.226 Evangelischerseits hielt man dennoch die Cánones von Trient nicht für so „harmlos", besonders wegen der mangelnden Zusage der Gnade in den gegen die Rechtfertigung allein durch den Glauben (fiducia) bzw. gegen die Heilsgewißheit gerichteten Cánones 12, 13 und 16.227 Schmaus bemerkte jedoch zu Recht: „Wenn sich das durchsetzt, was wir hier besprochen haben, kann das viel bedeuten."228

Zumindest bedeuteten diese Interpretationsansätze wieder einen Schritt hin zu einer Aufhebung gegenseitiger Verurteilungen. Wichtig waren auch die Ausführungen Schlinks zu den Strukturunterschieden zwischen den tridentinischen und den reformatorischen Aussagen zum Thema. Bereits bei den vorausgegangenen Tagungen hatte Schlink ja anklingen lassen, daß er in der Berücksichtigung der verschiedenen Behandlungsweisen dogmatischer Inhalte eine Chance für eine ökumenische Verständigung sah. Am Beispiel der Lehre von Gesetz und Evangelium führte er dies nun exemplarisch vor.229 Schlink war in seinem Referat eigens auf die ökumenische Bedeutung der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium eingegangen und hatte festgestellt, daß die Unterschiede zwischen den einzelnen Kirchen nicht nur in dogmatischen Entscheidungen selbst bestehen, sondern auch darin, ob das Thema überhaupt dogmatisch behandelt wird. Er wies auf andere Aussagen des Glaubens hin, der Liturgie, der Katechese etc., die ebenfalls charakteristisch für eine Kirchengemeinschaft seien. Als elementare Aussage bezeichnete er die Verkündigung. Ferner forderte er die Berücksichtigung der geschichtlichen Fronten, in denen dogmatische Aussagen gemacht wurden, und der Begriffsbildung für den Vergleich dogmatischer Aussagen verschiedener Kirchen.230 Wichtig war ihm, zu zeigen, inwiefern solche Strukturunterschiede die eigentliche Differenz in der tridentinischen 225

Prot., 23-30. Prot., 28 und 30. ™ Schlink, Prot., 24. Vgl. Denzinger 1562, 1563 und 1566. 228 Ebd., 30. 229 Es ist von daher nicht zufällig, daß bei der darauffolgenden Tagung 1961 „Das Verhältnis von exegetisch-historischer und dogmatischer Denkweise in der Theologie" zur Sprache kam. Denn zu Schlinks Ausführungen über den unterschiedlichen Charakter dogmatischer Aussagen in beiden Konfessionen zeichneten sich gegensätzliche Positionen ab. 230 Schlink, a.a.O., 143-149. 226

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und der reformatorischen Behandlung der Thematik um Gesetz und Evangelium ausmachen. Während Luthers Aussagen durch den Akt des Hörens auf Gottes Anrede bestimmt seien, durch die personale Begegnung mit Gott, mache das Tridentinum seine Aussagen über den menschlichen Lebensweg - von dessen erbsündigem Beginn bis zur Erlangung des ewigen Lebens mit Hilfe der durch die Gnade vollbrachten guten Werke - in der Struktur der Beschreibung. Während Luther im wesentlichen Aussagen über den Menschen als Sünder getroffen habe, habe das Tridentinum den Menschen als Gerechten, als Geheiligten im Blick, betone es mehr das menschliche Tun. Für die tridentinischen Aussagen ist deshalb nach Schlink nicht die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium zentral, sondern sie intendieren „eine möglichst widerspruchsfreie Verhältnisbestimmung von göttlichem und menschlichem Tun."231 Während die Reformatoren die Unterscheidung zwischen dem analytischen Urteil des Gesetzes und dem synthetischen des Evangeliums, zwischen dem sündigen Menschen unter dem Urteil des Gesetzes und dem gerechtfertigten unter dem Zuspruch des Evangeliums, zwischen dem Glauben an das Evangelium und dem Gehorsam gegenüber den Geboten, zwischen der Heilsgewißheit und der Furcht vor dem Gericht nach Schlink festgehalten haben, hat das Tridentinum die entgegenstehenden Aussagen systematisch zum Ausgleich gebracht.232 Von der Gnade sei zwar die Rede, aber nur im Horizont des Gesetzes. Ein Vergleich verschiedener dogmatischer Aussagen über G. und E. erfordert deshalb nach Schlink die Rückübersetzung in die elementaren Aussagen der Verkündigung, wobei manche dogmatischen Gegensätze an Schärfe verlören: „Es bleibt freilich die Tatsache, daß das Tridentinum vom Evangelium als rechtfertigendem Tatwort Gottes schweigt und daß es seine dogmatischen Aussagen einseitig in der Front gegen den Antinomismus, nicht aber im Hinblick auf die unter dem Gesetz erschrockenen Gewissen gemacht hat" 233

Mit diesen Ausführungen hatte Schlink aus heutiger Sicht Wesentliches zur Erhellung der Differenzen zwischen der lutherischen Auffassung und der des Tridentinum beigetragen. Sie wurden jedoch von katholischer Seite nicht ganz unkritisch aufgenommen. Es wurde konstatiert, daß sich auch die katholische Theologie in einer Glaubenshaltung bewege, daß aber immer eine gewisse Distanz erforderlich sei, um Aussagen machen zu kön231

Ebd., 153, zum ganzen 149-153. Ebd., 153-155. Nach Schlink hat das Tridentinum die Gnadenwirkung dem Urteil des Gesetzes zugeordnet, insofern nämlich, als sie das analytische Urteil der Gerechterklärung ermöglicht Ferner hat es die Spannung zwischen dem Menschen als Sünder und als Gerechter durch quantitative Begriffe aufgehoben, das menschliche Tun und den Glauben verknüpft und, um des Gerichtes nach den Werken willen nicht nur die securitas, sondern auch die certitudo abgelehnt. 233 Ebd., 158 (159) und siehe oben die Diskussion über Antinomismus und Synergismus. 232

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nen.234 Ferner forderte man ein Kriterium dafür, welcher Struktur der Vorzug zu geben sei.235 Diese Forderung sowie die Diskussion darüber, ob es legitim sei, daß Söhngen seine dogmatischen Ausführungen zum Thema anhand eines evangelischen Kirchenlieds entfaltet hatte, zeigten, daß sich einige katholische Teilnehmer schwer damit taten, andere Formen von Glaubensaussagen gegenüber der Lehre als gleichberechtigt anzuerkennen oder eine Aussage an ihrer Nähe zur Verkündigung oder zum gottesdienstlichen Leben zu messen.236 Mörsdorf wandte ζ. B. ein, daß rechdiche Aussagen der Lehre oft näher stünden als Aussagen der Liturgie. Bei aller Bedeutung, die den Ausführungen Schlinks beizumessen ist, hinterfragte Volk zu Recht, ob die verschiedene Perspektive allein die Unterschiede ausmache, oder ob nicht doch eine theologische Lehrdifferenz die tridentinischen Entscheidungen von Luthers Aussagen trenne, nämlich die Bedeutung, die Trient den Auswirkungen des Heilshandelns am Menschen zukommen lasse.237 Damit war eine Problematik angesprochen, in der bis heute die Meinungen auseinandergehen: Können konfessionell verschiedene Lehraussagen als legitime, sich ergänzende Äußerungen aus unterschiedlichen Perspektiven angesehen werden, oder sind sie Ausdruck tiefergehender, nicht miteinander zu vereinbarender theologischer Differenzen. 238 Diese Frage wurde damals weder von Schlink noch von anderen Mitgliedern des ÖAK generell oder für den Bereich der subjektiven Heilsaneignung beantwortet, sondern im Grunde erst mit der Veröffentlichung zu den Lehrverurteilungen. Ein Fortschritt bestand jedoch darin, daß man grundsätzlich zwischen den theologischen Inhalten und ihren sprachlichen Ausdrucksformen in einer Deutlichkeit unterschied, wie dies in den Jahren zuvor noch nicht der Fall gewesen war. Sehr anregend war in diesem Zusammenhang auch Pannenbergs Versuch, Schlinks Ausführungen zur Strukturverschiedenheit dogmatischer Aussagen mit Söhngens Äußerungen zum Unterschied zwischen relationalem und qualitativem Denken zu vergleichen. Ausgehend von der stoischen Kategorienlehre hatte Söhngen nämlich katholische und evangelische Theologen zu einem gründlicheren Nachdenken über das Ineinandergreifen qualitativer und relationaler Kategorien aufgefordert: 239

So Schmaus, P r o t , 15. Prot., 16. 236 Schmaus und Mörsdorf, Prot., 17. 237 Prot., 19/20. Dies hatte Schlink jedoch nicht ausgeschlossen, sondern sogar erwähnt (a.a.O., 158). 231 Vgl. die kritischen Stellungnahmen Baurs und der Göttinger Fakultät zu entsprechenden Ausführungen in „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?", dazu siehe unten Kapitel III., Abschnitt 2. 239 Söhngen, a.a.O., 90, 93 und 94. 234

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„Wenn Söhngen sagt: nicht per relationem, sondern in relatione ..., dann entspricht das bei Schlink dem Satz, daß die lutherische Theologie nicht über die Glaubenserfahrung, sondern aus der Glaubenserfahrung meditiert"240 Dieser Versuch, durch die Ubersetzung der Terminologien, mit denen beide Referenten versucht hatten, die Strukturunterschiede der konfessionellen Lehrgebäude herauszuarbeiten, eine Möglichkeit der Verständigung zu schaffen, wurde leider nicht weiter verfolgt. Neben dem Vergleich der tridentinischen und reformatorischen Aussagen zu Gesetz und Evangelium und der Untersuchung der strukturellen Unterschiede der beiden theologischen Entwürfe war auch die vorausgegangene exegetische Diskussion von Belang. Vor allem deshalb, weil sie den vielschichtigen Gebrauch des Gesetzesbegriffs in den biblischen Schriften und im Anschluß an sie zutage brachte und festgestellt wurde, daß Luthers Verständnis des Gesetzes im Gegenüber zum Evangelium nicht dem paulinischen Gebrauch des Gesetzesbegriffs entspricht. Thema war zunächst das Verhältnis des ad. Gesetzes zur ntl. Paraklese. Von evangelischer Seite wurde - überwiegend unter Bezugnahme auf Paulus - der Unterschied zwischen beiden Imperativen hervorgehoben. Die Paraklese wurde eindeutig dem Bereich des Evangeliums zugeordnet, da ihr der Indikativ der göttlichen Tat vorausgehe, der sie dazu befähige, das Geforderte zu tun.241 Zur Debatte stand jedoch die Position Schlinks und Friedrichs, nach der die Paraklese zum Gesetz werden könne, wenn der Indikativ wegfalle, bzw. wenn sie gerichtsankündigende und gerichtsvollziehende Funktion habe, obwohl Paulus eben im Gegensatz zu Luther Gesetz und Evangelium von ihrem heilsgeschichtlichen Nacheinander, nicht von ihrer gleichzeitigen Gegenwart her, verstanden habe.242 Zu Recht brachten Söhngen und von Campenhausen hier den Einwand vor, wenn es sich so verhalte, dann sei die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium letztendlich sinnlos. Auch Brunner hielt es für fraglich, ob das Evangelium deshalb als Gesetz bezeichnet werden könne, weil es dort, wo es auf Unglauben stoße, zum Gericht werde.243 Die Problematik der Vereinbarkeit des exegetischen Befundes mit der lutherischen Ausformung der Lehre von Gesetz und Evangelium prägte also die innerevangelische Auseinandersetzung. Schlink und Söhngen hatten sich in ihren Referaten weit aufeinander zu bewegt. Söhngen hatte von einem kategorialanalytischen Ansatz her die protestantische Auffassung von Gesetz und Evangelium in vier Thesen dargestellt. Aus der ersten These, „das Evangelium ist nicht auch Gesetz" oder 240

Prot, 18. Vgl. Friedrich und Brunner, Prot, 13-15 und Friedrich, Gerhard, Gesetz und Evangelium bei Paulus, maschinenschriftl. Zusammenfassung seines Referates, Anlage zum Prot. 242 Vgl. Friedrich, a.a.O. und Schlink, a.a.O., 133-136. 243 Prot., 13-15. 241

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kategorial ausgedrückt, „was die Beschaffenheit des Gesetzes hat, hat nicht auch die Beschaffenheit des Evangeliums"244, leitete er ab, daß die Wortfügung nova lex evangelii des Thomas sich nach evangelischem Verständnis verbiete. Er fragte deshalb, ob von katholischer Seite auf ihr bestanden werden müsse.245 Schlink hielt die erste These Söhngens für zu extrem. Er erkannte den Begriff nova lex bedingt an: „Wenn aber über solche gelegentlichen paradoxen Zuspitzungen hinaus in systematischer Breite der Gesetzesbegriff zur Bezeichnung der neutestamentlichen Paraklese verwendet werden soll, so wird es entscheidend darauf ankommen, daß er nicht absolut verwendet und daß die Neuheit dieses Gesetzes im Unterschied zum alttestamentlichen Gesetz in voller Klarheit herausgearbeitet wird. Dasselbe gilt, wenn man die Paraklese als tertius usus legis bezeichnet, wie dies besonders nachdrücklich durch Calvin geschehen i s t . . . Wenn diese Unterschiede festgehalten werden, brauchen die Begriffe nova lex und tertius usus legis die Eigenart der Paraklese nicht notwendig zu verdecken."246

Dieses Zitat Schlinks beweist, daß Söhngen das evangelische Verständnis von Gesetz und Evangelium zutreffend charakterisiert hatte, indem er entgegen dem tridentinischen Vorwurf des Antinomismus gegenüber der evangelischen Lehre deren Zuordnung von Gesetz und Evangelium hervorhob, wobei er von einer ausschließlichen analogia relationis im Gegensatz zu einer analogia entis sprach. War man sich nun weitgehend darin einig, daß unter entsprechenden Prämissen auch innerhalb des N T von Gesetz geredet werden könne, so knüpfte sich daran die Frage an, worin dessen Kontinuität bzw. dessen Unterschied zum atl. Gesetz besteht. Als konsensfähige Auffassung der evangelischen Teilnehmer zeichnete sich ab, daß der im ad. Gesetz zum Ausdruck kommende Wille Gottes im N T derselbe bleibe, jedoch in Gestalt 244

Söhngen, a.a.O., 85/86. Ebd., 88. Söhngens weitere Thesen lauteten: Das Gesetz ist nicht ohne die Verheißung und das Evangelium ist nicht ohne das Gesetz; Gesetz und Evangelium sind aufeinander bezogen; die heilsgeschichtliche Nacheinanderfolge von Gesetz und Evangelium ist durchlaufend je im Zugleichsein von Gesetz und Verheißung im Alten Bund und von Evangelium und Gesetz im Neuen Bund und im Christenmenschen (zum Teil wörtlich zitiert, siehe kursiv gedruckten Text). 244 Schlink, a.a.O., 130, vgl. Prot., 12/13. Schlink unterschied zwischen dem Wort des atl. Gesetzes und dem des ntl. Evangeliums, außerdem sowohl innerhalb des ad. Gesetzes als auch innerhalb des ntl. Evangeliums zwischen Gottes Zuspruch und Anspruch, ferner zwischen der atl. Verheißung und dem Zuspruch des nd. Evangeliums sowie zwischen der ad. Gesetzesforderung und der Paraklese des Neuen Bundes (a.a.O., 127-130, vgl. ders., Gesetz und Paraklese, a.a.O., 324-329. Hier unterscheidet Schlink im Gegenzug gegen Barth auch zwischen dem eschatologischen Freispruch und der Verwerfung am jüngsten Tag). Die Einheit zwischen Gesetz und Evangelium besteht nach Schlink in ihrem gemeinsamen Ursprung in Gott, der durch diese doppelte Anrede am Menschen handelt, wobei das Evangelium als Gottes eigentliches Wort an den Menschen verkündigt werden muß (a.a.O., 136-140). 245

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des Evangeliums gefaßt sei, d. h. daß der Wille Gottes dem Menschen nun in Christus begegne und infolge der Befreiung vom ad. Gesetz durch Christus erfüllbar geworden sei.247 Auf der katholischen Seite tendierte man unter Aufnahme der tridentinischen Rede von Christus als dem Gesetzgeber (D 831) dazu, auch eine Kontinuität des Gesetzescharakters des Willens Gottes im N T unter dem Vorzeichen des Evangeliums zu behaupten.248 Katholischerseits stützte man sich auf Mt, evangelischerseits auf Paulus.249 Mörsdorf ging von seiner kanonistischen Betrachtungsweise aus sogar so weit, in dem „Christus etiam legislator" die Grundlinien der Kirchenverfassung mit grundgelegt zu sehen.250 Die Auseinandersetzung krankte an dem undifferenzierten und ungeklärten Gebrauch des Gesetzesbegriffs.251 Soviel wurde aber dennoch deutlich: Ein noch aufzuarbeitender konfessioneller Dissens bestand nicht schon hinsichtlich der grundsätzlichen beiderseitigen Anerkennung und Zuordnung bzw. Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, sondern vor allem in den daraus resultierenden Konsequenzen für den Stellenwert des Kirchenrechts, besonders für die Diskussion um ius divinum und ius humanum - inwieweit das Gesetz des N T das Kirchenrecht impliziert, wurde nicht näher behandelt252 - sowie für die beiderseitige Rechtfertigungslehre.

247 Vgl. Brunner, Prot., 35, Pannenberg, 36/37, Friedrich, 37/38, von Campenhausen, 39. Vgl. auch Schlinks Ausführungen zur doppelten Anrede Gottes in Gesetz und Evangelium (siehe oben). 248 Vgl. Rahner, 33. 249 Volk und Höfer, Prot., 41/42, von Campenhausen, 39. Vgl. auch die Beschränkung Friedrichs auf G. u. E. bei Paulus, während Kuss in seinem exegetischen Referat G. u. E. nach dem gesamten N T darstellte. (Das Referat von Kuss liegt ebensowenig vor wie anderweitige Äußerungen von ihm zum Thema). 250 Prot, 33. 251 Vor allem Mörsdorf - als Kanonist - forderte einen klaren Gesetzesbegriff als Vorbedingung für das Gespräch. Im Gegensatz zu Friedrich, der sich gegen den Gebrauch eines modernen Gesetzesbegriffs zur Beschreibung der paulinischen Aussagen wandte, da Paulus das Gesetz als Machtsphäre verstanden und es sogar personifiziert habe (Prot, 18/19), forderte Mörsdorf die Berücksichtigung rechtlicher Begrifflichkeit Eine eigene theologische Begrifflichkeit hielt er zwar für legitim, sie berücksichtige jedoch immer nur einen Teilaspekt des Ganzen. Er definierte das Gesetz als „Norm für freies menschliches Verhalten" (Prot, 32/33 Zitat und 17/18). Westermann hatte vom AT her zwischen Gebot und Gesetz unterschieden und setzte nur das Gebot, das im Gegensatz zum Gesetz immer in der 2. Pers. formuliert worden sei, mit der Anrede Jesu gleich (38/39). Schlink äußerte angesichts solcher Unterschiede im Gesetzesbegriff am Ende der Tagung, daß ein so weitgehendes Verständnis nur möglich gewesen sei, weil man das Gesetz nicht näher bestimmt habe. „Der Kampf ging ja nicht nur um Gottes Gebot, sondern um das Problem Gottesgebot und Menschensatzung; mandata Dei-mandata ecclesiae, ius divinum-ius humanum. Wir gebrauchen gerade auch hier gleiche Begriffe bei ganz verschiedenem Verständnis" (42). 252

Vgl. hierzu Söhngen, Gottlieb, Gesetz und Evangelium, a. a. O., 56 ff. Söhngen bezieht sich hier auf die thomasische Unterscheidung zwischen der Gnade selbst und dem Gebrauch der Gnade, zu dem Kirchenrecht, Hierarchie etc. gehören. Diese seien notwendig, müßten aber den Blick auf die Sache selbst freihalten.

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2.3. Die Auswirkungen der Rechtfertigung am Menschen 2.3.1. Gerechtsprechung und Heiligung

War man in den 40er Jahren hinsichtlich der Mitwirkung des Menschen am Vorgang seiner Rechtfertigung bereits grundsätzlich dahingehend übereingekommen, daß er als Persönlichkeit ernstzunehmen ist, sofern er im Glauben auf die Gnade Gottes reagiert, daß sein Glaube jedoch nicht als Verdienst hinsichtlich der Rechtfertigung anzusehen ist, und ging es bei der Klärung dieser Frage vor allem noch darum, wie sehr die Beteiligung des Menschen im Verhältnis zum göttlichen Handeln im Rechtfertigungsvorgang herauszustellen sei, so war es auch darüber zu einer Annäherung gekommen, inwiefern die Rechtfertigung nicht nur aus der Sicht Gottes erfolgt, sondern auch Auswirkungen auf das Wesen des Menschen hat. Diese Annäherung ist darauf zurückzuführen, daß von einigen der evangelischen Arbeitskreismitglieder mit einer für die damalige Zeit ungewöhnlichen Selbstverständlichkeit die Zusammengehörigkeit von Gerechtsprechung und Heiligung gegenüber einem rein forensischen Verständnis der Rechtfertigung stark gemacht wurde, das die ältere katholische Schultheologie an der lutherischen Lehre stets kritisiert hatte.253 Der eigendiche Gegensatz zeigte sich in der Frage, ob Rechtfertigung und Heiligung in einem einmaligen Akt geschehen, oder in einem lebenslangen Prozeß. Um die Anwendung zeitlicher Kategorien auf den Rechtfertigungsakt ging es bereits 1948. Zu Beginn der Erörterung wurde damals festgestellt, daß es nach katholischem Verständnis eine Vermehrung der Gnaden oder eine zunehmende Vollkommenheit des Menschen gibt, an deren Ende erst die Erneuerung des Menschen abgeschlossen ist, während auf evangelischer Seite die Aufgliederung des Vorgangs der Rechtfertigung in einzelne Akte mit der Begründung strikt abgelehnt wird, daß das Heil immer vollständig geschenkt werde.254 253 Vgl. dazu den forschungsgeschichtlichen Überblick zur Rechtfertigungslehre von Harald Wagner in: Urban, Hans Jörg/Wagner, Harald, Handbuch der Ökumenik, Paderborn 1987, III/2, 17-20. 254 Vgl. Höfer und Gewieß, Prot, der 5. Tagung 1948, 8 / 9 und Brunner, 9. Schlink erklärte, das zeidiche Schema müsse fallen, da das Hereinbrechen der pneumatischen Wirklichkeit die Aufhebung der Zeit bedeute. Um der begrifflichen Klärung willen könne auf ein zeitliches Nacheinander jedoch nicht immer verzichtet werden. Dies unterstrich Bornkamm mit dem Hinweis auf Röm 5 , 6 - 9 (ebd., 5). Söhngen verwies darauf, daß auch auf evangelischer Seite, nämlich in der Unterscheidung von iustificatio und renovatio, ein additives Denken zu finden sei (7). Vgl. zur Anwendung des Zeitbegriffs in bezug auf den Glauben nach lutherischem Verständnis: Brunner, Peter, Die Zeit im christlichen Glauben, in: ders., Pro ecclesia II, Berlin/Hamburg 1966, 50-59. Brunner erläutert hier, daß „das zeithafte Geschehen, in dem wir zum Glauben kommen" (51) im N T im Aorist beschrieben, also perfektisch gesehen wird. „Wie aber das Zum-Glauben-Gekommen-Sein als ein Perfektum die Gegenwart des Glaubenden auch in der Weise bestimmt, daß das Perfektum immer wieder einen gegenwärtigen Nachvollzug haben muß, so wirkt sich auch das, was in der Taufe ein für allemal

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Im Gespräch stellte sich heraus, daß sich in dieser Frage zunächst unterschiedliche Begrifflichkeiten, ja unterschiedliche rechtfertigungstheologische Gesamtkonzeptionen sowie in beiden Konfessionen tradierte Vorurteile gegenüberstanden. So wandte sich Schlink gegen einen ontischen Habitus des Gerechtfertigten, der es ihm ermöglicht, die Bedingungen für die Erfüllung des Heils in der Zukunft zu erfüllen. Er lehnte damit den Versuch der katholischen Dogmatik ab, die bei Paulus nicht aufgelöste Dialektik zwischen dem J e t z t schon" und dem „Noch nicht" logisch verständlich zu machen, und die Angabe von Bedingungen für das Eintreffen der Botschaft in der Zukunft, durch die ihr der „Trost des Künftigen" 255 genommen werde. Volk wiederum wandte sich von katholischer Warte aus gegen einen Automatismus, gegen eine securitas, die aus dem Bewußtsein der bereits ganz und gar geschehenen Rechtfertigung resultieren könne und die dazu bewegen könne, die Bewährung des Glaubens nicht mehr für erforderlich zu halten.256 Sofern man von der jeweils eigenen dogmatischen Begrifflichkeit absah, kam man in der Sache, d. h. in der Interpretation der paulinischen Aussagen zur Beziehung von Rechtfertigung und ethischem Handeln des Christen als Auswirkung seiner mit der Rechtfertigung bereits erfolgten Gerechtmachung, im Verlauf der Diskussion jedoch zu erstaunlicher Übereinstimmung. Die Rechtfertigung wurde von beiden Seiten als der allein entscheidende Vorgang im Leben eines Menschen verstanden, der nicht in verschiedene zeitliche Stufen unterteilt werden kann. Der Wandel des Christen im neuen Leben aber, zu dem der Gerechtfertigte aufgerufen ist, unterliegt einer Entwicklung. Insofern wurde Christsein nicht als Zustand bezeichnet, sondern als ein Werden in der Hoffnung auf die Vollendung am jüngsten Tag, die jedoch aus Gnade und nicht aufgrund eines bestimmten Lebenswandels geschieht.257 Die gemeinsame Position formulierte man so:

sakaramental geschehen ist, in einem täglichen geistlichen Absterben und in einem täglichen geistlichen Lebendigwerden aus aufgrund und in der Kraft des einmaligen Taufgeschehens (52) . . . Die innere geistliche Bewegtheit dieser Existenz zeigt sich in ihrer durch die Glaubenswende gesetzten neuen Zeitlichkeit. Diese neue Zeitlichkeit ist charakterisiert durch das Vormals einer heillosen Gottesferne und durch die einzigartige Spiegelung des heilserfüllten Kairos des Christusereignisses in dem Jetzt abeι" der dem Glaubenden geschenkten Gegenwart, in der Anteilhabe an dem, was in Jesus Christus damals dort war, was in ihm, dem Erhöhten, jetzt ist, und was sein wird in ihm in alle Ewigkeit. Der Schwerpunkt dieser neuen Zeitlichkeit der Existenz des Glaubenden ist aber die Hoffnung, die das ,Dann aber'umgreift, die Hoffnung auf das, was sein wird, wenn wir, wie die Verheißung zusagt, dem Christus gleich sein werden in seinem Reiche, das kein Ende hat" (59). Zu den Teilnehmern der 5. Tagung vgl. Anm. 180. 255 254 257

Prot., 6. Ebd. Vgl. Schlink, Prot., 6, Brunner und Volk, 9.

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„7. Der Glaubende empfängt den rettenden Freispruch Gottes und dadurch die Vergebung der Sünden und ewiges Leben, d. h. er wird zum neuen Geschöpf in Christus. 8. Weil der Glaubende Gerechtigkeit und Leben aus Gott empfangen hat, soll und kann er nach Gerechtigkeit jagen und in einem neuen Leben wandeln. 9. Weil der Glaubende als Gerechtfertigter durch das pneuma mit der Liebe Gottes beschenkt ist und Christus in ihm wohnt, soll und kann er Gott und die Brüder lieben. 10. Wenn Gott diese Früchte des Geistes nicht erblickt, verhängt Er im Endgericht das Urteil der Verdammung. 11. Obwohl der im Glauben Gerechtfertigte in das Buch des Lebens eingetragen ist, kann er also aus dem Glauben und der Gnade fallen und ewig verloren gehen. 12. Auch im Gericht nach den Werken am jüngsten Tage bleibt die Rettung Gnade."258 U m die Frage, wie sich Gerechtsprechung und Gerechtmachung im Rechtfertigungsakt zueinander verhalten, ging es bei der Diskussion der 6. T a gung 1949. Die im Gespräch erreichte Ubereinstimmung faßte Schlink damals folgendermaßen zusammen: „1. Rechtfertigung ist zugleich Heiligung, das können wir gemeinsam sagen. Rechtfertigung ist nie Sündenvergebung allein ohne Erneuerung und Heiligung. 2. Nicht nur die Sündenvergebung geschieht durch den Rechtfertigungsspruch, sondern auch die Erneuerung und Heiligung. Das forensische Urteil schafft etwas Neues, ist nicht analytisches, sondern synthetisches Urteil. Das Wort Gottes ist in jedem Falle Wirkwort. Vielleicht kommt das im Tridentinum so nicht zum Ausdruck, insofern die vocatio nur das initium iustificationis bewirkt" 259 Schlink konnte sich damit auf Äußerungen von Brunner und Asmussen beziehen, wohingegen Bornkamm mit größerer Zurückhaltung das Übergewicht der imputatio über deren Auswirkungen am Menschen hervorhob. 260 Mit dem Hinweis darauf, daß auch Maurer in seinem Referat die Zusammengehörigkeit von remissio und renovatio in den Bekenntnisschriften betont habe, lehnte Schlink dann auch Volks Interpretation von Ap IV 225 und seinen damit verbundenen Vorwurf ab, in den Bekenntnisschriften fehle das real Neue. Daß sich bereits anhand der evangelischen Voten der damaligen Zeit die verstärkte Tendenz beobachten läßt, die Auswirkungen der Rechtfertigung am Menschen zu berücksichtigen, war sicher auch die Folge einer differenzierten historischen Betrachtungsweise der eigenen Bekenntnisschriften. 261 Dieser Entwicklung entsprach auf katholischer Seite die Ak258 253 260 261

Prot., 10. Prot, der 6. Tagung 1949, 14. Zu den Teilnehmern vgl. Anm. 186. Ebd., 3, 12 und 17. In seinem späteren Kommentar zur CA zeigt Maurer die Unterschiede in der Auffassung

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zeptanz der Gleichzeitigkeit von Rechtfertigung und Heiligung durch Pascher und Söhngen, die beiden sogar „Spruchcharakter" zubilligten.262 Bei der darauffolgenden 7. Tagung 1949 kam das Verhältnis von Bekehrung und Wiedergeburt nach den Aussagen des N T zur Sprache. Auch hierbei kam man zu dem Ergebnis, daß man weder zwischen der Bekehrung als einem vom Menschen her gesehen aktiven und der Wiedergeburt als einem passiven Geschehen unterscheiden, noch die Bekehrung einseitig aktualistisch oder ontisch, kosmisch-natürlich oder personal-geschichtlich auffassen könne, sondern daß beide zusammengehören.263 Ferner berücksichtigte man einen wichtigen neuen Aspekt, indem man zwischen der Sprache des N T und der philosophisch-dogmatischen Begrifflichkeit der konfessionellen Theologien unterschied und fragte, ob die bisherigen Differenzen in der Hermeneutik des N T nicht wesentlich auf sprachlichen Barrieren beruhten. Der Anregung Krügers, zu hinterfragen, „ob wir mit unseren modernen philosophischen Begriffen hier überhaupt arbeiten können"264, folgte nur Brunner, indem er die aus ihnen resultierenden Schwierigkeiten im Hinblick auf die Bekehrung wie folgt darlegte: „Gewieß sagt: Die Bekehrung wirkt ein neues übernatürliches Leben. - Friedrich sagt: Die Bekehrung schafft keine ontische Veränderung. - Beide Behauptungen kommen begrifflich aus der Dogmatik, bzw. aus der Philosophie. Dennoch sagt Friedrich: Die Bekehrung will eine ,kaine ktisis', sie will neues Leben schaffen. - Hier ist ein Widerspruch, und wir ziehen den Schluß: Wir müssen von der uns trennenden Begrifflichkeit loskommen ... Die Bekehrung wirkt eine personale Veränderung im Verhältnis des Menschen zu Gott, sie wirkt aber noch mehr: Sie wirkt eine reale Veränderung!"265

Demgegenüber plädierten für die katholische Seite Buuck und Warnach dafür, bei der eigenen Sprache zu bleiben, da der qualitative Unterschied zwischen Bekehrten und Nichtbekehrten unbedingt zu berücksichtigen sei. Die Diskussion führte von daher nicht zu einer Klärung der Frage, ob beide Konfessionen sich hinsichtlich des Verhältnisses von Bekehrung und Wiedergeburt noch durch sachliche Differenzen oder nur durch solche sprachlicher Art unterscheiden. Die Vorsicht, die man bezüglich der Be-

der einzelnen Bekenntnisschriften zur Rechtfertigung auf. Dort betont er, daß der Tenor in CA IV nicht nur auf der Wertlosigkeit menschlicher Verdienste liege, sondern auch auf dem Eintritt in einen neuen Lebensbereich, so daß man nicht von einer einseitig forensischen Rechtfertigungslehre sprechen könne. Allerdings weist er darauf hin, daß in der Apologie die imputatio zum forensischen Akt werde, der eine effektive Erneuerung nicht miteinbeziehe (ders., Histor. Kommentar zur CA, Bd. 2, Gütersloh 1978, 82/83 und 126/127). 262 Protokoll, 11/12. 263 Prot, der 7. Tagung 1949, 7-9. Zu den Teilnehmern vgl. Anm. 191. 264 Ebd., 8. 265 Ebd. Interessant war Höfers Einwurf, die Bezeichnung „ontisch" sei in der katholischen Dogmatik nicht aristotelisch, sondern neutestamentlich gemeint

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hauptung walten ließ, es handele sich um reine Sprachprobleme, kam auch zum Ausdruck in Schlinks Warnung davor, eine „dogmatische Einheitsformel" zu suchen. Er plädierte vielmehr dafür, zunächst das N T in seiner Sprache exegetisch zu erfassen und zu interpretieren.266 Die Problematik der zeidichen Zuordnung von Rechtfertigung und Heiligung wurde nach der kurzen Erörterung 1948 nochmals im Rahmen der 6. Tagung 1949 thematisiert. Schlink hatte in der zweiten seiner oben zitierten Thesen ja darauf hingewiesen, daß im Tridentinum das rechtfertigende Wort Gottes nur den Anfang des Rechtfertigungsprozesses bedeute, während nach reformatorischer Auffassung der Rechtfertigungsspruch Gottes effektiv sei. Bei aller grundsätzlichen Einigkeit darüber, daß Rechtfertigung und Heiligung in einem Akt gleichzeitig geschehen, standen sich damit doch weiterhin die verschiedenen Denkmodelle des Tridentinum und der Reformatoren gegenüber. Hatte Schlink 1948 die reformatorische Ablehnung der Rechtfertigung als Heiligungsprozeß damit begründet, daß dem Menschen kein ontischer Habitus eingepflanzt werde, so sprach er diesmal die Gewißheitsproblematik an. Dabei berief er sich darauf, daß es für die reformatorische Position entscheidend sei, daß das Wachstum im Geist nicht ausschlaggebend ist für die Gewißheit des Glaubenden, weil die Rechtfertigung nicht erst am Ende dieses Heiligungsprozesses abgeschlossen ist, der ein Leben lang währt Den wichtigen Zusammenhang zwischen den beiderseitigen Auffassungen von der Rechtfertigung und der Heilsgewißheit beschrieb Söhngen wie folgt: „ N a c h evangelischer Lehre sind Heilsgewißheit und Glaubensgewißheit dasselbe. Fides est initium iustificationis im Sinne eines bleibenden Anfangs, das ist katholische Lehre. N a c h evangelischer Lehre ist die fides die tota iustificatio. V o n d a ist eine Vorentscheidung für die Frage der Heilsgewißheit gefallen. K a t h o lischerseits müßte bei der Heilsgewißheit von der spes geredet werden. D i e H o f f n u n g ist etwas Spezielles, aber nicht zu identifizieren mit der fides specialis, von der Schmaus in seinem Referat gesagt hatte, daß sie von der fides generalis umschlossen sei." 2 6 7

Die Problematik der Heilsgewißheit wurde bei den späteren Tagungen, die die Wesensbestimmung des wiedergeborenen Menschen zum Inhalt hatten, wieder aufgenommen. Daß in der Gewißheitsproblematik der eigentliche Grund für die reformatorische Ablehnung eines Rechtfertigungsprozesses liegt, wies Schlink anhand der Bekenntnisschriften auf und begründete es damit, daß es ein Wachstum im Glauben nach der einmal geschehenen Rechtfertigung auch für sie gebe. Schlink formulierte deshalb in seiner 3. These: „3. Auch in den Bekenntnisschriften finden sich quantitative Begriffe über den 266 267

Prot., 11/12. Prot, der 6. Tagung 1949, 7, ferner 6 und 9.

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Glauben. Das Wachstümliche des Glaubens ist nicht nur unanschaulich, sondern tritt auch sichtbar hervor. Was aber im Zuspruch zuteil wird, ist immer ein Ganzes, ist entweder-oder, betrifft den ganzen Menschen, ist ,contradiktorisch'."268 Die radikale Ablehnung der Möglichkeit einer Heilsgewißheit auf katholischer Seite und die Nichtanerkennung einer iustificatio continua für das Geschehen auf dem Weg von der Taufe zur Glorie durch die lutherischen Theologen zeigten an, welche Problemkreise es nach der partiellen Annäherung hinsichtlich der Zusammengehörigkeit von Rechtfertigung und Heiligung weiter zu behandeln galt. Söhngens einsamer Hinweis darauf, das Tridentinum habe nur eine Heilsgewißheit im Sinne der securitas abgelehnt, und seine Definition der Heilsgewißheit als „nicht sorglose Zuversicht" ist ein Indiz dafür, welche heute längst aufgearbeiteten Mißverständnisse damals noch auszuräumen waren. Bevor man jedoch diese Aspekte 1951 unter der Themenstellung „Das Wirken des Heiligen Geistes an den Gläubigen" behandelte, befaßte man sich bei der 7. Tagung 1949 noch mit der Frage, ob der Gerechtfertigte sündigen könne, und welcher Art seine Sünde sei. Dabei wurde von katholischer Seite das reformatorische „simul iustus et peccator" deshalb erneut hinterfragt, weil man nicht verstand, wie das bleibende Sündersein des Gläubigen in der evangelischen Auffassung mit der bereits im Rechtfertigungsakt geschehenden Heiligung zusammenzudenken sei. 2.3.2. Sünde und Buße im Leben des Gerechtfertigten Parallel zu der im ersten Kapitel angegangenen Frage nach dem Verhältnis zwischen der Kreatürlichkeit und der Sündhaftigkeit des natürlichen Menschen stellte sich also bezüglich des wiedergeborenen Menschen die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Gerechten und dem Sünder. Ging es in dem erstgenannten Zusammenhang um die Vereinbarkeit der Geschöpflichkeit des Menschen mit seiner Verlorenheit infolge der Sünde, so galt es nun, sich darüber zu verständigen, inwiefern die Sünde dem wiedergeborenen Menschen auch nach der Rechtfertigung noch anhaften kann. Hatte man von evangelischer Seite die Effektivität des Rechtfertigungsurteils anerkannt, so forderte dies in der Tat eine Erläuterung der reformatorischen Bezeichnung des Christen als „simul iustus et peccator" heraus. Diese erfolgte, als man bei der 7. Tagung 1949, deren Ertrag hinsichtlich des Verhältnisses von Bekehrung und Wiedergeburt bereits dargestellt wurde, das ntl. Verständnis der Buße thematisierte. Der Diskussion lagen die beiden unveröffentlichten Referate von Kirchgäßner für die katholische 268 Ebd., 14. Schlink faßt hier auch die evangelische Kritik nochmals zusammen, die Brunner in seinem Referat vorgetragen hatte. Zur Frage des Wachstums vgl. die Voten von Volk, 10, Schmaus, 11 und Brunner, 13.

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und von v. Campenhausen für die evangelische Seite zum Thema „Die Buße des Christen nach dem NT" zugrunde. Beide versuchten anhand des ntl. Befundes das Bußverständnis der anderen Konfession zu widerlegen. Kirchgäßner wies zwar zunächst darauf hin, daß trotz des unterschiedlichen Erlösungsverständnisses beider Konfessionen, das er mit den beiden Begriffen gratia sanctifícans bzw. gratia imputata umriß, auch in der katholischen Liturgie das „simul iustus et peccator" zum Ausdruck komme, und das „Schuldgefühl" seiner Ansicht nach in der katholischen Frömmigkeit stärker ausgeprägt sei als in der protestantischen. Danach stellte er jedoch die These auf, normalerweise sündige der Christ nicht mehr. Dagegen wurden massive Einwände erhoben, die Kirchgäßner mit seiner Interpretation der 5. Bitte des Vater-unser und von Gal 5,17 und Rö 7 zu widerlegen suchte: Die 5. Bitte sei nicht als tägliche Bitte zu verstehen und Gal und Rö schilderten den Zustand des unerlösten Menschen. Zusammenfassend stellte er fest, das N T kenne im Gegensatz zum Judentum sowie zu Augustin und Luther keine tägliche Buße. Der Blick sei ursprünglich stärker auf den Glauben als auf die Empirie gerichtet gewesen.269 Von Campenhausen ging in seinem Vortrag nicht auf „die allgemeine Frage nach der Beurteilung der Sünde" ein, sondern stellte „die Geschichte oder Vorgeschichte der Buße als bestimmter kirchlicher Ordnung und Handlung"270 dar, bei der es im N T zunächst um die Heiligkeit der Kirche gehe, nicht um den einzelnen. Aus Mt 18,15-18 entnahm er, daß das Verfahren hier den Strafgedanken noch nicht enthalte, daß Satisfaktion und Kasuistik fehlten und die theologischen Voraussetzungen noch nicht erörtert würden. Es sei lediglich die Pflicht der Gemeinde, ein sündiges Mitglied zur Verantwortung zu ziehen, um dessen Reue zu erwirken. Auch wenn wahrscheinlich eine liturgische Ausformung des Bußprozesses nach jüdischem Vorbild im Hintergrund stehe, seien weder ein bestimmtes Sündenbekenntnis noch die Absolution erwähnt. Während bei Paulus von keinem geordneten Bußverfahren die Rede sei, sondern nur von der Ausscheidung einzelner aus der Gemeinde aus Rücksicht auf das Gemeindeleben, zeige sich in den Pastoralbriefen wieder eine entwickelte Zuchtordnung, die infolge der auftretenden Irrlehren nötig geworden sei, wobei sich die Vollmacht der Gemeinde jetzt auf den Gemeindeleiter konzentriert habe. Im Gegensatz zu Kirchgäßner, der l.Joh 1 und 2 auf Häretiker bezog, sah von Campenhausen im l.Joh die erste „klare theologische Durchdringung des Problems der Christensünde und ihrer Uberwindung".271 Stärker als vorher komme hier die Heilsbedeutung der Bußvollmacht zum Ausdruck sowie der pneumatische Charakter. Aber auch hier fehlten Strafe und Kasuistik. m 270 271

Vgl. Auszug des Referates im Prot, der 7. Tagung, 12-14. Vgl. Auszug des Referates im Prot., 14-16, 14. Ebd., 15.

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Die von v. Campenhausen aufgegriffene Kontroverse um die Buße als kirchliche Handlung wurde in ekklesiologischen Zusammenhängen weiter diskutiert, im weiteren Verlauf dieser Tagung aber nicht mehr aufgenommen. Stattdessen wurde in Anlehnung an die Referate auf der Grundlage von l.Joh 1, 6-10, der 5. Vater unser-Bitte und von Rö 7/8 die Frage erörtert, welcher Art die Sünde des bekehrten Menschen ist, da von ihrer Beantwortung abhängt, ob und inwiefern der Christ der Buße bedarf. Die Schlüsselfrage bei der Auslegung von l.Joh 1, 6-10 war die, wie das reformatorische „simul iustus et peccator" zu verstehen sei: Ist die Sündigkeit des Bekehrten die „Erbsündigkeit", von der er sich bekehrt hat, oder speziell das „Versagen des Erlösten vor der Liebe des erlösenden Gottes"?272 Auf diese Anfrage von Höfer und Volk erwiderte die Mehrzahl der evangelischen Teilnehmer, nicht die Art der Sünde sei nach der Bekehrung eine andere, sondern die Situation, weil der Gerechtfertigte jetzt nicht mehr in der Gewalt der Sünde sei und aufhöre, ein Verdammter zu sein. Diese Position konnte auch Gewieß aus katholischer Sicht bejahen. Zudem betonte Schlink, weil der Gerechtfertigte die Möglichkeit habe, nicht zu sündigen, wögen seine Sünden schwerer.273 Brunner bezog entgegen der katholischen Auffassung und mit von Campenhausen den l.Joh auf die Christen allgemein und entnahm aus den V 6 und 8 den Unterschied zwischen dem „Sünder sein" vor der Bekehrung und dem „Sünde haben" hinterher sowie aus l.Joh 2, 2 die Tatsache, daß Christen faktisch sündigen. Diese Antwort konnten Volk und Buuck katholischerseits nicht ganz akzeptieren, da sie ihrer Ansicht nach in Widerspruch dazu stand, daß der Christ nach reformatorischem Verständnis peccator bleibe im Sinne der Erbsünde. Zwischen Volk und Schlink entspann sich deshalb eine Auseinandersetzung darüber, ob der Mensch als Sünder oder die Sünde als Tat Gegenstand der Reflexion sein müsse. Zur Klärung der reformatorischen Position trug folgendes Votum Schlinks bei: „ D e r Christ ist ein ,peccator', weil er sündigt. D i e U m k e h r u n g dieses Satzes gilt n i c h t D e n n wiewohl er immer wieder ein ,peccator' ist, soll er d o c h nicht sündigen." 2 7 4

Daß für das reformatorische Verständnis die Rechtfertigung jedoch ebenso wie für das katholische Verständnis eine grundlegende Wende im Leben des Menschen bedeutet, kam auch bei der Aussprache zu Rö 7 zum Ausdruck. Rö 7 wurde übereinstimmend als der Hintergrund verstanden, auf dem die in Rö 8 beschriebene Wende erfahrbar wird.275 Daß sich die Wende 272

Höfer, Prot., 16. Vgl. auch die Äußerungen Brunners und Krügers zu einem qualitativen Unterschied zwischen der Sünde der Christen und der der Heiden, Prot., 20-22. 274 Prot., 24. 275 Prot., 19/20. Vgl. die Funktion der Erbsündenlehre für die reformatorische Rechtfertigungslehre, die in der Zuordnung von CA III und CA IV zum Ausdruck kommt. 273

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im Leben des Christen nach reformatorischem Verständnis j e d o c h nicht in Form einer ontischen Veränderung seiner selbst vollzieht, sondern durch die Entstehung einer w i e auch immer z u d e n k e n d e n Verbindung mit Christus, in der allein die Gerechtigkeit des Christen begründet ist, d a ß es also z w i s c h e n den beiden konfessionellen Ansätzen Unterschiede in der anthrop o l o g i s c h e n K o n z e p t i o n gibt, die bereits bei der Auseinandersetzung u m die Gottebenbildlichkeit des M e n s c h e n eine Rolle spielten, kam nicht in aller Deutlichkeit zur Sprache. A u c h die folgenden, v o n Brunner, Schlink, Buuck und V o l k gemeinsam erarbeiteten T h e s e n beinhalten nur das gemeinsam im A n s c h l u ß an das ntl. Zeugnis in dessen Sprache Aussagbare: „1. Ohne Bekehrung und Taufe stehen alle Menschen unter der Herrschaft der Sünde und des Todes. 2. In Bekehrung und Taufe werden dem Menschen die Sünden vergeben, der Herrschaft der Sünde wird er entrissen und der Gnadenherrschaft Jesu Christi unterstellt zur Teilnahme am götdichen Leben. 3. Für den Bekehrten ist in der Kraft Jesu Christi das Gebot Gottes nicht mehr unerfüllbar276. Der Christ ist dem Zwang zu sündigen entnommen. 4. Die Herrschaft Christi schließt nicht aus, daß der Christ doch sündigt. 5. Jede Sünde des Christen widerstreitet nicht nur Gottes Gebot, sondern auch der Gnadenherrschaft Jesu Christi und betrübt den ihm innewohnenden Heiligen Geist 6. Alle Christen sind von Christus durch die Kirche gehalten, ihre Sünden zu bekennen und deren Vergebung zu erbitten. 7. Alle Sünden, deren sich der Christ im Glauben an den Fürsprecher Jesus Christus schuldig bekennt, werden ihm vergeben und völlig getilgt. 8. Indem der Christ seine Sünden bekennt, bekennt er sich vor Gott als sündigen und schuldigen Menschen. 277 9. Wer willendich in Lastern verharrt, hat die lebendige Gnadengemeinschaft mit Jesus Christus verloren, bis er Buße tut 10. Es gibt eine Verstocktheit im Unglauben, die als , Sünde zum Tode' nicht vergeben wird."278

276

Diese These wurde bewußt in Analogie zu Denzinger 804 formuliert, Prot., 27. Ebd., 26/27. Über die Reihenfolge der Thesen 6-8 wurde diskutiert, sie wurde aber dennoch beibehalten. 278 Ebd., 28. Die beiden Thesen 9 und 10 entstanden aus einer These: „Willentliches Beharren in Sünden, Laster wie l.Kor. 6,9-10 und Gal 5,19 und vor allem der Unglaube schließen aus der Gnadenherrschaft Jesu Christi aus" (27). Mit ihr waren erneut die Fragen aufgebrochen nach der Spezifizierbarkeit der Sünde, nach dem Wesen der „Sünde zum Tode" und nach der Bedeutung des Ausschlusses (nach katholischer Lehre verliert der schwer Sündigende die Gnadenherrschaft mit Christus durch Verlust der heiligmachenden Gnade, dabei kann er dennoch den Glauben haben, auch wenn dieser tot ist, und muß deshalb von Christus nicht ganz getrennt sein), auch danach, ob die Sünde zum Tode aus der Kirche oder aus der basileia tou theou ausschließt (ebd., 27/28). Zuvor hatte bereits Volk, angeregt durch die Position der evangelischen Teilnehmer, angefragt, ob die verschiedenen Auswirkungen der Sünde aus dem Inhalt der sündigen Tat oder aus der Verschiedenheit der Situation dessen, der sündigt, resultieren. Schlink hatte 277

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Sie sind deshalb zwar bedeutsam im Hinblick auf den in ihnen dokumentierten Konsens hinsichtlich der biblischen Aussagen über die Sünde des Christen, bieten aber keine Bestandsaufnahme der dogmatischen Differenzen. Aus der Korrespondenz evangelischer Teilnehmer der Tagung geht hervor, daß man den Eindruck hatte, das „simul iustus et peccator" noch nicht für die katholischen Theologen überzeugend expliziert zu haben. So vertrat Friedrich in einem Briefwechsel mit Schlink die Auffassung, bei der letzten Tagung in Driburg und bei dieser Tagung sei man den Katholiken die Antwort hierzu schuldig geblieben. Schlink gab daraufhin die Haltung der Heidelberger Teilnehmer wieder, die bei der Tagung zwar durchaus einen Fortschritt in der Lösung des Problems sahen, jedoch auch den Eindruck hatten, man sei den Katholiken in der Frage der Erbsünde nach der Taufe ausgewichen, zu deren Beantwortung noch weitere Vorarbeiten im Hinblick auf das Verständnis der Erbsünde erforderlich seien. Er bezeichnete es ferner als ein Problem der evangelischen Seite, daß das „simul iustus et peccator" nicht unmittelbar ntl. sei.279 Entgegen dieser Beurteilung der evangelischen Arbeitskreismitglieder selbst lassen sich jedoch die Thesen, besonders These 2-5, sehr wohl als gelungene Umschreibung des mit der reformatorischen Formel „simul iustus et peccator" gemeinten bezeichnen. Es fehlt freilich der explizite Hinweis auf das „extra se" der Gerechtigkeit des Christen, das im Gegensatz zu der gratia inhärens des katholischen Verständnisses steht. Dies und eine fehlende Beschreibung des Verhältnisses von Rechtfertigung und Taufe sowie einer näheren Explikation des Bußbegriffs ermöglichte dann auch die beiderseitige Annahme der Thesen. Ein Beweis für die Gründlichkeit, mit der man den Komplex der Rechtfertigung behandelte, ist jedoch die Tatsache, daß man im Anschluß an diese rein exegetische Tagung den hier vernachlässigten Aspekten, der Taudaraufhin vom reformatorischen Standpunkt aus unter Bezugnahme auf das N T die katholische Unterscheidung von Todsünden und läßlichen Sünden abgelehnt mit der Begründung, daß sich jede Sünde gegen Gott richte. Die Reflexion darüber war insofern wichtig und weiterführend, als deudich wurde, daß die Unterscheidung von läßlichen und Todsünden nur schwer zu treffen ist, und man sich schließlich darauf einigen konnte, daß jede Sünde Unglauben bedeute, durch den der Mensch stets gefährdet sei. Darin sah man die Bedeutung des reformatorischen „simul". Nur von Gott her, so stellte man übereinstimmend fest, könnten die Sünden verschieden beurteilt werden, während sie theologisch nicht zu unterscheiden seien. Lediglich im Hinblick auf die Verantwortung für den Bruder in der Gemeinde müßten Unterschiede in der Bewertung der Sünden gemacht werden (Prot., 22-25). 279 Vgl. Friedrich an Schlink, 23.9.49 und Schlink an Friedrich, 28.10.49 (Korr Schlink). Friedrich äußerte außerdem, der Ertrag sei dieses Mal geringer gewesen, als der der 5. und 6. Tagung, da dort die Meinungen klar und unausgeglichen nebeneinander stehengeblieben seien, während in Bremen die Unterschiede verschwommen seien. Dies bestätigt den oben aufgrund der Thesen wiedergegebenen Eindruck.

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fe und der Buße, 1950 bzw. 1952 jeweils eine eigene Tagung widmete. Auf den Gegensatz in der Frage, wo die Heiligkeit des Gerechtfertigten ihren Ort habe, kam man 1951 bei der Erörterung des „Wirkens des Heiligen Geistes in den Gläubigen" zu sprechen. 2.3.3. Das Wirken des Heiligen Geistes im Gläubigen Man setzte 1951 die Debatte um die Verhältnisbestimmung von Rechtfertigung und Heiligung fort, indem man die Voraussetzung eines Wachstums des Gläubigen im Geist erörterte.280 Dabei wurde ein Aspekt aufgenommen, der zuvor stets implizit eine Rolle gespielt hatte, aber nie eigens erörtert worden war. Es ging um die Frage, ob der Geist dem Menschen in der Weise einwohnt, daß das Gegenüber beider dadurch aufgehoben wird, oder ob es sich um eine personale Gemeinschaft handelt. Wendland und Warnach kamen in dieser Frage bei ihren exegetischen Referaten zu übereinstimmenden Feststellungen. Wendland ging davon aus, daß für Paulus durch die „Einwohnung" des Geistes in den Gläubigen das Gegenüber von Geist und Christ nicht aufgehoben werde. Für die Ethik habe dies die Konsequenz, daß die Aufforderung in Gal 5,25 an die im Geist Lebenden, auch im Geist zu wandeln, nicht bedeute, das Leben im Geist müsse durch das Wandeln erst beschafft werden, „wohl aber soll das Leben im Geist die ,Frucht' des Geistes bringen durch die personale Aneignung und Übernahme des Geistes ins eigene Handeln". 281

280 Vgl. den Hinweis auf diese Tagung in Abschnitt 1.1. Kath. Teiln.: Höfer, Buuck, Gewieß, Grosche, Hirschmann, Lortz, Mörsdorf, Pascher, Pieper, Pollet, Rosenmöller, Volk, Warnach, Prot. Dolch. Ev. Teiln.: Stählin, Asmussen, Bornkamm, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Joest, Kinder, Maurer, Menn, Wendland, ProL Mumm. Verhindert: Jaeger, Schlink. Auch Skydsgaard und Wolf hatten sich wieder entschuldigt (Skydsgaard an Stählin, 16.1.51). Maurer wurde deshalb um ein Referat gebeten, weil Prof. Prenter aus Aarhus abgesagt hatte (Stählin an Maurer, 29.12.50). Die Tagung kollidierte zunächst terminlich mit dem nordisch-deutschen Theologentreffen in Oslo, an dem Brunner und Schlink teilnehmen sollten. Schlink konnte wegen eines anschließenden Gastvortrags in keinem Fall kommen. Deshalb wollte Stählin, daß Brunner auf das Treffen verzichte, da die Abwesenheit von Brunner und Schlink „kaum zu ertragen sei". Für das Stimmungsbild 1951, ein Jahr nach dem Konflikt um die Dogmatisierung des Assumptio-Dogmas, und insbesondere für die damalige Einstellung Schlinks zu den Gesprächen ist bezeichnend, daß Schlink sich ausdrücklich dagegen aussprach, da eine solche „lebendige Begegnung, in der die Ökumene wirklich bejaht wird" den evangelisch-katholischen Gesprächen vorzuziehen sei. Brunner konnte schließlich doch zusagen, da die Osloer Veranstaltung früher stattfand (Stählin an Brunner 9.2.51, Schlink an Stählin 14.2.51, Stählin an Schlink 16.2.51, wie alle vorherigen Briefe Korr EvAk). Trotzdem leitete nicht Brunner stellvertretend für Schlink die Diskussionen, sondern Menn. 281 Wendland, Heinz Dietrich, Das Wirken des Heiligen Geistes in den Gläubigen nach Paulus, Erstabdruck in: ThLZ 77/1952, 457 ff., wiederabgedruckt in: Schlink, Edmund/Volk, Hermann (Hrsg.), Proveritate, Münster/Kassel 1963, 133-156. Vgl. dort 140.

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Das Sein im Geist sei also Voraussetzung, und das Mißverständnis sei zu verhindern, daß der Mensch Herr des Geistes werde. Da das Pneuma auch keine Auslöschung der Personalität des Gläubigen bewirke, bezeichnete Wendland die personale Gemeinschaft als das beste Bild für die paulinische Gemeinschaft des Geistes.282 Auch Warnach betonte, daß die Einwohnung des Geistes keine „Entselbstung" bedeute, sondern „wahre Selbstwerdung".283 Gleichzeitig arbeitete er jedoch die Stellen heraus, an denen Paulus vom Pneuma als Gabe spricht, und setzte diese Gabe mit der gratia creata gleich. Im Hinblick auf jene könne Paulus von einem Wachsen in der Gnade sprechen, nicht jedoch im Hinblick auf die ungeschaffene Gnade der Einwohnung (gratia inhärens). Er faßte zusammen: „Wachsen in der G n a d e bedeutet also, d a ß wir uns stets neu und unbedingter in die Wirklichkeit des Pneuma hineingeben, die uns immer vorgegeben und übergeordnet bleibt, weil sie als götdiche ,ganz anders' ist, und d o c h wird sie unser Eigenstes, befreit und erweckt und befähigt uns z u m eigendichsten Selbstvollzug. " 284

Obwohl Warnach hier die herkömmlichen Begriffe der katholischen Gnadenlehre anwandte, scheint er in der Sache mit Wendland übereingestimmt zu haben.285 Beide entnahmen den paulinischen Schriften ein Wachstum im Hinblick auf die Entwicklung des Gläubigen, nicht jedoch eine erst allmählich sich vollendende Einwohnung des Geistes. Und was noch wesentlicher ist und darüber hinausging: Beide wandten sich gegen jegliche Form der „Vergottung" des Menschen als Folge der Geisteinwohnung. In diesen Punkten konnte es auch bei der Diskussion zu einer Annäherung kommen.286 Dies war auch deshalb möglich, weil man evangelischerseits davon abgekommen war, jegliche „dynamische Begrifflichkeit" eines Zunehmens oder Wachstums im Zusammenhang der Rechtfertigung von 282

Ebd., 153 und 155. Warnach bezieht sich in der gedruckten Fassung häufig auf Wendlands Aufsatz, meist zustimmend. 2,4 Warnach, Viktor, Das Wirken des Pneuma in den Gläubigen nach Paulus, in: Pro veritate, 156-202, 191. 285 Warnach hinterfragte selbst die Anwendung des doppelten Gnadenbegriffs: „Die Unterscheidung von geschaffener' und ,ungeschaffener' Gnade ist nicht paulinisch, und es fragt sich, ob sie überhaupt ganz sachgemäß ist, weil man beim göttlichen Pneuma nicht in der gleichen Weise wie bei den geschöpflichen Ursachen die Wirkung vom Wirkenden abheben kann" (ebd., 191, Anm.93). 286 Vgl. Maurer, Prot., 8: „Entsprechend [der Lehre vom entwicklungsfähigen Gott-Menschen in der antiochenischen Theologie, Anm. d. Vf.] gibt es beim Gläubigen wohl ein Wachstum unter dem Geist als eine menschliche Entwicklung, aber nicht ein Mehr oder Weniger vom Heiligen Geist Der Geist ist entweder da oder er ist nicht da." Joest, ebd., 12: „Zu dem Wachstum in der Rechtfertigung gibt es keine cooperatio. Wir können nur von der bereits geschehenen Rechtfertigung herkommen." 283

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vornherein abzulehnen und mit ihr zugleich die in der Rechtfertigung ein für allemal vollzogene Sündenvergebung und Neuschöpfung grundsätzlich in Frage gestellt zu sehen.287 Maurer sah jedoch in dieser Frage den wesentlichen Differenzpunkt zwischen der von ihm in seinem Referat dargestellten Position Luthers und Volks Darstellung.288 Im Zusammenhang mit der Heiligung war ihm wichtig, daß sie nicht in einer besonderen Heiligungsgnade bestehe und nicht „Ergebnis menschlicher Bildung durch die Kraft des Geistes" sei, sondern Teilhabe an der Heiligkeit Christi bedeute. Daß er damit das „extra nos" der Heiligkeit und Gerechtigkeit des Christen in Christus im Gegensatz zur dem Christen anhaftenden Heiligkeit nach katholischem Verständnis explizit zur Sprache brachte, war wichtig. Denn damit hatte er einen bis heute nicht überbrückbaren Differenzpunkt angesprochen, der jedoch nach dem zuvor beschriebenen Diskussionsverlauf auch damals kaum in einem Sachdissens, sondern vielmehr in der unterschiedlichen Denkform und philosophischen Sichtweise gesehen wurde. Das wesentliche evangelische Anliegen, das Gegenüber von Mensch und Gott auch nach der Rechtfertigung festzuhalten, wurde von katholischer Seite ernst genommen, indem man jede „Vergottung" des Menschen durch die einwohnende Gnade bestritt. Den Einwänden Brunners, es gäbe keine Steigerung des Kreatürlichen zum Geistlichen, also keine Uberwindung des ontischen Abstandes zwischen Gott und Mensch, stimmte Volk ausdrücklich zu. Er blieb aber bei seiner Auffassung, die Kreatur weite sich durch die gratia elevans in Richtung einer „zu glaubenden creatura vor Gott" aus. Die Kreatur werde verändert, jedoch ohne ihre Personalität als Kreatur zu verlieren.289 287 Vgl. Buuck, ebd., 11: „Das ,Wachsen' ist uns wichtig. Wir sind dankbar, dass Wendland das gesagt h a t Das ist ein Fortschritt gegenüber früheren Gesprächen." 288 Vgl. Maurer, Prot., 8 und die Zusammenfassung von Maurers Referat, Anlage 2 zum Protokoll, 2. Volks Referat über „Das Wirken des Heiligen Geistes in den Gläubigen" wurde veröffentlicht in: Catholica 9/1953, 13-35 und wieder abgedruckt in seinem Sammelband Gott alles in allem, Mainz 1961, 86-112. m Vgl. Volk, Prot., 11 und Brunner, 9/10. Auch im Gegensatz zu Asmussen, der betont hatte, daß der Mensch durch den Geist in erster Linie zu sich selber kommen müsse, (ebd., 9) - Asmussen wendet sich hier dezidiert gegen De servo arbitrio, wonach das geistliche Gut im Menschen nicht wachse; demgegenüber, so betont er, müsse der Mensch wieder hergestellt werden, wie ihn Gott geschaffen hatte - vertrat Brunner mit Volk die Auffassung, der Mensch solle nicht nur zu sich selbst kommen, sondern auch über sich hinaus gelangen. Seine Bedenken gegenüber Volk sind so wiedergegeben: „Das Geistgewirkte hat bei Thomas nicht nur eine Erlösungsfunktion, sondern auch eine metaphysische Funktion, sie will den ontischen Abgrund zwischen Schöpfer und Geschöpf überbrücken, abgesehen von Christus" (ebd., 10). Volk hatte in seinem Referat seine Position wie folgt dargestellt: „Denn nur als gratia creata geht die Rechtfertigungsgnade ein in das Sein, Haben und Tun des Menschen, nûr als solche erlöst sie den Menschen. Das volle Ziel der Erlösungstat mit Einschluß der Geistsendung ist ja die Erlösung der Kreatur von der Sünde und ihre

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Ferner hatte man auch von katholischer Seite den einmaligen, vollkommenen Geistempfang bei der Rechtfertigung angenommen. Durch die zuvor gewonnene differenzierte Sichtweise muß deshalb die Vorstellung eines Wachstums im Geist mit der Ablehnung der heiligmachenden Liebe als im Menschen vom Geist erschaffener Habitus nicht generell ausgeschlossen werden, wie Maurer dies unter Berufung auf Luther behauptete. Zumal Melanchthon in den späteren Bekenntnisschriften neben der Rechtfertigung die sittliche Erneuerung durch den Heiligen Geist hervorhob, die er freilich dem Rechtfertigungsakt im engeren Sinne nachordnete.290 Es läßt sich also feststellen, daß der Unterschied nicht darin bestand, daß nach katholischer Auffassung der Mensch als Subjekt aus eigener Kraft seine Erneuerung durch gute Werke vorantreibt, während nach evangelischem Verständnis allein der Geist im Menschen wirkt. Vielmehr stellte sich heraus, daß beide Denkmodelle zum Ausdruck bringen wollen, daß der Geist bzw. die Gnade als Gegenüber zum Menschen die Erneuerung bewirken. Sie unterscheiden sich nur dadurch, daß katholischerseits von der Gnade in ontologischen Kategorien gesprochen wird, während man evangelischerseits den Geist als personales Gegenüber versteht. Die Intention des reformatorischen „extra nos" wird deshalb im Grunde auch im katholischen Denkmodell beibehalten. Dabei geht man zwar vom Menschen als durchgängigem Subjekt aus, das allerdings im Hinblick auf seine Heiligung ebenso machtlos ist wie im Hinblick auf sein grundsätzliches Bestehen vor Gott, was bei der Erörterung der Gottebenbildlichkeit bereits festgestellt wurde. Hatte man sich nun insoweit angenähert, als evangelischerseits auch die Reflexion über das durch den Geist am Menschen sich Vollziehende als legitim und wichtig anerkannt werden konnte291 und damit nicht mehr a

Heiligung. Die Kreatur wird als Kreatur erlöst, aber nicht von ihrer Kreatürlichkeit. Darum ist die Erlösungsgnade nicht die Vergottung der Kreatur. Gott ist nur in Christus Mensch geworden. Hypostatisch einend ist darum die Gnade nur in Christus, nicht in den Gläubigen. Damit muß es zusammenhängen, daß wir die Gnade gern und mit gutem Recht übernatürlich, aber nie überpersönlich nennen" (Gott alles in allem, 105). Und weiter: „ Gratia creata ist also keine Abschwächung der Gnade Gottes. Das creata hält daran fest, daß es sich hier um die Kreatur handelt, die, wie auch der Mensch in Christus, nicht aufhört, Kreatur zu sein; gratia hält fest, daß es sich in dem Wirken des Geistes um einen absolut geheimnishaften, von oben kommenden, unbegreiflich engen personalen Zusammenhang mit Gott handelt... Darum verselbständigt ja die Gottebenbildlichkeit nicht, weder die der Natur, noch die der Gnade; vielmehr wird der Mensch darin gerade als auf Gott hin, der Gottesbeziehung bedürftig gekennzeichnet und durch die Gnade in die Gemeinschaft mit Gott und darin zugleich übererfüllend zu sich selbst gebracht" (ebd., 106). Vgl. SD III, BSLK 933, 54-55. 2,1 Vgl. Brunner, Prot., 11: „Gibt es eine gnadenhafte Ausweitung der Natur und Kreatur? Ich erschrecke nicht vor der Vorstellung des Thomas, dass der creator spiritus in der Kreatur wirkt. Der Geist wirkt auch in der physis, damit sie aufgeschlossen wird für G o t t " Freilich nahm Brunner hier wieder eine sehr spezielle Haltung ein.

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priori ontologische und personale Betrachtungsweisen als sich ausschließend verstanden wurden, so stellte sich erneut die Frage nach dem Gewißheitsgrund des Glaubenden. Evangelischerseits erläuterte Brunner, der Gewißheitsgrund für den Christen könne allein in der von Gott gewirkten Sündenvergebung und Neuschöpfung liegen, nicht in dem, was im Menschen gewirkt werde. Während der Protestant seine Aussagen unmißverständlich von der Warte des Verlorenen aus mache, der durch den Geist in Christus hineingenommen sei, sei ihm „das theologische Motiv der katholischen Aussage unverständlich: Einmal wird gesprochen vom Geschöpf qua Geschöpf und zum anderen, dass die reale Verbindung des Menschen mit Gott - Gnaden Wirklichkeit sei!"292 Katholischerseits wurde der doppelte Gnadenbegriff einmal mehr mit der Transzendenz Gottes begründet und als notwendige nähere Erläuterung zur Möglichkeit einer Einwohnung des Hl. Geistes im Menschen ausgewiesen. Ansonsten stimmte man Brunner zu.293 2.4. Zusammenfassung Die Beteiligung des Menschen an seiner Rechtfertigung als kontroverstheologisches Problem wurde soeben unter drei Aspekten dargestellt. Zunächst unter der Perspektive, inwiefern sich der Mensch trotz seiner Sünde in Freiheit für oder gegen den Glauben entscheiden kann, sodann unter Berücksichtigung des Synergismusproblems im Bezug auf die Rechtfertigung selbst und schließlich im Hinblick auf das Verhältnis von Rechtfertigung und ethischer Bewährung des Christen. Hierbei kam es zu einer grundsätzlichen Verständigung darüber, daß der Mensch in keinem Fall ursächlich an der Rechtfertigung beteiligt sein kann, sehr wohl aber in dem Sinne, daß sich die Rechtfertigung an ihm vollzieht und auswirkt. Durch den Vergleich, die „Ubersetzung" und die Interpretation der beiden grundverschiedenen Gesamtkonzeptionen hatte man also herausgefunden, daß sich die reformatorische und die katholische Lehre nicht eigentlich in dem für das Heil entscheidenden Punkt des alleinigen Handelns Gottes durch Christus bei der Rechtfertigung unterscheiden. Vielmehr maß man der Rechtfertigung als einem Vorgang am Menschen infolge der verschiedenen Intentionen beider Entwürfe unterschiedliche Bedeutung bei. Auch darin kam es im Grundsatz zu Annäherungen, von denen man sich jedoch nicht den Blick verstellen ließ für die spezifischen konfessionellen Akzentuierungen. In bezug auf Glaube und Bekehrung einigte man sich darauf, daß der Mensch als Persönlichkeit im Gegenüber zu Gott ernstzunehmen sei, insofern er auf die Gnade Gottes reagiert. Der Vorrang der Gnade vor dem ** Prot., 17/18. 2,3 Ebd., 18.

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Glaubensakt war dabei unstrittig. Problematisch blieb, ob der Mensch nur ablehnend reagieren kann und der Glaube allein durch die Gnade Gottes bewirkt wird, oder ob auch das J a zum Glauben als Reaktion auf die Gnade in den Verantwortungsbereich des Menschen fällt. In bezug auf die Mitwirkung des Menschen an seiner Rechtfertigung ergab sich zunächst zu dem Verhältnis von Glaube und Liebe, daß übereinstimmend allein der Glaube als Voraussetzung für die Rechtfertigung angesehen wird. Gleichzeitig gilt für beide Seiten, daß der Mensch im Hinblick auf die Rechtfertigung ein Empfangender ist und nur im Hinblick auf die ethische Bewährung aktiv wird. Insofern kann in beiden Fällen von einer Beteiligung des Menschen gesprochen werden. Auf diese Beanspruchung des Menschen wird in der katholischen Lehre insofern mehr Wert gelegt, als der Zusammenhang von Glauben und Werken, also die Auswirkungen der Rechtfertigung am Menschen herausgestellt werden, während evangelischerseits das alleinige Handeln Gottes in den Vordergrund gerückt wird. Die Beschäftigung mit den tridentinischen Lehraussagen im Vergleich zu den evangelischen Lehrstücken ergab ferner, daß auch sie dahingehend interpretierbar sind, daß jegliche Werkgerechtigkeit ausgeschlossen wird. Wenngleich Peter Brunners Interpretation auf beiden Seiten als zu weitgehend betrachtet wurde, so stellte man bei einem späteren Vergleich mit der reformatorischen Lehre von Gesetz und Evangelium dennoch fest, daß keinesfalls die Reformatoren generell mit dem Vorwurf des Antinomismus und die Katholiken mit dem des Synergismus behaftet werden können, daß vielmehr die Polemik der damaligen Zeit ebenso zu berücksichtigen ist wie die Strukturunterschiede zwischen Luthers Aussagen im Spannungsfeld von Anrede und Hören und der tridentinischen Form der Beschreibung. Auch im Hinblick auf die Folgen der Rechtfertigung für den Menschen gab es mehr Gemeinsamkeiten als man zunächst angenommen hatte. Von beiden Seiten wurden Gerechtsprechung und Heiligung als zusammengehörig erkannt. In Frage stand, ob sie sich in einem einmaligen Akt oder in einem lebenslangen Prozeß vollziehen. Einmal abgesehen von der beiderseitigen dogmatischen Begrifflichkeit verstand man die Rechtfertigung als den heilsentscheidenden, einmaligen Vorgang, die ethische Bewährung demgegenüber als sich stufenweise vollziehenden, lebenslangen Prozeß. Daß auch nach evangelischer Lehre die Rechtfertigung eine entscheidende Wende im Leben eines Menschen bewirkt, ergab die Erörterung von Sünde und Buße im Leben des Christen: Der Mensch wird vom Sünder zum Gerechtfertigten, der sündigt. In diesem Punkt wie bei der Klärung des Geistwirkens im Gläubigen verlagerte sich die Kontroverse in besonderer Weise auf die unterschiedlichen Denkweisen. Zwischen dem Geist und dem Gläubigen besteht für beide Seiten ein Verhältnis personaler Gemeinschaft ohne „Entselbstung" des Menschen, aber auch ohne ein Aufgehen des Geistes in ihm. Voraussetzung für diese gemeinsame Auffassung war, daß

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evangelischerseits ein Wachstum des Gläubigen im Geist samt der es umschreibenden dynamischen Begrifflichkeit grundsätzlich bejaht und katholischerseits eine Vergottung des Menschen durch eine erst allmählich sich vollziehende Einwohnung des Geistes abgelehnt wurde. Entscheidend war auch, daß man gemeinsam die Heilsgewißheit nicht vom Wachstum des Gläubigen abhängig machte. Nur unter diesen Prämissen galt die Feststellung, daß sich die beiden Entwürfe der Gnaden- bzw. Rechtfertigungslehre nicht in inhaltlich entscheidenden Punkten, sondern in der Perspektive, der Denkweise und Begrifflichkeit unterscheiden.

3. Gottes Handeln durch Christus im Sakrament und die Beteiligung des Menschen an der sakramentalen Handlung Bisher wurde die ökumenische Brisanz der Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch, wie sie bei der Arbeit des ÖAK zutage trat, aufgezeigt, indem diese als Grundproblematik der Auseinandersetzungen um das Wesen des Menschen und um seine Möglichkeiten im Hinblick auf seine Rechtfertigung aufgewiesen wurde. Dabei war durchgängig strittig, ob und inwiefern dem Menschen geschöpfliche Fähigkeiten eignen, die er auch nicht durch seine Sünde verliert, und die es ihm ermöglichen als eigenständiges Wesen vor Gott zu existieren, in freier Verantwortlichkeit eine Glaubensentscheidung zu treffen und durch persönliches Engagement an seiner Rechtfertigung mitzuwirken, und schließlich, ob und inwiefern die Rechtfertigung ihm eine neue ontische Qualität verschafft, die ihm dazu verhilft, seine Heiligung selbst voranzutreiben. Ist Gott, als Schöpfer und als der durch Christus Handelnde, allein am Werk, oder ist der Mensch sein eigenständiger, an seinem Handeln beteiligter Partner? Das war der kontroverse Sachverhalt, der ausgehend von den anthropologischen und rechtfertigungstheologischen Themen durchgängig in Frage stand. Er wurde auch im Zusammenhang mit den Aussprachen über die Sakramente dort berührt, wo es um die Beteiligung des Spenders bzw. des Empfängers an Taufe und Abendmahl aufgrund einer ihnen eigenen Befähigung und um die Auswirkungen des Sakramentsempfangs ging.294 3.1. Der Vollzug der Sakramente und ihr gläubiger Empfang Die Problematik wurde 1950 zum ersten Mal erörtert, bei einer Tagung, die die Taufe zum Gegenstand hatte.295 Wie bereits erwähnt, wurde die 2,4

Die Diskussionen des ÖAK über die Sakramente werden nochmals aufgenommen, wenn es um die Rolle der Kirche und der Amtsträger im Zusammenhang mit der Heilsvermittlung geht Wie bei der Problematik der Heiligenverehrung überschneiden sich hier die beiden zum Gliederungsprinzip erhobenen Bereiche der Auseinandersetzung. m Die Taufe wurde bei der 9. Tagung behandelt, die vom 16.-20.10.1950 im westfälischen

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Taufe im Rahmen der Tagungen thematisiert, die sich inhaltlich mit den verschiedenen Aspekten des ordo salutis befaßten. Sie wurde jedoch nicht in erster Linie unter der Fragestellung behandelt, welcher Stellenwert ihr im Vergleich zur Verkündigung des Evangeliums als Heilsmittel zukommt, wie dies als Fortsetzung der vorausgegangenen Tagungen sinnvoll gewesen wäre und von daher wohl auch beabsichtigt war. Die Verhältnisbestimmung von Taufe und Kerygma, von Wort und Sakrament, stellte jedoch kein Problem dar. Sie wurden von beiden Seiten als gleichgeordnet verstanden.296 Im Mittelpunkt der dogmatischen Diskussion stand vielmehr die Frage, inwiefern der Mensch - sowohl der Spender als auch der Empfänger des Sakramentes - am Taufgeschehen mitbeteiligt ist Es ging also auch hier wieder um die richtige Verhältnisbestimmung zwischen der Aktivität des Menschen und dem Handeln Gottes sowie um die Art und das Ausmaß

Predigerseminar Kupferhammer bei Brackwede stattfand. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Buuck, Gewieß, Grosche, Hirschmann, Kuss, Mörsdorf, Pascher, Pieper, Schmaus, Söhngen, Volk, Warnach, damals noch als Gäste Rosenmöller und Pollet, Prot Dolch. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Asmussen, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Joest, Menn, Wolf, Prot. Mumm. Skydsgaard konnte wegen Arbeitsüberlastung auch bei der 9. Tagung nicht wie geplant kommen und einen Vortrag übernehmen (Skydsgaard an Stählin, 16.4.50, Korr EvAk). Die Anzahl der evangelischen Teilnehmer war damit dieses Mal sehr gering. Das Referat von Schmaus liegt nicht vor. Aus privaten Notizen Stählins ist zu entnehmen, daß sein Referat nicht sehr klar disponiert war (Akten EvAk). Wahrscheinlich war deshalb eine Veröffentlichung nicht beabsichtigt Heranzuziehen sind aber seine Ausführungen in: Kath. Dogmatik IV/I, 3. und 4. umgearbeitete Aufl., München 1952, 109 ff. zur Taufe bzw. 64 ff. zur allgemeinen Sakramentenlehre. Brunners Referat „Die evangelisch-lutherische Lehre von der Taufe" wurde u.a. abgedruckt in: ders., Pro ecclesia I, Berlin/Hamburg 1962, 138-164. 2 , 6 Prot, der 9.Tagung 1950, 12-14, Brunner, a.a.O., 141-145; Schmaus, a.a.O., § 225, 25 ff. Die Frage wurde 1955 nochmals aufgegriffen, als man sich über die Bedeutung des „ka tangeile te" in l . K o r 11, 26 für das Verhältnis von Wort und sakramentaler Handlung in der Abendmahlsfeier unterhielt. Es erfolgte zu diesem Thema eine im Vergleich zu den vorhergehenden Tagungen ausführliche exegetische Diskussion. Katholische und evangelische Teilnehmer waren mehrheitlich der Auffassung, daß nach dem l.Kor die Verkündigung des Todes des Herrn sowohl die Wortverkündigung als auch den Akt der sakramentalen Handlung umfasse. (Vgl. Brunner, Bornkamm, Gewieß, Kuss, Warnach, Prot der 16. Tagung 1955 zur Gegenwart Christi im Abendmahl, 4, Volk, ebd., 5). Kinder und Friedrich von evangelischer sowie Söhngen von katholischer Seite hoben die Wortproklamation als das Entscheidende hervor, während Brunner und Schmaus dem Handeln eine Prävalenz einräumten. Es wurde also nicht einseitig auf evangelischer Seite das Wort und auf katholischer die sakramentale Handlung als entscheidend angesehen, sondern man hielt deren sich ergänzende Funktion fest Die Bedeutung dieser Frage lag insbesondere darin, ob sich die Realpräsenz Christi in der Wortverkündigung oder in der Eucharistie vollziehe. Daß die Alternative so nicht besteht, kann wohl als Ergebnis dieses Diskussionsgangs vermerkt werden. (Vgl. Schlink, Prot, 10. Er stellte hinsichtlich des Begriffes „katangellein" einen Konsens fest. Friedrich wies darauf hin, daß das Verhältnis von Wortverkündigung und Sakrament für Paulus noch kein Thema gewesen sei, da im N T die sakramentale Handlung mit der Predigt verbunden gewesen sei. ebd., 5).

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der Betroffenheit und Veränderung des Menschen durch den Empfang des Sakramentes. Im Anschluß an die Referate von Brunner und Schmaus stand im Zentrum der Aussprache die Frage, inwiefern der Mensch mit seinem Bewußtsein mitbeteiligt ist an dem Taufgeschehen bzw. was recordatio, tägliche Erinnerung, an die Taufe heißt Brunner hatte - auch im Hinblick auf die damalige Diskussion um die Kindertaufe innerhalb der EKD 2 9 7 - ausgeführt, daß nicht allein das Selbstbewußtsein die Person konstituiere und daß deshalb auch das neugeborene Kind Person sei, in dessen Personmitte in der Taufe durch den Geist Glaube geweckt werde. Die Grundlage für die Kindertaufe sei nämlich nach lutherischer Auffassung, daß der Glaube nicht nur Voraussetzung für den heilbringenden Empfang des Sakramentes sei, sondern daß er auch in der Taufe durch den Hl. Geist geweckt werde.298 Brunner wollte damit zum einen den Glauben als Werk des Hl. Geistes darstellen, zum anderen jedoch an ihm als personalem Akt festhalten, der darin bestehe, daß der Mensch das Wirken des Geistes an sich geschehen läßt und es nicht abweist Dabei betonte er, daß die Freiheit des Menschen nur im Ablehnen, nicht jedoch im Annehmen bestehe.299

2 , 7 Innerhalb der Evangelischen Kirche stand in den Jahren 1948 bis 1950 angesichts einer allgemeinen Verwirrung in den Gemeinden eine Neuorientierung über die Geltung der lutherischen Tauflehre an. Brunner hatte 1948 speziell für die Auseinandersetzung des Bruderrates der E K D mit dieser Thematik eine Grundlegung zur lutherischen Tauflehre verfaßt. Sie wurde veröffendicht unter dem Titel „Aus der Kraft des Werkes Christi" in der Reihe Kirchlich-theologische Hefte 9, München 1950. Im Juni 1950 hatte die Generalsynode der V E L K D in Ansbach eine ihr von der Kirchenleitung vorgelegte Erklärung zur Lehre vom Sakrament der Heiligen Taufe angenommen, die von Brunner in seinem Referat zitiert wurde. Von Asmussen wurde diese Erklärung kritisiert, da sie „den Lehren Barths entgegengetreten" sei. (Veröffentlicht in: Ev.-luth. Kirchenzeitung 4/1950, 209-211, vgl. Brunner, a.a.O., 164 und Asmussen, P r o t , 9). Ursache seiner Kritik dürften zwar eher private als theologische Gründe gewesen sein, an dem ganzen Geschehen wird jedoch deutlich, daß der entscheidende Unterschied in der Tauflehre nicht zwischen Lutheranern und Katholiken, sondern zwischen Reformierten und Lutheranern bestand. Die weitgehende Übereinstimmung im Verständnis der Taufe in erster Linie als Tat Gottes, nicht des Menschen, und vor allem in der Frage der realen Vergegenwärtigung des Christusgeschehens, konnte so nur durch die Ausgrenzung reformierter Gesprächspartner erreicht werden. Die Aufdeckung der Mißverständnisse in den Lehrdokumenten des 16.Jh. und die damit verbundene, noch darzustellende Entkräftung der Verwerfungen im Zusammenhang der ex opere operatum-Lehre galt nur der lutherischen Lehre. An der Behandlung der Lehre von der Taufe zeigt sich damit am deutlichsten, daß die Verständigung bei den Tagungen häufig der rein lutherischen Zusammensetzung des Evangelischen Arbeitskreises zu verdanken war. 298 Brunner beschreibt, wie zentral für die lutherische Lehre die Tatsache ist, daß nicht der Glaube die Taufe, sondern die Taufe den Glauben macht, da davon abhängt, ob die Taufe der Anfechtung standhält Und: „Ob eine Theologie, ob eine Tauflehre in ihrem innersten Kern in der Anfechtung des Christen standhält, die Anfechtung zu überwinden lehrt, das ist für die lutherische Kirche ein unaufgebbares Kriterium für die Gültigkeit einer solchen Tauftheologie" (ebd., 159). * » Vgl. ebd., 158-160 und Prot., 8.

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Inwiefern man bei diesen Ausführungen von einem Mitvollzug des Menschen reden kann, infolgedessen eine Ubereinstimmung mit dem katholischen Verständnis besteht, wie dies Schmaus tat, ist abhängig von der Definition des Personbegriffs. Warnach führte dazu das paulinische Menschenbild an, nach dem das Selbstbewußtsein zum Menschen als nous dazugehöre. 300 Danach könnte bei der Säuglingstaufe nicht im Sinne des von Brunner Ausgeführten von einem personalen Akt gesprochen werden. Zudem war hier wieder zu fragen, ob auch nach katholischem Verständnis der Glaube ausschließlich Werk des Hl. Geistes ist oder ob nicht außerdem eine Beschaffenheit des Menschen aufgrund seiner Kreatürlichkeit als Voraussetzung angenommen wird, die es nach evangelischem Verständnis in Anbetracht der Sündhaftigkeit des Menschen nicht gibt. Während Brunner und Asmussen ausdrücklich den sakramentalen Charakter der Taufe betonten und die Forderung eines bewußten Glaubens ablehnten, erinnerte Joest daran, daß die Taufe auch ein Wortgeschehen sei und dem Wort bewußt begegnet werden müsse.301 Brunner wollte mit seinen Ausführungen jedoch einer ganz bestimmten Schwierigkeit begegnen: Soll der Glaube als Voraussetzung für den heilbringenden Empfang der Taufe beibehalten und gleichzeitig die Kindertaufe legitimiert werden, so muß einsichtig gemacht werden, inwiefern man bei der Taufe eines Kindes Glauben voraussetzen kann.302 Ging es hierbei im wesendichen um einen innerevangelischen Streitpunkt vor allem zwischen Reformierten und Lutheranern, der freilich nicht ohne Auswirkung auf die Haltung gegenüber der katholischen Tauflehre bleibt, so griff Brunner einen wichtigen evangelisch-katholischen Kontroverspunkt auf, indem er versuchte, die Mißverständnisse aufzudecken, die hinter der evangelischen Verwerfung der katholischen ex opere operatum-Lehre und der katholischen Verwerfung der evangelischen Lehre vom Gnadenempfang ausschließlich aufgrund des Glaubens, angeblich ohne den Gebrauch der Sakramente, stehen.303 Dabei ging es nicht speziell um die Taufe, sondern P r o t , 8. Vgl. Prot., 9/10 und 16/17, wo nochmals darüber diskutiert wurde, was „Wort" überhaupt bedeutet Dabei bezeichnete von Campenhausen den Gegensatz bewußt-unbewußt als an das N T herangetragen. Ihm genüge die Selbsttätigkeit des Wortes. 302 Vgl. Brunner, Peter, Taufe und Glaube - Kindertaufe und Kinderglaube (1959), in: ders., Pro ecclesia I, Berlin/Hamburg 1962, 165-182, und Schlink, Edmund, Die Lehre von der Taufe, Kassel 1969. Auch er spricht im Zusammenhang mit der Kindertaufe von einem unbewußten Akt des Empfangens. Von drei Beziehungen von Glaube und Taufe träten in der Kindertaufe die zweite und dritte hervor: Glaube als Wirkung der Taufe und die Mahnung zu täglicher Buße (755 und 757). 303 Vgl. Ap XIII, 18, wo die Lehre „ex opere operato sine bono motu" abgelehnt wird, zitiert bei Brunner, a.a.O., 157, zum ganzen vgl. ebd., 156-158. Vgl. ferner Can IV, sessio 7 des Konzils von Trient (D 1604): „Si quis dixerit, sacramenta novae Legis non esse ad salutem necessaria, sed superflua, et sine eis aut eorum voto per solam fidem homines a Deo gratiam iustificationis adipisci . . . : anathema s i t " 300

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grundsätzlicher um die Klärung eines Sachverhaltes aus dem Bereich der allgemeinen Sakramentenlehre. Er erläuterte, daß das ex opere operato in Can Vili (D 1608) des Tridentinum einzuschränken sei durch das non ponere obicem in Can VI (D 1606), worunter er das vom Konzil im Zusammenhang der Rechtfertigung als praeparatio gefaßte verstehen wollte. Die in Trient verworfene evangelische Position, nach der der Gebrauch der Sakramente für die Erlangung der Gnade überhaupt nicht notwendig sei, bezeichnete er mit Recht als „Zerrbild der lutherischen Lehre".304 In der Diskussion stellte man katholischerseits fest, Can VIII sei speziell gegen die calvinistische Lehre gerichtet Buuck wies aber darauf hin, daß das non ponere obicem bei den einzelnen Sakramenten verschieden sei, worauf jedoch nicht näher eingegangen wurde. Bezüglich des Spenders der Sakramente hatte Brunner festgestellt, die lutherische Verbum-Lehre halte die Objektivität der Sakramentswirklichkeit reiner fest als die römische Intentio-Lehre, falls die vom Spender des Sakramentes geforderte intentio weiter ausgedehnt werde als auf das von Christus eingesetzte. Diese Bedenken hielt die katholische Seite mit Hinweis auf Denzinger 854 für unnötig.305 Dort wird im Glaubensbekenntnis des 2. Konzils von Lyon ohne Bedingungen und Einschränkungen der Glaube an die eine Kirche bekannt, „in qua unum datur sanctum baptisma et vera omnium remissio peccatorum." Aus dem soeben Dargestellten ergibt sich, daß damals zwar noch keine umfassende Aufarbeitung der Zusammenhänge und unterschiedlichen Perspektiven erfolgte,306 aufgrund derer es zu den genannten Mißverständnissen im Hinblick auf die Spendung und den Empfang der Sakramente gekommen war. Es ist jedoch bereits für das Jahr 1950 festzuhalten, daß zum einen die Verwerfungen in diesem Punkt als die jeweilige gegnerische Position nicht treffend bezeichnet wurden, und damit sowohl ein Automatismus im Empfang des Sakraments ohne die Notwendigkeit des Glaubens als auch die Würdigkeit des Spenders oder Empfängers als Voraussetzung für den gültigen Vollzug des Sakramentes abgelehnt wurden. Damit war man auch für den Bereich der Sakramentenlehre grundsätzlich darin übereingekommen, daß Gott der in Christus durch das Sakrament allein Handelnde ist, und der Mensch dieses zwar im Glauben empfangen soll und insofern miteinbezogen ist in den sakramentalen Vorgang, daß aber weder der Spender noch der Empfänger aufgrund einer besonderen Befähigung die Wirkung des Sakramentes hervorzurufen imstande sind.

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A.a.O., 157. Brunner, ebd., 155/156, Prot., 14/15. 306 Dies ist später ausführlich geschehen in: Lehmann, Karl/Pannenberg, Wolfhart (Hrsg.), Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, Freiburg 3 1988, 81-84. 305

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Brunner hatte noch eine weitere tridentinische Verwerfung in die Diskussion eingebracht, die das Verhältnis von Taufe und Beschneidung betrifft. Man kam überein, daß diese Verwerfung des Can 2 der 7. Sitzung des Konzils zu Trient307 gegen Calvin und Zwingli gerichtet sei, während sich Lutheraner und Katholiken dahingehend einig seien, daß der Fromme des AT durch den Glauben an die Verheißung gerettet wurde, wobei die Beschneidung lediglich Glaubenszeichen gewesen sei, während die Taufe als Instrument selbst heilswirksam sei.308 Brunner hatte mit diesen Erörterungen, denen man nach den oben erwähnten Voten im Plenum zuzustimmen schien, seinen bereits in dem Vortrag über die Rechtfertigungslehre des Tridentinum bei der 6. Tagung 1949 beschrittenen Weg fortgesetzt, die gegenseitigen Verwerfungen auf Mißverständnisse hin zu untersuchen und durch Neuinterpretation auf dieser Basis zu einer Verständigung zu gelangen.309 3.2. Das Mitsterben des Menschen mit Christus in der Taufe Neben der allgemeinen Diskussion über die Mitwirkung des Gläubigen bei sakramentalen Handlungen kam auch ein spezifischer Aspekt der Taufe zur Sprache, nämlich die Beteiligung des Menschen am Taufgeschehen im Sinne des Mitsterbens mit Christus. Dabei handelte es sich im wesentlichen um eine Auseinandersetzung mit der mysterientheologischen Deutung des Taufgeschehens nach Rö 6 durch Odo Casel, die im ÖAK in abgewandelter Form von Viktor Warnach und Gottlieb Söhngen vertreten wurde.310 Die 307 Brunner, a.a.O., 139, Anm.2: „Si quis dixerit, ea ipsa novae legis sacramenta a sacramentis antiquae legis non differre, nisi quia caeremoniae sunt aliae et alii ritus extemi: anathema sit. (D 1602)" 308 Prot., 11/12, Brunner a.a.O., 139-141: Seiner Ansicht nach sollte diese Frage keinen Anlaß zu Verwerfungen geben. Kirchentrennende Unterschiede in der Tauflehre müßten sich an der Lehre von der apostolischen Taufe erweisen. Vgl. Schmaus, Kath. Dogmatik IV/1, 34. 309 Selbst die kritische Erwiderung der Göttinger ev.-theolog. Fakultät auf die Aufarbeitung der Lehrverurteilungen 1986: Lange, Dietz (Hrsg.), Überholte Verurteilungen?, Göttingen 1991, erklärt die Verwerfungen der Cánones 4, 6 und 8 des Dekretes über die Sakramente der sessio VII heute für gegenstandslos, allerdings mit beachtenswerten Einschränkungen. Hingewiesen wird auf die Meßopferlehre, in deren Zusammenhang die Feier der Messe für Verstorbene die Verbindung von Sakrament und gläubigem Empfang auflöse. Nach wie vor sieht man einen Unterschied in der Zuordnung von Sakrament und Glaube bzw. im Verständnis von Glauben auf beiden Seiten und meint, den Glauben nicht als ein Erfordernis unter anderen für den fruchtbaren Sakramentsempfang ansehen zu können (ebd., 84-86). 310 Zu den spezifischen mysterientheologischen Ansätzen Warnachs und Söhngens vgl. Schmaus, M., Kath. Dogmatik IV/1, 3. und 4. umgearbeitete Aufl., München 1952, § 226, 56. Nach Söhngen vollzieht sich die Gegenwärtigsetzung des Heilswerks am Menschen bzw. an der Kirche (Prot, 4: Wie Brunner betont Söhngen hier den Zueignungsgedanken). Für Warnach wird weder das Heilswerk aus der Vergangenheit in die Gegenwart geholt, noch wird der Täufling in die Vergangenheit versetzt, sondern im gläubigen Vollzug des Kultsymbols wird der Täufling in das überzeitlich gegebene Mysterium der Heilstat einbezogen (Prot, 5/6 faßt er das Anliegen der Mysterientheologie zusammen). Vgl. auch Warnach,

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beiden exegetischen Referate von Otto Kuss311 und Gerhard Friedrich312 stimmten hinsichtlich der vor- und nachpaulinischen Tauflehre überein.313 Ihre Ausführungen zu den unterschiedlichen Interpretationen der paulinischen Tauflehre nach Rom 6314 führten jedoch zu einer eingehenden Diskussion des Begriffes „homoioma" in Rom 6,5. Einhellig ging man davon aus, daß nicht nur die Früchte der Heilstat Christi, sondern sein Tod und seine Auferstehung in der Taufe real gegenwärtig sind und daß der Täufling in dieses Geschehen mit hineingenommen wird. Die Positionen differierten in der Frage, wie dies geschieht, d. h. wie der zeitliche Abstand zwischen dem geschichtlichen Faktum und dem jeweiligen Taufakt überbrückt wird. Sowohl Kuss als auch Friedrich hatten in ihren Vorträgen die mysterientheologische Deutung von Rom 6 mit der Begründung abgelehnt, das homoioma bedeute nicht, daß der Täufling den Tod Christi in mystischer Weise mitsterbe. Eine sakramentale Gegenwärtigsetzung des Heilsereignisses hielt Kuss nach den Aussagen des N T für angemessen, Friedrich sprach von einer Gleichzeitigkeit in Form der eschatologischen Vereinigung mit Christus.315 Beide rechneten Brunner Viktor, Zum Problem der Mysteriengegenwart, in: Liturgisches Leben 5/1938, 9-39 und Söhngen, Gotdieb, Symbol und Wirklichkeit im Kultmysterium, Bonn 1937, sowie Warnachs Artikel Mysterientheologie, in: LThK 7, 724-727. Warnach erwähnt hier u. a. die Kontroversen, die zwischen Casel und Söhngen bestanden, und nennt Schmaus als einen, der sich „positiv" für die Sache des Mysteriums eingesetzt habe. Die Enzyklika „Mediator Dei" hat seiner Ansicht nach zur weiteren Diskussion über die Mysterientheologie angespornt und diese nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern nur eine extreme Ansicht „über die Gegenwart der Heilstatsachen im Kirchenjahr". Unter den Theologen, die der thomasischen Lehre in dieser Frage „zustimmend, wenn auch kritisch modifizierend" gegenüberstünden, zählt er K. Rahner auf. Ferner bemerkt er, die Grundthese der M. finde heute auch bei evangelischen Theologen Anerkennung und nennt als Beispiele u.a. W. Stählin und P. Brunner. Er bescheinigt der M. ferner neben Auswirkungen auf die praktische Theologie und Frömmigkeit auch solche auf die ökumenischen Fragen. 311 Vgl. Kuss, Otto, Zur vorpaulinischen Tauflehre im Neuen Testament, in: Theologie und Glaube 41/1951, 289-309; ders., Zur paulinischen und nachpaulinischen Tauflehre im Neuen Testament, in: Theologie und Glaube 42/1952, 401-425. Vgl. zusätzlich ders., Zur Frage einer vorpaulinischen Todestaufe, in: MThZ 4/1953, 1-17 und ders., Zu Röm 6, 5 a, in: Theologie und Glaube 41/1951, 430-437. 312 Unveröffentlicht, vgl. seine Zusammenfassung, Anlage zum Protokoll. 313 Schlink stellte im Verlauf der Diskussion 4 Fragenkreise aus den Referaten heraus, deren Behandlung für die dogmatische Diskussion wichtig seien, und urteilte ebenfalls, daß hinsichtlich der Johannestaufe und der Kennzeichnung der Taufe Jesu als Todestaufe sowie hinsichtlich des Unterschiedes zwischen den beiden Taufen Einigkeit bestehe (Prot., 6). 314 Vgl. Friedrichs Ausführungen zur symbolischen, magischen, mystischen, kognitiven und schließlich eschatologischen Deutung der paulinischen Taufe, die er selbst vertrat (Anhang Prot, 2/3): „Die Taufe ist das Mittel, durch das Gott den einzelnen Menschen aus dem Äon herausholt und in den andern Aon versetzt, so daß er mit Christus, sein(em) Kreuz und seine(r) [Berichtigung d. Vf.] Auferstehung gleichzeitig wird und der Tod Christi sein eigener Tod wird," und Kuss durchgehend in: Zur paulinischen und nachpaulinischen Tauflehre im NT. Außerdem Schlink, Edmund, Die Lehre von der Taufe, 717-724. 315 Vgl. Kuss, Otto, Zur paulinischen und nachpaulinischen Tauflehre, 406 und seine von

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zu den Verfechtern des mysterientheologischen Ansatzes, was auch - folgt man seinen Veröffentlichungen - in gewisser Weise zutrifft.316 Entsprechend dem theologischen Ansatz Caséis geht Brunner davon aus, daß der Tod Christi aufgrund seiner „eschatologischen Heilsmächtigkeit" die Kategorien von Raum und Zeit sprengt und somit im Taufvollzug gegenwärtig sein kann. Beide unterscheiden also zwischen dem sinnlich-historischen Vorgang des Sterbens Jesu und dessen Gegenwart in der Taufe.317 Brunner unterscheidet sich jedoch von Casel dadurch, daß für ihn - obwohl er nicht nur der Heilswirklichkeit, sondern auch dem Heilsgeschehen bei der Taufe Bedeutung beimißt, da die Wirklichkeit im Vollzug der Taufe und der heilschaffende Empfang zu trennen seien318 - nicht die symbolische Darstellung des Taufgeschehens entscheidend ist, sondern die applicatio des Heilsereignisses an den Täufling: „Der Tod Christi wird im Taufvollzug gegenwärtig, indem er sich an uns vollzieht" 319

An dem Ansatz Caséis hinterfragt er, ob die repräsentatio des Heilsereignisses für ihn nicht möglicherweise nur Selbstzweck ist, „der auch die soteriologische Grundstruktur des christlichen Kultus verdunkeln könnte."320 der Exegese her nebeneinandergestellten Argumente für und gegen die Mysterientheologie, 414/415 Anm. 39: „Das umstrittene homoioma Röm 6, 5 a heißt gewiß ohne allen Zweifel Bild, Abbild, bzw. Gestalt, aber es ist angesichts der sonstigen Verwendung des Wortes bei Paulus nicht möglich, es auf die Bedeutung ,Mysteriensymbol' zu spezialisieren und aus ihm eine ganze Theologie zu entwickeln . . . Man braucht nicht zu bezweifeln, daß an sich eine biblische Basis für die Mysterienlehre vorhanden ist, aber mit rein biblischen Mitteln wird man die Mysterienlehre (evtl. in einer modifizierten Form) als mögliche oder gar einzig mögliche Grundlage etwa der Lehre vom Taufsakrament oder gar einer allgemeinen Sakramentenlehre ebensowenig beweisen wie widerlegen können." Vgl. auch Friedrich zur mystischen Deutung der Taufe, Anhang zum Prot., 2. 316 Vgl. Friedrich ebd. und Kuss, Zu Röm 6, 5 a, Anm. 51 und 55. Kuss wendet sich hier gegen Brunners Übersetzung des homoioma als Gleichbild. E r bezeichnet diesen Begriff als „fragwürdige deutsche Sprachbildung", mit der „schon eine moderne mysterientheologische Konzeption" in den Text eingetragen werde. „P. Brunner hat sich um eine Klärung der in Betracht kommenden Stellen gemüht, jedoch nicht ohne Übertreibungen nach der ,mysterientheologischen' These hin." Er bestreitet auch die Möglichkeit, die mysterientheologische Auffassung schon in die atl. homoioma-Texte eintragen zu können, wie Brunner dies in seinem Beitrag zur Diskussion innerhalb des Bruderrats der E K D über die Taufe 1948 getan hatte: Aus der Kraft des Werkes Christi, München 1950, Kirchlich-theologische Hefte 9, 70/71. 317 Vgl. Brunner, ebd., 2 3 / 2 4 und die Zusammenfassung der Lehre Caséis durch M. Schmaus, in: Kath. Dogmatik IV/1, 44/45, wo er die Bedeutung der Unterscheidung der verschiedenen Seinsweisen (geschichtlich und sakramental) f ü r das Verständnis der Mysterienlehre hervorhebt 318 Prot., 5. 319 Brunner, Aus der Kraft des Hl. Geistes, 23. 320 Vgl. Brunner, Peter, Die evangelisch-lutherische Lehre von der Taufe, in: ders., Pro ecclesia I, 138-164, 146 mit Anm. 21 (dogmatisches Referat dieser Tagung): „Das opus Dei, durch das

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Die Bedeutung der Diskussion über die Mysterientheologie für die kontroverstheologische Auseinandersetzung trat in dem damaligen Zusammenhang noch nicht in dem Maße zutage wie bei ihrer Wiederaufnahme im Rahmen der Erörterung der Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Christi im Abendmahl 1955. Mit ihr wurde zunächst einfach die damals aktuelle Auseinandersetzung um die Bedeutung der Mysterientheologie u. a. für die Sakramentenlehre fortgeführt. Befürworter und Gegner gab es in beiden Konfessionen. Dabei wurde deutlich, welche entscheidenden Beiträge die Teilnehmer beider Arbeitskreise zur damaligen Diskussion über die Tauflehre geleistet hatten.321

Gott seine rettende Tat in die Taufhandlung hineinlegt, steht ganz und gar im Dienst jenes Werkes Gottes, das er am Täufling selbst ausrichten will, es hat in keiner Weise einen Selbstzweck an und für sich, abgesehen von dem Menschen, dem das Heil appliziert werden soll." Anm.: „Hier wäre an die sogenannte ,Mysterientheologie', wie sie vor allem durch P. Odo Casel ausgestaltet worden ist, die Frage zu richten, ob bei ihr die repraesentatio des Heilsereignisses streng im Dienste seiner applicatici steht oder ob nicht vielleicht in dieser Theologie die Gefahr vorhanden ist, daß die repraesentatio im Unterschied zum apostolischen Zeugnis und im Unterschied zu Luthers Tauftheologie einen Eigenwert erhält, der auch die soteriologische Grundstruktur des christlichen Kultus verdunkeln könnte. Diese Gefahr würde gebannt werden, wenn diese Theologie erkennen könnte, daß die mündliche Proklamation des apostolischen Kerygmas hinsichtlich der repraejentario-Funktion in keiner Weise hinter dem Sakrament zurücksteht" Auch Schlink sah darin den wesentlichen Unterschied zwischen der Mysterientheologie Caséis und der lutherischen Rede von der Gegenwart des Todes Christi in der Taufe, wie sie von Brunner vertreten werde. Er ordnete Brunner damit keineswegs in die Reihe der Mysterientheologen ein: „Das durch Röm. 6 gestellte Zeitproblem ist in den letzten Jahrzehnten vor allem in der Auseinandersetzung mit der Mysterientheologie Odo Cosels erörtert worden. Gewiß erlauben die paulinischen Aussagen nicht, mit O. Casel eine darstellende Repräsentation des Todes Jesu in der Taufe zu lehren, die von der Zueignung dieser Heilstat durch die Taufe zu unterscheiden wäre. Es geht Paulus nicht um die Gegenwart des Todes Jesu in seiner historischen Faktizität als solcher, sondern um die Gegenwart dieses einmaligen Todes für den Täufling. Auch fehlt bei Paulus im Unterschied zu den Mysterienreligionen, an die Casel anknüpft, die Heraushebung der darstellenden Funktion des Taufgeschehens, in dessen Symbolik Jesu Kreuzestod real gegenwärtig wäre,- vollends aber jeder Hinweis auf die Kirche, die durch ihr darstellendes Tun in der Taufe Christi Tod vergegenwärtigt. Derartige nötige Abgrenzungen gegenüber der Mysterientheologie können jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der Aussage aufheben, daß Christi Tod in der Taufe gegenwärtig ist Sie findet sich auch bei Luther und ist in der gegenwärtigen evangelischen Theologie besonders von Peter Brunner vertreten worden" (Die Lehre von der Taufe, Kassel 1969, 682). 321 Katholischerseits wurde die Mysterientheologie damals besonders innerhalb der Liturgischen Bewegung vertreten, allerdings gab es auch dort - so Söhngen, für den die Liturgische Erneuerung selbst eine große Rolle spielte - Gegner Caséis (Symbol und Wirklichkeit, 50). Innerhalb der Evangelischen Kirche stand damals - 1948-1950 - angesichts einer allgemeinen Verwirrung in den Gemeinden eine Neuorientierung über die Geltung der lutherischen Tauflehre an. Die bereits 1948 speziell für die Auseinandersetzung des Bruderrates der E K D mit der Thematik abgefaßte Grundlegung Brunners zur lutherischen Tauflehre (in: Aus der Kraft des Hl. Geistes, siehe oben) sollte ein Beitrag zu dieser Diskussion sein. Vgl. ebd., Vorwort Brunners.

