Der ökonomische Blickwinkel: Eine Abhandlung zur Geschichte des ökonomischen Denkens. Hrsg. und übersetzt von Hardy Bouillon [1 ed.] 9783428551224, 9783428151226

Der ökonomische Blickwinkel ist die Erstübersetzung von Israel Kirzners Buch $aThe Economic Point of View.$z Kirzner, ei

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German Pages 204 Year 2017

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Der ökonomische Blickwinkel: Eine Abhandlung zur Geschichte des ökonomischen Denkens. Hrsg. und übersetzt von Hardy Bouillon [1 ed.]
 9783428551224, 9783428151226

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Hayek-Schriftenreihe zum Klassischen Liberalismus Band 1

Israel M. Kirzner

Der ökonomische Blickwinkel Eine Abhandlung zur Geschichte des ökonomischen Denkens

Duncker & Humblot · Berlin

ISRAEL M. KIRZNER

Der ökonomische Blickwinkel

Hayek-Schriftenreihe zum Klassischen Liberalismus Band 1

Israel M. Kirzner

Der ökonomische Blickwinkel Eine Abhandlung zur Geschichte des ökonomischen Denkens

Herausgegeben und übersetzt von

Hardy Bouillon

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 2510-2893 ISBN 978-3-428-15122-6 (Print) ISBN 978-3-428-55122-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85122-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

B’ezras Hashem Unseren Eltern

Vorwort der Herausgeber Mit der Hayek-Schriftenreihe zum Klassischen Liberalismus sollen einschlägige Schriften, die in der Tradition des Klassischen Liberalismus und in geistiger Nähe zu Friedrich August von Hayek stehen, einer deutschsprachigen Leserschaft nähergebracht werden. Zu diesem Zweck werden Schlüsselwerke bedeutender Autoren übersetzt und in deutscher Erstausgabe herausgegeben. Gleichwohl ist die Schriftenreihe nicht auf Übersetzungen beschränkt, sondern auch offen für Arbeiten gegenwärtiger Autoren, die sich der Schule des Klassischen Liberalismus und dem freiheitlichen Denken Hayeks eng verbunden fühlen. Auf den Autor des ersten Bandes trifft beides gleichermaßen zu. Israel M. Kirzner zählt zu den führenden Vertretern der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, die die Gegenwart kennt. Seine Schriften gehören zu den wichtigsten Werken, die diese Schule hervorgebracht hat. Der ökonomische Blickwinkel (im Original: The Economic Point of View) ist eine Abhandlung zum Selbstverständnis der Ökonomie. Der Autor geht in ihr der Frage nach, womit sich die Ökonomie vornehmlich befasst und befassen sollte. Er betrachtet diese Frage sowohl aus historischer wie auch aus systematischer Per­ spektive und gelangt zu einem Bild der Ökonomie, das sich eng an die Praxeologie seines Lehrers Ludwig von Mises anlehnt. Israel M. Kirzner wurde 1930 als Sohn eines Rabbiners geboren. Die Kinderjahre verbrachte er in London, seine Jugend in Kapstadt. Hier begann er auch das Studium der Ökonomie. Nach einem kurzen Zwischenspiel an der University of London wechselte er schließlich an die New York University (NYU). Dort lernte er Mises kennen, wurde dessen Schüler und später Professor an der NYU. Zu Kirzners wichtigsten Werken zählen Competition and Entrepreneurship (1973), Perception, Opportunity, and Profit (1979), Discovery, Capitalism, and Distribu­ tive Justice (1989), und The Meaning of Market Process (1992). Der ökonomische Blickwinkel von Israel Kirzner ist der erste Band der Reihe. Weitere Bände anderer Autoren sind bereits in Planung und sollen im Jahresrhythmus erscheinen. Die Hayek-Schriftenreihe zum Klassischen Liberalismus wird unterstützt von der Friedrich August von Hayek-Stiftung, Berlin. Prof. Dr. Hardy Bouillon

Prof. Dr. Gerd Habermann

Prof. Dr. Erich Weede

Einleitung des Herausgebers und Übersetzers Israel Kirzner, ein Schüler Ludwig von Mises’, ist in Deutschland kein Unbekannter. Dennoch sind seine Beiträge zur Ökonomie wenig bekannt. Das gilt auch für seine Bücher, von denen bislang nur zwei ins Deutsche übersetzt wurden, nämlich Wettbewerb und Unternehmertum (Competition and Entrepreneurship) und Unternehmer und Marktdynamik (Perception, Opportunity, and Profit). In beiden geht es um die Rolle des Unternehmers, um Nutzung und Schöpfung von Informationen und deren Nutzung in dynamischen Märkten, aber auch um deren Auswirkungen auf das Marktgleichgewicht. Sie haben wesentlich zu dem Ruf beigetragen, den Kirzner heute über die engen Fachgrenzen hinaus genießt, nämlich einer jener Ökonomen zu sein, die das Bild des Unternehmers nachhaltig geprägt haben. The Economic Point of View ist Kirzners erstes Hauptwerk. Es zeigt den jungen Kirzner, dem es noch nicht um die o. g. speziellen Themen ging, sondern um eine, um die grundsätzliche Frage, der sich jeder Ökonom von Zeit zu Zeit ausgesetzt fühlt. Gemeint ist die Frage nach dem Selbstverständnis der eigenen Disziplin. Was ist, was treibt die Ökonomie? Für Kirzner ist klar, dass diese Frage nur eine Antwort findet, wenn der Ökonom sagen kann, womit er sich befasst. Was ist sein Forschungsgegenstand? Nicht alle Ökonomen haben zu dieser Frage dezidiert Stellung bezogen, und nicht alle Stellungnahmen sind gleich ausgefallen. Im Gegenteil, die Positionen sind vielfältig und haben im Laufe der Zeit an Zahl hinzugewonnen. Für Kirzner ist daher auch klar, dass eine Antwort auf die Frage nach dem Selbstverständnis der Ökonomie, nach dem ökonomischen Blickwinkel, methodologische und historische Reflexionen voraussetzt. So ist sein Buch sowohl eine methodologische Analyse als auch ein historischer Abriss der zahlreichen Definitionen von Ökonomie und dem, womit sie befasst ist oder befasst zu sein glaubt. Das Thema bringt es mit sich, dass Kirzners Buch auch Meta-Ökonomie zum Inhalt haben muss, ein Umstand, der hohe Anforderungen an die zu wählende Terminologie stellt. Das wiederum stellt jeden Übersetzer, der den Absichten des Autors so nahe wie möglich kommen will, vor eine zusätzliche Herausforderung. Es ist zu hoffen, dass die vorliegende Übersetzung dieser Herausforderung gerecht geworden ist. Es wurde versucht, Stil, Syntax und Terminologie des Autors so authentisch wie möglich zu bewahren, und zwar mit all den Möglichkeiten, die das Deutsche bietet. Stellen, an denen eine allzu sklavische Übersetzung womöglich einen holprigen Eindruck hinterlassen hätte, wurden äußerst behutsam mit kleinen, aber keineswegs den Sinn entstellenden Füllwörtern geglättet, um den Lesefluss zu erleichtern. Größere Zitate, etwa von Marx, Mises oder Weber, wurden nicht aus dem Englischen rückübersetzt, sondern nachgeschlagen und aus den Originalquellen, so-

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Einleitung des Herausgebers und Übersetzers

weit zugängig, übernommen, um etwaige Irritationen beim Leser zu vermeiden. Die Zitatangaben und Zitiermodi wurden vom Autor übernommen. Zu groß ist die Gefahr, dass gutgemeinte Ergänzungen oder Verbesserungen des Übersetzers in den Anmerkungen zu Verschlimmbesserungen führen können. Offensichtliche Druckfehler, z.B. bei Umlauten, wurden verständlicherweise korrigiert. Ansonsten wurde von gutgemeinten Korrekturen Abstand genommen und alles vom Autor übernommen. Lediglich die Setzung der Anmerkungen entspricht den Vorgaben des Verlags, der dieses Werk dankenswerterweise in sein Programm aufgenommen hat. Um den Vorgaben zu entsprechen, erwies es sich als notwendig, die vielen umfangreichen bibliographischen Angaben, die ursprünglich in die Anmerkungen eingebunden waren, in ein eigens dafür erstelltes Literaturverzeichnis zu übertragen. Dies wiederum ersparte das wiederholte Zitieren der Werke in den Fußnoten. Die stattdessen eingesetzten Kürzel aus Autor und Jahr beziehen sich auf die Angaben im Literaturapparat. Um Verwechslungen auszuschließen, die hier und da aufgrund mehrerer Publikationen eines Autors im selben Jahr denkbar gewesen wären, wurde gelegentlich der passende Titel der Veröffentlichung ergänzend genannt. Gleiches gilt, wo derlei Verwechslungen aus anderen Gründen möglich gewesen wären oder die Nennung des Titels sonstwie sinnvoll erschien. Bleibt mir noch, dem Institute for Humane Studies (IHS), dem Rechtsnachfolger des Volker Funds und Inhaber des Copyrights, für die freundliche Genehmigung zu danken, eine deutsche Erstausgabe von Israel Kirzners Economic Point of View herauszubringen. Danken möchte ich auch Liberty Fund, Inc., dessen Index und editorische Ergänzungen zur 2. englischen Auflage meine Übersetzer- und Herausgeberaufgabe erleichtert haben. Der letzte und größte Dank gebührt indes dem Urheber dieses Werkes, Professor Israel Kirzner, durch dessen Zustimmung die vorliegende Übersetzung erst möglich wurde. Hardy Bouillon

Vorwort von Ludwig von Mises Die Einführung einer systematischen Wirtschaftswissenschaft – eine Errungenschaft der Gesellschaftsphilosophie der Aufklärung, die auch die Konzeption der Volkssouveränität hervorgebracht hat – war für die in jener Zeit aufkommenden Mächte eine Herausforderung. Wie die Ökonomie zeigt, herrscht infolge von Marktphänomenen und deren Interdependenzen eine unvermeidbare Gesetzmäßigkeit, die der Mensch vollständig berücksichtigen muss, um seine angestrebten Ziele zu erreichen. Auch die mächtigste Regierung, die mit größter Strenge vorgeht, kann nicht erfolgreich sein, wenn ihre Anstrengungen dem zuwiderlaufen, was man das „Gesetz der Ökonomie“ genannt hat. Es liegt auf der Hand, warum sowohl die despotischen Herrscher als auch die Anführer revolutionärer Massen solche Gesetze gleichermaßen nicht mochten. Für sie war die Ökonomie eine „trostlose Wissenschaft“ (dismal science), die sie ohne Unterlass bekämpften. Wie auch immer, nicht die Feindseligkeit der Regierungen und der mächtigen politischen Parteien schürte die langwierigen Diskussionen über den epistemologischen Charakter und die logische Methode der Ökonomie, in denen die Existenz und Bedeutung dieses Wissenszweiges immer und immer wieder in Frage gestellt wurden. Was jene Debatten hervorrief, war die Vagheit, mit der die frühen Ökonomen ihre Disziplin zu definieren pflegten. Es wäre absurd, ihnen den fehlenden Wunsch nach Klarheit vorzuwerfen. Sie hatten Grund genug, sich auf jene Probleme zu konzentrieren, die sie lösen wollten, und andere darüber zu vernachlässigen. Gewisse Themen der politischen Kontroversen jener Zeit hielten sie dazu an. Ihre große Leistung lag in der Entdeckung der gleichförmigen Ordnung, die bei jener Entstehung von Ereignissen herrscht, die man zuvor für chaotisch hielt. Erst spätere Generationen von Ökonomen gerieten über die damit verbundenen erkenntnistheoretischen Probleme ins Grübeln. Dr. Kirzners Buch gibt einen historischen Überblick über alle Lösungen, die in dieser Debatte vorgeschlagen wurden. Es ist ein sehr wertvoller Beitrag zur Ideengeschichte, der den Weg der Ökonomie von einer Wissenschaft des Wohlstands zu einer Wissenschaft menschlichen Handelns beschreibt. Der Autor ergeht sich nicht, wie es neuerdings unter einigen Historikern der Nationalökonomie Mode geworden ist, in Werturteilen und paradoxen Beobachtungen. Lieber folgt er den nüchternen Methoden der besten Historiker der Nationalökonomie, nämlich denen von Böhm-Bawerk und Edwin Cannan. Jeder Ökonom – und eigentlich jeder an Problemen der allgemeinen Erkenntnistheorie Interessierte – wird Dr. Kirzners Analysen mit großem Gewinn lesen; vor allem seine Darlegung der berühmten Debatte zwischen Benedetto Croce und Vilfredo Pareto und die kritische Untersuchung zu den Ideen von Max Weber und Lionel Robbins.

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Vorwort von Ludwig von Mises

Aufsätze zur Ideengeschichte der Ökonomie sind nicht nur von historischem Wert. Nicht weniger wichtig ist die Tatsache, dass sie uns den gegenwärtigen Stand der Nationalökonomie im Lichte aller Versuche, die frühere Generationen zur Lösung der Probleme unternommen haben, erneut prüfen lassen. Im Vergleich unserer Sichtweisen mit den Errungenschaften und Irrtümern der Vergangenheit können wir entweder Fehler in unseren eigenen Theorien oder neue und bessere Gründe für deren Bestätigung finden. Dr. Kirzners umsichtige Abhandlung ist eine wahre Hilfe bei einer solchen Neubewertung. Genau darin besteht ihr großes Verdienst. Ludwig von Mises

Vorwort des Autors Die vorliegende Abhandlung ist der Versuch, mit einer gewissen Gründlichkeit ein extrem kleines Feld der ökonomischen Ideengeschichte zu untersuchen. Trotz ihrer geringen Größe verdient dieses Gebiet eine über die Maßen ausgedehnte Untersuchung und Einbeziehung all jener Grundgedanken, um die sich der Kanon des ökonomischen Denkens der letzten zwei Jahrhunderte gedreht hat. Damals wie heute wird die Richtung der Nationalökonomie weitgehend vom „Blickwinkel“ bestimmt, den der Ökonom für seine spezielle Betrachtungsweise einnimmt. Genau zu diesem Zusammenhang will die vorliegende Untersuchung einen Beitrag leisten, indem sie das Problem in den ihm gebührenden Kontext einordnet, nämlich als ein Kapitel zur Ideengeschichte. In diesem Fall hat die Natur des Untersuchungsgegenstands die Gründlichkeit der Erforschung erheblich erschwert; Vollständigkeit war schier unmöglich. Dabei war es mein Ziel, eine sorgfältige Übersicht der relevanten Literatur zu jedem der behandelten Themen zu erstellen und zugleich entschieden der sklavischen Versuchung zu widerstehen, die mein Buch in eine kommentierte Bibliographie verwandelt hätte. Das ließ mich immer wieder auch Werke von erheblicher Bedeutung ignorieren, um überflüssige Wiederholungen der bereits aus anderen Quellen zitierten Ideen zu vermeiden. Ungeachtet dieser Selbstbegrenzung hielt ich es für angebracht, alle Anmerkungen und Verweise ans Ende des Buches zu setzen, um den Lesefluss des Haupttextes zu erleichtern. Meine Untersuchung des in diesem Buch behandelten Themas begann vor vielen Jahren, als ich bei Professor Mises meine Dissertation schrieb. Vieles von dem Material, das ich für die Arbeit an jenem Projekt gesammelt hatte, erwies sich als nützliche Grundlage für die umfassendere Untersuchung, die zur Vorbereitung des vorliegenden Bandes durchgeführt wurde. An dieser Stelle möchte ich meinen Dank für all die Unterstützung ausdrücken, die mir seinerzeit die Verfolgung meiner Forschungsinteressen erlaubte; zunächst als Volker Fellow und anschließend als Earhart Fellow an der New York University. Was ich den einzigartigen Beiträgen, die Professor Mises zu den in meinem Buch diskutierten epistemologischen Problemen beigesteuert hat, in geistiger Hinsicht schulde, dürfte, wie ich glaube, in hinreichendem Maße und überall aus meiner Arbeit ersichtlich sein. Es ist mir eine besondere Freude, ihm hier meinen Dank für die freundliche Geduld und herzliche Ermunterung, mit der er mich während des gesamten Projekts überhäuft hat, auszusprechen; dafür und für die Inspiration, die ich seinem Enthusiasmus und seiner eindringlichen geistigen Redlichkeit verdanke, die er in unzähligen Diskussionen, ob im privaten Gespräch oder im Seminar, entfaltete.

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Vorwort des Autors

Von den äußerst wertvollen Diskussionen, die ich mit meinen Kollegen des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der School of Commerce der New York University zu den unterschiedlichsten Themen meiner Studie führte, habe ich weit mehr als einmal profitiert. Darüber hinaus stehe ich in der Schuld des De­kans T. L. Norton und des Vorsitzenden des Fachbereichs, Professor T. J. Anderson, die mir während einer Phase der Forschungsarbeit die Erfüllung meiner Lehrverpflichtungen mit besonderen Arrangements erleichterten. Das gilt auch für ihre stetigen Ermunterungen bis zum Abschluss des Projekts. Was Fragen des Stils und Klarheit des Ausdrucks angeht, so habe ich dankenswerterweise wertvolle Hilfe von Dr. Arthur Goddard erfahren. Die Verantwortung für alle Unzulänglichkeiten dieser Arbeit liegt indes einzig bei mir. Zu guter Letzt habe ich die erfreuliche und zugleich etwas heikle Aufgabe, meiner Frau für ihre Mitwirkung, der materiellen wie der ideellen, am Erscheinen dieses Bandes zu danken. Allein der Dank (und die Schwierigkeit, ihn auszudrücken), den ich ihr in dieser Hinsicht schulde, reichen noch tiefer. Das gründet in einer Besonderheit, nämlich der, dass diese Mitwirkung ihrer Natur gemäß zum großen Teil unter Umständen erfolgte, die sie für sich genommen schon außergewöhnlich verdienstvoll machen.

New York, N.Y., im März 1960

Israel M. Kirzner

Dank Der Autor steht tief in der Schuld folgender Institutionen, Gesellschaften und Verlage für deren Entgegenkommen und die Erlaubnis aus deren Veröffentlichungen wie folgt zu zitieren: The American Economic Association (für Zitate aus ihren Veröffentlichungen, Survey of Contemporary Economics, 1949, eingeschlossen); George Allen and Unwin Ltd. (für Zitate aus N. Senior, Outline of Political Economy, und J. Bentham, Economic Writings, hg. von Stark); Jonathan Cape Limited (für Zitate aus L. Mises, Socialism, und L. Robbins, The Economic Causes of War); Columbia University Press (für Zitate aus E.R.A. Seligman, Economic Interpretation of His­ tory, 1902, und aus Political Science Quarterly, 1901); die Herausgeber von Eco­ nomica (für Zitate aus Economica, 1933, 1941); der Herausgeber von Eco­nomic Record und der Melbourne University Press (für Zitate aus Economic Record, Nr. 61, November, 1955); The Free Press (für Zitate aus Max Weber on the Meth­ odology of the Social Sciences); Harper and Brothers (für Zitate aus F.H. Knight, The Ethics of Competition); Harvard University Press (für Zitate aus Quarterly Journal of Economics und aus H. Myint, Theories of Welfare Economics, 1948); William Hodge and Co. Ltd. (für Zitate aus Max Weber, Theories of Social and Economic Organization); Howard Allen, Inc. (für Zitate aus K. Boulding, The Skills of the Economist); Richard D. Irwin, Inc. (für Zitate aus T. Scitovsky, Wel­ fare and Competition); Kelley and Millman, Inc. (für Zitate aus W. Mitchell, The Backward Art of Spending Money); Alfred A. Knopf, Inc. (für Zitate aus S. Patten, Essays in Economic Theory, hg. von R. Tugwell); Longmans, Green and Co., Ltd. (für Zitate aus R. Hawtrey, The Economic Problem); The Macmillan Company, New York (für Zitate aus L. Haney, History of Economic Thought, 1949, F.S.C. Northrop, Logic of the Sciences and Humanities, 1949, A. Marshall, Principles of Economics, 1920); Macmillan and Co. Ltd., London (für Zitate aus Economic Journal, International Economic Papers und aus Werken von Croce, Hutchinson, Jevons, Macfie, Marshall, Robbins und Pigou; für die Werke von Pigou gilt der Dank auch der St. Martin’s Press, Inc., New York); Oxford University Press und Clarendon Press, Oxford (für Zitate aus Proceedings of the British Academy und aus I. Little, Critique of Welfare Economics); Routledge and Kegan Paul Ltd. (für Zitate aus P. Wicksteed, The Common Sense of Political Economy, F.A. Hayek, Road to Serfdom, und G. Myrdal, Value in Social Theory); Staples Press (für Zitate aus E. Cannan, Wealth, E. Cannan, Theories of Production and Distribution, D.H. Robertson, Economic Commentaries); University of Chicago Press (für Zitate aus F.A. Hayek, Road to Serfdom, F.H. Knight, History and Method of Economics, und aus Journal of Political Economy); The Viking Press, Inc. (für Zitate aus T. Veblen, The Theory of the Leisure Class, The Place of

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Dank

Science in Modern Civilization, Essays in Our Changing Order, und W. Mitchell [Hrsg.], What Veblen Taught); Yale University Press (für Zitate aus L. Mises, Human Action).

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels    19

Der ökonomische Blickwinkel und der Geltungsbereich der Ökonomie  .......................... 21 Die Vielfalt der ökonomischen Blickwinkel  .....................................................................  23 Die Kontroverse über die Nützlichkeit der Definition  .....................................................  24 Eine Interpretation der Kontroverse  .................................................................................  26 Die Ökonomen und ihre Definitionen: die Ökonomen der Klassik  .................................  29 Der ökonomische Blickwinkel: der Hintergrund des Methodenstreits  .............................. 31 Ökonomische Blickwinkel des 20. Jahrhunderts  ..............................................................  33 2. Kapitel

Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt    36

Das Auftreten der politischen Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand  ..................... 37 Die Wissenschaft vom materiellen Wohlstand  .................................................................  43 Die Wissenschaft vom Lebensunterhalt  ............................................................................. 47 Die Wissenschaft von der Besitzstandswahrung  ..............................................................  52 Mensch gegen Natur  .........................................................................................................  56 Vom Wohlstand zum Wohlergehen  ...................................................................................  58 Die Wissenschaft von den niederen Bedürfnissen der menschlichen Natur  .....................  63 3. Kapitel

Die Wissenschaft von der Habgier; wie man aus so wenig wie möglich so viel wie möglich macht    66

Die Wissenschaft von der Habgier   ..................................................................................  66 Das ökonomische Prinzip  .................................................................................................. 71 Der „ökonomische Impuls“  ..............................................................................................  74 Selbstsucht und „Non-Tuismus“  .......................................................................................  78 Ökonomie und Mechanik  .................................................................................................  80 4. Kapitel

Ökonomie, Markt und Gesellschaft    85

Ökonomie und Katallaktik  ................................................................................................  85 Der Tausch und die Neigung, zu handeln  .........................................................................  90 Tausch und Arbeitsteilung  .................................................................................................. 91 Das „rein formale“ Tauschkonzept  ...................................................................................  92

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Inhaltsverzeichnis

Tausch und ökonomisches System  ....................................................................................  94 Ökonomie, Wirtschaft und Volkswirtschaft  ....................................................................... 97 Wirtschaft und Gesellschaft  ..............................................................................................  99 5. Kapitel

Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung    104

Geld, Wohlstand und Tausch   .........................................................................................  104 Geld als Maßstab  ............................................................................................................  108 Geld als universaler Maßstab  ..........................................................................................  110 Messen und Ökonomie  ....................................................................................................  111 Geld und Preis-Ökonomie  ............................................................................................... 114 Geld als ökonomische Institution  .................................................................................... 116 6. Kapitel

Ökonomie und Wirtschaften    119

Die Ökonomie von Professor Robbins  ...........................................................................  120 Knappheit und Ökonomie  ...............................................................................................  122 Wirtschaften und Maximierung  ......................................................................................  125 Der Charakter von Robbins’ Definition  ........................................................................... 127 A. Die „Weite“ von Robbins’ Definition  ................................................................... 129 B. Der „Formalismus“ in Robbins’ Definition  ......................................................... 130 Die Natur der Ziele und Mittel  .......................................................................................  132 „Gegebene“ Ziele und Mittel  ...........................................................................................  136 Einzelziel und mannigfache Ziele  ..................................................................................  140 Ökonomie und Ethik: das Positive und das Normative  ..................................................  143 Die Natur der Wirtschaftswissenschaft und die Bedeutung der Makroökonomie  ........... 147 7. Kapitel

Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft     151

I.  Die Handlungswissenschaften  ................................................................................. 153 Das Auftauchen der praxeologischen Sichtweise der Ökonomie  ............................ 155 Max Weber und die menschliche Handlung  ............................................................. 160 Handelnder Mensch und wirtschaftender Mensch: Mises und Robbins  ................. 162 II.  Praxeologie und Zweck  ............................................................................................. 164 Praxeologie und Rationalität  ..................................................................................... 168 Die Annahme konstanter Wünsche – der praxeologische Kontext  .......................... 173 Praxeologie, Apriorismus und Operationalismus  .................................................... 177 Der ökonomische Blickwinkel und die Praxeologie  ................................................ 180 Literaturverzeichnis  .....................................................................................................  185 Personen- und Sachregister  .......................................................................................... 197

1. Kapitel

Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels 1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

… womit wirtschaftet der Ökonom? „Es ist die Liebe, es ist die Liebe“, sagte die Herzogin, „die die Welt dreht.“ „Irgend jemand sagte“, flüsterte Alice, „dass es geschieht, indem jeder seinen eigenen Geschäften nachgeht.“ „Genau“, antwortete die Herzogin, „das ist so ziemlich dasselbe.“ Vielleicht nicht ganz genau so dasselbe, wie Alices Zeitgenossen dachten. Aber wenn wir Ökonomen unserem eigenen Geschäft nachgehen und dieses Geschäft gut machen, dann können wir, so glaube ich, erheblich zum Wirtschaften beitragen, d.h. zur vollständigen, aber sparsamen Nutzung der knappen Ressource Liebe – von der wir wie jeder andere auch wissen, dass sie das Wertvollste auf der Erde ist. Sir Dennis H. Robertson Man kann unmöglich eine klare Grenze um jene Sphäre oder Domäne menschlicher Handlungen ziehen, die zur Wirtschaftswissenschaft gehören. Frank H. Knight

Mit gesellschaftlichen Phänomenen ist es wie mit anderen interessanten Sachverhalten auch, die in der realen Welt vorzufinden sind: man kann sie in vielen Disziplinen untersuchen. Ein und dieselben Rohdaten können auf vielerlei Wegen klassifiziert und erklärt werden, wobei jeder Datensatz die anderen ergänzt und so dazu beiträgt, das fragliche Phänomen voll zu erfassen. Im Interesse der zu erntenden Vorteile, die mit der Arbeitsteilung einhergehen, kann man in einer Sequenz von Ereignissen die Wiedergabe gleichzeitiger Abläufe mehrerer verschiedener Ursache-Wirkungs-Ketten sehen. Jede dieser Ketten kann dann zum Mittelpunkt der Untersuchung werden und die aus der Arbeitsteilung fließenden Vorteile mehren und so darlegen, auf welche Weise jede dieser Kausalketten ein potentiell fruchtbares Thema einer separaten Untersuchung darstellt. Eine derartige Klassifikation jener Faktoren des beobachteten Phänomens, die der Erklärung bedürfen, gibt natürlich die jeweilige Sichtweise wieder, von der aus der Beobachter die Daten betrachtet. Letzten Endes läuft die Festlegung des jeweiligen Untersuchungsfeldes auf die Darlegung des Blickwinkels hinaus, den der Forscher gewählt hat. Im Hinblick auf die Ökonomie und den „ökonomischen Blickwinkel“ wurden viele Versuche sehr unterschiedlicher Prägung unternommen, um das besondere Untersuchungsfeld zu beschreiben. Einige Autoren haben das Nomen „Ökonomie“ definiert; sie haben sich dabei langatmig zur genauen Abgrenzung des Bereichs der Ökonomie geäußert und sich in ausschweifenden Abhandlungen zu den Eigen-

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1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

schaften wirtschaftlicher Tätigkeiten und der Natur ökonomischer Interpretationen ergangen. Mehr als zu Genüge haben sie das Verhältnis der Ökonomen zu den Soziologen, den Psychologen, den Moralpredigern, den Theologen und den Juristen diskutiert. Und darüber hinaus haben sie sich in hitzige und langwierige Debatten über den Nutzen eben jener Definitionen, Abhandlungen und Diskussionen eingelassen. Kurz gesagt, sie haben zahlreiche Versuche unternommen, den genauen Blickwinkel des Ökonomen zu bestimmen, dazu bestehende Darlegungen zu hinterfragen oder dem Ökonomen schlichtweg das Recht abzusprechen, sich am eigenen Standpunkt zu erfreuen. In der Summe haben diese Unternehmungen im Verlaufe der letzten beiden Jahrhunderte eine unüberschaubare Menge an faszinierender Literatur hervorgebracht. Die Betrachtung und anschließende Verarbeitung dieser Literatur hat eine Reihe von Umschreibungen des ökonomischen Blickwinkels zu Tage gefördert, die in ihrer Vielfalt Erstaunen hervorruft. Die vorliegende Abhandlung versucht, jene Literatur zu sichten und in historischer Perspektive den breiten Bogen an Umschreibungen aufzuarbeiten. Als ein Kapitel zur Ideengeschichte richtet die vorliegende Untersuchung zur unentwegten Suche nach der exakten Bezeichnung des ökonomischen Blickwinkels ihr Augenmerk auf jene besonderen Wege, auf denen die Suche stattfand, sowie auf deren erstaunliche Heterogenität. Obwohl die vorliegende Darstellung historisch ausgerichtet ist, werden wir die thematische, nicht die historische Vorgehensweise vorziehen. Wir werden nicht die verschiedenen Umschreibungen in der Reihenfolge präsentieren, in der sie Schritt für Schritt in die Ideengeschichte eingegangen sind. Stattdessen werden wir jede Grundgruppe an Definitionen, die man in der Literatur findet, eine nach der anderen aufgreifen und für sich so vollständig wie möglich abhandeln. Die Rolle, die jede der Gruppen in der Problemgeschichte spielte, wird durch die Erörterung der jeweiligen Definitionen offenkundig werden. Wir werden so offenlegen, dass in der Regel zu jeder Zeit eine Reihe von sehr verschiedenen Formulierungen anzutreffen war. Es erweist sich dabei als praktisch, jeder dieser Formulierungsgruppen eine Erörterung ihrer Entwicklung zu widmen, die in sich abgeschlossen ist – ohne dabei durch den Hinweis auf simultane Parallelentwicklungen anderer Definitionen vom Thema ablenken zu müssen. In diesem Einleitungskapitel werden wir versuchen, unsere Probleme allgemeinverständlich darzustellen. In diesem Zusammenhang wird es hilfreich sein, die Bedeutung zu erörtern, die der Aufgabe zufällt, die Natur des ökonomischen Blickwinkels zu erhellen; klarzustellen, welche Verfahren unser Interesse finden und welche ähnlich gearteten Verfahren es nicht tun; und kurz zu umreißen, welchen Platz die Versuche, den ökonomischen Blickwinkel zu erläutern, in der ökonomischen Ideengeschichte eingenommen haben.

Der ökonomische Blickwinkel und der Geltungsbereich der Ökonomie

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Der ökonomische Blickwinkel und der Geltungsbereich der Ökonomie Die Umschreibung der Natur des ökonomischen Blickwinkels ist selbstredend eng mit der Diskussion über den Geltungsbereich der Ökonomie verknüpft. Gleichwohl hat die Frage nach dem Anwendungsbereich der Ökonomie immer wieder Fragen aufgeworfen, mit denen diese Abhandlung nichts zu tun hat, und es ist wohl der Mühe wert, dies von Anfang an klarzustellen. Marshall schrieb einmal an John Maynard Keynes: „Es gilt wohl für jede Wissenschaft, dass ihr Geltungsbereich immer größer erscheint, je länger man sich mit ihr beschäftigt, obwohl in Wahrheit ihr Geltungsbereich unverändert geblieben ist. Die Angelegenheiten der Ökonomie wachsen jedenfalls wie Unkraut …“1 Jenes Wachstum des Gegenstandsbereichs der Ökonomie, von dem Marshall schreibt, ist typisch für jene Aspekte, die unser thematisches Interesse finden. Ein Blick in das Vorlesungsverzeichnis des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft einer jeden Universität oder die flüchtige Durchsicht des wirtschaftswissenschaftlichen Fachkatalogs einer großen Bibliothek werden jeden im Handumdrehen von der Üppigkeit dieses Wachstums überzeugen. Gewiss, die „Ökonomie“ umspannt eine Menge an Fakten, Zahlen, Theorien und Meinungen, die ein gewaltiges Ausmaß an Phänomenen umfasst, die nur spärlich miteinander verbunden sind – oft nur aufgrund historischer Zufälle. Immerhin hat einmal jemand, der die Kontroversen über den Geltungsbereich der Ökonomie von außen verfolgt hat, zumindest andeutungsweise angemerkt, dass sie bloß eine Art darstellen, Exklusivrechte für die Lehre bestimmter Sachverhalte an den Universitäten einzufordern.2 Und Benedetto Croce, der sich mit der „ökonomischen“ Interpretation der Geschichte befasst hat, schrieb vor mehr als einem halben Jahrhundert: „Wenn man annimmt, dass wir bei der Interpretation der Geschichte vor allem die ökonomischen Faktoren zu berücksichtigen haben, dann denken wir automatisch an die technischen Bedingungen, an die Verteilung des Wohlstands, an Klassen und Unterklassen, die von gemeinsamen Interessen zusammengehalten werden, und so weiter. Gewiss, diese Bilder können nicht auf einen einzigen Begriff reduziert werden. Das steht ganz außer Frage. Wir bewegen uns hier in einer ganz anderen Sphäre als jener, in der abstrakte Fragen diskutiert werden.“3

In Diskussionen über den Geltungsbereich der Ökonomie kommen diese „unterschiedlichen Bilder“, die nicht auf einen Begriff reduzierbar sind, sehr oft vor. Unsere Untersuchung betrifft indes jene vollkommen andere Sphäre, in der abstrakte Fragen diskutiert werden. Und in dieser Sphäre spielt es sehr wohl eine Rolle, ob man den Terminus „Ökonomie“ so versteht, dass er auf einen einzigen

Pigou (1925), S. 499. Robinson (1950), S. 15. 3  Croce (1915), S. 29. 1  2 

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1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

Begriff reduziert werden kann; d.h., ob man meint, er sei mit einem bestimmten „Blickwinkel“ verbunden.4 Unser Thema gilt also nicht dem Umfang des Fachs „Ökonomie“, sondern der „ökonomischen Theorie“. Wenn wir vom Blickwinkel des Ökonomen sprechen, dann haben wir vor allem den Theoretiker oder Anwender der Theorie vor Augen. Für alltägliche Zwecke mag es, wie Cannan einmal feststellte, sehr wohl richtig sein, dass man ökonomische Dinge am besten ökonomisch beschreibt.5 Die aufgekommene umfangreiche Literatur mit Versuchen zur Bestimmung des ökonomischen Blickwinkels sollte dennoch nicht als unfruchtbare Pedanterie abgetan werden. Sie ist vielmehr Ausdruck der Auseinandersetzung mit der erkenntnistheoretischen Beschaffenheit der Wirtschaftstheorie, und zwar in einem Ausmaß, das weit über jenes hinausgeht, das für die üblichen Zwecke reicht.6 Diesen Punkt kann man vielleicht etwas schärfer fassen, wenn man auf die Terminologie des Logikers zurückgreift. Definitionen sind im Wesentlichen Klassifikationen, seien es Nominaldefinitionen oder Realdefinitionen.7 Erstere beziehen sich auf „Namen“ und versuchen, verbale und nonverbale Symbole auszulegen. Reale Definitionen versuchen hingegen, „Dinge“ zu definieren, die „Essenz“ und „Natur“ des definierten Dinges irgendwie herauszustellen. Die für unsere Untersuchung interessanten Umschreibungen des ökonomischen Blickwinkels begnügen sich nicht damit, eine Übersetzung des Wortes „Ökonomie“ zu liefern; sie wollen die Offenlegung der „Natur“ des Definiendums – das in diesem Fall eine Auffassung ist, ein „Blickwinkel“. Die faszinierende Vielfalt dieser Umschreibungen widerspiegelt, wie wir noch sehen werden, die zahlreichen, recht unterschiedlichen von den Logikern entdeckten Verfahren, die man anwenden muss, wenn man sich anschickt, reale Definitionen zu suchen.

4  Diese Überlegungen stehen hier anstelle von Querverweisen auf die Erfolge der mathematischen Programmierung der letzten Jahre, auf die Input-Output-Theorie und die Spieltheorie. Rivett (1955), S. 229 – 230, meint, der Fortschritt bei der linearen Programmierung könne es eines Tages nötig machen, die Schranken der Ökonomie zu überdenken. Ungeachtet der besonderen Auswirkung auf Rivetts eigene Definition der Ökonomie, kann diese Auffassung nur für das Ausmaß des Forschungsgegenstands gelten, nicht aber für die Abgrenzung des ökonomischen Blickwinkels. Vgl. dazu vor allem Baumol (1958), S. 837. 5  Cannan (19453), S. 4. 6  Zu Beispielen, die Definitionen von Ökonomie spezifisch auf die „ökonomische Theorie“ oder, noch enger, auf die „Preistheorie“ zu beschränken, siehe Schumpeter (1954), S.  535 – 536, und Knight (The Nature of Economic Science 1934), S. 226. 7 Zur Unterscheidung von realen und nominalen Definitionen siehe Mill (187910), I, S. 162 f.; Stebbing (19486), S. 426; Ogden/Richards (19303), S. 109, Anmerkung.

Die Vielfalt der ökonomischen Blickwinkel

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Die Vielfalt der ökonomischen Blickwinkel Was mit Blick auf das Verlangen nach einer Darlegung des ökonomischen Blickwinkels am meisten auffällt, ist die Vielzahl und die Bandbreite an Definitionen, die es hervorgerufen hat. Diese erstaunliche Fülle und Vielfalt an Umschreibungen wurde schon vor langer Zeit erkannt, und zwar zu einer Zeit, in der ihr Ausmaß im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte, sich eher bescheiden ausnahm. Der deprimierende Mangel an Übereinstimmung unter den Definitionen ließ für mehr als ein Dreivierteljahrhundert viele Autoren am Wert derselben zweifeln.8 So waren sich die Ökonomen z.B. darin einig, dass die Tätigkeiten des Händlers für die ökonomische Betrachtungsweise gesellschaftlicher Phänomene von besonderer Bedeutung sind. Doch an der Stelle fand ihre Einigkeit ein abruptes Ende. Für einige verschreibt sich der Händler ökonomischer Tätigkeiten, weil er mit materiellen Gütern handelt; für andere, weil seine Handlungsweise den Gebrauch von Geld involviert; für wieder andere, weil diese Handlungen von Austauschhandlungen abhängen. Einige Autoren sehen im Händler einen ökonomischen Akteur, weil seine Tätigkeiten mutmaßlich von Eigennutz motiviert sind oder durch eine besondere Gerissenheit bei der Abwägung der Vor- und Nachteile seiner Geschäfte bestechen. Andere sehen seine ökonomische Bedeutung darin, dass seine Waren bis zu einem gewissen Grad der Erhaltung menschlichen Lebens dienen; andere darin, dass sie Bestandteil der menschlichen „Wohlfahrt“ sind. Einige andere klassifizieren kaufmännische Tätigkeiten als ökonomisch, weil sie vernünftige Verfügungen knapper Ressourcen involvieren, während wiederum andere die ökonomische Eigenart darin sehen, dass sie menschliche Motive widerspiegelt, die sich messen lassen. Die Liste ließe sich noch weiter fortführen. Die Unruhe, die mit der Betrachtung einer solchen Bandbreite an Kriterien aufkommt, verschärft sich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in den meisten Fällen jedes der Kriterien eine vollkommen andere Auffassung bezüglich der Aufgabe ökonomischer Theorien repräsentiert. Jedenfalls trägt es nicht zur Wiedererlangung unseres Gleichmuts bei, wenn wir die Vielfalt an Wegen zur Kenntnis nehmen, auf denen man sich dem Definitionsproblem genähert hat. Die wichtigsten Unterschiede liegen wahrscheinlich nicht zwischen den spezifischen Definitionen, zu denen man gelangte, sondern betreffen die Uneinigkeit unter den Autoren hinsichtlich der Art des Wesens, das sie zu definieren trachten, und der Richtung, die sie zu Beginn ihrer Suche einzuschlagen haben. Die Bestimmung der Wirtschaftswissenschaft führte immer wieder zu präliminären Diskussionen rund um die Frage, ob das Fach eine Art von Objekt, Tätigkeit oder Mensch oder eine Art von Befriedigung oder Wohlfahrt zum Gegenstand habe. Als natürliche Folge dieser Sachlage kam es immer wieder zur Seelenforschung unter den Ökonomen hinsichtlich des eigentlichen Zwecks, den ökonomischen 8  Für Beispiele jener Autoren, die in der Vielzahl der Definitionen den Beleg für deren grundsätzliche Schwäche sahen, siehe Walras (1874), S. 3; Usher (1917), S. 712; Kaufmann (1933), S.  381 – 382.

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1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

Blickwinkel zu definieren, und auch zu einer begrüßenswerten Klarwerdung über die Komplexität des Themas. Der Umstand, dass für ein Wissensgebiet so viele unterschiedliche Ausgangspunkte denkbar sind, ist ein Zeichen für die Vielschichtigkeit, mit der das rein ökonomische Phänomen mit anderen Phänomenen verflochten werden muss. Er führt zu ernsten Fragen hinsichtlich der Idee eines spezifisch ökonomischen Blickwinkels und der Nützlichkeit seiner präzisen Formulierung mittels rigoroser Definitionen.

Die Kontroverse über die Nützlichkeit der Definition Wie wir noch feststellen werden, wurden viele einander streng widersprechende Meinungen zur etwaigen Nützlichkeit aufgestellt, die dem Unterfangen einer sorgfältigen Definition des ökonomischen Blickwinkels oder der Natur des ökonomischen Forschungsgegenstands innewohnen mag. Für jene, denen diese Aufgabe wichtig erschien, stellte deren Bewältigung eine wissenschaftliche Leistung an sich dar. Andererseits haben viele Autoren sich unter Mühen von einem Unterfangen distanziert, dessen Vollendung ihres Erachtens weder einen wissenschaftlichen Wert an sich besitzt, noch irgendwelche fruchtbaren Ergebnisse für weitere Arbeiten verspricht. Dieses Buch behandelt mit einer gewissen Ausführlichkeit mehr oder weniger sorgfältige Versuche einer solchen Definition; und es ist nur recht und billig, einen Moment innezuhalten und darüber nachzudenken, ob diese Versuche möglicherweise fruchtbar waren oder aufgrund ihrer Natur zwangsläufig zu verschwatzten Abhandlungen verdammt sein mussten, ertragreich nur mit Blick auf die Beförderung unfruchtbarer Kontroversen. Unter jenen, welche die Suche nach einer präzisen Definition des ökonomischen Blickwinkels für ein nutzloses Unterfangen hielten, finden wir Pareto, Myrdal und Hutchison.9 Pareto bestritt, dass es ein objektives ökonomisches Phänomen gebe, und betrachtete es daher als „eine Zeitverschwendung, herauszufinden, was es sei“, da es sich lediglich um eine vom Menschen getroffene Distinktion handle. Myrdal, der ca. 30 Jahre später darüber schrieb, drückte sich ziemlich ähnlich aus. Eine Definition der Ökonomie könne nur in einer Suche nach willkürlich gezogenen Grenzlinien bestehen. „Ökonomie“ war in Myrdals Augen der einzige Begriff, um dessen präzise Definition sich der Ökonom nicht zu kümmern habe; nichts in der Wirtschaftswissenschaft hänge davon ab. Hutchison erklärte schlicht und ergreifend, dass „die faktische Zuordnung einer Definition zum Wort „Ökonomie“ bestimmt kein wissenschaftliches Problem, welches auch immer, löst oder gar für 9 Zu Paretos Ansichten über die Nützlichkeit, ökonomische Angelegenheiten zu definieren, siehe die Übersetzung seines (erstmals in Giornale degli economisti, 1900, II, S. 139 – 162, veröffentlichten) Aufsatzes „On the Economic Phenomenon“ in Pareto (1953), S. 194. Siehe auch Pareto (1907), S. 294. Myrdals Ansichten finden sich in seinem Buch The Political Element in the Development of Economic Theory (1954), S. 154 – 155; zu Hutchisons Auffassungen siehe sein Buch The Significance and Basic Postulates of Economic Theory (1938), S. 53.

Die Kontroverse über die Nützlichkeit der Definition

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dessen Lösung nützlich ist.“ Diese Bekundungen scheinen typisch für das zu sein, was ein Autor die weitverbreitete Auffassung nannte, derzufolge die Diskussionen über die Natur und Reichweite der Ökonomie „nur ein endloses und unnützes Wortgeplänkel sind.“10 Auch die gegenteilige Auffassung wurde wiederholt vorgetragen. Die sehr umfangreiche Literatur zur Bestimmung der Wirtschaftslehre, einschließlich der Werke der bekanntesten Vertreter des Fachs, ist für sich genommen ein eindrucksvoller Beleg dieser Position.11 Vor allem Robbins hat mehrere Male vehement der Ansicht widersprochen, der Versuch einer präzisen Abgrenzung des Feldes sei Zeitverschwendung. Es sei im Gegenteil eine „Zeitverschwendung, es nicht zu tun.“12 Die Wissenschaft hat jenen Punkt erreicht, an dem jeder weitere Fortschritt nur möglich ist, wenn das Objekt hinreichend klar gekennzeichnet ist; an dem Themen nur vorgeschlagen werden, wenn „Lücken in der Einheit der Theorie“ auftreten. Knight hat in der Abgrenzung der Natur und des Inhaltes der Werttheorie das „vielleicht letzte konzeptionelle Problem in der Ökonomie“13 gesehen. Macfie hat, wie auch andere, auf den möglichen Schaden in Folge einer unzureichend klaren Definition hingewiesen; vor allem hat er vor den Verzerrungen gewarnt, die eine fehlerhafte Definition dem Wesen der Wissenschaft zufügen könne.14 Um die historische Entwicklung des Untersuchungsgegenstands, dem unsere Abhandlung gilt, richtig einzuschätzen, muss man die Natur jener weit auseinanderklaffenden Auffassungen bezüglich der Nützlichkeit einer präzisen Definition des ökonomischen Blickwinkels verstehen. Man kann die herrschende Uneinigkeit bloß als Ausdruck unterschiedlicher Haltungen in der Frage werten, ob es nützlich sei, Energie auf die Diskussion der Natur der Ökonomie zu verwenden, statt sie für Anstrengungen aufzusparen, die zu einem wirklichen Wachstum an ökonomischem Wissen führen. Die zahlreichen Rechtfertigungen für rein oberflächliche Versuche einer Definition des ökonomischen Blickwinkels belegen in der Tat die große Schwierigkeit des Unternehmens; hinzu kommt deren angeblich fehlende Relevanz für die Arbeit der Ökonomen.15 Die Uneinigkeit mag man also Tagliacozzo (1945), S. 308. Zu Beispielen früherer Auffassungen, die eine angemessene Definition ökonomischer Angelegenheiten für bedeutsam hielten, siehe Laveleye (1883), S. 92; Patten (1893), wiederabgedruckt in Patten (1924), S. 178. 12  Robbins (19352), S. 3. Dieselbe Auffassung vertrat Robbins in seiner Einleitung zu Wicksteeds The Common Sense of Political Economy (1933), I, S. xxii, wo er sich auch für eine Geschichte zum Verlauf der Ideen bis hin zu den modernen Definitionen aussprach. Siehe auch Robbins (1938), S. 344, wo er die geringe Bedeutung einer präzisen Wortwahl für den Ausdruck der (korrekten) Definition betont. 13  Knight (1941), S. 410, Anm. 14  Macfie (1936), S. 2 – 3. 15  Beispiele für Ökonomen, die das Erreichen einer genauen Definition ökonomischer Angelegenheiten vor unüberwindbaren Hürden sehen, geben Homan (1928), S. 349, 364; Daly (1945), S. 169. 10  11 

1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

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auch schlicht als Spiegel verstehen, der unterschiedliche Einschätzungen der Rentabilität der Alternativkosten widerspiegelt, die das Streben nach intellektueller Redlichkeit bei der systematischen Darstellung des Fachs mit sich führt. Aber eine solche Auslegung wäre oberflächlich und würde den wichtigsten Aspekt der Kontroverse außer Acht lassen.

Eine Interpretation der Kontroverse Jene Autoren, welche die Fruchtbarkeit einer präzisen Begrenzung der Reichweite der Nationalökonomie bestritten haben, müssen als eine Gruppe angesehen werden, deren Ansichten letztlich eine andere „Definition“ des ökonomischen Blickwinkels kennzeichnen – eine, die eine derartige Vorstellung schlichtweg bestreitet. Die Auffassung von einem besonderen ökonomischen Blickwinkel wurde unterschiedlich definiert, und zwar in dem Sinne, dass zahlreiche unterschiedliche Kriterien verwendet wurden. In den folgenden Kapiteln dieser Untersuchung werden die wichtigsten dieser Formulierungen vorgestellt. Gewiss ist es auch wichtig, Raum für eine andere Haltung zu lassen, die hinsichtlich der Idee eines einzigartigen ökonomischen Blickwinkels eingenommen werden kann, nämlich die Haltung, welche die Anerkennung eines solchen einzigartigen Blickwinkels vollständig ablehnt. Die Uneinigkeit bezüglich der Nützlichkeit, die Ökonomie zu definieren, kann man also auf eine weitaus weniger interessante Kontroverse reduzieren; eine darüber, was es letztlich heiße, Ökonomie zu definieren, eine Kontroverse über die eigentliche Existenz des ökonomischen Blickwinkels, den wir definieren wollen. Worum es geht, kann man am besten an der Frage erkennen, vor die sich ein Autor gestellt sah, bevor er die Suche nach einer Definition des ökonomischen Prinzips aufnahm. Er fragte sich, ob die Ökonomie „ein Kuchen ist, den jeder Ökonom nach seinem eigenen „Rezept“ backen … kann oder ob er ein vorhandener Kuchen ist, der letztlich nach streng vorgegebenen, nicht zu ändernden Zutaten hergestellt wird? Mit anderen Worten, ist die Ökonomie das, was der Ökonom in ihr sehen will, oder hat die Ökonomie eine eigene „Natur“?“16 Hat man der Ökonomie erst einmal eine eigene „Natur“ abgestritten, hat man erklärt, es gebe kein Rezept für einen einzigartigen ökonomischen Kuchen, dann muss in der Tat jede längere Suche nach einem solchen Rezept als reine Zeitverschwendung erscheinen. In gleicher Weise wird dann die Festlegung des bestimmten Rezepts, das möglicherweise von einigen oder vielen Ökonomen recht willkürlich ausgelegt wurde, um ihren eigenen Kuchen zu backen, eine relativ uninteressante Angelegenheit. Wenn man allerdings dabei bleibt, dass die Ökonomie ihre eigene Natur hat, dann dürfte es sehr wohl höchst interessant sein, den genauen Charakter dieses Blickwinkels ans Tageslicht zu bringen. Mehr noch, wenn man erst einmal die Existenz eines vorhandenen Rezeptes entdeckt hat und davon überzeugt ist, dass die Ökonomie kein Kuchen ist, den man nach Belieben backen kann, dann wird die 16 

Tagliacozzo (1945), S. 307.

Eine Interpretation der Kontroverse

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Diskussion noch aus einem ganz anderen Grund bedeutsam. Dann nämlich steht es an erster Stelle, den spezifischen Charakter der Ökonomie hervorzuheben, allein um die Zweifler der Existenz dieses einzigartigen ökonomischen Blickwinkels, den sie so sehr zu bestreiten neigen, zu überzeugen. Die Suche nach der genauen Natur der Wirtschaftstheorie wird nun einfach deshalb wichtig, weil sie ein Beleg dafür ist, dass die Ökonomie eine „eigene Natur“ hat. Wie wir gesehen haben, können Definitionen entweder reale Definitionen oder nominale Definitionen sein. Einer Nominaldefinition kann man auch dann einen Begriff zuordnen, wenn man überzeugt ist, dass zu dem, was der Begriff bezeichnet, in der Welt kein reales „Gegenstück“ existiert. Die Suche nach einer realen Definition kann man aber nur aufnehmen, wenn man anerkennt, dass der zu definierende Begriff tatsächlich eine Sache oder eine Idee repräsentiert, deren Wesen oder Natur man darlegen kann. Wenn man bestreitet, dass der Gegenstand der Wirtschaftstheorie eine essenzielle Entität wiedergibt, die eine präzise Charakterisierung in einer Definition verdient hat, dann ist klar, dass jede Definition der Disziplin rein nominal bleiben muss. Und wenn man glaubt, dass die Ökonomen bei der Wahl ihrer Probleme willkürlich vorgehen, dann kann in der Formulierung der nominalen Definition der Ökonomie kein großer Wert liegen. Indes verspricht die Entdeckung einer Entität in der Ökonomie, für die es eine fortgeschrittene Realdefinition gibt, interessante Möglichkeiten für Untersuchungen. So wurde nachgewiesen, dass Menschen beim Versuch, Realdefinitionen zu erreichen, in vielen Fällen dazu übergingen, sich höchst vielfältiger Verfahren zu verschreiben.17 In einigen Fällen bedeutete die Suche nach einer Realdefinition von X die Suche nach dem Schlüssel für X, nach einer einzigen Tatsache, aus der alle anderen Tatsachen von X abgeleitet werden können. In anderen Fällen bedeutete die Suche nach Realdefinitionen die Suche nach „Abstraktionen“, soll heißen, dass man „zum ersten Mal ein neue allgemeine Grundeinheit bei ihrer Arbeit wahrnahm und ihr einen Namen gab.“ In wiederum anderen Fällen verschleierte eine Realdefinition den Versuch, eine Abstraktion zu analysieren. (Indem ein Schulkind lernt, dass der Zirkelkreis jener Ort einer Fläche ist, an dem alle Punkte von einem bestimmten Punkt gleich weit entfernt liegen, hat es die Analyse einer bereits bekannten Abstraktion erlernt, der des Zirkels.) Wenn Autoren, die sich mit der Reichweite der Wirtschaftstheorie beschäftigen, glauben, selbst jenen Schlüssel entdeckt zu haben, mit dem alle Bereiche des ökonomischen Lebens erklärt werden können, dann ist es freilich zu verstehen, dass sie sich recht selbstzufrieden über die Brauchbarkeit jener „Definition“ äußern, in der ihre Entdeckung sich dokumentiert. Noch verständlicher ist es, dass manche Ökonomen die Brauchbarkeit der Definition hervorheben, wenn ihre eigene Darstellung von der Natur der Ökonomie der Welt zeigt, dass sie bei ihrer Arbeit eine neue allgemeine Grundeinheit entdeckt haben. Das vielleicht beste Beispiel für eine solche Situation gibt Croce. Er war sich über die neue Grundeinheit bei seiner 17 Siehe

Robinson (1950), S.  162 – 172.

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1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

handlungswissenschaftlichen Arbeit im Klaren. Diese Grundeinheit war nicht moralisch und auch nicht technisch. Sie stimmte auch nicht mit einem anderen, bereits bekannten Abstraktum überein. Hinter Croces Formulierung steckt der energische Versuch, die Aufmerksamkeit der Welt für sein Abstraktum zu erheischen, indem er für es das Wort „ökonomisch“ wählte. Wenn Definitionen auch noch zu der Aufgabe führen, das neu präsentierte Abstraktum zu analysieren, dann wird dieses Unternehmen noch verdienstvoller. Wenn beim Streben nach einer adäquaten Definition der Ökonomie der Versuch unternommen wird, zum Beispiel die Idee des Wirtschaftens zu analysieren, dann wird man zwangsläufig mit Problemen der Wirtschaftswissenschaft selbst konfrontiert. Genau bei dieser Gelegenheit gelang Croce eine sehr effektive Kritik an Paretos Auffassung, derzufolge das Abtrennen jenes Teils des Phänomens, das den Bereich der Ökonomie konstituiert, ein sehr einfaches und willkürliches Vorgehen ist. „Sie sprechen davon, eine Scheibe eines konkreten Phänomens abzuschneiden und für sich genommen zu untersuchen. Aber ich will wissen, wie Sie diese Scheibe abschneiden wollen. Denn zweifellos haben wir es hier nicht mit einem Stück Brot und Käse zu tun, in das wir unser Messer stechen können, sondern mit einer Reihe von Repräsentationen, die wir in unserem Bewusstsein tragen und in die wir nichts einführen können, außer dem Licht unserer geistigen Durchdringung. Um ihre Scheibe abzuschneiden, müssten Sie also eine logische Untersuchung durchführen …“18

Wenn man die Natur der Ökonomie auf diese Weise definiert, nämlich als Untersuchung einer einzigartigen Grundeinheit in unserem Bewusstsein, zu der nur der Begriff „Wirtschaft“ korrespondiert, dann muss es sehr offensichtlich erscheinen, dass fehlerhafte Definitionen das Charakteristische der Wissenschaft ernsthaft entstellen können. Und wenn die Untersuchung dieser Grundeinheit nur mehr durch die Vertrautheit mit dem wesentlichen Inhalt der Wissenschaft selbst möglich wird, dann kann deren Beschreibung in einer Definition tatsächlich den Charakter eines positiven wissenschaftlichen Beitrages annehmen. Genau in diesem Sinne konnte Hayek, wenn auch in einem etwas anderen Zusammenhang, schreiben: „Eine der Ursachen für die Sondersituation der Ökonomie liegt darin, dass die Existenz jenes Gegenstands, den sie zu untersuchen hat, erst nach einem sehr ausgedehnten Studium erkennbar wird. Daher überrascht es nicht, dass Menschen, die Ökonomie nie wirklich studiert haben, zwangsläufig deren rechtmäßige Existenz in Zweifel ziehen.“19

So gesehen ist es nützlich, auf den nächsten Seiten kurz die historische Entwicklung der Aufmerksamkeit zu umreißen, welche die Ökonomen der Definition Ihres Objektes erwiesen haben. Das wird zeigen, wonach sie, jeder zu seiner Zeit, in solchen Definitionen gesucht haben. Unser Überblick wird somit eine nützliche Einführung in die detailliertere Diskussion im anschließenden Teil dieser Untersuchung. 18  Croce (1953), S. 197 – 198, aus Giornale degli economisti, I (1901). Siehe auch Croce (1953), S. 203, für Paretos Interpretation der Differenzen zwischen Croce und ihm bezogen auf den Konflikt zwischen den mittelalterlichen Nominalisten und Realisten. 19  Hayek (1933), S. 131.

Die Ökonomen und ihre Definitionen: die Ökonomen der Klassik

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Die Ökonomen und ihre Definitionen: die Ökonomen der Klassik Die neueren Untersuchungen zu den klassischen Nationalökonomien liefern uns nach und nach ein recht kohärentes Bild jener geistigen Landschaft, welche die politische Ökonomie des frühen 19. Jahrhunderts durchzog. Zu den diesbezüglich bedeutenderen Beiträgen zählt die endgültige Verabschiedung von der Idee, dass einst alle fröhlich und einhellig eine Meinung teilten, so als gäbe es einen allgemein akzeptierten Theoriekanon, zu dessen Propagierung die klassischen Ökonomen eine vereinte Gruppe enthusiastischer Missionare bildeten. Gleiches gilt für die einst weitverbreitete Vorstellung, dass die klassischen Ökonomen allesamt sich um die methodologischen Grundlagen ihrer Arbeit nicht geschert hätten; auch diese Vorstellung ist schnell aus den Diskussionen über den Gegenstand der Ökonomie verschwunden.20 Es wäre wohl auch lohnend, mit der landläufigen Auffassung aufzuräumen, derzufolge die klassischen Ökonomen im Allgemeinen kein Interesse an der Generierung und Aufstellung präziser Definitionen ihres Untersuchungsgegenstands hatten.21 Das war nämlich keineswegs der Fall. So fühlte sich J.S. Mill 1836 verpflichtet, das Fehlen einer Definition der politischen Ökonomie, „die auf strikt logischen Prinzipien beruht“, damit zu entschuldigen, dass die Bestimmung jeder Wissenschaft „fast ausnahmslos der Schöpfung der Disziplin folgt und nicht vorausgeht.“22 Inzwischen war vielen Ökonomen die Notwendigkeit, die Grenzen ihrer Untersuchungen darzulegen, klar geworden. Ungeachtet der Tatsache, dass die klassischen Ökonomen sich weitgehend darin einig waren, was es denn sei, worüber sie sprachen, waren sie keineswegs eins darüber, wie der Bereich ihrer Untersuchungen abzugrenzen oder die Einheit und logische Natur ihres Fachs zu begreifen sei. In der Tat waren die frühen Ökonomen mit ihren Vorschlägen zur Bestimmung ihres Fachs weitaus ernsthafter als viele ihre Nachfolger darum bemüht, das wahre Wesen und die Natur des Fachs zu umreißen. Obwohl, wie Mill bemerkte, die späteren Ökonomen viel besser für diese Aufgabe gerüstet waren, hatten sie weitaus seltener Gelegenheit, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Den Denkern des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts was es ein wirkliches Bedürfnis, eine Art von Definition zu finden, mit der man die Idee einer neuen und eigenen Wissenschaft rechtfertigen konnte. Da ihre Definitionen die tatsächliche Eigenart ihrer Untersuchungen nur unzureichend beschrieben, mussten Sie die Besonderheit ihres Untersuchungsgegenstands und ihrer Untersuchungsmethoden erst noch demonstrieren, damit die Ökonomie nicht in einer weitergefassten, überholten Disziplin aufginge.

Dazu siehe z.B. Robbins (1952), S. 3; Bowley (1937), S. 27 f. Siehe z.B. Amonn (19272), S. 23 f. 22  Mill (1948), S. 120 f. 20  21 

1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

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Den klassischen Autoren standen zwei Wege offen, sich zur Natur der Ökonomie zu äußern. Sie konnten das Subjekt definieren, das als politische Ökonomie bekannt war. Oder sie konnten, nachdem die politische Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand definiert war, darlegen, dass die Ökonomie sich damit beschäftigte, womit dieser Wohlstand erhalten werden kann. Jeder dieser Ansätze wurde nach Belieben versucht, und zwar vor und nach Mills eigenem, sorgfältig ausgearbeitetem Versuch, die politische Ökonomie zu definieren. Nach 1830 kann man sogar einen deutlichen Trend zu einer stärkeren Verfeinerung der Definition erkennen. Methodologische Selbstuntersuchungen kommen gerade jetzt in Mode. In dieser Zeit werden viele Annahmen, die bis dahin von den Ökonomen stillschweigend vorausgesetzt wurden, zum ersten Mal vorgestellt, und viele bedeutende Zusammenhänge, die erst in den folgenden Jahrhunderten Eingang in die methodologischen Kontroversen fanden, wurden nun zum ersten Mal ausdrücklich formuliert. Was die Frage nach dem Geltungsbereich der Ökonomie angeht, so diskutierte man sie nun als ein eigenständiges Thema und nicht im Sinne einer Hinführung zu einem bedeutenderen Thema. Senior, J.S. Mill und auch der alte Cairnes, alle behandelten die Definition mit Sorgfalt, und auch die weniger bekannten Ökonomen taten es ihnen gleich. Auf einem Treffen des Londoner Political Economy Clubs 1835 wurde die Frage nach der Reichweite der Disziplin zur Diskussion gestellt. (1861 stellte Senior im Club ein ähnliches Thema zur Debatte.)23 Darüber hinaus wird in dieser Zeit ein bedeutender Fortschritt in der Herangehensweise, mit der man sich um die Darlegung der Natur des Ökonomischen bemüht, sichtbar. Wie die Folgekapitel dieser Abhandlung noch zeigen werden, opponierten die Autoren nach 1830 gegen die von den frühen klassischen Ökonomen allgemein geteilte, sehr objektivistische Auffassung, die Ökonomie sei ihrer Natur nach die Wissenschaft des Wohlstands. Für viele Autoren nach 1830 wurde es zunehmend klarer, dass ihr Untersuchungsgegenstand nicht so sehr eine Reihe objektiver Phänomene mit einem gemeinsamen Teiler namens Wohlstand war, sondern Phänomene, die sich aus dem wohlstandsorientierten Handlungen der Menschen ergaben. Was die grundlegende Eigenschaft solcher Handlungen war und was das genaue Gleichgewicht sein sollte, das die politische Ökonomie zwischen dem Wesen der menschlichen Natur und dem der äußeren Welt bewahren sollte: all das waren Gegenstände sehr lebhafter Diskussionen. Aber der erste Schritt auf einer langen Straße, auf der sich die Ökonomie von den engen Banden des Wohlstands und der materiellen Wohlfahrt emanzipierte, war gemacht.24

Centenary Volume of the Political Economy Club, London 1921, S. 44. diese Zeit fällt auch eine der ersten Negierungen einer spezifisch ökonomischen Seite von Sachverhalten, vorgelegt von Comte. Eine solche Separierung sei „irrational“ und ein Beleg für den „metaphysischen“ Charakter der Ökonomie. Für eine Darlegung der Comte­schen Kritik der Ökonomie und J.S. Mills Reaktion darauf siehe Ashleys Einleitung zu seiner Herausgabe der Millschen Prinzipien von 1909, S. xi f. Siehe auch Mauduit (1929); 23 Siehe 24  In

Der ökonomische Blickwinkel: der Hintergrund des Methodenstreits

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Der ökonomische Blickwinkel: der Hintergrund des Methodenstreits Ab 1870 standen die Versuche, die Natur der Ökonomie zu bestimmen, ganz im Zeichen der geistigen Stimmung ihrer Zeit. In Deutschland, Österreich und England schenkten die Ökonomen der Notwendigkeit, die Ökonomie „von Grund auf“ zu erneuern, sehr wohl große Aufmerksamkeit. Diese Notwendigkeit wurde von beiden Gruppen, die sich gegen die bis dahin dominierende klassische Ökonomie stellten, betont. Jene, die Roscher, Hildebrand und Knies in deren Aufbegehren gegen das Ricardo-artige abstrakte Denken in der Ökonomie folgten, aber auch jene, die mit Menger und Jevons mit dem Objektivismus der klassischen Ökonomen unzufrieden waren: alle waren von dem Wunsch beseelt, ihr Fach von Grund auf zu erneuern. Es war wohl unvermeidlich, dass sich neben diesem Wunsch ein blühendes Selbstbewusstsein bei den Ökonomen einstellte, und zwar hinsichtlich des Status ihrer Disziplin als Wissenschaft sowie deren Verhältnis zu verwandten Wissensbereichen und, ganz allgemein, deren Ziele und der Art des Wissens, das man sich von der Ökonomie erhoffte. Unter Einbindung ihrer Forschungen zu wirtschaftlichen Problemen im engeren Sinne, fühlten sich die führenden Köpfe der beiden neuen wirtschaftstheoretischen Schulen dazu berufen, Befürchtungen zu zerstreuen, und zwar sowohl ihre eigenen als auch die der breiteren Öffentlichkeit in Bezug auf die Natur und Bedeutung des Forschungsgegenstands, von dessen inzwischen 100 Jahre alten Forschungsmethoden selbst die eigenen Forscher glaubten, dass sie der Sache nicht mehr gerecht würden. Es stimmt allerdings, dass diese Diskussionen mit der Zeit mehr vom Rahmen des engeren Methodenproblems als von dem des Reichweitenproblems abhingen. In jener Zeit erwartete man von den Definitionen neben Aussagen zum Zweck und zur Methode der Disziplin auch Angaben zum Charakter ihres Forschungsgegenstands.25 Aber die methodologischen Aspekte, die Gegenstand des Methodenstreits waren, hatten direkte Auswirkungen auf die Vorstellungen, die hinsichtlich des Charakters ökonomischer Phänomene entwickelt wurden. Das Risiko entschuldbarer Vereinfachungen in Kauf nehmend, kann man die Methodenkontroverse recht gut mithilfe der unterschiedlichen Vorstellungen wiedergeben, die hinsichtlich der angeblich von der Ökonomie untersuchten Phänomene herrschten. Folgt man der Historischen Schule, dann versucht die Ökonomie, die Phänomene der realen empirischen Wirtschaftswelt zu beschreiben, und zwar so, wie diese sich in ihrer Zeit und an ihrem Ort zeigen. Folgt man aber der „theoretischen“, „abstrakten“ Schule, dann ist es nicht die Aufgabe der Ökonomie – bzw. kann es deren Aufgabe nicht sein –, die „individuellen“ (oder einzelnen) wirtschaftlichen Phänomene zu erkläHayek (1952), S. 181 – 182. Eine frühere Auseinandersetzung mit Comtes Auffassung von Ökonomie bietet Cairnes (1873). 25 Knies verlangte von einer Definition der Ökonomie, dass sie a) „das Gebiet der Untersuchungen“, b) deren „Aufgabe“ und c) deren „Methode“ umfasse (Knies (1883), S. 157). Menger verlangte von einer Definition ähnlich viel; Menger (1883), S. 238.

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1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

ren, sondern nur, die Regelmäßigkeiten zu entdecken, die „allgemeinen“ Kausalketten, die jenen zahllosen unterschiedlichen Formen zugrundeliegen, die sich in der Wirtschaftsgeschichte zeigen.26 Von den hier erwähnten Meinungsverschiedenheiten kann man natürlich nicht einfach auf parallel gelagerte Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Natur der Ökonomie schließen, aber sie werfen doch ein gewisses Licht auf den Hintergrund, vor dem die Diskussion über den Charakter der ökonomischen Phänomene im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts geführt wurde. In dieser Zeit finden wir vor allem in der deutschen Literatur eine Beschäftigung mit der korrekten Charakterisierung der ökonomischen Erscheinungen, die weit über frühere Untersuchungen hinausreicht. Man kann mit Sicherheit sagen, dass so ziemlich alle der vielen Kriterien, die während der gesamtem Geschichte der Ökonomie zur Definition der ökonomischen Aspekte von Tätigkeiten verwendet wurden, bereits in der einen oder anderen Weise in der eindrucksvollen deutschen Literatur jener Zeit erwähnt wurden. Sogar Definitionen, die erst in den zwanziger Jahren ausgiebig diskutiert wurden, sind zumindest umrissartig in diesen Jahren angedacht worden. Vor allem Dietzel und Neumann zeigten in dieser Hinsicht in ihren Arbeiten beachtliche Einsichten. Beeinflusst von Menger und dessen Nachfolgern, wandten sich die Autoren jener Epoche mit Sorgfalt dem Knappheitskriterium und der Wirkungsweise des ökonomischen Prinzips zu. Auf der anderen Seite tendierten die Ökonomen der Historischen Schule dazu, den sozialen Charakter ökonomischer Phänomene zu betonen. Beide Gruppen klammerten sich nach wie vor an die Idee, dass der Wohlstand im Mittelpunkt der ökonomischen Tätigkeiten stehe, wobei allerdings oft die Beibehaltung der gängigen Formulierungen ein weiter fortgeschrittenes und sehr einfühlsames Verständnis für die wahre Natur der ökonomischen Erscheinungen verhüllte. Obwohl England zu jener Zeit seinen eigenen Methodenstreit hatte, kann man dort weit weniger Fortschritte hinsichtlich der Formulierung des Geltungsbereiches des Fachs ausmachen. Jevons hatte seine Ökonomie eng an den Hedonismus gebunden, und Edgeworth folgte ihm darin. Marshall gab dem Problem 1885 in seiner Cambridger Inauguralvorlesung sogar einen gewissen Raum, mit interessanten Ergebnissen. Aber viele der methodologischen Rebellen waren drauf und dran, der Ökonomie einen separaten Status jenseits der Soziologie abzusprechen. In der British Association for the Advancement of Science machte man in den späten Siebzigern sogar den Vorschlag, die Sektion Ökonomie zu streichen. Jevons trug zwar zur vernünftigen Lösung des Methodenstreits bei, tat aber wenig, um die Idee vom Charakter des ökonomischen Blickwinkels voranzubringen. Erst in der brillanten Arbeit, die Wicksteed 1910 zu diesen Fragen vorlegte, finden wir einen Beitrag, der an Ausführlichkeit und Schliff an einige der deutschen Diskussionen heranreicht.

26  Die Distinktion zwischen dem „Individuellen“ (oder Konkreten) und „Generellen“ (oder Abstrakten) bei wirtschaftlichen Erscheinungen wurde durch Menger und dessen Un­ tersuchungen (1883, S. 3 f.) berühmt.

Ökonomische Blickwinkel des 20. Jahrhunderts

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Zur gleichen Zeit widmeten auch die Ökonomen der anderen Länder dem Problem große Aufmerksamkeit. In der amerikanischen Literatur finden wir einige nützliche Äußerungen hinsichtlich der Bedeutung einer korrekten Definition; zudem einige höchst sorgfältige und gut begründete eigenständige Formulierungen.27 Auch für Frankreich28 und Italien kann man in der Literatur ähnliche Fortschritte finden. Supino veröffentlichte 1883 das erste Buch, das eine Auseinandersetzung mit den vorhandenen Definitionen der Ökonomie enthält.29 Pantaleoni, Pareto und Croce gaben der Frage der Definition großen Raum, und der berühmte Briefwechsel, den die beiden letztgenannten Autoren kurz vor der Jahrhundertwende führten, enthält beachtliches Material, das für jede historische Abhandlung zu diesem Thema von besonderem Wert ist.