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Daß die verschiedenen mysterientheologischen Deutungen jedoch eine Hilfe bieten wollten, den zeidichen Abstand zwischen dem Sterben und Auferstehen Christi und dessen Vergegenwärtigung und Nachvollzug im Taufgeschehen überbrücken zu können und dennoch beide Geschehnisse auseinanderzuhalten, wurde deutlich. Gerade darin, so zeigte sich im Laufe der Jahre, liegt auch ihre Bedeutung für den lutherisch-katholischen Dialog über das Meßopfer. 3.3. Die Mitwirkung der Glaubenden an der Vergegenwärtigung des Opfers Christi in der Eucharistie Neben der Auseinandersetzung um Transsubstantiation und Realpräsenz sowie um die Voraussetzungen der gültigen Spendung der Eucharistie stand die Meßopferproblematik von jeher im Zentrum der konfessionellen Streitigkeiten um das Abendmahl. Der evangelische Standpunkt, nach dem das geschichtliche Kreuzesopfer Christi einmal geschehen und unwiederholbar ist und der katholische, nach dem das geschichtliche Opfer Christi bei der Eucharistiefeier erneut dargebracht wird, schienen zunächst unvereinbar zu sein. Im einzelnen waren folgende Fragen strittig: Inwiefern ist die Eucharistiefeier überhaupt als Opfer zu verstehen? Inwiefern sind die Gläubigen in die Vergegenwärtigung des Selbstopfers Christi in der Eucharistie mit hineingenommen? Bringen sie ein Opfer im Sinne eines verdienstlichen Werkes vor Gott oder sind sie lediglich hineingenommen in das Opfer, das Christus für sie vollbracht hat? Die Diskussionen des ÖAK förderten nun zutage, daß allen hier angedeuteten Fragestellungen gemeinsam, wie bei den Auseinandersetzungen um den Rechtfertigungsvorgang, wieder die Verhältnisbestimmung von Gottes Handeln und menschlichem Wirken als Problem zugrundeliegt. Man befaßte sich in Anbetracht der Bedeutung dieser Kontroverse für das Verhältnis von Lutherischer und Katholischer Kirche im Laufe der Jahre eingehend mit der Frage des Meßopfers. Der ausführlichen Studie „Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche"322, die in den Jahren 1976 bis 1982 erarbeitet wurde, und den entsprechenden Ausführungen in „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" ging die Beschäftigung mit dieser Thematik bereits innerhalb des Zeitraums voraus, mit dem sich die vorliegende Arbeit befaßt. Schon 1955 wurde bei der Erörterung der Gegenwart Christi im Abendmahl die Frage des Meßopfers angesprochen und auch bei der 31. Tagung 1970 zur Interkommunion wurde sie wieder aufgegriffen. 1955 ging es zunächst um die Frage, in welchem Sinn der Opfergedanke im N T überhaupt vorkommt. Bornkamm bestritt das Vorkommen des Opfergedankens bei Paulus, während Gewieß l.Kor 11,29 durchaus martyrologisch, vom Gottesknecht bei Deuterojesaja her, auslegte. Bornkamm 322

Dialog der Kirchen Bd. 3, Göttingen 1983, (Hrsg.) Karl Lehmann und Edmund Schlink.

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wandte sich vor allem dagegen, Gott als Objekt der Versöhnung durch das Opfer anzusehen, da etwa nach Rö 3,25 Gott Christus als Hilasterion hinstelle und damit selbst Subjekt der Versöhnung sei.323 Von der evangelischen Seite aus wurde also zunächst Wert darauf gelegt, daß nicht der Mensch durch Christus Gott versöhnen muß, sondern daß Gott sich durch Christus mit den Menschen versöhnt. Von daher tat sich auch eine entscheidende Differenz im Hinblick auf das Verhältnis des Opfers Christi zur Gemeinde auf: Auf evangelischer Seite wurde der Mitvollzug des Opfers Christi durch die Gemeinde strikt abgelehnt. Man vertrat die Ansicht, das Opfer Christi könne ihr nur geschenkt werden. Es gebe nur ein Opfer der Gemeinde, sofern es Opfer für sie sei.324 Katholischerseits gibt es, so wurde deutlich, demgegenüber einen Mitvollzug des Kreuzesopfers im Sakrament durch die Gemeinde, da sie in der Nachfolge Christus ähnlich werde. Warnach verglich dieses Beteiligtsem ausdrücklich mit der Mitwirkung bei der Rechtfertigung: „ D i e G n a d e befreit uns z u eigener personaler Aktion: W i e die Rechtfertigungsgnade uns zur Mitwirkung befreit, s o die eucharistische G n a d e z u m Mitvollzug des Opfers Christi durch die Kirche: Anteilhabe am O p f e r Christi schliesst auch ein Mitopfern ein." 325

Aus diesem Zitat geht hervor, daß die Ursache der Differenz in der Frage des Opfers bei der Eucharistie parallel zu der in der Frage der Mitwirkung des Menschen im Rechtfertigungsprozeß in der anthropologischen Verankerung des Heils im Menschen auf katholischer Seite liegt, die ihn immer vollkommener und gottähnlicher macht, während er nach evangelischer Auffassung stets Sünder bleibt und nur in Christus, also extra se, sein Heil findet, so daß Christus als sein Gegenüber besteht und der allein Handelnde bleibt. Selbst bei einer stärkeren Berücksichtigung der Gerechtmachung des Menschen, seines Seins en christo, auf evangelischer Seite, wie sie sich im Laufe der Jahre abzeichnete, müßte dieses Gegenüber festgehalten werden und könnten die Folgerungen, die katholischerseits daraus abgeleitet werden, nicht mitgetragen werden.326 Somit zeigte sich, daß sich der Unterschied zwischen substanz-metaphysischer und relationaler Betrachtungsweise bei der Abendmahlskontroverse nicht nur in der Frage nach Transsubstantiation oder Realpräsenz 323

Prot, der 16. Tagung 1955, 2/3. Zu den Teilnehmern siehe oben Anm. 154. Vgl. Joest, Prot., 36, Brunner, 37: „Auch uns - und ich glaube jeder lutherischen Theologie - ist es unzweifelhaft, dass in Erlösungslehre, Eschatologie, Gnadenlehre das Entscheidende unsere Einbeziehung in die Menschheit Christi ist Ich würde auch nicht bestreiten, dass dabei eine Anteilhabe an Christus als dem Haupt sich ereignet Aber Sie haben selbst ausgesprochen: ,er allein durch sein versöhnendes Opfer' - wir werden nicht einbezogen in die Opferhandlung Christi als Versöhnung des Vaters." 325 Warnach, Prot., 36. 326 Vgl. Brunner, Prot., 35. 324

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auswirkt, sondern auch - und noch gravierender - in der Frage der Mitwirkung der Gemeinde am Kreuzesopfer Christi.327 Während es hinsichtlich dieser Frage zu keiner Verständigung kam, gelang es den katholischen Teilnehmern mit Hilfe des mysterientheologischen Ansatzes, zu verdeutlichen, daß auch die katholische Lehre nicht von einer Identität zwischen Kreuzesopfer und Meßopfer ausgeht in dem Sinne, daß ersteres einer Wiederholung bedürfe. Zwar wird das Kreuzesgeschehen nicht als zeitlich begrenzt verstanden, sofern es bei der Eucharistie gegenwärtig wird, so daß der Gemeinde nicht nur die Früchte des Kreuzesopfers geschenkt werden, sondern auch seine actio. Allerdings wird festgehalten, daß das Opfer durch Christus schon vollendet ist und durch die Gemeinde nur nachgeahmt wird. Diese Gedanken wurden vornehmlich von Söhngen und Warnach geäußert.328 Weiterführend schien damals besonders Rahners Anliegen zu sein, trotz der Bedeutung der von Casel herausgearbeiteten Gegenwart des Kreuzesopfers dessen Vergangenheit wieder stärker zu betonen, um zu verhindern, daß sein Inhalt zu einer zeitlosen Größe wird. Daß jedoch das geschichtliche Opfer Christi im Abendmahl vergegenwärtigt - nicht wiederholt - wird, wenngleich in ungeschichtlicher Weise, war auch Auffassung von Warnach und Söhngen.329 Die Wandlungen, die sich in den folgenden Jahren hinsichtlich der dogmatischen Lehre vom Abendmahl ergaben, aber auch die durch das II. Vatikanum bewirkte Veränderung des ökumenischen Klimas, lassen sich ablesen an den Ergebnissen zur Opferthematik bei der 31. Tagung 1970, die sich mit der Möglichkeit der Interkommunion zwischen beiden Kirchen befaßte. Von Pannenberg und Schlink, den beiden evangelischen Referenten dieser Tagung, wurde der Gedanke einer Repräsentation des geschichtlich einmaligen Kreuzesopfers Christi im Abendmahl im Sinne Caséis nun ausdrücklich befürwortet.330 Schlink begrüßte es, daß auf katholischer Seite die Vorstellung einer Wiederholung des Kreuzesopfers durch den Priester kritisiert und weitgehend zurückgedrängt worden sei. Ferner machte er auf den vergleichbaren Gedanken bei Peter Brunner aufmerksam, der oft übersehene Ansätze in der Sakramentstheologie Luthers dahingehend verstärkt habe, 327 Vgl. auch Söhngens Hinweis auf das Wiederauftreten des Verhältnisses von esse substantiate und esse actúale in diesem Zusammenhang, Prot., 30. 328 Prot., 30 ff. 329 Prot., 31/32. 330 Yg] (j e n Hinweis auf die Bedeutung von Caséis Theologie der Mysteriengegenwart als „Wegbereiter" für eine Neubesinnung hinsichtlich des Meßopfers in: Das Opfer Jesu Christi, 230. Als zweiter Wegbereiter wird dort die „Wiederentdeckung der christologischen und pneumatologischen Dimension der Ekklesiologie" in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen genannt, die nicht ohne Einfluß auf die Theologie der Eucharistie geblieben sei. Dieser Aspekt wird im Zusammenhang der ekklesiologischen Erörterungen zum Tragen kommen, wenn es um die Funktion der Kirche bei der Spendung der Sakramente geht

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„daß er nicht nur die Gegenwart des geopferten Leibes und Blutes Christi, sondern die Gegenwart seines einmaligen geschichtlichen Opfertodes im Abendmahl lehrt"331

Pannenberg würdigte es als Verdienst Caséis, daß nicht mehr einseitig von der Gegenwart des erhöhten Christus in den Elementen die Rede sei, sondern auch von seiner Gegenwart als der Gekreuzigte. Der Gedanke der Selbstgegenwart des Kreuzesopfers schließt seiner Ansicht nach den einer Wiederholung oder Ergänzung aus, so daß die seitherigen Einwände von protestantischer Seite gegenüber der katholischen Auffassung vom Meßopfer nicht mehr berechtigt seien: „Die heutige katholische Lehre von der Eucharistie und vom eucharistischen Opfer wird jedenfalls in ihrer Gesamtheit durch derartige Vorwürfe oder Verdächtigungen nicht mehr getroffen, wenn auch hier und da noch Vorstellungen begegnen, die den Gedanken einer Ergänzung des Opfers Christi durch seine Repräsentation im Meßopfer nahelegen könnten."332

Aber diesmal kam es nicht nur grundsätzlich zu einer Einigung über die Möglichkeit, das Abendmahl als Opfer zu verstehen, sondern auch zu einer Verständigung darüber, inwiefern von einem „Mitopfern" der Menschen gesprochen werden kann. Auf katholischer Seite sah man bei entsprechender Interpretation des menschlichen Mitvollzugs des Opfers sowie von dessen Charakter als Sühnopfer keine kontroverstheologischen Probleme mehr. Iserloh stellte zunächst einmal mehr fest, daß Sühne eine Tat Gottes an uns Menschen sei. Sodann erläuterte man das Verständnis des „Mitopferns" mit Christus im Sinne der Hingabe der eigenen Existenz. Warnach führte dies wie folgt aus: „Es ging um den anstößigen Begriff des , Mitopferns'. Wir meinen ein reales, seinshaftes, existentielles Einbezogenwerden im Opfer Christi. Die Begriffe ,aktiv' und ,passiv* sollte man da nicht ins Spiel bringen. Es ist ein Mitvollziehen im Sinn von Mitsterben, Mitauferstehen. Das ist nicht Aktivität, sondern personales Verhalten. Wir sind mit dem geschichtlichen Christus in Kontakt" 333 331 Vgl. Schlink, Edmund, Das Problem der Abendmahlsgemeinschaft, in: Krems, G./Mumm, R. (Hrsg.), Evangelisch-katholische Abendmahlsgemeinschaft?, Göttingen 1971, 143-187, 158. Zu den Teilnehmern der Tagung vgl. ebd. Anhang, 200-202. Vgl. auch die Literaturangaben zu Brunner und Casel in Abschnitt 3.2. 332 Pannenberg, Wolfhart, Die Problematik der Abendmahlslehre aus evangelischer Sicht, a.a.O., 9-45, Zitat 26, zur Eucharistie als Opfer vgl. 26-32. Pannenberg wandte sich von seinem spezifischen theologischen Ansatz her besonders dagegen, im Abendmahl einseitig nur die Zuwendung des Sühnopfers Christi zu sehen. Vielmehr müsse das ntl. Zeugnis in seiner ganzen Breite berücksichtigt werden und die Abendmahlsgabe deshalb verstanden werden als Antizipation der Teilhabe an der eschatologischen Gottesherrschaft durch die Gemeinschaft mit dem geschichtlichen Jesus als deren Boten (31). 333 Prot, der 31.Tagung 1970, (24-)26 und Bericht über die Aussprache in: Ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft, 192-194.

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Schlink hatte zuvor die Meinung vertreten, das Element des aktiven Tuns könne sich aus den Texten des Tridentinum zum Mitopfern der Glaubenden nicht völlig eliminieren lassen. Dennoch sah auch er in diesem Punkt insofern eine Annäherung, als die Tatsache, daß die Gemeinde bei der Feier des Abendmahls handelt, grundsätzlich nicht kontrovers sei. Sogar dem Mitopfern konnte er einen Sinn abgewinnen, sofern darunter - entsprechend dem heute vielfach vertretenen Verständnis - Danksagung und Lobpreis der Glaubenden gemeint sei und diese dabei von sich selbst wegblickten. Von seinem strukturanalytischen Ansatz her sah er folgende Verständigungsmöglichkeit: „Die Besonderheit unseres Redens und Tuns im Abendmahl besteht gerade darin, daß im Akt dieses Redens und Tuns wir selbst nichts, Christus aber alles ist! Natürlich ist es dem Bewußtsein möglich, aus diesem Akt herauszutreten und ihn zum Gegenstand der Reflexion zu machen. Dann entsteht die Frage nach dem Verhältnis von menschlichem Tun und Christi Tun, ähnlich wie in der allgemeinen Gnadenlehre. Aber wie das Synergismusproblem strukturell sekundär ist gegenüber dem aktuellen Getroffensein durch Gottes Anrede in Gesetz und Evangelium, so auch die Problematik des aktiven priesterlichen Mitopferns des Leibes Christi in der Eucharistie. Auch hier ist eine Rückübersetzung der dogmatischen Aussagen in die elementaren Strukturen der theologischen Aussage notwendig. Könnte es sich dann nicht vielleicht ergeben, daß das, was in der römisch-katholischen Dogmatik als Darbringung des Opfers Christi in der Messe bezeichnet wird, letzdich doch nichts wesendich anderes ist, als wenn wir im Namen Christi beten und in der Anfechtung Christus den Gekreuzigten Gott vorhalten: Sei uns um Christi willen gnädig?"334

Das Bewußtsein, daß der menschliche Mitvollzug als Einbeziehung in das Opfer Christi nur denkbar ist, sofern beibehalten wird, daß die einzigartige Bedeutung des Opfers Christi für das Heil gewahrt bleibt, war damals allen gemeinsam.335 Damit war man bei der Erörterung des Verhältnisses von Gottes Handeln durch Christus und menschlichem Tun im Zusammenhang mit dem Abendmahl zu demselben Ergebnis gekommen wie bei den Gesprächen zur Gnadenlehre: Beide Konfessionen gehen davon aus, daß allein Gottes Handeln entscheidend ist für das Heil des Menschen, daß aber der Mensch als personales Wesen einbezogen wird in dieses göttliche Handeln, von dem allein alles abhängt. Man war sich freilich dessen bewußt, daß eine so weitgehende Verständigung auf einer bestimmten Interpretation des Opferbegriffs, einem spezifischen Verständnis des Meßopfers und damit auch einer Auslegung des einschlägigen tridentinischen Dekrets beruhte, die nicht autorisiert war, sondern noch eher den Charakter einer Lehrmeinung einzelner hatte. Die

334 335

Referat Schlink, a.a.O., 159/160. Bericht über die Aussprache, 193.

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Haltung der Teilnehmer zur Möglichkeit der Interkommunion war nicht zuletzt deshalb unterschiedlich. Sowohl die 1983 erschienene gründliche Studie zum Opferthema als auch dessen Aufnahme in das Dokument über die Lehrverurteilungen waren von daher äußerst wichtig. Dennoch ist, wie dieser Abschnitt zu verdeutlichen suchte, die anfängliche Klärung der grundsätzlichen Fragen bereits weit im Vorfeld dieser beiden Veröffentlichungen erfolgt und hat damit eine intensivere Aufarbeitung der Problematik überhaupt erst ermöglicht. 3.4. Die Bedeutung des Menschseins Christi für sein Wirken als Mittler und Priester und die Konsequenzen für die Bestimmung der Mitwirkung der Gläubigen an seinem Opfer Am Rande der Gespräche über die Beteiligung des Menschen am Opfer Christi wurde von katholischer Seite gelegentlich der Vorwurf laut, die evangelische Theologie berücksichtige zu wenig die Bedeutung der Menschheit Christi für sein Handeln als Mittler. Darin sah man die Ursache für die Ablehnung jeglicher Aktivität auf Seiten des Menschen hinsichdich des Opfers in der Eucharistie ebenso wie hinsichdich der Rechtfertigung.336 Aus diesem Grunde befaßte man sich ein Jahr nach der Diskussion über das Meßopfer bei der Tagung zur Gegenwart Christi mit den christologischen Ursachen der Kontroverse über das „Mitopfern" der Gläubigen mit Christus. 336

Vgl. z.B. Iserloh, Prot der 31.Tagung 1970, 25. Pannenberg ging in seinem Referat bei dieser Tagung kurz auf den christologischen Hintergrund des konfessionellen Gegensatzes in der Frage des Opfercharakters des Abendmahls ein. Er bestritt jedoch, daß die unterschiedliche Einschätzung der Bedeutung der Menschheit Jesu allein der Grund sei für die protestantische Ablehnung der Messe als Opfer. Als entscheidend bezeichnete er vielmehr „die protestantische Weigerung, in diesem Punkte eine Partizipation der Glaubenden bzw. der Kirche an Christus gelten zu lassen" (Ev.-kath. Abendmahlsgem., 26, Anm. 20). Er äußerte deshalb die Befürchtung, die reformatorische Position könne dadurch in innere Widersprüche geraten, „da besonders Luther ja ansonsten die volle Teilhabe der Glaubenden an Christus durch den Glauben entschieden betont hat" (ebd.). Daß in der Frage der Teilhabe an Christus in der Tat eine Ursache der Kontroverse zu suchen ist, zeigte sich bereits bei der Diskussion 1955 (siehe oben). Es handelt sich dabei um einen Aspekt, der in der heutigen ökumenischen Diskussion verstärkt eine Rolle spielt, während man zum damaligen Zeitpunkt die Ursachen offensichdich stärker im Bereich der Christologie suchte. Ob das beiderseitige Verständnis der Inkarnation in seiner Bedeutung für das Sein und Handeln des einzelnen Christen bzw. der Kirche nicht doch einmal separat zu erörtern wäre, ist jedoch zu fragen. Die Menschwerdung Christi wurde in den verschiedensten Zusammenhängen und auf unterschiedliche Weise von einzelnen zur Argumentation und Stärkung der eigenen dogmatischen Position herangezogen. Von daher würde zumindest die vom ÖAK letztlich angestrebte Berücksichtigung der beiden konfessionellen Lehrgebäude in ihrer Gesamtheit es durchaus nahelegen, die Frage nach der Bedeutung der Menschheit Christi als eigenen Gesprächspunkt mit in den Dialog einzubeziehen, auch wenn man darin keinen zentralen Kontroverspunkt sehen mag. Hier stößt man auf ein Desiderat in der bisherigen Arbeit des ÖAK.

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D a s T h e m a w a r „Christus der Hohepriester" 3 3 7 und es handelte sich dabei u m die einzige explizit christologische T a g u n g des ÖAK. 3 3 8 3.4.1.

Christus als der Hohepriester

im

NT

D i e Erörterung setzte mit einem ausgiebigen Rekurs auf das N T ein. Friedrich und Kuss hatten sich dieses M a l die Behandlung des ntl. Befundes aufgeteilt. D i e s ging auf einen Vorschlag Friedrichs zurück, der mit dessen T h e s e zusammenhing, d a ß v o n Christus als d e m Hohepriester nicht nur im Hebräerbrief, sondern durch das gesamte N T hindurch, die R e d e sei. W ä h r e n d er dies anhand zahlreicher Bibelstellen z u belegen suchte, behandelte Kuss ausschließlich das H o h e p r i e s t e r t u m Christi nach d e m Hebr. 3 3 9 Friedrich ging in Anlehnung an Arbeiten von Seeberg, Käsemann, Schille u. a. davon aus, daß die hohepriesterliche Christologie wahrscheinlich schon Bestandteil der urchristlichen Liturgie war. Da die Sekte am Toten Meer auf den messianischen Hohepriester gewartet habe, sei zu fragen, ob sich diese Erwartung auch bei den Synoptikern widerspiegelt An den in Frage kommenden Stellen werde nur sehr verhüllt von Jesus als dem Hohepriester gesprochen, da Jesus nicht Aaronide oder Zadokide, sondern Davidide gewesen sei. Ferner hätten die Aussagen über den Menschensohn die hohepriesterlichen Aussagen verdrängt 340 337

Die 17. Tagung fand vom 9.-12.4.56 in der Ev. Akademie der Landeskirche Kurhessen-Waldeck Schönburg bei Hofgeismar statt. Nach einer Diskussion bei der 16. Tagung wurde das zunächst vorgeschlagene Thema „Christus der Mittler" beschränkt auf das hohepriesterliche Amt Christi. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Asmussen, Bornkamm, von Campenhausen, Friedrich, Joest, Kinder, Maurer, Pannenberg, Prot. Mumm, Gäste: Propst Geß, Vertreter des kurhessischen Landesbischofs, Dr. Jentsch, Direktor der Ev. Akademie Hofgeismar. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Buuck, Dolch, Gewieß, Grosche, Kuss, Lortz, Volk, Warnach, Prot. Bäumer. Menn war als erstes Mitglied des Evangelischen Kreises verstorben. Pollet konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen (Pollet an Stählin, 9.4.56, Briefwechsel Stählin 1946-1956, Korr EvAk), Wolf wegen „Bossey-Kursen", die er für Ostzonenleute in Berlin abhielt (Wolf an Stählin, 23.2.56, ebd.). Brunner war ebenfalls verhindert Schlinks Teilnahme war zunächst auch fraglich, weshalb er Stählin vorgeschlagen hatte, Pannenberg einzuladen, den er als den besten Kenner der Scholastik unter den jüngeren evangelischen Theologen empfahl (Schlink an Stählin, 23.3.56, Korr Schlink). 338 Die 13. Tagung 1953 mit dem Thema „Christus und die Kirche" und die 24. Tagung 1963 mit dem Thema „Kirche und Parusie Christi" behandelten speziell das Verhältnis Christus-Kirche und waren damit ekklesiologisch ausgerichtet. Freilich war mit allen drei Tagungen dieselbe Intention verbunden, nämlich die christologischen Begründungszusammenhänge offenzulegen für die Bestimmung des Verhältnisses von Gottes Handeln und Mitwirken des Menschen bzw. der Kirche im Hinblick auf das Heil. 33 'Vgl. Friedrich an Stählin, 17.1.56 (Briefwechsel Stählin 1946-1956, Korr EvAk) und Friedrich, Gerhard, Beobachtungen zur messianischen Hohepriestererwartung in den Synoptikern, in: ZThK 53/1956, 265-311 (eigene Zusammenfassung als Anlage beim Prot.) und Kuss, Otto, Der theologische Grundgedanke des Hebräerbriefs, in: MThZ 7/1956, 233-271. 340 So der Duktus von Friedrichs Ausführungen, vgl. a. a. O. und Zusammenfassung. An-

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Die These Friedrichs wurde allgemein als interessant erachtet, aber für unhaltbar erklärt Die von ihm herangezogenen rel.-geschichdichen Quellen (das Testament der 12 Patriarchen, die Essenerschriften) hielt man für nicht ausreichend, die Perikopen ließen sich auch anders deuten als durch den Hinweis auf den Hohepriester, die unvermittelte Einführung der Hohepriester-Terminologie in Hebr 2,17 gehöre zum Stil des Hebr, ein neues Thema geheimnisvoll aufzugreifen, und setze deren Bekanntheit daher nicht zwingend voraus. Von Campenhausen postulierte, es müsse von dem Tatbestand ausgegangen werden, daß Jesus Dämonen ausgetrieben und Sünden vergeben habe. Zu dessen Deutung bedürfe es keiner „Priester-Ideologie". Auch eine hohepriesterliche Selbstdeutung Jesu schloß er aus, da Jesus überhaupt keine Theorie seiner Gottessohnschaft vorgetragen habe.341 In Konsequenz seiner Ausführungen sah Friedrich den Ausgangspunkt des Hebr für die Aussagen über Christus als den Hohepriester in der noch zu dessen Entstehungszeit anstößigen Tatsache, daß Jesus als Aaronide Hohepriester sein solle. Im Hebr werde deshalb die Überlegenheit des Priestertums Christi gegenüber dem aaronitischen aufgezeigt 342 Kuss setzte den Akzent hinsichtlich des theologischen Schwerpunktes des Hebr anders. In dem von Friedrich Angeführten sah er einen Beweis der Geistigkeit des alexandrinisch gebildeten Verfassers. Zentral für den Hebr sei jedoch das Skandalon des Kreuzes: „die Aussage des Hebräerbriefes von , Christus, dem Hohenpriester' ist innerhalb des Neuen Testamentes ein neuer und selbständiger Versuch, das Rätsel des Todes Jesu zu deuten. Der Verfasser des Hebräerbriefes will einer im Glauben ermattenden Gemeinde, der das Grundärgernis des Kreuzestodes Jesu erneut gefährlich zu werden droht, das Kreuz durch das glanzvolle Medium des alttestamendichen Kultes transparent machen."343 Auf dem Hintergrund der paulinischen Deutung des Todes Jesu arbeitete Kuss die spezifische Auslegung des Hebr heraus: Die Niedrigkeitsaussagen stehen den Herrlichkeitsaussagen nicht im Weg, vielmehr sind Leiden und Tod Jesu Elemente seines heilschaffenden (hohenpriesterlichen) Handelns. Die Herrlichkeitsaussagen bleiben dennoch gültig bestehen. Zum Hohepriestertum gehört, daß der Hohepriester denen gleich wird, für die er sein Amt ausübt Ferner hält der Hebr an dem einmalig dargebrachten Kreuzesopfer ebenso fest wie an dem fortdauernden hohepriesterlichen Handeln Christi. Die bei Paulus so zentrale deutungen hohepriesterlicher Christologie finden sich seiner Ansicht nach in dem Ausdruck „der Heilige Gottes" (Mk 1, 24; Joh 6, 69), in der Taufgeschichte, in der Antrittspredigt in Nazareth (Lk 4, 18 ff.), in der Perikope vom Herrsein des Christus über David (Mk 12, 35), im Tempelwort (Mt 12, 6), im Prozeß Jesu, im Petrusbekenntnis, im Wort vom Vergeben (Mk 2, 5 ff.), bei der Heilung des Aussätzigen (Mk 1, 40 ff.), bei der Kindersegnung und der Tempelreinigung. 341 Prot., 5-9. 342 Friedrich, a.a.O., 310/311 und Prot., 3. 343 Vgl. den Untertitel des Referats: Zur Deutung des Todes Jesu im Neuen Testament, Kuss, a.a.O., 235; siehe auch Prot., 3/4. Kuss wandte sich damit gegen Käsemann, der das „wandernde Gottesvolk" zum zentralen Thema des Hebr erhoben hatte. Vgl. Käsemann, Ernst, Das wandernde Gottesvolk, Göttingen 1938.

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Verkündigung von der Auferweckung wird in der Bildsprache des Hebr nur ihrem Gehalt nach aufgenommen.344 Ausführlich ging Kuss auf das Problem des Gottesdienstes der Hebräerbriefgemeinde und seiner Beziehung zu Christus, dem Hohenpriester, ein. Als zentralen Inhalt der Versammlungen und Lobopfer der Glaubenden nach dem Hebr nannte Kuss ausschließlich das Eingehen Christi in den Himmel: „Im Tun Jesu Christi ist alles Entscheidende geschehen; es ist für uns geschehen, es ist ohne uns geschehen, es ist ein für allemal geschehen ... Es findet sich nirgendwo ein wirklich sicheres Zeichen, daß die Gemeinde irgendeine Art unmittelbarer liturgischer Repräsentation der Tat Jesu Christi kannte."345 Er folgerte daraus, der Hebr sei an der Diskussion einer liturgischen Repräsentation von Tod und Erhöhung Christi nicht interessiert, er beschäftige sich vor allem mit grundsätzlichen, rein theoretischen, Fragen und nur beiläufig erwähne er die Gemeindeversammlung. Gleichwohl aber habe er zur theologischen Vertiefung der liturgischen Repräsentation beigetragen.346 Versuche, dem Hebr eine Meßopfertheologie zu entnehmen, so H. Middendorf, oder ihm die Bezugnahme auf jede Art von Gottesdienst abzusprechen, der ein Opfer enthält, so M. Dibelius, den Verfasser als Gegner jeder sakramentalen Abendmahlspraxis in der Gemeinde, so O. Holtzmann, oder als Kritiker einer falschen Abendmahlspraxis hinzustellen, so F. J. Schierse, lehnte Kuss ab.347 Damit wandte er sich gegen ein Hineintragen dogmatischer Vorentscheidungen in die Exegese, was er auch für sein eigenes Referat zu Beginn strikt abgelehnt hatte.348 Interessant ist sein 344 In der Diskussion wandte Schlink ein, daß im N T nicht zwischen Auferweckung und Erhöhung unterschieden werde, so daß zwischen Paulus und Hebr hier kein wesendicher Unterschied bestehe (Prot, 8). 145 Kuss, a.a.O., 266. 144 A.a.O., 269/270. 347 A. a. O., 266-269, siehe da die Veröffentlichungen der genannten und deren Auslegung von Hebr 13, 7-17, der hauptsächlich in Frage stehenden Stelle, sowie zu Kuss' Kritik im einzelnen. 348 A.a.O., 233-235. Kuss stellte die spezifische Aufgabe der Exegese heraus, die inhaltliche und formale Verschiedenartigkeit der einzelnen biblischen Schriften sowie deren Zeitbedingtheit herauszuarbeiten, versäumte es jedoch nicht, darauf hinzuweisen, daß „der Glaube an den verbindlichen Offenbarungscharakter der Schrift überall und in den verschiedensten Zusammenhängen Aussagen findet, die sich nach dem Willen des offenbarenden Gottes vermittels der Methoden einer kirchlicher Dogmatik, die weit über das Vermögen einer exakten Exegese hinausführen können, zu einer - systematischen' - Einheit zusammenfügen lassen . . . wie spricht das für jene Situation geschriebene Wort zu mir, im konkreten Jetzt? Katholisches Verständnis wird dabei, was die Lehre angeht, auf keinen Fall das Medium der seit Anfang in Vollmacht interpretierenden konkreten Kirche ausklammern können; es wird grundsätzlich keine unmittelbare Konfrontiening mit dem Wort der Schrift mehr geben können, die - was die letztlich als Glaubensinhalt geltende Summe von Wahrheiten angeht - von den inzwischen', d. h. zwischen Schrift und Heute, vorgenommenen Klärungen und

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Hinweis darauf, daß keinesfalls die evangelischen Exegeten einmütig jeden Hinweis im Hebr auf das Herrenmahl bestreiten und die Katholiken im Gegensatz dazu deudiche Hinweise auf die Eucharistiefeier erkennen. Als Beispiele nannte er Thomas von Aquin, der die eucharistische Deutung von Hebr 13,10 ablehnte, und Günther Bornkamm, der sie vertritt.349 Derselbe Sachverhalt trat in der Diskussion zutage. Während Kuss daran festhielt, daß der Hebr keinerlei liturgisches Interesse habe und es lediglich liturgische Hypothesen gebe, nicht etwa sichere Anhaltspunkte, verwies Stählin auf die liturgische Komponente, die in Hebr 9,11-14 und 10, 19 ff. durchscheine und bezichtigte Kuss einer „protestantischen" Exegese.350 Mit diesen exegetischen Erwägungen wurde die Meßopferthematik der vorausgegangenen Tagung nochmals aufgegriffen und die Problematik einer unmittelbaren „Herleitung" einer kultischen Repräsentation des Opfers Christi im Gottesdienst der Gemeinde aus dem N T wurde offensichtlich. Hinweise auf die Zuordnung des hohepriesterlichen Wirkens zu Christi Gottheit oder Menschheit ergaben sich aus ihnen noch nicht. 3.4.2. Die Bedeutung von Christi Gottheit und Menschheit für sein hohepriesterliches Amt So war es von Bedeutung, daß die hauptsächliche Kontroverse, ob Gottes versöhnendes Handeln durch Christus an uns oder Christi stellvertretendes verdienstliches Handeln als Mensch für uns auf Gott hin entscheidend ist für sein hohepriesterliches Wirken, ob Gott also ausschließlich als Subjekt der Versöhnung oder auch als deren Objekt zu verstehen ist, Gegenstand dogmatischer Reflexion war. Nach einem geschichtlichen Rückblick auf kirchliche Äußerungen über das Priestertum Christi351 untersuchte Buuck das Verhältnis von Mittlertum Entscheidungen absehen könnte. Wenn der vorliegende Beitrag sich besonders daran interessiert zeigt, die theologischen Erkenntnisse des Hebräerbriefes auf die spezielle Situation von Verfasser und Gemeinde zu beziehen, so ist damit - eigentlich erübrigt es sich, das eigens hervorzuheben - der Gültigkeit eben dieser Erkenntnisse keinerlei Fragezeichen angehängt, . . . " (a. a. O., 235 Anm. 5). Diese Anmerkung - möglicherweise wurde sie erst für die Veröffentlichung dem Referat angefügt - enthält zum einen eine leise Kritik an dem Pluralismus exegetischer Positionen auf evangelischer Seite, der nicht durch eine definitive Entscheidung aufgehoben wird, zum anderen macht sie deutlich, daß Kuss zwar die Eigenständigkeit der Exegese forderte, ihre korrektive Funktion gegenüber der Dogmatik anscheinend aber nicht sah. Kuss thematisierte in allen seinen Referaten die hermeneutische Frage und hob die Bedeutung der Exegese hervor, jedoch immer im Zusammenhang mit Tradition und lehramtlicher Funktion der Kirche. 349 A.a.O., 270/271, Anm.271. 350 Prot., 15 und 17. 351 Buuck kam hier zu dem Schluß, daß „das ganze erste christliche Jahrtausend uns keinerlei zusammenhängende Darstellung über das Priestertum Christi hinterlassen hat". Vgl. maschinenschrifdiches Exemplar seines Referates „Christus der Hohepriester", Anlage zum Prot, 3.

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und Priestertum Christi und stellte dabei im Anschluß an Augustin die Bedeutung des Menschseins Christi für sein Mittlertum und für sein Priestertum heraus. Zum Priestertum gehöre das Opfer, und dieses habe Christus nur seiner menschlichen Natur nach sein können. Allerdings gestand er ein, daß manche Theologen vom Gottmenschen als Priester sprächen, weil Christi Opfer von unendlichem Wert sei. Thomas und die nachfolgende Scholastik hätten zwischen dem Träger der mittlerischen Tätigkeit, oder dem principium quod, der persona Verbi divini und dem Instrument, oder dem principium quo, der menschlichen Natur unterschieden. 352 Kinder hob demgegenüber aus evangelischer Sicht mit allem Nachdruck hervor, daß das Subjektsein Gottes bei der Versöhnung nach Luther und den BSLK das Eigentliche sei, welches das hohepriesterliche Handeln Christi auf Gott hin umgreife. 353 D a ß „der Opferbegriff und der Gedanke der satisfaktorischen Sühne an Gott durchaus ihre notwendige Geltung und ihre unentbehrliche und unaufgebbare Bedeutung" 354 haben, begründete er jedoch auch, nämlich mit der Realität des Zornes Gottes und mit Gottes Ernstnehmen der Personalität des Menschen: „In dem ersten ist das unentbehrliche und unaufgebbare Anliegen der , Genugtuung', in dem zweiten das der ,Stellvertretung enthalten."355 Mit der satisfactio als dem Durchleiden und der Überwindung des Zornes Gottes wird nach Kinder das Subjektsein Gottes in der Versöhnung durch Christus also nicht abgemildert, sondern vertieft: Christi Leiden ist für Luther Gottes eigenes wirkliches Leiden.356 Im Verlauf der Diskussion stellte sich heraus, daß die konfessionellen Differenzen insbesondere darin bestanden, daß man auf katholischer Seite sehr stark von der Zwei-Naturen-Lehre ausging, dabei großes Gewicht auf die Inkarnation legte und die Bedeutung der Menschheit Christi für die 352

A.a.O., 7 und 10. Kinder, Ernst, Christus als Hohenpriester (nach Luther und den lutherischen Bekenntnisschriften), in: Kiinneth, Walter/Joest, Wilfried (Hrsg.), Dank an Paul Althaus, Festgabe zum 70. Geburtstag, Gütersloh 1958, 99-120, 102. 354 A.a.O., 105. 355 A.a.O., 105. 356 A.a.O., 108. Die Alleinwirksamkeit Gottes im Versöhnungsgeschehen wurde vor allem von Pannenberg im Verlauf der Diskussion herausgestellt und als Hauptgegensatz zum scholastischen Verständnis des hohepriesterlichen Amtes bezeichnet (Prot, 12). Dabei brachte er wichtige Differenzierungen ins Gespräch: „Eine Alleinwirksamkeit Gottes auf Kosten der menschlichen Natur Christi gibt es nicht Unser Heil gründet sich in der stellvertretenden Tat Gottes, aber im Akt der Stellvertretung ist die menschliche Natur beteiligt Luther sieht das mittlerische Amt Christi. Der Unterschied zur scholastischen Tradition besteht m. E. darin: Luther sagt nicht Christus hat sich geopfert auf Grund der Willensfreiheit, sondern er betont die Passivität im Strafleiden Christi. Aber damit ist die Aktivität der menschlichen Natur nicht ausgeschlossen. Die menschliche Natur Christi ist untrennbar vom Gott-Menschen" (Prot, 17). 353

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Versöhnung von daher sehr hoch gewichtete.357 Auf evangelischer Seite wußte man sich zwar in der Anerkennung des Chalzedonense mit den katholischen Kollegen einig, bezweifelte aber, daß die Zwei-Naturen-Lehre in dem Sinne für die Versöhnungslehre relevant sei, daß beiden Naturen getrennte Funktionen zukommen. Daß die göttliche Natur nach Thomas nur Voraussetzung des eigentlichen meritorischen Prinzips, das der menschlichen Natur zukommt, sein soll, war ihr zu wenig.358 Christus wurde vielmehr als Person in ihrer Ganzheit gesehen, durch die Gott handelt, so daß letztlich der Satz gilt: Gott wird durch Gott versöhnt. (Dieser Satz wurde infolge der unterschiedlichen Denkweisen von der katholischen Seite zunächst abgelehnt, bis geklärt war, daß Jesus Christus als ganze Person - nicht nur die Gottheit Jesu - als Handelnder angesehen wird.359) Diese Differenz hatte zur Folge, daß von evangelischer Seite Gott als in Christus Leidender verstanden wurde, während von katholischer Seite nur der Menschheit Christi das Leiden zugeschrieben wurde, nicht zuletzt wegen der andernfalls zu ziehenden Konsequenz, daß Gott (in Christus, also in der 2. Person der Trinität) nicht nur seiner menschlichen, sondern auch seiner göttlichen Natur nach gestorben ist.360 Die vor allem von Volk hartnäckig erhobenen Vorwürfe, die evangelische Seite nehme die Inkarnation nicht ernst und berücksichtige wegen ihrer Überbetonung des Personbegriffs die menschliche Natur Christi zu wenig, trafen die evangelischen Teilnehmer nicht Vor allem Schlink ließ eine Differenz zwischen beiden Konfessionen hinsichtlich der Anerkennung des Chalzedonense nicht gelten.361 Von Pannenberg unterstützt lehnte er es jedoch ab, von der Zwei-Naturen-Lehre als einer dogmatischen Endaussage her das ntl. Bild von Christus zu klären.362 357

So vor allem Volk, Prot., 12 und 23. Zu Letzterem Kinder, Prot., 13, sonst 16 und 25 Schlink, 17 Pannenberg. 3W Auch hier trug Pannenberg zur Klärung bei, Prot., 19/20. Vgl. auch Schlink, Prot, 16 und Volk, 19. Vor allem Volk lehnte die starke Betonung der Person auf evangelischer Seite und die geringe Berücksichtigung der Natur ab und berief sich dabei auf ein LutherZitat: humanitate nihil cooperante, das jedoch nach Auffassung der evangelischen Teilnehmer nicht die Position Luthers trifft 360 Schlink, Prot., 16. Während Volk schließlich Schlink darin zustimmte, daß der „ganze" Christus gelitten habe, konnte Buuck diese Auffassung nicht teilen. Vgl. Prot., 22 bzw. 24-26. 361 ProL, 19. 362 Vgl. Pannenberg, Prot., 24, Schlink, Prot., 25. Schlink brachte damit einmal mehr seine These vor, daß dogmatische Aussagen dem Bekenntnis und der Doxologie entspringen müssen. Im Chalzedonense lag für ihn bereits Lehre über das Bekenntnis vor, also eine weitere Abstraktionsstufe, von der aus nicht das N T ausgelegt werden könne (Prot., 21). Diese Äußerung Schlinks über die „Einbahnstraße" vom N T zu dogmatischen Formulierungen beeindruckte Stählin sehr. Einen Versuch, diese Einbahnstraße doch in umgekehrter Richtung zu gehen, sah er in dem von Asmussen im Anschluß an die 17. Tagung geäußerten Vorschlag, die exegetischen und die dogmatischen Referate aufeinander zu beziehen: „Die auffällige 358

Gottes Handeln durch Christus im Sakrament

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Im Hintergrund der Auseinandersetzung stand also auch die Problematik des Verhältnisses zwischen dem Schriftzeugnis und dogmatischen Aussagen der Kirche. In der Hauptsache brachte sie jedoch für die Christologie dieselbe Differenz zutage wie für alle bereits dargestellten Themen: Nach katholischer Denkart kommt der menschlichen Natur Jesu eine Eigenständigkeit zu gegenüber der götdichen, während nach evangelischem Verständnis alles auf das Handeln Jesu seiner Gottheit nach ankommt, ohne daß die Tatsache seines Menschseins jedoch unberücksichtigt bliebe. Damit zeigte sich erneut, daß das Alleinhandeln Gottes bzw. die eigenständige menschliche Mitwirkung keine den beiden Konfessionen zuzuordnende Alternativen darstellten, sondern daß vielmehr graduelle Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung des menschlichen Tuns bestanden. 3.5. Zusammenfassung Die Ergebnisse zur Beteiligung des Menschen an der sakramentalen Handlung sind insofern denen zu seiner Beteiligung an der Rechtfertigung vergleichbar, als auch hier der Mensch immer nur als Empfangender des von innere Gleichheit der exegetischen Referate sollte uns ernsthaft beschäftigen. Eine solche Beschäftigung würde uns, wie ich überzeugt bin, in der uns bewegenden Frage weiter bringen. Die auffällige Ähnlichkeit in den exegetischen Ergebnissen könnte bedeuten, dass wir einander viel näher sind, als wir uns zugestehen. Sie könnte auch bedeuten, daß unsere eigentliche Differenz ... jenseits der Bibel liegt. Ich selbst nehme das Letztere an. Wenn das aber so ist, dann müsste diejenige Kraft sichtbar werden, welche uns dann eigentlich trennt Die Lehrentwicklung jenseits der Bibel muss eine Autorisieiung nachweisen können. Das haben wir, wie ich es empfinde, bisher nicht unternommen. Man sieht das doch wohl auch daran, daß unsere exegetischen Referate nirgends an eine Kritik der dogmatischen herankommen, so wenig, wie die dogmatischen sich kritisch verhalten zu den exegetischen ... Man könnte sogar daran denken, die exegetischen Referate den dogmatischen folgen zu lassen, um sichtbar zu machen, wo nach Erkenntnis der Exegeten die Dogmatik den biblischen Raum überschreitet. Denn unser letztes Zusammensein hat deutlich gemacht, dass die Lehre beider Kirchen nicht allein exegetisch ausgedrückt werden kann" (Asmussen an Stählin, Jaeger, Schlink, 13.4.56, Korr Schlink). Sowohl Stählin als auch Jaeger begrüßten grundsätzlich den Vorschlag Asmussens, denn beide waren der Auffassung, daß man sich hinsichtlich theologischer Formulierungen und bezüglich der Denkkategorien viel weiter voneinander entfernt hatte als hinsichtlich des unmittelbaren Verständnisses biblischer Aussagen. Sie bestritten jedoch nicht die von Höfer bei der Tagung angesprochene Notwendigkeit theologischer Formulierungen (Prot, 26). Jaeger verstand jedoch Asmussens Anliegen einer Autorisierung der Lehrentwicklung dahingehend, daß Tradition und Lehramt in das Gespräch um biblische Texte miteinbezogen werden müßten, wohingegen es Asmussen m. E. vor allem um die kritische Funktion des N T gegenüber der Dogmatik ging. Damit stand sein Vorschlag keinesfalls im Widerspruch zu Schlinks Ausführungen, da es Schlink um den unumkehrbaren Prozeß der Dogmenbildung gegangen war und gerade darum, daß das N T Maßstab für dogmatische Aussagen bleiben müsse, nicht umgekehrt (Stählin an Jaeger, 16.4.56 und Jaeger an Stählin, 11.5.56, Briefwechsel Stählin/Jaeger, Korr EvAk). Auch wenn sich am Verlauf der Tagungen nichts änderte, zeigt der Briefwechsel doch, wie sehr die Frage nach dem Verhältnis von Exegese und Dogmatik die Tagungen begleitete.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Gott durch Christus allein gewirkten gesehen wurde, seine Beteiligung also als passive verstanden wurde. Keine Probleme machte es, die herkömmliche Entgegensetzung der katholischen ex opere operato-Lehre und des alleinigen Interesses am Glauben ohne die Spendung der Sakramente auf evangelischer Seite aufzuheben. Demgegenüber faßte man den Glauben als geistgewirkten personalen Akt im Sinne des Geschehenlassens der Sakramente an sich und räumte dem Menschen aus sich heraus nur die Freiheit ein, sie abzulehnen, nicht sie anzunehmen. Weder Spender noch Empfänger, so stellte man übereinstimmend fest, können durch ihre eigene Konstitution die Wirkung des Sakraments hervorrufen. So bedeutet das Mitsterben mit Christus in der Taufe wie die Teilnahme an seinem Kreuzesopfer in der Eucharistie nur das Miteinbezogensein des Menschen mit seiner Personalität in das Handeln Christi, nicht ein aktives Mitwirken des Menschen. Bis man in der Opfeiproblematik zu diesem Ergebnis kam, bedurfte es jedoch einer Entwicklung, in deren Verlauf man eine Umdeutung des Opferbegriffs vornahm. 1955 war es noch nicht möglich, ein gemeinsames Grundverständnis der beiden unterschiedlichen Konzeptionen zur Beteiligung des Menschen beim Abendmahl zu gewinnen: des Mitvollzugs des Kreuzesopfers als Folge der dem Menschen einwohnenden eucharistischen Gnade entsprechend der Beteiligung an der Rechtfertigung als Folge der prävalenten Rechtfertigungsgnade nach katholischem bzw. des historisch einmaligen Kreuzestodes Christi und seines alleinigen Wirkens bei der Abendmahlsfeier entsprechend dem extra nos in der Rechtfertigungslehre nach evangelischem Verständnis. Erst 1970 konnten beide Seiten von der Messe als Opfer im Sinne der alles entscheidenden Tat Gottes an uns sprechen und von einem Mitopfern der Gemeinde, verstanden als Hingabe der eigenen Existenz oder als Einbeziehung der menschlichen Personalität und aktiv nur im Sinne der Danksagung und des Lobpreises. Als eine Ursache für die verschiedene Bewertung des menschlichen Handelns erkannte man die jeweilige Interpretation der Zwei-Naturen-Lehre. Bei der einzigen daraufhin durchgeführten explizit christologischen Tagung kam man aber nicht über die Feststellung hinaus, daß katholischerseits der menschlichen Natur Christi gegenüber der göttlichen eine Eigenständigkeit zukommt, während aus evangelischer Sicht beide Naturen nicht so sehr separat genommen werden, sondern die Person Christi als ganze im Vordergrund steht, deren heilschaffendes Handeln eher der göttlichen Natur zugeschrieben wird.

Was bleibt nach dem Tod?

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4. Was bleibt nach dem Todi Nachdem die Fragen zur Relation zwischen dem einzelnen Menschen und Gott, die bis heute wichtiger Gegenstand des lutherisch-katholischen Dialogs sind, in ihrer Behandlung durch den ÖAK in seiner frühen Phase bereits vorgestellt wurden, soll jetzt noch die Behandlung ökumenisch brisanter Themen aus dem Bereich der Eschatologie zur Darstellung kommen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr im Zentrum der konfessionellen Gespräche stehen. 1959 befaßte man sich mit der Thematik „Unsterblichkeit und Auferstehung". Dabei zeigte sich, daß die konfessionellen Positionen bezüglich eines dem Menschen eignenden geschöpflichen Kontinuums bzw. der ihn erhaltenden Gottesbeziehung auch in diesem thematischen Zusammenhang den eigentlichen Unterschied ausmachten. Bereits 1950 hatte man sich aus Anlaß der Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel über die Heiligen- bzw. Marienverehrung ausgesprochen und war sowohl auf die Möglichkeit verschiedener Heiligkeitsgrade von Menschen als auch auf deren daraus resultierende Mittlerfunktion eingegangen. Damit waren die Konsequenzen aus der Annahme einer besonderen selbsterwirkten Heiligkeit bestimmter Menschen über den Tod hinaus berührt. Inwiefern es in Anbetracht dieser Erkenntnis, daß sich in nahezu allen Bereichen der Dogmatik dieselbe konfessionelle Grundproblematik auftut, sinnvoll wäre, auch heute wieder - neben den gewichtigen kirchentrennenden Differenzen um das kirchliche Amt etwa - Themen aus anderen Bereichen der Dogmatik in den Dialog aufzunehmen, soll an anderer Stelle erörtert werden. 4.1. Unsterblichkeit der Seele oder Auferweckung von den Toten? Von dieser kontroverstheologischen Fragestellung war man zunächst ausgegangen.363 Während man in der neueren evangelischen Theologie die Unsterblichkeit (U.) der Seele ablehnte, da eine solche Lehre das Ereignis der Auferstehung in seiner Bedeutung abschwäche und zudem aus der griechischen Philosophie stamme, die das Christentum verfälscht habe, bezeichnete man sie katholischerseits als Bestandteil christlicher Lehre, der die Kontinuität des Menschen nach dem Tod gewährleiste. Entsprechend suchte von Campenhausen zu zeigen, daß weder im AT noch im N T von 363

Dieses Thema hatte man sich bei der 20. Tagung vorgenommen, die vom 16.-20.3.59 in Paderborn stattfand. Ev. Teiln.: Stählin, Dietzfelbinger, Schlink, Anz, Bornkamm, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Joest, Kinder, Pannenberg, Schumann, Prot Mumm. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Dolch, Gewieß, Hasenkamp, Höfer, Kuss, Lortz, Mörsdorf, Pieper, Pollet, Rahner, Söhngen, Schmaus, Warnach, Prot- Bäumer. Skydsgaard hatte sich für diese Tagung entschuldigt (Stählin an Mumm, 14.3.59, Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr EvAk).

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einer U. des Menschen die Rede sei und sich diese Tradition trotz der bei einigen Kirchenvätern aufkommenden Unsterblichkeitslehre noch lange durchgehalten habe.364 Er deutete jedoch an, daß die Frage nach der U. nicht grundsätzlich abgewiesen werden könne und müsse, sondern daß man zumindest von einer theologischen U. sprechen könne, insofern nämlich, als es nicht darum gehe, den Menschen aufgrund seiner unsterblichen Seele als von Gott unabhängig zu betrachten, sondern ihn von der Schöpfung her als auf Gott ausgerichtetes Wesen zu verstehen, für das seine Gottesbeziehung in jedem Fall ein dauerndes Schicksal bedeute, sei es durch ihre positive Erfüllung oder durch ihre Verfehlung.365 Schmaus hingegen zeigte auf, daß im AT die U. der Geistseele zwar nicht explizit gelehrt werde, aber vorausgesetzt sei, berief sich dabei jedoch auf apokryphe Schriften, die auf evangelischer Seite als nicht zum Kanon gehörig betrachtet werden.366 Obwohl das N T in seiner Gesamtrichtung auf die Auferweckung der Toten hin orientiert sei, sei auch hier an einigen Stellen die Hoffnung auf ein waches, seliges Leben in der Zeit zwischen dem individuellen Tod und der allgemeinen Totenauferweckung vorhanden.367 Verständnis für die evangelische Position zeigte er insofern, als er betonte, der Tod als unwiderrufliches Ende des irdischen Lebens müsse ernst genommen werden. Die daraus erwachsende Problematik, wie denn das Weiterleben der Seele dann erklärbar sei, sah er auch. Auch sie werde durch den Tod betroffen und verändert, nach Rahner so, daß sie zwar ihren konkreten Materiebezug verliert, aber eine Hinordnung zur Gesamtheit des Stoffes gewinnt. Er hielt damit an einer ontischen Kontinuität im Menschen nach dem Tod fest, um dessen Identität gewahrt zu sehen. Wie sich der aus dem Fortleben der Seele entstehende Zwischenzustand zu der allgemeinen Totenerweckung verhält, bezeichnete Schmaus als Geheimnis. In jedem Fall dürfe er nur so erklärt werden, daß die Auferweckung der

364 Vgl. Campenhausen, Hans von, Tod, Unsterblichkeit und Auferstehung, in: Schlink, Edmund/Volk, Hermann (Hrsg.), Pro ventate, Münster/Kassel 1963, 295-311. 30 Ebd., 310/311. 344 Vgl. Schmaus, Michael, Unsterblichkeit der Geistseele oder Auferstehung von den Toten?, in: Schlink, Edmund/Volk, Hermann (Hrsg.), Pro veritate, Münster/Kassel 1963, 311-337. Damit war die unterschiedliche Bewertung der einzelnen Schriften des Kanon und wieder die Problematik unterschiedlicher Schriftauslegung in beiden Konfessionen berührt, denn Schmaus brachte ebenso deutlich zum Ausdruck, daß man nicht nur die im N T am häufigsten bezeugten Sachverhalte zu berücksichtigen habe, sondern auch, aufs Ganze gesehen, spärlicher bezeugte.(327/328). „Die Schrift ist in allen ihren Teilen Gottes Wort", fügte er hinzu und wandte sich damit gegen das Ausscheiden von Stellen mit philosophischgriechischer Begrifflichkeit (321). 2ur Beschreibung des atl. Sachverhaltes vgl. 320/321. Als ebenfalls zu berücksichtigende Stellen zählte er auf: Weisheit 2, 10-23; 3, 1-9 und 2. Makk 12,38-45. 367 Ebd., 327. Es handelt sich um 2. Kor 5, 2-10; Mt 10, 28; Lk 12, 4; 16, 19-31; 23, 42 f.; Apg 7, 59; l.Thess 4, 13-16; Phil 1, 23.

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Toten in ihrer vollen Bedeutung zum Tragen komme. Er sprach in diesem Zusammenhang von verschiedenen gottgewirkten Existenzschüben.368 Diese theologischen Ausführungen zeigten bereits, daß Übereinstimmung darin bestand, daß die Auferstehung von erheblich größerer Bedeutung ist als die Unsterblichkeit. Sie versuchten darüberhinaus auch schon, Antworten zu geben auf die eigentlich zur Debatte stehenden Fragen, deren unterschiedliche Beantwortung auf der einen Seite die radikale Ablehnung, auf der anderen Seite die Verteidigung einer Unsterblichkeitslehre hervorrufen: 1. Wie sind Tod und bleibende Identität des Menschen zu vereinbaren? Worin besteht die Kontinuität des Menschen nach dem Tod? 2. Welche philosophischen Unsterblichkeitslehren können von der Theologie aufgegriffen werden? Welche Bedeutung kann die Philosophie überhaupt für die Theologie haben? 3. Wie ist das Verhältnis von individuellem Tod und universaler Totenauferweckung zu bestimmen? Hört mit dem Tod die Zeit auf oder gibt es einen Zwischenzustand, in dem sich die Seele bis zur Auferstehung der Toten befindet? Wie ist dieser Zwischenzustand zu verstehen? Zunächst ging es darum, wie Tod und bleibende Identität des Menschen zu vereinbaren seien und worin die Kontinuität des Menschen nach dem Tod bestehe. Heftig debattiert wurde über die Positionen von Althaus und Cullmann zum Thema. Besonders von katholischer Seite wurde die Lehre vom Ganztod des Menschen, bzw. von einem schlafenden Zwischenzustand des Menschen im Zeitraum bis zur allgemeinen Totenauferweckung kritisiert, weil dann die Identität des gestorbenen mit dem auferweckten Menschen nicht gewährleistet sei.369 Mit Recht verteidigte man evangelischerseits Althaus dahingehend, daß er diese Identität sehr wohl im Blick gehabt, sich aber radikal gegen die Unsterblichkeitslehre des Idealismus gewandt habe.370 Die evangelischen Bedenken gegenüber einer Vergottung des Menschen, wenn die Seele als geschaffener Teil des Menschen als unsterblich betrachtet werde, traten etwas zurück, als man von katholischer Seite die Bezogenheit der Seele auf Gott betonte, Gott, den Schöpfer, als 368

Ebd., 330-337. Vgl. Althaus, Paul, Die letzten Dinge, Gütersloh 1933, besonders 92 ff. und Cullmann, Oscar, Unsterblichkeit der Seele oder Auferstehung von den Toten?, Stuttgart 1962, damals vorliegend in Französisch, mit dem Titel „L'immortalité de l'âme en résurrection des morts". Zur Kritik vgl. Schmaus, a.a.O., 312 und Prot., 3ff. 370 Ygj p r o t. ( 3, 7 u. a., sowie Althaus, a. a. O., 113-115. Er spricht hier von der Selbigkeit der Person, aber einer völligen Andersheit auch des seelischen Seins. Keine biologische oder ontologische Einheit, sondern eine theologische bleibe, eine Kontinuität von Gott her. - Die evangelische Lehre erschien der katholischen Seite bezüglich der Einzelfragen als diffus, so daß Schlink darauf hinwies, daß lediglich die Lehre von der Auferstehung für beide Konfessionen Dogma sei und die Unterschiede legitimerweise im Bereich der Theologumena lägen (Prot, 7). 369

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Urheber ihrer U. herausstellte und ihre Destruktion durch den Tod hervorhob, die erst mit der Auferstehung aufgehoben werden könne.371 Als gemeinsame Aussage war also der bleibende Zusammenhang mit Christus festzuhalten, eine bleibende Gottesbeziehung über den Tod hinaus, wobei der katholischen Seite allerdings die relationale Komponente, ohne die Einbeziehung der ontischen Gestalt der Seele, zu wenig war.372 371

Prot, 4/5. Prot., 9. Die Fragestellung wurde nochmals 1966 aufgegriffen, als es um das Weltverhältnis der Kirche ging. Pieper verwies nach dem Protokoll dieser 27. Tagung explizit auf die Parallelität der Fragestellungen beider Tagungen (Prot, 21/22. Zu den Teilnehmern vgl. die eingehende Darstellung unter II. Β. 2.1.3.). Ein wichtiger Aspekt der damaligen Diskussion war die Verhältnisbestimmung von Schöpfung und Neuschöpfung. Dabei ging es ebenfalls um die Frage, ob es trotz ihrer Sündenverfallenheit ein Kontinuum der Schöpfung gebe, das sich bis zur Neuschöpfung durchhält, und ob es sich um eine ontische oder relational zu verstehende Größe handele. Stärker als in den Jahren zuvor betonte man explizit die Annäherung in dieser Frage. Für Wolf kristallisierte sich bei dieser Tagung da ein Konsens heraus, wo er bisher einen scharfen Dissens vermutet hatte (57/58). Höfer wies darauf hin, daß auf evangelischer Seite häufig ein zu enges Verständnis des persönlichen Gottes zu finden sei, während katholischerseits die natürliche Theologie geneigt sei, zu viele Aussagen zu machen (35). B. Lohse verwies darauf, daß man in der lutherischen Theologie immer aufgeschlossener werde gegenüber der Gerechtmachung, d. h. gegenüber einer ontologischen Festmachung der Rechtfertigung (19). Dennoch wurde auch damals noch von katholischer Seite eine Eigenständigkeit der von Gott bejahten Schöpfung behauptet und die Neuschöpfung als Verwandlung der alten Schöpfung verstanden. So vor allem von Schnackenburg, der nicht nur auf den Hymnus der Schöpfung in Apk 4 aufmerksam machte, sondern auch von einer Vorordnung der Schöpfung vor die Erlösung sprach, sofern das Wort der Kirche auf die bereits bestehende geschöpfliche Welt treffe (7-9, vgl. auch Volk, 12/13, der unter kaine ktisis nicht eine erneute Schöpfung, sondern die Verwandlung der alten verstand). Pieper bezeichnete mit Hinweis auf die Diskussion 1959 über die Unsterblichkeit deshalb die Annahme einer Kontinuität der Schöpfungswirklichkeit als notwendig, weil es etwas geben müsse, das auferweckt werde (46). Dem Votum Schnackenburgs entgegnete Wendland evangelischerseits, der Begriff der Schöpfung schließe bereits deren Eigengesetzlichkeit aus. E. Lohse bestritt eine bruchlose Verbindung von Schöpfung und Neuschöpfung, da die Schöpfung keine heilsmittlerische Qualität habe und deshalb nur die Versöhnung das Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf glätten könne. Apk 4 sei mit Apk 5 zusammenzusehen (7 und 14). 371

Zu einer Annäherung kam es in denselben Punkten wie 1959. Brunner bemerkte, die Neuschöpfung sei nicht als creatio ex nihilo zu verstehen, da im Urteil Gottes der Mensch durchgehalten werde. Es gebe keine Neuschöpfung ohne Gericht mit doppeltem Ausgang, da Gott die Personalität des Menschen akzeptiere (47-49). Westermann sprach sich mit Schnackenburg dafür aus, daß die Schöpfung sowohl in ihrem Ungehorsam, als auch im Durchhalten ihres Guten gesehen werden sollte (7/8 und 10/11). Wichtig war ferner die erneute Feststellung von katholischer Seite, daß Schöpfung nicht Autonomie bedeute, sondern daß sie immer von Theonomie umgeben sei. Nicht das Geschöpf, sondern nur der Schöpfer könne den Seinsbestand erhalten. Interessant war der Versuch Piepers, zu einem von beiden Seiten akzeptablen Schöpfungsbegriff zu kommen durch folgende Unterscheidung, deren Brisanz ihm im Rahmen der allgemeinen Diskussion um die Unsterblichkeit der Seele bewußt wurde, bei der Paul Althaus eine Unsterblichkeit der Seele ex se ablehnte und sie nur als Gabe Gottes bezeichnete: „1) daß Gott als Schöpfer Sein wirklich mitteilt, gibt, so daß auf Seiten des Geschaffenen .Eigentum' besteht, 2) daß dennoch dieser Bestand (Dasein, Ver-

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Zu einer eingehenderen Erörterung der Frage, inwiefern Unsterblichkeit als ontische Eigenschaft des Menschen gelten könne, veranlaßte die Beschäftigung mit philosophischen Unsterblichkeitslehren und ihrer Aufnahme durch die Theologie, die auch die grundsätzliche Bedeutung der Philosophie für die Theologie umfaßte. Im Verhältnis zur Philosophie sah man einen der bemerkenswertesten Unterschiede zwischen den Konfessionen.373 Während von katholischer Seite die Philosophie als Vorbau der Theologie bezeichnet wurde, machte vor allem Pannenberg evangelischerseits auf deren Zweideutigkeit aufmerksam. Die Theologie könne deshalb immer nur im Widerspruch an die Philosophie anknüpfen. Philosophische Theologie außerhalb des Wortes Gottes wurde vom evangelischen Standpunkt her abgelehnt.374 Für das behandelte Thema waren diese Erörterungen von daher wichtig, als von katholischer Seite festgestellt wurde, infolge der evangelischen Vorbehalte gegenüber der Philosophie würden die Unsterblichkeitslehren Piatons, der Scholastiker sowie der Aufklärung und des Idealismus bereits aus grundsätzlichen Erwägungen heraus als nicht mit dem Wort Gottes vereinbar angesehen.375 Dieser Tendenz hielt Pieper entgegen, daß zwar der entschiedene Widerspruch christlicher Theologie gegenüber dem Fortleben des geistigen Menschen nach dem Tod aus eigener sittlicher Kraft nach dem Verständnis der Aufklärung am Platze sei, daß aber dies nicht der Grund dafür sein dürfe, daß etwa in der neueren evangelischen Theologie die dogmatische Erörterung der Unsterblichkeit völlig ausgeklammert werde.376 Er lehnte es ab, die aufklärerische U.vorstellung mit der platonischen oder scholastischen gleichzusetzen. Die Vorstellung der vom Leib unterjochten Seele, die durch den Tod vom Leib befreit werde und dann unsterblich fortlebe, beruht seiner Ansicht nach auf einer aufklärerisch-säkularistischen Mißdeutung, für die er hauptsächlich Moses Mendelssohns Platon-Deutung verantwortlich machte.377 Zumindest sei Piatons U.begriff nicht eindeutig, da er etwa im Phaidros ein zugleich seelenhaftes und leibhaftes Wesen als unsterblich bezeichne. Ferner sei für Platon U. nicht an sich bereits Gegenstand menschlicher Hoffnung, sondern weil das Gericht nach dem Tod bevorstehe, könne U. auch eine Gefahr bedeuten. Das Leben nach dem Tod werde von den Göttern nunft, vernunftgemäßes Handeln) nicht so .Eigenes' wird, daß er nicht zugleich ,als-ausdem-Kreator-uns-zugekommen' bleibt, (ohne daß dieser Ursprung in der Bestandsaufnahme benannt werden kann)" (21). 373 Kuss, Prot., 23. 374 Prot., 20-23 und Anz, Wilhelm, Tod und Unsterblichkeit, in: Schlink, Edmund/Volk, Hermann (Hrsg.), Pro veritate, Münster/Kassel 1963, 249-273, 250/251. So aber auch Karl Rahner, Prot., 24. 375 v g i . Anz, a. a. O. Anz stellte die U.lehre der Philosophen dar, die der evangelischen Theologie Partner waren: Hegel, Kant, Kierkegaard, Luther, Heidegger! 376 Vgl. Pieper, Josef, Tod und Unsterblichkeit, in: Pro veritate, 274-293, 278. 377 Ebd., 277-279.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

zugeteilt.378 Er folgerte daraus, daß die griechische und die chrisdiche U.vorstellung durchaus Gemeinsamkeiten aufzuweisen hätten: „Man kann, erstens, nicht mehr sagen, daß nach Piatons Meinung das Fortleben der Seele hinreichend zu umschreiben sei als ein bloßes, auf der natürlichen Eigen-Potenz beruhendes Weiterexistieren ins Unendliche. Es kann, zweitens, nicht gut weiterhin behauptet werden, die griechische' Lehre vom Fortleben der Seele sei in dem Sinne eine ,rein philosophische' Lehre, daß sie sich ausschließlich auf Empirie und ratio stütze."379 Er führte ferner aus, daß nach der Auflösung der engen Verbindung von Leib und Seele, wie sie Thomas denke, durch den Tod nicht mehr vom Fortleben eines Menschen im vollen Sinne gesprochen werden könne. Dennoch spreche er von der Unzerstörbarkeit der menschlichen Seele von Natur aus, die im Willen des Schöpfers begründet liege.380 Da die Seele auf Leiblichkeit hin angelegt sei, fordere sie geradezu die künftige Auferstehung der Leiber, die für Thomas erst die durch Christus gewirkte übernatürliche Uberwindung des Todes sei.381 Piepers Platon-Deutung will aufweisen, daß es Piaton darauf ankam, die Unsterblichkeit der Seele nicht als Eigenschaft des Menschen aus sich selbst heraus zu verstehen, sondern als von Gott mit der Schöpfung gegeben. Die unsterbliche Seele wäre damit parallel zur Vorstellung einer gratia creata im lebenden Geschöpf als ein ontisches Kontinuum im Toten verstanden, an dem Auferstehung geschehen kann. Entsprechend der evangelischen Kritik an einem ontischen Verständnis der gratia creata, hinterfragte man auch in diesem Zusammenhang, ob die Unzerstörbarkeit des Menschen ontisch zu verstehen sei. Zunächst bestritt man von evangelischer 378

Ebd., 280-284. Ebd., 284. 380 „... gerade auf Grund seiner Vorstellung von Schöpfung, die nämlich besagt, daß Gott, indem er erschafft, das Sein wahrhaft ,mitteilt', das heißt, es nicht für sich behält, sondern es der creatura gibt, so daß die es nun als ihr wirkliches Eigentum besitzt - gerade auf Grund dieses Schöpfungsbegriffs würde Thomas darauf bestehen, daß die Unvergänglichkeit eine der Seele selbst eigene Qualität sei, gründend in dem, was die Seele von Natur i s t . . . Natürlich ist auch Thomas davon überzeugt, daß es eine gottgeschenkte Unsterblichkeit, die des paradiesischen und die des von den Toten auferweckten Menschen, gibt, die nicht schon mit der Natur der Seele gegeben ist; und ich sagte bereits: allein diese Unsterblichkeit des ganzen Menschen ist für Thomas Unsterblichkeit im strengen Sinn. Aber er würde niemals den Gedanken preisgeben, daß der Seele eine in ihrem eigenen Wesen gründende natürliche Unvergänglichkeit zukomme, von der er freilich zugleich behaupten würde, sie sei, eo ipso, ,in Gottes Willen begründet' (a.a.O., 289/290) ... Thomas ist auf gar keine Weise der Meinung, in der natürlichen Unzerstörbarkeit der geistigen Seele könne die wahre Überwindung des Todes liegen. Aber er ist der Meinung, daß es, wenn die Seele des Menschen nicht von Schöpfungswegen unsterblich wäre, nichts und niemanden gäbe, das Gottesgeschenk der Auferstehung und des Ewigen Lebens zu empfangen" (293). 381 Ebd., 291. Vgl. zum Ganzen auch ders., Tod und Unsterblichkeit, München 1968. 379

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Seite die Möglichkeit, die Unzerstörbarkeit mit der Schöpfung zu begründen, da im AT von ihr noch nicht die Rede sei und wollte den Zusammenhang zwischen Tod und Auferstehung Christi und der Gewißheit der Unzerstörbarkeit hergestellt wissen. Ihre philosophische Begründung hielt man für schwierig, nur von der Gottbezogenheit des Menschen her sei sie ableitbar. Übereinstimmung erzielte man darin, daß das Gottesverhältnis des Menschen unzerstörbar sei und daß weder die Gottlosen noch die Gläubigen nach dem Tod aus dieser Beziehung herausfielen. Dabei betonte man auch auf evangelischer Seite, daß diese Relation ein die Leiblichkeit umfassendes Ganzheitsphänomen darstelle.382 Man drang also auch hier zu einer grundsätzlichen Übereinstimmung in der Sache vor, jedoch nur, sofern man von den Begründungszusammenhängen und Ausprägungen der beiderseitigen Lehren absah! Hinsichtlich des dritten Fragenkreises, ob die zeidichen Kategorien bei einer Fortsetzung des Lebens nach dem Tod dieselben bleiben, konnte man zu keiner einheidichen Haltung finden. Zunächst stellte sich die Frage danach, was vom Zeitpunkt des individuellen Todes an bis zur Auferstehung der Toten am jüngsten Tag geschieht. Althaus hatte den Zeitbegriff für diese Phase völlig fallengelassen und statt von einer Konkurrenz zwischen individueller und allgemeiner Auferstehung von deren Koinzidenz gesprochen. Er hatte sich somit gegen die Lehre eines Zwischenzustandes gewandt: „Wir wissen vor der Auferstehung nichts als den Tod und daß die Toten in Gottes Hand sind. Das ist genug."383

Diese Position konnten evangelischerseits nicht alle uneingeschränkt teilen. Während Brunner und Schlink die zeidiche Betrachtungsweise nicht ganz fallenlassen wollten, kritisierte jedoch von Campenhausen alle metaphysischen Konstruktionen zur Aufhebung der bestehenden Spannung.384 Auf katholischer Seite gab es ebenso verschiedene Ansichten zum Zeitproblem. Warnach sprach sich von der Mysterientheologie herkommend für eine Überzeidichkeit der Existenz nach dem Tode aus, womit er die Kategorie der Zeit festhielt, aber ihre begrenzende Eigenschaft bestritt. Er unterschied zwischen der Perspektive der Lebenden, die sowohl individuelle als auch allgemeine Eschatologie kenne, und der der Toten, die unmittelbar nach dem Tod bei Gott seien, und wandte sich somit auch gegen die Vorstellung eines vorläufigen Zwischenzustandes.385 Rahner sprach sich eindeutig für die Beibehaltung der Trennung von indivueller und universaler Eschatologie aus, die nur mit Hilfe der Lehre vom Zwischenzustand mög382 383 384 385

So vor allem wieder von Brunner betont, vgl. Prot, 16, zur Unzerstörbarkeit vgl. 13-18. Die letzten Dinge 1933, 151/152. Prot., 4/5 und 26/27. Prot., 6, 9, 25/26.

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lieh sei, und stimmte damit zwar in der Intention von Campenhausen zu, nicht jedoch in der Ablehnung eschatologischer Aussagen, die über den biblischen Befund hinausgehen.386 Man war damit zu den eigentlich kontroversen Punkten vorgedrungen, mit denen das Interesse der katholischen Theologie an der Vorstellung des Zwischenzustandes zusammenhängt, nämlich der Kommunikation der noch Lebenden mit den nach dem Tod im Herrn Lebenden in Fürbitte und Anrufung sowie der Fegfeuerlehre, wobei letztere als das eigentlich Strittige in der Reformationszeit herausgestellt wurde. Hier wurde von katholischer Seite auf die großen Unterschiede zwischen der Volksfrömmigkeit und der dogmatisierten Lehre hingewiesen. Ferner habe die Fegfeuerlehre eine Wandlung dahingehend erfahren, daß man jetzt stärker betone, daß sich die Heiligen, die Erlösten also, dort befänden.387 4.2. Zur Mittlerfunktion von Verstorbenen und Heiligen Bereits 1950 hatte man sich über die Möglichkeit der Anrufung von Verstorbenen, insbesondere von Heiligen, ausgetauscht,388 die nach katholischem Verständnis als Folge ihrer besonderen Heiligkeit und ihrer beginnenden Vollendung verehrt werden. Bei der Auseinandersetzung um die Möglichkeit der Fürbitte bereits vollendeter Heiliger bei Christus für noch lebende Personen und um die Konsequenzen daraus für die Unmittelbarkeit des Verhältnisses der Gläubigen zu Christus tat sich zunächst dieselbe Grunddifferenz auf, die im Zusammenhang mit der Anthropologie, der Rechtfertigungslehre und der Sakramentenlehre bereits herausgearbeitet wurde. Auch hier erfuhr die Frage unterschiedliche Antworten, ob der Mensch - auf einer Ebene mit den noch Lebenden werden ja die verstorbenen Heiligen von evangelischer Seite gesehen - im Zusammenhang des Heilsgeschehens aus sich heraus in irgendeiner Weise aktiv werden kann. Speziell ging es darum, ob Menschen im Laufe ihres Lebens unterschied386

Prot., 25 und 29. Prot., 27/28 und 31-33. 388 Das Thema wurde bei der 8. Tagung verhandelt, die vom 24.-28.3.50 in Paderborn stattfand. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Asmussen, Bornkamm, von Campenhausen, Friedrich, von der Gablentz, Joest, Krüger, Maurer, Schumann, Prot. Mumm. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Buuck, Gewieß, Hirschmann, Kuss, Lortz, Mörsdorf, Pascher, Schmaus, Volk, Warnach, Prot. Dolch, Gäste: Hasenkamp, Pollet, Rosenmöller. Es wurde in Anbetracht der bevorstehenden Dogmatisierung der Assumptio Mariens gewählt Bornkamm gab eine kurze exegetische Einführung zu den Marientexten im N T und Joest hielt einen Vortrag über die „Communio Sanctorum und die Heiligenverehrung nach evangelischem Verständnis". Beide Referate existieren nur als maschinenschriftliche Anlagen zum Protokoll, ebenso Buucks Ausführungen über „Die dogmatischen Grundlagen der Marienverehrung unter besonderer Berücksichtigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis". Paschers Referat „Die .Communio Sanctorum' als Grundgefüge der kath. Heiligenverehrung" wurde veröffentlicht in: MThZ, 1/1950, 1-11. 387

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liehe Heiligkeitsgrade erlangen können und ob diese es ihnen erlauben, als Mittler zwischen den noch lebenden Gläubigen und Christus zu fungieren. Pascher versuchte in seinem Referat zunächst deutlich zu machen, daß die Anrufung der Heiligen nach katholischem Verständnis eine untergeordnete Funktion habe gegenüber der unmittelbaren Bitte der Gläubigen an Christus. Sein Fazit war deshalb: „Die Heiligenverehrung bleibt somit durchaus innerhalb des großen Rahmens der chrisdichen Heilsordnung und muß von dieser Seite aus als unantastbar betrachtet werden. Bei der direkten Heiligenverehrung kommt es fast mit Notwendigkeit zu einem Gedächtnis der Großtaten Gottes an seinen Erwählten, also zu einem indirekten Gottes- und Christuskult Der klassische Fall ist der der Marienverehrung. Die Verherrlichung ihrer Vorzüge ist nahezu unmöglich ohne ein Feiern der Größe Gottes, allerdings in indirekter Form ... Von Gefahren umwittert ist z.B. die Lehre von den guten Werken, aber ebenso die Lehre vom Glauben allein, ... Gefahrvoll ist so auch die Heiligenverehrung ebenso wie der grundsätzliche Verzicht auf sie."389 Er war ausgegangen von der Liturgie, in der Christus und die Heiligen durch Gedächtnisfeier geehrt werden, und bei der die Heiligen stets nur mittelbar in der dritten Person vorkommen. Der Heilige wird geehrt durch die Erwähnung und Einordnung in den auf Gott gerichteten Kult. Er nimmt an der Mittlerrolle Christi teil, ist ihm als dem Haupt aber dennoch untergeordnet Aus der Liturgie wird nach Pascher deutlich, daß der Vorzug der Heiligen in der communio mit Christus besteht, in der auch die Kirche - jedoch in noch nicht vollendeter und noch nicht endgültiger Weise steht Infolge dieser communio in Christus können auch irdische Glieder der Kirche, auch die Toten, kultisch geehrt werden.390 Auch die liturgische Anrufung der Heiligen bezeichnete Pascher als eine „periphere Erscheinung" in dem Bittakt, der sich durch Christus an Gott wendet Die Fürbitte der Heiligen bekommt ihr Gewicht durch deren Verbindung mit Christus, die Wirkung ihrer Verdienste durch die communio sanctorum, so daß der Glaube an Christus und die communio sanctorum von Pascher als Grundlage und Grundgefüge der Heiligenverehrung bezeichnet wurden.391 Er bestritt jedoch nicht, daß in der Volksfrömmigkeit dieses Grundgefüge häufig außer Acht gelassen wird, und die Heiligen direkt angegangen werden. Eine akute Gefahr der Ausartung in Götzendienst sah er dennoch nicht, zumal die Katholische Kirche im Unterricht den Unterschied zwischen Heiligenverehrung und Verehrung Gottes einpräge.392 Gegen die Argumentationsweise Paschers, daß ja die Kraft der Heiligen von Christus selbst herkomme, wandte Joest ein, es gehe im Glauben nicht 3,9 3.0 3.1 3.2

Vgl. Pascher, a.a.O., 11. Ebd., 2-5. Ebd., 5-7. Ebd., 7-10 (11).

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um das theoretische Wissen über die Herkunft der Kraft der Heiligen, sondern darum, worauf man sein Vertrauen setze. Als weitaus gewichtigeres Argument führte er außerdem an, die Fürbitte der Heiligen könne nichts erwirken, was die unmittelbare Anrufung Christi nicht erreichen könne. Joest selbst hatte zunächst das ntl. Verständnis der communio sanctorum dargelegt, nach dem die Glieder Christus als dem Haupt sakramental einverleibt sind. Daraus folgerte er, daß das Heiligsein der Glieder allein im Heiligsein Christi für sie bestehe. Auch im Miteinander der Glieder und im Dienst am Nächsten sei Christus „der durch uns Heilige".393 Demzufolge wiesen die BSLK jeden Verdienstgedanken zurück und dies sei auch der Grund dafür, daß in der communio sanctorum „eine Hierarchie der innerlich, geistlich, sakramental Bevorrechteten"394 fehle. Er hob zwar hervor, daß es auch nach evangelischem Verständnis der Kirche eine Verbundenheit mit den Vätern und der himmlischen Gemeinde gebe, daraus sei aber noch nicht das Recht oder gar die Pflicht der Anrufung und Verehrung der Heiligen ableitbar. Die BSLK kennen, so Joest, zwar die Fürbitte der Glieder füreinander, bestreiten nicht, daß die Engel mit Christus für uns bitten (Ap XXI, 8) und lassen es offen, ob auch die Verstorbenen für die Lebenden bitten. Fürbitten an Engel und Heilige jedoch oder deren Verehrung lehnen sie ab, da der Heilige, wenn man zu ihm bete, zum Vermittler werde und dann nicht mehr Christus das alleinige Subjekt unseres Tuns bleibe. Alle Heiligen der communio sind vielmehr nach den Aussagen der BSLK gleichermaßen auf Christus hin orientiert Joest faßte zusammen: „ D i e Anrufung und Verehrung der Heiligen wird also nicht darum abgelehnt, weil eine individualistische Religiosität das Wissen um die lebendige G e m e i n schaft mit den Vätern und der oberen Gemeinde verloren hätte, sondern gerade darum, weil es diese lebendige Gemeinschaft in ihrer reinen und ausschließlichen Bezogenheit auf das eine H a u p t Jesus Christus zu bewahren gilt" 3 9 5

Die Fragestellung ob es eine Verbindung gibt zu den verstorbenen Gliedern der communio sanctorum, worin diese besteht und ob sich die Verstorbenen im Grade ihrer Heiligkeit von den noch Lebenden unterscheiden, war im Hinblick auf das Thema zwar nicht so zentral wie die soteriologische, weil diese Thematik aber besonders von evangelischer Seite selten aufgegriffen wird, war ihre Behandlung dennoch von Bedeutung.396 Auf beiden 3.3

Vgl. zum Ganzen Anlage 2 zum Protokoll, 1-11, Zitat, 5. Ebd., 6. Ebd., 11. Asmussen verwarf in seinem Buch „Maria die Mutter Gottes", Stuttgart 1950, einen evangelischen Individualismus, der das Evangelium mit dem Individualismus verwechsele, und der zur Ablehnung der Mariologie führe. Stattdessen stellte er Maria als Repräsentantin der ganzen Menschheit dar, die innerhalb der Geschlechterfolge von Adam her das letzte Glied vor Christus sei (16). Vgl. Prot, 4, wo sich Asmussen für die Heiligenverehrung ausspricht, da es eine Verbindung zu den vollendeten Gerechten gebe. 3% Vgl. Joest, Prot., 6: „Entscheidend ist nicht die metaphysische Frage des Unterschiedes, 3.4 3.5

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Seiten schien es nicht fraglich gewesen zu sein, daß die Verstorbenen zur communio der Lebenden hinzugehören. Auf evangelischer Seite glaubte man die Toten jedoch einfach in einem Zwischenzustand, in dem sie wie die Lebenden ihrer Vollendung noch entgegensehen, während man auf katholischer Seite einen höheren Heiligkeitsgrad der Verstorbenen annahm, ihre zumindest beginnende Vollendung.397 Während Schlink immer wieder hervorhob, daß z. B. nach Offenbarung 6 die gestorbenen Märtyrer Wartende seien, deren Urteil noch ausstehe, daß aber eine „Querverbindung" der Einzelnen im N T nicht zu finden sei, hielt Schmaus das eschatologische Element für vereinbar mit Gegenwärtigkeit. Für ihn haben die Heiligen bereits die Zusicherung ihres Heils und legen deshalb Fürsprache für uns ein in der Hoffnung, daß auch wir kommen.398 Auf evangelischer Seite bestritt ferner vor allem Joest, daß das Verhältnis zum Bruder, der Fürbitte tut, dasselbe sei, wie das zu Verstorbenen, die Fürbitte tun, während Volk und Schmaus die Anrufung der Heiligen mit dem seelsorgerlichen Verhältnis zu einem Bruder verglichen.399

sondern die soteriologische Frage. Wir lehnen die Anrufung der Heiligen nicht ab, weil wir mit der Todesgrenze rational nicht fertig werden; sondern die Frage ist die: Können die Heiligen kraft ihrer besonderen Verdienste mitwirken am Heil?" Der Vorwurf, die Evangelischen bezögen die Vollendeten nicht mit ein, wurde von Volk geäußert. Demgegenüber bezeichnete Stählin eine solche Haltung als individualistische Entartung reformatorischer Lehre (Prot, 27). Vgl. auch Stählin, Wilhelm, Zu dem Marienbuch von Hans Asmussen, in: Dt. Pfarrerblatt 51/1951, 345-349. Hier spricht er davon, daß das Assumptio-Dogma die Frage nach dem Schicksal der Verstorbenen vor der Auferstehung neu aufgeworfen habe, die von evangelischer Seite kaum beachtet werde, da man einen „ereignislosen Zwischenzustand" annehme, „welcher jede aktive Bedeutung der Verstorbenen für die auf Erden Lebenden ausschließt Wenn darüber hinaus etwas zu sagen uns nicht erlaubt ist, dann ist damit allerdings ein durchschlagendes Argument nicht nur gegen die Fürbitte der Heiligen, sondern auch gegen jede Mittlertätigkeit der Maria erhoben" (ebd., 348). Unter Berufung auf Paul Le Ceur macht er jedoch auf die Frage von katholischer Seite aufmerksam, „ob wir in unseren überlieferten Denk- und Ausdrucksweisen der Fülle der Hl. Schrift gerecht werden" (349). Als Anstoß zum Nachdenken über diese Frage wertet er die Veröffentlichungen Le Ceurs und Asmussens. In seinem Votum bei der Tagung des ÖAK sprach er von einer beiden Konfessionen gemeinsamen „Front gegen den Individualismus". Die Kommunikation mit den Verstorbenen erfolge jedoch nicht verbal, sondern in einem tieferen Sinne im gemeinsamen Sein in Christus. Darin sahen Wamach, Schmaus und Volk jedoch die Personalität und die Aktion zu kurz kommen (Prot, 27/28). 3.7 Ebd., 26. Über das Heiligsprechungsverfahren der Katholischen Kirche wurde laut Protokoll bei dieser Tagung nicht gesprochen. In ihm wird eine Klassifizierung der Heiligen vorgenommen, durch die die Unterschiede im Heiligkeitsgrad manifest werden. Dies wäre evangelischerseits auch unter dem Aspekt zu hinterfragen, woher Menschen das Recht nehmen, über die Heiligkeit anderer zu urteilen, bzw. ob sich die Heiligkeit eines Menschen an der Zahl der von ihm vollbrachten Wunder, also an seinen Werken messen läßt In der Orthodoxen Kirche gibt es eine solche formelle Heiligsprechung mit vorangehendem Prozeß nicht. Vgl. Oesterle, G./Klauser, R./Joannou, P., Art Heiligsprechung, in: LThK 5, 142144. 3.8 Prot, 24/25. 3.9 Ebd., 24.

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Joest begründete seine Auffassung damit, daß zwar die Fürbitte des Bruders, nicht aber die Anrufung der Heiligen biblisch sei. Gewieß wies deshalb darauf hin, daß es zunächst noch keine Toten unter den Christen gegeben habe und daher erst spätere Schriften die Anrufung der Heiligen beinhalteten.400 Krüger brachte diese Differenz auf den Punkt: „Die Konsequenzen der Konfessionen (hinsichtlich der Todesgrenze) gehen gerade in entgegengesetzte Richtung. Der Katholik bekennt: Gerade um der Grenze willen dürfen wir sie anrufen. Der Protestant sagt: Um dieser Grenze willen dürfen wir sie nicht anrufen."401

Die wesentliche Frage der Diskussion war aber diejenige, ob die Anrufung der Heiligen den unmittelbaren Bezug zu Christus einschränkt Bei ihrer Behandlung wurde deutlich, daß man von einem unterschiedlichen Verständnis dessen ausging, was Heilige überhaupt sind und worin ihre Mittlerfunktion besteht. Katholischerseits vertraten vor allem Volk und Pascher die Position, die Einordnung der Heiligenanrufung in die Christusoration der Gläubigen zeige deudich, daß sie keinesfalls etwas Trennendes zwischen den Gläubigen und Christus sei und deshalb von der evangelischen Dogmatik her nicht zwingend abzulehnen sei. Volk sah deshalb zu Recht das eigendich Trennende zwischen den beiden Konfessionen im reformatorischen „solus Christus", das jegliche vermittelnde Funktion von Menschen im Hinblick auf das Heil ablehne. Diese Position wurde von den Heidelbergern, am massivsten von v. Campenhausen, vertreten. Er unterschied deudich zwischen der Anrufung der Heiligen und der Vermitdung des Glaubens durch Menschen. Die Heiligenverehrung sei nicht durch die Märtyrer aufgekommen, sondern durch heidnische Einflüsse in den Volksglauben eingedrungen. Sie widerspreche dem lutherischen Katechismus, nach dem allein auf Gott zu vertrauen sei.402 Schlink machte in seiner Argumentation vor allem den eschatologischen Vorbehalt stark, der in der katholischen Lehre dann nicht ernst genommen werde, wenn den Heiligen ein vermittelnder Dienst von Menschen zu Christus hin zugeschrieben werde. Die Kirche dürfe nicht statisch gesehen werden, sondern die Auferstehung geschehe erst in der Zukunft; die ecclesia triumphans stehe noch aus.403 Bezüglich des gesamten Komplexes nahmen die Heidelberger Lutheraner die Haltung von CA XXI und Apologie XXI ein: Die Heiligen können als Vorbilder im Glauben dienen, ihre Anrufung und die Applikation ihrer Verdienste hat jedoch keine Basis in der Schrift Abgelehnt wird, von der Fürbitte der lebendigen Heiligen untereinander auf die Fürbitte der toten Heiligen zu schließen.404 Obwohl die Fürbitte der Engel und der Heiligen 400 401 402 403 404

Ebd., 24/25. Ebd., 6. Ebd., 20. Ebd., 22. CA XXI, BSLK, 83b und Ap XXI, BSLK 316/317 (1-7).

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anerkannt wird, wird die Wirksamkeit der Anrufung nicht durch ein Schriftwort verheißen und diese deshalb abgelehnt.405 Es werden zudem Bedenken geäußert, daß trotz der Unterscheidung von Mitdern, die Fürbitte tun, und dem einen Mittler, der uns erlöst, die Heiligen zu „Versöhnern" gemacht werden.406 Ferner wird bestritten, daß sich die Heiligen untereinander ihre Verdienste mitteilen können.407 Die Heiligenverehrung wird von heidnischen Bräuchen abgeleitet408. Alle diese Vorwürfe richten sich gegen die Lehre, nicht nur gegen die Mißbräuche. Weil aber die Confutatio in keiner Weise auf diese Mißbräuche eingeht, können die Mißbräuche nicht von der Lehre getrennt werden.409 Als Konsequenz aus dem reformatorischen „solus Christus" verneinten sie damit jede menschliche Aktivität im Rahmen des Heilsgeschehens, obwohl man katholischerseits als Ursprung und einzige Quelle aller menschlichen Aktivität bzw. aller Kraft der Heiligen Jesus Christus nannte. Jede vermittelnde Funktion der Heiligen, wie auch immer verstanden, wurde abgelehnt, selbst die Heiligkeit des Einzelnen in der communio sanctorum wurde von Joest als Heiligkeit Christi gesehen.410 Damit blieb Joest eigentlich hinter dem Stand der letzten Tagungen zurück, bei denen von evangelischer Seite in relativer Übereinstimmung die Zusammengehörigkeit von Gerechtsprechung und Heiligung, also auch

405

Ebd., 318 (10/11). Ebd., 319 (14/15). •Χ" Ebd., 322 (20). 408 Ebd., 323 (32/33). 409 Ebd., 326 (39). Maurer und Schlink wandten gegen Paschers Referat ein, Volksfrömmigkeit und Liturgie könne man nicht trennen. Schlink, Prot., 17: „Im praktischen Vollzug des Gottesdienstes überlagern sich Liturgie und Volksfrömmigkeit: Am Altar wird die korrekte Liturgie gehalten, während gleichzeitig das Volk seinen vulgären Frömmigkeitsübungen obliegt Ihre theoretische Unterscheidung verschwimmt in der Praxis. Deshalb tun die lutherischen Bekenntnisschriften recht daran, zwischen beiden zu unterscheiden." 410 Zu Joest siehe oben. Vgl. Schmaus, Prot., 16/17: „Mir fällt auf, dass die Heiligenanrufung so verstanden wird, als ob der Heilige erst Christus in Bewegimg setzen muss. Das trifft wohl für die Volksfrömmigkeit zu, aber nicht für die dogmatische Lehre. Die Anrufung der Heiligen gehört zu der von Gott festgesetzten Heilsordnung. Das Heil stammt vom Vater im Himmel. Nur der Vater ist alles in allem, nicht Christus. Denn Christus übergibt sein Reich ja dem Vater. Die erbarmungsvolle Liebe des Vaters erreicht uns durch die communio sanctorum hindurch. Es ist von vornherein so: Christus ergreift mich durch den Heiligen hindurch. Die Bewegung kommt von oben, nicht von unten. Christus handelt Ich lasse sein Tun an mir geschehen. Dieser gesetzte Heilsvollzug kann im Glauben bewußt werden; ihn wünschen, das heisst den Heiligen anrufen. Das ist die Meinung der katholischen Heiligenverehrung. Die Anrufung der Heiligen ist kein unerlässliches Element der katholischen Frömmigkeit. Das Concilium Tridentinum ist da sehr zurückhaltend. Die Anrufung der Heiligen gehört zwar zur vollen Heilsordnung, aber nur am Rande. , Christus der allein Heilige', das können auch wir sagen in dem Sinne, dass Er die Quelle aller Heiligkeit ist, aber nicht so, dass nur Er heilig ist Wenn wir die Heiligen anrufen, wenden wir uns an den Vater und erwähnen dabei die Liebe der Heiligen." 406

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der Vorgang am Menschen, als der CA gemäß hervorgehoben wurde. Sicher zogen sich die evangelischen Teilnehmer zum damaligen Zeitpunkt in Anbetracht der bevorstehenden Dogmatisierung der Assumptio Mariens wieder mehr auf die spezifische Ausprägung ihrer Lehre zurück, als sie das als gemeinsam Entdeckte hervorhoben. Außerdem war damals die Vermittlung zwischen der Erkenntnis, daß sich die Rechtfertigung am Menschen auswirkt und dem extra nos unseres Heils in Christus etwa in dem Sinne, daß durch die Einwohnung Christi in uns und durch den „fröhlichen Wechsel" die Heiligkeit Christi zu unserer Heiligkeit wird, noch nicht als eine Dimension lutherischer Rechtfertigungslehre herausgearbeitet worden, wie dies mittleiweile der Fall ist.411 Stählin und Asmussen näherten sich in ihren Voten jedoch deutlich der katholischen Auffassung an, wie sie vor allem Volk vertrat Sie sahen das „solus Christus" durch die Anerkennung der Vermittlung durch Heilige nicht gefährdet. Asmussen setzte dabei die personale Vermittlung der Botschaft durch die Apostel mit der Mittlerstellung der Heiligen gleich. Stählin plädierte für die Berücksichtigung der personalen Venmittlung der Botschaft auch durch die Heiligen neben der von der evangelischen Seite vertretenen instrumentalen im Sinne einer mit Christus verbindenden, nicht einer von ihm trennenden Funktion. Schlink formulierte daraufhin als Aufgabe, „die Unmittelbarkeit in der Mittelbarkeit herauszuarbeiten."412 Die zunächst „katholisierend" anmutenden Äußerungen Stählins und vor allem Asmussens entsprangen ihrem im Grundsatz dem ökumenischen Gespräch sehr zuträglichen gemeinsamen Anliegen, die Intention der polemischen Exklusivpartikel beizubehalten und trotzdem dem katholischen „Und" auch in der evangelischen Lehre wieder einen gewissen Raum zu geben, um damit die Ganzheit und Fülle chrisdicher Lehre wieder zur Geltung zu bringen. In vielen überspitzten Formulierungen Asmussens gerade in Veröffentlichungen zum Thema Heiligen- und Marienverehrung zeigte sich jedoch die Gefahr, bei diesem Vorgehen Positionen einzunehmen, die das reformatorische Anliegen nicht mehr wahren. Seine Intention war es immerhin, einen Mittelweg zwischen beiden Konfessionen zu finden.413 411 Vgl. dazu die neueren Entwürfe finnischer Lutheraner, ζ. B. die ontologische Lutherdeutung Tuomo Mannermaas, in: ders., Der im Glauben gegenwärtige Christus, Arbeiten zur Geschichte und Theologie des Luthertums, Neue Folge Band 8, Hannover 1989. 412 Schlink, ebd., 19, Stählin, 18/19, Asmussen, 4 und 19/20. 4 U Vgl. dazu Asmussen, Hans, Maria, die Mutter Gottes, Stuttgart 1950, besonders 15 und 50/51 zur Frage der Mittlerschaft aller Christen und Zenk, Georg, Evangelisch in Katholizität Ökumenische Impulse aus Dienst und Werk Hans Asmussens, Frankfurt 1977, 249-254 zu Asmussens Haltung gegenüber den Exklusivpartikeln und 298-300 zur Mittlerfunktion der Menschen. Vgl. auch Stählin, Wilhelm, Allein. Recht und Gefahr einer polemischen Formel, Stuttgart 1950 und ders., Zu dem Marienbuch Asmussens, in: D l Pfarrer-

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blatt 51/1951, 345-349. Stählin würdigt Asmussens Buch positiv hinsichtlich seiner Fragestellungen, bemerkt aber, daß einige seiner Formulierungen so überspitzt seien, daß sie kaum als haltbar angesehen werden können: Zu Asmussen 15: „Die Anführungsstriche, mit denen A. das Wort ,mitwirken' versehen hat, machen freilich darauf aufmerksam, was für ein gefährlicher Grenzbegriff, trotz seiner biblischen Beglaubigung (1. Kor 3,9), dieses Wort .mitwirken' ist Auf der anderen Seite darf, wenn wir Asmussen darin recht verstehen, durch den scheinbaren Radikalismus des reformatorischen Allein und durch die entschiedene Verwerfung jedes ,Synergismus' nicht ein Tatbestand verdunkelt werden, der gerade an der Gestalt der Jungfrau Maria sichtbar wird. Gott gebraucht sie nicht als ein willenloses Werkzeug, und ihr demütiger Gehorsam, der nichts Eigenes hinzu tut, ist die Form, in der sie den Ratschluß Gottes ,mitvollzieht'. Aber gerade darin ist sie ,repräsentativ' für die Art, wie es im neuen Bund zwischen Gott und Mensch sich verhält" (348). Sein Fazit: „Es ist mir wahrscheinlich, daß einer gründlichen Prüfung einige Formulierungen von H. Asmussen als nicht haltbar erscheinen werden; aber das ist, so meine ich, nicht entscheidend gegenüber der Tatsache, daß hier Fragen aufgeworfen sind, denen wir uns nicht mehr entziehen oder verschließen können" (349). Während vor allem Asmussen von evangelischer Seite wegen seiner Position scharf kritisiert wurde (vgl. Walter Künneths Kritik an Asmussens Marienbuch „Evangelische Mariologie?", in: Ev.-luth. Kirchenzeitung 5/1951, 7/8, und Asmussens Antwort „Ist Christologie auch Mariologie?", in: Ev.-luth. Kirchenzeitung 5/1951, 56-58), nahm man seinen Ansatz auf katholischer Seite als Basis des ökumenischen Gesprächs bereitwillig auf. Als Reaktion der Teilnehmer des Katholischen Arbeitskreises sei genannt Fries, Heinrich, Antwort an Asmussen, Stuttgart 21958, wo Fries u.a. die Mittlerschaft Mariens nicht neben, sondern in Christus, als entscheidend auch für katholische Mariologie bezeichnet (132). Außerdem Volk, Hermann, Verbreiterte Basis reformatorischer Theologie?, in: Theolog. Revue 47/1951, 1-10. Volk geht hier auf Stählins Schrift „Allein" und Asmussens Marienbuch ein und würdigt deren Ansatz, das Entweder-oder der reformatorischen Exklusivpartikel aufzubrechen (1). Das Anliegen des reformatorischen „Allein" erkennt Volk an, aber als theologische Aussage hält er es für falsch. Stählins Ansatz bedeute deshalb eine tragfähige Grundlage aller kontroverstheologischen Arbeit Er erläutert weiter, daß das „Und" unerläßlich sei, angesichts des responsorischen Charakters des Glaubens und der Tatsache, daß bei demselben Vorgang Gott und der Mensch total beansprucht würden. Durch ein strukturiertes „Und", das Gott und dem Menschen in keinem Fall dasselbe zuschreibt, könne dem reformatorischen Anliegen entsprochen werden (5). Aus der Tatsache, daß Asmussens Schrift die Marienverehrung zum Ergebnis hat, folgert er, daß katholischerseits die Mariologie nicht zu mindern sei, sondern der mariologische Glaube immer wieder auf seine Deutlichkeit hin zu überprüfen und in den Zusammenhang der Heilstat und -Wirklichkeit zu stellen sei. Die Gefahr der Grenzverwischung von Gott und Mensch sieht er, sie ist aber seiner Ansicht nach klärbar (9/10). Vgl. ders., Christus und Maria, Münster 1958, wieder abgedruckt in: ders., Gott alles in allem, Mainz 1961, 145-174, zur Problematik des „et". Aus dem Exkurs wird m. E. deutlich, daß man Asmussen und Stählin nicht einfach katholisierende Tendenzen vorwerfen kann ohne den ökumenisch fruchtbaren Ansatz zu würdigen, der sowohl von Künneth als auch in den katholischen Stellungnahmen als solcher auch aufgenommen wurde. Allerdings ging vor allem Asmussen in seinen Ausführungen zu weit und muß sich die Kritik am Spekulativen seiner Aussagen von Künneth zu Recht gefallen lassen. Es ist auch nicht zu übersehen, daß Asmussen den Katholiken mit seinen Ausführungen unberechtigte „Hoffnungen" auf eine Anerkennung der Mariologie von evangelischer Seite machte, die im Zusammenhang mit der Diskussion um das Assumptio-Dogma die evangelische Kritik abschwächen mußte.

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4.3. Zusammenfassung Auch im Hinblick auf das Leben nach dem Tod blieb der grundlegende Konfliktpunkt derselbe. Nach katholischer Auffassung ermöglicht nur die Annahme eines Zwischenzustandes, in dem die Seele bis zur Auferstehung weiterexistiert, und des Fortbestandes der Seele als Teil des Geschöpfs, festzuhalten an der bleibenden Identität des Menschen auch nach dem Tod. Nach evangelischer Auffassung ist dafür die Vorstellung einer bleibenden Gottesbeziehung, also der bleibenden Identität des Geschöpfs von Gott her, ausreichend. Durch den Fortbestand der Seele als Teil des Leibes sieht sie die Bedeutung der Auferstehung geschmälert. Verständigungsmöglichkeiten ergaben sich aber dennoch: Für beide Seiten war klar, daß die Auferstehung von größerer Bedeutung ist als die Unsterblichkeit Ferner betonte man auf katholischer Seite, daß allein Gott der Urheber der Unsterblichkeit sei, nicht etwa die Seele aus sich heraus. Außerdem werde die Seele durch den Tod in einer Weise destruiert, daß sie nur durch die Auferstehung wieder hergestellt werden könne. Gemeinsam ging man von einer bleibenden Gottesbeziehung der Verstorbenen aus. Auf den katholischen Einwand, sie müsse sich auch im Fortbestand der ontischen Gestalt der Seele manifestieren, reagierte man evangelischerseits mit dem Hinweis darauf, daß es sich bei der Gottesbeziehung um ein auch die Leiblichkeit umfassendes Ganzheitsphänomen handele. Auch im Bereich der „letzten Dinge" hatte sich damit gezeigt, daß in den unumstößlichen, dem N T entnommenen Glaubenswahrheiten, der Kontinuität des Geschöpfs nach dem Tod und seiner völligen Verwandlung bei der Auferstehung, Einigkeit herrschte, die jedoch durch die Ausprägung zweier verschiedener Lehrgebäude und durch deren sich unterscheidende Begründungszusammenhänge überlagert werden. Auch für die Bewertung der vermittelnden Tätigkeit verstorbener Heiliger war es relevant, ob sie dazu aufgrund ihrer eigenen Heiligkeit oder als Folge ihrer Gemeinschaft mit Christus fähig sind. Von katholischer Seite wurde zwar eindeutig die Bedeutung der communio mit Christus herausgestellt. Doch auch dann noch stehen nach evangelischem Verständnis alle Glaubenden in derselben Weise in Gemeinschaft mit Christus, so daß eine Hierarchie unter ihnen evangelischerseits abgelehnt wurde. Die evangelische Ablehnung der Heiligenverehrung gründete damit zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich, auf den Mißbräuchen und Verdrehungen in der Volksfrömmigkeit.

5. Fazit Da die Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch als der Gegenstand der Theologie schlechthin bezeichnet werden kann, verwundert es nicht, daß die Suche nach den eigentlich trennenden Gegensätzen in weiten Be-

Fazit

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reichen der Dogmatik immer wieder zu dieser Grundthematik führte. Indem man sie erörterte, wurden die Unterschiede in der Intention, der Perspektive, der Begrifflichkeit und in der philosophischen Denkweise sichtbar. Die katholische Dogmatik verfolgt die Absicht, eine umfassende Beschreibung der Vorgänge zwischen Gott und Mensch zu geben und berücksichtigt von daher gleichermaßen das Handeln Gottes wie das des Menschen. Für die evangelische Dogmatik ist charakteristisch, daß sie aus der existentiellen Betroffenheit des Sünders heraus das Alleinhandeln Gottes im Hinblick auf das Heil hervorkehrt, ohne die Vorgänge am Menschen zu reflektieren. Von Anfang an verliefen die Gespräche aber so, daß man sich katholischerseits nicht von dem Vorwurf getroffen fühlte, ein eigenständiges Handeln des Menschen im Hinblick auf sein Heil zu behaupten, und man umgekehrt auf evangelischer Seite entgegen dem Vorwurf, man vernachlässige die Rolle des Menschen, nicht bestritt, daß durch das Handeln Gottes am Menschen etwas geschieht: Die Vorordnung des Handelns Gottes als alleinige Ursache menschlichen Heils wurde also auch katholischerseits als Maßstab für die eigene Lehre herausgestellt. Daß der Mensch als Objekt göttlichen Handelns nicht einfach außer Acht gelassen werden kann, wurde auch von evangelischer Seite anerkannt. In diesem entscheidenden Punkt erkannte man eine grundlegende Übereinstimmung, von der man sich aber nicht den Blick verstellen ließ für die Verschiedenheit beider Konzeptionen. Allmählich lernte man zu differenzieren zwischen deren inhaltlichem Kern, über den sich nur schwer streiten ließ, und ihren formal verschiedenen Ausprägungen. Als Folge der inhaltlichen Gemeinsamkeiten erkannte man die Einseitigkeiten des eigenen Entwurfs und die Berechtigung des jeweils anderen. Die allmählich gewonnene Erkenntnis der Geschichtlichkeit und Situationsbedingtheit von Lehraussagen, ihrer Wandelbarkeit und Offenheit für Interpretationen ermöglichte es, sich weiter anzunähern, indem man an mißverständlichen Terminologien arbeitete, die die inhaltlichen Gemeinsamkeiten zu sehr verstellten. Diese Zusammenfassung des Arbeitsprozesses soll noch einmal deutlich machen, daß der heutige Gesprächsstand des ÖAK in den dargestellten Problemkreisen nicht durch eine Verwischung inhaldicher Unterschiede oder deren unbegründete Verlagerung in den terminologischen Bereich erreicht wurde. Von entscheidender Bedeutung für seine Beurteilung ist die Tatsache, daß die Basis für alle dogmenhermeneutischen Untersuchungen und Strukturvergleiche die von Anfang an festgestellte Gemeinsamkeit im Hinblick auf die Unfähigkeit des Menschen, aus eigener Kraft sein Heil zu erlangen, war. Auf dieser bei der Suche nach dem eigentlich Trennenden gewonnenen Erfahrung, nicht auf dogmenhermeneutischen Operationen, beruht die heute formulierte, jedoch lange zuvor schon gewonnene Erkenntnis, daß die weiterhin bestehenden Differenzen in diesem Bereich keine trennende Bedeutung haben müssen.

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B. Die Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche im Zusammenhang mit der Heilsvermittlung Neben den Auseinandersetzungen um die Rolle des Menschen im Rahmen der Heilszuwendung Gottes an ihn stellten die ekklesiologischen Themen von Anfang an einen zweiten Schwerpunkt der Arbeit des ÖAK dar. Etwas zugespitzt läßt sich sagen, daß es bei ihrer Behandlung um dieselbe Kontroverse auf „institutioneller" Ebene ging. Insofern nämlich, als die Rolle der Kirche als „menschliche" Institution bei der Heilsvermittlung zur Debatte stand. Parallel zu der Fragestellung, inwiefern dem Menschen als Geschöpf bzw. dem gerechtfertigten Menschen etwas Göttliches anhaftet, durch das er im Hinblick auf sein Heil aktiv werden kann, ging es im Bereich der Ekklesiologie darum, in welcher Weise der Kirche als Institution ein göttliches Element oder eine besondere Heiligkeit zukommt, die sie zur Vermittlung des Heils durch Wort und Sakrament befähigt. Ging es zuvor um die Frage, wie man sich die Verbindung des einzelnen Gläubigen mit Christus vorzustellen hat, so war auch im Hinblick auf die Kirche strittig, ob ihr durch eine organische Verbindung mit Christus eine eigenständige Funktion zukommt bzw. inwiefern sie in ihrem Bestand und ihrem Wirken von Christus als einem Gegenüber abhängig ist Wieder spielten bei der Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche die Unterschiede zwischen ontisch-substantialer und personal-relationaler Denkweise eine Rolle. Anhand der ekklesiologischen Tagungen des OAK durch die Jahrzehnte kann man nachvollziehen, welchen Weg die Ökumene im Bereich der Ekklesiologie vor allem unter dem Einfluß des II Vatikanum bis heute zurückgelegt hat. Es wird aber auch deutlich, daß in diesem Bereich von Anfang an die Verständigung schwieriger war.

1. Christus und die Kirche Die den ekklesiologischen Kontroversen zugrundeliegende Problematik des Verhältnisses von Christus und seiner Kirche wurde bereits 1946 bei der ersten eigentlichen Arbeitstagung des ÖAK in Hardehausen 1 angesprochen. 1

Die Tagung fand vom 3.-5.9.46 in Kloster Hardehausen statt Kath. Teiln.: Jaeger, Söhngen, Volk, Pascher, Hasenkamp, Rosenmöller, Pieper, Wamach, Grosche, Simon, Hanssler. Ev. Teiln.: Stählin, Sasse, Schlier, Schlink, von der Gablentz, Krüger. Vgl. Teilnehmerliste (Korr Schlink). Erzbischof Jaeger konnte aus privaten Gründen nicht während der ganzen Tagung anwesend sein (Jaeger an Schlink, 2.10.46, Korr Schlink). Auf evangelischer Seite waren Asmussen, Schumann, Menn, Trillhaas, E. Wolf und Brunner zusätzlich eingeladen (Schreiben Stählins an die ferngebliebenen Mitglieder vom 13.9.46 und 30.10.46, Korr EvAk). Trillhaas und E. Wolf baten auf die Anfrage hin, ob sie in Zukunft bei den

Christus und die Kirche

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Diese wiederum bildete die Fortsetzung eines Gesprächs, das schon bei der konstituierenden Sitzung in Werl 1946 stattgefunden hatte. Die gemeinsamen Tagungen begannen also mit dem Austausch über den Kirchenbegriff. Das ergab sich wohl zum einen daraus, daß - wie Sasse in Werl feststellte - der Protestant „die Kirche neu entdeckt"2 hatte, zum anderen aber aus der Auseinandersetzung mit der Rolle der Kirchen unter dem nationalsozialistischen Regime.3 In Hardehausen wählte man als Einstieg in die grundsätzliche Behandlung des Wesens der Kirche den Epheserbrief. Der exegetische Ansatz würde, so hoffte man, im Gegensatz zu einer dogmatischen Zugangsweise eher eine gemeinsame Basis schaffen können. Und in der Tat zeigte sich, daß die eigentlichen Differenzen erst da hervortraten, wo die Exegese von der Dogmatik beeinflußt wurde. Die Referate über „Die Kirche im Epheserbrief 1 wurden von Warnach auf katholischer und Schlier auf evangelischer Seite gehalten.4 Warnach erläuterte kurz, warum gerade der Epheserbrief auf seine Lehre von der Kirche hin untersucht werden sollte. Seit die Kirche durch das (L)Vatikanum und die Enzykliken „Satis cognitum" Leos XIII und „Mystici coiporis" Pius' XII zu einem Hauptgegenstand der neueren katholischen Theologie geworden sei, beschäftige sich die katholische Exegese vornehmlich mit den Gefangenschaftsbriefen, in denen die „Urkirche in einem bereits fortgeschrittenen Stadium ihrer Selbsterfassung"5 begegne. Er betonte, es gehe ihm vornehmlich um eine „theologische Wesensschau", nicht um eine Betrachtung der Organisation der Kirche, da im Eph ja das Verhältnis der Kirche zu Christus dargelegt sei. Die Aussagen des Eph über die Kirche als Mysterium und als Leib Christi bildeten die Basis des Kirchenverständnisses, das in der katholischen Liturgischen Bewegung neu aufgebrochen war und in der Enzyklika „Mystici corporis" 1943 seinen offiziellen Niederschlag fand. Neben pa-

Tagungen teilnehmen wollten, wegen Überbeanspruchung um die Aufnahme zweier anderer Mitglieder. E. Wolf bat um die Aufnahme von Prof. Hans Emil Weber aus Bonn, mit dem zusammen er einen Sammelband zum evangelisch-katholischen Gespräch herausgegeben hatte. Vor allem von Schlink wurden dagegen massive Einwände erhoben, nicht weil Weber kein Lutheraner sei, sondern weil es ihm an dogmatischer Prägnanz fehle! (Trillhaas an Schlink, 12.11.46; Schlink an Stählin, 25.1.47 Korr Schlink). 1 Vgl. Stählins Niederschrift der Besprechung in Werl, 1 (Akten EvAk). 3 In Werl ging es im Sinne einer Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit vornehmlich um die Möglichkeit einer satanischen Verfälschung innerhalb der Kirche, bzw. in Hardehausen um die Bedeutung des Bekenntnisses für die Kirche. Darauf wird bei der Erörterung der Auseinandersetzung um die Heiligkeit der Kirche bzw. um Schrift, Tradition und die Rolle des Lehramtes noch näher einzugehen sein. 4 Veröffentlicht wurden sie in: Grosche, Robert (Hrsg.), Beiträge zur Kontroverstheologie. Beiheft zur Catholica 1, Münster 1949. Ein Protokoll der Tagung liegt in den Akten des EvAk nicht vor, obwohl laut einem Schreiben Stählins an Simon am 11.9.46 (Korr EvAk) ein Bericht über diese Tagung in Auftrag gegeben wurde. 5 Vgl. Beiträge zur Kontroverstheologie 1, 7 und 42, Anm.2.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

tristischen Quellen berief sich Warnach bei seiner Auslegung hauptsächlich auf sie. So bildete einen Schwerpunkt seiner ausführlichen Exegese die Interpretation des Soma-Begriffs bei Paulus, ausgehend von Eph 1, 23. Dabei war ihm wichtig, daß die „pneumatische Lebenseinheit" der Christen mit Christus zugleich in „ihrer historisch gewordenen, .empirischen' Gestalt, als sichtbar-unsichtbare Wirklichkeit"6 in der Kirche in Erscheinung tritt; d.h. aus dem Charakter der Kirche als Leib Christi resultierte für ihn die Sichtbarkeit der Kirche, die zu ihrem Wesen gehöre.7 Darüber hinaus leitete er aus den Aussagen des Epheserbriefs über die Amter in der Gemeinde (Eph 2, 20; 4, 11 ) den Rechtscharakter der Kirche ab, der zwar nicht das „eigentliche" Wesen der Kirche ausmache, aber dennoch zu ihrer „Wesenskonstitution"8 gehöre. In dieser Frage der Zugehörigkeit der rechdichen Ordnung der Kirche zu ihrem Wesen taten sich die Hauptgegensätze in der Diskussion auf, die jedoch nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Konfessionen aufbrachen.9 So kam Schlier als evangelischer Korreferent zu ähnlichen Aussagen wie Warnach, wenn er die Amtsträger im Eph als „charismatische Hierarchie"10 bezeichnete, oder aus Eph 2,19 „das unlösbare Miteinander, ja Ineinander von Liebes-und Rechtskirche"11 folgerte.

4

Zitat a.a.O., 31, vgl. 10/11, 34 und Zusammenfassung, 41. Neben Kirchenväterzitaten berief sich Warnach dabei auf die Enzyklika „Satis cognitum" Leos XIII: „Propter earn rem quod corpus est, oculis cernitur Ecclesia", AAS 28/1895-1896, 710, und „Mystici corporis": „Quapropter a divina ventate ii aberrant, qui Ecclesiam ita effingunt, ut ñeque attingi ñeque videri possit, sitque tantum ,pneumaticum' aliquid". AAS 35/1943, 199f. Zitiert nach: Beiträge zur Kontroverstheologie 1, 48/49. 8 A.a.O., 41, vgl. auch 40 und 31. Zu dem Rechtscharakter der Kirche gehört ihre hierarchische Gestalt. Apostel und Propheten bezeichnete Wamach somit als „hierarchisch-pneumatische Stände" (40). Völlig abwegig scheint mir die Auslegung von Eph 2, 12 und 2, 19 zu sein. Warnach entnimmt diesen Stellen den Charakter der Kirche als polis, als Staatswesen (40/41). Das ist wohl eine übertrieben wörtliche Interpretation dieses Abschnitts, in dem es um die durch Christus ermöglichte Aufnahme der „Heiden" in das „Volk Gottes" geht ' Vgl. den knappen Bericht, den Stählin am 7.12.46 auf dessen Bitte um Unterrichtung vom 29.11.46 hin an Asmussen sandte: „Die Tagung des Ökumenischen Arbeitskreises, die in der ersten Septemberwoche in Kloster Hardehausen bei Scherfede stattfand, ist in einer sehr schönen und befriedigenden Weise verlaufen. Die Vorträge über die Kirche im Epheserbrief und über das Bekenntnis bei Paulus ... standen auf großer Höhe;die Aussprache,für die viel Zeit gelassen war, drangen wirklich in die Tiefe der Fragen.Es war bemerkenswert, dass die Vertreter der beiden Konfessionen nicht als starre Fronten gegenüber- standen, sondern dass vielmehr offene Fragen auch jeweils innerhalb beider Konfessionen aufbrachen. Am fühlbarsten waren die Gegensätze hinsichtlich der Bedeutung der rechtlichen Ordnung der Kirche, anders ausgedrückt hinsichtlich des Verhältnisses von Recht und Liebe" (Briefwechsel Stählin/Kanzlei der EKD, Korr EvAk). 10 Vgl. Beiträge zur Kontroverstheologie 1, 98. 11 A. a. O., 96. Schliers Referat war jedoch kaum repräsentativ für eine evangelische Auslegung des Epheserbriefs. Die Diskussion über den Stellenwert des Rechtes und der Kirchenordnungen in der Kirche wurde bei der 11. Tagung 1951 fortgesetzt und soll in einem eigenen Kapitel ausführlicher behandelt werden. 7

Christus und die Kirche

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Es mußte damals den Widerspruch der evangelischen Seite herausfordern, daß die Zugehörigkeit zum Leib Christi auch nach der Enzyklika „Mystici corporis" noch an die Zugehörigkeit zur Institution der Römischkatholischen Kirche gebunden war. Unter diesen Voraussetzungen mußte Warnach die Aussagen des Eph über die universale Ecclesia im Grunde ausschließlich auf die Ecclesia romana beziehen. 1953 wurde die Problematik bei einer eigenen Tagung verhandelt.12 Obwohl das Thema „Christus und die Kirche", das ergänzt wurde durch den Zusatz „unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach der Grenze der Kirche", in unmittelbarem Anschluß an Buucks Referat zur Kirchenmitgliedschaft bei der vorausgegangenen Tagung zu „Buße und Beichte" gewählt worden war, ist nicht zu übersehen, daß auch die Dritte Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung bereits vom 15.-18.8.52 in Lund zu genau demselben Thema stattgefunden hatte.13 Die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung begann damals auch mit der Ausarbeitung eines Arbeitsheftes zum Thema, das 1963 bei ihrer 4. Weltkonferenz in Montreal den Delegierten vorgelegt wurde.14 Während bei diesem Projekt ausführlich die christologischen Grundlagen der damaligen römisch-katholischen Ekklesiologie behandelt wurden, wobei die Identität Christi mit der Kirche bestritten und stattdessen nur eine Entsprechung zwischen Gottheit und Menschheit Christi und göttlicher und weltlicher Realität der Kirche behauptet wurde15, sprach man im ÖAK diese grundlegende Difu Die Tagung fand vom 23.-27.3.53 in der Ev. Akademie Tutzing statt. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Gewieß, Hirschmann, Kuss, Mörsdorf, Pascher, Rahner, Schmaus, Söhngen, Volk, Warnach, Sartory, Prot. Dolch. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Asmussen, Bornkamm, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, von der Gablentz, Joest, Kinder, Maurer, Menn, Schumann, Wolf, Prot Mumm. Die exegetischen Referate hielten O. Kuss und H. D. Wendland, die dogmatischen H. Volk und E. Schlink. Veröffentlicht wurden nur die Vorträge von Kuss und Schlink, die anderen liegen auch in den Akten des EvAk nicht vor. u W. Stählin hatte den deutschsprachigen Kongreßbericht herausgegeben „Lund. Dritte Weltkonferenz der Kirchen für Glauben und Kirchenverfassung", Witten 1954. Teilgenommen hatten aus dem Evangelischen Arbeitskreis neben Stählin auch Menn und Kinder (Prot, der 12. Tag, 9, dort berichteten sie von Lund) sowie Schlink, der ein Referat zum Thema „Das wandernde Gottesvolk" gehalten hatte und zusammen mit Skydsgaard, Nygren, Niesei, Lilje u. a. gemäß der in Lund erstellten neuen Verfassung zum Kommissionsmitglied gewählt worden war (Kongreßbericht, 71 ff., Ref. Schlink, 102-109). 14 Arbeitsheft I der 4. Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung: Christus und die Kirche, Zürich 1963. 15 Vgl. hierzu den Aufsatz von Heribert Mühlen, Die Ekklesiologie der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen und das Vaticanum II, in: Bäumer, Remigius/Dolch, Heimo (Hrsg.), Volk Gottes, Festschrift für Josef Höfer zum 65. Geburtstag, Freiburg/Basel/Wien 1967, 603-638. Mühlen geht hier auch ein auf die Entwicklung der römisch-katholischen Ekklesiologie von der Neuromantik zwischen den beiden Weltkriegen über die Korrektur eines mystischen Verständnisses des fortlebenden Christus mit der Vorstellung einer „Vergöttlichung" des Menschen durch „Mystici corporis" bis hin zu den Aussagen von „Lumen gentium" und berücksichtigt dabei den dieser Entwicklung zugrundeliegenden Wandel im Verständnis der Inkarnation (608 ff.).

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

ferenz nur kurz an. Eine stärkere Berücksichtigung dieses Aspektes hätte - ähnlich wie die Tagung von 1956 zu Christi Wirken als Hohepriester für die Frage der „Mitwirkung" der Gläubigen beim Opfer in der Eucharistie - tieferliegende christologische Unterschiede und ihre Bedeutung für die Ekklesiologie hervorkehren können. Freilich ging es auch in Tutzing um die damals noch sehr pointiert gegeneinanderstehenden Auffassungen, daß Christus seiner Kirche gegenübersteht bzw. daß die Kirche als Christus prolongatus quasi völlig eins mit Christus ist. Man ging die Kontroverse jedoch nicht von der Christologie, sondern von der Eschatologie her an. Schlink hatte schon in seinem Referat in Lund von der Kirche als von dem wandernden Gottesvolk, das unterwegs ist in Erwartung des wiederkommenden Herrn, gesprochen16 und lenkte mit seinen dogmatischen Ausführungen zur Kirche als der auf Christus wartenden Braut17 auch das Gespräch der Arbeitstagung in diese Richtung.

16 Bericht, 102 und 109. Zum Spektrum der in Lund vertretenen Positionen vgl. Bericht, 28: „Alle stimmen darin überein, d a ß sie Jesus Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn, als den Gegenwärtigen in Seiner Kirche leben und zugleich über sie herrschen sehen . . . Wir betonen einhellig die Solidarität des Hauptes und der Glieder, aber auch die Souveränität des Hauptes über die Glieder am Leibe Christi. Hinsichtlich der Art und Weise der Teilhabe der Glieder am Haupte wurden indes unter uns die Akzente verschieden gesetzt. Die erste dieser beiden Ansichten unterstreicht die Fülle Christi als etwas, was die Kirche bereits empfangen, wenn auch nicht immer bewußt sich angeeignet hat. Die zweite Ansicht unterstreicht, d a ß die Fülle Christi erst bei seiner Wiederkunft in der Herrlichkeit greifbar da sein wird. Im gegenwärtigen Aeon allerdings verwirklicht sich die Fülle Christi nur in der Kirche unter dem Kreuz." v Vgl. Schlink, Edmund, Christus und die Kirche. 12 Thesen für ein ökumenisches Gespräch zwischen Theologen der evangelischen und der römischen Kirche, in: K u D 1/1955, 208-225, 211. Das Referat Wendlands zur nd. Grundlegung wurde weder maschinenschriftlich den Teilnehmern vorgelegt noch veröffendicht. Zum Thema „Das Reich Gottes als Gemeinschaft Jesus und die Kirche)" äußert er sich jedoch in: ders., Die Eschatologie des Reiches Gottes bei Jesus. Eine Studie über den Zusammenhang von Eschatologie, Ethik und Kirchenproblem, Gütersloh 1931, 135-199. Auch er legt hier großen Wert auf den eschatologischen Charakter der Kirche. Als Ergebnis seiner Untersuchung stellt er fest: J e s u s hat, im Vorblick auf seinen Tod, der Jüngerschaft eine festere Form gegeben als bisher, dadurch daß er seinen Willen zum Bau der Ekklesia ausspricht, die er auf Petrus als dem Grundstein begründen werde. Als dem Träger der göttlichen Botschaft gibt er dem Petrus Gericht und Vergebung in die Hand als die Kräfte und Mittel, die die Gemeinde bestimmen und von allem anderen scheiden. Diese Gemeinde ist die wahre Verwirklichung Israels als des Hauses und Volkes Gottes. Daher wird ihr das Reich gegeben werden. Sie ist die für das Ende bereitete Gemeinde. Aber sie wird nicht als die vollendete Gemeinde bezeichnet, diese kommt vielmehr erst in der Parusie des Menschensohnes, im Weltgerichte zustande. Doch dieser eschatologischen Vollendung ihrer selbst lebt die Endgemeinde entgegen. Da sie die Gemeinde des Christus ist, von ihm selbst erbaut, hat sie die Anwartschaft auf das Reich der Herrlichkeit" (183/184). Er wendet sich klar gegen die Betrachtungsweise Edgar Salins, der den eschatologischen Charakter dieser Vorgänge nicht erkenne „und daher die Geschichte der Kirche bis Augustin als irdische Verwirklichung des Reiches Gottes ansieht, so daß Jesus und die Urgemeinde im wesendichen als Vorstufen dieser Verleiblichung zur

Christus und die Kirche

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Es sollte deutlich werden, daß nach evangelischer Auffassung noch keine volle Gemeinschaft der Kirche mit Christus besteht. In der gottesdienstlichen Versammlung allein, so Schlink, ereignet sich die Selbstvergegenwärtigung nicht nur des Auferstandenen sondern auch des wiederkommenden Herrn. Sie steht deshalb im Mittelpunkt des Kirchenbegriffs der Reformation (CA VII). In ihr handelt Christus gegenwärtig, und sie allein bildet deshalb die Mitte kirchlichen Lebens. Christus ist somit in jeder Ortskirche ganz gegenwärtig, und jede Ortskirche ist deshalb in vollem Sinne Kirche. Durch die in der Taufe gewonnene gemeinsame Anteilhabe an Christus bilden die Glieder einer Ortskirche wiederum mit allen Gläubigen der Welt eine Kirche.18 Schlink hatte also gleichzeitig das Verständnis der Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen dem institutionellen katholischen Kirchenbegriff entgegengesetzt. Von der katholischen Seite aus wurde aber bestritten, daß Kirche nur „aktualistisch" im Gottesdienst faßbar sei, und die Eigenbedeutung der Institution Kirche auf Erden, die in ihrer sichtbar-unsichtbaren Gestalt bereits in mystischer Personeinheit mit Christus bestehe, gegenüber der endzeitlichen Kirche wurde hervorgehoben.19 Lediglich Söhngen sprach von einer „inneren Grenze" der Kirche im Verhältnis zu ihrem Haupt Jesus Christus, die mehr Berücksichtigung finden müsse.20 Wie sehr sich die Situation mit dem II. Vatikanum veränderte, zeigt ein Vergleich mit den Aussagen, die 1963 bei einer Tagung, die sich explizit mit dem Thema „Die Kirche und die Parusie Christi"21 befaßte, getroffen

katholischen Kirche hin erscheinen, besser: daß die ganze Entwicklung gleichsam von Augustin rückwärts gesehen wird. Daher kann der Endglaube und der Gedanke der für das Reich bereiteten Gemeinde keinen Platz finden. Es ist eine Gestalt- oder Verleiblichungsmystik, die diese Geschichtsanschauung trägt, und diese Gestaltmystik ist spezifisch und eschatologisch" (186). Zwar läßt sich aus einigen Äußerungen zu Wendlands Referat im Protokoll entnehmen, daß dies nicht unbedingt der Inhalt seines Referates war, das wohl vor allem von Paulus ausging (Prot, 3). Es ist aber insofern interessant, als er hier zwei Positionen gegenüberstellt, die sich bei der Diskussion während der OAK-Tagung ebenfalls genau so gegenüberstanden. 18 KuD 1/55, 209-215. 19 Vor allem Volk kritisierte an Schlinks Referat die einseitig eschatologische Ausrichtung (Prot, 17). Sein Referat dieser Tagung liegt nicht vor. In anderen Veröffentlichungen des damaligen Zeitraums vertrat er ganz die Ekklesiologie von „Mystici corporis". Gleichzeitig legte er Wert darauf, daß die Kirche sowohl Heilsmittel als auch Heilsfrucht sei. Während sie als Heilsfrucht nahezu mit dem Reich Gottes identisch sei, habe sie als Heilsmittel besonders durch das Amt eine spezifische Funktion vor der Wiederkunft Christi. Vgl. ders., Das sakramentale Element in der Kirchengliedschaft, in: Unio christianorum, Festschrift für Lorenz Jaeger zum 70. Geburtstag, Paderborn 1962, 345-357, 349 und ders., Die Einheit der Kirche und die Spaltung der Christenheit, in: ders., Gesammelte Schriften I, Mainz 1967, 181-210, 185/186. 20 Prot., 4. 21 Es handelte sich um die 24. Tagung vom 1.-5.4.63 in Paderborn. Ev. Teiln.: Stählin, Dietzfelbinger, Schlink, Anz, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, Joest, Kin-

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

wurden. Der Diskussion lag nun der doppelte Kirchenbegriff von Lumen gentium zugrunde. Die Bezeichnung der Kirche als Leib Christi und als Volk Gottes führte zu einer Differenzierung auf katholischer Seite zwischen den Gläubigen, die noch auf Christus warten, und die, sofern sie sündigen, noch unter dem Gericht stehen, und der Kirche als Mysterium, die mit Christus verbunden der krisis bereits enthoben ist.22 Damit war zwar eine Annäherung an das evangelische Kirchenverständnis gegeben, da nicht mehr nur die Identität der Kirche mit Christus, sondern auch das Gegenüber zum Ausdruck gebracht wurde. Volk sah es jetzt auch als Gefahr an, daß die Beschreibung der Kirche als corpus Christi im Gegensatz zu der als Volk Gottes darauf hinauslaufen könne, daß Christus sich dann nur zu sich selbst verhalte, d. h. daß das Gegenüber des handelnden Christus zu den Menschen, an denen er handelt, nicht mehr zum Ausdruck komme.23 Aber ein Sein der Kirche neben den zu ihr gehörigen Gliedern konnte von evangelischer Seite auch dann nicht akzeptiert werden, wenn die Gemeinschaft der Gläubigen zusätzlich zu ihr in den Blick genommen wird. Der Gegensatz wurde vor allem auch in den Referaten zum Ausdruck gebracht Während Greeven und Joest24 ausschließlich von der Kirche als

der, Schumann, Wendland, Prot. Mumm, entschuldigt: Harms, Lau, E. Lohse, Pannenberg, Skydsgaard, Westermann, Wolf. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Dolch, Fries, Höfer, Lortz, Mörsdorf, Pieper, Rahner, Schelkle, Schnackenburg, Söhngen, Warnach, Prälat Joseph Ziegler, Prot Krems, entschuldigt: Grosche, Schmaus. Gewieß war verstorben und Ratzinger an seiner Stelle kooptiert worden (Prot, 4 und 58). 22 Warnach, Prot., 13/14. 23 Prot., 40. 24 Vgl. Greeven, Heinrich, Kirche und Parusie Christi, in: KuD 10/1964, 113-135, 126 („Gott wird nicht unterscheiden zwischen Kirche und Nichtchristen, sondern zwischen Gottesfürchtigen und Ungerechten.") und 135 sowie Thesen, Prot., 4/5; Joest, Wilfried, Die Kirche und die Parusie Jesu Christi (dogmat.), in: Gott in Welt, Festgabe für K. Rahner zum 60. Geb., Bd.I, Freiburg/Basel/Wien 1964, 536-550, 545 ff. (Die Kirche - Sammlung des Gottesvolkes auf die Parusie Jesu Christi hin): „Denn zum Glauben gerufen werden heißt in die Kirche gerufen werden, und umgekehrt ist die Kirche die innere Einheit der an Christus Glaubenden mit Christus und untereinander. Sie ist als solche ganz gewiß mehr als nur ein äußerlich zusammenfassender Begriff für die numerische Vollzahl aller glaubenden Individuen, vielmehr Realität ihrer Einheit mit Christus und untereinander. Aber real ist diese Realität eben in diesen Glaubenden und ihrem Zusammensein, nicht irgendwie hypostatisch über ihnen. Bzw. wenn wir fragen, was denn in der Einheitswirklichkeit Kirche über dem Zusammensein der glaubenden Menschen ist, so können wir nur noch antworten: Christus selbst, genauer. Gott, der durch Christus im Heiligen Geist ihre Einheit mit sich und untereinander begründet und erhält Sofern wir aber nach dem Gegenüber der Kirche zu Christus fragen - und das tun wir in unserem Thema „Die Kirche und die Parusie Jesu Christi" - , gilt von der Kirche dasselbe, was von dem Glauben des einzelnen Christen in seinem Verhältnis zu dem gekommenen, gegenwärtigen und wiederkommenden Christus gilt und worin er ja eben nicht als Einzelner fiir sich, sondern im Zusammen mit allen Glaubenden lebt" (545) und Thesen, Prot., 27 ff., besonders These 10, 29 sowie Prot, 43.

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der Summe der Gläubigen gesprochen hatten, unterschieden Schnakkenburg und Volk zwischen den einzelnen Gläubigen und der Kirche als ganzer.25 Die evangelischen Einwände richteten sich vor allem gegen die Folgen einer solchen Unterscheidung für die Eschatologie und letztlich für die Frage nach der Indefektibilität der Kirche. Wie Schnackenburg ausgeführt hatte, gibt es nach katholischem Verständnis eine individuelle Eschatologie der einzelnen Gläubigen, die von derjenigen der Kirche als ganzer unterschieden werden kann.26 Zwar wissen beide Konfessionen um die Verheißung ecclesia perpetua mansura sit, doch während nach katholischem und orthodoxem Verständnis nur die einzelnen Glieder der Kirche sündigen können, geht die evangelische Theologie grundsätzlich davon aus, daß auch die Kirche als ganze, da sie nicht anders als als Gesamtheit aller Gläubigen bestimmt werden kann, sündigen kann und der Buße bedürftig ist 27 Die Erörterung des Verhältnisses der Kirche zu Christus mündete also in die entscheidende Frage, wodurch die Kirche durch alle Zeiten bestehen und ihre heilsmittlerische Funktion ausführen kann: Indem Christus als ihr Gegenüber in ihr handelt, oder indem ihr als sichtbar-unsichtbarer Größe Indefektibilität zukommt? D i e Bedeutung der Unterscheidung zwischen Christus und der Kirche wurde in späteren Diskussionen zunehmend von katholischen T h e o l o g e n hervorgehoben. Als man 1969 den Gründen für die Krise der Autorität auch innerhalb der Kirche nachspürte, war es Heinrich Fries, der im Anschluß an Rahners transzendentalphilosophischen Ansatz beklagte, d a ß die Transzendenz, auf die sow o h l der M e n s c h als auch die Kirche angelegt sei, nicht mehr transparent werde. Er machte die fehlende Unterscheidung zwischen Christus und der Kirche, die Gleichsetzung zwischen der Kirche und d e m Reich Gottes und das fehlende Selbstverständnis der Kirche als Dienende für den Autoritätsverlust verantwortlich. 28 Bei der darauffolgenden T a g u n g 1970, als es im Rahmen der Diskussion

25

Vgl. Schnackenburg, Rudolf, Kirche und Parusie, in: Gott in Welt Bd.I, 551-578, 577: „Besonders in der Darstellung des Matthäus erkennt man die Kirche als eine auch mit unwürdigen Gliedern durchsetzte Gemeinschaft (s. o.), und bei Lukas dürften mehrfach die Vorsteher angesprochen und zur Verantwortung und Treue (vgl. 12, 42-48), zu tatkräftigem Wirken (vgl. 19, 12-26) und brüderlichem Dienen (22, 24-27) aufgerufen sein. So wird hier die irdische, noch unvollkommene Gestalt der Kirche sichtbar, die sich unter der Führung des Heiligen Geistes (vgl. Apg) läutern muß . . . Die Kirche als Ganze freilich wird und kann nicht dem Gericht verfallen, da sie ja die messianische Endgemeinde ist, zur Teilnahme am Gottesreich berufen und zur seligen, Gott verherrlichenden Gemeinschaft der Erlösten erkoren". Vgl. auch Schnackenburg und Volk, Prot., 10. 26

Prot, 12/13. Prot., 19, 36/37 und 40. Brunner und Wendland betonten die Gefahr des antichristlichen Abfalls in der Kirche (Prot., 37/38). 28 Vgl. Prot der 30. Tagung 1969, 13/14 und Fries, Heinrich, Autorität in der Krise, in: Krems, G./Mumm, R., Autorität in der Krise, Regensburg/Göttingen 1970, 51-78, 59 ff., besonders 66. 27

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um eine ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft darum ging, ob Christus oder die Kirche zum Abendmahl einladen, betonte Karl Lehmann zwar, der Unterschied zwischen Christus und Kirche sei ihm leichter zu formulieren, als die Einheit beider, die auch im Begriff des Ursakraments zum Ausdruck komme. Es wurde jedoch gleichzeitig deutlich, daß diese Entwicklung allein noch nicht die Lösung aller Probleme war, denn auch bei der Berücksichtigung der Verschiedenheit von Christus und der Kirche hinterfragte er, ob der Sprung von der universalen Einladung durch Christus zur universalen Zulassung zum Abendmahl, den Pannenberg vollzogen hatte, so unmittelbar erfolgen könne.29

2. Wesen und Eigenschaften der Kirche Die soeben gestellte Frage durchzog alle Auseinandersetzungen des ÖAK mit dem Wesen und den Eigenschaften der Kirche. Im Grunde handelte es sich dabei um die Frage nach einer möglichen Selbstbehauptung der Kirche neben Christus. Schlink brachte die evangelische Sichtweise und die grundsätzlichen Bedenken gegenüber dem katholischen Verständnis 1953 wie folgt auf den Punkt: „Die Kirche ,hat' diese Eigenschaften im täglich neuen Empfangen und täglich neuen Ergreifen. Mit anderen Worten: Sie hat ihre Eigenschaften nur in der doppelten Bewegung des von Christus Gerufenwerdens heraus aus der Welt und des von Christus Gesandtwerdens hinein in die Welt 30 Sollte jedoch eine Kirche ihr Sein und ihre Eigenschaften von Christi täglich neuem Zuspruch und Anspruch losgelöst als ihr Eigentum festhalten wollen, dann würde ein solches Verständnis der Einheit zur Spaltung, ein solches Verständnis der Heiligkeit zur Verweigerung der Buße, ein solches Verständnis der Katholizität zum Weltherrschaftsanspruch, ein solches Verständnis der Apostolizität zur Loslösung vom geschichtlichen Apostolat und damit zur Selbstbehauptung gegenüber Jesus Christus führen."31 Die Problematik dieser Gegenüberstellung liegt freilich darin, daß die Katholische Kirche damals ihre Eigenschaften nur deshalb als ihre eigenen betrachtete, weil sie sich als Einheit mit Christus verstand, so daß der Unterschied zur evangelischen Haltung nicht von vornherein in der Selbstbehauptung gegenüber Christus liegen muß, sondern - ganz in der oben bereits aufgezeigten Entsprechung zum anthropologisch-soteriologischen Kontext - zunächst in der unterschiedlichen Ausdrucksweise der bestehenden Verbindung zwischen Christus und der Kirche. 29

Prot, der 31.Tagung 1970 zur Interkommurnon, 47ff. und siehe unten unter 2.3.2. b). Vgl. Zielsetzung von Kapitel II, Christus und seine Kirche, Bericht Lund, 23: „In den folgenden Abschnitten versuchen wir, 1. von dem Wesen der Kirche im Sinn einer doppelten Bewegung zu sprechen (ihrem Herausgerufensein aus der Welt und ihrem Hineingesandtsein in die Welt) . . . " 31 KuD 1/1955,225. 30

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Ausgehend von der Heiligkeit der Kirche sollen nun die Erörterungen hierzu im einzelnen dargestellt werden, bevor in den nächsten Kapiteln die Konsequenzen der Wesensbestimmung der Kirche für ihre Funktion als Heilsmittlerin ausgeführt werden. 2.1. Die Heiligkeit der Kirche 2.1.1. Die Bußfähigkeit der Kirdie

Die Heiligkeit der Kirche und ihre Bußfähigkeit beschäftigte den ÖAK aus aktuellem Anlaß bereits bei der ersten Zusammenkunft in Werl 1946. Damals kam man auf die Möglichkeit einer „satanischen Verfälschung" in der Kirche zu sprechen, als man sich mit der Rolle der Kirchen unter dem nationalsozialistischen Regime befaßte. Aus einer Reflexion über die Nachahmung der Kirche bei den Nationalsozialisten („NS als säkularisierter Katholizismus") ergab sich die Frage nach der Mitverantwortung der Christen für dieses Unrechtsregime, und man erhob die Forderung eines Schuldbekenntnisses. Jede Seite erkannte bei sich antichristliche Gefährdungen innerhalb der Kirche. Sasse sah sie aus seiner Sicht der Dinge bei der Bekenntnissynode von Barmen gegeben, Söhngen fand sie in Erscheinungen beim I. Vaticanum, „die ständig an den NS. erinnern".32 Das dort erlassene Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes bezeichnete er jedoch ausdrücklich als irreformabel und nicht von der antichristlichen Verfälschung bedroht. Auch auf evangelischer Seite war man damit einverstanden, daß kirchliche Entscheidungen nur insofern reformabel sind, als sie in einer anderen geschichtlichen Situation neu zu interpretieren sind.33 Grundsätzlich betonte man, daß die dämonische Bedrohung für Luther zum Wesen der Kirche gehöre, weil gerade in der Kirche der Mensch sich an die Stelle Gottes setze. Gerade in den „Sicherungen", die die Kirche aufbiete, sah man die Hauptgefahr, weil über ihnen die „Sache" vernachlässigt werde. Dem stimmte Söhngen voll und ganz zu, während wieder Schlier selbstkritisch äußerte, in der Evangelischen Kirche stünde man eher in der Gefahr, die Sicherungen zu „relativieren."34 Darüber, welches denn diese Sicherungen der Kirche oder notae ecclesiae sind, unterhielt man sich laut Niederschrift nicht Hierbei wären wohl weit größere Differenzen entstanden. Ebenso da, wo man hinterfragt hätte, was denn beide Kirchen unter einem Dogma 32

Stählins Niederschrift der Besprechung 1946 in Werl, 2. A.a.O., 2 und Stählin, Via Vitae, 555. 34 A.a.O., 1/2. In „Via Vitae" berichtet Stählin ergänzend von der Anfrage der katholischen Seite, ob die Evangelische Kirche die Bezeichnung des Papstes als „vere Antichristus" in den Bekenntnisschriften beibehalte. Schon zu Beginn der Arbeit des OAK empfand man also die bleibende Gültigkeit der Verwerfungssätze des 16.Jh. als hinderlich. Erst 1986 begann man damit, sich eigens diesem Thema zuzuwenden! (a.a.O., 555). 33

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verstehen. Damals ging es jedoch noch nicht um die gegenseitige Konfrontation mit theologischen Bedenken. Vielmehr spricht aus den Äußerungen die Freude über den Beginn der Zusammenarbeit auf dem Hintergrund des gemeinsam Durchlebten. Bei der eingehenderen theologischen Auseinandersetzung mit der Heiligkeit der Kirche 1953 trat der konfessionelle Gegensatz erheblich stärker hervor. Von evangelischer Seite wurde in Anbetracht der Tatsache, daß man Christus als Gegenüber der Kirche verstand, die Heiligkeit primär als Christi Heiligkeit und die des Geistes bezeichnet, der in den Gliedern der Kirche wohnt, die selbst Sünder sind. Von katholischer Seite sprach man von der Heiligkeit als Eigenschaft der Institution Kirche. Evangelischerseits wurde hierzu die Frage aufgebracht, inwiefern die Kirche nach katholischem Verständnis dann überhaupt Buße tun könne. Die Diskussion darüber befaßte sich vor allem damit, ob die Kirche als ganze oder nur der einzelne Gläubige Subjekt des Bußetuns sein könne. Schlink hielt der Katholischen Kirche vor, daß ihr Verständnis einer der Kirche wesenhaft immanenten Heiligkeit nicht die Bußfähigkeit der Kirche als ganzer beinhalte. Diesen Vorwurf hielten Söhngen und Schmaus für zu pauschal. Söhngen differenzierte deshalb und stellte richtig, eine „reformatio in capite et membris" bezüglich der moralischen Ordnung der Kirche könne es geben, nicht aber eine in Wahrheitsfragen. Schmaus ergänzte, um „Buße" der Kirche könne es sich nur nach dem Abfall von durch Christus aufgetragenen Dogmen handeln, den er nicht für möglich hielt. Wenn etwa die Enzyklika über die Schrifterklärung das „Comma Johanneum" aufgebe, so sei dies möglich, aber strenggenommen keine Buße.35 Die Frage aber, ob der Einzelne oder die Kirche „Subjekt des Bußetuns" sei, war auch unter den evangelischen Anwesenden umstritten je nach dem, ob die „wahre" unsichtbare Kirche oder die Institution im Blick war. Asmussen stützte sich auf die Aussage Luthers, nach der die Kirche im strengen Sinne, also die unsichtbare Kirche, nicht Buße tun könne, da die sichtbaren „Flecken und Runzeln" eben nicht zu ihrem Wesen gehörten. Auch Brunner ergänzte, Buße sei nur in der Kirche als soziologischer Größe möglich. Verstoße eine Kirche nämlich gegen den articulus stantis et cadentis, so sei sie nicht mehr „wahre Kirche" und könne nur noch an der Taufe, nicht mehr an ihren Merkmalen erkannt werden.36 Entscheidend war jedoch, daß evangelischerseits für die Kirche als soziologische Größe die Bußfähigkeit als möglich oder sogar notwendig eingeräumt wurde, während katholischerseits wegen der engen Verbindung 35

Vgl. Schlink, Söhngen, Asmussen, Prot, der 13.Tagung 1953, 22/23, Schmaus, 25, Volk, 17. 36 Prot., 27-29. Es schloß sich eine Diskussion über die Bedeutung des katholischen Bußsakramentes im Gegensatz zum Laienbekenntnis an. Schmaus meinte, bei letzterem könne man das Heil nur mit „gewisser Sicherheit" erhoffen (Prot, 24/25).

Wesen und Eigenschaften der Kirche

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von sichtbarer und unsichtbarer Gestalt der Kirche betont wurde, daß die Kirche als ganze, unabhängig von den Sünden ihrer Glieder, heilig bleibe und Buße im strengen Sinne, im Hinblick also auf den Abfall von durch Christus aufgetragenen Dogmen, nicht erfolgen könne.37 Ohne eine Annäherung hinsichdich der Bewertung der sichtbaren und unsichtbaren Gestalt der Kirche schien eine Einigung über ihre Heiligkeit, aber auch über ihre anderen Eigenschaften wie ihre Einheit damit unmöglich zu sein. 2.1.2. Defektibilität und Indefektibilität der Kirche 1963 gelang es, als unmittelbare Folge der Ausführungen Karl Rahners zu Defektibilität und Indefektibilität der Kirche und grundsätzlich ermöglicht durch den differenzierteren Kirchenbegriff des ILVatikanum, gemeinsam von dem Nebeneinander defektibler und indefektibler Elemente der Kirche zu sprechen. Sofern Rahner die Kirche bestimmt hatte als „die durch Gottes Gnade in Jesus Christus zusammengerufene G e m e i n d e der in H o f f n u n g und Liebe an die Parusie Christi als n o c h ausständige Glaubenden" 3 8 ,

andererseits jedoch ihren Charakter als eschatologische Wirklichkeit hervorgehoben hatte, auf Grund dessen sie ein anderes Verhältnis zur Parusie Christi habe als die andere kreatürliche Wirklichkeit, da nämlich in ihr die vollendete Zukunft bereits gegenwärtig sei, hatte er eine Wesensdefinition der Kirche gegeben, die so von evangelischer Seite akzeptabel war. Zum einen hatte er mit seiner Hervorhebung der Kirche als Glaubensgemeinde den Charakter der Heilsfrucht gegenüber dem der Heilsinstitution betont, zum anderen hatte er dieselbe Intention wie Joest verfolgend versucht, „von der eschatologischen Verfasstheit her. die Defektibilität und die Indefektibilität der Kirche z u vereinen." 39

Rahner hatte damit die Abgrenzung der defektiblen und indefektiblen Elemente in der Kirche, von der letztlich abhängt, inwiefern die Kirche als Heilsmittel wirksam sein kann40 und inwiefern sie von dem im Zusammenhang der Parusie stattfindenden Gericht betroffen sein wird, als die eigendiche Problematik im kontroverstheologischen Gespräch über das Ver37

Vgl. Schlink, KuD 1/55,216. Rahner, Karl, Kirche und Parusie Christi, in: ders., Schriften zur Theologie VI, Einsiedeln 1965, 348-367, 349 und Prot, der 24. Tagung 1963, 26 (Thesen). 39 Prot, 31. Vgl. auch Prot., 26 und Rahner, a.a.O., 351 f. und 359 sowie zu Joest, a.a.O., 545ff. 40 Besonders Schnackenburg legte Wert auf die cooperado der Kirche auf die Parusie Christi hin. Gott verwirkliche durch die Kirche einen Heilsplan, so daß sie nicht nur ecclesia crucis sei. Durch die Feststellung, daß ebenso auch der einzelne Glaubende mit seinen Werken verantwortlich sei (Prot., 8/9), zog er die oben angedeutete Parallele zur Rechtfertigung. 38

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

hältnis der Kirche zur Parusie Christi bezeichnet, das ja - wie unter 2.1.1. ausgeführt - den Rahmen darstellte.41 Auch er arbeitete, wie bereits 1953 geschehen, als den entscheidenden Unterschied die Beantwortung der Frage heraus, „ob, in welcher Weise, unter welchen Voraussetzungen diese Indefektibilität der Kirche in Liebe, Hoffnung und Glaube von ihrem letzten Wesen her auch ein Charakteristikum des Institutionellen an ihr und des Amtes ist und sein muß".42 Er betonte den notwendigen Zusammenhang der Kirche als eschatologischer Heilsgemeinde mit dem indefektiblen Amt, indem er sie als dessen Sachgrund bezeichnete. Von dieser Zuordnung des Amtes zur Gesamtkirche her konnte er den für eine Annäherung in der Diskussion um das Lehramt nicht unwesentlichen Schluß ziehen, „daß man auch in katholischem Verständnis durchaus eine Indefektibilität des Amtes in all seinen Funktionen, wenn auch bei jeder in ihrer ganz spezifischen Weise, annehmen muß, diese Indefektibilität aber auch gleichzeitig, insofern sie vom Amt, der Institution und somit der geschichtlich greifbaren Gestalt der Kirche ausgesagt wird, als einen Grenzfall der Kirche auffassen darf (den es freilich im katholischen Verständnis der Kirche wirklich und konkret greifbar gibt), anstatt, wie es in der katholischen Theologie gewöhnlich geschieht, diese Indefektibilität nur hinsichdich des Lehramtes deudich zu entwickeln und dann aber diese Indefektibilität als den Normalfall aufzufassen und andere lehrhafte Akte des Amtes als Grenzfälle, denen diese Indefektibilität, hinsichdich der Lehre Unfehlbarkeit genannt43, nicht zukommt."44 Kurz zusammengefaßt bedeutet dies, „daß mindestens nicht ohne weiteres in allen Fällen und unter allen Voraussetzungen das Amt und seine Funktionen in der Kirche in Lehre, Kult, Sakrament, Leitung und Kirchenzucht dieselbe Qualität eschatologischer Indefektibilität besitzen, die wir der Kirche als ganzer zuzuerkennen haben."45 Rahner ging sogar soweit, daß er die Möglichkeit mißverständlicher und verdunkelnder Interpretation von infalliblen Aussagen in bestimmten geschichtlichen Situationen einräumte und betonte, daß der Bezirk solcher Aussagen nicht als indefektibler Bereich von allem Defektiblen in der Kirche unterschieden werden könne.46 Somit unterstünden auch die für die Katholiken verbindlichen Akte, Lehramt und Sakramente, dem Gericht Gottes. 47 Auch in diesem Punkt stimmte Rahner mit Joest überein, der die 41

Vgl. auch Joest, Prot, 43. Rahner, a.a.O., 355 und Prot, 46. 43 Wichtig ist bereits, daß Rahner statt von der Unfehlbarkeit der Kirche oder des Lehramtes von deren Indefektibilität sprach! 44 Rahner, a.a.O., 361. 45 Ebd., 360. 44 Ebd., 363-365. Zur gesamten Diskussion über das Lehramt siehe unten Abschnitt 4.2. 47 Prot., 46. Parusie und Gericht Gottes wurden bei dieser Tagung einhellig als zukünftige 42

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Parusie als der „Selbstgewißheit kirchlicher Unfehlbarkeit" im Weg stehend bezeichnete.48 Die Spannung zwischen der ganzen Kirche als Ort der Heilsverwirklichung und der ganzen Kirche als bei der Parusie unter dem Gericht stehender sah Rahner ebenfalls und gewichtete damit den vorläufigen Charakter der Kirche der reformatorischen Lehre entsprechend viel stärker, als deren eschatologischen Charakter. Die nach vielen Jahren erstmals wieder von den Referenten erarbeiteten gemeinsamen Thesen tragen deutlich die Handschrift Rahners, geben jedoch den in der Diskussion erarbeiteten Konsens ebenso zutreffend wieder, wie den weiterhin bestehenden Dissenz bezüglich der Abgrenzung der defektiblen und indefektiblen Elemente der Kirche: „1 .Es gehört zum Wesen der Kirche, daß sie die durch Gottes Gnade in Jesus Christus zusammengerufene Gemeinde derer ist, die in Hoffnung und Liebe an die Parusie Christi als noch ausstehende glauben. Diese Parusie ist nicht eine Zukunft in der Zeit, sondern die von Gott her die zeidich verfaßte Welt und ihre Geschichte transzendierende Verwandlung und allumfassende Vollendung, als solche zugleich das allen geschöpflichen Widerspruch endgültig überwindende Gericht 49 2. Die Kirche hat aber zu dieser Vollendung ein besonderes und von dem anderer kreatürlicher Wirklichkeiten verschiedenes Verhältnis, weil sie selbst eine eschatologische Wirklichkeit ist Denn in ihr ist der gekreuzigte und auferstandene Sohn Gottes, dessen Parusie sie erwartet, schon gegenwärtig und leitet sie durch Wort und Sakrament der Vollendung ihrer Gemeinschaft mit ihm selbst zu.

Geschehnisse verstanden. Die existentiale Deutung Bultmanns wurde allgemein abgelehnt. Vgl. Rahner, a.a.O., 348/349, Schnackenburg, a.a.O., 551-553, Greeven, a.a.O., 113f., Joest, a.a.O., 536f. "Joest, a.a.O., 549. 49 Prot., 66. Das kursiv Gedruckte weist auf die während der Diskussion veränderten Textstellen hin. Ursprünglich lautete die erste These: „Die Kirche ist wesenhaft die durch Gottes Gnade in Jesus Christus zusammengerufene Gemeinde derer, die in Hoffnung und Liebe an die Parusie Christi als noch ausstehende glauben. Diese ist nicht eine Zukunft in der Zeit, sondern die die zeitlich verfaßte Welt und ihre Geschichte transzendierende Vollendung von Geschichte und Schöpfung, als solche zugleich das allen geschöpflichen Widerspruch endgültig überwindende Gericht" (Prot, 65). Die erste Änderung wurde vermutlich auf Anregung katholischer Teilnehmer vorgenommen, um zu verdeutlichen, daß die Bestimmung der Kirche als Gemeinde der Gläubigen nicht die gesamte Wesensdefinition ausmacht Der Zusatz, daß die Vollendung bei der Parusie mit einer Verwandlung einhergeht und von Gott ausgeht, wendet sich wohl gegen die Vorstellung eines organischen, bereits im Diesseits beginnenden Heiligungsprozesses bis hin zur Parusie als seiner Vollendung. Die anderen Thesen wurden unverändert angenommen. Die Tatsache, daß man überhaupt wieder Thesen formulierte, zeugt von dem Stimmungsumschwung nach dem II. Vatikanum. Die Modifikationen zeugen jedoch ebenso wie das Absehen von einer Veröffentlichung der Thesen davon, daß man sich nach wie vor der Gegensätze bewußt war.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

3. Von dieser Gegenwart Christi her kommt der Kirche ein einzigartiges Moment der Gültigkeit und Endgültigkeit (Indefektibilität) zu. Sofern sie aber zugleich bestimmt ist durch das auch ihr noch ausstehende Futurum der Parusie Jesu Christi zu Vollendung und Gericht, trägt sie zugleich ein Moment der Defektibilität in sich. 4. Hinsichdich der Reichweite und näheren Abgrenzung dieser beiden Momente gegeneinander bestehen in Folge der verschiedenen Auffassung von der Bedeutung des kirchlichen Amtes Differenzen."50 Mit diesen Thesen brachte man zum Ausdruck, daß man nicht nur hinsichtlich des Nebeneinanders von indefektiblen und defektiblen Elementen der Kirche Einverständnis erzielen konnte, sondern auch d a r b , daß Indefektibilität der Kirche nur zukommt, sofern Christus in ihr gegenwärtig ist, nicht als eine Eigenschaft, die ihre Selbstbehauptung neben Christus begründen könnte. Darin, wie die defektiblen und indefektiblen Elemente der Kirche ihrer unsichtbaren bzw. sichtbaren Gestalt zuzuordnen sind, war man aber nicht weitergekommen. Bevor die Diskussionen des ÖAK hierzu folgen, soll jedoch noch auf die Problematik des Weltverhältnisses der Kirche eingegangen werden. Unter diesem Aspekt kam nämlich die Heiligkeit der Kirche 1966 nochmals zur Sprache.

2.1.3. Kirche und Welt Als es bei den Ausführungen zur Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch um das Wesen des Menschen ging, um seine Gottebenbildlichkeit und seine Sündhaftigkeit, wurde in einem Abschnitt die Problematik des Verhältnisses von Christen und Nichtchristen vor Gott gestreift. 51 Jetzt, wo es um die Wesensbestimmung der Kirche geht, sollen die Überlegungen des ÖAK zum Weltverhältnis der Kirche eingefügt werden. Die Erörterungen zur Eigenständigkeit der Schöpfung und zum Verhältnis von Schöp50

Zu den Thesen 2 - 4 vgl. Prot, 65. Diese 27. Tagung fand vom 28.3.-1.4.66 in Heidelberg statt. Kath. Teilnehmen Jaeger, Volk, Fries, Höfer, Pieper, Ratzinger, Schelkle, Schnackenburg, Ziegler, Prot. Krems, entschuldigt: Grosche, Lortz, Mörsdorf, Rahner, Schmaus, Söhngen, Wamach. Ev. Teiln.: Stählin, Dietzfelbinger, Brunner, Friedrich, Greeven, Joest, B. Lohse, E. Lohse, Skydsgaard, Wendland, Westermann, Wolf, Prot. Mumm, entschuldigt: Anz, von Campenhausen, Kinder, Pannenberg, Schlink, Schumann. Der damalige badische Landesbischof Heidland begrüßte die Taglingsteilnehmer (Prot., 26). Als Gast war Prof. Charles Moeller anwesend, der zum Sekretär in der Glaubenskongregation ernannt worden war. Ursprünglich war er für die Leitung des in Planung befindlichen Ökumenischen Instituts in Jerusalem vorgesehen. Seine Teilnahme an der Tagung wurde von Schlink angeregt, da sich Moeller über ähnliche Arbeiten und Einrichtungen informieren wolle. Mit den Arbeiten auf dem Konzil war er als Lektor der Theologischen Kommission vertraut (Prot, 3). Er schrieb zudem den Kommentar zur Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, die sich mit dem bei dieser Tagung behandelten Thema befaßt Vgl. Gaudium et spes, Pastoralkonstitution Uber die Kirche in der Welt von heute, AAS 58/1966, 1025-1115, d t und lat in: LThK 14, 241 ff. 51

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fung und Neuschöpfung wurden in den entsprechenden Zusammenhang des ersten Teils der dogmatischen Ausführungen bereits aufgenommen. Daß die Thematik auch in diesem Zusammenhang wieder ausführlich zur Sprache kam, zeugt von ihrer ökumenischen Brisanz. Beabsichtigt war jedoch diesmal eher, ausgehend von der Frage nach der Sündlosigkeit bzw. Sündhaftigkeit der Kirche, deren Stellung in der „modernen" Welt zu erörtern. Man knüpfte an die im Vorjahr aufgebrochene Frage an, ob es Verstockung gegenüber dem Wort Gottes auch im Bereich der Kirche geben könne. Skydsgaard hatte die Diskussion hierüber angeregt, da dieses Faktum, aufgrund dessen sich die Kirche nicht in Sicherheit wiegen dürfe, seiner Ansicht nach in den Dokumenten des ILVatikanum nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Gott könne sich, so Skydsgaard, aufgrund solcher Verstockung zurückziehen, wenngleich seine Herrschaft am Ende aufgerichtet werde.52 Auf diese Anregung hin befaßte man sich vor allem mit der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes" des ILVatikanum, wobei die theologischen Grundsatzfragen gegenüber der Analyse heutiger gesellschaftlicher Phänomene, wie sie die Konstitution im zweiten Teil ausführlich enthält, im Vordergrund standen.53 Es ging um das Verhältnis der Kirche zur Welt im allgemeinen, weniger um das zur heutigen Welt.54 Nicht zu übersehen ist jedoch auch, daß das Verhältnis der Kirche zur „modernen" Welt ebenfalls Gegenstand der Arbeit des ORK war. Der Arbeitskreis schaltete sich also in eine bereits angelaufene Diskussion ein.55 Bevor man auf das Welt- und Kirchenverständnis des II. Vatikanum einging, erfolgte wie gewohnt eine exegetische Grundlegung, diesmal durch Wendland für die evangelische und Schnackenburg für die katholische Seite.56 52 Die Tagung fand zum Thema „Deus dixit - Was heißt ,Gott spricht'?" 1965 in Paderborn statt. Zu Skydsgaards Äußerung vgl. Prot, der 26. Tagung, 26/27 und 32. 53 Vgl. Gaudium et spes, in: LThK 14, 241 ff., vor allem Fußnote auf Seite 281 und Text, 425 ff. 54 Vgl. Stählin, Prot., 51, der dies einklagt Immerhin nahm man aber im Gegensatz zur 25. Tagung 1964, bei der es um die nichtchristlichen Religionen ging, überhaupt zu Diskussionen und Aussagen des ILVatikanum zum Thema Stellung. 55 Vgl. Studienabteilung des ORK, Welt und Kirche unter der Herrschaft Christi, Genf o.J. (entstanden 1956/1957). Schnackenburg verwies auf dieses Dokument und auf die Pastoralkonstitution in seinem ntl. Referat „Die Kirche in der Welt", in: Biblische Zeitschrift, Neue Folge 1967, 1-21, 1 und bezeichnete dort die Stellung der Kirche in der Welt und zur Welt als „eines der meist behandelten Themen in der gegenwärtigen theologischen Diskussion und kirchlichen Neubesinnung". Wendland wies in der Veröffentlichung seines auf der Tagung gehaltenen Referats zum Thema „Die Kirche in dieser Welt nach dem Neuen Testament", in: Zeitschrift für Evangelische Ethik 11/1967, 19-34, auf die Ökumenische Weltstudienkonferenz in Genf über „Kirche und Gesellschaft heute" hin, die im Juli 1966 stattgefunden hatte (31). 56 Zu den exegetischen Referaten siehe die Angaben in der vorhergehenden Anm.. Die dogmatischen Referate von Skydsgaard und Ratzinger liegen nicht vor. Skydsgaards Referat

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Beide verwiesen sowohl auf die Verantwortung der Kirche für die Welt, auf das beiderseitige aufeinander Angewiesensein, als auch auf die kritische Distanz, mit der die Kirche nach dem N T der Welt begegnen müsse. Wendland erläuterte den Sachverhalt anhand der Dialektik von Apokalyptik und Ethik und folgerte: „Weder ,Weltverneinung' noch ,Weltbejahung' sind zur Kennzeichnung der Ethik des Neuen Testaments geeignete Begriffe, da sie das eigentümliche Ineinander von Eschatologie und Ethik, von Liebe zur Welt und Erlösung von der Welt nicht auszudrücken vermögen."57

Er betonte eigens: „Dieses Welt-Verständnis und -Verhältnis können wir zusammenfassend als eine ebenso kritische wie positive, der Welt von Christus her in der Liebe dienend zugewendete Ethik charakterisieren, welche das Wissen um die eschatologische Grundsituation der Welt nicht preisgibt und daher in geschichtlich wirksamer und fruchtbarer, kritischer Distanz von der Welt verbleibt."58

Schnackenburg hob hingegen weniger das kritische Element des Weltverhältnisses der Kirche hervor, als „die gegenseitige Verwiesenheit und Angewiesenheit der beiden Bereiche".59 Im Anschluß an Mt 5,13-16 führte er den Zeugnischarakter der Kirche als der wahren Heilsgemeinde für die Welt aus.60 Aus der Zusammenschau von Röm 13 und Apk 13 entwickelte er das dialektische Verhältnis des Christen zum Staat und zur Welt und kam außerdem zu dem Schluß: „Die Konfrontierung von Röm 13 und Apk 13 sollte das eine klarmachen: Es gibt keine normierende Regelung aller in der Geschichte auftretenden Fragen für das Verhältnis von Kirche und Welt, Heilsgemeinde und irdisch-weltlichen Institutionen und Wirkbereichen."61

Die Frage nach der Sündhaftigkeit der Kirche in ihrer Bedeutung für das Weltverhältnis wurde explizit erst im Zusammenhang der dogmatischen Erörterungen aufgenommen. In der Diskussion taten nun die evangelischen Teilnehmer einmütig die Auffassung kund, „Gaudium et spes" spiegele eine zu ungebrochene, harmonisierende und verharmlosende Weltsicht wider, die den Sündenbegriff vernachlässige und die Distanz zwischen der Welt existiert sicher nicht schriftlich, da sein Manuskript abhanden gekommen war und er deshalb nicht einmal ein Resümee für das Protokoll nachreichen konnte (Skydsgaard an Mumm, 13.2.67, Korr EvAk). 57 Wendland, a.a.O., 28. 58 Ebd., 34. Wendland berief sich vor allem auf die paulinischen Schriften, schwerpunktmäßig auf Röm 13,1-7, Röm 12,12 ff. sowie auf die Haustafeln in Eph und Kol und die Weisungen und Mahnungen in den Pastoralbriefen (26). w Schnackenburg, a.a.O., 21. 60 Ebd., 2-9. 61 Ebd., 14.

Wesen und Eigenschaften der Kirche

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unter dem Gericht und der Kirche unter der Gnade aufhebe. Gleichzeitig forderten sie das Bekenntnis der Kirche zu ihrer eigenen Sünde und Schuldhaftigkeit 62 Sie kritisierten also die mangelnde Berücksichtigung der Sünde sowohl in der Beurteilung der Welt als auch der Kirche. Das von ihnen geforderte Schuldbekenntnis der Kirche war aber, wie Ratzinger einwandte, beim Konzil erfolgt, ohne daß jedoch - und das bezeichnete er als den Punkt, in dessen Bewertung beide Kirchen auseinandergingen - die Kirche dadurch ihr Kirchesein in Frage stellen lassen könne. Der Sündenfall werde von evangelischer Seite überschätzt. Er stimmte dem zu, daß Schema XIII des Konzils die „diabolische Komponente" nicht deutlich genug hervorhebe. Zunächst sei es aber auf die neue Bewegungsrichtung der Kirche auf die Welt hin angekommen. Er bestritt, daß das Konzilsschema einen reinen Teilhardismus vertrete.63 Auch Schelkle sprach jedoch als katholischer Theologe davon, daß das N T häufig resignierter von der Welt spreche als das Konzil.64

62

Skydsgaard, Prot., 28, Friedrich, 29/30, Brunner, 31. Prot., 27 und 39/40 sowie 49. Vgl. den Kommentar von Charles Moeller zu Art 13 der Pastoralkonstitution, in: LThK 14,319-322. Demnach war von der Sünde im ursprünglichen Text fast nicht die Rede, was auf die Eröffnungsrede Johannes XXIII. zurückzuführen sei, in der er eine optimistische Sicht der Welt und des Menschen geboten hatte. Ferner sei die Weltsicht Teilhards eingeflossen, wenn auch kein spezifisches Gedankengut von ihm übernommen worden sei. „Schließlich kam hinzu, daß den vorwiegend französischen Verfassern die von Luther herkommende starke Akzentuierung des Sündenthemas aus ihren andersgearteten theologischen Voraussetzungen heraus fremd war: Sie dürften mehr aus einer thomistisch gerichteten und auch durch die Sicht der griechischen Väter bestimmten theologischen Grundhaltung gedacht haben, die die Sünde zwar nicht übergeht, aber mehr vom Schöpfungsgedanken und vom Wissen um das schon geschehene Heil bestimmt wird und keinesfalls bereit ist, die Sünde zum Zentrum der theologischen Konstruktion zu machen. Angesichts des siegreichen Christus hält sie es für verkehrt, ,in diesem Schuldbewußtsein zu verharren und sich damit abzufinden' " (320). Moeller weist darauf hin, daß Teilhard sich mit seiner Ablehnung des Bösen als gegengöttlicher Macht mit Barth trifft und daß im nachkonziliaren Gespräch auch evangelische Stimmen diese Sicht unterstützt hätten. Auf die evangelischen Mitglieder des Arbeitskreises traf dies so nicht zu. Der eingefügte Artikel 13, so Moeller, zeige, daß man sich dennoch der Unheimlichkeit der Sünde bewußt gewesen sei. Die Problematik von Urständ und Fall hatte man aber ausgeklammert und deshalb nicht Röm 5, sondern Röm 1,21 ff. als biblische Belegstelle angeführt. Freilich vermag der eine Artikel den Gesamttenor der Konstitution nicht maßgeblich zu beeinflussen, der lediglich eine Minderung, Schwächung und Verdunkelung der menschlichen Natur durch die Sünde, nicht jedoch deren totale Verderbtheit zum Ausdruck bringt. Vgl. z.B. Art 12, ebd., 317, Art. 15, ebd., 327 und Voiwort zum l.Teil, 315. 63

Zu Ratzingers Einschätzung von „Gaudium et spes" vgl. die folgenden Veröffentlichungen: ders., Der Christ und die Welt von heute. Überlegungen zur Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: ders., Dogma und Verkündigung, München/Freiburg 1973, 183-204; ders., Kirche und Welt: Zur Frage nach der Rezeption des II. Vatikanischen Konzils, in: ders., Theologische Prinzipienlehre, München 1982, 395-411. Vgl. auch: ders., Weltoffene Kirche? Überlegungen zur Struktur des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: ders., Das neue Volk Gottes, Düsseldorf 1972, 107-128. 64 Prot., 33. Er verwies auf Röm 5,19 und Lk 13,5.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Bei der Analyse der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen der heutigen Welt fragte man sich, ob diese rein negativ zu bewerten seien, oder ob eine Chance aufgrund der Langmut des Zornes Gottes gegeben sei, so daß weiterhin von einem Guten in der Schöpfung ausgegangen werden könne. Über die Ambivalenz dieser Entwicklungen hinaus wurden aber keine eingehenderen Aussagen gemacht.65 Interessant waren die Erörterungen zum Weltbegriff, die der Tatsache Rechnung trugen, daß Welt und Schöpfung aus verschiedenen Perspektiven gesehen werden können, die auseinander gehalten werden müssen und von denen aus das Verhältnis zur Kirche unterschiedlich zu bestimmen ist Nachdem Brunner eine Präzisierung des Sprachgebrauchs gefordert hatte66, hatte Pieper den dreifachen Weltbegriff aus dem Johanneskommentar des Thomas dargelegt, der zum einen Welt und Schöpfung gleichsetze, dann „die Welt als in Christo zu vollendende Schöpfung"67 und „die Welt als objektiv gewordene Verkehrung der Schöpfungsordnung" unterscheide. Nur nach dem zweiten Verständnis gehöre die Kirche mit zur Welt. Zwar reiche auch das Diabolische der Welt in die Kirche hinein, dennoch seien alle drei Aspekte zu unterscheiden. Wolf kritisierte die fehlende Spannung innerhalb der Begriffe. Er sah zu sehr das Gegenüber von Kirche und Welt betont, da die Kirche doch auch Teil der Welt und als solcher ein entbehrliches Moment sei. Das Gegenüber von Christus und Kirche sei zu betonen.68 Joest unterschied ebenfalls drei Begriffe: Welt als Schöpfung, Naturbestand einschließlich der geschichdichen Entwicklung, in der die

65

Brunner, Prot, 40-42, B. Lohse, ebd., 55/56. Am Rande setzte man sich auch mit der „modernen Theologie" auseinander. Mumm beklagte, die Kirche werde zerrieben „zwischen einem Fundamentalismus, der die Probleme verengt und einem Modernismus, der das Evangelium verkürzt . . . " (36). Er brachte Beispiele von Professoren vor, die ausschließlich die Menschheit Jesu lehrten und die Bedeutung des Kreuzes durch die Feststellung schmälerten, Jesus hätte ebenso gut durch einen Verkehrsunfall sterben können, ohne daß sich etwas am Evangelium ändere. „Vielleicht meinen manche, auf die geschilderte Weise die Welt für die Botschaft der Kirche gewinnen zu können. In Wirklichkeit werden Kirche und Evangelium in die Welt hinein aufgelöst" Er zitierte ferner Schlink, der die Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten als „mikroskopisch klein" ansehe im Vergleich zu solchen verbreiteten Ketzereien (Prot, 35/36). Auch Dietzfelbinger äußerte Bedenken gegenüber einer Öffnung der Kirche zur Welt, bei der die Unterschiede nicht mehr deutlich werden. „Wir sind gefragt nach dem Lehramt, das falsche und wahre Lehre unterscheidet. Freilich müssen wir bedenken, daß auch das Lehramt nicht ausgenommen ist von der Spannung zwischen Kirche und Welt" (Prot, 35). Im Hinblick auf das Verhältnis des Evangelischen Arbeitskreises zu modernen Strömungen in der evangelischen Theologie stellte er fest: „Man hat uns hier aus diesem Kreis gefragt, ob die hier vertretenen evangelischen Theologen allzu homogen sind im Blick auf die evangelische Kirche in ihrer Breite. Das ist wohl so. Es gibt ja theologische Systeme, die noch viel weiter gehen als Gogarten" (34). Er bezog sich damit auf Gogartens These einer notwendigen Säkularisation. 66 Prot, 31. 67 Prot., 32. ω Prot., 37.

Wesen und Eigenschaften der Kirche

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Kirche existiert; Welt im Sinn von Sünde in der Schöpfung, gegen die die Kirche stehen muß, und Welt im Sinne der Menschen, die noch nicht glauben, fiir die die Kirche da sein muß.69 Auch Joest hob somit stärker als Pieper die Existenz der Kirche in der Welt hervor. Ebenso Wendland, der einen fünffachen Gebrauch des kosmos-Begriffs im N T erläuterte: Die Gesamtheit des Erschaffenen, die Welt der Sünde, die Welt als Gegenüber der Liebe Gottes, die neue Welt als Neuschöpfung und die Welt, „in deren unsichtbarer Mitte sich die Kirche, Ort und Gemeinschaft der Versöhnung befindet" 70 Wie Pieper feststellte, kamen die Differenzen nicht klar heraus.71 Ebenso differenziert, wie man sich dem Weltbegriff näherte, hätte man den Kirchenbegriff angehen müssen, denn im Hintergrund der gegenseitigen Kritik standen die unterschiedlichen Positionen zur Heiligkeit der Kirche genauso wie die zum Verständnis von Welt und Schöpfung. Wieder machte sich die dahinterstehende verschiedene Gewichtung des eschatologischen Charakters der Kirche infolge ihrer bereits bestehenden Verbindung mit Christus und ihrem noch vorläufigen und welthaften Charakter wegen seiner noch ausstehenden Parusie sowie die nach wie vor ungeklärte Zuordnung ihrer sichtbar-institutionellen zu ihrer unsichtbaren Gestalt bemerkbar.

69

Prot, 42. Wendland, a. a. O., 25. Ratzinger äußerte sich ferner zur Problematik der thomistischen Gleichsetzung von Natur und Schöpfung, aus der heraus seiner Meinung nach der reformatorische Protest am katholischen Weltverständnis besondere Bedeutung h a t Thomas habe die Differenz zwischen beiden nicht vollständig aufgearbeitet: „Physis meint zunächst einen nichtkreatorischen Anfang des Seins, Ktisis dagegen das Gesprochensein der Kreatur. Einen eigentlich metaphysischen Begriff von Physis gibt es erst in der Mitte des 13.Jahrhunderts (Bonaventura steht hier sehr nahe bei Thomas) als Gegenbegriff zum ens supernaturalis. Der jetzt metaphysische Grundbegriff war vorher weit mehr biologisch bestimmt (nasci), dadurch aber sehr viel konkreter. Dieser Umstand hatte freilich auch nach der Umbildung zum theologischen Fachbegriff noch Auswirkungen. Ich meine, daß bei Thomas die Synthese zweier ursprünglich verschiedener Denkweisen stattfindet Der Begriff Physis wird in einer Weise chrisdich verwandelt, die der Problematik des Schöpfungsbegriffs noch nicht völlig Rechnung trägt. Hier hat dann der reformatorische Protest seine besondere Bedeutung" (Prot, 49). Außerdem vermutete Ratzinger, daß sich bei einer Untersuchung der Zwei-Reiche-Lehre und der Lehre von Gesetz und Evangelium ein echtes kontroverstheologisches Problem ergäbe. Denn: „a) Der katholische Versuch liegt auf der Linie Augustin-Thomas: Man möchte über die ,Natur' zu einem eigenständigen Schöpfungsbegriff kommen, b) Der evangelische Versuch, von Luther selbst kommend, verwirft den Naturbegriff. Der Usus politicus ist ohne Heilsbezug. In unserer bisherigen Diskussion meine ich, daß die evangelischen Teilnehmer doch einen Zusammenhang sehen zwischen dem Usus politicus und dem Heilsbezug. Wenn das so ist, dann stehen wir nicht vor einem Entweder-oder; beide Konzeptionen treten in einen fruchtbaren Austausch miteinander" (Prot, 27). 70

71

Vgl. Piepers Zusammenfassung dieses Gesprächsganges, Prot., 45/46.

254

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

2.2. Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Kirche Bereits zu Beginn der 50er Jahre hatte man sich im ÖAK bemüht, die beiderseitige Zuordnung der unsichtbaren und sichtbaren Elemente der Kirche offenzulegen und zu klären, welcher Rang dem Institutionellen an ihr, wie ihren Amtern oder ihrem Recht, gebührt. Die Frage war zunächst, ob und inwiefern die Organisationsform der Kirche samt ihrer Ämterhierarchie auf göttlicher Stiftung beruht, inwiefern sie also als Kennzeichen der Kirche neben Wort und Sakramenten zu verstehen ist und wie diese an sich heilsmittlerischen Charakter hat. 2.2.1. Das Recht in der

Kirche

Ausgangspunkt der Erörterung war die Beschäftigung mit dem Kirchenrecht. Bei der 10. Tagung 1951 zum Wirken des Heiligen Geistes in den Gläubigen wurde bereits das Verhältnis von Geist und Amt angesprochen. Wendland bemerkte hinsichtlich der paulinischen „Ämterlehre" ausgehend von 1. Kor 12,28, daß alle Dienstleistungen und Ämter in der Kirche pneumatischen Ursprungs seien, und man deshalb in ihr keine weltlichen Ämter von geisdichen unterscheiden könne: „Hinsichdich der heute so notvollen Frage ,Geist und Amt' kennt Paulus gar keine Probleme. Ämter außerhalb der Sphäre und Macht des Geistes kennt seine Geist-Lehre, sein ,pneumatischer' Begriff von der Kirche nicht Alle Diensdeistungen und alle Autoritäten sind an den Geist, aber der Geist ist nicht an das ,Amt' oder bestimmte Amtsträger ausschließlich gebunden."72

Noch mehr auf die Frage des Kirchenrechtes zugespitzt formulierte Volk: „1. Das Wirken des Geistes, Salbung, Gnade hat in Christus und von Christus her Struktur. Struktur heißt, sie enthält als ganze immer zwei und diese zwei Seiten, sacer und sanctus, Recht und Liebe. 2. Amt, Recht, sind theologische, gnadenhafte Realitäten. Sie kommen von oben, in und mit der Gnade, als Gnade. Kirchenrecht ist darum durchaus und in strengstem Sinne theologische Disziplin. Das Pneuma wirkt in sacer Recht, darum ist Recht in der Kirche pneumatisch."73

Die Zugehörigkeit des Rechtes zur Kirche leitete er ab vom doppelten Charakter der Salbung als sanctificatio und consecratio, 72 Die Thematik wurde vor allem in den Referaten der Tagung berührt, die oben schon ausführlich dargestellt wurde. (Siehe unter A. 2.3.3.). Zum Zitat vgl. Wendland, Heinz Dietrich, Das Wirken des Heiligen Geistes in den Gläubigen nach Paulus, in: Schlink, E./Volk, H., Pro veritate, Münster/Kassel 1963, 133-156, 148. Vgl. auch Prot, 3: Bei aller Übereinstimmung, die Warnach zwischen seinen und Wendlands Ausführungen feststellte, vermutete er, die meisten Differenzen träten wohl bei einer näheren Besprechung des Verhältnisses von Pneuma und Amt auf. Er hatte diesen Aspekt nur am Rande behandelt 73 Vgl. Volk, Hermann, Das Wirken des Hl. Geistes in den Gläubigen, wieder abgedruckt in: ders, Gott alles in allem, Mainz 1961, 86-112, 95.

Wesen und Eigenschaften der Kirche

255

„als Amt, Funktion mit den Elementen des Rechtes. Beides aber gehört zusammen, beides ist Wirkung desselben Geistes, beides zwei Seiten der einen Salbung im Heiligen Geist"74 Die unterschiedliche konfessionelle Beurteilung des Stellenwertes von Recht und Amtern im Bereich der Kirche, die verschiedenen Positionen in bezug auf ihre Zugehörigkeit zum Wesen der Kirche, klangen hier bereits an. Bei der nächsten Tagung 195175 befaßte man sich dann eigens mit dem Kirchenrecht Zunächst versuchten beide Seiten wieder eine exegetische Grundlegung ihrer eigenen Auffassung, bei der die Zuordnung von Amt und Charisma nach dem N T im Zentrum stand. a) Das Verhältnis von Recht und Pneuma in der frühen Kirche Schon in der Formulierung der Referatsthemen hatte man die unterschiedlichen Positionen zum Verhältnis von Recht und Pneuma zum Ausdruck gebracht, indem man evangelischerseits von dem „pneumatischen Charakter der kirchlichen Ordnungen", katholischerseits von der „kirchlichen Hierarchie" und dem „Recht" sprach. Der Vorordnung des Pneumas auf evangelischer Seite stand die Betonung der Hierarchie als rechtliches Ordnungsprinzip der Kirche auf katholischer Seite gegenüber. Dementsprechend zeigte Gewieß in seinen Ausführungen eine „Entwicklungsgeschichte" des Rechts in der Kirche auf, von der Sonderstellung der Jünger aufgrund ihrer Bevollmächtigung durch Jesus im N T bis zur Vervollkommnung der rechtlichen Struktur der Kirche im monarchischen Episkopat der Ignatiusbriefe, der sich später in der Katholischen Kirche durchgesetzt hat. Er vertrat somit die Ansicht, daß die hierarchische Ordnung der Kirche schon in den rechtlichen Elementen der Urgemeinde angelegt gewesen sei, auch wenn diese noch keine fertige Kirchenordnung repräsentiert hätten.76 Von Campenhausen hingegen stellte zunächst fest, daß das Recht in der Urkirche lediglich als „geregelte Ordnung" beheimatet gewesen sei, wie es sie in jeder menschlichen Gemeinschaft gibt, und daß es als solches nur die äußere Form der Kirche bestimme, ihr jedoch nicht wesenhaft eigne. Bei der Aussage, daß erst das Hinzukommen des Geistes die Kirche zur „sakramentalen" Größe ohne „Vorrechte" mache, stützte er sich auf Paulus. Die Pastoralbriefe, den 1. Clemensbrief und die Ignatianen zog er nicht in einer Linie mit den früheren ntl. Zeugnissen zur Grundlegung heran,

74

A.a.O., 94. Die Tagung fand vom 8.-12.10.51 in der Ev. Akademie der E K H N Schloß Assenheim statt. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Buuck, Gewieß, Grosche, Hasenkamp, Kuss, Lortz, Mörsdorf, Pascher, Pieper, Pollet, Rosenmöller, Söhngen, Volk, Prot Dr. Heinz Schürmann. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Bornkamm, von Campenhausen, Friedrich, Kinder, Krüger, Menn, Schumann, Prot. Mumm. 76 Vgl. Gewieß, Josef, Die neutestamentlichen Grundlagen der kirchlichen Hierarchie, in: Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft 72/1953, 1-24, 1 / 2 und 13/14. n

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

sondern bezeichnete sie als spätere einseitige Ausprägungen des Rechts, die charakteristisch seien für die drei Konfessionstypen ev.-lutherisch, röm.-katholisch und griech.-orthodox. Dem l.Clem legte er die Überbetonung des Ordnungsprinzips zur Last, während die katholischen Teilnehmer in einem sich anschließenden Disput die Bedeutung des Clemens für das Kirchenrecht positiv herausstellten, da Jesus und Paulus dazu nichts gelehrt hätten.77 Man war sich einig darüber, daß die Ordnungen in der frühen Kirche auf einer Bevollmächtigung gründeten, die letzlich auf die Einsetzung der Jünger durch Jesus zurückging. Den evangelischen Teilnehmern leuchtete aber nicht ein, daß Bevollmächtigung immer ein Amt mit Rechtscharakter nach sich ziehen müsse.78 Die Meinungen gingen also zum einen darin auseinander, ob die rechtlichen Strukturen der (Katholischen) Kirche auf eine Einsetzung durch Christus zurückgehen und damit zum Wesen der Kirche gehören, zum anderen darin, ob sich kirchliches und weltliches Recht unterscheiden, ob also Elemente des weltlichen Rechts zum Kirchenrecht gehören. Damit stand die Exegese deutlich unter dem Einfluß der dogmatischen Diskussion zu eben diesen Aspekten. b) lus divinum und ius humanuni innerhalb des Kirchenrechts

Obwohl diese Diskussion wegen des unterschiedlichen Gebrauchs der Begrifflichkeit sehr verwirrend verlief und es nicht zu einer Klärung der beiderseitigen Rechtsbegriffe kam79, kristallisierte sich neben der Problematik der exegetischen Fundierung des Kirchenrechts vor allem das Verhältnis von ius divinum und ius humanuni in der Kirche als Hauptdifferenzpunkt heraus. Dabei machte sich bemerkbar, daß es schon unter den evangelischen Teilnehmern keine einhellige Position hierzu gab. Die Behandlung der gesamten Thematik erfolgte nämlich im Kontext der damaligen Diskussionen zur Gründung der EKD innerhalb der Evangelischen Kirche. 1949 hatte eine theologisch-juristische Studienkommission im Auftrag der Betheler Synode in Göttingen getagt, und vom 2.-7.8.50 fand in Treysa eine rechtstheologische Konferenz statt.80 Zwar wurde in

71

Vgl. die Inhaltsangabe des Referates als Anlage zum Protokoll und von Campenhausen, Prot, 9. Das Referat stellte einen Auszug dar aus dem 1953 erschienenen Buch „Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht", Beiträge zur Historischen Theologie 14. Vgl. zur Diskussion auch die Äußerungen von Kuss, Gewieß und Mörsdorf, Prot., 3-5. Bornkamm stimmte von Campenhausen zu: „So wie der l.Clem. pflegt manche Kirchenleitung auch heute zu reden, wenn ihr der Atem ausgeht" (6/7). 78 Prot, 7 und 9-11. 79 So auch Stählin an Asmussen, 15.10.51 (Korr EvAk). Die Tagung sei für ihn nicht befriedigend gewesen, weil es nicht einmal gelungen sei, die bis in die Wurzeln gehende Verschiedenheit des Rechtsbegriffs aufzudecken. 80 Vgl. Dombois, Hans, Das Recht der Gnade, 10/11. Die Ergebnisse der erstgenannten Tagung wurden vom Rat der EKD veröffentlicht unter dem Titel „Kirche und Recht",

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Assenheim nicht die Auseinandersetzung zwischen Barthianern und lutherischen Anhängern der Zwei-Reiche-Lehre fortgesetzt, da ja durchweg Lutheraner anwesend waren. Allerdings trat der latente Konflikt zwischen Heidelbergern, vor allem Schlink, und Berneuchenern innerhalb des Evangelischen Arbeitskreises im Zusammenhang mit Asmussens Referat „Der pneumatische Charakter der kirchlichen Ordnungen, gezeigt an den ev. Kirchenordnungen des 16. Jh. und Erfahrungen der letzten 20 Jahre" offen zutage.81 Dabei ging es nicht in erster Linie um die hier wiedergegebene theologische Auseinandersetzung, sondern vor allem um die unterschiedlichen Haltungen zur Gründung der EKD und zu der grundsätzlichen Zielsetzung und Ausrichtung des ÖAK.82 Wie bereits aus der Formulierung des Themas hervorgeht, legte Asmussen seinen dogmatischen Ausführungen zum Kirchenrecht nicht die Aussagen der BSLK zugrunde, sondern die Ausprägung kirchlicher Ordnung, wie sie sich de facto innerhalb der Evangelischen Kirche herausgebildet hatte, mit der Begründung: Göttingen 1950, letztgenannte in: Die Treysa-Konferenz 1950, (Hrsg.) Studienabteilung des ORK, Genf 1950. In Göttingen war aus dem ÖAK nur Mumm anwesend, eingeladen aber verhindert waren Schlink und Brunner. Hier ging es hauptsächlich um eine theologische Begründung des Rechts und damit um die Frage, ob eine „christologische" Begründung des Rechts (so Barth und Ellul) nicht zu einer Vermengung von Evangelium und Recht und damit von Gesetz und Evangelium führe. In den gemeinsamen Thesen wurde schließlich eine trinitarische Begründung als Alternative zu den einseitigen Begründungen von den Schöpfungsordnungen, dem Naturrecht oder der Christologie her gefordert. Ein weiterer wichtiger Punkt war das Verständnis des Rechtes in der Kirche als Liebesordnung. In der Frage der gewaltsamen Durchsetzung des Rechts, die zu dieser Haltung in Widerspruch stünde, kam es zu keiner Klärung. Man kam nur zu dem lapidaren Schluß, daß auch die Kirche und der einzelne Christ für das Recht auf der Erde einzutreten hätten (Kirche und Recht, 45 ff., zu den Teilnehmern und dem Zustandekommen der Konferenz vgl. Einführung, 3). Ansatzweise war das hier Besprochene auch Thema der Tagung des ÖAK. An der Konferenz in Treysa hatten aus dem Evangelischen Arbeitskreis Brunner, Schlink, Menn und Wendland teilgenommen (Konferenzbericht, 66). Unter der Themenstellung „Gerechtigkeit in biblischer Sicht" war man dort vor allem der Frage nachgegangen, was die Kirche, nachdem in den letzten zwanzig Jahren die traditionellen Begründungen des Rechtes schwer erschüttert worden waren, aufgrund der Bibel zur Wiederaufrichtung des menschlichen Rechts sagen kann. Man fragte ferner, ob es Normen im Sinne des Naturrechts gebe, an die man anknüpfen könne. Der eigendiche Dissens wurde zwischen den „Christokraten" auf der einen Seite und den Anhängern der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre ausgetragen. Während die einen das Recht und damit die politische Verantwortung der Kirche unmittelbar aus dem Evangelium herleiteten, sahen die anderen die Verantwortung der Kirche für das menschliche Recht als eine zusätzliche zur eigentlichen Aufgabe der Kirche an (ebd., 4/5 und Schlinks Darstellung von Konsens und Dissens, 42). 81 Maschinenschriftl. Beilage zum Protokoll (Akten EvAk). 82 Schlink war es vor allem ein Dorn im Auge, daß Asmussen mit seinem Referat in Anwesenheit der katholischen Teilnehmer massive Kritik an der Verfassung der neugegründeten EKD übte. Er hielt dies vor allem auch in Anbetracht der engen Anbindung des ÖAK an die EKD nicht für opportun. Zur brieflichen Auseinandersetzung dazu zwischen Schlink, Asmussen und Stählin siehe oben unter I., Abschnitt 5.3.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

„1. Die Bek. Schriften sind nicht geeignet, [als] Grandlage für eine prinzipielle Untersuchung über Kirchenordnung zu dienen, weil sie sich selbst prinzipiell nicht dazu äussern, weil sie vielmehr die Materie nur unter dem Gesichtspunkt zur Sprache bringen, daß der Verdienstgedanke ausgeschlossen wird und die Gewissen nicht belastet werden. 2. Die Worte der Bek. Schriften zu diesem Gegenstand dürfen nicht isoliert behandelt werden. Sie müssen in den Zusammenhang des Handelns gestellt werden, in welchem die Reformatoren die Kirche zu ordnen suchten."83 Femer bemerkte er, die BSLK seien fast ausschließlich an der scharfen Trennung zwischen göttlichem und menschlichem Recht interessiert, wobei die Frage auftrete, »ob für sie das göttliche Recht einen wirklich konkreten Ausdruck findet und finden kann."84 Falls nicht, bezeichne ius divinum in den BSLK offensichtlich etwas, was heute nicht mehr als ius benannt werden könne. Asmussen ging also nicht von dem „Soll-Zustand" evangelischen Kirchenrechtes aus, sondern vom „Ist-Zustand", den er noch dazu - sicher nicht zu unrecht - dahingehend kritisierte, daß das Kirchenrecht auf dem Weg von den Kirchenordnungen zur Verfassung seinen Charakter als Sakraments· und Wortrecht verloren habe und die Rechtsformen statt der Lebens-, Gottesdienst- und Lehrordnung zum eigentlich „Greifbaren" würden.85 Er plädierte deshalb dafür, die Kirchenordnungen des 16.Jh. mitheranzuziehen, in denen die Rechtsordnung noch, anders als in den später entstandenen Verfassungen, in engem Zusammenhang mit der Lebens-, Gottesdienst- und Lehrordnung gesehen worden sei.86 Ihnen sei zu entnehmen, daß es innerhalb der Kirche eine Ordnung „et ipsa dei" gegeben habe, die dennoch veränderbar war und damit in den Bereich des ius humanum gehörte. Davon unterschied er die Ordnungen aus dem weltlichen Rechtsleben, die später entstandene Verfassungen übernommen und zum eigendich Verbindlichen gemacht hätten. 87 Asmussen ging es bei diesen Ausführungen nicht in erster Linie um die kontroverstheologische Problematik, sondern um die Selbstkritik an der Übernahme weltlicher Organisationsformen in die Evangelische Kirche und an deren Vernachlässigung 83

Ebd., 2. Ebd. 85 Ebd., 5. Verantwortlich für diesen „Weg des Abfalls" machte Asmussen die Auflösung der Christologie und der Abendmahlslehre parallel zur Entstehung der Kirchenverfassungen (4/5). Zur Dominanz der Rechtsformen vgl. 3. 86 Ebd., 1-3. 87 Ebd., 12 und 17. Daß es ihm bei seinen Ausführungen um die Vernachlässigung der Bekenntnisse der in der EKD zusammengefaßten Kirchen ging, macht folgendes Zitat deutlich: „Verfasste Kirchen schränken die Wirkung des Bekenntnisses derartig ein, daß der Bekenntnisunterschied, - lutherisch, reformiert oder uniert - zum Zweitrangigen wird" (ebd., 3/4). 84

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der von Gott eingesetzten Ordnungen, die der Kirche aufgetragen sind, damit die Verwaltung der Sakramente und die Verkündigung des Evangeliums in rechter Weise erfolgen. Da Schlink Asmussens Referat für unzureichend hielt, skizzierte er im Anschluß daran selbst nochmals die „Grundbegriffe" reformatorischen Kirchenrechts, wobei er vor allem klärte, was nach den BSLK unter ius divinum bzw. ius humanum zu verstehen sei. Damit schnitt er die eigentlich konfessionell strittige Problematik an. Er hob gegen Asmussen hervor, daß in den BSLK sehr wohl ius divinum und ius humanum neben ihrer Unterscheidung auch inhaltlich bestimmt würden: Das ius divinum als das mandatum Christi, das ius humanum als der „»geschiehtliche(n) Gehorsamsakt gegenüber dem mandatum«, durch den der Dienst, den Christus durch sein mandatum angeordnet hat, geordnet wird."88 Daß detaillierte kirchenrechtliche Vorschriften für die Entfaltung der Funktionen des einen geistlichen Amtes, also nähere Bestimmungen des ius humanum, in den BSLK fehlen, bewertete er - ebenfalls gegen Asmussen - als Zeichen und Chance für die Freiheit des Glaubens, nicht als Mangel.89 Das ius humanum sei deshalb verpflichtend in der Kirche, „weil es die Gestalt ist, in der das ius div. begegnet" 90 Stählin unterstrich die Bedeutung dieses Satzes, indem er ergänzte, er wende einerseits die Gefahr des spezifisch katholischen Verständnisses ab, daß ein ius divinum verfügbar sei, das nicht die Gestalt des ius humanum habe, andererseits die der evangelischen Position, die das ius insgesamt zu bagatellisieren drohe und das Kirchenrecht letztlich auflöse.91 Er sprach damit den evangelischen Vorwurf an die katholische Seite, sie trenne nicht in adäquater Weise zwischen ius divinum und humanum, nur vage an, den Schlink wie folgt formulierte: „Die Reformation stritt wider ein angebliches ius (ius) divinum, das sich nicht auf Anordnungen Christi berufen kann. Der Unterschied von ius. div. und ius. hum. ist bei Ihnen so fliessend wie ihre Unterscheidung von Schrift und Tradition. Sie meinen sich auf ein ius div. berufen zu können, ohne das vor der Schrift zu beweisen."92

In seiner „Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften" hatte Schlink noch präziser dargestellt, daß die wesentliche Differenz zwischen den 88

Prot., 13. Prot, 13/14 und Schlink, Edmund, Theologie der Luth. Bekenntnisschriften, München 1940, 340: „Daß die Bekenntnisschriften für alle diese Fragen keine kirchenrechtlichen Vorschriften auferlegen . . . , wirkt sich in dem Augenblick als Mangel und große Schwächung aus, wo eine Kirche nicht mehr um die Freiheit des Glaubens weiß ... Der Kirche aber, die im Glauben an das Evangelium als Gemeinde der befreiten Heiligen lebt, ist mit dieser Lehre der Bekenntnisschriften eine unerhörte Möglichkeit und Wucht ihres Einsatzes für die Predigt des Evangeliums gegeben und die größte missionarische Beweglichkeit erlaubt" 90 Prot, 13. 91 Ebd., 16. 92 Ebd., 25. 89

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BSLK und der katholischen Position in der Unterscheidung von ius divinum und ius humanuni innerhalb des ius divinum im Sprachgebrauch des kanonischen Rechts liege.93 Dieser wichtige Unterschied wurde während der Diskussion nicht herausgearbeitet, war vielmehr der Grund begrifflicher Verwirrung. An ihm wird jedoch das Anliegen der Reformatoren deutlich, zwischen den Anordnungen Gottes - nicht denen kirchlicher Amtsträger wie etwa des Papstes, denen gleichzeitig göttlicher und menschlicher Ursprung zugeschrieben werden - und den in der Verantwortung des Menschen liegenden Satzungen und Handlungen innerhalb des Bereichs kirchlichen Rechts strikt zu trennen.94 Alleinige Norm für jegliches Recht in der Kirche muß das von Gott kommende ius divinum sein. Die Chance darin für das ökumenische Gespräch sah Schlink zu Recht in der Tatsache, daß konstitutiv für die Einheit infolgedessen nur dasselbe Evangelium, derselbe Vollzug der Sakramente und die wechselseitige Anerkennung der Ämter, nicht jedoch Gottesdienstordnungen oder Bekenntnisschriften seien.95 Bei der Tagung wurde damit deudich, daß nach evangelischem Verständnis das ius divinum nur in Gestalt des ius humanum, das ius humanuni nur im Dienst am ius divinum vorliegt, eine Zusammengehörigkeit beider also unbedingt festzuhalten ist.96 Dies war eine wichtige Richtigstellung gegenüber dem damals angeklungenen katholischen Mißverständnis, daß es ius divinum nach evangelischer Auffassung nur in der ecclesia abscondita geben könne, die als „spirituell verflüchtigt" verstanden wurde. Mörsdorf hatte nämlich mit Heckeis Interpretation der Rechtslehre Luthers argumentiert, nach der das ius divinum in der ecclesia abscondita existiere und sich an den homo interior richte, während das ius humanum in der ecclesia publica vorliege, aber weder als göttliches noch als menschliches Recht, sondern als Ordnung ohne „Rechtscharakter" und ohne „verbindlichen Geltungsanspruch". Lortz bezweifelte wie er, daß in der Reformationszeit göttliches und menschliches Recht so aufeinander bezogen wurden, wie Schlink und vor allem Asmussen dies behauptet hatten.97 Kinder stellte 93 Schlink, E., Theologie der BSLK, 339, Anm. 32: „Der Begriff des jus divinum stammt zwar aus dem Sprachgebrauch des kanonischen Rechts, ist aber insofern in schärfster Polemik gegen dieses gewandt, als nun innerhalb des jus divinum des kanonischen Rechts jus divinum und jus humanum unterschieden werden. Jus divinum ist kein Wort der Kirche, auch nicht des Papstes, sondern Gottes Wort und zwar insonderheit Gebot und Verheißung göttlicher Stiftung... In diesem Sinn ist das jus divinum Norm aller Rechtssätze des menschlichen Rechtes und unabänderlich." 94 Ebd., 340: „In der Unterscheidung von göttlichem und menschlichem Recht geht es um eine Unterscheidung zwischen Gott und Mensch in Anerkennung des Evangeliums, das den Menschen bindet an das Werk, das Jesus Christus für uns tat, und das den Menschen frei macht von dem Gesetz und den Gesetzeswerken." 95 Prot., 14. 96 Vgl. Schlink, Prot, 14 und Stählin, 16. 97 Lortz, Prot., 17, Mörsdorf, 19.