Ökonomische Blickwinkel des 20. Jahrhunderts Fraser hat die Definitionen der Ökonomie in Definitionen vom Typ A und Definitionen vom Typ B unterteilt.30 Gemäß der Typ A-Definitionen untersucht die Ökonomie einen bestimmten Teil menschlicher Tätigkeiten, Typ B-Definitionen entsprechend jedoch einen bestimmten Aspekt in allen Tätigkeiten. Zum besonderen Teil, der in der Regel Typ A-Definitionen zufolge ausgesondert wird, zählen Wohlstand oder materielles Wohlergehen. Typ B-Definitionen hingegen verweisen auf Zwänge, die durch die Bank in sozialen Phänomenen zum Ausdruck kommen, nämlich in der Notwendigkeit, zahllose Zielkonflikte angesichts unvermeidbarer Mittelknappheit zu lösen. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts zeichneten sich hinsichtlich der Definition des ökonomischen Blickwinkels zwei Trends ab. Auf der einen Seite wurde der Übergang der Definitionen von Typ A zu Typ B mit Nachdruck betrieben. Auf der anderen Seite gab es eine ausgeprägte Bewegung, jeden wie auch immer spezifizierten ökonomischen Blickwinkel abzulehnen, und dazu passend die Überzeugung, dass jeder Versuch, einen solchen Blickwinkel klar darzulegen, reine Zeitverschwendung sein müsse. Wie wir noch in den Folgekapiteln sehen werden, ist die Einteilung der Definitionen in Typ A und B alles andere als erschöpfend. Die umfangreiche Literatur, die sich seit der Jahrhundertwende mit dem Problem der Definition beschäftigte, enthält die ganze Bandbreite der in dieser Untersuchung diskutierten Definitionen. Ungeachtet dessen ist die auffälligste Entwicklung in der Geschichte dieses Pro27  Unter den bekannten Autoren der USA, die sich in jener Zeit dem Thema einer sorgfältigen Definition des ökonomischen Blickwinkels zuwendeten, finden wir Ely, Patten, Davenport, Taussig, Hadley, Giddings, Hadley und Ward. 28  Von den französischen Autoren jener Zeit, die sich direkt mit der Frage der Definition befassten, sollte man erwähnen: Worms (1898); Jourdan (1884); Schmidt (1900); Tarde (1902). 29  Supino (1883). 30  Fraser (19472), Kap. 2.

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1. Kap.: Zur Definition des ökonomischen Blickwinkels

blems die Verschiebung der Suche nach einem Bereich der menschlichen Angelegenheiten, zu dem das Adjektiv „ökonomisch“ passt, zu einer Suche nach einem angemessenen Aspekt jener Angelegenheiten, in dem ökonomische Begriffe von Bedeutung sind. (Bemerkenswerterweise charakterisieren aus Sicht der jeweiligen Autoren fast alle Umschreibungen des spezifischen Blickwinkels der Wirtschaftswissenschaft keine neue Disziplin, sondern bieten lediglich eine stimmigere Charakterisierung der bestehenden Disziplin.)31 Das Auftreten der Definitionen vom Typ B zeigt sich in einem beträchtlichen Teil der kontinentaleuropäischen Literatur, wie auch in jener der englischsprachigen Länder. Die Definitionen vom Typ A werden im zweiten Kapitel dieser Abhandlung behandelt, und dem Übergang zu den Typ B-Definitionen wird im sechsten Kapitel nachgegangen. Definitionen vom Typ B sind vor allem mit dem Namen von Professor Robbins verbunden, dessen Arbeit von 1930 eine bemerkenswert stimulierende Auswirkung auf sämtliche Diskussionen der Folgejahre hatte. Das letzte Kapitel unserer Untersuchung verfolgt die weitere Entwicklung, die jener Trend zur Entkopplung von Ökonomie und besonderen „Zielen“ bzw. Sonderbereichen menschlicher Angelegenheiten in den letzten Jahrzehnten genommen hat. Innerhalb dieser Entwicklung hat aus meiner Sicht Robbins mit seinem Werk am konsequentesten den Weg zu einer angemessenen Lösung des Problems beschritten. Die Entwicklungen, die im letzten Kapitel dargestellt werden, beziehen sich auf die Beiträge einiger eminenter Ökonomen, darunter Mises und Knight. Diese Autoren bilden in keiner Weise eine „Schule“, und obwohl wir jene Entwicklungen dort (in Anlehnung an Mises’ Terminologie) als „praxeologisch“ charakterisieren werden, soll das nicht bedeuten, dass alle dort zitieren Autoren sich dem angeschlossen hätten, was wir hier die praxeologische Perspektive nennen. Dennoch ist festzuhalten, dass die konsequente und verästelte Ausarbeitung dieser Ideen, die erst durch die Definitionen vom Typ B in den Mittelpunkt des Interesses rückten, einen eigenständigen Beitrag zur Geschichte dieses Problems darstellen. Die bahnbrechenden Arbeiten von Mises haben in dieser Hinsicht eine Bedeutung, die m.E. unzureichend gewürdigt wurde, bedingt durch die bislang fehlende historische Einordnung. Die Entwicklung von Typ A-Definitionen über Typ B-Definitionen hin zur praxeologischen Position verläuft natürlich entgegengesetzt zu jener, die von den Autoren eingenommen wurde, die für akribische Definitionen der Ökonomie nur Verachtung übrig hatten. Wie weiter oben bereits angemerkt, eint diese Autoren, dass sie die Existenz eines gegebenen, die Ökonomie konstituierenden „Kuchens“ abstreiten. Laut ihnen gibt es keinen spezifischen ökonomischen Blickwinkel und untersucht die Wirtschaftswissenschaft keine einzigartige Sondergruppe von Phänomenen oder Phänomene im Allgemeinen, die einen besonderen ökonomischen 31  Die folgenden Verweise stützen den Schluss, dass jene Autoren, die den Geltungsbereich der Ökonomie bestimmen wollten, sich auf das Fach in seinem damaligen Entwicklungsstadium bezogen, und nicht auf ein neu entworfenes Fach: Marshall (1885); Robbins (19352), S. 22; Bye (1939); Amonn (1911), S. 12.

Ökonomische Blickwinkel des 20. Jahrhunderts

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Aspekt hätten. Die konsequente Weiterentwicklung zu Typ B-Definitionen und praxeologischen Ideen ist die umfassendste Widerlegung dieser Auffassung, die es gibt. Jede dieser beiden Vorstellungen von Ökonomie war mit einer bis dahin unerreichten Klarheit in der Lage, die Aufmerksamkeit auf einen Teil unserer Erfahrung zu lenken, dem in unserem Bewusstsein nichts entspricht. Dieser Teil unserer Erfahrungen entspricht genau jener Grundlage, von der sich erweisen sollte, dass sie für die Entstehung der Nationalökonomie – so wie sie in den letzten beiden Jahrhunderten verlaufen ist – eindeutig notwendig und hinreichend ist. Der Großteil der vorliegenden Untersuchung gilt den zahlreichen alternativen Beschreibungen des besagten ökonomischen Blickwinkels und deren Entwicklung und mündet in die in den letzten Kapiteln formulierten Einsichten.

2. Kapitel

Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt 2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

Dieses fatale Wort „materiell“ hat wahrscheinlich mehr Anteil an der unbedarften Schmähung der „trostlosen Wissenschaft“ als jede andere volkswirtschaftliche Vokabel … Alec L. Macfie Die politische Ökonomie ist genauso eine Wissenschaft, wie es die Astronomie, Dynamik, Chemie oder Physiologie ist. Ihr Gegenstand ist ein anderer. Sie handelt vom Phänomen des Wohlstands, während die anderen die physikalischen Phänomene des Universums untersuchen. J.E. Cairnes Indem die Ökonomie bewußt zur Wissenschaft vom menschlichen Verhalten wird, hebt sie weniger den Wohlstand und mehr das Wohlergehen hervor. Wesley C. Mitchell Die Grenzen der Wohlfahrtsökonomie festzulegen, ist fast so schwer wie die Bestimmung der Grenzen der Ökonomie selbst. Kenneth E. Boulding

Zunächst beschäftigen wir uns mit jener Gruppe von Autoren, für die der spezifisch ökonomische Blickwinkel zwangsläufig mit Wohlstand oder Wohlergehen irgendwie verbunden ist. Diese Auffassung vor allen anderen Auffassungen in der reichhaltigen Literatur zu untersuchen, scheint schon allein deshalb angemessen zu sein, weil deren Vertreter (also jene, die laut Fraser zu den Vertretern der Sichtweise vom Typ A gehören)32 die Diskussion lange Zeit dominierten. Inte­ressanterweise war eine Ausprägung dieser Auffassung, nämlich die, wonach die ökonomische Seite der menschlichen Beziehungen ausschließlich in Form von Wohlstand zu beschreiben sei, nahezu von allen frühen klassischen Ökonomen geteilt worden. Im Verlaufe unserer Untersuchung wird sich zeigen, dass zu allen Zeiten eine Reihe sehr unterschiedlicher Vorstellungen hinsichtlich ökonomischer Phänomene ihren Ausdruck in Definitionen fanden, die jeweils den Wohlstand oder das Wohlergehen im Mittelpunkt des ökonomischen Interesses sahen. Ungeachtet ihrer Vielfalt lassen sich jedoch alle diese Vorstellungen mehr oder weniger in eine gemeinsame Gruppe ordnen. Jene Autoren, die entweder die Produktion oder die Verteilung von Wohlstand oder eine besondere Form der menschlichen Wohlfahrt als das Son32 

Fraser (19472), S. 21 ff.

Das Auftreten der politischen Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand

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dergebiet des Ökonomen begriffen, teilten einen gemeinsamen Forschungsansatz. Ganz gleich, wie weit ihre Meinungen hinsichtlich der Natur des Wohlstands oder des Wohlergehens auch divergieren mögen, eine Auffassung eint sie: Sie sahen die hervorstechende Besonderheit der ökonomischen Phänomene in der Klasse der von Ihnen umfassend untersuchten Objekte oder in der spezifisch menschlichen Verfassung, die zu bestimmen ihre Absicht war. Das Kriterium, nach dem der Forscher ökonomischer Phänomene den Bereich seines Forschungsgegenstands hier abgrenzt, zeigt sich darin, dass er sich entweder mit einer speziellen Klasse von Objekten oder einer speziellen Form der menschlichen Verfassung befasst. Der Botaniker erforscht die Phänomene pflanzlichen Lebens, der Astronom erforscht himmlische Phänomene, der Philologe untersucht spezifische „Objekte“, z.B. Sprachen, und der Ökonom beschäftigt sich in analoger Weise mit dem Studium des Wohlstands und des Wohlergehens. Die für die Produktion von Wohlstand oder die Verbesserung des wirtschaftlichen Wohlergehens ursächlichen Umstände, die Auswirkungen bestimmter Ereignisse auf den Austausch und die Verteilung von Wohlstand: sie alle sind „ökonomische“ Phänomene, weil sie mit Wohlstand oder Wohlergehen zu tun haben. Es wird sich noch zeigen, dass viele Vertreter dieser Auffassung die Vorstellung von Wohlstand auf die Idee des materiellen Wohlstands zugespitzt haben, und viele mit der Betonung des Wohlergehens den Begriff auf das materielle Wohlergehen der Menschheit reduziert haben. Diese Entwicklungen hatten zur Folge, dass die Ökonomie sich mehr denn je mit einer besonderen Klasse von Objekten als ihrem eigentlichen Forschungsgebiet befasste. Wir werden in diesem Kapitel auch zu erklären versuchen, warum diese allgemeine Auffassung von der Natur der Ökonomie gleichzeitig mit der Wirtschaftswissenschaft als Disziplin in Erscheinung trat. Beschäftigen werden uns außerdem die verschiedenen Ausformungen dieser allgemeinen Auffassung als Reaktionen auf Entwicklungen innerhalb der Wirtschaftswissenschaft. Dabei werden wir einige Implikationen dieser Auffassung kennenlernen.

Das Auftreten der politischen Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand Wo immer die Ökonomen in der Formierungsphase der Ökonomie als eigenständige Disziplin den Bereich ihrer Untersuchungen abzustecken versuchten, taten sie dies, indem sie auf den „Wohlstand“ als ihren Forschungsgegenstand verwiesen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann man in England, Frankreich und Italien zu begreifen, dass die Masse der Abhandlungen und Überlegungen zu Handel, Industrie, Außenhandel, Geld, Zinsen, Steuern und Ähnlichem ein eigenes Forschungsgebiet konstituieren. Bis dahin waren die Arbeiten zu diesen Themen (wie jene der merkantilistischen Autoren, die Schumpeter konsultative Administratoren und Pamphletisten nannte) vereinzelte Untersuchungen, die bestimmte Phänomene der realen Welt zu erklären suchten. Dort, wo Untersuchungen zu die-

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2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

sen und verwandten Themen in eine allgemeine Systematik eingebunden waren, erschienen sie unmissverständlich als ergänzende Materialien, die juristische, politische oder moralphilosophische Traktate abrundeten. Mit der Einsicht in die systematische Geschlossenheit der diesen verstreuten Einzelabhandlungen zugrundeliegenden Prinzipien und der Erkenntnis ihrer analytischen Unabhängigkeit von juristischen, politischen und ethischen Systemen, entstand die Ökonomie oder politische Ökonomie als eigenständige Disziplin. Es wurden Werke veröffentlicht, die von ökonomischen Erscheinungen im Allgemei­ nen handelten und bezeichnenderweise ihren Forschungsgegenstand als „Wohlstand“ identifizierten. Es ist durchaus erwähnenswert, dass es mehr oder weniger diskussionslos hingenommen wurde, im „Wohlstand“ einen Forschungsgegenstand zu sehen, der eine eigenständige Untersuchung verdient habe. Die Idee vom Wohlstand als ein originäres Phänomen, für das es ein eigenes wissenschaftliches Interesse gab, war keine Schöpfung der klassischen Ökonomen.33 Adam Smith, welcher der politischen Ökonomie zuschreibt, die „Natur und Ursachen des Wohlstands der Nationen“ zu untersuchen34, verwendet den Begriff recht frei, um den Bereich zu umreißen, der den merkantilistischen Machthabern des vorausgegangenen Jahrhunderts am Herzen lag.35 Was die vereinzelten Fragmente an Erkenntnissen über das Subjekt „Wohlstand“ in ein ganzheitliches Ideensystem umwandelte, war schlicht die Entdeckung der marktbestimmten Regelmäßigkeit von Wohlstandsphänomenen. Neuentdeckte, scheinbar unerbittliche „Gesetze“, die den Wohlstand der Nationen lenken, machten diesen „Wohlstand“, der bereits Thema vieler Einzeluntersuchungen war, zum Gegenstand einer neuen Wissenschaft. Ein Umstand bei alledem verdient nähere Betrachtung: Von dieser neuen Wissenschaft glaubte man, sie habe nicht die Vorgänge einer bestimmten gesellschaftlichen Organisationsform zu erklären – oder die Resultate bestimmter menschlicher Verhaltensweisen oder sonst irgendeinen Sachverhalt, den die Ökonomen ursprünglich einmal für ihren eigentlichen Forschungsgegenstand hielten –, sondern in erster Linie das Phänomen des Wohlstands. Insofern lohnt es, einmal kurz bei jenem Hintergrund zu verweilen, vor dem sich das ökonomische Denken entwickelt hat, und etwas Licht auf den besagten Umstand zu werfen, bevor wir der weiteren Entwicklung dieser Idee mit Blick auf die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Menschen nachgehen. In den folgenden Kapiteln werden wir noch weitere, vielleicht ausgeklügeltere Versionen vom ökonomischen Blickwinkel, von dem aus der Ökonom die Welt 33  Vgl. dazu auch Cunningham, der anerkennend meint, das Verdienst von Adam Smith bestehe darin, „die Vorstellung nationalen Wohlstands erst entwickelt zu haben, wohingegen frühere Autoren denselben unbewusst unter nationaler Macht subsummiert hatten.“ (zitiert nach Marshall (19208], S. 758, Anm.). 34  Smith (2005), S. 542. 35  Smith (2005), S. 403.

Das Auftreten der politischen Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand

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vermisst, zur Diskussion stellen. Danach wird man besser bzw. teilweise verstehen können, warum es den klassischen Ökonomen misslang, das Gemeinsame ihres Forschungsgegenstands zu erkennen und in die Vorstellung vom Fach einzubinden: Sie waren eben nicht jenen Einflüssen ausgesetzt, die erst bei den späteren Betrachtungsweisen ihre Wirkung entfalten konnten. Hier kann man vier unterschiedliche Elemente, die zum Hintergrund des frühen ökonomischen Denkens und des damaligen Zeitgeistes gehören, als mögliche Beschleuniger für die Wahl des Wohlstands als anerkanntes Forschungssubjekt einer eigenständigen Disziplin ausmachen. 1. Die späteren Methodologen beschäftigten sich sehr ernsthaft mit der Frage, ob sie die politische Ökonomie als eine positive Wissenschaft oder als eine Kunst behandeln sollten und ob sie ihre Auffassungen im beschreibenden oder normativen Sinne darstellen sollten. Die Gründerväter der Ökonomie betrachteten sie zweifelsohne eher als Kunst. Folgt man Adam Smith, dann ist es die Aufgabe der politischen Ökonomie, „sowohl das Volk als auch den Souverän reicher zu machen.“36 Vor kurzem hat ein Autor die klassischen Ökonomen eine Schule für wirtschaftliche und soziale Reformen genannt.37 Die Ursache dafür, warum man ihre Lehren so deutet, dürfte leicht auszumachen sein. Wie wir gesehen haben, ergab sich die Ökonomie zumindest teilweise aus den Arbeiten der „konsultativen Administratoren und Pamphletisten“. Diese Schreiber waren schlicht an praktischen Ergebnissen interessiert. Jedes wissenschaftliche Resultat aus ihrer Feder muss man einfach als Nebenprodukt ihrer Arbeit sehen, und nicht als deren eigentliches Ziel. An dieser Einstellung änderte sich auch nichts, als man im 19. Jahrhundert begann, die von den frühen Autoren erörterten Themen in Form sachlicher und solider Analysen zu behandeln. Die Vorstellung, die der Ökonom Smith von seinem Fach hatte, war nicht weit von der des Merkantilisten Steuart entfernt, für den die „Ökonomie die Kunst ist, alle Wünsche zu befriedigen“ und der sein „eigentliches Thema“ darin sah, wie man „allen Einwohnern ein bestimmtes Maß an Lebensunterhalt gewähren“ könne.38 2. Eine andere Einflussgröße im 18. Jahrhundert, die zur Erhebung des Wohlstands zum Forschungsgegenstand einer eigenständigen Disziplin beitrug, ist wohl das geistige Interesse am Privateigentum. Ungeachtet ihrer Vielzahl, haben die noch zu betrachtenden Bedeutungen, die dem Begriff „Wohlstand“ von Seiten der klassischen Ökonomen beigelegt wurden, fast alle eines gemeinsam, nämlich, dass Wohlstand im Eigentum von Objekten zum Ausdruck kommt. Im Verlaufe des 17. und 18. Jahrhunderts ging von den Untersuchungen zu den rechtlichen und moralischen Grundlagen des Privateigentums als Institution offenbar eine Smith (2005), S. 397. John Neville Keynes (19304), S. 39, meinte dazu, Smith habe ungeachtet des wissenschaftlichen Charakters seiner Arbeit sein Fach als Kunst begriffen. In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung von Bentham recht aufschlussreich. Er schrieb [(1954), S. 318, Anm.]: „Für Smith hatte die Wissenschaft nur ein unmittelbares und festes Ziel: die Kunst der Sicherheiten und Gelegenheiten.“ 37  Robbins (1952), S. 170 – 171. 38  Steuart (1767), zitiert in Haney (19494), S. 138. 36 

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2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

ganz besondere Faszination aus. Grotius ging der Sache aus juristischer Sicht nach. Mit Hobbes begann man, Untersuchungen zu Natur und Ursprung des Privateigentums mit Theorien zur Organisation der Gesellschaft im souveränen Staat zu verschmelzen. Für Locke lagen Ursprung und Rechtfertigung des Privateigentums im Naturrecht. Diese Mutmaßungen und Theorien haben das Denken der führenden Köpfe im 18. Jahrhundert stark beeinflusst. Von da an musste man bei Fragen zur Zivilgerichtsbarkeit der Akzeptanz und Rechtfertigung von Eigentumsrechten Rechnung tragen. Wer die Legitimität der Sklaverei zur Diskussion stellte, musste die Frage nach der zulässigen Ausdehnung von Eigentumsrechten berücksichtigen. Und auch bei den Demokratiebewegungen in Frankreich und Amerika galt dem Privateigentum im Allgemeinen ein besonderes Augenmerk. Für lange Zeit bedeutete Demokratie immer nur Demokratie von Eigentümern. Die von Godwin erhobene Forderung nach Abschaffung von Privateigentum lenkte einmal mehr den Blick auf das Fundament, auf dem die gesamte Institution Eigentum ruht.39 Myrdal wollte den Nachweis erbringen, dass die Ideen der Naturrechtsphilosophen zum Eigentumsrecht für die Auffassung der Klassiker, insbesondere für Ricardos Werttheorie, Pate gestanden hätten.40 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist die Bedeutung dieser Erkenntnis ziemlich offensichtlich. Die Abspaltung anderer Ziele menschlicher Handlungen von jenem Ziel, das im Eigentum liegt, spiegelte und verstärkte zugleich die künstlich gezogene Linie zwischen der Erforschung von Phänomenen, die mit Eigentum verbunden sind, und der Erforschung von menschlichen Handlungen im Allgemeinen. Das gebündeltete Interesse der Juristen, Philosophen und Moralisten für die Institution des Eigentums hat unweigerlich dazu beigetragen, dass der Wohlstand ganz allein in seinem Kämmerlein blieb. Zudem dürfte die grundsätzliche Schwäche der klassischen Ökonomie, nämlich das fehlende Gespür für den subjektiven Charakter ihrer Phänomene, zumindest teilweise darauf zurückzuführen sein, dass man bei den seriösen Studien lange Zeit das Augenmerk nur auf Eigentum und Wohlstand richtete, für die das subjektive Element in der Tat nur von geringer Bedeutung gewesen ist. 3. Es gibt aber noch ein weiteres Element in der Frühphase der Wirtschaftswissenschaften, auf das im Zusammenhang mit dem aufkommenden Interesse am 39  Zu den Einstellungen einiger der frühen ökonomischen Autoren bezüglich des Rechts auf Privateigentum vgl. z.B. Halévy (1955), S. 45; Robbins (1952), S. 50 f.; Bonar (19223), S. 142 f.  Das vielleicht beste Beispiel für einen Ökonomen, der die Auseinandersetzung mit Eigentumsrechten mit Gewinn betrieb, gibt Samuel Read ab. Read, einer der von Seligman (1903) „wiederentdeckten“ Ökonomen, titelte sein Buch Political Economy. An Inquiry into the Natural Grounds of Right to Vendible Property or Wealth (Edinburgh 1829). Er betrachtete die Ökonomie so, als ob sie nicht von Wohlstand handle, sondern vom „Recht auf Wohlstand“. Interessanterweise lautete der Alternativtitel, den Read vorgeschlagen hatte (vgl. ebenda, S. xvii), genauso wie Godwins Buch von 1793, in dem die Institution des Privateigentums heftig angefeindet wurde, nämlich „Politische Gerechtigkeit“. 40  Myrdal (1954), S. 69 f.  Vgl. dazu die Anmerkung von Schumpeter (1954), S. 120.

Das Auftreten der politischen Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand

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Thema Wohlstand kurz hingewiesen werden muss. Gemeint ist der Ansatz, mit dem die damaligen Moralphilosophen Probleme im Verhältnis von Individuum und Gesellschaft und vor allem egoistische und altruistische Motive erörtert haben. Die Geburtsstunde der politischen Ökonomie fällt gewissermaßen mit dem Aufeinandertreffen zweier Denkschulen zusammen: Ethik und Politik. Die Ethik fragte nach der Bedeutung von Gut und Böse, nach dem Ursprung für das Empfinden moralischer Verpflichtungen. Die Politikwissenschaft fragte nach dem Ursprung der Gesellschaft, der wünschenswertesten unter den Organisationsformen und den Rechten des Einzelnen gegenüber dem Staat. In einer Gesellschaft, deren Wirtschaft mehr und mehr von der Arbeitsteilung abhing, lag es auf der Hand, dass die Individualethik stärker dem Verhältnis von Individuum und Staat als Ganzem nachging. Die Entdeckung von – mutmaßlich der individuellen Gier zuzuschreibenden – Marktregelmäßigkeiten bei der Entstehung nationalen Wohlstands bedeutete an sich eine gemeinschaftliche Anwendbarkeit ethischer und politischer Doktrinen.41 Die Kontroverse, die Mandevilles Bienenfabel im 18. Jahrhundert ausgelöst hatte, ist bezeichnend für das Problem, zu dem die Denker damals eine Lösung suchten. Mandevilles provokante Schlussfolgerung war, „dass dasjenige, was wir das Schlechte in der Welt nennen, das große Prinzip ist, das uns zu gesellschaftsfähigen Geschöpfen macht, die solide Basis, das A und O aller Händel und Beschäftigungen …“42 Seine Kritiker, Hume und Smith eingeschlossen, haben alle Register ihres Könnens gezogen, um diese Schlussfolgerung infrage zu stellen. Mit dem von Mandeville formulierten Paradox war ein anderes Thema eng verbunden, nämlich das vom ewigen Kampf der menschlichen Natur, der zwischen Eigeninteresse und Altruismus tobt. Ob der Drang im Menschen, anderen mehr zu helfen als sich selbst, eine Realität sei oder eine Illusion, in der sich das eigennützige Verlangen nach Erleichterung der durch das Leid anderer hervorgerufenen Pein spiegelt, war eine der drängendsten Fragen jener Zeit. ­Hobbes war der erste unter den modernen Philosophen, der die Theorie des Egoismus dargelegt hat. Die Philosophen des 18. Jahrhunderts, einschließlich Butler, Hume und Smith, haben durch die Bank Hobbes’ Auffassung vom Egoismus zurückgewiesen und eine tatsächliche Unterscheidbarkeit von Egoismus und Altruismus behauptet. Die Reaktionen auf das extreme Egoismusverständnis, vor allem auf jene Auswirkungen auf den nationalen Wohlstand, die dem Egoismus zugeschrieben wurden, waren für die Unterteilung in zwei unabhängige Bereiche menschli41  Die geistigen Vorläufer der klassischen politischen Ökonomie sind mal auf die ethi­ sche Tradition zurückgeführt worden, die sich in den Gedankengebäuden im Umfeld von Mandeville, Shaftesbury und Hutcheson zeigt, mal auf die Tradition der politischen Theorie in der Provenienz von Grotius, Pufendorf, Hobbes und Locke. Siehe z.B. Merz (1914), IV, S.  127 – 128; Bonar (1922), S. 6, 85, 151; Hasbach (1891), S. 23 f., 140 f. Siehe auch Hayek (1948). 42  Mandeville (1723), S. 427 – 428.

2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

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chen Handelns wohl zumindest mitverantwortlich. In der einen Klasse gehen die Handlungen nur von egoistischen Motiven aus, während die Handlungen der anderen Klasse von altruistischen Motiven und „hehren“ Impulsen ausgelöst werden. Man kann sich leicht vorstellen, dass die von Eigennutz ausgelösten Handlungen sehr leicht mit Handlungen verwechselt werden konnten, bei denen es um die Erfüllung materieller Wünsche geht. Der Nachweis der Gesetzmäßigkeiten in den Phänomenen des Wohlstands war das Ergebnis reiflicher Überlegungen. Die Gleichsetzung der Erforschung jener Regelmäßigkeiten mit der Erforschung des materiellen oder sonstigen Wohlstands verhalf der neuen Wissenschaft offensichtlich zu einer angemessenen eigenständigen Nische in der Einteilung der Wissensgebiete, die in der Vorstellungswelt der Denker jenes Jahrhunderts herrschte. 4. Kommen wir zum letzten Steinchen, das die Wissenschaft vom Wohlstand Teil im Mosaik der Gedankenwelt des 18. Jahrhunderts werden lässt. Gemeint ist die Stellung der Naturwissenschaften und deren Verhältnis zu den Sozialwissenschaften, sowie deren Auswirkungen auf dieselben. Der Blickwinkel des 18. Jahrhunderts wird in der Regel als „anthropologisch und subjektivistisch“ charakterisiert, im Gegensatz zum „kosmologischen und objektivistischen Bild, das man im 19. Jahrhundert von der Welt hatte.“43 Ungeachtet dessen haben die Ansichten des 19. Jahrhunderts ihre Wurzeln in den Ideen, die ins 18. Jahrhundert und noch weiter zurückreichen. Die ungeheuren Fortschritte in den Naturwissenschaften – vor allem in der Mathematik und Astronomie –, die mit solchen Namen wie Newton, Clairault, Euler und d’Alembert verbunden sind, veränderten von Grund auf das geistige Umfeld, in dem die Philosophen des 18. Jahrhunderts dachten und lehrten. Die von Hume und den anderen britischen Empiristen initiierten Reaktionen auf luftleere metaphysische Spekulationen, die quasi-positivistische Denkweise der französischen Enzyklopädisten mit ihrer Ausgrenzung aller Formen von Anthro­pomorphismus und Animismus: sie alle waren Bestandteil des Umfeldes, in dem die Wirtschaftswissenschaft nun ins Leben trat. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die von diesen herausragenden Erfolgen ausgehende Begeisterung für das Ziel und die neutralen Methoden der Naturwissenschaften Spuren in den Frühwerken der klassischen Ökonomen hinterlassen sollte. Bekanntlich zählten einige der Begründer der abstrakten Nationalökonomie im 18. Jahrhundert auch zu den Vätern des Positivismus, der sich später gegen die abstrakte Nationalökonomie wandte.44 Was die Bedeutung von Äußerungen betrifft, die aus dem Munde von Moralphilosophen stammen und scheinbar einen alles überdeckenden Einfluss newtonschen Denkens belegen, kann man geteilter Meinung sein.45Aber diese Stimmen Röpke (1942), zitiert nach der englischen Ausgabe Röpke (1950), S. 68. (1952), Kap. 6. 45  Siehe z.B. Hutt (1936), S. 301 – 302. 43 

44  Hayek

Die Wissenschaft vom materiellen Wohlstand

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gibt es. Hutcheson und Hume, aber auch Helvetius und Beccaria bekundeten die Absicht, mit den Daten der Ethik so zu verfahren wie mit den Daten der experimentellen Physik, und stellten zwischen der Kraft des Eigeninteresses und der Schwerkraft eine Analogie her.46 Vereinfachungen im Bild vom Kosmos, die den besonderen Reiz der physikalischen Wissenschaften ausmachten – z.B. die Rückführung scheinbar heterogener Phänomene auf ein System aus wenigen fundamentalen Gesetzen – hat das Denken der Gründerväter der Ökonomie offenbar merklich getrübt. Die weite Kluft zwischen der Vorstellung einer Wissenschaft, die alle Handlungen umfasst, einerseits und einer Wissenschaft des Wohlstands andererseits ist, wie es scheint, der Problemlosigkeit geschuldet, mit der die letztere in jene Struktur enzyklopädischen Wissens eingebunden werden konnte, in der die Naturwissenschaften eine derart herausragende Stellung einnahmen. Folgt man den englischen methodologischen Individualisten, dann entspringen gesellschaftliche Phänomene nicht den Interaktionen individueller und subjektiver Präferenzsysteme, sondern den Interaktionen von Individuen, die unter dem Einfluss eines übermächtigen Eigeninteresses an objektivem materiellen Wohlstand stehen.

Die Wissenschaft vom materiellen Wohlstand Unsere Untersuchung zur Geschichte des ökonomischen Blickwinkels, derzufolge ökonomische Angelegenheiten hauptsächlich eine Sonderklasse von Objekten betreffen, nämlich Wohlstand, beginnt sinniger Weise mit der frühen und sehr beständigen Variante dieser Idee, wonach die Nationalökonomie sich mit materiel­ lem Wohlstand befasst. Obwohl man im Allgemeinen vor allem im materiellen Wohlstand den Gegenstand der Nationalökonomie erblickte, gab es von Anfang an von Seiten der Ökonomen einige Alternativvorschläge dazu, was alles unter Wohlstand zu verstehen sei und was nicht. Viele haben sogar ausdrücklich in der Erörterung „der Natur“ des Wohlstands einen wesentlichen Bestandteil der politischen Ökonomie gesehen. Ob Smith, Lauderdale, Malthus oder Senior: alle sahen in der Klärung dieser Frage einen wesentlichen Teil ihrer Aufgabe. Wie so vielen anderen der von den Ökonomen aufgegriffenen Fragen, war es auch dieser Frage beschieden, auf unterschiedliche Weisen beantwortet zu werden. Bereits 1810 berichtet der französische Ökonom Ganilh von acht eigenständigen Definitionen von „Wohlstand“ innerhalb seiner Zunft. Senior, der viel über Begriffe in der Ökonomie schrieb, die „für mehrdeutigen Gebrauch besonders anfällig waren“, erwähnt nicht ganz frei von Verzweiflung sieben unterschiedliche Definitionen, neben seiner eigenen. Von allen Kontroversen, die hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs „Wohlstand“ geführt wurden, dürfte vor allem jene bekannt sein, bei der es um die Frage ging, ob man sich nur auf die Erörterung materieller Güter beschränken solle. Um 46 Siehe

Halévy (1955), S. 13, 19, 57.

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2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

es noch einmal zu sagen: es ging bei alledem nicht um die Streitfrage „materielle“ Ökonomie vs. Ökonomie der katallaktischen Konsequenzen, die aus den „hehren“ Interessen und Wünschen der Menschen hervorgehen. Die klassischen Ökonomen scherten sich wirklich kaum um die Frage, warum die Menschen Verlangen nach einem Wohlstandsartikel haben. Um einem Objekt Wohlstandseigenschaften zuzuschreiben (abgesehen von anderen besonderen Bedingungen, wie z.B. Knappheit, die man vielleicht auch unterstellte), reichte es, dass es ein Verlangen danach gab. Ob man „Wohlstand“ im materiellen Sinne definierte oder auch Immaterielles mit einbezog, war lediglich eine Frage der Bequemlichkeit bei der Vorgehensweise. Beide Auffassungen betrachteten Wohlstand im Rahmen desselben objektivistischen Ansatzes. Bei keiner der beiden lag das Augenmerk auf den Eigenschaften des ökonomischen Verhaltens. Malthus gibt einen klaren Grund dafür an, warum er nur materielle Güter als Ausdruck des Wohlstands ansieht: „Wenn wir so etwas wie Genauigkeit in unseren Untersuchungen zum Wohlstand erreichen wollen, dann müssen wir den Bereich einengen und eine Grenze ziehen, die uns nur solche Objekte betrachten lässt, deren Zu- und Abnahme mit größerer Exaktheit eingeschätzt werden kann.“47

Die Erörterung von materiellem und immateriellem Wohlstand beginnt mit jener Distinktion, mit der Adam Smith produktive Arbeit von unproduktiver Arbeit abgrenzte. Auch wenn sie nicht die scharfe Trennung kennt, die der physiokratischen Idee der „sterilen“ Klassen innewohnt, so sieht die Smithsche Dichotomie den materiellen Wohlstand, dessen Erstellung das Kriterium für produktive Arbeit war, dennoch auf einer anderen Ebene als den immateriellen Wohlstand.48 Auf dem europäischen Festland lehnen die französischen Autoren jener Zeit im Fahrwasser von Say diese künstliche Trennlinie im Allgemeinen ab. Und in England definiert Lauderdale, individueller Wohlstand bestehe „in allem, was der Mensch als ihm nützlich oder bekömmlich erstrebt und nur begrenzt vorhanden ist.“49 Diese Definition wurde rauf und runter zitiert und meist als zu vage kritisiert.50 Solcherlei Kritik ist in ihrer Form für die Ideen der klassischen Ökonomen bezeichnend. So heißt es bei Malthus: „Unter diese Definition fällt offensichtlich alles – sei es materiell oder geistig, greifbar oder nicht –, das zum Vorteil oder Vergnügen der Menschheit beiträgt, natürlich auch alle Vorteile und Befriedigungen, die aus Religion, Musik, Tanz, Schauspiel und ähnlichen Quellen gespeist werden. Allerdings würde eine Untersuchung der Natur und Ur47  Malthus (1820), S. 27. Ricardo scheint in seinen Notes on Malthus (ibid.) mit Malthus übereinzustimmen. 48  Zur Frage der Bedeutung dieser Distinktion bei Smith und der sich anschließenden Kontroversen siehe z.B. Cannan (19173), S. 14 f. 49  Lauderdale (1804), S. 57. 50  Ob Lauderdale seine Definition so weit fassen wollte, wie sie ausgelegt wurde, ist nicht ganz klar. Interessanterweise meint Lauderdale in seiner Replik auf die Besprechung seines Buches in der Edinburgh Review, er habe Wohlstand als Summe der „Objekte menschlichen Verlangens“ definiert; Lauderdale (Observations 1804).

Die Wissenschaft vom materiellen Wohlstand

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sachen dieser Arten von Wohlstand offensichtlich die Grenzen einer jeden Wissenschaft sprengen.“51

Für Malthus gab es offensichtlich kein logisches Bindeglied, das diese Vorteile und Befriedigungen in einer einzelnen Disziplin zusammenführen konnte. Eine Bemerkung von McCulloch ist in dieser Hinsicht noch bezeichnender. „Wenn die politische Ökonomie die Herstellung und Verteilung all dessen, das nützlich und angenehm ist, zu erörtern hätte, dann müsste sie jede andere Wissenschaft umfassen. … Eine gute Gesundheit ist nützlich und angenehm und insofern müsste die Wissenschaft vom Wohlstand auch die medizinische Wissenschaft umfassen. Bürgerliche und religiöse Freiheit sind sehr nützlich und demzufolge müsste die Wissenschaft vom Wohlstand auch die Politikwissenschaft umfassen. …“52

Es lässt sich kaum eine Aussage finden, die für das Denken der wenig aufgeklärten klassischen Ökonomen entlarvender wäre. Ricardo, für den die politische Ökonomie nur von der Verteilung und nicht von der Produktion des Wohlstands handelte, hätte eine gute Gesundheit nie deshalb aus der Ökonomie ausgeschlossen, weil das eine Einbeziehung der Medizin bedeutet hätte. Wenn die Herbeiführung von Gesundheit die Einbeziehung der Medizin erfordert, dann muss bei der Herstellung von Zement auch die Chemie einbezogen werden, und bei der Produktion von Weizen die Biologie. Folgt man McCulloch, dann war der Wohlstand ganz klar eine eigenständige objektive Einheit, deren Erstellung die Wissenschaft der politischen Ökonomie einbezog. Um ungelegene Disziplinen wie Medizin oder Politik außen vor lassen zu können, betrachtete McCulloch im Rahmen seiner technischen Definition des Wohlstands nur materielle Güter. Offenbar glaubte man, dass bestimmte allgemeine Gesetze, nach denen die physische Produktion materieller Güter abläuft, aus den einzelnen Wissenschaften, die sich mit der Produktion ihrer jeweiligen Güter beschäftigten, ableiten ließen. Diese Gesetze ließen weitere Verallgemeinerungen, die auch die Herstellung von immateriellen Gütern wie Gesundheit oder eine gute Regierung betroffen hätten, dann wohl nicht mehr zu. Die einzigen Wissenschaften, die für Letztere in Betracht kamen, waren die Medizin und die Politik. Das Besondere an der Auseinandersetzung mit Lauderdales Definition liegt darin, dass die aufkommende Kritik leicht zu einer weniger beschränkten Betrachtung ökonomischer Phänomene hätte führen können. Man hatte zwar erkannt, dass die Einbindung aller Begierden in die Vorstellung von Wohlstand jede Anstrengung, wissenschaftliche Gesetze des objektiven Wohlstands zu finden, zunichte gemacht hätte. Man übersah dabei aber, dass gerade die am weitesten reichenden Vorstellungen von Wohlstand eine wesentliche Einheit einbezogen, die eine weniger eingeschränkte politische Ökonomie möglich gemacht hätte.

Malthus (1820), S. 27. in der Beilage zur Encyclopaedia Britannica, zitiert nach Malthus (1827), S. 70 f. 51 

52 McCulloch

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Wie auch immer, die ausschließliche Betonung des materiellen Wohlstands erfolgte noch aus anderen Motiven als aus den von McCulloch genannten Gründen. Zwischen der Beschränkung des Wohlstands auf Güter und der Beschränkung des Geltungsbereichs der politischen Ökonomie auf die Verteilung von Wohlstand scheint ein hohes Maß an Korrelation zu bestehen, wenn man einmal die Produktion, Austausch und Konsumption des Wohlstands außen vor lässt. Ricardo und Read geben dafür herausragende Beispiele ab. Beide begriffen Wohlstand ausschließlich im Sinne materieller Güter.53 Und beide betonten nachdrücklich, die politische Ökonomie handle ausschließlich von der Verteilung des Wohlstands. In diesem Sinne bekräftigt Ricardo in seinen Prinzipien und seiner Korrespondenz mit Malthus diese Begrenzung des Geltungsbereichs der Ökonomie.54 Read, ein „scharfsinniger, aber vergessener Autor“55 und einer jener Ökonomen, die von Seligmann wiederentdeckt wurden, verstand die Ökonomie als Erforschung des Rechts auf Wohlstand und erläuterte diese Rechte und Pflichten des vergesellschafteten Menschen im Hinblick auf Eigentum.56 Read kann als jemand verstanden werden, der Ricardos Vorstellung von der Wissenschaft der Wohlstandsverteilung ethisches und normatives Gewicht verlieh. Folgt man Ricardo, dann erklärt die Ökonomie, wie der Wohlstand unter den verschiedenen Produktionsfaktoren verteilt ist. Folgt man Read, dann legt die Ökonomie dabei gleichzeitig die Gesetze des Naturrechts für die Produktionsfaktoren in ihren jeweiligen Anteilen fest. Diejenigen Ökonomen, die allein mit den Verteilungsaspekten der Ökonomie befasst waren, hatten allen Grund, sich auf den Teil des „Kuchens“ zu stürzen, der greifbar ist und von dem jeder Produktionsfaktor sein Stück gemäß der Gesetze der politischen Ökonomie erhält. Wer die „Produktion“ erforscht, dem wird es schwer Malthus (1820), S. 27; Read (1829), S. 1. Ricardo (1817), Originalvorwort, (Everyman’s Ausgabe, S. 1); Sraffa (The Works and Correspondence of David Ricardo 1951), Vol. VIII, Letter No. 392, Ricardo an Malthus, 9. Oktober 1820. Ricardos Hervorhebung der Verteilung wurde u.a. von Ramsay (1836), S. v., bemerkt. Was Ricardos Meinung um 1817 angeht, so kann man einiges vermuten. Anfang 1817 sprach Malthus in einem Brief an Ricardo von „den Ursachen von Wohlstand und Armut der Nationen“ als dem „großen Gegenstand“ ökonomischer Studien (Sraffa (1951), Volume VII, Letter 200). Von einer etwaigen Gegenrede Ricardos gibt es keinerlei Aufzeichnungen. Obwohl Ricardo in seinen Principles (1817) von der Verteilung als dem „Grundthema“ der politischen Ökonomie spricht, entspricht das doch nicht ganz seiner Erklärung an Malthus von 1820, dass die Verteilungsgesetze die „wahren Gegenstände“ der Wirtschaftswissenschaft seien. 1820 schrieb Ricardo an Malthus, seine Überzeugung von der Richtigkeit seiner Auffassung wachse „mit jedem Tag“. Das mag die Vermutung bekräftigen, dass Ricardo seine Aussage von 1817 mit weniger Nachdruck vertrat als seine späteren Auffassungen. Einiges spricht dafür, dass Ricardo mit seinen Principles (welche die Verteilung als „Grundthema“ behandelten) nicht die gesamte Wirtschaftswissenschaft abhandeln wollte. Vgl. dazu Ricardos Brief an Mill in Sraffa (1951), Vol. VII, Letter No. 196; siehe auch die Anmerkungen von De Quincey (1877, S. 205) zu diesem Effekt. Für eine gegenteilige Ansicht siehe Trowers Brief an Ricardo in Sraffa (1951), Vol. VII, Letter No. 214. 55  Bowley (1937), S. 303, Anm., siehe auch oben Anm. 39. 56  Read (1829), Vorwort, S. ix. 53 Siehe 54 

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fallen, die Produktion von irgendeinem „Nutzen“ auszuschließen, egal ob dieser in einem materiellen Gut liegt oder nicht. Aber die Verteilungsgesetze können sich ihre Beschränkung auf die langfristigen Tendenzen in der Verteilung des greifbaren Wohlstands leisten – und das auch noch mit einer weitaus eleganteren Bestimmtheit. Wo, wie bei Read, die Verteilungsgesetze die Erfüllungsgehilfen der Eigentumsrechte sind, müssen die Bequemlichkeit und Sinnhaftigkeit einer Beschränkung auf jenen Wohlstand, der nur aus materiellen, veräußerlichen Gütern besteht, unwiderstehlich erschienen sein.

Die Wissenschaft vom Lebensunterhalt Bisher galt unsere Untersuchung zu dem, was die Ökonomen als ökonomischen Blickwinkel verstehen, der klassischen Vorstellung vom ökonomischen Blickwinkel als Wissenschaft des Wohlstands, insbesondere des auf materielle Güter beschränkten Wohlstands. Die Darstellung der graduellen Entwicklung der Ökonomie von einer Wissenschaft des Wohlstands zu einer des Wohlergehens ist späteren Kapiteln vorbehalten, wobei insbesondere jene Elemente der frühen „materiellen“ Auffassung von Wohlstand im Vordergrund stehen werden, die im Nachhinein beibehalten wurden. Dies jedoch ist der passende Ort für die Erörterung eines Sonderfalls jenes „materiellen“ Ansatzes in der Ökonomie, der offenbar über längere Zeit viele Ökonomen fasziniert hat. Gemeint ist die Auffassung, dass die Ökonomie im Wesentlichen mit jenen Gütern befasst ist, die der Menschheit den physischen Lebensunterhalt sichern. Diese Ansicht ist wahrscheinlich die extremste Form der materialistischen Betrachtungsweise ökonomischer Angelegenheiten. Das entscheidende Merkmal aller Vorstellungen von der Ökonomie als Wissenschaft des Wohlstands oder der materiellen Güter liegt – anders als es für die alternativen Modelle der Ökonomie der Fall ist – in der Gleichsetzung der Ökonomie mit einem speziellen Ziel menschlicher Handlungen. Nicht jede Handlung ist Gegenstand ökonomischer Gesetze. Nur solche Handlungen sind es, die sich auf eine mehr oder weniger wohl definierte Klasse von Objekten, nämlich Wohlstand oder materielle Güter, beziehen. Die meisten Definitionen, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelt wurden, können als Spielformen dieser Auffassung angesehen werden. Für die früheren dieser Auffassungen befasste sich die Ökonomie mit den Ergebnissen, die bei der Verfolgung eben dieser Ziele erreicht wurden. Die entsprechenden Untersuchungen zielten auf eine Beschreibung der Phänomene des ersehnten Wohlstands. Für die späteren, weniger objektivistischen Definitionen beschrieb die Wirtschaftswissenschaft, wie die folgenden Kapitel noch zeigen werden, den Menschen in einem Teil seiner Tätigkeiten, die darauf gerichtet waren, den ersehnten Wohlstand zu erzielen oder zu erhalten. Wenn man die Ökonomie noch enger fasst, nämlich als die Erforschung jener Güter, die für das menschliche Überleben notwendig sind, dann wird die Bandbreite menschlicher Ziele irgendwann so schmal, dass der Begriff „Ziel“ seine Bedeutung

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einbüßt. Ganz gleich wie objektiv die Ansicht war, die man von jenem Wohlstand hatte, um den die politische Ökonomie kreisen sollte, man konnte schwerlich seine Augen vor der Tatsache verschließen, dass Wohlstand dann nur deshalb Wohlstand ist, weil er von menschlichen Wesen ersehnt wird. Dies wiederum heißt, dass er ein Ziel menschlichen Strebens ist. Wenn allerdings nur solche Teile als Wohlstand in Betracht kamen, die biologische Notwendigkeiten sind, dann liegt die verführerische Annahme bedenklich nahe, dass diese Notwendigkeit gar keine Ziele menschlichen Verlangens sind. Statt Güter zu sein, die durch das Spiel der Marktkräfte hervorgebracht werden, sofern sie Ziele menschlichen Strebens sind, erhalten diese Notwendigkeiten ihre ökonomische Bedeutung rein objektiv, indem sie physiologisch bestimmte Ursachen von quasi-biologischen Tropismen sind. Und genau in diese Richtung tendierten viele solcher „Subsistenz“-Definitionen ökonomischer Phänomene. Lange Zeit diskutierte man die Frage, ob Wohlstand außer dem „täglichen Bedarf“57 auch Luxus einschließen sollte. Steuart sah es als Ziel seiner Disziplin an, allen Einwohnern „einen gewissen Lebensunterhalt zu sichern.“58 Bemerkenswerterweise stimmten in dieser Phase der klassischen Ökonomie die wenigsten Autoren dem Subsistenz-Ansatz zu. Im Gegenteil, zahlreiche Autoren bezogen einen Standpunkt, der dem „Subsistenz“-Kriterium dezidiert widersprach. Weit davon entfernt, Wohlstand mit den täglichen Notwendigkeiten gleichzusetzen, definierten sie Wohlstand als etwas, das jenseits des Nötigsten lag.59 Als Wohlstand galt der Überhang, oft der Überhang nach Abzug aller Ausgaben. Die politische Ökonomie war ausschließlich die Wissenschaft von großen Reichtümern, von Luxus­ phänomenen. (Sowohl Bentham als auch Malthus hielten es für notwendig, diese Auffassung von Ökonomie zurückzuweisen, und bemühten sich, hinreichend klarzumachen, dass ihre politische Ökonomie mit der Armut der Nationen genauso befasst war mit deren Wohlstand.60 Für Humes Ansichten in dieser Frage siehe Bonar (1922), S. 107. Steuart (1767), zitiert in Haney (19494), S. 138. 59  Ganilh (1812), S. 2 – 4, zitiert Palmieri (Pubblica felicità 1787) und Canard (Principes d‘économie politique 1801) als Beleg für die Auffassung, dass Wohlstand Überfluss bedeute. Boileau (1811), Ganilh selbst (op. cit. S. 22) und der amerikanische Ökonom Raymond (18232), S. 40: sie alle definierten Wohlstand als Überhang der laufenden Ausgaben für „Bedürfnisse“. Diese Auffassung scheint einen beträchtlichen Einfluss auf die klassische Haltung zur Konsumption von Wohlstand gehabt zu haben; vgl. dazu Keynes (19174), S. 105 f.; Robbins (1952), S. 7. Die Vorstellung von Wohlstand als Überhang nach Abzug der Ausgaben impliziert einen begrenzten Bereich an menschlichen „Bedürfnissen“, der objektiv festgelegt ist. Diese Vorstellung führte zur Ansicht, Konsum von Wohlstand sei Zerstö­ rung von Wohlstand und nicht die Umsetzung des Produktionsprozesses. Man denke nur an J.S. Mills (1948, S. 138) unglückliche Beschreibung des Verlangens nach momentanem Genuss von Gütern als antagonistisches Verlangen zum Wunsch nach Wohlstand. 60 Bentham empfahl den Gebrauch des Begriffs „Sache des Wohlstands“ statt „Wohlstand“, um damit klarzustellen, dass die politische Ökonomie nicht nur mit der Behandlung von Reichtümern befasst war. In einem Brief an Ricardo von 1817 schloss Malthus die Ar­ 57 

58 

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Obwohl in der klassischen Ökonomie die Subsistenz-Auffassung allgemein fehlt, ging aus ihr eine beständige Schule hervor, in der diese Auffassung im Mittelpunkt stand. Man findet sie in den Arbeiten der marxistischen Autoren und in der von Ihnen entwickelten These von der ökonomischen oder materialistischen Interpretation der Geschichte. Gleichwohl liegt die Bedeutung der marxistisch-materialistischen Interpretation in deren Konsequenzen für die „nicht-ökonomischen“ Aspekte der Geschichte. Wie auch immer, für unsere Zwecke führt der Geschichtsansatz von Marx und Engels zu einer neuen Einschätzung des Geltungsbereichs ökonomischer Angelegenheiten. Oberflächlich betrachtet, könnte man sich mit der Erklärung zufrieden geben, dass Marx und seine Anhänger die ökonomische Interpretation der Geschichte mit der materialistischen nur deshalb gleichsetzten, weil die klassischen Ökonomen den materiellen Wohlstand betonten. Aber eine Überprüfung der Schriften von Marx zeigt, dass seine Auffassung von politischer Ökonomie noch enger gewesen ist. Professor Knight scheint den Nagel auf den Kopf zu treffen, wenn er schreibt: „Die sozialistischen Popularisierer der ökonomischen Interpretation der Geschichte haben sich an den engeren und dezidierteren … Vorstellungen der Grundbedürfnisse orientiert.“61 Diese Auffassung von der ökonomischen Interpretation der Geschichte scheint sich auch in Marx’ eigenen Schriften wiederzufinden. In einer Anmerkung, in der er seine Vorstellung von Geschichte mit den Lehrmeinungen Darwins vergleicht, schreibt Marx: „Die Technologie enthüllt das aktive Verhalten des Menschen zur Natur, den unmittelbaren Produktionsprozeß seines Lebens, damit auch seiner gesellschaftlichen Lebensverhältnisse und der ihnen entquellenden geistigen Vorstellungen.“62 In jener Passage, die laut Kautski die klassische Formulierung der ökonomischen Interpretation enthält, erklärt Marx: „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. … Die Produk-

mut der Nationen ausdrücklich in den Anwendungsbereich der Ökonomie ein (Sraffa (1951), Vol. VII, Letter No. 200). Laut Samuel Bailey, einem gefeierten Kritiker der Ricardianischen Werttheorie, hielten viele die politische Ökonomie deshalb für eine „entwürdigende“ Disziplin, weil es den Irrglauben gab, sie befasse sich ausschließlich mit übergroßem Wohlstand. Siehe Bailey (1852), S. 125. Beispiele späterer Autoren, die sich der „Überhang“-Auffassung von Wohlstand anschlossen, finden sich bei Sargent (1856); Liberatore (1891), englische Ausgabe. 61  Knight (1935), S. 24. Siehe dazu auch Mannheim (1956), S. 35. Eine Bibliographie zur materialistischen Interpretation der Geschichte bietet Blake (1939), S. 686 – 691. Siehe auch Parsons (1934), S. 534, Anm. 4. 62  K. Marx, Das Kapital, zitiert nach Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Band 23, Das Kapital, Bd. I, Vierter Abschnitt, S. 392. (Kirzner verwendet die englische Ausgabe von Ch. Kerr & Co., Chicago, 1915, I, S. 406, und verweist seine Leser auf die im Bezug auf die Fußnote abweichende Übersetzung von E. und C. Paul (Everyman’s ed.; 1930), S. 393; der Übersetzer).

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tionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt.“63 Interessanterweise gibt Stone jene Worte aus Marxens Kritik der Politischen Ökonomie, nämlich „in der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens …,“ in seiner Übersetzung mit den Worten „in the social production which men carry on …“ wieder. Andere Marx-Übersetzer haben diese Phrase so wiedergegeben: „… in der gesellschaftlichen Produktion ihres täglichen Bedarfs“64 und „… in der gesellschaftlichen Produktion ihres täglichen Lebensunterhalts.“65 Auch Engels stellte seinen Subsistenz-Ansatz klar dar. Er schrieb: „Nach der materialistischen Auffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte: die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens.“66 Und weiter: „Unter den ökonomischen Verhältnissen, die wir als bestimmende Basis der Geschichte der Gesellschaft ansehen, verstehen wir die Art und Weise, worin die Menschen einer bestimmten Gesellschaft ihren Lebensunterhalt produzieren …“67 In der Folge kristallisierte sich aus den verschiedenen Formulierungen der materialistischen Interpretation der Geschichte eine Vorstellung von ökonomischen Angelegenheiten heraus, in deren Mittelpunkt das biologische Überleben steht. Nicht die Sicherstellung von Wohlstand, sondern die Sicherstellung des nackten Lebens ist das Reich der Ökonomie. Damit ist aber nicht das Leben gemeint, auf das Ruskin anspielt, wenn er sagt: „Es gibt keinen Wohlstand außer dem Leben.“ (Dort schließt das Leben „alle Kräfte ein, die der Liebe, der Freude und der Anbetung“.) Gemeint ist die natürliche Existenz, der Sachbereich der Biologie. Nicht „Wünsche“ im Sinne reflektierter Standards der höchsten Werte, sondern die unerbittlichen, objektiven Notwendigkeiten für das Überleben – „Bedürfnisse“ – sind die Daten der Ökonomie. In einem solchen Schema, in dem das von rationalen Handlungen bestimmte Verhältnis von Zielen und Mitteln bis zur Unkenntlichkeit entstellt ist, werden die Ökonomie und die ökonomischen Angelegenheiten unverkennbar zu einem Teil der Biologie. Insofern kann man Kautsky gut verstehen, wenn er darauf besteht, dass die materialistische Konzeption von Geschichte nicht die Vorherrschaft ökonomischer Motive behaupte. Wir müssen, so sagt man uns, streng zwischen wirtschaftli63  K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, aus dem Vorwort, S. 8f. (Karl Marx/ Friedrich Engels, Werke, Band 13, Berlin 19717. Kirzner verwendet folgende Ausgabe: A Contribution to the Critique of Political Economy, übersetzt von N. Stone, Chicago 1904, S. 10 – 11; der Übersetzer). 64 Siehe Seligman (1902), S. 43. 65  Siehe Eastmans Ausgabe ausgewählter Werke von Marx (Eastman 1932), S. 10. 66  Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Band 21, Berlin 19757, S. 27. Knight zitiert in Ethics and Competition, S. 24, Anm., Engels mit einer anderen Aussage, die dieser fast wortwörtlich gleicht. 67  Aus einem Brief von Engels; Der sozialistische Akademiker (1895), zitiert nach Se­ ligman (1902), S.  58 – 59.

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chen Motiven und wirtschaftlichen Bedingungen unterscheiden. Nur Letzteren fällt in der marxistischen Geschichtsauffassung eine entscheidende Rolle zu.68 Ob die Ökonomen im Allgemeinen von dieser Idee stark beeinflusst waren, kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. In der Literatur findet man nur dürftige Hinweise auf wirtschaftstheoretische Schulen, die das menschliche Überleben als Mittelpunkt ihrer Disziplin begriffen haben.69 Aber es ist recht aufschlussreich, auf einige Stellen in der amerikanischen ökonomischen und soziologischen Literatur zur Zeit der Jahrhundertwende hinzuweisen, die für diese allgemeine Vorstellung vom Reich der Ökonomie nicht ganz ohne Bedeutung sind. Es dürfte wohl kaum überraschen, in Veblen jemanden zu finden, der dem „biologischen“ Ansatz in der Ökonomie sehr nahe kam. Veblen weist ausdrücklich darauf hin, dass in der Frühphase des Industriezeitalters der „Kampf um Wohlstand“ gleichbedeutend war mit dem „Kampf ums Überleben“.70 S.E. bestand das Wesen des physiokratischen Systems in der Ansicht, die „ökonomische Realität“ liege in „der Zunahme an Nahrungsmitteln“.71 In seinen Schriften wird immer wieder die Phrase von den „materiellen Lebensbedingungen“ verwendet, und zwar als Kriterium zur Bestimmung ökonomischer Tätigkeiten. „In der Ökonomie untersucht man das Verhalten des Menschen darauf, wie er mit den materiellen Lebensbedingungen umgeht.“ So lautet ein typischer Satz von Veblen zu diesem Thema.72 Offenbar spiegelt die Veblensche Neigung, Ökonomie und Lebenserhaltung gleichzusetzen, eine Modeströmung jener Zeit wider, biologische Analogien für Phänomene der Sozialwissenschaften zu verwenden. Die Terminologie der Biologen scheint diese Tendenz unterstützt zu haben. Franklin Giddings hat darauf hingewiesen, dass das Wort „Ökonomie“ für Ökonomen und Biologen verschiedene Bedeutungen hat. Wenn Ökonomen den Begriff verwenden, dann unter der Annahme, es gebe „ein bewusstes Wesen, das, ausgestattet mit der Fähigkeit, Kautsky (1927), I, S. 3 – 6. folgenden Angaben verweisen auf spätere Autoren, die ihre Definitionen unter Betonung der „Subsistenz“ formuliert haben: Hildebrand (1922), S. 305; Sax (1884), S. 12; Leroy-Beaulieu (1888), S. 1; Perin (1896), S. 2. 70  Veblen (1934), S. 24. 71  Veblen (1919), S. 91. 72  Veblen (1919), S. 241. Eine Auflistung von Veblens Schriften, in denen er stellenweise das Kriterium der materiellen Lebensbedingungen verwendet, würde folgende Werke umfassen: T. Veblen, „Why Is Economics Not an Evolutionary Science?“, Quarterly Jour­ nal of Economics, 1895, wiederabgedruckt in The Place of Science in Modern Civilization, S. 71, 76; T. Veblen, „Mr. Cummings’ Strictures on ,The Theory of the Leisure Class‘“, Journal of Political Economy, 1899, und „The Instinct for Workmanship and the Irksomeness of Labor“, American Journal of Sociology, 1898, beide wiederabgedruckt in Essays in Our Changing Order (New York 1943), S. 27, 78, 80. Besonders interessant ist, dass Veblen den Ausdruck „materielle Lebensbedingungen“ als Synonym für den Gegenstand des Marx’schen Materialismus begreift. (Siehe sein „The Socialist Economics of Karl Marx and His Followers“, Quarterly Journal of Economics, 1906, wiederabgedruckt in The Place of Science in Modern Civilization, S. 415). 68 

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Schmerz und Freude zu empfinden, die Wirtschaft plant und lenkt und dabei von ihr profitiert.“ Die Biologen hingehen verstehen unter dem „sehr allgemeinen Begriff der Ökonomie jedes System von Handlungen und Beziehungen, mit dem das Wohlergehen jeglicher Art oder Spezies von Lebewesen wächst.“ Genau solche Vorstellungen bringen Ausdrücke hervor wie „Ökonomie des Tierreiches“ und „Ökonomie der Natur“. „Diese Begriffe implizieren keinerlei Bewusstsein, Empfinden von Freude oder Leid und keine Bedingungen wie intelligente Planung oder Durchführung auf Seiten der Organismen, die von ihrer Ökonomie profitieren. Das Ganze ist gegenständlich gedacht.“73 Mit derselben expliziten Warnung vor der biologischen Betrachtungsweise ökonomischer Affären wartet Sherwood auf. „Die Soziologen, die physikalische Beschreibungen der Evolution auf psychische Phänomene anwenden, machen sich einer unwissenschaftlichen Vorgehensweise schuldig. … Die physikalischen Beschreibungen der Evolution sind Aussagen über ungeklärte zufällige Änderungen. Die überlebende ,Fitness‘ ist eine unvorhergesehene Fitness, eine Anpassung, die sich infolge des Daseinskampfes ergibt. Psychische Aktivitäten sind hingegen im Wesentlichen teleologisch. Sie sind auf Ziele gerichtet. Die ,Fitness‘ sozialer Anpassungen ist vorhersehbar, vorbestimmt. Außerdem ist diese Fitness nichts weiter als die Nützlichkeit für das Individuum.“74

Hier wird das Kind beim Namen genannt. Mit der Aufpfropfung der Subsistenz als Ziel ökonomischer Handlungen kommt ein Wert ins Spiel, der, verglichen mit den übrigen Werten, die wenigsten Fragen hinsichtlich der subjektiven Differenzen unter den Individuen aufwirft. Die einzige Wahl, die der menschliche Verstand in diesem Falle zu treffen hat, ist die Wahl jener Mittel, die sich objektiv am besten zur Zielerreichung eignen. Wenn die Ökonomie erst einmal die Fähigkeit des Menschen, seine eigenen Ziele auszuwählen, ausblendet, dann schrumpft sie auf eine nur geringfügig komplexere Version der Biologie zusammen.

Die Wissenschaft von der Besitzstandswahrung Die Vorstellung von Wohlstand – mehr noch, die von materiellem Wohlstand – sorgte zu jener Zeit nicht nur für das Aufkommen des Subsistenz-Ansatzes, den sie gefördert hatte, sondern auch für ein weiteres, wenn auch banales Kriterium, mit dem das Reich der Ökonomie auch über das Ende der klassischen Periode hinaus festgelegt werden konnte. Mill, Senior und Cairnes befassten sich mit der Frage, ob die Ökonomie eine Natur- oder Geisteswissenschaft sei. Cairnes, dem der Ruf anhängt, unter den klassischen Ökonomen der letzte von Rang gewesen zu sein, konnte noch 1875 schreiben: „Der Untersuchungsgegenstand der politischen Ökonomie ist weder geistiger noch physischer Natur. … Ihr Forschungsgegenstand … 73  Giddings (1901), S. 195. Für eine ähnliche Abgrenzung der menschlichen Ökonomie von deren biologischen Analogien siehe Ward (1893), S. 464 – 465. 74  Sherwood (1897), S. 71.

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ist der Wohlstand.“75 Und weiter, noch klarer: „Die politische Ökonomie ist genauso eine Wissenschaft, wie es die Astronomie, Dynamik, Chemie oder Physiologie ist. Ihr Gegenstand ist ein anderer. Sie handelt vom Phänomen des Wohlstands, während die anderen die physikalischen Phänomene des Universums untersuchen.“76 Bonamy Price kam nach einer eingehenden Schilderung der Verwirrungen um die Definition der Ökonomie zu dem Ergebnis: „Alle waren einhellig der Meinung, dass es letztlich um Wohlstand ging.“77 Gewiss, viele Äußerungen, die auf Wohlstand als Schlüsselkonzept abstellten, wurden so abgewandelt, dass sie mehr oder weniger zu den verfeinerten Auffassungen passten. Vor allem den Definitionen in der deutschen Literatur nach 1870 ist zu entnehmen, dass man sehr wohl erkannt hatte, welche entscheidende Rolle den handelnden und wählenden Menschen bei all jenen Phänomenen zukam, die mit Wohlstand zusammenhingen. Das änderte jedoch nichts daran, dass die Schlüsselrolle in diesen Definitionen den Gütern (oft den Sachgütern) zufiel.78 Hier wie da gab es von den verfeindeten Parteien im Methodenstreit Aussagen, in denen die Ökonomie eng an materielle Güter gebunden wurde. Für jene, die in den Schriften der Vertreter der Historischen Schule auftauchten, ist dies durchaus erklärbar. Wie wir später noch sehen werden, erfolgte die erste Auflehnung gegen die Vorstellung der Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand im Zuge der Analyse des gegebenen menschlichen Verhaltens und der hypothetischen Isolierung eines spezifischen Verhaltensmusters im Falle ökonomischer Angelegenheiten. In der Folge verschob sich der Fokus vom Wohlstand hin zur Aktivität des Wohlstandssuchers. Ein solcher Ausweg aus der engen Konzeption der Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand war der Historischen Schule offenbar versperrt. Schließlich war es ja jene Postulierung des besagten hypothetischen Ver75  Cairnes (1875), S. 31. (Die in jenem Buch veröffentlichten Vorträge wurden in den 1850er Jahren gehalten.) 76  Cairnes (1875), S. 18. 77  Price (1878), S. 19. Für weitere Quellen, in denen der Fokus auf den Wohlstand in der Ökonomie beibehalten wurde, siehe das Zitat einer Rede von Robert Lowe in Leslie (18882), S. 21; Sidgwick (18872), S. 12; Marriott (1874), S. 1; Keynes (19174), S. 100. Jevons und Marshall machten lockeren Gebrauch von Begriffen wie „die Gesetze des Wohlstands“ und „Studium des Wohlstands“. W.S. Jevons, „The Future of Political Economy“, Fortnight­ ly Review, November, 1876, wiederabgedruckt in Jevons (1905), S. 193; Marshall (19208), S. 1. Herr Norman, ein ehemaliges Mitglied des Political Economy Clubs, brauchte keine große Gegenwehr zu fürchten, als er bei einem Abendessen des Clubs im Jahre 1876, seinen Gefühlen Ausdruck verleihend, behauptete, das „wahre Wesen der Politischen Ökonomie“ liege in der Erklärung von Wohlstandsphänomenen; Revised Report of the Proceedings at the Dinner of 31st May, 1876, held in Celebration of the Hundredth Year of the Publication of the „Wealth of Nations“ (Political Economy Club: London 1876), S. 26. 78  Verweise auf deutsche Autoren, die bei ihrer Definition der Ökonomie Güter oder Sachgüter in den Vordergrund stellten, findet man bei Schönberg (18964), S. 15; Knies (1883), S. 158; Menger (1883), S. 232, Anm.; Philippovich (1886), S.  20 – 21; Sax (1884), Dietzel (1881), S. 9; siehe auch Dietzel (1884), S. 18.

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haltensmusters für den „ökonomischen Menschen“, die zuerst den Protest unter den Anhängern der Historischen Schule geweckt hatte und später zum Angelpunkt des Spotts wurde, der von jenen Vertretern kam, die sich am weitesten aus dem Fenster gelehnt hatten. Die Not, die Ökonomie willkürlich auf materielle Güter zu beschränken und den wesentlichen Charakter ökonomischer Phänomene in deren Beziehung zu diesen Objekten zu sehen, mag deshalb von den Anhängern der Historischen Schule stärker empfunden worden sein. Solange die Handlung nur in ihrer empirischen Ganzheit betrachtet wird, ist jeder Versuch einer analytischen Separierung ökonomischer Phänomene vom Rest von vornherein ausgeschlossen. Für England zur Zeit des (etwas kleiner ausgefallenen) britischen Methodenstreits gilt ähnliches im Hinblick auf die Schriften jener Autoren, die der historischen Methode anhingen. Bekannte Autoren, wie Cliffe Leslie und John K. Ingram, sahen sich zu Definitionen der Ökonomie gemüßigt, die jenen der frühen Klassiker näher standen als z.B. der von Mill, gegen dessen damals dominierende Auffassung von Ökonomie sie nun rebellierten. Diese Autoren bestanden auf der wissenschaftlichen Exkommunikation des homo oeconomicus, überhäuften die abstrakten Konstruktionen der früheren Ökonomen mit Hohn und Spott und redeten der neuen Sozialwissenschaft das Wort. Obwohl sie nicht so weit gingen wie Comte, der die Existenz eines eigenen Reichs der ökonomischen Untersuchung schlichtweg bestritten hatte, betonten sie dennoch, wie aussichtslos es sei, nach Ökonomiegesetzen zu suchen, die von den Gesetzen der Gesellschaft als Ganzes losgelöst seien. „Die Erforschung des Wohlstands kann nicht … von anderen gesellschaftlichen Phänomenen isoliert werden. Genau genommen gibt es nur eine große Sozialwissenschaft …“ Die Gesetze der Ökonomie „muss man in der großen Gesellschaftswissenschaft suchen.“79 All dies hatte nur eines zu bedeuten. Sollte irgendein separates Reich der Ökonomie zugestanden werden, dann nur, wenn man zur Auffassung gelangte, dass eine Klasse von Wohlstand konstituierenden Objekten eine eigene Kategorie bilden, deren Eigenschaften einen eigenen legitimen Wissensbereich darstellen. Dieses Wissen kann natürlich nur aus der umfassenderen Gesellschaftswissenschaft abgeleitet werden. „Die Politische Ökonomie ist also ein Teil der Sozialwissenschaft, die eine bestimmte Klasse sozialer Phänomene für spezielle Untersuchungen auswählt.“ Mit dieser „bestimmten Klasse sozialer Phänomene“ meinte Leslie ganz zweifellos die Phänomene des Wohlstands.80 Das besondere Augenmerk auf die deutsche Literatur zum Thema „materielle Güter“ ist der Tatsache geschuldet, dass Güter und materielle Güter selbst bei jenen Autoren im Vordergrund standen, die dem Problem, die Ökonomie und ökonomische Tätigkeiten zu definieren, höchste Sorgfalt und Aufmerksamkeit zollten. 79  Siehe J.K. Ingrams Vorwort zu Elys Introduction to the Study of Political Economy (zitiert von Ely in seiner Einleitung zur erweiterten Ausgabe von Ingrams A History of Poli­ tical Economy [London 1915], S. xvii); s.a. Leslie (1876), wiederabgedruckt in seinen Essays in Political Economy, S. 189. 80  Leslie (1888), S. 212.

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Dietzel, der in den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts schrieb, beschäftigte sich ausgiebig mit all den Kriterien, die zur Definition der Ökonomie vorgeschlagen wurden. Die meisten der Ideen, die dann Eingang in die sehr sorgfältigen Definitionsversuche der letzten Dekaden gefunden haben, wurden entweder von Dietzel selbst in seinen Schriften oder von den bei ihm genannten Autoren vorweggenommen. Dietzel war nahe daran, die Allgemeingültigkeit der Kategorie menschlichen Handelns zu erkennen, hielt aber in all seinen Schriften hartnäckig am objektivistischen Ansatz der Ökonomie fest.81 Bezeichnend ist seine Feststellung, es sei nicht die Methode, sondern das Objekt, welches das Kriterium bereitstelle, mit dem jene Aktivitäten von allen anderen unterschieden werden können, die Gegenstand der Ökonomie sind.82 Eine ähnliche Situation, wie die in Großbritannien und Deutschland, zeigt sich zu jener Zeit in den Vereinigten Staaten und Frankreich. Auch hier finden wir die traditionelle Beibehaltung des Wohlstandsbegriffs, oft nur als Deckmantel für eine weniger enge Auffassung vom Umfang und Charakter der Disziplin. Und doch scheinen die Ökonomen gespürt zu haben, dass ihre Versteifung auf den Wohlstand der Grund dafür war, dass ihre Disziplin so oder so eine Entwicklung bzw. Nachfolgerin der klassischen Politischen Ökonomie war. In einer der frühen Schriften Elys, in der er die klassische Politische Ökonomie einer ernsthaften Kritik unterzog, fand er auch ein paar anerkennende Worte für die ältere Ökonomie: „Sie separiert die Phänomene des Wohlstands von anderen gesellschaftlichen Phänomenen zum Zwecke einer speziellen und eigenständigen Forschung.“83 Für den bedeutenden belgischen Ökonomen de Laveleye und für viele französische Autoren wurde der Gegenstand der définition habituelle zweifellos sinnverwandt als richesses umschrieben, meist ausdrücklich mit der Beschränkung auf materielle Güter.84 Die Jahrzehnte nach 1870 waren für die Ökonomie reich an Veränderungen unterschiedlichster Art. Die zahlreichen Definitionsalternativen, die in den Folgekapiteln betrachtet werden, können nahezu geschlossen auf die Umwälzungen in den ökonomischen Auffassungen zurückgeführt werden, welche die Nationalökonomie jener Zeit revolutioniert haben. Dabei zeigt sich immer wieder, dass das methodologische Selbstbewusstsein und die Präzisierung der Grundfragen zur ökonomischen Epistemologie eigentlich erst mit dem Methodenstreit der achtziger Jahre eingesetzt haben. In unseren bisherigen Ausführungen ist indes deutlich geworden, wie beständig die älteren Auffassungen betreffs ökonomischer Angelegenheiten 81 Neben Dietzel (1881), S. 9, und Dietzel (1884), S. 18, siehe auch Dietzel (1883); außerdem Dietzels Aufsatz „Selbstinteresse“ im Handwörterbuch der Staatswissenschaften (Jena 19113), VII, S. 435 ff. 82  Dietzel (1895), S. 182. 83  Ely (1884), S. 20. 84  Laveleye (1883), S. 92. Zu den französischen Autoren jener Zeit, die ihr Augenmerk auf die richesses legten, zählen Arendt, Limousin, Landry, Beauregard, Herve-Bazin, Courtois, Worms und Levasseur.