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daraufhin zunächst richtig, inwiefern Luther tatsächlich zwischen der Kirche als sichtbarer und unsichtbarer unterschieden hatte. Entgegen der Hekkelschen Interpretation habe er die ecclesia abscondita gerade nicht als „spirituell verflüchtigte" verstanden, sondern als Glaubensartikel, die sichtbare Kirche nicht als civitas platonica, „sed habet notas". 98 Eine im Gegensatz zu der eben skizzierten evangelischen Haltung stehende katholische Position wurde von Mörsdorf klar formuliert. Daß er nicht ausgehend von dem Begriff der „societas perfecta" aus der Staatsphilosophie des Thomas von Aquin in Anlehnung an Aristoteles eine naturrechdiche oder philosophische Grundlegung des Kirchenrechts, wie sie lange in der katholischen Kanonistik vorgenommen wurde, bot, sondern eine auf das sakramentale Gepräge der Kirche gründende theologische, entsprach seinem spezifischen in Auseinandersetzung mit Sohm entwikkelten Ansatz" und bedeutete zunächst eine grundsätzliche gemeinsame Gesprächsbasis mit den evangelischen Gesprächspartnern.100 Mörsdorf ging jedoch von der Kirche als Ursakrament aus, insofern sie die Gegenwärtigsetzung des Gottmenschen in Raum und Zeit darstelle und durch Wort und Sakrament Heil vermittele. Aufgrund seiner Sendung durch den Vater erhebe Christus rechdichen Geltungsanspruch für Wort und Sakrament. Ausgehend vom Rechtscharakter von Wort und Sakrament begründete er dann die kirchliche Gemeinschaft als Rechtsgemeinschaft.101 Auf ihr basiere der Satz Cyprians: Extra Ecclesiam nulla salus. Wie Mörsdorf nicht zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche unterschied, sondern die sichtbare verfaßte Kirche als den in Raum und Zeit fortlebenden Gottmenschen darstellte, so unterschied er auch nicht zwischen den Anordnungen Gottes für die Kirche und denen der Menschen. Zwar räumte er in der Argumentation Wort und Sakrament vor der kirchlichen Hierarchie den Vorrang ein, aber letzdich bezeichnete er auch die hierarchische Amterstruktur der Katholischen Kirche als göttlichen Ur-

98 Vgl. Kinder, Prot., 21. Hier wird die Tendenz in der evangelischen Kirchenrechtslehre sichtbar, entgegen der Position Sohms Recht und Kirche wieder zu verbinden, ohne sichtbare und unsichtbare Kirche zu trennen. Vgl. These 3 von Barmen: „In der Kirche ist eine Scheidung der äußeren Ordnung vom Bekenntnis nicht möglich." Vgl. Höllerbach, Α., Art. Kirchenrecht V, in: LThK 6 , 2 5 0 - 2 5 2 . 99 Mit der naturrechtlichen Argumentation konnte man Sohm nicht mehr entgegentreten, da er nicht die Kirche als Gemeinschaft leugnete, sondern ihren Charakter als Rechtsgemeinschaft. Vgl. u. a. Mörsdorf, Klaus, Altkanonisches Sakramentsrecht: Eine Auseinandersetzung mit den Anschauungen Rudolph Sohms über die inneren Grundlagen des Decretum Gratiani, Studia Gratiana I, Bologna 1953, 483-502. ι » v g i . Schlinks Stellungnahme zu Mörsdorfs Referat, Prot., 12. Übereinstimmung herrschte für ihn gegen Sohm hinsichtlich einer rechtlichen Struktur der Kirche sowie der Grundlegung des Rechts durch Wort und Sakrament 101 Mörsdorf, Klaus, Zur Grundlegung des Rechtes der Kirche, in: MThZ 3 2 9 - 3 4 8 , 329-334.

3/1952,

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sprungs102, was von evangelischer Seite bestritten wurde und als zusätzliches konstitutives Element für die Einheit der Kirche eine Annäherung erschwert. Wort-, Sakraments- und Verfassungsrecht lagen für ihn auf derselben Ebene. Darin fanden sich Anklänge an Asmussens Ausführungen, der ebenfalls die Zusammengehörigkeit dieser drei Rechtsbereiche proklamierte, und dabei - als Folge seiner über die BSLK hinausgehenden Kritik an der mangelnden Berücksichtigung des ius humanum - die kritische Funktion von Wort und Sakrament nach Auffassung der evangelischen Teilnehmer vernachlässigte. Evangelischerseits empfand man besonders auch Mörsdorfs Definition des ius divinum als „die von Gott gegebene Grundlage der Kirchenverfassung, in deren Verständnis die Kirche immer tiefer hineinwächst (wie beim Dogmenfortschritt)" 103

als problematisch. Gefragt wurde nach dem Kriterium der Festsetzung des ius divinum. Der allgemeine Hinweis auf Schrift und Tradition reichte wie bei der Diskussion um die Festsetzung von Dogmen - als Begründung nicht aus, zumal Mörsdorf gestand, daß die Entscheidung bei der Anwendung dieses Kriteriums im einzelnen schwer sei. Dem Unterschied zwischen göttlichem und menschlichem Ursprung des Rechts in der Kirche maß Mörsdorf deshalb keine Bedeutung bei, weil auch die Amtsträger, die Recht setzen, als „gottgesetzte Geistträger" verantwortlich handelten.104 Im Unterschied zu Schlink sah er also das mandatum Christi nicht an alle Christen gerichtet, sondern nur an die Amtsträger, womit die Kontroverse um das allgemeine Priestertum der Gläubigen angesprochen war.105 Diese Definition des ius humanum als ius mere ecclesiasticum, das von kirchlichen Amtsträgern aufgrund ihrer Vollmacht durch Christus „in eigener Verantwortung"106 verwirklicht wird, bildete wegen des Ineinanderfließens von göttlichem und menschlichem Ursprung den Kern der konfessionellen Kontroverse. Die Differenz bestand, wie sich herausstellte, nicht einfach in den Alternativen, daß evangelischerseits nur die unsichtbare Kirche Beachtung 102

Ebd., 336 ff. Prot., 18, Schlink zur evangelischen Haltung, 19. 104 Prot, 18/19. 105 Schlink ging davon aus, daß das mandatum grundsätzlich der ganzen Kirche gilt und nur die Sündenvergebung im Normalfall an das Amt gebunden ist. Kinder jedoch betonte, daß nicht nur die Gnadenmittel, sondern auch die Bevollmächtigung der Amtsträger iure divino angeordnet sei und die Gnadenmittel deshalb nur durch bevollmächtigte Menschen zur Wirkung kommen. Schlink bezeichnete die ordentliche Berufung der Amtsträger aber gerade deshalb als notwendig, weil das mandatum Christi dem ministerium ecclesiasticum übertragen worden sei, das eben grundsätzlich der ganzen Kirche zukomme (Schlink, Prot, 14 und 25 und Kinder, 21). 106 Prot, 17-19. 103

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findet, während katholischerseits vor allem ihr Sozialgefüge im Mittelpunkt steht. Wie in bezug auf die Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch herausgearbeitet wurde, daß auch nach evangelischem Verständnis der Mensch in seiner Verantwortung ernst genommen wird, so zeigte sich nun bei der Behandlung des Kirchenrechts zum ersten Mal, daß auch für eine evangelische Ekklesiologie die institutionellen Komponenten eine Rolle spielen. Während sich jedoch im erstgenannten Zusammenhang von Anfang an im Hinblick auf die alleinige Heilsbedeutung des göttlichen Handelns in Christus gegenüber der menschlichen Beteiligung eine Einigung anbahnte, war im jetzigen Zusammenhang nicht einmal ein Einverständnis hinsichtlich der Frage in Sicht, welche sichtbaren Kennzeichen der Kirche nach göttlichem Recht bestehen. Zudem schienen die aus dem unterschiedlichen Verständnis des Verhältnisses Christi zur Kirche resultierenden Differenzen bezüglich der Trennung bzw. Zusammengehörigkeit von ius divinum und ius humanum, und damit die verschiedenen Positionen zu einem der Kirche als sichtbar-unsichtbarem Gefüge einwohnenden heilsmittlerischen Charakter, damals noch kaum überwindbar zu sein. Wesentliche Aussagen machte Schlink auch zur Unterscheidung von Kirchenrecht und weltlichem Recht Im Unterschied zum weltlichen Recht definierte er gemäß dem oben Dargelegten kirchliches Recht als bestimmt durch den Auftrag der Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung, dem alle kirchenrechtlichen Bestimmungen zu dienen haben.107 Sofern an dieser Unterscheidung festgehalten werde, sprach für Schlink nichts dagegen, die jeweilige Kirchenordnung als Rechtsordnung oder Kirchenrecht zu bezeichnen. Sein Vorwurf an die katholische Seite richtete sich jedoch gegen die „unevangelische" Übernahme der Struktur weldichen Rechts in das Kirchenrecht, obwohl das weldiche Recht im Gegensatz zum Kirchenrecht kein Gnadenrecht sei.108 Von Campenhausen griff diesen Aspekt auf und begründete den Gnadencharakter des Kirchenrechts mit der Kenosis Christi. Christus habe kein Recht gegen die Menschen geltend gemacht und nie Gericht vollzogen, sondern nur angedroht Rechtsmaßnahmen und Sanktionen stünden zu dieser Haltung im Widerspruch.109 Als Beispiel hierfür ließe sich das im Verlauf der Diskussion von evangelischer Seite kritisierte Verständnis der Exkommunikation als Zwangsmaßnahme nach dem CIC anführen.110 Schlink erklärte sich also auch nicht einverstanden mit der These Sohms, das Wesen des Rechts und das Wesen der Kirche stünden im Widerspruch zueinander. Diese These resultiere aus Sohms Auffassung von der „selbstherrlichen Gemeinschaft" als Rechtsquelle und der Unabdingbarkeit der Zwangsgewalt in der rechdichen Gemeinschaftsordnung sowie dem Auseinanderreißen von sichtbarer und unsichtbarer Kirche: „Wird Gottes Geist nicht mehr allein durch das äußere Wort zuteil, und ist die unsichtbare Kirche nicht mehr allein in der sichtbaren Kirche als gegenwärtig 107 108 109 110

Prot., 24, Theologie der BSLK, 341 Anm.34. Ebd. Prot, 30. Prot., 20.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

erkennbar, dann ist notwendig alle Rechtsordnung der Kirche nur Rechtsordnung des weltlichen Regiments."111 Damit unterstrich er nochmals die Bedeutung sichtbarer Elemente in der Kirche auch für die evangelische Seite. Die Frage, ob zwangsrechtliche Durchsetzbarkeit zum Wesen des Rechts gehört, wurde also angesprochen, jedoch keiner Klärung zugeführt Man stimmte lediglich in der grundsätzlichen Feststellung überein, daß Rechtsmaßnahmen in der Kirche nur getroffen werden sollten, um den „Raum der Gnade" zu sichern.112 2.2.2. Die Kennzeichen der Kirche und ihre Bedeutung Bestimmung der „Grenze " der Kirche

fiir

die

D i e D i s k u s s i o n u m Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Kirche w u r d e gleich im nächsten Jahr fortgesetzt. Buuck hatte nämlich in A u s w e i t u n g des T h e m a s „Beichte und Buße" 113 in seinem Referat „ D i e Kirchenmitgliedschaft im gegenwärtig geltenden Recht und in der katholischen-systematischen D o g m a t i k " den Kirchenbegriff der Enzyklika „Mystici corporis" v o r allem dahingehend erläutert, auf w e l c h e Ebene des sichtbar-unsichtbaren G e f ü g e s der Katholischen Kirche sich die R e d e v o n der H e i l s n o t wendigkeit der Zugehörigkeit z u ihr bezieht. D a m i t gab er einen für die evangelischen Teilnehmer aufschlußreichen Einblick in die Interpretationsmöglichkeiten der Enzyklika und berührte mit den Ausführungen z u r Kirchenmitgliedschaft nichtkatholischer Christen Fragen, die vor allem sie bewegten. Wesentlich w a r für Buuck die „gnadenhafte Einheit" v o n sichtbarer Rechtsgestalt und unsichtbarer gnadenhafter Heilsgemeinschaft, die als sakramentale Einheit z u verstehen sei: „Die sichtbare, rechdiche Gestalt entspricht nun in solchem Verständnis dem sakramentalen Zeichen und wird ebenso primär verstanden wie jenes. Aber ebenso wenig, wie dem sakramentalen Zeichen ein Selbstzweck eignet, kommt er 111

Theologie der BSLK, 342/343 und Anm.34. Vgl. auch Mörsdorf, Prot., 18, Kinder, 22 und Krüger, 26, als quer durch die Konfessionen gehende unterschiedliche Positionen zur zwangsweisen Durchsetzbarkeit von Recht Im Zusammenhang der Diskussion um das Papstamt 1957 wurde das Verhältnis von Geist und Amt erneut gestreift. Dabei war es für die katholischen Mitglieder des ÖAK wenig überzeugend, daß sich die evangelische Seite hinsichtlich der Funktion des Rechts in der Kirche nach wie vor uneinig zeigte. Während Hans Dombois die Rechtsordnung dem Wesen der Kirche zuordnete, war Maurer dagegen (Prot der 18. Tagung 1957, 29/30). Beide lieferten damit ein Beispiel von Meinungsvielfalt in der Evangelischen Kirche, wie sie katholischerseits nicht akzeptiert wurde. 113 Es handelte sich um die 12. Tagung, die vom 1.-4.10.52 in Paderborn stattfand. Ev. Teiln.: Stählin, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, v. d. Gablentz, Joest, Kinder, Maurer, Menn, Schumann, Wolf, Prot. Mumm. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Buuck, Grosche, Hasenkamp, Kuss, Mörsdorf, Pollet, Rahner, Rosenmöller, Söhngen, Volk, Warnach, Prot. Dolch. Zur eigentlichen Thematik der Tagung „Beichte und Buße" siehe unten Abschnitt 3.2. 112

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auch der sichtbaren Gestalt der Kirche zu. Sie ist in ihrer Zeichenhaftigkeit ganz darauf hingeordnet, jenen inneren Gnadenvorgang zu bezeichnen und zu bewirken [Hervorhebung der Vf.], den wir als lebendige Eingliederung in den Leib Christi verstehen."114

Aus dem Gesagten folgt jedoch nicht, daß nur derjenige Glied der Kirche ist, welcher der Kirche in ihren beiden Gestalten angehört: „Auch der Sünder, der ein krankes Glied am Leibe Christi ist, bleibt Glied der Kirche, solange er sich nicht von der sichtbaren Einheit der Kirche trennt."115

Umgekehrt ließ Buuck aber nicht gelten, daß ein vor Gott Gerechtfertigter, der nicht der sichtbaren Kirche angehört, Glied der Kirche ist: „Würden wir den letzteren nun ohne alle Einschränkung als Glied der Kirche betrachten, dann müssten wir darauf verzichten, überhaupt nach sichtbaren Kriterien der Zugehörigkeit zur Kirche zu fragen und konsequent jedes menschliche Wissen um die Gliedschaft verneinen, was der ganzen Tradition und den lehramtlichen Äusserungen der Kirche widerspricht"116

Daß ersterer Glied der Kirche ist, beruht auf der Unterscheidung zwischen gültiger aber fruchtloser und fruchtbarer Gliedschaft der Kirche (entsprechend dem Sakramentsempfang): „Solange eben die Kirche auf dem Weg zum Herrn ist und ihren Leib annimmt in einer Welt von Unwissenheit, Irrtum und Sünde, decken sich die beiden Wesensschichten der Kirche nicht immer vollkommen, ohne dass dadurch der wesentliche Zusammenhang zwischen ihrer sichtbaren Gestalt und ihrer Gnadenwirklichkeit schlechthin zerrissen wäre."117

Da neben der Taufe und der Unterwerfung unter die Hirtengewalt auch das Bekenntnis des wahren Glaubens zu den Bedingungen der Gliedschaft gehöre, lehnte er es ab, daß sich die Kirche aus der „Summe aller christlichen Bekenntnisse zusammensetze"118, denn auch dann könne nicht mehr von einer sichtbaren Einheit gesprochen werden. Buuck betonte, „Mystici corporis" lehre mit der Bestimmung der wirklichen Gliedschaft nichts neues bis auf die Tatsache, daß sie den Ausschluß aus der Kirche durch eine rechtmäßige Autorität als Möglichkeit einräume. Er setzte sich sodann mit den Theologen auseinander, die die Exkommunikation nicht generell als Ausschluß aus der Kirche verstünden, u. a. mit Mörsdorf und Rahner: 114

Vgl. maschinenschriftliches Referat, Anlage zum Protokoll, Akten EvAk, 19. Ebd. Ebd., 20. 117 Ebd., 21. Dieser Satz vermittelt den Eindruck einer großen Nähe zum doppelten Kirchenbegriff der Reformatoren, für den allerdings charakteristisch ist, daß die äußere soziologische Struktur der Kirche (corpus permixtum) nicht iure divino zu ihrem Wesen gehört, sondern daß die Sichtbarkeit der Kirche in den notae zum Ausdruck kommt (CA VII). "« Ebd., 22. 115

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Mörsdorf 1 1 9 unterscheidet zwischen einer konstitutionellen Gliedschaft, die durch die Taufe erworben wird und unverlierbar ist, und einer tätigen Gliedschafi, die passiv in der Übernahme der Gliedschaftspflichten und aktiv in der Ausübung und Erwerbung von entsprechenden Rechten besteht. Konstitutionelle und passiv-tätige Gliedschaft sind nach Mörsdorf nicht verlierbar, einzig die aktiv-tätige. Diese Auffassung lehnte Buuck, wie auch Rahner und die Mehrheit der katholischen Dogmatiker ab, wieder mit dem Argument, daß durch sie die sichtbare Einheit von Glaube und Leitung gefährdet sei. 120 Rahner betrachtet, wie Buuck weiter darstellte, zwar einen excommunicatus vitandus im Sinne der Enzyklika als nicht mehr zur Kirche gehörig, w o m i t allerdings nicht entschieden sei über die Zugehörigkeit des excommunicatus toleratus und andere Formen der Exkommunikation. 1 2 1 Ferner gesteht Rahner solchen, die nicht wirkliche Glieder (1er sichtbaren Kirche sind, dann die Möglichkeit des Geistbesitzes zu, wenn im Falle der Gutgläubigkeit das votum Ecclesiae vorhanden ist. Damit gibt es für Rahner keine Abstufungen im Bereich der Gliedschaft (so Mörsdorf), sondern eine Zugehörigkeit zur Kirche, die auf die wirkliche Gliedschaft hingeordnet ist. 122

iw Vgl Mörsdorf, Klaus, Die Kirchengliedschaft im Lichte der kirchlichen Rechtsordnung, in: Theologie und Glaube (Sonderband) 1944, 115-131. 120 Referat Buuck, 24/25 und 30/31. m Ebd., 26 und Rahner, Karl, Die Zugehörigkeit zur Kirche nach der Lehre der Enzyklika Pius' XII. Mystici corporis Christi, in: ZKTh 69/1947, 129-188, 148/149. Rahner diskutiert hier eingehend die Position Mörsdorfs und verwirft sie radikal (140-144). Dabei wendet er sich generell gegen die Vorgehensweise der Kanonistik und zwar deshalb, weil diese die Taufe allein als konstitutives Element für die Kirchenmitgliedschaft kenne und nicht terminologisch mit Mitgliedschaft die volle Gliedschaft bezeichne: „Denn entweder müßte man doch die entscheidende Trennungslinie zwischen Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit auf der Ebene des inneren personalen Seins und damit zwischen Gerechtfertigten und Ungerechtfertigten ziehen, wodurch man einerseits auch Nichtgetaufte zur Kirche rechnen und andererseits, was für den kirchlichen Sprachgebrauch gänzlich unmöglich ist, Sünder in der Kirche nicht mehr zur Kirche rechnen müßte, oder man zieht die Trennungslinie auf der Ebene des Sichtbaren ..." (144). Diese Äußerung folgt aus seiner Forderung nach einem strikten Auseinanderhalten der beiden Ebenen, aufgrund derer er auch zu seiner Auffassung bezüglich der Mitgliedschaft in voto kommt (Siehe unten). Buuck folgte übrigens in seinem Aufsatz dem Duktus der Rahnerschen Erläuterungen und übernahm weitgehend dessen Position. m Referat Buuck, 28/29 und Rahner, a.a.O., 158ff. Dem Gegenargument, das votum sei in der Enzyklika nicht eigens erwähnt, begegnet Rahner damit, daß auch bei den Lehräußerungen über die Taufe das votum implizit immer mitgemeint sei. Die Pointe des Rahnerschen Aufsatzes, die Buuck nicht erwähnt hatte, beruht darauf, daß er dem votum ecclesiae eine „quasisakramentale Sichtbarkeit" zuschreibt Dies ist notwendig, um das Postulat der Heilsnotwendigkeit der Zugehörigkeit zur sichtbaren Kirche aufrechtzuerhalten und gleichzeitig eine Möglichkeit des Heils außerhalb der sichtbaren Katholischen Kirche einzuräumen, ohne die Ebenen eines inneren subjektiven und eines äußeren Aktes zu vermischen (182 und 161). Für die Ekklesiologie zieht er am Ende seiner Überlegungen folgenden Schluß, der unter stringenter Verfolgung katholischer Grundsätze erlaubt, Menschen außerhalb der sieht-

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Aus den Ausführungen geht hervor, daß trotz des doppelten Kirchenbegriffs der Enzyklika für jede ihrer Interpretationen die Zugehörigkeit zur sichtbaren Gestalt der Kirche ausschlaggebend war. Bei der Diskussion stellte sich heraus, daß die Enzyklika für die evangelische Seite zum einen die Möglichkeit des Heils außerhalb der sichtbaren Kirche nicht in dem Maße aussagte, wie ihr dies von katholischer Seite entnommen wurde, und zum anderen, daß sie Heil nicht nur als im Umkreis der Katholischen Kirche erfahrbar auffassen konnte. Ferner wurde die Rechtfertigung des Einzelnen als entscheidender Heilsvorgang hervorgehoben, demgegenüber alle anderen Distinktionen zu seiner Kirchengliedschaft sekundär seien.123 Auch die eigene, sich von dem Verständnis der Enzyklika deudich unterscheidende, Definition von Sichtbarkeit der Kirche wurde evangelischerseits angesprochen, wenn auch nicht diskutiert.124 Die aus ihr resultierende Auffassung, daß auch innerhalb der Katholischen Kirche der Leib Christi in einzelnen Christen lebendig sein kann, war für die katholischen Teilnehmer schwer nachvollziehbar.125 Obwohl Buuck und Rahner zumindest terminologisch anderer Auffassung waren als Mörsdorf, und Söhngen den evangelischen Teilnehmern noch weiter entgegenkam, als dies die anderen drei immerhin durch ihre Berücksichtigung des votum ecclesiae taten, herrschte unter ihnen bei der Diskussion darüber Einigkeit, daß auch außerhalb der Katholischen Kirche Heils Wirklichkeit existiere, auch wenn sie nur eine Teilwirklichkeit sei126, womit zukunftsweisende Aussagen getroffen worden waren. Ein weiteres Ergebnis des Gesprächs war der Versuch, eine Rangordnung der Kennzeichen der Kirche aufzustellen. Dabei wurde die Taufe allseits als grundlegend erachtet und die Gliedschaft von Mörsdorf ja deshalb generell von ihr abhängig gemacht Die evangelischen notae reichten

bar verfaßten Katholischen Kirche Kirchenzugehörigkeit - wenn auch in untergeordneter Weise - zuzugestehen: „Diese nur dürftig andeutenden Ausfuhrungen sollten nur das eine zeigen: die Sachproblematik der Vereinbarkeit der mittelhaften Heilsnotwendigkeit der Kirche und der Heilsmöglichkeit eines Menschen außerhalb der Kirche weisen in die Richtung der Annahme einer Mehrschichtigkeit der Wirklichkeit der Kirche, und zwar jetzt nicht in dem Sinne, daß zum vollen Begriff der Kirche sowohl die rechtliche und gesellschaftliche Organisation, ,Kirche' genannt, gehört als auch die gnadenhafte Verbindung des Menschen mit Gott, sondern in dem Sinne, daß Kirche als Sichtbarkeit und Zeichen der gnadenhaften Verbindung mit Gott selbst noch einmal eine doppelte Wirklichkeit umfaßt: Kirche als gestiftete rechtliche Organisation und .Kirche als durch die Menschwerdung geweihte Menschheit'" (188). m So Brunner, Prot., 16/17. m So Kinder, Prot., 14. m Protokoll, 21-23. 126 Protokoll, 12/13. Die katholischen Teilnehmer lieferten hier ein Musterbeispiel katholischer Hermeneutik, sofern sie nicht nur berücksichtigten, was die Enzyklika intendierte, sondern auch, wie sie selbst die Aussagen verstehen mochten. Für die evangelischen Teilnehmer ergaben sich die Interpretationen keinesfalls aus der Enzyklika.

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Volk aber nicht aus, da die Kirche in ihrer sichtbaren Gestalt pleroma sei, nicht nur ein Medium, sondern auch Heilsmysterium und damit Heilsinhalt.127 Interessant war schließlich noch ein kurzer Exkurs zur Einordnung des Papstamtes. Die katholischen Voten hierzu differierten. Während Rahner eindeutig den Papst als zur Heilswirklichkeit der Kirche zugehörig bezeichnete, faßten Volk und vor allem Söhngen das Papstamt nicht als zu den Heilsgütern gehörig auf. Freilich gestand auch Söhngen ein, daß es die Fülle der Heilsgüter nicht ohne den Papst gebe. Er akzeptierte aber den evangelischen Einwand gegen den Papst als Haupt der Kirche, da diese nicht zwei Häupter haben könne, und wandte sich gegen den Papstkult, der sogar zu Nebenordnungen des Papstes neben Gott, Christus und den Hl. Geist führen könne. Der Papst sei nur die äußere Sicherung der inneren Einheit des einen Leibes.128 Zwar kann das Papstamt nach evangelischer Auffassung in keiner Weise eine Sicherung für die Einheit der Kirche bedeuten, dennoch zeigt nicht nur die Interpretation der Enzyklika, sondern auch die Diskussion um die notae und vor allem um die Stellung des Papstes, daß damals bereits zukunftsweisende Ansätze im Bereich der Ekklesiologie und hinsichtlich einer ökumenischen Annäherung vorhanden waren, wie sie in den Dokumenten des ILVatikanum dann manifest wurden. Um die Rolle des Papstes auch im Hinblick auf die Einheit der Kirche ging es erst wieder bei der 18. und 19.Tagung 1957 und 1958, die weiter unten zur Darstellung kommen sollen. Die Frage nach der „Grenze" der Kirche verfolgte man aber gleich 1953 weiter, indem Kennzeichen und Eigenschaften der Kirche diesmal schwerpunktmäßig diskutiert wurden. Wie unter B.l. bereits erwähnt, behandelte man angeregt durch Buucks Referat die Thematik Christus und die Kirche mit dem Zusatz „unter besonderer Berücksichtigung der Grenze der Kirche". Von evangelischer Seite wurde erneut Wert darauf gelegt, daß die Grenze der Kirche dort gesehen werden müsse, wo rechte Evangeliumsverkündigung und ordentliche Verwaltung der Sakramente nicht mehr gewährleistet sind, während sie katholischerseits mit der Konfessionsgrenze identisch sei. Die von den Eigenschaften der Kirche zu unterscheidenden (sichtbaren) Kennzeichen der Kirche sind deshalb nach evangelischem Verständnis Wort und Sakrament - wobei das eine Amt, das für die rechte Ausübung von Evangeliumsverkündigung und Sakramentenspendung angeordnet ist, dazugezählt werden kann - nach dem katholischen sind es vor allem die verschiedenen Ausprägungen des Amtes in Gestalt der Ämterhierarchie. So hatte Kuss in seinem ntl. Referat die Entwicklung der Kirche anhand der sich festigenden Ämterstruktur dargestellt. Er knüpfte damit an die

w m

Prot, 15 ff. Prot., 19-21.

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Erörterungen von Gewieß bei der 11. Tagung an. Die im Sinne Bellarmins sichtbare Institution wurde nach seiner Darstellung von Jesus vor seinem Tod „de iure" begründet und ist nach der Auferstehung und Pfingsten infolge der Parusieverzögerung „de facto" entstanden. Da die Kirche in dieser Welt entstanden sei, bezeichnete er es als Gottes Wille, daß sie deren Organisationsformen übernehme.129 Schlink hatte demgegenüber zunächst gemäß der reformatorischen Lehre zwischen der sichtbaren Kirche, der Gemeinschaft aller Getauften, und der unsichtbaren Kirche, der Versammlung der wahrhaft Glaubenden, unterschieden. Er erläuterte, daß in der welthaft sichtbaren Kirche der Sünder die „wahre", unsichtbare Kirche verborgen sei, die nur dann für den Glauben (credo ecclesiam!) sichtbar werde, wenn das Evangelium verkündigt und die Sakramente - Taufe und Abendmahl - gespendet werden. Durch diese Kennzeichen, so Schlink, verleiht Christus der Kirche ihre Eigenschaften, die allerdings Gegenstand des Glaubens sind.130 Da beide Seiten von einem unterschiedlichen Verständnis der Sichtbarkeit ausgingen, warf Söhngen Schlink vor, er lehre die unsichtbare Kirche, obwohl Schlink mit ihm bezüglich der Zusammengehörigkeit von unsichtbaren Eigenschaften und sichtbaren Kennzeichen der Kirche übereinstimmte. Asmussen versuchte deshalb zur Klärung beizutragen, indem er die Sichtbarkeit im 1. und im 3. Glaubensartikel ansiedelte, also im kreatürlichen und pneumatischen Bereich. Zwischen dem natürlichen Sehen, das wiederum zwischen visibilia und invisibilia unterscheide, und dem geistlichen Sehen gebe es deshalb eine Differenz. Nach evangelischer Auffassung gebe es bei den Katholiken ausschließlich die natürliche Sichtweise im Sinne der Aufassung von Sichtbarkeit bei Bellarmin, von katholischer Seite werde diese im evangelischen Verständnis vermißt.131 Wie bereits im Vorjahr war der Stellenwert des Amtes umstritten. In erster Linie bemängelten die katholischen Teilnehmer, Schlink habe das Amt nicht als sichtbares Element der Kirche berücksichtigt. Nur durch das Amt aber, das durch einen „historisch feststellbaren Übertragungsakt" einem m Vgl. Kuss, Otto, Bemerkungen zu dem Fragenkreis Jesus und die Kirche, in: Tübinger Theolog. Quartalschrift 135/1955, 2 8 - 5 5 und 150-183, besonders 28, 37 und 44, Anm.24. Kuss löste eine Diskussion darüber aus, ob die Verfestigung der Amterstrukturen im Hegelschen Sinn als einseitig positive Entwicklung zu werten sei - so katholisch - oder als Geschichte des Abfalls - so evangelisch. Wendland versuchte, die Gegensätze der Betrachtungsweisen zu entschärfen, indem er sich gegen beide Einseitigkeiten wehrte und eine kritische Würdigung der frühkatholischen Entwicklung forderte (Prot., 4 ff., Wendland, 9). Aus den wenigen Anmerkungen zu Wendlands unveröffentlichtem evangelischem Korreferat über „Die Grenze der Kirche nach dem N T " läßt sich folgern, daß er die Entstehung der Kirche nach den paulinischen Schriften als Hineingenommenwerden des einzelnen Menschen in den Leib Christi durch die Taufe faßte (Kuss und Brunner, Prot., 3). Vgl. zur Diskussion auch Stählins Kongreßbericht von Lund 1952, 29, Anm. 1. 130 Ders., Christus und die Kirche, in: KuD 1 / 5 5 , 215-222. 0 1 Prot., 1 8 / 1 9 .

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Amtsträger übertragen werde, könne es eine gültige Darstellung Christi in Wort und Sakrament geben. Schlink bestätigte daraufhin die Zugehörigkeit des Amtes sowie die Zugehörigkeit der Gläubigen zur sichtbaren Kirche, bestritt aber, daß es ebenso eine „Wesensnota" der Kirche sei wie Wort und Sakrament selbst132 Er bestritt weiter, daß es zum dogmatischen Gehalt gehöre, das Amt durch Handauflegung jeweils an einen Amtsträger zu binden. Dies sei nur ein geschichdich gewordenes Faktum. Aber auch innerevangelisch gingen die Ansichten über die Eigenbedeutung des Amtes gegenüber Wort und Sakrament wieder auseinander. Schlink bezeichnete den Amtsträger nur in Ausübung seiner Funktion als aus der Gemeinde herausgehoben. Mit der Taufe sei jedem Gläubigen das allgemeine Priestertum verliehen, so daß im Notfall jedes Gemeindeglied die Sakramente gültig spenden könne. Nur ordnungshalber werde das Amt einem ordinierten Amtsinhaber verliehen.133 Asmussen sprach sich dagegen aus, das Amt auf seine Ordnungsfunktion zu beschränken, mit der Begründung, die Verheißung in CA VII, „daß alle Zeit müsse eine heilige chrisdiche Kirche sein", meine mehr als „eine Kette von Funktionen".134 Eine Definition vom Notfall aus hielt er außerdem für unmöglich, und da die Apologie der CA es offen lasse, ob die Priesterweihe als Sakrament anzuerkennen sei, bedürfe die Beschränkung auf. die Zweizahl der notae zumindest der Interpretation. Daß jedoch die Einheit der Kirche grundsätzlich nicht durch ein Amt oder ein Lehrganzes herbeigeführt und erhalten werden könne, das stellte man evangelischerseits mehrheidich der katholischen Auffassung gegenüber, zumal man die Einheit der Kirche nicht primär als Einheit ihrer Glieder verstand, sondern sie in deren gemeinsamer Anteilhabe an Christus gewährleistet sah. Die Grenze der Kirche als Leib Christi, so erörterte Brunner nochmals, sei deshalb nicht mit den konfessionellen Grenzen identisch. Sofern nämlich die Heilsmittel in der Papstkirche gereicht würden, rage die eine Kirche auch in diese hinein. Von katholischer Seite ging man in puncto Kirchenzugehörigkeit nicht über das bereits im Vorjahr Konstatierte hinaus. Schmaus stellte nochmals klar, daß es ntl. einen Leib mit einer Grenze gebe, der identisch sei mit der Römisch-katholischen Kirche. Durch die Taufe seien jedoch alle Glieder in den Zusammenhang mit Christus gestellt. Immerhin fügte er hinzu: „Es gibt zwar keine lutherische Kirche, aber von der Eucharistie und dem Gebet gehen Kräfte aus, die auch andere Gruppen in das Christus-Leben hineinziehen".135 U2

Vgl. die Diskussion zwischen Schmaus, Mörsdorf und Schlink, Prot., 11-14. Prot., 12-15 und 21/22. Daß die Katholische Kirche Predigt und Sakramentspendung von Nichtordinierten nicht als gültig anerkenne, hielt Schlink für „antisakramental und antichristlich". Schmaus hingegen bezeichnete gerade deren Anerkennung im Notfall so (24). 134 Zu Asmussens Votum insgesamt vgl. Prot., 14 und 22/23. 135 Prot., 30/31. 133

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2.3. Die Einheit der Kirche Die soeben zusammengefaßten Gesprächsansätze wurden im weiteren Verlauf der Zusammenarbeit in differenzierter Weise wieder aufgenommen und fortgeführt. Die Kontroverse um die Kirche in ihrer sichtbaren institutionellen Gestalt spitzte sich auf die Problematik der Rolle des Amtes in der Kirche und seine Bedeutung für die Heilsveraiittlung zu. Sie hatte sich aus den vielfältigen ekklesiologischen Gesprächen als die bis heute zentrale Streitfrage des lutherisch-katholischen Dialogs herausgebildet, in der zudem auch innerevangelisch die Auffassungen divergieren. Ende der 50er Jahre und im Umfeld des II. Vatikanum wurde sie immer dann behandelt, wenn es darum ging, die Bedingungen für eine mögliche Vereinigung beider Kirchen herauszuarbeiten. Man nahm sie also insbesondere dann in den Blick, wenn es verstärkt um die Frage der Einheit der Kirche ging. Die Arbeit an dieser Thematik mündete dann in die systematische Beschäftigung mit dem Zusammenhang zwischen Evangelium, Sakramenten, Amt und der Einheit der Kirche 1979 und 1980, deren Ergebnisse 1982 in der gleichnamigen Studie des ÖAK veröffentlicht wurde.136 Mit ihr ging die Frage nach dem ekklesiologischen Status der jeweils anderen Kirche einher. Wie sich bereits 1952 abgezeichnet hatte, suchten viele katholische Theologen nach Möglichkeiten, auch nichtkatholischen Glaubensgemeinschaften Elemente des Kircheseins zuzusprechen. In der Aufbruchstimmung vor dem II. Vatikanum kam es auch im ÖAK zu Stellungnahmen, die noch über das Einräumen eines votum ecclesiae oder die Annahme eines „Überschwappens" geistlicher Kräfte von der Katholischen Kirche auf die evangelischen Christen 1953 hinausgingen. Man versuchte nun weniger, die Grenzen der Kirche im beiderseitigen Kirchenverständnis abzustecken. Stattdessen änderte sich die Perspektive, und man erörterte im Blick auf eine gegenseitige Anerkennung die konstitutiven Elemente für die Einheit der Kirche. Bezüglich erster Schritte zur Einheit hielt man sich im ÖAK sehr zurück. Dabei spielte die mangelnde Anerkennung des evangelischen Amtes durch die katholische Seite und in einem weiteren Sinne die aus der unterschiedlichen Bestimmung des Wesens der Kirche hervorgehende unterschiedliche Einschätzung der Bedeutung der Kirche als Heilsmittlerin eine große Rolle. Die Diskussionen des ÖAK hierzu sind der Inhalt der sich anschließenden Abschnitte 3. und 4.

136 Lehmann, Karl/Schlink, Edmund (Hrsg.), Evangelium-Sakramente-Amt und die Einheit der Kirche. Die ökumenische Tragweite der Confessio Augustana, Dialog der Kirchen Bd. 2, Freiburg i.Br. 1982.

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2.3.1. Die Bedeutung der Ämterstruktur fiir die Einheit der Kirche a) Das Papstamt Zu Beginn der detaillierten Untersuchungen einzelner Aspekte der kirchlichen Ämterstruktur durch den ÖAK stand bereits 1957 das Papsttum zur Debatte, obwohl dieses Thema von jeher den meisten Anlaß zu gegenseitiger Polemik zwischen den beiden Konfessionen gegeben hatte.137 Ausführlich untersuchte man eingangs die Echtheit der biblischen Texte zur Begründung des Papsttums. Kuss ging davon aus, daß Mt 16 unbestritten echt sei, während Mt 18 als eine „authentische, vom Heiligen Geist geleitete Interpretation eines Herrenworts" anzusehen sei. Er machte jedoch auf die Unklarheit des Begriffs „Echtheit" aufmerksam. Es müsse unterschieden werden zwischen Worten des „vorösterlichen, des auferstandenen oder des pneumatischen Christus."138 Das Wort „ecclesia" in Mt 18 bezeichnete er als Gemeindebildung, während er es in Mt 16, im Munde des vorösterlichen Christus, für denkbar hielt. Mt 16, also die Stelle, nach der sich Jesus ausschließlich an Petrus wendet, stufte er als gewichtiger ein als Mt 18 und Joh 21.139 Auf evangelischer Seite bezeichneten von CamU7

Vgl. dazu Stählin und Jaeger, Prot, der 18. Tagung 1957, 30/31. Die Tagung fand vom 8.-12.4.1957 in Paderborn statt. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, von der Gablentz, Joest, Kinder, Maurer, Schumann, Skydsgaard, Wolf, Prot. Mumm, Gäste: Dietzfelbinger, Dombois. Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Dolch, Gewieß, Grosche, Hasenkamp, Kuss, Mörsdorf, Rahner, Rosenmöller, Schmaus, Söhngen, Volk, Prot. Bäumer, Gäste: Bacht, Brandenburg, Karrer, Plagnieux. Daß katholischerseits so viele Gäste anwesend waren, lag daran, daß Pollet nicht zur Tagung kommen konnte und ersatzweise Prof. Plagnieux, Kirchengeschichtler aus Straßburg, vorgeschlagen hatte, weil dieser besonders interessiert am Thema sei (Jaeger an Stählin, 19.3.57). Buuck war durch eine Dienstreise verhindert und schlug P. Bacht (St. Georgen, Ffm.) als Vertreter vor, Warnach konnte wegen Krankheit sein Referat nicht halten und hatte Karrer gebeten, für ihn einzuspringen (Jaeger an Stählin, 5.4.57, beide Briefe Briefwechsel Stählin/Jaeger, Korr EvAk). Bei dieser Tagung wurden 7 Referate gehalten, da neben der exegetischen Grundlegung durch Kuss das Papsttum von der Alten Kirche (Karrer) bis zur Reformation (Maurer) behandelt wurde und zu den dogmatischen Referaten (Joest und Schmaus) jeweils kirchenrechtliche Ergänzungen durch Dombois bzw. Mörsdorf erfolgten. Die Referate von Kuss, Schmaus und Maurer liegen nur in Form von Inhaltsangaben als Anlagen zum Protokoll vor. 138 Vgl. Notizen zur Tagung (wahrscheinlich von Stählin), Akten EvAk, 1. 119 Prot., 7/8 und 12. Im Zusammenhang dieser Debatte trat die Bedeutung des Verhältnisses beider Seiten zu Schrift und Tradition für die jeweils vertretene Position deutlicher zutage als bei den vorhergehenden Tagungen, so daß die Forderung nach einer eigenen Behandlung der Prinzipien der Schriftauslegung laut wurde (Kuss, Prot., 7). Dazu trug wieder maßgeblich Kuss bei, der sich zum einen stark machte für eine von jeder dogmatischen Überfrachtung freie historisch-kritische Exegese und sich damit der Vorstellung evangelischer Exegeten annäherte. Daß auch er Mt 18 als sekundäre Gemeindebildung betrachtete und vor allem, daß er weder in Mt 16 einen Hinweis auf einen Nachfolger des Petrus sah, noch eine Überordnung des Petrus über Jakobus in der Apostelgeschichte, waren Beispiele dafür (Prot, 4 und 8). Er ging davon aus, daß sich der Sinn von Mt 16 erst allmählich erschlossen hat und die Gestalt des Papstamtes in ihrer heutigen Form deshalb nicht unmittelbar dem N T zu entnehmen sei (Notizen zur Tagung, 1 ).

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penhausen und Friedrich auch Mt 16 als ein Wort der Gemeindetradition, wobei ersterer mit dem Vorkommen des Begriffs „ecclesia", letzterer mit der eschatologischen Naherwartung Jesu argumentierte, aufgrund derer er nicht an die irdische Zukunft der Kirche gedacht haben könne. Man war sich im klaren darüber, daß die Echtheit von Mt 16 auch in der protestantischen Exegese umstritten war. Die Problematik war aber insofern dogmatisch ohne Belang, als man auch bei Echtheit des Wortes noch nichts über eine Petrushierarchie ausgesagt fand.140 Was den Vorrang des Petrus in der frühen Kirche anging, so war die Tatsache, daß Petrus in der Urkirche eine Sonderstellung einnahm, nicht umstritten. Die Ansichten über seine Funktion und die Art seines Vorrangs gingen jedoch auseinander. Joest legte dar, daß nach Mt 16 dem Petrus eine „grundlegende Bedeutung für Sammlung und Wachstum der Kirche" zugesprochen werde. Dies solle in erster Linie durch die Verkündigung des Evangeliums erfolgen, das den Schlüssel darstelle. In dem „Binden und Lösen" sei die Kirchenzucht impliziert. Petrus hatte, Joest zufolge, Autorität als erster Auferstehungszeuge, und ihm kam in der Jerusalemer Urgemeinde insofern ein gesamtkirchlicher Primat zu, als diese Gemeinde damals die gesamte Christenheit bildete. Ein gesamtkirchliches Leitungsamt akzeptierte er also grundsätzlich auf dem Hintergrund der Tradition in der Urkirche, nicht jedoch eine Amterhierarchie, an deren Spitze einem Amt eine besondere Fundamentbedeutung zukommt.141 Er konnte die Führungsstellung des Petrus gegenüber den Aposteln nur als die eines „primus inter pares" anerkennen, da die Vollmacht, in seiner Verkündigung Christus zu repräsentieren, der Auftrag, die Schafe zu weiden, die Vollmacht, zu binden und zu lösen, und die Fundamentbedeutung im N T seiner Ansicht nach

Diese Position konnte er jedoch deshalb vertreten, weil er die Tradition als zweite Quelle kirchlicher Lehre und notwendiges Element für die Einheit der Kirche stark machen wollte, um der Willkür reiner Exegese entgegenzuwirken. Als willkürlich bezeichnete er z.B. die Interpretation von Mt 16 im Sinne von Mt 18 und Joh 20 und die damit auf evangelischer Seite vorgenommene stärkere Gewichtung der Bibelstellen, in denen Jesus sich an die Gemeinde wendet (Prot, 7). Abgesehen davon, daß die Grundsätze der Schriftauslegung nahezu bei jeder Tagung anklangen, insbesondere bei der 13. Tagung zum Verhältnis von Christus und der Kirche und auch bei der Diskussion dieser Tagung um das Lehramt, wurden sie bei der anschließenden Tagung um die Einheit der Schrift und bei der 1961 abgehaltenen zum Verhältnis von exegetisch-historischer und dogmatischer Denkweise in der Theologie näher behandelt (Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 4.). 140 Prot., 4/5. Von Campenhausen und Friedrich vertraten damals die Position Bultmanns und Kümmels, die gegen A. Oepke im Anschluß an Holtzmann u. a. erneut die Unechtheit von Mt 16 zu beweisen suchten. Vgl. Cullmann, Oskar, Petrus, Zürich 1952, 182-188 und Prot, 14/15. 141 Daß es sich hier um eine begriffliche Paradoxie handelt, ist deutlich: Wie kann die Spitze eines hierarchischen Gebildes gleichzeitig das Fundament sein?

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den Aposteln, bzw. dem gesamten Jüngerkreis, zugesprochen wurden. Die herausgehobene Funktion des Ecksteins gebühre allein Christus.142 Demgegenüber wollten die katholischen Teilnehmer die eindeutige Vormachtstellung des Petrus im N T gewahrt wissen. Rahner legte Wert darauf, daß Petrus allein der Fels sei und die Schlüssel habe. Nur die Funktion des „Bindens und Lösens" sei nicht auf seine Person beschränkt Kuss widersprach Joest, indem er bezweifelte, daß Petrus nach l.Kor 15 wirklich der erste Auferstehungszeuge war und „nur" dadurch seine Autorität bekam. Schmaus machte auf die Möglichkeit aufmerksam, „poimein" in Joh 21,15 mit „regieren" zu übersetzen, womit zwar kein rechtlicher, wohl aber ein verbindlicher Anspruch gegeben sei und damit das Prinzip des Primats. Schmaus bot mit seiner Haltung einen Ansatz zur Verständigung, da er in dem aus dem N T zu entnehmenden Prinzip des Primats nicht die heutige römisch-zentralistische Form impliziert sah, Karrer, indem er die Bedeutung des Petrus als Oberhaupt für die Einheit der Kirche herausstellte.143 Bei der Diskussion um die Nachfolge des Petrus und bei der Auseinandersetzung mit dem katholischen Verständnis des Papstprimats sowie der evangelischen Haltung dazu kam nämlich deutlich zum Vorschein, daß die Differenzen wesentlich in der Haltung zur rechtlichen Ausprägung des Papstamtes bestanden. So kam Joest hinsichtlich der Frage, ob die besondere Bedeutung des Petrus nur zeitgeschichtlich eine Rolle spielte, oder ob sie auf Nachfolger übergehen sollte, zu dem Schluß, in Mt 16 sei in keinem Fall die „Dauerinstitution eines Jurisdiktionsprimates mit Nachfolgern" gemeint, sondern ein „streng persönlicher und streng zeitlich geschichdicher Primat"144, in dessen Wesen es gerade gelegen habe, keinen Nachfolger zu haben. Zur historischen Begründung der Nachfolge des römischen Bischofs im Petrusamt bemerkte Joest, wahrscheinlich sei Petrus zwar in Rom gewesen, nicht aber als Bischof. Deshalb könne höchstens der Bischofsstuhl des Jakobus in Jerusalem Anspruch auf eine direkte Nachfolge im Petrusamt erheben.145 Katholischerseits hielt man grundsätzlich daran fest, daß in Mt 16 die Nachfolge des Petrus mitgemeint sei, da die Setzung durch Christus nicht irgendwann aufgehört haben könne. Kuss kam jedoch der evangelischen Haltung mit dem Zugeständnis entgegen, daß der Nachfolgegedanke nicht explizit ausgesprochen sei. Er bezeichnete es als einen Kurzschluß, „in der Auslegung des N T gleich vom Papst zu reden".146 Während von Campen-

142 Vgl. maschinenschriftliche Anlage des Referates „Die Frage des römischen Primates" zum Prot., 3-5. 143

Prot., 12/13 Kuss, 17 Schmaus, 16 Karrer. Referat Joest, 5/6. Joest schloß sich in seiner Exegese Cullmann an. Vgl. Cullmann, Petrus, 268. 145 Referat Joest, 5/6. 146 Siehe oben zu Kuss und Prot., 8. 144

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hausen auch eine Auslegung von Mt 16 „im päpstlichen Sinne" in der Alten Kirche bestritt, nannte Karrer als Gegenbeispiel die bibeltheologische Begründung, die Papst Stephan um 255 gegenüber Cyprian geltend gemacht hatte, und ergänzte außerdem, der Matthäustext habe schon lange Zeit vorher zur Begründung des Primats gedient.147 Ebenfalls gegen von Campenhausen entnahm Karrer dem 1. Clemensbrief, daß es in der römischen Gemeinde eine „Schlichtungsinstanz" zur Bewahrung der Einheit der Gesamtkirche gegeben habe, in der sich die Fundamentfunktion des Petrus fortgesetzt habe. Er erläuterte weiter, daß in der Spannung zwischen episkopalen und petrinischen Tendenzen in der Alten Kirche das Petrusamt immer nur dann, und zwar positiv, hervorgetreten sei, wenn die Autorität der anderen Bischöfe nicht ausgereicht habe, bzw. die Lehre der Kirche auf dem Spiel stand. Um einen solchen Fall habe es sich z.B. gehandelt, als Leo der Große im Zusammenhang mit dem Konzil von Chalzedon einen Lehrbrief gegen die monophysitische Irrlehre verfaßt habe.148 Davon abgesehen, daß evangelischerseits der Beweis aus der Tradition ohne biblische Basis von vornherein als fragwürdig empfunden wurde, trat also immer klarer zutage, daß sich der Protest in keiner Weise gegen das Papstamt als Instanz im Dienste der Einheit der Kirche richtete, sondern gegen den mit diesem Amt eng verbundenen Jurisdiktionsprimat. Schlink bestand darauf, daß die Sammlung der Hirten um den Repräsentanten der Einheit, wie sie die Petrusstellen im Blick hätten, nicht notwendig „kirchenrechtlichen" Ausdruck finden müsse. In der koinonia des N T gehe es nicht um Über- und Unterordnung, sondern um gegenseitige Zuordnung.149 Als den Hauptgrund für die Ablehnung der Amterhierarchie mit dem päpsdichen Primat nannten die evangelischen Teilnehmer deren Charakter als „Parallelstruktur zur christologischen Struktur der Kirche".150 Die oben als grundlegendes Problem der ekklesiologischen Gespräche dargestellte Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche wirkte sich nun besonders aus, wo es um den Papst als den Stellvertreter Christi selbst ging. Joest begründete seine Kritik unter Bezugnahme auf das Unfehlbarkeitsdogma damit, daß Jesus nur einen Stellvertreter verheißen habe, nämlich den Hl. Geist, durch den prinzipiell alle Glaubenden unfehlbare Entscheidungen treffen könnten. Er gestand zwar zu, daß es in der Kirche Lehrende und Hörende gebe, als übergeordneten Gesichtspunkt nannte er jedoch das Gegenüber der ganzen Kirche zu Christus. Eine Repräsentanz Christi 147 Vgl. von Campenhausen, Prot., 5 und Karrer, Otto, Das Petrusamt in der Frühkirche, in: Iserloh, Erwin/Manns, Peter (Hrsg.), Festgabe für Josef Lortz Bd. 1, Baden-Baden 1957, 507-525, 521. 148 Zu von Campenhausen vgl. Notizen zur Tagung, 2, zu Karrer, a.a.O., 513, 517 und 523-525. Vgl. Brunner, Prot., 15 und Schlink, 20/21 gegen die im I. Vatikanum definierte Vormachtstellung des Papstes. 150 So Joest Zu seiner im folgenden geschilderten Meinung vgl. sein Referat, a.a.O., 7-10.

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durch einen Menschen hätte seiner Meinung nach in ihrer strukturellen Bedeutung schon im Selbstverständnis der Urkirche hervortreten müssen, was ja evangelischerseits zuvor bestritten worden war. Zudem stelle die Auslieferung der Kirche an die Irrtümer eines Menschen eine zu große Gefahr dar, als daß ein evangelischer Christ einem so verstandenen Primat zustimmen könne.151 Nun versuchte man von katholischer Seite aus alles, um bei der Explikation der Amterhierarchie den Vorwurf einer ungerechtfertigten menschlichen Parallelstruktur und menschlicher Eigenmächtigkeit innerhalb der Kirche zu entkräften. Schmaus zitierte zunächst die Enzyklika „Mystici corporis", nach der Christus selbst den Papst als seinen Stellvertreter in der Leitung der Kirche, d. h. als sichtbares Haupt seines sichtbaren Leibes bestimmt hat. Ihm komme nicht nur ein Ehren-, sondern ein Rechtsprimat zu. Während er hinsichtlich seiner Weihegewalt „nicht wesentlich über den anderen Bischöfen steht", sei seine Hirtengewalt insofern ausgeweitet, als der Papst den Bischöfen den Bereich zuweise, in dem sie ihr Hirtenamt ausüben sollen. Ihre Weihegewalt werde jedoch direkt von Gott verliehen.152 Rahner ergänzte aber, der Papst habe zwar die „suprema potestas iurisdictionis", nicht aber die „plenitudo potestatis Spiritus sancti". Deshalb, weil es nach „Mystici corporis" auch eine unmittelbare Leitung der Kirche durch den Hl. Geist gebe, der Fehlentscheidungen des Papstes

151 Maurer hatte erläutert, daß sich schon die Papstpolemik Luthers und der B S L K - etwa im Tractatus de potestate Papae - nahezu ausschließlich gegen den „imperialen Machtanspruch" des Papstes gewandt habe und daß ihr deshalb im Falle der Aufgabe dieses Anspruches der Boden entzogen werde. Selbstkritisch fügte er jedoch hinzu, was in den Jahren zuvor von evangelischer Seite immer wieder bemerkt wurde, daß „jede christliche Rechtsbildung der Gefahr antichristlicher Verzerrung ausgesetzt ist", auch in der lutherischen Kirche (Notizen zur Tagung, 1/2 und P r o t , 28/29). Freilich war es von Bedeutung, daß Rahner eingestand, der Papst sei, wenn er nicht wirklich der Nachfolger Christi sei, „in viel stärkerem Maße" der Antichrist, als es jede Rechtsverzerrung in der Evangelischen Kirche sein könnte. Zentral war für Maurer und auch für Dombois grundsätzlich, daß die Freiheit des Glaubensgehorsams nicht durch das Recht in der Kirche eingeschränkt werden dürfe. Dombois bezog die eigene Konfession in seine Kritik mit ein, daß Recht als pneumatisches Recht nur in einer Kirche ausgeübt werden könne, die apostolisch und katholisch sei. Durch den Primat sei aber in der Römischen Kirche die Katholizität zugunsten der Apostolizität zurückgedrängt worden, während in der Ostkirche und im Protestantismus die Katholizität überwiege. (Vgl. die Diskussion um Maurer und Dombois, Prot., 28-31 und maschinenschriftliches Referat von Dombois „Kirchenrechtliche Bemerkungen zum Papsttum", 1 - 6 und 12/13. Das Referat wurde später unter dem Titel „Zur Grundlegung des Rechtes der Kirche" veröffentlicht in: Pro ventate, Münster/Kassel 1963, 2 0 3 - 2 2 3 sowie in seinem Sammelband „Ordnung und Unordnung der Kirche. Kirchenrechtliche Abhandlungen und Vorträge", Kassel 1957 und unter teilweiser Veränderung ausführlicher entfaltet in ders., Das Recht der Gnade, Witten 1961).

152 Vgl. Notizen zur Tagung, Referat Schmaus, 2 / 3 , Prot., 23 Karrer und 26 Mörsdorf: „Die alte Streitfrage, von wem der Bischof seine Jurisdiktion hat, von Christus oder vom Papst, löst sich auf in einem et . . . et".

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verhindere, halte man ζ. B. ein absolutes Widerstandsrecht gegen den Papst nicht für nötig.153 Auch auf die eingeschränkten Kompetenzen des Lehramtes wies man hin. Daß es in der Kirche ein Lehramt geben müsse, das abgesehen von der Exkommunikation auch „innerkirchlich" letztgültige Entscheidungen treffen kann, wurde gegenüber den evangelischen Einwänden als unabdingbar bezeichnet.154 Schmaus erläuterte aber, die Bestimmungen des I.Vatikanum zur Unfehlbarkeit dieses Lehramtes bezögen sich nur auf den Wahrheitsgehalt von Lehrentscheidungen, nicht aber auf die Mitteilung neuer Offenbarungen oder auf den Vollständigkeitscharakter der Lehre. Freilich bezeichnete er unfehlbare Entscheidungen als verpflichtend für alle Getauften, da in dieser Verpflichtung Gott seine Herrschaft über den Menschen aufrichte.155 Schließlich ging es um das Verhältnis von Papst und der durch die Bischöfe repräsentierten Gesamtkirche. Dabei zeigte sich bereits damals die Tendenz zu einer stärkeren Betonung des bischöflichen Elementes. Zunächst hatte Rahner in der Auseinandersetzung mit Dombois festgehalten, daß „ex-sese"-Entscheidungen des Papstes den consensus ecclesiae nicht ausschlössen. Nach Bacht steht das „ex sese" vielmehr dafür, daß der Papst letztlich allein Christus verantwortlich ist.156 Schmaus stellte ganz klar dar, daß vor Lehrentscheidungen des Papstes die Bischöfe als die Repräsentanten der Gesamtkirche zu befragen seien. Es wurde jedoch deutlich, daß die Zuordnung von Papst und Bischofskollegium in den Bestimmungen des I.Vatikanum nicht eindeutig definiert worden war. Rahner und Volk stellten fest, das päpsdiche und das episkopale Element in der Römisch-katholischen Kirche ließen sich nicht aufwiegen. Für die Wahrheitsfrage aber sei es unabdingbar, daß der Hirte uneingeschränkt anerkannt werde. Der Eigenbedeutung der Bischöfe neben der übergeordneten päpstlichen Gewalt widmete man auch besondere Aufmerksamkeit, indem man auf die Steigerung der bischöflichen Macht seit dem Tridentinum hinwies, die darin bestehe, daß der Bischofskonferenz die Befugnisse der früheren Oberbischöfe übertragen worden seien, auch wenn diese Gewalt keine rechtliche, sondern eine faktische sei. Mörsdorf ergänzte ferner, in dem zum Zeitpunkt der Tagung noch nicht ratifizierten aber 1958 endgültig 153 Prot., 23/24. Die unmittelbare Leitung des Hl. Geistes kann nach Rahner etwa durch das Leben der Heiligen geschehen. Die moralische Verpflichtung des Papstes liege in der Assistenz des Geistes und lasse sich daher formal nicht definieren. Von der Gablentz auf evangelischer Seite forderte übrigens nicht nur ein Widerstandsrecht, sondern sogar eine Widerstandspflicht gegenüber dem römischen Primat bei umstrittenen Entscheidungen, wie der des Mariendogmas von 1950 (Prot, 28). 154 Vgl. die Auseinandersetzung zwischen Dombois und Rahner, Prot., 25 (26) und die spätere Kontroverse zwischen Rahner und Küng um die Unfehlbarkeit. 155 Notizen zur Tagung, 3. 156 Prot., 25-27.

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in Kraft getretenen Verfassungsrecht für die mit Rom unierten Ostkirchen werde den Patriarchen und Synoden soviel Gewicht beigemessen, daß solche „Mittelglieder" möglicherweise auch wieder vermehrt im Westen an Bedeutung gewinnen könnten. Ein solcher Exkurs zu anderweitigen bikonfessionellen Gesprächen erfolgte nicht oft. Es war jedoch durchaus sinnvoll, die eigene Arbeit einmal im Kontext der gesamten zwischenkirchlichen Beziehungen zu sehen. In diesem Fall konnte es dazu dienen, die von Schmaus ausgesprochene Hoffnung zu verstärken, daß die römisch-zentralistische Form des Primats, die nicht notwendig im Prinzip des Primats liege, sich wandelt.157 Versucht man kurz, die Ergebnisse zur Bedeutung des Papstamtes für die Einheit der Kirche zusammenzufassen, so war es bereits als ein erstes Resultat anzusehen, daß ein gesamtkirchliches Amt zur Repräsentation der Einheit der Kirche von beiden Seiten anerkannt wurde. Die Einsicht in die grundsätzliche Bedeutung eines gesamtkirchlichen Amtes für die Einheit der Kirche kristallisierte sich als gemeinsame Gesprächsbasis erst heraus. Als die eigentlichen Kritikpunkte der evangelischen Seite wurden konkret die Aufsplitterung des einen Amtes in eine Hierarchie von Ämtern verschiedener Weihestufen, die als sichtbarer Ausdruck der Einheit der Kirche verstanden wird, der Anspruch des Papstes, Stellvertreter Christi zu sein, und der ihm zugesprochene Jurisdiktionsprimat formuliert Von entscheidender Bedeutung für eine Verständigung war die Unterscheidung der katholischen Teilnehmer zwischen dem Primat als solchem und seiner durchaus veränderbaren zentralistischen Ausprägung innerhalb der Römischen Kirche. b) Presbyterat und Episkopat

Ging es bis 1957 noch sehr allgemein um die Bedeutung der sichtbaren Elemente der Kirche im Verhältnis zu ihrer unsichtbaren Wirklichkeit, so war man dann mit der Behandlung des Papstamtes zur konkreten Auseinandersetzung mit dem Amtsverständnis beider Kirchen übergegangen. Im Laufe der Jahre nahm man sich - neben der Beschäftigung mit vielfältigen anderen Themen - nun immer differenzierter der einzelnen Ausprägungen und Funktionen des kirchlichen Amtes an.158 157 Vgl. Notizen zur Tagung, 3 und 5 und Mörsdorf, Klaus, Streiflichter zum neuen Verfassungsrecht der Ostkirche, in: MThZ 8/1957, 235-255, zu Schmaus, Prot, 17. Vgl. auch die Äußerungen katholischer Teilnehmer, Prot., 15, 23 und 27. Zu den Ergänzungen der Bestimmungen über das Verhältnis von Papst und Bischöfen des I.Vatikanum in Lumen gentium vgl. dort Kapitel 3. 158 Bereits die 19. Tagung 1958 griff unter der Themenstellung „Die Einheit der Kirche und die Einheit der Schrift" die vorausgegangene Tagung auf und stellte das Lehramt ins Zentrum der Erwägungen. Sie soll im Zusammenhang des Abschnitts 4. zur Bewahrung und Weitergabe der apostolischen Uberlieferung durch die Kirche aufgenommen werden. Erst 1969 behandelte man die Amtsproblematik dann unter dem Aspekt „Autorität in der Krise"

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Speziell mit der Zuordnung von Pfarramt und Bischofsamt und der Bedeutung dieser Unterscheidung für die Kirche befaßte man sich bei der 36. Tagung 1975.159 Zwar fand diese Tagung in einem völlig anderen Stadium der Gespräche und des ökumenischen Dialogs überhaupt statt, doch setzte sie - nun unter dem Vorzeichen des ILVatikanum - in gewisser Weise die Auseinandersetzung von 1957 um das Papstamt fort. War es damals um die Bedeutung des Papstes für den Erhalt der Einheit der Kirche gegangen und insbesondere um das Verhältnis von Papst und den Bischöfen als den Vertretern der Gesamtkirche, so stand jetzt die Unterscheidung zwischen Bischöfen und Ortspfarrern auf dem Plan und zwar insbesondere auch in ihrem Bezug zur Auffassung von der Einheit der Kirche. In beiden Zusammenhängen erwies sich das Verständnis der sichtbaren Gestalt der Kirche als von oben her hierarchisch aufgebautem Komplex bzw. als Gemeinschaft vieler Ortskirchen als der entscheidende Kontroverspunkt. Übte man 1957 auf katholischer Seite bereits in erstaunlichem Maße Selbstkritik angesichts der zentralistischen Ausprägung des Primates, so wurde diesmal die hierarchische Differenzierung der Ämter insgesamt zwar nach wie vor als erforderlich bezeichnet, die Herleitung von oben aber hinterfragt. Weniger die Unterschiede zwischen den einzelnen Amtern in-

emeut, allerdings weniger aus kontroverstheologischer Sicht als aus damals aktuellem Anlaß. 1971 vertiefte man mit dem Thema „Sacerdotium und Ministerium" die vorausgegangene Tagung zur Interkommunion. 1974 untersuchte man die geltenden Ordinationsformulare beider Kirchen und veröffentlichte die Resultate dieser Tagung unter dem Titel „Ordination und kirchliches Amt". An diese Thematik schloß die Auseinandersetzung mit „Presbyterat und Episkopat" an. Zu den letzten beiden Hinweisen vgl. Abschnitt 3. 159 Die Tagung fand vom 17.-21.3.75 in Schwerte statt. Ev. Teiln.: Kunst, Stählin, Schlink, Anz, Brunner, Btirkle, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, Hahn, Hauschild, Joest, B. Lohse, Skydsgaard, Slencka, Wolf, Prot. Mumm. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Bläser, Deissler, Iserloh, Lehmann, Ratzinger, Schelkle, Prot. Krems, als Gastreferenten Gerhard Fahrnberger (St. Pölten) und Suso Frank (Freiburg). Obwohl es sich um eine Tagung in einem bereits vorgerückten Stadium der Gespräche handelte, in dem der ÖAK mit seinen ersten Veröffentlichungen bereits an die Öffentlichkeit getreten war, verlief sie - etwa verglichen mit der vorhergehenden zu Amt und Ordination - unsystematisch und wenig effektiv. Dies führte man darauf zurück, daß durch zuviele Referate (es waren insgesamt acht, da die geplanten vier Voten zu den Referaten ebenfalls zu solchen ausgeweitet wurden) zu wenig Zeit für das Gespräch blieb und sich dieses zudem nicht genügend auf das Thema konzentrierte, sondern „sich streckenweise mit den Amtsfragen im Allgemeinen" befaßte (Prot., 38). Es referierten im einzelnen Joest zu „Pfarramt und Bischofsamt in der ev.-luth. Theologie", Fahrnberger zu „Episkopat und Presbyterat in den Diskussionen des Konzils von Trient", Schelkle zu „Amt und Ämter nach dem NT" mit Friedrich als Korreferent, Frank zu „Episkopat und Presbyterat in der alten Kirche", B. Lohse über die Bischofswahlen in Alexandrien und Lehmann zu „Episkopat - Presbyterat nach dem Vaticanum II". Mumm trug femer das Resümee eines Berichtes von Axel von Campenhausen über „Entstehung und Funktionen des bischöflichen Amtes in den Gliedkirchen der Ev. Kirche in Deutschland" vor. Die Referate liegen nur als Anlagen zum Protokoll der Tagung in den Akten des EvAk vor. Auch gemeinsame Thesen wurden nicht veröffentlicht

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nerhalb der Hierarchie, als vielmehr die Bedeutung des Amtes in den einzelnen Ortsgemeinden wurde nun herausgestellt. Deudich fand darin die communio-Ekklesiologie des Il.Vatikanum ihren Ausdruck. Der mit ihr einhergehende Wandel im Verständnis der Einheit der Kirche und seine Auswirkungen auf die Ökumene sind in dieser Auseinandersetzung dokumentiert. Zunächst hatte Joest anhand der lutherischen Bekenntnisschriften deren Amtsverständnis dargelegt und insbesondere darauf hingewiesen, daß das in CA V gemeinte besondere Amt als Einheit verstanden wird, „die ihre Grundgestalt in dem auf eine konkrete Gemeinde bezogenen Pfarramt hat: auch der Bischof ist ein Pfarrer. Es finden sich in den BS vielfach Wendungen, in denen episcopi und pastores gleichgesetzt werden. Darin liegt auch eine Erinnerung an den geschichtlichen Ursprung: der Bischof als Vorsteher einer Gemeinde und Leiter ihres Gottesdienstes."160

Im Zuge der weiteren Ausbreitung des Christentums wurde es zwar notwendig ein übergemeindliches kirchenleitendes Amt auszugliedern, nämlich das Bischofsamt, aber nicht aufgrund von unmittelbarer göttlicher Setzung, sondern aus Gründen menschlichen Ordnens. Die grundlegenden Funktionen, so Joest weiter, sind Bischof und Pfarrer gemeinsam. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß sie der Bischof im größeren Kreis ausübt. Die besonderen Ordnungsmaßnahmen, die die Bischöfe zusätzlich zu treffen haben, sind deutlich von ihren geistlichen Funktionen zu trennen und erfolgen nur „de iure humano", d. h. sie sind abwandelbar.161 Darin, daß es eine Aufgliederung des Amtes geben müsse, war man sich also einig. Nach evangelischer Auffassung muß sie jedoch nicht hierarchisch sein und geschieht „nur" nach menschlicher Ordnung.162 Auch in diesen Punkten kam man sich jedoch wesentlich näher. Grundsätzlich stellte Lehmann fest, daß die Begriffe „ius divinum" und „ius humanuni" heute als Grenzbegriffe zu verstehen seien, da es zum einen kein pures ius divinum gebe. „Andererseits höhlen wir mit dem Begriff ius humanum die Überlieferung aus, als müsse alles verändert werden, was wir für ius humanum halten. Ius humanum heißt weiterhin: Da hat sich etwas bewährt und durchgesetzt".163

160 Anlage des Referates zum Protokoll, 4. Auf die exegetischen Referate soll nicht eingegangen werden, da sie einmal mehr die Aussagen des N T zum Verhältnis von Geist und Amt wiedergaben und damit über das bei vorausgegangenen Tagungen zum Amtsverständnis bereits festgestellte hinaus keine neuen Aspekte aufbrachten. 161 A. a. O., 5/6. Vgl. dieselben Aussagen im Resümee von A. von Campenhausens Bericht zu Entstehung und Funktionen des bischöflichen Amtes in den Gliedkirchen der EKD (Anlage zum Prot). 162 Vgl. Joest, Prot., 11. 163 Lehmann, Protokoll, 29.

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Schlink stimmte Lehmanns Definition ausdrücklich zu, da sie mit seiner Bestimmung des ius humanum als „geschichtliche Gestalt einer geistlichen Wirklichkeit" übereinstimme.164 Zur Beantwortung der Frage, was das Bischofsamt nach katholischer Auffassung vom Presbyteramt unterscheidet, nahm man sich neben dem N T die Verhältnisse in der Alten Kirche sowie insbesondere die Diskussionen dazu in Trient und die Aussagen des II. Vaticanum vor. Dabei zeigte sich, daß es im Verlauf der Kirchengeschichte verschiedene Ansätze gab, nach denen das Bischofsamt aus dem Presbyterium herauswächst und keinesfalls aufgrund eines besonderen sakramentalen Charakters eine Vorrangstellung einnimmt. Ferner bemühten sich die katholischen Referenten, die Offenheit der kirchenamtlichen Verlautbarungen des Tridentinums und des ILVatikanum zur Ämterhierarchie und die darin liegenden Chancen für eine ökumenische Verständigung herauszustellen. Fahrnberger arbeitete heraus, daß das Weihedekret des Konzils von Trient infolge der damals kaum lösbaren ekklesiologischen Probleme und kirchenpolitischen Schwierigkeiten längst nicht alles Notwendige gesagt habe. Wirklich festgestellt habe es nur, daß es in der Kirche ein priesterliches Dienstamt gibt, das auf göttliche Anordnung zurückgeht. Die Gliederung dieses Amtes in die drei Amtsstufen Episkopat, Presbyterat und Diakonat sei jedoch „nur" als dem Willen Gottes entsprechend beurteilt worden. „Die Väter wußten, daß man nicht im gleichen Sinn beim priesterlichen Dienstamt als solchen und bei den drei genannten Amtsstufen von .göttlicher Anordnung' sprechen kann."165

Ferner sei der bischöflichen Amtsstufe zwar bezüglich des Hirten- und Leitungsamtes sowie der kultisch-sakramentalen Vollmachten eindeutig ein Vorrang vor der des Presbyters eingeräumt worden, was „allerdings den Ursprung dieser beiden Arten des Vorranges betrifft sowie die nähere Erklärung seines Wesens, worin er wirklich besteht, wollten die Väter die divergierenden Schulmeinungen bestehen lassen und keine Entscheidung treffen."166

Eben diese verschiedenen Schulmeinungen führten nach Fahrnberger dazu, daß nur Lehraussagen getroffen worden seien, die über den kleinsten gemeinsamen Nenner nicht hinausgingen. Außerdem hätten die Konzilsväter lediglich beabsichtigt, einige Thesen der Reformatoren zu verneinen, wobei ihnen deren eigentliches Anliegen aufgrund der ihnen vorliegenden unzureichenden Materialien nicht immer bekannt gewesen sei. Abgesehen von 164 165 166

Protokoll, 30. Vgl. Fahrnbergers Referat, Anlage zum Protokoll, 19. Ebd.

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den kirchenpolitischen Spannungen war nach Fahrnberger auch eine fehlende Theologie des Episkopats verantwortlich für die beschränkten Aussagen des Konzils. Vorherrschend war bei dem Konzil die jurisdiktionelle Sicht der bischöflichen Amtsstufen, also die im Anschluß an Hieronymus von den italienischen Bischöfen vertretene auf die Leitung der Kirche bezogene Vorrangstellung nach kirchlichem Recht, während die sakramentale Sicht, also die Auffassung von einer höheren sakramentalen Weihestufe des Episkopats infolge der Bischofsweihe, zwar durch den Einfluß der Schule von Salamanca das tridentinische Weihedekret beeinflußte, sich jedoch nicht völlig durchsetzen konnte. Während die erste Auffassung das Bischofsamt aus dem des Presbyters ableitete, ging die zweite vom Amt des Bischofs aus. Auf einen dogmatischen Unterschied infolge unterschiedlicher sakramentaler Vollmachten legte sich also Trient nach Fahrnbergers Darstellung nicht fest. Ebensowenig habe man sich beim II. Vatikanum, das auch die Tradition der Schule von Salamanca aufgenommen habe, auf einen solchen konkreten Unterschied festgelegt: „Auch das 2. Vatikanische Konzil steht in seiner Theologie des Episkopats in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, 21, in der Linie der Schule von Salamanca, wenn es die Sakramentalität der Bischofsweihe lehrt und zum ersten Mal in der Geschichte der Kirche die Prädikate plenitudo sacramenti ordinis, summum sacerdotium, sacri ministerii summa von einem ökumenischen Konzil auf den Episkopat angewandt werden. Auf der anderen Seite sind alle diese Ausdrücke formaler Natur und es wird absichdich offen gelassen, worin materiell gesehen der Unterschied zwischen Episkopat und Presbyterat besteht" 167

In diesem Sinne interpretierte auch Lehmann die einschlägigen Aussagen des II. Vatikanum. Dessen Entwicklung der Amtstheologie vom Episkopat her werde vor einer Engführung zwar nur bewahrt durch die Einbindung in die Thematik der Kollegialität der Bischöfe, der Unterschied zwischen Episkopat und Presbyterat werde jedoch nicht in der sakramentalen Vollmacht als solcher begründet, sondern in diesem Punkt sei ein Spielraum offengelassen worden für noch zu klärende historische und dogmatische Fragen. Der Gradunterschied werde zwar formal, kaum aber materiell bestimmt. Ganz sei die Zuordnung deshalb nicht gelungen, obwohl man die Gefahr überwunden habe, den Presbyterat vom Episkopat als seiner „Quelle" herzuleiten und damit die theologischen Aussagen über den Presbyterat zu gefährden. Entscheidend an Lehmanns Ausführungen war aber, daß er die Verbindung herstellte zwischen der neuen Bestimmung des Verhältnisses der Orts-

167

Ebd., 6, zum vorherigen vgl. 3-6.

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gemeinden zur Gesamtkirche und den darin liegenden Chancen für die Klärung der Zuordnung von Bischöfen und Ortspfarrern: „Eine Hilfe für die Lösung des Verhältnisses Episkopat/Presbyterat kann darin gefunden werden, daß das Verhältnis von Einzelgemeinde und Presbyter zu den anderen Ortskirchen und zum Ganzen der Kirche näher erwogen wird: Die legitime Vielfalt der einzelnen Gemeinden kann nur eine konkrete Einheit der Kirche bewahren, wenn die Einzelgemeinde stets über mögliche Tendenzen zur Autarkie hinauswächst und auf das Ganze der Kirche hin in stetem Austausch bezogen und in es eingefügt bleibt Gleichwohl ereignet sich in jeder so verstandenen Einzelgemeinde in unverkürzter Weise Kirche. Das Verhältnis Episkopat/Presbyterat spiegelt diesen Grundtatbestand der Einheit in der Vielfalt wider und dient als solche Struktur der Kirche. Von daher sind auch die Formeln ,untergeordnete Teilhabe' und .Verbindung' im Verhältnis Episkopat und Presbyterat zu verstehen."168 In eigens angefügten „Ökumenischen Reflexionen" bekräftigte er nochmals, die Vermutung, „das Verhältnis von Episkopat und Presbyterat sei durch die Entscheidungen des Vaticanum II ökumenisch blockiert worden",169 lasse sich „bei genauer Analyse" nicht halten. Obwohl an der Grundform des Verhältnisses von Episkopat und Presbyterat festgehalten werde, bestehe ein Spielraum für das ökumenische Gespräch. Er faßte zusammen: „Kontrovers sind in der Doppelung von Episkopat und Presbyterat nicht so sehr Einzelheiten, sondern ob und wie der Dienst an der , Einheit der Gemeinde bzw. der Kirche' theologisch verstanden werden muß. Die uneingeschränkte Universalität sowie Einheit der Kirche und ihre konkrete Vielfalt und Partikularität dürfen nicht voneinander getrennt werden. Der ständigen Öffnung und Vermittlung dieser Dimensionen aufeinander und zueinander dient das Verhältnis Presbyterat - Episkopat. Weil diese Struktur und Organisation die Grundform der kirchlichen Gemeinschaft und der Kirche als ,communio' tangiert, erreicht hier nach katholischer Auffassung die relative Gestaltungsfreiheit der Kirche im Bereich der Amterorganisation eine innere und äußere Grenze."170 Nicht nur mit dem letzten Satz Lehmanns wurde die Offenheit eingeschränkt, die nach Auffassung der katholischen Referenten nach den D o kumenten von Trient und des II. Vatikanum bezüglich der Amtergestaltung in der Kirche besteht. Von evangelischer Seite aus wurden auch deshalb Bedenken laut, weil unklar zu sein schien, was ernstlich dogmatisch gilt. Zumal etwa in den Voten Iserlohs weniger die Interpretation Lehmanns unterstrichen wurde, als deutlich die Stufung der Hierarchie von oben nach unten hervorgehoben und der Unterschied zwischen Bischof und Pfarrer hinsichtlich der Fülle des ordo betont wurde.171 168 169 170 m

Zusammenfassende Thesen zu Lehmanns Referat, Anlage zum Prot. (Akten EvAk), 2. A.a.O., Nachtrag. A.a.O. Prot., 33/34 und 36.

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Vor allem aber stellte man die Frage, warum das evangelische Amt nicht anerkannt werde, obwohl es durch die Jahrhunderte immer Unbestimmtheiten hinischtlich des Verhältnisses von Bischöfen und Presbytern gegeben habe, ohne daß die Vertreter einer anderen Linie als der gerade autorisierten exkommuniziert worden seien. Schlink formulierte diese Frage und bezog sich auch auf die Referate zum N T und zur Situation in der Alten Kirche: „Ich unterstreiche zum Thema Bischof-Presbyter, daß sich im N T keine klare Unterscheidung zwischen beiden findet. In den zwei ersten Jahrhunderten gibt es verschiedene Ansätze, nach denen das Bischofsamt aus dem Presbyterium herauswächst Nach einer breiten Entwicklung des Mittelalters ist der Bischof nicht als sakramental verstanden. Die schmalere Entwicklung hat im Vat. II ihren Widerhall gefunden. Wenn solche Unbestimmtheiten durch Jahrhunderte bestanden, ohne daß man die Vertreter einer anderen Linie exkommunizierte, muß diese andere Linie doch berechtigt sein. Und heute sind wir ausgeschlossen! Mit welcher theologischen Begründung? In welchen Ursachen liegt diese Kirchentrennung?"172

Auf katholischer Seite fand man keine befriedigende Antwort auf diese überraschende Folgerung aus der Kirchengeschichte. Ratzinger gestand: „Man ist nicht exkommuniziert, wenn man eine andere Auffassung vom Bischofsamt hat. - Es fällt mir schwer, auf die von Schlink, v. Campenhausen und Mumm gestellte Frage zu antworten. Hier werden Zusammenhänge konkret, sie sind nicht abtrennbar von den gesamtkirchlichen Verhältnissen. Die Katholizität ist nicht manipulierbar. Das Bischofsamt bildet sich heraus. Hier sind Bewegungen im Gang . . . , deren geistliche Kraft sich erweisen muß."173

Im Rückblick auf diese Tagung läßt sich deshalb zwar feststellen, daß Interpretationsmöglichkeiten aufgezeigt wurden, die zu einem von beiden Seiten akzeptablen Verständnis der Einheit der Kirche und der Bedeutung ihrer verschiedenen Ämter führen könnten. Darin spiegelte sich die Tatsache wider, daß die zu Beginn der Zusammenarbeit im ÖAK noch bestehenden alternativen ekklesiologischen Entwürfe beider Kirchen sich nun nicht mehr in ihrer ganzen Schärfe entgegenstanden. Das vom ILVatikanum entworfene Modell der communio-Ekklesiologie hatte auch zu einer neuen Sicht der Ämterhierarchie beigetragen. Da als Voraussetzung dafür aber die von Lehmann und Fahrnberger vorgetragene Interpretation bejaht werden muß - was etwa Iserloh nicht uneingeschränkt möglich war - und da die von Ratzinger sehr vage umschriebenen „gesamtkirchlichen Verhältnisse" offensichdich eine Verständigung der beiden Konfessionen in 172 Prot., 35. Evangelischerseits wurden Hieronymus und Hippolyt hochgehalten, da es bei ihnen keine Unterschiede in der Dignität von Episkopus und Presbyter, sondern nur im Aufgabenbereich gegeben habe (Prot, 21/22). 173 Prot., 37.

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der Ämterfrage stets mitbeeinflussen, zeigte sich zugleich, daß für ein Zusammengehen in der Beurteilung der Ämterhierarchie und konkret für eine Anerkennung des evangelischen Amtes durch die Katholische Kirche mit der gemeinsamen Bewertung des historischen und dogmatischen Sachverhaltes allein nicht in jedem Fall etwas gewonnen war. 2.3.2. Schritte zur Einheit a) Der ekklesiologische Status beider Kirchen aus der Sicht der jeweils anderen Konfession Auch die Hoffnungen, die man im Hinblick auf die Einheit der Kirchen in das II. Vatikanische Konzil setzte, beeinflußten bereits vor dessen Eröffnung Atmosphäre und Inhalte der Arbeitskreistagungen. Nicht nur die Tatsache, daß man kurz vor Eröffnung des Konzils zum ersten Mal über den Ertrag der bisherigen Tagungen nachdachte, 174 war Ausdruck dafür, daß man mit ihm einen Einschnitt für den ökumenischen Dialog kommen sah, sondern auch der damalige Austausch über den ekklesiologischen Status beider Kirchen. Wie selbstverständlich sprach man von der Evangelischen Kirche und erörterte nun, inwiefern von der Einheit beider Kirchen gesprochen werden kann, bzw. in welcher Form eine Vereinigung möglich wäre. Fries ging vom gemeinsamen Ursprung beider Kirchen aus, der „in und mit Jesus Christus vollendete(n) Offenbarung und Heilsgeschichte" 175 , und definierte von daher den ekklesiologischen Status der Evangelischen Kirche als Teilhabe an einem Gemeinsamen. 176 Den Haupt unterschied zwischen beiden Kirchen machte er in einer verschiedenen ekklesiologischen Sichtweise fest: 174 Die Tagung, um die es hier geht, fand vom 9.-13.4.62 im Ökumenischen Institut in Bossey bei Genf statt. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Fries, Gewieß, Lortz, Mörsdorf, Rahner, Schelkle, Schmaus, Schnackenburg, Söhngen, Prot. Krems, entschuldigt: Dolch, Grosche, Höfer, Kuss, Pieper, Warnach, Prälat Joseph Ziegler (Würzburg). Ev. Teiln.: Stählin, Dietzfelbinger, Schlink, Anz, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, Joest, E. Lohse, Schumann, Westermann, Wolf, Prot Mumm, entschuldigt: Hauptpastor Dr. Hans Heinrich Harms (Hamburg), Kinder, Lau, Pannenberg, Skydsgaard, Wendland. Als Gast war der damalige Generalsekretär des ORK W. A. Visser 't Hooft anwesend. Kuss trug sich nach jahrelangen Überlegungen mit dem Gedanken, seine Mitgliedschaft aufzugeben. Im Falle einer zukünftigen Tagung in Bayern hätte er jedoch gerne als Gast teilgenommen, Protokolle und Referate wollte er weiterhin erhalten. Seinen ersten Sammelband widmete er dem ÖAK als „Abschiedsdank"! (Kuss an Mumm, 2.9.62, Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr EvAk) Die Tagung hatte in Bossey stattfinden können, weil die EKD „mit Rücksicht auf die Bedeutung des evangelisch-katholischen ökumenischen Arbeitskreises" ausnahmsweise die erhöhten Kosten übernommen hatte (OKR Merzyn, Kirchenkanzlei der EKD, an Stählin, 12.9.61, Briefwechsel Dolch/Mumm, Korr EvAk). 175 Fries, Heinrich, Der ekklesiologische Status der evangelischen Kirche in katholischer Sicht, in: MThZ 13/1962, 85-98, 87. v *> Ebd., 89.

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„Die Funktion der Ecclesia als Mittler und Träger der Offenbarung und des Glaubens als autoritative und regulative Instanz wird jeweils verschieden bestimmt."177 Damit hatte er genau den Punkt aufgegriffen, der sich auch bei der Zusammenschau der ekklesiologischen Tagungen des ÖAK als der zentrale Differenzpunkt erwies, und der deshalb die Gliederung ihrer Darstellung mitbestimmt. Zwischen Evangelischer und Katholischer Kirche bestehe seiner Ansicht nach von daher Ähnlichkeit und Unähnlichkeit. Infolge der gemeinsamen Taufe, aber der getrennten Kommunion, sprach er auch von einer getrennten Brüderlichkeit.178 Das wichtigste an seinen Ausführungen war jedoch die Tatsache, daß er der Evangelischen Kirche die Teilhabe an der Katholischen Kirche im aufnehmenden wie im abgrenzenden Sinn - zubilligte. Darin sah er insofern einen Dienst der Evangelischen an der Katholischen Kirche, als sie ein Korrektiv darstelle, das die Katholische Kirche dazu bewegen könnte, auch die Proportionen im Ganzen zu berücksichtigen: 179 „Aus der Charakterisierung des ekklesiologischen Status der evangelischen Kirche als Teilhabe folgt in katholischer Sicht, daß diese ins Ganze integriert werden kann."180 Eine solche Integration bedeutete für ihn eine Integration des Besonderen in das Ganze, das nichts von dem verliere, was es hat, sondern dazugewinne, was es nicht hat. Als Modell einer solchen Integration nannte er die Union mit der Ostkirche. Auf diese Weise komme die Pluralität der Katholischen Kirche besser zur Darstellung. Sie könne von daher sich selbst einer reformatio unterziehen „und eine Uberprüfung und Unterscheidung vornehmen von unaufgebbarem Wesen einer Sache, einer wesentlichen Struktur und deren zeitbedingter variabler Gestalt"181 Umgekehrt lasse sich die Katholische Kirche jedoch nicht in die Evangelische integrieren, da dies einer Reduktion des Ganzen auf das Besondere gleichkomme. Brunner hatte, wie aus der Diskussion hervorgeht, 182 das Kirche-Sein der Röm.-katholischen Kirche und ihre Kontinuität anerkannt, jedoch gleichzeitig dargelegt, warum das kontinuierlich Beibehaltene dennoch von " 7 Ebd., 90. Auswirkungen dieses verschiedenen Formalprinzips seien auch die erheblich größeren Differenzen unter Dogmatikern bei ökumenischen Konferenzen als unter Exegeten. m Ebd., 92/93. 179 Ebd., 94/95. 180 Ebd., 96. 181 Ebd., 97. 182 Das Referat Brunners liegt nicht schrifdich vor.

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der evangelischen Seite nicht anerkannt werden könne und deshalb Kirchengemeinschaft noch nicht möglich sei: „Der ganze Sinn meines Referates war der zu zeigen: was ist der entscheidende Grund dafür, dass wir keine Schritte in die Wege leiten können, um - unter Anerkennung der Jurisdiktion und der Lehrgewalt des Bischofs von Rom Bedingungen zu erhalten, die es uns ermöglichen, einen ähnlichen Status wie die Ostkirche in einer Kirchengemeinschaft zu bekommen? Nicht die Gemeinschaft überhaupt wollte ich bestreiten. Ich bin sogar der Meinung, daß ich in dieser Hinsicht mehr als Sie [Fries, Anm.d. Vf.] sagen konnte. Sie sehen die evangelische Kirche auf Grund der Taufe in einer bestimmten Zuordnung zur Kirche, die in der römisch-kath. Kirche rein verwirklicht ist. Sie sehen in der evangelischen Kirche ein gewisses Fundament, aber nicht eine wirkliche Kirche. Ich habe dies von der römisch-katholischen Kirche ausgesagt: dass die Wirklichkeit der Kirche, insofern sie die geistige Wirklichkeit des Leibes Jesu Christi ist, dort lebt."183 Nicht nur die mit dem Unionsmodell zwischen der Römischen und der Ostkirche verbundene Anerkennung des Papstes als Oberhaupt der Kirche hatte Brunner als Hinderungsgrund für eine Übernahme dieses Modells für eine Vereinigung der Evangelischen mit der Römischen Kirche genannt. Er hatte auch den Vorwurf an die Katholische Kirche gerichtet, sie wolle sich nicht mehr unter das Urteil Christi stellen: „Die sechste These war der Versuch, die vorhergehenden Überlegungen zu transponieren auf die praktische Ebene der Unionsgespräche. Dann war aber herauszustellen, dass eine korporative Union der römischen Kirche mit der evangelischen Kirche die aussichtsloseste Position ist. Sicher haben wir auch Vorbehalte gegenüber der orthodoxen Kirche. Aber sehr wichtiges fällt dort doch weg. Sicher gibt es Kirchengemeinschaften im anderen Extrem, wo die radikale Schwierigkeit am anderen Pol ist. Entscheidend ist, dass wir uns in unserem geisdichen Wollen unter das in der Heiligen Schrift gegebene apostolische Zeugnis beugen wollen. Wo das anerkannt wird, dort sind wir hoffnungsvoll, dass ein oekumenisches Gespräch mit Zielrichtung auf eine korporative Union unternommen werden kann. Die Schwierigkeit, die wir dem extremen Schwärmertum gegenüber haben, ist, dass dort diese Position nicht anerkannt wird. Analog ist es gegenüber der katholischen Kirche. Man vergleiche die Zuordnung von Papsttum und Schwärmertum in den Schmalkaldischen Artikeln."184 Als conditio sine qua non für das letzte Zusammenkommen der Kirchen, wie es in Neu-Delhi 1961 im Blick auf die Ortsgemeinden angedeutet worden sei, bezeichnete Brunner „einen ausgesprochenen Consensus dar183 184

Prot., 17.

Prot., 35/36. In seiner 6. These hatte Brunner, nach Mörsdorf, auch behauptet, durch die Gestalt der Katholischen Kirche sei die Ehre Christi verletzt Mörsdorf dementierte dies, indem er meinte, gerade das kanonische Recht verhelfe dazu, in der Welt für die Ehre Christi Zeugnis abzulegen (42).