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2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

im Verlauf der Weiterentwicklungen geblieben sind. Seite an Seite mit den neueren Auffassungen, mit denen wir uns noch befassen werden, haben die Definitionen der Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand oder vom materiellen Wohlstand ihren Platz in der Ideenwelt der Ökonomie behauptet.

Mensch gegen Natur Es ist wohl angemessen, hier auf eine Sichtweise hinzuweisen, der sich viele Autoren angeschlossen haben. Aus ihrer Sicht bestehen die Ökonomie und die ökonomischen Tätigkeiten im konstanten Bemühen des Menschen, sich die Natur zu seinen Zwecken Untertan zu machen. Diese Sichtweise schafft eine Trennlinie zwischen zwei Kategorien von Ressourcen. Auf der einen Seite haben wir den Menschen als Akteur, mit all seinen Geistes- und Körperkräften, Empfindungen und Fähigkeiten. Über diese Kapazitäten verfügt er, um die physikalische Außenwelt, die er für seine Zwecke formt, in Angriff zu nehmen. Somit ist die Interaktion zwischen Mensch und physikalischer Außenwelt das Reich der ökonomischen Tätigkeit. Der erste Autor, der eine derartige Charakterisierung ökonomischer Phänomene vornahm, dürfte der deutsche Ökonom Storch gewesen sein. (Er schrieb sein Buch auf Französisch, während er am russischen Hof in St. Petersburg weilte.)85 In seinem Buch von 1815 stellte Storch sich vehement gegen die vorherrschende Meinung, welche die Politische Ökonomie auf den Wohlstand begrenzte. Nicht der „Wohlstand“ der Nationen, sondern das „Wohlergehen“ der Nationen sollte den Gegenstand der Politischen Ökonomie bilden. Unter Wohlergehen fasste er die ganze „Zivilisation“ und sprach in diesem Zusammenhang von „inneren Gütern“ wie Gesundheit, Stärke, Vernunft, Wissen. Diese inneren Güter standen im Gegensatz zum Wohlstand, der sich aus „äußeren Gütern“ zusammensetze. Storch integrierte beide Güter, innere und äußere, in seine politische Ökonomie, aber die Einteilung in diese beiden Kategorien zeigt, was s.E. unter einer exklusiven Wissenschaft vom Wohlstand verstanden werden sollte.86 Für den bedeutenden britischen Historiker Lecky war jene Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Ressourcen offenkundig von großer Bedeutung. Wie man einem seiner früheren Werke entnehmen kann, scheint Lecky die Willkürlichkeit zu spüren, die der Vorstellung von einer Wissenschaft anhaftet, die sich mit dem Phänomen des Wohlstands befasst. Er betrachtet die politische Ökonomie als Ausdruck dessen, was er die „industrielle“ Philosophie nennt und der „asketischen“ Sichtweise gegenüberstellt. Letztere verstehe Glück als einen Zustand des Geistes und versuche es zu erhaschen, indem sie direkt auf den Geist mittels einer Minimierung der Wünsche wirke. Die industrielle Philosophie suche Glück nicht 85  Zur These, die klassische Ökonomie habe das zentrale ökonomische Problem generell im Kampf Mensch gegen Natur gesehen, siehe Dobb (1937), S. 19 f.; Myint (1948), S. 2 f. 86  Storch (1815), I, ii.

Mensch gegen Natur

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durch die Minimierung der Wünsche, sondern durch die Formung der äußeren Umstände, um die Wünsche zu erfüllen. Diese Auffassung von Ökonomie reduziert den Stellenwert des materiellen Wohlstands als solchen und erblickt ökonomische Tätigkeit in dem Versuch, Wünsche durch eine Veränderung in der Konfiguration der äußeren Welt zu erfüllen.87 Solch eine Auffassung scheint vor allem bei deutschen Ökonomen auf Zustimmung gestoßen zu sein. Albert Schäffle, einer der Ersten, welche die grundsätzliche Bedeutung des Menschen für ökonomische Phänomene herausgestellt haben, scheint sich sehr konsequent darum bemüht zu haben, jede Charakterisierung zu umgehen, wonach die Ökonomie von „Gütern“ handelt. Das Schlüsselwort in Schäffles zahlreichen Schriften über die Natur der Ökonomie ist die Außenwelt, d.i. die physikalische Außenwelt.88 Schäffles Vermeidung des Güter-Kriteriums zu Gunsten einer Definition, die mit dem Begriff der „Außenwelt“ auskommt, kann man am besten als den bewussten Versuch interpretieren, die Aufmerksamkeit auf die menschlichen Aktivitäten zu lenken, die auf Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet sind. Nicht Güter, sondern der Kampf mit der Außenwelt und deren Eroberung stehen im Mittelpunkt der Ökonomie. Im Anschluss daran haben noch andere deutsche Autoren in ihren Schriften Bezug auf die „Außenwelt“ genommen, meist aber nur um einen alternativen Begriff für Güter zu haben. Mangoldt, Cohn, Sax und einige andere Autoren sollten in diesem Zusammenhang erwähnt werden.89 Eine ganz und gar ähnliche Haltung wie die von Lecky und Schäffle findet sich zur Zeit der Jahrhundertwende bei dem Amerikaner Tuttle. Tuttle spricht von dem „grundsätzlichen und allgemeinen ökonomischen Prinzip“ – eine Formulierung, die er in einem ganz anderen Sinne als dem gewöhnlichen gebraucht. Er schreibt: „Drei primäre Tatsachen liegen allen ökonomischen Phänomenen zu Grunde, nämlich der Mensch, die Umwelt des Menschen – die Außenwelt, Natur – und die Abhängigkeit des Menschen von der Natur. Der Mensch hat eine ökonomische Beziehung zu seiner materiellen Umgebung … eine Beziehung, die man wohl am besten die Wohl-Beziehung nennt. Die Wohl-Beziehung … ist das fundamentale und allgemeine ökonomische Prinzip …“90 Auch hier versteht man die ökonomische Beziehung als eine, die zwischen dem Menschen und dessen Umgebung stattfindet. Diese Auffassung trägt deutlich den Stempel jener Definition, die ökonomische Phänomene im Sinne von materiellem 87 Siehe Lecky (1955), S. 335 f.  Zum möglichen Einfluss Comtes auf Lecky siehe Hayek (1952), S. 187. 88  Stellen in den Schriften Schäffles, an denen er die Außenwelt betont, finden sich in Schäffle (1861), S. 2, S.24; Schäffle (18733), S. 2; Schäffle (Die ethische Seite 1885). 89  Zur Haltung von Mangoldt und Sax siehe Sax (1884), S. 14 – 15. Zu Cohns Haltung siehe Menger (1883), S. 243. Julius Lehr schreibt in Grundbegriffe und Grundlagen der Volkswirtschaft (Leipzig 1893), S. 67, nicht über Güter, sondern über „die Dinge der Außenwelt“. 90  Tuttle (1901), S. 218.

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2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

Wohlstand beschreibt. Der Mensch erschafft die Güter, mit denen er seine Wünsche erfüllt, mittels der Außenwelt. Um die Produktion dieser Güter herbeizuführen, wendet der Mensch seine eigenen Ressourcen auf die Außenwelt an. Die Veränderungen, die der handelnde Mensch der Außenwelt auferlegt, beeinträchtigen die Veränderungen, die permanent „im“ Menschen stattfinden, und werden wiederum von diesen beeinflusst. Indem Tuttle die ökonomischen Tätigkeiten in diesem Licht sieht, d.h. als eine Interaktion des Menschen – mit all seinen wechselnden Begierden und Fähigkeiten – mit der äußeren Natur, bietet er eine Definition an, die mit den gängigen Vorstellungen in Einklang steht, und das unter Verwendung von Wohlstandsbegriffen und gleichzeitig mit dem Hinweis auf den Platz des handelnden Menschen in den Phänomen des ökonomischen Lebens.

Vom Wohlstand zum Wohlergehen Die Periode, in der man allgemein glaubte, ökonomische Angelegenheiten hätten mit einer Klasse von Objekten zu tun, die als Wohlstand bekannt sind, fiel mehr oder weniger ins 19. Jahrhundert. Erst seit der Jahrhundertwende fühlen sich die Ökonomen zunehmend bemüßigt, das Reich ihres Forschungsgegenstands in weniger objektive Begriffe zu fassen. Gleichwohl haben die meisten der neueren Auffassungen hinsichtlich der Frage der Definition bereits weit vor unserem Jahrhundert in den Schriften der nachdenklicheren unter den ökonomischen Methodologen ihren Ausdruck gefunden. Jene Unmutsbekundungen mit der traditionellen, am Wohlstand orientierten Vorstellung der Ökonomie sind sehr aufschlussreich, wenn man sie als Spiegel einer eher allgemeinen Revolte versteht, die sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zuspitzte. Diese allgemeine Revolte kam in vielfältiger Weise zum Ausdruck. Im Feld der formalen Argumentation markierte die Entwicklung der Grenznutzentheorie in den 70er Jahren durch Jevons, Menger und Walras eine Verschiebung der Perspektive von den objektiven Kosten zu den subjektiven Nutzen. In den Auseinandersetzungen hinsichtlich der Natur und des Geltungsbereichs der Ökonomie zeigt sich die Veränderung im wachsenden Bewusstsein, dass der Mensch genauso zu diesem Bereich gehört wie der Wohlstand. Weit vor 1870 gab es viele Anzeichen in England dafür, dass man die Rolle des Menschen in der Ökonomie erkannt hatte.91 Schäffle in Deutschland und Droz in Frankreich pochten darauf, der Rolle des Menschen in der Ökonomie einen höheren Stellenwert einzuräumen als jener der Güter.92 Nach Elys Beschreibung vollzieht sich die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft in drei Stufen: 91  Zur Anbahnung einer subjektiven Tendenz in der Ökonomie nach Ricardos Tod siehe Bowley (1937), Kap. II. 92 Siehe Schäffle (Mensch und Gut 1861) in Gesammelte Aufsätze, S. 158 ff.; auf die von Droz hartnäckig verfochtene Position verweist der amerikanische Ökonom Stephen Colwell, und zwar in einem einleitenden Aufsatz zu einer amerikanischen Ausgabe von F. Lists „Das nationale System der politischen Ökonomie“ (National System of Political Economy, Philadelphia, 1856), S. xxxvii; siehe auch Cauwès (1881), S. 6.

Vom Wohlstand zum Wohlergehen

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„Die Autoren der ersten Stufe sahen die Politische Ökonomie als eine Wissenschaft, die mit wertvollen äußeren Dingen oder wirtschaftlichen Gütern zu tun hatte – d.h. mit Wohlstand …; die Autoren der zweiten Stufe als eine Wissenschaft, die von wirtschaftlichen Gütern und deren Verhältnis zum Menschen handelt; die Autoren der dritten Stufe als eine Wissenschaft, die mit dem Menschen und dessen Verhältnis zu wirtschaftlichen Gütern befasst ist.“93

All dies erzwang die Suche nach einem neuen Kriterium zur Festlegung des Geltungsbereichs der Wirtschaftswissenschaft. Wenn die Ökonomie von Gütern handelt, dann ist deren Bereich so klar, wie es die Definition des Wortes „Güter“ erlaubt. Wenn man aber meint, dass die Ökonomie vor allem vom Menschen handelt, dann besteht offensichtlich die Notwendigkeit, ganz genau klarzustellen, welcher Aspekt der Erforschung des Menschen für die ökonomische Theorie wichtig ist. Die späteren Kapitel dieses Buches handeln von einigen der unterschiedlichen Ansätze, die zur Lösung dieses Problems geschaffen wurden. In diesem Kapitel aber, in dem wir die Auffassungen zur Wirtschaftswissenschaft als Wohlstandswissenschaft darstellen, muss das Augenmerk auf einen der bekanntesten dieser Ansätze gerichtet werden, nämlich auf die Auffassung, wonach die Wirtschaftswissenschaft mit den Phänomenen befasst ist, die mit dem wirtschaftlichen Wohl­ ergehen verbunden sind. Diese Auffassung von Ökonomie konnte in der Tat am ehesten für sich beanspruchen, der natürliche Nachfolger der früheren Definition der Ökonomie als Wohlstandswissenschaft zu sein. Wohlstand fördert das wirtschaftliche Wohlergehen des Menschen. Wenn die ausschließlich auf Objekte des Wohlstands gerichtete Aufmerksamkeit als wissenschaftlich unzweckmäßig erklärt wird, dann kann man dieses Problem umgehen, indem man die Aufmerksamkeit von den Gütern selbst hin zum Wohlstand, dem sie dienen, schwenkt. Anstatt die Effekte verschiedener Maßnahmen zum Zweck der Förderung des nationalen Wohlstands zu erforschen, kann man mit ökonomischen Untersuchungen auch mehr meinen und das von jenen Maßnahmen bewirkte Wohlergehen einer Nation untersuchen. Solch eine Auffassung von Ökonomie bot zum einen den Rahmen, in den das neugewonnene Lehrgebäude ohne allzu große Anstrengung eingepasst werden konnte, und spiegelte zum anderen die neu erworbene Einsicht in die subjektive Grundlage der Marktphänomene wider. Der Wechsel hin zu dieser neuen Auffassung schien nur eine Ausweitung des Geltungsbereichs gewesen zu sein, weg von der Beschränkung auf Güter, hin zur Beschäftigung mit Glück.94 Cannon, der zu Beginn dieses Jahrhunderts über die Entwicklungen seit Erscheinen von Mills Ely (1889), S. 105. Die Kontinuität zwischen der klassischen Auffassung von Ökonomie als Wohlstandswissenschaft und der späteren Betonung des Wohlergehens gewinnt an Bedeutung, wenn man die klassische Ökonomie als „Untersuchung des Wohlergehens auf der physischen Ebene“ versteht, und zwar unter der Annahme, dass die klassischen Ökonomen stillschweigend voraussetzten, „dass die Einheiten der Befriedigung gegebener Bedürfnisse in etwa den Einheiten physikalischer Produkte entsprachen.“ Myint (1948), S. xii. 93  94 

2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

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Prinzipien gearbeitet hat, sah diese Ausweitung als Verdienst der Grenznutzen­ theorie: „Welcher Definition von Ökonomie man sich auch immer anschließen möchte, klar ist, dass die Vorstellung ihres Forschungsgegenstands sehr viel weiter geworden ist, als sie es war. Der Ökonom von heute weiß, dass er es mit dem Menschen und dessen Verhältnis zu einer besonderen Form menschlichen Wohlergehens zu tun hat. Nach Jevons kann heutzutage kein Ökonom mehr wie ehedem Malthus sagen, dass Adam Smith die Natur und die Ursachen des Wohlstands der Nationen mit den Ursachen verwechselt habe, die das Glück und das Wohlergehen der ärmeren Gesellschaftsschichten bewirken.“95

Betrachtet man die Entwicklung der Definition ökonomischer Phänomene aus der Langfristperspektive, dann markiert die Ausweitung der Ökonomie des Wohlstands auf eine Ökonomie des Wohlergehens an sich keine radikale Veränderung, verglichen mit jenen Änderungen, die mit den späteren Auffassungen, die wir noch behandeln werden, auftraten. Verglichen mit den anderen Ökonomiedefinitionen, haben die Umschreibungen von Wohlstand und Wohlergehen jedoch vieles gemeinsam. Viele Merkmale, die am Wohlstandskriterium störend waren, blieben im Gegenstück namens Wohlergehen erhalten. Beide Formulierungen sind „klassifikatorisch“ und „abteilend“, statt „analytisch“.96 Aus Sicht beider untersucht die Ökonomie etwas, das hergestellt ist, egal ob Gut oder Glück, und nicht eine bestimmte Form der Aktivität.97 Vor allem dort, wo wirtschaftliches Wohlergehen als eine Form materiellen Wohlergehens verstanden wird, bleiben die Bande zwischen Wohlergehen und materiellem Wohlstand intakt. Nichtsdestotrotz verlangte das Wohlfahrts- und Nutzenkriterium – so wie es der neoklassische Ausdruck für die klassische wohlstandsorientierte Definition von Ökonomie tat – nach einer bewussten Verschiebung des Fokus bei der Betrachtung ökonomischer Phänomene. Obwohl sie erst nach Einführung der Grenznutzentheorie populär wurde, hatte diese Sichtweise doch ihre Vorläufer, und zwar bereits in der klassischen Ökonomie. Einer der Nachfolger von Adam Smith, Dugald Stewart, meinte, die politische Ökonomie sei mit „dem Glück und der Verbesserung der politischen Gesellschaft“ befasst.98 Die Haltung von Henri (Heinrich v.) Storch haben wir in diesem Kapitel bereits kennengelernt. Er fasste die Ökonomie so weit, dass sie nicht nur mit dem Wohlstand der Nation befasst war, sondern mit deren „Prosperität“ – eine Vorstellung, die „Zivilisation“ und Wohlstand gleichermaßen umfasste. Als John Stuart Mill sich mit der Definitionsfrage beschäftigte, kritisierte er Say dafür, eine ähnlich weite Vorstellung von der politischen Ökonomie zu Cannan (19173), S. 312. Die zitierte Stelle erschien erstmals in der zweiten Auflage von Cannan (1903). 96  Zur Unterscheidung „klassifizierender“ and „analytischer“ Definitionen von Ökonomie siehe Robbins (19352), S. 16 f.; Macfie (1936), S. 2; Fraser (1947), S. 26 f. 97 „Wohlergehen war wie eine Flüssigkeit oder ein Gas: obgleich schwer zu messen, im Prinzip doch messbar …“ Little (1950), S. 9. 98  Stewart (1855), I, S. 9. Die Stelle wurde um 1810 geschrieben. Vgl. Bonar (1922), S. 152. 95 

Vom Wohlstand zum Wohlergehen

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haben. Sismondis Betonung von Glück und Konsumption99 und Lauderdales alles umfassende Definitionen von Wohlstand fallen mit ihren dahinter liegenden Auffassungen von Ökonomie in dieselbe Gruppe. Die mit der Reaktion auf die klassische Schule einhergehende, allgemeine Tendenz, die Ökonomie als eine Wissenschaft vom Wohlergehen statt eine vom Wohlstand zu sehen, ist in vielfacher Weise in der Literatur belegt. Cliffe Leslie, später die mahnende Stimme des historischen Bewusstseins in der britischen Wirtschaftswissenschaft, spielte in dieser Entwicklung eine Rolle. Bereits 1862 attackierte Leslie in dem viel zitierten Aufsatz, The Love of Money, die Idee, dass die Verfolgung von Wohlstand ein eigenständiges menschliches Motiv darstelle. Die Liebe zum Geld meint für jeden Menschen etwas anderes. Für den Gelehrten kann es die Liebe zu den Büchern meinen, für den Säufer die Liebe zum Alkohol. Offenbar gibt es nichts Einheitliches in den Motiven, das die Menschen nach Geld streben lässt. Sie sind so heterogen wie die Geschmäcker der Menschen selbst. Solcherlei Argumente ließen Leslie und andere später die klassischen Ökonomen wegen deren Idee kritisieren, man könne Wohlstandsgesetze jenseits von Gesellschaftsgesetzen aufstellen. Obwohl solche Ideen die Vorstellung einer einheitlichen Kategorie des Wohlstands unterminierten, indem sie auf die Heterogenität der Nachfrageseite verwiesen, haben sie dennoch zweifellos zu einem besseren Verständnis der Natur der Nationalökonomie beigetragen. So war es zum Beispiel die nun erhöhte Aufmerksamkeit für den Nachfragefaktor, die es Jevons ermöglichte, den „Nutzen … als Gegenstand der Nationalökonomie zu begreifen“, oder einen amerikanischen Autor erklären ließ, dass alle Definitionen von Ökonomie letzten Endes in die „Wissenschaft des Genusses oder … Wissenschaft von den Mitteln des Genusses“ mündeten.100 In Frankreich nährte die traditionelle Hervorhebung des Nutzens den Widerstand gegen jene Ökonomiedefinitionen, die auf Begriffe wie Wohlstand zurückgriffen.101 Wohlergehen, Nutzen, Ophelimität waren die Begriffe, um die herum die Darstellungen ökonomischer Lehrmeinungen kreisten. Die „ethische Neutralität“, mit der diese Begriffe verwendet wurden, entfernte die neueren Auffassungen noch weiter von der wohlstandsgebundenen Vorstellung des Geltungsbereichs. Gleichzeitig baute sie der Ökonomie eine Brücke, über die diese bei Belieben gehen konnte, um eine Wissenschaft vom Verhalten oder von der Logik reiner Wahlhandlungen zu werden. Bis in unser Jahrhundert hinein war die Vorstellung von der Wirtschaftswissenschaft als Disziplin, die sich vor allem mit dem Wohlergehen befasst, oder zumindest mit materiellem Wohlbefinden, wahrscheinlich die am weitesten verbreitete Sismondi (19513), S. 66. Jevons (1905), S. 49; Powers (1899), S. 16. 101  Zu den zeitgenössischen französischen Autoren, die den Objektivismus der in Begriffen wie richesses formulierten Definitionen ablehnten, zählen Dameth (1878), S. 89; Girault (1900), S. 796; Villey (1894), S. 5; Gide (19052), S. 3, Anm.; Tarde (1902), I, 127. 99 

100 Siehe

2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

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Auffassung unter den englischen Ökonomen. Von Marshall aber auch von Cannan stammen weitverbreitete Lehrbücher mit vielen Auflagen, in denen ihre Definitionen mithilfe von Begriffen wie materielles Wohlergehen formuliert waren.102 Marshall hat sogar behauptet, dass die Ökonomie nur zufälliger Weise mit materiellem Wohlstand befasst sei und dass ihre wahre philosophische Bestimmung sonst wo gesucht werden müsse.103 Cannan hingegen hielt das Kriterium der materiellen Wohlfahrt für das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der Ökonomie. Und als Robbins bei seiner Kritik an dieser Auffassung vor allem derlei Formulierungen scharf anging, war Cannan nur allzu bereit, für sie in die Bresche zu springen.104 In Amerika riefen Fetter und Mitchell trotz aller Unterschiedlichkeit ihrer Ansätze gleichermaßen dazu auf, das Interesse vom Wohlstand auf das damit verbundene menschliche Wohlergehen zu verlegen. Bei beiden Traditionen sah man eine Notwendigkeit für eine derartige Verschiebung bei der Grundvorstellung dessen, was die Natur der Wirtschaftswissenschaft ausmacht.105 Gewiss, die Festlegung der Ökonomie als Wissenschaft vom wirtschaftlichen Wohlergehen warf hinsichtlich der Begründbarkeit und Gültigkeit von Aussagen zu Änderungen gesellschaftlichen Wohlergehens grundlegende Fragen auf. Die Wohlfahrtsökonomen der letzten Jahrzehnte wussten bei ihrer Arbeit um den langen Schatten dieses heiklen Problems, das die Zulässigkeit interpersonaler Wohlfahrtsvergleiche und die Legitimität denkbar gewordener ethischer Annahmen voraussetzte.106 Sir Dennis Robertson gab dabei zu bedenken, dass aufgrund von Neidimplikationen selbst dann, wenn jeder mehr von allen Güter erhielte, es unwahrscheinlich sei, dass die Wohlfahrt wachse. Die für Robertson typische Sichtweise in dieser Frage hätte sicherlich Cannans Widerspruch hervorgerufen: „Natürlich ist es viel besser zu behaupten, es sei nun mal zweifellos eine Tatsache, dass die ökonomische Wohlfahrt in diesem Fall steigen werde, und dann den Bischof von Canterbury herbeizurufen, um den Menschen eins überzubraten, falls sie so dumm sind, das Mehr an Glück, das sie dieser einfachen Tatsache verdanken, sich von neidzerfressenen Monstern madig machen zu lassen. Und dennoch will es mir einfach nicht in den Kopf, dass eine derart gebräuchliche Unterscheidung zwischen dem, was wirtschaftlich ist und was nicht, so sehr unter der Tatsache leiden sollte, dass der Erzbischof ein Gehalt bezieht

Robbins (1935), S. 4 und Anmerkungen. eine detailliertere Erörterung von Marshalls Auffassung hinsichtlich des ökonomischen Blickwinkels siehe Kap. 5. Siehe auch Parsons (1931), S. 106 ff. Eine Ausein­ andersetzung mit den Grenzen, die sich für Marshalls Übernahme der Wohlfahrtsformulierung ergeben, liefert Fetter (1920), S. 721. 104  Cannan (1932), Besprechung von L. Robbins, Nature and Significance, in Economic Journal, September 1932, S. 424 – 427. 105  Fetter (1920); Mitchell (1950), S. 381. 106  Eine informative Übersicht zu diesen Problemen findet sich in Streetens Appendix zu seiner Übersetzung von Myrdals The Political Element in the Development of Economic Theory (1954). 102 Siehe 103 Für

Die Wissenschaft von den niederen Bedürfnissen der menschlichen Natur

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und seine Gamaschen aus knappen Ressourcen bestehen, die man auch zu einem ganz anderen Zweck hätte nutzen können.“107

Robertsons Worte bringen das Problem auf den Punkt, das beim Übergang vom Wohlstand zum Wohlergehen auftaucht. Wenn die Ökonomie mit einem Teil des Wohlergehens zu tun hat, wie ist dann dieser Teil festgelegt? Das von Can­ nan vorgelegte Kriterium des „materiellen Wohlstands“ bot eine Antwort auf diese Frage, weil es eine Verbindung zur aufgegebenen Vorstellung von der Ökonomik als Wohlstandswissenschaft beibehielt. Die denkbaren, von Robertson beiseite gewischten Einwände gegen ein solches Kriterium bewegen sich im Rahmen der in diesem Kapitel behandelten Definitionen.

Die Wissenschaft von den niederen Bedürfnissen der menschlichen Natur Man kann dieses Kapitel über die Definitionen der Ökonomie als Wohlstandswissenschaft nicht abschließen, ohne jenes Stigma zu erörtern, das der Ökonomie seit jeher anhängt und das die Festlegungen des Fachs auf das Thema Wohlstand weitgehend zu verantworten hat. Vor mehr als 100 Jahren befasste sich Bailey mit der weitverbreiteten Auffassung, derzufolge die Wirtschaftswissenschaft „eine gemeine, entwürdigende und schmutzige Untersuchung“ ist.108 Damals war den Ökonomen nicht ganz wohl dabei, Carlyles herabsetzende Beschreibung ihrer Disziplin als „Schweinewissenschaft“ abzuschütteln. Aber vor allem, indem sie ihr Fach als Wohlstandswissenschaft begriffen haben, konnten sie sich dieser Kritik offen stellen. Die Ökonomie, die nur vom Wohlstand handelte, musste sich von Anfang an dem Meinungsbild stellen, demzufolge die sogenannten „wirtschaftlichen Tugenden“ moralisch tief in Misskredit standen.109 Gegen Ende der eigentlichen klassischen Ökonomie glaubten viele der führenden Gelehrten auf diesem Gebiet, sie müßten die moralische Integrität ihrer Disziplin immer und immer wieder vor bösen Zungen in Schutz nehmen.110 In den 1830er und 1840er Jahren traten sie der Kritik an deren moralischem Stellenwert mit Empörung, Verhöhnung oder Schmähung entgegen. In den Augen der Öffentlichkeit resultierte die Wertlosigkeit der politischen Ökonomie unmittelbar aus der Beschäftigung mit einem so niederen Subjekt wie dem des Wohlstands. 107  Robertson (1954), wiederabgedruckt in seinen Economic Commentaries (London 1956), S. 57 – 58. Robertson prägte den Begriff „ecfare“, um den besonderen Bereich menschlichen Wohlergehens zu bezeichnen, der für den Ökonomen von Belang ist. 108  Bailey (1852), S. 125. Der Aufsatz wurde um 1835 verfasst. 109  Zum Verruf, in dem die „wirtschaftlichen Tugenden“ standen, siehe z.B. Tawney (1926), Kap. IV. 110  In seiner Inquiry into the Various Systems of Political Economy (übersetzt von D. Boileau, New York 1812) widmet Ganilh ca. 30 Seiten der Darstellung der klassischen und modernen Zivilisationen, um zu zeigen, dass der Wunsch nach Wohlstand in letzteren keine Ähnlichkeit zum zweifelhaften Gegenstück der ersteren habe.

2. Kap.: Die Wissenschaft von Wohlstand und Wohlfahrt

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Alle Verderbtheit, welche die Moralisten seit jeher dem Wohlstand zugeschrieben haben, wurde nun ganz selbstverständlich der Wissenschaft vom Wohlstand angehängt. Die Art und Weise, wie man sich hier und da gegen die Anschuldigungen verteidigte, ist bezeichnend. In aller Regel versuchte man erst gar nicht, die mit dem Wohlstand verbundenen Assoziationen des Amoralischen zu widerlegen. Man müsse aber, so wurde dann argumentiert, politische Ökonomie betreiben, um genauer zu wissen, wie man Wohlstand vermeiden könne.111 Wie auch immer, auch ungeachtet der recht ausführlichen Apologien auf Seiten jener Autoren, kann der Beobachter sich wohl kaum des Eindrucks erwehren, dass viele Ökonomen von derlei Argumenten alles in allem selbst nicht überzeugt waren. Obgleich sie nicht von ihrem Gegenstandsbereich glaubten, dass er ein verächtlicher sei, so dachten sie doch ganz gewiss, dass sie sich hauptsächlich mit der niederen und gemeineren Seite der menschlichen Natur befassten. R. Jen­ nings, einer der „Vorläufer“ des Subjektivismus in der Ökonomie, zeichnete ein recht abstoßendes Bild von den Beweggründen, mit denen die Ökonomie befasst ist. In seinem Werk von 1855 verkündete er, dass die „Politische Ökonomie nur solche Empfindungen und Verlangen des Menschen untersucht, die denen … der niederen Spezies ähneln oder gleichkommen. … Nie versucht sie, jene höheren Pfade menschlichen Verhaltens zu betreten, auf denen man von der Moral oder der Religion gelenkt wird.“112 Unter den späteren Autoren, vor allem unter solchen, die das hedonistische Bild der Ökonomie pflegten, herrschte eine ähnliche Meinung. Man gestand die moralische Unterlegenheit gegenüber den Gralshütern der „höheren“, weniger weltlichen Erkenntniszweige irgendwo ein. Bagehot spricht davon, dass die anderen Wissenszweige viel höher ragten, weil sie sich mit Dingen beschäftigten, die viel edler seien als Wohlstand und Geld.113 Und Jevons schrieb: „Meine jetzige Aufgabe ist vollbracht, wenn ich den Freuden und Leiden, mit denen die Ökonomen beschäftigt sind, ihren richtigen Platz zugewiesen habe. Der Rang der Empfindungen, mit denen wir uns befassen …, ist der niederste unter allen.“ Edgeworth war der Meinung, die Ökonomie betrachte „die niedersten Elemente der menschlichen Natur.“114 Und es ist kaum verwunderlich, dass Jevons hoffnungsfroh schrieb, er „vertrete unverzagt die Grundsätze der Politischen Ökonomie“ inmitten von Hunden und anderen leidlich intelligenteren Tieren.115 Die gesamte Literatur zu den „niederen“ Seiten der menschlichen Natur, mit der die Wirtschaftswissenschaft angeblich befasst war, spricht Bände für das dem

Whately (18554), S. 25; Longfield (1834), S. 3. Jennings (1855), S. 41. 113  Bagehot (1889), V, S. 224. 114 Siehe Jevons (1871); (19114), S. 26; Edgeworth (London 1881), S. 52 – 53. 115 Siehe Jevons (1876), wiederabgedruckt in Jevons (1905), S.  197 – 199. 111 Siehe

112 

Die Wissenschaft von den niederen Bedürfnissen der menschlichen Natur

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Wohlstand verpflichtete Bild vom eigenen Fach.116 Das vordergründig Charakteristische dieses Definitionstypus ist, dass er die ökonomische Tätigkeit mit einer bestimmten Art von Zielen verknüpft. Eines der vielen Ziele menschlichen Strebens, eines, das als Wohlstand bekannt ist, wird ausgesondert und zum Gegenstand der Ökonomie erkoren. Weil Wohlstand vor allem den physischen Bedürfnissen dient, ergibt sich im Handumdrehen das Niedrige der ökonomischen Phänomene. Erst im 20. Jahrhundert war die Auffassung von der ethischen Sonderstellung der Ökonomie so weit anerkannt, dass die Einbindung weiterer Ziele ins Reich der Wirtschaftswissenschaft ganz aus der Mode kam.

116 Siehe Hayek (2007), S. 119 – 120, und seinen interessanten Kommentar zu den unheilvollen Konsequenzen der Annahme, dass wirtschaftliche Handlungen vornehmlich die Niederungen des Lebens beträfen.

3. Kapitel

Die Wissenschaft von der Habgier; wie man aus so wenig wie möglich so viel wie möglich macht 3. Kap.: Die Wissenschaft von der Habgier

Früher hat man den Ökonomen oft vorgeworfen, ihre Theorien beträfen nur selbstsüchtige Menschen. Diese Vorwürfe wurden als absurd abgetan. Aber sie waren nicht absurd … I.M.D. Little Die lebensnotwendige Medizin für ein sterbendes Kind oder die Flasche Wein für ihn selbst; die Werkzeuge für seine Geschäfte; die Einrichtung für ein Altersheim, bezahlt aus dem Beitrag des künftigen Heimbewohners – sie alle werden aus demselben Ziel erstanden, nämlich dem, so viel wie möglich aus so wenig wie möglich herauszubekommen, ganz gleich welcher Beweggrund zum Kauf führen mag. J. Viner

In diesem Kapitel subsummieren wir solche Definitionstypen, die ihre Besonderheit einer der beiden folgenden Charakteristiken verdanken. Entweder sehen sie die ökonomische Tätigkeit vornehmlich von pekuniären Selbstinteressen motiviert oder im Einklang mit einem Verhaltensmuster, das man das sogenannte „ökonomische Prinzip“ nennt. Beide Auffassungen und eine ihnen gemeinsame Grundannahme verdienen eine ausführlichere Betrachtung.

Die Wissenschaft von der Habgier Bekanntlich hat man lange Zeit geglaubt, die Wirtschaftswissenschaftler könnten das menschliche Verhalten nur studieren, indem sie sich darauf beschränkten, ausschließlich selbstsüchtig inspiriertes Verhalten zu betrachten. Dank dieser Auffassung konnte man ihnen vorwerfen, verwerflich unrealistisch zu sein oder sich in den „Abgründen der menschlichen Seele“ verloren zu haben.117 Bei dem Historiker Buckle findet man eine wohlbekannte Stelle, an der die unterschiedlichen Akzente, die Adam Smith in seiner Theorie der ethischen Gefühle und in seinem Wohlstand der Nationen gesetzt hat, dadurch erklärt werden, dass der späte Smith nur selbstsüchtige Motive betrachtet habe, während in seinen frühen Arbeiten auch altruistische Motive ihren Platz hatten.118 117  118 

Ruskin (1862), Vorwort, Abs. 5, Anmerkung. Buckle (1871), II, S. 343. Siehe auch Hutt (1936), S. 301, Anm. 2.

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Seit vielen Jahren sind die Ökonomen dabei, sich von dieser Sichtweise ökonomischer Tätigkeiten zu befreien. Letztere werden als Spiegel aller möglichen Beweggründe gesehen, altruistische wie egoistische. Diese Einstellung und der mit ihr einhergehende Effekt, dass der Bereich ökonomischer Untersuchungen weitergefasst wird, sind Teil der grundlegenden Faktoren, welche die Entwicklung unter den Ökonomiedefinitionen prägen. An dieser Stelle reicht es, festzuhalten, dass die Verbindung zwischen Ökonomie und Egoismus lange Zeit vorausgesetzt wurde. Diese Annahme bildete die Grundlage für eine eigene Vorstellung von der Natur der Ökonomie, und zwar als Wissenschaft von der Wirkungsweise des Eigeninteresses bei menschlichen Handlungen. Gewiss, der Akzent, den die Ökonomen angeblich oder tatsächlich auf den Egoismus legten, beinhaltete nicht, dass die thematische Definition in dieser Begrifflichkeit stattgefunden hätte. Der Egoismus war einfach nur eine bequeme Annahme, mit der die Ableitung bestimmter Ergebnisse bei der Datenauswertung erleichtert wurde. Den Kern der Ökonomie mochte man z.B. in der Auseinandersetzung mit materiellen Gütern sehen. Die Egoismusthese war dabei nur eine beiläufige Vereinfachung der ökonomischen Phänomene, die es dem Forscher einfacher machte. Die im vorigen Kapitel geführte Diskussion ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich die klassischen Ökonomen, die sich an eine Klasse von Objekten namens „Wohlstand“ gebunden sahen, ökonomische Angelegenheiten vorgestellt haben. Wie weit die klassischen Ökonomen bei Ihren Überlegungen alle menschlichen Motive mit Ausnahme von Eigeninteresse ausgeklammert haben, wird kontrovers diskutiert, ist aber hier nicht weiter von Bedeutung. Mögen Smith, Ricardo et al. den Egoismus auch unterstellt haben, den Kern der Phänomene, die sie untersucht haben, hat er ganz gewiss nicht ausgemacht. Die Möglichkeit, ein Segment der von Selbstinteresse geleiteten Handlungen als separates Forschungsfeld auszuklammern, bot sich in der Tat nur jenen Ökonomen, die den hypothetischen Charakter einer solchen Annahme erkannten. Wenn ein homo oeconomicus postuliert wird, der nur über ein Merkmal der menschlichen Natur verfügt, hier Geiz, dann ist es möglich, die ganze Nationalökonomie als eine ausführliche Darstellung dessen zu sehen, das sich infolge von Geiz ergibt. Das Wissen darum, dass wirkliche Menschen auch von anderen Motiven außer Geiz angetrieben werden, erlaubt eine konzeptuelle Abspaltung jenes Aspektes menschlicher Handlungen, während die anderen Motive ausgeblendet bleiben. Doch genau diese Möglichkeit stand den frühen klassischen Ökonomen nicht offen. Bei ihrer Annahme, dass der Impuls ökonomischer Tätigkeit dem Egoismus entspringe, gingen sie davon aus, dass ihre Vermutungen mit den Tatsachen der realen Welt weitgehend übereinstimmten. „Es ist“, wie Ricardo einmal schrieb, „das Selbstinteresse, das alle Spekulationen im Handel lenkt …“ Weil sie glaubten, das Streben nach Wohlstand sei Ausdruck von Eigeninteresse, und sie die Wirtschaftswissenschaft als Studium der Wohlstandsphänomene begriffen, machten die klassischen Autoren in ihren Arbeiten von der Konzeption des Egoismus Gebrauch. Aber dieser Egoismus war nur ein Begleitphänomen des tatsächlichen Forschungsgegenstands.

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Die Nationalökonomie, so wie sie sie verstanden, drehte sich keineswegs nur um jenen Aspekt der menschlichen Natur, der von Eigeninteresse beflügelt wird. Man kann vielmehr sogar sagen, dass mit der Betonung der hypothetischen Isolierung selbstbezogener Handlungen der erste große Fortschritt im Verstehen des Wesens wirtschaftlichen Handelns seit der Klassischen Ökonomie erzielt wurde. Die frühen Klassiker hatten ein objektives Forschungsthema formuliert, nämlich Wohlstand. Die Autoren der 1830er Jahre, allen voran J.S. Stuart Mill und S. Bailey, lehnten sich gegen diese Vorstellung auf. Es wurde zunehmend klarer, dass die Volkswirtschaftler nicht das objektive Phänomen des Wohlstands untersuchten, sondern vielmehr die wohlstandsorientierten Handlungen des Menschen. Dieser Fortschritt trat vor allem in Mills Aufsatz On the Definition of Political Economy; and on the Method of Investigation Proper to It klar und wirkmächtig zutage.119 Die gängige Definition des Themas im Sinne von Produktion, Verteilung und Konsumption des Wohlstands bot Mill einen bequemen Ausgangspunkt. Allerdings umfasst die Produktion von Wohlstand offensichtlich eine umfangreiche Bandbreite an Wissenschaften, einschließlich der Landwirtschaft, Physiologie, Chemie, Geologie etc., die unmöglich allesamt als Teilbereiche der politischen Ökonomie verstanden werden konnten.120 Und Mill war auch nicht bereit, das Thema im Rahmen der allgemeinen Gesetze für die Produktion aller Arten von Wohlstand abzuhandeln. „Der wahre Unterschied zwischen der politischen Ökonomie und den Naturwissenschaften muss in etwas Tieferem als der Natur des Forschungsgegenstands gesucht werden …“ Er ist in der Distinktion zwischen „Naturund Moralwissenschaften“ zu suchen. „Die Produktionsgesetze des … Wohlstands sind Gegenstand der Politischen Ökonomie und nahezu aller Naturwissenschaften. Was an diesen Gesetzen allerdings bloß Teil der Gesetze der Materie ist, gehört zur Naturwissenschaft, und zwar ausschließlich. Was von ihnen jedoch Teil der Gesetze des menschlichen Verstands ist, gehört zur Politischen Ökonomie, die letzten Endes das kombinierte Ergebnis der beiden zusammenfasst.“121

Für „die Zwecke des Philosophen“ wartet Mill aber noch mit einer Verfeinerung und Zuspitzung der Definition auf. Die Politische Ökonomie behandelt nicht die ganze Natur des Menschen; „… sie ist mit ihm nur als einem Wesen befasst, das Wohlstand zu haben wünscht. … Sie abstrahiert von allen anderen Leidenschaften und Motiven des Menschen, abgesehen … von der Aversion gegen Arbeit und dem Verlangen nach augenblicklichem Genuss kostspieliger Ausschweifungen.“122 119  Mills Aufsatz erschien zuerst im Oktober 1836 in einer Ausgabe der London and Westminster Review. Er wurde jedoch bereits einige Jahre zuvor verfasst. Siehe dazu Bo­ nar (19223), S. 239; siehe auch Ashleys Einleitung zu der 1909 erschienenen Ausgabe von J.S . Mill’s Principles of Political Economy, S. xvi. 120  J.S . Mill, „On the Definition of Political Economy”, wiederabgedruckt in Essays on Some Unsettled Questions of Political Economy (1844), S. 127. (Alle Verweise beziehen sich auf den Wiederabdruck der London School of Economics and Political Science von 1948.) 121  Mill (1948), S.  129 – 132.

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In seiner abschließenden und höchst sorgfältig formulierten Definition werden die „Gesetze der Gesellschaft“, nicht jene des Wohlstands, zur Untersuchung abgesondert. Die politische Ökonomie als Wissenschaft „verfolgt die Gesetze jener Gesellschaftsphänomene, die sich aus den verzahnten Interaktionen der Menschen bei der Wohlstandsproduktion ergeben, sofern diese Phänomene nicht bereits durch die Verfolgung anderer Ziele verändert sind.“123 Dieses Bild von der Natur der Ökonomie ist also sehr eng mit jener buchstäblich am Horizont auftauchenden unseligen Kreatur verbunden, der des notorisch „ökonomischen Menschen“.124 Mill erschafft hier ein Wesen, von dem er alle anderen menschlichen Eigenschaften abstrahiert, die nicht dem Streben nach Wohlstand dienen. Die Wirtschaftsgesetze sind Ausdruck der Folgen aus dem gesellschaftlichen Zusammenspiel der Handlungen ökonomischer Menschen. In seiner Logik betonte Mill noch deutlicher, dass nach seinem Verständnis die Politische Ökonomie den Ablauf menschlicher wohlstandssuchender Aktivitäten untersuche und nicht die Phänomene des Wohlstands selbst.125 122

Wenn man ein Modell vom menschlichen Akteur, der nur mit der Leidenschaft für Wohlstand ausgestattet ist, baut, dann impliziert man damit natürlich auch die Vorherrschaft des Selbstinteresses. Gewiss waren nicht alle Ökonomen bereit, al­ Mill (1948), S. 137. Mill (1948), S. 140. 124 Die frühen klassischen Ökonomen nutzten das Konzept des „ökonomischen Menschen“, sahen aber keinen Anlass, dessen Natur zu definieren oder den Grad der Abstraktion, aus der er hervorging, genauer zu bestimmen oder gar zu sagen, ob er überhaupt existiere. Das ist sehr wohl verständlich. In einer Wohlstandswissenschaft ist es offensichtlich eine Vereinfachung, nur solche Aspekte der menschlichen Natur in Betracht zu ziehen, die sich dem Anschein nach am ehesten auf die Wohlstandsphänomene auswirken. Nur für jemanden wie Mill, für den die Politische Ökonomie ausschließlich mit den „Geistesgesetzen“ befasst ist, musste es geboten erscheinen, solche Bereiche der menschlichen Natur abzugrenzen, auf welche die Untersuchungen der Politischen Ökonomie besonders zutrafen. Zur Untersuchung der Rolle des ökonomischen Menschen in der klassischen Ökonomie siehe Fey (1936). 125  Mill (1879), 6. Buch, Kap. 9, Abs. 3. Samuel Bailey, der Autor von A Critical Disser­ tation on the Nature, Measures, and Causes of Value; Chiefly in Reference to the Writings of Mr. Ricardo and His Followers (1825), scheint unabhängig von Mill eine ähnliche Position vertreten zu haben. Bedauerlicherweise haben die übrigen Schriften Baileys, vor allem sein Aufsatz „On the Science of Political Economy“, weniger Aufmerksamkeit erfahren. Besagter Aufsatz erschien als Discourse IV in S. Bailey, Discourses on Various Subjects Read Before Literary and Philosophical Societies (1852). Eine Fußnote auf S. 112 erklärt, der Aufsatz zur Politischen Ökonomie sei 1835 geschrieben worden (also ein Jahr vor der Veröffentlichung von Mills Aufsatz). Bailey widerspricht darin der üblichen Festlegung des Forschungsgegenstands auf Wohlstand energisch (S. 107 f.). Wie Mill, geht es Bailey um die Trennung der technischen Produktionsgesetze (welche die Naturwissenschaften einbinden) von den für die Politische Ökonomie bedeutsamen ökonomischen Gesetzen. Bailey verwandelt unverkennbar das Bild von der Ökonomie als Wissenschaft vom Wohlstand in das von der Ökonomie als Wissenschaft vom Menschen. Dabei scheint er mit der Versuchung geliebäugelt zu haben, etwas zu erschaffen, das Mills ökonomischem Menschen verdächtig nahe kam. 122  123 

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truistische Motive völlig auszuschließen. So verwiesen beispielsweise Whately und Senior darauf, dass man Wohlstand auch zum Zwecke karitativer Ziele verfolgen könne.126 Gleichwohl war die mit dem Auftritt des homo oeconomicus in Gang gesetzte Tradition dafür verantwortlich, dass die Ökonomen weiterhin den von ihnen untersuchten Aktivitäten eine explizit selbstsüchtige Motivation unterstellten. Autoren wie Bagehot, Lowe, Cunningham und Edgeworth, die mehr oder weniger offen im Eigeninteresse das „erste Prinzip der reinen Ökonomie“ sahen, hielten einfach an der bestehenden Tradition fest.127 Die Erhebung des pekuniären Selbstinteresses zu einem sorgfältig ausgewählten Kriterium, das Aktivitäten herausstellen ließ, die einer Nationalökonomie zugänglich sind, markiert einen bedeutenden Fortschritt gegenüber der früheren klassischen Position. Auch wenn man sagen muss, dass der ökonomische Mensch nur eine monströse Karikatur war, so war er doch ein handelndes Lebewesen, dessen Handlungen nun der Gegenstand der Forschung waren. Für die früheren Autoren war der Wohlstand das Thema. Für die Ökonomen nach 1830 war der Wohlstand nur noch als Objekt, das jene besondere Art des menschlichen Verhaltens weckte, von Bedeutung. Man hat einige Anstrengungen unternommen, um Spuren subjektivistischen Denkens in der Ökonomie vor 1870 zu finden. Dabei hat man einen beträchtlichen Umfang an Literatur zu Tage gefördert, in dem man den Beginn einer Reaktion auf die objektivistische Werttheorie der klassischen Schule sehen kann.128 Es liegt nahe, zwischen dieser Antwort auf den klassischen Objektivismus und der Akzentverschiebung unter den beiden Ansätzen (von der Vorstellung der Wohlstandswissenschaft zur Vorstellung der Wissenschaft vom wohlstandssuchenden Menschen) eine bedeutende Parallele zu sehen. Für Ricardo, der „mit der Einschätzung des Marktes aufhörte und nicht bis zur Einschätzung des Individuums vorrückte“, war die Politische Ökonomie solange vollkommen akzeptabel, wie man sie als Untersuchung eines Aspekts der Wohlstandsphänomene verstand, bei der die entscheidenden Faktoren der menschlichen Natur vollständig in den Hintergrund gedrängt waren. Einem Bailey oder einem Senior, deren werttheoretischen Ansätze weiter entwickelt waren, musste eine derartige Auffassung zwangsläufig unangemessen erscheinen. Ungeachtet des Fortschrittes, der mit der Vorstellung der hauptsächlich von pekuniären Selbstinteressen motivierten ökonomischen Tätigkeit einherging, trug diese Auffassung noch sichtbar die Zeichen ihrer engen Beziehung zu den früheWhately (18554), S. 16; Senior (1938), S. 27; zu Seniors Deutung des ökonomischen Menschen bei Mill siehe Bowley (1937), S. 61 f. 127 Siehe Edgeworth (1925), I, S. 173. Edgeworth wusste, dass Marshall die Notwendigkeit des Eigeninteresses für die Ökonomie bestritt. Siehe dazu Edgeworths Besprechung der 3. Ausgabe von Marshalls Principles in Economic Journal, V, 586. Zu Cunningham siehe Cunningham (1892), S. 498. Eine umfangreichere Erörterung des Stellenwerts des Eigeninteresses in der neoklassischen Ökonomie bietet Hutt (1936), Kap. XIX. Siehe auch Knight (1940), S. 461 f. 128  Siehe vor allem Bowley (1937) Kap. II. 126 

Das ökonomische Prinzip

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ren Auffassungen von Ökonomie als Wohlstandswissenschaft. Es spricht für sich, dass die Ökonomie als Wissenschaft von der Gier als ein Bindeglied verstanden wird, und zwar als ein Bindeglied zwischen der Ökonomie als Wohlstandswissenschaft und den in den letzten Jahrzehnten auftauchenden, subtileren Vorstellungen vom Fach. Das Bild vom Wohlstand geht mit der Annahme einer bestimmten gemeinsamen Eigenschaft der Wohlstand konstituierenden Objekte einher – eine Eigenschaft, die für gewöhnlich als „materiell“ identifiziert wurde, oder als den „niederen“ Bedürfnissen des Menschen dienlich. Im Mittelpunkt des wirtschaftswissenschaftlichen Interesses standen genau diese Objekte. Der Verlagerung des Akzentes vom Wohlstand zum wohlstandssuchenden Akteur zum Trotz, mussten Mill und Bailey dem Wohlstand nach wie vor eine bedeutende Rolle beimessen. Und diese gemeinsamen Eigenschaften der Wohlstand konstituierenden Objekte wurden für die Nationalökonomie vielleicht noch zentraler, weil es die Anziehungskraft dieser Qualitäten war, welche die Gier des ökonomischen Menschen bedingte und entfachte. Der Bruch mit den früheren sich um Wohlstand drehenden Definitionen war, so klein er auch gewesen sein mag, groß genug, um einen Ausweg aus jener umständlichen und irreführenden Vorstellung von Ökonomie zu weisen. Versteht man die Ökonomie erst einmal als Auseinandersetzung mit einem bestimmten Verhaltens­ muster oder gar einer einheitlich motivierten Verhaltensweise, dann kann man ihre Verbindung zur Klasse der Wohlstand konstituierenden Objekte leicht kappen. Obwohl Wohlstand für die Gestaltung des Verhaltensmusters des wohlstandssuchenden Menschen ursprünglich als strukturierende Einheit wirkte, konnte man ihn doch recht bald als unnötiges Gerüst der endgültigen Gesamtstruktur verwerfen. Man erkannte, dass das Verhalten des wohlstandssuchenden Menschen eine hinreichende strukturelle Eigenständigkeit besaß, und zudem ausreichend universal war, um eine eigenständige thematische Auseinandersetzung mit ihm zu rechtfertigen. Nun konnte man die Ökonomie festlegen, nicht als Lehre vom Wohlstand, auch nicht die vom Menschen-auf-der-Suche-nach-Wohlstand, sondern als Lehre von einem unverwechselbaren Verhaltensmuster: so viel wie möglich mit so wenig wie möglich erreichen.

Das ökonomische Prinzip Das hier besprochene Verhaltensmuster ist in vielfacher Weise als jenes verstanden worden, das dem „ökonomischen Prinzip“ entspricht, und zwar im Einklang mit dem „Gesetz des geringsten Aufwandes“, oder dem „Maximierungsprinzip“ oder ähnlichem. Eine seiner ersten Ausformulierungen, die noch von der Nähe zur klassischen Wohlstandswissenschaft zeugt, ist die von Senior, der über die erste der vier Grundannahmen in der Politischen Ökonomie schrieb, „dass jeder Mensch seinen Wohlstand mit so wenig Opfern wie möglich mehren wolle.“129 In dieser 129 

Senior (1902), S. 26.

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Frühform ist das ökonomische Prinzip in der Tat kaum vom pekuniären Selbstinteresse zu unterscheiden. Genau an diese Art von Aussage dachte Henry George, als er viele Jahre später beklagte, „dass von dem Moment an, da die Politische Ökonomie die Aufmerksamkeit nachdenklicher Menschen auf sich zog, das Prinzip des menschlichen Eigeninteresses das Prinzip ersetzte, wonach die Menschen ihre Bedürfnisse mit dem geringsten Aufwand befriedigen.“130 Die Vorstellung von Ökonomie im Sinne des Maximierungsprinzips, ob nun mit Bezug auf Selbstsucht oder nicht, bewegte sich in der Tat im Fahrwasser jener Entwicklung, die durch die explizite Charakterskizze des ökonomischen Menschen ins Leben trat. Ihr Verhältnis zur Auffassung, dass ökonomische Tätigkeiten von pekuniärem Selbstinteresse angeregt werden, entspricht dem zwischen der Vorstellung von Wohlfahrt und den frühen aus ihr hervorgegangenen Beschreibungen von Ökonomie als Wohlstandswissenschaft, so wie sie im vorherigen Kapitel erörtert wurden. So wie Wohlergehen zum zentralen Thema des wirtschaftswissenschaftlichen Interesses wurde, und nicht mehr die Objekte (wie z.B. Wohlstand), die für den Genuss des Wohlergehens als notwendig erachtet wurden, so ersetzte in analoger Weise die Idee des Verhaltens, dessen Muster dem Maximierungsprinzip folgte – soll heißen: der abstrakte Trieb, mehr für weniger zu kriegen –, die Vorstellung von wohlstandsorientierten Handlungen im Eigeninteresse als zentrales Thema ökonomischer Angelegenheiten. Dabei spielt es keine Rolle, dass man zunächst Gier und nicht Wohlstand als die einzige Stimulanz für dieses Verhaltensmuster erachtet hatte. Auch wenn die Bedeutung des sogenannten ökonomischen Prinzips in der Literatur schon früh und vielfältig zum Ausdruck kam, gab es erst im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eine ausführliche Diskussion der Bedeutung dieser Vorstellung für die Natur der ökonomischen Untersuchung. Außer Senior sah der deutsche Ökonom Hermann in der Maximierung der Bedürfnisbefriedigung das Schlüssel­element der ökonomischen Tätigkeit.131 Ein großer Teil der späteren Diskussion in Deutschland scheint Hermanns Idee als Ausgangspunkt genommen zu haben. Obwohl das am pekuniären Selbstinteresse orientierte Verständnis von Ökonomie vor allem in England große Bedeutung errang, hat das Maximierungsprinzip in der britischen Literatur nach 1870 eigenartiger Weise kaum Anklang gefunden. Vor Wicksteeds Hauptwerk von 1910 gibt es nur wenige Aussagen zu dem Prinzip und eigentlich keine tatsächliche Auseinandersetzung hinsichtlich dessen Bedeutung. Den vielleicht klarsten Ausdruck, und das in dezidiert hedonistischen Begriffen, findet man bei Jevons, der das „Objekt“ der Ökonomie mit den Worten

George (1898), S. 88. Hermann (18702), S. 67 – 68. Vgl. vor allem die Anm. auf S. 68, wo Hermann aus einer 1836 von ihm verfassten Rezension zitiert, die ähnliche Ideen enthält, die zu jener Zeit auch von Mill und Bailey zu Papier gebracht wurden. 130  131 

Das ökonomische Prinzip

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beschrieb: „das Glück durch den Erwerb von Lust zu maximieren und zwar zum geringstmöglichen Preis an Leid.“132 In Deutschland und in den USA wurde dem ökonomischen Grundprinzip indes eine sehr ausführliche und feinsinnige Behandlung zu Teil. Die deutsche Debatte zum Status des ökonomischen Prinzips bringt den im letzten Quartal des vorigen Jahrhunderts erzielten Fortschritt hinsichtlich der Auffassung von Ökonomie am klarsten zum Ausdruck. Die in den beiden Debattenlagern geäußerten Meinungen einmal ganz beiseite gelassen, allein, dass solch eine Kontroverse überhaupt stattfand, zeigt, mit welcher Erfahrenheit die Ökonomen nun ihren Gegenstand untersuchten. Ob man das Prinzip als Definitionskriterium für ökonomische Phänomene erwog oder nur als bequemes Theorieinstrument für ein unabhängig wahrgenommenes ökonomisches Handeln, war eine Frage, die sich für die klassischen Ökonomen gar nicht erst stellen konnte. Der Wirtschaftswissenschaftler musste zunächst einmal erkennen, dass er es mit einer Art von Aktivität zu tun hat, und nicht mit einer Spezies von Objekten, bevor er über die Rolle des ökonomischen Prinzips beim Verstehen dieser Aktivitäten reden kann – und es dabei entweder als eine Erklärungshilfe oder als eine definierende Eigenschaft betrachtet. Die Debatte in Deutschland war weitgehend auf Wirtschaftswissenschaftler begrenzt, die vor „Abstraktionen“ oder Theorien nicht zurückscheuten. Die Vertreter der Historischen Schule, die für die Abstraktionen der Theoretiker, die das ökonomische Prinzip als Grundhypothese nutzten, nur Hohn und Spott übrig hatten, konnten dieses Prinzip natürlich schlecht als Definitionshilfe in Betracht ziehen. Unter den Ökonomen, die in diesen Diskussionen eine Rolle spielten, fanden sich so bedeutende Köpfe wie Schäffle133, Wagner, Neumann und Dietzel. Wagner scheint in den 13 Jahren zwischen der zweiten und dritten Auflage seines Lehrbuches in jener Frage einen Perspektivwechsel vollzogen zu haben. Noch 1879 hatte er die Wirtschaft fein säuberlich im Sinne des ökonomischen Prinzips definiert, das klipp und klar besage, dass die Bedürfnisbefriedigung mit einem Minimum an Opfern zu maximieren sei. In der Ausgabe von 1892 ersetzte er diese Stelle durch eine konventionelle Definition von Wirtschaft im Sinne von Güterproduktion.134 In der Zeit zwischen den beiden Ausgaben von Wagners Buch missbilligten Dietzel und Neumann den Gebrauch des ökonomischen Prinzips als definierende Eigenschaft der ökonomischen Tätigkeit mit Nachdruck. Im Wissen um die entscheidende Bedeutung des Prinzips für die Nationalökonomie, dessen Bedeutung sie in erkennbarer Weise und mit viel Gespür verstanden hatten, verwarfen beide Autoren den Gebrauch des Prinzips als Kriterium des Wirtschaftens aus ein und denselben Gründen. Beide verwiesen darauf, dass das ökonomische Prinzip das Muster der menschlichen Aktivität im Allgemeinen beschreibe und in Teilen des Verhaltens auftauche, mit dem der Wirtschaftswissenschaftler sich nie zuvor beJevons (1871), S. 23. Siehe auch das Zitat von Jevons in Leslie (1888), S. 101. Schäffle (18733), I, S. 46, zitiert in Menger (1883), S. 242. 134 Siehe Wagner (18792), S. 9; und (18923), S. 81. 132 

133 Siehe

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fasst habe.135 Beide verkannten die Möglichkeit, dass diese Tatsache eine wirkliche Homogenität aller menschlichen Handlungen anzeigen könne, einschließlich der „ökonomischen“, und folglich jede rigide Abgrenzung des Reichs der Ökonomie als künstlich überführen könne.136 Auch in den USA stieß die Nutzung der Maximierungsformel zur Definition der Ökonomie auf den Einwand, das Prinzip habe einen Anwendungsbereich, der weit über die Grenzen dieser Wissenschaft hinausreiche. Hadley charakterisierte das Material, auf dem die Wirtschaftswissenschaft errichtet worden sei, nicht als materielle Güter, sondern als einige einfache Gesetze der menschlichen Natur, von denen „das wichtigste ist, dass die Menschen danach streben, ein Maximum an Befriedigung mit einem Minimum an Aufwand zu erzielen.“137 Hawley hingegen verwies darauf, die Ökonomie würde zur „Wissenschaft von den Motiven im Allgemeinen, was sie ganz bestimmt nicht ist“,138 wenn man meine, bei ihr ginge es um Handlungen, die ein Abwägungen von für und wider enthielten. Interessanterweise war Davenport auf der anderen Seite sehr von der Erkenntnis angetan, dass diese Formel „gleichermaßen gut an die nicht-ökonomischen Tatsachen des Lebens angepasst“ war, als er erklärte, das „ökonomische Problem“ bestehe in der „Minimierung des Aufwandes.“139

Der „ökonomische Impuls“ Die Erörterung der Bedeutung jener Konzepte wie Streben nach Wohlstand oder Maximierung der Bedürfnisbefriedigung für das Verstehen ökonomischer Phänomene lädt dazu ein, einen kleinen Abstecher zur Idee des spezifisch ökonomischen Motivs oder Impulses zu machen. Gewiss, die Bedeutung, sofern es eine gibt, die einer solchen Idee beiliegt, wird davon abhängen, wie die ökonomische Tätigkeit ganz allgemein verstanden wird. Wenn man sich z.B. die im vorangegangenen Kapitel erwähnte Sichtweise zu eigen macht, derzufolge ökonomische Handlungen

135 Siehe Dietzel (1883); Dietzel (1895), S. 81; Neumann (1889), S. 4 f.; siehe auch Phi­ lippovich (1913), S. 2, und Sombart (1913), wo sich ähnliche Formulierungen finden. Zu Sax’ Ansicht dazu, inwieweit die Nützlichkeit sich für die Definition des ökonomischen Prinzips eigne, siehe sein Werk Das Wesen und die Aufgaben der Nationalökonomie (1884), S. 12. 136  Interessanterweise wartet Robbins nahezu mit demselben Argument auf, das auch Dietzel gegen das Kriterium der materiellen Wohlfahrt ins Feld führte. Gegenüber den Wohlfahrtsökonomen macht er geltend, dass die Generalisierungen, die für materielles Wohlergehen bezweckende Handlungen gelten, nicht ganz zufällig auch für andere Handlungen Gültigkeit hätten; Robbins (1953), S. 105. 137  Hadley (1886), S. 93; hinsichtlich anderer US-Autoren, die zu jener Zeit das ökonomische Prinzip diskutierten, siehe Clark (1892), S. 57; Ely (1889), S. 58 – 59; Seligman (192310), S. 4. 138  Hawley (1907), S. 73. 139  Davenport (1896), S. 32.

Der „ökonomische Impuls“

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der Lebenserhaltung dienen, dann mag der Drang zur Selbsterhaltung sehr wohl als ökonomischer Impuls verstanden werden.140 Für dieses Kapitel ist die Frage der Bedeutung des ökonomischen Motivs deshalb besonders interessant, weil die Veränderungen, die sich in den Erörterungen zur Konzeption ökonomischen Handelns zeigen, zum ersten Mal auf die Möglichkeit hindeuten, dass ein solches ökonomisches Motiv vielleicht gar nicht existiert. Solange eine objektive Größe, z.B. Wohlstand oder wirtschaftliches Wohlergehen, als das den Ökonomen vorrangig bewegende Phänomen herausgestellt wird – wie es bei den im vorangegangenen Kapitel diskutierten Ökonomievorstellungen der Fall ist –, hat die Konzeption eines ökonomischen Motivs, verstanden als Drang nach dieser objektiven Größe, eine Bedeutung. Und wenn die Wirtschaftswissenschaft, wie in den zur Diskussion stehenden Definitionen des hiesigen Kapitels, als Untersuchung jener Phänomene verstanden wird, welche die Aktivitäten des Menschen in den Fällen begleiten, in denen er ein bestimmtes Ziel verfolgt, z.B. Wohlstand, dann rückt der ökonomische Impuls ins Zentrum des Ökonomeninteresses. Aber wenn das Muster der auf Maximierung der Bedürfnisbefriedigung zielenden menschlichen Aktivitäten in den Mittelpunkt der Wirtschaftswissenschaft rückt und die Idee des Wohlstands nach und nach aufgegeben wird, dann erscheint die Existenz eines ökonomischen Motivs in einem höchst problematischen Licht.141 Die Besonderheit eines menschlichen Triebs hängt von der Einzigartigkeit des Ziels ab, das ihn stimuliert und aktiviert. Besonders auffällig an den früheren Definitionen war, dass sie ihren Gegenstand mit einer angeblich einzigartigen Zielkategorie gleichsetzten, nämlich Wohlstand. Es war diese Verbindung, die dem Konzept eines ökonomischen Motivs Plausibilität verlieh. Mit der Erkenntnis, dass die im Wohlstand liegenden Ziele genauso heterogen sind wie die menschlichen Bedürfnisse selbst, schwand die Bedeutung, die der Vorstellung von Wohlstand als Kriterium zur Definition ökonomischer Tätigkeiten zukam. D.h., durch den in diesem Kapitel deutlich werdenden Übergang von der Wirtschaftswissenschaft, die menschliche Gier analysiert, zur Wirtschaftswissenschaft, die das Maximierungsmuster menschlichen Verhaltens untersucht, geriet die Idee eines besonderen ökonomischen Impulses ins Abseits. In einem der späteren Kapitel werden wir noch sehen, dass eine sehr große Gruppe von Ökonomen, die, ähnlich wie Robbins, der das Wesen wirtschaftlicher Tätigkeit in der Ökonomisierung knapper Mittel erblickte, den wesentlichen Beitrag dieser Ökonomieauffassung darin sah, dass sie die Idee eines besonderen „ökonomischen“ Ziels zerplatzten ließ. Gewiss hat die Vorstellung eines ökonomischen Drangs nach wie vor seine Anhänger. Für einen ihrer neueren Vertreter gehören die „Aneignungstriebe“ zu den wesentlichen Aspekten des Verhaltens in Wie auch immer, siehe Kautsky (1927), I, S. 3 – 6, der dies ablehnt. dort, wo die Maximierung selbst im Sinne von Wohlstand zum Ausdruck kommt, führt sie auch zu der alten Idee eines besonderen wirtschaftlichen Impulses zurück; vgl. z.B. Anderson (1911), S. 144 – 145. 140 

141  Gewiss,

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der modernen Ökonomie.142 Aber die Schwierigkeiten, die mit der Abkopplung des Wohlstands als Sonderziel menschlicher Aktivitäten verbunden sind, wurden spätestens seit der Mitte des letzten Jahrhunderts weithin erkannt. Wie wir im vorigen Kapitel gezeigt haben, hat Cliffe Leslie in einem einflussreichen Aufsatz die Idee des Wohlstands als einem einzigartigen Ziel vehement angegriffen. Leslies Kritik galt der klassischen Vorstellung vom Charakter ökonomischen Handelns, die sich vor allem in der Konstruktion des ökonomischen Menschen wiederfindet. Da Leslie die Vielfältigkeit der Motive, die Wohlstandsstreben auslösen, erkannte, sah er sich bemüßigt, die Ökonomen zu einer stärker historisch orientierten und weniger abstrakten und deduktiven Methode anzuspornen. Ein ähnlicher Impuls steht hinter einer Bemerkung von Roscher, einem der führenden Vertreter der „älteren“ deutschen historischen Schule. Nach Roscher besteht der Wandel in der Wirtschaftswissenschaft seit der klassischen Ökonomie darin, dass nicht mehr, wie früher, der ökonomische Mensch untersucht wird, sondern der Mensch in der wirtschaftlichen Dimension des Lebens.143 Der Angriff auf die Isolierung eines besonderen ökonomischen Motivs kam also aus beiden Richtungen. Einerseits hielten es die Theoretiker für unnötig, dem Wohlstand eine besondere Rolle beizulegen; für die wissenschaftliche Analyse reichte es völlig, ein bestimmtes, nach Maximierung strebendes, menschliches Verhalten einzuräumen. Andererseits sahen die an der „vollen Realität“ der ökonomischen Phänomene interessierten, historisch orientierten Ökonomen eine allzu grobe Vereinfachung darin, die Motive wirtschaftlichen Handelns im Streben nach Wohlstand zu suchen, und nahmen die vielen und vielfältigen Impulse, die zusammen genommen das Streben nach Wohlstand konstituieren, unter die Lupe. Die entschiedenste Zurückweisung der Idee vom ökonomischen Drang finden wir in Wicksteeds Schriften. Er nannte die Idee „eine falsche Kategorie“ und „eine der gefährlichsten und wahrhaft desaströsen Verwechslungen, die den Fortschritt in der Ökonomie behindern.“ Der Wunsch nach Wohlstand spiegele „alle Motive und Leidenschaften, die in der menschlichen Brust toben“, wider, und falls der Ökonom bei seinen Untersuchungen altruistische Motive vorsorglich ausschließe und nur selbstbezogene Tätigkeiten erkenne, dann würde der Wunsch, Wohlstand zu besitzen, gar nicht mehr als „Motiv“ gehandelt werden.144 Gleichwohl verbleibt eine noch nicht erwähnte Möglichkeit, das ökonomische Motiv zu retten. Selbst wenn man das Wesen wirtschaftlichen Handelns im Muster des besonderen Maximierungsverhaltens wähnt, z.B. bei Aktivitäten nach dem Motto „so viel wie möglich, mit so wenig wie möglich“, kann man immer noch fragen, ob bei aller Vielfältigkeit der Ziele, die diese Art von Aktivität fördern mag, dieselbe nicht doch als ein Ziel für sich betrachtet werden könne. Räumt man dem Early (1949), S. 13. Roscher (1874), S. 1033. 144  Wicksteed (1910), S. 163 – 165. Für spätere Ansichten dazu siehe Dickinson (1919), S. 388; siehe auch dessen Buch Economic Motives (1922); Parsons (1940). 142  143 

Der „ökonomische Impuls“

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Verhaltensmuster „so viel wie möglich, mit so wenig wie möglich“ erst einmal die Führungsrolle ein, dann entspringt die Zurückweisung der Idee eines besonderen wirtschaftlichen Motivs vornehmlich der Tatsache, dass dieses Verhalten auch in Bereichen auftritt, in denen vollkommen andere Motivarten am Werk sind. Genau aus diesem Grunde haben viele Autoren, wie wir gesehen haben, ein anderes Kriterium zur Festlegung der ökonomischen Domäne gesucht.145 Weil die entscheidende, durch Maximierung charakterisierte Eigenschaft des Verhaltens sich im Hinblick auf die Motive neutral verhält, fand sie als Kriterium der Ökonomie keine allzu große Akzeptanz. Zu erwägen verbleibt nur noch die Möglichkeit, dass die besagte Maximierungsaktivität, trotz ihrer Neutralität hinsichtlich der sie auslösenden Motive, für sich eine besondere Nische innerhalb der menschlichen Angelegenheiten vorsieht, weil sie einen eigenständigen menschlichen Drang befriedigt. Diese Möglichkeit schien niemandem der Autoren im 19. Jahrhundert, die das Maximierungsprinzip erörterten, vorgeschwebt zu haben. Aber einige, neuere Autoren haben dieses neu isolierte „Ziel“ hervorgehoben, vor allem in Verbindung mit der Mittel-Ziel-Konzeption in der Ökonomie, die, wie wir in einem späteren Kapitel noch sehen werden, aus dem Ansatz des „so viel wie möglich, mit so wenig wie möglich“ hervorging. Viner scheint genau das im Blick gehabt zu haben, als er schrieb, dass die Ziele des ökonomischen Menschen für induktive Untersuchungen hinreichend einfach seien: „Die lebensnotwendige Medizin für ein sterbendes Kind oder die Flasche Wein für ihn selbst; die Werkzeuge für seine Geschäfte; die Einrichtung für ein Altersheim, bezahlt aus dem Beitrag des künftigen Heimbewohners – sie alle werden aus demselben Ziel erstanden, nämlich dem, so viel wie möglich aus so wenig wie möglich herauszubekommen, ganz gleich welcher Beweggrund zum Kauf führen mag.“146

In jüngerer Zeit hat Boulding an einer Stelle die Verwendung dieser Idee als ein Mittel dargestellt, mit dem man „die kalte, kalkulierende Verhaltensweise“ des ökonomischen Menschen mit der Wärme und Impulsivität der romantischen, heroischen und schwärmerischen Natur kontrastieren könne.147 Diese Auffassung bildet einen klaren Gegensatz zu der vorhin zitierten Ansicht, derzufolge das kalkulationsbewusste Verhalten, das für eine Maximierung charakteristisch ist, für alle Bereiche des menschlichen Lebens von Bedeutung ist. Dies wiederum wirft die Frage nach dem Platz der Rationalitätsannahme in der Nationalökonomie, die in ein ganz anderes Kapitel gehört, in ihrer Gänze auf. Hier ist jedoch das entscheidende Problem nicht die Plausibilität dieser Annahme, sondern das Zugeständnis eines Elements, das dazu tendiert, eine Handlung (die mit dem geringsten Aufwand das 145  Als Beispiel für jene, die das ökonomische Prinzip als Mittel zur Definition des ökonomischen Blickwinkels ablehnten, siehe vor allem Oswalt und dessen Antwort auf einen Aufsatz von Voigt in Verhandlungen des ersten Deutschen Soziologentages, erschienen in Schriften der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, 1911, S. 270; Halberstaedter (1925), S. 76; Zweig (1936), S. 19. Vgl. auch Wicksteed (1910), I, 159 f. 146  Viner (1917), S. 248. 147  Boulding (1958), S. 179.