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

über, was der Inhalt des Evangeliums und was der Inhalt des Sakraments ist."185 Zunächst wurde die Frage gestellt, ob die beiden Referate für die katholische bzw. evangelische Auffassung repräsentativ waren.186 Evangelischerseits stand man ziemlich einmütig hinter Brunner und stimmte seinen Ausführungen darüber zu, daß Kircheneinheit trotz bestehender Gemeinsamkeiten wegen der Institutionalisierung des unfehlbaren Lehramtes und der Hierarchie nicht möglich sei.187 Katholischerseits wurde zu Recht erwidert, die Evangelische Kirche kenne das Lehrzuchtverfahren als in seiner. Funktion mit dem Lehramt vergleichbares Element. Dieses ist jedoch, so die evangelische Seite, nicht unwiderrufbar. Anders war die Reaktion auf der katholischen Seite. Schmaus und Mörsdorf betonten, Fries habe nur eine singulare katholische Meinung wiedergegeben. Mörsdorf konnte der Evangelischen Kirche nicht den Status einer Kirche oder kirchlichen Teilgemeinschaft zubilligen, da ihr im Gegensatz zu den orthodoxen Orientalen die hierarchische Verfaßtheit fehle.188 Interessant war die von Rahner aufgegriffene Frage, worin der Unterschied bestehe zwischen den innerevangelischen, ja sogar innerlutherischen (Bultmann) Differenzen und denen zur Katholischen Kirche, mit der es keine Kirchengemeinschaft gebe. Evangelischerseits insistierte man darauf, daß die Katholiken durch die Nichtanerkennung der CA und die Nichtordinierung von evangelischerseits anerkannten Geistlichen selbst die Kirchentrennung heraufbeschworen hätten.189 Rahner hatte mit Recht den Finger darauf gelegt, daß sich die evangelische Seite als einhelliges Lehrgebilde präsentierte, das sie de facto nicht ist, was durch die Ausklammerung bestimmter theologischer Richtungen, wie der gesamten Bultmann-Schule, jedoch vorgegeben wurde. Seine Intention war es aber, Kirchentrennung nicht als notwendige Folge von Pluralität in der Lehre zu akzeptieren, sondern sich für eine Einheit in der Vielfalt einzusetzen. Damit vertrat er eine zukunftsweisende Position. In bezug auf die bereits Jahre zuvor erörterte Frage, ob die Anerkennung einer christologisch-pneumatischen oder einer hierarchischen Einheit wichtiger sei, wurde katholischerseits nach wie vor stark die Zusammengehörigkeit beider betont, da die Kirche nicht nur Heilsfrucht, sondern auch Heilsmittlerin sei, und die Heilsvermittlung einer äußeren Form bedürfe. Man versuchte diese Position zu stärken, indem man darauf verwies, daß auch nach der CA der Glaube an eine äußere Form gebunden sei, nämlich an Wort und Sakrament. Brunner hob jedoch hervor, daß die Kirche als 185 186 187 188 189

Prot., Prot, Prot., Prot., Prot.,

24. 18 ff. 22/23 f. 21. 24/25.

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amtliche Trägerin der Gnadenmittel von Christus nicht eingesetzt worden sei. Selbst nach Meinung der evangelischen Teilnehmer hatte Fries für den damaligen Stand der katholischen Lehre der evangelischen Seite gegenüber zuviele Zugeständnisse gemacht, da etwa nach „Mystici corporis" nicht zwischen der Gemeinschaft der Glaubenden (zu denen Fries die evangelischen Christen durchaus gezählt hatte) und der Kirche getrennt werden dürfe.190 Ihre Skepsis gegenüber der Friesschen Konzeption beruhte jedoch vor allem auf ihrer Nähe zu der bisher vertretenen katholischen Absorptionstheorie. Gegen Ende der Diskussion verwahrte man sich nochmals massiv gegen diese Theorie, von der Fries sein Integrationsmodell aber deutlich unterschieden wissen wollte, und begründete dies damit, es gelte zu Christus zurückzukehren, nicht zu einer anderen Kirche. Katholischerseits wurde der evangelische Vorwurf eines taktischen Vorgehens im Hinblick auf die Vereinigung der beiden Kirchen zurückgewiesen.191 In diesem Streit um den Status, den beide Kirchen einander zubilligen, und um ein daraus abzuleitendes Einheitsmodell wurde folgendes deutlich: Das erwartungsvolle Klima, das die bevorstehende Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils verbreitete, ermöglichte es erstmals, über konkrete Schritte zu einer Vereinigung beider Kirchen nachzudenken. Dem Referat von Fries war anzumerken, daß er mit großem Impetus daran ging, im Zuge der zu erwartenden ökumenischen Öffnung der eigenen Kirche Möglichkeiten einer Einigung beider Kirchen aufzuzeigen, die über das Absorptionsmodell hinausgingen. Die Skepsis, die seinem Vorschlag durch die evangelischen Teilnehmer entgegengebracht wurde, zeigt, wie sehr er sich dennoch an die bisherige Haltung seiner Kirche anschloß. Sein Modell der Integration der Evangelischen Kirche beinhaltete - trotz der Interpretation im Sinne einer Anreicherung der Katholischen Kirche durch die Evangelische und im Sinne einer Förderung ihrer Pluralität - eine nicht akzeptable Form ihrer Reintegration in die Papstkirche. Die Kritik der katholischen Teilnehmer beweist andererseits, wie sehr er sich innerhalb des ihm durch die Lehre seiner Kirche gesteckten Rahmens bereits mit dem Zugeständnis des Status der Teilhabe für die evangelischen Christen nach vorne gewagt hatte.192 Prot, 27-30. Prot., 32 bis Ende. m Daß die Äußerungen von Fries und Rahner damals nur der Beginn ihres Engagements für die konkrete Verwirklichung der Einheit waren, beweisen die Thesen, die sie 1983 zur Diskussion stellten. Obwohl sie sich pessimistisch gaben „hinsichtlich der Frage, ob die Amtsträger all dieser Kirchen in näherer Zukunft eine Einheit zustandebringen" (dies., Einigung der Kirchen - reale Möglichkeit, Sonderausgabe, Freiburg 31987, 19), zeigten sie einen klaren Weg zu ihrer Verwirklichung auf, der mit Ausnahme einiger weniger weiter zu diskutierender Punkte - ζ. B. der Anerkennung des Papstes als „Garanten" der Einheit, als ob ein Mensch die Einheit der Kirche garantieren könne - für viele evangelische Theologen 1,1

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Von evangelischer Seite aus kam in diesem Kontext kein Vorschlag für eine mögliche Vereinigung beider Kirchen angesichts der noch bestehenden Lehrunterschiede. Bereits 1958 hatte man jedoch am Rande gefragt, welche Einheit zwischen beiden Kirchen nicht möglich sei. Direkt dazu hatten sich damals nur Brunner und Pannenberg geäußert. Beide hatten eine Vereinigung im Sinne einer vollen Kirchengemeinschaft mit gemeinsamer Verfassung und gemeinsamem Kirchenrecht abgelehnt, da durch die Aufnahme falscher Lehre die Gnadenmittel verdunkelt würden. 193 Die Haltung der evangelischen Mitglieder des O A K gegenüber einer sichtbaren Vereinigung war also durchgängig pessimistisch. Vergleicht man sie mit der 1961 in Neu-Delhi 194 verfaßten Basisformel des O R K , die die vollkommene sichtbare Einheit als „völlig verpflichtete Gemeinschaft" als Ziel der Arbeit beschrieb, so war man in jedem Fall zurückhaltender, aus heutiger Sicht vielleicht auch realistischer. Dabei mag die aus der jahrelangen intensiven Zusammenarbeit mit den katholischen Gesprächspartnern gewonnene detaillierte Kenntnis der noch zu überwindenden Differenzen vor allem im Bereich der Ekklesiologie eine Rolle gespielt haben. Ein nicht diskutiertes „alternatives Einheitsmodell" hatte Pannenberg allerdings 1958 ins Gespräch gebracht. E r hatte gefragt, ob nicht die gegenseitige Anerkennung der Kirchen ohne Vereinigung denkbar wäre. Da-

durchaus akzeptabel wäre. Folgenden Vorwurf, den sie an die Kirchen richteten, muß sich nach der obigen Feststellung auch der Ö A K als ganzer in gewisser Weise gefallen lassen, obwohl die Mitwirkung beider Autoren in diesem Kreis als mit ausschlaggebend für ihre Position angesehen werden kann: „Wir meinen, in der Frage nach der konkreten Einheit handeln alle Kirchen mit zuviel taktischer Vorsicht Sie rücken nicht wirklich mutig heraus mit konkreten Erklärungen, unter welchen Bedingungen sie, auch unter Opfern, wirklich zu einer Einigung mit den anderen Kirchen bereit sind" (a.a.O., 19). Vgl. den Hinweis von Fries auf dieselbe Stoßrichtung der Bemühungen des Ö A K um die Lehrverurteilungen und These II von Rahner-Fries (a.a.O., 166) und seine Bezugnahme auf die Veröffentlichung des Ö A K zu „Glaubensbekenntnis und Kirchengemeinschaft" zur Begründung der These I (a.a.O., 164 Anm. 1): Zwar wäre vor dem ILVatikanum ein so weitreichender Vorschlag noch nicht möglich gewesen. Doch es dauerte noch bis 1986, bis der Ö A K insgesamt mit seiner Studie über die Lehrverurteilungen einen konkreten Schritt aufzeigte, durch den die Kirchen einer Einigung näherkommen könnten. In Anbetracht der bereits dargestellten Ergebnisse seiner langjährigen Arbeit hätte dies erheblich früher in Angriff genommen werden können. Vgl. auch den Hinweis auf Rahners stetiges Engagement für das in These II dargelegte „realistische Glaubensprinzip" (a.a.O., 164), in dessen Kontext auch seine Äußerung Uber die Legitimität verschiedener Theologien innerhalb einer Kirche bei dieser Tagung zu sehen ist. 1 . 3 Prot, der 19.Tagung 1958, 3 4 / 3 5 . 1 . 4 Von den Mitgliedern des Ev. Arbeitskreises waren in Neu-Delhi als Vertreter der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung Schlink (auch als Delegierter der Mitgliedskirchen), Kinder und H. H. Harms (auch für den Zentralausschuß des O R K ) dabei. Skydsgaard war diesmal nicht anwesend. Zum ersten Mal waren römisch-kath. Beobachter bei einer Vollversammlung des O R K ! Vgl. Visser 't Hooft, Willem A. (Hrsg.), Neu-Delhi 1961. Dokumentarbericht über die 3. Vollversammlung des O R K , Stuttgart 2 1962, 400 ff.

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bei berief er sich auf das Faktum, daß die Einheit der Kirche lange Zeit nicht an der einheitlichen Formulierung des Bekenntnisses, sondern an der Anerkennung der Taufformeln festgemacht wurde.195 Die Schlagworte „Einheit in der Vielfalt" und „Versöhnte Verschiedenheit", die die gegenwärtige Zielsetzung der ökumenischen Bewegung umschreiben, verdeutlichen, daß die Entwicklung in dieser ja auch von Rahner aufgezeigten Richtung weiterging. Daß der ÖAK nur ganz am Rande konkrete Formen einer Vereinigung in den Blick nahm und sich im Grunde auf die fundamentaltheologische Klärung der Frage beschränkte, worin die Einheit der Kirche besteht, war in Anbetracht seiner ursprünglichen Zielsetzung trotz der oben geäußerten Kritik konsequent. Man spürte zwar auch, daß die neue Situation der Ökumene eine erneute Reflexion über die Absicht erforderte, die man mit der eigenen Arbeit verfolgte. Hinsichtlich einer Veränderung der Satzung im Sinne einer Anpassung an die sich wandelnde ökumenische Situation zeigte man sich jedoch insgesamt zurückhaltend.196 b) Evangelisch-katholische

Abendmahlsgemeinschaft?

Eine Veränderung bezüglich der Themenwahl hatte man jedoch beschlossen, nämlich die Aufnahme aktueller Gesprächsthemen. So fragte man bei der 31. Tagung 1970 in Anbetracht der Unsicherheit in den Gemeinden über die Möglichkeit gemeinsamer Abendmahlsfeiern, ob und unter welchen Bedingungen evangelisch-katholische Abendmahlsgemeinschaft bereits aufgenommen werden könnte. Damit beschäftigte man sich mit einem wichtigen Teilaspekt der Kircheneinheit. Im Vorwort der gemeinsamen Veröffentlichung des OAK zu diesem Thema wird darauf hingewiesen, daß die Beiträge dieser Tagung demonstrieren, „wie evangelische und katholische Theologen sich in ihren Aussagen über die Eucharistie in einer erregenden Weise nahekommen, wie dann aber doch deutlich wird, daß bislang nicht die Gemeinsamkeit erreicht ist, die zu einer vollen Communio der getrennten Kirchen führen kann."197

Betrachtet man die Äußerungen von damals genauer, so stellt man fest, daß vor allem Pannenberg, aber in gewisser Weise auch Höfer und Lehmann sehr wohl Möglichkeiten aufzeigten, wie man unter den damaligen Bedingungen einer Abendmahlsgemeinschaft zwischen evangelischen und katholischen Christen hätte näher kommen können. Ansatzpunkt dafür war die Reflexion darüber, daß Christus der eigentlich Einladende bei der Mahlfeier ist, sowie über die Zuordnung von Abendmahls- und Kirchengemeinschaft. m

Vgl. ebenfalls Prot, der 19. Tagung 1958, 34/35. « Vgl. dazu die Ausführungen zur Zielsetzung des Kreises in Kapitel I., Abschnitt 1. 1,7 Krems, Gerhard/Mumm, Reinhard (Hrsg.), Evangelisch-katholische Abendmahlsgemeinschaft?, Göttingen 1971, 5. Zu den Teilnehmern der Tagung vgl. ebd. Anhang, 200-202.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Pannenberg hatte auf dem Hintergrund seiner auch durch die Mitwirkung im ÖAK im Laufe der Jahre gewonnenen Überzeugung, daß es keine so tiefgehenden Unterschiede zwischen den beiden Kirchen gebe, daß Interkommunion nicht grundsätzlich möglich wäre, von der geschichdichen Einsetzung des Abendmahls her unter Absehung der auch von ihm als weiterhin problematisch bezeichneten ekklesiologischen Fragen die bereits bestehende Möglichkeit der Interkommunion zu begründen versucht.198 Seine Absicht war es zunächst, eine Abendmahlslehre aufzuzeigen, die allen Kirchen eine gemeinsame Feier ermöglicht, indem sie die Frage des legitimen Vorstehers ausklammert Von der Präsenz Christi im Abendmahl her, so Pannenberg, müsse ein neues Licht auf das Amt fallen. Gegen diese Vernachlässigung der ekklesialen Komponente erhob sich auf katholischer Seite Widerspruch von den einen, weil nur durch die konsekratorische Kraft des Priesters in der katholischen Messe das Abendmahl gültig gefeiert werde, von den anderen, weil die Gemeinde als ntl. Trägerin des Mahles dabei vernachlässigt werde.199 Die Frage also, wer der legitime Vorsteher im eucharistischen Gottesdienst sei, wurde gestellt und ihre Bedeutung hinterfragt. Zu einer einhelligen Antwort kam es jedoch nicht. Vielmehr verband sie sich mit der Frage nach der universalen Einladung durch Christus und mündete so wieder einmal in eine Erörterung des Verhältnisses von Christus und der Kirche. Pannenberg hatte ferner Wert darauf gelegt, die Abendmahlslehre nicht von einem allgemeinen Sakramentsbegriff abzuleiten, sondern von der Einsetzung durch den geschichtlichen Jesus, unter der er aber nicht das letzte Mahl Jesu mit den Jüngern allein verstand, sondern die tägliche Mahlgemeinschaft Jesu mit seinen Jüngern und mit den „Zöllnern und Sündern". Daraus folgerte er die universale Einladung Christi zum Abendmahl. Diese Argumentation entsprach zum einen seinem spezifischen Ansatz, Theologie aus den exegetisch-historischen Sachverhalten heraus zu entfalten, zum anderen sah er darin eine Möglichkeit, das ökumenische Gespräch von der Diskussion um die Unterschiede im Sakramentsverständnis zu entla198 Yg] Pannenberg gegen Brunner und Joest, Protokoll der 31.Tagung 1970, 105: „Meiner Überzeugung nach gibt es solche tiefgreifenden Unterschiede in der Lehre zwischen unsern Kirchen nicht Je mehr ich also als Dogmatiker mich mit diesen Dingen beschäftige, desto mehr bin ich zu dieser Überzeugung gekommen, daß je mehr man hinsieht, desto weniger gibt es solche Unterschiede. Theologische Unterschiede wohl, aber ich kann also rein lehrmäßig, ich komme also an keinen Punkt, wo ich dann sage gut, da haben wir sie, das ist der konfessionelle kirchentrennende Unterschied. Ich bin ja davon ausgegangen, daß es sowas an allen Ecken und Enden gibt, aber, das ist für mich auch die Erfahrung der Mitwirkung in diesem Kreis zum großen Teil, ich glaub das heute nicht mehr. Und das hat dann natürlich seine Konsequenzen dafür, wie man über die Frage auch der Interkommunion urteilt" Vgl. ftu Pannenbergs dogmatischem Referat „Ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft?", 9-45. Prot, 9 / 1 3 und Schaeffler und Ratzinger 10/11 sowie Pieper und Schelkle 15 und 17. Vgl. auch den Bericht über die Aussprache in: Ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft, 190. m

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sten.200 Die Reaktionen sowohl der katholischen als auch der evangelischen Teilnehmer waren gespalten. Die Herleitung des Abendmahls vom Mahl Jesu mit den Sündern wurde vielfach mit zum Teil fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Lediglich Lortz und Joest stimmten mit Pannenberg darin überein, daß Kreuzesgeschehen und Sündermahl zusammengehören, wenngleich die Einsetzung nicht auf letzteres eingeschränkt werden dürfe.201 Brunner und Ratzinger stellten noch grundsätzlicher den historischkritischen Ansatz Pannenbergs in Frage. Beide zweifelten an dem dogmatischen Gewicht historisch-kritischer Rekonstruktion, und während Brunner den Endpunkt der Geschichte des N T als verbindlich bezeichnete, den er im dogmatischen Schriftprinzip gegeben sah, betrachtete Ratzinger Gewißheit als das Ergebnis eines pneumatologischen Prozesses.202 Die Argumentation ausschließlich von der Christologie her überzeugte also lange nicht alle Teilnehmer. Die offene Frage nach dem Grundbezug von Eucharistie und Kirche bestand weiterhin. Sie wurde in den dogmatischen Ausführungen Lehmanns aufgegriffen, der die Veränderungen innerhalb der katholischen Ekklesiologie seit dem ILVatikanum beschrieb, und darin die Chance sah, auch auf dem Weg der Klärung ekklesiologischer Fragen zur gegenseitigen Abendmahlsgemeinschaft zu kommen.203 Dies war ihm wichtig, weil auch er nicht mit derselben Leichtigkeit wie Pannenberg den Sprung von der universalen Einladung Christi zur universalen Zulassung zum Abendmahl vollziehen konnte.204 Auch die gemeinsam empfangene Taufe bildet seiner Ansicht nach keine ausreichende Grundlage.205 In jedem Fall sah er jedoch in der nun erfolgten Anerkennung der

200

A.a.O., 9-16 und Thesen 1-3, Prot., 6. Zur Kritik vgl. Prot., 12/13 und 15, zur Zustimmung 11 und 16/17. 202 Zu Brunner, Prot., 7/8 und 14, zu Ratzinger, 11/12 und 27. Damit war eine durchgängige hermeneutische Streitfrage wieder aufgebrochen, die weiter unten nochmals aufgegriffen wird. Brunner verortete außerdem den universalen Aspekt des „für euch" in den Abendmahlsworten im Kerygma und in der Taufe: „Die Eucharistie wird bei geschlossenen Türen gehalten und ist das Jüngersakrament, die das ,für alle' nun empfangen haben. Daran müßte ... festgehalten werden und von da aus, also von dieser Universalität her, kann man nicht den Schritt zu einer offenen Kommunion eröffnen" (Prot, 80). 203 Vgl. hierzu sein Referat in: Ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft, 77-141, vor allem 120-129 und - wie auch zum folgenden - seine längeren Ausführungen während der Diskussion, Prot., 47 ff. 204 Nach eigenen Angaben hatte er sein Referat bewußt als Kontrastpunkt zu Pannenbergs von ihm als enthusiastisch bezeichneten Ausführungen entworfen, deren Tenor er nach dessen theologischer Gesamtkonzeption in etwa vorausgesehen hatte (Prot., 49). 205 Das Verhältnis von Taufe und Eucharistie wurde auch in der Diskussion aufgegriffen. Lehmann hatte die von Joest vertretene evangelische Auffassung kritisiert, nach der die Heilsgabe der Sündenvergebung in Taufe und Abendmahl dieselbe sei, nur der modus distributionis ein anderer (Prot., 42/43 und Referat, 115-119). Joest wurde auch von Schlink dahingehend berichtigt, daß es sehr wohl einen Unterschied zwischen beiden gebe. Dieser äußerte dabei sein Unverständnis darüber, daß das Amt für die Anerkennung der Taufe nicht wichtig sei, wohl aber für das Abendmahl, obwohl es bei der Taufe um die volle 201

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ekklesialen Struktur nichtkatholischer Kirchen die Möglichkeit eines Neuansatzes der Überlegungen zum Verhältnis von Eucharistie und Kirche, für die er allerdings noch keine konkreten Vorschläge hatte. Hoffnung in der Abendmahlsfrage bestehe dann wieder, wenn sich auch die evangelischen Kirchen als Reaktion auf die ekklesiologischen Neuerungen des II. Vatikanum verstärkt der Amtsfrage annähmen. Er warnte andererseits davor, die Amtsfrage separat herauszukehren, da er im Kirchenbegriff die größeren Annäherungschancen sah: „Zum Beispiel: mir fällt es leicht, in gewisser Weise leicht, den Unterschied von Kirche und Christus zu formulieren, das Gegenüber, der Gehorsamsraum, der hier bleiben muß, Herrschaftsbereich Christi, der die Kirche ist Da habe ich sehr viel gelernt, und da haben wir sicher viele Fehler gemacht in der vergangenen Ekklesiologie. Da ist überhaupt kein Zweifel, und mir ist der Begriff ,Ursakrament', nicht grundsätzlich, sondern so, wie er vielfach heute verwendet wird, an dem Punkt im guten Sinne fragwürdig."206 An einem Fallbeispiel verdeutlichte Lehmann, in welche Richtung seine Überlegungen gingen. Da nämlich das Konzil die Gemeinschaft von Ehe und Familie „als ,ecclesiola', ,Hauskirche' und kleinste Gemeinschaft kirchlicher Prägung versteht, dann ist es wohl nicht ganz unmöglich, daß eine solche Repräsentation der einzigen Kirche Jesu Christi (vgl. die übliche Berufung auf Eph 5!) unheilvoll und ohne Schuld der Beteiligten gespalten, die beständige Suche nach ihrer menschlichen und religiösen Gemeinsamkeit durch die Abendmahlsgemeinschaft gleichsam befestigt und darin sich über alle kirchentrennenden Hindernisse hinweg von Christus dem Herrn helfend gesegnet erfährt."207 Freilich bezeichnete er diese Konstruktion als „theologisches Experiment" und in gewisser Weise als Utopie, denn, so fragte en „Wer traut es sich zu, eine solche , ideale' bekenntnisverschiedene Ehe ethisch und glaubensmäßig so mit Bedingungen zu belasten und konkret zu realisieren?"208 Eingliederung in die Kirche gehe (Prot, 32-34). Diesen Aspekt griff auch Pannenberg auf, indem er zum damaligen Zeitpunkt in der evangelischen Theologie die Taufe nicht mehr nur einseitig auf die Sündenvergebung bezogen sah, sondern verstärkt auf die Eingliederung in den Leib Christi. Teilhabe an der Eucharistie bedeute dann Befestigung in der Teilhabe an der Fülle Christi, die wiederum auch nach den Aussagen des II. Vatikanum nicht auf eine Konfessionskirche eingeschränkt werden könne (Prot., 73 und 76). Selbstkritisch bemerkten sowohl B. Lohse für das Abendmahl als auch Pannenberg für die Taufe, daß die Sakramentenlehre inklusive der damit verbundenen Frage des Amtes in der evangelischen Theologie bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten (Prot, 73 und 102 f.). Vgl. zu der dieser Tagung vorausgegangenen Auseinandersetzung mit den Sakramenten Abschnitt 3. 206 Prot., 47. 207 Ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft, 134. 208 A.a.O., 135. Mit Ausnahmesituationen wie Verfolgung und Gefängnis, in denen Interkommunion möglich ist, gab er eine weitere Begründung seiner freilich nur sehr behutsam vorgebrachten Position.

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Auf die Frage, ob Abendmahlsgemeinschaft Kirchengemeinschaft voraussetzt oder begründet, ging Höfer in seinen Ausführungen zu Eucharistie und Kirchenrecht ein. Er kam im Anschluß an eine Äußerung von Kardinal Bea zu dem Schluß: „Eine ,Interkommunion' der betenden und in ihrer Mitte die Eucharistie feiernden, noch nicht gänzlich geeinten Kirchen ist also intentional möglich und schon vielfach möglich."209

Doch führen die von ihm zusammengetragenen unterschiedlichen Positionen vor Augen, daß die gemeinsame Kommunion zugleich Kircheneinheit bewirkt und deren Ausdruck ist, so daß allem von dieser Tatsache her sowohl eine der vollkommenen Einheit vorausgehende Interkommunion als auch eine diese Einheit zum Ausdruck bringende zu legitimieren wäre. Schlink hielt eine allgemeine Konzelebration im Verständnis von Lund (siehe unten) damals nicht für möglich, weil sie „einen formulierten kirchlich anerkannten Consensus in Lehre und Ordnung"210 voraussetze, den er nicht gegeben sah. Auch eine allgemeine gegenseitige Zulassung der Glieder beider Kirchen bezeichnete er als unmöglich. Doch in besonderen Fällen schloß er eine solche nicht aus: „1. wenn kein Abendmahl der eigenen Kirche erreichbar ist, 2. wenn in Mischehe lebende Glieder beider Kirchen gemeinsam das Abendmahl zu empfangen begehren, 3. wenn in ökumenischer Zusammenarbeit die Wände zwischen beiden Kirchen transparent geworden und die Einheit in Christus erkannt worden ist ... 4. in der Woche des Gebets für die Einheit."211

Als Voraussetzung für die volle Verwirklichung beider Formen der Interkommunion nannte er einige Schritte im Blick auf die Annäherung in Abendmahlspraxis und -lehre, die der ÖAK gegenwärtig im Begriff ist zu verwirklichen: Neuinterpretation der kirchlichen Traditionen von der biblischen Exegese her, Begründung der Abendmahlsgemeinschaft parallel zur Taufgemeinschaft, Berücksichtigung der hierarchia veritatum bei der Beurteilung dogmatischer und rechtlicher Entscheidungen sowie der „Verschiedenheiten in der Entfaltung des Christuszeugnisses in verschiedenen geschichtlichen Konkretisierungen"212. Erst nach diesen Schritten sah er die Möglichkeit der Sichtbarmachung der erkannten Einheit durch gemeinsame Aussagen über sie. Dabei legte er Wert darauf, daß es nicht um einen Konsens im Sinne gleicher Formeln gehe, sondern lediglich um Widerspruchsfreiheit in den Aussagen über das Heilshandeln Gottes. Um sie zu 209 Ders., Eucharistie und Kirchenrecht Zur Diskussion über die „Interkommunion", in: Ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft, 47-75, 74. 210 Ders., Das Problem der Abendmahlsgemeinschaft, in: Ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft, 143-187, 180/181. 211 Ebd., 182. 212 Ebd., 174.

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erreichen, gelte es, Korrekturen dogmatischer Sätze vorzunehmen und vor allem die Aufhebung bestehender Anathematismen in Angriff zu nehmen. Obwohl in manchen Kreisen Bemühungen um einen solchen Konsens bereits eingesetzt hätten, sah Schlink damals die beiden Kirchen noch vor der Aufgabe der Erkenntnis der Einheit stehen, da die Kirchenleitungen die Darstellung der Einheit noch nicht in Angriff genommen hatten.213 Mit der Aufarbeitung der Lehrverurteilungen leistete der ÖAK schließlich 1986 die konkrete Vorarbeit für eine solche Demonstration der Einheit durch die Kirchenleitungen in Form einer Aufhebung der gegenseitigen Verurteilungen. Die Thematik der Interkommunion erwies sich, wie die Behandlung der vielfältigen Einzelaspekte zeigt, als sehr komplex.214 Die Tatsache, daß man sie alle zur Sprache brachte, sollte Beweis genug sein für die Ernsthaftigkeit und wissenschaftliche Redlichkeit im Umgang mit dieser Frage. Dadurch unterschied man sich von solchen Gruppierungen, in denen damals die Praxis der Abendmahlsgemeinschaft sehr leichtfertig gehandhabt wurde.215 Trotz der durchaus legitimen Versuche, eine bereits mögliche Interkommunion zu begründen, die wichtige Impulse für die Diskussion gaben, setzte sich ein gemeinsames Ja zur Abendmahlsgemeinschaft nicht durch. In einem Punkt war man zwar im Vergleich zu dem Diskussionsstand vor dem Il.Vatikanum weitergekommen: Man sah nun von katholischer Seite die Möglichkeit, anzuerkennen, daß im evangelischen Abendmahl wirklich Leib und Blut Christi gereicht werden. Auch vom evangelischen Bekenntnis her gab es nach wie vor keinen Grund, die Realpräsenz Christi in der katholischen Messe zu bestreiten.216 Der ekklesiale Hinter-

213

Ebd., 175-180. Vgl. dazu die Ausführungen unter A. zur Behandlung der Realpräsenz und der Opferthematik bei dieser Tagung (Exkurs zum Wandel in der Interpretation der Transsubstantiation und Abschnitt 3.3.). 215 Vgl. dazu Schlinks Referat, in: Ev.-kath. Abendmahlsgemeinschaft, 143-187, wo er die damalige Situation schildert und auch die Versuche der Weltkirchenkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lund bereits 1952, die verschiedenen praktizierten Formen begrifflich zu erfassen und zu systematisieren, darlegt und diskutiert sowie die Dringlichkeit hervorhebt, die mit ihnen verbundenen dogmatischen Fragen zu klären. 216 Schlink erinnerte an eine frühere Tagung zu demselben Thema, als die Situation noch eine andere war: „Darf ich hier eine kleine Erinnerung einschalten? Ich nehme damit nicht selbst das Wort, sondern möchte nur als Diskussionsleiter zum Vergleich das Gespräch heranziehen, das wir über dasselbe Thema vor vielen Jahren hatten. Damals war die Gesprächslage in mancher Hinsicht eine andere. Sie entsprach freilich genau dem, was Herr Brunner gesagt hat über das Urteil der römisch-katholischen Kirche über das evangelischlutherische Abendmahl. Damals war es so, daß glatt bestritten wurde, daß - und zwar allgemein - wir im Abendmahl Christi Leib und Christi Blut empfangen. Man hielt es für möglich, daß wir in irgendeine geistliche Kommunikation mit Christus kämen. Aber, man lehnte es ab, daß wir Christi Leib und Blut empfangen, und als wir dann sagten, ja, wir bekennen es doch, wir glauben es, die Realpräsenz und so fort, da machte das keinen Eindruck Der einzige, der damals in seiner temperamentvollen Weise schließlich wider214

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grund im ganzen bzw. einzelne ekklesiale Aspekte hinderten jedoch die Mitglieder des ÖAK daran, sich ohne Bedenken für die Interkommunion auszusprechen. Am grundsätzlichsten lehnten Brunner und Volk unter Bezugnahme auf den ekklesialen Gesamtzusammenhang die Abendmahlsgemeinschaft ab. Da die an l.Kor 10,16 anknüpfende Problematik des Zueinander von „Koinonia, Abendmahlskoinonia, Somakoinonia, Christuskoinonia" beim II. Vatikanum nicht geklärt worden sei, hätte Brunner zwar mit Anglikanern bei einer ökumenischen Tagung kommunizieren können, weil das Trennende hier nicht so sehr ins Gewicht falle, nicht jedoch mit Katholiken:

sprach, war Gottlieb Söhngen, was ich ihm nie vergesse. Er schlug direkt dramatisch auf den Tisch und sagte: auch wenn das dogmatisch unmöglich ist, daß die evangelischen Christen Christi Leib und Blut empfangen, ich glaube es doch. Es sieht jetzt ganz anders aus in dem Gespräch. Und das scheint mir doch sehr wichtig zu sein: Sie sagen, Sie könnten nicht glauben, daß sie Eucharistie nicht geschieht. Das bedeutet aber doch: Sie können nicht glauben, daß Christi Leib und Blut nicht da ist, sonst wäre es ja keine Eucharistie (Lehmann stimmt zu!). Und ich würde auch meinen, daß nach dem, was Sie gestern mit Hilfe des Votums noch gesagt haben, ergeben sich hier sogar legitime Möglichkeiten, die damals vor Jahren überhaupt nicht im Horizont unserer Erwägung standen" (Prot, 91/92). Gemeint war die 16. Tagung 1955 in Paderborn zur Gegenwart Christi im Abendmahl. Vgl. dazu das Protokoll, 38. Schlink hatte damals konkret die Frage gestellt, was nach Auffassung beider Konfessionen beim Abendmahl der jeweils anderen geschehe. Volk äußerte sich umgekehrt recht aufschlußreich zur Anerkennung des gültigen Abendmahlsvollzugs in der Katholischen Kirche durch die evangelische Seite: „Ist es heute so, daß evangelischerseits das katholische Abendmahlshandeln als Gegenwärtigsetzung Christi anerkannt wird? (Mehrere Antworten): Ja. Dann will ich eine Narbe aufdecken, die von Herrn Schlink kam: es ist mir unvergeßlich, wie Sie im Konzil sagten: ich kann da nichts vom Abendmahlshandeln Christi erkennen, was man da in dieser - gewiß extremen - Form der Messe am Anfang der Konzilssitzungen macht. Es war gewiß eine extreme Form. Wir haben eine solche Form überhaupt sonst nicht in usu (es wurde erst nach einiger Zeit Kommunion ausgeteilt usw.). Ich kann mir auch manche Äußerungen nicht erklären, die wir hören. Es gibt doch Äußerungen, wir treiben Götzendienst... Wenn das so ist, daß evangelischerseits anerkannt ist, daß trotz der schweren Verzerrungen und Verzeichnungen in der Gesamtwirklichkeit Kirche hier Realpräsenz ist, dann möchte ich doch auch Herrn Brunner sagen, daß, wenn wir ein Nein sagen, uns das genauso schwer fällt, wie es Ihnen schwer fällt, die Abendmahlsgemeinschaft wegen der Gesamtverzeichnung so ganz im Sinne des jetzigen Votums von Herrn Schlink - abzulehnen. Ich habe das so genau nicht mehr in Erinnerung, - jedenfalls hat mir jetzt jemand gesagt, ich hätte gesagt, irgendwo, ,sicher ist, daß da nicht nichts geschieht'. Man kann natürlich denken, das ist ein Minimum, - also da wird gebetet oder sowas: aber im Sinne auf Abendmahlshandeln hin, hätte es geheißen, ohne daß ich den geringsten Widerspruch dazu gesagt hätte: ,Ich bin überzeugt, daß da etwas geschieht'. Ich weiß auch gar nicht, ob ich mich nötigen lassen muß, sagen zu müssen, wieviel da geschieht oder nicht geschieht. Muß ich denn das wirklich wissen, wenn ich von meinen Vorstellungen her für das volle Abendmahlshandeln die Voraussetzungen mitdenke, die ich hier nicht greifen kann, will ich mal sagen? Muß ich denn, ja muß ich mich nicht weigern, zu sagen: da oder dort geschieht nichts?" (Prot von 1971, 96/97). Daß man die Frage der Interkommunion aber nicht nur von der Frage der Realpräsenz her behandeln kann, brachte er im folgenden zum Ausdruck. (Siehe fortlaufenden Text).

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

„Was bis zur Stunde, gerade auch in der Beurteilung die Sie unserm ekklesialen Zustand zukommen lassen, und aus anderen Gründen zwischen uns ist, das hat ein Moment in sich, daß ich trotz der Tatsache, daß hier, wie ich meine, epiphanie des soma Christou sich ereignet, sagen muß: der Ort, an dem sich das ereignet, ist gekennzeichnet von so schweren Entstellungen des Wesens der Ecclesia, daß es meine Pflicht ist, hier nicht hinzugehen."217 Eine ähnliche Haltung nahm Volk ein: „Es käme also dabei heraus, daß man die Frage der Interkommunion, Abendmahlsgemeinschaft nicht punktuell fassen kann. Denn dieser Punkt, der wird ja .voll anerkannt Hier ist Realpräsenz. Das reicht aber nicht, sondern wollen wir eine Abendmahlsgemeinschaft haben, muß man das ganze ekklesiologische Ambiente, den ganzen ekklesiologischen Befund hinzunehmen, wenn auch hier dann irgendwo Differenzen sein können, - ich will kein Anglikaner sein, aber mit Anglikanern könnte ich gegebenenfalls, wie Sie sagen, Abendmahlsgemeinschaft halten, das könnte ich, ohne deshalb Anglikaner zu werden. Aber hier sind die ekklesiologischen Verschiedenheiten so groß, daß ... Sie sagen würden: hier ist gültige Abendmahlswirklichkeit, trotzdem für Sie die ganze Kirchenwirklichkeit so verzeichnet ist, daß Sie hier nicht Abendmahlsgemeinschaft halten können. Ich nehme das todernst, Herr Brunner, ich erbitte mir, das auch ernst zu nehmen. Da haben wir also zwei verschiedene Motivationen, um zur selben Sache nein zu sagen. Hier: trotz Abendmahlsrealität nein zur Abendmahlsgemeinschaft, und hier: trotz, wenn auch variierter, ÄrcAewrealität keine Abendmahlsgemeinschaft, weil es um diesen Punkt geht Das sind zwei verschiedene Gründe für dieselbe Sache."218 Eine solche pauschale Ablehnung vom ekklesiologischen Gesamtkomplex her wurde von einigen evangelischen und katholischen Teilnehmern kritisiert Joest teilte mit, welche Änderung seiner Haltung er mittlerweile vollzogen habe, seit er vor vielen Jahren dieselbe Position wie Brunner eingenommen hatte. Durch viele Gespräche in und außerhalb des ÖAK hatte er die Erfahrung gemacht, daß die weiterhin bestehenden tiefgreifenden Lehrunterschiede durch den als gemeinsam erfahrenen, hinter ihnen liegenden elementaren Heilsglauben transzendiert werden. Von daher könne er mittlerweile durch die entstehende Gemeinschaft im Rahmen einer Tagung des ÖAK etwa durchaus beim katholischen Gottesdienst kommunizieren. Dennoch nannte er neue Gründe dafür, dies nicht zu tun: „Was einem solchen Vollzug entgegensteht, das war für mich dann etwas anderes, was eigendich bis jetzt noch nicht zur Sprache kam und was weniger auf der dogmatischen als auf der - wie soll ich sagen - seelsorgerlichen oder brüderlichen Ebene liegt: nämlich, daß ich ja nicht wissen kann, was ich vielleicht dem einen oder anderen der Brüder von der anderen Konfession damit antue, wenn ich hier mit dazukomme. Es könnte ja auch sein, daß das für einen anderen w 218

Prot., 80 und 82. Prot., 97/98.

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Bruder von der anderen Kirche eine Verwirrung bedeutet, eine Störung in dem Geschehen ... Ich weiß auch nicht, was ich dem antue, der es austeilt, ob ich ihn nicht in den Konflikt stürze: muß ich den jetzt wegschicken, kann ich das, darf ich das? ... Ich würde es für möglich halten in einem Fall, wo ... im Rahmen einer solchen Gruppe (das trifft ja etwa mit die Gelegenheiten, an die Sie, Bruder Schlink, gedacht haben), wo wir Evangelischen in einem solchen Fall ausdrücklich eingeladen würden, teilzunehmen und wo wir wissen dürften, daß das die katholischen Brüder, die diese Feier halten, untereinander so vereinbart haben, daß sie alle darin übereinstimmen. Ich meinerseits würde keinen Augenblick zögern, einen Katholiken, der an unserem Abendmahl teilnehmen möchte, zuzulassen und würde auch in keinem Augenblick selbst irgendwie ein unklares Gefühl haben als Kommunikant, wenn ein katholischer Christ mit kommuniziert"219 Von Campenhausen und Pannenberg ließen nur die mangelnde Wechselseitigkeit in der Anerkennung als Hinderungsgrund gelten.220 Der in seinem Referat geäußerten positiven Sicht zur Möglichkeit der Abendmahlsgemeinschaft fügte Pannenberg nämlich hinzu, daß er dort, wo das herkömmliche exklusive Kirchenverständnis von katholischer Seite hervorgekehrt werde, nicht am Abendmahl teilnehmen könne: „Freilich in eingeschränkterer Weise teile ich die Zurückhaltung, die Herr Brunner ausgesprochen hat und die ja auch Herr Joest ausgesprochen hat: da nämlich, wo in der Abendmahlsfeier der römisch-katholischen Kirche die Exklusivität eines Kirchenverständnisses mir begegnet, daß nun das extra ecclesia nulla salus identifiziert wird mit der dort schon realisierten Gestalt, was sich dann verbindet mit der Nichtanerkennung im Blick auf die evangelischen Kirchen und insbesondere das Abendmahl der lutherischen Kirche, - das ist für mich das entscheidende Problem,- da ist es mir aus den Gründen, die Herr Brunner genannt hat, nicht möglich, zu partizipieren."221 Insgesamt war man also auch in dieser Frage sehr vorsichtig, was dazu führte, daß man während der Zusammenkünfte von einer gemeinsamen Feier des Abendmahls weiterhin absah. Aus heutiger Sicht wirkt diese Haltung des OAK verständlich. Für die Zeit unmittelbar nach dem ökumenischen Aufbruch des II. Vatikanum war die Grundstimmung vieler Teilneh-

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Prot., 93-95. Prot., 85/86. 221 Prot., 105/106. Von eben diesem ekklesialen Kontext her lehnt Pannenberg heute Interkommunion noch grundsätzlicher ab, als es damals unter dem Eindruck der Übereinstimmungen im Bereich der Soteriologie der Fall war. Es schließt sich hier die grundlegende Frage an, ob der Dialog über ekklesiologische Probleme jemals zu einer Annäherung führen kann, oder ob es sich hier um eine Sackgasse in den Gesprächen handelt, die es nahelegt, den Stellenwert der Ekklesiologie neu zu überdenken, sie gegenüber den soteriologischen Themen in der Hierarchia veritatum weiter unten anzusiedeln, und so weiterzukommen. Genau um diese heute wieder neu zu bedenkende Frage ging es bei der Auseinandersetzung der Arbeitstagung 1970. (Siehe unten). 220

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mer jedoch erstaunlich zurückhaltend.222 Allerdings zeigte sich, daß sich die Motive der Ablehnung insofern verändert hatten, als man keine unüberwindlichen Gräben mehr hinsichtlich grundlegender, auch ekklesiologischer, Fragen zwischen den Konfessionen bestehen sah, sondern durchaus Lösungsansätze für eine Annäherung aufgezeigt wurden. Diese waren freilich nicht so gravierend wie im Bereich der individuellen Erlangung des Heils und erhielten nicht so breite Zustimmung. Dazu kommt, daß bei der Diskussion um die Interkommunion verstärkt kirchenrechtliche und 222 Zwar setzten sich einige, vor allem Skydsgaard und die „Bemeuchener" von evangelischer, aber auch Fries und Rahner auf katholischer Seite, massiv für die Interkommunion bei den Zusammenkünften des ÖAK ein, die ja eine besondere Situation darstellten. Pfarrer Lötz hatte sogar bei einer Tagung in der katholischen Messe kommuniziert, unterließ dies aber wegen der nun allgemein getroffenen Vereinbarung von da an. Die katholische Seite war darüber verwundert, hatte aber seine Gewissensentscheidung respektiert (Schlink an Volk, 17.8.72 und Volk an Schlink, 14.9.72, Korr Schlink). Dennoch hielten sich Kardinal Jaeger und Bischof Volk mit Rücksicht auf die Weisungen ihrer Kirche in dieser Frage sehr zurück und auch Bischof Stählin und Bischof Kunst sprachen sich mit Rücksicht auf die Kirchenleitungen gegen die Abendmahlsgemeinschaft im ÖAK aus (Stählin an Schlink, 17.2.72, und Kunst an Schlink, 27.6.72, Korr EvAk). Vgl. Mumm an Schlink am 14.1.72 (Korr EvAk): „Die getroffene Vereinbarung über die Morgengottesdienste stellt sicher einen Fortschritt dar, sie bleibt aber weit zurück hinter dem, was Herrn Professor Skydsgaard und anderen Mitgliedern am Herzen lag." Und Mumm an Lötz am 26.7.72 (Korr EvAk): „In Paderborn werden wir also beiderseits nur zuhörend und mitbetend teilnehmen. Es muß sich zeigen, ob Mitglieder des Kreises (Skydsgaard?) erneut auf die gegenseitige Zulassung drängen oder nicht. Soweit ich sehe, können die kath. Bischöfe derzeit darauf nicht eingehen." Zur Haltung der Bischöfe vgl. Mumm an Ziegler am 29.3.72 und Ziegler an Mumm am 12.4.72 (Korr EvAk): „Die Anregung sollte von der katholischen Seite ausgehen; denn dort liegen die größeren Hemmungen. Man scheut sich auf evangelischer Seite, eine solche Anregung an Ihre Bischöfe heranzutragen, weil wir unter dem Eindruck stehen, daß eine Anfrage von uns sie in eine schwierige Lage bringt. Wir möchten Ihnen keine Interkommunion aufnötigen. Ich zweifle nicht, daß man auf der evangelischen Seite keinerlei Bedenken gegenüber einer offenen Kommunion hat, wenn wir wissen, daß unsere katholischen Brüder sich frei fühlen, die offene Kommunion zu gewähren und auch zu üben." Und: „Sie haben recht, daß die Anregung zur .Interkommunion' von unserer Seite kommen sollte. Allerdings gibt es gerade auch da große Schwierigkeiten, weil Herr Kardinal Jäger und Bischof Volk in dieser Sache sehr gehemmt sind. Ein lebhafter Befürworter der offenen Kommunion ist ja Kollege Fries in München. Auch Herr Kollege Rahner steht auf unserer Seite ... In unserem Kreis müßte alles getan werden, daß wir gerade auf diesem Gebiet näher zum Ziel kommen." Volk begründete seine Ablehnung gegenüber Mumm am 17.4.79 (Korr EvAk) folgendermaßen: „Gemeinsame Thesen bedeuten ja noch nicht eine Gemeinsamkeit, wenn nicht in dem Benachbarten, aber Unausgesprochenen, auch eine Gemeinsamkeit besteht... Ich würde es von Herzen begrüßen, wenn die gewachsene Gemeinschaft auch in einer Kommuniongemeinschaft ihren höchsten Ausdruck finden könnte; aber die höchste Gemeinschaft ist es wohl ja noch nicht, so daß sie auch wohl nicht ihren höchsten Ausdruck finden könnte. Der Ausdruck würde dann mehr bedeuten als faktisch vorliegt. Ich kann dabei nicht übersehen, auch im Blick auf die vergangene Tagung, daß unter Ihnen selbst erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen, auch in den Fragen nach den Kriterien und den Faktoren der Einheit der Kirche."

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atmosphärische Faktoren eine Rolle spielen. Die Positionen Joests und Pannenbergs waren insofern repräsentativ für viele heutige Argumentationsweisen. Vielleicht kann man sagen, daß ihre Haltung zusammen mit den zukunftsweisenden Vorschlägen Lehmanns und Schlinks im Gegensatz zu der grundsätzlicheren Ablehnung durch Brunner und Volk einen Wandel auch im Hinblick auf einen allmählichen Generationswechsel innerhalb des ÖAK anzeigte, als dessen Folge man sich allmählich nach vorne wagte und die gemeinsam gesammelten Erfahrungen im Hinblick auf die Kircheneinheit fruchtbar zu machen suchte. Man kann sich freilich fragen, ob den noch offenen ekklesiologischen und insbesondere kirchenrechtlichen Fragen wirklich ein so hoher Stellenwert einzuräumen ist, daß sie angesichts der Übereinstimmungen in den grundsätzlichen Fragen des Heils die Abendmahlsgemeinschaft verhindern, oder ob sie damals wie heute als Vorwand gebraucht wurden und werden, um einen bereits möglichen Schritt nicht zu wagen. 2.4. Zusammenfassung Die Problematik, mit der man sich bei der Behandlung aller im letzten Kapitel unter Wesen und Eigenschaften der Kirche zusammengefaßten Aspekte befassen mußte, war die, ob die Gemeinschaft mit Christus nur für die unsichtbare Kirche ausgesagt werden kann, oder in gleichem Maße auch von der institutionell verfaßten, sichtbaren Kirche und ob demzufolge die Eigenschaften nur der geglaubten, unsichtbaren oder auch der sichtbaren Gestalt der Kirche zuzuordnen sind. Evangelischerseits trennte man strikt zwischen der unsichtbaren Kirche als dem Bereich göttlichen Handelns und der sichtbaren als dem Bereich menschlichen Wirkens. Katholischerseits wurden beide Bereiche eng zusammengesehen, was den Vorwurf einer unzulässigen Verquickung von göttlichem und menschlichem Handeln provozierte. Entsprechend der in der evangelischen Ekklesiologie vorgenommenen Trennung wies man zunächst nur der Kirche als der Gemeinschaft der wahrhaft Gläubigen die Eigenschaft zu, heilig zu sein, wobei es sich auch dabei um die Heiligkeit Christi in den Gläubigen handelt, obwohl diese selbst auch Sünder sind. Der Kirche als soziologischer Größe aber schrieb man - unter dem Einfluß der Geschehnisse während des Naziregimes - die Notwendigkeit und Fähigkeit zu, Buße zu tun. Da man katholischerseits aber auch von der Heiligkeit als Eigenschaft der Institution Kirche sprach, hielt man Buße der Kirche nicht für möglich. Unter dem Einfluß des Kirchenbegriffs des Il.Vatikanum gelangte man dann zu Beginn der 60er Jahre übereinstimmend zu der Auffassung, daß von Indefektibilität der Kirche nur gesprochen werden kann im Zusammenhang der Gegenwart Christi in ihr und unter Ausschluß jeglicher Selbstbehauptung der Kirche neben Christus. Strittig blieb freilich weiterhin das Verhältnis von sichtbarer und unsichtbarer Kirche und vor allem die

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Zuordnung und Gewichtung der defektiblen und indefektiblen Elemente. Davon abhängig war jedoch auch die Abgrenzung von Kirche und Welt. An den Ausführungen des II. Vatikanum in Gaudium et spes kritisierte man deshalb auf evangelischer Seite sowohl die ausgesprochen positive Weltsicht als auch die positive Kirchensicht, die die Sündhaftigkeit beider Bereiche, aber auch ihre Abgrenzung voneinander zu wenig in den Blick nähmen. Demgegenüber hob man selbst einerseits die Sündhaftigkeit der Welt und der Kirche in ihrer soziologischen Gestalt, in der sie als Teil der Welt verstanden wird, hervor, um andererseits die Distanz zwischen der Kirche unter der Gnade und der Welt der Sünde zu beschreiben. Bereits in den 50er Jahren war man im Gespräch über das Kirchenrecht bzw. über die Kennzeichen der Kirche zu der Überzeugung gelangt, daß der konfessionelle Gegensatz nicht in einem evangelischen Verständnis einer unsichtbaren und einem katholischen Verständnis einer sichtbaren Kirche bestand, sondern daß die Ansichten über die Abgrenzung der göttlich angeordneten bzw. menschlich eingesetzten sichtbaren Elemente der Kirche auseinandergingen. Auch nach dem Verständnis der evangelischen Mitglieder, so stellte sich heraus, stehen Rechtsstrukturen dann nicht im Widerspruch zur Kirche, wenn innerhalb des Kirchenrechts eine klare Trennung zwischen ius divinum und ius humanuni erfolgt und weltliches Recht mit Strafmaßnahmen etwa ausgeklammert bleibt. Problematisch blieb das ius mere ecclesiasticum der Katholischen Kirche, in dem göttliche und menschliche Setzung nicht klar voneinander abgehoben werden. Auch als Wesensmerkmal konnte man die rechtliche und institutionelle Gestalt der Kirche nicht anerkennen. Zwar begann sich auch unter den evangelischen Theologen die Einsicht durchzusetzen, daß das Amt in nachgeordneter Weise ebenso wie Wort und Sakrament zu den Kennzeichen der Kirche gezählt werden könnte. Doch ein Verständnis der Kirche als Ursakrament, nach dem die institutionelle Gestalt der Kirche als äußeres sakramentales Zeichen für das Mysterium ebenso zu ihrem Wesen zählt wie dieses selbst, akzeptierte man nicht, obwohl auf katholischer Seite jeder Selbstzweck der Institution geleugnet und ihre Hinordnung auf den inneren Gnadenvorgang betont wurde. Diese Argumentation überzeugte die evangelischen Mitglieder auch bei der Erörterung der einheitsstiftenden Elemente der Kirche nicht. Sie sahen auch die Einheit der Kirche nur durch die Gemeinschaft mit Christus gewährleistet und nicht etwa durch eine Parallelstruktur in Form einer durch die Aufsplitterung des einen Amtes in verschiedene Weihestufen gebildete Ämterhierarchie mit dem Papst, als Stellvertreter Christi selbst, an der Spitze. Man bewegte sich anfangs nur insofern aufeinander zu, als man katholischerseits allmählich auch außerhalb der eigenen, sichtbar verfaßten Kirche zumindest von einer Teilwirklichkeit des Heils sprach. Bezüglich des Papstamtes konnte der Hinweis auf die Leitung des Hl. Geistes, die über der Leitungsgewalt des Papstes stehe, den evangelischen Vorwurf der Aus-

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lieferung der Kirche an die Irrtümer eines Menschen, nicht beseitigen. In den 70er Jahren kam es aber zu erheblichen Annäherungen bezüglich der Aufgliederung des Amtes. Von evangelischer Seite aus stand man zu der Anerkennung der Aufgliederung, sofern sie nicht hierarchisch verstanden und ihr Ursprung in menschlichem Recht gesehen wird. Die Beschäftigung mit Trient und den einschlägigen Texten des Il.Vatikanum ergab dann, daß diese durchaus offen sind für eine solche Interpretation, zumal es schon immer Positionen unter katholischen Theologen gab, die die Aufgliederung in sakramentale Weihestufen ablehnten. In diesen Ansätzen zu weitreichenden Annäherungen sah man dennoch noch keine Perspektive für eine Einigung der Kirchen. Dafür machte man aber nicht unüberbrückbare theologische Einzelprobleme verantwortlich, sondern die „gesamtkirchlichen Verhältnisse", die ja bis heute von mangelndem Willen zur Änderung oder gar Aufgabe des eigenen Selbstverständnisses und der eigenen Struktur geprägt sind. Mit ihnen begründete man auch die Ablehnung der Interkommunion im Kontext der allgemeinen Diskussion Ende der 60er Jahre, obwohl man über den Kirchenbegriff Möglichkeiten zu einer Annäherung fand, sich nicht mehr gegenseitig absprach, daß bei der Feier des Abendmahls gültig etwas geschieht, und im Rekurs auf die Einladung Christi zum Abendmahl unabhängig vom Kirchen- und Amtsverständnis eine Basis für gegenseitige Abendmahlsgemeinschaft sah.

3. Die Kirche in ihrer Funktion als Heilsmittlerin durch die Spendung der Sakramente Entscheidend für die Argumentation bei der Auseinandersetzung mit der Interkommunion 1970 waren nicht nur die für eine Verständigung in der Abendmahlsfrage üblicherweise vorgebrachten Aspekte des Opferverständnisses und der Gegenwart Christi, sondern im wesentlichen die Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche, da von ihr auch die Bedeutung abhing, die der Kirche als ganzer und insbesondere einer bestimmten Gestalt des Amtes für die Vermittlung des Heils bei der Abendmahlsfeier beigemessen wurde. Um die konfliktreiche Frage der Rolle der Kirche bei der Heilsvermittlung durch die Sakramente ging es bei den Gesprächen des OAK schon bei der Erörterung von Taufe und Buße in der frühen Phase der Auseinandersetzung, später in bezug auf die Rolle der Amtsträger im Zusammenhang der gültigen Eucharistiefeier und bei der Diskussion um die Sakramentalität der Ehe. Ihre Beantwortung durch den ÖAK ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Wurden im ersten Teil der dogmatischen Darstellung die Sakramente bereits im Kontext der Rechtfertigung unter dem Aspekt der Beteiligung des einzelnen Menschen an ihnen im Verhältnis zum Wirken Christi be-

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handelt, so werden sie nun nochmals thematisiert unter der Fragestellung, inwiefern die unmittelbare Heilszuwendung durch Christus nochmals der Vermittlung durch die Kirche bedarf. Denn alle Auseinandersetzungen um Wesen und Eigenschaften der Kirche kulminieren in dieser entscheidenden Frage: Beschränkt sich die heilsmitderische Funktion der Kirche darauf, der Ort zu sein, an dem Christus allein handelt, oder wirkt sie selbst in ihrer institutionellen Gestalt heilsvermittelnd? Insofern in der Sakramentenlehre sowohl der individuelle als auch der institutionelle Aspekt des Synergismusproblems berührt wird, kann sie sowohl als Prüfstein für eine konfessionelle Verständigung hinsichtlich der Rechtfertigungslehre als auch hinsichtlich der Lehre von der Kirche gelten. 3.1. Kurze Bemerkungen zum Verhältnis von Taufe und Kirchenzugehörigkeit Dort, wo bisher von der Kirchenzugehörigkeit die Rede war, wurde jeweils die Taufe als das Sakrament erwähnt, mit dem der Eintritt in die Kirche geschieht. Unstrittig war dabei, daß sie als Eingliederung in die „unsichtbare" Gemeinschaft der Gläubigen zu verstehen ist Von lutherischer Seite lehnte man ausdrücklich den einseitigen Bezug von Taufe und Sündenvergebung ab und sah die Entwicklung innerhalb der evangelischen Tauflehre dahin gehen, die ekklesiale Bedeutung der Taufe stärker in den Vordergrund zu rücken. Von daher ergab sich also keine Kontroverse. Unproblematisch war im Zusammenhang der Taufe auch die Amtsfrage, da ihr gültiger Vollzug ja im Gegensatz zu der gültigen Spendung des Abendmahls auch nach katholischem Verständnis nicht von einer bestimmten Form des Amtes abhängt.223 Schwierig wurde es vielmehr bei der Frage, ob neben der Taufe in demselben Maße die rechtliche Zugehörigkeit zu einer bestimmten institutionellen Gestalt der Kirche bedeutsam für das Heil ist, ob die Taufe also erst dann in vollem Sinne heilswirksam ist, wenn die Zugehörigkeit zu einer bestimmten äußeren, sichtbaren Gestalt der Kirche hinzukommt. Entsprechend dem von den evangelischen Mitgliedern des OAK im Laufe der Jahrzehnte immer wieder eingehend zur Sprache gebrachten evangelischen Kirchenverständnis, nach dem die volle Gliedschaft in der Kirche nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession abhängig gemacht wird, vermittelt die Taufe die volle Teilhabe an der Gemeinschaft der Gläubigen und damit die volle Kirchengliedschaft. Die Tatsache, daß mit der Taufe durch einen evangelischen Amtsträger natürlich auch die formale Aufnahme in die Evangelische Kirche einhergeht, ist für die Heilswirksamkeit der Taufe nicht relevant. 223

Siehe oben unter 2.3.2. b).

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Als man sich 1950 im OAK mit der Taufe befaßte, war für die katholische Haltung die Enzyklika „Mystici corporis" maßgeblich. An deren doppeltem Kirchenbegriff monierten die evangelischen Mitglieder den ausgrenzenden Charakter gegenüber den Christen, die nicht Mitglieder der Römisch-katholischen Kirche sind. Vor allem ging es ihnen in diesem Gespräch um die damit einhergehende Abwertung der Taufe. Nicht sie allein ist nach der Enzyklika ausschlaggebend für die Kirchenzugehörigkeit, sondern vor allem die sichtbare Zugehörigkeit zur Rechtskirche. Daran änderten auch die Hinweise von Volk und Buuck auf die verschiedenen Formen der Zugehörigkeit (durch die Gnade, die Taufe, die Sichtbarkeit der Zugehörigkeit) nichts. Es war übrigens Söhngen als Katholik, der die Entwertung der Taufe durch die Enzyklika zur Sprache brachte, die sich darin zeige, daß dort die Gemeinschaft mit Christen aus anderen Kirchengemeinschaften abgewertet werde. Von Campenhausen zog die naheliegende Parallele zum Ketzertaufstreit. Denn bereits dort hatte die Katholische Kirche die Taufe entwertet, indem sie die Ketzertaufe zwar anerkannte, sie aber nicht eher als heilswirksam bezeichnete, bis die Ketzer in die Gemeinschaft mit Rom zurückgekehrt wären.224 Diese kurzen Bemerkungen sollten dazu dienen, als einen Teilaspekt der aus dem unterschiedlichen Kirchenverständnis erwachsenden Diskussionen zur Kirchenzugehörigkeit die Rolle der Kirche bei der Taufe herauszustellen. Ging es doch konkret um die Frage, inwiefern der Kirche in ihrer institutionellen Gestalt bei der Taufe eine heilsmittlerische Funktion neben dem Vollzug dieses Sakramentes zukommt, so daß die Zugehörigkeit zu ihr als grundlegende Voraussetzung für das gültige Hineingenommenwerden in Tod und Auferstehung Christi verstanden werden muß. Während dieser ekklesiologische Bezug der Taufe nur am Rande ihrer Behandlung innerhalb des OAK zur Sprache kam, nahm er im Dialog über das Bußsakrament weitaus größeren Raum ein. Die Tatsache, daß Buuck in diesem Zusammenhang ein eigenes Referat zur Kirchenmitgliedschaft im damals geltenden Recht und der katholischen systematischen Theologie hielt, zeigt, wie eng im katholischen Denken Buße und Kirche - im dogmatischen wie im rechtlichen Sinn - verknüpft sind.225 3.2. Die Rolle der Kirche bei Buße und Beichte Die grundlegende konfessionelle Differenz in der Diskussion um die Buße 1952 bestand in der Frage, ob die Versöhnung mit der Kirche als Medium der Versöhnung mit Gott vorausgehen müsse. Katholischerseits stellte man unter Berufung auf die Alte Kirche eben dies heraus: 224 Zur Diskussion vgl. Prot, der 9. Tagung 1950, 18-20. Zu den anderen Aspekten dieser Tagung siehe oben unter A. 225 Siehe oben unter 2.2.2. Vgl. dort auch die Angabe der Tagungsteilnehmer.

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„Die Zugehörigkeit zur Kirche ist untrennbar von der Gnadengemeinschaft mit Gott, so gilt wesentlich: Was in der irdischen, kirchlichen Absolution geschieht, hat Gültigkeit bei Gott." 226

Evangelischerseits stritt man nicht ab, daß die poenitentia ecclesiastica ein gottgegebenes Hilfsmittel sein könne, aber sie könne eben nicht ein unbedingt notwendiges Hilfsmittel sein, um zur poenitentia evangelica zu gelangen, die Ausdruck innerer Buße sei. Festhalten wollte man aber im Gegensatz zur Alten Kirche in jedem Fall, daß die Versöhnung mit Gott Voraussetzung für die Versöhnung mit der Kirche ist 227 Deutlich brachte man zum Ausdruck: Eine Bedeutung der sichtbaren Kirche für das Heil aufgrund eines sakramentalen Charakters, die darin zum Ausdruck kommt, daß Versöhnung mit ihr Voraussetzung ist für die Versöhnung mit Gott und die Zugehörigkeit zu ihr heilsnotwendig ist, kann so von evangelischer Seite nicht anerkannt werden. Jede Zwischenschaltung menschlicher Institutionen in das Verhältnis Gott-Mensch sah man infolge der strengen Unterscheidung zwischen der Heilszuwendung

226 So Volk, Prot, der 12. Tagung 1952, 33. Vor allem Rahner forderte infolge seiner eingehenden Beschäftigung mit der Bußpraxis der Alten Kirche eine Rückbesinnung auf die Bedeutung der Buße als Versöhnung mit der Kirche. In seinem Referat stellte er fest, daß das Tridentinum diesen Aspekt nicht aufgenommen habe und daß neue größere Arbeiten über die Buße damals nicht existiert hätten (Niederschrift Stählin, 4). Das Referat zur „Geschichte und Theologie des Bußsakraments" liegt nicht vor. Zu verweisen ist auf seine zahlreichen Veröffendichungen zur Buße, vor allem zur Buße in der Alten Kirche, aufgeführt in seinem ebenfalls erwähnenswerten Aufsatz „Vergessene Wahrheiten über das Bußsakrament", in: ders., Schriften zur Theologie II, Köln 1968, 143-183. Vgl. dort besonders 177-181. Hier geht auch Rahner darauf ein, daß Vergebung der Schuld im Himmel nicht nur Voraussetzung der Lösung auf Erden ist, sondern auch deren Wirkung: „Indem die Kirche ihren Frieden dem Sünder schenkt, ihre geistgetragene Liebe ihm wieder autoritativ zuspricht, schenkt sie den Frieden mit Gott" (177).

Er bezeichnet die Wiederversöhntheit mit der Kirche unter Gebrauch scholastischer Begrifflichkeit als „res et sacramentum" im Bußsakrament Damit ist gemeint, daß sie zugleich den Charakter des Zeichens und von dessen Wirkung hat: „Insofern der Mensch also durch den Versöhnungsvorgang mit der Kirche (sacramentum: Lösen auf Erden) wieder in den Zustand voller Versöhntheit mit der Kirche eintritt (res et sacramentum: pax et communio cum Ecclesia), erhält er notwendigerweise den (neuen oder vertiefteren) Anteil an ihrem schuldvergebenden und vor Gott rechtfertigendem Geist (res sacramenti: Friede mit Gott)" (180). Rahner macht deutlich, daß die Grundkonzeption der Kirche als Ursakrament genau in diese Richtung weist (181). Vgl. dazu die Bedenken Lehmanns gegenüber der Bezeichnung der Kirche als Ursakrament unter 2.3.2. b) genau deshalb, weil sie göttliches Wirken in der Kirche und ihre weltlich-institutionelle Gestalt vermischt, indem sie die Ineinssetzung von Christus und Kirche impliziert. 227 So Maurer, Prot., 31/32 und Maurer, Wilhelm, Das Ringen um evangelische Kirchenzucht und Einzelbeichte, in: Ev.-luth. Kirchenzeitung 7/1953, Nr.4 49-53, Nr. 5 70-73, Nr.6 87-89, zitiert nach Sonderdruck, Anlage zum Protokoll, Akten EvAk, 1-11, 4.

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durch Christus bzw. durch die Kirche, in der, aber nicht durch die allein Christus handelt, als ungerechtfertigt an. Brunner drückte dies so aus: „Mein zentraler Einwand bleibt: Ihr kath. Christen macht es dem Menschen schwer, selig zu werden. Ihr bringt ihn in Situationen, in denen er am Heil vorbeigehen kann. Die Instrumente des Heils sind zu sehr belastet mit menschlichem Beiwerk. So konkret muß man die Dinge sehen. Man muß die Reinheit der doctrina in Bezug auf diesen zentralen Punkt sehen."228 Trotz des Abbaus der Mißstände des 16. Jh. sah man sich nach den oben zitierten Äußerungen auf der evangelischen Seite also gezwungen, den grundsätzlichen reformatorischen Vorwurf von damals weiter aufrechtzuerhalten, die Katholische Kirche schränke die Freiheit ihrer Glieder in unzulässiger Weise ein. Inwiefern dazu die Behandlung der einzelnen Elemente des Bußvorgangs beitrug aber auch, welche Annäherungen sich ergaben, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts. 3.2.1. Die Bedeutung von Reue und Glaube bzw. Reue, Bekenntnis der Einzelsünden und Genugtuung für die Absolution Während katholischerseits der Bußvorgang traditionell aus Reue, Bekenntnis der Sünden, Lossprechung und Satisfaktion besteht, wird evangelischerseits die Notwendigkeit des Bekenntnisses und auf die Absolution folgender Bußleistungen bestritten und die Buße wesentlich auf Reue und Glauben reduziert. Dabei wird betont, daß beides durch Gott gewirkt wird. Die Buße wird als ein tägliches, lebenslanges Geschehen verstanden. Entscheidend ist nach evangelischer Auffassung die Absolution, die weder von der vollständigen Beichte aller Sünden noch von der Zusicherung der Besserung abhängig ist, sondern auf der Schlüsselgewalt beruht, die das Mandat Gottes hat.229 228

Vgl. Brunner, Prot., 22. Vgl. Karl Rahner, „Vergessene Wahrheiten über das Bußsakrament", 146 Anm. 1. Buuck hatte mit seinem Referat keine dogmatische Grundlegung des Bußsakraments geboten, so daß von der katholischen Seite auf der Tagung keine solche vorlag. Zur evangelischen Position vgl. das Referat Ernst Kinders zu „Beichte und Absolution nach den lutherischen Bekenntnisschriften", in: ThLZ 77/1952, 543-550, 544/545: „Die beiden Stücke, Reue und Glauben, auf die die Buße reduziert wird, und die Beichte und Absolution einschließen, werden von Gesetz und Evangelium her verstanden. Und wie das Evangelium das opus proprium ist, so liegt auch in der Konkretion der Schwerpunkt deutlich bei der Absolution . . . Gegen die Römischen wird eingewandt, daß sie den Akzent entweder viel zu sehr auf die Beichte oder auf die Regulierung der .Früchte der Buße', die .Satisfactio' gelegt haben . . . Die Konkretion der Buße von der Rechtfertigung her verstehen heißt also in erster Linie, die Absolution beherrschend ins Zentrum stellen und alles andere von ihr bestimmt sein lassen. .Absolutio, quae est sacramentum poenitentia'! (AC XIII,4): sie ist das Sakramentliche, der konstituierende Faktor darin . . . Die Gewißheit und Kraft der Absolution beruht auf der potestas clavium, weil diese ein göttliches Mandat hat. Darum gilt die Absolution auch unbedingt, sie ist weder von der Vollständigkeit der Beichte noch von der Zusicherung 229

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Kurz andiskutiert wurde, welche Elemente aus dem N T zu erheben seien. Während Friedrich die Beichte unter Berufung auf Jak 5,16 und andere Stellen, an denen zum Bekenntnis der Sünden aufgerufen wird, im N T angeordnet sah,230 wies Brunner mit Recht darauf hin, daß Raum bleiben müsse für ein Sündenbekenntnis auch ohne Absolution: „ D a s Sündenbekenntnis hat einen weiteren Raum als die sakramentale Beichte. Es geht in solch einem Bekenntnis nicht darum, Sünden herzusagen, sondern die eigene Verlorenheit und Schuld vor G o t t z u bekennen." 2 3 1

Entscheidend für den Dialog war aber die Herleitung des evangelischen Bußverständnisses vom ntl. Begriff der metanoia.232 Radikale innere Umkehr bedeutet Buße von daher. Besonders Söhngen näherte sich der evangelischen Position an, indem er die Kenntnis der inneren Bereitschaft des Menschen zur Reue und von dessen Besserungsvorsatz als das Entscheidende für die Absolution durch den Beichtvater proklamierte.233 Aber auch Volk und Höfer bezeichneten die reuige Haltung als das zentrale, die jedoch ihren materialen Ausdruck in der Beichte einzelner Sünden finde.234 Damit war auf dem Wege der Interpretation der katholischen Beichtpraxis grundsätzlich insofern eine Annäherung an die von Kinder dargestellte lutherische Position erfolgt, als die Beichte in die Reue eingeschlossen ist. Ansatzweise wurde auch die Absolution als das dominierende Element im Bußvorgang katholischerseits anerkannt. So wurden Beispiele genannt, bei denen ohne vorausgegangene Einzelbeichte Generalabsolution erteilt wurde. Allerdings unter der Voraussetzung, daß die Absicht vorhanden war, die persönliche Privatbeichte nachzuholen. Deutlich wurde von beiden Seiten die Einzelbeichte als das normale, die Generalbeichte nur als Ausnahme angesehen.235 Über die Bedeutung der Satisfaktion kam es nicht zu eindeutigen Aussagen. Während Brunner und von Campenhausen sie ablehnten, da die Notwendigkeit der Forderung einer Genugtuung Zeichen dafür sei, daß keine echte Reue vorhanden sei, die aus sich heraus zur Wiedergutmachung dränge, sprach sich Stählin für eine solche Forderung im Sinne eines Ratder Besserung abhängig. So geben die luth. Bek.-Schr. von dem Festpunkt und Mittelpunkt der Absolution her als dem Kristallisationspunkt dem Ganzen eine neue Struktur für die sachgemäße, d.h. dem Evangelium gemäße Übung." Als die Hauptstellen, an denen die BSLK von diesen Fragen handeln, gibt Kinder an: CA und ApCA XI.; XII.; z.T. XXVIII; CA XXV; ApCA XIII, 3-5; AS: CHI.; VII.; VIII.; IX; z.T. Tract.; KlKat IV, 15-29 und GrKat IV,64-82. Dort auch „Eine kurze Venmahnung zu der Beicht" (ebd., 543 Anm.2). 230 Prot., 5. 231 Prot., 7. 232 Vgl. Kinder, a. a. O., 544. 233 Prot., 6. 234 Ebd., 7/8. 235 Ebd., 6/7, 23 f., Stählin, 26.

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schlags aus, nicht einer frommen Leistung. Damit näherte er sich auf der pastoraltheologischen Ebene236 den Äußerungen Grosches zu einer Neugestaltung des katholischen Bußsakraments an. Söhngen bezeichnete die Genugtuung gleichzeitig als additiv zur Reue und als implikativ in ihr enthalten.237 Wesentliche Diskussionspunkte waren ferner die Reglementierung der Satisfaktionsauflagen, die nach evangelischer Auffassung Gott vorbehalten sind, damit verbunden die Legitimität einer mediatorischen Verdeutlichung von Gottes Züchtigung durch den Priester sowie der Charakter der satisfactio als poena, da Gott den Menschen in Liebe züchtigt. Katholischerseits wurde angemerkt, daß das Tridentinum letzteres anerkenne, obwohl es von poena spreche. Außerdem werde von poena nur im Zusammenhang der Wiederherstellung der Ordnung gegenüber der Gesellschaft und im Bezug auf den Menschen zu sich selbst gesprochen, nicht aber Gott gegenüber. Schließlich wurde die Bußleistung im Gegensatz zum Bußwillen nicht zur essentia, sondern zur integritas des Sakraments gezählt. Eine dogmengeschichtliche Schwierigkeit bot für die katholische Seite die Tatsache, daß bestimmte Bußleistungen im Laufe der Kirchengeschichte von dem Zeitpunkt vor der Absolution auf nachher verlegt wurden. Hatte

236 Überhaupt nahm der Austausch über die Handhabung der Beichte, also die Herstellung des Bezugs zwischen dogmatischem Thema und Praxis in den Kirchen, größeren Raum als bei den bisherigen Tagungen ein. Vielleicht ermöglichte die Abwesenheit Schlinks Stählin das Insistieren auf der Berücksichtigung des Praxisbezugs. Vor allem dürfte dies aber darauf zurückzuführen sein, daß in der VELKD und in der bayrischen Landeskirche damals gerade eine Neuordnung der Einzelbeichte beschlossen wurde, die Beichte also neu belebt werden sollte, und die Form der Beichte in der Katholischen Kirche ebenfalls eine Neuorientierung erforderte (Prot, 2-4 zur evangelischen Praxis, 10/11 Kurzreferat Grosches zur katholischen Situation). Evangelischerseits wurden Beispiele geübter Beichtpraxis aus der Michaelsbruderschaft, der Oxford-Gruppenbewegung und der bayrischen Landeskirche, vor allem der Gesellschaft für innere und äußere Mission in Neuendettelsau nach der Beichtordnung Löhes, angeführt. Dabei wurde als Erfordernis die Abnahme der Beichte durch das geordnete Amt und eine Beichtordnung für die Pfarrerschaft selbst genannt (So Kinder, Prot., 4). In seinem Referat kam Kinder in Anbetracht der Tatsache, daß die BSLK keine feste Ordnung für Beichte und Absolution kennen, sondern einzelne legitime Elemente beibehalten haben, nachdem die römische Bußpraxis von der RFL her zerbrochen wurde, zu dem Schluß: „Wie es nicht sachgemäß und nicht möglich wäre, die Kirchenzuchtordnung der Apostel und Gemeinden im NT zu rekonstruieren und zu restaurieren, so ebensowenig die der luth. Bek.Schr. Aber es gilt doch für eine neue verantwortlichere und konkretere Handhabung dieser Dinge heute konstitutive und regulative Faktoren aus Schrift und Bekenntnis neu zu gewinnen" (a.a.O., 550).

Katholischerseits wurde die Mechanisierung der Beichte infolge der großen Zahl von Beichtenden beklagt. Auch bedürfe die Beichte der seelsorgerlichen Vertiefung. Problematisch sei ferner die Behandlung öffentlicher Sünder, vor allem der wiederverheirateten Geschiedenen. Auch die Art der aufzuerlegenden Buße müsse neu durchdacht werden und das Beichtsakrament damit seinen Ernst wiedergewinnen (Prot, 10/11). 237 Ebd., Brunner, 24, Söhngen und Stählin, 25/26, von Campenhausen, 27, Grosche, 10/11.

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die „Vorher"-Bußleistung in der Alten Kirche die Funktion eines verschärften Katechumenats, so war die „Nachher"-Bußleistung Ausdruck der Bußwürdigkeit und bedeutete das Abbüßen der zeitlichen Sündenstrafen. Zwar hatte bereits Cyprian satisfactio im letzteren Sinne verstanden, dennoch läßt sich die heutige Auffassung nur zur Hälfte aus der Alten Kirche herleiten.238 Bei aller Annäherung - immerhin kam es zu Ubereinstimmungen was die Charakterisierung der Buße als einer inneren Haltung angeht - wurden wesendiche Fragen nicht genügend erörtert Katholischerseits hatte man nicht dazu Stellung genommen, ob und inwiefern Beichte und Genugtuung wie die Absolution iure divino zum Sakrament der Buße dazugehören. Den Stellenwert der Beichte hatte man nur insofern herabgesetzt, als man die jährliche Beichtpflicht im Anschluß an die Interpretation des 4. Laterankonzils durch Thomas nur auf diejenigen bezog, die in schwere Sünden gefallen sind.239 Auf evangelischer Seite erfolgte keine grundsätzliche Stellungnahme zur Sakramentalität der Buße, die infolge der von Kinder angeschnittenen Differenz zwischen späten Äußerungen Luthers (Buße entspricht der Taufe, deshalb gibt es im Grunde nur zwei Sakramente) und Melanchthon (in CA und ApCA wird die Buße als Sakrament bezeichnet) sinnvoll gewesen wäre.240 Ein damit zusammenhängender Themenkomplex wurde völlig ausgeklammert, nämlich das Verhältnis von Taufe, Rechtfertigung und Buße. Die Frage, ob das Bußsakrament zu verstehen ist als neue Mitteilung der Gnade nach dem Verlust der Taufgnade (kath.) oder als Rückführung unter die in der Taufe erlangte und nie hinfällig gewordene Sündenvergebung durch Gott (ev.), wurde nicht behandelt.241 Ausführlich zur Sprache kam jedoch der juridische Charakter der Absolution. Es war zu erwarten, daß die Ansichten darüber, ob das „Amt der Schlüssel" strafrechtliche Mittel rechtfertigt, weit auseinandergehen. Denn hier vor allem wurde die grundlegende Frage berührt, ob sich die Kirche als menschliche Instanz, noch dazu unter Inanspruchnahme welt-

238

Prot., 34 ff., zum letzten Rahner, 38. Ebd., 27/28. 240 Vgl. Kinder a. a. O., 545. Vgl. zur Buße als Sakrament ApCA XII, 41 und ApCA XIII, 4 sowie die Einordnung des Bußkapitels in CA IX-XIII und zu Luther GrKat IV, 74 f. 241 Vgl. Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, 66/67, wo die Buße ausschließlich im Zusammenhang mit der Rechtfertigungslehre in Form eines Exkurses zu Rechtfertigung, Taufe und Buße abgehandelt wird. Im Ergebnis werden die „gegensätzlichen Ansätze im Verständnis des Bußsakramentes als komplementäre Aussageweisen eines einzigen Grundsachverhaltes" bezeichnet (67). Freilich wird hier auch die Kontroverse um die heilsmitderische Funktion der Kirche berührt Sie erweist sich in Anbetracht des oben zitierten Ergebnisses hinsichtlich des Bußvorgangs selbst als die nach wie vor bestehende, eigentlich strittige Problematik. Die Ergebnisse unterscheiden sich also abgesehen von der Gründlichkeit der Vorarbeit und der Darstellung nicht wesentlich von den bereits 1952 (!) erzielten. 239

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licher Rechtsmittel, nicht anmaßt, die Gnade Gottes einem Menschen zuteilen bzw. absprechen zu können. Aber auch in diesem Teilbereich zeichnete sich auf der Basis einer Neuinterpretation der tridentinischen Bestimmungen eine Verständigung dahingehend ab, daß nicht das „Binden und Lösen" als jurisdiktioneller Akt im Rahmen der Kirchenzucht generell abzulehnen ist, sondern so ausgelegt werden muß, daß ein Verfügen der Kirche bzw. ihrer Amtsträger über die Gnade Gottes ausgeschlossen wird. 3.2.2. Die Absolution als richterlicher Akt Das Tridentinum verwarf das Verständnis der Absolution als „reine Dienstleistung der Verkündigung und Erklärung, dem Bekennenden seien die Sünden erlassen, falls er glaubt, daß er freigesprochen sei",242 als dem richterlichen Akt der sakramentalen Lossprechung durch den Priester widersprechend. Die dort skizzierte Position erwies sich im Gespräch jedoch nicht ganz als die evangelische, da auch nach evangelischem Verständnis der Beichtvater „richterliche Entscheidungen" zu fällen hat, indem er aus der Abendmahlsgemeinschaft ausschließt, eine bestimmte Leistung auferlegt - die jedoch nur in seelsorgerlichen Ratschlägen bestehen kann, da sonst die Absolution entwertet würde - und indem er entscheidet, ob er die Absolution spenden darf. Von daher fragte Brunner, ob das Tridentinum Luther an dieser Stelle nicht mißverstanden habe.243 Es wurde also evangelischerseits nicht der richterliche Charakter des Bußsakraments schlechthin abgelehnt, sondern die Ausübung einer „äusseren Herrschergewalt neben der inneren Wortgewalt"244 durch den Priester. Sofern es sich bei der Buße um die „Proklamierung des göttlichen Freispruchs" handelt, bezeichnete man sie auch evangelischerseits als richterlichen Akt, der jedoch nicht Strafe, Inquisition oder menschlichen Richterspruch beinhalte. Nach katholischem Verständnis ist die potestas iurisdictionis demgegenüber ebenso eine „heilige Gewalt" wie die potestas ordinis.245 Absolvieren kann deshalb nur der Amtsträger, dem die Jurisdiktionsgewalt übergeben worden ist. Die Frage, ob das Juridische den Unterschied zwischen Taufe und Buße ausmache, wurde nur kurz angesprochen. Sie wurde von Volk bejaht, während für Rahner bereits die Taufe das „Hineingezogenwerden in das Gericht des Vaters"246 bedeutete.

242

Can 9 über das Bußsakrament D 1709; NR* 668. Vgl. Stellungnahme Brunners, Prot., 33. 244 Mörsdorf, Prot., 29. 245 Vgl. Maurer, Prot., 28/29 und Mörsdorf, ebd., 29. Söhngen betonte den geistlichen Gnadencharakter des Gerichts auch nach katholischer Auffassung unter Berufung auf can 870 und 888, 1, Prot, 31. 246 Prot., 34. 243

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Es zeigte sich, daß eine konfessionelle Verständigung hinsichtlich des Verständnisses der Absolution - und damit zusammenhängend der Kirchenzucht - mit abhängt von der Interpretation des „Bindens und Lösens" auf katholischer Seite. Nach der damals üblichen Interpretation dieser Worte durch die Schultheologie247 wurden Binden und Lösen als Alternativen verstanden, so auch Volk, nicht als zwei Elemente desselben Vorgangs, so Mörsdorf. Mörsdorf bezeichnete die Absolution als Gnadenverfahren, bei dem zwei Akte zu unterscheiden seien, die Ausstoßung des Sünders und Auferlegung der Buße und die nachfolgende reconciliado. In der Alten Kirche hätten die Strafelemente nur im ersten Akt bestanden. Mittlerweile seien beide Elemente aber zusammengedrängt, so daß heute in beiden als einem Akt Strafelemente enthalten seien.248 Auch Rahner lehnte eine grundsätzliche und dauerhafte Verweigerung der Vergebung bestimmter Kategorien von Sünden ab.249 Wie Mörsdorf bezeichnete er im Anschluß an die Alte Kirche „Binden und Lösen" als zwei „Phasen" eines Vorgangs, wobei er jedoch alle juridischen Kategorien ausklammerte.250 Ferner bezeichnete er als den entscheidenden und überall faßbaren Ausdruck des „Bindens" in der altkirchlichen Bußpraxis den Aus-

247

Vgl. Rahner, Karl, „Vergessene Wahrheiten über das Bußsakrament", a.a.O., 149: „Fragen wir nämlich die heutige durchschnitdiche Interpretation dieser Worte in der Schultheologie, dann erhalten wir eine Antwort, die nicht recht zu befriedigen vermag. ,Binden' (und das entsprechende ,Behalten' von Joh 20) bedeute . . . , die .Verweigerung der Absolution' einem gegenüber, der sich als Sünder dem Bußgericht der Kirche durch seine Anklage gestellt habe." 248 Vgl. Volk, Prot., 32/33 und Mörsdorf, ebd., 31. 249 Vgl. Stählins Zusammenfassung des Rahnerschen Referats in seiner Niederschrift der Tagung (Akten EvAk), 4. 250 Es kann hier zur Beschreibung von Rahners Position nur sein schon mehrmals zitierter Aufsatz herangezogen werden, der nicht das Referat der Tagung darstellt Zu diesem Punkt hat sich Rahner bei der Tagung selbst nicht ausführlich ausgesprochen: „Da die Theologie gerade aus der DoppekoWm&cht des Bindens oder Lösens gegenüber der reformatorischen Theologie den richterlichen Charakter der Vergebungsvollmacht der Kirche gegenüber dem getauften Sünder zu erweisen sucht, wird oft ein großes Maß von formaljuridischem Scharfsinn aufgeboten, um zu zeigen, daß eine solche Absolutionsverweigerung ... einen eigentlichen, positiven richterlichen Akt darstelle, der eine neue rechtliche Lage schaffe . . . " (Vergessene Wahrheiten, 149). Rahner selbst gibt dem „Binden" vom N T her die Bedeutung „in den Bann tun", wobei „nicht voreilig an den heutigen kirchenrechtlichen Begriff der , Exkommunikation' gedacht werden darf als einer eigenen Kirchenstrafe" (ebd., 150). „Das erste somit, was die Kirche tun muß ... ist darin gelegen, daß sie diesen schuldhaft lügnerisch gewordenen Zustand des Sünders auch in der Dimension der Sichtbarkeit aufdeckt, den Schein entlarvt: sie bannt, ,bindet' den Sünder" (ebd., 150). Er kommt dann zu dem Schluß, „daß Binden und Lösen nicht zwei Seiten einer Alternative sind, sondern zwei Phasen der einen Reaktion, mit der die heilige Kirche auf die Sünde eines ihrer Glieder antwortet Mindestens in der Absicht der Kirche ist es so. Wenn sie bindet, bindet sie, um überhaupt lösen zu können" (ebd., 150/151).

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Schluß von der Eucharistie.251 Diese Interpretation Rahners steht in großer Nähe zur Praxis der evangelischen Kirchenzucht, die wesentlich Abendmahlszucht und kein jurisdiktioneller Akt ist, sondern aus der Liebe entsteht. Maurer hatte in seinem Referat die „Entwicklung der Privatbeichte in der Reformation bis hin zu ihrer Erneuerung im 19.Jahrhundert" dargestellt, und dabei die genannten beiden Aspekte als Grundgedanken für eine, im Gegenzug gegen die aus dem mittelalterlichen Bußsakrament hervorgegangene kirchliche Zucht entwickelte, evangelische Kirchenzucht herausgearbeitet. Mit dem Ursprung ihrer Entwicklung hängt die Distanzierung von dem pädagogischen Moment im Zusammenhang mit dem Sakrament und vom Bereich des Strafrechts, der dem Staat übertragen ist, zusammen.252 Aus der Geschichte der evangelischen Kirchenzucht, in der sich Luthers Trennung der beiden Gewalten als undurchführbar erwiesen habe, zog Maurer den Schluß, daß nur ein geistliches Kirchenrecht, eine geistliche Lebensordnung innerhalb der Kirche unter dem Vorzeichen der Liebe das Ringen um die evangelische Kirchenzucht zu einem Ergebnis führen könne.253 3.3. Das kirchliche Amt in seiner Bedeutung für die gültige Feier der Eucharistie Bereits im Zusammenhang mit dem Bußsakrament stand nicht nur die Kirche als ganze in ihrer heilsmittlerischen Funktion zur Debatte, sondern insbesondere auch die in ihr wirkenden Amtsträger. Von weitaus größerer Bedeutung für den evangelisch-katholischen Dialog ist jedoch die Rolle des Amtsträgers bei der Feier des Abendmahls oder der Eucharistie. Um 251 „Eines ist überall greifbar und das theologisch Entscheidende: der Sünder wurde mindestens ausgeschlossen vom innersten Lebensbezirk der Kirche, von ihrem zentralen Mysterium, der Quelle allen Heils, von Mahl und Opfer des Herrn" (ebd., 152). 252 Maurer, a.a.O., 1-3 und 5. Die Abendmahlszucht geschah entweder in Form privater Selbstprüfung vor dem Abendmahlsgang, durch freiwillige Privatbeichte oder durch gemeindliche Abendmahlszucht Daraus entwickelte sich wiederum das Abendmahlsverhör und die „Beichtanmeldung" (ebd., 9 Zusammenfassung). Maurer stellte außerdem vor, wie entgegen der Haltung Luthers Brenz versuchte, mit Hilfe kirchlicher Sendgerichte Kirchenzucht zu üben und durch die Konsultierung der Staatsmacht der Rechtszwang wieder miteinfloß und wie Butzer Kirchenzucht als Taufzucht verstand „unter dem Ideal der fortschreitenden Entwicklung" und somit das pädagogische Element in Richtung auf die reformierte Kirchenzucht hin in den Vordergrund stellte (ebd., 9-15). Im 19.Jh. entwickelten sich Neuansätze, bei denen entweder die Gemeindezucht - so Löhe in Neuendettelsau - oder einseitige Ausübung der Kirchenzucht durch den Amtsträger - so Kliefoth - praktiziert wurde oder die juridische Behandlung der Kirchenzuchtsfrage wieder in Angriff genommen wurde - so bei August Vilmar (ebd., 16-19). Die Neuordnung der Kirchenzucht auf evangelischer Seite verlief damit in keinem Fall geradlinig und ist noch nicht beendet 253 Ebd., 20. Zum weiteren Verlauf dieser Diskussion vgl. die Anmerkungen in Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, 69-72.

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sie ging es bei Gesprächen des ÖAK in den 70er Jahren, als die Amtsfrage und das Abendmahl überhaupt in das Zentrum des evangelisch-katholischen Dialogs gerückt wurden.254 Die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex erfolgte also nicht nur in Kontinuität zu der bisher geleisteten Arbeit des ÖAK, sondern auch im Kontext der aktuellen Diskussionen. Nach der allgemeinen Beschäftigung mit der Interkommunion 1970 griff man das zentrale Problem des sacerdotalen Charakters des kirchlichen Amtes gesondert heraus und befaßte sich 1971 mit dem Verhältnis von sacerdotium und ministerium. Die dabei angesprochene Problematik der Ordination, insbesondere eines dem Amtsträger infolge der Ordination immanenten bleibenden Charakters, der ihn von den anderen Gläubigen abhebt und ihm so eine herausgehobene Mittlerstellung verleiht, griff man nochmals 1974 bei einer Tagung zu Amt und Ordination auf. Damals wurde die erste und einzige gemeinsame Stellungnahme des OAK zusammen mit den gehaltenen Referaten und einem allgemeinen Tagungsbericht veröffentlicht, bevor man mit der Reihe „Dialog der Kirchen" begann, gezielt auf Publikationen hinzuarbeiten.255 3.3.1. Sacerdotium und Ministerium Sowohl die sacerdotale Bedeutung des Amtes als auch seine Funktion der Verkündigung, also sacerdotium und ministerium,256 hätten eigentlich je254 Auf Weltebene sind zu nennen die im Anschluß an den „Malta-Bericht" von 1973 aufgenommene Arbeit an der Studie „Das Herrenmahl", die 1978 erschien, und „Das geistliche Amt in der Kirche" von 1980. Vgl. Meyer, Harding/Urban, Hans Jörg/Vischer, Lukas (Hrsg.), Dokumente wachsender Übereinstimmung, Paderborn 1983, 246ff. zu den lutherisch-römisch-katholischen Dialogen. Zu weiteren Texten aus den 70er Jahren, auf die das Dokument „Das geistliche Amt" Bezug nimmt, siehe da, 331, Anm. 5. 255 Mumm, Reinhard/Krems, Gerhard (Hrsg.), Ordination und kirchliches Amt, Paderborn 1976. Die gemeinsame Stellungnahme wurde ebenfalls abgedruckt in: D t Pfarrerblatt 75/1975, 237, der von R Mumm verfaßte Tagungsbericht erschien unter dem Titel „Amt und Weihe. Es kam doch zu einer gemeinsamen Stellungnahme" am 10.5.74 im Rheinischen Merkur. 256 Das Thema wurde bei der 32. Tagung behandelt, die vom 29.3.-2.4.71 in Paderborn stattfand. Ev. Teiln.: Kunst, Schlink, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, Joest, B. Lohse, Lötz, Skydsgaard, Westermann, Wolf, Prot Mumm. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Bläser, Deissler, Höfer, Iserloh, Lehmann, Lortz, Pieper, Schaeffler, Schnackenburg, Prot. Krems. Die Referate hielten Alfons Deissler über „Das Priestertum im AT (unter Einschluß des Ministerium)", Hans von Campenhausen über „Sacerdotium und Ministerium (neutestamentlich und patristisch)". Beide liegen nur in Form von Thesen als Anlage zum Protokoll vor. Zu Deissler vgl. ders., Das Priestertum im AT (Ein Blick vom Alten zum Neuen Bund), Quaestiones Disputatae 46, Freiburg 1970, 9-80; zu von Campenhausen, ders., Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht, Tübingen 1953, 21963 sowie Die Anfänge des Priesterbegriffs in der alten Kirche, in: ders., Tradition und Leben, Tübingen 1960, 272-289. Das Referat von Rudolf Schnackenburg zum „Priestertum im NT" und Karl Lehmanns systematische Entfaltung liegen auch in den Akten des EvAk nicht vor. Peter Brunners systematisches

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weils einer eigenen Reflexion bedurft. Da aber vor allem das Verhältnis beider Aspekte des Amtes zueinander ein wesentliches kontroverstheologisches Element enthält, war vornehmlich das „und" Gegenstand der Erörterung.257 Ein erster Erfolg dieses Gesprächsgangs war die übereinstimmende Feststellung, daß nach dem biblischen Befund und der Situation in der Alten Kirche dem ministerium ein Vorrang vor dem sacerdotium eingeräumt wurde. Deissler bezeichnete die im Hebräerbrief vertretene Vorstellung von dem atl. Priesterbegriff als unzulänglich. Ausgehend von Dt 33,8-11 kam er zu dem Schluß, daß „die aus der Orakelerteilung erwachsene Belehrung des Gottesvolkes über Jahwes Willensoffenbarung erste Aufgabe der Priester, der Opferdienst die zweite"258

gewesen sei. Darin sah er die Differenz zwischen dem Priesteramt „des Offenbarungsvolkes" und anderen „religionsgeschichtlichen Priester- und Kultauffassungen", auf die auch die Kultkritik der Propheten abziele. Zur Priestertheologie bemerkte er, sie habe „bei aller Profilierung der kultischen Konturen der ,Offenbarungsreligion' das mosaische und prophetische Erbe intakt gelassen und in einigen Punkten sogar positiv weiterentwickelt"

Damit vertrat er eine in der Forschung verbreitete Sicht, die auch Westermann auf evangelischer Seite teilte und auf der Brunner seine systematischen Erörterungen aufbaute. Brunner legte Wert darauf, daß das in der Religionsgeschichte vorfindliche, mit der Opferdarbringung unlöslich verbundene Priestertum unter der Sicht von Röm 1,18 ff. stehe. Deshalb könne keine geradlinige Verbindungslinie zum chrisdichen Verständnis des Kultes gezogen werden. Das israelitische Priestertum selbst habe sehr stark „die Kundmachung des göttlichen Willens im Wort, seine Überlieferung und Auslegung"259 wahrgenommen. Der Opferkultus sei zwar beibehalten, aber durch die Deutung des HebräeAriefes, die den Gesichtspunkt der Sühne einseitig herausstellt, endeert und auf die äußere Gehorsamsleistung reduziert worden. Ein Sühnopfer der Gläubigen sei jedoch nach dem hohepriesterlichen Wirken Christi überholt. Nur ein geisdiches Dankopfer in „Lobpreis, Zeugnis und hingebender Liebe" bringen alle Christen als das Volk Gottes dar:

Referat liegt seinem Aufsatz „Sacerdotium und Ministerium", in: KuD 18/1972, 101-117 zugrunde. Die Darstellung kann sich nur auf diese vorliegenden Materialien beziehen. 257 So Peter Brunner in seinem oben genannten Aufsatz, 101. 258 Zitiert werden die in das Protokoll aufgenommenen Thesen. 259 Brunner, a.a.O., 102/103, Zitat 103. Zu Westermann vgl. Prot, 5/6.

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„In dem einen Mittler ist den Christgläubigen unter Ausschluß aller anderen Vermittlungsmöglichkeiten und Vermittlungsinstanzen der Zugang zum Vater und damit der Zugang zum endzeidichen Heil aufgetan."260

Von daher lehnte Brunner heilsvermittelnde kultische Opfer im Neuen Bund ebenso ab wie die Darbringung eines versöhnenden Opfers durch den Priester bei der Eucharistiefeier. Diese Darlegung der reformatorischen Grundauffassung zur Opferproblematik beschloß er mit dem Hinweis darauf, daß auch weiterführende Interpretationen der einschlägigen tridentinischen Sätze über das Meßopfer (sessio XII) und über den ordo (sessio XXIII) seiner Ansicht nach nicht an dem Akt einer versöhnenden Opferdarbringung durch einen geweihten Priester vorbeikämen, der evangelischerseits so nicht mitzuvollziehen sei.261 Von Campenhausen bestätigte die Vorrangstellung des ministerium auch für die Anfänge der Kirchengeschichte und zeigte auf, daß sich die priesterliche Deutung des Bischofs als einer besonders geweihten Person mit einer eigentümlichen ontischen Qualifikation, die im Westen die Heilswirkung des Sakraments für den Laien sichern soll und im Osten „dem Priester selbst die kultische Befähigung garantiert",262 erst gegen Ende des 4.Jahrhunderts herausgebildet hat: „1. Das Urchristentum kennt verschiedene Ansätze und Formen des geisdichen Amts (ministerium), aber kein Priestertum im Sinne der Heilsmittlerschaft durch kultisch ausgezeichnete Personen (sacerdotium). 2. Der Begriff des Priestertums dringt im Laufe des zweiten Jahrhunderts in die Kirche ein und wird theologisch aus dem Alten Testament, stimmungsmäßig mit den Vorstellungen der Umwelt (Opfer) begründet 3. Tatsächlich bedeutet die ,priesterliche' Deutung des Bischofsamts nur eine Unterstreichung seiner Würde, seiner Vollmachten und Rechte, aber keine ,ontologische Qualifikation' der Person. Dies gilt freilich nur für die deudichen theologischen Aussagen; im volkstümlichen Glauben mag der geweihte Amtsträger hie und da tatsächlich schon als solcher eine sakrale Eigenbedeutung gewonnen haben."

Schnackenburg weitete die Problematik auf die „Rollenunsicherheit" des katholischen Priesters aus, die aus der unterschiedlichen Hervorhebung der verschiedenen Funktionen des Amtsträgers resultiere. Er ließ nicht unerwähnt, daß auch die Bischöfe in ihren Lehrschreiben auf das ntl. ministerium zurückgriffen, da das N T zunächst nicht die sacerdotale Komponente des Amtes beinhalte. Den Kult sah er in der Reihenfolge der Amtsfunktionen nach Lehre, Verkündigung und Leitung an letzter Stelle stehen. Auch Paulus habe für sich das Taufen und damit das Sacerdotale abgelehnt. 260

Brunner, a.a.O., 104. Brunner, a.a.O., 105/106. 262 Vgl. auch zum folgenden die Thesen zu von Campenhausens Referat, Anlage zum Protokoll. 261

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Gegenüber von Campenhausen hob er jedoch die Bedeutung der Leitungsfunktion hervor, die bei der Abwehr der Irrlehren bereits im N T eine wichtige Rolle gespielt habe. Unter Berufung auf Ignatius wies er auf die Dreigliederung des Amtes hin, in deren Konsequenz nur der Bischof oder von ihm Beauftragte die Sakramente spenden könnten. Der Weihecharakter des Priesters und das Herausstellen seiner Person knüpften an diese Praxis an.263 Er stimmte also mit seinen ergänzenden Bemerkungen den Ausführungen von Campenhausens grundsätzlich zu. Kontrovers war die Diskussion wie so oft wieder dort, wo die dogmatischen Folgerungen aus dem exegetischen bzw. patristischen Befund dargelegt wurden. Dabei brach die Frage nach der Dignität der Entwicklungen auf, die sich erst im 2. Jahrhundert anbahnten, also die Frage nach der Bedeutung der Tradition im Verhältnis zur Schrift konkret für die Begründung der kirchlichen Lehraussagen zum Amt. Leider wurde diese von B. Lohse angeschnittene Frage nicht erörtert, obwohl von ihrer Beantwortung gerade in der Amtsfrage vieles abhängt. Der weitgehende exegetische Konsens wurde nämlich durch die stärkere Heranziehung der Tradition von katholischer Seite und deren Folgen sowie durch die einseitige Berücksichtigung des Ignatiusbriefs eingeschränkt.264 Vor allem erwies sich jedoch die Klärung des Verhältnisses von Priester und Gläubigen als bedeutsam, insbesondere die Auffassung der Ordination und ihre Wirkung auf den Amtsträger. Denn darin liegt bis heute der Schwerpunkt der Auseinandersetzung um die Amtsfrage. Wie es sowohl Brunner als auch von Campenhausen zum Ausdruck brachten, sah man herkömmlicherweise die theologischen Meinungen hauptsächlich darin auseinandergehen, ob die Gläubigen in unmittelbarem Verhältnis zu Gott stehen, oder ob sie der Vermittlung eines besonders begabten Geistlichen bedürfen. Doch auch in diesem Punkt kam es zu Annäherungen. 3.3.2. Ordination, character indelebilis und allgemeines Priestertum der Gläubigen a) Priesteramt und allgemeines Priestertum So konstatierte Schnackenburg eine größere Einigkeit in der Frage der Mittlerstellung des Priesters als man denke: „Wenn das ntl. Priestertum so verstanden wird, daß die Unmittelbarkeit zu Gott zuschanden würde, dann wäre es falsch verstanden. Eine Zwischeninstanz darf es nicht geben. Christus ist der einzige Mittler. - Dennoch gibt es einen neuen Priestertumbegriff im NT. Wenn der sich geklärt hat, dann kann später die 263

Prot., 6/7. Lohse, Prot., 8 und 17. Er wies darauf hin, daß neben Ignatius auch auf die Didache zu verweisen wäre. 264

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Terminologie verwendet werden. Ob es glücklich war, das Priesterliche wieder einzuführen, ist eine andere Frage."265 Er begrüßte Westermanns soziologische Betrachtungsweise des Priesterlichen, nach der ein Priester in AT und N T immer einer seßhaften Gruppe zuzuordnen ist. Das wandernde Volk Israel im AT und Jesus mit seinen Jüngern im N T hätten demnach nichts mit einem Priester zu tun gehabt. Von den ntl. Schriften seien nur die Pastoralbriefe in der Seßhaftigkeit entstanden und von daher redeten sie vom Priester. Diese Betrachtungsweise übertrug er auf die Situation innerhalb der Katholischen Kirche, für die er eine Neubesinnung forderte. Dabei kam er zu dem Ergebnis: „Die ganze Frage des katholischen Priestertums ist nur geschichtlich und soziologisch erklärbar; es gibt Gefährdungen und Engführungen. Doch es ist mit dem NT vereinbar."266 In welcher Form das Priesteramt mit den biblischen Schriften vereinbar ist, bedurfte aber weiterer Klärung. Evangelischerseits argumentierte man vom AT her gegen eine besondere Qualität des Priesters im Vergleich zur Gemeinde. Westermann wies darauf hin, daß das „dienen vor Gott mit der ganzen Existenz" im AT immer mit „abad" bezeichnet werde, das nie priesterlich gemeint sei, sondern immer auf das ganze Volk bezogen werde. Der spezielle Priesterdienst wird dort mit „scheret" ausgedrückt, das den Dienst für einen König beschreibt. Näher untersucht wurden die atl. und ntl. Stellen, an denen das Volk Gottes als Priesterschaft bezeichnet wird. (Ex 19,6; Jes 61, 5 f.; l.Petr 2, 5.9; Apk 1,6 und 5, 10). Dabei stellte man eine Entwicklung von der Frühzeit Israels bis zur Zeit nach dem Königtum fest, in der die priesterlichen Funktionen an das Volk übergingen. Bereits bei Jesaja sah man die Basis für diese ntl. Auslegung von Ex 19, die schließlich zur apokalytischen Weissagung wurde.267 Brunner nahm in seinem Referat die Auswertung dieses exegetischen Befundes vor, indem er von l.Petr 2 das allgemeine Priestertum der Gläubigen ableitete, das im Verkündigen der Taten Gottes im Gottesdienst und in der Welt bestehe.268 Uber den Verkündigungsauftrag Jesu an die Apostel kam er schließlich zur Berufung in das besondere Amt der Verkündigung durch die Ordination. Die besonderen Funktionen, so Brunner, die dieses Amt umfaßt, sind in die Gemeinschaft der Kirche eingebettet und können nur in ihr wahrgenommen werden.269 265 266 267 268 269

Prot., 16. Prot., 17. Zu Westermann vgl. Prot., 15. Prot., 8-11. Brunner, a.a.O., 106/107. A.a.O., 107ff.

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b) Character indelebilis oder bleibende Beauftragung? Ob nun dem Amtsträger nur durch den Auftrag der Verkündigung oder auch seiner Person selbst besondere Bedeutung zukommt, war die Frage, auf die die Diskussion letztendlich hinauslief. Von evangelischer Seite aus behauptete man die herkömmliche Position, nach der es keinen qualitativen Unterschied zwischen Priestern und Laien im ontologischen Sinne gibt. Wohl aber vertrat man eine mit der Ordination verliehene bleibende Beauftragung, die mit einer persönlichen Beanspruchung verbunden ist.270 Von katholischer Seite aus bemühte man sich deshalb, den Begriff des character indelebilis bei Taufe und ordo so zu interpretieren, daß nicht notwendig eine ontische Qualität damit verbunden werden muß. Lehmann verwies darauf, daß er nicht als „in die Seele eingebrannte Qualität"271 zu verstehen sei, und wollte deshalb lieber von einem „signum indelebilis" sprechen. Schaeffler lehnte auch die Interpretation als „qualitas moralis" ab und sprach von etwas „voraus allem, was der Ordinierte tut".272 Daß man mit diesen Erläuterungen gar nicht weit vom evangelischen Verständnis entfernt war, wurde noch unterstrichen durch Iserlohs Hinweis darauf, daß die philosophische Begrifflichkeit nicht entscheidend sei und man sich freimachen müsse von den „Buhbegriffen". So konnte B. Lohse schon damals feststellen: „Die Unterschiede zwischen den Konfessionen sind gar nicht so groß, . . . Es gibt verschiedene Denkstrukturen und verschiedene Epochen. Von der Scholastik ist nur ontologisches Denken zu erwarten. Die Umformung der Scholastik ist interessant... Muß man bestimmte Vorstellungen kanonisieren? Nein. Man muß überlegen, wie man formuliert."273

Lehmann führte den Ansatz weiter, indem er darauf verwies, daß beim II. Vatikanum die Ontologie hinter das „agere" des Priesters zurückgetreten sei. Allerdings führte Skydsgaard dagegen zu Recht an, daß die Nota explicativa praevia zu Lumen gentium ganz eindeutig von der „seinsmäßigen Teilhabe" des Priesters an den heiligen Ämtern spricht.274 Obwohl die Mehrheit hier nurmehr einen Unterschied in der Denkweise sah, kann diese Haltung für den damaligen Zeitpunkt noch nicht einheitlich dem ganzen Kreis zugeschrieben werden. So äußerte Iserloh Bedenken hinsichtlich einer bereits bestehenden Einigkeit in der Sache. 270 m

Prot., 19-21.

Prot., 20. Prot., 21. 273 Prot., 21. 274 Prot., 19 und 22. Vgl. Nota explicativa praevia, Nr. 2, in: LThK 12,352: „In consecratione datur ontologica participatio sacrorum munerum, ut indubie constat ex Traditione, etiam liturgica." Vgl Notabene, ebd., 356, wo vom „munus sacramentale-ontologicum" die Rede ist. 272

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Zu einer gemeinsamen Formulierung dessen, was bei der Ordination geschieht, kam es erst 1974 bei der Tagung zu Ordination und Amt,275 als man die Bedeutung der einzelnen Elemente der Ordination anhand der in den 60er Jahren neu gefaßten Ordinationsformulare für die evangelischen Landeskirchen in Deutschland und anhand des Formulars für die Priesterweihe untersuchte.276 Auf der Grundlage dieser kirchenamtlichen Texte wagte man erste gemeinsame Aussagen zu dem damals vieldiskutierten Thema.277 In der gemeinsamen Stellungnahme heißt es:

275

Die Tagung fand vom 1.-4.4.74 in der Ev. Sozialakademie Schloß Friedewald bei Betzdorf statt Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Bläser, Deissler, Höfer, Iserloh, Lehmann, Schaeffler, Schelkle, Prot. Krems. Ev. Teiln.: Kunst, E. Lohse (früher abgereist), Schlink, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Joest, B. Lohse, Pfr. Walter Lötz, Pannenberg, Wendland, Prot. Mumm. Da die Referate, ein Bericht über die Aussprache und eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht wurden, wurde im folgenden keine umfassende Darstellung angestrebt, sondern eine Einordnung der Albeit in die damalige Gesprächssituation vorgenommen und einige Ergebnisse pointiert herausgegriffen. 276 Dessen von den deutschen Bischofskonferenzen approbierte Neufassung von 1971 wurde von Karl Lehmann interpretiert. Als für den Dialog mit den evangelischen Gesprächspartnern entscheidende Veränderung gegenüber dem bisher gültigen Formular hob er die Wiederherstellung der ursprünglichen Gestalt hervor, bei der die Wesenselemente Handauflegung und Gebet im Zentrum standen und noch nicht von der Ubergabe der Instrumente überlagert waren. Durch die Änderung des Weihegebetes am Ende, so stellte er u. a. fest, „kommen funktionale Elemente des Amtsverständnisses in vorsichtiger Form zur Sprache, zumal die früher stark auf die persönliche Heiligkeit und Würde des Amtes hin orientierte Sicht des Priesters zugunsten der Betrachtung seiner ekklesialen Stellung und Aufgaben zurücktritt" (ders., Das theologische Verständnis der Ordination nach dem liturgischen Zeugnis der Priesterweihe, in: Krems, Gerhard/Mumm, Reinhard (Hrsg.), Ordination und kirchliches Amt, Paderborn/Bielefeld 1976, 19-52, 31/32). Obwohl er die sacerdotalen Aufgaben in den ausdeutenden Riten immer noch in problematischer Weise hervorgehoben sah, (35) bestand aus seiner Sicht kein Zweifel daran, „daß die revidierte katholische Fassung viele evangelische Bedenken ausräumen kann und daß sie sich ihrerseits in ihrer Grundgestalt auf eine biblische Norm berufen kann" (36). In der Tat wären damit grundlegende Kritikpunkte Luthers am Amts- und Ordinationsverständnis seiner Zeit ausgeräumt, die B. Lohse in seinen Ausführungen „Zur Ordination in der Reformation" (a.a.O., 11-18) aufführte: „Die Bestreitung des sakramentalen Charakters der Priesterweihe gründet sich darauf, daß nach Luthers 1520 ausgebildeter Sakramentsdefinition Wort und Zeichen zum Sakrament gehören, bei der Weihe aber das Signum fehlt. Sodann aber zielt die Bestreitung des sakramentalen Charakters der Priesterweihe auf die Leugnung eines character indelebilis sowie auf die Betonung des Auftrags oder der Funktion ... Was die Gabe betrifft, die in der Ordination unter Gebet und Handauflegung übertragen wird, so handelt es sich um die Gabe des Hl. Geistes als besondere Amtsausrüstung. Diese Gabe ,ist nach Luther stets wirksam nur durch die tatsächlich geschehende Amtsfunktion und nur solange, als die Person tatsächlich im Amt ist' " (a.a.O., 14, zu den Angaben zum Zitat vgl. ebd., Anm.5). m Ausdrücklich wird in der von allen Tagungsteilnehmern angenommenen Stellungnahme darauf hingewiesen, daß in den Ordinationsformularen nicht alle Elemente der Lehre vom kirchlichen Amt Berücksichtigung finden, daß sie als Grundlage aber deshalb ein Gewicht haben, weil es sich um offizielle kirchliche Texte handelt und um „Aussagen, in denen vor Gott und der Gemeinde so vom kirchlichen Amt gesprochen wird, daß dabei der Glaube der Kirche bezeugt wird" (a.a.O., 168).

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„Dem Ordinanden und der Gemeinde werden Wesenselemente und Aufgaben des zu übertragenden Amtes vor Augen gestellt Dabei wird dem Ordinanden auch vorgehalten, daß das Amt seine ganze Person fordert und daß seine persönliche Lebensführung dem entsprechen muß."278 Weiter unten wird in einem eigenen Unterpunkt zusammengefaßt: „Als Auftrag des Herrn ist das Amt der Person des Ordinierten ein für allemal auferlegt Die Übertragung des Amtes ist einmalig und wird nicht wiederholt"279 Eine ausdrückliche Parallelsetzung der ontologischen Redeweise mit der oben zum Ausdruck kommenden, gemeinsam akzeptierten personalen erfolgte hiermit jedoch nicht, weil sie in den zugrundeliegenden Formularen nicht vorgegeben war. Die bereits 1971 festgestellte mögliche inhaltliche Übereinstimmung beider Aussageformen wurde erst 1986 wie folgt formuliert: „Wird der Gebrauch ontologischer Kategorien als Ausdruck dafür verstanden, daß Gottes unwiderrufliches Gnadenwirken am Ordinierten den absoluten Vorrang vor allem menschlichen Tun des Priesters hat, dann widerspricht diese Redeweise nicht einem personalen Verständnis, wonach der geweihte Priester bleibend von Gott für einen besonderen Dienst in Anspruch genommen ist und seine Amtshandlungen auch unabhängig von seiner subjektiven Qualität unter der götdichen Zusage der Gültigkeit stehen."280 Ausschlaggebend für die Akzeptanz ontologischer Kategorien durch die evangelischen Arbeitskreismitglieder war offensichtlich die herausgearbeitete mögliche Übereinstimmung hinsichtlich der im Zentrum der Gespräche um das Amt stehenden Grundproblematik einer persönlichen, wesensmäßigen Beteiligung des Amtsträgers an der Spendung der Sakramente über den reinen Vollzug hinaus dahingehend, daß Gottes Handeln durch das Sakrament das allein Entscheidende ist gegenüber dem menschlichen Vollzug durch den ordinierten Amtsträger. Wird diese Interpretation der eigenen Lehre nämlich auf katholischer Seite akzeptiert, so fällt die wesentliche Motivation für die evangelische Kritik an der katholischen Lehre eines character indelebilis des ordinierten Amtsträgers weg. Die bleibende Inanspruchnahme des ordinierten Amtsträgers allein stellt für die evangelische Lehre kein Problem dar. Wieder einmal war also die Tatsache, daß eine inhaltliche Übereinstimmung in einem kontroversen Sachverhalt möglich war, die Basis für die gegenseitige Anerkennung der sich unterscheidenden Aussageformen.

278 279 280

A.a.O., 170. A.a.O., 171. Vgl. Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, 85.

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c) Sakramentalität der Ordination und Ordinationspraxis nach der gemeinsamen Stellungnahme über „ Ordination und kirchliches Amt" Neben der Einigung auf die bleibende Beanspruchung des Ordinierten waren 1974 die gemeinsam getroffene Unterscheidung zwischen dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und dem Dienst der öffentlichen Verkündigung sowie das Verständnis der Ordination als Handeln Gottes zentral, weshalb das bittende Herabflehen des Geistes auf den Ordinanden durch Gebet und Handauflegung als konstitutives Element der Ordinationshandlung festgehalten wurde: „b) Obwohl die Ordination durch Menschen vollzogen wird, handelt darin zugleich Gott selbst, indem er den Ordinanden in seinen Dienst beruft, für diesen Dienst ausrüstet und sendet; denn das zu übertragende Amt ist keine beliebige Einrichtung der Kirche, sondern beruht auf einem Auftrag Gottes, dem seine Verheißung gilt. c) Für die Ordinationshandhing konstitutiv ist das fürbittende Herabflehen des Geistes auf die Person des Ordinanden. Dies geschieht durch Gebet in Verbindung mit Handauflegung ... "281 Auch damit tat sich ein Weg zu einer Verständigung über die Ordination auf, jedoch nur deshalb, weil die evangelischen Mitglieder des ÖAK einstimmig die damalige Ordinationsauffassung jüngerer evangelischer Theologen ablehnten und von daher auch die Ordinationsformulare, die bereits auf die Krise des Amtsverständnisses zugeschnitten wurden. Mit der Ordinationskritik befaßte sich Kunst in einem eigenen Beitrag. Er zählte als einen der Hauptkritikpunkte den Charakter der Ordination als sakramentalen Akt auf, der eine besondere Amtsgnade verleiht und einen in einen besonderen Stand versetzt, weil dabei die Zuordnung zur Gemeinde und den anderen gemeindebezogenen Ämtern nicht berücksichtigt werde.282 Die Frage, inwiefern die Ordination mit dem Begriff Sakrament zu bezeichnen sei, stand nicht im Zentrum der Überlegungen des OAK. Sie dürfte bereits allgemein als Problem der Sprachregelung und Definition angesehen worden sein. Wichtig war vielmehr die Klärung der genannten inhaltlichen Aspekte, die mit dem sakramentalen Charakter in Verbindung gebracht werden. Der Gegensatz, der sich zwischen dem von Bläser dargelegten Ordinationsverständnis in den neueren Ordinationsformularen und den grundlegenden Ausführungen Brunners auftat, rief im Arbeitskreis allgemeines Entsetzen hervor.283

281

Vgl. die Gemeinsame Stellungnahme, Ordination und kirchliches Amt, 170/171. Vgl. Kunst, Hermann, Zur Ordination und Ordinationskritik, in: Mumm, Reinhard/Krems, Gerhard (Hrsg.), Ordination und kirchliches Amt, Paderborn/Bielefeld 1976, 134-140. 283 Prot., 17. 282

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Als Grundlage für die gemeinsame Stellungnahme dienten von Brunner vorgeschlagene Thesen, in denen er versucht hatte, aus den bearbeiteten Formularen den „gemeinsamen Lehrgehalt" einer evangelischen Lehre von der Ordination herauszuheben, in dem er einen alle Reformationskirchen umfassenden Lehrkonsens sah, der jedoch noch nicht bzw. nicht mehr in allen Ordinationsformularen gebührend zur Geltung komme. Die Grundlage aller von ihm erfaßten einzelnen Elemente des Ordinationsvorgangs bildeten die grundsätzlichen Entscheidungen, das Amt als Gegenüber zur Gemeinde zu verstehen, das nicht nur in einer Funktion besteht, sondern den Amtsträger auch als Person beansprucht, und von daher die Ordination eben nicht nur als Delegation oder Beauftragung durch die Gemeinde, sondern als Handeln Gottes aufzufassen.284 Gerade diese Aspekte waren es aber, die Bläser bei seinem Durchgang durch evangelische Ordinationsformulare aus katholischer Sicht nicht als deren gemeinsamen Inhalt ausmachen konnte, wobei er sich im Gegensatz zu Brunner ausschließlich auf Formulare berief, die nach der Krise der Ordination entstanden waren. Auffällig war für ihn u. a. das Zurücktreten des Amts- zugunsten des Dienstbegriffs, mit dem er ein rein auf die Funktion abzielendes Verständnis verband, ein Ersetzen des „Predigtamtes" durch ein „Tatamt" im Sinne des Engagements in der Welt, die Möglichkeit der Ordination als partnerschaftliche Vereinbarung der Ordinanden (Entwurf der EKHN von 1970) sowie das Vermischen der Ordination mit der bei jedem Stellenwechsel zu wiederholenden Einführung. Aus seiner Analyse zog er folgende Schlußfolgerung: „Die Ordinationsformulare bieten kein einheitliches Bild von Sinn und Bedeutung der Ordination im evangelischen Raum. Die Differenzen berühren nicht nur unwesendiche Aspekte. Auch dort, wo gemeinsame Formeln gefunden wurden, scheinen oft die sachlichen Unterschiede weiter zu bestehen. Ob sie freilich kirchentrennende Bedeutung haben, müssen die betreffenden Kirchen selber beurteilen. Neben den Formularen stehen Kirchenordnungen und Kirchengesetze, die die theologische Bedeutung der Ordination in der Praxis stark herabsetzen. Wegen dieses komplexen Sachverhaltes innerhalb der evangelischen Kirche selber ist die Frage der Anerkennung des geistlichen Amtes durch die katholische Kirche und Theologie komplexer und diffiziler, als es in den bisherigen Diskussio-

284 Vgl. Brunner, Peter, Beiträge zur Lehre von der Ordination unter Bezug auf die geltenden Ordinationsformulare, in: Ordination und kirchliches Amt, 53-133. Zu den Thesen vgl. 109-113, zu seinen über die Ordinationsformulare hinausgehenden dogmatischen Erwägungen vgl. 113-133. Bereits bei der Tagung zu Sacerdotium und Ministerium 1971 hatte man sich gegen das gerade eingeführte „Beauftragungsgesetz" in Bayern ausgesprochen, da eine solche Beauftragung vom Vorgang her quasi einer Ordination entspricht, man unter einer Ordination aber mehr als eine Beauftragung verstand. (So Mumm, Prot, der 32. Tagung 1971, 24). Eine gemeinsame Basis sah man in der von beiden Seiten geteilten Sichtweise, daß das besondere Amt nicht einfach aus dem allgemeinen Priestertum ableitbar sei (ebd, 23).

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nen o f t erscheinen mag. Auf keinen Fall wird es möglich sein, daß die katholische Kirche Realisierungen des geisdichen Amtes in der evangelischen Kirche anerkennt, denen nach der Auffassung weiter Kreise in der evangelischen T h e o l o g i e und Kirche selber jedwede Legitimation und Bevollmächtigung fehlt" 2 8 5

Mit diesem Fazit hatte Bläser deutlich zum Ausdruck gebracht, welche Probleme die Unterschiede im evangelischen Verständnis von Amt und Ordination für eine evangelisch-katholische Verständigung darstellen können. Damit wurde einer der Punkte angesprochen, der bei der Diskussion um das 1973 erschienene Memorandum der Arbeitsgemeinschaft evangelischer und katholischer Universitätsinstitute über „Reform und Anerkennung kirchlicher Ämter" von den Gegnern einer gegenseitigen Anerkennung der Amter auf katholischer Seite als Argument angeführt wurde. Dies wiederum macht verständlich, daß sich der ÖAK überhaupt mit den Ordinationsformularen beschäftigte, daß es zu einer gemeinsamen Stellungnahme des OAK kam und welche Position man einnahm. Unter den Arbeitskreismitgliedern gingen die Ansichten über dieses Memorandum nämlich auseinander. In ihrer Eigenschaft als Leiter der Ökumenischen Institute hatten daran mitgearbeitet H. H. Wolf (Bochum), E. Schlink (Heidelberg), W. Pannenberg (München) und H. Fries (München).286 Maßgebliche Kritiker waren demgegenüber K. Lehmann und L. Jaeger.287 In dem Dokument wurden die bestehenden Verschiedenheiten im Verständnis von Amt und Ordination als nicht mehr kirchentrennend bewertet.288 Jaeger hatte als Vorsitzender der Ökumenischen Kommission der Bischofskonferenz in einer kurzen Erklärung diese Schlußfolgerung ebenso wie die Methodik „entschieden abgelehnt" und darin den Voten der Glaubenskommission der deutschen Bischofskonferenz und der Bischofskonferenz selbst zugestimmt.289 Lehmann hatte seine Ablehnung in mehreren Aufsätzen ausführlich begründet Vor allem bemängelte auch er neben der seiner Ansicht nach problematischen Verknüpfung von Reform und gegenseitiger Anerkennung der Ämter die Folgerung, eine Anerkennung der 285

Vgl. Bläser, Peter, Sinn und Bedeutung der Ordination nach den in der evangelischen Kirche Deutschlands geltenden Ordinationsformularen, in: Ordination und kirchliches Amt, 141-164, 163/164, zum vorherigen besonders 148, 153 und 156. 286 Reform und Anerkennung kirchlicher Amter, München/Mainz 1973. Vgl. dazu das Vorwort in: Ordination und kirchliches Amt, 9/10. 287 Vgl. zur Diskussion damals Schuh, Karlheinz (Hrsg.), Amt im Widerstreit, Berlin 1973, besonders den Anhang zu den offiziellen Stellungnahmen zum Memorandum. Vgl. auch Lehmann, Karl, Ämteranerkennung und Ordinationsverständnis, in: Catholica 27/1973, 248-262; ders., Nach dem Streit um das „Amtermemorandum". Kleine Antwort auf W. Pannenbergs Beitrag, in: Catholica 28/1974, 157-160. 288 Reform und Anerkennung kirchlicher Amter, 24/25. 289 Amt im Widerstreit, 139-142 und 149/150.

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Ämter sei bereits möglich. Diesem Ergebnis stellte er die Gesprächsergebnisse des internationalen Dialogs gegenüber, die sich auf die Feststellung von „zunehmenden Ubereinstimmungen", „wachsendem Konsens" oder „sachlichen Konvergenzen" beschränken und die noch ungelösten Probleme ebenfalls formulieren: „Sie schaffen dadurch die Möglichkeit, ein eventuell gegebenes grundsätzliches Einvernehmen mit dem Aufzeigen noch ungelöster Einzelprobleme zu vereinen."290 Auf die „Kluft zwischen der liturgischen Ordinationshandlung und der Ordinationstheologie" im Protestantismus, die sich anhand von Ordinationsformularen belegen lasse, wies Lehmann ebenfalls hin und sah in ihr wie Bläser eine Begrenzung der Dialogmöglichkeiten mit der katholischen Seite und deshalb noch keine Basis für eine gegenseitige Anerkennung der Ämter. Als Ergebnis seiner Kritik forderte er jedoch, das Defizit an „offiziellen" Gesprächen zur Ämteranerkennung in Deutschland müsse durch einen umfassenderen, repräsentativeren und verbindlicheren Dialog behoben werden. Daran mitzuwirken, indem gezielt die theologischen Implikationen der Ordinationspraxis thematisiert wurden, wie dies in den USA und in Frankreich bereits geschehen war, war offensichdich die Absicht des OAK.291 Von ihrer Haltung zu dem Memorandum her fällt nun ein Licht darauf, weshalb Jaeger und Lehmann sich, wie im übrigen auch Volk, zunächst gegen eine Veröffentlichung der Stellungnahme des ÖAK wandten. Zu viele Aspekte der katholischen Lehre vom ordo wurden ihrer Meinung nach nicht erfaßt und von daher nur eine vordergründige Einigung erzielt. Jaeger hatte sich in den Vorjahren ja schon häufiger gegen die Veröffentlichung von vordergründigen gemeinsamen Aussagen gewandt. Ihre Skepsis erwuchs ferner aus der Tatsache, daß den gemeinsamen Thesen Vorschläge Brunners zugrundelagen, die sich einseitig auf die noch dazu uneinheitlichen evangelischen Ordinationsformulare bezogen. Lehmann forderte die Berücksichtigung beider Traditionen. Zwar konnte er sich gemeinsame Aussagen über die Ordination vorstellen, nicht aber auf der Basis der verwendeten Formulare. Bläser sprach sich für zwei separate Thesenreihen aus, die im günstigsten Falle übereinstimmten. Schaeffler vertrat zwar die Ansicht, durch die Bezugnahme auf die Formulare gehe der Text in ausreichendem Maße über die persönliche Lehre Brunners 250 Vgl. Lehmanns Ausführungen zum „Streit um die ökumenische Anerkennung kirchlicher Ämter", in: Amt im Widerstreit, 151-156, 155. Im Vorgehen des Memorandums sah er die Gefahr, daß „geschichtlich auch heute noch tiefgreifende Kontroverspunkte im Blick auf eine volle Ämteranerkennung eben doch sachlich unbewältigt" bleiben (154). Vgl. auch ders., Ämteranerkennung und Ordinationsverständnis, a. a. O., 258/259. 2,1 A.a.O., 260-262.

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hinaus. Für ihn bedeutete das „Wiedererkennen" katholischer Positionen in den Thesen bereits viel. Eine grundsätzliche „Anerkennung" ging jedoch auch für ihn zu weit und die Anreicherung mit katholischen Sprachelementen hielt er deshalb nicht für nötig. Nachdem man sich darauf geeinigt hatte, die noch ungeklärten Punkte, wie die apostolische Sukzession und das Verhältnis von Presbyterat und Episkopat, in der Stellungnahme zu erwähnen und ausdrücklich darauf zu verweisen, daß die Rolle der katholischen Teilnehmer sich darauf beschränkte, wesentliche Elemente ihres Verständnisses der Priesterweihe im theologischen Gehalt der evangelischen Formulare wiederzuerkennen, kam es schließlich zur Veröffendichung. Mittlerweile begann sich nämlich forciert von Lehmann - die Einsicht durchzusetzen, daß man nur durch die Formulierung von gemeinsamen Thesen und deren Veröffentlichung weiterkommen könne.292 Zu einer Äußerung hinsichdich einer möglichen gegenseitigen Anerkennung der Ämter kam es freilich nicht. Wie im Falle der Diskussion um die Interkommunion, die im Ämtermemorandum in der damaligen Situation bereits für möglich gehalten wurde, lag es auch diesmal nicht in der Absicht des OAK, über noch bestehende Unterschiede hinweg praktische Schritte im Hinblick auf eine Vereinigung der Kirchen zu proklamieren. Die gemeinsame Stellungnahme trug jedoch insofern etwas zur Ämteranerkennung bei, als sie zentrale Punkte eines Ordinationsverständnisses zusammenfaßte, das - wenngleich von der streng lutherischen Position Brunners geprägt - von allen Kirchen der Leuenberger Konkordie hätte rezipiert werden können, um eine geschlossenere und damit überzeugendere Position im interkonfessionellen Gespräch über die Ordination einnehmen zu können.293 Sie sollte auch deshalb nicht zu gering bewertet werden, weil das Festhalten der evangelischen Teilnehmer am epikletischen Charakter der Ordination und an der Handauflegung in der damaligen Situation bedeutsam für das Gespräch mit den Katholiken war, gerade weil viele Protestanten das darin zum Ausdruck kommende „sakramentale" Ordinationsverständnis ablehnten. 2.2

Zur gesamten Diskussion um die Veröffentlichung vgl. Prot, 33-40. Vgl. dazu eine Äußerung der Ev. Michaelsbruderschaft zu der Stellungnahme des OAK (maschinenschriftliche Anlage zum Protokoll): „Die Stellungnahme ist als ein wesentlicher Fortschritt im ökumenischen Gespräch zu beurteilen . . . Die Kirchen der Leuenberger Konkordie werden gebeten, sich diese Stellungnahme zu eigen zu machen. Damit wäre der bedenkliche Mangel behoben, daß in der Konkordie eine wechselseitige Anerkennung der Ordinationen ausgesprochen worden ist, ohne daß über Inhalt und Verständnis von Ordination in den beteiligten Kirchen Klarheit geschaffen worden war. Eine solche Rezeption würde wesentliche Bedenken gegen die Zulänglichkeit der Konkordie beheben und zugleich einen wichtigen Schritt in Richtung auf die wechselseitige Anerkennung der Amter der getrennten Kirchen bedeuten." 2.3

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Daß man Ordinationspraxis und -lehre verglich und sich mit den aktuellen Ordinationsformularen befaßte, war außerdem eine sinnvolle und fruchtbare Methode, im Kontext des evangelisch-katholischen Dialogs und speziell im Rahmen der Zielsetzung des ÖAK die damalige Krise des Amtsund Ordinationsverständnisses anzugehen. Diese Tagung war von daher wesentlich aufschlußreicher als diejenige, die 1969 unter dem sehr allgemein gehaltenen Thema „Autorität in der Krise" durchgeführt worden war. 3.4. Zur Sakramentalität der Ehe Am Ende des Abschnitts über die heilsvermittelnde Bedeutung der Kirche durch die Spendung der Sakramente soll noch auf die parallele Problematik im Bereich der „Theologie der Ehe" hingewiesen werden, mit der sich der ÖAK 1968 befaßte.294 1974 ging es im Zusammenhang der Ordination schwerpunktmäßig darum, ob die Ordination selbst ein Sakrament ist und ob sie dem Amtsträger einen sakramentalen Charakter verleiht. Bereits bei der Debatte um die Ehe waren jedoch eben diese beiden Fragen erörtert worden, in denen die katholische und die evangelische Position seit eh und je auseinandergehen. Damals fragte man, ob die Eheschließung eine sakramentale Handlung der Kirche ist und ob die durch sie geschlossene Ehe selbst zu einer heilsvermittelnden Institution wird. In der Diskussion um diese beiden kirchlichen Handlungen spiegelte sich damit die übergeordnete Fragestellung wider, nach der Stiftung der institutionellen Gestalt der Kirche durch Christus und ihrer heilsmittlerischen Funktion aufgrund ihrer engen Verbindung mit ihm. Insbesondere die Ehe wurde ja nach herkömmlichem katholischem Verständnis gemäß Eph 5,32 mit dem Verhältnis von Christus zur Kirche parallel gesetzt. Ihr Verständnis hängt deshalb eng mit der Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche zusammen. Bereits in den Referaten brachten einige katholische Teilnehmer jedoch zum Ausdruck, daß es innerhalb der katholischen Exegese der einschlägigen Bibelstellen zur Begründung des sakramentalen Charakters der Ehe und bei der Definition des Sakramentsbegriffs Neuansätze gab, denenzu-

2,4

Es handelte sich um die 29.Tagung, die vom 25.-29.3.68 in Heilsbronn bei Ansbach stattfand. Zu den Referaten, einem kurzen Bericht der Aussprache, der Teilnehmerliste und Dokumenten beider Kirchen zu Ehe und Trauung vgl. die gemeinsame Veröffentlichung: Krems, Gerhard/Mumm, Reinhard (Hrsg.), Theologie der Ehe, Regensburg/Göttingen 1969, 2 1972. Weil diese Texte in veröffentlichter Form vorliegen, soll auch im folgenden nur entfaltet werden, inwiefern die Grundproblematik einer dogmatischen Verständigung im Bereich der Ehelehre behandelt wurde und wie die Resultate zu bewerten sind. Auch die zur Sprache gekommenen aber nicht ausdiskutierten soziologischen und sozialethischen Gesichtspunkte sollen deshalb nicht eigens Gegenstand der Darstellung sein.

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folge es im Verlauf der Diskussion auch zu einer grundsätzlichen Annäherung bezüglich des Wesens der Ehe kam. Schnackenburg etwa legte Wert darauf, daß die ntl. Aussagen zum Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe zu den zeitgebundenen Anschauungen im N T gehörten und von daher einer Neufassung bedürften. Dieses naturhafte Verhältnis müsse trotz seiner Aufwertung durch die Bezogenheit auf Christus in Eph 5,22-33 neu gesehen werden. Er behielt zwar die Auffassung bei, daß einer Ehe zwischen Christen wegen der Beziehung zu Christus eine tiefere Dimension, ein übernatürlicher Charakter zuzusprechen sei, deutete Vers 31 f. jedoch nicht unmittelbar sakramental. Vielmehr interpretierte er im Anschluß an Schlier die gesamte Epheserstelle so, daß die christliche Ehe ihren naturhaften Charakter nicht verliere, sondern vergleichbar der Wirkung der Taufe am Menschen - durch ihr Hineingenommensein in Christus eine andere Dimension erfahre. Mit Recht sah er hier die grundsätzliche Frage berührt, wie sich die natürliche Existenz des Menschen zu der Existenz in Christus verhält, und damit die kontroverstheologische Problematik der Rechtfertigungs- und Gnadenlehre sowie des sakramentalen Charakters in der Sakramentenlehre. Und in eben dem Maße, wie man sich in diesen Bereichen innerhalb des ÖAK einem gemeinsamen Verständnis annäherte, geschah dies auch in den Referaten und bei der Aussprache über den sakramentalen Charakter der Ehe. Schnakkenburg trug dazu bei mit seiner Interpretation von l.Kor 7,14, wo es um den heiligenden Einfluß eines chrisdichen Ehepartners auf einen nichtchristlichen geht. Er lehnte eine „magisch-dingliche" Auffassung von „Heiligkeit" im Gegensatz zur „Heilssorge" für den Ehepartner ab.295 Auch ment zu deliege, Zeichen

Ratzinger bezeichnete es als fragwürdig, von der Ehe als Sakrareden, wenn dem die „klassische Katechismusdefinition" zugrunnach der das Sakrament ein von Christus eingesetztes äußeres sei, das innere Gnade bedeutet und bewirkt:

Denn „weder hat Christus die Ehe eingesetzt noch ihr ein bestimmtes äußeres Zeichen gegeben. Auch die allzu mechanische Gnadenvorstellung, derzufolge den chrisdichen Eheleuten auf Grund der Sakramentalität der Ehe entsprechende eigene Standesgnaden verliehen werden, die sie zur Verähnlichung mit dem Christus-Kirche-Geheimnis befähigen, oder, weniger anspruchsvoll, sie im Vollzug ihrer Standesaufgaben stärken sollen, können wir nicht mehr als eine überzeugende Sinngebung des Begriffs Sakrament in bezug auf die Ehe ansehen."296

Am Ende seiner exegetischen und dogmengeschichtlichen Betrachtung kam er vielmehr zu folgendem Ergebnis: „Sakramentalität der Ehe besagt, daß die in der Ehe konkretisierte Schöpfungsordnung des Zueinander von Mann und Frau nicht neutral und bloß weltlich 2,5 296

Schnackenburg, Rudolf, Die Ehe nach dem NT, ebd., 9-36, besonders 28 ff. Ratzinger, Joseph, Zur Theologie der Ehe, ebd., 81-115, 82.

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neben dem Bundesgeheimnis Jesu Christi steht, sondern selbst aufgenommen ist in die Bundesordnung des Bundesvolkes Gottes, so daß sich in ihr die Einheit von Schöpfung und Bund ratifiziert und die Bundestreue Gottes aus dem Glauben heraus in ihr als Bundestreue der Menschen dargestellt und besiegelt wird. ... Das aber heißt: Sakrament ist nicht etwas über, neben oder an der Ehe, sondern gerade die Ehe selbst, und als solche ist sie für den, der sie im Glauben lebt, das Sakrament ... Hier wäre wohl der Ort, die alte Rede von den Standesgnaden auf eine sachgemäße Weise auszulegen und ihren wahren Kern zu enthüllen: Der Anspruch der christlichen Ehe kann nicht anders als im Glauben angenommen und verwirklicht werden, so freilich, daß dieser ,unmögliche' Anspruch dann zugleich als Heil, als ,Glück' erfahren wird, in der Paradoxie allen Heils im Glauben."297 Ein Vergleich dieser Aussagen mit Thesen aus Wendlands evangelischem Korreferat macht jedoch deutlich, wo nach wie vor Unterschiede bestanden, obwohl es bereits einer Annäherung diente, daß katholischerseits die dinglich-ontologischen Kategorien beiseite gelassen wurden. Wendland wies zunächst auf die Distanz zwischen Schöpfer und Geschöpf auch in der sakramentalen Gemeinschaft mit Christus hin, ohne damit die reale Anteilhabe an Christus einschränken zu wollen. D a die Ehe aber eine allgemein menschliche Sache sei, wollte er sie lieber nicht als Sakrament bezeichnen: „Denn mit der durch Christus und seine Gemeinde geschehenden //«¿Verwirklichung hat der menschliche Liebesbund als solcher nicht das Geringste zu tun."298 Er hob hervor, daß die „Christlichkeit" einer Ehe nicht in der Aufhebung ihrer Weltlichkeit bestehe, „sondern in ihrer kritischen Aufnahme in den Leib Christi dort, wo die Heilsverwirklichung durch das Medium der Kirche Christi geschieht."299 Wichtig war ihm auch, daß die kirchliche Trauung eine Ehe nicht stiftet, sondern sie verkündigt „als Gottes Anordnung und (sie) segnet" 300 Unter Berufung auf M k 10 Par. und die Haustafeln sprach er dann zwar von einer Transformation der weltlichen Ehe durch die Gemeinschaft mit Christus, so daß die Agape zu dem sexuell-erotischen Verhältnis hinzukomme; dennoch betonte er die bleibende Angewiesenheit auf die Versöhnung durch Christus als Gegenüber. Problematisch war also in erster Linie die Bestimmung des Verhältnisses christlicher Eheleute zu Christus in dem Sinne, daß katholischerseits eher 2.7 2.8

Ebd., 91/92. Wendland, Heinz Dietrich, Zur Theologie der Sexualität und der Ehe, ebd., 117-142,

120. ™ Ebd., 136/137, These 12. 300 Ebd., 137(ff).

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die enge Verbindung betont und nicht klar unterschieden wurde zwischen den Eheleuten, die die Versöhnung immer wieder neu empfangen und Christus, der sie ihnen schenkt. Auf evangelischer Seite wurde die „bleibende Weltlichkeit" der Ehe betont, um entsprechend der auch mit der reformatorischen Rechtfertigungslehre und dem reformatorischen Kirchenverständnis verfolgten Intention das „solus Christus" mit Blick auf das Heil der Menschen aufrecht zu erhalten. Ob die Ehe als weltliche oder geistliche Verbindung betrachtet wird, manifestiert sich natürlich in den mit ihr verbundenen Rechtsformen, in der Eheschließung durch den Staat bzw. durch die Kirche und der damit zusammenhängenden Anerkennung der Ehe von Nichtchristen sowie in der Haltung zur Unauflöslichkeit der Ehe. Wie der Bericht der Aussprache - wenn auch nur sehr unscharf - zeigt, konnte man in diesen Fragen zwar sehr allgemein oder in bezug auf einzelne Fälle zu gemeinsamen Ansichten kommen. Die Unterschiede in der „Wesensbestimmung" der Ehe kamen jedoch immer wieder zum Vorschein. Eine Einigung in dem Maße wie sie im Bereich der Rechtfertigung und Gnadenlehre möglich wurde, scheiterte auch an den kirchenrechtlichen Ausprägungen einiger dogmatischer Grundentscheidungen auf katholischer Seite. So konnte man sich auf evangelischer Seite etwa dann auch vorstellen, die kirchliche Trauung als die eigentliche Eheschließung anzusehen, wenn von staatlicher Seite einer Ehe auf Zeit ein Rechtsstatus eingeräumt würde und damit die Unauflöslichkeit als wesentliches Merkmal der Ehe verschwände. Dennoch blieb der grundsätzliche Unterschied bestehen, daß nach katholischer Auffassung nur eine durch eine katholische Trauung geschlossene Ehe vollgültig im sakramentalen Sinne ist, während eine Ehe unter Nichtchristen zwar vom Schöpfungsmysterium her als wirkliche Ehe bezeichnet wird, dennoch aber von der im Glauben geschlossenen Ehe unterschieden wird.301 Hinsichtlich der Unauflöslichkeit der Ehe bestand zwar ebenso grundsätzliche Einigkeit wie bei der Ablehnung der Polygamie, dennoch sah man katholischerseits beides in den evangelischen Trauagenden nicht hinreichend zum Ausdruck kommen. Nur in dieser indirekten Weise wurde die Anerkennung der evangelischen Trauung berührt. Auch die Folgerungen im Hinblick auf die Ehescheidung unterschieden sich trotz grundsätzlicher Übereinstimmung insofern, als die evangelische Ordnung im Gegensatz zur katholischen eine Scheidung als Notlösung für zerstörte Ehen akzeptiert.302

301

Ebd., 146/147. Ebd., 151. Vor allem von Campenhausen wandte sich gegen die katholische Handhabung, Prot., 54. 302

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Auf katholischer Seite war man auch zurückhaltend, was eine gemeinsame Antwort auf diese beiden Fragen auf der Basis einer völligen Ausklammerung des Sakramentsbegriffs betraf, die man evangelischerseits für möglich hielt. Freilich zeigte die Aussprache, daß die grundsätzliche Übereinstimmung bezüglich der Unauflöslichkeit der Ehe Unterschiede in der Begründung in sich birgt. Katholischerseits hielt man die Ehe als sakramentale Institution in ihrer rechtlichen Ausprägung selbst für unauflöslich, während sich die Unauflöslichkeit nach evangelischer Auffassung auf die Treue Gottes über die gemeinsame Geschichte der Eheleute bezieht 303 So sehr man also damals, Ende der 60er Jahre, auf beiden Seiten gemeinsam Kritik an der drohenden Auflösung der herkömmlichen Strukturen des partnerschaftlichen Zusammenlebens übte, indem man sich deutlich für die Einehe und ihre Unauflöslichkeit aussprach, so sehr verhinderten die grundsätzlichen Differenzen, wie ausgeführt, eine Verständigung in einzelnen das Kirchenrecht und die kirchliche Praxis betreffenden Punkten. Weiterführend war allerdings der sich anbahnende Wandel im Sakramentsverständnis. Es gab aber auch Situationen, in denen die „Fronten" bzw. die Übereinstimmungen quer durch die Konfessionen verliefen. So waren sich Schnackenburg und Fries auf katholischer und Wendland und Brunner auf evangelischer Seite einig darin, daß Ehe und Familie zusammengehören, auch wenn der Beziehung der Ehepartner zueinander ein eigener Stellenwert einzuräumen sei.304 Während evangelischerseits vorwiegend die personale Sicht vertreten wurde, sprach sich Brunner für die Ehe als Institution aus, „in der eine übergreifende Ordnung an den Eheleuten wirksam wird".305 Schließlich berief sich Schnackenburg bei der Diskussion um die biblischen Stellen zur Ehescheidung strikt auf das biblische Wort, während von Campenhausen und Brunner die Veränderungen durch die geschichdiche Lage betonten und damit im Grunde das Traditionsprinzip stark machten.306 Dieselben Probleme, die im Zentrum der Debatte des OAK über die theologischen Grundlagen der Ehe standen, bildeten auch den Hauptinhalt des Schlußberichts der römisch-katholischen/lutherischen/reformierten Studienkommission über „Die Theologie der Ehe und das Problem der Mischehe"307, der als Ergebnis eines mehr als fünfjährigen Dialogs auf Weltebene 1976 vorgelegt wurde. Obwohl es sich dabei um ein Dokument 303

Vgl. Westermann, Prot., 42/43 und Bericht über die Aussprache, Theologie der Ehe,

149. 304

Bericht, 152 und Prot., 66. Bericht, 149 und Prot., 43. 306 Bericht, 151. 307 Vgl. Dokumente wachsender Übereinstimmung, 358-387. 305

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auf Weltebene handelt und die Problematik der Mischehe miteinbezogen wurde in die fundamentaltheologische Beschäftigung mit der Ehe angesichts ihrer Krise, zeigt ein Vergleich zu der Veröffentlichung des ÖAK beispielhaft, daß dessen Arbeitsweise in der veränderten ökumenischen Situation hinter der neu initiierter Kommissionen zunächst zurückblieb. Zwar unterschieden sich beide Arbeitskreise nicht in ihren inhaltlichen Ergebnissen, wohl aber in ihrer Dokumentation. Die Bedeutung der Verhältnisbestimmung Christi zur Ehe und ihre Konsequenzen für Sakramentalität und Unauflöslichkeit der Ehe hatte man im ÖAK zwar angesprochen, jedoch nicht so eindeutig als zentrale Punkte im Hinblick auf eine Verständigung herausgearbeitet, wie es in dem Schlußbericht der Studienkommission der Fall und für die Weiterarbeit an der Thematik auch angezeigt war. Dem OAK fiel es verständlicherweise schwer, im Verlauf von nur einer Tagung zu gemeinsamen Thesen, geschweige denn zu einer ausführlichen und differenzierten Stellungnahme zu gelangen, die den Kirchenleitungen zur Diskussion hätte vorgelegt werden können.308 Der Übergang zu der erschöpfenden Behandlung einzelner Themen über mehrere Tagungen hinweg wurde deshalb unausweichlich für eine effektive Weiterarbeit. 3.5. Zusammenfassung Wie bei den Erörterungen zu Wesen und Eigenschaften der Kirche, kam es auch bei denen zur Rolle der Kirche bei der Spendung der Sakramente in der Anfangszeit noch zu einer starken Konfrontation der beiden ekklesiologischen Grundentwürfe, während man nach dem II. Vatikanum, speziell bei der Untersuchung der Funktion der Amtsträger, zu wesentlichen Übereinstimmungen gelangte. Sehr früh behandelte man die Bedeutung des Vollzugs von Taufe und Beichte bzw. Buße im kirchlich-institutionellen Rahmen. Dabei war für die evangelische Seite nur relevant, daß die Taufe die Eingliederung in den Leib Christi bedeutet und insofern die volle Zugehörigkeit zur Kirche begründet. Für die katholische Seite war die Zugehörigkeit zur Institution Kirche in gleicher Weise bedeutsam für die Erlangung des Heils. Nach evangelischem Verständnis wird damit das Heil des Menschen aber zu sehr an die, ihrer Ansicht nach „weltliche", Ausprägung der Kirche gebunden. Dieser Vorwurf traf auch die katholische Auffassung, daß es ohne Versöhnung mit der Kirche keine volle Versöhnung mit Gott geben könne. In diesem Bußverständnis sah man noch in derselben Weise wie im Zeitalter der Reformation eine Einschränkung der Freiheit des Menschen, die ihn 308

Die Auseinandersetzungen von 1974 um die Veröffentlichung der gemeinsamen Thesen über „Ordination und kirchliches Amt" wegen der unzureichenden Behandlung z.B. der apostolischen Sukzession wurden ja im vorausgegangenen Abschnitt bereits ausgeführt.

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in Situationen bringen könne, in denen er an seinem Heil vorbeigeht. Beide Seiten waren sich jedoch darin einig, daß das „Binden und Lösen" der Kirche so auszulegen sei, daß ein Verfügen der Kirche über die Gnade Gottes ausgeschlossen werde. Ferner hielt man gemeinsam die innere reuige Haltung im Sinne der ntl. metanoia für den entscheidenden Vorgang bei der Buße. Katholischerseits hielt man zwar daran fest, daß sie ihren Ausdruck finden müsse in der Beichte einzelner Sünden, doch konnte man zwischen dem Bußwillen als der essentia und der Bußleistung als integritas des Sakraments unterscheiden. Erst viele Jahre später befaßte man sich mit dem Amt bei der Eucharistiefeier und stellte dabei gemeinsam fest, wenn an der alleinigen Mittlerschaft Christi festgehalten werde, könne der Priesterbegriff beibehalten werden. Zur evangelischen Akzeptanz des Priesterbegriffs trug die Tatsache bei, daß man sich trotz der verschiedenen Wertung von Schrift und Tradition nach deren Auswertung für die Begründung der Amtsauffassung auf einen Vorrang der Funktion als ministerium vor der als sacerdotium verständigen konnte. Außerdem zeichnete sich eine deutliche Übereinstimmung im Hinblick auf die character-Lehre ab. Die Ordination bewirkt nach beider Auffassung eine besondere Beauftragung des Amtsträgers im Gegensatz zu den Gläubigen und eine bleibende Beanspruchung, die, auch wenn sie katholischerseits als ontische Eigenschaft aufgefaßt wird, nicht ausschlaggebend für die Gültigkeit der Sakramentsspendung ist. In Anbetracht dieser Feststellung und nach der Auswertung des historischen Befundes sowie einer Anzahl evangelischer Ordinationsformulare konnte man die unterschiedlichen Beschreibungen des mit der Ordination am Ordinanden Geschehenden als parallele Ausdruckweisen für ein und denselben Sachverhalt bezeichnen. Hinsichtlich der Sakramentalität der Ordination war klar, daß in ihr Gott handelt und dies in Handauflegung und Herabflehen des Geistes im Gebet zum Ausdruck gebracht werden müsse. Gemeinsam lehnte man ein Ordinationsverständnis im Sinne einer bloßen Beauftragung durch die Gemeinde ab, das im Zuge der Ordinationskritik zu Beginn der 70er Jahre aufgekommen war. Zu der Feststellung, eine Ämteranerkennung sei bereits möglich, da die noch bestehenden theologischen Unterschiede keine kirchentrennende Wirkung mehr hätten, wie sie kurz zuvor das Memorandum der Arbeitsgemeinschaft ökumenischer Universitätsinstitute getroffen hatte, konnte man sich aber innerhalb des OAK nicht durchringen. Auch bei dem vorausgegangenen Dialog über die Ehe war es, entsprechend der zentralen ekklesiologischen Fragestellung, um ihren sakramentalen Charakter und ihr Verständnis als Heilsinstitution gegangen. Wieder stand neben dem katholischen Verständnis der Ehe als einer sakramentalen Institution, der eine besondere Gnade innewohnt und die deshalb auch Gnade bewirken kann, die Ehe als „weltliche", personale Gemeinschaft zweier Menschen mit Christus als Gegenüber nach evangelischer Auffas-

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sung. Wieder übte man evangelischerseits Kritik an der Vermischung des versöhnenden Handelns Christi mit menschlichem Handeln. Zwar betonte man katholischerseits, auch nach der kirchlichen Trauung bleibe die Ehe welthaft und erhalte durch Christus nur eine neue Dimension, und distanzierte sich von einer dinglich-sakramentalen Auffassung im Sinne verliehener „Standesgnaden", doch ganz wurde der evangelische Vorwurf dadurch nicht beseitigt, zumal sich die Annäherung in dieser entscheidenden Frage nicht auf die weiterhin bestehenden Gegensätze in den praktischen Fragen, etwa im Zusammenhang mit der Ehescheidung, auswirkte, die den Eindruck einer Annäherung überlagerten.

4. Die Kirche in ihrer Funktion als Heilsmittlerin durch die Bewahrung und Weitergabe der apostolischen Überlieferung In Analogie zum vorausgegangenen Abschnitt soll nun der Bereich der Auslegung und Verkündigung des Evangeliums ebenfalls unter der Perspektive des Stellenwertes institutionell kirchlicher Heilsvermittlung dargestellt werden. Die Auseinandersetzung um die Eigenbedeutung der Kirche neben Christus als dem Mittler wirkt sich innerhalb dieses Themenkomplexes in der Frage nach dem Verhältnis von sachlicher oder personaler Vermittlung der Offenbarung aus. Erschöpft sich die heilsmittlerische Funktion der Kirche darin, daß sie der Ort ist, an dem Christus durch die Verkündigung wirkt, daß in ihr Menschen die Bibel auslegen, oder wurde den in der Sukzession der Apostel stehenden Amtsträgern - insbesondere dem Papst - von Jesus eine besondere Autorität verliehen, derzufolge sie allein zur Verkündigung und rechtmäßigen Auslegung der Botschaft ermächtigt und befähigt sind? Und welcher Stellenwert kommt der kirchlichen Auslegung zu? Im folgenden wird zunächst der Inhalt der Tagungen dargestellt, bei denen es um die Bedeutung der Schrift auch im Gegenüber zu Bekenntnis und zur Offenbarung Gottes in der Geschichte ging. Dabei handelte es sich im wesentlichen um innerevangelische Auseinandersetzungen, während der Abschnitt zur personalen Vermittlung der Offenbarung stärker die oben angedeutete kontroverstheologische Diskussion beinhaltet. Natürlich stehen sich beide Vermittlungsarten in beiden Abschnitten gegenüber, die Überschriften geben jedoch den jeweiligen Ansatzpunkt der Diskussion an. Unter 4.3. soll kurz auf den zu Beginn der 70er Jahre unternommenen Versuch eingegangen werden, im Rahmen der Beschäftigung mit aktuellen Themen zu einer gemeinsamen Analyse des Phänomens der Verborgenheit Gottes zu gelangen und zu einer Beschreibung der Aufgabe, die der Verkündigung aller Kirchen daraus erwächst Dabei handelte es sich also weniger um eine kontroverstheologische Fragestellung als um eine Aufgabe,

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vor der alle Kirchen in gleicher Weise stehen, die jedoch ganz konkret deren heilsmittlerische Tätigkeit der Weitergabe der apostolischen Überlieferung berührt. 4.1. Die „sachliche" Vermittlung der Offenbarung 4.1.1. Das Bekenntnis als Basis fiir eine ökumenische

Verständigung

Das Bekenntnis spielte eine große Rolle bei der ersten Arbeitstagung des ÖAK 1946 in Hardehausen/Westfalen 309 , bei der neben den Aussagen des Epheserbriefs zur Kirche auch „Das Bekenntnis in seiner Bedeutung für die Kirche beim Hl. Paulus" untersucht wurde. In dieser ausführlichen Form befaßte sich der ÖAK erst wieder bei der 42. Arbeitstagung 1981 mit dem Bekenntnis als Grundlage einer ökumenischen Verständigung, als man anläßlich der 1600. Wiederkehr des I. Konzils von Konstantinopel (381) dessen ökumenische Bedeutung untersuchte.310 Das Thema könnte damals durch Hermann Sasse angeregt worden sein, der neben Robert Grosche aus dem Katholischen Kreis referierte, und der in zahlreichen Veröffentlichungen der damaligen Zeit die wichtige Funktion des Bekenntnisses für die Kirche hervorgehoben hatte. Beide Referate wurden nicht veröffentlicht. Die Position Sasses zum Thema läßt sich aber aus seinen zahlreichen Aufsätzen erhellen, die er während und nach dem Krieg zur Frage und Bedeutung des Bekenntnisses abgefaßt hat. Seine umfangreiche Beschäftigung mit dieser Frage ist symptomatisch für den Wandel vom Subjekt zum Objekt, der sich in diesen Jahren innerhalb der evangelischen Theologie vollzog und der zu einer Neuentdeckung der Kirche und des Bekenntnisses auf reformierter und lutherischer Seite führte. Diese wiederum hatte eine stärkere Konfessionalisierung und eine stärkere Annäherung des Luthertums an den Katholizismus als an die reformierte Kirche zur Folge.311 Diese Haltung macht teilweise verständlich, warum eine Teilnahme reformierter Theologen an den Gesprächen des ÖAK anfangs nicht erx " Zu den Teilnehmern vgl. Abschnitt 1. Christus und die Kirche, in dem bereits die Behandlung des Wesens der Kirche anhand des Epheserbriefs dargestellt wurde. 310 Vgl. Lehmann, Karl/Pannenberg, Wolfhart (Hrsg.), Glaubensbekenntnis und Kirchengemeinschaft, Dialog der Kirchen Bd. 1, Freiburg i. Br. 1982. Es ist ein interessanter Zufall, daß sich gerade die erste Arbeitstagung des OAK überhaupt und die Tagung, die als erste einer neuen Arbeitssphase in der Reihe Dialog der Kirchen dokumentiert wurde, mit dem Bekenntnis befaßten! 311 Vgl. Sasse, Hermann, Kirche und Bekenntnis (1941), in: ders., In statu confessionis 1, Düsseldorf 1975, 13-25, 13/14. Sasse weist hier darauf hin, daß „der Weg aus dem religiösen und theologischen Subjektivismus zur Lehre der Kirche" noch lange nicht zu Ende gegangen sei. Außerdem warnt er vor einem „Bekenntnis-Pragmatismus", der „mit dem Munde bekennt, was er von Herzen nicht glaubt". Ihm gegenüber gibt er sogar dem „alten Liberalismus" den Vorrang (14).

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wünscht war, obwohl das Urbekenntnis der Kirche zu Jesus als dem Kyrios als zentrale Aussage der Schrift auch eine tragfähige gemeinsame Ausgangsbasis für das Gespräch mit den Reformierten hätte sein können. Offensichtlich bestand jedoch - auch wegen der Auseinandersetzung um die Barmer Theologische Erklärung - nicht nur bezüglich der Lehre, sondern auch emotional eine größere Distanz der lutherischen Initiatoren des Kreises zur Reformierten, als zur Katholischen Kirche. Dies läßt sich an den Ausführungen Sasses festmachen, in denen er die Bedeutung des Bekenntnisses als der recht verstandenen Schrift auf lutherischer Seite der Rolle der Schrift als einziger Grundlage auf reformierter Seite gegenüberstellt, während er den Bekenntnissen der Katholischen und der Lutherischen Kirche dasselbe Anliegen zubilligt, das eine Grundbekenntnis der Kirche zu Jesus Christus vor Verfälschung zu schützen.312 Die aus dem N T erhobenen Aussagen über dieses personale Bekenntnis der Urkirche zu Christus als dem Kyrios (vgl. Rom 10,9; l.Kor 12,3; Phil 2,11 etc.), als welcher er sich durch seine Auferstehung und Erhöhung erwiesen hat, sind in den Veröffendichungen Sasses und Grosches zum Thema dieselben.313 Sasse spricht hier von dem Grundbekenntnis der Kir-

312 A. a. O., 22: „Wie viele Mißverständnisse, wieviel gegenseitiges Aneinandervorbeireden hätte man sich in der evangelischen Theologie des letzten Jahrzehnts ersparen können, wenn man die Tatsache beachtet hätte, daß die lutherische und die reformierte Kirche nicht nur über eine Reihe von wichtigen Lehren des Bekenntnisses, sondern auch über das Wesen des kirchlichen Bekenntnisses verschiedener Meinung sind ... Der Satz, daß die Kirche sich um das Bekenntnis sammelt, gilt in der lutherischen Kirche. In der reformierten Kirche gilt er, wenn Uberhaupt, mit ganz starken Einschränkungen. Denn hier ist eigentlich die Hl. Schrift das, worum die Kirche sich sammelt." Sasse nennt als weiteren Unterschied die fehlende Kontinuität in der Bekenntnisbildung der Reformierten Kirche: „Wo in den lutherischen Bekenntnisschriften die alten Symbole bestätigt werden, da stellen die reformierten Bekenntnisse den biblischen Kanon fest Das Bekenntnis ist dann der Versuch, das Schriftverständnis der lebenden Generation in einem bestimmten Kirchengebiet auszusprechen" (a.a.O., 21). Durch diese prägnante Differenzierung Sasses wird der theologische Hintergrund der Auseinandersetzung um den Stellenwert der Barmer Theologischen Erklärung beleuchtet Zudem zeigt Sasse die ihr zugrundeliegenden ekklesiologischen Differenzen auf: Während für die Reformierte Kirche die „wahre Kirche kein irdisch-geschichtlicher Tatbestand, keine kontinuierliche Tatsache der Geschichte" ist, sondern immer wieder neu Ereignis wird, ist die lutherische Lehre die, daß der Hl. Geist durch die Gnadenmittel Wort und Sakrament seine Kirche durch die Jahrhunderte hin trägt und daß diese durch die Verwaltung der Gnadenmittel in der Geschichte für den Glauben sichtbar wird (a.a.O., 21). Zur Gemeinsamkeit mit der Katholischen Kirche vgl. 20 oben: „Das Konkordienbuch und die dogmatischen Dekrete von Trient sind ihrer Entstehung und ihrer Geltung nach partikularkirchliche Konfessionen. Aber sowohl das lutherische als auch das römische Bekenntnis will in dem Sinne katholisch sein, daß es die Lehre ausspricht, die für die ganze Christenheit Geltung hat, weil sie die Lehre des einen einzigen Evangeliums Jesu Christi ist Beide wollen das Urbekenntnis der Kirche zu Jesus als dem Christus vor Verfälschung schützen und so eine Antwort sein auf die Frage des Herrn: Wer sagt denn ihr, daß ich sei?" 313 Vgl. Sasse, Hermann, Jesus Christus der Herr. Das Urbekenntnis der Kirche (1931), in: ders., In statu confessionis 2, Hermannsburg 1976, 22-41, 25 ff. besonders 28/29 und

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che, mit dem sie steht und fällt und von dessen Charakter als Antwort auf die Frage Jesu, wer er sei, mit der dieser selbst die „Bekenntnis- und damit die Dogmenbildung der Kirche"314 herausfordere. Es erwächst nach lutherischer Auffassung aus dem Konsensus der Kirche und erneuert diesen immer wieder. Grosche bezeichnet in einem Aufsatz von 1958, der genauso überschrieben ist wie sein Vortrag 1946, das Bekenntnis zu Christus als „Urformel"315, „mit der die Urkirche das Verständnis der Offenbarung normiert" hat, als „summa evangelii", die zur „regula fidei" wurde. Gleichzeitig hinterfragt er diesen Prozeß zu Recht. Wo Sasse gegenüber der reformierten Tradition darauf abhebt, daß das Bekenntnis als rechte Schriftauslegung der Irrlehre entgegengestellt werden müsse, zeigt Grosche die Gefahr eines Verfügens über die Hl. Schrift auf, die das Vertrauen auf den Hl. Geist erfordere. Damit gibt er an die evangelische Seite den Vorwurf zurück, den diese an das katholische Lehramt richtet Und in der Tat muß sich die Kirche darauf verlassen, daß sie als ganze nicht fehlgeht, wenn sie von der Zustimmung zu diesem Bekenntnis die Zugehörigkeit des Einzelnen zur Kirche abhängig macht.316 Davon geht Grosche auch aus, wenn er im Bekenntnis als „signum unitatis ecclesiae" die Kirchenzucht begründet sieht.317 Ein Vergleich der beiden Positionen zeigt deutlich, daß man sich damals über die Mitte des Evangeliums, d.h. über die Wahrheit, die von allen christlichen Kirchen zu glauben ist, durchaus übereinstimmend äußern konnte. Der Ansatz für ein Aufeinanderzugehen der Konfessionen war damit gewährleistet. Die kontroverstheologische Problematik setzt jedoch erst dort ein, wo es zu klären gilt, welche Wahrheiten - oder anders gesagt welche Dogmen oder Bekenntnisse - notwendig oder legitim sind, um die eine Grundwahrheit zu schützen. Inwiefern diese Thematik Gegenstand der Diskussion war, ist mangels eines Protokolls nicht mehr zu erheben. Aus einem kurzen zusammenfassenden Bericht von katholischer Seite über die Tagung geht jedoch hervor, daß es bei der Aussprache im wesentlichen darum ging, in 32 sowie Grosche, Robert, Das Bekenntnis bei Paulus in seiner Bedeutung für die Kirche (1958), in: ders., Et intra et extra, Düsseldorf 1958, 23-36, 25 und 29/31. 314 Zitat aus: Sasse, Hermann, Kirche und Bekenntnis, 18; zu den Aussagen über das Grundbekenntnis der Kirche vgl. ders., Jesus Christus der Herr, 41, zum folgenden Kirche und Bekenntnis, 19. 315 Yg] Grosche, Robert, a.a.O. 27/28 auch zum folgenden. 316 Die Unterscheidung zwischen regula fidei und lex fidei hebt er hier unter Bezugnahme auf einen Bericht von Faith and order zu Recht hervor (a.a.O., 28, Anm. 1). Ebenfalls interessant ist die Kritik, die Grosche aufgrund der oben dargestellten Ausführungen an der einseitigen Betonung des Todes Jesu und der Rechtfertigung gegenüber seinem Herrsein in der reformatorischen Tradition übt, und im Gegensatz zu der seiner Ansicht nach die Betonung der „Herrschaft Christi" in der ökumenischen Bewegung der Mitte des Evangeliums eher entspricht (a.a.O., 28). 317 A.a.O., 32/33.

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welchem Verhältnis der Inhalt des Bekenntnisses zu dessen Wortlaut steht, welcher Stellenwert also den Formulierungen des Bekenntnisses durch die Kirche zukommt und inwiefern sie veränderbar sind. Folgende Thesen wurden laut Aussage des Berichts in der Aussprache erarbeitet und einander gegenübergestellt: „1.) Nach den Protestanten sind evangelische und katholische Christen eins in den grossen Bekenntnissen der alten Kirche. Diese Gemeinsamkeit scheidet evangelische und katholische Christen von den , Sekten'. Kriterium für die Gültigkeit der Bekenntnisse ist ihre Übereinstimmung mit der Hl. Schrift. Dabei ist nicht der Wortlaut, sondern der Inhalt für den Glauben entscheidend. Angesichts der Verschiedenheit dieses Glaubensinhaltes auch unter den evangelischen Christen selbst bleibt nur die Möglichkeit, aus der Schrift in den •verschiedenen Situationen gegenüber den alten und neuen Bekenntnissen immer neues Verständnis aus der Schrift zu gewinnen. Zur Einheit der Kirche ist nötig derselbe Inhalt der Bekenntnisschriften, nicht dieselben Bekenntnisschriften. Es ist auch nicht notwendig, dass die Kirche überhaupt Bekenntnisschriften hat. Die lutherische Kirche vermag die eine heilige katholische und apostolische Kirche anzuerkennen, wo das Wort gepredigt und die Sakramente richtig verwaltet werden. Sie ist bereit zur Korrektur von Formulierungen der Bekenntnisschriften. Die Entfaltung der Lehre ist nicht den Einzelnen vorbehalten, sondern den Amtsträgern der Kirche. Allerdings glaubt der Protestant nicht auf Grund der Lehre der Kirche, sondern weil er in der Lehre der Kirche die Lehre der Hl. Schrift wiedererkennt. 2.) Demgegenüber stellen die Ketholiken [Fehler im Zitat, Anm.d. Vf.] klar den Unterschied und die Entsprechung vom Inhalt und der Formulierung der Lehre, in Schrift, Tradition und formuliertem Dogma; die götdiche Auktorität als den Erkenntnisgrund der Wahrheit; das kirchliche Lehramt als die Bürgschaft der Wahrheit. Die Formulierung von R. Garrigou-Lagrange: , Nicht auf das Zeugnis der Kirche glaube ich, sondern auf das Zeugnis des Hl. Geistes in der Kirche und durch die Kirche' wird erklärt" 318 Sie bringen zum Ausdruck, daß zum damaligen Zeitpunkt die Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der dantas der Schrift bzw. der Rolle der Amtsträger - insbesondere des Lehramtes - für ihre rechte Auslegung gegenüber einer gemeinsamen Anerkennung der altkirchlichen Bekenntnisse deutlich im Vordergrund standen. Dem durch seinen freien Umgang mit 318 Maschinenschriftlicher Bericht Höfers, in Kopie in den Unterlagen zum ÖAK im Ökumenischen Institut des Fachbereichs der Universität Mainz. Aufgeführt sind auch die Teilnehmer der Tagungen und das verabredete Thema der folgenden Tagung. Fälschlicherweise wird hier Schumann als evangelischer Teilnehmer angeführt, obwohl aus einem Brief an Schlink vom 17.10.46 (Korr Schlink) deutlich hervorgeht, daß er nicht teilgenommen hat

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dem Wortlaut des eigenen Bekenntnisses und seiner ausschließlichen Forderung nach inhaltlicher Ubereinstimmung kirchlicher Bekenntnisse mit der Schrift für eine gegenseitige Anerkennung ökumenisch sehr offenen evangelischen Ansatz, der auch bei den späteren Auseinandersetzungen um den Kirchenbegriff vielfach herausgestellt wurde, entsprach auf katholischer Seite nur die Hervorhebung des Geistwirkens als wesentlich für die kirchliche Lehrbildung. Dieses später im Zusammenhang der Diskussion um das Lehramt319 immer wieder aufgegriffene und bis heute angeführte Argument gegen die evangelische Kritik an einem Verfügen des kirchlichen Lehramtes über das Evangelium reichte jedoch nicht sehr weit, angesichts des unbedingten Festhaltens an den verbindlichen Formulierungen kirchlicher Lehrsätze und Dogmen. Bei der Beschäftigung mit der Rechtfertigungslehre des Tridentinum bzw. der lutherischen Bekenntnisschriften 1949 wurde der unterschiedliche Umgang mit kirchlichen Bekenntnissen manifest, als Maurer die BSLK in ihrem unterschiedlichen historischen Kontext interpretierte, während Volk sie von ihrer Dignität als kirchliche Bekenntnisäußerungen her alle als auf derselben Ebene stehend behandelte.320 Ansatzweise zeigte sich hier der Unterschied in der Dogmenhermeneutik beider Konfessionen, der bis heute als Folge des unterschiedlichen Umgangs mit den Formulierungen kirchlicher Lehräußerungen besteht: Katholischerseits können historische Äußerungen der Kirche in einem neuen Kontext in anachronistischer Weise sehr weit ausgelegt werden, während man sie evangelischerseits aus ihrem historischen Kontext heraus interpretiert und sie in einer neuen Situation gegebenenfalls modifiziert 4.1.2. Einheit und Vielfalt der Schrift

In Anknüpfung an die bereits 1957 bei der Behandlung des Papstamtes angeklungene Kontroverse darüber, ob verbindliche Schriftauslegung, und damit kirchliche Lehrbildung, allein Aufgabe der Exegeten ist, oder ob letztgültige Entscheidungen von Seiten der Kirche oder des Lehramtes vonnöten sind, befaßte man sich bei der nächsten Tagung 1958 mit der Einheit der Schrift und ihrer Bedeutung für die Einheit der Kirche.321 Im Mittelpunkt stand die Frage, ob es notwendig eine einheitliche, kirchlich autorisierte Auslegung von Schriftstellen geben müsse, um die Einheit der Kirche zu erhalten, oder ob unterschiedliche exegetische Positionen und eine 319

Siehe unten unter 4.2.2. Siehe oben unter A. 2.2.1. 321 Es handelt sich um die 19.Tagung, die vom 24.-28.3.58 in der Ev. Akademie Tutzing stattfand. Kath. Teiln.: Volk, Dolch, Gewieß, Grosche, Höfer, Kuss, Mörsdorf, Pieper, Schmaus, Söhngen, Warnach, Prot. Bäumer. Ev. Teiln.: Stählin, Dietzfelbinger, Anz, Asmussen, Brunner, von Campenhausen, Joest, Pannenberg, Skydsgaard, Wendland, Wolf, ProL Mumm. Die exegetischen Referate hielten Gewieß für die katholische und Wendland für die evangelische Seite, die dogmatischen Volk und Skydsgaard. Die beiden katholischen Referate wurden nicht veröffentlicht und liegen auch in den Akten des EvAk nicht vor. 320

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daraus resultierende Vielfalt in der Verkündigung innerhalb einer Kirche nebeneinander bestehen können. So sehr 1957 die gegensätzlichen Positionen zu diesem Themenkomplex hervortraten, so sehr zeigte sich auch der wachsende Stellenwert der Schrift und damit der Exegese auf katholischer Seite und die Anerkennung der Bedeutung von Traditon und Kirche auf evangelischer Seite. Nachdem Brunner Kuss darin Recht gegeben hatte, daß nicht allein die Exegese entscheide, was rechte Lehre ist, sondern das verkündigte Wort, und daß der innere Sinn eines Textes sich auch erst nach der apostolischen Zeit herausstellen könne, und von der Gablentz zugestand, daß die Schrift nicht von der Kirche zu lösen sei, weil die Einheit der Kirche und die Wahrheit der Verkündigung zusammengehörten, unterstützte Söhngen Kuss gegenüber Rahner darin, daß nicht erst das Lehramt die Bedeutung eines Textes „an sich" feststelle, sondern vor der Verkündigung die Exegese rein methodisch diese Aufgabe erfülle.322 Dieses Aufeinanderzugehen konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß von evangelischer Seite aus kein Verständnis dafür aufgebracht werden konnte, daß eine wahrheitsgemäße Auslegung der Schrift in der Kirche an die rechtlich definierte Instanz des Lehramtes gebunden sein solle und daß diese allein durch definitive Entscheidungen die Einheit der Kirche gewährleisten könne. 1958 versuchte man deshalb zunächst wieder, vom N T her selbst eine Antwort zu finden auf die Bedeutung einer einheitlichen Auslegung der Schrift für die Erhaltung der Kirche. Man war sich darin einig, daß nach dem N T die Einheit der Kirche als Leib Christi unzerstörbar ist, und daß sich deshalb nur einzelne Gemeinden oder Glieder abspalten können.323 Wendland zeigte in seinem Referat auf, daß die Einheit im Verlauf der Kirchengeschichte nur dann expliziert wurde, wenn sie bedroht war. Durch die Taufe wurden die Glieder der Kirche zu einem Leib verbunden, durch das Herrenmahl wurde die Einheit der Kirche realisiert und bewahrt und durch den Gehorsam gegenüber der apostolischen Botschaft bzw. durch die Rückkehr zu Christus wurde sie erhalten und wiederhergestellt. Nur die Bezeugung dieser Botschaft könne deshalb die Kirche vor dem Zerfall bewahren und Irrlehren abwehren. Er bemerkte außerdem, daß geistliche Einheit im N T nicht mit theologischer Uniformität gleichzusetzen sei. Man 3Ώ Brunner und von der Gablentz, Prot, der 18.Tagung 1957, 14/15 und 17, Söhngen und Rahner 18. In dieser Diskussion zeigte sich der Einsatz der Exegeten für eine eigenständige Funktion der Exegese innerhalb der katholischen Theologie, wie sie im Vatikanum II dann zum Tragen kam. Zur Position von Kuss vgl. die ausführliche Darstellung dieser Tagung in Abschnitt 2.3.1. a). Die Haltung von Brunner und von der Gablentz wurde von Schmaus überrascht aufgenommen und als Basis für eine fruchtbare Weiterarbeit gewertet 323 Prot., 11. Allerdings faßte man die Grenzen des Leibes Christi nach wie vor unterschiedlich. (Siehe oben unter 2.2.2.).

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habe in der Vielfalt der Verkündigung keine Bedrohung der Einheit gesehen. Sie habe vielmehr davor bewahrt, „falsche Garantien oder Stützen der Einheit zu suchen und diese auf schiefe Entgegensetzungen einzelner theologischer Prinzipien zu gründen."324 Wendland ging sogar soweit, Versuche, eine Einheit der biblischen Schriften von der Rechtfertigung oder von dem Begriff der koinonia abzuleiten, mit der Begründung abzulehnen, diese Begriffe hätten lediglich Ansatzpunkte im NT, stünden aber nicht in Einklang mit der Verkündigung in Eph oder Kor. Im Anschluß an Wendlands These diskutierte man darüber, inwiefern man bei der Vielfalt der Verkündigung im N T dennoch von einer Einheit der Schrift als Voraussetzung für die Einheit der Kirche sprechen könne. Dabei ging man auf evangelischer Seite mit Ausnahme Wendlands gemäß dem reformatorischen Schriftprinzip sehr wohl davon aus, daß eine einheitliche Auslegung der Schriften des N T durch die Orientierung an ihrer Sinnmitte - nämlich der Rechtfertigung durch Christus - gewährleistet sei. Man unterschied zwischen der „Mitte" der Schrift, dem unveränderlich Gegebenen, und deren Auslegung in der situationsbedingten Verkündigung, die häufig in „ad-hoc-Formulierungen" ihren Ausdruck gefunden habe. Eine unauflösliche Einheit beider Elemente der biblischen Schriften sah man jedoch darin, daß die Verkündigung das „Gegebene" gegenwärtigsetzt.325 Darüber, ob die Einheit der Schrift noch als Kanon gedacht werden könne, gab es nicht nur zwischen den Konfessionen, sondern auch innerevangelisch verschiedene Meinungen. Während Brunner an der „spezifischen Inspiration der Schrift" festhielt und ihr deshalb als Kriterium verbindlicher Lehre vor geschichtlichen Neuformungen den Vorrang einräumte, hinterfragte Pannenberg den herkömmlichen Kanonbegriff, weil mehr 324 Als Beispiele nannte er die Entgegensetzung von Geist und Amt oder Wort und Sakrament Vgl. Thesen zum Referat, Anlage zum Protokoll, 1-3. Ein Aufsatz von Gewieß zum Thema „Die Kirche des Neuen Testamentes in der Sorge um die Erhaltung ihrer Einheit" liegt vor in: Unio christianorum, Festschrift für Lorenz Jaeger zum 70. Geburtstag, Paderborn 1962, 160-175, jedoch ohne Vermerk, ob es sich um das Referat bei dieser Tagung handelt. Wie Wendland kommt er hier zu dem Schluß, daß die Einheit der Kirche im N T vorausgesetzt ist und daß sie von Menschen unabhängig, durch Gott gesetzt ist (ebd., 163). Ferner zeigt er anhand von ntl. Texten auf, wo die Kirche damals Entscheidungen zur Erhaltung ihrer Einheit getroffen hat. Er demonstriert, daß Paulus bei theologischen Differenzen vom Bekenntnis her urteilte und je nach der Größe der Unvereinbarkeit mit diesem handelte. Dabei forderte Paulus stets die Berücksichtigung der Bruderliebe (171). Für Gewieß ist außerdem wichtig, daß „die Einheit des christlichen Glaubens und Lebens nicht Uniformität bedeutet, sondern daß in der strengen Bindung an das Evangelium kraft des Geistes der Liebe auch Variationen möglich sind" (175). Im exegetischen Befund wichen die beiden Referenten also - wie so oft - kaum voneinander ab. 325

Prot., 6 / 7 und 9/10.

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und mehr die Unterschiede in der Schrift zutage träten, durch die der inspirierte Kanonbegriff des 17./18.Jh. problematisch geworden sei.326 Katholischerseits legte man Wert darauf, daß allen Schriften des Kanon aufgrund seiner Abgrenzung durch die Kirche gleiche Dignität und Verbindlichkeit gebührten. Man lehnte die protestantische Methode ab, etwas Unaufgebbares herauszufiltern und manche späten Schriften an den Rand zu stellen. Stattdessen stellte man heraus, daß das Lehramt der Kirche als die Entscheidungsinstanz zur Bestimmung der Einheit der Schrift stets geblieben sei, während im Laufe der Zeit unterschiedliche Schriften als zentral angesehen worden seien. Hinsichtlich der Ausgangsfrage, welcher Stellenwert der Kirche für die Heilsvermittlung durch die Schrift neben der unmittelbaren Selbstoffenbarung Christi in ihr zukomme, war man - was bei dem gegenwärtigen Gesprächsstand in dieser Frage nicht verwundert - also keinen Schritt weitergekommen. Das zeigte sich auch an der katholischen Entgegnung auf Pannenbergs Einordnung von Wort und Sakrament als notae ecclesiae vor Personen und Institutionen, die er damit begründete, daß in ihnen Christus unmittelbar begegne, während der Amtsträger in der Verkündigung als Glied der sichtbaren Kirche immer von sich weg auf Christus weise.327 Mörsdorf entgegnete ihm, seine Unterscheidung von mittelbarer und unmittelbarer Heilsvermittlung sei in der Katholischen Kirche durch die Unterscheidung von potestas iurisdictionis und potestas ordinis gegeben. Auch die unmittelbare Heilsveimittlung ordnete man also der gleichzeitig sakramentalen und hierarchischen Wirklichkeit der Kirche zu.328 Die Äußerung Höfers nach diesem Diskussionsabschnitt, daß weder das „Wort" auf evangelischer noch der „Amtsträger" auf katholischer Seite absolut gesehen worden sei, wirkt so gesehen sehr optimistisch.329 Immerhin ging man, Wendland ausgenommen, von der Schrift als Einheit aus, die somit auch die Einheit der Kirche begründet, nicht etwa die Vielzahl der Konfessionen, wie Käsemann zum damaligen Zeitpunkt behauptete.330 Es zeigte sich aber auch, daß durch die verstärkte WahrnehBrunner/Stählin, Prot., 6 / 7 und Pannenberg, 5 und 10. Prot., 18. 328 Zu Mörsdorf vgl. Prot., 15 und 19. Höfer und Schmaus hatten in diesem Zusammenhang einmal mehr die Lehre von der sakramentalen und hierarchischen Wirklichkeit der Kirche nach „Mystici corporis" erläutert (Prot, 14-17). 329 P r o t , 21. 330 Vgl. Kuss, Prot., 5 / 6 und Gewieß, 4/5. Ernst Käsemann hatte damals gerade seine These aufgestellt: „Der neutestamentliche Kanon begründet als solcher nicht die Einheit der Kirche. Er begründet als solcher, d. h. in seiner dem Historiker zugänglichen Vorfindlichkeit dagegen die Vielzahl der Konfessionen" (ders., Exegetische Versuche und Besinnungen, Göttingen 1960, 221 und 223). Er hatte im Anschluß an Bultmanns Kerygma-Theologie das Evangelium nicht einfach mit dem Kanon gleichgesetzt, sondern als nur für den Glauben durch die Verkündigung erfahrbar charakterisiert und deshalb auch nicht einfach die Einheit der Kirche aus der Schrift abgeleitet 326 327

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

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mung der Pluralität der Theologien innerhalb der kanonischen Schriften hinsichtlich des Schrift- und Kanonverständnisses in der evangelischen Theologie etwas in Bewegung geraten war, während katholischerseits vor allem die Dogmatiker, ungeachtet dieser Tatsache, an der Abgrenzung des Kanons durch die Kirche festhielten. 4.1.3. Offenbarung und Wort Gottes Wesentlich für die Diskussion dieser Tagung war auch die Frage nach der Art und Weise der Offenbarung Gottes. Strittig war zwischen den Konfessionen, ob sich die Offenbarung aus der Summe einzelner Offenbarungswahrheiten erheben läßt oder ob zentral nur das eine Offenbarungsgeschehen in Jesus Christus ist. Davon hing die jeweilige Definition der Häresie ab. Auf evangelischer Seite betonte man, daß es nur eine heilsnotwendige Offenbarung Gottes in Christus gebe, auf der die Kirche gründe. Häresie verstand man deshalb grundsätzlich als Abfall von diesem Ganzen. Von Campenhausen wies darauf hin, daß es nach evangelischem Verständnis keine Summe von Einzeloffenbarungen gebe, und daß Abweichungen im einzelnen, nicht heilsentscheidenden Dogma deshalb nicht zum Ausschluß führten. An der katholischen Auffassung kritisierte man vor allem, daß die Fülle der Offenbarung über das Heilsnotwendige hinausgehe und daß Dogmen, wie etwa das Mariendogma von 1950, für heilsnotwendig erklärt würden, ohne daß sie in den apostolischen Schriften grundgelegt seien.331 Während Volk dagegen die Mariendogmen unter Berufung auf die Kirchengeschichte nicht als heilsnotwendig bezeichnete, bemerkte Schmaus, es gehe in der Katholischen Kirche nicht nur um die Vollständigkeit der Offenbarung, sondern alles, was seinen Ursprung in der Offenbarung habe, stehe unter dem „propter nostrani salutem", auch wenn es erst im Laufe der Zeit vom Lehramt festgestellt werde. Alle diese Offenbarungswahrheiten müßten deshalb geglaubt werden, um sich nicht selbst aus der Kirche auszuschließen. Außerhalb der sichtbaren Kirche aber könne der Christ seines Heils nicht mehr sicher sein, da die rechte Vermittlung dann nicht mehr gewährleistet sei.332 Zu den kirchenrechtlichen Auswirkungen dieser dogmatischen Grundentscheidung erläuterte Mörsdorf, nach dem kanonischen Recht werde das Bezweifeln einer Offenbarungswahrheit als Häresie bezeichnet, während es nicht eindeutig sei, ob als Apostasie das generelle Ablehnen der Offenbarungswahrheiten oder das Ablehnen einer existentiellen Wahrheit verstanden werde. Evangelischerseits lehnte man auch diese Unterscheidung ab und zwar insofern, als die altkirchlichen Häresien immer Verstöße gegen das Ganze 331 332

Vgl. von Campenhausen, Prot., 24/25, Brunner, 31/32 und Joest, 23/24. Vgl. Volk, 22 und 26, Schmaus, 28.

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und damit im Grunde Apostasien gewesen seien, stellte jedoch fest, daß es heute neben „Totalhäresien" - unter die man etwa die Anthroposophie einordnete - auch partikulare Häresien - etwa im interkonfessionellen Dialog - gebe. Asmussen nannte daraufhin Marxismus und Nationalsozialismus als Beispiele für Totalhäresien, durch die sich das Verhältnis der beiden Konfessionen, d.h. der „partikularen Häresien", gewandelt habe, fand aber mit dieser Zuordnung keine ungeteilte Zustimmung. Wendland verwies stattdessen auf noch bestehende Totalhäresien innerhalb der Kirche und sprach sich deshalb erstaunlicherweise mit den katholischen Teilnehmern für ein Lehramt aus, um Irrlehren abzuwehren. Brunner entgegnete jedoch, schon im N T seien die „Lügenapostel" klar erkennbar gewesen und der „geistliche Instinkt" bewahre die Kirche vor ihnen. Damit stellte er den Konsens der Gemeinde als Kriterium für die rechte Lehre dem katholischen Lehramt entgegen.333 Diese Auseinandersetzung um die eine Offenbarungswahrheit und die vielen Offenbarungswahrheiten war, wenngleich ohne nennenswerte Ergebnisse im Sinne einer Annäherung, deshalb von Bedeutung, weil sie die kontroversen Auffassungen zum Verhältnis von Schrift und kirchlicher Tradition, die in der 1950 erfolgten Diskussion um das Assumptio-Dogma bereits ausgiebig erörtert worden waren, grundsätzlicher zur Sprache brachte. Gerade auch durch den Austausch über das Wesen der Häresie wurde offengelegt, welches Hindernis für eine ökumenische Verständigung die Forderung einer vollständigen gegenseitigen Anerkennung der kirchlichen Lehrsätze darstellt, wenn die Nichtanerkennung eines Satzes bereits als Häresie bezeichnet werden kann mit der Folge, sich selbst von der Heilsvermittlung der Kirche und damit vom Heil selbst auszuschließen. Nur in dem Votum Volks klang die Möglichkeit an, kirchlichen Dogmen unterschiedlichen Rang im Hinblick auf ihre Heilsnotwendigkeit einzuräumen, die mit dem Hinweis auf die Hierarchie der Wahrheiten je nach ihrem Zusammenhang „mit dem Fundament des christlichen Glaubens"334 im Ökumenismusdekxet des Il.Vatikanum schließlich als Chance für den Vergleich der Lehren angeführt wurde. Der grundsätzliche Unterschied freilich zwischen der Orientierung an der einen heilsnotwendigen Offenbarung in Christus bzw. an ihren vielen kirchlichen Ausdrucksformen bleibt auch dann noch bestehen, wenn man die vielen kirchlichen Einzelwahrheiten nach ihrer Nähe zur Christusoffenbarung verschieden gewichtet Bei diesen Erörterungen klang aber auch an, daß sich die evangelischen Teilnehmer in ihrem Offenbarungsverständnis unterschieden. Pannenberg 333 Vgl. zu Mörsdorf Prot, 26 und 34. Zur evangelischen Position 21-23, 26-29 und 33/34. Vgl. besonders Söhngen und Höfer, 28, Wendland, 21 und 24, Brunner, 21 und 37 und Volk und Schmaus, 30. 334 Dekret über den Ökumenismus, 2. Kapitel, Art 11, in: LThK 13,87-89.

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vertrat nämlich gegenüber von Campenhausen und Brunner sein Verständnis von Offenbarung, das er im Gegenzug gegen die „Wort-Gottes-Theologie" Barths und Bultmanns entwickelte und 1961 unter dem Titel „Offenbarung als Geschichte" veröffentlichte. Er geht nicht von einer einmaligen direkten Offenbarung Gottes aus, sondern sieht sie indirekt in der Geschichte Gottes mit der Menschheit gegeben. Er bezeichnet sie deshalb insofern als Offenbarung in Christus, als in ihm „das Ende alles Geschehens vorweg ereignet ist".335 Die Vielfalt des Offenbarungszeugnisses erklärt Pannenberg aus der Tatsache, daß die Menschen immer nur das als Offenbarung wahrnehmen können, was in der Geschichte schon geschehen ist Es sei deshalb nie vollständig zu erheben, was zur Rettung gehört, sondern immer nur aus der Situation heraus feststellbar, was nicht fehlen darf, „ohne das Ganze zu gefährden". Während also Barth und Bultmann sich gegen die Einbeziehung „natürlicher, außertheologischer" Faktoren in die Theologie gewandt hatten und diese allein auf die übernatürliche Christusoffenbarung gründeten, siedelt Pannenberg die Offenbarung nicht zu Beginn, sondern am Ende der „offenbarenden" Geschichte an und bezeichnet diese als natürlich erkennbar. Die Offenbarung geschieht also für ihn nicht durch das Wort. Dieses ist lediglich „Vorhersage, Weisung und Bericht" derselben. Die breite Diskussion, die Pannenbergs Thesen 1961 auslösten, wurde aber nicht nur im Vorfeld ihrer Veröffentlichung auch innerhalb des ÖAK geführt. Als man sich 1965 das Thema „Deus dixit - Was heißt ,Gott spricht'?"336 vornahm, ergab sich eine interessante Kontroverse mit E. Lohse bezüglich des Verhältnisses von Wort und geschichtlichen Fakten, von Wort und Geschehen. Sie lag wieder darin begründet, daß Pannenberg die nahezu ausschließliche Rede von der Offenbarung Gottes in seinem Wort auf evangelischer Seite als Verkürzung ansah. „Wort Gottes" bezeichnete Pannenberg schon deshalb als keinen guten Begriff, weil der Rückschluß von menschlichem Reden auf die Offenbarung Gottes problematisch sei.337 Er äußerte Bedenken philosophischer Art gegenüber der scholastischen Analogielehre. Dabei bezweifelte er keinesfalls, daß „Wort Gottes" als Metapher eine Seinsbeziehung (zwischen Gott und Mensch) impliziere. Um der Redlichkeit theologischen Denkens willen müßten jedoch die Ubertragungsvorgänge offengelegt werden.338 Pannenberg wies außerdem 335 Vgl. Pannenberg, Wolfhart, Offenbarung als Geschichte, Göttingen 5 1982, 103. Zum Ganzen vgl. 91-114, außerdem Prot., 29 und 31. 336 Diese 26. Tagung fand vom 5.-9.4.65 im Collegium Leoninum in Paderborn statt Ev. Teiln.: Stählin, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, Kinder, B. Lohse, E. Lohse, Pannenberg, Schumann, Skydsgaard, Wendland, Prot. Mumm, entschuldigt: Dietzfelbinger, Anz, Brunner, Joest, Schlink, Westermann, Wolf. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Fries, Höfer, Lortz, Mörsdorf, Pieper, Rahner, Schelkle, Söhngen, Warnach, Gast Bläser, Prot. Krems, entschuldigt: Grosche, Schmaus, Ratzinger, Schnackenburg, Ziegler. 337 Prot., 30. 338 Pannenberg, Prot., 55, zur Diskussion 55/56.

346

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

im Anschluß an die Theologie Richard Rothes und in Abkehr von Karl Barth auf die Vieldeutigkeit des Begriffs „Wort Gottes" hin, die die Exegese aufzuweisen habe. Er führte einige Beispiele unterschiedlichen Gebrauchs in der Bibel selbst auf und erwähnte dabei, daß die Bezeichnung Jesu als Wort Gottes im N T nicht zentral sei und die Aussagen zudem nicht dasselbe besagten (Joh 1 und Apk 19, 13).339 Generell bezeichnete er die Bindung an die Kategorien von göttlichem Reden und menschlichem Hören als nicht speziell biblisch und von daher als nicht verbindlich. Deshalb faßte er Wort Gottes als Metapher für Gottes Selbsterschließung in Christus.340 Während für Pannenberg damit das Christusgeschehen, als hinter allen menschlichen Bezeugungen desselben stehend, glaubensbegründend ist, verteidigte E. Lohse allein das Wort, durch das Gottes Tat offenbar wird, als Glaubensgrundlage. Gegen Pannenberg und Wilckens bestritt Lohse, daß die Ereignisse in der Geschichte, in denen Gott seine Gottheit erweist, innerhalb ihres Geschichtszusammenhangs selbstevident seien und hob den Wortcharakter allen Geschehens, die gegenseitige Beziehung von Wort und Geschehen, als biblisch hervor: 341 „ D a h e r muß der logos tou staurou hörbar werden, weil sich nicht in der Kenntnisnahme vergangener Daten, sondern allein in der Antwort auf das W o r t ewiges H e i l oder ewiges Verderben entscheidet." 3 4 2

Pannenberg bestritt zwar nicht, daß ein Zusammenhang zwischen Geschehen und Wort besteht, sofern Geschehen Wort aus sich heraussetzt, er lehnte aber das Wort als Deutung für Geschehen als moderne Kategorie des 19. Jh. (R. Rothe) ab.343 Obwohl sich der Evangelische Arbeitskreis nur aus Lutheranern zusammensetzte, dachte man, wie diese Auseinandersetzung mit der Theologie des von Pannenberg initiierten „Heidelberger Kreises" erneut zeigt, also doch nicht völlig einheitlich. Den Ausgangspunkt für Pannenbergs Kritik an der Redeweise vom „Wort Gottes" hatten Piepers Ausführungen zum Tagungsthema gegeben.344 Er hatte den Versuch unternommen, das Reden Gottes vom menschlichen Sprechen abzuleiten, indem er zunächst klärte, was das Spezifische am Sprechen des Menschen ist im Vergleich zu anderen Formen mensch-

339

Prot, 2Iff. Prot., 49/50. 341 Prot., 32. 342 Vgl. Lohse, Eduard, Biblisch-theologische Erwägungen zum Thema Deus dixit - Deus dicit, in: EvTh 10/1965, 567-586, 579, zur Auseinandersetzung insgesamt 578/579, zur Lit. vgl. Anm. 10. 343 Prot., 23 und 62. 344 Vgl. Pieper, Josef, Was heißt „Gott spricht?", Philosophische Vorüberlegungen, in: Catholica 19/1965, 171-191. 340

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licher Äußerung. Seine Voraussetzung war eine analogia entis zwischen Geschöpf und Schöpfer, da ein menschliches Tun nicht von Gott ausgesagt werden könne, wenn das radikale Anderssein Gottes vom Geschöpf vertreten werde.345 Damit vertrat er eine Position, die evangelischerseits nicht anerkannt werden konnte, da er rein rational vom menschlichen Reden statt von der Inkarnation, also der Zuwendung Gottes zum Menschen, ausging, obwohl Gottes Anrede menschlichem Reden doch stets vorausgehe. So äußerten sich vor allem Kinder und Skydsgaard.346 Kinder hatte in seinem Referat über das „Wort Gottes nach dem Verständnis der Reformation" das Evangelium als das eigentliche Wort Gottes bezeichnet, aber gleichzeitig das vom Evangelium zu unterscheidende Gesetz unter das „Wort Gottes" gefaßt. Ferner unterschied er zwischen dem ewigen und dem vermittelten Wort Gottes, wobei er die Inkarnation als Verklammerung zwischen beiden faßte. Unter Bezugnahme auf Barths Lehre von der dreifachen Gestalt des Wortes Gottes hob er hervor, daß die bevollmächtigten geschichtlichen Bezeugungen des Wortes Gottes zwar dessen normative Gestalten, nicht jedoch mit ihm identisch seien: „Das in der Bibel grundlegend niedergeschriebene ,Wort Gottes' zehrt von dem geschehenen Wort Gottes (1. Gestalt) und drängt hin zu dem je aktual zu verkündigenden (3. Gestalt)."347

Als grundsätzliche Momente des „Wortes Gottes" nach reformatorischem Verständnis führte er den Theozentrismus an, seine Intention, auf Personen hinzielendes Handeln Gottes zu sein, seine Wirkmächtigkeit (efficacia)348 und seinen Verborgenheitscharakter, wodurch es sich nur dem Glauben nicht dem Sehen mitteile („theologia crucis").349 Auch Schelkle bezog sich in seinen Ausführungen auf die Dreigestalt des Wortes Gottes nach Barth und fügte ihr das „gegenwärtige unmittelbare Wort Gottes"350 hinzu. Er reflektierte auch ausführlich die Frage, inwiefern die Bibel im ganzen Wort Gottes genannt werden könne: 345

A.a.O., 172. Vgl. die 1. Barmer These: Jesus Christus ist das eine Wort Gottes . . . " Demgegenüber verteidigte Fries Piepers Vorgehensweise, zunächst das Vorverständnis dessen zu klären, was Sprechen überhaupt ist Allerdings müsse man immer bereit sein, ein solches Vorverständnis wieder in Frage zu stellen (Prot, 20). 347 Vgl. Kinder, Ernst, Wort Gottes nach dem Verständnis der Reformation, maschinenschriftliches Referat, Anlage zum Protokoll, Akten EvAk, 8. 348 „,Wort Gottes' bedeutet also nicht neutrale, objektive Mitteilung allgemeiner göttlicher Wahrheiten, sondern aktuale Anrede durch Gott als Herrn, durch deren Vollzug etwas geschieht" (a.a.O., 12). Vgl. im Gegensatz dazu Piepers Definition von Sprechen als „mitteilende Kenntlichmachung von Realität" (a.a.O., 181 f.) und Zusammenfassung des Ref., Prot, 4. 349 A.a.O., 10-15. 350 Vgl. j ; e Gliederung in: Schelkle, Karl Hermann, Wort Gottes, in: ders., Wort und 346

348

Grandprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

„Wir werden also die Wörter der Schrift weder einzeln noch in ihrer Summe einfach das Wort Gottes nennen können. Die Schrift in ihrer Gesamtheit kann ja doch deshalb nicht das an den Menschen gerichtete und den Menschen anrufende Wort Gottes genannt werden, weil sie großenteils nicht anruft, sondern Bericht ist Aus dem Bericht muß erst der Anruf abgeleitet werden."351 Die Mitte der Schrift als Wort Gottes im eigentlichen Sinn zu bestimmen, lehnte er ab, da sie schwer eindeutig bestimmbar sei, ferner - damit gab auch er den evangelischen Vorwurf gegenüber dem katholischen Lehramt zurück - einen Versuch darstellen könne, das Wort Gottes verfügbar zu machen und überdies bereits eine Antwort auf das Wort sei.352 Nimmt man zu diesem Votum noch Piepers Ausführungen zum Sprechen als die auf den Hörenden gerichtete Intention353, so wird deutlich, daß von Campenhausens Frage, ob der wesentliche ev.-katholische Unterschied in der Betonung des mündlichen Wortes auf evangelischer und des schriftlichen auf katholischer Seite bestehe, nicht unbedingt bejaht werden konnte.354 Überhaupt war es bei dieser Zusammenkunft schwer, konfessionell entgegengesetzte Positionen auszumachen. Denn so vielfältig die angeschnittenen Aspekte waren, so zahlreich waren die vertretenen Einzelmeinungen auf beiden Seiten. Durch die Kritik Pannenbergs an Piepers Darstellung kam jedoch eine Diskussion in Gang, die das Verhältnis von Gotteswort und Menschenwort in den biblischen Schriften zum Inhalt hatte und damit wieder die Bedeutung menschlicher Vermittlung der Offenbarung sowie die Auswirkungen der Offenbarung auf den Menschen als deren Voraussetzung aufgriff. Man stellte sich nämlich die Frage, ob die Offenbarung den Menschen zu einem „Denken von oben her" befähigt und dadurch Menschenwort als Gotteswort qualifizierbar wird und verneinte dies.355 Wie bei der gesamten unter A. behandelten Auseinandersetzung um die Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch, war auch hier der unterschiedliche philosophische Hintergrund der Anlaß für die Debatte. Dabei wurde auch eingehend das Verhältnis von innerem und äußerem Wort behandelt. Pieper hatte in seine sprachphänomenologischen Erörterungen die thomasische Wortphilosophie miteinbezogen, nach der das lautlose innere Wort (verbum interius oder verbum cordis) als conceptus im Geist des Sprechenden dem ausgesprochenen Wort vorausgeht, das als Zeichen des inneren Wortes verstanden werden kann. Erkenntnis der Wirklichkeit vollzieht sich damit nach Thomas im inneren Wort.356 Pannenberg wandte

Schrift, Düsseldorf 1966, 11-30. 351 A.a.O., 23. 352 A.a.O., 29. 353 Pieper, a.a.O., 184ff. 354 Von Campenhausen, Prot., 15/16. 355 Prot., 56 ff. 356 Pieper, a.a.O., 178/179.