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Meiste rausschlagen will) um seiner selbst willen lohnend zu machen, ganz gleich, welchem weiteren Ziel sie auch dienen möge. Dieser Erkenntnis wird in Macfies Arbeiten mit Nachdruck Platz eingeräumt. In einem Buch, das der Isolierung und Überprüfung dieses Elementes bei ökonomischen Tätigkeiten gilt, erhebt Macfie die „Ökonomie“ zu einem Wert mit intrinsischem Anreiz für das menschliche Vermögen der Ehrerbietung.148 Dieser Anschauung zuzustimmen, bedeutet freie Bahn für eine Beibehaltung des Maximierungsprinzips in der Definition ökonomischer Tätigkeit. Wie Macfie selbst betont, verwandelt jederlei Zugeständnis wertgeladener Wirtschaftsqualitäten durch bloßes Hinzufügen eines gesonderten Ziels zur wirtschaftlichen Tätigkeit die Ökonomie erneut in jene „ethische“ Disziplin, die sie damals, als sie im Sinne des Maximierungsprinzips definiert wurde, aufgehört hat zu sein. In jeder Darstellung zu dem, was unter dem Begriff „ökonomischer Impuls“ zu verstehen ist, hat Macfies Beitrag einen besonderen Platz verdient.

Selbstsucht und „Non-Tuismus“ In einem Kapitel über die Auffassung, wonach ökonomische Tätigkeiten im Wesentlichen selbstbezogen und egoistisch motiviert sind, muss es auch Platz für jene neue Idee bezüglich ökonomischer Beziehungen geben, die Wicksteed an die Stelle der umstrittenen Egoismusthese gesetzt hat. Dass Wicksteed die Vorstellung von den ausschließlich selbstbezogenen ökonomischen Tätigkeiten energisch verworfen hat, haben wir bereits erwähnt. Robbins schrieb dazu folgendes: „Vor Wicksteed konnte ein Gelehrter noch ohne Gesichtsverlust an der Idee festhalten, die gesamte Struktur der Ökonomie stehe und falle mit der Annahme einer Welt, in der jeder ökonomische Mensch von egozentrischen und hedonistischen Motiven getrieben werde. Für jeden, der Common Sense gelesen hat, ist das Festhalten an solchen Ansichten mit intellektueller Redlichkeit nicht länger vereinbar. Wicksteed hat mit dieser irrigen Vorstellung ein für alle Mal aufgeräumt.“149

Wicksteed hat eben dort die ökonomische Beziehung im Sinne von „Non-Tuismus“ definiert. Diese Neuerung hat offenbar weitaus weniger Aufmerksamkeit hervorgerufen als Wicksteeds andere Beiträge zur Definition der Ökonomie.150 „Non-Tuismus“ ist eng mit dem Herzstück der ökonomischen Beziehungen, der Idee des Austausches, verknüpft, ist aber eigentlich dessen Kriterium. Eine ökonomische Beziehung wird von zwei Parteien eingegangen, wobei jede der Parteien 148  Macfie (1936). Für eine weitere Erörterung der Position von Macfie siehe dort Kapitel VI. 149  Siehe Professor Robbins’ Einleitung zu seiner Ausgabe von Wicksteeds Common Sense, S. xxi. 150 Roche-Agussol erwähnt Wicksteeds „Non-Tuismus“ in seiner Etude bibliographique des sources de la psychologie économique (1919), S. 61, Anm. 1. Er weist auch auf die Ähnlichkeit zwischen Wicksteeds „Non-Tuismus“ und den Ideen von Hawley hin. Siehe vor allem Hawley (1902), S. 233 f.; und Hawley (1907).

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die Verfolgung ihrer eigenen (jedoch nicht zwangsläufig eigennützigen) Ziele beabsichtigt, nicht die des Anderen. Wicksteed illustriert dies am Beispiel der Treuhänder. „Treuhänder, die keinerlei persönliches Interesse an der Vermögensverwaltung haben, der sie Zeit und Gedanken opfern, führen in ihrer Eigenschaft als Treuhänder oft härtere Verhandlungen – soll heißen, ohne Rücksicht auf etwaige Vorteile dessen, für den sie unterhandeln – als sie es in ihrer Eigenschaft als Privatperson täten. … der Grund, warum … in meinen Überlegungen kein Platz für „dich“ bleibt, ist einfach der, dass ich „mich“ längst aus meinen Erwägungen ausgeschlossen habe.“151

Der wesentliche Beitrag Wicksteeds zur Charakterisierung dessen, was zur Ökonomie gehört, liegt in der durchdachten und ausführlichen Analyse des Ökonomisierungsprozesses. Wicksteed erkennt nämlich, dass die Prinzipien dieses Prozesses nicht nur für die Ökonomie gelten, sondern „selbst Lebensgesetze sind.“ Innerhalb des von diesen Gesetzen bestimmten Terrains versucht er jenen Bereich abzustecken, in dem eine genuin ökonomische Beziehung am Werk ist. Dieser Bereich ist von „Non-Tuismus“ gekennzeichnet: „In unseren gewerblichen Beziehungen haben die Dinge, die wir tun, tatsächlich ein Ziel, aber es ist das Ziel eines anderen, nicht unseres, und soweit diese Beziehung wirklich eine ökonomische ist, bemisst sich für uns die Bedeutung dessen, was wir tun, nicht nach der Bedeutung, die es für den Menschen hat, für den wir es tun, sondern nach dem Umfang, in dem es unsere eigenen Ziele voranbringt.“152

Die Existenz eines solchen separaten Bereichs ist durch Spezialisierung möglich geworden, durch Arbeitsteilung und Tausch. Aber sein Kern besteht in der fehlenden Rücksicht auf das Interesse des Menschen, mit dem man geschäftlich verkehrt. Die Behauptung, bei ökonomischen Angelegenheiten fehle jegliche Rücksicht auf das Interesse des anderen, brachte Wicksteed natürlich zur Frage nach der Moralität solcher Aktivitäten. Der Egoismus ist zwar moralisch verwerflich, aber sind die Ökonomen tatsächlich den Zeihungen der Moralisten entkommen, als sie sich von den „Egoisten“ entfernt und auf die Seite der „Non-Tuisten“ geschlagen haben? Wicksteeds Antwort darauf ist, dass Immoralität nicht zwangsläufig in altruistischem Verhalten gegenwärtig sei, weil die Person, zu der wir eine geschäftliche Beziehung eingegangen sind, „womöglich eine der letzten ist, der wir uns verpflichtet fühlen.“153 Einige Autoren folgten Wicksteed darin, „non-tuistisches“ Verhalten als separate Kategorie zu betrachten.154 Wicksteeds Grenzlinie scheint hauptsächlich auf den 151  152 

Wicksteed (1910), S. 175. Wicksteed, „Scope and Method of Political Economy“, in: Wicksteed (1910), II,

S. 782. 153  Wicksteed (1910), S. 182. 154  Wicksteeds Haltung sollte mit der von Viner verglichen werden, und zwar in Viner (1917), S. 249: „… die ökonomische Transaktion wird insofern non-moralisch, als jede Partei die andere aus ihrer moralischen Lage ausschließt.“

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3. Kap.: Die Wissenschaft von der Habgier

Konventionen der Theorie von Angebot und Nachfrage zu fußen. Gemäß der allgemeinen Theorie ist es bequem und üblich, alle Faktoren, die die Nachfrageseite betreffen, von denen zu trennen, die auf die Angebotsseite zutreffen. Die früheren Autoren hielten diese Praxis aufgrund des selbstbezogenen Verhaltens auf Seiten der Käufer und Verkäufer für gerechtfertigt. Aber Wicksteed zeigte, dass das nicht der Fall ist. Alle Beweggründe, auch die idealistischsten und altruistischsten, können beim Nachfrager wie beim vom Profitstreben animierten Hersteller des Angebots vorliegen. Wenn man aber an der Unterscheidung von Käufer und Verkäufer festhalten will, dann war es aus Wicksteeds Sicht notwendig, rein „non-tuistisches“ Verhalten auf beiden Seiten vorauszusetzen. Das Abweichen von einem derartigen „Non-Tuismus“ war zwar als empirische Tatsache wohl bekannt, führte aber zu einem Auseinanderklaffen zwischen den Ergebnissen der Nationalökonomie und den Tatsachen der realen Welt. Für Wicksteed wie auch für jene Ökonomen, die den Egoismus als Wiege ökonomischen Handelns sahen, bildete die Verfolgung der eigenen Ziele den Kern der geschäftlichen Beziehungen. Indem er den Egoismus zurückwies, war es Wicksteed möglich, unter „eigene Ziele“ alle Interessen zu fassen, mit Ausnahme des Interesses jener Person, zu der man eine geschäftliche Beziehung unterhält. In dieser Ausnahmeregelung ist zweifellos ein Schuss Künstlichkeit, aber von der genialen Sorte. Wenn die „eigenen Ziele“ weitreichend genug sind, um auch Anliegen wie die Förderung karitativer Einrichtungen zu umfassen, dann sind sie auch dazu geeignet, das Interesse am Wohlergehen jener Person einzubeziehen, mit der man geschäftlich verkehrt. Trotz aller Schönheit, die Wicksteeds kunstfertiger und überzeugender Prosa eigen ist, fällt es schwer, die Grenzlinie nicht als Ergebnis eines recht willkürlichen Schnitts durch den gesamten Fundus an kommerziellen Aktivitäten zu sehen. Obwohl die Gelehrten meist offen oder stillschweigend eine derartige Zäsur für das Geschäftsgebahren vorgenommen haben, um ihre Untersuchungen zu vereinfachen, folgten nur wenige Wicksteed darin, das, was ihre Sezierung überlebt hatte, in eine separate Kategorie ökonomischen Verhaltens einzuordnen oder als Zeichen einer eigenständigen Art von geschäftlicher Beziehung zu deuten.

Ökonomie und Mechanik Einen weiteren Aspekt der Klasse von Ökonomiedefinitionen, die wir hier behandeln, gilt es noch zu betrachten. Egal, ob man ökonomische Tätigkeiten als pekuniäre Abläufe des selbst-bezogenen ökonomischen Menschen versteht oder als Prozess, das Meiste mit dem geringsten Aufwand zu erreichen: sowohl die eine wie die andere Auffassung erleichtert die Auswertung dieser Aktivität mithilfe (derselben) mathematischen Methoden. Im vorangegangenen Kapitel verwiesen wir auf einige Stellen bei Autoren des 18. Jahrhunderts, in denen die Stärke des Eigeninteresses bei menschlichen Aktivitäten mit der Stärke der Gravitation in der physikalischen Welt verglichen wurde. Im 19. Jahrhundert waren die Wirtschafts-

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wissenschaftler, die bei ökonomischen Angelegenheiten das Eigeninteresse und das Maximierungsprinzip in den Vordergrund stellten, in der Lage, diese Analogie noch weiter auszubauen. So schrieb Senior, der, wie wir sahen, die Wohlstandsmaximierung als Wesenselement ökonomischer Tätigkeiten verstand, dieses Element sei wie die „Gravitation … in der Physik … die ultimative Tatsache, hinter die keine Vernunft zurückgehen kann und zu der jede andere Aussage bloß eine Erläuterung ist.“155 Für die älteren klassischen Ökonomen, die glaubten, in der Wirtschaftswissenschaft ginge es um Wohlstand in einem mehr oder weniger materiellen Sinn, war das Selbstinteresse eine unpersönliche Kraft, die den Wohlstand aus den Produktionsfaktoren extrahierte und durch die Verteilungskanäle der Wirtschaft wirbelte. Das größere Gewicht, das die späteren Autoren der Kraft des Eigeninteresses als Herzstück der Ökonomie beimaßen, und die konsequente Betonung des typischen Maximierungsverhaltens trugen in der Regel dazu bei, der Mechanikanalogie eine noch größere Anziehungskraft zu verleihen. Jevons „Mechanik des Nutzens und des Selbstinteresses“ und Edgeworths „ökonomisches Kalkül“ zur Erforschung des Gleichgewichts im System der hedonistischen Kräfte, die allesamt zur Maximierung des individuellen Nutzens tendieren, sind dafür typische Beispiele. Es dürfte kein Zufall sein, dass beide, Jevons und Edgeworth, zu den Ersten zählten, die in der Wirtschaftswissenschaft Mathematikmodelle verwendeten. Der Akzent, den beide auf das Selbstinteresse legten, passt zu dem Wunsch, die Ökonomie in eine „Wissenschaft“ im Stile der Mechanik zu verwandeln. Doch dazu mußte erst eine durchdringende Kraft postuliert werden, die „Wohlstand“ in vielfältigen Strukturen formen kann und der Überprüfung zugängig ist, und zwar mittels Maximierungsformeln, die auf dem Kalkül fußen. Das Selbstinteresse wurde vom klassischen System höchst bereitwillig genutzt, um solch eine plausible „Kraft“ darzubieten. In Italien war es Pantaleoni (der mit Edgeworth in vielerlei Hinsicht verglichen wurde), der sowohl auf das Maximierungsprinzip beim wirtschaftlichen Handeln als auch auf die mathematische Darstellung der ökonomischen Theoreme großen Wert legte. „Ökonomische Probleme, im weiten Sinne, sind z.B. solche, welche die mathematische Doktrin konstituieren, die unter dem Gattungsbegriff de maximis et minimis bekannt ist.“156 „Ökonomie“ meinte für Pataleoni im weitesten Sinne, in jeder Situation aus den begrenzten Mitteln das Meiste zu machen. Zur Abgrenzung des Bereichs der „ökonomischen Wissenschaft“ glaubte Pantaleoni, sich auf die Befassung mit „Wohlstand“, Hedonismus und Egoismus beschränken zu müssen.157 155  Senior (1938), S. 28. Im Zusammenhang mit dieser Analogie fällt einem Gossens Anspruch ein, der Kopernikus der Ökonomie zu sein. 156  Pantaleoni (1898), S. 5. (Der Begriff „mathematische Ökonomie“ hatte also für Pantaleoni eine ungewöhnliche Bedeutung. Er verband mit ihm die Aufgabe, „in einem gegebenen Dreieck ein Rechteck mit größtmöglichen Ausmaßen einzutragen oder eine gegebene Kugel mit dem kleinstmöglichen Zylinder zu umfassen.“) Siehe auch Little (1950), S. 21. 157 Siehe Pantaleoni (1898), S. 7, 19. Siehe auch M. Pantaleoni, „An Attempt to Analyse the Concepts of ,Strong and Weak‘ in their Economic Connection“, Economic Journal, 1898.

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Pantaleonis Landsmann Benedetto Croce sollte ihn dafür später kritisieren.158 Mit Nachdruck behauptete er, dass die ökonomische Handlung von Hedonismus und Egoismus frei sei. Aber nach Pantaleoni, wie auch nach Edgeworth, beschreibt die Wirtschaftswissenschaft die Maximierung der Lust und gleichen sich die Marktphänomene von selbst an, quasi automatisch, und zwar Macht der Kraft, die in diese Richtung tendiert. In diesem mechanischen Bild von ökonomischen Phänomenen stand der Mensch als Quelle ökonomischer Tätigkeit nunmehr nur noch im Hintergrund. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Konstruktion einer Vorstellung vom selbstbezogenen ökonomischen Menschen – eine Entwicklung, die dem menschlichen Akteur zunehmend mehr Aufmerksamkeit einbrachte – tendenziell zu einer Haltung geführt haben soll, in der die objektiven Phänomene des ökonomischen Lebens so gesehen werden können, als ob sie automatisch aufträten. Die gewiss extremste Form dieser mechanischen Sichtweise von Ökonomie kann man in Schumpeters früher Konzeption der Wirtschaftswissenschaft erblicken. In seinem ersten Buch, Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie von 1908, unternimmt Schumpeter den Versuch, die Ökonomie auf eine entschieden wissenschaftliche Grundlage zu stellen und ein Gebäude mit unerschütterlicher Logik zu errichten, das auf einem Fundament ruht, das vom Treibsand metaphysischer Spekulationen frei ist. Das konnte ihm nur gelingen, indem er seine Aufmerksamkeit auf die „Güter“ richtete und dabei unterstellte, dass sie Abläufen ausgesetzt seien, die nicht das Resultat menschlicher Handlungen sind.159 In vielerlei Hinsicht ähnelt Schumpeters Haltung einer Art Rückkehr zu klassischen Ideen. Während seine unmittelbaren Vorläufer sich nach und nach der Vorstellung von Ökonomie annäherten, bei der es strikt um menschliches Verhalten geht, hielt Schumpeter es für angebracht, menschliche Aktivitäten sorgfältig aus ökonomischen Untersuchungen auszuschließen. Schumpeters Ökonomiebild war der bewusste Versuch, ökonomische Angelegenheiten aus Sicht der Mechanik zu betrachten. In der Mechanik gehen wir von gegebenen Massen in spezifischen Raumkonfigurationen aus und versuchen, Änderungen in Masse und Konfiguration für zukünftige Zeitpunkte zu bestimmen. In der Wirtschaftswissenschaft, so Schumpeter, haben wir es mit „wirtschaftlichen Quantitäten“ von Gütern zu tun, die gegenseitig bedingte Veränderungen durchlaufen, die sich wiederum mittels mathematischer Funktionen ausdrücken lassen. Genau diese Ziele, messbare Dinge, die im Besitz von Menschen sind, bilden den Kern im Schumpeterschen Ökonomiesystem. Es ist die Existenz der funktionalen Beziehungen zwischen all diesen Qualitäten, die eine Wirtschaftswissenschaft erst ermöglichen. Mehr noch, Croce (1953), S. 177. Schumpeter (Wesen und der Hauptinhalt 1908), S. 86, wo er explizit die Auffassung vertritt, dass der Ökonom sich mit den Änderungen der „wirtschaftlichen Quantitäten“ befassen müsse, als ob diese automatisch hervorgerufen würden und man nicht die Menschen zu berücksichtigen hätte, die allenthalben am Aufkommen solcher Änderungen beteiligt sind. 158 Siehe 159 Siehe

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es sind genau diese Beziehungen, die das gesamte Thema der Wissenschaft konstituieren.160 Obschon Schumpeters mangelndes Interesse am menschlichen Verhalten und seine Hervorhebung der unpersönlichen Änderungen in den „Güterquantitäten“ Überbleibsel des klassischen Ansatzes sind, so ist seine Ökonomie doch weit davon entfernt, mit der klassischen Wohlstandswissenschaft identisch zu sein. Schumpeter glaubt nicht, dass „Wohlstand“ bereits aufgrund seiner Eigenschaft, Wohlstand zu sein, einen eigenen Forschungsgegenstand bilde. Er behauptet lediglich, dass es mathematische Interdependenzen zwischen den Quantitäten jener verschiedenen „Güter“ gebe, die im Besitz der Mitglieder einer Volkswirtschaft sind. Es ist die Darstellung eben dieser gegenseitigen Abhängigkeit der Güter, und nicht die Untersuchung der Güter oder des Wohlstands, die Schumpeters Ökonomie im ganzen wie auch im Kern ausmacht. Dass der Mensch in Schumpeters Ökonomie außen vor blieb, bleibt ein klassisches Momentum. Der Versuch, die Ökonomen qua Ökonomen von der Untersuchung des ökonomischen Akteurs in seinem Verhalten fernzuhalten, es ihnen gar zu untersagen, entspringt bzw. geht mit Schumpeters Traum einher, das Konzept der Kausalität oder des Zwecks in der Ökonomie durch jene Art von Beziehung zu ersetzen, die durch eine mathematische Funktion ausgedrückt werden kann.161 Schumpeters Begeisterung für mathematische Modelle in der Wirtschaftswissenschaft und für die Naturwissenschaft im Allgemeinen162 dürfte für die explizite Zurückweisung der Teleologie als wesentlicher Bestandteil der Konzeption ökonomischer Phänomene zweifellos verantwortlich sein. In einem positivistischen System, aus dem bis auf die funktionalen Beziehungen alle anderen sorgfältig verbannt sind, hat die Kategorie des Zwecks keinen Platz. Croces Kritik an Pareto (dessen Position in mancherlei Hinsicht Ähnlichkeiten mit der von Schumpeter aufweist)163 würde sicherlich auch auf Schumpeter zutreffen. Einerseits weiß Croce um die Verdienste der Mathematiker um die Ökonomie, wenn er schreibt, „sie gaben der abstrakten Analyse, die wegen der vielen Anekdoten der Historischen Schule ein Schattendasein führte, … ihre Würde zurück.“ 160  Schumpeters Ökonomieansatz mag auf den Einfluss zurückgehen, den Mach zu jener Zeit in Wien auf das wissenschaftliche Denken ausübte. Für eine Darstellung der Mechanik, die Schumpeters Ökonomiebild entsprach, siehe Mach (1919), S. 256 f.  Man sollte anmerken, dass Schumpeter sich hinsichtlich dessen, was er unter „Gütern“ verstand, überraschend zugeknöpft gab. (Siehe Schumpeter (Wesen und der Hauptinhalt 1908), S. 80, Anm.) Zumindest scheint einer seiner Kritiker verstanden zu haben, dass Schumpeter dabei alles, was mit „Nutzen” gemeint ist, mit hineinpacken wollte. (Siehe Amonn (1911), S. 129.) 161  Schumpeter (Wesen und der Hauptinhalt 1908), S. xvi, xvii, 47, 64. 162  Siehe z.B. Schumpeter (Über die mathematische Methode 1908), S. 30 – 49. 163  Zur Ähnlichkeit der Positionen von Pareto und Schumpeter siehe Schumpeter (1953), S. 184, und seine „Anwendungen der Mathematik auf Nationalökonomie“, in Encyclopä­ die der mathematischen Wissenschaften, 1902, S. 1107 – 1108. Ein neueres Beispiel für die Langlebigkeit der Schumpeterschen Ansichten bietet Boulding (1958), S.  28 – 29.

3. Kap.: Die Wissenschaft von der Habgier

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Andererseits bemängelte er, dass sie ihre eigenen professionellen Vorurteile in die Ökonomie eingeführt hätten. Dieselbe Haltung, die sie „zu Recht gegenüber den empirischen Naturwissenschaften einnehmen“, nehmen Sie auch gegenüber der Ökonomie ein, obwohl diese eine „Wissenschaft vom Menschen ist, bzw. von der Ausformung der bewussten Aktivität des Menschen.“164 Die Wurzeln der mechanistischen Konzeption von Ökonomie, gegen die Croce zu Felde zog, gehen bis in die Kindertage des Selbstinteresses in der Ökonomie zurück, als das Eigeninteresse für das Maximierungsschema des Verhaltens so umgewandelt wurde, dass es einer mathematischen Behandlung zugänglich war. Das mechanische Ökonomiebild kann also zu Recht als Ausgeburt der hier betrachteten Ökonomievorstellungen angesehen werden.

164 

Croce (1953), S. 197.

4. Kapitel

Ökonomie, Markt und Gesellschaft 4. Kap.: Ökonomie, Markt und Gesellschaft

„Die Definition, zu der die meisten Autoren derweil neigen, ist die der ,Tauschwissenschaft‘.“ A.S. Bolles (1878) „Jene Definition, in der die Politische Ökonomie Tauschwirtschaft genannt wird, ist absurd.“ Franklin H. Giddings (1887)

In diesem Kapitel werden all diejenigen Definitionen zusammengefasst, bei denen vorausgesetzt wird, dass ökonomische Angelegenheiten in der einen oder anderen Weise mit der Tauschhandlung als soziales Phänomen notwendig verbunden sind. Dabei werden zwei Gruppen von Definitionen unterschieden. Bei der einen steht der Tausch ausdrücklich an erster Stelle in der Ökonomie, wobei die Idee der besonderen ökonomischen Sphäre über der mehr oder weniger sorgfältig umrissenen Tauschvorstellung schwebt. In der anderen Gruppe wird das Tauschphänomen selbst nicht hervorgehoben, aber man lenkt dort die Aufmerksamkeit auf benachbarte Ideen wie den Markt, das Wirtschaftssystem und die „Ökonomie“ als Teilbereich einer umfassender gedachten Gesellschaft. Auch diese Ideen rekurrieren letzten Endes darauf, dass individuelle Aktivitäten durch Tauschbeziehungen in ein gesellschaftliches „System“ münden. In beiden Definitionsgruppen geht man mit einem neuen und eigenständigen Ansatz an die ökonomischen Phänomene heran und bietet für viele der alternativen Ökonomiekonzeptionen eine Reihe von Anknüpfungspunkten.

Ökonomie und Katallaktik Die Bedeutung des Tausches für die Ökonomie wurde bereits in einem frühen Stadium der Wissenschaftsentwicklung erkannt. In Frankreich betonten die Physiokraten den Tausch und sahen in der Möglichkeit zu tauschen eine Vorbedingung für jenen Wohlstand, den die Politische Ökonomie zu ihrem Thema gemacht hatte. Unter den klassischen Ökonomen wurde auch debattiert, ob die Möglichkeit des Tausches eine hinreichende oder notwendige Bedingung für Wohlstand sei. James Mill und McCulloch gehörten zu jenen, die die Möglichkeit zum Tausch als notwendig ansahen. Malthus hingegen verwies darauf, dass viele Dinge jenseits des Reichs der politischen Ökonomie Tauschobjekte sein können. „Man hat gesagt,

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4. Kap.: Ökonomie, Markt und Gesellschaft

die Freiheiten in England seien in erster Linie schrittweise von der Krone erkauft worden.“165 In einigen der klassischen auf Wohlstand abstellenden Ökonomiedefinitionen gehörte der Tausch in eine Reihe mit der Produktion, Distribution und Konsumption. Einer der französischen Gelehrten schrieb sogar: „Die Gesellschaft ist einzig und allein eine kontinuierliche Serie von Tauschakten … die ganze Ge­ sellschaft besteht nur im Kommerz.“166 Gleichwohl gab es in der frühen klassischen Periode keinen Versuch, das Tauschphänomen in den Mittelpunkt der Ökonomie zu rücken. Die Politische Ökonomie war die Wissenschaft vom Wohlstand. Wohlstand entsteht durch Austausch. Vielleicht hat man die herausragende Bedeutung dieser Tatsache für die Wohlstandswissenschaft erkannt, aber in eine Tauschwissenschaft hat diese Erkenntnis die Politische Ökonomie nicht verwandelt. Den ersten Versuch, den Geltungsbereich der Politischen Ökonomie auf Grundlage des Tauschkriteriums zu überdenken, machte Erzbischof Whately mit seinem Vorschlag, den gesamten Forschungsbereich neu zu benennen. „Der vorzugswürdigste, weil anschaulichste Begriff ist m.E. der der KATALLAKTIK oder der ,Tauschwissenschaft‘.“ Whatelys Ansatz kommt wohl am besten dort zum Ausdruck, wo er den Menschen als „ein Tier, das tauscht“,167 beschreibt. Wie auch Senior glaubte er nicht, dass man die Politische Ökonomie auf die Aktivitäten isolierter Menschen applizieren könne. „Robinson Crusoe steckt in einer Lage, von der die Politische Ökonomie keine Notiz nimmt.“168 Nun reichte es nicht mehr, von der Politischen Ökonomie zu sagen, sie beschäftige sich mit dem Wohlstandsphänomen oder gar mit dem Wohlstand, der in Tauschhandlungen stecke. Aus katallaktischer Sicht besteht das Gemeinsame der ökonomischen Angelegenheiten allein im Tauschakt und die Politische Ökonomie in der Darstellung der Prinzipien, die den unpersönlichen Austausch lenken. Whatelys Anschauungen hinsichtlich des Themenbereichs stießen seinerzeit offenbar auf ein gewisses Interesse. Whately hatte in Dublin einen Lehrstuhl für politische Ökonomie gestiftet.169 Mindestens zwei der Lehrstuhlinhaber folgten dem katallaktischen Modell. Abgesehen vom Enthusiasmus dieser Vertreter und

165  Malthus (1827), S. 70 f.  Mills Auffassung finden wir in seinem Commerce Defended (1808), S. 22; die von McCulloch in dessen Principles of Political Economy (1825), Teil I, S. 5. Wohlstand gründet aus Sicht dieser Autoren auf Tauschbarkeit, genauso wie darauf, dass Gegenstände des Wohlstands angeeignet und veräußert werden können. (Siehe dazu z.B. Read (1929), S. 1.) Sismondi (1951), S. 71, lehnte Tauschbarkeit als Vorbedingung für Wohlstand explizit ab. 166  Tracy (1817), „Of Action“, S. 6, 15. 167  Whately (18554), S. 4. 168  Whately (18554), S. 5. Siehe Senior (1938), S. 25. Torrens war offensichtlich anderer Meinung (ibid.), siehe auch Cannan (19173), S. 7. 169  Zur Existenz einer Dubliner „Schule“ der Ökonomie in jener Zeit siehe Black (1945), S.  140 – 148.

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der Zustimmung, die sie bei einigen leidlich bedeutenden Autoren fanden170, wurde Whatelys Vorschlag, sofern überhaupt beachtet, zurückgewiesen, weil er die Bandbreite des Themas unzulässigerweise schmälere.171 Erst einige Jahrzehnte nach der Veröffentlichung von Whatelys Buch griff Macleod die Idee von der Ökonomie als Tauschwissenschaft auf und verbreitete sie auf seinem Kreuzzug für die Revolutionierung des ganzen Fachs.172 Wie auch immer, Macleods unselige Neigung, seine oft guten Ideen in einer auffällig bombastischen Weise zu formulieren, ließ es nicht zu, dass sein Buch auf das allgemeine ökonomische Denken seiner Zeit einen spürbaren Einfluss nahm. Die Ersetzung des klassischen Substantivs „Wohlstand“ durch das Verbalsub­ stantiv „Tauschen“ in den Definitionen der Politischen Ökonomie war natürlich von beträchtlicher Bedeutung. Der Gegenstand der Wissenschaft war nun einheitlich charakterisiert, und zwar nicht durch die objektive Natur der untersuchten Güterphänomene, sondern durch die Eigenschaften der Abläufe, die beim Auftreten dieser Phänomene eine Rolle spielten. Dennoch war der mit Whatelys Vorschlag einhergehende Bruch mit der klassischen Vorstellung von Ökonomie als Wohlstandswissenschaft nicht so durchgehend, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Was in Whatelys Katallaktik getauscht wird, ist immer noch derselbe „Wohlstand“, mit dem die Politische Ökonomie eines McCulloch befasst war. Die Auffassung jener, die in der Ökonomie eine Tauschwissenschaft sahen, sorgte denn auch für andere interessante Definitionsbeispiele, die einerseits mit den alten wohlstandsbezogenen Formulierungen verwandt sind, andererseits aber eine vollständige Loslösung von den alten Banden andeuten. Ein faszinierendes Beispiel davon bieten die Schriften von Lawson.

170 Die Whately-Professoren, die sich der Katallaktikauffassung anschlossen, waren Lawson (1844), S. 12 f.; und Hancock (1849), S. 7. Wie Seligman in seinem Aufsatz „On Some Neglected British Economists“ (1903) anmerkt, gab ein unter dem Pseudonym Patrick Plough schreibender Gelehrter seinem 1842 in London erschienenen Buch den Titel Letters on the Rudiments of a Science, called formerly, improperly, Political Economy, recently more pertinently, Catallactics. 171  Zu den Autoren, die der katallaktischen Auffassung Verengung vorwarfen, zählen Newman (1851), S. 19; Cazenove (1859), S. 70. Siehe auch Hearn (1864), S. 6. Zu späteren Kritiken an den Verkürzungen, die Whatelys Auffassung mitbringe, siehe Roscher (1874), S. 844, 1072; Cauwès (1881), S. 7; Leroy-Beaulieu (1896), I, 16. 172  Macleod (1858), S. 5. Macleod betont, seine katallaktische Position eigenständig entwickelt zu haben. Macleods Tauschbegriff ist enger als der seiner Nachfolger. So nimmt er die Besteuerung als Thema aus der Politischen Ökonomie heraus, mit der Begründung, dass sie nicht Gegenstand des Tausches sei. Whately hingegen betrachte die Besteuerung als Tausch; Macleod (1858), S. 7, Anm. Auch Senior sah „alles, das Regierungsbedienstete eintreiben, als Abgabe im Austausch für Dienstleistungen … .“ In seiner mehr als 40 Jahre später erschienenen History of Economics trug Macleoad wohlmeinende Stellungnahmen späterer Autoren zu seinen Arbeiten zusammen und zitierte dort den weiter unten besprochenen Amerikaner Perry.

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Lawson, einer der Dubliner Professoren, widmete seine erste Vorlesung 1844 dem Problem der Spannweite und Methodologie seines Fachs. Das Objekt der Politischen Ökonomie sei es, „die verschiedenen Phänomene des Systems von Handel und Tausch zu untersuchen und auf allgemeine Gesetze zurückzuführen …“ Das lag ganz auf Whatelys Linie. Noch bemerkenswerter ist allerdings Whatelys Erklärung, die Politische Ökonomie sei eine Wissenschaft, die den Menschen zum Gegenstand habe und „ihn in Bezug auf seine Mitmenschen betrachtet und dabei allein solche Beziehungen in den Blick nimmt, die einer bestimmten, naturgewollten Handlung entspringen, nämlich der Tauschhandlung.“173 Was Lawson uns vor Augen führt, ist nicht weniger als ein ganz und gar origineller „ökonomischer Mensch“, der jedem Vergleich mit seinem bekannteren Cousin, nämlich dem von J.S. Mill geschaffenen ökonomischen Menschen, standhält. Mills Kreatur war ein Lebewesen, das, abgesehen von der Gier, jeglicher Leidenschaften beraubt war. Mills Ökonomie war ein Gerüst an Grundsätzen, das die Folgen gierigen Verhaltens lenkte. Lawsons ökonomischer Mensch hingegen ist eine weitaus weniger abscheuliche Karikatur, lediglich davon besessen, in Tauschhandlungen einzutreten, zu denen seine Natur ihn verleitet. Bei Lawson hat die politische Ökonomie die Aufgabe, die Folgen dieses menschlichen Drangs zu untersuchen – eines Impulses, den Adam Smith lange vorher berühmt gemacht hatte, indem er von ihm sagte, er sei die „Neigung, zueinander in Beziehung zu treten, zu handeln und zu tauschen.“174 Durch die Abspaltung der Tauschakte und deren Gleichsetzung mit einem bestimmten menschlichen Drang wurde die Einteilung in ökonomische und sonstige Handlungen für Lawson zu einem weitaus unproblematischeren Vorgang, als es für Mill der Fall war. Die Konsequenzen aus der Neigung, zu handeln, kann man einfach isolieren, indem man nur die Resultate der Tauschhandlungen betrachtet. Man braucht keine umstrittenen Operationen wie „Abstraktionen“ oder „Hypothesen“ zu bemühen, wie man es muss, wenn man beim Menschen versucht, die Konsequenzen seines pekuniären Eigeninteresses abzusondern. Die katallaktische Sichtweise konnte zweifellos den Übergang der politischen Ökonomie von einer Wohlstandswissenschaft zu einer Wissenschaft des Menschen erleichtern. Ungeachtet dessen gab Lawson in seiner zweiten Vorlesung eine Definition seines Fachs, die mit den frühen, auf Wohlstand abzielenden Formulierungen nahezu identisch ist.175 Der Widerspruch zwischen der ersten und zweiten Vorlesung löst sich wohl nur unter der Annahme auf, dass Lawson zwar willens war, Whatelys Terminologie zu übernehmen, aber außerstande war, zu erkennen, dass der darin enthaltene Unterschied eine substantielle Änderung in der Herangehensweise bedeutete. Lawson (1844), S. 12 – 13. Smith (2005), S. 97. 175 Siehe Lawson (1844), S. 26. (Eine ähnliche Mehrdeutigkeit zeigt sich scheinbar auch in der oben zitierten Arbeit Letters on the Rudiments of a Science, called formerly, improp­ erly, Political Economy, recently more pertinently, Catallactics, die 1842 in London unter dem Pseudonym Patrick Plough erschien.) 173  174 

Ökonomie und Katallaktik

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Jahrzehnte später hat der Amerikaner Perry die katallaktische Sichtweise von Whately und Mcleoad genau deshalb wärmstens begrüßt, weil man durch sie der Wohlstandsidee entrinnen konnte. Um den Schwierigkeiten zu entgehen, die mit einer angemessenen Definition des Wohlstands als Herzstück der politischen Ökonomie verbunden sind, wandte sich Perry der Idee zu, die Ökonomie als Tauschwissenschaft zu sehen.176 Auf den sich im späten 19. Jahrhundert abzeichnenden Trend, sich vom Wohlstand als zentralen Punkt der Ökonomie zu verabschieden und ihn durch Ideen wie Wohlergehen und Muster maximierenden Verhaltens zu ersetzen, haben wir bereits hingewiesen. Perry gab diesem Trend einen zusätzlichen Impuls, als er mit seinem Vorschlag, die Wohlstandsidee komplett zugunsten der Austausch­idee aufzugeben, die katallaktische Idee noch ein Stück weit über Lawson hinausführte. Man sollte allerdings darauf hinweisen, dass Perrys Vorschlag von den amerikanischen Ökonomen seiner Zeit kaum geteilt wurde. Walker verwies darauf, dass mit der Umschreibung der Ökonomie als Tauschwissenschaft wenig gedient sei, solange man nicht wisse, was genau getauscht werde. Gesteht man andererseits ein, dass Wohlstand getauscht wird, dann verzichtet man natürlich darauf, auf einem Ausschluss dieses problematischen Konzeptes zu bestehen.177 Die auf Tausch bezogene Definition der Ökonomie wurde den Begriff des Wohlstands nicht los, sondern kehrte ihn lediglich unter den Teppich. Henry ­George schrieb zu Perrys Streichung des Substantivs Wohlstand: „Ohne die Fesseln eines Dingwortes, … verschwindet die politische Ökonomie in der Versenkung …“ Gewiss, ein amerikanischer Autor hatte damals behauptet, dass die Ökonomen der Definition von Ökonomie als Tauschwissenschaft im großen und ganzen größere Zustimmung entgegenbrachten als jeder anderen.178 Typischer für die allgemeine Auffassung dürfte die unverblümte Erklärung der amerikanischen Ökonomenvereinigung von 1887 sein, in der es hieß, „die Definition der Politischen Ökonomie als Tauschwissenschaft ist absurd.“179 Ungeachtet ihrer angeblichen Absurdität, hat diese Definition immer ein gewisses Maß an Popularität behalten. Viele Autoren des 20. Jahrhunderts, die sorgfältig mit dem Definitionsproblem ihres Fachs befasst waren und die Verdienste zahlreicher differenzierender Formulierungen gegeneinander abwogen, zogen das Tauschkriterium nach wie vor allen anderen vor.180 Wie auch immer, mit der Wahl des Tausches als Herzstück der Ökonomie ergeben sich zahlreiche und vielfältige Perry (187714), S. 1, 54. Walker (1883), S. 3. Die Kritik von Henry George findet sich in dessen Buch The Science of Political Economy (1898), S. 130. 178  Bolles (1878), S. 3. 179  Giddings (1889), S. 43. Interessanterweise hat Giddings, der Perrys Position wegen ihrer „Absurdität“ gegeißelt hat, an anderer Stelle (Essays in Honor of J.B. Clark, 1927) stolz Perrys Buch als sein erstes Ökonomielehrbuch gepriesen. 180  Zur Haltung von Max Weber siehe z.B. Amonn (19272), S. 160 f.; Kaufmann (1933), S. 384 f.; Halberstaedter (1925), S. 76. Schumpeters Auffassung wird an späterer Stelle in diesem Kapitel diskutiert. 176 

177 

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Gesichtspunkte. Der Grund dafür liegt darin, dass das Tauschkonzept selbst viele verwandte aber unterschiedliche Aspekte ökonomischer Tätigkeiten widerspiegelt, von denen jeder eine genauere Betrachtung verdient.

Der Tausch und die Neigung, zu handeln Der erste Aspekt des Tauschphänomens, der unsere Aufmerksamkeit verdient, ist der Status des Tauschaktes als Bestandteil einer Aktivität des Individuums. Für Adam Smith resultierte der Tausch aus der menschlichen Neigung, zu handeln. Whately definierte den Menschen als ein handelndes Tier. Menschliche Lebewesen treten demnach in Handelsbeziehungen ein, weil sie hoffen, ihre Position durch den Tausch zu verbessern. In dieser Hinsicht unterscheidet den Tauschakt nichts von allen anderen menschlichen Handlungen, die in der Hoffnung auf Verbesserung der eigenen Position unternommen werden. Gewiss, zum Tauschakt gehört die Kooperation mit einer anderen Person. Aber es braucht noch mehr, um den Tausch von anderen Kooperationsformen oder Schenkungen an Mitmenschen zu unterscheiden. An dieser Stelle verbindet sich die Tauschvorstellung mit den Ideen von Verzicht, dem Zusammenfallen gemeinsamer Interessen und ähnlichem. In einigen auf Tausch rekurrierenden Definitionen des Ökonomischen wird insbesondere die Tatsache betont, dass der Tausch ein quid pro quo erfordere. Dort, wo Ökonomie mit Selbstinteresse verbunden ist, ist das entscheidende Merkmal des Tausches, dass er ein neues Mittel bereitstellt, mit dem jemand etwas für sich erhält. Dieser Aspekt der kommerziellen Beziehung ist es, der in Ruskin Wut und moralische Entrüstung gegen die „Barzahlungsbeziehungen“ unter den Menschen wachrief. Tausch verleite zur Sitte, dem Nachbarn nur dann zu helfen, wenn man im Gegenzug mehr zurückbekomme. Ist dieser Tauschaspekt implizit im Begriff der Tauschwissenschaft enthalten, dann hat man gute Gründe, Walkers Einwand zurückzuweisen, demzufolge in Abwesenheit einer klaren Idee dessen, was getauscht wird, eine Tauschwissenschaft keine Bedeutung habe. In Auseinandersetzung mit Walker definierte Perry die Ökonomie an einer Stelle sogar in dem Sinne, dass sie mit Handlungen befasst sei, die eine Person zugunsten einer anderen ausführe, um im Gegenzug etwas zurückzuerhalten.181 Das ist ein sehr klarer Hinweis darauf, was Perry mit seiner Beschreibung des Tausches tatsächlich meinte. Es besteht keine Not, ein Wohlstandskonzept einzuführen, um die Definition ökonomischer Tätigkeiten (verstanden als Handlungen, die auf eine andere Person zielen, um im Gegenzug etwas zu erhalten) zu präzisieren. Die Idee der ökonomischen Tätigkeit als Tausch entspricht in dieser Form dem „Non-Tuismus“, der im letzten Kapitel erörtert wurde. Wir finden hier eine alternative Form zu Wicksteeds Auffassung, wonach ökonomische Beziehungen sich in der fehlenden Rücksicht auf die Interessen jener Person zeigen, mit der man 181 

Perry (1877), S. 12.

Tausch und Arbeitsteilung

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geschäftliche Beziehungen unterhält, beschrieben als „Beziehungen, die Menschen spontan eingehen, wenn sie merken, dass Sie Ihre eigenen Zwecke am besten auf indirektem Weg erreichen.“ Dabei macht der Mensch sich auf die Suche nach „jemandem, dessen Zwecken er mit seinen Kräften und Ressourcen auf direktem Weg dienen kann …“ „Die gewerbliche Welt ist eine spontane Organisation zur Umwandlung all dessen, was der Mensch hat, in das, was er wünscht …“182 In diesem Kontext ist der Tausch das Verfahren, in dem ein Mensch die ersehnten Dinge bekommen kann, indem er einem anderen etwas gibt, das er besitzt. Aus diesem Winkel der katallaktischen Sichtweise heraus ist das ganze Reich der ökonomischen Angelegenheiten ein großes Netz an Beziehungen, in denen jenes Verfahren am Werk ist. Zur Jahrhundertwende schienen viele amerikanische Autoren so zu denken. Der Tausch erschien als Mittel, mit dem man die Zeitgenossen dazu bringen konnte, einen mit den Gütern zu versorgen, die man sich wünschte.183 Die Neigung, zu handeln, ist dabei als das Vermögen des Menschen zu verstehen, das ihn Situationen erkennen lässt, in denen das so verstandene Tauschverfahren sich als profitabel erweist.

Tausch und Arbeitsteilung Wie auch immer, die Bedeutung der Ökonomie, verstanden als Tauschwissenschaft, muss man nicht in der Natur des Tauschaktes selbst sehen, sondern kann sie auch in dessen weitreichenden Folgen sehen. Der Markt ist insofern nicht als eine Institution zu verstehen, welche die indirekte Erfüllung individueller Wünsche erleichtert (so wie es nach Wicksteed durch Missachtung der konkurrierenden Interessen anderer Menschen geschieht), sondern viel mehr als eine Institution, in der Individuen kooperieren können, um ihre Wünsche auf einem höheren, allgemeineren Befriedigungsniveau erfüllen zu können. Wie schon Smith sagte, hilft jedes Individuum, das seiner Neigung, zu handeln, nachgibt, unbewusst der Gesellschaft als Ganzes zu profitieren, und zwar durch eine Zunahme an Arbeitsteilung. Die mit der Spezialisierung einhergehende „allgemeine Opulenz“ ist eine Konsequenz dieser Neigung, zu handeln, und kann auch entstehen, ohne dass die Händler um den von ihnen begünstigten „erweiterten Nutzen“ wissen müssen. Diese Idee ist natürlich mit Smith „unsichtbarer Hand“ verwandt, welche jedes Mitglied einer Wirtschaftsgemeinschaft dazu führt, das zu produzieren, was die Konsumenten am dringendsten brauchen. Mit Blick auf den Markt erkennt der Beobachter, dass die positive Auswirkung der Arbeitsteilung auf ein größeres Inlandsprodukt zumindest im Prinzip erzielbar wäre, falls die Produzenten und Konsumenten dazu gebracht werden könnten, sich wie auch immer zu spezialisieren. Man kann sich Systeme denken, in denen individuelle Anstrengungen in Kanäle geleitet werden, die ausreichend spezialisiert sind, um das Gesamtprodukt weit 182  P. Wicksteed, „The Scope and Method of Political Economy“, Economic Journal, März 1914, wiederabgedruckt in Common Sense of Political Economy, II, S. 781. 183 Siehe Newcomb (1886), S. 6; Hawley (1902), S. 233 f.

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über das hinauszuführen, was in einer primitiven Autarkie erzielt werden kann; zum Beispiel ein System, in dem die Produktivkraft durch die Hoffnung auf öffentliche Anerkennung gespeist wird, so wie Marshall sich das vorgestellt hat184, oder das kommunistische Ideal, in dem die einzige Antriebskraft das Verlangen zur Steigerung der sozialen Wohlfahrt ist, oder ein System staatlichen Zwangs. Das im Markt enthaltene Tauschsystem ist nur einer von vielen möglichen effizienten Mechanismen zur Erreichung dieses Ziels. Und der entscheidende Aspekt in Smith’ Sichtweise ist, dass dieses „Ziel“ nie von den Marktteilnehmern bewusst angestrebt werden muss. Genau diese bemerkenswerte Eigenschaft des Tauschsystems kann als das zentrale Band angesehen werden, das alles ökonomische Verhalten eint. Weil von allen denkbaren Verfahren zur Herstellung ökonomischer Spezialisierung nur das Marktsystem spontan entstehen kann und nur es mit den gängigen Rechtsvorstellungen bezüglich Privateigentum kompatibel ist, wird der Tauschakt zum Schlüssel aller sozialen Kooperation. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass die frühen Vertreter der Katallaktik diesen Aspekt des Tausches im Sinn hatten. Whately glaubte nicht, dass der Tauschakt lediglich der Ausdruck einer kultivierteren Form von Gier sei. Der Unwille, Crusoe mit der Errichtung des Gegenstandsbereichs der Nationalökonomie zu betrauen, ist nichts anderes als der Glaube, dass die politische Ökonomie vornehmlich an jenen spannenden neuen Ausblicken auf die gesellschaftliche Kooperation interessiert sei, die mit der Arbeitsteilung im Zuge des aufkommenden modernen Kapitalismus möglich geworden waren. Whatelys Interesse am Menschen als Tauschtier entspringt der Neigung der Individuen, sich durch Tauschakte zu vereinigen und so ihre menschlichen und angeeigneten Ressourcen zu bündeln, letztlich zum Vorteile aller. Interessanterweise sahen zwei bedeutende Soziologen, nämlich Gabriel Tarde und Max Weber, in diesem Aspekt des Handelns das zentrale Merkmal des ökonomischen Lebens.185 Der gegen die katallaktischen Definitionen erhobene Vorwurf, bei der Eliminierung der Wohlstandsidee am Themenbereich des Fachs gescheitert zu sein, hat angesichts solcher Auslegungen durchaus seine Berechtigung. Im Angesicht eines Tauschsystems setzt die Anerkennung eines Faktors, der die Expansion der Gesamtproduktion begünstigt, Vorstellungen der Messbarkeit voraus, die wiederum die Wohlstandsidee in irgendeiner Form implizieren.

Das „rein formale“ Tauschkonzept Man kann hinter der katallaktischen Betrachtungsweise ökonomischer Angelegenheiten auch den Verweis auf einen ganz anderen Aspekt des Tausches vermuten. Ähnlich wie die im vorigen Kapitel behandelte Spielart übergeht diese VariMarshall (1885), S. 22 – 25. Gebrauch dieses Tauschaspektes zwecks Unterscheidung von Ökonomie und Politik siehe vor allem Tarde (1902), S. 151 f.  Zur Haltung Webers siehe Amonn (19272), S. 160 f.; siehe auch Shils/Finch (1949), S. 63; Weber (1922), S.  365 – 366. 184 

185  Zum

Das „rein formale“ Tauschkonzept

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ante den Tausch als eine besonders motivierte menschliche Handlung und richtet die Aufmerksamkeit auf die Folgen der Handlung. Die Tauschidee gewinnt hierbei ihre Bedeutung nicht aus den Vorurteilen, die mit der dem Tausch innewohnenden sozialen Kooperation einhergehen, sondern durch die zugewiesene Eigenschaft, das Mittel zu sein, das die „ökonomische Quantitäten“ ändert. Mit dem Tausch von Gütern ändert sich auch die Konfiguration der Güter in der Wirtschaft. Mit dem Tausch produktiver Ressourcen ändert sich das Arrangement der Produktionsfaktoren. Wenn ausschließlich der Transfer der Güter selbst das Objekt des Interesses bildet, dann liegt die Bedeutung des Tausches nur darin, dass mit ihm simultan eine Veränderung in den Mengen „ökonomischer Quantitäten“ eintritt. Der Erwerb eines Konsumgutes führt zu einer Minderung, und zwar sowohl im Inventar des Verkäufers als auch im Barbestand des Käufers. Der Tauschakt ist das Ereignis, das diese ökonomischen Quantitäten verändert und das Verhältnis dieser Veränderungen hervorgebracht hat, nämlich das Phänomen des Preises. Der ehrgeizigste Versuch, diese Vorstellung vom Tausch darzustellen, findet sich in Schumpeters Vorschlag von 1908, das Feld der Ökonomie als Lehre von den Tauschbeziehungen festzulegen.186 Seine Vorstellung von Ökonomie fällt mit seiner Vorstellung vom Tausch zusammen. Die faszinierendste und am meisten diskutierte Implikation der Schumpeterschen Tauschkonzeption dürfte deren Applikation auf die Crusoe-Wirtschaft sein. Wenn die Bedeutung einer Tauschhandlung nur in der gleichzeitigen Veränderung der Güterbestände liegt, dann kann man die Idee des Tausches leicht auf die Aktivitäten eines einzelnen Individuums ausdehnen. Wenn, wie in Schumpeters Beispiel, Crusoe Wild schießt, dann tauscht er lediglich Schießen und Energie gegen Essen ein. Dieser Gebrauch der Tauschidee war in den Augen mancher Kritiker ein Stück willkürlicher und fruchtloser Geistesgymnastik, hat aber zugleich auch den neidvollen Respekt vor der „ungeheuren Scharfsinnigkeit“ hinter dieser Idee hervorgerufen.187 Dieser Ansatz steht natürlich im Einklang mit Schumpeters Wunsch, das menschliche Verhalten als Faktor in der Ökonomie zu übergehen. Der Ökonom, der das menschliche Verhalten den Psychologen überlässt, muss die Ergebnisse des Verhaltens nur bezüglich der Veränderungen in den Güter- und Preisquantitäten berücksichtigen. Aus einer weniger positivistischen Warte heraus betrachtet, wird man in Schumpeters Ausweitung des Tausches auf die isolierte Ökonomie nicht eine Ausdehnung, sondern vielmehr eine Verengung des interpersonalen Tauschkonzeptes sehen. Wenn man den menschlichen Handlungen ein zielgerichtetes Element unterstellt, dann bedeutet Tausch einfach nur den Verzicht auf die Be186  Schumpeters Definition von Ökonomie im Sinne von Tausch findet sich auch in seinem Buch Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie (1908); siehe vor allem S. 55, 582. Für Schumpeters gereiftere Auffassung vom Tausch siehe sein Buch History of Economic Analysis (1954), S. 911. Zu einem womöglichen Wandel in Schumpeters Wertschätzung für Whatelys Hervorhebung der Katallaktik siehe Schumpeter (1908), S. 50, Anm., und Schumpeter (1954), S. 536, Anm. 187 Siehe Amonn (1911), S. 128; Robbins (19352), S. 21, Anm.

4. Kap.: Ökonomie, Markt und Gesellschaft

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friedigung eines weniger dringenden Wunsches zugunsten der Befriedigung eines dringenderen Verlangens. Der interpersonale Tausch ist deshalb von Bedeutung, weil er die Möglichkeit simultaner Handlungen zweier absichtsvoll handelnder Personen reflektiert, von denen eine jede beabsichtigt, die Position zu erreichen, die sie unter allen ihr möglichen Alternativen vorzieht. Natürlich kann man diesen Aspekt des Tausches auch in einer isolierten Ökonomie hervorheben. Es bedarf keiner besonderen Scharfsinnigkeit oder geistigen Gymnastik, um zu erkennen, dass Crusoe, indem er eine Befriedigung gegen eine andere austauscht, auf die eine zugunsten der anderen verzichtet. Um es mit Seligman zu sagen: „Crusoe tauscht in Gedanken Äpfel gegen Nüsse, wenn er deren Wert für ihn veranschlagt.“188 Wenn aber Schumpeter meint, dass Crusoe tausche, heiße nicht, dass er einen Genuss zugunsten eines anderen aufgebe, sondern dass die Quantitäten verschiedener, ihm unterstehender Ressourcen gleichzeitig Veränderungen erfahren, dann hat er das Tauschkonzept effektiv seiner notwendigsten Äußerlichkeiten beraubt. So gesehen besteht nämlich kaum ein Unterschied zwischen dem Fall, in dem A sein Pferd gegen die Kuh von B tauscht, und dem Fall, in dem A’s Pferd und B’s Kuh die Plätze getauscht haben und sich weigern, sich vom Fleck zu bewegen. Man fügt der Darlegung relativer Veränderungen in den ökonomischen Quantitäten nichts hinzu, wenn man erklärt, dass diese Veränderungen Tausch konstituieren. Schumpeter mag etwas in dieser Art geahnt haben, als er schrieb, dass seine Vorstellung von Tauschaktivitäten „rein formal“ sei.189 Schumpeters Tauschbeziehungen kann man am besten verstehen, wenn man sie mit dem alternativen Begriff bezeichnet, den Schumpeter für sie verwendet, nämlich „Preis“.190 Preis ist für Schumpeter einfach ein Parameter, der gleichzeitige Veränderungen in den Güterquantitäten lenkt. Mehr meint die Tauschbeziehung nicht. Die Definition der Ökonomie im Sinne der Schumpeterschen Tauschbeziehungen enthält nichts anderes als andere Begriffe für die in einem früheren Kapitel besprochene „mechanistische“ Definition des Fachs, bei der sich alles um Veränderungen in den „ökonomischen Quantitäten“ dreht.

Tausch und ökonomisches System Was den Tausch außerdem für die Definition der Reichweite der Ökonomie interessant macht, ist seine Bedeutung für die Visualisierung des ökonomischen Systems. Vornehmlich um diesen Aspekt geht es in der zu Beginn dieses Kapitels erwähnten zweiten Definitionsgruppe, welche die Idee eines ökonomischen Systems oder einer ökonomischen Organisation als Kriterium verwendet. Dass man inmitten der Anarchie der zahllosen, scheinbar gefährlichen Transaktionen des ökonomischen Lebens zugesteht, dass es ein System gibt, das die scheinbar unverbundenen Aktionen untereinander in Beziehung setzt und sie zum Zwecke Seligman (1901), S. 327. Siehe auch Mises (1936), S. 114, 117. Schumpeter (1908), S. 53. 190  Schumpeter (1908), S. 49. 188  189 

Tausch und ökonomisches System

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sozialer „Ziele“ organisiert, ist eine Errungenschaft der Wirtschaftswissenschaft. Die Entdeckung, dass ein solches System existiert, macht aber auch den Weg frei für eine neue Vorstellung von der Natur der Wirtschaftswissenschaft selbst. Die Existenz eines Systems offeriert ein neues Subjekt der Erforschung, nämlich das System selbst. In dem System mag es um Wohlstand gehen, egoistisches Verhalten, die Neigung, zu handeln, oder eine Spielart des ökonomischen Menschen; wie auch immer, hinsichtlich seiner Organisation, Struktur und Abläufe gibt es ein unabhängiges, einzigartiges Phänomen ab. Das System ist wechselnd als Tauschsystem, Preissystem, Markt usw. beschrieben worden. Diese Begriffe mögen unterschiedliche Betrachtungsweisen der Systemeigenschaften widerspiegeln, aber sie alle implizieren das Phänomen des Tausches. Die Beschreibung des wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsgegenstands als Tauschhandlungen schließt demnach das gesamte System der Tauschhandlungen ein. Ein Autor hat es einmal so formuliert: „Die Wirtschaftswissenschaft erforscht den Markt, wie die Politische Wissenschaft den Staat erforscht. Die Würdigung dieses Forschungsunternehmens scheint mir für die katallaktische Sichtweise grundlegend zu sein“191 Dieser Aspekt des Tausches ähnelt sehr dem im vorherigen Abschnitt beschriebenen Aspekt, dass der Tauschhandel die Vorteile der Spezialisierung und Arbeitsteilung sichert. Dennoch sind die beiden Aspekte recht verschieden. In der dort genannten Sichtweise bringt der Tausch die Möglichkeit gegenseitiger Vorteile zur Sprache, die den Menschen durch die Arbeitsteilung entstehen, wobei das Aggregat all dieser Tauschhandlungen das Maximum der Spezialisierung und der tatsächlich erreichten gesellschaftlichen Kooperation bemaß. Hier aber ist der entscheidende Aspekt die Beziehung zwischen all den Tauschhandlungen selbst, die strukturellen Muster dieser Handlungen und die Art, in der alle gemeinsam es schaffen, die „Güter bereitzustellen.“192 Wenn der Erfolg des Systems, über den Preis Ergebnisse zu generieren, kein Thema ist, dann erschöpft sich die Beschreibung des Systems in einer positiven Aussage zur funktionalen Beziehung zwischen den im System enthaltenen Variablengruppierungen. Die Gesamtheit dieser Beziehungen ist dabei nur im Zusammenhang mit den verschiedenen Beziehungsgruppierungen von Interesse. Das ist jedenfalls der Standpunkt, den Schumpeter mit seiner auf Tausch rekurrierenden Definition einnimmt. Gleiches gilt für die anderen „mechanistischen“ Definitionen in diesem und dem vorangegangenen Kapitel. Wenn aber der ganze Fundus an untereinander bestehenden Beziehungen als Einheit betrachtet wird und die Existenz einer solchen Einheit an sich für bedeutsam gehalten wird, dann dürfte der System­ idee ein prominenter Platz in der Wirtschaftswissenschaft sicher sein. Parry (1921), S. 125. „Interpretiert man die Volkswirtschaftslehre als eine Kritik der kompetitiven Organisationsform, dann liegt das erste und grundlegende Problem darin, festzulegen, ob die frei geschlossenen Vertragsbeziehungen unter der Kontrolle des Wettbewerbs zur maximalen Herstellung an Wert, ausgedrückt in Preisen, führen oder nicht.“ (Knight (1924), wiederabgedruckt in Knight (1935), S. 218.) 191 

192 

4. Kap.: Ökonomie, Markt und Gesellschaft

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Bastiat verkörpert jenen Ökonomentypus, der unter Betonung des Tauschaspektes die primäre Aufgabe seines Fachs in der Darlegung eines solchen Systems sah. Man darf vermuten, dass zumindest ein Teil der Kritik an Bastiats Werk dem Missverständnis geschuldet ist, das man seiner Vorstellung vom Gegenstandsbereich des Fachs entgegenbrachte. Bastiat wird oft als oberflächlicher Optimist charakterisiert, der sich darauf beschränkte, das hohe Lied der freien Marktwirtschaft zu singen. Cairnes warf Bastiat vor, unwissenschaftlich zu sein. Er monierte, dass Bastiat es als Aufgabe des Ökonomen ansah, die Phänomene des Wohlstands in der Laissez-faire-Wirtschaft nicht nur zu erörtern, sondern auch zu zeigen, dass dieses System das optimale sei.193 Dies heiße, so Cairnes, zu behaupten, dass die Ergebnisse der Politischen Ökonomie vorherbestimmt seien. Dann aber sei die Politische Ökonomie gar keine Wissenschaft, weil die „Wissenschaft keine vorherbestimmten Ergebnisse kennt.“ Durch den Versuch, die Fakten des Wohlstands zu verteidigen statt zu erklären, habe Bastiat sich von der Überparteilichkeit der Wissenschaft verabschiedet. Cairnes’ Beharren auf der Unbefangenheit als Eigenschaft der wissenschaftlichen Untersuchung im Allgemeinen und der Ökonomie im Besonderen illustriert die klassische Haltung zum eifersüchtig behüteten Grundsatz der wissenschaftlichen Ökonomie. In seiner Begeisterung für die inhärenten Harmonien der freien Wirtschaft ließ sich Bastiat in seinen Büchern oft dazu hinreißen, Dinge zu schreiben, die für die Art von Kritik, die Cairnes anstimmte, ein leichtes Ziel abgaben. Gleichwohl scheint Bastiat sein Fach doch entschieden anders verstanden zu haben als Cairnes, was ihn von dessen Beschuldigungen zumindest teilweise freisprechen dürfte. Bastiat war von der beträchtlichen Reibungslosigkeit beeindruckt, mit der die ungeheuer komplizierte Machinerie der ökonomischen Unternehmungen die Wünsche der Konsumenten erfolgreich erfüllte. Die klassischen Stellen im Eröffnungskapitel seiner Harmonies économique194, in denen er beschreibt, wie der fleißige Zimmermann im Austausch für seine fachkundige Arbeit entschädigt wird, und zwar mit Gütern aus allen vier Himmelsrichtungen, und wie die große Stadt Paris tag täglich mit riesigen Mengen an Lebensmitteln und anderen Dingen versorgt wird, wurden später in den Lehrbüchern der Ökonomie immer wieder nachgedruckt. Es wäre so, als ob man die Augen vor dem Tageslicht verschlösse, so Bastiat, wollte man verkennen, dass all dies das Produkt eines „wunderbar genialen Mechanismus“ ist. „Dieser Mechanismus ist der Forschungsgegenstand der Politischen Ökonomie.“ Dennoch glaubte Bastiat, sich für die Annahme rechtfertigen zu müssen, dass das zu studierende System der Politischen Ökonomie eines ist, das funktioniert. Immerhin war dieses erfolgreiche Funktionieren des Systems – ein Erfolg, von dem Bastiat glaubte, er sei beobachtbar – das Studienobjekt der Ökonomie schlechthin. Für Cairnes, der glaubte, die Ökonomie bestehe in der leidenschaftslosen Erforschung der Wohlstandsphänomene, waren jegliche Vorlieben für ein bestimmtes System ganz und gar unwissenschaftlich. Für Bastiat war es 193  194 

Cairnes (1873), S. 312 f. Bastiat (18818), S.  25 – 28.

Ökonomie, Wirtschaft und Volkswirtschaft

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exakt der bei diesem System empirisch nachweisbare hohe Grad an Effizienz, der nach Erklärung verlangte; ein Phänomen, mit dessen Wahrnehmung man sich wohl kaum zu recht verdächtig macht, „vorherbestimmte Schlussfolgerungen“ ziehen zu wollen. Wie dem auch sei, Bastiat steht stellvertretend für eine recht große Zahl an Autoren, welche die Organisation der Wirtschaft als Mittelpunkt der wirtschaftswissenschaftlichen Aufmerksamkeit hervorheben und die Bedeutung des Tausches in der Rolle sehen, die er in diesem Zusammenhang spielt. Zwei herausragende Ökonomen des 20. Jahrhunderts mögen hier stellvertretend für diese populäre Sichtweise zitiert werden. So schreibt Hawtrey: „Wenn die vollkommene Kooperation, die das Ideal der Vernunft verkörperte, uns verschlossen bleibt, dann begnügen wir uns mit … dem ganzen Fundus an menschlichen Motiven, Instinkten, Verhaltensweisen und sonstigem. Wenn jedes Mitglied der Gesellschaft dazu bewogen oder angehalten wird, seine ihm zufallende Aufgabe dadurch zu lösen, dass es ein ihm passendes Motiv mit ihr verbindet, dann braucht es gar nicht zu wissen, wie es zum tatsächlichen Ziel beiträgt, oder auch nur eine Ahnung von diesem Ziel zu haben. Genau dieses Organisationsproblem nennen wir das ökonomische Problem. In der Tat ist es der tatsächliche Gegenstand der politischen Ökonomie.“195 Und Hayek schreibt: „Das spontane Zusammenspiel der Handlungen der Individuen kann einen Organismus hervorbringen, in dem jeder Teil eine notwendige Funktion für die Beibehaltung des Ganzen ausübt, ohne dass irgend ein menschlicher Geist ihn erfunden hätte. … Wenn man erkennt, dass dieser Organismus existiert, dann erkennt man auch, dass die Ökonomie ein Studienobjekt hat. Eine der Ursachen für die Sondersituation der Ökonomie liegt darin, dass die Existenz jenes Gegenstands, den sie zu untersuchen hat, erst nach einem sehr ausgedehnten Studium erkennbar wird …“196

Ökonomie, Wirtschaft und Volkswirtschaft Der Gedanke, den wir hier aufgreifen, führt direkt zu der Rolle, welche die Idee der Volkswirtschaft in der Frage nach dem Bereich der ökonomischen Untersuchungen spielt. So als wäre es ein philologischer Zufall, fördert dieses Wort Merkmale in deutschsprachigen Definitionen hervor, die in englischsprachigen Auseinandersetzungen mit dem Thema fehlen. Zahlreiche Abhandlungen zum We­ sen der Volkswirtschaft belegen, dass es eine ganze Bandbreite von Vorstellungen gibt. Sie reicht von den eher holistischen Ansichten einiger Vertreter der Historischen Schule und Befürworter der Sozialpolitik, in denen die Volkswirtschaft als ein organisches Ganzes betrachtet wird, bis hin zu Auffassungen, denen zufolge Hawtrey (1925), S. 3. Hayek (1933), S. 130 – 131. Für ähnliche Formulierungen, in denen die ökonomische Organisation für Definitionszwecke hervorgehoben wird, siehe Bye (1939), S. 626; Boul­ ding (1958), S. 8. Siehe auch Oppenheimer (1928), S. 170. 195 

196 

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4. Kap.: Ökonomie, Markt und Gesellschaft

die Volkswirtschaft nur eine Agglomeration unabhängig operierender individueller „Ökonomien“ ist.197 Es ist schon bezeichnend, wie mit der Existenz eines einzigen Wortes in der deutschen Sprache, das eine derart komplexe Vorstellung kompakt wiedergibt, ein beträchtlicher Einfluss auf die Richtung einsetzte, in der sich die Definitionen ökonomischer Angelegenheiten entwickelten. Weil es um das Studium bzw. die Lehre der Volkswirtschaft ging, nannten viele Autoren ihr Fach auch dementsprechend Nationalökonomie. Auf diese Weise legte man mit der Definition den Akzent unmittelbar auf den sozialen Charakter der ökonomischen Tätigkeit. Da es im Englischen lange Zeit kein entsprechendes Wort für Volkswirtschaft gab, waren die englischen Definitionen von alledem nicht sonderlich betroffen.198 Der gegenwärtige Gebrauch des Begriffs „die Wirtschaft“, der für sich genommen ein Interesse an makroökonomischen „Aggregaten“ widerspiegelt, ist zu neu und zu speziell, um großen Einfluss auf die englischen Definitionen gehabt zu haben. Als Schmoller den Begriff „Politische Ökonomie“ als Äquivalent für die Volkswirtschaft, den großen gesellschaftlichen Körper, einführte, prägte er etwas, das zu jener Zeit der „Politischen Ökonomie“ eine neue Bedeutung gab.199 Wohl mehr als zufällig dürfte allerdings eine andere Verbindung sein, nämlich die zwischen dem Gebrauch des Begriffs Volkswirtschaft und der Idee ökonomischer Phänomene, in denen temporale Beziehungen und vor allem die allgemeine historische Bedeutung eine Rolle spielen. Vor allem für jene Autoren, welche die organische Einheit des Ganzen betont haben, enthielt der Begriff dieselben Implikationen der Zeiträume überspannenden Kontinuität wie die Begriffe von Staat und Nation (Begriffe, die z.B. Schmoller als analoge Begriffe zur Volkswirtschaft verwendete).200 Die Ausstattung der Ökonomie mit einer rein willkürlich unterteilbaren Ausdehnung entlang der Zeitdimension ist zumindest teilweise Mangoldts bekannter Umschreibung der Ökonomie als „Philosophie der Wirthschaftsgeschichte“ zuzuschreiben, aber auch den ähnlich gelagerten Auffassungen von Roscher201 und anderen Ökonomen der Historischen Schule. Wenn man die Volkswirtschaft als eine Einheit versteht, deren räumliche und zeitliche Dimensionen dehnbar sind, dann kann man sie von anderen Einheiten (z.B. vom „Gemeinwesen“) nur noch mithilfe von offenkundigen und dauerhaften Aufgaben, wie die Versorgung der Nation mit dem materiell Notwendigen, abgrenzen.

197  Für Literaturbeispiele zu diesem Punkt siehe Mengers Untersuchungen (Appendix I, „Über das Wesen der Volkswirthschaft“); Schmoller (1893), wiederabgedruckt in Schmoller (1898). 198  Für ein Beispiel des Deutschen Einflusses in dieser Hinsicht siehe Elys zustimmender Hinweis auf die Definition der Ökonomie als „Wissenschaft des nationalen Wirtschaftens“, eine Idee, die der einer „Volkswirthschaft“ nahesteht; Ely (1889), S. 95. 199 Siehe Schmoller (1898), S. 217. 200 Siehe Schmoller (191911, 12), I, 1. 201  Roscher (1906), S. 42.