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sich gegen eine solche Trennung von innerem und äußerem Wort. Er hielt die ontologische Vorordnung des inneren Wortes für fraglich. Zwar sehe auch Thomas als Aristoteliker einen engen Zusammenhang zwischen beiden, wie zwischen Leib und Seele, jedoch einen ontologischen, nicht einen sekundären, wie man ihn heute annehme. Eine anima separata (anima forma corporis) könne nach der heutigen Anthropologie aber nicht mehr angenommen werden. Das innere Wort sei immer rückgebunden an den Sprachleib.357 Von katholischer Seite aus begründete man die Notwendigkeit des inneren, geistigen Wortes auch mit der Beauftragung von Propheten oder dem Sprechen der Seligen untereinander, die nicht als lautlich vernehmbare Vorgänge vorgestellt werden könnten. Nur Rahner bestritt zu recht, daß diese zwingend mit einer Wortvorstellung verbunden sein müssen.358 Schelkle hatte in seinem Referat auf den Zusammenhang zwischen logos embiblos und logos ensarkos hingewiesen. „Die Lehre von den zwei Naturen in Christus stellt fest, daß beide unvermischt und ungetrennt verbunden sind. Die Vermischung ist Monophysitismus, die Trennung Doketismus. Auch die Schrift ist beides ganz ganz menschlich und ganz göttlich. Gibt es nicht auch hier Versuchung und Gefahr des Doketismus und des Monophysitismus, wenn man die wahre Menschlichkeit oder die wahre Göttlichkeit der Schrift leugnet oder wenigstens verkürzt und versehrt?"359

Fries fragte von daher die evangelische Seite, was ihr der Begriff der „Fehlsamkeit" bedeute und ob sich über die Irrtumslosigkeit der Schrift von der Christologie her etwas sagen lasse.360 Über diese Voten wurde zwar nicht weiter diskutiert, sie brachten aber zur Sprache, wie sich auch im Bereich der Schriftlehre die grundlegenden Probleme der Anthropologie, Soteriologie und Ekklesiologie wiederholen. 4.2. Die personale Vermittlung der Offenbarung 4.2.1.

Apostolat

Die unterschiedliche Bewertung von sachlicher und personaler Vermittlung der Offenbarung war in besonderer Weise bereits bei der 4. Tagung 1948 Gegenstand der Erörterung, als es um den Apostolat ging und man über die Differenzierung zwischen apostolischer Überlieferung und apostolischer Nachfolge auch die Beziehung zwischen apostolischer Predigt und späterer kirchlicher Überlieferung und damit das Verhältnis von Schrift

357 358 359 360

Prot., 30 f. Prot., 47 f. Schelkle, a.a.O., 30. Prot., 20/21.

350

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

und Tradition zur Sprache brachte.361 Die Tagung wird im Zusammenhang mit der personalen Vermittlung der Offenbarung behandelt, weil die Diskussion über das Subjekt der Unfehlbarkeit und damit insbesondere des Lehramtes, deren Fortsetzung innerhalb des ÖAK im Anschluß behandelt wird, sich durch die gesamte Erörterung zog.362 Die Referate über das Apostolat wurden von Rahner und von Campenhausen gehalten.363 Beide unterschieden sich schon in ihrer Art und Bewertung der Schriftauslegung. Rahner bot im Grunde eine dogmatische Darstellung, ausgehend vom katholischen Lehramt und damit von den Aussagen des LVatikanum über die Stellung des Petrusamtes im Dienste der Einheit von Priestern und Gläubigen. Aus dieser Funktion leitete er die Beziehung des Apostolats zur Kirche ab. Als „Urzelle der Kirche"364 bezeichnete er die zwölf Apostel. Dabei problematisierte er weder die Zwölfzahl noch die Gleichsetzung der Zwölf mit den Aposteln aufgrund der verschiedenen Aussagen in der Schrift. Als Inhalt der apostolischen Vollmacht bezeichnete er die drei Ämter (Lehr-, Hirten- und sakramentale 561

Die Tagung fand zum Thema „Apostolat und Schrift und Tradition" vom 3.-7.1.48 im Theologenkonvikt des Erzbistums Paderborn in Bad Driburg statt Kath. Teiln.: Jaeger, Höfer, Rahner, Grosche, Hasenkamp, Mörsdorf, Pascher, Pieper, Pollet, Söhngen, Warnach. Ev. Teiln.: Stählin, Schlink, Brunner, von Campenhausen, von der Gablentz, Krüger, Maurer, Schlier, Wolf (vgl. private Niederschrift Stählins, Akten EvAk). Seit dieser Tagung nahm H. H. Wolf nicht mehr nur als Protokollant, sondern als Vollmitglied teil (Schlink an Wolf 27.7.47, Korr EvAk). Als neue Mitglieder waren im Vorfeld dieser Tagung Mörsdorf und Poschmann für die katholische und Skydsgaard für die evangelische Seite vorgeschlagen worden, den Stählin und Schlink bei einer Tagung des Fortsetzungsausschusses für Faith and order in Ciarens am Genfer See kennengelernt hatten. Stählin war Mitglied in der Faith and Order-Kommission für Ways of Worship (Via Vítae, 537/538). Skydsgaard war damals in der Forschungsabteilung des ÖRK zuständig für das Gespräch mit der Röm.-katholischen Kirche und hatte dazu nach Einschätzung Stählins eine wichtige Arbeit vorgelegt. Die Tagung sollte ursprünglich im September 1947 als zweite Tagung in diesem Jahr stattfinden, wurde aber wegen der Absage von drei Referenten und Erzbischof Jaeger verschoben (Stählin an Höfer am 12.9.47 und 23.9.47, Korr EvAk). 362 Die Tagung wird in dieser systematischen Darstellung in einem anderen Zusammenhang behandelt als dem chronologisch vorgegebenen. Das Thema der 4. Tagung setzte nämlich das Gespräch der 3. Tagung über die natürliche Gotteserkenntnis insofern unmittelbar fort, als es jetzt um die Frage ging, in welcher Form die Offenbarung Jesu Christi den Menschen trifft, die nach der gemeinsam formulierten 6. These der vorausgegangenen Tagung allein die Erkenntnis Gottes ohne Verkehrung ermöglicht. An diese Themen der dogmatischen Prinzipienlehre schlössen sich die bereits behandelten aus der Lehre von der Heilszueignung an (Glaube 5. Tagung, Rechtfertigung 6. Tagung, Bekehrung 7. Tagung). Sie standen wiederum in logischem Bezug zur Lehre von der Offenbarung, da sie die Auswirkungen der Offenbarung für den Einzelnen zum Inhalt hatten. (Siehe oben I. 4.3. zur Themenwahl). 363 Rahners Referat wurde nicht veröffentlicht, von Campenhausens Referat liegt vor in seinem Aufsatz „Der urchristliche ApostelbegrifP, Studia theologica I, Lund 1948, 96-130. In der persönlichen Niederschrift Stählins sind jedoch dessen Zusammenfassungen der Referate enthalten. 364 Hierzu und zur gesamten Darstellung Rahners vgl. die Zusammenfassung in Stählins Niederschrift der Tagung, 1/2.

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Gewalt). Obwohl die besondere Stellung des Petrus im N T nicht aktuell gewesen sei, weil alles in brüderlichem Einvernehmen geregelt wurde, billigte er dem Petrus den Jurisdiktionsprimat über die anderen „Apostel" zu. Als Merkmale des Apostolats, die nicht an die Nachfolger der Apostel weitergegeben werden können, nannte er die unmittelbare Berufung durch Christus, die Begegnung mit dem Auferstandenen und das unmittelbare Verhältnis zu Christus.365 Von Campenhausen hingegen setzte bei den Aussagen des N T über die Apostel an und behauptete, eine geschlossene evangelische Lehre vom Apostolat lasse sich nicht entwickeln. Ihm war es wichtig, die Vielschichtigkeit des ntl. Zeugnisses über das Apostolat darzulegen, indem er auf die Sprachgeschichte des Begriffs apostolos, dessen Bedeutungsstufen, die Ausprägung dogmatischer Begriffe und die Normativität des Apostolats für die Lehre der Kirche einging. Den ntl. Begriff apostolos leitete er gemäß dem Konsens in der Forschung vom jüdischen Sprachgebrauch ab, der im Gegensatz zum klassischen die persönliche Bevollmächtigung beinhalte (apostellein als Ubersetzung von hebr. schalach). Des weiteren hob er den vielfältigen Gebrauch des Apostelbegriffs im N T hervor, dessen Stifter keinesfalls Jesus selbst gewesen sei. Während Joh den Aposteltitel für die Zwölf nicht verwendete und bei Mk und Mt das Wort nur je einmal vorkommt, geben die lukanischen und paulinischen Schriften, so von Campenhausen weiter, maßgeblich Auskunft über den Apostelbegriff. Lukas beschränkt den Gebrauch des Begriffs auf die Zwölf und überträgt somit den späteren Gebrauch auf die Zeit Jesu. Paulus bezieht einen wesentlich weiteren Kreis mit ein (Rom 16,7; Gal 1/2, l . K o r 12,28; nachpaulinisch Offb 2,2). Wie Rahner entnahm von Campenhausen dem N T die Augenzeugenschaft des Auferstandenen als Begründung des Apostolats. Als dessen Charakteristika beschrieb er ausgehend von Paulus die Evangeliumsverkündigung, Mission und Gemeindegründung, im Anschluß an Lukas die Zeugenschaft von Leben und Auferstehung Jesu sowie die Lehr- und Leitungsfunktion in der Kirche. Hier sah von Campenhausen den Ausgangspunkt für die maßgebliche Bedeutung des Apostelamts in der Folgezeit. Er gab jedoch eine genuin evangelische Position wieder, indem er eine „Lehre" vom Apostelamt in den paulinischen Briefen bestritt und das Herantragen einer rechtlichen Bestimmtheit und Eigenständigkeit des Apostelbegriffs bei Paulus ablehnte. Dies war ebenso der Fall, wenn er von einem „dialektischen Verhältnis" der Gemeinden zur apostolischen Autorität sprach, sofern sie dieser Gehorsam schuldeten, aber auch zur Beurteilung ihrer Lehre berufen und befähigt waren.

365

A.a.O., 1/2.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Wesentlich war, daß er betonte, diese apostolische Autorität gründe nicht in einer Unfehlbarkeit der Person, sondern im Evangelium: „Der Versuch, die Glaubwürdigkeit des Christuszeugnisses dadurch zu erhöhen, daß die Zuverlässigkeit der Zeugen zusätzlich gelehrt wird und Glauben fordert, kann nur den Emst und die Unmittelbarkeit der Glaubensentscheidung stören, ohne daß die paradoxe Auferstehungsbotschaft als solche dadurch glaublicher gestaltet würde, als sie es an sich selbst dem Glauben sein wird und dem Unglauben nicht sein kann. Wer aber umgekehrt das Zeugnis gegen die Vollmacht der Apostel ausspielen wollte, würde dessen geschichdichen Sinn verkennen und auflösen."366

Aus dem Vergleich beider Referate wird deudich, daß damals auf katholischer Seite die Dogmatik auf der Basis der kirchlichen Lehraussagen gegenüber der Exegese noch ein eindeutiges Übergewicht hatte und die Exegese stark beeinflußte, und daß man der historisch-kritischen Schriftforschung noch erhebliche Vorbehalte entgegenbrachte. Demgegenüber zeigen von Campenhausens Ausführungen, daß er die Relevanz einer gemeinsamen, durch die historisch-kritische Forschung ermöglichten, exegetischen Basis für den ökumenischen Dialog längst erkannt hatte: „... alle Kontroversen zwischen der griechisch- und römisch-katholischen, zwischen der römisch-katholischen und der reformatorischen Kirche spiegeln zugleich ihr kontroverses Apostelbild wieder, ... und auch mit Rücksicht auf das ungeheuere dogmatische Gewicht, das der Apostelbegriff im Lauf der Jahrhunderte gewonnen hat, dürfte es heute nützlich sein, ihn einmal ganz für sich in seiner ursprünglichen Bedeutung zu betrachten."367

Zwei grundsätzliche hermeneutische Fragen kamen infolge dieser verschiedenen Positionen bei der Diskussion auf: 1. Ist die Schrift historische oder dogmatische Grundlage? 2. Stellt das biblische Zeugnis eine Einheit dar oder handelt es sich um eine Zusammenstellung vielfältiger Positionen?368 Besonders Rahner pochte auf ein einheitliches Zeugnis des N T über die Zwölf als Apostel, wie es Lukas wiedergibt, mit der Begründung, der Kanon sei normativ und somit wörtlich zu verstehen. Von Campenhausen verdeutlichte erneut, daß das N T als historische Urkunde auf seine Entstehung aus verschiedenen Überlieferungen hin zu untersuchen sei, aus denen sich auch das Apostelbild des Lukas zusammensetze. Die Aussagen des N T könne man nicht ohne Weiteres gleichsetzen, vielmehr müsse auf das Besondere der einzelnen Schriften gehört werden. Dies bedeute aber nicht, daß die „eine Aussage gegen die andere ausgespielt werden solle ... Je voraussetzungs366 Von Campenhausen, Hans, Der urchristliche Apostelbegriff; Zitat 130. Vgl. auch Stählins Niederschrift zur Tagung, 2/3. M Der urchrisdiche Apostelbegriff, 97. 368 Vgl. dazu die Ausführungen zu Einheit und Vielfalt der Schrift in Abschnitt 4.1.2.!

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loser man an das Neue Testament herangeht, desto leuchtender zeigt sich die Harmonie."369 In den Referaten von Peter Brunner und Gottlieb Söhngen zeigte sich erneut, aus welch unterschiedlichen Perspektiven beide Seiten die apostolische Überlieferung in den Blick nahmen. Während Söhngen sich dem Sachverhalt von den Nachfolgern der Apostel als den „amtspersönlichen Trägern der apostolischen Überlieferung" her näherte, entwickelte Brunner von den Gnadenmitteln Evangelium und Sakramente her seine Ausführungen. Während Söhngen also die personale Vermittlung der apostolischen Überlieferung voranstellte, ging Brunner von der „sachlichen" Vermittlung aus.370 Söhngens Anliegen war es, zunächst den Unterschied zwischen den Aposteln und den durch apostolische Sukzession in deren Nachfolge stehenden Bischöfen zu benennen, um die Begriffe „apostolische Überlieferung" und „apostolische Nachfolge" für die nachapostolische Zeit zu problematisieren371 und sodann zwischen Jesu Verkündigung und apostolischer Predigt einerseits und kirchlicher Überlieferung andererseits zu differenzieren. Indem er Verkündigung Jesu und apostolische Verkündigung zusammen als Gegenstand (depositum fidei) der kirchlichen Überlieferung bezeichnete, wandte er sich gegen die Tübinger Schule, für die apostolische Verkündigung und mündliche kirchliche Überlieferung ineinander aufgehen. Für ihn entwickelt sich kirchliche Überlieferung zur Fülle und ist daher geschichtlich, während apostolische Verkündigung die Fülle bereits am Anfang ist und somit einen Fixpunkt darstellt, der durch die schriftliche Fixierung in Form des Kanons noch unterstrichen wird.372 Söhngen hob, ganz im reOffizielles Protokoll, 1. 370 Yg] Söhngen, Gottlieb, Überlieferung und apostolische Verkündigung, in: ders., Die Einheit in der Theologie, München 1925, 3 0 5 - 3 2 3 und Brunner, Peter, Schrift und Tradition, in: ders., Pro ecclesia I, Berlin/Hamburg 1962, 23-39. Zusammenfassungen in Stählins Niederschrift, 5 - 9 . 369

371 Söhngen bot in seinem Referat auch eine exegetische Zusammenstellung der ntl. Aussagen über die Apostel, bei der er den Unterschied zwischen Jüngern und Aposteln hervorhob, wobei er beiden dieselbe Aufgabe zuschrieb, die Apostel aber als „Ursprünge" bezeichnete und ihnen die Zwölf als die ersten Jünger nachordnete, um die einzigartige Stellung der Apostel zu betonen. Diese hob er auch im Vergleich zu den Vorstehern der Gemeinden in den Pastoralbriefen hervor (a. a. O., 307-309). E r zeigte damit weitaus mehr Bewußtsein für historische Exegese als Rahner. m A . a . O . , 317-323. Söhngen setzte sich hier vor allem mit J . R. Geiselmanns Buch „Lebendiger Glaube aus geheiligter Überlieferung - Der Grundgedanke der Theologie Johann Adam Möhlers", Mainz 1942, auseinander, in dem als Grundsatz von Möhlers Theologie Christus als „Anfang in der Fülle" herausgestellt wird. E r führte u.a. aus: „Die Strenge des Überlieferungsbegriffes wird sich bei der Bestimmung des Verhältnisses von Schrift und Überlieferung auswirken. Auch darin kann ich . . . nicht ungeteilt mit Sailer, Drey und dem Möhler der ,Einheit in der Kirche' gehen. Mit Recht sehen auf Sailers Spuren Drey und Möhler die Schrift sich im umfassenden Ganzen der Überlieferung befinden. Aber darüber kommt bei dem nicht genügend kritischen Überlieferungsbegriff meines Erachtens zu kurz,

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

formatorischen Sinne, sehr stark die Bedeutung des Schriftwortes für die Vergegenständlichung der apostolischen Überlieferung hervor, obwohl er, wie Brunner übrigens auch, ebenso von einem mündlichen Strang apostolischer Überlieferung ausging.373 Er interpretierte damit die tridentinische Gleichsetzung von Schrift und Tradition eindeutig im Sinne einer Vorrangstellung der Schrift, wenngleich er nicht von der Suffizienz der Schrift ausging, wie es Geiselmanns Interpretation des Tridentinum schon im Vorfeld des II. Vatikanum ermöglicht hätte.374 Auch die zum reformatorischen Schriftprinzip gehörige Lehre von der Selbstinterpretation der Schrift konnte er, wenn er der katholischen Lehre treu bleiben wollte, nicht proklamieren. Vielmehr gab er als Autorität für die Übereinstimmung kirchlicher Lehre mit der Schrift das kirchliche Glaubensbewußtsein als gemeinkirchliches Glaubenszeugnis und in Gestalt der „lehramtlichen Geltendmachung als Glaubensrichtschnur"375 an. In seiner Betonung der Schrift als norma normans für die kirchliche Überlieferung, näherte er sich jedoch in der ihm eigenen Weise der evangelischen Position in einem Maße, wie dies zum damaligen Zeitpunkt erstaunlich was es bedeutet, daß die Schriften des Neuen Bundes unmittelbar zur apostolischen Verkündigung gehören und so im unmittelbaren Zusammenhang mit der Christusoffenbarung stehen. Das Neue Testament als schrifdicher Niederschlag der urkirchlichen Überlieferung, diese Rede können und müssen auch wir weiterhin gelten lassen, aber mit dem nötigen kritischen Vorbehalt: Die Bücher des Neuen Testaments sind Niederschrift der Überlieferung im Ursprung, und zwar vom Heiligen Geist eingegebene Niederschrift und so apostolische oder kanonische ί/rkunden, und zwar mit dem Alten Testament zusammen die alleinigen. Die Heilige Schrift ist mithin Ursprung der Uberlieferung, wenn auch nicht ihr alleiniger" (a.a.O., 320). Söhngen kritisierte hier in einem wesendichen Punkt die vom organischen Entwicklungsgedanken des Idealismus beeinflußte katholische Schule mit ihrem „Begriff der sich selbst fortsetzenden und damit sich selbst lebendig überliefernden Offenbarung", wie ihn vor allem von Drey in seiner „Apologetik" entfaltet hatte. Vgl. dazu Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte Bd. 3, Göttingen 1988, 1/3 Die Tübinger Schule, 304-309, Zitat 305. 373 Söhngen, a.a.O., 322: „Das apostolische Lehrwort als bewußtseinsunabhängiger Gegenstand der kirchlichen Überlieferung macht uns den tiefsten Grund sichtbar, warum wir außer der mündlichen Überlieferung noch eine zweite und ebenfalls selbständige Quelle für unsere Erkenntnis der Offenbarung besitzen in der Heiligen Schrift Ohne das Schriftwort würde das Gegenübersein des apostolischen Lehrwortes in die reine Bewußtseinsgegebenheit der Überlieferung aufgehen. Auch wenn uns das Schriftwort gerade als apostolisches Glaubenswort nie anders als durch, in und mit dem Glaubensbewußtsein der lebendigen Überlieferung gegeben ist, ... so ist uns doch das apostolische Glaubenswort gerade als Schriftwort unabweisbar in seinem Vorgegeben- und Gegenübersein gegeben." 374 Geiselmann hinterfragte bekanntlich in Fortsetzung der Denkrichtung der Tübinger Schule - vor allem J. E. v. Kuhns - in seiner Veröffentlichung „Die Hl. Schrift und die Traditionen", Freiburg 1962, kritisch das Verhältnis von Schrift und „ungeschriebener" Tradition der Kirche und kam zu der Überzeugung, daß mit dem unbestimmten „et" in Trient einer Definition des Verhältnisses ausgewichen wurde, und die Formulierung somit Raum lasse für die Behauptung der Suffizienz der Schrift (Vgl. Handbuch d. Dogmen- u. Theologiegeschichte Bd. 3, 305 ff.). 375 Überlieferung und apostolische Verkündigung, 321.

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war, vergleicht man die Dogmatisierung des Mariendogmas kurze Zeit später, für das es nach evangelischer Auffassung keinen expliziten Schriftbeleg gibt. 376 Brunner kam in seinem Referat zu dem Ergebnis, daß die viva vox Evangelii alleinige Autorität in der Kirche ist, sofern sie sich an der schriftlichen Gestalt des apostolischen Wortes orientiert: „Neben der schriftlichen Gestalt des apostolischen Wortes kann keine Instanz genannt werden, der eine gleiche Autorität zukommt, da die Feststellung der Echtheit einer über die Schrift inhaltlich hinausgehenden apostolischen Überlieferung nicht möglich ist, ohne die Einmaligkeit der apostolischen Autorität und damit diese Autorität selbst zu vernichten."377 Autorität hat also nicht der Amtsträger, sondern das Evangelium. Daher kann das Dogma als mündliches Zeugnis immer nur dann Autorität für die Verkündigung der Kirche haben, wenn es unter, nicht neben, der schriftlichen Gestalt des apostolischen Wortes steht. Die Schrift ist deshalb suffizient und alle übrigen Überlieferungen sind nicht heilsnotwendig. Sie zu akzeptieren ist, sofern sie nicht gegen das Evangelium verstoßen, den Gläubigen überlassen. 378 Brunner hatte also das evangelische Sola scriptura-Prinzip erörtert, mit den Elementen der inhaltlichen Suffizienz der Schrift, ihrer Selbstinterpreta376 Eine ähnliche Position vertrat Robert Grosche in seinem Aufsatz „Schrift, Überlieferung und Kirche", in: ders., Pilgernde Kirche, Freiburg 1938, 205-217. Er bemängelte, daß die zu dieser Zeit einsetzende Bibelbewegung noch nicht „zu einer Besinnung auf den theologischen Ort der Schrift" geführt habe (a.a.O., 205/206). Bis dahin hatten die Päpste seit Pius X auf die Bedeutung der Exegese und die religiöse Bedeutung der Bibel für alle Gläubigen hingewiesen. Zuletzt Benedikt X V mit der Hieronymus-Enzyklika von 1920 (Kürzinger, J., Art. Bibelbewegung, in: LThK 2,344 ff.). Erst mit der Bibel-Enzyklika „Divino afflante spiritu" Pius' X I I 1943, der sogenannten „Befreiungsenzyklika", wurde die histor.-krit. Methode „ausdrücklich als der Bibel angemessen und notwendig" anerkannt (Schmid, J., Art. Exegese, in: LThK 3, 1290). Dieses Bewußtsein mußte sich aber erst durchsetzen, wie etwa die skeptische Haltung Rahners noch 1948 beweisL Grosche legte wie Söhngen größten Wert auf die Unterscheidung zwischen mündlicher apostolischer Tradition und der späteren Überlieferung, die allein von evangelischer Seite als „menschliche Überlieferung" abgelehnt werde (a. a. O., 206). Er betonte ferner, daß die Schrift „Wort Gottes" sei und deshalb die Kirche nicht Herrin, sondern nur Verwalterin der Schrift. Er trat ferner für die Zusammenschau von A T und N T ein und forderte die christologische Deutung beider. Viel Verständnis zeigte er für die große Bedeutung, die die Schrift als Zeugnis des geschichtlichen Christus für den vom Idealismus bedrohten Protestantismus hat. Gleichzeitig forderte er neben der philologischen und historischen Exegese die Beibehaltung der allegorischen Auslegung gemäß den Vätern. Er versuchte somit auf dem Weg über die „Väter" die Bedeutung der Schrift(auslegung) auch für die katholische Theologie einsichtig zu machen: „Die Rückkehr zu den Vätern muß also auch eine Rückkehr zur Heiligen Schrift bedeuten, und es ist zu hoffen, daß auch hier ein Weg sich auftut, auf dem die getrennten Brüder einander begegnen können" (217). 377 378

Schrift und Tradition, 39. Ebd.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

tion und ihrem Charakter als norma normans. Die Realität mündlicher Überlieferung in der Kirche klammerte er dabei nicht aus, jedoch erläuterte er, wie problematisch die Beurteilung ihrer Übereinstimmung mit dem apostolischen Ursprung durch Instanzen außerhalb der Schrift ist Wird sie von einem infalliblen Lehramt festgesetzt, so werde der Inhalt des Evangeliums „dann nicht mehr aus dem apostolischen Wort, sondern aus Inspiration, aus der von dem Amtscharisma gewirkten Inspiration"379 gewonnen. In dem wesentlichen Punkt der Funktion der Schrift als norma normans kirchlicher Tradition stimmten die Referenten unter Zustimmung des Plenums also überein. In der Frage nach der Suffizienz der Schrift kam es jedoch zu keiner Einigung, wie auch aus den 6 gemeinsamen Thesen hervorgeht, die nach gründlicher Diskussion einer Vorlage Brunners immerhin von allen angenommen wurden: „1. Kraft des bevollmächtigenden Wortes des Auferstandenen und kraft des empfangenen Heiligen Geistes ist die Verkündigung der von Christus beauftragten Zeugen seiner Auferstehung das rettende Wort Gottes, das von allen, die es hören, Glauben fordert 2. In der gläubigen Annahme des Wortes der Apostel enthüllt sich zugleich mit dem inneren sachlichen consensus dieses Wortes die wirksam gewordene Vollmacht, die Christus den Aposteln gegeben hat. 3. Das Wort der Apostel ist als norma normans die bindende Autorität für alle Lehre und Verkündigung der Kirche. [Zustimmung erfolgte ohne Diskussion und Abänderung der ursprüngl. Vorlage! Anm.d. Vf.] 4. Das Bekenntnis oder das Dogma der Kirche hat, weil es norma normata ist, allein kraft seiner sachlichen Ubereinstimmung mit dem Wort der Apostel konkrete Autorität für die Verkündigung der Kirche. (Zustimmung aller, da vom Wort, nicht von der Schrift gesprochen wird.) 5. Die Heilige Schrift des N.T. ist das Wort der Apostel in seiner kanonischen Gestalt. Durch das Wort der Apostel ist auch das AT. als notwendiger Bestandteil des Kanon bezeugt 6. In der Frage, ob ein Wort der Apostel besteht, das seinem sachlichen Inhalt nach nicht in die Schrift eingegangen ist, und wie es gegebenenfalls Quelle für Lehre und Verkündigung der Kirche werden kann, fordern die Differenzen der Gesprächspartner weitere theologische Klärung."380 A.a.O., 37. Offizielles Protokoll, 10-16. Folgenden beiden Thesen Brunners konnte wegen ungenügender Klärung des Verhältnisses von traditio constitutiva - von Söhngen definiert als i. Ggs. zur traditio inhaesiva zur Schrift hinzukommende unmittelbare apostolische Tradition, deren Kriterium die regula fidei als norma normata verstanden ist und die nur wenige Sachverhalte betrifft, die nicht Glaubensinhalt betreffen (Kindertaufe u. Siebenzahl der Sakramente) (a.a.O., 6) - und Schrift von katholischer Seite aus (Rahner) nicht zugestimmt werden: „6. Eine Verkündigung des Evangeliums und eine Verwaltung der Sakramente, die mit dem in die Heilige Schrift eingegangenen Wort der Apostel sachlich übereinstimmen, sind hinreichende Mittel für das Heil der Gläubigen. 7. Es kann nicht gezeigt werden, wie das Wort der Apostel, das sachlich nicht in die Schrift eingegangen ist, Quelle der Lehre und Verkündigung der Kirche werden kann" (a.a.O., 15/16). 3,0

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Insofern, als erst die Bejahung der Suffizienz der Schrift für das Heil auf beiden Seiten die Basis für ein ökumenisches Gespräch darstellt, wie Brunner es formulierte, 381 war das Ergebnis der Diskussion nicht befriedigend. Es ist aber festzuhalten, daß Söhngen massiv das reformatorische sola scriptura verteidigte, gegen Volk und Pascher vor allem, die darin eine Reduzierung des Glaubensgutes sahen, und deshalb das sola traditione hervorhoben, wobei sie das Glaubensbewußtsein der Kirche als Sicherheit zur Beurteilung der Tradition stark machten. Brunner und Schlier machten umgekehrt von evangelischer Seite her die Tradition stark.382 Die Kontroverse bestand damit nicht einfach in der Betonung der Tradition auf katholischer und der Schrift auf evangelischer Seite, sondern in der Frage der Zusammengehörigkeit und Zuordnung beider, in der - wie die Thesen zeigen - ein hohes Maß an Gemeinsamkeit erreicht wurde.383 4.2.2. Unfehlbarkeit und Lehramt Die kontroverse Diskussion über das Subjekt der Unfehlbarkeit in der Kirche durchzog die gesamte Tagung. In dieser Frage war eine Einigung nicht einmal ansatzweise möglich. Auf evangelischer Seite wurde einhellig die Position vertreten, Unfehlbarkeit könne sich nie auf Instanzen beziehen, sondern nur auf Christus und sein Evangelium. Sie sei ferner keine Blankovollmacht, sondern werde je und je vom Hl. Geist gewirkt. Eine Sicherung durch eine formale Unfehlbarkeitslehre schloß man aus.384 Katholischerseits beharrte man auf der Infallibilität der Apostel und des Lehramtes, wobei Mörsdorf als Kirchenrechtler jedoch den Unterschied zwischen der Person und ihrem Amt hervorhob: Während der Papst seine Hirtengewalt, die seiner Amtsgewalt entspricht, verlieren kann, gilt dies für die Weihegewalt nicht. Weil es keinen Richter über den Papst gibt, kann dieser auch nicht abgesetzt werden; bei offenkundiger Häresie ist er

381

A.a.O., 13. A.a.O., 12-14. Schlier äußerte sogar: „...der breite Strom der viva vox evangelii läßt sich nicht einfangen in die Schrift und ist praktisch nicht eingefangen" (13). 383 Stählin hat in seiner Niederschrift eine Diskussion darüber festgehalten, „ob die katholische Kirche von keinem Dogma sagen würde sola traditione". Pascher meinte, die Kirche würde in der gegenwärtigen Situation sehr wohl nur ex traditione begründen, Höfer wandte ein, dazu gäbe es noch keine festen theologischen Erkenntnisse, Grosche fügte hinzu, dies sei nie geschehen (12/13). Diese Voten sind von Interesse im Hinblick auf die Krise, in die der OAK zwei Jahre später geriet, als das Assumptio-Dogma sehr wohl ohne konkreten Anhaltspunkt in der Schrift dogmatisiert wurde. Überhaupt lassen sich die entspannte Atmosphäre dieser Tagung und vor allem die gemeinsam erstellten Thesen zu dieser Thematik nur daraus erklären, daß sie vor der Dogmatisierung stattfand. 384 So von Campenhausen, Prot., 5, Brunner, 5, Schlink, 7, zur „Blankovollmacht" vgl. Schlier, der sich auf Paulus bezog, welcher sich seiner Unfehlbarkeit zwar bewußt gewesen sei, sich aber zugleich als Angefochtener erfahren habe. 382

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

aber nicht mehr Papst, was wiederum praktische Konsequenzen nach sich ziehen kann.385 Ausgiebig diskutierte man, ob Gal 2 und Apg 11 gegen die Unfehlbarkeit des Apostel Petrus sprechen, wobei Volk hier in erster Linie einen Disziplinarfall sah und diese Stellen für dogmatisch belanglos hielt.386 Vermittelnd war Schlinks Feststellung, das Evangelium müsse stets als Gegenüber der Kirche verstanden werden, eine absolute Autorität gebe es nicht, und vor allem die Tatsache, daß Söhngen Schlinks Definition der Infallibilität ausschließlich von der Sache her bejahte.387 Von Campenhausen stellte abschließend fest: „Die Frage der Unfehlbarkeit ist nicht beantwortbar und im Grunde auch ohne Bedeutung. Entscheidend ist, daß die Wahrheit des Evangeliums von dem Apostel bejaht und festgehalten wird. Die Glaubwürdigkeit der Apostel besteht darin, daß sie getragen sind von der Wahrheit des Evangeliums. Normativ ist das Zeugnis. In der Anerkennung des normativen Zeugnisses gibt es ökumenische Verständigung zwischen einzelnen und ganzen Kirchen. Die Unfehlbarkeit erscheint von daher unwichtig."388

Damit wurden bereits 1948 Möglichkeiten aufgezeigt, wie der Gegensatz zwischen der Bindung der Unfehlbarkeit an Institutionen bzw. an das Evangelium zu überbrücken wäre. Die Diskussion um das Lehramt kam im Laufe der Jahre bei der Behandlung des Papstamtes und des Kirchenrechts nur jeweils am Rande auf. Als sich aber Karl Rahner 1969 bei der Thematik „Autorität in der Krise" in seinem Referat auf den Autoritätsverlust des Lehramtes, dessen Ursachen und Chancen seiner Überwindung konzentrierte, nahm er genau diesen kontroverstheologischen Gegensatz als innerkatholisches Problem wieder auf. Seine damalige Intention, „die in dieser Lehre unbedacht steckende Problematik zu entdecken als ein Ferment einer Weiterentwicklung dieser Lehre, die dann auch vielleicht eher Aussicht hat, mit der die Lehrautorität der Kirche bedrohenden Krise von heute fertig zu werden", 389 385

Prot., 9/10. Prot., 2/3. Warnach und Schlier diskutierten, ob Gal 1,8,2. Kor 11 und 2. Kor 4 für eine generelle Unfehlbarkeit des Amtsträgers oder für eine ihm nur aufgrund des ihm Widerfahrenen zukommende sprechen. 387 Prot., 3 und 9. Schlinks Thesen zur Infallibilität: „1. Christus, Heiliger Geist, Charisma sind infallibel. 2. Auch in den Zeugnissen der Apostel liegt faktisch Infallibilität vor. 3. Die Anerkennung der apostolischen Infallibilität ist nur möglich in Heiligem Geist Paulus ringt darum, daß diese Einheit sichtbar wird. 4. Das kanonische Zeugnis der apostolischen Verkündigung ist Richterin über die Infallibilität" (9). 388 Prot., 10. 389 Vgl. ders., Das kirchliche Lehramt in der heutigen Autoritätskrise, in: Krems, Ger386

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ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch mindestens ebenso aktuell. Eine wesentliche Ursache des Autoritätsverlustes des Lehramtes sah er darin, „daß man diese echte Menschlichkeit der konkreten Wahrheitsfindung des kirchlichen Lehramtes immer noch zu verbergen sucht, offenbar weil man den Eindruck hat, der Glaube an den göttlichen Beistand für das Lehramt schwinde oder sei bedroht, wenn der normale Christ erfahre, durch welche konkreten Personen, durch welche Institutionalismen und Prozeduren, unter welchen Kämpfen, Diskussionen, Parteilichkeiten usw. eine solche Wahrheitsfindung zustandekommt" 390

Damit hatte er sich gegen einen rein formalen Autoritätsanspruch des Lehramtes gepaart mit einer „geheimnisvollen Unnahbarkeit" gewandt, die aus einer undurchsichtigen Vermengung des menschlichen Wirkens mit dem göttlichen Wirken resultiere, in dem es letztlich völlig aufgehe: „Man geht dabei stillschweigend von der ,synergistischen', extrinsezistischen Voraussetzung aus, Gottes Eingreifen fange dort an, wo der Mensch mit seiner Bemühung aufhöre, während doch in Wirklichkeit Gott in und durch eben dieses Menschliche wirkt und sein Wirken nicht eine partikulare Größe neben diesem ist" 3 9 1

Im Anschluß an die Aussagen des II. Vatikanum zur Ableitung des Lehramtes aus der Gesamtkirche und seiner Unfehlbarkeit aus deren Unfehlbarkeit hatte er also die Menschlichkeit lehramtlicher Entscheidungen in den Vordergrund gestellt und begegnete damit auch ein Stück weit der evangelischen Kritik an der überhöhten Bestimmung eines Menschen als „Garanten" der Wahrheit. Dies unterstrich er durch die Folgerung, daß - sofern die Bischöfe durch ihre theologische Sachkompetenz und nicht formal durch ihre Bischofsweihe gemeinsam mit dem Papst das Lehramt ausüben - iure humano auch Nichtbischöfen dieses Recht eingeräumt werden könne. Wesentlicher war jedoch seine Feststellung, daß das Lehramt in der Hierarchie der Wahrheiten einen „relativ sekundären" Platz einnehme und noch dazu eine schwerer zu glaubende Wahrheit sei als die fundamentalen und heilsbedeutsamen. Daraus folgerte er, daß das Lehramt seine Autorität nur durch seine Orientierung am Evangelium, also an den fundamentalen Glaubenswahrheiten, festigen könne: „Seine reale Bedeutung hängt heute fast nur noch und in steigendem Maße davon ab, ob und wieweit es ihm gelingt, seine eigentlich geistige Autorität vom Evangelium selbst her glaubwürdig zu machen." 392 hard/Mumm, Reinhard (Hrsg.), Autorität in der Krise, Regensburg/Göttingen 1970, 79-111, 80. Dort sind auch die anderen Referate, ein Bericht der Aussprache und die Tagungsteilnehmer zu finden. 3 . 0 A.a.O., 89/90. 3 . 1 A.a.O., 90. A.a.O., 108.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Ferner sah er die zukünftige Funktion des Lehramtes nicht mehr in der Erhebung neuer Offenbarungswahrheiten und damit in der Ausweitung der christlichen Botschaft, sondern in der Wahrung ihrer Grundsubstanz. In der anschließenden Aussprache zeigte sich jedoch, daß Rahner mit seinen Grundaussagen auf wenig Akzeptanz der anderen katholischen Teilnehmer stieß. Bedenken wurden vor allem dahingehend geäußert, daß die Norm des Glaubens fehle, wenn man die ganze Kirche als Empfängerin der Offenbarung verstehe. Zwischen Rahner und Pieper ergab sich ein Disput über das Verhältnis von Bischöfen und Theologen, bei dem Pieper eine Relativierung des Bischofsamtes kommen sah, wenn daneben ein besonderes „Lehramt" der Theologen gestellt würde.393 Zwar verwies man auf katholischer Seite auf die verstärkte Berücksichtigung des Glaubensbewußtseins durch die Umfrage vor der AssumptioDefinition 1950 und die Aussagen des ILVatikanum über die Mitarbeit der Exegeten (Konstitution über die Offenbarung 23) sowie die Beteiligung von Theologen an Beratungen und Entscheidungen der Bischöfe, doch wurde von anderer Seite die häufig fehlende Entsprechung zwischen den formalen Bestimmungen und der praktizierten Wirklichkeit bemängelt.394 Letztlich wurde die Frage, ob der Wahrheit des Evangeliums durch die Bestimmung seiner Mitte oder durch institutionelle Festlegung nahe zu kommen sei, nicht gelöst. Die Ansätze Rahners, insbesondere auch sein Votum für eine zukünftige Lehrentwicklung im Sinne der Präzisierung zentraler Lehren und mit der vornehmlichen Aufgabe der Sprachregelung, enthielten aber - wenn sie auch nicht allgemein akzeptiert wurden - durchaus Chancen für eine ökumenische Verständigung, da Aussagen der Lehrautorität dann ergänzt oder ersetzt werden könnten und nicht ein für allemal feststünden.395 a) Zur

Dogmenbildung

Als eigene Problematik im Zusammenhang mit dem Lehramt wurde in den 50er Jahren die Entstehung kirchlicher Dogmen angesprochen. Bei der 8. Tagung 1950, als man sich wegen der bevorstehenden Dogmatisierung des neuesten Mariendogmas mit der Heiligen- und Marienverehrung beschäftigte, war ein zentraler Punkt der Diskussion die Begründung solcher Dogmen, insbesondere der Mariendogmen.396 Auf das Assumptio-Dogma selbst ging man zwar nicht ein, doch die wenig später geführte inhaltliche Auseinandersetzung darum griff dieselben Punkte auf.

3.3 Prot, der 30. Tagung 1969, 21 ff. und Bericht über die Aussprache, Autorität in der Krise, 158/159. 3.4 Bericht, 160 und Prot., 23-27 Höfer, Ziegler, Rahner und Schlink. 395 Bericht, 161-163 und Rahner, Prot., 34/35 sowie Volk und Friedrich, ProL, 33-35. 3% Vgl. zu dieser Tagung auch Abschnitt A. 4.2., wo der zweite Schwerpunkt der Tagung, die Mittlerstellung der Heiligen und der Maria bereits dargestellt wurde.

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

361

Bornkamm zielte mit seinen exegetischen Erwägungen zu den Marientexten darauf ab, die Lehre von der Jungfräulichkeit der Maria auch während und nach der Geburt Jesu als nicht biblisch, sondern als erst im 2. Jh. aufgekommen, zu erweisen. Dafür führte er die Erwähnung der Brüder und Schwestern Jesu im N T an, denen man erst später aus dogmatischen Gründen einen weidäufigeren Verwandtschaftsgrad zu Jesus zugesprochen habe, sowie den Gebrauch von prototokos statt monogenes in der Weihnachtsgeschichte.397 Buuck zeigte dann am Beispiel des bereits definierten Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis die Voraussetzungen für die Definition eines Dogmas auf. Er legte die traditionelle vorkonziliare Auffassung von Schrift, Uberlieferung und Lehramt dar ohne zukunftsweisende Impulse, wie sie Söhngen bei der 4. Tagung 1948 mit seiner Unterscheidung zwischen der apostolischen Tradition und der späteren Überlieferung gegeben hatte. Als Wesenselemente eines Dogmas nannte er die explizite oder implizite Offenbarung durch Gott und die verbindliche Vorlage durch das kirchliche Lehramt als Offenbarungswahrheit durch eine ex cathedra-Entscheidung des Papstes oder die allgemeine Lehrverkündigung der Kirche in den Gemeinden. Vom Dogma unterschied er die conclusio theologica, die zum Teil auf nur natürlicher Einsicht beruhe und deshalb zwar wegen der Autorität der Kirche Zustimmung erfordere, nicht aber wegen ihrer Offenbarung durch Gott.398 Uberlieferung im engeren Sinne, gemäß dem Tridentinum, definierte er als die in der Hl. Schrift nicht enthaltenen göttlichen Offenbarungen. Das Lehramt bezeichnete er als das „tätig-lehrende" Moment der Uberlieferung, das sehr wohl unter der Schrift stehe. Breit führte er jedoch aus, daß jede theologische Reflexion „die kirchliche Lehrverkündigung zum Ausgangspunkt"399 habe, nicht umgekehrt. Auch der „sensus et consensus omnium fidelium" könne die Basis dafür bilden, daß positive, spekulative und historische Theologie bereits getroffene kirchliche Entscheidungen nachträglich legitimieren. Auch wenn ihnen dies nicht gelänge, so Buuck, blieben Glaubensüberzeugungen der Kirche bestehen, da sie als ganze nicht irren könne.400 Er stellte ferner dar, inwiefern die Schrift und die ältere Uberlieferung die Lehre von der unbefleckten Empfängnis enthalten. Dabei zitierte er Luther als Befürworter dieser Lehre und behandelte die Kontroverse über den Zeitpunkt der Heiligung Mariens und die Vereinbarkeit der Sündlosigkeit mit der Erbsündenlehre unter den Scholastikern.401

3,7 m w 400 401

Vgl. Zusammenfassung, Beilage 3 des Protokolls. Vgl. Beilage 4 des Protokolls, 2/3. Ebd., 4. Ebd., 4-6. Ebd., 8-10.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Zwar war Buuck nicht auf das bevorstehende Assumptio-Dogma eingegangen, aber die Vorstellung, daß dieses ebenso begründet werden könnte, machte den evangelischen Teilnehmern die massiven noch bestehenden Gegensätze um so mehr deutlich, als die Stimmungslage im Vergleich zu der Tagung 1948 durch die Ankündigung der Dogmatisierung bereits erheblich angespannter war.402

402 Vgl. zu Stählin, Prot., 43: „Aber heute, nach dem Referat von P. Buuck und den Gesprächen ist er femer als jemals der kath. Auffassung. Hier sind untibersteigbare Hindernisse. Hinter einer Mauer liegt ein Jenseits', das uns völlig fremd ist Während des Referats wäre ihm folgender Gedanke gekommen: Auf der letzten Tagung hätte man von der Möglichkeit gesprochen, dass Assumptio definiert würde. Wenn dies Wirklichkeit werden sollte, dann käme wohl ohne Zweifel irgendwann ein kath. Theologe, der Assumptio ebenso begründen würde wie P. Buuck jetzt Immaculata. Dieser Gedanke sei eine ernste Frage an die Evangelischen." Schlink sprach in seiner Zusammenfassung der Tagungsergebnisse von Gemeinsamkeiten bei der Heiligenverehrung. Im Protokoll heißt es weiter: „Bei der Mariologie ist das Verständnis viel schwieriger, aber trotzdem sind die ev. Teilnehmer für das Referat von Buuck sehr dankbar; gestattete es doch eine Hineinschau in die Motive. Das Referat offenbarte aber auch ganz grosse Gegensätze. Uber die Ableitung des Dogmas wurde wenig gesprochen. Der [muß heißen die, Anm.d. Vf.] Struktur des Beweisganges bekundete die geringe Schriftbasis. In Vorausschau einer etwa möglichen Assumptio-Definition müsse er feststellen, dass diese nicht nur nicht notwendig, sondern erheblich gefährdend sein würde. Es würde ja dann ein geschichtliches Faktum ohne jede Zeugen als zu glauben verpflichtend vorgelegt. Er sehe darin die grosse Gefahr einer Rückwirkung auf die christologischen Heilstatsachen, dass diese nämlich zu Mythen würden" (ebd., 49). Von Campenhausen artikulierte den Widerspruch am deutlichsten, indem er Bornkamms historisch-kritische Exegese unterstützte, die Bedeutung der Sünde im N T hervorkehrte, dem N T jede katholische Mariologie absprach und nochmals betonte, daß Jesus Geschwister gehabt habe. Gegen Buucks historische Betrachtung der Entwicklung der Marienfrömmigkeit wandte er sich polemisch: „Am Anfang war nichts an Marienverehrung da - das nennen Sie den Keim. Dann begann der Streit über die vulgäre Marienfrömmigkeit - daraus machen Sie die Tradition. Dann als der Widerspruch sich steigerte, konstatieren sie den Konsens. Daraus kann ich nur den Schluss ziehen: Es ist ein eigenständiges Marieninteresse da als Gipfel der Heiligenverehrung. Da kann viel Frömmigkeit mitspielen, gewiss. Aber zentral ist die hypostasierte kirchliche Vollmacht: Wir glauben, weil die Kirche glaubt. Überprüfen kann man das nicht So haben wir es eben gehört. So kann ich nur sagen: Ich bin froh, ein Protestant zu sein. Ich habe die Freiheit, auf Seiten des N T gegen die Tradition zu stehen" (ebd., 42). Auch aus dem Briefwechsel einiger Tagungsteilnehmer wird deutlich, wie spannungsgeladen die Tagung verlief und als wie groß man die Differenzen empfand. Höfer schrieb an Stählin am 29.3.50 unter Bezugnahme auf Äußerungen Stählins, die nicht ins Protokoll aufgenommen wurden, die 8. Tagung habe gezeigt, daß es Hindernisse des Verstehens gebe, die „menschlicher Bemühung spotten". Lortz und ihm seien etwa Begriffe wie „Muttergottheit" und „dogmatische Wucherung" unbegreiflich. Ein Kennenlernen der beiderseitigen Grundhaltungen sei nur möglich, wenn die gegenseitig versetzten „Schocks" als Aufforderungen zur Wachsamkeit verstanden würden. Stählin schrieb ihm am 31.3.50 zurück, seine Äußerungen hätten, nach Aussagen Buucks, einige katholische Teilnehmer verletzt (Ausführungen zum Problem der Mutter als religiöses Symbol). Eine plausible Erklärung für seine scharfen Äußerungen zur Mariologie, die seinen sonstigen Veröffentlichungen widersprachen, bietet sein Hinweis darauf, daß seine Worte

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Schmaus, der zwar mit Buuck völlig übereinstimmte, aber die Gegensätze nicht so hart aufeinanderprallen lassen wollte, betonte, das Dogma der Unbefleckten Empfängnis sei ein entfaltetes Christusbekenntnis.403 Dies veranlaßte Schlink zu der Nachfrage, was das Dogma Neues über Christus aussage, womit ein wesentlicher Fragenkreis angesprochen war, nämlich die christologische Bedeutung der Mariendogmen. Katholischerseits betonte man, das Christusbekenntnis müsse in der Geschichte immer neu gesichert werden. Im 19. Jh. sei die Marienfrömmigkeit im Volk dazu geeignet gewesen, das entleerte christliche Bewußtsein des Klerus zu erneuern. In dieser historischen Betrachtungsweise stimmten Maurer und Höfer überein.404 In der systematisch wesentlichen Fragestellung jedoch, ob eine Verlängerung der Christologie auf Maria - ihre Heiligkeit als Verstärkung der Gottheit Christi etwa - die christologische Aussage verstärkt oder nicht vielmehr abschwächt, zeigte sich die eigentliche Differenz. 405 Solange nämlich die Mariendogmen eine Verlängerung der Christologie auf einen Menschen bedeuten, noch dazu ohne tragfähige Basis in der Schrift, waren sie für die evangelische Seite nicht akzeptabel. Daran änderte auch die Übereinstimmung darin nichts, daß Maria eindeutig auf der Seite der Menschen stehe406, zumal gerade die Behauptung der Sündlosigkeit Mariens sie, nach Auffassung der evangelischen Teilnehmer, aus der Gemeinschaft der Christen heraushebt.407 Schließlich ging es nicht nur um den nach evangelischer Ansicht fehlenden Schriftbeweis, sondern man stellte auch die Frage, inwiefern der Traditionsbeweis eindeutig zu erbringen sei. Sie kam auf, weil man sich fragte, weshalb sich das Dogma von der Immaculata conceptio entgegen so bedeutsamen Theologen wie Bernhard und Thomas v. Aquin durchsetzen konnte. Zu einer Annäherung kam es insofern, als Warnach und Volk die Problematik des Traditionsbegriffs anerkannten, dies jedoch im Bewußtsein taten, daß die Geltung eines Dogmas nicht von einem lückenlos geführten Traditionsbeweis abhängt. Zudem versuchte Bornkamm, die von Schmaus hervorgehobene grundlegende Differenz von dynamischem Offenbarungsverständnis auf katholischer und statischem auf evangelischer Seite zu überbrücken, indem er ein Wachstum im Zusammenhang von evtl. nicht so scharf gewesen wären, wenn weniger die Probleme eines einzelnen mariologischen Dogmas, als das Recht des Ursymbols der Mutter innerhalb der Kirche und die Repräsentation der Kirche in der Gestalt Mariens Thema gewesen wären. Er bezeichnete es jedoch als wichtig, daß man sich so offen die Meinung sagen konnte. 403 Ebd., 32. 404 Ebd., 35/36. 405 Ebd., 39/40 J o e s t 406 Ebd., 36. 407 Ebd., 43 ff. Vor allem Stählin änderte seine positive Haltung zur Marienfrömmigkeit aufgrund des Referats von Buuck und bezeichnete die Mariologie nicht als „Wachstum biblischer Lehre", sondern als „Wucherung" (44).

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Schrift und Tradition anerkannte, da es ja seit Abschluß des Kanons immer wieder neue Manifestationen der Offenbarung, etwa in Form der Bekenntnisse, gegeben habe. Die Kritik an dem Mariendogma könne sich also nur darauf richten, daß es sich nicht vom Christusdogma her nahelege.408 Das dynamistische Verständnis machte auf evangelischer Seite jedoch auch deshalb Schwierigkeiten, weil nicht nur das zum Heil Notwendige zu glauben vorgelegt wird, sondern auch darüber Hinausgehendes.409 Daß es aber nicht erst darum ging, ob ein Dogma aus Schrift oder Tradition zu erheben sei, sondern nach wie vor bereits die Frage, ob es eine verbindliche Auslegung durch ein Lehramt überhaupt geben müsse, strittig war, wurde deutlich, als Kuss - in Anlehnung an Bornkamms exegetische „Destruktion" der Lehre von der Jungfräulichkeit Mariens - einmal wieder die protestantische Exegese grundsätzlich hinterfragte. Er war sich nicht sicher, ob die Bibel für Protestanten Autorität oder Diskussionsgrundlage sei. In der Fülle der Professorenmeinungen vermißte er die Frage nach der Wahrheit.410 Auch 1955, als die Gegenwart Christi im Abendmahl Thema war, diskutierten Schlink und Kuss am Rande des Gesprächs über die Dogmenbildung. Schlink hatte in seinem Referat kritisiert, daß das Transsubstantiationsdogma durch eine kirchenrechtliche Entscheidung zur einzigen Möglichkeit von vielen erklärt wurde. Kuss sah darin den Fortschritt des Geschichtsprozesses, den er für notwendig hielt, da nur vom N T her ζ. B. auch die Entscheidung zwischen Arius und Athanasius nicht zu fällen gewesen sei. Schlink entgegnete, wenn die Dogmenbildung in einer Dogmatisierung einzelner Möglichkeiten der Schrift bestehe, sei die fordaufende Kirchenspaltung unvermeidlich. Vielmehr müßte gerade im Zusammenhang ökumenischer Arbeit die Geschichtsbedingtheit dogmatischer Entscheidungen von der Mitte der Schrift her transparent gemacht werden.411 Damit ging Schlink genau auf die Problematik ein, die Rahner 1969 als innerkatholische und das ökumenische Gespräch belastende zur Sprache brachte und die er mit der Uminterpretation der Aufgabe des Lehramtes zu lösen versuchte. b) Dogmatik und Exegese

Aus der von Kuss immer wieder ins Gespräch gebrachten Perspektive behandelte man die Autoritätsfrage 1961, als man das Verhältnis von exegetisch-historischer und dogmatischer Denkweise in der Theologie im Ge-

408

Volk und Warnach, 37, Bornkamm, 38/39. Ebd., Volk 45. 410 Vgl. Kuss, 44. Gewieß bestritt jedoch, daß Wahrheit fertig vorliege und ging im einzelnen auf die exegetisch strittigen Punkte des „prototokos" und der Brüder Jesu ein (45). 411 Prot., 18/20. 405

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gensatz zu früheren Tagungen als eigenständiges Thema untersuchte.412 Zunächst handelte es sich zwar nicht um ein augenscheinlich kontroverstheologisches Thema, es war jedoch zu erwarten, daß bei seiner Behandlung mannigfache konfessionelle Kontroversen berührt würden.413 Dies zeichnete sich u.a. auch deshalb ab, weil man mit dem Thema an die vorausgegangene Tagung zu Gesetz und Evangelium anknüpfte, bei der Schlink den unterschiedlichen Charakter und die andere Struktur dogmatischer Aussagen in beiden Konfessionen angesprochen hatte und sich dazu gegensätzliche Positionen abgezeichnet hatten.414 Doch darum ging es nun weniger. Vielmehr standen sich auch jetzt wieder die Bedeutung des kirchlichen Lehramts für Entstehung und Auslegung der Hl. Schrift für die katholische Theologie und die alleinige Autorität der Schrift nach dem reformatorischen Verständnis gegenüber. Speziell im Hinblick auf die Exegese war der durch die Referate von Warnach und Westermann angeregte Kernpunkt der Auseinandersetzung nicht etwa die Frage, ob die kirchliche Tradition vom Exegeten in die Schriftauslegung mit einzubeziehen sei, sondern in welchem Maß dies geschehen dürfe, ohne daß sich die Exegese als historische Wissenschaft in ihrer notwendigen Freiheit eingeschränkt sehen müsse. Sowohl Warnach als auch Westermann waren davon ausgegangen, daß ein Exeget mit einem durch die kirchliche Tradition geprägten Vorverständnis an die biblischen Texte herangeht. Warnach wollte jedoch die Exegese als dezidiert theologische Wissenschaft verstanden wissen, demzufolge nicht nur der Literalsinn der einzelnen Schriften menschlicher Verfasser, sondern auch der hinter diesem zu suchende und dennoch zu ihm gehörende sensus plenior, der theologische Gehalt der Schriftaussagen, vom Exegeten zu erheben sei und deshalb der Glaube eine wesentliche Voraussetzung für eine adäquate Schriftauslegung sei. Einer „rein wissenschaftlichen", voraussetzungslosen Exegese sprach er im Grunde die Mög-

412 Die Tagung fand vom 20.-24.3.61 in Paderborn statt Ev. Teiln.: Stählin, Dietzfelbinger, Schlink, Anz, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, Harms, Joest, Kinder, Pannenberg, Schumann, Skydsgaard, Westermann, Wolf, Prot. Mumm, entschuldigt: Prof. Franz Lau (Markleeberg b. Leipzig), Wendland. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Dolch, Fries, Gewieß, Lortz, Pieper, Rahner, Schelkle, Schmaus, Söhngen, Warnach, Prot. Krems, entschuldigt: Grosche, Höfer, Kuss, Mörsdorf, Schnackenburg, Ziegler. Aus dem Kreis ausgeschieden waren Rosenmöller, Buuck, Pollet und Hasenkamp (Prot., 3). Im Mai 1961 wurde dem Evangelischen Kreis E. Lohse zugewählt. Grosche hatte brieflich den Wunsch seines Ausscheidens aus gesundheitlichen Gründen kundgetan. Evangelischerseits wollte man ihn dennoch als Vollmitglied behalten (Prot, 46). Zum Verhältnis von Dogmatik und Exegese vgl. die Diskussionen im Zusammenhang der exegetischen Referate zu den einzelnen Themen insbesondere in den 50er Jahren: Zur Heiligenverehrung 1950, zum Verhältnis von Christus und der Kirche und zum Naturrecht bei den beiden Tagungen 1953. 413 Vgl. dazu Rahner, Karl, Was ist eine dogmatische Aussage, in: Catholica 15/1961, 161-184, 161. 414 Vgl. zu dieser Tagung Abschnitt A. 2.2.3.

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lichkeit ab, den vollen Schriftsinn erheben zu können.415 Zwar hatte Warnach damit den Literalsinn eindeutig dem typologischen, anagogischen und allegorischen Schriftsinn übergeordnet, mit der starken Gewichtung des nicht unmittelbar exegetisch aus den Schriftaussagen zu erhebenden sensus plenior vertrat er jedoch eine Lehre, die die Rückführung kirchlicher Dogmen auf die Schrift, ohne explizit in dieser enthaltene Aussagen, zuläßt und die deshalb nach evangelischem Schriftverständnis nicht zu akzeptieren ist In der Tradition der Mysterientheologie stehend, führte Warnach ferner den Gedanken aus, daß die Schrift ihren Inhalt, nämlich das Christusmysterium (Eph 3,4), selbst gegenwärtig setze und daß die exegetische Aussage Nachvollzug des biblischen Gotteswortes sei. Er betonte außerdem den kerygmatischen Charakter der Exegese.416 Westermann ging davon aus, daß die Exegese wesentlich vom Interesse des Auslegenden bestimmt wird und von der Bemühung, den Abstand des Textes zu überbrücken. Dabei bemerkte auch er, daß die Exegese nicht von dem kirchlichen Interesse an der Bibel als der Hl. Schrift absehen könne, also von ihrem Bekenntnis, doch betonte er das notwendige Miteinander von ausschließlich wissenschaftlicher, philologisch-historischer Exegese und von Exegese als einem „Weg der Erklärung der Bibel für die gegenwärtige Kirche".417 Im Gegensatz zu Warnach erkannte Westermann somit auch die Arbeit nichtchristlicher Exegeten an.418 Mit seiner Auffassung, daß Aussagen über die Einheit der Schrift bzw. über das Ganze der Bibel Aufgabe der Dogmatik seien und in den Bereich der Glaubens- und

415 Vgl. Warnach, Viktor, Was ist eine exegetische Aussage?, in: Catholica 16/1962, 103-130, 107 und 119. 416 Ebd., 109/110: „Diese Mitteilung erschöpft sich aber keineswegs in der Objektivität der Darstellung und des dadurch vermittelten Wissens, sondern will zu personalem Mitvollzug des Lebens und Handelns Gottes werden. Ebendarum vergegenwärtigt die Heilige Schrift ihren Inhalt nicht bloß intentional (subjektiv), sondern macht ihn quasi-sakramental, d.h. sachlich (objektiv) gegenwärtig bzw. zugänglich, freilich nicht in dinglicher Weise, vielmehr in der Weise der Glaubenserfahrung, die den tatsächlichen Mitvollzug des Gotteshandelns im Sakrament ermöglicht und anbahnt" (109). Darin, daß die Schrift nicht nur auf wissenschaftlichem Weg, sondern auch durch ihren meditativen und liturgischen Gebrauch, zu erschließen sei, trafen sich Stählin und Wamach (Prot, 37 und 39). 417 Westermann, Claus, Was ist eine exegetische Aussage?, in: ZThK 59/1962, 1-15, 4/5. Auch Brunner betonte die Differenz, die nach evangelischer Auffassung zwischen wissenschaftlicher Exegese an der Universität und dem apostolischen Kerygma, das in der Predigt den Menschen trifft, besteht. Er fragte jedoch, ob die Exegese nicht weiter in Richtung auf die Verkündigung vorangetrieben werden könne. Westermann sah die Exegese immer auf dem Weg zur Predigt, während Schelkle sie als aus dem Kerygma hervorgehend charakterisierte (Prot, 13-15). 418 Vgl. Prot., 3-5. Friedrich stimmte Westermann zu. Volk und Schmaus stützten Warnach mit der Begründung, daß Schriftauslegung nur durch die Gnade möglich sei, weil die Schrift bereits Produkt der in Christus allgegenwärtigen Kirche sei (Prot, 11-13). Von Campenhausen wies auf die unterschiedliche Interpretation des „ekklesiologischen Bezugs" bei beiden Referenten hin (Vgl. auch Schmaus, 7).

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Bekenntnisaussagen hineinreichten, kehrten sich die Fronten in gewissem Sinne um, denn Warnach hatte solche Aussagen der Exegese zugeordnet, da sie sich aus dem Literalsinn erheben ließen. Es regte sich aber auch Widerspruch von v. Campenhausen und Schlink dahingehend, daß die Einheit der Schrift ebenfalls auf dem Weg der Exegese erweisbar sein 419

musse. Hinsichtlich der kritischen Funktion der Exegese gegenüber kirchlichen Dogmen ließ die katholische Seite kaum mit sich reden. Evangelischerseits räumte man der Exegese die Möglichkeit ein, Abirrungen der Kirche anhand der Schrift aufzudecken. Freilich gestand man der katholischen Seite zu, daß dies unter der Voraussetzung geschehe, daß gegen konstitutive Elemente der Kirche kein Widerspruch erhoben werde.420 Der Unterschied zwischen beiden Kirchen in dieser Frage erwies sich damit als ein „nur" gradueller.421 Doch die katholischen Teilnehmer konnten über die Auffassung hinaus, daß der Text bei der Exegese Autorität über das Vorverständnis des Exegeten habe, der Exegese keine korrektive Funktion an kirchlichen Dogmen zubilligen.422 Schmaus sah die Aufgabe der Exegese ausschließlich darin, die Lehre der Kirche in der Gegenwart verständlich zu machen, nicht jedoch darin, ein Dogma einfach zu widerlegen und abzulehnen. Bei Dogmen handele es sich um gewisse Uberzeugungen, nicht um ungefähre Erwartungen.423 Als Folge der Beiträge Rahners und Pannenbergs beschränkte sich die Fragestellung jedoch nicht auf die vergleichende Darstellung von exegetischer und dogmatischer Aussage und der damit verbundenen Frage nach der Rolle der Kirche im Prozeß der Schriftauslegung, sondern weitete sich auf die Frage nach dem einheitsstiftenden Prinzip der Schrift und nach dem universalen Charakter dogmatischer bzw. aller theologischer Aussagen aus. Ihre jeweils eigene Sprache, die sich nicht einfach auf den traditionell kirchlichen Wortschatz beschränkte, eröffnete wieder einmal Perspektiven, die aus gefestigten Bahnen herausführten und eine Verständigung hinsichtlich der vielfach gemeinsamen Fragestellungen im Blick hatten. So bildeten sich keine direkten Fronten, sondern die Ausführungen konnten grundsätzlich gegenseitig akzeptiert und nachvollzogen werden, wenngleich auf beiden Seiten konfessionell bedingte Kritik im Einzelfall nicht ausbleiben konnte.424 Daß jedoch die Positionen Rahners und Pannenbergs nicht für sich in Anspruch nehmen können, die katholische bzw. die evangelische

419

Westermann, a.a.O., 12/13, Prot., 4/5. So von Campenhausen, Prot., 8 / 9 und Kinder, 10. 421 So Rahner, Prot., 8. 422 Diese Überzeugung vertraten Warnach und vor allem Schelkle (Prot, 5/6), wobei Schmaus heftig widersprach. 423 Prot., 7/8 und 12/13. 424 Vgl. Prot, 16/18 und 21. 420

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Position zum Thema zu vertreten, zeigte sich im Verlauf der Diskussion.425 Besonders Pannenbergs These, das einheitsstiftende Prinzip der Bibel sei nicht in ihren Schriften, sondern in dem hinter den einzelnen Schriften stehenden, historisch zu erweisenden Christusereignis zu finden, mit der er angesichts des Verlustes einer Auffassung der Bibel als einer widerspruchslosen Lehreinheit versucht, die res „als eine dem Kerygma der Kirche übergeordnete Einheit, die zugleich sein Maßstab ist, sichtbar werden zu lassen",426 wurde aus den eigenen Reihen Kritik entgegengebracht. Pannenberg berührte die Thematik der Einheit der Schrift, nachdem er geklärt hatte, daß die dogmatische Aussage die Übereinstimmung des Dogmas mit der Offenbarung zu untersuchen habe, daß ferner ein Bezug von Dogma und Dogmatik darin bestehe, daß beide Zusammenfassungen des Schriftzeugnisses und deshalb von der Schrift her zu überprüfen seien, und nachdem er den in diesem Verständnis der dogmatischen Aufgabe vorausgesetzten Schriftbegriff, für den Klarheit und Einheitlichkeit grundlegend sind, dargelegt hatte.427 Er kam zu dem Schluß: „Aus Luthers Lehre von der äußeren Klarheit der Schrift, d e m Kernstück seiner Ü b e r z e u g u n g von ihrer Selbstevidenz, ergibt sich also die unmittelbare d o g m a tische Bedeutung historisch-exegetischer Befunde: D e r dogmatische Inhalt der Schrift muß sich durch historische Argumentation aufweisen lassen." 428

Die Voraussetzung dafür, das Christusgeschehen als Maßstab der Schriftauslegung vertreten zu können, ist nach Pannenberg, daß dieses seine Bedeutung ursprünglich in sich selbst trägt, sie nicht erst durch ein von ihm verschiedenes Kerygma erhält.429 Kinder und Joest bezweifelten aber, daß das Christusgeschehen und seine Bezeugung so zu trennen sind. Für Joest war die historische Rückfrage an das Christusgeschehen hinter dem Text nicht eindeutig. Nur in der Schrift, mit ihren Widersprüchen, sei das Christusgeschehen als Fundament der Einheit der Schrift faßbar. Kinder ging davon aus, daß das Christusgeschehen bereits selbst Wortgeschehen und daher nicht von seiner Bezeugung zu trennen sei. Skydsgaard brachte das Bekenntnis als das hermeneutische Prinzip für die Hl. Schrift in die Diskussion.430

425 Vgl. Rahner, Prot., 16: „Verstärkt frage ich mich: wie weit ist das, was ich heute morgen gehört habe, die Ansicht der evangelischen Theologen von heute?" 426 Pannenberg, Wolfhart, Was ist eine dogmatische Aussage?, in: ders., Grundfragen systematischer Theologie 1, Göttingen 3 1979, 159-180, 170. 427 A.a.O., 159-166. 428 A.a.O., 166. ta A.a.O., 170/171. Durch die historische Forschung, so Pannenberg, kann man heute von einem viel klareren Bild des Christusgeschehens als dem Maßstab der biblischen Schriften ausgehen als dies im 16./17.Jh. möglich war. Sie bedeutet nicht etwa die Aufhebung dieses Kriteriums. 430 Prot., 22/23 Joest und 26/27 Kinder, 25 Skydsgaard.

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Mit diesen verschiedenen Äußerungen demonstrierten die evangelischen Teilnehmer wieder einmal die Schwierigkeiten, die die Erhebung der Mitte der Schrift, ihrer res, als Auslegungskriterium nach reformatorischem Verständnis mit sich bringt. Die Auseinandersetzung nahm Pannenbergs Votum von 1958 wieder auf und den Disput zwischen Pannenberg und E. Löhse von 1965 vorweg, als es schwerpunktmäßig darum ging, ob die Offenbarung an das Wort der Schrift gebunden ist oder ob dieses nur ihre Vorhersage und Bericht über sie ist.431 Davon abhängig ist nämlich, ob sich dogmatische Aussagen am Wort oder an dem dahinter liegenden Geschehen zu orientieren haben. Auch Rahner kritisierte Pannenberg in diesem Punkt, weil für ihn die einzelnen Bücher der Schrift eine sich nicht widersprechende Einheit bilden, die nicht nur durch die res hinter der Schrift begründet sei.432 Ferner hatte Rahner im Zusammenhang seiner These, daß die dogmatische Aussage nicht identisch sei mit dem ursprünglichen Offenbarungswort und der ursprünglichen Glaubensaussage, erläutert, daß diese ursprüngliche Aussage nicht durch das historische Verständnis des Menschen, sondern allein durch dessen Mitvollzug des Glaubens der aktuellen Kirche wahrgenommen werden könne, während für Pannenberg allein historische Argumentation über das rechte Schriftverständnis entscheidet433 Die Uberordnung der Kirche über die Schrift brachte Rahner auch mit der Überzeugung zum Ausdruck, daß die Kirche Subjekt des Überlieferungsprozesses der Schrift gewesen sei und deshalb heute nicht als Subjekt der Lehrbildung abgesetzt werden könne. Dem wurde evangelischerseits entgegengehalten, im Traditionsprozeß sei die Sachnähe, die historische Zuverlässigkeit entscheidend gewesen, nicht eine kirchliche Instanz.434 Grundsätzlich hatte Pannenberg Rahners These zugestimmt, daß eine dogmatische Aussage im besonderen Maße ekklesiale Aussage sei.435 Dessen Ausführungen zur lehramtlich verpflichtenden Theologie gingen ihm jedoch zu weit, sofern diese vom einzelnen Theologen die unbedingte Berücksichtigung einer kommunitären terminologischen Sprachregelung verlange.436

431

Vgl. dazu die Abschnitte 4.1.2 und 4.1.3. Prot., 16-18. 433 Prot., 19 und Rahner, a. a. O., 178 ff. Der Vorwurf an Pannenberg, er lege in einseitiger Weise Wert auf die historische Aufweisbarkeit dogmatischer Aussagen, ist nicht von der Hand zu weisen, denn obwohl die wissenschaftlich fundierte und möglichst weitreichende Argumentation der Theologie innerhalb des Spektrums der anderen Wissenschaften und im Dialog mit Kritikern der Kirche ein berechtigtes Anliegen ist, muß an ihrem Ende doch stets auf den Glauben verwiesen werden und läßt sich der Glaube nicht bis ins Letzte erweisen. 434 Rahner, Prot., 16/17, Pannenberg, 19/20, von Campenhausen, 23/24. 435 Rahner, a.a.O., 170 These 3. 436 Pannenberg, Prot., 19 und Rahner, a.a.O., 172 ff. 432

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Die Irreformabilität kirchlicher Dogmen wurde im Grunde von beiden Seiten anerkannt. Während sie jedoch für Pannenberg ein kritisches Verhältnis zu den Dogmen einschließt, wurde katholischerseits abgestritten, daß sich ein Dogma als falsch erweisen könne, da dann die Kontinuität der Tradition nicht gewährleistet sei. Rahner bezeichnete ein Dogma nur nach vorne hin als reformabel.437 Es ergaben sich aber noch weitere Übereinstimmungen. Pannenberg hatte dogmatische und historische Aussage als zwei Momente eines einzigen Erkenntnisvorgangs bezeichnet, die sich mit dem universalen Bedeutungshorizont bzw. dem historisch Besonderen befassen, sich so gegenseitig ergänzen und deshalb zusammengehören.438 Dieser Zusammenhang wurde in der Diskussion allgemein konstatiert.439 Hinsichtlich des universalen Charakters dogmatischer Aussagen waren Pannenberg und Rahner weitgehend derselben Meinung. Rahners These: „Eine dogmatische Aussage ist eine Aussage, die den Anspruch macht, auch in jenem formalen Sinn wahr zu sein, der uns aus der profanen Alltagssprache und -erkenntnis bekannt ist"440 deckt sich von der Intention her mit Pannenbergs Forderung nach der Reflexion dogmatischer Lehre auf den Begründungszusammenhang des von ihr Überlieferten und der Prüfung seines Wahrheitsanspruches am Christusgeschehen.441 Über der Erhebung eines allgemeinen Geltungsanspruches dogmatischer Aussagen und den Ausführungen zu deren universalem Charakter vergaßen Rahner und Pannenberg jedoch nicht, die Besonderheit dogmatischer bzw. überhaupt theologischer Aussagen gegenüber profanen Aussagen hervorzuheben. Die mit der Universalität dogmatischer Aussagen zusammenhängende Verwendung philosophischer Terminologie ist, nach Pannenberg, nur dann legitim, wenn diese „bis in den Grund hinein"442 verwandelt wird, da die Wirklichkeit vom Christusgeschehen her in einem neuen Licht erscheint. Ferner hob Pannenberg im Anschluß an Schlink den doxologischen und proleptischen Charakter dogmatischer Aussagen hervor:

437 Rahner, P r o t , 1 7 / 1 8 , Pannenberg, 2 0 / 2 1 und a.a.O., 178/179, Schmaus, 43. Siehe oben unter 4.2.2. Rahners Äußerungen von 1969. 438 Pannenberg, a.a.O., 171-173, Prot., 3 2 / 3 3 . 439 Vgl. Rahner, Prot., 38, Pieper, 2 8 / 2 9 (für ihn besteht, i. Vgl. zur physikalischen Aussage etwa, kein Unterschied zwischen beiden Betrachtungsweisen, da sowohl die dogmat. als auch die exeget Aussage Textauslegung seien), Brunner, 3 3 - 3 5 (für ihn dienen dogmat und exeget Aussagen gemeinsam dem Schutz des rettenden Wortes, wichtig ist nicht in erster Linie dessen Interpretation, sondern seine Weitergabe; das Spezifikum der dogmat Aussage sah er in der Grenzziehung bzw. Unterscheidung). 440 Rahner, a.a.O., 162. 441 Pannenberg, a.a.O., 177. 442 Rahner, a.a.O., 173.

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„Die Dogmatik redet ständig von etwas, was erst in einer uns unvorstellbaren Zukunft vollendet in Erscheinung treten wird, aber an Jesus schon damals, zu bestimmter Zeit, geschehen ist Und sie redet davon in einer Sprache, die hinter der zukünftigen Wirklichkeit des Lebens der Auferstehung unendlich zurückbleiben muß, weil wir diese neue Wirklichkeit eben noch nicht an uns erfahren und nur von unserer andersartigen Daseinserfahrung her in vorläufiger und symbolischer Weise von ihr reden können: Auferstehung der Toten ist ja eine nach Analogie des Auferstehens oder Aufgewecktwerdens vom Schlafe gebildete Vorstellung. Es gehört zur Nüchternheit dogmatischen Redens, sich dieser Problematik und damit der Vorläufigkeit aller theologischen Formulierungen kritisch bewußt zu sein."443

Dieselbe Intention, nämlich den Unterschied zwischen der dogmatischen Aussage und dem vorgestellten Begriffsinhalt festzuhalten, verfolgte Rahner mit seiner These, daß die theologische Aussage eine Aussage ins Mysterium hinein sei, daß Begriffe die gemeinte Sache nur analog wiedergeben, nicht mit ihr identisch sind.444 Als Ergebnis der Anregungen durch die Referate und aus den Gesprächen entstanden schließlich folgende Sätze, die von den vier Referenten ausgearbeitet, im Plenum diskutiert und geringfügig abgeändert wurden. Zwar wurden sie nicht als Konsens- bzw. Divergenzpapier vom gesamten ÖAK angenommen. Doch die Tatsache, daß sie aufgestellt wurden, weist auf einen erneuten, diesmal positiven, Stimmungsumschwung im Vergleich zu den 50er Jahren hin. Die Krise um die Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens lag nun schon einige Zeit zurück, die formelle Einberufung des II. Vatikanum stand bevor, und man hatte eingesehen, daß man es sich „in den letzten Jahren zu leicht gemacht hatte"445, in denen man nicht versucht hatte, das Verbindende und das Trennende in gemeinsame Sätze zu fassen. 443

Pannenberg, a.a.O., 176. Rahner, a.a.O., 176-178 und Prot., 45. Vgl. Pannenberg, Wolfhart, Analogie und Doxologie, in: Joest, W./Pannenberg, W., Dogma und Denkstrukturen, Festschrift für Schlink zum 60. Geb., Göttingen 1963, 96-116. Pannenberg führt hier näher aus, weshalb er Schlinks Begriff der doxologischen Aussage dem scholastischen Analogiebegriff für die Charakterisierung der dogmatischen Aussage vorzieht: „Das anbetende Reden von Gott selbst auf Grund seines Wirkens unterscheidet sich intentional von dem Verfahren, die Eigenschaften des göttlichen Ursprungs aus seinen Wirkungen nach Analogie zu erschließen. Für den analogen Rückschluß aus der Schöpfung auf die Eigenschaften des göttlichen Ursprungs ist entscheidend, daß trotz aller Verschiedenheit Gottes vom Bereich des Endlichen doch jeweils ein gemeinsamer Logos besteht, welcher es erlaubt, Gott selbst die betreffende Eigenschaft zuzuschreiben. Im Akt der Anbetung hingegen bringt der Lobpreisende sein Ich zum Opfer und damit zugleich auch die begriffliche Eindeutigkeit seines Redens (a.a.O., 99) ... Das anbetende Reden von Gott enthält zwar eine Analogie, aber nur eine solche zwischen dem alltäglichen Sinn des Wortes und seiner theologischen Verwandlung, nicht hingegen zwischen dem alltäglichen Wortsinn und dem Sein Gottes an und für sich" (100). Vgl. auch ebd., 105. Auch 1965 wandte sich Pannenberg wieder gegen die scholastische Analogielehre im Zusammenhang der Rede vom Wort Gottes, siehe unter 4.1.3.! 444

445

Rahner, Prot., 60.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Wie in der Präambel und dem Absatz zu den Differenzen zum Ausdruck gebracht wurde, war man sich darüber im klaren, daß sie nur den momentanen Gesprächsstand des OAK wiedergaben. Auch die ungeklärte Frage der Rolle der Kirche bei der Schriftauslegung verlor man nach wie vor nicht aus den Augen446: „Übereinstimmungen: Präambel: Wir haben uns auf folgende zwölf Sätze einigen können. Wir sind uns aber bewußt, daß bei der näheren Auslegung der Sätze selbst verschiedene Auffassungen bestehen. Andererseits ließe sich der bestehende Konsensus bei weiterer Diskussion wahrscheinlich noch auf eine ganze Reihe weiterer Punkte ausdehnen. 1 ) Exegetische Aussagen im engeren Sinne befassen sich nach den Grundsätzen historisch-kritischer Methode mit dem Sinn einzelner Texte in ihrem Textzusammenhang. Darüber hinaus hat die biblische Theologie die Einzeltexte im Gesamtzusammenhang des im AT und NT bezeugten Geschehens zu verstehen. 2) Exegetisch-historische Aussagen über das von der Schrift bezeugte Geschehen sind prinzipiell, im Blick auf das Ganze der biblisch bezeugten Geschichte, auch Aussagen über deren theologischen Gehalt; sie erheben aber einen allgemeinen Anspruch auf wissenschafdiche Geltung. 3) Die einzelnen Zeugnisse der Schrift bilden vom Offenbarungsgeschehen her überlieferungsgeschichtlich und sachlich eine Einheit, sind aber nicht verrechenbar zu einem homogenen Lehrsystem. 4) Aufgabe der Bibeltheologie ist es, die in aller Verschiedenheit der Zeugnisse bestehende überlieferungsgeschichtliche und sachliche Einheit der Zeugnisse darzustellen. 5) Fragestellung und sachliche Voraussetzungen des fragenden Exegeten sind durch die Tradition, in der er steht, bedingt Das ist für den theologischen Exegeten der Schrift primär die gläubig bejahte Verkündigungstradition der Kirche. Das erschließt ihm den Zugang zur Sache. Aber die Verkündigungstradition als solche bildet im Vollzug der Exegese kein die Exegese methodisch bestimmendes Argument.447 6) Dogmatische Aussagen sind Aussagen über die Wahrheit und universale Bedeutung der in der Schrift bezeugten Geschichte und als solche an den sensus historiáis der Schrift als inhaltlich suffizienter Bezeugung dieses Geschehens gebunden.448 7) Dogmatische Aussagen sind gemeint als Vollzug des Glaubens. Sie erheben einen allgemeinen Anspruch auf wissenschaftliche Geltung. In ihrer objektivierten Gestalt ist ihr Sinn weitgehend auch dem Nichtglaubenden verständlich. 446

Der Aufstellung der Thesen war eine ausgiebige Beratung über ihre Interpretationsmöglichkeiten und ihre Bedeutung in Anbetracht der weiter bestehenden Unterschiede vorausgegangen. Über ihre Veröffentlichung wurde aber noch nicht nachgedacht Vgl. hierzu Kapitel I Abschnitt 4.4. 447 Die Rolle von Kirche und Tradition in dieser Umschreibung war umstritten, was ja auch aus den Erläuterungen zur Diskussion hervorgeht (Prot, 51/52). 448 Nach Schlink barg diese These einen Dissens in sich (Prot-, 49).

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

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8) Die in der dogmatischen Aussage gemeinte Wahrheit übersteigt wesentlich das in ihren Begriffen und Sätzen Aussagbare.449 9) Dogmatische Aussagen arbeiten mit der gesamten jeweils zugänglichen Begrifflichkeit, insbesondere auch mit der philosophischen, um die universale Wahrheit der Offenbarung zum Ausdruck zu bringen. 10) Dogmatische Aussagen prägen die aufgenommenen philosophischen Gedanken und Begriffe im Sinne der von Jesus Christus her verstandenen Gesamtwirklichkeit um. 450 11) Die theologische Arbeit hat eine Verantwortung für die Einheit der Kirche, auch im Sinne der Einheit der Tradition wahrzunehmen. 12) Die Geltung der dogmatischen Aussagen ist in einem näher zu bestimmenden Sinne vom Eschaton her begrenzt. Differenzen: 451 Differenzen blieben vor allem in Hinsicht auf die ekklesiale Dimension exegetisch-dogmatischer Aussagen bestehen. Zum Beispiel: Kann ein Lehramt über den Literalsinn entscheiden? Kann der Prozeß der historischen Forschung als solcher über den Literalsinn entscheiden? Sind in der Geschichte der Kirche vorfindliche Bekenntnisse prinzipiell von der Schrift her reformabel?"452 M i t diesen T h e s e n wurde nicht mehr aber auch nicht weniger als das z u m Ausdruck gebracht, w a s in die D o g m a t i s c h e Konstitution über die O f f e n barung des I L V a t i k a n u m a u f g e n o m m e n wurde, die z u m Zeitpunkt dieser T a g u n g bereits in Vorbereitung war. Zwar wurden der Exegese darin alle legitimen M e t h o d e n der historisch-kritischen Forschung zur A n w e n d u n g e m p f o h l e n , dies j e d o c h nur insoweit, als die Ergebnisse mit der Uberlieferung und d e m Lehramt, g e m ä ß der den T e x t e n zugrundeliegenden Prämisse des Zusammenwirkens dieser drei P o l e bei der Schriftauslegung, vereinbar sind. D i e kritische Funktion der Exegese gegenüber der kirchlichen Lehre wird dadurch eingeschränkt. 4 5 3 Bezüglich der T h e s e n des O A K 449 Über die Anerkennung dieser These herrschte auf beiden Seiten Verwunderung. Katholischerseits war man erstaunt über die evangelische Anerkennung, weil die Bedeutung des Wortes gesprengt werde, umgekehrt waren die evangelischen Teilnehmer erstaunt darüber, daß von katholischer Seite aus akzeptiert wurde, daß die Dogmen keine absolute Geltung haben. 450 Daß die dogmatischen Aussagen philosophische Begriffe umprägen, war für die Katholiken bereits zuviel der Veränderung, für Skydsgaard und Stählin dagegen noch zu wenig (Prot, 54/55). Pieper kritisierte, eine dogmatische Aussage sage nicht primär etwas über die Gesamtwirklichkeit aus. 451 Die Differenzen genau zu bestimmen, erwies sich als schwierig. Im Grunde kam es darüber zu keiner Einigung. Ursprünglich hatte man die Frage, ob das Lehramt oder die historische Forschung über den Literalsinn entscheidet, als Alternative formuliert Das eingefügte „oder" wurde jedoch gestrichen (Prot, 57). 452 Prot., 62/63. 453 Vgl. besonders das zweite Kapitel, Artikel 10 und das dritte Kapitel, in: LThK 13,527-529 und 545 ff.

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Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

(These 5 und 6), in denen die Suffizienz der Schrift gegenüber Tradition und Lehramt hervorgehoben wurde, regte sich dementsprechend Widerspruch. Dennoch war es für den damaligen Zeitpunkt ein erstaunliches Ergebnis, daß sich die historisch-kritische Schriftauslegung - wie sich auch an den im Verlauf der Zusammenarbeit gehaltenen exegetischen Referaten ablesen läßt - als Methode auch innerhalb der katholischen Theologie durchgesetzt hatte. 4.3. Die Verkündigung der Kirchen angesichts der Verborgenheit Gottes Allen ungelösten Fragen hinsichtlich des Verhältnisses von Schrift, kirchlicher Tradition und Lehramt und damit in gewissem Sinn hinsichtlich der Grundlage der Verkündigung zum Trotz, reagierte man auf die zunehmende Säkularisierung zu Beginn der 70er Jahre mit einer theologischen Reflexion über die Verborgenheit Gottes und im Anschluß daran über die konstitutiven Bestandteile des Glaubens, die in Anbetracht dieser Situation die Verkündigung beider Kirchen beinhalten sollte. Es sollte also nicht um kontroverstheologische Einzelfragen gehen, sondern um die zentralen Glaubenswahrheiten, die beiden Kirchen gemeinsam sind.454 Damit beschritt man einen Weg, der sich auch für die Fortführung des ökumenischen Gesprächs als sinnvoll erwies. Denn in dessen weiterem Verlauf zeigte sich, daß nicht der Rekurs auf konfessionelle Sonderlehren, sondern allein die Orientierung an dem zentralen Christusbekenntnis zu einer angemessenen Beurteilung der jeweils anderen Lehre und damit aufeinander zu führt. Mit der Frage nach den Konstitutiva des chrisdichen Glaubens ging man an die Bestimmung einer gemeinsamen christlichen Identität als Basis für die gemeinsame Weitergabe der apostolischen Überlieferung. Die Bedeutung beider Tagungen liegt weniger darin, eine zutreffende Analyse der damaligen Lage und passende Lösungsvorschläge für die Reaktion beider Kirchen erarbeitet zu haben. Viel eher läßt sich an ihnen zeigen, wie sehr die grundlegenden fundamentaltheologischen und erkenntnistheoretischen Unterschiede auch die Reflexion über die aktuelle Zeitsituation und gemeinsame Reaktionen darauf prägen. Dabei kommt einem zu Bewußtsein, daß ihre Aufarbeitung nicht gänzlich zugunsten einer sol454 Auf beiden Seiten bestand damals das Bedürfnis, gemeinsam eine Antwort darauf zu suchen, wie Gott zeitgemäß verkündigt werden könne. Höfer schlug dafür 1972 einen ökumenischen Entwurf vor, mit der Begründung, die bei dieser Tagung vorgebrachten Differenzen seien nicht mehr so erheblich. E. Lohse formulierte etwas allgemeiner: „Es ist ja nicht nötig, daß wir in diesem Kreis immer nur mit der Lupe nach Unterschieden suchen, die zwischen den Konfessionen noch bestehen, sondern wir könnten unter Umständen Probleme auch einmal wirklich gemeinsam angehen, die uns gemeinsam heute aufgegeben sind" (Prot, 67). Unter lebhaftem Protest der anderen Teilnehmer äußerte sich Brunner als einziger skeptisch gegenüber der neu ins Blickfeld gerückten Fragestellung, weil die Theologen gar nichts dazu beitragen könnten, daß Gottes Wort wieder gehört werde (Prot, 68/69).

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

375

chen gemeinsamen Problembewältigung aufgegeben werden darf. Auch deshalb erscheint die Darstellung dieser beiden Themen am Ende des dogmatischen Teils angebracht. 4.3.1. Die Verborgenheit

Gottes

Die Themenstellung erwies sich bei ihrer Bearbeitung als sehr weit gesteckt.455 Sie umfaßte - nicht zuletzt wegen der sich unterscheidenden Vorstellungen, die beide Konfessionen mit ihr verbanden - mehr Aspekte als man angenommen hatte. Die Vielfalt der jeweils nur ansatzweise angesprochenen Sachverhalte stand dann auch einer Veröffentlichung oder der Erstellung von Thesen entgegen. So bezog Rahner die Unbegreiflichkeit Gottes auf dessen Sein, während Westermann vom AT her von der Unbegreiflichkeit des Handelns Gottes sprach. Dann stand das Verhältnis zwischen der gleichzeitigen Verborgenheit Gottes und seinem Offenbarsein (in Christus) zur Debatte, also zwischen deus absconditus und deus revelatus,456 ganz zu schweigen von der ebenfalls zu berücksichtigenden Fähigkeit auf Seiten des Menschen, Gott zu erkennen und möglichen Hindernissen. Diese verschiedenen Perspektiven mußten im Gespräch erst mühsam voneinander abgegrenzt werden. Richard Schaeffler und Joachim Matthes (Bielefeld) boten mit ihren Referaten über „Das Verstummen der philosophischen Gottesfrage und seine Gründe" und „Wird der Gottesglaube anders? Überlegungen zu einigen Ergebnissen der Umfrageforschung" zur Einführung eine philosophische bzw. soziologische Situationsanalyse.457 Beide kamen zu ähnlichen Resultaten: Schaeffler konstatierte mangelndes Interesse der Philosophie am Gottesglauben, Matthes wies auf dessen Entleerung in der Bevölkerung im deutschsprachigen Raum hin. Beide maßen den Theologen bzw. der Kirche selbst auch einen Teil der Verantwortung für diese Situation bei. Während Karl Barth, Emil Brunner, Erich Przywara und Gottlieb Söhngen in ihrem theologischen Streit um die Legitimität philosophischer Theo455

Es handelte sich um die 33.Tagung, die vom 20.-24.3.72 im Berneuchener Haus Kloster Kirchberg/Horb stattfand. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Bläser, Böckle, Deissler, Fries, Höfer, Iserloh, Pieper, Rahner, Schaeffler, Schelkle, Ziegler, Prot. Krems. Ev. Teiln.: Kunst, Schlink, Anz, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, B. Lohse, Lötz, Westermann, Prot. Mumm. Zum damaligen Zeitpunkt waren folgende Mitglieder des ÖAK bereits verstorben: Paul Simon (1946), Wilhelm Menn (1956), Josef Gewieß (1962), Robert Grosche (1967), Hans Asmussen (1968), Viktor Warnach (1970), Ernst Kinder (1970), Gottlieb Söhngen (1971), Gerhard Krüger (1972), Otto Heinrich von der Gablentz (1972) (Prot. 3-5). 456 Vgl. dazu auch das Schlußwort von Kardinal Jaeger zum Ertrag der Tagung, Prot., 95 und 97. 457 Vgl. zu den Thesen zu Schaefflers Referat und zu dem von Mumm verlesenen Referat des selbst wegen Krankheit nicht anwesenden Joachim Matthes die Anlagen zum Protokoll, Akten EvAk.

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logie noch deren Interesse an der Frage nach der Existenz und dem Wesen Gottes hätten voraussetzen können, so spiele jetzt in den rein philosophischen Auseinandersetzungen zwar die Religion, nicht mehr aber die Frage nach Gott eine Rolle, erläuterte Schaeffler. Theologisch gesehen könne dies entweder die Polemik Barths bestätigen, sofern das vergangen ist, was er für illegitim hielt, oder ihn kritisieren, denn der „Untergang des von ihm als Götzen bekämpften Gottes der Philosophen hat auch die Botschaft vom wahren Gott weithin unverständlich gemacht."458 Philosohisch gesehen, wertete er es als Anzeichen für die historische Kontingenz der Gottesfrage innerhalb der Philosophie im Gegensatz zu deren „ewig-notwendigen" Aufgaben. Unentbehrlich sei die Frage nach der Existenz Gottes für die Philosophie der Neuzeit gewesen, „wenn sie ihre zentrale Aufgabe lösen wollte: die Entwicklung einer Theorie der Subjektivität und ihrer Beziehung auf mögliche Objekte."459 „Gott" war für sie das Prinzip, aus dem „die Leistungen der Subjektivität und ihre Vermittelung mit möglichen Objekten erklärt werden sollte."460 Dieses Vorgehen kann nur von solchen Theologen akzeptiert werden, die eine „transzendentale Interpretation der Offenbarung" gutheißen - wie es Rahner im Anschluß an die Maréchal-Schule tat - , d. h. die Gott nicht als ein Objekt verstehen, das dem Subjekt einfach begegnet, sondern das diesem zunächst die Möglichkeit dafür eröffnet, daß ihm Objekte überhaupt begegnen können. Nach Schaeffler verstummte nun die philosophische Gottesfrage in dem Moment, als die Theologen nicht mehr von einem Gott sprachen, „in welchem die Philosophen zugleich die Bedingung für die Erfüllbarkeit ihrer eigenen Aufgabe wiedererkannten", nämlich von einem „allmächtigen und zugleich unbedingtes Zutrauen verdienenden" Schöpfer.461 Diese Thesen implizierten das kontroverstheologische Problem des Verhältnisses von Theologie und Philosophie. Pieper formulierte: „Das ist kontroverstheologisch wichtig: Gibt es theologische Reflexion ohne Rückgriff auf philosophische Kategorien? Gibt es eine Philosophie ohne Einbeziehung des Glaubens? Da werden sich unsere Kontroversen zeigen." 462

Insbesondere die Frage nach einem Anknüpfungspunkt im Menschen für die Erkenntnis Gottes wurde erneut berührt. Schlink ging im Gegensatz zu Schaefflers Einschätzung der Gottesfrage als historisch-kontingente Aufgabe der Philosophie davon aus, daß die Gottesfrage durch die Tatsache, daß Gott sich durch die Schöpfung allen Menschen bezeugt, immer 458

A. a. O., 1. A. a. O., 2. 460 Ebd. 461 A.a.O., 2 und 6. 462 Prot, 8/9.

459

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gestellt ist. Deshalb wollte er wissen, ob der Grund dafür, daß die Gottesfrage nicht mehr berücksichtigt werde, vielleicht darin zu suchen sei, daß die nachchristliche Philosophie blind werde, weil sie sich von Gott abgewandt habe. Schaeffler pflichtete ihm darin bei, daß mit einer „Gottesblindheit" zu rechnen sei. Um Gott erkennen zu können, bedürfe es einer Umstrukturierung unserer Existenz. Der vor- und der nachchrisdiche Mensch müßten sich bekehren lassen. Von beiden wurde also nicht nur die Bezeugung Gottes als Schöpfer, sondern auch der Glaube als Voraussetzung für die Beschäftigung mit der Gottesfrage betrachtet, nicht aber die Verborgenheit Gottes, sondern allein der fehlende Glaube für ihren Rückgang verantwortlich gemacht. Einer solch engen Verknüpfung von Glaube, Theologie und Philosophie steuerte Brunner entgegen, indem er postulierte, die Gottesfrage gehöre nicht zu dem, was zu allen Zeiten von der Philosophie behandelt worden sei. Diese befasse sich ausschließlich mit der Vernunft zugänglichen Dingen, wie der „Sagbarkeit" des Evangeliums und dem Sprachverstehen als der Voraussetzung gläubigen Hörens.463 Auf die These von Matthes, es gebe keinen Wandel im Gottesglauben der Bevölkerung, sondern eine Kluft zwischen der Kirche und den Theologen auf der einen und den Glaubenden auf der anderen Seite, die zur Beurteilung des Gottesglaubens als leere Hülse führe464, reagierte man sehr kritisch. Man warf ihm vor, etwa im Hinblick auf die theologischen Fakultäten die Lage zu optimistisch einzuschätzen. Ferner habe er die unterschiedliche Situation der Konfessionen nicht bedacht. Volk wies auf Fragen hin, die auf katholischer Seite neu aufbrächen, während die evangelische Seite sie längst kenne. Schlink sprach sich aufgrund der Erfahrungen im Gespräch mit der Russisch-orthodoxen Kirche überhaupt gegen eine Verallgemeinerung westlich-abendländischer Phänomene aus.465 Mehr Raum nahm aber die Diskussion um die Ausführungen Rahners und Westermanns ein. Für Westermann war wichtig, daß es in den Geschichtsbüchern des AT Offenbarung bzw. Verborgenheit Gottes nur im 463

Prot, 10/11. Vgl. maschinenschriftliche Anlage zum Prot., 9/10: „Die vorliegenden Ergebnisse religionssoziologischer Umfrageforschung geben wenig Anlaß, von einem neuerlichen tief greifenden Wandel im Gottesglauben oder im Religiositätsstil im allgemeinen im Zusammenhang mit epochalen gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zu sprechen. Wohl aber geben sie allen Anlaß, über die Kommunikationsschranke nachzudenken, die sich in unserer Gesellschaft in einem etwa ein Jahrhundert andauernden Prozeß zwischen der organisierten Repräsentation des chrisdichen Glaubens und deren Selbstverständnis einerseits und der Religiosität des sozialen Alltagslebens andererseits aufgebaut hat Man verkennt diese Schranke, wenn man von der einen Seite dieser Schranke her meint, alles, was auf der anderen Seite geschieht, als einen Schwund oder Verlust des auf dieser Seite Geltenden und Bewahrten ansehen zu müssen, - zurückzuführen auf Bedingungen, die allein auf der anderen Seite entstanden und wirksam sind im Sinne einer exogenen gesellschaftlichen Eigengesetzlichkeit." 464

40

Prot., 13-18 und 91.