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Im vorherigen Kapitel haben wir dargelegt, dass die deutschen Ökonomen dem Maximierungsprinzip große Aufmerksamkeit geschenkt haben. Manchmal führte dieses Interesse zu einem ernsten Konflikt mit der Idee, die Ökonomie sei das Studium der Volkswirtschaft. So ist es bezeichnend, dass ein Autor die Diskussionen um das „ökonomische Prinzip“ einfach beiseiteschob, indem er erklärte, es sei nicht Aufgabe der Ökonomie, die Effekte der Wirtschaftlichkeit zu untersuchen, sondern die Funktion der Volkswirtschaft zu verstehen.202 Amonn, der den sozialen Aspekt der ökonomischen Phänomene wahrscheinlich mehr als alle anderen Autoren betonte, hat in den zwanziger Jahren eine scharfe Kritik an jenen geübt, die beim Versuch, den Gegenstandsbereich der Wirtschaftswissenschaft zu definieren, auf Vorstellungen wie die von der individuellen Handlung als haushälterische Maßnahme zurückgriffen. Versuche, den Begriff der Volkswirtschaft aus den Elementen des individuellen wirtschaftlichen Verhaltens abzuleiten, sind, so gesehen, zum Scheitern verurteilt.203 Die ökonomische Tätigkeit verdankt ihre Besonderheit den sozialen Beziehungen, in die sie verstrickt ist. Diese Sichtweise stieß wiederum auf heftigen Widerspruch bei jenen, die versuchten, die Volkswirtschaft aus der Wirtschaft heraus zu verstehen.204 Mit der Idee der Volkswirtschaft sind aber auch solche Ökonomiedefinitionen verbunden, die nur mithilfe von Begriffen bezüglich nationaler Aggregate auskommen. Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel die Auffassungen der Ökonomen der klassischen Epoche, denen zufolge das Fach mit dem nationalen, nicht dem individuellen Wohlstand befasst war.205 Aber auch die Erörterungen „sozialer Ziele“ als etwas von den individuellen Motiven Verschiedenes, zu denen die Wirtschaft als Ganze angeblich strebe, haben mit der Idee der Volkswirtschaft einiges gemeinsam. In dieser Hinsicht sind sowohl die Arbeiten von R. Stolzmann als auch die von Othmar Spann von Belang.206

Wirtschaft und Gesellschaft Viele der in den vorherigen Abschnitten dieses Kapitels erwähnten Ideen haben eine Bedeutung für das Verhältnis von Ökonomie und Sozialwissenschaften im Allgemeinen, das hier und da als vorhanden angenommen wurde. Die Strukturen in den Mustern zwischenmenschlicher Kontakte, die der Ökonom bei seiner Untersuchung des Marktes studiert, können auch für den Soziologen oder Sozialpsychologen, wenn auch aus einem gänzlich anderen Blickwinkel heraus, von Interesse sein. Aber es gab auch Autoren, die den spezifisch ökonomischen Aspekt Kleinwächter (1889), S. 639. Siehe vor allem Amonn (19272), S. 153 f. 204 Siehe Oppenheimer (1928), S. 170. 205  Siehe z.B. Raymond (18232), S. 35; Plough (1842), S. 4; Whately (1855), S. 16, 33 f. 206  Siehe dazu Suranyi-Unger (1931), S. 78. Siehe auch den nächsten Abschnitt in diesem Kapitel. 202  203 

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4. Kap.: Ökonomie, Markt und Gesellschaft

der Phänomene mit der im Tausch inhärenten sozialen Qualität gleichsetzten und als Gruppe merkten, dass dies ihre Vorstellungen von der Natur und Methodologie der Sozialwissenschaften beeinflusste. Der soziale Charakter der vom Ökonomen untersuchten Phänomene wurde schon früh in der Geschichte des Fachs erkannt. So hat J.S. Mill bei seiner Definition der politischen Ökonomie diesen Aspekt in einem Maße hervorgehoben, das späteren Autoren offenbar verlorenging.207 Gleichwohl gilt, dass mit dem Beginn des soziologischen Denkens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein sehr großes Bewusstsein für jenen Beitrag entstand, den die Ökonomie zur systematischen Erforschung der Gesellschaft leisten kann. Dies wiederum brachte eine „soziologische“ Attitüde in die wirtschaftswissenschaftliche Forschungen, die sich in vielfältiger Weise manifestierte. Extrem war die zuerst von Comte geäußerte und später von anderen Autoren übernommene Meinung, es sei zwecklos, jenseits der Gesetze der Gesellschaft als Ganzes nach Gesetzen der Ökonomie zu suchen. Für Comte bedeutete die Anerkennung ökonomischer Angelegenheiten als Bestandteil der Gesellschaftsphänomene, dass jede ökonomische Theorie der Gesellschaft, die geistige, moralische und politische Faktoren außer Acht lässt, zu einem „metaphysischen“ Unternehmen wird, hervorgegangen aus einer „irrationalen“ Abspaltung.208 Vor allem in der Historischen Schule finden sich Autoren, die später eine ähnliche Auffassung teilten. In England betonten Ingram und Leslie die Notwendigkeit, sich der großen „Wissenschaft der Gesellschaft“ zuzuwenden, wolle man gültiges ökonomisches Wissen erlangen.209 Wenn man diese Ideen ähnlich extrem vertritt wie Comte, dann meint man mit ihnen nicht, dass der soziale Charakter der ökonomischen Angelegenheiten der Ökonomiedefinition neue Aspekte abringt, sondern dass das Bewusstwerden dieses sozialen Charakters zur Leugnung jeglicher spezieller ökonomischer Angelegenheiten führt. Wohlstandsphänomene mögen davon ausgenommen sein. Aber wenn man erst einmal darauf besteht, dass die Ableitung der Wohlstandsgesetze die Untersuchung von geistigen, moralischen und politischen Faktoren erfordert, 207 Für J.S. Mills Betonung des sozialen Charakters ökonomischer Angelegenheiten siehe sein Essays on Some Unsettled Questions of Political Economy, S. 133, 135, 137, 140. In seiner sehr scharfen Kritik an Mills Haltung scheint Amonn (1911), S. 35 – 36, von dieser Stelle keine Notiz genommen zu haben. Gehrig sieht es als Verdienst der „neuen“ Ökonomen an, als Erste den sozialen Charakter ihrer Disziplin erkannt zu haben (Einleitung zu seiner 1922 erschienenen Ausgabe von Hildebrands Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, S. 1x). 208 Siehe Comte (18642), IV, 194 f.; siehe auch die oben genannten Arbeiten in Kap. 1, Anm. 24. 209  Siehe dazu Kap. 2, Anm. 48. Vgl. Parsons’ Auffassung, Marshalls Ökonomieverständnis habe die Ökonomie in eine „enzyklopädische Soziologie“ verwandelt, was jede Identität der Wirtschaftstheorie als selbstständige Disziplin zerstört habe; siehe z.B. Par­ sons (Structure of Social Action 1949), S. 173.

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dann gibt man auch zu, dass überhaupt kein spezieller ökonomischer Blickwinkel in irgendeiner Weise wissenschaftlich erhellend sein kann. Gleichwohl führte das Bewusstsein von der soziologischen Bedeutung der Ökonomie nicht immer dazu, dass die Ökonomie in einer weitergefassten Soziologie aufgegangen wäre.210 Man könnte viele Autoren der Jahrhundertwende zitieren, die gewissenhaft Ökonomie betrieben, aber um deren Status innerhalb der Sozialwissenschaften genau Bescheid wussten. Beschränken wir unsere Aufmerksamkeit genau auf diesen Aspekt des soziologischen Ansatzes in der Ökonomie, der die Auffassung bezüglich der Natur des ökonomischen Blickwinkels beeinflusst hat, dann finden wir einige Gedankenlinien, die sich quer durch die Literatur unseres Jahrhunderts ziehen. Zunächst kommt einem dabei wieder Ammon in den Sinn, der darauf beharrte, dass jegliche Suche nach der Natur der Wirtschaftswissenschaft in irgendwelchen sich auf individuelle Aktivitäten stützenden Vorstellungen vergeblich sei. Der Ökonom erforscht einen bereits vorhandenen Kuchen, und dessen Wesen liegt in der Struktur der gesellschaftlichen Beziehungen, die wiederum die ökonomischen Angelegenheiten bestimmen, die uns aus eigener Anschauung bekannt sind und, wie es seit Ricardo Tradition ist, von den Ökonomen untersucht werden. Der Versuch, ökonomische Angelegenheiten durch Rückgriff auf das Individuum zu bestimmen, heißt, von ihrem eigentlichen Wesen zu abstrahieren.211 Aus Sicht dessen, was dieses Buch zeigen will, ist diese Auffassung vor allem deshalb interessant, weil sie zu einer Absage an die im letzten Kapitel aufzugreifende Formulierung des ökonomischen Blickwinkels führt. Wie auch immer, die Betonung des sozialen Aspekts hat bei einigen wenigen Autoren Verwendung gefunden, um die Ökonomie von der Technologie zu unterscheiden.212 In einem etwas anderen Zusammenhang hat die Erkenntnis, dass ökonomische Angelegenheiten auf die Handlungen von Menschen rekurrieren – und zwar nicht isoliert voneinander, sondern innerhalb eines gesellschaftlichen Rahmenwerks –, die Vorstellung vom ökonomischen Blickwinkel hinsichtlich des Ziels der ökonomischen Tätigkeit beeinflusst. Anderson, Haney, Parsons und Macfie stehen stellvertretend für all jene Autoren des letzten halben Jahrhunderts, die diesen Einfluss widerspiegeln.213 In deren Debatte liegt die Betonung nicht auf den sozialen Siehe z.B. Amonn (1911), S. 154, Anm. ist nicht allzu überraschend, dass zumindest ein Autor eine Position vertrat, die der von Amonn genau entgegengesetzt war. Schor (1903) meinte, man könne den ökonomischen Aspekt der Handlungen nur erkennen, wenn man vom sozialen Element gänzlich absähe. 212  Bye (1939), S. 625; Hayford (1917), S. 59. 213 Siehe Suranyi-Unger (1931), S. 78. Siehe auch Anderson (1911); Haney (1913); Par­ sons (1934), S. 518 f.; Macfie (1943). Zur Rechtfertigung für die oberflächlich anmutende Behandlung der hier angesprochenen Angelegenheiten mag man anführen, dass diese, so wichtig sie auch in anderen Zusammenhängen sein mögen, für unsere Erörterung weitaus weniger relevant sind, und das in einem eher negativen Sinn. 210 

211  Es

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Mustern der Beziehungen, die im Verlauf ökonomischer Tätigkeiten auftreten. Die Autoren betonen hier vielmehr die Tatsache, dass die Werte und Motive, welche die ökonomische Tätigkeit beeinflussen und anregen, fast ausschließlich von der Gesellschaft als Ganzes bedingt werden. Wie auch immer die Rolle individueller Handlungen aussehen mag, hier steht im Vordergrund, dass die Werte gesellschaftlich bestimmt und das Produkt von Kräften sind, nach deren Erklärung man in der Soziologie oder Sozialpsychologie suchen muss. Auch dieser Denkrahmen dürfte für unser Problem hauptsächlich deshalb wichtig sein, weil er eine Ablehnung jener „atomistischen, individualistischen“ Konzeption des ökonomischen Blickwinkels enthält, auf die wir an späterer Stelle zurückkommen werden. In diesem zwangsläufig kurzen und fragmentarischen Überblick über die soziologisch geprägte Konzeption des ökonomischen Blickwinkels müssen wir schließlich noch den Versuch erwähnen, die Ökonomie innerhalb einer weitergefassten Gesellschaftstheorie zu „lokalisieren“. Derlei Versuche wurden im Allgemeinen von Autoren unternommen, die primär an der Erforschung der Gesellschaft interessiert waren und die Natur des ökonomischen Blickwinkels genau festlegen wollten, nicht um dessen selbst willen, sondern, um die einzelnen Facetten, die zusammengenommen die vollständige soziologische Perspektive ergeben, klarer in den Mittelpunkt zu rücken. So verstand Pareto die Ökonomie als integralen Bestandteil der Soziologie und glaubte, dass der genuin ökonomische Blickwinkel mittels einer bewussten Beschränkung der Aufmerksamkeit auf bestimmte „Variablen“ eingenommen werden kann.214 Eine vollständige soziologische Theorie würde die Berücksichtigung aller handlungsbeeinflussenden Variablen umfassen. Die Ökonomie erhält hier ihren separaten Status durch bewusste „Abstrahierung“ von „nicht-ökonomischen“ Variablen und wird so zu einer hypothetischen Unterdisziplin innerhalb der allumfassenden Gesellschaftstheorie. Die besonderen Kriterien, die jeweils über die „ökonomische“ oder „nicht-ökonomische“ Natur der jeweiligen Variablen entscheiden, sind für unsere Zwecke nicht weiter von Interesse. (Sie spiegeln aber einige Gesichtspunkte wider, die an anderen Stellen dieses Buches zur Sprache kommen.) Hier ist allein die Idee wichtig, dass ein ökonomischer Blickwinkel nur eine erste grobe Abstraktion eines umfassenderen und komplexeren theoretischen Systems sein kann, nämlich der Gesellschaftstheorie. Professor Parsons, der in seinen früheren Schriften dieses konzeptionelle Rahmenwerk für die Verortung der Ökonomie willkommen hieß, hat sich neuerdings anders dazu geäußert.215 Gemäß seiner neuen Auffassung ist die Ökonomie ein Untersystem der Gesellschaft. Die Theorie des Gesellschaftssystems trifft demnach auch auf die Ökonomie als ein Sonderfall zu. Die in der Ökonomie (wie auch in jedem anderen besonderen Subsystem der Gesellschaft) wirksamen Grundgrößen sind dieselben Größen, die auch für die Theorie des Gesellschaftssystems im Allgemeinen gelten. Die Ökonomie ist dasjenige Subsystem der Gesellschaft, das Siehe dazu Parsons/Smelser (1956), S. 6. Parsons/Smelser (1956). Laut Parsons und Smelser geht der Vorschlag ursprünglich auf Professor W.W. Rostow zurück. Siehe auch Sorokin (1947), S. 7 f. 214 

215 

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sich durch seine adaptive Funktion von allen anderen unterscheidet, womit die Funktion jedweden Gesellschaftssystems gemeint ist, die sich auf die Kontrolle der Umwelt zum Zwecke der Zieldurchsetzung bezieht. Im Rahmen dieser Auffassung nimmt der ökonomische Blickwinkel erst recht in einer allgemeinen soziologischen Theorie einen untergeordneten Platz ein. Nationalökonomie wird zum Spezialfall einer soziologischen Theorie und soll gar als Spiegel herhalten, der mutatis mutandis die Aussagen einer solchen Theorie widerspiegelt. Die interessanteren und bedeutenderen Implikationen dieses Ansatzes für die Ökonomie liegen indes jenseits dessen, was wir zu untersuchen haben. Für unsere Zwecke reicht es, eine weitere Konzeption des ökonomischen Blickwinkels entdeckt zu haben, eine, die mit den anderen in diesem Abschnitt erwähnten Konzeptionen die Eigenschaft teilt, dass sie sich eng an den sozialen Aspekt der ökonomischen Angelegenheiten anlehnt, und damit indirekt an die Ideen des Tausches, die zu Beginn dieses Kapitels ausführlich diskutiert wurden.

5. Kapitel

Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung 5. Kap.: Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung

„Im Krieg, in der Liebe, Politik, Religion und Moral kann man unmöglich vorhersagen, wie die Menschheit handeln wird, … Aber sobald eines Menschen Ohr Pfund, Schillinge und Pennies vernimmt, kann man sich peinlichst genau auf sein Verhalten verlassen.“ Robert Lowe „Geld mag nicht die Wurzel allen Übels sein, aber es ist gewiss die Wurzel der Wirtschaftswissenschaft.“ Wesley C. Mitchell „Die erste umfassende Nationalökonomie … zog den Trennstrich zwischen dem, was wir für ökonomisch halten, und dem, was wir für außer-ökonomisch halten, implizit dort, wo die Grenze zwischen den in Geldeinheiten berechneten Handlungen und den anderen Handlungen verläuft.“ Ludwig von Mises

Wenn man sich die Literatur zum Thema einheitlich fassbarer ökonomischer Angelegenheiten anschaut, dann stößt man immer wieder auf die Tendenz, das Phänomen Geld als Unterscheidungsmerkmal einzuführen. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit den verschiedenen Auffassungen zur Nutzung des Geldes als Kriterium des Ökonomischen, die es zu allen Zeiten gab.

Geld, Wohlstand und Tausch Die offensichtlichste Form, in der Geld sich als relevanter Bestandteil der Definition der Ökonomie anbietet, ergibt sich aus dessen Verhältnis zum Wohlstand. Schließlich ist Bargeld die gebräuchlichste und eindrucksvollste Form, in der Wohlstand zum Ausdruck kommt. Geld als Tauschmittel hat die Eigenschaft, die Güter dorthin zu lenken, wo sie gebraucht werden, und ist allgemein eine der bevorzugten Formen, Wohlstand aufzubewahren. Natürlich war das Aufkommen bestimmter Metalle als allgemein akzeptiertes Tauschmittel teilweise das Resultat ihrer Eignung, sich über längere Zeiten hinweg verlustfrei aufbewahren zu lassen. In seiner Darlegung der Natur und Ursachen des Wohlstands der Nationen glaubte Adam Smith allerdings darauf hinweisen zu müssen, dass die Anhäufung eines nationalen Vorrats an Gold alleine noch keinen nationalen Wohlstand sichere. Natürlich hat man darüber diskutiert, ob Smith den Merkantilisten zu Unrecht

Geld, Wohlstand und Tausch

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zuschrieb, den nationalen Wohlstand mit Gold gleichzusetzen.216 Allerdings reduzierte man in den frühen Definitionen der politischen Ökonomie als Lehre vom Wohlstand den Wohlstand nicht allein auf dessen monetäre Form. Man hob dieselbe auch nicht besonders hervor. Im Gegenteil, viele Autoren verwiesen darauf, dass Geld selbst viele Eigenschaften von Wohlstand vermissen lasse. Die Produktionsund Verteilungsprobleme, an denen die klassischen Autoren interessiert waren, betrafen die Güter, die menschliche Bedürfnisse direkt befriedigten, oder deren Produktionsfaktoren. Die ausgeprägte Missachtung der rein monetären Effekte auf die Ökonomie, die für die klassische Ökonomie charakteristisch ist, machte es leichter, das Interesse dauerhaft vom Tauschmedium fernzuhalten. Ungeachtet dessen gab es bald einige Ökonomen, die über Wohlstand so schrieben, als sei Wohlstand gleichbedeutend mit Geld. Der Franzose Dupuit schrieb 1844, „die Politische Ökonomie, die ausschließlich vom Wohlstand handelt, kann die Intensität eines Wunsches nur in Geld ausdrücken.“217 Bagehot, der die Politische Ökonomie als „Geschäftswissenschaft“ definierte, schrieb, „insofern die Menschen das sind, was wir jetzt „Geschäftsleute“ nennen, ist Geld, also das, wonach sie schauen und was sie wollen, ihr einziges Objekt …“218 Berühmt ist vor allem die Stelle bei Robert Lowe (Viscount Sherbrooke), in der er die Möglichkeit einer Wirtschaftswissenschaft mit den Worten rechtfertigt: „Im Krieg, in der Liebe, Politik, Religion und Moral kann man unmöglich vorhersagen, wie die Menschheit handeln wird, … Aber sobald eines Menschen Ohr Pfund, Schillinge und Pennies vernimmt, kann man sich peinlichst genau auf sein Verhalten verlassen.“219 Und als es Cliffe Leslie daraum ging, die Vorstellung zu attackieren, im Menschen gäbe es ein separates nach Reichtum trachtendes Motiv, tat er dies in einem Essay mit dem Titel Die Liebe zum Geld (1862). Dabei nahm er offensichtlich an, dass er mit dem Nachweis der Nichtexistenz einer derart homogenen Liebe zum Geld den ökonomischen Menschen, in dessen Brust nichts weiter als das Verlangen nach Wohlstand schlage, auseinandernehmen könne. Für sich genommen ist die Gleichsetzung von Wohlstand und Geld nicht sonderlich bedeutend. In den früheren Formulierungen, in denen der objektive Wohlstand im Mittelpunkt des Interesses stand, fehlte diese Gleichsetzung sogar. Die Hervorhebung der monetären Form des Wohlstands tritt vor allem in den Schriften derer auf, denen es in erster Linie um den ökonomischen Menschen geht, der nach Wohlstandsanhäufung trachtet. Und da in der Marktwirtschaft der Drang nach Wohlstand sich am leichtesten erfüllen lässt, wenn man ihn in einen Drang nach Geld verwandelt, macht es kaum einen Unterschied, ob man bei der Beschreibung des ökonomischen Menschen auf dessen Leidenschaft für Wohlstand oder auf dessen Leidenschaft für Geld verweist. Siehe z.B. Cannan (19173), Kap. I. Dupuit (1952), S. 89. 218  Bagehot (1889), V, S. 324. 219  Lowe (1878), S. 864. 216  217 

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5. Kap.: Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung

Was die oben genannten Zitate dennoch nahelegen, ist die stillschweigende Annahme, dass der Tausch für die jeweiligen ökonomischen Angelegenheiten wesentlich sei. Und dieser Umstand insinuiert eine neue Verbindung zwischen der Definition von Ökonomie im Sinne von Tausch und der Ausstattung des ökonomischen Menschen mit einem ausschließlich pekuniären Eigeninteresse. Besonders deutlich wird dies in Bagehots Definition der Ökonomie als „Geschäftswissenschaft.“220 Bagehot stand unter dem Eindruck der Kritik, den die historisch orientierten Ökonomen an der klassischen Politischen Ökonomie geübt hatten. Er räumte eine gewisse „Relativität“ der Ökonomie in Bezug auf Raum und Zeit ein und wollte die Nationalökonomie durch eine Reduzierung ihres Geltungsbereichs auf die „Geschäftswelt“ retten, wo die Annahmen von Eigeninteresse, Rationalität und ähnlichen Größen einigermaßen erfüllt waren. Das Maß, in dem das von Bagehot angenommene Selbstinteresse in der Geschäftswelt am Werk ist, und vor allem die Verwendung dieser Annahme als einendes Band der Nationalökonomie setzten die Einführung einer scharfen Trennung innerhalb der menschlichen Handlungen voraus: einerseits die Aktivitäten der Menschen in ihrer Kapazität als Konsumenten und andererseits ihre Aktivitäten in ihrer Eigenschaft als geschäftsmäßige Produzenten. Mit dem Beziehen von Einkommen ist offenkundig die Hoffnung verbunden, damit Annehmlichkeiten erwerben zu können, wobei hier angenommen wird, dass die Menschen sich nur in ihrer Eigenschaft als „Geschäftsleute“, als Einkommensbezieher, den ökonomischen „Gesetzen“ gemäß verhielten. Nur für dieses Aktivitätsspektrum könne man ernsthaft davon ausgehen, dass das pekuniäre Selbstinteresse die einzige exklusive Leidenschaft sei. In diesem Zusammenhang erweist sich das Verlangen nach Wohlstand sehr deutlich als ein Verlangen nach Geld; die Münze, in der die Geschäftsleute ihr Einkommen erwerben. Ohne die Existenz eines indirekten Tausches wäre diese offensichtlich willkürliche und künstliche Einteilung erst gar nicht möglich. Die Arbeitsteilung in der modernen Wirtschaft ist allein durch den Zwischenschritt des Tausches zwischen Produzent und Konsument möglich geworden. Die Vorstellung von einem besonderen Aktivitätsbereich, in dem die Menschen als Geschäftsleute agieren, ist genau auf diesen Umstand zurückzuführen. Aus dieser Warte heraus wird der Tausch, genauer: der Tausch von Geld, in einem ganz neuen Sinn zum Kriterium ökonomischer Tätigkeit. Die Nationalökonomie muss nun auf solche Tätigkeiten beschränkt werden, bei denen es um den Austausch von Geld geht, weil nur für sie in vernünftiger Weise pekuniäres Selbstinteresse unterstellt werden kann. Wenn die Menschen ihr Gehalt ausgeben, dann ist man bei der ökonomischen Analyse verständlicherweise zunächst einmal perplex über die Vielzahl der Motive, die das Ausgabeverhalten auslösen. Wenn sie sich aber auf eine besondere Tätigkeit einlassen, nämlich die Sicherung eines Geldeinkommens, dann taugt ihre Handlung 220  Stellen, an denen Bagehot durchgängig von Ökonomie als „Geschäftswissenschaft“ spricht, finden sich in seinen Works (1889), III, S. 269; V, S. 243, 259, 324. Siehe III, S. 44, wo Bagehot über Cairnes schreibt, dass dieser besser als jeder andere und „exakt die Art von Wissenschaft, um die es sich bei der Politischen Ökonomie handelt“, definiere.

Geld, Wohlstand und Tausch

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plötzlich für die Analyse. Weil die Menschen die zahlreichen von ihnen ersehnten, heterogenen Güter nicht direkt erwerben, lenken sie ihre Nachfragen nach diesen Gütern zunächst einmal um in eine Nachfrage nach einem einzigen Gut: Geld. Alsdann kann die Ökonomie sich daran machen, das geschäftliche Verhalten des Menschen zu analysieren, wobei diesem unterstellt wird, dass ein einziges Motiv vorliegt, nämlich das Verlangen nach Geld bzw. die Maximierung dieses besonderen Gutes.221 Diese Konzeption ökonomischer Tätigkeit enthält zweifellos ein zirkuläres Element. Die ökonomische Theorie können wir nur auf menschliche Handlungen beschränken, die dieses einzige Ziel vor Augen haben: die Maximierung des Geldeinkommens. Dann behaupten wir einen „ökonomischen“ Bereich für das „Geschäftsleben“, das wiederum im Rückgriff auf das besagte einzige Objekt der Begierde definiert wird. Die Rechtfertigung für ein solches Verfahren liegt in der scharfen Trennung, die, wie wir gesehen haben, erst durch die Existenz jener monetären Brücke möglich geworden ist, welche die Lücke zwischen Einkommenserwerb und Güterkauf betont und schließt. So gesehen gibt es im Leben der Menschen einen Januskopf. Einen Teil ihrer Zeit verwenden die Menschen auf den Erwerb von Einkommen, und einen anderen, um sich am Einkommen zu erfreuen; egal wie vage die Trennlinie zwischen den beiden Bereichen auch sein mag. Historisch gesehen, hat die Nationalökonomie sich vor allem mit dem ersten Bereich befasst. Deshalb sehen die Definitionen der Ökonomie als die Lehre vom Geld anders aus als die, die auf Wohlstand rekurrieren. Das Kriterium des Geldes grenzt den Bereich des Erwerbs von Einkommen ab und macht ihn für die Nationalökonomie zu einem fruchtbaren Feld. Im Rahmen der Konzeption ökonomischer Tätigkeiten hat man diesen schon immer so ausdehnen wollen, dass man alle Handlungen des Menschen einbeziehen konnte. Nicht ein Teil der menschlichen Handlungen war für die Ökonomie als wichtig erachtet worden, sondern ein Aspekt im Spektrum aller Handlungen. Die hier ausgeführte, auf Geld rekurrierende Definition ist ein Sonderfall des älteren Definitionstypus, der einen Teil der menschlichen Aktivitäten für die Wirtschaftslehre abgegrenzt und eine homogene Masse an Phänomenen behauptet hat, die nur in diesem, so umrissenen Bereich und nirgendwo sonst auftreten. Interessanterweise wird auch in den neueren „weiten“ Definitionen der Ökonomie, bei denen die essenzielle Homogenität aller Handlungen des Menschen unterstellt wird, die Anwendbarkeit der Nationalökonomie mehrheitlich im Bereich des Geschäftlichen oder des Geldes gesehen. Es ist offensichtlich immer noch verlockend, anzuneh221  Der Gebrauch von Geld als Kriterium zur Definition der Natur ökonomischer Tätigkeiten – gründend auf der Idee, dass menschliche Handlungen, die auf Konsumgüter zielen, zunächst in die allgemeine Suche nach der in Geld ausgedrückten Kaufkraft umgelenkt werden – erinnert an eine Unterscheidung, die später von Robbins und Hayek aufgegriffen wurde. Im folgenden Kapitel werden wir auf beider Gleichsetzung des ökonomischen Motivs mit dem Wunsch, generell die Gelegenheit zu haben, nicht spezifizierte Ziele umsetzen zu können, zurückkommen. Siehe dazu auch Robbins (19352), S.  30 – 31.

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5. Kap.: Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung

men, dass man die Aktivitäten des Menschen klar danach einteilen kann, ob es ihm ums Geld machen geht oder um etwas anderes.222

Geld als Maßstab Eine Definition ökonomischer Tätigkeit mit Rekurs auf Geld, die ausgeklügeltere (und vielleicht umstrittenere) Überlegungen einschließt, ist jene, bei der Geld als Maßstab betrachtet wird. Die Nationalökonomie befasst sich mit dem Teil menschlicher Aktivitäten, mit dem Bereich des menschlichen Wohlergehens, der mithilfe eines Geldmaßstabes vermessen werden kann. In der Literatur ist der Ursprung dieser Definition umstritten. Für gewöhnlich wird die Urheberschaft dieser Sichtweise Pigou zugeschrieben. Pigou hat diese Definition offensichtlich ohne viel Aufsehen einfach von Marshall übernommen. Marshall war jedenfalls der Erste, der die am Geldmaßstab orientierte Vorstellung von Ökonomie ausführlich dargelegt hat, und das, obwohl man seine Ökonomiekonzeption meistens nur mithilfe von Zitaten aus den Einführungssätzen seiner Principles wiedergibt, wo er von dem „gewöhnlichen Geschäft im Leben“ und „der materiellen Ausstattung des Wohlergehens“ spricht.223 Marshall hat seine These in seiner Inauguralvorlesung in Cambridge in extenso vorgelegt.224 Man sollte betonen, dass Marshall nicht glaubte, dass er mit seinen Kollegen in dieser Frage über Kreuz lag. Er glaubte nur, die gängige Auffassung darüber, was zum Fach gehöre, angemessener zu charakterisieren. In der praktischen Welt beschränkt sich laut Marshall die Ökonomie auf die Untersuchung „jenes Teils der individuellen und gesellschaftlichen Handlung, der am nächsten mit der Beschaffung und dem Gebrauch der materiellen Ausstattung des Wohlergehens verbunden ist. Dadurch ist sie einerseits die Erforschung des Wohlstands und andererseits, wichtiger noch, Teil der Erforschung des Menschen.“225 Marshall war sich indes darüber im Klaren, dass die Definition, so formuliert, im Hinblick auf das Wesen der ökonomischen Tätigkeit irreführend sein musste. In seiner Inauguralvorlesung sagte er:

222  Stellvertretend für andere Autoren, die in jüngerer Zeit versuchten, in der Einteilung in nach Geld strebenden und anderen Handlungen ein Definitionskriterium zu finden, siehe Rivett (1955), S. 221, 229; Heimann (1953), S. 122 f. 223  Parsons (Structure of Social Action 1949), S. 134, hat Marshalls Bedeutung für sein Messbarkeitskriterium heruntergespielt. Robbins bringt das Geldkriterium als Messlatte stets mit Pigou und nicht mit Marshall in Verbindung. Siehe auch Tewari (1947). Darin finden sich ähnliche Implikationen, die den Unterschied zwischen Marshall und Pigou hinsichtlich der Idee, Geld als Maßstab zu verwenden, betreffen. 224  Marshall (1885). Einige Passagen aus seiner Vorlesung finden sich auch in seinen Principles wieder; vor allem solche Stellen, die für dieses Kapitel von Bedeutung sind, tauchen wortwörtlich im Appendix D (19208) wieder auf. 225  Marshall (19208), S. 1.

Geld als Maßstab

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„Die äußere Form der Nationalökonomie wurde durch deren Verbindung mit materiellem Wohlstand geprägt. Inzwischen ist jedoch klar geworden, dass die Theorie gemäß ihrer eigentlichen philosophischen Daseinsberechtigung einen Mechanismus bereitstellt, der uns beim Nachdenken über jene Motive menschlichen Handelns, die messbar sind, helfend zur Seite steht. In der Welt, in der wir leben, ist das Geld als Spiegel der allgemeinen Kaufkraft mit Abstand das bestgeeignete Maß der Motive. Das ist aber, sozusagen, nur zufällig der Fall …“226

Marshall verwendet große Mühe auf die Erklärung, dass die Homogenität der ökonomischen Tätigkeiten in der Messbarkeit der Motive steckt. Dass im wahren Leben das Geld sich zu dieser Messung eignet, ist ein reiner Zufall. Um diesen Gedanken zu entwickeln, greift Marshall auf Überlegungen von Cliffe Leslie zurück. Wenn wir à la Cliffe Leslie die unendliche Vielfalt all der Motive, die für gewöhnlich unter dem Begriff „Liebe zum Geld“ geführt werden, analysieren, dann erkennen wir, dass sie alle möglichen Formen widerspiegeln. Darunter sind viele hehre, höchst kultivierte und uneigennützige Bestandteile unserer Natur. Was sie eint, ist, dass sie alle mehr oder weniger messbar sind – und in dieser Welt in Geldeinheiten gemessen werden.227 Marshall erwägt die Möglichkeit einer Ökonomie, in der die Anreize nicht in Form von Geld, sondern durch ein abgestuftes System von Ehrenbezeugungen zum Ausdruck kommen. All dies verleihe „dem zentralen Anliegen ökonomischen Denkens in einem hohen und transparenten Maße Allgemeingültigkeit.“228 Es sei aber aus praktischen Erwägungen am besten, so zu tun, als ginge es in der Ökonomie nur um jene Motive, „die mit einem Preis versehen werden können.“229 Kurz: die Ökonomie befasst sich mit dem Spiel der messbaren Motive, die sich gegenseitig bestärken oder beeinträchtigen, „aber sie kümmert sich auch um das höchst komplexe Spiel der menschlichen Motive, das die Kaufkraft des Geldes ändert und so auch das Maß aller Motive modifiziert.“230 In seinen Principles wählt Marshall oft ganz ähnliche Formulierungen. „Die Daseinsberechtigung der Ökonomie als eigenständige Wissenschaft liegt darin, dass sie hauptsächlich mit jenem Teil menschlicher Handlungen befasst ist, der weitgehend der Kontrolle messbarer Motive untersteht.“ Derlei Aussagen sind für Marshalls Haltung sehr charakteristisch.231 Es fällt auf, dass Marshall seine Definition nicht für wasserdicht hält, weil er unentwegt abschwächende Zusätze wie „hauptsächlich“, „mehr oder weniger“ und ähnliche verwendet. Sogar Pigou hat derlei unumwunden eingeräumt. 1912 schrieb Pigou, dass die Wohlfahrtsökonomie aus jenem Teil der Staatseinkünfte hervorgehe, der „mühelos zum Geldmaßstab in Marshall (1885), S. 22 f. Marshall (1885), S. 28. 228  Marshall (1885), S. 22 – 25. 229  Marshall (1885), S. 29. 230  Marshall (1885), S. 31. 231  Marshall (1885), S. 38. Ähnliche Stellen findet man auf den Seiten 15, 27, 57. 226  227 

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5. Kap.: Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung

Beziehung trete.“232 Und er behauptete, dass das „methodologische Prinzip, das der Wirtschaftswissenschaft zugrunde liegt und sie von allen anderen Sozialwissenschaften unterscheidet, in der Bezugnahme auf einen Maßstab liegt, nämlich dem des Geldes.“233 Später, in seinem Buch Economics of Welfare, räumte Pigou die Vagheit solcher Definitionen ein: „Allerdings ist es nicht möglich, [den ökonomischen Teil der Wohlfahrt] streng von anderen Teilen abzuspalten, weil der Teil, der mit einem Geldmaßstab in Beziehung gebracht werden kann, ein anderer sein wird, je nachdem ob wir mit können ,mühelos können‘ meinen oder ,mit einiger Anstrengung können‘ oder mit ,großer Anstrengung können‘. Die Abgrenzung unseres Gebietes ist deshalb zwangsläufig vage.“234

Geld als universaler Maßstab Bevor wir uns der o.g. neuen Konzeption ökonomischer Angelegenheiten weiter zuwenden, ist es nicht uninteressant, die Aufmerksamkeit kurz auf eine Sichtweise zu lenken, die sich dubioserweise dadurch auszeichnet, dass sie Marshalls Auffassung diametral entgegenläuft, obwohl sie auf derselben Grundlage fußt. Der französische Soziologe Gabriel Tarde versuchte im Rahmen eines Projekts, das zeigen sollte, dass die meisten „ökonomischen“ Kategorien für alle Sozialwissenschaften gelten, darzulegen, dass auch Geld kein strikt ökonomisches Phänomen sei. Es stimme zwar, so Tarde, dass Geld ein Wohlstandsmesser sei, es messe allerdings nicht nur Wohlstand. Neben Wohlstand messe Geld auch Wünsche und Überzeugungen; es sei ein universaler Maßstab für alle sozialen „Quantitäten“, von denen Wohlstand nur eine sei.235 Tarde glaubte, damit die Verbindung gekappt zu haben, die das Geld bis dahin an die Ökonomie gebunden habe, deren Gegenstand er – trotz einiger ansonsten fortschrittlicher Äußerungen in seinen Schriften – immer noch allein in den Reichtümern erblickte. Es zeigt sich, dass sowohl Marshall als auch Tarde Geld vornehmlich unter dem Gesichtspunkt betrachteten, dass es als Maßstab für menschliche Motive taugt. Marshall hatte allerdings mit seiner Behauptung, Geld eigne sich als Maßstab für menschliche Motive, sagen wollen, dass diese Motive auch ökonomisch relevant seien. Tarde hingegen, der unerschütterlich an der Annahme festhielt, dass nur Wohlstandsphänomene ökonomisch seien, konnte, auch angesichts seiner eigenen Vorstellung von Geld als Maßstab menschlicher Sehnsüchte, nicht anders, als triumphierend zu schlussfolgern, dass auch Geld zu den nicht-ökonomischen Phänomenen gehöre.

Pigou (1912), S. 3. Pigou (1912), S. 8. Siehe auch Pigous Inauguralvorlesung in Cambridge, veröffent­ licht als Economic Science in Relation to Practice (1908). 234  Pigou (19324), S. 11. 235  Tarde (1902), S. 77. 232  233 

Messen und Ökonomie

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Die Idee vom Geld als Maßstab hat gewiss auch etwas von einem zweischneidigen Schwert. Einerseits ist sie vielleicht dazu in der Lage, Wohlstand als Kriterium der Ökonomie zu ersetzen, andererseits kann sie aber auch sich selbst aus dem Reich der Ökonomie befördern, falls letztere als Wohlstandswissenschaft definiert wird.

Messen und Ökonomie Überdenkt man die Marshall-Pigou-Sichtweise der Ökonomie, dann ergeben sich einige kritikwürdige Punkte. Man könnte in der Umschreibung der Ökonomie als Möglichkeit, menschliche Motive zu messen, unterstellen, dass mit ihr der Ver­ gleich der Motive untereinander hervorgehoben werden soll. Ökonomische Tätigkeiten wären demnach solche, bei denen die relative Stärke der menschlichen Wünsche ihren Ausdruck in der Allokation der Ressourcen fände, also in den sichtbaren Phänomenen des Marktes. Aber das hat Marshall nicht gemeint, als er schrieb, das Geld messe menschliche Motive. Was Marshall im Sinn hatte, war eine Fluchtmöglichkeit, die aus der schummrigen, verschwommenen Welt der Wünsche und Gefühle in die scharf umrissene Welt der klar sichtbaren Quantitäten führte, frei von der Unschärfe rein qualitativer Unterschiede. Es geht um ein Herantasten an die „Quantifizierung“ und um eine Ausstattung der zahllosen subjektiv empfundenen Nöte und Antriebe mit „objektiver Messbarkeit“. Ökonomische Phänomene, so erfahren wir, sind in der einzigartigen und offenkundig wertvollen Lage, in messbarer (und damit wohl auch „wissenschaftlicher“) Weise zumindest einen Teil der unerforschten Wildnis des menschlichen Geistes widerzuspiegeln. Nun mag man es gewiss als Genugtuung empfinden, dass nicht alle menschlichen Sehnsüchte dem individuellen Bewusstsein entschwunden sind und auch einige feinfühlige doch messbar sind, wobei Änderungen auf einer externen Skala für alle sichtbar werden. Ob allerdings eine solch günstige Eigenschaft, die bestimmten Motiven und Gefühlen innewohnt, ein gültiges Kriterium für eine gemeinsame wissenschaftliche Behandlung abgibt, ist nicht ganz klar. So fragte dann auch Croce Pareto, wenn auch in einem etwas anderen Zusammenhang: „Welche intrinsische Verbindung besteht denn zwischen dem rein zufälligen Attribut der Messbarkeit bei jenen Objekten, die in einer ökonomischen Handlung münden, und der ökonomischen Handlung selbst?“236 Zumindest Marshall zeigt sich über die glückliche Fügung erfreut, dass die mittels Geld bemessenen Motive sich alle mithilfe vergleichbarer Argumentationsweisen analysieren lassen. „Die Themen, die deshalb in der Ökonomie vereint sind, weil sie allesamt jenes Verhalten des Menschen betreffen, das unter dem Einfluss von in Geldpreisen messbaren Motiven steht,“ so schreibt er, „stellen sich als eine recht homogene Gruppe heraus.“237 Diese Homogenität ist aber, laut Marshalls Definition, nicht mehr als ein glücklicher Zufall. 236  237 

Croce (1953), S. 197. Marshall (1885), S. 27.

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5. Kap.: Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung

Die ganze Idee der Messbarkeit subjektiver Wünsche mittels Geld wirft überhaupt eine ganze Reihe von ernsthaften und strittigen Fragen auf. Man mag zwar zugeben, dass auf Märkten wirksam werdende Motive bestimmte Effekte auf die Geldpreise ausüben. Aber das lässt noch keineswegs den Schluss zu, dass die resultierenden Preise in einer gültigen Weise ein Mittel zur Messung dieser Motive abgeben. Die Erörterung einer möglichen Konzeption eines Kardinalnutzens mag zwar zu geistreichen Einfällen führen, mit denen man die Behauptung, man messe einen solchen Nutzen, stützen kann. Geld hat sich jedoch nicht im Entferntesten jemals für solche Messungen als tauglich erwiesen. Zweifellos hat Marshalls Idee vom Geld als Maßstab mit der von ihm oft verwendeten Hypothese zu tun, wonach Geld vom „Gesetz“ des abnehmenden Grenznutzens ausgenommen ist. Aber dahinter steckt nicht mehr als eine vereinfachende analytische Technik. Preise werden nicht in Geld gemessen. Sie sind nichts weiter als Geldsummen, die im Tausch für Güter hingegeben werden. Preise werden mittels Geld ausgedrückt, nicht weil Geld eine bestimmte Art von „Maßstab“ repräsentiert, sondern einfach deshalb, weil Geld das ist, was für gewöhnlich als quid pro quo für Güter gegeben wird.238 Man muss nicht (auch wenn Marshall dies tat) auf die heftigen Fluktuationen in der Kaufkraft des Geldes verweisen, um die Kraft zu spüren, die in dem bezeichnenden Satz von Professor Knight liegt: „Wenn wir den Aphorismus ,Wissenschaft heißt Messen‘ als einzige einleuchtende Definition für Wissenschaft akzeptieren, dann gibt es so etwas wie eine ,ökonomische‘ Wissenschaft gar nicht …“239 Der Versuch von Marshall war nicht der einzige, die Wirtschaftswissenschaften im Wesentlichen als eine Folge der Messbarkeit zu betrachten. In diesem Zusammenhang ist ein Aspekt recht interessant, den der Amerikaner Simon Patten, ein bedeutender Zeitgenosse von Marshall, 1893 in einem Aufsatz vorbrachte. Im klassischen Wirtschaftssystem, so Patten, sei die Ökonomie unglücklicherweise vom Utilitarismus getrennt. „Der Utilitarismus war abstrakt und behandelte Lust und Leid als rein subjektive Phänomene. Die Ökonomie war konkret und ging davon aus, dass der Nutzen des materiellen Wohlstands durch die Gesetze der objektiven Welt bestimmt sei …“240

Mit der Errungenschaft der subjektiven Ökonomie und der Entwicklung einer Konsumptionstheorie wurde die Vereinigung der beiden möglich. „Wenn man das Fundament der Ökonomie ausweitet, indem man die Maßeinheit als etwas Subjektives auffasst, und die Grundlage des Utilitarismus durch Abspaltung von der Ethik schmälert, dann wird die Einheit der beiden sowohl in der Methode, die sie nutzen, als auch im Bereich, den sie einnehmen, offensichtlich … Es gibt nur eine Wissenschaft, die den Wohlstand und den Fortschritt einer Gesellschaft misst, und zwar durch die Gewinne und Verluste der positiven Nutzen, die der Mensch schafft oder zerstört.“241 Siehe den Aufsatz von Mises (1953). Knight (The Nature of Economic Science 1934), S. 236. 240  Patten (1924), S. 192. 241  Patten (1924), S. 185. 238  239 

Messen und Ökonomie

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Patten nutzt den Terminus „positiver Nutzen“ als Gegenbegriff zu „absoluter Nutzen“. Unter „absoluten Nutzen“ versteht Patten jene, die nicht messbar sind und folglich im Nutzenkalkül nicht berücksichtigt werden können. Als Beispiele solcher absoluter Nutzen nennt Patten „Wasser in der Wüste“, „Ehrlichkeit“ und ähnliche. „Positive Nutzen“ sind solche, die wegen ihrer Messbarkeit in das Nutzenkalkül einbezogen werden können. „Die Ökonomie ist die Wissenschaft der positiven Nutzen – der Bereich, in dem kein anderes Motiv erkennbar ist, ausgenommen solche, die aus den Veränderungen in der Menge der messbaren Einheiten an Lust und Leid resultieren.“242

Gewiss, Patten betont die Messbarkeit ökonomischer Motive, weil sie miteinander vergleichbar sind. Die Ehrlichkeit ist für die Wirtschaftswissenschaft nicht direkt von Bedeutung, weil sie insofern nicht messbar ist, soll heißen, sie ergibt sich nicht als Summe einer endlichen Anzahl von Nutzen. Sie ist ein absolutes Gut.243 Aber aus Pattens Haltung spricht auch, dass er eine Konzeption von „Nutzenquantitäten“ für notwendig erachtete. Gewiss, in einem Schema, in dem an jedem Gut ein gedachtes Preisschild hängt, das allen Individuen eine bestimmte Zahl vorhandener Nutzeneinheiten signalisiert, kann man schwerlich solche Werte, für deren Nutzen aus Sicht des Individuums keine Grenze angegeben werden kann, im Sinne solcher Einheiten erfassen. Diese Schwierigkeit führte dazu, dass behauptet wurde, zwischen den „positiven“ und „absoluten Nutzen“ bestünde ein Unterschied in der Sache. Für die erste Kategorie war dann praktischerweise die Ökonomie zuständig, wobei für Marshall wie für Patten die Messbarkeit das entscheidende Kriterium darstellte. Solange jedoch niemand etwas von der „Quantität“ des Nutzens wissen will, verschwindet die Unterscheidung zwischen „positiven“ und „absoluten“ Nutzen von allein. Mithilfe der modernen Vorstellung von der Bedeutung der Präferenzen bei menschlichen Handlungen lässt sich das in einer ganz und gar angemessenen Weise zeigen. Wenn ein Individuum zwischen zwei Alternativen entscheiden muss, dann offenbart es seine Präferenzen eigentlich immer auf die gleiche Weise, egal, ob die Alternativen nun „positive“ oder „absolute“ Nutzen widerspiegeln. Im Präferenzprozess werden alle möglichen Werte in einer geordneten Abfolge aufgestellt. „Wenn man Ehre auch nicht essen kann, so kann man doch auf Essen um der Ehre willen verzichten.“244 Die Messbarkeit wird also ganz einfach deshalb zu einem Kriterium von zweifelhaftem Wert, weil jedes Ergebnis für Nutzenvergleiche, das sich mit seiner Hilfe ergibt, ohne es sehr viel einfacher erzielt werden kann. Nicht gerade wenige Autoren, die sich auf den Ökonomieansatz von Mar-

242  Patten (1924), S. 185. Für weitere Stellen zum Thema Ökonomie und messbare Motive siehe Trowbridge (1903), S. 106; Scoon (1943), S. 321. 243  Zur Möglichkeit unendlichen Nutzens siehe Wicksteed (1889), wiederabgedruckt in Wicksteed (1933), S. 736. 244  Mises (1922), S. 102.

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5. Kap.: Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung

shall und Pigou berufen, haben auf diese Schwachstellen in der Messbarkeits­idee hingewiesen.245

Geld und Preis-Ökonomie In einem Kapitel über die Rolle des Geldes bei der Definition der Ökonomie sollte man auch erwähnen, welche Rolle Geld in der Frühphase der sogenannten „Preis-Ökonomie“ spielte. In der Literatur des zweiten und dritten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts gab es eine lebhafte Diskussion darüber, ob die Ökonomie sich mit dem subjektiven Nutzen, also mit dem Wohlergehen selbst, befassen sollte oder nur mit den äußeren Manifestationen solcher Nutzen, also mit objektiven Preisen. Die „Preis-Ökonomen“ versuchten, Bezüge zu den zugrundeliegenden Motiven, Wünschen und Befriedigungen, die sich in den Marktpreisen spiegelten, zu vermeiden. „Erklärungen“ des Preises, die sich auf subjektivistische Konzepte beriefen, lehnten sie ab. Für sie war die Ökonomie nicht mit den Ursachen menschlichen Verhaltens befasst, sondern mit dessen Konsequenzen, die in den Mustern der Preise zum Ausdruck kamen. Pareto, Cassel, Davenport und Mitchell sind Vertreter dieser Denkströmung. Autoren wie Fetter und Viner in den USA zählten hingegen zu jenen, die in der Preis-Ökonomie ein angemessenes Mittel zur Erklärung der Marktvorgänge sahen, und bestanden auf der Notwendigkeit, zu diesem Zweck unter der Oberfläche der Preisphänomene nachzusehen.246 Für unsere Zwecke ist es unnötig, tiefer in die Ursprünge und Ursachen der damals aufkommenden Preis-Ökonomie einzutauchen. Die Preis-Ökonomie kann, als Vertreterin eines bestimmten Ansatzes zur Erklärung der Natur ökonomischer Phänomene, weitgehend der katallaktischen Sichtweise zugeordnet werden, vor allem jener, die auf die rein funktionale Beziehung zwischen verschiedenen Preisen abstellt.247 Für das gegenwärtige Kapitel ist es recht interessant, inwieweit das Vorhandensein eines generellen Tauschmediums und die Gleichsetzung ökonomischer Tätigkeiten mit solchen, die ein derartiges Medium einbeziehen, zur Denkströmung der Preis-Ökonomie beigetragen haben mögen. Diese Preise korrelieren mit den Tausch­akten. Zu jedem Tauschakt gibt es definitionsgemäß ein bestimmtes Verhältnis, gemäß dessen die Güter untereinander ausgetauscht werden. Das Preis­ phänomen übt eine ihm eigene Faszination aus, vor allem wenn man sich die ganze Struktur der Preise vor Augen führt – d.h. die Beziehungen der verschiedenen Preise auf ein und demselben Markt untereinander, und jene zwischen den Preisen zu verschiedenen Zeiten. In diesen Verhältnissen „Sachen“ an sich zu sehen, die 245  Zu den Autoren, die das Kriterium des Geldes als Maßstab kritisiert haben, gehören Hobson (1926), S. 97 f.; Hawtrey (1925), S. 184; Fetter (1920), S. 721, 736; Macfie (1936), S.  72 – 73. 246 Siehe z.B. Pareto (1953), S. 190; Davenport (1916); Mitchell (1950), S. 232 – 233, 256 – 257; Viner (1925), S. 659. 247 Für einen Autor ist die Position der „Preis-Ökonomen“ mit der „katallaktischen Sichtweise” sogar identisch; Parry (1921), S. 123.

Geld und Preis-Ökonomie

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sich im Einklang mit ihren eigenen „Bewegungsgesetzen“ in Gang setzen, und nicht Manifestationen menschlicher Entscheidungsakte, ist eine Versuchung, die leicht nachzuempfinden ist. Die Rolle, die das Geld im Markt übernahm, hat diese Versuchung nur noch verlockender gestaltet. Geldpreise ermöglichen ein System rationaler Kalkulationen, in dem jede ökonomische Entscheidung dem Einfluss aller relevanten Faktoren ausgesetzt ist. Produzent und Konsument werden dabei gleichermaßen von den Geldpreisen geleitet, ihre Handlungen in der vorteilhaftesten Weise an die gegebenen Marktbedingungen anzupassen. In der Diskussion darüber, ob es in einer sozialistischen Wirtschaftsordnung möglich sei, Gewinne und Verluste mithilfe einer rationalen Wirtschaftskalkulation zu erfassen, hat eine Tatsache in überwältigender Weise einhellige Zustimmung erfahren. Es wird weit und breit eingestanden, dass in einer Wirtschaft ohne Preise, egal ob real oder „quasi“, kein Mittel vorhanden ist, um über die ökomische Weisheit oder Blödheit einer Handlung zu befinden. Jeder künftige Käufer oder Verkäufer, der in rationaler Weise handeln will, muss in der Lage sein, die künftige Situation nach Abschluss der Transaktion mit seiner gegenwärtigen Situation zu vergleichen. Das erfordert den Vergleich von unzähligen „ökonomischen Quantitäten“ untereinander: nämlich jene, die ursprünglich unter seiner Kontrolle sind; sowie jene, die er durch die Transaktion unter seine Kontrolle bringt; und schließlich jene, die er unter seine Kontrolle bringen könnte, wenn er sich in seiner ursprünglichen Situation für eine alternative Transaktion entscheiden würde. Die Marktpreise in Geld ausdrücken zu können, ist ein unschätzbarer Segen für die Lösung dieses komplexen Problems. Als gemeines Tauschmedium für alle marktgängigen Güter verschmelzt das Geld für den Marktteilnehmer alle Alternativen, denen er ausgesetzt ist, zu einer weitaus einfacheren Entscheidungskette. Der für ein Gut entrichtete Geldpreis drückt kurz und bündig und weitaus überzeugender, als es ein Warentausch je könnte, die Präferenz aus, die jenes Gut gegenüber allen anderen Gütern aus der endlichen Menge alternativer Güter genießt. Die Implikationen dieser wohldurchdachten Argumente zur Erstellung eines theoretischen „Preissystems“, in dem die relativen Veränderungen der verschiedenen Preise auf allumfassende „Gesetze“ zurückgeführt werden, sind offensichtlich genug. Die Idee einer Preisstruktur hängt letztlich von der Sensitivität ab, mit der jedes Teil der Struktur auf Veränderungen in den anderen Teilen reagiert. Wenn Preisveränderungen in einem Bereich aufgrund unbekannter „Reibungs“kräfte keine entsprechenden Preisbewegungen innerhalb der gesamten Ökonomie auslösen, dann verliert die Idee von den „Gesetzen“ der Preisbewegungen an Realitätsnähe. Die Einführung eines monetären Zählers, der die Preisverhältnisse in einem solchen System beschreibt, ist mehr als eine Frage der Zweckdienlichkeit. Die Annahme rationalen, preisgesteuerten Verhaltens, die mit der Idee eines Preissystems einhergeht, würde in einer Warentauschwirtschaft so gut wie gar nicht zutreffen. Von der außerordentlichen Schwierigkeit, die mit der Darstellung eines Systems von Warentauschpreisen einhergeht, einmal ganz abgesehen, gibt es den noch be-

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5. Kap.: Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung

deutenderen Einwand, dass die lose geknüpften Beziehungen, die zwangsläufig zwischen Warentauschpreisen bestünden, die Wahrnehmung eines „Systems“ solcher Preise fast bedeutungslos machen würden. Man kann die Angelegenheit kurz wie folgt darstellen: In einem Markt ohne Geldpreise entsprechen die Tauschverhältnisse in ihrer Art nahezu komplett den Transformationsfunktionen, die in einer Crusoe-Ökonomie herrschen. Ohne explizite Annahmen hinsichtlich der subjektiven Kategorien, die in einer Preis-Ökonomie tunlichst vermieden werden, sind in einer Crusoe-Ökonomie keinerlei Analysen möglich. Alle Versuche, die Ökonomie als ein System von Gesetzen zu verstehen, welche die Preisbewegungen als Ergebnisse menschlichen Verhaltens lenken, müssen auf einen gemeinsamen Nenner zurückgreifen können.248 Natürlich besteht die Möglichkeit, dass aufgrund verbesserter Kalkulationsmittel ein rationaler Vergleich von Alternativen zustande kommen könnte, der ohne Lenkung externer Marktpreise funktionierte. Aber diese Möglichkeit würde den gesamten Untersuchungsbereich der Preis-Ökonomie zerstören. Von denen, die die Ökonomie hauptsächlich mit Preisen befasst sehen, wurde z.B. behauptet, dass die Grenzlinie der Ökonomie überdacht werden müsste, sollte mithilfe lineare Programmierung ein Schattenpreissystem als Leithilfe für Manager erstellt werden können.249 Stehen die Signale der Schattenpreise jedoch nicht zur Verfügung und bleiben nur die Geldpreise als Orientierungshilfe, dann verdankt sich die Idee einer „positiven“ Ökonomie, die es mit endlichen, beobachtbaren Marktpreisen zu tun hat, dem Umstand, dass die ökonomischen Tätigkeiten hauptsächlich mithilfe von Geld stattfinden, wobei das Reich der undurchsichtigen Gefühlsmysterien völlig unbeachtet bleibt.

Geld als ökonomische Institution Eng verbunden mit den Überlegungen des vorangegangenen Abschnitts ist das Gewicht, das man der grundsätzlichen Bedeutung des Geldes für ökonomische Tätigkeiten aufgrund seiner einzigartigen Rolle als Institution beigelegt hat. So betrachtet, sind ökonomische Angelegenheiten monetäre Angelegenheiten, jedoch nicht, weil Geld ein passives Zeichen für die Gegenwart ökonomischer Tätigkeit wäre, sondern weil es die Eigenschaften solcher Aktivitäten aktiv mitgestaltet. Wie wir sahen, kennzeichnet, laut Marshall, das Geld ökonomische Tätigkeiten in seiner Eigenschaft als Maßstab für bestimmte Motive. Dabei wird nicht unterstellt, dass das Vorhandensein von Geld die Motive selbst beeinflussen würde; jedenfalls nicht so, dass diese Beeinflussung für die Wahl des Geldes als Kriterium des Ökonomischen ursächlich wäre. Geld wurde nur als Ausdruck jener realen Motive betrachtet, die in den Marktphänomenen wirksam waren. Der Umstand, dass Geld 248  Eine Auseinandersetzung mit der Beschränkung der Preis-Ökonomie auf monetäre Phänomene bietet Fetter (1914), S. 554 ff. 249  Siehe oben Kap. 1, Anm. 4.

Geld als ökonomische Institution

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dabei zugleich als Maßstab fungierte, war der Grund dafür, dass die Ökonomie als Lehre von den monetären Größen definiert wurde. Durch die Verwendung von Geld als realem Faktor wurde die komplette Struktur der ökonomischen Tätigkeit tiefgreifend verändert. In der diesbezüglichen Literatur finden sich Versuche, das Geld aufgrund seines besonderen Einflusses auf das menschliche Verhalten zum entscheidenden Kriterium des Wirtschaftens zu machen. Die ökonomische Tätigkeit wird durch die Widerspiegelung dieses Einflusses zu dem, was sie ist. Wie Professor Mises ausgeführt hat, wurde rationales ökonomisches Agieren erst durch die weitverbreitete Akzeptanz eines Tauschmediums möglich.250 Und wie wir im vorigen Abschnitt darlegten, führte die Anerkennung dieser Tatsache zum Aufkommen der Preisidee. Wesley Mitchell war derjenige, der auf die Rolle des Geldes als lebendige Institution, die der menschlichen Aktivität ein bestimmtes Muster vorgab, aufmerksam machte. Von allen Autoren, die sich zu diesem Thema äußerten, pochte er wohl am beharrlichsten darauf, dass die Ökonomie auf monetäre Angelegenheiten zu begrenzen sei. „Geld mag nicht die Wurzel allen Übels sein, aber es ist gewiss die Wurzel der Wirtschaftswissenschaft.“251 Mitchell ging es vor allem darum, die Erörterung subjektivistischer Konzepte zu vermeiden. „Sobald die definiten und objektiven Verhältnisse unter den Geldpreisen untersucht sind, ist immer noch genug Zeit, die dunklen Geheimnisse unserer Nutzenempfindungen zu erforschen …“252 Mitchell für seinen Teil beließ es aber dabei, sein Augenmerk auf den sichtbaren Einfluss, den das Geld ausübte, zu richten. Mitchell schrieb innerhalb des auf Veblen zurückgehenden Rahmens und stellte dabei sein „institutionelles“ Bild von der ökonomischen Bedeutung des Geldes dem Modell von Marshall entgegen. Letzteres sieht Geld als „ein unverzichtbares Instrument zur Messung der Kraft einander widerstrebender Motive; dabei bleibt es aber lediglich ein Instrument …“ Um vorherzusagen, was der Mensch tun wird, „muss man die Stärke kennen, mit der die mutmaßlichen Befriedigungen und Unterlassungen alternativer Handlungsweisen wirken. Diese Stärke lässt sich am besten in Form von Geld angeben; aber der Gebrauch von Geld ändert nicht den eigentlichen Charakter ökonomischen Verhaltens.“ Veblens Sichtweise, so Mitchell weiter, führe jedoch zu einem ganz anderen Bild. „Geld wird deshalb zur wichtigsten Sache in der Wirtschaft der Gesellschaft, weil es die Denkweisen formt, in die unsere ursprünglichen Neigungen münden. Statt ein Instrument zu sein, das schneller und bequemer all das tut, was ohne es langsamer und unbequemer erledigt würde, bewirkt der Geldgebrauch ,einen ausgeprägt unabhängigen und eigentümlichen Einfluss‘ auf unsere Wünsche als Konsumenten, unsere Fähigkeiten als Planer und unsere Ideale als Bürger.“253 Mises (1919), S. 133. Siehe auch Mises (1949), S. 232, zu diesem Thema. Mitchell (1916), wiederabgedruckt in Mitchell (1950), S. 171. 252  Mitchell (1950), S. 256 – 257. 253  Mitchell, „Thorstein Veblen“, in Mitchell (1950), S. 304 – 305. 250  251 

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5. Kap.: Ökonomische Angelegenheiten, Geld und Messung

Eben aufgrund dieser Form, in der das monetäre Kalkül das rationale Verhalten vorantreibt, kann der Ökonom als Forscher die ökonomische Logik nicht ohne Geld und Preise abbilden.254 Der sichtbare Einfluss, den das Geld auf das ökonomische Verhalten ausübt, mag zwar als Tatsache weithin geteilt worden sein.255 Aber das macht ihn noch lange nicht zu einem gültigen Kriterium ökonomischer Tätigkeit. So wandte Professor Robbins ein, dass man mit der Beschränkung der Ökonomie auf monetäre Phänomene das Themengebiet auf einen bestimmten institutionellen Rahmen festlege.256 Der von Geld und monetären Berechnungen ausgehende Einfluss ist weniger eine Frage der Erneuerung, sondern vielmehr eine der Beschleunigung und Erleichterung eines Verhaltensmusters, das im Prinzip auch ohne ihn existieren könnte. Gleichwohl wurde die Rolle, die das Geld bei der Konzeption ökonomischer Phänomene spielte, durch den „institutionellen“ Ansatz ausgebaut. Dabei fiel dem Geld nicht nur die Rolle eines passiven Hilfsmittels zu, sondern auch die einer aktiven Kraft. Die Überlagerung der in diesem Abschnitt vorgestellten Ideen bezüglich des Geldkriteriums bringt noch stärker zum Ausdruck, was alles hinter der Feststellung steckt, Geld sei ein wesentliches Element ökonomischer Angelegenheiten.

Mitchell (1950), S. 256. Vor allem C.H. Cooley setzte sich in den 20er Jahren in einer Reihe von Beiträgen mit dem Einfluss des Geldes auf die Gesellschaft auseinander. Siehe auch Young (1911), S. 415. 256  Robbins (1938), S. 344. 254  255 

6. Kapitel

Ökonomie und Wirtschaften 6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

Vor Wicksteed konnte ein Gelehrter noch ohne Gesichtsverlust an der Idee festhalten, die gesamte Struktur der Ökonomie stehe und falle mit der Annahme einer Welt, in der jeder ökonomische Mensch von egozentrischen und hedonistischen Motiven getrieben werde. Für jeden, der Common Sense gelesen hat, ist das Festhalten an solchen Ansichten mit intellektueller Redlichkeit nicht länger vereinbar. Lionel C. Robbins Bevor Robbins die „Natur“ der Wirtschaftswissenschaft erklärte, konnte der Ökonom noch an der sogenannten „materialistischen“ Definition der Ökonomie festhalten oder an solchen, die ihr ähnlich waren, … … In ähnlicher Weise konnte man vor Robbins’ Definition noch Verständnis dafür haben, wenn die Ökonomie als „zu weit“ oder „zu eng“ kritisiert wurde. Inzwischen sind solche Diskussionen bedeutungslos. Die Ökonomie ist ein vorhandener Kuchen, den der Ökonom nur mehr ein wenig dekorieren darf und so tief und in so viele Stücke zerschneiden und essen darf, wie es ihm passt. G. Tagliacozzo

Als Robbins’ Nature and Significance of Economic Science 1930 erschien, kam es zu so etwas wie einer Wende in der Frage nach der Natur der Wirtschaftswissenschaft und der ökonomischen Angelegenheiten. Professor Robbins hatte für das Problem eine Seziermethode bereitgestellt, mit der die logischen Schnitzer in den älteren Auffassungen zum Bereich des Ökonomischen sich deutlich offenlegen ließen. Zudem hatte er eine eigene positive Definition der Ökonomie vorgelegt, die bestechend einfach und wirksam war und mit ihrem literarischen Charme überzeugte. Die Definitionsfrage machte er in diesem Zusammenhang zu einem inte­ gralen Bestandteil der Präsentation seiner allgemeinen Auffassungen zu den eigentlichen Aufgaben und zur Methodologie der Ökonomie. Auf diese Weise erregte sowohl das Buch als Ganzes wie auch Robbins’ Definition der Ökonomie als solche weithin Aufmerksamkeit. Obwohl Robbins für seine Definition keine Originalität beanspruchte, präsentierte er der englischsprachigen Welt dennoch eine Reihe bekannter Ansichten in einer beeindruckenden Klarheit und Stärke, so dass diese in den Mittelpunkt eines neuerwachten Interesses traten und zugleich aufgrund der von ihm gewählten Formulierung unmissverständlich seinen Stempel trugen. Seit Erscheinen seines Buches haben die Auseinandersetzungen zur Definitionsfrage sich immer wieder um Robbins’ Definition gedreht oder zumindest dort ihren Ausgang genommen.

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

Die Ökonomie von Professor Robbins „Die Ökonomie“, so schrieb Professor Robbins, „ist die Wissenschaft vom menschlichen Verhalten als eine Beziehung zwischen Zielen und knappen Mitteln, die unterschiedlichen Zwecken dienen können.“257 Aus Sicht des Ökonomen haben die Bedingungen der menschlichen Existenz vier grundlegende Eigenschaften: Die Ziele variieren. Zeit und Mittel, diese Ziele zu verwirklichen, sind begrenzt und für unterschiedliche Einsätze geeignet. Außerdem sind die Ziele unterschiedlich wichtig. Da stehen wir nun, wir fühlenden Kreaturen, mit unseren Bündeln voller Wünsche und Bestrebungen sowie massenhaften instinktiven Neigungen, die uns drängen, in unterschiedliche Richtungen zu handeln. Aber die Zeit, in der diesen Neigungen gefolgt werden kann, ist begrenzt. Die Außenwelt bietet nicht genug Möglichkeiten, ihnen allen vollständig nachzugehen. Das Leben ist kurz. Und die Natur ist knauserig. Unsere Zeitgenossen haben andere Ziele. Wie auch immer, wir können unser Leben für unterschiedliche Ziele einsetzen, unsere Dinge und die Dienste anderer für das Erreichen unterschiedlicher Zwecke nutzen. An und für sich ist die Vielfalt der Ziele für den Ökonomen nicht zwangsläufig von Interesse. Wenn ich zwei Dinge tun will und dafür genug Zeit und Mittel habe, und nichts anderes mit der Zeit und den Mitteln anfangen will, dann fällt mein Verhalten unter keine der besagten Bedingungen, die Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft sind … Auch die reine Begrenzung der Mittel ist an und für sich nicht ausreichend, um ein ökonomisches Phänomen entstehen zu lassen. Wenn es für die Mittel der Bedürfnisbefriedigung keine alternative Verwendung gibt, dann kann man mit ihnen, so knapp sie auch sein mögen, nicht wirtschaften … Und auch die alternative Verwendbarkeit knapper Mittel stellt keine vollständige Bedingung für die Existenz jener Art von Phänomenen dar, die wir untersuchen. Wenn das wirtschaftende Subjekt zwei Ziele und nur ein Mittel zu ihrer Verwirklichung hat und die beiden Ziele gleich viel bedeuten, dann ist seine Situation mit der von Buridans Esel vergleichbar, der wie erstarrt zwischen zwei gleichermaßen attraktiven Heubündeln steht. Wenn aber Zeit und Mittel zur Zielerlangung begrenzt sind und alternativ verwendet werden können und die Ziele ihrer Bedeutung nach unterschieden und geordnet werden können, dann fällt das Verhalten zwangsläufig unter die Kategorie der Wahl. Jede Handlung, die Zeit und Mittel zur Erreichung eines Ziels verlangt, schließt aus, dass diese für andere Ziele verwendet werden. Sie hat einen wirtschaftlichen Aspekt.258 Gleich mehrere Besonderheiten stechen aus Robbins’ Vorstellung von der Natur der ökonomischen Angelegenheiten hervor. Im Mittelpunkt der ganzen Idee steckt 257  258 

Robbins (19352), S. 16. Robbins (19352), S.  12 – 14.

Die Ökonomie von Professor Robbins

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die Vorstellung der Knappheit. Die Grenzen, die vom Erreichen der gewünschten Ziele abhalten, beeinträchtigen den Charakter aller auf diese Ziele gerichteten Aktivitäten in grundsätzlicher Weise. Die Rolle, die der Knappheit als richtungsweisende Bedingung bei der Umsetzung der Ziele zufällt, ist so bedeutend, dass man die Idee, wonach die Ökonomie mit einer besonderen Art von Zielen befasst sei, ad acta legen kann. Robbins’ Definition verwirft die Gleichsetzung der Ökonomie mit bestimmten Arten von Verhalten. Vielmehr versucht sie, den ökonomischen Aspekt herauszustellen, der hinter jeglicher Art von Verhalten steckt. Jede Art des Verhaltens, das im Schatten unzureichender Mittel steht, bietet dem Beobachter einen wirtschaftlichen Aspekt dar. Die Erkenntnis, dass in menschlichen Handlungen ein Verhaltensmuster ausgemacht werden kann, dessen Einzigartigkeit nicht durch irgendeinen Typus von Zielen bestimmt wird, sondern vom ökonomischen Aspekt der zielgerichteten Handlungen, führte Robbins einige Jahre später dazu, noch einen Schritt weiter zu gehen. Nachdem er die Ökonomie von allen Fesseln befreit hatte, die sie an bestimmte Ziele gebunden hatten, konnte er schließlich behaupten, dass das „ökonomische“ Motiv genau für jene Handlungen gelte, die nicht auf besondere Ziele gerichtet seien. Wenn wir sagen, „das Motiv eines Menschen, eine bestimmte Sache zu tun, ist ganz und gar ökonomisch, meinen wir damit nur, dass er darin im Allgemeinen einen Weg sieht, mit seinen Mitteln zur Befriedigung seiner Ziele hauszuhalten. Wenn er die Sache mit nur einem Ziel im Sinne tut, dann nennen wir sein Motiv nicht ökonomisch, sondern schreiben ihm den Charakter des Ziels zu, dem es dient. Aber wenn er es vom Wunsch beseelt unternimmt, seine Macht zur Befriedigung von Zielen im allgemeinen zu steigern, dann nennen wir sein Motiv ökonomisch …“259

Im Mittelpunkt von Robbins’ Vorstellung steht damit der haushälterische Umgang mit knappen Mitteln angesichts unzähliger, unterschiedlich bewerteter Ziele. In den letzten Jahrzehnten ist der Umfang an Literatur, in der sich sowohl Ökonomen im Allgemeinen, als auch Methodologen im besonderen, eingehend mit dieser Vorstellung befasst haben, stark angeschwollen. Die Implikationen, die sich aus diesen Ideen für den substantiellen Gegenstandsbereich der Wirtschaftswissenschaft ergeben, sind in diesem Zusammenhang umfassend untersucht worden. Und die minutiöse Feinarbeit hinter der Robbins’schen Definition hat für einige thematisch unterschiedliche Debatten gesorgt. In diesem Kapitel werden wir eine Übersicht der in diesem Feld vorgelegten Literatur geben. Doch zunächst werden wir einen kurzen Blick auf einige ältere Ideen werfen, die Robbins’ Definition als Grundlage dienten.

259 

Robbins (1939), S. 117 – 118. Dieser Aspekt wird an späterer Stelle weiter erörtert.