378

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

geschichtlichen Sein gibt. In den Psalmen und bei den Propheten wird das Verbergen des Angesichtes Gottes deshalb nicht als Gegenbegriff zu seinem Offenbarsein gebraucht, sondern zu seiner gnädigen Zuwendung. Das opus alienum, also die Abwendung Gottes von seinem Volk, ist zeitlich begrenzt verstanden. Nur selten redet das AT vom Verborgensein Gottes im Gegensatz zu seiner Erkennbarkeit (ζ. B. Jer 32,26). Dann ist nach Westermann das sich allmählich von der Sichtbarkeit des Sich-Erweisens lösende Heilshandeln gemeint, nicht das opus alienum.466 Rahner stellte gleich zu Beginn die andere Sichtweise der katholischen Theologie heraus: „Wenn ich recht sehe, wird in der katholischen T h e o l o g i e der Begriff Verborgenheit weniger gebraucht als jener von der Unbegreiflichkeit D a s ist v o n nicht unerheblicher Bedeutung. Ist damit d o c h schon einer essentialen Betrachtung des Problems der V o r z u g gegeben vor einer heils- und offenbarungsgeschichtlichen Sicht" 4 6 7

Diese Unbegreiflichkeit ist in der seinshaften Unendlichkeit Gottes begründet, die vom endlichen Intellekt nie voll erfaßt werden kann. Das Problem herkömmlicher Schultheologie sah Rahner darin, daß sie auch für die „visio beatifica" an der Inkomprehensibilität Gottes festhält, obwohl sie als unmittelbare Schau Gottes verstanden wird. Damit einher geht nach Rahner zum einen ein „Übergewicht theoretischen Begreifenwollens", zum anderen die Problematik der Vermittlung zwischen der essentialen Unbegreiflichkeit Gottes und seiner heilsgeschichtlichen Verborgenheit, die für den endlichen Geist durchaus erkennbar ist, sowie dem „Urmysterium der Unbegreiflichkeit Gottes" und der Mehrzahl der „mysteria stricte dicta". Rahner versuchte nun mit Hilfe seines transzendentaltheologischen Ansatzes dieser Problematik zu begegnen. Dabei ging er nicht von einem Erkenntnisbegriff aus, der völliges Durchschauen und Umgreifen meint, sondern von dem menschlichen Erkennen der eigenen Transzendentalität, der Offenheit auf das Geheimnis hin, als Voraussetzung jeder kategorialen Erkenntnis.468 Offenbarung vermittelt dementsprechend die Erkenntnis des 466

Siehe die maschinenschriftlichen Thesen, Anlage zum Protokoll. Vgl. Rahner, Karl, Uber die Verborgenheit Gottes, in: ders., Schriften zur Theologie XII, Zürich, Einsiedeln, Köln 1975, 285-305, 286. Gegenüber dem maschinenschrifdichen Originalvortrag der Tagung wurde nur der Wortlaut geringfügig verändert 468 Vgl. dazu die Ausführungen Piepers (Prot, 46-51) zur Unterscheidung des Thomas von Aquin zwischen Erkennen und Begreifen, die er in der Diskussion ansprach, um zu zeigen, daß Thomas die Unbegreiflichkeit Gottes auf eine Weise betonte, die jemandem, der aus der scholastischen Theologie und Philosophie komme, unheimlich sei (49). Er bezog sich dabei auf dessen Definition zu Anfang der summa theologiae: „comprehendere heißt, etwas so sehr erkennen, als es in sich selber erkennbar i s t . . . Wenn alles erkannt ist, dann kann ich von Begreifen reden ... Die Dinge sind von uns deswegen unergründlich, weil sie aus einem uns unzugänglichen göttlichen Entwurf stammen . . . Die Dinge sind erkennbar, weil sie Kreatur sind, und die Dinge sind unbegreiflich, auch weil sie Kreatur sind" (47). 467

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

379

bleibenden Geheimnisses oder des deus absconditus. In Entsprechung zu Pannenbergs theologischem Grundansatz ist für ihn die Offenbarungsgeschichte deshalb „die fortschreitende Erkenntnis, daß wir es mit dem bleibenden Geheimnis selbst zu tun haben, immer mehr mit ihm und mit nichts anderem ... Alles in einer Geschichte läßt sich eben nur von ihrem Ende her letztlich zutreffend deuten. Diese Ende aber ist die Ankunft Gottes als des bleibenden, jedoch in Liebe angenommenen Geheimnisses."469 Bei seinen Überlegungen kam es Rahner letzdich darauf an, zu zeigen, „daß eine richtige ,theologia gloriae', die dem Katholizismus oft vorgeworfen wird, immer noch Theologie des ,deus absconditus' ist, wenn sie sich selbst richtig versteht" 470 Dementsprechend reagierte er auf Westermanns Vorwürfe, er spreche von der Unbegreiflichkeit bzw. von deren Gegenteil, obwohl das Grundverhältnis des Menschen, nicht nur im AT, das der Begegnung und nicht das des Denkens und Begreifens sei, weshalb die Verborgenheit Gottes nur in der existentiellen Erfahrung des nicht namenlosen Gottes der Bibel existiere. Er hielt die Distinktion zwischen der Frage nach dem Handeln und der nach dem Sein Gottes für undurchführbar: „Mir scheint also auch die Erfahrung des Alten Testamentes letzdich auf eine Hingabe des Menschen hinzudrängen, in der das opus proprium und das opus alienum noch einmal beides dem unbegreiflichen Gottes anvertraut werden ... Dann kommt noch natürlich dazu, daß ja gerade in der Konzeption, daß es sich um eine letzte in Freiheit, Hoffnung und Liebe geschehende Übergabe an das Mysterium Gottes handelt, sich dieses Verständnis einer bloß neutral-theoretischen Vernunft grundsätzlich wieder in etwas ganz anderes verwandelt."471 Außerdem stellte er in Frage, daß Gesundheit und Krankheit noch als Zuoder Abwendung Jahwes erfahren würden. Rahner wiederum wurde von katholischer Seite aus gefragt, ob er nicht doch in den Kategorien und der Fragedimension der Schultheologie verblieben sei. Vermittelnd wirkte das Votum Bläsers, die beiden Referenten seien von zwei verschiedenen Diskussionsgrundlagen ausgegangen, die beide im A T einen Anhaltspunkt hätten: „Das ist schon lange bekannt, daß da ein Spannungsverhältnis ist zwischen Exegese als geschichdicher Wissenschaft und als Wissenschaft, die sich mit dem Geschehen und dem Handeln Gottes befaßt, und einer Theologie, die die SeinsDagegen wies Rahner aber auf den wesentlichen Unterschied hin, den Thomas zwischen der Inkomprehensibilität der Geschöpfe und der Gottes mache (50). 469 A.a.O., 299. 470 A.a.O., 305. 471 Prot., 22, zu Westermann, ebd., 19/20.

380

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

frage stellt und fragt: Was ist? Ich würde meinen, diese beiden Stränge der Theologie sind irgendwie schon im alttestamendichen oder spätjüdischen Bereich angesiedelt . . . Darin würde auch dem, was Herr Schelkle gestern gesagt hat, zu folgen sein. Diese Terminologie im Neuen Testament: der ,Unsichtbare' - , das kommt ja auch aus diesem Bereich. Da ist auch nicht vom Handeln Gottes die Rede, sondern vom Sein Gottes."472

B. Lohse ergänzte, mit dem Ubergang vom hebräischen Denken ins griechische sei eine sachliche Übertragung der Glaubensaussagen von konkretgeschichtlichen zu seinshaften Aussagen notwendig geworden, deren Geltung bis an das Ende der Tage jedoch wiederum bestritten wurde.473 Bei der Auseinandersetzung kamen also alle die Differenzpunkte zur Sprache, die unabhängig von der jeweiligen Thematik die gesamte Arbeit des ÖAK durchzogen: Der Gegensatz zwischen der personal-relationalen und der ontologischen Denkweise sowie die Frage nach der Zeitbedingtheit dogmatischer Aussagen und den unterschiedlichen Standpunkten, von denen aus sie getroffen werden. So war es wieder Schlink, der die ablehnende Haltung Luthers zu Spekulationen über den verborgenen Gott anhand von „De servo arbitrio" darlegte. Der verborgene Gott, so Schlink, ergibt sich für Luther aus seiner Allwirksamkeit und im Zusammenhang seines prädestinatianischen Erwählens und Verwerfens. (Rom 1, 24 f., Rom 9). Luthers Grundregel beschrieb er jedoch so: „nicht grübeln, nicht nachdenken, nicht aufsteigen zu dem verborgenen Gott, sondern sich allein halten an den Deus revelatus in verbo, in Christo."474

Und er fuhr fort: „Es geht nicht nur um ein Erkennen, sondern um eine personale Begegnung, um ein Sichanklammern, Sichausliefern, Sichfesthalten unter Verzicht auf eine Lösung dieses erregenden gedanklichen Problems."

Von daher stellte er fest, daß sowohl die katholische Schultheologie als auch Rahners Entwurf von Luthers Konzeption abweichen. Entscheidend war aber, daß er darin zwar ein kontroverstheologisches Problem, nicht aber einen kirchentrennenden Unterschied sah! In seiner Unterscheidung spiegelte sich das Ergebnis der vielen vorausgegangenen Tagungen, bei denen man - wie die gesamte bisherige Darstellung zeigt - durch die Interpretation der unterschiedlichen Lehren deren Intention und Aussage besser zu verstehen lernte, obwohl der gesamte Kreis eine solche Aussage bis in die 80er Jahre hinein nie zu treffen gewagt hatte. 472 473 474

Prot., 28, zur Anfrage Schaefflers, 25-27. Prot., 55-57. Zitate Prot., 54, zum gesamten Votum Schlinks vgl. 51-54 und 69/70.

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

4.3.2.

Was ist fiir den christlichen Glauben

381

konstitutiv?

Wie nun in der 1972 vom Plenum insgesamt so düster eingeschätzten Situation die Verkündigung der Kirchen und vor allem die Aussagen der Theologen aussehen müßten, darum sollte es bei der darauffolgenden Tagung gehen.475 Die sich herauskristallisierenden Fragen zum Thema, dessen Untertitel lautete „Das Verhältnis von Glaube, Bekenntnis und Lehre", faßte Schlink zu folgenden drei Fragenkomplexen zusammen: „a) W e weit reicht das Konstitutive? Wieweit kommt das in gemeinsamen Aussagen zum Ausdruck? Nicht nur in dogmatischen, auch in liturgischen Formularen kann das zum Ausdruck kommen, b) Alle Kirchen stützen sich auf die Schrift und die Tradition. In allen Kirchen ist eine Hierarchia veritatum wirksam. Die jeweilige Geltung wäre zu klären, c) Was bedeutet das Konstitutive für die Einheit der Kirche? Wieweit sind Verschiedenheiten tragbar?"476

Wie bei dem Austausch über die Verborgenheit Gottes - entsprechend der ursprünglichen Zielsetzung des ÖAK - der Vergleich der dogmatischen Aussagen beider Konfessionen aus dem Bereich der Gotteslehre gegenüber dem Gespräch über die gegenwärtige Situation überwog, so standen auch diesmal die ebenfalls aus dem Plenum angeregten, pastoralen und homiletischen Fragen im Hintergrund, und die Referate und das Gespräch konzentrierten sich auf die Konstitutiva der christlichen Lehre.477 Bei den drei „exegetischen Voten" ging es zunächst darum, ob die fides quae oder die fides qua konstitutiv für den christlichen Glauben ist. Schelkle postulierte: „Für den christlichen Glauben ist neutestamentlich konstitutiv das Bekenntnis, daß Jesus Christus und Herr ist, sowie Grund und Gehalt chrisdicher Existenz in der Nachfolge Jesu."478

Demgegenüber bezeichnete Greeven das persönliche Verhältnis zu Jesus, das heute weithin fehle, als konstitutiv für den Glauben. Er fragte also nicht nach der fides quae, sondern nach der fides qua creditur. Ferner hielt er es für möglich, die Früchte des Glaubens zu dessen Konstitutiva zu zählen.479 475 Diese 34. Tagung fand vom 9.-13.4.73 in der Katholischen Akademie in Schwerte statt. Ev. Teiln.: Kunst, Stählin, Schlink, Anz, Beyerhaus, Brunner, von Campenhausen, Friedrich, Greeven, B. Lohse, Wolf, Prot. Mumm. Kath. Teiln.: Jaeger, Volk, Bläser, Fries, Höfer, Iserloh, Schelkle, Ziegler, Prot. Krems. 476 Prot., 47. 477 Von Brunner, Wolf und Volk war demgegenüber vorgeschlagen worden, sich damit zu befassen, wie dogmatische Aussagen und Bekenntnisformeln ins „Heute" zu übersetzen bzw. zu ersetzen seien und welche Traditionselemente beizubehalten seien, wie Verkündigung also konkret heute auszusehen habe (Prot., 41/42). 478 Prot, 2. 479 Prot., 8-15, vor allem 9 und 14.

382

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Von Campenhausen vertrat, gegen Schelkle, die Auffassung, es sei nicht konstitutiv, was in den meisten Schriften des N T übereinstimmend gesagt werde, gegen Greeven bezeichnete er auch die fides qua als nicht konstitutiv. Für ihn war bei einer rein ntl. Antwort das grundlegend, „dessen Bejahung einen Christen zum Christen macht" 480 Darunter verstand er Christus selbst. Alle näheren Bezeichnungen seiner Heilsbedeutung und deren lehrhafte Entfaltung seien im N T vielfältig, zum Teil sogar gegensätzlich (Gesetz bei Paulus und Matthäus). Ferner unterschied er zwischen den gemeinsamen Grundvoraussetzungen des Christusglaubens, der „Anerkennung des heilsgeschichtlichen Erfüllungscharakters seiner Geschichte und Person" mit seiner Kreuzigung und Auferstehung sowie seiner Wiederkunft, und dessen weiterer Realisierung durch den Glauben an den Hl. Geist, die Wirklichkeit des Volkes Gottes (der Kirche) und die Scheidung von der Welt. Mit einigen anderen evangelischen Teilnehmern war ihm wichtig, daß in keinem Fall nur eine Summe von Sätzen konstitutiv sei, sondern zumindest auch ein Verhalten. Greeven wies darauf hin, daß auch die Wiederholung des Credo nicht den rechten Glauben garantiere.481 Bereits nach den exegetischen Erörterungen zeigte sich also die ganze Bandbreite von Verständnismöglichkeiten, die auch diese Themenstellung implizierte. Zum einen umfaßte sie das zu Glaubende, wobei man evangelischerseits Christus selbst meinte, katholischerseits das Christusbekenntnis des NT, zum anderen die Ausprägung des christlichen Glaubens, unter dem evangelischerseits die persönliche Beziehung zu Christus verstanden wurde, während man katholischerseits zunächst an das Fürwahrhalten des christlichen Bekenntnisses und der kirchlichen Lehre dachte. Daran wird deudich, daß auch die Abgrenzung des wirklich Konstitutiven von anderen wesentlichen Bestandteilen und deren Abstufung untereinander, wie es in Schlinks Zusammenfassung ja angedeutet wurde, schwierig war. Das Problem der Hierarchie der Wahrheiten wurde jedoch nicht eingehend behandelt.482 Im Zentrum des Interesses standen vielmehr die unterschiedlichen Perspektiven, die evangelische Theologen veranlassen, zunächst von der einen Wahrheit zu sprechen, während katholische Theologen von einer Vielzahl von Einzelwahrheiten ausgehen. Ein Beispiel dafür, daß sich die existentielle Sichtweise der Lutheraner und die umfassende, betrachtende der katholischen Theologen mitsamt der daraus resultierenden unterschiedlichen Bewertung christlicher Lehr- und

Prot., 15-18. Zu von Campenhausen vgl. die Thesen, Anlage zum Protokoll sowie Prot., 15-18, zu dem gemeinsamen Votum vgl. 48. 482 Die hierarchia veritatum wurde deshalb neben der Ordination und Modellen der Einheit als Thema für die folgende Tagung vorgeschlagen (Prot, 46). Man einigte sich jedoch auf die Behandlung der Ordination, und die beiden anderen Themen waren bis heute noch nicht Gegenstand einer Arbeitstagung. 481

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

383

Bekenntnisaussagen aber nicht mehr einfach gegenüberstanden, sondern daß im Laufe der Jahre ein gegenseitiges Verständnis gewachsen war, boten B. Lohse und Iserloh mit ihren beiden Referaten zu „Glaube, Bekenntnis und Lehre bei M. Luther". B. Lohse referierte nichts Neues, indem er den persönlichen Heilsglauben auch im Sinne Luthers als konstitutiv für den christlichen Glauben darstellte, der deshalb alle dogmatischen Loci durchziehe, obwohl Luther auch den Sakramenten Bedeutung beigemessen habe. Auch die große Bedeutung des Bekenntnisses und der Lehre für die Lutheraner hob er hervor, insbesondere das altkirchliche Dogma als nach refonnatorischem Verständnis konstitutives Element. Zwar habe Luther überkommene Denkschemata durchbrochen, indem etwa auch die Lehre von Gesetz und Evangelium und von Deus absconditus und revelatus für ihn entscheidend waren, und von der Selbstgewißheit seines eigenen Glaubensbewußtseins her die Lehre der Kirche, der Konzilien und gewisse Aussagen der Schrift in Frage gestellt. Dennoch kam Lohse zu dem Schluß: „Formal dürfte in dieser Verbindung von Glaube, Bekenntnis und Lehre zwischen Luther und seinen katholischen Gegnern kein eigendicher Gegensatz vorhanden sein. Allerdings ist die inhaltliche Füllung dieser Begriffe doch unterschiedlich." 4 8 3

Selbstkritisch fügte er einige Aspekte „zur Rezeption der zentralen Stücke der Theologie Luthers in der Gegenwart"484 hinzu. So wies er darauf hin, daß die bloße Übernahme der Erkenntnisse Luthers wegen dessen zeitbedingter Polemik nicht möglich sei. Außerdem habe man in der Reformation nicht genügend bedacht, daß das Maß der eigenen Einsicht nicht ausschlaggebend sein dürfe für das, was man aus der Tradition übernehme. Auch die gegenwärtige, veränderte Problemlage erwähnte er: „Aber es darf doch nicht übersehen werden, daß das, was heute weithin zum Problem geworden ist, für Luther wie für die Reformation noch im wesendichen fraglos feststand, nämlich die entscheidenden Züge der überkommenen Gotteslehre und die Offenbarung selbst Wenn Luther in dieser Hinsicht Fragestellungen und Erkenntnisse vorweggenommen zu haben scheint, die erst in der Neuzeit gewonnen worden sind, so muß dabei beachtet werden, daß dieser Durchbruch nur auf dem Hintergrund eines noch sehr breiten Consensus quer durch die damaligen konfessionellen Trennungen hindurch erfolgt i s t " 4 8 5 Vgl. maschinenschriftlichen Anhang zum Protokoll, 9, zum Ganzen 1-17. A.a.O., 17ff. 485 A. a. O., 19. Er nannte zwei Beispiele für diese Problematik: Der Versuch einer Übertragung der Lehre von Gesetz und Evangelium in die Gegenwart stehe vor dem Problem, daß es kaum noch gelinge, das „Gesetz", an dem der Mensch scheitert, als götdiches deutlich zu machen. Bei der Unterscheidung von deus absconditus und deus revelatus habe das Problem bei Luther, der Reformation und der Orthodoxie beim deus absconditus gelegen, heute liege es beim deus revelatus (20). 483

484

384

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

Sein Fazit war: „Das reformatorische Verständnis von Glaube, Bekenntnis und Lehre dürfte in einer für das 16. Jh nicht übertroffenen Weise das Zentrum des christlichen Glaubens zum Ausdruck gebracht haben. Darüber hinaus sind hier diejenigen Themen zum ersten Mal in der Kirchengeschichte angeschnitten worden, die auch heute noch die wesendichen sind. Auch die Lösungen, welche die Reformation brachte, dürften in ihrem Kern nicht überholt sein. Sie müssen aber von manchen Engführungen, die durch die kontroverstheologische Situation des 16.Jahrhunderts bedingt sind, befreit und darüber hinaus wieder neu für die Gegenwart interpretiert werden."486 Iserlohs Korreferat lag ganz auf seiner Linie. Für ihn war wesentlich, daß das „pro me" Luthers, sein existentielles Denken, nichts mit heutiger existentialer Interpretation in dem Sinne zu tun habe, daß „die Tatsächlichkeit der Heilsereignisse in Frage gestellt oder als unbeträchtlich hingestellt werden soll." Deshalb konnte er feststellen: „Mit diesem Festhalten an den Heilstatsachen, an der Gottheit Jesu Christi und seiner Auferstehung, am Sakrament der Taufe und des Abendmahls, steht heute der katholische Christ auf der Seite Luthers gegen viele, die sich auf den Reformator meinen berufen zu dürfen."487 Iserlohs Position lag die Erkenntnis der Zeitbedingtheit dogmatischer Aussagen zugrunde, zu deren Berücksichtigung in den Gesprächen des ÖAK ja auch B. Lohse bei dieser wie bei früheren Tagungen aufgefordert hatte. Bei Äußerungen Luthers gelte es, die jeweilige Frontstellung zu berücksichtigen, dann zeige sich, daß er nicht die objektive Wirklichkeit des Sakraments leugnen, sondern die Bedeutung des Glaubens für dessen Fruchtbarkeit hätte hervorheben wollen. Von daher zeigte Iserloh auch Verständnis für den Satz aus De captivitate: „Glaube ist Werk Gottes in uns, ohne uns." Dazu bemerkte er im Hinblick auf die Kontroverse um die Heilsgewißheit: „Das ,ohne uns' ist dann auf einmal wichtig: wenn ich dieses Glaubens ganz absolut sicher sein will, dann darf diese Ungewißheit Mensch überhaupt nicht beteiligt sein. Da scheint mir die aufzuarbeitende Schwierigkeit zu liegen; aber ich glaube auch nicht, daß ein lutherischer Theologe dieses Wort von De captivitate emsthaft aufrecht erhalten kann, daß der Glaube auch Werk Gottes ohne uns ist ... dann muß auch lutherische Theologie wahrhaben, daß in der Gnade Gottes der Mensch zum Tun mit Gott befreit wird, wo das Tun mit Gott wieder nicht ein zusätzliches konklusives Tun ist, sondern ein Tun, das in das gnadenhafte Tun Gottes eingestellt ist."488

486 487 4,8

A.a.O., 21. Zum Referat vgl. Prot., 20-30, ferner die Texte zum Referat, Anlage zum Prot., 22. A.a.O., 26.

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

385

Seine Folgerung daraus war, daß nicht der Heilsglaube kontrovers sei, sondern allein diese „spitzfindige" Frage. Damit faßte er das zusammen, was sich bei allen Gesprächen des ÖAK über die Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch im Zusammenhang mit der Erlangung des Heils herausgestellt hatte. Durch seine Beschreibung des Stellenwertes, der dem Tun des Menschen seiner Meinung nach „nur" zukommt, wies er auf die Annäherung hin, die sich auch in dieser Frage ergeben hatte. Gegensätzlicher wurde es wieder, als es mit den systematisch-theologischen Referaten von Schlink und Ratzinger um die Vermittlung der apostolischen Botschaft in der heutigen Zeit ging. Während Schlink zunächst den Inhalt der apostolischen Christusbotschaft als Maßstab für die Verkündigung heute, ebenso wie für die in den ersten christlichen Gemeinden, ansprach und daneben den geschichtlichen Akt ihrer Ausrichtung durch die Kirche,489 konzentrierte sich Ratzinger auf die Bedeutung der memoria ecclesiae für die christliche Identität des Menschen: „Die Frage nach dem, was heute konstitutiv sei für den christlichen Glauben, ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund eines fundamentalen Zweifels an der geschichdichen Identität des Menschen mit sich selbst Sie setzt die Verschärfung des hermeneutischen Problems nach Hegel durch Karl Marx und den Neomarxismus in der radikalen Vergeschichtlichung des Menschen voraus. Daher ist die Frage nach dem ,heute' Konstitutiven nicht rein vom Inhalt her zu beantworten, sondern setzt primär eine Auseinandersetzung über die Hermeneutik des geschichtlich lebenden Menschen voraus. Die Vermittlung von Sein und Zeit, ohne die es geschichtliche Identität nicht gibt, geschieht in der memoria. Die memoria ecclesiae ist daher die Voraussetzung für die geschichdiche Identität des Glaubens und ihr O r t Nur in ihr löst sich auch das Problem von Vielheit der Glaubensaussagen und Einheit der geglaubten Wahrheit Der konkrete Ort der memoria ecclesiae ist ihr gottesdiensdiches Handeln, ihre Verkündigung, ihre Lehre. Die Frage nach der successio apostolica als äußerer Form der memoria stellt sich an diesem Punkt" 490 Daraus folgerte er:

489 Vgl. den Gedankengang seines Referates, maschinenschriftliche Anlage zum Protokoll, 1. Schlink legte in diesem Zusammenhang seine bekannten Ausführungen zur Struktur dogmatischer Aussagen dar, indem er unterschied zwischen der konstitutiven apostolischen Christusbotschaft, die auf Worte, Taten, Tod und Auferstehung Jesu gründet, und den „elementaren Antworten des Glaubens auf Gottes Heilstat in Jesus Christus" in der Zuwendung zu Gott (Gebet und Doxologie), in der Zuwendung zum Menschen (Zeugnis und Lehre) und im Bekenntnis, in dem die Antworten des Glaubens konzentriert sind. (Vgl. den Untertitel des Tagungsthemas!) 4,0 Maschinenschriftliche Thesen, Anlage zum Protokoll. Zu berücksichtigen ist, daß Ratzinger - wie von Campenhausen - ausdrücklich darauf hinwies, daß seine Thesen „ins Blaue hinein formuliert" worden seien.

386

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

„Das gegenwärtige Vermittlungsproblem des Glaubens kann nicht durch neue Formeln gelöst werden, sondern nur durch eine Wiederherstellung des Katechumenats, in dem die memoria ecclesiae wirksam wird und in dem auch das christliche Ethos seine konkrete Verankerung findet" In den beiden Gedankengängen wirkte sich nun auch die unterschiedliche Gewichtung von sachlicher und personaler Vermittlung der christlichen Botschaft bzw. der kirchlichen Wirklichkeit als solcher aus. So hatte Volk etwa gefragt, ob zu den Konstitutiva Kreuz und Auferstehung nicht ebenso die ekklesiale Wirklichkeit zu rechnen sei.491 Schlink stellte zwar am Ende seiner Problementfaltung im Hinblick auf das Verhältnis beider Kirchen zueinander fest, die traditionellen kirchentrennenden Unterschiede würden durch neue gemeinsame Probleme und Fronten überlagert, aber eine gemeinsame Antwort darauf, wie beide Kirchen miteinander überzeugend das Evangelium verkündigen könnten, bot man nicht. Das wesentlichste Ergebnis dieser Tagung dürfte gewesen sein, daß man eine gemeinsame inhaltliche Basis hatte, was die zentralen Heilstatsachen anbelangt, unabhängig von den jeweiligen lehrmäßigen Ausprägungen und trotz der bleibenden Schwierigkeit ihrer Abgrenzung.492 Darauf gründeten sich die Gespräche des OAK von Anfang an, und sie waren später die Grundlage des Projektes zur Aufarbeitung der Lehrverurteilungen, trotz aller weiter bestehenden hermeneutischen Unterschiede, die dennoch nicht aus dem Blickfeld gerieten. 4.4. Zusammenfassung Die Diskussion um die Selbstwirksamkeit der Schrift bzw. um die Bedeutung der Kirche, insbesondere des Lehramtes, für ihre Auslegung, führte durch den Ansatz Pannenbergs zu ausgiebigen innerevangelischen Auseinandersetzungen über das Offenbarungsverständnis und über die Mitte der Schrift als Maßstab für die Schriftauslegung. Die Mehrheit der evangelischen Teilnehmer sah in den zentralen Aussagen der Schrift, die im Bekenntnis zusammengefaßt sind - nicht in dem hinter den Zeugnissen zu suchenden Christusgeschehen - , eine ausreichende und legitime Orientierungsgrundlage für die Schriftauslegung. Darin sah man jedoch von katholischer Seite ebenso die Gefahr des Verfügens über den Schriftinhalt gegeben, wie sie nach evangelischer Seite in der Ausübung des Lehramtes 4,1

Prot., 47. Man formulierte aber keine gemeinsamen Thesen. Vgl. dazu einen Wortwechsel zwischen Iserloh und Schlink: Iserloh: „Vielleicht sind wir zu einer gemeinsamen positiven Aussage gar nicht fähig. Es fehlt uns die religiöse Kraft. Wir beschränken uns auf die Negativa." Schlink: „Das wäre schlimm! Wir sollten nicht negativ reden, ohne positiv zu sprechen." Iserloh: „Beispiel: Ob die Messe ein Opfer ist? Da stottern wir noch." m

Die Kirche als Heilsmittlerin durch die apostolische Überlieferung

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besteht. Im Laufe der Jahre konnte man sich immerhin darauf einigen, daß die Autorität der Apostel und ihrer Nachfolger sowie diejenige des Papstes ausschließlich auf dem von ihnen verkündigten Evangelium beruht und nicht den Personen selbst zukommt. Auch hinsichtlich des Verhältnisses von Schrift und kirchlicher Tradition ordnete man gemeinsam die Schrift der Tradition vor. Dennoch maß die katholische Seite für die Vermittlung der apostolischen Überlieferung weiterhin den Amtsträgern weitaus mehr Bedeutung bei als die evangelische. Dies kam darin zum Ausdruck, daß die Vielfalt der evangelischen Auslegungsmöglichkeiten nach wie vor kritisiert und als Gefahr für die Einheit der Kirche betrachtet wurde, die Suffizienz der Schrift nicht anerkannt wurde und man sich nicht an der einen Wahrheit in Christus orientierte, sondern an den vielen durch die Kirche definierten Einzelwahrheiten. Demzufolge sah man in der Ablehnung einer einzigen Wahrheit bereits eine Häresie, die zur Exkommunikation und außerhalb der sichtbaren Kirche zum Verlust des Heils führen kann. Die Vorschläge Rahners von 1969, das Lehramt dafür transparent zu machen, daß es auf sehr menschliche Weise Entscheidungen trifft, in denen allein Gott handelt, und seine Autorität noch mehr vom Evangelium her glaubwürdig zu machen, hätten trotz der Voraussetzung, daß die Bewahrung des Evangeliums an ein Lehramt gebunden wird, eine weitere Annäherung bedeutet, wenn man sie allgemein akzeptiert hätte. Auch die Beschränkung der lehramtlichen Funktion auf die Wahrung der Grundsubstanz christlicher Lehre im Gegensatz zur Festlegung neuer Wahrheiten, wäre ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Doch hinsichtlich der Dogmenbildung durch die Kirche kam es zu keiner Verständigung, weil man katholischerseits der Exegese keine kritische Funktion gegenüber der kirchlichen Lehre einräumte. Allein in diesem kritischen Verhältnis der Exegese zur Dogmatik lag die Differenz, denn davon, daß die Exegese immer von der kirchlich-dogmatischen Lehre beeinflußt ist, ja sogar davon, daß Dogmen in gewissem Sinne irreformabel sind, gingen beide Seiten aus. Die ekklesiale Dimension der Heilsvermittlung und damit zusammenhängend die Berechtigung kirchlicher Dogmen ohne breite Schriftgrundlage, blieb also umstritten, während man sich über die zentralen Verkündigungsinhalte einig war.

388

Grundprobleme des evangelisch-katholischen Dialogs

5. Fazit Die Beschäftigung des ÖAK mit der Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche führte, wie nicht anders zu erwarten war, nicht zu ebenso weitreichenden Ergebnissen, wie die Erörterung der Problematik für den einzelnen Christen. Die These Schlinks in seiner Bestandsaufnahme der Arbeit des ÖAK von 1962, der zentrale Unterschied habe sich nicht, wie zu Anfang vermutet, in der Gnaden- und Rechtfertigungslehre, sondern in der Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche und in den Verschiedenheiten im Schriftgebrauch gezeigt,493 hat sich auch für die Zeit nach dem Il.Vatikanum bewahrheitet. Überblickt man jedoch den gesamten Zeitraum der Zusammenarbeit innerhalb des ÖAK, von Beginn der 50er Jahre an bis in die 70er Jahre hinein, so ergibt die Zusammenschau der vielfältigen angesprochenen Aspekte und detaillierten Untersuchungen, daß ein differenziertes Bild der besonderen Verständigungsprobleme im Bereich der Ekklesiologie entstanden ist. Hinsichtlich der grundlegenden Kontroverse über den Stellenwert der institutionell verfaßten Kirche erkannte man nämlich, daß für die evangelische, insbesondere für die lutherische Theologie, die sichtbare Gestalt der Kirche durchaus relevant ist und nicht kritisiert wird, solange die alleinige Heilsmittlerschaft Christi anerkannt wird. Es war deshalb von entscheidender Bedeutung, daß man katholischerseits in verschiedenen Zusammenhängen den Vorwurf der Selbstbehauptung der Kirche neben Christus zu entkräften suchte. Man versuchte dies im Hinblick auf die Indefektibilität der Kirche und insbesondere hinsichdich der Unfehlbarkeit des Papstes, indem man auf die Leitung des Hl. Geistes verwies. Ferner bestritt man, daß innerhalb des Verständnisses der Kirche als Ursakrament deren institutionelle Gestalt Selbstzweck sei. Sie sei vielmehr auf das innere Mysterium der Christusgemeinschaft hingeordnet. Man war sich auch dessen bewußt, daß im Begriff des Ursakraments noch nicht klar genug das Gegenüber Christi zur Kirche zum Ausdruck komme. Schon sehr früh betonte man bei der Erörterung von Buße und Beichte, daß die Kirche durch ihr „Binden und Lösen" nicht über die Gnade Gottes verfügen könne. Ferner bezeichnete man die innere Haltung der Reue als entscheidend und vorrangig gegenüber der Beichte der Einzelsünden. In den 70er Jahren kam es schließlich zu Fortschritten in der character-Lehre, bei denen man die alleinige Mittlerschaft Christi gegenüber einer besonderen Befähigung des Amtsträgers zur Heilsvermittlung herausarbeitete. Auch die Autorität schrieb man nicht dem

4,3

Vgl. ders., Pneumatische Erschütterung, in: KuD 8/1962, 221-237, 227-229.

Fazit

389

Amtsträger selbst zu, sondern dem Evangelium, das er weiterzugeben hat. Die Schrift ordnete man klar kirchlicher Lehre und Auslegung vor. Im Bereich der Ekklesiologie kam es also zu Annäherungen im Sinne einer klaren Vorrangigkeit des Wirkens Christi gegenüber dem der Kirche, und es war ein Bewußtsein dafür entstanden, in welcher Richtung sich Möglichkeiten für eine zukünftige Verständigung auftaten. Daran knüpften die Mitglieder des ÖAK an, die zwischenzeidich die Möglichkeit der Interkommunion oder eine Anerkennung der Amter erwogen. Gravierende Fragen blieben jedoch offen. Innerhalb des katholischen Kirchenrechts wurde nicht klar unterschieden zwischen göttlichem und menschlichem Recht, die Einheit der Kirche sah man nach wie vor nur durch die Amterstruktur mit dem Papst an der Spitze gewährleistet, und vor allem über die Suffizienz der Schrift konnte man sich noch nicht einigen. Von daher nahm der OAK als ganzer wohlbegründet eine eher zögerliche Haltung im Hinblick auf konkrete Schritte zur Einheit ein. In dem hier ausschließlich bearbeiteten Zeitraum bis 1975 hatte sich jedoch deudich gezeigt, daß eine weitergehende theologische Verständigung in den ekklesiologischen Fragen möglich ist und daß die Problematik vor allem in deren Rezeption und konsequenten Anwendung im Sinne einer grundlegenden Veränderung der katholischen Kirchenstruktur besteht.

III. Von der Kontroverstheologie zur Ökumene: Die Bedeutung der Arbeit des ÖAK für die gegenwärtige ökumenische Situation Eine zusammenfassende Beurteilung der zurückliegenden theologischen Arbeit des ÖAK dürfte sich selbstredend nicht am heutigen Stand des evangelisch-katholischen Dialogs orientieren, sondern müßte den historischen Gesamtkontext ebenso berücksichtigen wie den situativen Redekontext, also das jeweilige Gesprächsklima.1 Beide waren, soweit sie unmittelbar die Gespräche des OAK betrafen, bereits Gegenstand der vorausgegangenen Darstellung. Doch selbst dann, wenn man diesen Gesamtrahmen berücksichtigen würde, bestünde bei einer Beurteilung aus heutiger Warte, die über die in der Darstellung immer schon implizierte Urteilsbildung hinausginge, noch stärker die Gefahr, anachronistisch und in gewisser Weise auch spekulativ zu erscheinen, zumal für die Zeit bis zum II. Vatikanischen Konzil, wie die vorausgegangenen Kapitel ebenfalls gezeigt haben, kein unmittelbar vergleichbarer Kreis bestand. Im folgenden wird deshalb ein anderer Weg beschritten, indem zusammenfassend nach dem Ertrag für die heutige ökumenische Arbeit des ÖAK selbst bzw. für den ökumenischen Dialog im allgemeinen gefragt wird. Da die Erarbeitung von Ergebnissen in Form von gemeinsamen Äußerungen lange Zeit nicht das vorrangige Ziel des ÖAK war, werden hier vor allem auch Arbeitsweise und Methodik noch einmal kurz aufgenommen. Im Anschluß daran soll auf der Basis der festgestellten Kontinuität in der Arbeit des ÖAK von dessen früherer Zusammenarbeit her die gegenwärtige Diskussion um das Dokument „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" beleuchtet werden, um abschließend - ausgehend von seiner charakteristischen Arbeitsweise - kurz eine Perspektive für die Fortsetzung evangelisch-katholischer Lehrgespräche aufzuzeigen.

1

Vgl. hierzu die Erörterungen Wolfgang Beinerts liber „Grundzüge einer Theorie des Dialogs", in: Urban, Hans Jörg/Wagner, Harald (Hrsg.), Handbuch der Ökumenik III/1, Paderborn 1987, 78 ff.

392

Von der Kontroverstheologie zur Ökumene

1. Schaffung grundlegender Voraussetzungen fiir eine ökumenische Verständigung heute Es soll hier noch einmal darauf hingewiesen werden, daß der ÖAK lange bevor in den 60er Jahren viele nicht nur evangelisch-katholische Gesprächskreise auf allen Ebenen entstanden, maßgeblich dazu beitrug, den Boden zu bereiten für solche Verständigungsversuche über konkrete konfessionell strittige Fragen. Der Einfluß seiner Arbeitsweise auf die Anregungen des Ökumenismusdekrets für den interkonfessionellen Dialog wurde in Abschnitt 6.2. des I. Kapitels bereits beschrieben. Anhand der vorausgegangenen Darstellung läßt sich ferner verfolgen, wie einige Charakteristika des Kreises im Laufe der Zeit an Bedeutung gewannen und andere sich neu herausbildeten, die sich für seine eigene Arbeit bis heute als tragfähig erwiesen haben, und die wegen ihrer daraus erwachsenden grundsätzlichen Bedeutung für Lehrgespräche zwischen den Kirchen nochmals hervorgehoben werden sollen. Es handelt sich hierbei um Aspekte, die mittlerweile zwar schon in die Theoriebildung des Ökumenischen Dialogs eingeflossen sind, deren Relevanz und Entwicklung aus der Praxis jedoch anhand der Geschichte des ÖAK besonders gut belegt werden können. 1.1. Anbindung an die Kirchen als Schritt zur Überbrückung der Kluft zwischen der Universitätstheologie und kirchenleitenden Gremien Daß der OAK in mehrfacher Weise in enger Verbindung zu den Kirchen stand, durch die offizielle kirchliche Genehmigung der Gespräche, durch die Protektion durch die Bischöfe und die Mitgliedschaft weiterer kirchlicher Amtsträger sowie später durch die Zusammenarbeit mit kirchlichen Gremien, ließ nicht nur in den eigenen Reihen die berechtigte Frage nach der Unabhängigkeit seiner theologischen Arbeit von Vorgaben seitens der Kirchen aufkommen. Es ist nicht zu übersehen, daß die Verantwortlichen lange Zeit mit der Loyalität gegenüber den Kirchen Einschränkungen im Hinblick auf die Zusammensetzung des Arbeitskreises, auf Veröffentlichungen gemeinsamer Thesen sowie auf die Gottesdienstpraxis während der Tagungen begründeten. Obwohl ihre Vorsicht manchmal übertrieben erscheint und man stellenweise den Eindruck gewinnt, daß man mit dieser Argumentationsweise auch eigene Vorstellungen durchsetzen wollte, so war dennoch die enge Anbindung an die Kirchen nicht nur anfangs bedeutsam für die Fortführung der Gespräche, sondern in deren weiterem Verlauf zudem von entscheidender Bedeutung für die Rezeption ihrer Vorgehensweise und ihrer Ergebnisse. Lange Zeit verhinderte zwar die Zurückhaltung bei der Veröffentlichung gemeinsamer Thesen gerade die Diskussion und Rezeption der erarbeiteten Ergebnisse, und man zögerte in diesem Punkt

Schaffung von Voraussetzungen für eine ökumenische Verständigung heute

393

im Vergleich zu anderen Arbeitsgemeinschaften auch nach dem Konzil noch zu lange, so daß man dem Kreis eines nicht vorwerfen kann, nämlich im Sog der allgemeinen ökumenischen Öffnung Ergebnisse vorgelegt zu haben, die nicht das Ergebnis gründlicher wissenschaftlicher Arbeit waren.2 In anderer Hinsicht trug der ÖAK jedoch zur Rezeption seiner Ergebnisse durch die Kirchen bei, indem nämlich durch die Mitglieder in kirchlichen Ämtern die Erfahrungen der Gespräche bis zu den Kirchenleitungen vordrangen, wo ein zunehmendes Interesse an seiner ökumenischen Arbeit geweckt wurde bis hin zur Beauftragung mit Studien zu ökumenisch-theologischen Einzelthemen. Am Ende dieser Entwicklung stand schließlich die Beauftragung durch die GÖK mit der Untersuchung zu den Lehrverurteilungen, die zum ersten Mal in der Geschichte des ÖAK eine breite Diskussion auslöste. Sie war nun verstärkt auf die offizielle Rezeption durch die Kirchen hin ausgelegt, indem z.B. durch die Miteinbeziehung reformierter Theologen eine repräsentativere Zusammensetzung des Evangelischen Kreises erreicht wurde, um in der EKD auf breitere Akzeptanz zu stoßen.3 Der OAK leistete somit durch seinen engen Bezug zu den Kirchen einen wesentlichen Beitrag zur Aufnahme der Ergebnisse wissenschaftlich-theologischer Lehrgespräche in den Kirchen. Die Bedeutung dieses Sachverhalts kann auch für die Gegenwart nicht hoch genug eingeschätzt werden, in Anbetracht der Tatsache nämlich, daß die Kommunikation zwischen den drei Ebenen, auf denen ökumenische Arbeit geschieht, den Gemeinden, den Kirchenleitungen und den Theologen an den Universitäten, häufig zu wünschen übrig läßt, zumal die Rezeption ökumenischer Dokumente durch 2 Diesen Vorwurf richtete u.a. Prof. Walter Brandmüller in seiner Stellungnahme zum Schlußbericht der G Ö K „Bedeutung von Schrift und Tradition ungeklärt", in: KNA - Ökumenische Information Nr. 18 (29.4.87), 5-8, an das Projekt der Aufarbeitung der Lehrverurteilungen: J e mehr das Anliegen der Wiedervereinigung im Glauben empfunden wird, desto drängender werden die Erwartungen und auch die Forderungen an jene, die um Überwindung der Spaltung bemüht sind. Durch dieses Drängen entsteht eine Atmosphäre der Ungeduld und der Unruhe, die die wissenschaftlichen und kirchlichen Gesprächspartner unter Erfolgszwang setzt. Ein solcher Erfolgszwang aber ist verfehlt, wo es um Wahrheit, gar um von Gott geoffenbarte Glaubenswahrheit geht" Nun hat der Überblick über Geschichte und Arbeit des ÖAK hinreichend gezeigt, daß er sich zwar nach dem Konzil unter all den anderen neu entstehenden Gremien behaupten und insofern seine Effektivität überdenken mußte, daß er jedoch auch in seinen damals publizierten Bänden vergleichsweise zurückhaltend blieb was die gemeinsamen Thesen betraf und nicht von Übereinstimmungen sprach, die sich nicht wirklich im Gespräch ergeben hatten. Auch mit konkreten Vorschlägen zu einer sichtbaren Annäherung der Kirchen hielt man sich zurück. Dasselbe gilt für das Dokument zu den Lehrverurteilungen. Siehe unter 2. 3 Vgl. zur Rezeption des Dokuments durch die evangelischen Kirchen „Lehrverurteilungen im Gespräch: Die ersten offiziellen Stellungnahmen aus den evangelischen Kirchen in Deutschland", Göttingen 1992. Auch ein Gutachten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen liegt inzwischen vor! (Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim 3/93, 59).

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Von der Kontroverstheologie zur Ökumene

die Kirchen ein wesentliches, wenn nicht sogar das größte Problem heutiger ökumenischer Arbeit darstellt. Entscheidend für diese Bewertung ist allerdings, daß der ÖAK seine Eigenständigkeit hinsichtlich der theologischen Arbeit nie aufgegeben hat 1.2. Ökumene „im Vollzug": Entstehung eines beispielhaften Dialogprozesses Die Rezeptionsproblematik ist im Hinblick auf den ÖAK in besonderer Weise relevant, weil er durch die Kontinuität seiner Mitglieder und die regelmäßige Durchführung der Tagungen seit über 40 Jahren eine eigene Dynamik entwickelt hat. Die gewonnenen theologischen Erkenntnisse sind auf dem Hintergrund der gemeinsam gesammelten Erfahrungen in dieser Zeit zu sehen, die über den Bereich theologischer Auseinandersetzung hinausgingen. Dazu gehören ebenso die gemeinsamen Gottesdienste und das damit verbundene Hineingenommenwerden in die liturgische Praxis der anderen Konfession, wie das Durchleiden der Krisen, die durch Verlautbarungen Roms bzw. durch interne Konflikte ausgelöst wurden. Diese Erfahrungen ermöglichten es, sich auf einer breiten Basis kennenzulernen und einen tiefen Einblick in das jeweils andere Selbstverständnis, mit seinen Stärken und mit seinen Schwächen, zu gewinnen. Sie waren Teil eines entstehenden Dialogprozesses, mit dem sich der Ubergang von der monologischen zu einer dialogischen Gesprächssituation vollzog, um noch einmal die Einschätzung Visser 't Hoofts von 1962 aufzunehmen. Insofern stellt der ÖAK über seine vordringliche Funktion als Gesprächs- oder Studienkreis hinaus ein Beispiel für einen ökumenischen Lernprozess dar. Definiert man nämlich das gegenwärtige Schlagwort „Ökumenisches Lernen" seinem ursprünglichen Bedeutungsgehalt nach als Erfahrungslernen, das als Prozess verstanden wird, „der von Betroffenheit im Gegensatz zu reinem Informationslernen, Partizipation und dem aktiven Erleiden von Konflikten geprägt ist"4, so kann der ÖAK als ökumenische Gruppierung geradezu als Musterbeispiel für den Träger eines solchen Lernprozesses bezeichnet werden, wenngleich dieser freilich auf den Bereich evangelischkatholischer Verständigung beschränkt ist und nicht etwa die Begegnung mit einer anderen Kultur umfaßt. Daß es nicht nur durch das Einbezogensein in einen solchen Prozeß möglich, sondern auch sinnvoll und wichtig ist, in Durststrecken der Rezeption und Anerkennung ökumenischer Arbeit den Dialog nicht abzubrechen, zeigt die Bedeutung, die die Erfahrungen des ÖAK nach einer langen konfliktreichen Phase für das dann schließlich unvermittelt einberufene II. Vatikanische Konzil gewannen. 4 Vgl. Raiser, Konrad, Ökumene im Übergang. Paradigmenwechsel in der ökumenischen Bewegung, München 1989, 38.

Schaffung von Voraussetzungen für eine ökumenische Verständigung heute

395

Da nun aber die Ergebnisse des ÖAK auf dem Hintergrund eines solchen Prozesses entstanden sind, stellt ihre Rezeption durch Außenstehende unter Umständen dann ein Problem dar, wenn sie selbst nicht in einen vergleichbaren Vorgang eingebunden sind.5 So sehr das Konzept der Einbettung des Dialogs in einen weiteren Lernprozeß überzeugt, stellt sich von daher die Frage, ob ökumenisches Verständnis überhaupt nur in solch intensiver Zusammenarbeit gewonnen werden kann und ob überhaupt bzw. in welcher Weise es, ausgehend von speziell engagierten ökumenischen Gruppierungen, zu einem Teil allgemeinen Kirchen- und Theologieverständnisses werden kann. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Vermittlung zwischen den einzelnen bilateralen ökumenischen Arbeitskreisen. Stärker als in der Arbeit des ÖAK, in die man bewußt nicht die Anglikaner einbezog und in der eine Verbindung zum Dialog mit der Orthodoxie sich im wesentlichen auf die Erfahrungen einzelner, insbesondere Schlinks, in diesem Bereich beschränkte, wären die verschiedenen Annäherungsprozesse zueinander in Beziehung zu setzen. Es ist jedoch fraglich, ob dies in der Weise geschehen sollte, daß sich von vornherein Orthodoxe, Anglikaner, Evangelische und Katholiken an einen Tisch setzen. Die Intensität, mit der das bilaterale Gespräch und der Austausch im ÖAK bisher erfolgten, spricht vielmehr gerade für die Beibehaltung dieser Dialogform. Das Netz der bilateralen Gespräche kann jedoch verdichtet und die Verbindung zu den multilateralen Dialogen verbessert werden, wie dies auf internationaler Ebene bereits der Fall ist.6 Der ÖAK hat darauf hingewirkt, indem er mit der Aufarbeitung der Lehrverurteilungen die Uberprüfung anderer vorliegender Konvergenztexte verband.7 Es ist ferner zu berücksichtigen, daß es sich bei dem ÖAK um einen Kreis auf nationaler Ebene handelt und in Deutschland die Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten als den am stärksten vertretenen Konfessionen im Vordergrund steht. Insofern hat die Konzentration auf diesen Verständigungsbereich auch ihre Berechtigung, zumal weiterhin die Erfahrungen verschiedener Mitglieder bei Faith and Order und in vielfältigen anderen Kommissionen in die Arbeit einfließen und mit der Einbeziehung reformierter Theologen nun auch das Spektrum der evangelischen Gesprächspartner erweitert wurde.

5

Siehe unten zur Kritik an dem Dokument zu den Lehrverurteilungen! Vgl. zur Charakteristik bilateraler Dialoge und zum Verhältnis bilateraler und mulitlateraler Dialoge auf Weltebene die Einleitungen in: Meyer, H./Urban, H. J./Vischer, L./(Papandreou, Damaskinos), Dokumente wachsender Übereinstimmung Bd. 1, Paderborn 1983, 11-19 und Bd. 2, Padexborn 1992, 13-15. 7 Lehrverurteilungen-kirchentrennend?, 10 f. 6

396

Von der Kontroverstheologie zur Ökumene

1.3. Entwicklung einer Methodik des bikonfessionellen Gesprächs Durch die Kontinuität im Dialogprozeß des ÖAK konnte sich im Laufe der Jahrzehnte eine spezifische Methodik herausbilden, deren verschiedene Elemente nicht nur Bedeutung hatten für die frühere Arbeit, sondern die auf je eigene Weise für das Gespräch heute relevant sind. Darin besteht ein sehr wichtiges „Ergebnis" der langjährigen Arbeit neben den mit ihr gewonnenen theologischen Erkenntnissen. Als erstes Charakteristikum ist noch einmal die Behandlung eines breiten Themenspektrums zu nennen. Man befaßte sich von Anfang an nicht einseitig ζ. B. mit der Amtsproblematik oder dem Abendmahl, sondern hatte die gesamte Theologie im Blick. Dies hing natürlich zunächst damit zusammen, daß man die eigentlich trennenden Probleme erst herausfinden wollte. Erklärtermaßen wollte man aber auch verhindern, sich an einem Problem „festzubeißen". Dieser Aspekt ist gerade auch heute von Bedeutung, wo die wirklich noch kontroversen Sachverhalte herausgearbeitet sind und der Dialog weithin auf sie beschränkt ist. Für die Amtsproblematik ergeben sich ζ. B. neue Perspektiven durch Veränderungen in den Ekklesiologien beider Kirchen. Für eine Verständigung über die Aufgliederung des Amtes etwa ist der Ansatz der Communio-Ekklesiologie bei der Ortskirche als der Gottesdienst feiernden Gemeinde bedeutsam, weil von ihm her die übergeordneten Leitungsämter vom Amt des Ortspfarrers abzuleiten sind, nicht umgekehrt. Deshalb ist es auch heute sinnvoll, die Diskussion in den verschiedenen Kommissionen nicht auf kontroverse Einzelfragen zu beschränken, sondern diese jeweils im Gesamtzusammenhang der Theologie und neuer Ansätze in ihr zu behandeln. Die systematisch-theologische Darstellung versuchte zu zeigen, wie man bei der Behandlung aller theologischer Themen auf die beiden aufgezeigten Grundproblematiken der Mitwirkung des Menschen an seinem Heil und der Rolle der Kirche für die Heilsveimittlung stieß. Diese Zusammenhänge zwischen den einzelnen dogmatischen Bereichen, bis hinein in weiter abseits liegende Bereiche wie den der Mariologie und der Eschatologie, sind im Gespräch über die heute klar eingrenzbaren, kontroversen dogmatischen Einzelfragen auch weiterhin zu berücksichtigen. Stärker noch, als es der OAK bisher unternommen hat, wären in Zukunft christologische Fragen aufzuarbeiten, vor allem im Hinblick auf ihre begründende Funktion für Anthropologie und Ekklesiologie. Gerade ein Kreis, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die dogmatischen Fragen zwischen den Kirchen umfassend und tiefgehend zu untersuchen, könnte sich über die Erörterung der unmittelbar ökumenisch brisanten Themen hinaus noch stärker mit den dahinterliegenden Problemen befassen. Wo dies innerhalb der Arbeit des ÖAK geschah, im Zusammenhang der Meßopferdebatte hinsichtlich der hohepriesterlichen Funktion Christi und in ekklesiologi-

Schaffung von Voraussetzungen für eine ökumenische Verständigung heute

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schem Zusammenhang im Hinblick auf das Verhältnis Christi zur Kirche, wurden die Bezüge deutlich.8 Als weiteres wichtiges Element brachte vor allem E. Schlink den Vergleich der Denkstrukturen beider Konfessionen und der unterschiedlichen Standpunkte dogmatischer Aussagen in den Dialog ein. Dies war ein erster Schritt dahin, zu unterscheiden zwischen dem Aussagegehalt von Lehrsätzen und dessen begrifflicher und lehrmäßiger Ausprägung. Dazu war man jedoch im Laufe der Zusammenarbeit vor allem deswegen förmlich gezwungen, weil unter Absehung von den spezifischen konfessionellen Terminologien bzw. deren Interpretation in vielen Bereichen, vor allem im Zusammenhang der individuellen Heilserlangung, keine Differenzen dingfest zu machen waren. Über die Bedeutung der Unterschiede auf der Ebene der lehrmäßigen Ausprägung war damit noch nicht entschieden. Daß man die beiden konfessionellen Gesamtkonzeptionen intensiv auf ihre Vereinbarkeit und ihre bleibende Verschiedenheit hin untersuchte, beweist die Tatsache, daß 1954 eine eigene Tagung hierzu stattfand. Damit einher ging der Versuch, einzelne Begriffe, wie den der Transsubstantiation, zu interpretieren im Hinblick auf eine Verdeutlichung des Sachverhaltes, der mit ihnen ausgedrückt werden soll. Von Bedeutung ist ferner, daß man von Anfang an Bekenntnistexte und kirchenamtliche Verlautbarungen beider Kirchen in die eigene Arbeit einbezog. Das war vor allem deshalb sinnvoll, weil man so der Tendenz entgegenwirken konnte, daß der theologische Dialog sich verselbständigt und allzu weit von den offiziell in den Kirchen nach wie vor gültigen Texten entfernt.

8 Es ist bedauernswert, daß das Defizit in der Behandlung zentraler christologischer Fragen und der Gotteslehre, das Schlink bereits 1962 beklagt hatte, bis heute nicht ausgeglichen wurde und man die früheren Ansätze, mit Ausnahme der ausführlichen Studie zum Opfer Christi und der Kirche, nicht weiter ausgebaut hat. (Vgl. Schlink, Edmund, Pneumatische Erschütterung, in: KuD 8/1962,232). Interessant ist, daß Reinhard Frieling in einer Stellungnahme zum Projekt der Lehrverurteilungen denselben Sachverhalt beklagt: „Die GOK ist freilich noch nicht dazu gekommen, die verschiedenen konfessionellen Ansätze in der Christologie aufzuarbeiten, sie in den Zusammenhang der Trinitätslehre zu stellen und ihre Relevanz für die Anthropologie und die Ekklesiologie zu erläutern" (Frieling, Reinhard, Bekennen und Verwerfen. Erste Überlegungen zum Projekt „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?", in: M D des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 38/1987, 3-7, 4). Ihm geht es hier um eine Präzisierung des der Studie zugrundeliegenden gemeinsamen Bekenntnisses zu Christus als Mitte und Norm christlichen Lebens, eine Aufgabe, die sicherlich in Zukunft Priorität gewinnen sollte. Vgl. hierzu die weiteren Ausführungen.

398

Von der Kontroverstheologie zur Ökumene

1.4. Entdeckung von Gemeinsamkeiten als Ergebnis einer Suche nach den Differenzen Daß die Gemeinsamkeiten, von denen der ÖAK heute ausgeht, nicht das Ergebnis eines Prozesses sind, in dem beide Seiten bei ihrer Lehre solange Abstriche machten bis man sich in der Mitte traf, oder in dem gar eine Konfession sich mit ihrer Konzeption durchsetzte, ist schließlich die wichtigste Erkenntnis aus der Beobachtung seiner Vorgehensweise durch die Jahrzehnte. Zu dieser Einschätzung trägt die Verwurzelung der Mitglieder in ihrer eigenen konfessionellen Tradition ebenso bei wie die Anstrengungen, die man unternahm, um den Vorwurf der Nivellierung der Gegensätze und der „Konvertitenmacherei" abzuwehren. Bei der Formulierung gemeinsamer Thesen hatte man außerdem stets die verbleibenden Differenzen im Blick, wenngleich sie weitaus schwieriger konkret zu fassen waren als das Gemeinsame. Für den zentralen Bereich der Versöhnungslehre ergibt sich ganz klar, daß wesentliche Übereinstimmungen nicht erst herzustellen waren, sondern sich im Verlauf der Diskussionen als vorhanden herausstellten. Diese Einsicht wurde schließlich wegweisend für den Ubergang von der vergleichenden Methode der Kontroverstheologie zur Orientierung an der gemeinsamen Mitte im Versöhnungshandeln Christi. Man blieb nicht mehr stehen beim Vergleich der Lehren beider Kirchen miteinander, sondern hinterfragte sie vom Evangelium her. Die Relativierung der eigenen Lehrgestalt in dieser Hinsicht resultierte damit nicht aus der Anpassung an die andere konfessionelle Konzeption, sondern - noch einmal - aus dem Bewußtsein, daß sie nur eine Ausdrucksform des dahinter liegenden Sachverhaltes ist, hinsichtlich dessen man keine tiefgehenden Differenzen feststellen konnte. Damit läßt sich am Beispiel des ÖAK eine Entwicklung nachvollziehen, die die Hinwendung der ökumenischen Bewegung über die sogenannte christologische Methode zum momentanen Lehrvergleich in christologischtrinitarischer Perspektive verständlich macht, und es wird deutlich, wie man von der Behauptung einer Grunddifferenz zur Feststellung eines Grundkonsenses kam, der seither als Basis dient für das Bemühen, die in Christus immer schon bestehende Einheit sichtbar zu machen.9 Dazu hat auch wesentlich die häufig gemachte Erfahrung beigetragen, daß Gegensätze nicht zwischen, sondern quer durch beide Konfessionen bestanden.

' Vgl. zur Methodik der Ökumenischen Bewegung ζ. B. Meyer, Harding, A r t Einheit der Kirche I, Einigungsbestrebungen, in: Krüger, Hanfried, u. a. (Hrsg.), Ökumene-Lexikon, Frankfurt 21987, 286-304, 293 ff.

Das Projekt der Aufarbeitung der Lehrverurteilungen

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2. Das Projekt der Aufarbeitung der Lehrverurteilungen des 16. Jh. als Ergebnis und Fortßihrung der früheren Arbeit des ÖAK Darauf, wie die in den vielen Jahren nichtöffentlicher Arbeit gewonnenen Erfahrungen und inhaltlichen Ergebnisse in die Reihe „Dialog der Kirchen" einflössen, wurde an verschiedenen Stellen im II. Kapitel hingewiesen. Da der ÖAK durch die Aufarbeitung der Lehrverurteilungen und die Weiterleitung des Dokuments an die Synoden und Kirchenleitungen zur Rezeption in besonderer Weise ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gelangte und damit eine Diskussion eröffnet wurde, die für die Zukunft der Ökumene und der mit ihr angestrebten Kircheneinheit nicht unerheblich ist, soll noch besonders aufgewiesen werden, inwiefern die vorausgegangene Arbeit die Grundlage bildet für diese Studie. Die Linie zu verfolgen von der früheren Arbeit des OAK zur Beschäftigung mit den Verwerfungen legen nicht nur die aufgewiesene Kontinuität in der Zusammensetzung des Kreises und in dessen Arbeitsweise nahe, sondern vor allem auch die dem Dokument zu entnehmenden methodischen und inhaltlichen Bezüge. Zwar bezieht sich dieses selbst explizit nur auf den 1983 erschienen Band „Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche", doch auch U. Kühn und Ο. H. Pesch ziehen in ihrer Antwort an Jörg Baur Erkenntnisse aus der Anfangszeit des ÖAK heran, um Aussagen des Dokuments über die Rechtfertigung zu stützen. Sie beschränken sich freilich auf die beiden bedeutsamen Referate H. Volks und P. Brunners, die bereits bei der Tagung zur Rechtfertigung 1949 gehalten wurden.10 Aus der nun erstellten systematischen Zusammenschau der gesamten Arbeit bis 1975 ergeben sich noch weitere Gesichtspunkte. 2.1. Methodische Bezüge zur Aufarbeitung der Lehrverurteilungen Grundsätzlich ist festzustellen, daß die tridentinischen und reformatorischen Verwerfungsaussagen des 16. Jh. nicht erst in jüngster Zeit vom OAK in den Blick genommen wurden, als man für einen großen Teil von ihnen glaubte nachweisen zu können, daß sie nach dem heutigen Stand des ökumenischen Gesprächs den „Gegner" nicht mehr treffen oder ihn im Grunde nie getroffen haben. Die vorausgegangene Darstellung hat vielmehr gezeigt, daß sie bereits bei seiner früheren Beschäftigung mit den tridentinischen Texten und den lutherischen Bekenntnisschriften eine Rolle spielten, indem man nämlich die Konsequenzen der Interpretationen einzelner Lehraussagen für die Gültigkeit der mit ihnen verbundenen Verwerfungen mitbedachte. Angeregt durch das von Kühn und Pesch erwähnte Referat Peter 10

Siehe unten Abschnitt 2.3.

400

Von der Kontroverstheologie zur Ökumene

Brunners fragte man bereits 1949, bei der wichtigen Tagung zu den Rechtfertigungslehren der lutherischen Bekenntnisschriften und des Konzils von Trient, welche tridentinischen Verwerfungen bei adäquater Interpretation und Miteinbeziehung des historischen Kenntnisstandes über die reformatorische Lehre noch wirklich zutreffen. Mißverständnisse, die zu den tridentinischen Verwerfungen im Hinblick auf die allgemeine Sakramentenlehre geführt hatten, versuchte man bereits 1950 auszuräumen. 1960 hinterfragte man speziell den Vorwurf des Synergismus an Trient bzw. die Verwerfung des Antinomismus der Reformatoren. Die Untersuchung der Lehrverurteilungen des 16. Jh. hat damit eine Vorgeschichte innerhalb der Arbeit des ÖAK. Sie erfolgte zunächst jedoch noch unsystematisch im Hinblick auf einzelne dogmatische Aspekte und war weitgehend abgelöst von der Frage nach ihrem kirchentrennenden Charakter.11 Es handelte sich ursprünglich also nicht vorrangig um ein Verfahren zur unmittelbaren Herstellung der Kircheneinheit, sondern um einen Teilaspekt des gemeinsamen Studiums der Lehraussagen beider Kirchen, der sich durch die entdeckten Gemeinsamkeiten als konsequent und notwendig erwies. Daß mittlerweile weiterreichende Fragen gestellt wurden, ein Großteil der Verwerfungen als nicht mehr zutreffend bewertet und die noch verbleibenden als nicht mehr kirchentrennend eingestuft werden konnten, ist ebenfalls auf eine nicht völlig neue Vorgehensweise zurückzuführen. Die Methodik, mit der man an die Überprüfung der Lehraussagen ging, wurde nicht einfach von außen an die Materie herangetragen, weil man sich von ihr ein möglichst weitreichendes Ergebnis für die Außerkraftsetzung der mit ihnen verbundenen Verurteilungen versprach. Vielmehr hat sie sich aus dem Dialog selbst ergeben. Wie die Darstellung gezeigt hat, war es eine der ersten Erfahrungen bei der anfänglichen Gegenüberstellung beider Lehren, daß man sich von den Theologen der anderen Konfession fehlinterpretiert fühlte, weil diese aus ihrem Denkhorizont heraus urteilten und das eigene, mit bestimmten Lehrformulierungen verbundene, Anliegen nicht berücksichtigten oder verkannten. Zunächst entwickelten beide Seiten also gerade deshalb unabhängig von der Frage, ob man so zu Ubereinstimmungen kommen könnte oder nicht, ein Interesse an der Interpretation einschlägiger Lehraussagen unter Berücksichtigung ihres Anliegens, weil die Lehre ihrer Kirche im Gegensatz zu mancher kontroverstheologischer Darstellung in zutreffender Weise vom Gesprächspartner aufgenommen werden sollte. Daß sich dabei in zentralen Fragen vor allem aus dem Bereich der Rechtfertigungslehre schon früh herausstellte, daß man gar nicht gegensätzlich dachte, sondern übereinstimmte, überraschte eher, als daß man es erwartet hätte.

11

Vgl. dazu die Abschnitte II. A. 2.2.2. und 2.2.3. sowie 3.1.

Das Projekt der Aufarbeitung der Lehrverurteilungen

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Auf dieser Basis schließlich konnten die unter III 1. nochmals eigens zusammengefaßten, weil für den ökumenischen Dialog generell bedeutsamen, methodischen Elemente ausgebildet werden, die in der Einleitung des gesamten Dokuments und in dem Abschnitt des Rechtfertigungsteils über „Neue Einsichten - und welche Wege zu ihnen führten" beschrieben sind.12 2.2. Ergebnisse der früheren Arbeit des ÖAK und ihre Bedeutung für das Dokument „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" Daß es sich bei der Frage nach dem Beteiligtsein des Menschen am rechtfertigenden Handeln Gottes durch Christus um die zentrale Streitfrage im evangelisch-katholischen Dialog handelt, mit der man sich nicht nur mit am meisten beschäftigt hat, sondern in der man auch zu den weitreichendsten Ergebnissen gelangt ist, spiegelt sich wieder im Umfang und im Stellenwert, den das sich vor allem damit befassende Rechtfertigungskapitel in dem Dokument zu den Lehrverurteilungen und in der allgemeinen Diskussion darüber einnimmt. Daraus geht jedoch nicht hervor, seit wann sich der ÖAK bereits mit dieser Frage befaßte und vor allem, seit wann wesentliche nun formulierte Ergebnisse schon im Raum standen, denn die Mehrzahl der in dem Dokument genannten Übereinstimmungen wurde ja, wie zuvor aufgewiesen, schon in den 40er und 50er Jahren herausgearbeitet. Sie sind damit nicht erst das Produkt der intensivierten ökumenischen Bemühungen nach dem II. Vatikanischen Konzil und nicht erst unter dem Druck zustandegekommen, durch die offenere ökumenische Situation weiterführende Ergebnisse vorlegen zu müssen. Sie standen größtenteils nicht einmal erst am Ende mühsamer Verständigungsprozesse. Daher war es unabhängig von der Beauftragung durch die GÖK - von der eigenen Geschichte des ÖAK her längst überfällig, daß dieser gerade die Ergebnisse seiner ökumenischen Arbeit zur subjektiven Heilserlangung auch im Hinblick auf eine Annäherung der Kirchen konsequent auswertet und einem Rezeptionsprozeß zuführt, wenngleich eine explizite Bezugnahme auf die eigene frühere Arbeit wohl mangels greifbarer offizieller Dokumente nicht erfolgte. Die These stützt sich im einzelnen auf folgende Sachverhalte: Wenn in dem Dokument zu den Lehrverurteilungen z.B. festgestellt wird, daß die radikale Verderbnis des unerlösten Menschen vor Gott auch auf katholischer Seite angenommen wird und das Festhalten an der bleibenden Kreatürlichkeit des Menschen allein auf Gottes Ehre als Schöpfer abzielt, so ist daran zu erinnern, daß bereits 1947 von katholischer Seite aus jede mögliche Selbstbehauptung des Menschen infolge seiner sich durchhaltenden Gottebenbildlichkeit und 1953 jede naturrechtliche Selbstbehauptung des Menschen gegenüber Gott bestritten wurde, so daß in a

Vgl. Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, 20-29 und 43-48.

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diesem Punkt bereits damals grundsätzliche Übereinstimmung über das Wesen des Menschen vor Gott herrschte.13 Wenn es ferner als gemeinsame Ansicht festhält, daß der Mensch sich die Gnade nur von Gott schenken lassen kann, daß er aber dennoch persönlich beteiligt ist an Gottes rechtfertigendem Handeln an ihm, so kam man darin schon 1948 überein, und 1949 interpretierte P. Brunner die einschlägigen tridentinischen Dekrete bereits dahingehend, daß die Gnade entscheidend dafür ist, daß ein Mensch zum Glauben kommt, und daß die behauptete Verantwortlichkeit des Menschen und sein freies Entscheidungsvermögen nicht für die Erlangung des Heils wirksam sind.14 Mit dem grundlegenden Unterschied zwischen dem reformatorischen Verständnis der allein „extra nos in Christus" bestehenden Gerechtigkeit und der katholischen Auffassung der gratia inhärens setzte man sich immer wieder sehr eingehend auseinander, wobei von Anfang an evangelischerseits die Zusammengehörigkeit von forensischer und effektiver Rechtfertigung betont und katholischerseits ein Verständnis der einwohnenden Gnade im Sinne einer Vergottung des Menschen oder als dessen verfügbarer Besitz ausgeschlossen wurde.15 Daß das Verhältnis von Glaube und Liebe so zu bestimmen ist, daß allein der Glaube für die Rechtfertigung entscheidend ist, konnte ebenfalls schon im ersten Gesprächsgang hierzu 1948 festgestellt werden. Es ist deshalb nur konsequent, daß in dem Dokument über die Lehrverurteilungen diese Gemeinsamkeit hervorgehoben wird und die verschiedenen Akzente, die Betonung des Glaubens auf evangelischer Seite und die Betonung der in der Liebe zum Ausdruck kommenden Erneuerung des Menschen um der neuschaffenden Macht Gottes willen, gegenseitig anerkannt werden.16 Wenn man dementsprechend in puncto Heilsgewißheit heute davon ausgeht, daß ihre tridentinische Ablehnung und reformatorische Hervorhebung von demselben Anliegen her motiviert sind, nämlich jede Sicherheit des Menschen im Hinblick auf sein Heil aus sich selbst heraus auszuschließen, so ist dies ebenfalls eine Überzeugung, die auf Inteipretationsansätze der Anfangszeit des Dialogs zurückgeht.17 Ahnliches läßt sich auf die Beantwortung der Grundsatzfrage für den Bereich der Sakramentenlehre ausdehnen. Für sie gilt, daß bereits bei der ersten Beschäftigung mit den Sakramenten 1950 feststand, was heute öffentlich gemacht wird, daß es nämlich nicht Inhalt der katholischen ex opere operato-Lehre ist, daß es keinen heilswirksamen Empfang des Sakraments ohne Glauben gibt und daß evangelischerseits die Gültigkeit des

13

A.a.O., A.a.O., 15 A.a.O., 16 A.a.O., " A.a.O., 14

48ff. und Abschnitt II. A. 1. 53 und Abschnitt II. A. 2.1. 53f. und Abschnitt II. A. 2.3.1. und 2.3.3. 58/59 und Abschnitt II. A. 2.2.1. 59-63 und Abschnitt II. A. 2.3.1. und 2.3.3.

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Sakraments zwar auf dem Glauben an die Stiftung Christi beruht, aber nicht von der Konstitution des Spenders oder des Empfängers abhängt.18 Die hier genannten grundsätzlichen Übereinstimmungen bildeten also die Ausgangsbasis und Legitimationsgrundlage für die Klärung der Fragen, die noch einer eingehenderen Erörterung bedurften. Dazu zählte vor allem die Meßopferproblematik, in der es zwar nicht auf Anhieb zu einer Verständigung kam, in der man aber 1970 schon so weit war, gemeinsam die Messe als Tat Gottes in Christus an uns anzusehen und von einem Mitopfern der Gemeinde im Sinne der Hingabe der eigenen Existenz zu sprechen, die aktiv wird nur in Form der Danksagung. Diese grundlegende Aussage zur Beziehung von Gottes Handeln und menschlichem Beteiligtsein bei der Meßfeier war entscheidend für die differenzierte Aufarbeitung der damit zusammenhängenden Einzelfragen in dem Band „Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche", auf der schließlich die Aussage in dem Dokument „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" gründet, daß der kirchentrennende Charakter der Meßopferkontroverse mit der heute möglichen Interpretation des Opfers überholt sei. Ein wesentlicher Bestandteil der Argumentation darin ist nämlich die Zusammengehörigkeit des anabatischen und katabatischen Aspekts bei der Eucharistiefeier mit der klaren Vorrangigkeit des letzteren, also der absteigenden Linie des Tuns Gottes, vor dem ersten, der aufsteigenden Linie der menschlichen Antwort 19 Erwähnenswert sind auch einige frühzeitig getroffene Übereinstimmungen aus dem Bereich der Verhältnisbestimmung von Christus und der Kirche, die in dem Dokument über die Lehrverurteilungen aufgenommen sind. Sie zeigen speziell im Hinblick auf den Amtsträger, daß von Beginn der Diskussion an klar war, daß eine Verständigung nur dann möglich ist, wenn auf beiden Seiten der Vorrang des heilsmittlerischen Handelns Christi in seiner Ausschließlichkeit gegenüber dem Handeln der Kirche anerkannt wird. So wurde im Zusammenhang mit der Erörterung des Bußsakraments bereits 1952 gemeinsam festgehalten, daß die Absolution dann nach Auffassung beider Konfessionen als richterlicher Akt verstanden werden könne, wenn „Binden und Lösen" nicht im Sinne einer strafrechtlichen Entscheidung oder eines menschlichen Richterspruchs verstanden würden, der über die göttliche Gnade verfügt. Für eine solche Interpretation des einschlägigen tridentinischen can. 9 (D 1709), wie sie in „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" immer noch als Aufgabe formuliert wird, gab es damals bereits weitreichende Ansätze.20 Die Fortschritte, die auf diesem Weg für die Bestimmung eines character indelebilis des Amtsträgers und das Verständnis der Ordination sowie hinsichtlich des Verhältnisses von mini18 19 20

A.a.O., 82f. und II. A. 3.1. A.a.O., 89ff. und II. A. 3.3. und 3.5. A.a.O., 69 und II. B. 3.2.1. und 3.2.2.

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Stenum und sacerdotium und der Aufgliederang der Ämter in den 70er Jahren gemacht wurden, sollen hier nicht nochmals eigens aufgeführt werden, weil sie nicht unmittelbar auf die Anfangszeit des Dialogs zurückgehen und von daher nicht ebenso eindrücklich sind. Dennoch gilt auch für sie, daß sie sämtlich beigetragen haben zu dem Resultat, das nun in Gestalt des Kapitels zum Amt vorliegt.21 Das Dokument „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" erweist sich damit nicht nur als Schlußfolgerung aus den konkreten Vorarbeiten der 80er Jahre, sondern aus der gesamten Arbeit des OAK seit 1946. 2.3. Einige Bemerkungen zur Kritik an dem Dokument auf dem Hintergrund der gesamten Arbeit des ÖAK Die soeben hergestellten methodischen und inhaltlichen Bezüge sollten also auf die Fundierung der gegenwärtigen Gesprächsergebnisse in langjährigen ernsthaften Vorarbeiten abheben. Von da aus erscheinen nicht nur diese Ergebnisse selbst in einem anderen Licht, sondern es läßt sich auch auf die Kritik an der gegenwärtigen Vorgehensweise des ÖAK, die - neben den zahlreichen anerkennenden Reaktionen und dem hohen Maß an Rezeption auch durch kirchliche Gremien22 - am massivsten von Jörg Baur und der Göttinger Fakultät geübt wurde, einiges erwidern. Im Hinblick auf die methodischen Voraussetzungen der Studie ist deutlich geworden, daß das Gespräch über die Rechtfertigung nicht in der Weise durch ekklesiologische Unterschiede beeinflußt oder beeinträchtigt wurde, wie das Göttinger Gutachten es unterstellt.23 Daß gerade in diesem Themenbereich der gemeinsame Rückgriff auf die Hl. Schrift auch nicht maßgeblich durch die unterschiedliche Bewertung von Tradition und Lehramt behindert wurde, wie behauptet wird, zeigten die frappierenden Ubereinstimmungen in den exegetischen Referaten beider Konfessionen von Anfang an. Dort wo, meist bei der Behandlung ekklesiologischer Fragen, einzelne Schriften des Kanon oder altkirchliche Schriften verschieden bewertet wurden oder die Dogmatik die Exegese beeinflußte, reagierte man darauf und thematisierte diesen Sachverhalt. Die Begründungen aus der Schrift und aus der Tradition hielt man zunehmend auseinander, so daß man sich nicht hinsichtlich des Schriftbefundes unterschied, sondern allenfalls hinsichtlich der Bewertung einer hinzukommenden kirchlich-dogmatischen Argumentation. Insofern konnte man gleichzeitig von einer gemeinsamen Basis ausgehen und über die Rolle von Schrift, Tradition und 21

A.a.O., 157-169 und II. B. 3.3. und 4.2. Man denke an die mittlerweile verfaßte Stellungnahme des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, in der die Ergebnisse des ÖAK zur Rechtfertigungslehre rezipiert werden und diese somit als nicht mehr kirchentrennend bezeichnet wird (Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 44/93, 59). 23 Vgl. Lange, Dietz (Hrsg.), Überholte Verurteilungen, Göttingen 1991, 13 ff. 22

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Lehramt diskutieren.24 Daß hier auch nach Auffassung des ÖAK noch weiterhin Klärungsbedarf besteht, zeigt seine Beschäftigung mit Kanon, Schrift, Tradition und Lehramt, die in dem Band „Verbindliches Zeugnis I" dokumentiert ist.25 Ein weiterer Vorwurf des Göttinger Gutachtens, der so nicht haltbar ist, läuft darauf hinaus, daß die Anwendung der historisch-kritischen Methode über die Relativierung der historischen Gegensätze hinaus zu einer „grundsätzlichen Würdigung" der Tradition führe, die ein kritisches Hinterfragen nicht mehr zulasse. Anhand der Gespräche des ÖAK ließ sich nämlich zeigen, daß sowohl die historisch-kritische Schriftauslegung als auch die historische Betrachtung der kirchlichen Lehraussagen zunächst vorwiegend auf evangelischer, mit zunehmender Anerkennung dieser Methode aber auch auf katholischer Seite, in hohem Maße Anlaß boten zu Kritik an der Dogmatik. Gerade nicht nur in dem Sinne, daß gegenseitige konfessionelle Mißverständnisse ausgeräumt wurden, die in Lehraussagen eingeflossen sind oder durch sie zustande kamen, sondern vor allem auch durch die Uberprüfung beider Lehrgebäude anhand der Aussagen der Schrift. Als „Letztinstanz des christlichen Glaubens"26 gelten nach dieser Verfahrensweise eben nicht die „faktischen Lebensäußerungen der Kirche im Laufe der Geschichte", sondern historisch-kritisch beleuchtete Schriftaussagen.27 Hauptsächlich ist jedoch dem Vorwurf zu widersprechen, die Rechtfertigungslehren beider Kirchen beinhalteten eine gegensätzliche Bestimmung des Verhältnisses von Gott und Mensch. Die Göttinger Theologen verfolgen mit ihrer Kritik an den Ergebnissen des OAK zur Rechtfertigung die Intention, die Rechtfertigungslehre wirklich als „kritischen Maßstab" zur Geltung zu bringen für die Interpretation des Gottesverhältnisses, während der ÖAK in seinem „Fazit" zwar die kritische Funktion der Rechtferti-

24 Es ist hier darauf hinzuweisen, daß O. Kuss diese Problematik immer wieder in die Diskussion einbrachte und sie auch oftmals selbst Thema war. Vgl. hierzu Abschnitt II. B. 4. Dabei stellte sich die Suffizienz der Schrift und ihre kritische Funktion durchaus als noch aufzuarbeitender Gesichtspunkt heraus. Dies tut jedoch der Tatsache keinen Abbruch, daß man hinsichtlich der Exegese eine gemeinsame Basis hatte. 25 Pannenberg, Wolfhart/Schneider, Theodor (Hrsg.), Freiburg i. Br./Göttingen 1992. Die Beschäftigung mit dieser Thematik wurde übrigens wegen des Auftrags zur Überprüfung der Lehrverurteilungen 1986 zurückgestellt 26 Überholte Verurteilungen?, 16. 27 W. Pannenberg wendet dieses Verfahren mit einer Konsequenz auf zentrale Aussagen lutherischer Theologie an, bei der es schwer vorstellbar ist, daß eine solche kritische Haltung gegenüber der eigenen Tradition für die Autoren des Göttinger Gutachtens akzeptabel ist (Vgl. dazu Abschnitt II. A. 2.2.2.). Sie fordern ja für den ökumenischen Dialog nicht nur das konsequente Festhalten an der reformatorischen Rechtfertigungslehre als kritischem Maßstab, sondern letztlich deren Geltendmachung in ihrer konfessionellen dogmatischen Ausprägung auch in der katholischen Dogmatik, wie die Stellungnahme zu einzelnen Punkten ergibt (Vgl. besonders a.a.O., 38ff.).

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gungslehre zum Ausdruck bringe, sie aber in der konkreten Durchführung nicht berücksichtige. Wäre dies der Fall, folgern sie, so hätte man die unterschiedlichen Rechtfertigungslehren nicht als „Summe komplementärer ,Anliegen'"28 verstehen können, eben wegen der in ihnen enthaltenen gegensätzlichen Bestimmung des Verhältnisses von Gott und Mensch. Damit versuchen sie genau dasselbe zu zeigen wie Jörg Baur: „Es besteht der Unterschied an der Wurzel. Hier und dort werden Gott und der Christ anders bestimmt."29 Auch Baur geht deshalb davon aus, daß die reformatorische und die tridentinische Rechtfertigungslehre sich ausschließende Alternativen darstellen und daß letztlich nur eine von ihnen Gültigkeit haben kann. Träfe diese Behauptung zu, so müßte dem Ansatz bei den unterschiedlichen Anliegen und Schwerpunkten der beiden Entwürfe in dem Dokument „Lehrverurteilungen - kirchentrennend?" in der Tat widersprochen werden. Die Göttinger legen jedoch das ihrer Beurteilung des Dokumentes zugrundeliegende reformatorische Rechtfertigungsverständnis in der Perspektive dar, daß in der Rechtfertigung das Gottsein Gottes und das Menschsein des Menschen voll zum Tragen kommen, indem Gott als der allein in Christus Handelnde angesehen wird und der Mensch als Sünder, dessen Heil nur extra se in Christus besteht.30 Nun hat die Untersuchung der bisherigen Arbeit des ÖAK ergeben, daß gerade der Verhältnisbestimmung von Gott und Mensch bei der Behandlung der Einzelthemen durchgängig nachgespürt wurde, weil man auch selbst hier den Hauptunterschied vermutete. Daraus ergab sich jedoch für den Bereich des individuellen Heilsempfangs, daß von Beginn der Diskussion an auch die Lehre des Konzils von Trient katholischerseits dahingehend interpretiert wurde, daß das alleinige Handeln Gottes in Christus zum Tragen kommt. Ferner wurde in all den Einzelfragen, die dann auch bei der Uberprüfung der Verwerfungen aufgegriffen wurden, die Selbstbehauptung des Menschen vor Gott im Hinblick auf sein Heil und ein Tätigwerden des Menschen in dieser Hinsicht ausgeschlossen. Damit kristallisierte sich inhaltlich eben das Rechtfertigungsverständnis, das die Göttinger auch für die katholische Lehre fordern, als gemeinsame Basis heraus. Dies darf wohl auch behauptet werden, obwohl sich die Konzeption des Heils extra nos als deudich verschieden von der katholischen Lehre erwies, denn der Sachverhalt der Alleinwirksamkeit Gottes in Christus, den die Reformatoren damit unbedingt sicher stellen wollten, wurde von katholischer Seite bestätigt. Ob hierfür die strikte Ablehnung jeglicher Personalität des Menschen die Voraussetzung ist, wie sie Baur Überholte Verurteilungen?, 75. Vgl. Baur, Jörg, Einig in Sachen Rechtfertigung?, Tübingen 1989, 109 und zum folgenden 27. 30 A.a.O., 28. 28

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rigoros fordert, 31 wurde bei den Tagungen des ÖAK ebenfalls öfter diskutiert. Dabei führte man zu Recht ins Feld, daß dies konsequent gar nicht zu denken ist. Entscheidend ist vielmehr, daß die Personalität des Menschen nicht zur Selbstbehauptung gegenüber Gott führt, und eine solche wurde von Anfang an von beiden Seiten ausgeschlossen. Nicht ganz so entschieden läßt sich von der Geschichte des ÖAK her der Mahnung widersprechen, mit der das Göttinger Gutachten seine Kritik ausweitet. Das Gegenüber der Kirche zu Christus, also die extra se-Struktur der Kirche in Analogie zu der Heilsteilhabe des Christen, so wird darin behauptet, werde im katholischen Verständnis für die Sakramentenlehre und hinsichdich der Amtsfrage auch nach heutiger Erkenntnis nicht im Sinne der reformatorischen Forderung durchgehalten.32 Demgegenüber läßt sich jedoch von Anfang an das Bestreben katholischer Theologen erkennen, das Selbstverständnis ihrer Kirche, der Amtsträger und der von ihnen gespendeten Sakramente dahingehend zu bestimmen, daß dieses Gegenüber gewahrt bleibt. Daß diese Erfahrung dem ÖAK als Grundlage diente für seine Bewertung der tridentinischen Lehraussagen, ist zu beachten und ernstzunehmen, obwohl sie nicht bereits zu Beginn des Dialogs im Raum stand, sondern maßgeblich den Veränderungen durch das ILVatikanum und intensiver theologischer Arbeit zu verdanken ist, und obwohl sie durch gegenwärtige Vorgänge und Äußerungen der Katholischen Kirche nicht gerade gestützt wird. Sie wird übergangen, wenn in der heutigen Auseinandersetzung Aussagen des Tridentinum von vornherein und nahezu durchgängig die Aufhebung des Gegenübers Christi zu seiner Kirche unterstellt wird. Eine grundlegende Übereinstimmung wird also vom ÖAK nicht einfach behauptet, sondern sie war in seiner Arbeit erfahrbar. Sie legitimiert deshalb die Unterscheidung zwischen den gemeinsamen Sachgehalten beider Lehren und ihren sich unterscheidenden begrifflichen Ausformungen. Nimmt man die Ergebnisse ökumenischer Arbeit der letzten Jahrzehnte ernst, so ist diese festgestellte Übereinstimmung als Ausgangspunkt für eine Beurteilung heranzuziehen, nicht die Gegensätze, wie sie im 16.Jh. angenommen wurden.33 Können sich die Kritiker dazu - mit wenigen Einschränkungen - nicht bereit finden, so ist ein Grund dafür möglicherweise 31

A.a.O., 21. Vgl. Überholte Verurteilungen?, besonders 77ff., 83, 99 und 117. 33 Es ist daher auch der Theologischen Kommission der Arnoldshainer Konferenz zu widersprechen, die in ihrer Stellungnahme von 1991 bemängelt, „daß der ÖAK ,seine Arbeit grundsätzlich als Unterstützung von Konsensvermutungen konzipiert, jedoch Interpretationsmöglichkeiten, die auf einen fortbestehenden Dissens hinauslaufen, nicht in gleicher Weise berücksichtigt* " (zitiert nach Schöpsdau, Walter, Lehrverurteilungen - kirchentrennend? Die ersten offiziellen Stellungnahmen aus den evangelischen Kirchen in Deutschland, in: Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 44/93, 15-17, 16). Es ist zu wenig, nur von Konsens Vermutungen zu sprechen. 32

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die mangelnde Einbindung in einen solchen ökumenischen Arbeitsprozeß, wie ihn die Mitglieder des ÖAK hinter sich haben.34 Daß es sich dabei nicht um „Tintenfischökumenik" zur Verschleierung tiefgreifender Gegensätze handelte, wie Baur annimmt, wurde hinreichend dargelegt, wenngleich auch die Argumentation von der Geschichte des ÖAK her nicht überzeugend sein mag für jemanden, der dem ÖAK von Anfang an eine unlautere Vorgehensweise vorwirft.35

3. Eine Perspektive für die Fortsetzung des evangelisch-katholischen Dialogs Gegenüber solch massiver Ablehnung der Arbeitsweise und der mit ihr erreichten Ergebnisse des ÖAK soll dessen Methodik zum Schluß noch einmal stark gemacht werden, indem auf die Funktion hingewiesen wird, die ihr auch über den Bereich evangelisch-katholischer Verständigung hinaus beigemessen werden kann. Dies erfolgt auch als Reaktion auf ein gewisses abnehmendes Interesse an der herkömmlichen Form evangelisch-katholischer Lehrgespräche unter Ökumenikern, das daher rühren mag, daß man glaubt, es seien doch alle wirklichen Gegensätze schon aus dem Weg geräumt und alles hänge nur noch an der sehr zögerlichen Rezeption durch die Kirchen, während der interreligiöse Dialog im Trend liegt und durch das verstärkte Aufeinandertreffen der verschiedenen Religionen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Diese Haltung ist einerseits verständlich. Es sollte aber nicht vergessen werden, daß durch das Gespräch mit den Weltreligionen, wie im übrigen auch durch die Auseinandersetzung mit dem Säkularismus, die Bestimmung einer gemeinsamen christlichen Identität als Aufgabe gestellt ist. Nun birgt die Methodik, die innerhalb des OAK im Laufe der Jahre entwickelt wurde und heute in diesem Gespräch angewandt wird, Möglichkeiten der Unterscheidung zwischen dem, was den christlichen Konfessionen gemeinsam ist, und ihren spezifischen Ausprägungen in sich. Wenn bei der Abfassung der Leuenberger Konkordie ebenso wie bei der 34 So auch die Beurteilung Vinzenz Pfnürs in: ders./Mannermaa, Tuomo, Einig in Sachen Rechtfertigung? Eine lutherische und eine katholische Stellungnahme zu Jörg Baur, in: ThR 55/1990, 325-347, 337: „Es ist auch verständlich, daß die an diesem Prozeß des gemeinsamen Ringens nicht unmittelbar Beteiligten es nicht leicht haben, den Konsens als einzelne ohne Einbindung in einen ähnlichen Dialogprozeß nachzuvollziehen." 35 So spricht Baur bereits unter Bezugnahme auf Peter Brunners Referat zur „Rechtfertigungslehre des Konzils von Trient" von 1949 von den Gesprächen des ÖAK als einem „Unternehmen, das die Texte umdeutet und die Gewissen in die Irre leitet", und bezeichnet dieses als „unerträglich" und als „geisdiches Gift"! (Baur, a.a.O., 42 und 23).

Eine Perspektive für die Fortsetzung des evangelisch-katholischen Dialogs

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Aufarbeitung der Lehrverurteilungen der gemeinsame christologische Grund, wie er im N T bezeugt ist, die Basis der Verständigung bildete, an der sich die verschiedenen konfessionellen Lehren auszurichten und zu prüfen haben, so ist damit ein Weg beschritten, der zur Formulierung einer gemeinsamen christlichen Grundüberzeugung über die konfessionellen Grenzen hinweg führen kann.36 Konfessionelle Eigenheiten können dann als solche zur Geltung gebracht werden und werden nicht mehr fälschlicherweise mit dem Zentrum chrisdichen Glaubens verwechselt. Auf diesem Wege kann ζ. B. die reformatorische Rechtfertigungslehre wirklich wieder vom alleinigen Inhalt christlicher Lehre zu deren Maßstab werden, indem nicht ihre lehrmäßige Ausprägung als verbindlich angesehen wird, sondern der mit ihr bezeichnete Sachverhalt. Durch die so weiter zu vertiefende Verständigung über den christologischen Grund und die zentrale Aussage des Evangeliums werden gleichzeitig die Einheit der chrisdichen Konfessionen und ihre Charakteristika klar erkennbar. Auch aus dieser Sicht behält der evangelisch-katholische Dialog in der Form, wie ihn der OAK vorantreibt, weiterhin seine Bedeutung, wenn auch eine sichtbare Einigung der Kirchen noch auf sich warten läßt, und es tritt noch deutlicher hervor, wie weitreichend die Auswirkungen der langjährigen Arbeit dieses Kreises sind.

36 Konrad Raiser sähe in der allgemeinen Aufnahme dieses „methodischen Grundprinzips" in der Ökumene deren „kopernikanische Wende" (Vgl. ders., a.a.O., 31/32). Freilich ist zwischen den einzelnen Konfessionen immer noch zu klären, wie dieser christologische Grund näher zu bestimmen ist und wie der Inhalt des Evangeliums etwa im Hinblick auf die Erstellung einer Hierarchie der Wahrheiten im einzelnen zu fassen ist Es erscheint jedoch - aufgrund des soeben Ausgeführten - dennoch als ungerechtfertigt, von der vermeintlich grundsätzlich verschiedenen Bestimmung des Verhältnisses von Gott und Mensch her den gemeinsamen christologischen Grund in Frage zu stellen, wie es im Gutachten der Göttinger Fakultät geschieht (a. a. O., 32).

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1. Unveröffentlichte Quellen (Die genauen Angaben zu den einzelnen Protokollen, den Briefen und den anderen Unterlagen sind dem Anmerkungsapparat zu entnehmen) 1.1. Maschinenschriftliche Tagungsprotokolle des ÖAK mit Teilnehmerlisten, private Tagungsberichte und Niederschriften (Mit Ausnahme der Protokolle chronologisch nach den Tagungen geordnet) Protokolle der Tagungen 2/1946 bis 36/1975, Unterlagen des Evangelischen Arbeitskreises aus dem Nachlaß Stahlin/Mumm im Institut für Fundamentaltheologie und Ökumene des Fachbereichs Evangelische Theologie der Universität München (= Akten EvAk). Berichte zur Gründungstagung 1/1946 in Werl (kein Protokoll vorhanden): Höfer, Josef, Kopie eines maschinenschriftlichen Kurzberichts, Unterlagen zum ÖAK im Ökumenischen Institut des Fachbereichs Katholische Theologie der Universität Mainz. Simon, Paul, Nachschrift seiner fragmentarischen Aufzeichnungen aus dem Nachlaß Höfers zum Katholischen Kreis in der Katholischen Akademie in Schwerte ( = Nachlaß Höfer). Stählin, Wilhelm, Niederschrift, Akten EvAk. Höfer, Josef, Kopien der maschinenschrifdichen Vorankündigung und eines Kurzberichts zur 2. Tagung 1946 (erste Arbeitstagung) in Hardehausen sowie eines Kurzberichts über die 3. Tagung 1947 in Kupferhammer, Unterlagen zum ÖAK, Ökumenisches Institut des Fachbereichs Katholische Theologie an der Universität Mainz. Stählin, Wilhelm, Niederschrift zur 4. Tagung 1948 mit kurzen Zusammenfassungen der gehaltenen Referate, Akten EvAk. Stählin, Wilhelm (?), Vertrauliche Aufzeichnungen zur 9.Tagung 1950, Akten EvAk. Stählin, Wilhelm, Niederschrift zur 12. Tagung 1952, Anlage zum Protokoll, Akten EvAk. Stählin, Wilhelm (?), Notizen zur 18.Tagung 1957, Akten EvAk. 1.2. Maschinenschriftliche Referate der Tagungen des ÖAK, Zusammenfassungen von Referaten und Thesen der Referenten, Akten EvAk (Alphabetisch nach Veifassemamen geordnet) Asmussen, Hans, Der pneumatische Charakter der kirchlichen Ordnungen, gezeigt an den evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jh. und Erfahrungen der letzten 20 Jahre, Anlage zum Protokoll der 11. Tagung 1951.

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Korrespondenz (Lose Blattsammlungen; nach Umfang und Bedeutung geordnet)

Korrespondenz zum OAK von 1946 bis 1975, Unterlagen des Evangelischen Arbeitskreises aus dem Nachlaß Stählin/Mumm im Institut für Fundamentaltheologie und Ökumene des Fachbereichs Evangelische Theologie an der Universität München ( = Korr EvAk): - Briefwechsel der Protokollanten Dolch/Mumm. - Briefwechsel Stählin 1946 bis 1956. - Briefwechsel Stählin/Jaeger. - Briefwechsel Stählin/Kanzlei der EKD 6/46 bis 3/50. - Briefwechsel Stählin/Schlink. - Briefwechsel zu Presseveröffendichungen und Pressenotizen. - Briefwechsel zur Veröffentlichung des ÖAK „Pro ventate". Korrespondenz Edmund Schlinks zur Evangelisch-katholischen Arbeitsgemeinschaft (ÖAK) von 1946 bis 1957 und von 1964 bis 1978 aus dem ungeordneten Nachlaß Edmund Schlinks im Konfessionskundlichen Institut in Bensheim ( = Korr Schlink). Korrespondenz zum OAK aus dem ökumenischen Nachlaß Lorenz Jaegers im Johann-Adam-Möhler-Institut Paderborn ( = Nachlaß Jaeger). Korrespondenz zum Katholischen Arbeitskreis aus dem Nachlaß Josef Höfers in der Katholischen Akademie Schwerte ( = Nachlaß Höfer). Hermann Sasse an Landesbischof Meiser, 22.4.46 (Archiv des Landeskirchenamtes Hannover, 15 V, Nr. 27). 1.4.

Sonstige

Entwurf Schlinks für das Evangelische Gutachten zur Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Mariens, Besprechungen und sonstige Unterlagen zu dem Gutachten aus dem ungeordneten Nachlaß Edmund Schlinks im Konfessionskundlichen Institut in Bensheim ( = Akten Schlink). Erklärung des Evangelischen Ökumenischen Arbeitskreises vom 26.3.50 zur weiteren Teilnahme an den Gesprächen nach dem Erlaß der Instruktion „De motione oecumenica", Akten EvAk. Evangelische Michaelsbruderschaft, Erklärung zur Stellungnahme des ÖAK zum Amt in der Kirche, Anlage zum Protokoll der 35.Tagung 1974, Akten EvAk. Teilnehmerlisten der Braunshardter Konferenzen vom 5.-7.3.47, vom 8.-11.47 und vom 24.-26.3.49, inoffizieller Bericht der Tagimg vom 8.-11.3.50 und Einladung zur Tagung im Oktober 1951, Nachlaß Höfer.

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420 4. Veröffentlichungen

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über den

ÖAK

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Arbeiten

Henrich, Stefan, Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen („Paderborner Kreis"). Dokumentation einer ökumenisch-theologischen Arbeit, Wissenschaftliche Prüfungsarbeit zum ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien, maschinenschriftlich vorgelegt im Dezember 1988 im Fachbereich Katholische Theologie der Universität Mainz (vervielfältigt für die Mitglieder des ÖAK). Henrich, Stefan, Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen. Dokumentation, Auszug aus der obengenannten Prüfungsarbeit, in: KuD 35/1989, 258-295. Schwahn, Barbara, Die Arbeit des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen in seiner frühen Phase; dargestellt anhand der ekklesiologischen Themen der 11., 13., 18. und 19. Tagung, Wissenschaftliche Hausarbeit zum Ersten theologischen Examen, maschinenschriftlich vorgelegt 1989 im Fachbereich Evangelische Theologie der Universität München. 5. Kirchenamtliche Dokumente (Alphabetisch geordnet) Dekret über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio", AAS 57/1965, 90-112, d t und lat in: LThK 13, 21967 (Sonderausgabe 1986), 40-126. Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei verbum", AAS 58/ 1966, 817-836, d t und laL in: LThK 13, 21967 (Sonderausgabe 1986), 497-583. Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium", AAS 57/1965, 5-75, d t und lat in: LThK 12, 21966 (Sonderausgabe 1986), 137-359. Enzyklika „Mediator Dei", AAS 39/1947, 528-580. Erklärung der deutschen evangelischen Bischöfe [zu dem durch den Papst in Rom definierten Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel], in: Die Welt, Ausgabe vom 6.11.1950 und in: Heiler, Friedrich/Siegmund-Schultze, Friedrich (Hrsg.), Ökumenische Einheit 2/1951, Heft 2, 85 f. Erklärung zur Lehre vom Sakrament der heiligen Taufe, Kirchenleitung der VELKD (Hrsg.), in: Ev.-luth. Kirchenzeitung 4/1950, 209-211.

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6 Teil III: Materialien zur Lehre von den Sakramenten und vom kirchlichen A m t Hrsg. von Wolfhart Pannenberg. 2. Aufl. 1996 in Vorbereitung. 352 Seiten, kart. ISBN 3-525-56927-0 7 Verbindliches Zeugnis I. Kanon - Schrift - Tradition.

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Kirchengemeinschaft Das Modell des Konzils von Konstantinopel (381). Hrsg. von Karl Lehmann und Wolfhart Pannenberg. 1982.127 Seiten, kart. ISBN 3-525-56921-1

TheodorSchneider. 1992.399 Seiten, kart.

2 Evangelium - Sakramente - Amt und die Einheit der Kirche Die ökumenische Tragweite der Confessio Augustana. Hrsg. von Karl Lehmann und Edmund Schlink. 1982.192 Seiten, kart. ISBN 3-525-56923-8

ISBN 3-525-56928-9 8 Teil IV: Antworten auf kirchliche Stellungnahmen. Hrsg. von Karl Lehmann und Wolfhart Pannenberg. 1994.152 Seiten, kart. ISBN 3-525-56929-7 9 Verbindliches Zeugnis II. Schriftauslegung - Lehramt - Rezeption. Hrsg. von Wolfhart Pannenberg und Theodor Schneider. 1995.333 Seiten, kart. ISBN 3-525-56930-0

3 Das Opfer Jesu Christi und seine Gegenwart in der Kirche Klärungen zum Opfercharakter des Herrenmahles. (Vergr.) Lehrverurteilungen - kirchentrennend? Hrsg. von Karl Lehmann und Wolfhart Pannenberg 4 Teil I: Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute. 3. Aufl. 1988.199 Seiten, kart. ISBN 3-525-56925-4 5 Teil II: Materialien zu den Lehrverurteilungen und zur Theologie der Rechtfertigung. Hrsg. von Karl Lehmann. 2. Auflage 1995.374 Seiten, kart. ISBN 3 - 5 2 5 - 5 6 9 2 6 - 2

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