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

Knappheit und Ökonomie Den Ökonomen war seit jeher, zumindest in einem gewissen Maße, klar, welche Rolle der Faktor Knappheit bei ökonomischen Phänomenen spielt. Die Physiokraten hatten „freie Güter“ (wie die Luft) aus ihrem Fach verbannt, weil sie reichlich vorhanden und somit nicht Gegenstand des Tausches waren. Unter den klassischen Autoren war es Lauderdale, der ausdrücklich einen gewissen Grad an Knappheit als Merkmal für den individuellen (nicht jedoch für den öffentlichen) Wohlstand einforderte.260 Die meisten der klassischen Ökonomen folgten dann in der einen oder anderen Weise, indem sie aus dem Bereich der „Wohlstands“wissenschaft jene Güter ausklammerten, deren Angebot unbeschränkt war. Im klassischen Verständnis des „Gesetzes von Angebot und Nachfrage“ war es die Knappheit des Angebots, die maßgeblich zählte.261 Da die klassische Wohlstandswissenschaft sich zunehmend vom Objektivismus entfernte und das Interesse am Menschen und dessen Verhalten in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts wuchs, gewann die Knappheitsidee als Bestimmungsfaktor menschlichen Handelns noch mehr an Bedeutung. Jene Ökonomen, die das Muster maximierenden Verhaltens in seiner Einzigartigkeit und die herausragende Bedeutung des sogenannten ökonomischen Prinzips erkannt hatten, konnten sich kaum der Erkenntnis verschließen, dass der eigentliche Ursprung für beide im Knappheitsphänomen liegt. Ein klares Verständnis für die grundlegende Beschaffenheit der Knappheit als Bedingung menschlichen Handelns bildete sich aber erst mit den Arbeiten Carl Mengers heraus.262 Auch für Menger war die Ökonomie im Wesentlichen mit Gütern befasst, aber seine Definition „wirtschaftlicher Güter“ und des „Wirtschaftens“ stellte die Knappheitsbedingung ganz nach vorne. Die vier Voraussetzungen für wirtschaftliche Tätigkeiten, so erklärte Menger 1872, treten erst dann auf, wenn „bei einer Gruppe von Gütern der Bedarf der Menschen grösser ist, als die ihnen verfügbare Quantität derselben.“263 Es ist schon aufschlussreich, dass Autoren wie Menger bei ihrer Verfeinerung der Definition von Ökonomie das Knappheitskriterium auf Güter bezogen haben. Dieser Umstand wirft ein Licht darauf, wie die Knappheitsidee sich zu dem nun deutlich erkennbar werdenden „Wirtschaftlichkeitsprinzip“ verhielt. Eben jene Beziehung wurde alsbald erkannt. Im Rahmen seiner Kritik an der Idee, dass das Wirtschaftlichkeitsprinzip ein zulässiges Mittel zur Beschreibung des Bereichs der Wirtschaftswissenschaft sei, bemerkte Dietzel, dass das Knappheitskriterium unter denselben Ungenauigkeiten leide wie das ökonomische Prinzip, dem es in der Lauderdale (1804), S.  56 – 57. Senior (1938), S. 14 f. 262  Siehe dazu Hayeks Aufsatz „Carl Menger“, Economica 1934, wiederabgedruckt als Einleitung zur Ausgabe von Mengers Collected Works seitens der London School of Economics, S. xiii. Siehe auch Knights kritischen Kommentar dazu in seiner Einleitung zur englischen Ausgabe von Mengers Grundsätzen (Glencoe 1950), S. 13, Anm. 5. 263  Menger (1871), S. 55. 260 

261 Siehe

Knappheit und Ökonomie

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Tat ähnelt.264 Es ist offensichtlich, dass die Knappheit dazu auffordert, sich an das Wirtschaftlichkeitsprinzip zu halten. Was das Wirtschaftlichkeitsprinzip für die Ökonomie ist (verstanden als Theorie des Verhaltens), ist in der Tat die Knappheit für die Ökonomie (verstanden als Gütertheorie). Obwohl einige deutsche Autoren, darunter Schäffle und Cohn 265, das Knappheitsphänomen selbst und dessen Bedeutung für die Ökonomie hervorhoben, liegt die Annahme nahe, dass sie nicht die Rolle des „Wirtschaftens“ im Sinne Mengers erkannten. Wenn man Knappheit im Zusammenhang mit ökonomischen Angelegenheiten betrachtet, dann muss man mit ihr nicht zwangsläufig ein genuines Abgrenzungsmerkmal meinen, sondern kann in ihr auch bloß ein Vehikel sehen, das dem Theoretiker die Arbeit erleichtert. Alles, was der Befriedigung materieller Wünsche dient, kann in gewisser Weise als wirtschaftlich verstanden werden, aber im Sinne einer einfacheren Analyse kann es notwendig werden, sich auf knappe Güter zu beschränken. Man weiß ja, dass bestimmte Lösungen für wirtschaftliche Probleme nur erzielt werden, wenn davon knappe Güter betroffen sind. Und diese Eigenschaft knapper Güter kann verwendet werden, um den Bereich der Wirtschaftswissenschaft festzulegen, ohne dabei der Knappheit zugestehen zu müssen, sie könne ein wirkliches Mittel bereitstellen, mit dem man ökonomische von anderen Phänomenen unterscheiden kann. Knappe Güter sind zufälligerweise für theoretische Manipulationen anfällig. Doch dieser Umstand führt keineswegs zur Entdeckung irgendeiner Besonderheit, die im wirtschaftlichen Handeln läge. Neumann ist bei seiner Behandlung des Definitionsthemas in gewisser Weise darauf eingegangen. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts schrieb er eine Abhandlung zu Versuchen, die Ökonomie zu definieren. Darin lehnte er die Knappheit als Definitionskriterium ab, und zwar aus Gründen, die überraschen und zeigen, wie wenig er von der Natur dieses Kriteriums verstand. Knappe Güter, so stellte Neumann fest, werden gelegentlich für nicht-ökonomische Zwecke verwendet, z.B. für künstlerische Ziele. Außerdem, so fügte Neumann hinzu, gibt es Fälle wirtschaftlicher Tätigkeiten, die nur unter Verwendung nicht-knapper Güter stattfinden. Wenn etwa ein Unternehmer Meerwasser (eine nicht-knappe Ware) erwerbe, um Seebäder anzubieten, dann habe er gewiss eine ökonomische Tätigkeit ausgeführt, obwohl er mit etwas handelte, das nach Mengers Definition ein nicht-ökonomisches Gut ist.266 Es ist recht offenkundig, dass Neumann diese Einwände wohl kaum vorgebracht hätte, wäre ihm die Natur des Wirtschaftens tatsächlich klar gewesen. Da Seebäder knapp sind, geht mit ihrer Bereitstellung ein Wirtschaften einher. Insofern ist diese Bereitstellung dann auch eine ökonomische Tätigkeit, ungeachtet der Tatsache, dass eines der dabei zum Einsatz kommenden Materialien in anderen Situationen im Überfluss vorhanden sein mag. Und was die Materialien angeht, die als Ausdrucksmittel für künstlerische Motive zum Einsatz Dietzel (1895), S. 160. Schäffle (1873), S. 2; Cohn (1885), S. 4 (siehe aber auch eine frühere Passage von Cohn, zitiert in Mengers Untersuchungen, S. 254). 266  Neumann (1889), S. 16. 264 

265 Siehe

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

kommen: Wenn sie knapp sind, dann wird auch ihre Bereitstellung in nicht minderer Weise vom ökonomischen Prinzip geleitet. Vor der Jahrhundertwende bezog man sich außerhalb Deutschlands weitaus seltener auf die Knappheit als mögliches Kriterium zur Definition ökonomischer Tätigkeiten. Walras zählt zu den wenigen Autoren, die dieses Kriterium hervorhoben. Er behauptete, dass das, was er richesse sociale nannte, sowohl nützlich als auch knapp sei. Nicht ganz zufällig wählte Walras für den Grenznutzen den Begriff rareté. Später hat ein Autor dazu einmal bemerkt, dass „Walras’ rareté als Begriff der Wahrheit wohl näher kommt als die sonst übliche Bezeichnung Grenznutzen, weil er deutlicher die Tatsache zum Ausdruck bringt, dass die Angebote begrenzt sind.“267 Im Übrigen sollte die Aufmerksamkeit der mathematischen Ökonomen, die im Allgemeinen der Rolle der Maximierung gilt, von dem Bewusstsein getragen sein, besser noch: zur Hervorhebung veranlassen, dass ein solches Verhalten nur auf Fälle zutrifft, für die ein endliches Maximandum gilt. In unserem Jahrhundert wurden die Knappheitsdefinitionen der Ökonomie ausgesprochen populär. Unter den Vorreitern zu Robbins’ Umschreibung im Sinne einer haushälterischen Handlung mit knappen Mitteln zur Erzielung konkurrierender Ziele finden sich einige prominente Persönlichkeiten. Neben Menger (als Vertreter des letzten Jahrhunderts) zitiert Robbins in diesem Zusammenhang Autoren wie Wicksteed, Mises, Fetter, Strigl, Schönfeld und Mayer. In der Literatur wird aber auch auf gewisse Ähnlichkeiten zwischen Robbins’ Formulierung und den Auffassungen von Spann und Oppenheimer hingewiesen. Auch Voigt und Max Weber haben dieser Sichtweise ihren Tribut gezollt.268 Man könnte noch viele andere Autoren anführen, die, ohne Robbins’ Definition der Ökonomie beizupflichten, die wichtigste ökonomische Größe in der Knappheit sahen. Als Reaktion auf diesen Trend haben sich sogar zwei Autoren gemüßigt gefühlt, die allgemeine Begeisterung für die Knappheitsvorstellung herunterzuspielen, indem sie die Möglichkeit einer Ökonomie des „Überflusses“ behaupteten.269 Man sollte wohl hinzufügen, dass diese Autoren für den Begriff des „Wirtschaftens“ keinerlei Partei ergriffen haben und aus Sicht des Wirtschaftens Überfluss außer in einem relativen Sinne bedeutungslos ist. Alles in allem gibt es in der Wirtschaftsliteratur eine lange Tradition, in der die Begrenztheit der Ressourcen in ihrer Bedeutung erkannt wurde. Zudem weist vieles darauf hin, dass schon damals die Möglichkeit bestand, die Verwaltung

Haney (1949), S. 600; siehe auch Wicksell (1934), I. S. 32, eben dazu. den Verweisen auf die Vorreiter von Robbins’ Definition siehe Robbins (19352), S. 15, 16; Robbins (1938), S. 344; Lowe (1935), S. 42; Emery (1936), S. 270 – 271; Oppen­ heimer (1928), I, 174 – 175; Voigt (1915), S. 395; Shils/Finch (1949), S. 63 f.; Weber (1922), S. 365. Siehe aber auch Webers Kommentar zu Voigts Position in Verhandlung des ersten Deutschen Soziologentages (Schriften der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, 1911), S. 265 f. 269 Siehe MacGregor (1949), S. 1 – 6; siehe auch Boucke (1922), S. 249. 267 

268  Zu

Wirtschaften und Maximierung

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knapper Mittel als das Distinktionsmerkmal des Wirtschaftlichen zu verwenden.270 Indem Robbins die Mittelknappheit zum Herzstück alles Ökonomischen erklärte und in den Auswirkungen beim Zurechtkommen mit dieser Knappheit einen ökonomischen Aspekt der Tätigkeit im Allgemeinen erblickte, kristallisierte er Ideen heraus, die bereits einige Zeit vor sich hin goren. Den vielleicht wertvollsten Dienst erwies die Neuformulierung wohl mittels ihrer Klarheit, mit der nun die Idee, dass die ökonomische Tätigkeit im „Wirtschaften“ bestehe, älteren Auffassungen gegenübertrat. Wohl nie zuvor gab es eine derart bewusst und überzeugend präsentierte Darlegung der Idee, dass die Allokation knapper Mittel angesichts konkurrierender Ziele von der besonderen Natur der Ziele und Mittel, die dabei womöglich zum Zuge kommen, unabhängig sei.

Wirtschaften und Maximierung Neben den Quellen der Robbins’schen Formulierung, die man in älteren Äußerungen zur Knappheit findet, und den Ansätzen zur grundlegenden Idee des Wirtschaftens muss man noch eine andere geistige Leistung würdigen, die für das Auftauchen der neuen Definition historisch bedeutsam ist. Gemeint ist die Hervorhebung des Maximierungsprinzips (so viel wie möglich mit so wenig wie möglich zu erreichen) als Grundzug der ökonomischen Tätigkeit. Das Auftreten und die Entwicklung dieses Gedankengangs wurden bereits in einem früheren Kapitel dargelegt. An dieser Stelle muss kurz das Verhältnis zwischen den beiden Konzeptionen – Maximierung und Haushaltung – vorgestellt werden. Die Maximierung als mögliches Kriterium zur Hervorhebung ökonomischer Phänomene ist eindeutig eine Idee aus dem letzten Viertel des letzten Jahrhunderts. In seiner ursprünglichen Form bezog sich das sogenannte ökonomische Prinzip stets auf die Maximierung bestimmter materieller Entitäten und zeigte damit kaum Ähnlichkeit zum Wirtschaften. Wenn man die Maximierung allerdings auf weniger Objektives, wie z.B. Lust oder Befriedigung, bezieht, dann wird die Ähnlichkeit zum Akt des Wirtschaftens schon weitaus deutlicher. Immerhin ist das Haushalten mit knappen Mitteln angesichts eines Spektrums konkurrierender Ziele ein Unternehmen mit dem Zweck, so viel an „Befriedigung“ aus allen Ressourcen herauszuquetschen, wie ein geschicktes Management erlaubt. So wie das reine Konzept des Wirtschaftens von den konkreten, unter Einsatz spezifischer Mittel in Angriff genommenen Zielen absieht, so tut es auch die Idee, den größten Gewinn zu den geringstmöglichen Kosten zu erhalten. Man kann nun zwar die Allokation knapper Mittel angesichts konkurrierender Ziele unter das Konzept der Maximierung subsummieren. Der Umkehrschluss gilt jedoch nicht. Außerdem: Die Unterschiede zwischen den beiden Handlungsklassifikationen Maximierung und Wirtschaften sind wahrscheinlich noch wichtiger 270 Siehe Myint (1948), S. 2 f., der sich mit der Sichtweise der klassischen Ökonomen bezüglich der Knappheitsfrage in der Ökonomie auseinandersetzt.

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als die Ähnlichkeiten zwischen beiden. Robbins verweist in einer Fußnote darauf, dass die „Maximierung der Befriedigung“ das Spektrum der „Ziele“ der Handlung durch ein ultimatives Ziel, nämlich Befriedigung, ersetzt, zu dessen Erreichung unsere „Ziele“ als Annäherungen zu sehen sind.271 Die Mittelknappheit zwingt uns dabei, einige unserer „Ziele“ aufzugeben, während das Ziel der Befriedigungsmaximierung gleichzeitig den Weg vorgibt, auf dem alle verfügbaren Mittel für die ausgewählten „Ziele“ einzusetzen sind. Die Maximierung, mit einem ultimativen Ziel im Blick, ist somit der Ursprung des Haushaltens mit beschränkten Mitteln angesichts alternativer untergeordneter „Ziele“. Diese Beschreibung des Verhältnisses zwischen Befriedigungsmaximierung und Wirtschaften offenbart einige Merkmale der ersten Kategorie von Tätigkeit, die darauf hinweisen, dass die Beschreibung nur beschränkt zur Charakterisierung der Natur der ökonomischen Tätigkeit taugt. Möglicherweise ist sie auch eine Hilfe bei der Erklärung jener begrenzten Rolle, die das Maximierungskonzept in diesem Gedankengang spielte und die schließlich zum Allokationsdenken in der Ökonomie führte. Wenn man ein ultimatives Ziel, wie die Befriedigung, als Platzhalter für die Zwischenziele nimmt, die zu ihm führen, dann krankt die Idee von der ökonomischen Tätigkeit als Maximierungsverhalten an zwei Schwachstellen. Zum einen muss man ein solches ultimatives Ziel unter der Vorgabe, dass es in einer sinnvollen Weise „maximiert“ werden kann, erst einmal setzen. Zum anderen wird die Vielfältigkeit der intermediären „Ziele“ übersehen, aber auch die Auswirkungen, die ihre Anzahl auf die Allokation der Ressourcen hat. Der ersten Schwachstelle, der Postulierung einer ultimativen, maximierungsfähigen „Befriedigung“, kann man begegnen, indem man im Rahmen der alternativen Konzeption des Wirtschaftens mit knappen Mitteln die heikle Idee der Befriedigungs„quantitäten“ gänzlich vermeidet. Die Idee des Haushaltens verzichtet auf die Notwendigkeit der Annahme, dass die Menschen handeln, als ob sie unentwegt den möglichen „Vorrat“ an Befriedigung musterten und danach strebten, den größtmöglichen Vorrat anzulegen. Stattdessen geht diese Idee davon aus, dass die Menschen handeln, um ihre Situation so lange zu ändern, bis keine weiteren Handlungen mehr einen Zustand versprechen, der dem gegenwärtigen vorzuziehen wäre. Das Voranschreiten in der Ökonomie, von der Betonung der Befriedigungsmaximierung hin zur Hervorhebung des Wirtschaftens, verläuft somit parallel zu dem Voranschreiten von der alten Nutzentheorie (vor allem von jener, die den Kardinalnutzen einschließt) hin zu den neueren Indifferenzkurven. Die zweite Schwachstelle im Maximierungskonzept – dass es die Vielfalt der intermediären „Ziele“ ignoriere – ist eine Folge der Tatsache, dass es zu drastisch von den tatsächlichen ökonomischen Tätigkeiten abstrahiert. Vielleicht kann man sagen, dass das Wirtschaften mit Ressourcen lediglich die Maximierung einer letztlich höheren Befriedigung sei. Aber diese Redeweise lässt eines der wirklich 271  Robbins (19352), S. 15, Anm.; Beispiele für Autoren, die Wirtschaften und Maximieren für nahezu identisch halten, geben Knight (The Nature of Economic Science 1934), S. 228 und Machlup (1946), S. 519.

Der Charakter von Robbins’ Definition

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bedeutenden Merkmale ökonomischer Tätigkeiten außer Acht: die Aufteilung all dieser Ressourcen auf die unterschiedlichen Verwendungen, die nach den begrenzten Mitteln schreien. Die ganze Idee der Aufteilung und wirtschaftlichen Verteilung begrenzter Ressourcen unter den sie beanspruchenden konkurrierenden Nachfragen verschwindet hinter der banalen Phrase von der „Maximierung der Befriedigung“. Die Auflage, die Ressourcen zu verwalten, sie vernünftig auf die alternativen Verwendungen zu verteilen, und zwar durch ein sorgfältiges Vergleichen und Abwägen der relativen Bedeutungsgrade – eine Notwendigkeit, die der Tatsache geschuldet ist, dass die intermediären „Ziele“ zahlreich sind – wird bei der Maximierungsformulierung übersehen. Auf der anderen Seite lässt das Konzept des Wirtschaftens dank der Betonung der Allokation als charakteristisches Merkmal ökonomischen Handelns die Bedeutung erahnen, welche die Idee vom Tausch zum Grenzpreis für die Ökonomie hat. Diese Formulierung eignet sich somit weitaus eher zur Charakterisierung des Gegenstandsbereichs der Ökonomie. Diese Überlegungen grenzen Robbins’ Definition von früheren Versuchen, wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne von Maximierung zu definieren, deutlich ab, wiewohl die Maximierungskonzeption, in Verbindung mit der Knappheitsliteratur, zweifellos eine wichtige Rolle für die Formierung des Robbins’schen Ökonomieverständnisses spielte. Robbins’ Darstellung jener Sichtweise, derzufolge das Wesen des Gegenstands der Ökonomie in der Besonderheit des haushälterischen Verhaltens liegt, zog die kritische Aufmerksamkeit der Ökonomen in einem Ausmaße auf sich, das bis dahin beispiellos war. Wellen von Debatten setzen ein, jede zu einem anderen Aspekt dieser neu vorgestellten Sichtweise. Genau diese müssen nun etwas sorgfältiger betrachtet werden, und ihre Untersuchung gibt uns die Gelegenheit, einen Blick auf die wichtigsten Auffassungen zu werfen, die von Robbins’ Arbeiten inspiriert wurden.

Der Charakter von Robbins’ Definition Robbins nahm viel Mühe auf sich, um darzulegen, dass das von ihm erläuterte Ökonomieverständnis in seinem Wesen ganz anders war als die bis dahin vertretenen Auffassungen zu diesem Thema. Die älteren Definitionen waren fast ausnahmslos klassifikatorisch und erklärten bestimmte Verhaltensarten zum eigentlichen Thema der Ökonomie, z.B. das Verhalten, das ganz bestimmte Arten von Zielen betraf. Robbins’ Formulierung ist im Vergleich dazu analytisch. Sie „versucht nicht, bestimmte Arten des Verhaltens herauszupicken, sondern richtet die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt des Verhaltens, nämlich die Gestalt, die es unter dem Einfluss von Knappheit annimmt.“272 Bis dahin hatte man es für möglich gehalten, bestimmte Handlungen und Tätigkeiten als „ökonomisch“ beschreiben zu können. Nach Robbins’ Definition jedoch ist das Adjektiv „ökonomisch“ zur Beschreibung irgendeiner Handlung als solchen völlig ungeeignet. 272  Robbins (19352), S. 16 – 17; siehe auch Robbins’ Einleitung zu seiner Ausgabe von Wicksteeds Common Sense of Political Economy, S. xxii.

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Stattdessen stellt es nur einen Gesichtspunkt heraus, von dem aus die Handlungen zu untersuchen sind. Während die älteren Definitionen ökonomischer Angelegenheiten nach einem hinreichend umfassenden und ausreichend exklusiven Merkmal suchten, mit dem man eine gegebene Klasse von Handlungen akkurat angeben konnte, legte Robbins’ Definition die besonderen Interessen dar, die das Aussondern des ökonomischen Aspekts einer Handlung veranlassen. Eine Handlung gehört zur Wirtschaftswissenschaft, wenn sie die Konsequenzen des Zwangs offenlegt, knappe Ressourcen über konfligierende Ziele zu verteilen. Robbins’ Formulierung unterscheidet sich von den anderen Formulierungen somit vielleicht weniger in der Wahl des Kriteriums für die Definition als vielmehr durch eine vollkommen andere Auffassung davon, welcher Art die Idee überhaupt ist, die es zu definieren gilt. Die Kritiker widmeten diesem Merkmal von Robbins’ Beitrag ihre ganz besondere Aufmerksamkeit und brachten dabei eine Vielzahl an Meinungen hinsichtlich seiner Gültigkeit und Bedeutung zum Ausdruck. Jene, die Robbins’ Buch als vielversprechenden Wendepunkt im Selbstverständnis der Wirtschaftswissenschaft lobten und seine Definition als definitives und endgültiges Schlusswort zum Thema ansahen, erblickten eines ihrer Hauptverdienste darin, dass sie sich mit einem Aspekt der Handlung und nicht einer besonderen Art von Handlung auseinandersetzte.273 Auch für die Autoren, die auf Unterschiede zwischen Robbins’ Definition und älteren Definitionen abstellten, gehört sein Ansatz zum Wichtigsten dessen, was er zum Thema beigesteuert hat.274 Und jenen, die Robbins’ Definition als „vorherrschende Lehrmeinung“ umschrieben (und beklagten), ging es vor allem um die fehlende Auseinandersetzung mit jenen besonderen Zielen, die von den Handlungen betroffen sind, und die Versteifung darauf, Handlungen von einem gegebenen „Aspekt“ aus zu betrachten.275 Diese Missachtung der Art von Zielen, die von den Handlungen verfolgt werden, war der wesentliche Aspekt in Robbins’ Definition und hatte bestimmte zusätzliche Folgen, die eine lebhafte Diskussion auslösten. An erster Stelle dieser Nebenfolgen wäre wohl die ethische Neutralität zu nennen, die mit dem von Robbins dargelegten ökonomischen Blickwinkel einherging. Wenn der Ökonom als solcher davon befreit ist, nur ganz bestimmte Handlungsziele als Gegenstand seines Fachs zu sehen, dann wird er seine Forschungsergebnisse mit moralischer Indifferenz gegenüber der von ihm verwendeten Daten erzielen. Mit dieser Folge der Ökonomiedefinition, bei der ein besonderer Aspekt der Handlungen im Vordergrund steht, werden wir uns noch im Verlauf dieses Kapitels gesondert befassen.

273  Unter den Autoren, die Robbins dafür lobten, die Bedeutung des Handlungsaspekts für die Ökonomie herausgestellt zu haben, finden sich Macfie (1936), S. 2 – 6; Tagliacozzo (1945), S. 308 f., und Hutt (1936), S. 308 – 309. 274  Fraser (1947), S. 32. 275  Zu ihnen zählen Heimann (1953), S. 122; Early (1949), S. 12 – 13; siehe auch Schoeff­ ler (1955), S. 11 f.

Der Charakter von Robbins’ Definition

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Zwei Implikationen dieser ethischen Neutralität haben zu einer scharfen Kritik an der Definition als Ganzes geführt. Einerseits bedeutete die Aufgabe der Suche nach besonderen Zielen von Handlungen, dass die Bandbreite an ökonomischen Interessen ausgedehnt wurde, um dem „ökonomischen Aspekt“ auch jener Handlungen zu entsprechen, die im Rahmen der älteren Definitionen sich nicht für die Aufnahme in die Klasse der „ökonomischen“ Handlungen hätten qualifizieren können. Andererseits erleichterte die fehlende Auseinandersetzung mit der Natur der Ziele eine akademische Loslösung von der Gesamtwirklichkeit der Handlungen und die Kultivierung einer „rein formalen“ Betrachtung des Interesses des Ökonomen an der Beziehung zwischen Zielen und Mitteln. A. Die „Weite“ von Robbins’ Definition Die erste dieser beiden Implikationen führte zu einer unmittelbaren Kritik an Robbins’ Definition. Sie wurde als viel zu weit gebrandmarkt, soll heißen, sie bereicherte das Spektrum der Ökonomie um weitere zu betrachtende Phänomene, für die der Ökonom über keinerlei Kompetenz verfügt und denen die Ökonomen in der Vergangenheit keine wie auch immer geartete Aufmerksamkeit gezollt hatten. Einige Autoren neigten dazu, in diesem Manko eine Gelegenheit zu sehen, ihrem Spleen zu frönen, und befassten sich mit Problemen – seien es literarische Kontroversen, Schachspiele oder gar Herzensangelegenheiten –, mit denen Professor Rob­ bins als Ökonom auf Grund seiner eigenen Definition der Ökonomie umzugehen in der Lage sein sollte.276 Diese Kritiken und die entsprechend verkündeten Zurückweisungen der Idee des Haushaltens als Kriterium zur Definition ökonomischer Phänomene sind ein weiteres Beispiel dafür, wie ähnlich die Vorstellung von der Ökonomie als Wissenschaft, die mit Wirtschaften befasst ist, und die Vorstellung von ihr als Wissenschaft, bei der es um Maximierung geht, sind. Wer in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts geschrieben hatte, das Wesen des ökonomischen Verhaltens bestehe im Impuls zur Maximierung, fand sich nun dem Einwand ausgesetzt, dass diese Neigung auf alle menschlichen Tätigkeiten zutreffe. Wirtschaften ist, wie Maximieren, ein Vorgang, der in sehr unterschiedlichen Situationen praktiziert werden kann. Aus diesem Umstand folgt, dass ein derartiger Vorgang als Kriterium zur Definition der Natur der Ökonomie gleich mit mehreren traditionellen Auffassungen über Kreuz liegt. Wenn allerdings eine Definition als zu weit abgelehnt wird, dann heißt das auch klipp und klar, dass irgendeine Bandbreite als Standardreferenz anerkannt sein muss. Im Lichte des Schwerpunktes, den die Ökonomen früherer Tage auf die Marktphänomene als Kernbereich ihrer Forschung gelegt haben, muss eine Definition suspekt erscheinen, die das wesentliche ökonomische Merkmal auch in Tätigkeiten sieht, die weit außerhalb dieses Bereichs liegen.277 276 Für Beispiele dazu siehe Higgins (1951), S. 2 – 3; Fraser (1947), S. 32; Robbins (19352), S. 22. Siehe auch Stigler (1952), S. 1, Anm. 277  Robbins (19352), S. 19 f.

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

B. Der „Formalismus“ in Robbins’ Definition Die andere Implikation der Robbins’schen Definition, die innewohnende moralische Neutralität, hat vielleicht eine noch hitzigere Debatte ausgelöst. Wenn die Nationalökonomie ihr Interesse nicht auf die tatsächlichen Ziele einer Handlung, sondern nur auf die bloße Beziehung der knappen Ressourcen zu diesen Zielen richtet, dann wird sie sehr formal, ja sogar zweckfrei. Robbins unterstrich, dass dieses Merkmal seiner Ökonomieauffassung die eigentliche ökonomische Struktur einer Handlung vom Wust der konkreten Daten, die sie in der wirklichen Welt zwangsläufig umrahmen, loslöse. Aber viele Kritiker sahen in diesem „Formalismus“ eine unfruchtbare scholastische Übung, die nur Erfolg habe, wenn sie die wirklich bedeutenden Merkmale eines ökonomischen Problems außen vor lasse. Ihren unverblümtesten Ausdruck fand diese Auffassung 1933 in einem hämischen Aufsatz von Souter, der darin jenen „lebendigen klassischen Glauben“, der aufs engste mit dem Namen Alfred Marshall verbunden war, vehement gegen die von Robbins vertretene „österreichische“ Position verteidigte. Offensichtlich sah man in Professor Robbins nur einen „Gaukler mit erstarrter Verballogik“ und einen „Gottlosen, der die ‚Form‘ von der ‚Substanz‘ abspaltet“. Das Grundanliegen von Souters vernichtender Kritik war wohl der Versuch, die Ökonomie in Abgrenzung von anderen Disziplinen mittels der Grundhaltung gegenüber dem Forschungsgegenstand zu definieren, die sie mit den anderen Disziplinen teilte. Souters Attacke gegen Robbins’ „Formalismus“ entsprang dem flammenden Glauben an den Status der Ökonomie als Mitglied einer „Gesellschaft“ von Wissenschaften, von denen jede nur unter Androhung der Todesstrafe in einem luftdichten Behälter versiegelt werden kann.278 Was der „formalistische“ Ansatz zur Sprache brachte, ist, ob die Wirtschaftswissenschaft „den fatalen Weg einschlägt und sich penibel vom organischen Austausch mit den anderen Wissenschaften loslöst oder den Mut und Aufrichtigkeit hat, ihren rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft der Wissenschaften einzunehmen.“279 Als ein Mitglied dieser Gesellschaft ist die Ökonomie „zwangsläufig und unausweichlich von der Soziologie, Psychologie und Technologie abhängig,“280 wobei der Fortschritt der Ökonomie aus der „organischen“ Beziehung mit den anderen Disziplinen erwächst. All das führte zu einer fast emotionalen Ablehnung der Auffassung von Robbins, demzufolge der Ökonom Ziele von Anfang an nur als Daten behandelt. Die Ökonomie mag zu Recht die fertigen Erkenntnisse der Ethik und Psychologie zur Erforschung dessen verwenden, was die konkreten Mittel und Ziele menschlichen Handelns bestimmt. Aber schon allein die Idee, man könne ökonomische Untersuchungen betreiben oder gar in einem Problem einen ökonomischen Aspekt sehen, ohne dabei derlei Tatsacheninformationen zum Inhalt der Handlung hinzuzuzie-

Souter (1933), S. 384. Souter (1933), S. 386. 280  Souter (1933), S. 399. 278 

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Der Charakter von Robbins’ Definition

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hen, ist demnach „reiner Hokus Pokus“.281 Die konkreten Ziele einer Handlung als „gegeben“ anzunehmen, und zwar in dem „irreführenden“ Sinne, dass sie die ökonomische Untersuchung nicht tangierten, zeigt folglich nur, dass die Instinkte „verwerflich abgehoben“282 sind, und heißt, das Mekka der „ökonomischen Biologie“ gegen das Linsengericht einer vermeintlich „statischen Präzision“283 einzutauschen. Kurz nach Souters Arbeit schaltete sich Professor Parsons in die Robbins-Souter-Debatte ein, und zwar mit einem Aufsatz, in dem er die Streitthemen besonnen und nüchtern abhandelte. Er verwies darauf, dass der „Formalismus“, den Souter anprangerte, nicht ganz jener Formalismus sei, den Robbins in seiner Vorstellung von Ökonomie gerne sah. Für ihn, Robbins, sei die Ökonomie in dem Sinne formal, dass sie abstrakt ist und auf die „Logik“ zurückgreift, die nicht auf spezifische historische Situationen beschränkt ist. Souter hingegen führe gegen Robbins’ Definition ins Feld, dass sie die Ökonomie zu einer „rein formalen Wissenschaft der Implikationen“ mache, die keinerlei Bezug auf empirische Fakten“ nehme. Wenn man Robbins’ Auffassung von Ökonomie deshalb ablehne, weil sie aufgrund ihrer logischen Argumentationsweise abstrakt sein muss, dann bleibe nur noch der Weg in den vollständigen „Empirizismus“ und Historismus.284 Natürlich wurde derlei Kritik an Robbins’ Ökonomieverständnis, die ihm eine übertriebene Abstraktion von der Wirklichkeit ankreidete, vorgebracht. Erst kürzlich beklagte ein Autor die Tatsache, dass man wegen „der Idee des ‚Wirtschaftens‘ und der damit einhergehenden Eliminierung ökonomischer Ziele per se sich von den wirklich wichtigen Ausdrucksformen des Verhaltens im modernen Wirtschaftsleben (z.B. pekuniäres Denken und Erwerbssucht) abwendet.“285 Allerdings besteht zwischen dieser Art von Kritik und der Souters ein Unterschied. Die Art von Einwand, der hier zum Ausdruck kommt, hält eine unabhängige Kategorie des Wirtschaftens für zulässig. Sie lässt auch Raum dafür, den grundsätzlichen und möglicherweise universalen Charakter dieser Kategorie und deren Bedeutung für ökonomische Themen zu erkennen. Kritisiert wird nur, dass eine allzu exklusive Versteifung der Nationalökonomen auf diesen Aspekt des Handelns die angemessene Wahrnehmung des jeweiligen empirischen Gehalts eines konkreten ökonomischen Problems behindere. Wenn der Ökonom seine fachlichen Fähigkeiten beim Erkennen eines gegebenen ökonomischen Phänomens unter Beweis stellen soll, dann, so wird gesagt, könnten seine Anstrengungen unter seiner Einstellung, mit der er sich der Aufgabe annimmt, leiden. Sein Verständnis von der Natur und Aufgabe der Nationalökonomie könnten ihn vom Erkennen der gegebenen Tatsachen einer Situation abhalten. Deren Verstehen könne die Dinge erklären, während Souter (1933), S. 390. Souter (1933), S. 395, Anm. 283  Souter (1933), S. 400. 284  Parsons (1934), S.  536 – 537, 530 – 531. 285  Early (1949), S. 13. 281 

282 

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

es zu keiner unmittelbaren Lösung führe, wenn man in ihnen nur einen Fall von Wirtschaften sehe. Anders ausgedrückt, besagter Einwand stellt nicht unbedingt die Idee des Wirtschaftens als Kriterium in Frage, verwirft aber deren Anwendung auf Probleme der realen Welt als unangemessen, und zwar aufgrund der mit ihr einhergehenden, möglicherweise „irreführenden“ und „unfruchtbaren“ Abstrahierung von den bedeutenden Elementen dieser Probleme. Souter hingegen wendet ein, die Theorie sei nicht nur auf diese Weise, sondern insgesamt für praktische Zwecke unpassend. Theorien, die keinen Bezug auf die Phänomene der realen Welt nehmen, haben in seiner Vorstellung von Theorie keinen Platz. Wie Parsons jedoch gezeigt hat, muss die Alternative zu jener Art von „Aspekt“-Definition, wie sie Robbins vertritt, letztlich in eine empiristische Richtung führen und jegliche analytische Abstraktion – welchen Grades und zu welchem Zweck auch immer diese sein mag – als unzulässig zurückgewiesen werden. Die Versuche, Robbins’ Definition der Ökonomie aufgrund ihres „formalen“ Charakters abzulehnen, fallen letztlich in dieselbe Kategorie wie alle Versuche, die Nationalökonomie als solche in Misskredit zu bringen und eine „Ökonomie“ zu schaffen, die von jeglichen theoretischen Annahmen frei ist. Danach zu trachten, die Wirtschaftswissenschaft mittels eines besonderen „Aspektes“ der von ihr betrachteten Phänomene zu definieren, bedeutet eigentlich nur, das Definitionsunterfangen aus der analytischen Haltung heraus zu betreiben, mit dem die Wirtschaftstheoretiker den substantiellen Gehalt ihrer Disziplin schon immer dargelegt haben.

Die Natur der Ziele und Mittel Abgesehen von den allgemeineren Bedenken gegenüber dem „formalen“ Charakter der Robbins’schen Definition hat es auch um die Natur und Gültigkeit der Auffassungen hinsichtlich der Ziele und Mittel der Disziplin einige Auseinandersetzungen gegeben, die allerdings thematisch enger gefasst waren und eher technischen Charakter hatten.286 Einige Autoren sahen in dem Verhältnis von Zielen und Mitteln, wie es Robbins in seiner Definition der Wirtschaftswissenschaft darstellte, ein künstliches Modell, das der wahren menschlichen Natur Gewalt antue. Dafür, dass in seinem Buch die Idee von einem Ziel des Handelns so oft thematisiert wird, hat Robbins ziemlich wenig Platz darauf verwendet, die Natur eines „Ziels“ zu erklären und die Schwierigkeiten, die der Begriff mit sich führt, zu erhellen. So, wie es Robbins darstellt, sind die menschlichen Ziele mit „Lenkungstendenzen [verbunden], die definiert und verstanden werden können.“ Diese Beschreibung wurde als Zeichen eines gewissen „Positivismus“ aufgefasst, den manche Kritiker in Robbins’ Position erkannt zu haben glaubten. Robbins gehe es darum, so sagte man, die Erforschung des Haushaltens – das eine subjektive Idee sei – mit der Objektivität der 286  Siehe dazu Myrdal (1958), S. 206 ff. Siehe auch die dortige Einleitung von P. Streeten, S. xxi f.

Die Natur der Ziele und Mittel

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Wissenschaft auszustatten. Er habe dies zu erreichen gehofft, indem er menschliche Handlungen in eine Form presste, die Ziele und Mittel enthielt, die definiert und verstanden werden können. So gesehen, seien Ziele entsprechend der endlichen „äußeren“ natürlichen Ressourcen, welche die Mittel darstellten, aufzufassen. D.h., Ziele werden als „außerhalb“ des Akteurs liegend gedacht. Das Verhältnis zwischen den endlichen Mitteln einerseits und den gleichermaßen endlichen Zielen andererseits bestimmt demnach den Bereich der Wirtschaftswissenschaft. Diese Auffassung von Robbins bezüglich der Natur der Ziele wurde von einigen Autoren massiv kritisiert. Die Kritiker, von denen wir bereits Souter, Parsons und Macfie genannt haben, wiesen auf einige Ungereimtheiten in Robbins’ Schema hin.287 Die Vorstellung vom Zweck als eine Grundbedingung menschlichen Handelns scheint völlig ausgeklammert zu sein. Ziele sind einfach nur Korrelate zu „Lenkungstendenzen“. Auf diese Weise gerät das bewußte Zielen, das die ökonomische Handlung durchzieht, ganz aus dem Blick. Indem sie das Element des Zweckes aus der Handlung herauspresst, wird Robbins’ Struktur der Ziele und Mittel in gewisser Weise „zeitlos“, weil dabei die Tatsache übersehen wird, dass dem Akteur die Ziele nicht gleichzeitig mit den Mitteln in den Schoß fallen. Wenn eine wirtschaftliche Handlung die Ressourcen auf die gewünschten Ziele mehr oder weniger so verteilt, wie ein Kuchen in einer hungrigen Familie aufgeteilt wird, dann gibt es gar keine wirtschaftliche Handlung. Ziele können erst, nachdem sie erreicht worden sind, als beobachtbare Zustände gedacht werden. Im Moment der Erwägung einer Handlung sind die Ziele für den Akteur lediglich Vorwegnahmen des erwünschten künftigen Sachverhalts. Nach Abschluss einer Handlung kann man davon sprechen, dass sie eine Verteilung der Ressourcen unter den Zielen erzielt habe. Der Handlung aber aufgrund dessen einen subjektiven Begriff des Haushaltens zuzuschreiben heißt, die Handlung aus rein behavioristischer Warte aus zu betrachten.288 Noch spannender wird der an Robbins adressierte Vorwurf des „Behaviorismus“ und „Positivismus“, wenn er im Lichte des Beitrages gesehen wird, den die praxeologische Vorstellung der Ökonomie bietet, die im nächsten Kapitel aufgegriffen wird. Neben der Kritik an Robbins’ Konkretisierung der Ziele äußerte man auch Bedenken gegen die recht offensichtliche Bedingtheit im Zweck-Mittel-Schema. Man verwies darauf, dass Ziele als Mittel für weitere Ziele aufgefasst werden könnten und man in den Mitteln genauso gut Ziele früherer Handlungen sehen könnte. Im Bewusstsein um diese Schwäche der Zweck-Mittel-Dichotomie mussten zwangsläufig Zweifel an der Zulässigkeit einer Kategorie wie jener des Wirtschaftens aufkommen, die ihren endgültigen Status ausschließlich auf dem Verhältnis gründete, das zwischen Zielen und Mitteln besteht.

287  Souter (1933), S. 379; Parsons (1934), S. 513 – 516; Macfie (1936), S. 16; siehe auch Knight (Besprechung von Robbins 1934), S. 359. 288  Parsons (1934), S. 514 f.

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

Man wird wohl zugestehen müssen, dass die leichtfertige Art, in der Robbins die Existenz definiter Ziel annimmt, und zwar ohne sorgfältige Auseinandersetzung mit der Tatsache, dass Ziele in der Regel nur als Zwischenschritte zur Erreichung nachfolgender Ziele gesteckt werden, angesichts seiner Missachtung des zweckmä­ ßigen Elements einer Handlung kaum überrascht.289 Jedenfalls wurde im Hinblick darauf Kritik an Robbins’ Formulierung geäußert, und es scheint eine Verbindung zwischen dieser Einstellung und der Postulierung absoluter Ziel- und Mittelkategorien zu geben. So verwies Felix Kaufmann auf die Tatsache, dass die unmittelbaren Ziele nur Mittel für weitere Ziele sind, weil es das Element der Zweckmäßigkeit im menschlichen Verhalten gibt.290 Laut Kaufmann resultiert die fehlende Übereinstimmung um den Gegenstandsbereich der Ökonomie aus den drei möglichen „Ebenen“ von Zielen, die hier von Bedeutung zu sein scheinen: Das Ziel, Güter zu erwerben, das weitere Ziel, diese zu konsumieren, und das mutmaßlich ultimative Ziel, das eigene Glück zu mehren. Was aber für die Bewertung der Robbins’schen Definition von Bedeutung ist, sind nicht so sehr die einzelnen „Ebenen“, auf die man die Ziele mehr oder weniger willkürlich verteilen kann; vielmehr ist es die Tatsache, dass hier die Ziele – sofern man ökonomische Tätigkeiten als zielgerichtet versteht – nur in Relation zum jeweiligen unmittelbaren Handlungskontext stehen.291 Für sich genommen, kann diese Überlegung Robbins’ Konzeptualisierung der Handlung im Sinne von Mitteln und Zielen nicht ernsthaft in Bedrängnis bringen. So hat Parsons292 gezeigt, wie eine ökonomische Handlung ihren Platz im Zwischenbereich finden kann. Dazu wandelte er die Klassifizierung der verketteten Ziel-Mittel-Relationen ab und führte „ultimative Ziele“ einer Handlung, „ultimative Mittel“ und einen Zwischenbereich ein, in dem die Handlungen beides aufweisen, die Einbindung als Mittel folgender ultimativer Ziele und die Verkörperung von Zielen vorhergehender, vorbereitender Handlungen. Die Vorstellung von der Ökonomie und vom Vorgang des Wirtschaftens hängt jedoch nicht vom „absoluten“ Status eines Handlungs“ziels“ ab. Zumindest einem Autor ist aufgefallen, dass die Zweck-Mittel-Dichotomie als Methode zur Trennung von Wirtschaftswissenschaft und Technologie unter dieser Schwäche leidet. Es war eines der Hauptverdienste der Robbins’schen Formulierung, ein elegantes und konzeptionell brauchbares Mittel vorzulegen, mit dem man Probleme der Ökonomie einerseits und Probleme der Technologie andererseits auseinanderhalten konnte. Wo andere Definitionen der Ökonomie, die sich durch Klassifizierungen auszeichneten, bei der Bereitstellung eines befriedigenden Mittels zur Abgrenzung von der Technologie versagten, konnte Robbins dank seiner von ihm entwickelten analytischen Definition Mayers Abgrenzung verwenden: „Ein technisches Prob289  Zu Robbins’ Auffassung vom zielgerichteten Element in ökonomischen Tätigkeiten siehe Robbins (19352), S. 93. 290  Kaufmann (1933), S. 383. 291 Siehe Zweig (1936), S. 20. 292  Parsons (1934), S. 523 f.

Die Natur der Ziele und Mittel

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lem entsteht, wenn es ein Ziel gibt und viele Mittel, ein wirtschaftliches Problem hingegen, wenn es sowohl viele Ziele als auch viele Mittel gibt.“293 An späterer Stelle dieses Kapitel bietet es sich an, einige Kritikpunkte an der Gültigkeit dieser Distinktion zu würdigen. Hier mag vorerst der Hinweis genügen, dass die Natur dieser Konzepte, Ziele und Mittel, selbst die Distinktion unangemessen werden lässt. Vor kurzem hat Rivett in einem Aufsatz294 argumentiert, man könne Mayers Distinktion, die für sich genommen gültig sei, „nicht zur Trennung von Wirtschaftswissenschaft und Technologie verwenden, indem man einige Beziehungen in den ersten und andere in den zweiten Bereich ordnet.“ Dies sei letztlich in der Tatsache begründet, dass der Verlauf jeder Handlung, die zur Erreichung eines angestrebten Ziels dient, selbst zu einem Ziel würde, das dem Erreichen des ursprünglich erdachten Ziels diene. Rivett illustriert dies am Beispiel eines Bleistifts. Wenn man einen Bleistift ergreift, um das Ziel des Schreibens zu erreichen, hat man ein zusätzliches, untergeordnetes Ziel eingeführt: das des Ergreifens des Bleistifts. Indem er diesen Gedanken weiterspinnt, kann Rivett mühelos zeigen, dass der Versuch, ein Einzelziel zu erreichen – der nach der Auffassung von Mayer und Robbins ein technologisches Problem ist – die zwischenzeitliche Verfolgung verschiedener untergeordneter Ziele einschließt, die durchaus miteinander konfligieren können. Genau dieses Problem der Verfolgung von Einzelzielen – das ein technologisches Problem ist, wenn man untergeordnete Ziele nur als Mittel betrachtet – wird so zu einem Problem der Ökonomie, und zwar infolge einer genaueren Betrachtung, bei der man erkennt, dass selbst die Nutzbarmachung all dieser Mittel alle Eigenschaften eines Ziels hat. Noch einmal, Robbins’ Außerachtlassung dieser Überlegungen scheint im Einklang mit dem fehlenden Interesse am zielgerichteten Element im menschlichen Handeln zu stehen. Hat man erst einmal das Ziel zum Zweck der Handlung erklärt, dann kann man alle Handlungen, die dieses Ziel letztlich im Auge haben, ex post facto in eine von diesem Ziel getrennte Klasse ordnen. Alle Verkettungen der untergeordneten Ziele und Mittel, die zum Endziel führen, können ineinandergeschoben werden, um so einen homogenen Satz an „Ressourcen“ und „Mitteln“ für das Endziel zu bilden. Aus Sicht des Akteurs ist eine derartige Dichotomie jedoch keineswegs einzigartig oder gar bedeutsam. Für ihn sind all diese Ressourcen, Mittel und untergeordneten Handlungsabläufe Anordnungen, die zweckmäßig auf ein Endziel gerichtet sind, gleichzeitig jedoch aus denselben Gründen Untermuster zweckmäßiger Anordnungen enthalten, für die allesamt eine Dichotomie ex post facto mit der gleichen Gültigkeit festgestellt werden könnte. All diese Bedenken gegen Robbins’ auf Ziele und Mittel zurückgreifende Formulierung lassen sich wohl am deutlichsten zusammenfassen, indem man die sehr aufschlussreiche Darlegung von Tagliacozzo heranzieht.295 Im Rahmen einer ausführlichen Untersuchung zur Natur des ökonomischen „Irrtums“ – soll heißen des Zitiert nach Robbins (19352), S. 35. Siehe auch Fossati (1957), S. 9. Rivett (1955), S. 217 – 219. 295  Tagliacozzo (1945). 293 

294 

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

„unökonomischen“ Verhaltens beim erfolglosen Versuch, momentanen Verlockungen zu widerstehen – weist Tagliacozzo darauf hin, dass die Handlung in Wirklichkeit die vollständige Übereinstimmung von Zielen und Mitteln zwangsläufig voraussetzt. Tagliacozzos Arbeit ist für die praxeologische Sichtweise der Ökonomie von besonderer Bedeutung und wird im folgenden Kapitel noch eingehend erörtert werden. Hier wollen wir zunächst Tagliacozzo darin zustimmen, dass der Akteur in dem Moment, in dem er, abweichend von einem vorgefassten ökonomischen Plan, einer Versuchung erliegt (z.B. dem Erwerb von Wein), nur in Relation zu dem willkürlich aufgestellten Ziel des Planes „fehl“ geht. Seine Handlung als „unökonomisch“ zu werten, weil es eine unangemessene Verwendung von „Mitteln“ mit sich führe, heißt, von außen ein Zweck-Mittel-Schema aufzupfropfen, das der gegebenen Situation nicht entspricht. Aus Sicht der Wirklichkeit setzt der Weinkauf als autonomer Akt eine vollständige Übereinstimmung von Ziel und Mittel voraus. Ohne hier auf die Bedeutung dieser Ideen für das Verstehen der ökonomischen „Rationalität“ eingehen zu wollen, muss man sagen, dass diese Diskussion die Schwäche der Robbins’schen Zweck-Mittel-Formulierung deutlich herausstellt. Ziele und Mittel sind hier klar auferlegte Kategorien, welche die Elemente der Handlung künstlich entzweien. Die Einsicht in die Relativität dieser Kategorien führt zur Forderung danach, sie weit sorgfältiger zu verwenden, wenn man die Natur der ökonomischen Tätigkeit und den Bereich der Wirtschaftswissenschaft definieren will.

„Gegebene“ Ziele und Mittel Wenn man die Natur der ökonomischen Tätigkeit im Sinne der Allokation knapper Mittel auf alternative Ziele definiert, impliziert das die Annahme, dass die Handlungsziele für den die ökonomische Tätigkeit erforschenden Ökonomen reine „Daten“ sind. Genau dieses Merkmal in Professor Robbins’ Definition, nämlich die Behandlung der Wünsche als gegeben (und im Hinblick auf ein gegebenes ökonomisches Problem als konstant), hat sehr viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. In diesem Kapitel haben wir ja bereits festgehalten, dass die Hervorhebung eines Aspektes der Phänomene zur Festlegung des Ökonomischen ein wichtiges und ausführlich diskutiertes Merkmal in Robbins’ Definition war. Auch dieses Merkmal ist mit der Behandlung von Zielen und Wünschen als Daten eng verbunden. Während die früheren Definitionen die ökonomische Tätigkeit mit der Handlung gleichsetzten, die auf mehr oder weniger wohldefinierte Ziele gerichtet war, scherte sich Robbins nicht um die Natur der Ziele, denen die Handlung gilt. Die notwendige Folge war, dass diese Ziele aus der Gruppe der zu erforschenden Phänomene verschwanden und in das Reich der gegebenen Informationen wanderten, auf dem das zu erforschende Problem fußte. All das förderte natürlich die Kritik auf Seiten jener, die wollten, dass die Ökonomen, so wie ihre Kollegen in den Nachbardisziplinen auch, sich mehr um die Umstände der konkreten Handlung kümmern.296 296 Vgl. Parsons (Structure of Social Action 1949), Kap. 4, wo der Grad, in dem Marshall es ablehnte, Wünsche als Daten der Ökonomie zu betrachten, erörtert wird.

„Gegebene“ Ziele und Mittel

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Sieht man von dem Vorwurf ab, dass die Behandlung der Ziele als reine Daten ein unseliger Versuch sei, die Beiträge der Psychologen und Soziologen aus der Ökonomie herauszuhalten, eröffnet dieses Zieleverständnis ganz neue Perspektiven hinsichtlich der Natur menschlicher Handlungen und der Möglichkeit, diese zu erklären. Betrachtet man die menschlichen Handlungen genau, dann sind die Werte der Menschen und die Ziele, denen sie ihre Energie widmen, kontinuierlich im Fluss. Sie wandeln sich unentwegt, und zwar durch äußere Veränderungen genauso wie durch die Veränderungen infolge der Handlungen, die dem besagten Ziel gelten, oder durch die Anstrengungen selbst, die mit dem Verfolgen dieser Ziele einhergehen. Der Versuch, ein wissenschaftliches Erklärungsmodell für die Erforschung menschlichen Handelns zu entwickeln, verlangte, ein Element aus dem verworrenen Handlungsnetz zu isolieren, jenes, das wir den ökonomischen Aspekt menschlichen Handelns nennen. So wie Robbins die Natur dieses Elementes verstand, verlangte diese Isolierung, dass man im Hinblick auf die Handlung untersuchte, in welchem Verhältnis sie zu der Bandbreite an Zielen stand, die für einen bestimmten Zeitpunkt als gegeben angenommen werden. Relevanz hat demnach jede Aussage, die aus dieser Grundidee der ökonomischen Handlung abgeleitet wird, nur im jeweiligen Referenzrahmen, in dem der ökonomische Aspekt einer Handlung seine Bedeutung hat – z.B. die Ziele, deren entsprechende Werte die Daten des Problems darstellen. Aus dieser Sichtweise bezüglich der impliziten Annahmen der Wirtschaftstheorie ergeben sich zwei wichtige Schlussfolgerungen. Erstens, die Wirtschaftstheorie kann nur die Implikationen gegebener Wünsche untersuchen. Sie kann als solche Änderungen in den Wünschen selbst nicht erklären oder bestimmen (auch wenn ihre Erklärungen zu diesen Fragen gewiss Erhellendes beitragen können). Zweitens, Gültigkeit kann die Wirtschaftstheorie nur unter der Annahme behaupten, dass die Wünsche während des ganzen Zeitraums des untersuchten Problems konstant sind. Mit den Gefahren, die mit der Behandlung von Zielen als Daten einhergehen, haben wir uns in diesem Kapitel bereits auseinandergesetzt. Wer ein Handlungsmodell entwirft, bei dem die Ziele so verstanden werden, könnte sehr wohl die Tatsache übersehen, dass für den Akteur selbst die Ziele keine Daten sind, sondern zielgerichtet gewählt wurden und Gefahr laufen, durch neu gewollte Ziele ersetzt zu werden.297 Wenn man glaubt, die Ökonomie befasse sich mit vorgewählten Zielen, die den letztgültigen Bezugsrahmen für ein bestimmtes ökonomisches Problem bilden, muss man dauernd darauf achtgeben, diese gewählten Ziele nicht in objektive „Soge“ zu verwandeln, ähnlich den psychologisch bedingten „Bedürfnissen“, weil dies die ökonomische Tätigkeit in eine Reihe von Reflexen, die auf quasi-biologische Tropismen ansprechen, verwandeln würde. Einige Autoren betonten, dass aus ökonomischer Sicht nicht nur die Ziele Daten seien, sondern auch die Mittel. Das ökonomische Element sei demnach die Koor297 

Siehe dazu z.B. Knight (1940), S. 464.

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

dinierung gegebener Ziele und Mittel, deren Substanz die ökonomische Untersuchung weder erkunde noch erkunden könne. Vor allem Professor Knight beklagte die unglückliche Angewohnheit, der Ökonomie die Befassung mit Mitteln statt mit Zielen zuzuschreiben. Genau so wenig wie die Ziele für die Ökonomie Daten sind und somit den Ökonomen nicht kümmern müssen, sind die Mittel „gegeben“ und liegen jenseits des Bereichs des ökonomischen Problems.298 In diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, jene Umschreibung unter die Lupe zu nehmen, mit der Max Weber versuchte, Ökonomie und Technologie zu unterscheiden. Die Aufgabe, jene Distinktion auszudrücken, scheint eine gewisse Faszination auf ihn ausgeübt zu haben, was die wiederholte Erörterung des Problems in Webers Schriften belegt. Weber brachte Klarheit in die Unterscheidung, indem er behauptete: „Wirtschaft ist primär orientiert am Verwendungszweck, Technik am Problem der (bei gegebenem Ziel) zu verwendenden Mittel.“ Für einen genuin wirtschaftlichen Charakter braucht es mehr, nämlich „die Konkurrenz von Zwecken – nicht nur: von Mitteln zum gegebenen Zweck.“299 Wenn man den Unterschied auf diese Weise ausdrückt, dann entsteht der Eindruck, als ob die Mittel bei einer ökonomischen Handlung gegeben und die Ziele noch zu wählen wären, während in der Technologie die Ziele vorhanden und die Mittel zu wählen wären.300 Dennoch wäre der Schluss falsch, dass Weber mit jenen Autoren uneins gewesen wäre, die betonen, dass in der Ökonomie sowohl die Ziele als auch die Mittel gegeben sind. Auch Weber vertritt die Auffassung, dass gemäß dem ökonomischen Handlungsverständnis die Zielbewertung des Akteurs als Datum angesehen wird. Genau diese Vorstellung ist es ja, die der Wertfreiheitsthese zugrundeliegt und für Weber den eigentlichen Rahmen für die Untersuchung ökonomischer Tätigkeit bildet. Auch Weber geht von einer vorhandenen Menge an Zielen aus, die gemäß der (nicht zu untersuchenden) Bewertungen des Akteurs geordnet sind. Bei der Charakterisierung ökonomischer Handlungen als das Wählen von Zielen, für welche die vorhandenen Mittel einzusetzen sind, geht es ihm verständlicherweise schlicht um die Tatsache, dass eine gegebene Rangfolge von Zielen die Verteilung der Mittel auf diese Ziele in einer Weise erforderlich macht, die der gegebenen Wertschätzung der Ziele besonders gut entspricht. Die Ziele sind zu „wählen“, aber nicht in dem Sinne, dass sie gemäß ihrer relativen Wertschätzung geordnet würden, sondern in dem Sinne, wie die Ressourcen auf sie verteilt werden. Weil die alternativen Ziele um die vorhandenen Mittel rivaliseren, müssen die Mittel verteilt werden, indem 298  Viele Autoren haben darauf verwiesen, dass sowohl Mittel als auch Ziele für den Ökonomen Daten sind; siehe Lowe (1935), S. 43; Knight (The Nature of Econmic Science 1934), S. 229. Zu denen, die dies offenkundig nicht zugestehen, siehe Mitchell (1950), S. 224. 299  Weber (19805), S. 33, 57. Zu den Stellen, an denen Weber die Distinktion zwischen Ökonomie und Technologie behandelt, siehe Shils/Finch (1949), S. 34 – 35; und „R. Stammlers ‚Überwindung‘ der materialistischen Geschichtsauffassung“, Archiv für Sozialwis­ senschaft und Sozialpolitik, 1907, wiederabgedruckt in Gesammelte Aufsätze zur Wissen­ schaftslehre von Max Weber, S. 328. 300  Siehe z.B. Zweig (1936), S. 20 f.

„Gegebene“ Ziele und Mittel

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für jedes Mittel ein Ziel „gewählt“ wird, und zwar so, dass die Verteilung mit der (bereits) angenommenen Rangfolge der Ziele harmoniert. Mit der Idee, dass die Ziele der ökonomischen Handlung Daten sind, gehen, wie bereits erwähnt, zwei Schlussfolgerungen einher. Die Idee impliziert, dass Auswahl und Rangfolge der Ziele kein ökonomisches Problem darstellen: Außerdem folgt aus ihr, dass man bei der Erforschung eines ökonomischen Problems für die relative Dringlichkeit der Ziele, welchen die ökonomische Handlung dienen soll, permanente Konstanz annehmen muss. Beide dieser Implikationen der Robbins’schen Formulierung offenbaren etwas. Man muss sich nicht sonderlich gut in den weltlichen Angelegenheiten, mit denen die Ökonomen hauptsächlich befasst sind, auskennen, um zu erkennen, dass der Ökonom, der unter den Einschränkungen, die diese Implikationen ihm auferlegen, in seiner Eigenschaft als Ökonom sein Interesse an den vielleicht faszinierendsten und wichtigsten Aspekten der Daten, mit denen er arbeitet, zurückhalten muss. Der Ökonom qua Ökonom (eine Phrase von Robbins, die seine Kritiker mit einem bezeichnenden, aber unangebrachten Sarkasmus verwendeten) muss die Tatsache ignorieren, dass Vorlieben und Werte rasch wechselnde Variablen sind, und seinen Blick von jenen äußerst interessanten und wichtigen Prozessen abwenden, in denen der Mensch zu seinen Werturteilen kommt. Diese Beschränkungen hinsichtlich der Reichweite ökonomischer Kompetenzen sind verständlicherweise von historisch denkenden und institutionsbewussten Kritikern der Nationalökonomie immer wieder bestritten worden. Der Umstand, dass die Gültigkeit dieser Beschränkungen unmittelbar aus der Robbins’schen Definition der Ökonomie resultiert, offenbart, wie getreu diese Definition jene Verfahrensweisen widerspiegelt, denen die Wirtschaftstheoretiker gefolgt sind. Was mit der ausdrücklichen Anerkennung der Tatsache, dass die Phänomene, mit denen der Ökonom befasst ist, Daten sind, erreicht wird, ist die Einsicht, dass die Selbstbeschränkung der Wirtschaftstheoretiker nicht der Blindheit für die Tatsachen des ökonomischen Lebens geschuldet ist. Die „Abstraktionen“ der Ökonomen, derentwegen die realitätsnah denkenden Kritiker so vehement auf die Barrikaden gingen, liegen in der Natur des Problems, dem sie sich verschrieben haben. Ihr Forschungsgegenstand stellt genau deshalb ein bestimmtes Gebiet dar, weil es in der Handlung ein Element gibt, das sich von der Natur der Ziele unterscheidet und von den Prozessen, welche die Ziele auswählen und ordnen, zumindest konzeptionell unabhängig ist. Man muss es der Robbins’schen Definition als Verdienst anrechnen, dieses Element in klarer Weise herausgestellt zu haben. Hat man erst einmal die Eigenschaft dieses Handlungselementes begriffen, dann wird unmittelbar klar, dass die eng umgrenzte Anwendbarkeit der vom Wirtschaftswissenschaftler getroffenen Aussagen ganz und gar nicht das notwendige Resultat einer primitiven, wirklichkeitsfremden Methodologie ist, sondern der naturgemäß unvollständige Beitrag des Spezialisten, dessen Fähigkeiten sich im Rahmen einer abgewogenen und fruchtbaren Arbeitsteilung entwickelt haben. Spezifische Politikempfehlungen zu wirtschaftlichen Themen mögen eine lange und sorgfältige Erforschung

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

der bestehenden, von Menschen eingenommenen Haltungen, ihrer Wünsche, Bewertungen und Erwartungen voraussetzen. So wichtig solche Informationen auch sein mögen, die für ihre Zusammenstellung nötige Forschung und Gelehrsamkeit ist von der Anwendung ökonomischen Denkens zu unterscheiden. Mit Robbins’ Definition rückt diese Unterscheidung deutlich in den Mittelpunkt.

Einzelziel und mannigfache Ziele Eine der wesentlichen Komponenten in Robbins’ Formulierung der Natur ökonomischer Tätigkeit ist die Annahme, dass die Ziele, für die man die Mittel verwenden kann und mit Bedacht aufzuteilen hat, in einer Vielzahl präsent sind. Wie wir sahen, hat Robbins selbst darauf hingewiesen, dass dann, wenn man ein einzelnes Endziel, z.B. die „Nützlichkeit“, als Handlungsziel betrachtet, der Prozess des Aufteilens der Ressourcen unter den rivalisierenden Zielen sich auf den Vorgang reduziert, das letzte Ziel zu maximieren. Wie wir an früherer Stelle in diesem Kapitel gezeigt haben, hat die Überlegenheit dieser Definition der Ökonomie als Lehre vom Wirtschaften gegenüber jenen Definitionen, die auf das Maximierungsprinzip zurückgreifen, ihren Ursprung in einer tiefergreifenden Analyse der Handlung, die der Einsicht zu verdanken ist, dass viele Wünsche miteinander konkurrieren und deren Befriedigung dem Endziel der Nützlichkeit zuträglich ist. Dank der Vorstellung, dass die ökonomische Tätigkeit eine Vielzahl von Zielen voraussetzt, konnte Robbins Mayers Unterscheidung von Ökonomie und Technologie übernehmen. Die Technologie setzt die Auswahl der Mittel für das Erreichen eines einzelnen Ziels voraus, während die Ökonomie es erfordert, die Dringlichkeit verschiedener rivalisierender Ziele zu vergleichen.301 Genau an dieser Stelle müssen wir uns einer Frage zuwenden, die behauptetermaßen der ökonomischen Tätigkeit zugrunde liegen. Gemeint ist die Frage nach der tatsächlichen Vielzahl jener Ziele. Auf der anderen Seite muss man auch fragen, in welchem Maße die Idee eines zugrundeliegenden einzelnen Endziels für die Mayer-Robbins’sche Vorstellung des Wirtschaftens wesentlich ist. Zum Teil resultiert das Problem aus der Prämisse, von der die Mayer-Robbins’sche Formulierung ausgeht – die Existenz einer gegebenen und geordneten Bandbreite unterschiedlich bewerteter Ziele. Wie im vorigen Abschnitt dargelegt, nahm Robbins an, dass die gegebenen Wünsche eine Rangfolge der Ziele implizieren, die von der ökonomischen Tätigkeit selbst unabhängig ist. Die vorherige Anordnung der Ziele vorausgesetzt, kann dann der Prozess der Ressourcenaufteilung stattfinden. Indes hat, neben anderen, auch Professor Knight wiederholt betont, dass der Vergleich der Ziele im Hinblick auf ihre Bedeutsamkeit und die gemäß diesem Vergleich konsistente Verteilung der Ressourcen eine „quantitative Vergleichbarkeit der Endergebnisse aller Verwendungen einer jeden ‚Ressource‘“ impliziere. Mit anderen Worten, sie impliziere, 301  Ein Beispiel für die Anwendung dieser Art von Distinktion bieten Dorfman/Samu­ elson/ Solow (1958), S. 202.

Einzelziel und mannigfache Ziele

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dass „es tatsächlich nur ein Ziel ist.“302 Würde man diesem Argument zustimmen, dann müsste man eingestehen, dass auch die ökonomische Tätigkeit in bezug auf das letzte (einzelne) Ziel der Handlung nur eine Sache der Technik wäre. Hier ist festzuhalten, dass die Bedenken, die dazu anregen, darüber nachzusinnen, inwieweit die Idee von der Vielzahl der Ziele haltbar ist, andere sind als die, welche Souter und Parsons zum Thema geäußert haben. Auch die letztgenannten Autoren betonten den einheitlichen Charakter der Zielsysteme, egal ob die des Individuums oder der Gesellschaft. Aber ihre Kritik galt vornehmlich Robbins’ Darstellung der Ziele individuellen Wirtschaftens im Sinne psychologischer „Züge“, die, einmal in einem „System“ vereinheitlicht, der eigentlichen Idee der Ökonomie zu widersprechen scheinen.303 Die von Knight vorgebrachten Einwände verlieren hingegen auch dann nichts von ihrer Kraft, wenn die Natur der Handlungsziele in einer weniger „positivistischen“ Sprache dargestellt wird. Wenn die Ziele verglichen und geordnet werden können, dann muss es, so wird gesagt, einen gemeinsamen Nenner geben, der sie zueinander in Beziehung setzt. So erhellend und wichtig es auch sein mag, dieses einzelne Endziel der Maximierung in viele unmittelbare Ziele des Wirtschaftens zu zerlegen, die elegante Mayer-Robbins-Unterscheidung zwischen Ökonomie und Technologie scheint damit nicht mehr zu retten sein. An dieser Stelle lässt sich interessanterweise auf eine etwas andere Charakterisierung der auf ein Einzelziel gerichteten ökonomischen Tätigkeit hinweisen, die Robbins selbst entwickelt hat und von Hayek sehr wirkmächtig genutzt wurde. Gemeint ist die Auffassung, wonach das wirtschaftliche Motiv als „das Verlangen nach allgemeiner Bewegungsfreiheit, den Wunsch nach der Möglichkeit, beliebige Ziele zu verwirklichen,“304 verstanden wird. Gemäß dieser Sichtweise wurde Geld mit dem ökonomischen Motiv in Verbindung gebracht, weil es die Mittel bietet, um die größte Auswahl an wünschbaren Gütern und Dienstleistungen zu genießen. (Das erinnert an die althergebrachte Definition des Wohlstands, die diesen nicht in besonderen Gütern und Dienstleistungen erblickte, sondern in der „Macht“, Güter und Dienstleistungen im Allgemeinen zu befehligen.)305 Das Verhältnis zwischen dieser Vorstellung eines ökonomischen „Ziels“ und dem ökonomischen Aspekt der Tätigkeit im Allgemeinen ist offenkundig. In der Darstellung der ökonomisch motivierten Handlung als eine, die darauf zielt, die Macht zum Erreichen unspezifizierter Ziele zu erringen, erkennen wir das genaue Gegenteil zu der älteren Auffassung, derzufolge die ökonomische Tätigkeit auf ein einziges, scharf definiertes Ziel (wie z.B. materielle Güter und dergleichen) gerichtet ist. Der erste Schritt, mit dem sich Robbins von der älteren Definitionsform 302  Knight (The Nature of Economic Science 1934), S. 228; siehe auch Knights Rezension von Robbins Nature and Significance im International Journal of Ethics, April 1934, S. 359, und Knight (1940), S. 463. 303  Siehe insbesondere Parsons (1934), S. 516 – 518. 304  Hayek (2007), S. 120 und Anmerkung. Siehe auch weiter oben Anm. 221. 305  Plough (1842), S. 15.

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

verabschiedete, lag im Erkennen eines ökonomischen Aspekts in der Handlung im Allgemeinen, unabhängig von der gegebenen Natur der jeweiligen betroffenen Ziele. Nachdem er das Adjektiv „ökonomisch“ von bestimmten Assoziationen mit spezifischen Zielen befreit hatte, konnte Robbins die Sache vorantreiben und das ökonomische Motiv mit der Handlung gleichsetzen, die sich genau durch das Fehlen jeglicher spezifisch gewählter Ziele auszeichnet. Man muss nicht jenen Zweifeln nachspüren, die im Hinblick darauf geäußert wurden, ob Professor Robbins in der Tat einen wissenschaftlich akzeptablen Begriff eines „ökonomischen“ Ziels hätte retten können, das sich z.B. von militärischen und politischen Zielen unterschieden hätte.306 Was uns hier interessiert, ist die Bedeutung jener Vorstellung einer Tätigkeit, die sich durch ihre Orientierung an Zielen im Allgemeinen auszeichnet, und nicht an partikularen Zielen. Das Verstehen der ökonomischen Tätigkeit als Bestreben, Macht zur Verfolgung später festzulegender Ziele zu erlangen, zeigt ein Handlungsverständnis, das erstaunlich nahe an dem ist, das die Vielzahl der Ziele im menschlichen Handeln gänzlich ignoriert. Wie wir sahen, kann die Tätigkeit aus Sicht des ökonomischen Aspekts in Form einer dieser beiden Muster beschrieben werden. Entweder wird sie im Anschluss an Robbins als Verteilung der Mittel auf die zahlreichen, geordneten Ziele begriffen, oder im Anschluss an Knight als Technik, das einzige Endziel „Befriedigung“ mit den vorhandenen Ressourcen zu maximieren; die einzige Art, auf die man die zahlreichen Zwischenziele überhaupt vergleichen kann. Die Idee einer Tätigkeit, die auf Ziele im Allgemeinen ausgerichtet ist, setzt die Isolierung einer Art von Tätigkeit voraus, die tatsächlich auf die zahlreichen, ersehnten Ziele bezogen ist, bei der jedoch letztere durch ein einziges Ziel ersetzt wurden, nicht als deren Resultante, sondern als Vorläufer zu ihrer Verwirklichung. Sieht man es aus Sicht von Robbins und Mayer, dann ist die Handlung ihres ökonomischen Aspektes vollkommen beraubt, weil die Ziele der Handlung durch das Ziel der „Befriedigung“ ersetzt sind, dem sie als Erfüllungsgehilfe dienen sollen. Wo viele Ziele durch ein einziges Ziel ersetzt werden, bzw. durch die Resultante aller Ziele, wird die Tätigkeit zu einer Frage der Technik hinsichtlich dieses einzigen ultimativen Ziels. Dem steht, auf der anderen Seite, eine isolierte Tätigkeit gegenüber, bei der anstelle der zahlreichen ersehnten Ziele ein einziges Zwischenziel tritt, nämlich Macht im Allgemeinen zu erlangen, um noch nicht spezifizierte andere Ziele zu verwirklichen. Die Erkenntnis, dass ein Großteil der menschlichen Tätigkeit, die auf den Gewinn von Macht in Form von Geld gerichtet ist, diesem Muster in der Tat entspricht, ist sehr aufschlussreich. Die Maximierung des Geldeinkommens als Wesen der ökonomischen Tätigkeit gehört zu einer Gruppe von Vorstellungen, die den älteren Definitionen der Ökonomie zugrunde lagen. Die Maximierung einer weniger spezifischen Entität, wie die der Befriedigung, Nützlichkeit, Wohlfahrt u.ä., wurde erst als Gegenstand der Ökonomie ausgemacht, als das subjektivistische Denken gegen Ende des letzten Jahrhunderts in die Disziplin einzog. Robbins’ 306 

Für derlei Kritik siehe Rivett (1955), S. 227 f.

Ökonomie und Ethik: das Positive und das Normative

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Formulierung des ökonomischen Aspekts im Sinne der Aufteilung knapper Mittel auf zahlreiche Ziele scheint im Hinblick auf diese beiden Maximierungstypen eine besondere Stellung einzunehmen. Sie beginnt mit der nachdrücklichen Betonung, dass hinter der Suche nach Wohlstand eine Vielzahl von Handlungszielen liege. Der ökonomische Aspekt einer Handlung wird dabei genau in den Verhältnissen erblickt, die aus der Vielfältigkeit der wirklichen Ziele und Handlungen resultieren. Andererseits bleibt die Anbindung an diesen ökonomischen Aspekt nur erhalten, indem bewusst auf die Verschmelzung der Vielzahl jener Ziele zu einem einzigen Endziel verzichtet wird. Der ökonomische Aspekt einer Sache basiert aus Sicht von Robbins auf einer Interpretation der Handlung, die über eine in der Definition ökonomischer Tätigkeit implizite, jedoch falsche Homogenisierung der Ziele als Maximierung eines einzigen Ziels namens „Wohlstand“ hinausreicht und jener parallelen Homogenisierung der Ziele im Sinne ihrer Resultante widerstehen kann, die in der Charakterisierung der Handlung als Maximierung der „Befriedigung“ enthalten ist.

Ökonomie und Ethik: das Positive und das Normative Wir haben in diesem Kapitel bereits auf eine wichtige Implikation hingewiesen, die in Robbins’ Formulierung der Natur ökonomischer Tätigkeit steckt, nämlich die zwangsläufig ethische Neutralität des ökonomischen Blickwinkels. Die höchst umstrittenen Schlüsse, die aus diesem Prinzip gezogen wurden, und die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Funktion des Ökonomen und die Natur seiner Forschungsarbeit, die aus seiner Befolgung entstehen müssen, verlangen nach einer genaueren Betrachtung dieses Aspekts der Robbins’schen Definition und der Kritik, die ihr entgegenschlug. Die Forderung, dass der Ökonom hinsichtlich der Wünschbarkeit bestimmter Situationen, die er in seinen Untersuchungen darstellt, eine wissenschaftliche Neutralität bewahren solle, bewies dabei eine beträchtliche Beharrlichkeit. Die ökonomischen Methodologen des 19. Jahrhunderts haben den Unterschied zwischen der Politischen Ökonomie als Wissenschaft und der Politischen Ökonomie als eine mögliche Kunst hervorgehoben. „Nahezu alle führenden Ökonomen, von N. Senior bis hin zu J.S. Mill“ hatten verkündet, „dass die Wirtschaftswissenschaft nur mit dem befasst sein soll, was ist und was nicht sein soll …“307 Zur Jahrhundertwende wurde in der deutschsprachigen Literatur das Verhältnis zwischen Ökonomie und Ethik ein beliebtes Thema. Die nun überall geführten heißen Kontroversen zum Thema Werturteil in der Ökonomie kulminierten in dem berühmten Wiener Treffen, das der Verein für Socialpolitik 1909 abhielt und wo es laut Schumpeter fast zu einem Aufstand kam.308 Zu jener Zeit warb Max Weber entschieden für die Wertfreiheit in der Wissenschaft und im Berufsstand der Gesellschaftswissenschaftler. 307  308 

Myrdal (1958), S. 237; siehe auch Myrdal (1954). Schumpeter (1954), S. 805.

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

Was Robbins zu dieser ehrwürdigen Angelegenheit beitrug, war der Anspruch, gezeigt zu haben, dass jene ethische Neutralität auf Seiten des Ökonomen mit stringenter Notwendigkeit aus der Definition des ökonomischen Themas selbst folge. Bisher wurde die Frage der Enthaltsamkeit bei Werturteilen seitens des Ökonomen hauptsächlich in Anlehnung an Überlegungen zur wissenschaftlichen Redlichkeit debattiert. Weber zeigte unter Aufbietung großer Mühen, dass Untersuchungen in den „Kulturwissenschaften“ mit einer distanzierten Haltung nicht unverträglich seien. Und nun versuchte Robbins klarzumachen, dass ethische Überlegungen per definitionem den ökonomischen Aspekt einer Sache auf keine Weise beeinträchtigen können. Beim ökonomischen Blickwinkel geht es um eine Idee der Handlung, in der die Handlungsziele vorher festgelegt wurden und sich für die Dauer der Betrachtung nicht ändern durften. Der Inhalt dieser Ziele ist für den ökonomischen Aspekt der Handlung, und somit auch für die ökonomische Analyse, vollkommen irrelevant. Die Einführung von Werturteilen in die Überlegungen bezüglich der wirtschaftlichen Folgen der Handlung stellt somit ein absichtliches Überschreiten der Grenzen dar, innerhalb derer die ökonomische Forschung stattfindet. In Robbins’ Darstellung fand dieser Gesichtspunkt seinen Ausdruck in der Betonung der Distinktion zwischen „positiven“ Studien einerseits und „normativen“ Studien andererseits.309 Zwischen diesen beiden Forschungsbereichen sah Robbins einen „logischen Graben“. Genau diese unüberbrückbare Kluft sei es, welche die Ökonomie von der Ethik trennt. Die beiden Forschungsfelder „bewegen sich nicht auf derselben Diskursebene.“ „Aussagen, die das Wort ,soll‘ enthalten, unterscheiden sich der Art nach von Aussagen, die das Wort ,sein‘ enthalten.“ „Die Ökonomie handelt von nachweisbaren Tatsachen, die Ethik von Bewertungen und Verpflichtungen.“310 Schon viele Jahre vor Erscheinen seines Buches Nature and Significance of Eco­ nomic Science traf Professor Robbins in einer Widerrede auf Hawtreys Behauptung, ökonomische Behauptungen hätten ethischen Charakter, die Feststellung, dass Hawtreys Auffassung im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung unter den Ökonomen stehe.311 Robbins’ ausführlichere Diskussion in Nature and Signifi­cance und vor allem seine These vom Graben zwischen dem Positiven und Normativen trafen indes noch auf weit größere allgemeine Zustimmung. Gleichwohl kann man in der nachfolgenden Literatur zwei Strömungen entschiedenen Dissenses ausmachen. Die eine Gruppe der Kritiker bestritt wie Souter die Gültigkeit von Robbins’ Dichotomie von positiv und normativ, weil sie Teil eines völlig inakzeptablen Bildes von der Natur der ökonomischen Tätigkeit und der Wirtschaftswissenschaft sei. Ihre Bestreitung der Distinktion ergab sich folgerichtig aus dem grundlegenRobbins (19352), S. 147 ff. Anspruch, in Robbins’ Auffassung zu dieser Sache eine Inkonsistenz entdeckt zu haben, erhebt Fraser (1932), S. 557, Anm.; vgl. auch Macfie (1936), S. 27. 311  Robbins (1927), S. 174. 309 

310  Den

Ökonomie und Ethik: das Positive und das Normative

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den Dissens mit Robbins’ Grundthesen. Auf der anderen Seite gab es einige Autoren, einschließlich Macfie, die ihre Arbeit auf Robbins’ Grundannahmen fußten, aber hinsichtlich der Möglichkeit normativer Ökonomie zu Schlüssen kamen, die im krassen Gegensatz zu denen standen, die Robbins selbst gezogen hatte.312 Souters Zurückweisung der Robbins’schen Charakterisierung der Ökonomie als „positive“ Wissenschaft hängt eng mit seiner bereits erwähnten Ablehnung der Robbins’schen Position als insgesamt „positivistisch“ zusammen. Die Behandlung der Handlungsziele als abstrakt mag in der Tat eine Unterscheidung zweier Untersuchungsebenen rechtfertigen. Auf der einen Ebene geht es um die konkreten Handlungsziele, die als „Normen“ betrachtet werden, und auf der anderen um die „positive“ Verfügung der Mittel, vor deren Hintergrund die Ziele abstrakt betrachtet werden. Die Normen selbst können dabei sehr wohl in „positiver“ Weise studiert werden. Sowohl die formale Logik als auch die „Psychologie des Schließens“ bieten ein Forschungsfeld, das insgesamt „positiv“ ist, auch wenn erstere davon handelt, wie wir (gemäß der Wahrheit als unserer Norm) schließen „sollen“, und letztere davon, wie wir es tun.313 Die Unterscheidung zwischen der positiven und der normativen Diskursebene wird somit als eine relative angesehen, die nicht zwangsläufig rechtfertige, den normativen Disziplinen den Namen „Wissenschaft“ vorzuenthalten.314 Außerdem hat Parsons, wie wir sahen, mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht, dass Robbins’ Vorstellung von einem positiven abstrakten Ziel, das von jeder normativen Färbung frei ist, der wahren Natur eines Ziels, die zwingend die Ideen von Aufwand und Zweck beinhalte, widerspreche. Den Umstand, dass Menschen versuchen zu wirtschaften, könne man zwar in positiven Begriffen beschreiben und untersuchen, indem man vom normativen Aspekt der Handlung absehe, aber solch eine Abstrahierung müsse zwangsläufig das wesentliche Merkmal einer zweckmäßigen Handlung übergehen.315 Die Kritik von Souter und Parsons an Robbins’ Dichotomie und, vor allem, an deren Anwendung auf Probleme der Ökonomie entspringt also einem grundsätzlichen Dissens mit dem konzeptionellen Rahmenwerk, in den Robbins die ökonomische Handlung gebettet hatte. Die Position, die Macfie in der Frage nach einer möglichen „normativen“ Ökonomie bezog, ist ganz anderer Art. Macfie verfolgte sein Thema hartnäckig, was ihn zu der Überzeugung führte, „dass die Ökonomie im Grunde eine normative Wissenschaft ist, und nicht eine rein positive Wissenschaft wie die Chemie.“316 Aber Macfie kam zu dieser Auffassung auf einem Weg, der dem von Robbins diametral entgegengesetzt war. Er begrüßte den allgemeinen Grundgedanken von Robbins mit Begeisterung und errichtete auf diesem Funda312  Zu Knights Haltung in der Positiv-Normativ-Kontroverse vgl. Knight (1940), S. 461; siehe auch die u.g. Anm. 321. 313  Souter (1933), S. 402 ff. 314 Vgl. Hutchison (1938), S.  153 – 155. 315 Siehe Parsons (1934), S. 520. 316  Macfie (1936), S. 69.

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

ment seine eigene Position. Er bekannte, dass er Robbins’ Werk viel zu verdanken hatte, glaubte aber, dass Robbins’ Abhandlung mit dem „gewählten Anwendungsbereich“ endete. Seinen eigenen Beitrag sah Macfie in einem „Überbau“, den er auf Robbins’ Fundament errichtete.317 Doch der Überbau, den Macfie errichtete, sollte die Vorstellung von der Wirtschaft und der gesamten Wirtschaftswissenschaft in eine ganz andere Richtung führen als die von Robbins angedachte. Auch Macfie versteht ökonomische Handlungen so, dass bei ihnen die Mittel mit Blick auf die gegebenen alternativen Ziele zu verteilen sind. Mit Inbrunst weist auch er die Auffassung zurück, wonach es in der Ökonomie um einen spezifischen Typus von Zielen gehe. Auch er pocht auf die Idee, derzufolge Wirtschaften ein Aspekt in allen Arten menschlicher Unterfangen ist. Macfie betont zwar den zweckmäßigen Charakter menschlicher Handlungen weitaus mehr als Robbins, aber er betont auch die essenzielle Homogenität des ökonomischen Elementes in der Handlung, ganz gleich welcher Typ von Motivation vorliegt. Einen anderen Weg als Robbins einzuschlagen und seinen eigenen „Überbau“ zu errichten, versucht Macfie dort, wo er die Idee der „Wirtschaft“ zu einem eigenständigen „Wert“ erklärt.318 Die früheren Autoren hatten die Idee der Wirtschaft einfach als neutralen Ausdruck für die konkreten Handlungszwecke betrachtet. Wo die gegebenen Ziele die Motive menschlichen Handelns darstellten, erforderte der Wunsch, die Ziele trotz unzureichender Mittel zu erreichen, ein „Wirtschaften“, ein sorgfältiges Vergleichen der Ziele und Mittel, ganz einfach um die Ziele des Unterfangens so vollständig zu verwirklichen, wie es die Umstände erlaubten. Die Praxis des Wirtschaftens galt nur den ursprünglich gewählten Handlungszielen. Der Inhalt dieser Ziele wurde vor der ökonomischen Handlung ausgewählt. Insofern konnte die Untersuchung einer solchen Handlung „positiv“ sein, soll heißen, ohne Ansehen der Natur der Handlungsziele. Was Macfie diesem Denkschema beisteuerte, war die Idee, dass, angesichts gegebener Handlungsziele und knapper Mittel, dem ökonomischen Akteur das Wirtschaften als Ziel und Letztwert auferlegt sei. „Und das Realisieren eines vernünftigen Ziels ist in gewissem Sinne gut an sich.“319 Der Grundsatz, „knappe Mittel nicht zu verschwenden, sondern zum größtmöglichen Vorteile zu nutzen“ , wird hier als universaler menschlicher Wert betrachtet, der für alle Arten von Unternehmungen gilt, sei es Singen, Schreiben oder Agieren im Markt. Wenn man diese Sichtweise von der Natur des Wirtschaftens akzeptiert, dann wird aus dem Akt unmittelbar mehr als die reine Verteilung begrenzter Mittel zur Verwirklichung spezifischer, rivalisierender Ziele. Wirtschaften, das Anpassen knapper Mittel an die Ziele, drängt sich nicht nur Kraft der ursprünglich gewählten Ziele auf, sondern auch „angesichts der Überzeugungskraft eines Wertes, nämlich die totale Macfie (1936), S. vii-viii. Siehe auch Macfie (1949), S. 19 ff. Siehe auch die Auseinandersetzung mit Macfies Position weiter oben in Kap. 3. 319  Macfie (1936), S. 34. 317 

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Die Natur der Wirtschaftswissenschaft und die Bedeutung der Makroökonomie 147

Befriedigung zu maximieren.“ Die Ökonomie „akzeptiert nicht nur menschliche Wünsche und gibt sie dann unverändert zurück. Das Prinzip des Wirtschaftens selbst verwandelt sie mittels seiner Kritik.“ Die Wahl, die sich ergibt, wenn man rivalisierende Begierden einem wertenden Urteil, hier dem Wirtschaften, anvertraut, unterscheidet sich sehr wohl von den ursprünglich gewählten Zielen. Die Ziele können während der ökonomischen Handlung nicht „konstant“ bleiben, weil eben diese Handlung selbst ein neues „Ziel“ in das System der vom Agenten gewünschten Ziele injiziert.320 Aus Macfies Sicht geht die Ökonomie auf diese Weise als eine im Kern normative Disziplin hervor, welche den Einfluss eines neuen Ziels, nämlich den Wert des Wirtschaftens, der durch die Gegenwart der Knappheit hinzukommt, auf die zahlreichen angestrebten Ziele untersucht. Unter den jüngeren Autoren war es Professor Knight321, der mit dieser Sichtweise liebäugelte. Neu ist die Grundthese jedoch nicht. Macfies Wert des Wirtschaftens erinnert auffällig an Veblens „Instinkt für Wertarbeit“. Aus Veblens Sicht gibt es im menschlichen Charakter „eine Vorliebe für effektive Arbeit und eine Abneigung geben nutzlose Anstrengung … einen Sinn für den Wert der Zweckdienlichkeit oder Effizienz und für die Wertlosigkeit von Müßigkeit, Verschwendung oder Unvermögen …“322 Der Mensch ist „von einem kritischen Gespür für das Zweckvolle erfasst, dank dessen ihm alles Nutzlose im Leben oder Handeln widerstrebt … Es ist kein Hang zur Anstrengung, sondern zur Vollendung – zur Verwirklichung eines Ziels. … Im Rahmen der Nationalökonomie muss jede Untersuchung eines gegebenen Phänomens letztlich auf diesen allgegenwärtigen Impetus des Menschen, die nächste Aufgabe zu erledigen, zurückgeführt werden.“323 In dieser Auseinandersetzung mit dem, was er die „Erfüllungsnorm der Handlung“ nennt, bearbeitet Veblen mit einer für ihn wirklich bemerkenswerten Formulierung offenkundig denselben Boden wie Macfie.

Die Natur der Wirtschaftswissenschaft und die Bedeutung der Makroökonomie In einem Kapitel, das der Auseinandersetzung mit Professor Robbins’ Definition der Wirtschaftswissenschaft gilt, muss man auch einen Blick auf den Vorwurf richten, seine Formulierung schließe thematisch das ganze Feld aus, in dem es um die „Betrachtung der allgemeinen Ebene der ökonomischen Tätigkeit“ geht.324 In einer Zeit, in der die Untersuchung der Gründe der allgemeinen Arbeitslosigkeit von Ressourcen den wichtigsten Platz im Wirken der Wirtschaftstheoretiker und Macfie (1936), S. 69 – 70. Siehe Knights Vorwort zu Macfie (1943), S. v; siehe auch Knight (1940), wiederabgedruckt in Knight (1956), S. 172; Kaufmann (1942), S. 393. 322  Veblen (1934), S. 15. 323  Veblen (1943), S. 80 – 81; siehe auch Perry (1916), S. 444 f. 324  Bye (1939), S. 645. 320  321 

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

politischen Gestalter einnimmt, würde ein solcher Vorwurf, sofern gut begründet, die Brauchbarkeit der Robbins’schen Definition ernsthaft einschränken. Viele Autoren haben die Sache auf den Punkt gebracht: Robbins’ Definition basiert auf der durch knappe Mittel erzwungenen Notwendigkeit, zu wirtschaften, um alternative menschliche Wünsche bestmöglich zu erfüllen. Das Konzept des Wirtschaftens setzt das Vergleichen alternativer Ziele als notwendig voraus. Der Grund dafür liegt darin, dass die Aufteilung von Ressourcen auf eines der gewählten Ziele es zwingend erfordert, diese Ressourcen der möglichen Aufteilung auf andere, alternative Ziele zu entziehen. Wo, wie z.B. in dem Falle, in dem eine Ressource ein freies Gut darstellt, die Zuteilung einer Ressource für eine bestimmte Verwendung nicht den Entzug für eine alternative Verwendung erfordert, braucht es kein Wirtschaften und kann kein Konzept einer ökonomischen „Effizienz“ angewendet werden. Worauf die Kritiker von Professor Robbins hinwiesen, ist, dass die gleiche Abwesenheit von „Wirtschaften“, welche den Gebrauch freier Güter charakterisiert, genauso gut den Gebrauch „knapper“ Güter charakterisiere, falls, aus welchem Grund auch immer, eine Nachfrage nicht ausreicht, um die Ressource in Gebrauch zu bringen. „Effizienz beim Gebrauch unausgeschöpfter knapper Mittel ist genauso irrelevant wie bei der Verwaltung freie Ressourcen …“325 „Das Problem, diese [brachliegenden] Ressourcen voll zu nutzen, ist keine Frage der Entscheidung darüber, ob sie für A oder B genutzt werden sollen, sondern wie sie überhaupt genutzt werden können.“326 Neben der Nutzung dieser Kritik, um Robbins’ Definition der Ökonomie die Eignung rundweg abzusprechen, finden wir auch die Auffassung, dass die konventionelle wirtschaftliche Analyse, die Professor Robbins mit seiner Formulierung korrekt definiert hat, auf die weitverbreiteten ungenutzten Ressourcen nicht anwendbar sei. Man könne nicht genug betonen, erklärte Barbara Wootton, dass im Falle fehlender Knappheit infolge mangelnder Ausnutzung von Ressourcen „der ganze Korpus ökonomischer Forschung, wie ihn Professor Robbins definiert und man ihn in der klassischen Analyse sowie deren zeitgenössischen Ausformungen und Spezifizierungen findet, inoperativ, irrelevant und unwirklich bleibt.“327 Die hier aufgeworfene Frage muss man natürlich in Relation zu der Auswirkung sehen, welche die Forderung nach der Rekonstruktion der Ökonomie, die hinter Keynes’ Allgemeiner Theorie steht, auf die Vorstellung von der wahren Natur der ökonomischen Untersuchung hatte. Ausgehend von der „klassischen“ Auffassung des Wirtschaftens, derzufolge das Brachliegen von Ressourcen nur ein temporäres Phänomen des Ungleichgewichts sein kann, konnte die Wirtschaftswissenschaft, wie sie Professor Robbins definierte, die ökonomischen Probleme der wirklichen Welt angemessen analysieren. In der realen Welt bedeutet die Nutzung einer Ressource für irgendeinen Zweck in der Tat den Entzug für einen alternativen Zweck. Scitovsky (1952), S. 9. Bye (1939), S. 646. 327  Wootton (1938), S. 106. 325 

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Die Natur der Wirtschaftswissenschaft und die Bedeutung der Makroökonomie 149

Aber die Ökonomie, die Barbara Wootton im Sinn hat, trägt der Keynesschen Aussage Rechnung, dass Ressourcen aus anderen Gründen brachliegen können als dem, dass für ihren Gebrauch zu viel verlangt wird. Dies würde die ganze Knappheitsthese gewiss unterminieren328 und einen großen Schatten auf Professor Robbins’ Definition der Ökonomie werfen. In der Tat wäre es unangenehm, wenn die Gültigkeit einer Ökonomiedefinition von der Sichtweise abhinge, die an eine von einem Wirtschaftstheoretiker vorgebrachte Behauptung geknüpft ist, ganz gleich wie umstritten diese Behauptung auch sein mag. Die Gleichsetzung der Auffassung, die Robbins von der Natur der Wirtschaftswissenschaft hatte, mit der „klassischen“ Ökonomie und der Vollbeschäftigungs­ annahme muss aber auch von einer anderen Warte aus betrachtet werden. Laut Rob­bins besteht die Analyse ökonomischer Angelegenheiten allein aus Betrachtungen zum Wirtschaften der Individuen. Wirtschaften ist deshalb ein Problem, weil es für ein Individuum die Notwendigkeit bedeutet, seine zahlreichen Begierden mittels der ihm zur Verfügung stehenden knappen Ressourcen unter einen Hut zu bringen. Ein gesellschaftliches Problem wirft der ökonomische Aspekt nur insofern auf, als er die Bedingungen betrifft, unter denen die Individuen zu wirtschaften gezwungen sind. Die Betrachtung des allgemeinen Niveaus ökonomischer Aktivität und des Grades, in dem die Ressourcen einer Nation genutzt werden, würde damit per definitionem aus einer individualistischen Zweck-Mittel-Ökonomie herausfallen. Die Ökonomie, wie sie von Professor Robbins gedacht wurde, würde demnach ausschließlich Mikroökonomie bleiben müssen. Trotz dieser Bedenken bezüglich der Fragen, die sich im Rahmen der Robbinsschen Konzeption von Ökonomie stellen, kommt Rivett zum Schluss, dass dieselbe hinreichend elastisch ist, um den Problemen brachliegender Ressourcen gerecht zu werden. In dem maßgeblichen Sinne, so heißt es bei ihm, sind ungenutzte Ressourcen knapp. Während sie im Vergleich zur effektiven Nachfrage im Überfluss vorhanden sein mögen, sind sie im Vergleich zur Begierde sehr wohl knapp. Aus der Doktrin, dass ein Mangel an effektiver Nachfrage nach Dienstleistungen aus dem Mangel an Kaufkraft, verbunden mit niedrigen Preisen für diesen Produktionsfaktor, resultiert, folgt nicht zwangsläufig, dass die Nichtnutzung angesichts hinreichend niedriger Preise verschwände. „Wenn die Arbeit in Relation zur Nachfrage nicht knapp wäre und erwartet würde, dass sie nie mehr knapp würde, dann lägen die Löhne bei null … und alle Arbeitsplätze würden alsbald besetzt sein.“329 Der Punkt ist natürlich der, dass gerade aus Sicht der Mikroökonomie Probleme ungenutzter Ressourcen offenkundig als ökonomische Probleme im Sinne von Robbins betrachtet werden. Es ist ein ökonomisches Problem, ob man Ressourcen verwendet, um A oder B zu nutzen, und zwar nicht weil die Nutzung von A und B geschätzt würden, sondern weil sie unterschiedlich geschätzt werden. Wenn es das Problem ist, wie brachliegende Ressourcen genutzt werden können, und zwar nicht Wootton (1938), S. 96; vgl. auch Hutchison (1938), S. 135. Rivett (1955), S. 217.

328 Siehe 329 

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6. Kap.: Ökonomie und Wirtschaften

für den einen oder anderen Zweck, sondern überhaupt, dann steht der Gesellschaft eine Tragödie ins Haus, nämlich die Mittel, die zur Erlangung des gewünschten Ziels verwendet werden, vollends zu verschwenden. Was scheinbar eine um ihre Knappheit beraubte Ressource ist, ist ganz klar ein wertvolles Mittel, das, anstatt dem meistgeschätzten Zweck zugeteilt zu werden, durch den Zusammenbruch im ökonomischen System gar keinem Ziel zugeteilt wird. Aus Sicht der Ziele der Gesellschaftsmitglieder repräsentiert eine unfreiwillig brachliegende Ressource kein quasi-freies Gut, sondern ein knappes Mittel, das unprofitabel einer potentiell vollbeschäftigten Ökonomie vorenthalten wird. Die Bestimmung der Umstände, die dazu neigen, tragische Missallokationen (oder eher Nichtallokationen) wertvoller Ressourcen hervorzubringen, muss natürlich eine Grundaufgabe einer Disziplin sein, die mit der Art und Weise befasst ist, in der die Mitglieder der Gesellschaft mittels Arbeitsteilung konzertant mit den ihnen verfügbaren Mittel haushalten, und zwar mit Blick auf ihre ersehnten Ziele.

7. Kapitel

Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft 7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft 7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

Wir dürfen das gewerbliche und kommerzielle Leben nicht als einen eigenen oder abgesonderten Bereich der Tätigkeiten betrachten, sondern müssen es als einen organischen Teil unseres ganzen persönlichen und gesellschaftlichen Lebens sehen; und wir finden den Schlüssel zum Verhalten des Menschen in seinen kommerziellen Beziehungen, jedoch nicht in erster Linie in den Merkmalen, worin die Verfolgung gewerblicher Ziele sich von der Suche nach Vergnügen oder Lernen unterscheidet, oder von unseren Bemühungen um irgendwelche politischen oder sozialen Ideale, sondern vielmehr in jenen tieferliegenden Grundsätzen des Verhaltens und Wählens, worin sie sich alle gleichen … Philip H. Wicksteed Das ganze Thema des Verhaltens … stellt einen anderen Wirklichkeitsbereich in der externen Welt dar … Als Erstes muss man die Tatsache festhalten, dass dieser Bereich der Realität existiert oder „da ist“. Diese Tatsache kann man nicht überprüfen, bestreiten oder „testen“. Wenn irgendjemand bestreitet, dass die Menschen Interessen haben oder dass „wir“ ein beträchtliches Maß an Wissen von ihnen haben, dann wird die Ökonomie und all ihre Arbeit für solch eine Person schlicht das sein, was eine Welt der Farben für einen Blinden ist. Dennoch würde es einen Unterschied geben: Ein Mensch, der physisch auf dem Auge blind ist, würde immer noch als jemand gelten, der normal intelligent und bei Verstand ist. Frank H. Knight

Bisher haben wir eine Reihe von unterschiedlichen Auffassungen zur Wirtschaftswissenschaft dargestellt, von denen jede ein grundsätzlich anderes Verständnis dessen widerspiegelt, was man unter dem ökonomischen Blickwinkel zu verstehen hat. In diesem Kapitel runden wir unsere Übersicht mit der Vorstellung einer weiteren Konzeption des Blickwinkels ab, den ein Ökonom einnehmen kann. In diesem Fall wird die Ökonomie in ihrer Eigenschaft als Teil der Handlungswis­ senschaften letztlich als eine vollständige und eigenständige Erkenntnislehre jener Fächer verstanden, die für gewöhnlich unter die Kultur- und Sozialwissenschaften subsummiert werden. Für sich genommen verdient das Bild von der Ökonomie als Handlungswissenschaft eine eigenständige und umfassende Diskussion, gefolgt von einer klaren Darlegung der Berührungspunkte mit jenen Sichtweisen, die in den vorherigen Kapiteln behandelt wurden, und zwar sowohl im Hinblick auf Übereinstimmungen als auch auf Gegensätze. Eine derartige Auseinandersetzung ist umso mehr an der Tagesordnung, als sie seit Langem in der methodologischen Literatur der Ökonomie aussteht. Die Idee

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

einer Handlungswissenschaft oder, um den Begriff zu gebrauchen, den Professor Mises verwendet, der praxeologische Blickwinkel der Ökonomie330, ist in unerreichter Weise darin erfolglos, jenen Grad der Aufmerksamkeit zu erregen, der ihm aufgrund seiner Bedeutung für die Ökonomie zweifelsohne zusteht. Obwohl einzelne Aspekte des praxeologischen Blickwinkels oberflächlich in der Literatur behandelt wurden, hat man nur wenige Anstrengungen unternommen, sie als integrale Bestandteile eines vollständigen Erkenntnissystems der Sozialwissenschaften zu verstehen. In der Folge tendierte man dazu, in der Öffentlichkeit nicht das geschlossene System, sondern einzelne umstrittene Aussagen zu Apriorismus, Rationalität und dergleichen Ideen zu diskutieren. Aus dem Kontext gerissen und vor dem Hintergrund gänzlich anderer epistemologischer Vorstellungen erörtert, können diese Aussagen kaum jene ernsthafte Auseinandersetzung erzwingen, die ihnen eigentlich zusteht. Besonders bedauerlich ist die Folge, dass der praxeologische Blickwinkel durch all dies noch mehr an Gleichgültigkeit erfuhr. Insofern ist es die Aufgabe dieses Kapitels, die Vorstellung von der Natur der Ökonomie aus Sicht der praxeologischen Perspektive mit einer gewissen Ausführlichkeit zu umreißen. Außerdem werden wir versuchen, diese Sichtweise mit einigen der alternativen Definitionen, die in den vorherigen Kapiteln behandelt wurden, zu vergleichen. Vor allem die Berührungspunkte mit der im vorigen Kapitel diskutierten Sichtweise erfordern eine sorgfältige Betrachtung. Wir werden zeigen, dass Seite an Seite mit dem Auftreten der Auffassung, dass die Ökonomie die Wissenschaft sei, die mit der Aufteilung knapper Ressourcen befasst ist und im Werk von Professor Robbins ihren Höhepunkt fand, seit mehr als 60 Jahren eine Denkströmung existiert, die den praxeologischen Aspekt der Ökonomie erfasst hat. Die Auffassung, wonach die Ökonomie mit knappen Mittel befasst ist, nimmt dabei, so wird man sehen, als Beispiel für einen Grenzfall praxeologischer Ideen ihren naturgemäßen Platz ein. Viele ihrer offenkundigen Unzweckmäßigkeiten lösen sich augenscheinlich auf, wenn man sie explizit in Relation zu den weitgreifenden Vorstellungen einer allgemeinen Theorie menschlichen Handelns setzt. Indem wir zum Schluss dieses Buches eine Reihe weitgehend divergierender Sichtweisen zur Natur des Wirtschaftens in menschlichen Angelegenheiten darlegen, beleuchten wir auch die Ursprünge dieser bemerkenswert weitreichenden Divergenzen. Die Darlegung des praxeologischen Elementes in den gesellschaftlichen Phänomenen wird helfen zu erklären, warum es ihm so lange gelang, der Aufmerksamkeit vieler herausragender Denker zu entgehen. Die wiederholte und unselige Gleichsetzung dieses ökonomischen Aspekts mit all den vielen tatsächlichen Facetten der Gesellschaftsgeschichte, mit denen das praxeologische Element auf Engste verbunden ist, wird weitaus besser verstanden werden, so glauben wir, wenn man die Natur der gesellschaftlichen Phänomene vom Standpunkt der Praxeologie aus betrachtend versteht. 330  Zum Begriff „Praxeologie“ siehe Espinas (1890); Mises (1949), S. 3; Hayek (1952), S. 209, Anm. 20.

Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft I.

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I. Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft I.

Die Handlungswissenschaften Der Beschreibung der Ökonomie als praxeologische Wissenschaft muss zwangsläufig eine recht detaillierte Darlegung des praxeolgischen Blickwinkels im Allgemeinen vorausgehen. Dabei wird sich herausstellen, dass dieser ein weitaus umfangreicheres Spektrum an Phänomenen betrachtet, als dies in der herkömmlichen Ökonomie der Fall ist. Für den Moment begnügen wir uns damit, dass aus praxeologischer Sicht ökonomische Angelegenheiten sich allein dadurch auszeichnen, dass sie zu einer umfangreichen Gruppe von Phänomenen gehören, die ihren Ursprung in menschlichen Handlungen haben. Das Herzstück der Idee menschlicher Handlungen liegt in der Eigenschaft, über die nur menschliche Lebewesen verfügen, nämlich sich für Handlungen zu entscheiden, die dazu gemacht sind, einen Zustand zu erreichen, der dem bisher Erreichten vorgezogen wird. Eine Person nimmt in ihrer Situation eine Verbesserungsmöglichkeit wahr, vielleicht durch das Überlassen eines ungewollten Stücks Eigentum, einem Ortswechsel oder durch eine Veränderung in der Konfiguration der Dinge, die sein Wohlbefinden berühren können. Die Wahrnehmung von irgendwelchen Gelegenheiten, das eigene Wohlergehen zu verbessern, setzt dann jene Handlungen in Gang, welche die Person ergreifen wird, um die Verbesserungen sicherzustellen. Das Muster der zu ergreifenden Handlungen wird weitgehend von den Umständen bestimmt, die für die gewünschte Änderung der Lage herrschen. Eine vernünftige Logik wird in der gegebenen Situation verschiedene vielversprechende Handlungsverläufe zur erfolgreichen Sicherstellung der gewünschten Änderung aufzeigen. In dem Maße, in dem das menschliche Verhalten von der Logik bestimmt wird, wird die Handlungsweise einen Weg einschlagen, den die Vernunft wählt. Dieser Weg der Handlungsweise ist das, was die Praxelogie die menschliche Handlung nennt. Die konkreten Formen, die menschliche Handlungen annehmen können, sind so zahlreich wie die Wege, auf denen die Menschen Erleichterung von vergleichsweise unbefriedigenden Zuständen suchen. Die konkrete Form, die eine individuelle menschliche Handlung annimmt, wird von Faktoren bestimmt, zu denen sowohl jene gehören, welche die spezifischen lokalen Umstände darstellen, als auch jene, die den Charakter und die Werte des Akteurs geformt haben. Gemäß des handlungswissenschaftlichen Selbstverständnisses ist die Form der Handlung, die sich in der historischen Realität zeigt, das Ergebnis von Einflüssen, die sowohl physiologische, religiöse wie auch soziale und geographische Einwirkungen umfassen. Eine angemessene Erklärung der menschlichen Handlung kann nur gelingen, wenn man sich dieser unterschiedlichen Einflüsse voll bewusst ist. Der Historiker, der verstehen will, was Menschen in bestimmten Situationen getan haben, muss auf Disziplinen zurückgreifen, deren Aufgabe es ist, die Abfolge von Ursache und Wirkung in den physikalischen, physischen oder psychologischen Einwirkungen auf die Handlung zu erklären.

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

Was die praxeologische Sichtweise zur wissenschaftlichen Erläuterung der Handlung in der Geschichte beigetragen hat, ist die Isolierung eines Handlungselementes, dessen Erklärung selbst eine umfassende Betrachtung seitens aller Wissenschaften, die mit den konkreten Manifestationen menschlicher Handlungen befasst sind, nicht alleine liefern kann. Was übrig bleibt, ist der Vorgang der menschlichen Handlung selbst, der weder durch physikalische, physiologische oder psychologische Theorien erklärt werden kann, noch die Hilfe dieser Doktrinen zu seiner Erläuterung braucht. Eine praxeologische Wissenschaft, welche die Rationalität menschlichen Handelns zu ihrer Grundlage macht, kann Theoreme ableiten, die den Handlungsweg unter den vorgegebenen Bedingungen beschreiben. Die Logik, mit der diese Theoreme errichtet werden, spiegelt die Logik wider, die in der Handlung selbst ruht. Neue Verbindungen in der Wissenskette, und zwar in Form praxeologischer Theoreme, formen sich unter den Einschränkungen, welche die menschliche Zielgerichtetheit der Handlung auferlegt, nämlich, dass sie nur unter Zustimmung der Vernunft ergriffen wird. Angesichts aller vorhandenen physikalischen, physiologischen und psychologischen Einflüsse kann man eine Handlung in ihrer spezifischen Ausprägung mit Gewissheit vorhersagen. Diese Vorhersage kann allerdings nicht deshalb erdacht werden, weil diese Einflüsse selbst die Handlung bestimmten, sondern weil die Handlung dem Mandat der Vernunft folgt, welche die Handlung auf den Weg lenkt, der unter den gegebenen Einflüssen als der vorzuziehende angezeigt ist. Ein Beobachter, der diese externen Einflüsse vollständig kennt, kann Vorhersagen über die Ausgestaltung der zu ergreifenden Handlung treffen, und zwar allein deshalb, weil seine Logik ihn in den Stand versetzt, mit Sicherheit den Pfad zu kennen, den auch die Logik des Akteurs wählen würde. Wenn jemand eine mathematische Rechnung mittels vorliegender Daten durchführen soll, dann kann ein Beobachter der Daten versuchen, die Ergebnisse, zu denen der Rechner gelangen wird, vorherzusagen. Für den Erfolg einer solchen Vorhersage reicht es allerdings nicht, sich auf die Tatsache zu berufen, dass diese Resultate durch die Daten „bestimmt“ werden. Es ist notwendig, dass der Beobachter mit seiner eigenen Logik in der Lage ist, im Geiste die logischen Vorgänge zu reproduzieren, die der Rechner ausführt, um zu seinen Ergebnissen zu kommen. Natürlich hat die Aussage, dass die Resultate einer mathematischen Rechnung von den betreffenden Daten bestimmt werden, einen gewissen Sinn. Ein Mathematiker, der sich an dieser Rechnung versucht, kommt dennoch zu diesen „bestimmten“ Ergebnissen nur, insoweit seine Logik ihn dazu anhält, den objektiv korrekten Rechenoperationen zu folgen. Mit menschlichen Handlungen im Allgemeinen verhält es sich ganz ähnlich wie mit unserem Beispiel. Die Idee menschlicher Handlung hat ihren Ursprung in der schlichten Annahme, dass die menschliche Vernunft bei jeder Handlung eine Rolle spielt. Auch wenn diese Annahme nicht universal behauptet werden kann, bleibt sie eine einfache und, zumindest oberflächlich betrachtet, eine plausible These. So zwingend die nach Handlung drängenden physiologischen oder physischen Faktoren auch

Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft I.

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erscheinen mögen, es liegt in der Macht der Vernunft, ihnen zu widerstehen. So schwer die seelischen Nöte auf dem Menschen auch lasten mögen, seine Handlungen haben die Überprüfung bestanden und zumindest das stillschweigende Einverständnis der Vernunft erhalten. All dieser Druck mag ungeheuer groß sein, und ganz gewiss ist die menschliche Vernunft, ob beim Zulassen oder Untersagen, sich dieser fordernden und oft widersprüchlichen Kräfte bewusst. Wie auch immer, die Idee der menschlichen Handlung beruht auf der introspektiv gültigen Tatsache, dass es eine Verhaltensweise gibt, die spezifisch human ist, soll heißen eine Verhaltensweise, die vom Bewusstsein des Wollens begleitet wird bzw. von mehr als einem Bündel von Reflexen, die auf spezifische Stimuli reagieren. Die Natur dieser diversen Stimuli und der diversen Richtungen, zu denen sie jeweils tendieren, sind von den Begierden und dem Willen des Akteurs vollkommen unabhängig. Für sich genommen sind sie Gegenstand der Physik, Physiologie und Psychologie. Wenn eine Handlung einfach in instinktiver Befolgung besagter Stimuli ergriffen würde, dann könnte man von ihnen sagen, sie seien objektiv durch die Daten bestimmt, die ihre Ausgangslage konstituieren, und zwar so wie das Resultat einer Rechenaufgabe durch deren Ausgangszahlen bestimmt wird. Weil der Mensch jedoch die Macht besitzt, einen Handlungsvorgang durch einen anderen zu ersetzen, um die Befriedigung zu erfahren, die aus der Befolgung spezifischer Impulse im Rahmen einer umfangreicheren Werteordnung erwächst, können Physik, Physiologie und Psychologie nicht erschöpfend jene Handlungsaspekte behandeln, die einer wissenschaftlichen Erklärung überhaupt zugänglich sind. Jenes Element in der Handlungsweise, das des Menschen Vermögen, abzuwägen, anzuordnen und zu wählen, widerspiegelt, ist das spezifisch menschliche Element im Handeln. Die Untersuchung dieses Elementes im menschlichen Handeln und seiner Manifestationen in den jeweiligen besonderen Situationen stellt ein Forschungsfeld dar, das seine Einzigartigkeit der Natur des menschlichen Handelns selbst verdankt. Handlungswissenschaften unterscheiden sich von anderen Wissenschaften darin, dass sie dort beginnen, wo letztere aufhören, also bei den Implikationen der Rationalität, die das zweckmäßige Verhalten steuert. Das Auftauchen der praxeologischen Sichtweise der Ökonomie Wir wollen die Diskussion weiterer Details der praxeologischen Sichtweise und die Betrachtung einiger ihrer umstrittenen Aspekte auf später verlegen und zunächst die Entwicklung skizzieren, welche die Denkströmung, die man als die praxeologische Sichtweise der Ökonomie ansehen kann, in den letzten 70 Jahren genommen hat. Die praxeologische Sichtweise war von Anfang an sehr fruchtbar, zwar nicht in der extensiven Darlegung neuer Handlungswissenschaften, aber infolge ihrer Erkenntnis, dass es Theoreme der Ökonomie sind, welche die Aussagen einer Handlungswissenschaft ergeben. Die Möglichkeit theoretischer Aussagen hinsichtlich ökonomischer Tätigkeiten sah man keineswegs in der angeblichen Einzigartigkeit der Phänomene Reichtum, materielle Wohlfahrt, Geld oder sonstigen Kriterien, die zur Definition der Ökonomie verwendet wurden. Man nahm viel-

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

mehr an, dass die Nationalökonomie exakt aus jenem Element des menschlichen Verhaltens herrührt, das wir als menschliche Handlung beschrieben haben. Die jeweiligen Handlungsformen, die traditionellerweise von den Ökonomen untersucht wurden, zeichneten sich durch die enge Verbindung mit diversen Einrichtungen wie Geld oder mit spezifischen Handlungsmustern wie interpersonaler Austausch aus. Wenn es aber überhaupt eine bedeutsame grundlegende Einheit in den Theoremen der Ökonomie gibt, dann findet man sie in der Idee menschlichen Handelns. Von dieser Warte aus betrachtet, nimmt die Nationalökonomie unmittelbar eine einzigartige Stellung in der Vielfalt menschlicher Wissensgebiete ein. Sie ist die einzige Disziplin, die erfolgreich danach strebt, das Element der menschlichen Handlung für die wissenschaftliche Erklärung gesellschaftlicher Phänomene nutzbar zu machen. Die ersten Formulierungen der praxeologischen Sichtweise der Ökonomie tauchten, wenn auch nur in unvollständigen Sätzen, zur Jahrhundertwende auf. Vorher gab es einige hartnäckige Versuche, die Natur der Wirtschaftswissenschaft zu erhellen. Einige von diesen, vor allem jene, die ein spezifisches „wirtschaftliches Prinzip“ markieren wollten, haben wir bereits in früheren Kapiteln angesprochen. Aber die Besonderheit der menschlichen Handlung, wie sie die Praxeologie sieht, nämlich, dass sie bezeichnenderweise einen besonderen Beitrag zum Verstehen gesellschaftlicher Phänomene ermöglicht, wurde nicht thematisiert. Sieht man von vereinzelten Aussagen einiger Autoren ab, die einen Blick von dieser Möglichkeit erhaschten,331 wurde die Ökonomie erst in den 90ern mit der Logik der bewussten Entscheidung genau bestimmt. Die Darlegung des Amerikaners Sidney Sherwood ist wohl die erste Auseinandersetzung mit der Rolle der Ökonomie als Handlungswissenschaft im praxeologischen Sinn. Sherwood schrieb 1897 über die „philosophische Grundlage der Ökonomie“332 und erklärte dabei, dass eine allgemeine Wissenschaft, der es um das „Bewusstsein im Handeln“ gehe, eine „Wissenschaft des praktischen Lebens“, die intellektuelle Herausforderung ihrer Zeit sei. Bis dahin hatten spezielle Disziplinen wie Geschichte, Recht, Politik und Soziologie sich langsam in diese Richtung vorgetastet. Aber eine „Meisterwissenschaft“ sei gefordert, um diesen speziellen Untersuchungen eine gemeinsame Ausgangsposition und Methode zu geben. Eine solche Wissenschaft „muss alle bewussten Aktivitäten des Menschen erklären, indem sie diese auf die Motive und Entscheidungen des individuellen Bewusstseins zurückführt.“ Für Sherwood war die Ökonomie die Wissenschaft, die für diese Rolle am besten geeignet war. „Die Ökonomie handelt von den bewusst empfundenen Wünschen, bewusst wahrgenommenen Ressourcen, die bewusst auf die Ziele ausgerichtet werden, um bewusste Befriedigung zu gewinnen …“ Jede Beschränkung ökonomischen Denkens auf den Bereich materieller Güter ist vollkommen 331 Zu solch frühen Ahnungen der Möglichkeit einer Handlungswissenschaft siehe Storch (1815), I, ii; Jennings (1855), S. 41, wo Politische Ökonomie als „eine Wissenschaft menschlicher Handlungen“ beschrieben wird; Hearn (1864). 332  Sherwood (1897).

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künstlich. Für Sherwood scheint es „unvermeidbar“, dass die Ökonomie letztlich alle menschlichen Werte berücksichtigen muss. „Alle Genüsse, alle Werte, alle Entscheidungen, alle zielgerichteten Aktivitäten sind für wahr gewählt und folgen Grundsätzen, die allein von der Ökonomie in wissenschaftlicher Weise erklärt werden.“ Jede selbstgesteuerte Handlungsweise des Menschen, so Sherwoood, beginnt mit Entscheidungen, die schlicht Bewertungen bestimmter Handlungsverläufe sind. Die Triebkraft der praktischen Aktivitäten des Menschen liegt in den bewusst empfundenen Begierden. Sherwood wandte sich entschieden gegen den Versuch, dem viele Soziologen seiner Zeit erlegen waren, nämlich dem, physikalische und biologische Vorstellungen auf psychische Phänomene zu applizieren. Die Fitness, die gemäß der biologischen Idee der Evolution überlebt, ist eine unvorhergesehene Fitness, eine Anpassung, die sich als Konsequenz des Kampfes ergibt. Aber psychische Aktivitäten sind eigentlich zweckmäßig. Die Fitness, die bei gesellschaftlichen Anpassungen überlebt, ist vorher vereinbart. Wenn Soziologen Phänomene der ökonomischen Anpassung mit den unerklärten und zufälligen biologischen Änderungen vermengen, dann machen sie sich der unwissenschaftlichen Vorgehensweise schuldig.333 Sherwoods Vorstellung von der Natur der menschlichen Handlung und des praxeologischen Charakters der Ökonomie sind unmissverständlich klar. Das Adjektiv „bewusst“, das er unentwegt verwendet, um die Handlungstypen, mit denen die Ökonomie befasst ist, zu beschreiben, und seine ausdrückliche Verknüpfung solcher Handlungsweisen mit menschlichen Trieben, zeichnen jene „Meisterwissenschaft“ aus, die Sherwood als allumfassende Praxeologie sucht. Dass Sherwood mit seiner Definition der Ökonomie einen Fortschritt gegenüber seinen Zeitgenossen darstellt, zeigt sich in der originellen Art, in der er das „ökonomische Prinzip“ als Definitionsprinzip verwendet. Wie sich in einem der früheren Kapitel zeigte, schreckten einige Autoren, darunter Dietzel und Neumann in Deutschland und Hawley in den Vereinigten Staaten, davor zurück, das ökonomische Prinzip als Definitionskriterium zu verwenden, und zwar weil es jede Art von menschlicher Aktivität kennzeichne und so den Prinzipal so wichtig mache. Jene Autoren erkannten, wie wichtig das rationale Element der ökonomischen Tätigkeiten für die Ökonomie war. Dieses Element spielte für sie in der Tat eine derart offensichtliche und dominante Rolle in der ökonomischen Analyse, dass es, so wie das „ökonomische Prinzip“, sich ihnen geradezu als jenes natürliche Merkmal empfahl, das die Phänomene identifizieren konnte, mit denen die Disziplin befasst war. Sie glaubten aber, dieses Angebot ausschlagen zu müssen, weil jede menschliche Aktivität denselben Rationalitätsstempel trage und das ökonomische Prinzip alle bewussten Aktivitäten des Menschen steuere. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als nach einer anderen Eigenschaft in ökonomischen Phänomenen zu suchen, das nur sie alleine unter allen anderen gesellschaftlichen Phänomenen gemeinschaftlich auszeichnet. 333  Siehe

weiter oben Kap. 2, Abschnitt „Die Wissenschaft vom Lebensunterhalt“.

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Sherwood, der von einer im Wesentlichen gleichen Position aus argumentierte, kam zu einer ganz anderen Schlussfolgerung. Da nun einmal klar war, dass ökonomische Phänomene aufgrund ihrer rationalen Eigenschaft der Erforschung zugänglich waren, konnte Sherwood diese Idee nicht mehr fallen lassen. Anstatt über die Entdeckung, dass alle Handlungen gleichermaßen Zweckmäßigkeit, Rationalität und eine Befolgung des ökonomische Prinzip aufweisen, bestürzt zu sein, wurde er von ihr zu einer Neubewertung hinsichtlich der Rolle der Ökonomie animiert. Und statt ihn zu zwingen, nach anderen Charakteristiken zur Abgrenzung des wirtschaftswissenschaftlichen Bereichs auszuschauen, ließ sie ihn den alles durchdringenden Einfluss des ökonomischen Prinzips erkennen, was Sherwood davon überzeugte, dass die Errichtung rigider Grenzen zur Abtrennung der ökonomischen Tätigkeit vom allgemeinen menschlichen Handeln vergeblich und künstlich sei. Die bewusste Lenkung von Ressourcen zur bewussten Befriedigung war für die Vorstellung von Ökonomie derart grundlegend und gleichzeitig ein derart offensichtlicher Faktor in allen Handlungen, dass Sherwood sich vorstellen konnte, die Ökonomie in die Speerspitze einer neuen „Meisterwissenschaft“ zu verwandeln, die eigentlich alle Tätigkeiten im Hinblick auf die Konsequenzen ihrer bewussten Handlungsmotive untersuchen kann. Bis dahin, so viel ist klar, war die Ökonomie auf spezifische Phänomentypen beschränkt, aber diese Beschränkungen waren künstlich und ergaben keineswegs ein Wissensgebiet für sich. Von dieser Auffassung hinsichtlich der Natur der Ökonomie schien man in der Literatur keine Notiz zu nehmen. Glücklicherweise brachte zur selben Zeit der gefeierte italienische Philosoph Benedetto Croce ähnliche Gedanken zum Ausdruck. Seine Ansichten waren weitaus gründlicher und präziser und im Rahmen eines ausgereiften philosophischen und epistemologischen Systems dargelegt worden. Croces Position als solche hatte die Aufmerksamkeit vieler späterer Autoren auf sich gezogen. Gleichwohl fand es nicht nur Zustimmung, wie sehr sie die praxeologische Sichtweise der Ökonomie wiedergab. Wie sehr das auf Croces Vorstellungen bezüglich des Wirtschaftens und der Ökonomie zutraf, zeigt sich vor allem im Vergleich mit Pareto, der völlig andere Ansichten vertrat und mit dem Croce einen ausgedehnten Meinungsaustausch zum Thema unterhielt. Ein kurzer Blick auf die Auffassungen Croces, die er in der publizierten Korrespondenz zum Ausdruck brachte, vermittelt zugleich eine beeindruckend klare, wenn nicht gar umfassende Position jener Auffassung, dass die Ökonomie eine Handlungswissenschaft ist. Der grundsätzliche Unterschied in den Ansätzen von Croce und Pareto und der Ursprung für ihre berühmte Debatte zur Natur der Ökonomie wurzeln in ihren jeweiligen Haltungen zur Teleologie. Laut Pareto ist die Handlung nur dann ein Thema für die Wissenschaft, wenn sie zu „Tatsachen und konkreten Fällen führt.“ Folgt man indes Croce, dann zielt die Handlung auf einen Zweck, wobei die Ökonomie ihre Unverwechselbarkeit und Homogenität dieser Eigenschaft der Handlung verdankt. Croces Feldzug gegen Paretos Behaviorismus334 erwies sich als kraftvol334  Siehe auch Parsons (1932), S. 340, der jenen Aspekt in Paretos Denken betont, der Pareto vom ökonomischen Behaviorismus unterscheiden lässt.

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le Antwort auf Paretos Aufforderung an die Ökonomen, ihre Aufmerksamkeit auf die „Handlungsergebnisse“ zu beschränken und die „Natur“ der Ökonomie den Metaphysikern zu überlassen.335 Croce warf Pareto vor, seine Position enthalte selbst ein implizites metaphysisches Postulat. Es werde implizit angenommen, dass die menschlichen Tätigkeiten dieselbe Natur hätten wie die physischen Tatsachen; dass in beiden Fällen Regelmäßigkeiten beobachtbar und daraus Konsequenzen ableitbar wären. Die „innere Natur der Tatsachen“ indes könne nie gezeigt werden.336 Mit Verweis auf die Erfahrung beharrte Croce auf der grundlegenden Distinktion zwischen dem Physischen und dem Geistigen, zwischen Funktion und Zielsetzung, Passivität und Aktivität. Von dieser Warte aus ist (ungeachtet der gegenteiligen Auffassung von Pareto) die Erkenntnis von größter Bedeutung, dass die Wahl, mit der die Ökonomie befasst ist, nicht einfach eine „Tatsache der Wahl“ ist, sondern die Tatsache einer bewuss­ ten Wahl. Und weil die ökonomische Tatsache eine Tatsache der bewussten Wahl ist, eine Tatsache des Willens, ist ihre „innere Natur“ alles andere als obskur. Die Natur der ökonomischen Aktivität hat man in dem Moment erfasst, in dem man die Natur des Willensvorgangs erfasst hat. Eine Handlung ist ökonomisch, wenn sie konsistent den Willen des Menschen zum Ausdruck bringt, sein bewusstes Zielen auf einen wahrgenommenen Zweck.337 Aus Croces Haltung gegenüber der Natur ökonomischer Tätigkeit ergibt sich unmittelbar seine praxeologische Konzeption der Wirtschaftswissenschaft. Die Zweckmäßigkeit menschlicher Handlung – eine Kategorie, der in den Naturwissenschaften nichts entspricht – ist ein einzigartiges Element, das der Wirtschaftswissenschaft ihre Individualität verleiht. Die Aussagen der Ökonomie beziehen sich auf die wirksame Umsetzung der Ziele, die vom Akteur gewollt sind. Sie sind keine Beschreibungen, sondern Theoreme in dem Sinne, dass sie sich streng und notwendig aus dem postulierten System der Ziele und Mittel ergeben. „Die Wirtschaftswissenschaft … ist eine Mathematik, die auf das Konzept der menschlichen Handlung angewendet wird. … Sie untersucht nicht, was menschliche Handlung ist. Stattdessen erschafft sie Formeln, und zwar unter der Annahme bestimmter Vorstellungen von Handlung, die eine umgehende Erkenntnis der notwendigen Verbindungen ermöglichen.“338 Croces Ideen werden sich wohl noch umfänglicher darstellen, sobald wir seinen Beitrag zu bestimmten Details der praxeologischen Sichtweise der Ökonomie näCroce (1953), S. 190, 204. einer ähnlichen Kritik, dass die Position derer, die das Konzept menschlicher Handlung ablehnen, implizit eine metaphysische Neigung zeige, siehe Mises (1957), S. 3 f. 337 Collingwoods Schriften weisen Ähnlichkeiten mit Croces Ansichten auf. Siehe z.B. Collingwood (1936): „Das Selbst-Wissen der Vernunft ist kein Zufall; es gehört zu ihrem Wesen.“ Siehe auch Collingwood (1926). 338  Croce (1913), S. 365 – 371. Für eine kurze Darstellung der Position, die Croces Auffassungen zur Ökonomie in dessen philosophischem System einnehmen, siehe Tagliacozzo (1945). 335 

336  Zu

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her betrachtet haben werden. Obwohl Croces Ideen dank dessen Statur als Denker größere Aufmerksamkeit widerfuhr als denen Sherwoods, hat sich Croces Einfluss auf die Entwicklung der ökonomischen Methodologie bis auf den heutigen Tag nicht voll entfaltet. Vieles von dem, was im letzten halben Jahrhundert zum rechten Verständnis der Wirtschaftswissenschaft geschrieben wurde, zog aus den Gemeinsamkeiten mit Croces Arbeit zu diesem Thema in vielfacher Weise großen Nutzen. Einer jener Autoren, die in jede Betrachtung zur Evolution praxeologischer Ideen gehören, auch wenn sie es mit Croces diesbezüglichem Beitrag nicht aufnehmen können, ist Max Weber. Max Weber und die menschliche Handlung Die Auffassungen des großen Soziologen hinsichtlich der Natur der Ökonomie, besonders die Bedeutung seiner Ideen für die Entwicklung der Praxeologie, sind eng mit dessen sozialwissenschaftlichen Meinungen im Allgemeinen verknüpft. Diese wiederum kreisen um das Konzept vom Verstehen, jenem epistemologischen Werkzeug, das Weber zur Unterscheidung von Geistes- und Naturwissenschaften verwendet hat. Ein Vergleich zwischen Webers und Croces Weg zu dieser Distinktion ist recht aufschlussreich. Der Zweck ist für Weber, ähnlich wie für Croce, das auffälligste Merkmal der Handlung und, weil er die Grundlage für die Idee des Verstehens bildet, die Quelle der Möglichkeit, die Gesellschaftswissenschaften von den Naturwissenschaften zu trennen. Ein Motiv ist „ein aussagekräftiger Komplex … der dem Akteur selbst oder dem Beobachter ein angemessener … Grund für die Haltung oder Handlung zu sein scheint.“ Die Bedeutung des Zwecks für die wissenschaftliche Analyse liegt in der Einführung eines neuen Kausalitätsbegriffs. Er erlaubt, den Grund einer Handlung durch das Verstehen seines Motivs zu begreifen. Die korrekte Interpretation einer konkreten Handlung impliziert, dass „der äußere Verlauf und das Motiv jeweils richtig begriffen wurden und ihre Beziehung zueinander „verständlich“ ist.339 Die Möglichkeit, diese Art von Aussage hinsichtlich der Ursache eines für die Geisteswissenschaften interessanten Phänomens machen zu können, ist es, die jene Disziplinen von den Naturwissenschaften unterscheiden lässt. In Letzteren können Ereignisse nur „extern“ beobachtet werden, während die teleologische Ausrichtung der gesellschaftlichen Phänomene es erlaubt, dass diese vollständig begriffen werden. Die Ökonomie, wie auch die verstehende Soziologie im Allgemeinen, wird auf diese Weise, für Weber wie für Croce, zu einer Handlungswissenschaft. Das, was verstanden wird, ist zweckmäßiges menschliches Handeln.340 Hier scheiden sich allerdings auch die Wege von Weber und Croce und Webers Entwicklung praxeologischen Denkens verfremdet sich. Croce verstand nicht, dass der ökonomische Aspekt menschlicher Handlung einfach in der Tatsache bestand, dass die Hand339  340 

Weber (1904); zitiert nach Shils/Finch (1949), S. 83. Siehe z.B. Weber (1908); wiederabgedruckt in Weber (Tübingen 1922), S. 364 – 365.

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lung einen Zweck verfolgt. In seiner Wahrnehmung des ökonomischen Aspekts sah Croce, dass die Zweckmäßigkeit der Handlung eine Beschränkung auferlegte, in dem Sinne, dass die Handlung dazu neigt, den Zweck zu erstreben, der ihr als Inspiration dient. Für Croce war die Ökonomie jene Wissenschaft, welche die vielfältigen Implikationen und Konsequenzen genau dieser Tendenz untersuchte. Dieser Aspekt des Handlungszwecks spielt in Webers Vorstellung der ökonomischen Tätigkeit oder der Natur der Wirtschaftswissenschaft keine Rolle. Webers Wissenschaft berücksichtigt den teleologischen Charakter der menschlichen Handlung nur, weil dieses Zweckelement einen Blick in die „interne“ Natur der Handlung erlaubt, aber keineswegs deshalb, weil es implizierte, dass die Handlung darauf festgelegt wäre, einem bestimmten Pfad zu folgen. Allein, dass menschliche Handlungen motiviert sind, reicht, ihnen die Eigenschaft, „verständlich“ zu sein, zuzuschreiben. Es reicht nicht, eine Kategorie des „Wirtschaftens“ aufzustellen, und noch weniger, eine Wirtschaftswissenschaft zu etablieren. Weber kann das Konzept vom Verstehen sogar so weit ausdehnen, dass selbst das Verhalten von sehr unvernünftigen und gefühlsbetonten Menschen begreiflich wird. Um eine Wirtschaftswissenschaft in ihren Ansätzen errichten zu können, muss Weber zunächst den Begriff des „Idealtypus“ einführen, d.i. die Beschreibung eines abstrakten, willkürlichen Modells des handelnden Menschen. Nur einer der vier Weberschen Idealtypen passt zu Webers Vorstellung von Ökonomie, und zwar der Idealtypus der rationalen Handlung, das Model eines kühl kalkulierenden Menschen, der sich seiner Ziele und Mittel bewusst ist. Für jene unter allen Handlungen, die wegen ihrer Motivation intuitiv begriffen werden können, gibt es Handlungsmuster, die sich dadurch auszeichnen, dass sie sich für das Erreichen der gewählten Ziele wirklich eignen. In diesen Mustern kann man das Material finden, das der Ökonom, der Weber vorschwebt, erforschen soll. Die Notwendigkeit, zu der sich Weber veranlasst sah, Rationalität als spezifische Annahme für die ökonomische Tätigkeit einzuführen, wodurch das allgemeine Konzept menschlichen Handelns stark eingeschränkt wurde, offenbart, dass Weber den praxeologischen Gehalt der Handlungen für stark begrenzt hielt. Für Weber war der gemeinsame Nenner aller „verstehbaren“ Handlungen des Menschen nicht deren Übereinstimmung mit einem rationalen Muster der Verwendung gegebener Mittel für erwünschte Ziele, sondern einfach deren bewusste „Ausrichtung“ auf ein Ziel an sich. Wir können eine Handlung demnach verstehen, nicht weil wir unter ähnlichen Umständen unbedingt ähnlich handeln würden, sondern weil wir die Möglichkeit spüren und einschätzen können, dass solch eine Handlung durch das mentale Wunschbegehren des Akteurs bewegt wird. Laut Weber muss eine so bewegte Handlung das Erreichen des betroffenen Ziels nicht beschleunigen. Jemand, der nach einem begehrten Objekt strebt, mag in seinem Zorn darüber, dass sein Tun hintertrieben wird, oder in seiner Begeisterung für das Erstreben in einer Weise handeln, die sowohl im Urteil des unbeteiligten Beobachters wie auch in dem der Geschichte sich hervorragend dazu eignet, die Erreichung des ange-

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

strebten Ziels zu vereiteln. Eine solche Vorstellung von Handlung ist natürlich als Grundlage der Wirtschaftswissenschaft von vornherein ungeeignet. Nur durch die künstliche Abstraktion eines Idealtypus ist Weber in der Lage, zur Ökonomie zu stoßen. Wenn aber die Übereinstimmung mit einem Idealtypus vorausgesetzt werden muss, um die Aussagen der Ökonomie herleiten zu können, dann, soviel ist offenkundig, sind diese Aussagen nicht länger die logischen Implikationen der menschlichen Handlungen und ist die Ökonomie nicht länger ein Zweig der Praxeologie.341 Handelnder Mensch und wirtschaftender Mensch: Mises und Robbins In den Jahren nach Weber entwickelten sich praxeologische Ideen in zwei Richtungen und führten zu zwei verwandten, aber sehr unterschiedlichen Konzeptionen der Wirtschaftswissenschaft. Auf der einen Seite entwickelte sich, teils unter Webers Einfluss, die Vorstellung von Ökonomie, die bereits in den vorigen Kapiteln vorgestellt wurde. Hier diente die Zweck-Mittel-Dichotomie als Rahmen, in dem eine Wirtschaftswissenschaft erschaffen werden konnte, deren Grundlage auf der Idee des Wirtschaftens fußte. Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, wie diese Denkströmung in den Arbeiten Robbins’ ihren Höhepunkt fand. Diese muss nun deutlich von einer anderen Richtung praxeologischen Denkens abgegrenzt werden, deren Einfluss nur gezeigt werden kann, wenn man die Entwicklung der ersteren bis zu einem gewissen Grade darstellt. Die zweite Strömung praxeologischen Denkens wurde durch die Arbeit von Professor Mises auf den Weg gebracht. In ihr finden wir die umfassendste und geschlossenste Entwicklung der praxeologischen Idee. Sie soll in ihrer Entwicklung in diesem Kapitel dargelegt werden. Mises’ Erklärung, die Ökonomie sei in ihrer Eigenschaft als Handlungswissenschaft die am weitesten entwickelte aller denkbaren praxeologischen Wissenschaften, stellt eine der fruchtbarsten und originellsten Ideen dar. Man kann wohl zu recht behaupten, dass die meisten, wenn nicht alle hervorstechenden Beiträge von Mises zu den diversen Bereichen der Nationalökonomie aus seiner Sicht einfach die konsistent ausgearbeiteten Ableitungen eben jener Grundthese zur Natur der Ökonomie sind.342 Dass die Nationalökonomie als Handlungswissenschaft bei Mises zu einem System wurde, liegt daran, dass sein Verständnis des praxeologischen Charakters den wirtschaftstheoretischen Behauptungen ein epistemologisches Grundprinzip auferlegt, das in sich diese systematische Einheit schafft. Es ist bedauerlich, aber nicht schwer zu verstehen, warum Mises’ Kritiker wegen ihres Dissenses mit einigen ökonomischen Theorien von Professor Mises dazu neigten, die epistemologische Grundlage, aus der Mises seine Konklusionen offenbar so schlüssig ziehen konnte, zu verkennen, 341  Zur Kritik der Weberschen Auffassung von Ökonomie siehe Mises (1929), S. 465 ff. Siehe auch Parsons (Essays 1949), S. 67 – 147. 342 Vgl. Hayek (1952), S. 209, Anm. 24.

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wenn nicht gar zu verachten. In Wahrheit bildet das Verstehen der Ökonomie als Handlungswissenschaft eine Basis, die breit genug ist, auch weit auseinanderklaffende Schlussfolgerungen zu gestatten. Die Gültigkeit des praxeologischen Ansatzes muss sich an seinen eigenen Verdiensten und seiner internen epistemologischen Stimmigkeit beweisen. Obwohl praxeologische Ideen ansatzweise schon in Mises’ erstem Buch, Die Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel (1912), auftreten, wurden sie erst in den 20er Jahren ausformuliert. In den frühen 30er Jahren waren Mises’ Ideen zur Natur und Reichweite der Ökonomie voll ausgereift.343 Einige von ihnen zogen länderübergreifend die Aufmerksamkeit der Methodologen der Ökonomie auf sich.344 Die Arbeiten, in denen Professor Mises das Thema Praxeologie am ausführlichsten behandelt, sind die Grundprobleme der Nationalökonomie (1933), Nationalökonomie (1940), und deren englisches Gegenstück Human Action (1949). Eine energische Neuformulierung seiner Position der Handlungswissenschaften und eine beherzte Verteidigung seiner epistemologischen Annahmen finden sich in dem jüngst von Mises publizierten Buch Theory and History (1957). Wenn man die Ökonomieauffassungen in den Werken von Mises und Robbins miteinander vergleicht, muss man auf ihre Gemeinsamkeiten, aber mehr noch auf ihre Divergenzen mit äußerster Sorgfalt achten. In der Literatur gibt es die Tendenz, Mises und Robbins als Nachfolger von Weber zu betrachten, weil auch sie die Zweck-Mittel-Dichotomie und die Bedeutung der ökonomischen Tätigkeit betonen.345 Aber beide ordnen die Wirtschaftswissenschaft recht unterschiedlich ein. Wirtschaften besteht in der Aufteilung knapper Mittel auf rivalisierende Ziele. Und Handeln im praxeologischen Sinn meint das Auswählen eines Verhaltensmusters, das zur Beförderung der Akteurszwecke konzipiert ist. Die jeweilige Allokation knapper Mittel auf die betreffenden Ziele wird natürlich in jeder Situation einen Handlungsablauf konstituieren bzw. Muster an Handlungsweisen, das so konzipiert ist, dass so viele Ziele wie möglich und in der gewünschten Rangordnung erfüllt werden. Aber die Idee der Handlung greift weiter und ist auch grundlegender als die des Wirtschaftens. Obwohl man die Handlung im Sinne von Zielen und Mitteln beschreiben kann, unterscheidet sich eine solche Beschreibung doch sehr von jener, die dem Vorgang des Wirtschaftens gilt. Gemäß der Idee des Wirtschaftens konstituieren Ziele und Mittel ein mehr oder weniger künstliches Schema, das der Handlung auferlegt ist, damit die entsprechenden Zielbewertungen sich in dem spezifischen Muster spiegeln, nach dem die Ressourcen aufgeteilt werden. Die eigentliche Idee ist demnach nicht die absichtliche Umsetzung eines festgelegten Zwecks, sondern die fast mechanische Übertragung der skalierten „Letzt“ziele auf die entsprechend proportionierten Anteile auf der Ebene der Mittel. Die „Mittel“ Siehe auch Mises (1922), S. 94 ff.; Mises (1931), S. 76 – 93; Mises (1930). Siehe z.B. Robbins (1930); auch Robbins (1938); Kaufmann (1937), S. 64; Hutchison (1938); Morgenstern (1937), S. 154. 345  Siehe z.B. Lachmann (1951), S. 413. 343 

344 

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

sind deshalb für die Idee des Wirtschaftens erforderlich, weil sie Einheiten sind, die alloziiert werden müssen. Der Vergleich der unterschiedlichen Arten, Ressourcen zu nutzen, ist es, der das Wirtschaften ausmacht. Im Gegensatz dazu, sind wir bei der weitergefassten Idee der Handlung nicht primär an dem besonderen Muster, nach dem die Ressourcen auf die Ziele verteilt werden, interessiert. Eine derartige Allokation ist im Falle ihrer Ausführung nur als eine der möglichen Implikationen der Handlung von Interesse und wird natürlich auf diese Weise ihren Platz in den Handlungswissenschaften haben. Aber, ausgehend von Robbins’ Idee der wirtschaftswissenschaftlichen Natur, kann die Ökonomie Homogenität und Individualität nur schaffen, indem sie sich mit solchen Abläufen des Vergleichs und der Allokation der Mittel befasst. Der praxeologische Ansatz hingegen findet seine Grundlage für die Homogenität und Individualität der Ökonomie auf einer tieferliegenden Ebene, die ein klar erkennbares Allokationsmuster nicht unbedingt verlangt. Diese Grundlage liegt in der grundsätzlichen Beschaffenheit der Handlung, soll heißen, die Handlungsweise richtet sich auf das Erreichen eines Zweckes. So charakterisiert, findet die Praxeologie genügend Nährboden zur Erklärung der spezifischen Handlungsmuster, in denen die besonnene Verwendung knapper Mittel als Beispiel regelmäßig in Erscheinung tritt. In der Idee der Allokation knapper Mittel kann man hingegen kein unverwechselbares Kriterium zur Definition der Ökonomie finden. Diese Idee kann auch nicht als adäquate Grundlage, auf der das Fach aufgebaut werden könnte, dienen. Der entscheidende Punkt dabei ist nicht, dass der Mensch die jeweilige Wirksamkeit je nach Gebrauch der vorhandenen „Mittel“ vergleichend abwöge, sondern, dass er unter einer selbstauferlegten Beschränkung verfährt, nämlich unter der Notwendigkeit, in einer Weise zu handeln, um das zu erreichen, was er erreichen will, so dass sein Verhalten dazu tendiert, jenem Muster zu entsprechen, das in seiner Zieleskala angedeutet wird. „Mittel“ existieren für den handelnden Menschen erst, nachdem er sie für seine Zwecke angepasst hat. Handeln besteht nicht im Proportionieren, sondern im Tun – tun, was wahrscheinlich den eigenen Zwecken dient. Der Rest dieses Kapitels, in dem einige Details der praxeologischen Sichtweise und verschiedene gegen sie vorgebrachte Kritiken dargelegt werden sollen, wird zugleich als Kommentar dienen, und zwar zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden einer Ökonomie, die auf dem homo agens aufbaut, und einer, bei der es um den wirtschaftenden Menschen geht.

II. Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft II.

Praxeologie und Zweck Beginnen wir die detaillierte Zergliederung der Kategorie des menschlichen Handelns und die Diskussion über ihre Eignung als Fokus des ökonomischen Blickwinkels mit einem Überblick zur Rolle des Zwecks in der Handlung. Wie in diesem

Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft II.

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Kapitel bereits erwähnt wurde, stattet der Zweck das Verhalten der Menschen mit jener unverwechselbaren Eigenschaft aus, welche die Praxeologie im menschlichen Handeln vorfindet. In diesem Zusammenhang erwähnten wir die Auffassungen von Croce und Weber als Beispiele für die Entdeckung eines im Akt innewohnenden Phänomens, für das es unter den naturwissenschaftlichen Entdeckungen kein Gegenstück gibt. Die Steine, die sich witterungsbedingt im Gebirge lösen und auf den Wanderer im Tal niedersausen, sind Teil eines anderen „Ereignisses“ als die Steine, die absichtlich von Menschen aus dem Hinterhalt geworfen werden. Letztere wurden zielgerichtet geworfen. Sie sind – in diesem Fall im wahrsten Sinne – von Menschen auf etwas gerichtet. Das Steinewerfen von Menschen kann der Wissenschaftler teilweise „erklären“, indem er sich auf ein Element bezieht, das in natürlichen Phänomenen nicht vorkommt, z.B. das bewusste Zielen des Werfers. Die Praxeologie verwendet dieses Element als Ausgangspunkt und hält menschliche Handlungen für erforschbar, weil sie den Stempel der Beschränkung tragen, der ihnen durch das gewählte Ziel aufgedrückt wurde. Die Erkenntnis der Zweckmäßigkeit ökonomischer Tätigkeit wurde allerdings nicht erst mit dem Auftreten praxeologischer Ideen gewonnen. Gleichwohl stimmt es natürlich, dass die älteren Auffassungen, die davon ausgingen, dass die Wirtschaftswissenschaft sich mit objektiven Entitäten wie Wohlstand und Gütern zu befassen hätte, nicht auf die Zweckmäßigkeit menschlicher Handlungen zurückgreifen mussten. Der Bereich ihrer Disziplin wurde durch die Beschaffenheit der Objekte, deren „Gesetze“ sie untersuchten, vollständig beschrieben. Doch selbst hier konnte man nur schwerlich die inhärente Zweckmäßigkeit in der Haltung der Menschen zu diesen Objekten übersehen. Stillschweigend gestand man sie im Rahmen der inhaltlichen Untersuchungen zu, welche die Ökonomen vornahmen. Sichtbar wurde sie schließlich in den ausgereiften unter den klassischen Versuchen, „Wohlstand“ zu definieren. Mit der im 19. Jahrhundert um sich greifenden Tendenz, den Menschen in den Mittelpunkt der Ökonomie zu rücken, wurde es nahezu selbstverständlich, die Rolle des Zwecks zur Kenntnis zu nehmen. Die Politische Ökonomie war so die umfassende Darlegung der Folgen, die sich aus einem der vielen Ziele eines Menschen ergeben, nämlich dem Erwerb von Wohlstand. Bei den Diskussionen über den Charakter, dem man dem homo oeconomicus unterstellte, konnte man schwerlich die Tatsache, dass er zweckmäßig ist, außer Acht lassen. Gegen Ende des Jahrhunderts wurde die Ökonomie als „teleologische“ Disziplin begriffen.346 Der Wohlstand wurde mit einer „teleologischen Natur“ ausgestattet. Wenn die Ökonomen die Rationalitätsannahme diskutierten, setzte das nolens volens die Idee von einem zweckmäßigen Verhalten, von „Zielen“ und „Mitteln“, voraus und verwies folgerichtig auf die Besonderheit, die diese Eigenschaft im Gegensatz zu physikalischen Phänomenen jedem Menschen verleiht. Das zu Beginn unseres Jahrhunderts aufkommende Konzept des Verstehens schob den teleologischen Charakter menschlichen Handelns noch weiter in den Vordergrund. 346 

Siehe z.B. Schmidt (1900), S. 334; Tarde (1902), S. 151.

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

Wie auch immer, man sollte es schon zu würdigen wissen, dass die Praxeologie der menschlichen Zweckmäßigkeit bei ökonomischen Tätigkeiten eine ganz andere Rolle zuschreibt, als es die anderen ökonomischen Schulen tun. Wesley Mitchell etwa machte darauf aufmerksam, dass man die Menschen nicht verstehen könne, wenn man sie wie Moleküle behandle und ihre Zwecke außer acht lasse. Er und andere Ökonomen lenkten die Aufmerksamkeit auf das neue Kausalitätselement, das die Teleologie in die menschlichen Angelegenheiten einführte. Sie erkannten eine Kette von Kausalität und Wirkung, in der die zeitliche Abfolge umgekehrt war, in der die Ziele für die Zukunft die Gegenwart „kausal“ bedingte.347 Aber all das führt nicht unbedingt zu einer praxeologischen Position. Für den ökonomischen Blickwinkel ließe sich annehmen, dass er jedes nur denkbare Kriterium implizierte. Das kausale Element, das durch den teleologischen Charakter der ökonomischen Tätigkeit ins Spiel kommt, würde dadurch keineswegs in Zweifel gezogen. Mitchell z.B. sah die ökonomische Aktivität ihrem Wesen nach mit dem Phänomen des Geldes verknüpft. Diese Annahme vertrug sich perfekt mit dem, was er betonte, nämlich, es sei nützlich auf den Zweck zu verweisen, wenn man den Ökonomen „Erklärungen“ bereitstellte. Die Phänomene der realen Welt resultieren aus einer Reihe von Ursache-Wirkungs-Ketten. Egal welche Gruppe von Phänomenen man untersucht, es müssen dabei so viele dieser Kausalverhältnisse wie möglich berücksichtigt werden. In der Klasse der durch die „ökonomischen Angelegenheiten“ konstituierten Phänomene gibt es eine Kausalbeziehung, nämlich die Folge menschlicher Zweckmäßigkeit, die unter den Phänomenen der physikalischen Welt fehlt. Aber es besteht keine Not zu versuchen, die besonderen Eigenschaften der „ökonomischen Angelegenheiten“ im Sinne jener Zweckmäßigkeit oder der Kausalität, die sie mutmaßlich auslöst, festzustellen. Die Rolle, welche die Zweckmäßigkeit in der praxeologischen Konzeption ökonomischer Tätigkeit spielt, ist bei weitem wichtiger. Der Zweck ist nicht nur etwas, das man „einkalkuliert“. Er allein ist die Grundlage der Idee vom menschlichen Handeln. Als Engliš die Ökonomie als teleologische Disziplin definierte, wollte er die Sache auf den Punkt bringen.348 Für die Ökonomie als eine besondere Wissenschaft gibt es nur deshalb eine Berechtigung, weil die teleologische Eigenschaft der Handlung eine einzigartige Form von „Erklärung“ ermöglicht. Die ökonomischen Theoreme ergeben sich für die Praxeologie ausschließlich auf der Grundlage der Zweckmäßigkeit des menschlichen Verhaltens. Andere Determinanten des Verhaltens – Vererbung, Umwelt und ähnliche – liegen auf einer ganz anderen „Erklärungs“ebene. Sie gehören als solche zu anderen Disziplinen und haben in einer „reinen“ Ökonomie keinen Platz.

347  Zum Nutzen der Teleologie für die Erkenntnis, dass die Kausalität von der Zukunft auf die Gegenwart zurückwirkt, siehe Mitchell (1935), wiederabgedruckt in Mitchell (1950), S. 334; Dickinson (1919), S. 388; siehe auch Weber (1904). Vgl. aber auch Plotnick (1937), S.  88 – 89. 348  Engliš (1925).

Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft II.

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Die Sonderstellung, welche der Zweck im praxeologischen System einnimmt, ist natürlich sehr eng mit der Vorstellung verbunden, dass die menschliche Handlung rational sei. Die Rationalität im menschlichen Verhalten besteht schließlich in der konsistenten Verfolgung der eigenen Ziele; darin, die Mittel auszuwählen, die zur Erreichung der eigenen Ziele am besten geeignet zu sein scheinen, und von Handlungsabläufen abzusehen, die das Erstrebte vereiteln könnten oder lediglich das zu erreichen versprechen, das weniger wert ist und zu Lasten höher geschätzter Ziele geht. Die Bedeutung der Handlungsrationalität für den praxeologischen Blickwinkel ist so groß, dass sie eine separate Betrachtung an späterer Stelle in diesem Kapitel verdient hat. Um die praxeologische Bedeutung der menschlichen Zweckmäßigkeit richtig einzuschätzen, reicht es an dieser Stelle, mit größtmöglichem Nachdruck zu betonen, dass die Idee der Rationalität für die Praxeologie nur darin besteht, menschliche Zwecke zum Ausdruck zu bringen.349 Diese Hervorhebung ist vielleicht deshalb so von Nöten, weil man so den praxeologischen Ansatz von jenem Ansatz trennen kann, den man die „positivistische“ Konzeption der Rationalität menschlicher Handlungen nennen könnte. Wie im vorigen Kapitel zu erkennen war, wurde Professor Robbins vorgeworfen, die Zweck-Mittel-Dichotomie in einer zu positivistischen Manier verwendet zu haben. In Robbins’ Modell, so wurde behauptet, werde ein „Ziel“ durch einen außenstehenden Beobachter als etwas Positives ausgemacht, als ein „Korrelat zu einer Handlungstendenz“. Robbins verwende das „Ziel“ in einer Weise, die das bewusste Trachten und Streben, das die menschlichen Handlungen bis zu deren Beendung kennzeichnet, ausblende. Im Hinblick auf derartige ihrer Natur beraubter Ziele verwandelt sich die „Rationalität“ bei der Mittelverfügung schlicht in ein mechanisches Einordnen und Aufteilen der Ressourcen nach einem vorgegebenen Muster. Auch wenn wir hier nicht erörtern wollen, ob dieser Einwand gegen Robbins’ Modell berechtigt sei, ist es dennoch von Interesse, die recht unterschiedliche Art von Rationalität, die der praxeologischen Sichtweise eigen ist, deutlich zu machen. Handeln wird nicht deshalb rational genannt, weil es die automatische Manipulation der Ressourcen in einer Weise bedeutet, welche die gegebene Hierarchie der Ziele getreu widerspiegelt. Die Rationalität bei der Lenkung der betreffenden Mittel besteht vielmehr in der Übertragung jener Verhaltenseigenschaften, die mit der direkten Verfolgung der Ziele einhergehen. Die Rationalität besteht im bewussten Streben danach, das eigene Verhalten einem vorgegebenen Weg anzupassen. Sie erfordert vom ökonomischen Akteur dasselbe Trachten und Streben, das er bei den „Endzielen“ an den Tag legt, auch für die notwendigen Zwischenziele. Es ist nur aus der „Außenperspektive“ möglich, eine derartige Rationalität allein im Sinne eines bestimmten Musters der Ressourcenallokation zu beschreiben. Aus praxeologischer Sicht gewinnt die menschliche Handlung ihre Rationalität dadurch, dass sie von der Eigenschaft des „Zielens“, die jede Handlung dank ihres teleologischen Charakters hat, durchdrungen ist. Dieser Aspekt des Zwecks führt uns nun direkt 349  Zur Übereinstimmung von Rationalität und Zweckmäßigkeit siehe Tewari (1947), S. 421 ff.

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

zu einer detailreicheren Darlegung der praxeologischen Auffassung von Rationalität, dem Thema des folgenden Unterkapitels. Praxeologie und Rationalität Es gibt nur wenige Merkmale der praxeologischen Position, die so ernstlich missverstanden wurden wie die besondere Bedeutung, die sie der Rationalität menschlichen Handelns beimisst. Aus praxeologischer Sicht ist die Handlung per definitionem rational; eine Sichtweise, die aus zweierlei Gründen angefeindet wurde. Zum einen wurde sie als offenkundig falsch und im Widerspruch zu den Erfahrungstatsachen stehend gebrandmarkt.350 Zum anderen wurde ihr ein teuflischer Missbrauch der Sprache nachgesagt, in dem das Wort „rational“ jeglicher Bedeutung beraubt sei, es mithin nicht falsch sein könne und daher bei Verwendung zur Beschreibung der Handlung keinerlei Informationen übermittle. Demnach ist das beharrliche Beschreiben der Handlung als rational ein irreführender Versuch, scheinbar etwas zu sagen und tatsächlich nichts dergleichen zu tun.351 Zu sagen, ein Mensch handle rational, so der Vorwurf, sagt uns nicht mehr darüber, was er tut, als dass er es tut. Beide Kritiktypen beruhen auf einer recht unvollständigen Kenntnis dessen, wie die Rationalität der Handlung im praxeologischen System verwendet wird. Die Idee der Rationalität im menschlichen Verhalten ist in der Literatur der ökonomischen Methodologie schon seit langem ein Thema. Die Angriffe auf ein unangemessenes Vertrauen in die menschliche Vernunft, das man der Nationalökonomie zur Last warf, sind so alt wie die Angriffe auf die Idee der Nationalökonomie an sich. Die historisch ausgerichteten Theoriekritiker haben vor geraumer Zeit entdeckt, dass der Mensch „Instinkte“ besitzt, dass er ein „Gewohnheits“tier ist, dass er von Massenhysterien und sonstigen psychologischen Anomalien erfasst werden kann. Die Nationalökonomie, so meinte man, sei für die Realitäten des Lebens blind gewesen. Wenn sie dem ökonomischen Menschen nicht gerade eine exklusive Gier nach „Reichtum“ oder einen durch und durch selbstischen Charakter nachsagte, dann ging die Ökonomie in ihrer Großzügigkeit zumindest von der Annahme aus, dass die Menschen spürbar im Sinne ihres eigenen Interesses handelten. Wie weit die Ökonomie von der Wahrheit entfernt sein musste, war leicht zu zeigen. Man musste nur den wahren Charakter des Menschen mit all seinen Impulsen, Instinkten und Unzulänglichkeiten aufzeigen. Andererseits war es für die Ökonomen ein Leichtes, ihre Theoreme als hypothetische Gebilde mit einer bestimmten, wenngleich beschränkten, Anwendbarkeit auf die reale Welt zu verteidigen; oder alternativ dazu als Normenbeschaffer zur Einschätzung ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit. Um die Jahrhundertwende und auch danach waren die Fachzeitschriften voll mit Debatten zu diesem Thema. Als Beispiel für diese Art von Kritik siehe Robinson (1932), S. 10. dieser Form des Einwandes vgl. Fraser, (1947), S. 37, Anm.; Hutchison (1938), S. 115 ff. 350 

351  Zu

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In all diesen Diskussionen wurde die von der traditionellen Nationalökonomie getroffene Rationalitätsannahme in einer speziellen Weise verwendet. Dabei erwies sich die Verwechslung dieser traditionellen Rationalitätsauffassung mit jener, die in den praxeologischen Diskussionen Anwendung fand, als hauptverantwortliche Ursache für die o.g. Missverständnisse. Der Streitpunk in den früheren Diskussionen bezüglich der empirischen Gültigkeit ökonomischer Theoreme, welche den Menschen als ein von irrationalen Impulsen und Instinkten abholdes Wesen sahen, war die Fruchtbarkeit einer bestimmten vereinfachenden Abstraktion. Die gesellschaftlichen Phänomene der realen Welt sind die Konsequenzen menschlicher Handlungen, in denen alle Einflussgrößen ihren Anteil haben. Eine dieser Einflussgrößen entspringt den Kräften der menschlichen Vernunft, die den Menschen dazu anhalten, ein ausgewähltes Ziel standhaft und hartnäckig und ungeachtet seiner Schwächen und Leidenschaften zu verfolgen. Die Nationalökonomie, so glaubte man, untersuche die gesellschaftlichen Phänomene in der Annahme, dass der Einfluss der kühlen Vernunft tatsächlich den Menschen stark genug mache, sein Ziel unbeirrt zu verfolgen. Eben jene Annahme wurde entweder verteidigt oder kritisiert, und zwar hinsichtlich ihrer Rechtfertigung im Lichte der tatsächlichen menschlichen Natur. Es lag recht nahe, dass die Idee der Rationalität, die man in den Mittelpunkt praxeologischer Vorstellungen rückte, in ähnlicher Weise diskutiert wurde. Wenn man derlei Vorstellungen von der Auffassung abhängig macht, Rationalität sei eine Eigenschaft, die alle menschlichen Handlungen durchzieht, dann lädt man natürlich zu der Kritik ein, diese Vorstellungen widersprächen den Tatsachen. Und wenn man merkt, dass in dem Sinne, wie die praxeologische Sichtweise menschliche Handlungen für rational hält, kein solcher Widerspruch besteht, dann kritisiert man am praxeologischen Postulat den irreführenden oder leerer Gebrauch von Begriffen. Dann wird zum Beispiel erklärt, selbst ein Mensch, den eine vorübergehende Versuchung bei der Verfolgung seiner Ziele wankelmütig werden lässt, handle im praxeologischen Sinne noch „rational“. Aus praxeologischer Perspektive hat der Mensch lediglich eine neue Zielmenge, welche die vorübergehende Versuchung darstellt, an die Stelle der zuvor gewählten Ziele gesetzt. Der Umstand, dass von der Warte eines außenstehenden Beobachters oder jener, die der Mensch in einem entspannteren Moment selbst einnähme, die ursprüngliche Zielmenge die „besten Interessen“ des Menschen darstellten, reicht nicht aus, um des Menschen Streben nach seiner neuen Zielmenge für „irrational“ zu erklären. Die Wahl eines Ziels kann nie, als solche, hinsichtlich ihrer Rationalität beurteilt werden, und es gibt keinen Grund, die Rationalität, mit der ein Mensch seine neu gewählten Ziele verfolgt, in Frage zu stellen. Es ist diese Art von Erklärung, die unter den Kritikern Verärgerung auslöst und den Vorwurf veranlasst, man verwende das Wort „rational“ in einer bösartig irreführenden Weise. Diese scharfe Kritik ist allerdings unverdient, und es lohnt sich, das Augenmerk auf die Klärung dieses Punkts zu richten. Dazu ist es vielleicht am besten, sich den im vorherigen Kapitel erwähnten Beitrag von Tagliacozzo zur

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

Klärung der Begriffe „ökonomischer Irrtum“ bzw. „unökonomisches Verhalten“ genauer anzuschauen. Dort diskutiert Tagliacozzo den Fall des „Rheinweines“, der ein Teil der bereits erwähnten Korrespondenz war, die Pareto und Croce um die Jahrhundertwende führten. Im „Rheinwein“-Fall ging es um einen Mann, der sich nicht der Völlerei bezichtigen lassen will und all sein Geld für andere, höher geschätzte Zwecke eingeteilt hat, dann aber der Verführung nachgibt und den Rheinwein kauft und trinkt. Dazu schrieb Croce, der Mann habe sich durch sein Handeln selbst widersprochen352 und seiner empfundenen Lust werde alsbald seine Missbilligung folgen, eine ökonomi­ sche Reue (die von einer moralischen Reue sorgfältig zu unterschieden ist).353 Der Mann ist dessen schuldig geworden, was Croce an anderer Stelle einen „ökonomischen Irrtum“ nannte, „das Scheitern beim direkten Erstreben eines eigenen Ziels: dies und das zu wollen und nicht z.B. entweder dieses oder jenes zu wollen.“354 Croce stellte diesen so gedachten ökonomischen Irrtum, einen Irrtum des Willens, dem technischen Irrtum gegenüber, der ein Wissensirrtum ist. Dadurch war er außerstande, Paretos Unterscheidung zwischen logischen (rationalen) Handlungen, die ökonomisch sind, und unlogischen Handlungen, die es nicht sind, zu kritisieren. Handeln, so Croce, ist eine Sache des Willens, nicht des Wissens. Richtig, der Wille geht der Überlegung voraus, aber die Handlung, die ein Ausdruck des Willens ist, kann nicht durch Adjektive wie „logisch“ oder „unlogisch“ gekennzeichnet werden, da diese nur den Gebrauch der Vernunft betreffen.355 Eben mit jenem Beispiel eines ökonomischen Irrtums, dem Konsumieren von Wein ungeachtet des zuvor gewählten Handlungsprogramms, hatte sich Tagliacozzo ausführlich befasst. Tagliacozzo verwies darauf, dass der Erwerb des Weines 352  Eine Neuauflage von Croces These, dass ein Mann, der einer Versuchung erliegt, in Widerspruch zu sich selbst trete, findet sich bei Little (1950), S. 23. Little behauptet dort, dass die Maximierung des eigenen Nutzens heiße, sich so zu verhalten, wie man es angekündigt habe. „Grob gesagt, Nutzen maximieren heißt die Wahrheit sagen.“ 353  Croce (1953), S. 201. Für eine Würdigung der Position Croces siehe Macfie (1936), Appendix B, S. 143 ff. 354  Croce (1953), S. 177. 355  Professor Mises war nicht bewusst, wie ähnlich seine Position der ist, die man in Croces Schriften findet (siehe Mises (1957), S. 308). Worin sich aber ihre beiden Positionen erheblich unterscheiden, hat im Hinblick auf ihre Vorstellungen darüber, was die Wirtschaftswissenschaft kennzeichne, kaum Bedeutung. Beide betonen, dass alle Handlungen rational seien. Beide erkannten, dass die Befolgung eines gewählten Programms wegen eines technischen Irrtums (oder fehlenden Wissens) scheitern kann, oder weil ein neues Programm gewählt wurde, für das die Handlung „rational“ ist. Beide sind sich jedoch uneins darüber, was die Aufgabe eines gewählten Programms zugunsten eines anderen angeht, das einer „flüchtigen Versuchung“ entspringt. Für Croce ist sie ein Irrtum besonderer Art, ein ökonomischer Irrtum, ein Irrtum des Willens. Für Mises gibt es nur eine Art von Irrtum, den Wissensirrtum (siehe Mises (1957), S. 268). Die bewusste Aufgabe eines gewählten Programms unter dem Einfluss einer flüchtigen Versuchung wird „positiv“ betrachtet, nämlich lediglich als Annahme einer neuen Menge an Zielen anstelle der alten, mehr nicht.

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von verschiedenen Warten aus bewertet werden könne. Betrachte man nur die Fakten, dann müsse man zwischen Mitteln und Zielen keine Unterscheidung treffen. Der Wein wurde erworben, weil der Erwerb gewünscht war. Das ist alles. Es ist keine „Programm“ erkennbar, das mit der Handlung des Mannes verglichen werden müsste und Anlass zu Missbilligung oder Reue sein könnte. Folglich gibt es keinerlei sonstiges „Ziel“ als das, welches die Mittel „hervorbringen“ können. Betrachtet man die Sache vom Haushaltsplan des Mannes aus, dann liegen die Dinge anders. In diesem Fall hat der Mann selbst den Maßstab gelegt, an dem die „ökonomische“ Genauigkeit seiner Handlungen gemessen und für gewollt befunden werden kann. Die künstliche Schaffung eines „Plans“ in Form einer vorausgegangenen Wahl von Zielen bringt zwangsläufig eine „Sichtweise“ mit sich, aus der heraus es möglich ist, den Weinerwerb einzuschätzen und ihn eines ökonomischen Irrtums zu überführen. Schließlich kann man zu der Handlung des Mannes auch bemerken, dass eine Messlatte in Form eines Programms zwangsläufig recht willkürlich ist und die Zeitspanne, für die ein solches „Programm“ Gültigkeit haben soll, so kurz oder lang sein kann, wie es uns gefällt. Von dieser Warte aus betrachtet ist es klar, dass das, was aus Sicht eines langfristigen Programms eine „Versuchung“ ist, zu einem unabhängigen „Programm“ für sich wird, wenn man eine passende Zeitspanne als Referenzrahmen verwendet. Der Konsum des Weines ist nun zum gewünschten Ziel geworden. Die Handlungen des Mannes können immer noch taxiert werden, aber nun im Hinblick auf ihre Konsistenz mit jenem neu angenommenen „Programm“. Indem Tagliacozzo jene zwei möglichen Haltungen zum Weinerwerb voneinander trennt und erkennt, dass der Begriff des ökonomischen Irrtums von der eingenommenen Haltung abhängt, gelingt es ihm, die abschließende praxeologische Schlussfolgerung aus Croces Thema zu ziehen. In einer wirklichen Handlung, verstanden als unabhängiges Ereignis, ist für eine Unstimmigkeit zwischen der Konzeption eines Programms und deren Umsetzung kein Platz. Die beiden Vorstellungen stimmen vollkommen überein. Aber mit dem Verstehen der Situation allein ist deren Bedeutsamkeit noch nicht erschöpft. Handlungen können danach „bewertet“ werden, wie getreu sie mit dem Programm übereinstimmen. Zudem kann es eine ganze Menge solcher „Programme“ geben, an denen jede beliebige Handlung gemessen werden kann, und zwar in Abhängigkeit zum jeweils gewählten Referenzrahmen. Wichtig ist dabei die Tatsache, dass die Vorstellung eines ökonomischen „Urteils“ an sich eine bestimmte Tendenz beim Menschen impliziert, und zwar dergestalt, dass ein Abweichen von ihr die (ökonomische) „Missbilligung“ nach sich zieht. Diese Tendenz sorgt für eine Übereinstimmung zwischen Mitteln und Ziel, vergleichbar mit der intrinsischen Koinzidenz von Mitteln und Ziel, die in jeder realen Handlung vorkommt, von der man annimmt, sie sei ein unabhängiges Ereignis ohne Referenzrahmen, außer dem zu sich selbst. Genau diese „Tendenz“ erfordert, „dass vorhandene Programme respektiert werden; dass Wein nicht gekauft wird, sofern das Programm nicht für einen solchen

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Erwerb steht; dass die gegebenen Mittel so weit reichen dürfen wie nötig, um die Ziele zu verwirklichen.“356 Das Bewusstsein um eine gewählte Menge an Zielen, die ein Programm in sich schließen, geht unweigerlich mit dem Bewusstein einher, dass man dazu neigt, den Mitteln und Ressourcen, die für das Umsetzen des Programms nötig sind, jenen Rang zuzuweisen, den auch die gewählten Zwecke selbst einnehmen. Dem Misserfolg bei der vollständigen Koordinierung von Zielen und Mitteln, der ja bedeutet, dass man gegenüber den Verlockungen des Moments anfällig ist, kann man nur entgehen, indem man sich von dieser bewussten Neigung befreit – ein Kampf, der dem ökonomischen Irrtum seinen Sinn gibt. Wenn also jede menschliche Handlung teleologisch ist und Ausdruck der bewusst gewählten Zwecke, dann ist klar, dass jede Handlung zwangsläufig Teil der im Einsatz befindlichen Tendenz, Mittel und Ziele in Einklang zu bringen, sein muss. Der Mann, der einen langfristigen Haushaltsplan über den Haufen wirft, um dem flüchtigen Genuss von Wein nachzugeben, handelt unter der Maßgabe, die Mittel an das neue Programm anzupassen. Sollte er in einem Anfall von Wut auch dieses Programm verwerfen und dem Wirt das Weinglas an den Kopf schleudern, wird dennoch irgendeine Beschränkung greifen – sagen wir die Kontrolle, die nötig ist, um das Ziel genau zu treffen – die dafür sorgt, dass seine Handlung nicht völlig ohne Steuerung ist. Genau hier erkannte die Praxeologie die Möglichkeit für eine Fülle an neuen wissenschaftlichen Erklärungen für soziale Phänomene. Eben weil die Handlungen des Menschen nicht willkürlich sind, sondern Ausdruck der Notwendigkeit, Mittel und Ziele in Harmonie zu bringen, entsteht ein Bedarf an Erklärungen dafür, was bestimmte Handlungen hinsichtlich der relevanten Anordnung von Zielen zum Inhalt haben.357 Im Verlaufe unserer Erörterungen zur Natur des ökonomischen Irrtums ist reichlich klar geworden, in welchem Sinne man in der Praxeologie das menschliche Handeln als „rational“ versteht. Und es ist wohl klar geworden, inwieweit die praxeologische Verwendung der Rationalitätsidee von den beiden vorgebrachten und von uns beschriebenen Kritiken unberührt bleibt. Die Umschreibung aller menschlichen Handlungen als rational konstituiert eine Aussage, die in der Tat unmöglich durch die Erfahrung widerlegt werden kann, aber nichtsdestotrotz höchst wertvolle Informationen übermittelt. Handeln ist zwangsläufig rational, weil der Begriff des Zwecks die Forderung nach der Wahl der vernünftigsten Mittel zur Erfüllung des Zwecks stets impliziert.358 Diese Aussage kann sich nicht als empirisch falsch Tagliacozzo (1945), S. 319 – 320. die hiesigen Überlegungen ist vor allem Mises’ entschiedene Kritik an Webers „Idealtypus“ rationalen, ökonomischen Verhaltens von Bedeutung. Siehe Weber (1904); zitiert nach Shils/Finch (1949), S. 83. 358  Die These, der Begriff ,Zweck‘ impliziere insofern die Beschränkung, dass man die passendsten Mittel zur Zweckerfüllung auswählen müsse, ist keine These bezüglich dieses Zwecks. Sie kann z.B. nicht (wie Macfie es tut) durch einen moralischen Drang zur Erfüllung der eigenen Zwecke „erklärt“ werden. Sie legt vielmehr, aus praxeologischer Sicht, die 356 

357  Für

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erweisen, weil die Programme, wie wir sahen, geändert werden können, und der Hinweis, dass ein Mensch nicht mehr „seine besten Interessen verfolge“ lediglich zeigt, dass er ein neues „Programm“ gewählt hat, das zwangsläufig fordert, dass er nicht mehr länger das verfolgen kann, was bislang für seine besten Interessen gehalten wurde. Ungeachtet der Unmöglichkeit ihrer empirischer Widerlegung, übermittelt diese Aussage höchst wertvolle Informationen, weil sie im Hinblick auf die Frage, welches Programm unter den gegebenen Umständen relevant sei, Einsichten ermöglicht, aus denen man hochentwickelte Theoremketten ableiten kann. Die Art des Wissens, das solche Theoreme übermitteln können, deren Abhängigkeit vom praxeologischen Postulat der Rationalität und die Implikationen des kursiv gesetzten Zusatzes im vorangegangenen Satz: all das wird mit den folgenden Abschnitten dieses Kapitels leichter zu verstehen sein. Die Annahme konstanter Wünsche – der praxeologische Kontext Die vorgenannte Erörterung dessen, in welchem Sinn die Praxeologie von der Rationalität der menschlichen Handlung abhängt, steht in einem engen Zusammenhang mit der weiteren Klärung der Frage, welche Bedeutung eine derartige Rationalität, und vor allem welche Bedeutung die Beschaffenheit der Annahme konstanter Wünsche für die praxeologische Wissenschaft habe. Es ist die Beschaffenheit des in Kraft befindlichen Zwecks, die ein praxeologisches Theorem möglich macht. Diese Beschaffenheit ermöglicht es dem Praxeologen, mittels Rückgriff auf seine eigene Vernunft den Weg vorherzusagen, den eine gegebene Person beschreiten wird, und zwar unter der Voraussetzung, dass sie ihre Vernunft zur Erfüllung ihrer Zwecke einsetzen wird. Hat man erst einmal begriffen, wie ein so abgeleitetes praxeologisches Theorem beschaffen ist, dann versteht man auch den Begriff von den „gegebenen Zielen“ und auch die Annahme von der Konstanz der Wünsche besser, die ja beide stets in einem solchen Theorem enthalten sind. Im vorherigen Kapitel ging es ja ausführlich um Robbins’ Vorstellung, dass Ziele für Ökonomen Daten seien. Es ist auffällig, dass man aus praxeologischer Sicht genau so viel Wert auf die Idee gegebener Wünsche und Zwecke legt wie Robbins, und zwar im Kern aus ähnlichen Gründen. Der Streitpunkt ist dabei die Möglichkeit von Wissen, das durch praxeologisches Nachdenken gewonnen wird. Betrachten wir einmal eine große Stadt mit vielen alternativen Transportwegen. Angenommen, einer dieser Wege ist infolge eines Unfalls versperrt. Für den außenstehenden Beobachter der Auswirkungen ist es offenbar, dass nun die alternativen Transportwege in größerem Umfang genutzt werden als üblich. Um diese Vorhersage zu generieren, hat der Beobachter seine Vernunftkräfte auf einfache Weise auf ein Problem menschlicher Handlungen angewendet. Er hat ein praxeologisches Natur des Zwecks selbst dar. Die Aussage, dass des Menschen Handlungen zweckmäßig seien, ist eine andere Art zu sagen, dass der Mensch sich genötigt sieht, die Mittel den Zielen anzupassen.

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7. Kap.: Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft

Theorem gelenkt. Das so erworbene Wissen ist ein Stück Information, das sich von den Daten unterscheidet, mit denen er begann, die aber dennoch in den Annahmen bezüglich menschlicher Zwecke enthalten waren, zu denen sich der Beobachter berechtigt fühlte. Weil er annehmen konnte, dass viele Menschen einen hinreichend raschen Transport wünschen, war es dem Beobachter aufgrund seines Wissens um die den Menschen zugänglichen Alternativen möglich, den Handlungsablauf, den sie einschlagen würden, vorherzusagen, Es ist offenkundig, dass dieses neu erworbene Wissen nur erzielt wurde, weil die gegebenen Zwecke existierten. Nur in Re­ lation zu diesen gegebenen Zwecken ist das praxeologische Wissen von Bedeutung. Menschliche Handlungen kann man nur untersuchen, wenn man die vorliegenden Zwecke als Daten betrachtet. Die Effekte infolge eines Wechsels der herrschenden Randbedingungen können nur aufgrund der Annahme abgeleitet werden, dass diese Zwecke auf Dauer bestehen, dass kein neues „Programm“ das alte ersetzt hat. Diese Restriktionen hinsichtlich der Ableitung praxeologischen Wissens folgen aus dem, was im vorherigen Kapitel zu der im Konzept der menschlichen Natur implizierten Rationalität gesagt wurde. Wie wir gesehen haben, kann die Rationalität der Handlung in Relation zu den verschiedenen und untereinander unverträglichen Programmen, die eine Person unter verschiedenen Mengen von Bedingungen gewählt haben kann, beurteilen. Weil dem so ist, ist es für die Ableitung eines praxeologischen Theorems von essentieller Bedeutung, dass es mit Referenz zu einem solchen Programm formuliert werden kann, dessen Vorherrschaft und Relevanz, zusammen mit anderen Informationen, durch die Daten mitgeteilt sein müssen. Sobald die Daten vorliegen, können Theoreme abgeleitet werden, die zwangsläufig wahr sind, deren Wahrheit aber strikt von den Daten abhängt. Ihre Wahrheit ist auf die „Programme“ begrenzt, für die sie relevant sind. Kurioserweise haben die Kritiker der ökonomischen Theorie in diesem Merkmal immer wieder eine zentrale und verheerende Schwäche gesehen. Die Verwendung ökonomischer Theoreme zur Erklärung konkreter historischer Situationen erfordert eine sorgfältige Überprüfung der Daten, auf denen die Theoreme aufbauen sollen. Natürlich werden die Daten von einem konkreten Fall zum anderen variieren. Die korrekte Verwendung ökonomischer Aussagen in bestimmten realen Situationen setzt selbstverständlich adäquate Tatsacheninformationen bezüglich der Veränderungen in den Daten voraus. Jene Autoren, die mal hier, mal da die Arbeit der Nationalökonomen insgesamt verunglimpft haben und die Ökonomen dazu drängten, sich mehr oder weniger ausschließlich der Beschreibung und Klassifizierung der wechselnden Tatsachen zu verschreiben, taten dies mit Bezug auf die „Relativität“ der Theorien. Für sie waren die Begrenzungen, die sich für die theoretischen Konstruktionen aus der Tatsache herleiteten, dass sie nur in Relation zu den gegebenen Programmen gültig waren, der Grund zur Annahme, dass man ökonomisches Wissen viel wirksamer ableiten kann, indem man sich einfach auf die wechselnden Programme selbst bezieht. Eine ökonomische Theorie mag eine elegante Quelle intellektueller Befriedigung sein, aber wenn man ihre Anwendbarkeit massiv einengt, dann ist sie nur noch von akademischem Interesse.

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Man sollte hier hervorheben, was sich im Zuge unserer Erörterung der Grundlagen praxeologischen Wissens herausgestellt hat: die eingeräumte Abhängigkeit des praxeologischen Theorems vom vorliegenden Programm als Referenzrahmen ist gar keine Schwäche. Ganz im Gegenteil, sie spiegelt einen bemerkenswerten wissenschaftlichen Fortschritt wider. Die Betrachtung der rohen Daten gibt nur eine Reihe von sozialen Phänomenen wieder, die für eine ordentliche Erklärung überhaupt nicht taugen. Scheinbar ist es hier unmöglich, Ursache-Wirkungs-Ketten zu entwickeln, die den Daten den Anschein von Bestimmtheit vermitteln. Die reine Analyse gehäufter empirischer Daten kann zu keinen gesicherten „Gesetzen“ und Relationen führen. Aber die Tatsache, dass Programme sich ändern, Geschmäcker und Vorurteile sich wandeln, schafft jenen Bereich, in dem keine logische Zwangsläufigkeit erkennbar ist und alles im Fluss des Zufalls zu sein scheint. Genau in dieses Dunkel unzähliger empirischer Daten bringt der ökonomische Blickwinkel ein erhellendes Licht. Er lässt uns ein Element erkennen, das der Erklärung sozialer Phänomene als Mittel dient. Dieses Element tritt offen zutage, wenn man die empirischen Daten einer systematischen Abstrahierung zuführt, die möglich wird, wenn man die Beschaffenheit menschlicher Aktionen erkennt. Nimm einen Querschnitt der sozialen Phänomene zu einem bestimmten Zeitpunkt, betrachte die Programme, welche die Gesellschaftsmitglieder zu diesem Zeitpunkt gewählt haben und halte im Geiste die Programmwechsel an, dann kannst Du praxeologische Theoreme auf die verschiedenen Programme anwenden und daraus die Folgen ableiten. Die so gewonnenen Schlussfolgerungen sind gültig in Relation zu den angenommenen Programmen und erlauben eine Erklärung der konkreten Programme der realen Welt, und zwar insoweit es im Menschen die Tendenz gibt, an den Programmen festzuhalten, sobald diese initiiert sind. Hat man die Möglichkeit zu diesem Erklärungstyp erst einmal begriffen, dann wird einem auch klar, dass alle historischen Phänomene zumindest dem Grundsatz nach auf diese Weise betrachtet werden können. Es ist dann nur noch eine Sache der richtigen Fütterung der theoretischen Systeme mit passenden Annahmen und Daten sowie der Extrahierung der entsprechend komplizierten Begründungsketten. Entscheidend ist hier, dass jene Art von Erklärungsrahmen erst erkennbar wurde, nachdem man jeden nur denkbaren Wechsel in einer vorhandenen Menge an Programmen außen vorgelassen hatte. Ordnung im Dschungel empirischer Daten war nur möglich, indem man von der ganzen Wirklichkeit abstrahierte und einen hypothetischen Zustand als Referenzrahmen akzeptierte. Es ist das außerordentliche Verdienst der Nationalökonomen, im Wirrwarr der Statistiken bestimmte Kausalketten erkannt zu haben. Das konnten sie nur erreichen, weil sie die sozialen Phänomene als die systematische Ausarbeitung der praxeologischen Konsequenzen gegebener Programme, denen man gefolgt ist, behandelt haben. Man muss nicht unbedingt einem bestimmten Programm folgen, aber das Auftreten menschlichen Handelns überhaupt setzt die Existenz irgendeines Programms, dem man anhängt, voraus. Genau in Referenz zu diesem bietet das praxeologische Argumentieren den Schlüssel zur Erklärung.

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Eine ökonomische These, die auf eine bestimmte Menge von Randbedingungen Bezug nimmt, eine bestimmte Nachfragekonfiguration oder ein spezifischer technologischer Kontext: sie alle stellen Informationen zur fraglichen Situation dar. Änderungen bei den Daten, eine Geschmacksrevolution, die Aneignung neuer Gewohnheiten, die Entdeckung effizienterer Techniken: sie zusammen ergeben die Situation, für die eine praxeologische Lösung relevant sein wird. Die Anwendbarkeit ökonomischen Argumentierens abzulehnen, weil die Bedingungen sich ändern können, ist so, als ob man bestritte, dass die alte Menge an Bedingungen spezifische handlungsbeschränkende „Kräfte“ darstellt; als ob man bestritte, dass diese „Kräfte“ eine Handlungsinterpretation ermöglichen, die über die reine Katalogisierung der beobachteten Ereignisse hinausgeht. „Aber“, wie schon Professor Knight bemerkte, „diese Tatsache kann nicht bestritten werden.“359 Der Stellenwert, den das praxeologische Element in der Gesamtklasse sozialer Phänomene einnimmt, wurde von vielen Autoren dargelegt. Die Professoren Mises und Knight haben der Erhellung dieses Punktes in ihren Werken einen großen Platz eingeräumt.360 Nur innerhalb sehr enger Grenzen kann man den Menschen beobachten und sein Verhalten rein mechanisch erklären. Auf dieser Interpretationsebene wird das menschliche Verhalten nur im positivistischen Sinne von Anreiz und Reaktion verstanden und ist in dem Sinne vollständig „erklärt“, dass die problemlösenden Elemente im menschlichen Handeln dabei ignoriert werden. Auf einer höheren Interpretationsebene wird den handelnden Menschen jedoch zugestanden, dass sie sich bemühen, Probleme zu lösen – kurz, dass sie menschlich handeln. 359  Knight (1940), S. 463. In diesem Zusammenhang sollte man anmerken, dass North­ rop (1941) mit ungewöhnlicher Klarheit dargelegt hat, wie die wirtschaftswissenschaftliche Position angesichts wechselnder Hierarchien unter gewählten Programmen aussieht, und zwar in seinem Aufsatz „The Impossibility of a Theoretical Science of Economic Dynamics“, wiederabgedruckt als Kap. XIII in Northrop (1947). Northrop zeigt die Unmöglichkeit einer Theorie der Wirtschaftsdynamik (ausgehend von den gegenwärtigen Annahmen und Methoden der Nationalökonomie). Er legt dar, dass für ökonomische Angelegenheiten die Bedingungen für eine derartige Theorie fehlen. Die ökonomischen Daten (menschliche Wünsche) sind für ihre Theoreme rein formale Entitäten, deren spezifischen Eigenschaften man nicht zu berücksichtigen braucht. Außerdem gibt es keinen Weg, die Struktur künftiger Wünsche aus gegenwärtigen Wünschen abzuleiten, weil Wünsche keinen „Konservierungsgesetzen“ folgen. Außerdem, so Northrop weiter, gibt es keinen Grund a priori dafür, wa­ rum der Gegenstand der Nationalökonomie so gedacht werden sollte, als folgte er einem derartigen Gesetz. Die Suche nach einer Wirtschaftsdynamik mag „ihre Grundlage durchaus in einer dogmatischen Grundannahme haben, von der unser empirisches Wissen uns sagt, dass sie falsch sein muss.“ Northrop geht mit zwei Gruppen von Kritikern zu Gericht: jene, die irrtümlich von der Ökonomie verlangen, dass sie Änderungen in den Basisdaten berücksichtigen solle, nämlich die relevanten gewählten Ziele; und jene, die in ihrer Verzweiflung zum Schluss kommen, die Ökonomie tauge zu nichts. Beide Extreme unterliegen bei ihren Einschätzungen dem Irrtum, dass es der Nationalökonomie obliege, die Natur ihres Beitrags zur Wissenschaft zu gestalten. 360  Siehe z.B. Mises (1957), Kap. XII; Knight (1940), S. 463 ff.; Knight (1956), S. 171 – 173.

Die Ökonomie als eine Handlungswissenschaft II.

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Auch hier sind wieder verschiedene Diskussionsebenen möglich. Auf der fraglos „interessantesten“ und für das Leben selbst wichtigsten Ebene betrachtet man die Wege, auf denen die Menschen ihre unterschiedlichen Interessen erworben haben; die Entwicklung der jeweiligen Programme, die den Menschen durchführungswert erscheinen; die Kräfte, die der Menschen Werturteile festlegen und die Entstehung ihres Sinns für absolute Moralmaßstäbe. Die Interpretationsebene, auf der die Praxeologie einen Beitrag zu leisten hat, ist eher niedrig angesiedelt. Die Praxeologie akzeptiert die Interessen und Programme der Menschen als Daten und will im Hinblick auf diese Interessen und Programme die Ursache-Wirkungs-Ketten verstehen, die abgeleitet werden können. Die Prinzipien menschlichen Handelns ermöglichen die Zuordnung und den Rückbezug historischer Ereignisse auf solche Interessen und Programme als „letzte Ursachen“, welche ohne weitere Erklärung akzeptiert werden können. Praxeologie, Apriorismus und Operationalismus Die im vorherigen Kapitel dargelegten Überlegungen machen klar, was jene Autoren meinten, welche die Ökonomie als eine Apriori-Wissenschaft charakterisierten. Diese Umschreibung des ökonomischen Wissens ist immer wieder missverstanden worden; ist wiederholt aus dem Kontext herausgerissen und der Lächerlichkeit preisgegeben worden.361 Aber hier handelt es sich um eine essentiell logische und klare Angelegenheit. Vor allem Professor Mises hat die Apriori-Natur des praxeologischen Wissens betont. Ein Theorem der praxeologischen Wissenschaft stellt Informationen bereit, die durch reines Nachdenken abgeleitet werden. Es ist das Produkt der reinen Logik, ohne Zuhilfenahme irgendwelcher empirischen Beobachtungen. Das praxeologische Theorem ist als solches mit Theoremen der Geometrie artverwandt. Es stellt die Folgerungen dar, die aus den vorgegebenen Annahmen schlüssig abgeleitet werden. Insofern hat es Anteil an der apodiktischen Gewissheit, die eine solche logische Aufgabe zwangsläufig besitzt. Viele Autoren haben sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie mit diesem Ansatz gar nicht einverstanden sind. Die Unzufriedenheit hat gleich mehrere Quellen. Einerseits verwies man darauf, dass ein Apriori-Theorem, das allein durch Logik aus einem gegebenen Axiom abgeleitet werde, zwangsläufig zirkulär sei, weil es uns eigentlich nur auf eine andere Art sage, was wir bereits durch die Kenntnis der Axiome wissen. Jegliche Information mittels ökonomischen Nachdenkens ist somit nur reine Umschreibung. Bevor die Ökonomie zu einer praxeologischen Wissenschaft erklärt wurde, so argumentiert man, konnte man diesen Einwand gar nicht erheben. Solange es noch nötig war, spezifische Postulate zur Art und Weise menschlichen Verhaltens aufzustellen, konnte ein ökonomisches Theorem etwas Neues aussagen. Wenn z.B. behauptet würde, dass die Menschen sich rational ver361 Zu Vergleichen der Apriori-Sichtweise mit der Scholastik siehe Harrod (1936), S.  38 – 39; Harwood (1955), S. 39.

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hielten, und die Rationalität so definiert würde, als besäße sie empirischen Gehalt – so wie es beim Verhaltensmuster der Gewinn- oder Geldmaximierung der Fall ist –, dann enthielten die Schlussfolgerungen neue Informationen. Die Ableitung aus den spezifischen Annahmen konnte zu einer Theorie führen, wobei die Annahmen im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit getestet werden konnten. Als aber die Sichtweise aufkam, wonach beim ökonomischen Wissen die Theorie von den jeweiligen empirischen Annahmen völlig unabhängig ist, hat sich die Situation vollkommen geändert. Ein Theorem, das die Konsequenzen menschlichen Verhaltens beschreibe und den konkreten Inhalt des Verhaltens nicht berücksichtige, sei nichts anderes, so wurde wiederholt behauptet, als eine andere Art zu sagen, dass die Menschen sich so verhalten, wie sich verhalten.362 Diese Kritik an der Apriori-Ökonomie ist mit den Vorbehalten gegen den angeblichen Missbrauch einer ohnehin zweifelhaften Methode, nämlich der Intro­ spektion, eng verbunden. Vieles von dem, was man gegen den Apriorismus in der Ökonomie vorbringt, wird von dem derzeitigen Glauben getragen, dass nur „operational bedeutsame“ Behauptungen einen Platz in der Wissenschaft verdient hätten.363 Ein Theorem, das sich nicht direkt auf beobachtbare Tatsachen beziehe und mithin nicht anhand beobachtbarer Fakten „testbar“ sei, ist eines, dessen interpersonale Gültigkeit zweifelhaft bleiben und dem der wissenschaftliche Status verwehrt werden müsse. Nun, diese Dinge betreffen grundsätzliche epistemologische Probleme, die weit außerhalb des Themas unseres Buches liegen. Obwohl sie eine enge Beziehung mit der praxeologischen Sichtweise zur Natur der Ökonomie unterhalten, betreffen sie Fragen zur Natur der Wissenschaft und des Wissens, die uns weit über unser Thema hinausführen würden. Professor Robbins ging sogar so weit, all diese Fragen zum Apriori-Charakter der Ökonomie an die Philosophie zu verweisen.364 Mises, Knight und Hayek haben mit Nachdruck die Art von Introspektion verteidigt, die zeige, dass ökonomisches Wissen „wissenschaftlich“ sein könne, auch wenn es nicht empirisch „testbar“ ist.365 Uns geht es hier nicht so sehr um die wissenschaftliche Gültigkeit, die man der Apriori-Ökonomie zugestehen mag, sondern um den genauen Sinn, in dem die praxeologische Vorstellung des ökonomischen Blickwinkels eine Apriori-Position tatsächlich impliziert. Aus praxeologischer Sicht reicht die Idee menschlichen Handelns aus, um komplexe Argumentationsketten bezüglich der von Menschen zu treffenden EntSiehe z.B. Hutchison (1938), S. 116; Samuelson (1948), S. 91. dazu die Hinweise in der vorangegangenen Anm.; siehe auch Papandreou (1958). Zur Kritik dieser Position siehe Machlup (1956). 364  Robbins (1938), S. 348. 365  Siehe z.B. Mises (1957), S. 283 ff.; Knight (,What Is Truth‘ in Economics? 1940), S. 160; Hayek (1952), Teil I, Kap. III. Vgl. auch Sorokin (1943), Kap. I. Siehe auch Northrop (1947), S. 247, wo er darlegt, dass die „empirische Verifizierung“ der Wirtschaftstheorie in der Bestätigung ihrer logischen Ableitungen der unmittelbar bestätigten Postulate bestehe. Vgl. dazu auch Rothbard (Mises 1951), S. 181; Rothbard (1956), S. 225 – 228. 362 

363 Siehe

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scheidungen und der Alternativen, unter denen sie Entscheidungen treffen müssen, etc. abzuleiten. Menschliches Handeln bezieht sich auf reale Entitäten, Güter und Dienstleistungen. Es entwickelt sich vor dem Hintergrund objektiv messbarer Preisrelationen. Die Wirtschaftswissenschaft will Erklärungen für diese Phänomene liefern. Sie will die Folgen erklären, die mit Änderungen in den Daten einhergehen, und so die Marktphänomene in Beziehung zu den zugrundeliegenden menschlichen Motiven setzen. Die Praxeologie nimmt diese Ziele in Angriff, indem sie die menschlichen Angelegenheiten von einer besonderen Warte aus überprüft, welche die teleologische und rationale Natur der menschlichen Handlung einbezieht. Aus diesem Blickwinkel heraus können Argumentationsketten konstruiert werden, die rein formal sind, und zwar in dem Sinne, dass sie nur abstrakt auf Güter, Dienstleistungen oder Produktionsfaktoren Bezug nehmen. Ihre Gültigkeit hängt dabei nicht von den spezifischen Objekten ab, die von den menschlichen Handlungen konkret betroffen sind, sondern von den behaupteten Haltungen, welche die Menschen ihnen gegenüber einnehmen. Die Behauptungen, die in dieser Weise ableitbar sind, könnten dabei auch die Analyse recht unrealistischer Situationen einschließen. Um nun dem Verstehen der Realität dienlich sein zu können, muss die Praxeologie ihr Augenmerk ausschließlich auf die Analyse von Situationen richten, die mit den Tatsachen der Außenwelt korrespondieren. Man könnte z.B. die Konsequenzen einer Welt untersuchen, in der die Arbeit dem Vergnügen vorgezogen wird. Die Ökonomie könnte bestimmt Theoreme zu den Preisen, Einkommen und Produktionen in einer solchen Welt ableiten. Aber das wären nur geistige Klimmzüge der fruchtlosen Art.366 Um den Kontakt zu Situationen zu wahren, die tatsächlich nach Erklärungen verlangen, muss die Ökonomie auf der Suche nach Anhaltspunkten Zuflucht in der Praxis suchen. Sie muss die Fakten nehmen, wie sie sind, und die Apriori-Logik des menschlichen Handelns auf sie anwenden. „Um ihre Ergebnisse geordnet präsentieren zu können, muss sie eine Form annehmen, in der die aprioristische Theorie und die Interpretation historischer Phänomene ineinandergreifen.“367 Es ist klar, dass die Darstellung der Ökonomie als eine Apriori-Wissenschaft nie implizierte, dass die Ökonomie darauf verzichten kann, in der abschließenden Darlegung auf tatsächliche Beobachtungen Bezug zu nehmen. Die jeweiligen ökonomischen Behauptungen werden menschliche Haltungen und Konventionen betreffen, die mit denen der realen Welt übereinstimmen. Die These, dass die Ökonomie ein Apriori-Zweig des Wissens ist, ist in einem viel engeren Sinn zu verstehen. Sie betrifft den Beitrag, der mit der Beachtung der Idee menschlichen Handelns zur Erklärung sozialer Phänomene geleistet wird. Die Beobachtung von Fakten stellt nützliches Wissen bereit. Das ist der Gang der Geschichte. Aber das Wissen und Verstehen historischer Angelegenheiten erMises (1922), S. 45; vgl. Pantaleoni (1898), S. 8. Mises (1949), S. 66. Siehe auch Hayek (1937); wiederabgedruckt in Hayek (1948), S.  47 – 48. 366  367 

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schöpft sich nicht in Beobachtungen. Der ökonomische Blickwinkel injiziert diesen Angelegenheiten unmittelbar einen gewissen Ordnungssinn, eine Ordnung, die ein großes Maß an Erklärungskraft mit sich bringt. Diese Erklärung wird erreicht, indem man die beobachteten Daten einem besonderen wissenschaftlichen Verfahren zuführt, dem praxeologischen Argumentieren. Dieses Verfahren selbst ist von Daten, auf die es angewendet wird, weitgehend unabhängig. Es könnte auch auf nicht-existente Verhältnisse angewendet werden. Es ist ausschließlich ein Beitrag der menschlichen Logik und des Nachdenkens. In diesem Sinne sind die Theoreme der Ökonomie, obgleich sie sich auf die konkrete Realität beziehen, apriori zu nennen. Sie werden nur aus dem Wissen abgeleitet, das der menschliche Geist von den Kategorien des Handelns besitzt.368 Die damit betonte Trennung zwischen den Fakten und ihrer logischen Analyse mittels ökonomischer Schlussfolgerung ist eine fruchtbare. Sie hebt die recht unterschiedlichen Vorgänge hervor, die in der Beobachtung der Wirtschaftsgeschichte und in der Entwicklung ökonomischer Theoreme bestehen, und richtet das Augenmerk auf die neue Quelle des Wissens, die durch unser Verstehen der Handlungsnatur bereitgestellt wird. Sie wirft ein Licht auf die frappante Tatsache, dass die reine Vernunft Wissen über die nackten Tatsachen der realen Welt vermitteln kann. Weil die Menschen als vernünftige Lebewesen handeln, ist es möglich, ihre konkreten Verhaltensmuster zu erklären, indem die Theoreme, die unsere eigene Vernunft geliefert hat, auf das Gebahren der Menschen appliziert werden. All das hält den Praxeologen nicht davon ab, sich mit Blick auf seinen eigenen Beitrag in Bescheidenheit zu üben. Er glaubt keineswegs, dass seine Theoreme erschöpfend all das enthalten, was man über soziale Phänomene wissen kann. Gleichwohl besteht er darauf, dass er einen einzigartigen Beitrag leisten kann. Er beklagt nicht, dass man Marktdaten, massenhafte Statistiken und dergleichen ernstnimmt. Aber er lehnt die Auffassung ab, dass diese Form der Überprüfung ökonomisches Schlussfolgern ersetzen könne oder dass man zu ihnen als ein „Test“ für die Korrektheit jener Schlussfolgerungen Zuflucht suchen sollte. Sein Wissen um die Kategorie der menschlichen Handlung macht ihm in höchstem Maße die völlige Hilflosigkeit deutlich, mit der man den Massen von Tatsachen ins Auge sehen muss, es sei denn, man tut dies im Lichte eines Analyseverfahrens, das diesen Tatsachen nichts schuldet – also durch Anwendung ökonomischen Schlussfolgerns. Der ökonomische Blickwinkel und die Praxeologie Bislang haben wir in diesem Kapitel noch keinen Versuch unternommen, zwischen dem spezifisch ökonomischen Blickwinkel und dem praxeologischen Ansatz zu unterscheiden. In diesem Buch ging es uns darum, die verschiedenen Sichtwei368  Siehe vor allem Bernardelli (1936), S. 449. Vgl. Hayek (1952), S. 32, zur Prüfung solcher Thesen zum Pachtzins, welche die Apriori-Natur der reinen Wirtschaftslehre ebenso einbeziehen wie deren Verhältnis zu den empirischen Befunden, das die Theorie auf spezifische Situationen anwendbar macht.

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sen zu untersuchen, aus denen heraus man die Wirtschaftswissenschaft charakterisiert und der „ökonomische“ Aspekt sozialer Phänomene kenntlich gemacht wird. Unsere Untersuchung führte uns in diesem Kapitel zur Betrachtung verwandter Ideen, die den spezifischen ökonomischen Blickwinkel als Teil einer umfassenderen Sichtweise verstehen, der praxeologischen Sichtweise. Der ökonomische Aspekt der Dinge ist einfach der praxeologische. Ein ökonomisches Theorem ist einfach eine praxeologische Aussage. Noch einmal, die praxeologische Perspektive umfasst eine Bandbreite an menschlichen Handlungen, die weit über jene hinausragt, die üblicherweise von der Nationalökonomie in Betracht gezogen wird. Alle Handlungen des Menschen fallen in das Reich der idealen praxeologischen Disziplin. Dabei spielt es keine Rolle, welche der vielen möglichen Zwecke den Menschen zum Handeln inspirieren und antreiben. Die Einschränkungen, welche die Menschen wahrnehmen, wenn sie ihre Zwecke trotz aller Widrigkeiten verfolgen, durchziehen alle Bereiche des Lebens. Aus Sicht der Praxeologie bildet das gemeinsame Band, welches die ganze Fülle menschlicher Anstrengungen umfasst, den Schlüssel zur Wirtschaftswissenschaft. In unserem Buch hat sich an vielen Stellen gezeigt, dass die Ökonomen immer wieder nach etwas in der Ökonomie gesucht haben, das vom Rest der menschlichen Handlungen verschieden ist. Dass dieses Merkmal auch allen anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gemein ist, hielt sie letztlich davon ab, den praxeologischen Charakter der Ökonomie darzulegen. Aus praxeologischer Sicht ist die Wirtschaftswissenschaft der Teil der Praxeologie, der am weitesten entwickelt ist.369 Vielleicht werden eines Tages andere Wissenszweige ein ähnliches Entwicklungsstadium erreichen. Wichtig dabei ist, dass die Unterscheidungen zwischen verschiedenen „Zweigen“ der Praxeologie willkürlich sein müssen. Die Ökonomie ist ein „vorhandener Kuchen“. Sie ist kein Kuchen, den jeder Ökonom nach Belieben backen kann oder dessen Rezeptur er nach eigenem Gusto verbindlich festlegen kann. Die Nationalökonomie hat ihre „eigene Natur“, die respektiert werden muss. Wenn sie ihren einzigartigen Beitrag leisten soll, muss ihr das zugestanden werden. Der Kuchen, der den ökonomischen Bereich unserer Angelegenheiten ausmacht, ist jedenfalls größer, als die Ökonomen traditionellerweise annehmen. Er umfasst alle Handlungen des Menschen. Das Stück, das die Nationalökonomie ausmacht, kann man beliebig schneiden, solange es aus dem richtigen Kuchen ausgeschnitten wird. „Die Sphäre oder Domäne jener menschlichen Handlungen, die zur Wirtschaftswissenschaft gehören, lässt sich unmöglich klar umreißen.“370 „Die allgemeine Lehre vom menschlichen Handeln, die Praxeologie, kann, was Umfang und Aufgabe anbelangt, scharf abgegrenzt und exakt bestimmt werden. Das spezifisch Nationalökonomische oder Wirtschaftliche 369 Eine systematische Übersicht der möglichen praxeologischen Wissenschaften und zum Platz der Ökonomie in dieser Systematik siehe Rothbard (Praxeology 1951), S.  945 – 946. 370  Knight (Common Sense of Political Economy 1934), wiederabgedruckt in Knight (1917), S. 110.

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im engeren Sinne kann man aus dem Gesamtgebiet des menschlichen Handelns nur ungefähr aussondern.“371 Für gewöhnlich ist die Nationalökonomie mit den Phänomenen Markt, Preise, Produktion und Geldrechnung befasst. Für diese Bereiche menschlicher Tätigkeit haben die Theoretiker Konstruktionen entwickelt, mit denen man die Regelmäßigkeiten erklären kann, die diese Phänomene an den Tag legen, und einen Blick für die Tendenzen entwickelt, mit denen diese Phänomene sich ändern, nachdem sich in den Daten autonom Änderungen ergeben haben. Die Wirtschaftswissenschaftler haben immer danach gestrebt, präzise Angaben zum Bereich ihrer Disziplin machen zu können. Aus Sicht der Praxeologie litten die frühen Versuch unter der Neigung, die Abgrenzungskriterien in der spezifischen Natur jener Angelegenheiten zu suchen, mit denen Marktphänomene befasst sind. Die Folge dieser Unternehmungen war eine Serie von Ansätzen, die in vorherigen Kapiteln dieses Buches erörtert wurden. Der Gegenstand der Ökonomie wurde mit jenen materiellen Dingen in Verbindung gebracht, die Objekte im Handelsverkehr sind; vor allem aber auch mit dem Gebrauch des Geldes bei Markttransaktionen oder den besonderen sozialen Beziehungen, die das Marktsystem kennzeichnen. Wenn ein Autor einmal nahe daran war zu erkennen, dass diese Kriterien nur zufällige Kriterien der Angelegenheiten waren, auf die sich ökonomische Untersuchungen erstrecken konnten, oder zu ahnen begann, dass es eine Artverwandtschaft zwischen der spezifisch ökonomischen Untersuchung und der ihr zugrundeliegenden Handlungen gibt, zeigte er sich unfähig, diese Spur bis zu der Schlussfolgerung hin zu verfolgen, in deren Richtung sie wies. Gerade weil jene Eigenschaften, die eine Handlung für eine ökonomische Untersuchung erst tauglich machen, allen menschlichen Handlungen gemeinsam zu sein schienen, hat es ihn wieder zurückgetrieben, nach irgendwelchen anderen Charakteristiken auszuschauen. Und das hieß wieder, nach irgendeiner beliebigen Eigenschaft zu suchen, um sich ein besonderes Stück des Kuchens herauspicken zu können, das als Nationalökonomie herhalten musste. In Wirklichkeit war dies auch noch ein Rückfall, der das wahre Rezept des größeren Kuchens, aus dem man das eigene Ökonomieverständnis willkürlich herausgehackt hatte, in eine noch größere Entfernung rückte. So gesehen, nimmt die Auffassung, die Natur des Ökonomischen liege in der Aufteilung knapper Mittel auf rivalisierende Ziele, eine Sonderstellung ein. Die dazu im vorherigen Kapitel breit diskutierte Definition unterscheidet sich von allen anderen darin, wie sie sich des Themas annimmt. Hier wird ein Aspekt menschlicher Tätigkeit im Allgemeinen definiert. Dabei wird nicht in den besonderen Arten von Aktivitäten, die in ökonomischen Phänomenen am häufigsten auftreten, nach dem Schlüssel ökonomischer Phänomene gesucht. Der ökonomische Aspekt der Handlungen im Allgemeinen wird vielmehr dort gefunden, wo das Zweck-Mittel-Verhältnis angesprochen ist. D.h., dass auch diese Konzeption Handlungen berücksichtigt, die in der herkömmlichen Ökonomie kaum eine Rolle spielen. Wenn man die Idee, Wirtschaften mit knappen Mitteln bestehe in deren Allokation auf 371 

Mises (1940), S.226.

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alternative Ziele, als Kriterium nutzt, um die Domäne des Wirtschaftens festzulegen, dann ergibt das aus praxeologischer Sicht nichts weiter als einen bequemen, wenn auch künstlichen Rahmen zur Untersuchung menschlicher Handlungen. Die Allokation auf rivalisierende Ziele ist eine technische Begleiterscheinung eines großen Teils des zweckmäßigen Verhaltens. Menschliches Handeln erfordert re­ gelmäßig ein sorgfältiges Verteilen knapper Mittel auf rivalisierende Projekte. In einem formalen Sinne kann man sogar sagen, dass jede menschliche Handlung in einer derartigen Allokation besteht. Aber das inkludiert jene Art von Künstlichkeit in der Vorstellung von Zielen und Mitteln, die man der Definition von Professor Robbins ankreidete. Deren Hauptverdienst liegt somit in der Abhängigkeit vom Konzept des menschlichen Handelns. Die offenkundigen Ungereimtheiten gründen in dem Versuch, die Handlung als etwas zu begreifen, das einem besonderen technischen Muster entspricht. Die Kritik an Robbins und seiner Definition löst sich weitgehend auf, wenn man sein Ökonomieverständnis entschiedener in Beziehung zur Idee des menschlichen Handelns setzt. Die Aufteilung knapper Mittel auf alternative Ziele gibt einfach an, dass Ziele konsistent verfolgt werden, wobei die konsequente Verfolgung höher bewerteter Ziele Vorrang vor der Umsetzung der weniger geschätzten Ziele genießt. Sie meint letztlich, dass die menschliche Fähigkeit zu zweckmäßigem Handeln praktiziert wird. Man kann nicht leugnen, dass der Zweck-Mittel-Ansatz offenbar erstaunlich gut zu den Phänomenen passt, die in der Nationalökonomie behandelt werden. Aber diese Entsprechung hatte Kosten, weil so der Vorstoß zum eigentlichen Punkt des ökonomischen Blickwinkels ausblieb. Allerdings können wir dadurch nicht erkennen – so wie uns eben jener ökonomische Blickwinkel erkennen lässt – wie eine wirtschaftswissenschaftliche Untersuchung menschlicher Angelegenheiten durch die Zweck-Mittel-Perspektive, die der Nationalökonom einnimmt, ermöglicht wird. Die Zweck-Mittel-Dichotomie zeigt nicht, wie die Erkenntnis des Prinzips, das die Allokation der Mittel steuert, zugleich die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Untersuchung und Erklärung der ökonomischen Phänomene erkennen lässt. Nur dann, wenn der ökonomische Blickwinkel so verstanden wird, dass er das Augenmerk auf die Natur des menschlichen Handelns lenkt, erhält man den Schlüssel zur Wirtschaftswissenschaft. In diesem Sinne kann man daher feststellen, dass die Definition der Ökonomie als Lehre vom Wirtschaften mit knappen Mitteln (wie viele andere Definitionen vor ihr) solange „an der Übermittlung eines angemessenen Verständnisses ihrer Natur scheitert,“372 bis sie von jener voll entwickelten Ökonomieauffassung ersetzt wird, zu der sie logisch führt, nämlich der praxeologischen Sichtweise. „Die Ökonomen wären sich einig“, schrieb einmal Cannan, „dass die Frage ‚Schrieb Bacon Shakespeare?‘ keine ökonomische Kontroverse ist. … Andererseits würden sie zustimmen, dass die Kontroverse eine ökonomische Seite hätte, wenn das Copyright ewig währte und die Nachkommen von Bacon und Shakespeare 372 

Robbins (19352), S. 22.

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um die Eigentumsrechte an den Dramen stritten.“373 Dem sei so, meinte Professor Robbins,374 weil die angenommenen Urheberrechte den Nutzen der Dramen verknappen würden und deren Eigentümern knappe Gratifikationen bescherten, die sonst anders verteilt würden. Professor Robbins hat darin sicherlich Recht, aber dieselbe Erklärung kann man auch so ausdrücken, dass unmittelbar klar wird, wie die ökonomische Seite in einem solchen Streit für den Nationalökonomen Gestalt annimmt. Man kann nämlich sagen, dass der Streit einen ökonomischen Aspekt hat, weil die angenommenen Urheberrechte die Bedingungen der menschlichen Handlung beeinträchtigen, in welcher Weise auch immer. Weil die Gesetze die Nutzung knapper Dramen festlegen, würden sie das Handlungsmuster auf Seiten des künftigen Produzenten von vornherein verändern. Ein zusätzliches Hindernis ergibt sich aus den Personen, welche die Stücke gerne aufführten. Es ist zwar offensichtlich, dass der künftige Produzent dadurch beschränkt wird, dass er auf einige weniger wertvolle Erlöse verzichten muss, um seine Dramazwecke zu erfüllen. Aber auf der anderen Seite ist auch klar, dass dieser Sachverhalt dem legalen Eigentümer neue Möglichkeiten bietet, seine eigenen Zwecke vielleicht viel umfassender zu verwirklichen, wenn er die Vorteile nutzt, die sich aus den Einstellungen eines Produzenten ergeben. Von diesen beiden Auswirkungen des Streits auf die menschlichen Handlungen kann jede aus dem ökonomischen Blickwinkel heraus betrachtet werden. Wenn man die Natur des ökonomischen Blickwinkels so darstellt, dann legt man auch zugleich die Natur der Untersuchung offen, die er möglich macht.

373  374 

Cannan (1914), Kap. I. Robbins (19352), S. 22.

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Personen- und Sachregister Personen- und Sachregister

Abstraktion  27, 69, 102, 131, 162, 169   siehe Abstraktum Abstraktum 28   siehe Abstraktion Amonn, A.  29, 34, 83, 89, 92, 93, 99, 100, 101, 185 Anderson, B. M.  75, 101, 185 Angebot und Nachfrage  79, 122 Ansatz, praxeologischer  167, 180 Apriorismus  152, 177, 178 Apriori-Wissenschaft  177, 179 Arbeitsteilung  19, 41, 79, 91, 92, 95, 106, 139, 150 Armut  46, 48, 49 Ashley, W. J.  30, 68, 185 Außenwelt  30, 56, 57, 58, 120, 179 Austausch  37, 46, 86, 87, 96, 106, 130, 156 Axiom 177 Bagehot, W.  64, 70, 105, 106, 185 Bailey, S.  49, 63, 68, 69, 70, 71, 72, 185 Bastiat, F.  96, 185 Baumol W. J.  22, 185 Bedürfnisbefriedigung  57, 72, 73, 74, 75, 120 Bedürfnisse  48, 50, 59, 72, 75, 105 Begreifen und Verstehen  190 Bentham, J.  15, 39, 48, 185 Bernardelli, H.  180, 185 Besteuerung 87 Black, R. D.  86, 185 Blake, W. J.  49, 185 Blickwinkel, praxeologischer  152, 167   siehe Perspektive, praxeologische   siehe Sichtweise, praxeologische

Boileau, D.  48, 63, 185 Bolles, A. S.  85, 89, 185 Bonar, J.  40, 41, 48, 60, 68, 185 Boucke, O. F.  124, 185 Bouillon, H.  10 Boulding, K.  36, 77, 83, 97, 185 Bowley, M.  29, 46, 58, 70, 185 Buckle, H. T.  66, 185 Bye, R. T.  34, 97, 101, 147, 148, 185 Cairnes, J. E.  30, 31, 36, 52, 53, 96, 106, 185 Cannan, E.  11, 15, 22, 44, 60, 62, 63, 86, 105, 183, 184, 185 Cauwès, P.  58, 87, 186 Cazenove. J.  87, 186 Clark, J. B.  74, 89, 186, 187 Cohn, G.  57, 123, 186 Collingwood, R. G.  159, 186 Comte, A.  30, 54, 100, 185, 190 Cooley, C. H.  118 Croce, B.  11, 15, 21, 27, 28, 33, 82, 83, 84, 111, 158, 159, 160, 161, 165, 170, 186, 194 Crusoe  86, 92, 93, 94, 116 Cunningham, W.  38, 70, 186 Daly, F. St.  25, 186 Dameth, H.  61, 186 Darwin, Ch.  49 Davenport, H. J.  33, 74, 114, 186, 187 Definition der Ökonomie  22, 24, 27, 28, 31, 53, 55, 59, 74, 78, 89, 94, 104, 106, 114, 119, 124, 129, 132, 139, 140, 148, 149, 155, 157, 164, 183 De Laveleye, E.  25, 55, 189 De Quincey, T.  46, 192 De Tracy, D.  86, 195

198

Personen- und Sachregister

Deutschland  9, 31, 55, 58, 72, 73, 157, 193 Dickinson, Z. C.  76, 166, 186 Dietzel, M.  32, 53, 55, 73, 74, 122, 123, 157, 186 Distribution  15, 86, 185, 192 Dobb, M.  56, 186 Dorfman, R.  140, 186 Droz, J.  58 Dupuit, J.  105, 186 Early, J. S.  76, 128, 131, 186 Eastman, M.  50, 187 Edgeworth, F. Y.  32, 64, 70, 81, 82, 187 Egoismus  41, 67, 79, 80, 81 – siehe Eigeninteresse Eigeninteresse  41, 67, 70, 72, 80, 84, 106 – siehe Egoismus Eigentum  39, 40, 46, 153 Einschätzung  49, 70, 168 Ely, R. T.  33, 54, 55, 59, 74, 187 Emery, A.  124, 187 Endziel  135, 140, 141, 142, 143 Engels, F.  49, 50, 187, 190 England  31, 32, 37, 44, 54, 58, 72, 86, 100 Engliš, K.  166, 187 Espinas, A.  152, 187 Ethik  41, 43, 112, 130, 143, 144 Fetter, F. A.  62, 114, 116, 124, 186, 187 Fey, A.  69, 187 Finch, H. A.  92, 124, 138, 160, 172, 194 Formalismus  130, 131 Frankreich  33, 37, 40, 55, 58, 61, 85 Fraser. L. M.  33, 36, 60, 128, 129, 144, 168, 187 Ganilh, C.  43, 48, 63, 187 Gehrig, H.  100, 188 Geisteswissenschaften 52 Geldpreis 115 George, H.  72, 89, 187 Geschichte, Interpretation der  21, 49, 50 Giddings, F.  33, 51, 52, 85, 89, 187

Gier  41, 71, 72, 75, 88, 92, 168 Girault, A.  61, 187 Godwin, W.  40 Gossen, H.  81 Grenznutzen 124 Grotius, H.  40, 41 Habgier 66 – siehe Gier Hadley, A. T.  33, 74, 187 Halberstaedter, H.  77, 187 Halévy, E.  40, 43, 187 Hancock, W. N.  87, 187 Handel  37, 67, 88 Handeln, menschliches  109, 130, 135, 142, 155, 158, 165, 166, 176, 181 Handlung, menschliche  93, 153, 154, 155, 156, 157, 159, 160, 161, 167, 172, 173, 179, 180, 183, 184 – siehe Handeln, menschliches Handlungsmuster  161, 164, 184 – siehe Verhaltensmuster Handlungswissenschaft  151, 152, 155, 156, 158, 160, 162, 164 Handlungsziel 140 Haney, L. H.  15, 39, 48, 101, 124, 187 Harrod, R. F.  177, 187 Harwood, E. C.  177, 187 Hasbach, W.  41, 188 haushalten  125, 150 Hawley, F. B.  74, 78, 91, 157, 188 Hawtrey, R. G.  15, 97, 114, 188, 192 Hayek, F. A.  15, 28, 31, 41, 42, 57, 65, 97, 107, 141, 152, 162, 178, 179, 180, 188 Hearn, W. E.  87, 156, 188 Hedonismus  32, 81 Heimann, E.  108, 128, 188 Hermann, F.  72, 188 Higgins, B.  129, 188 Hildebrand, B.  31, 51, 188 Historische Schule  31, 32, 53, 54, 73, 83, 97, 98, 100

Personen- und Sachregister Hobbes, T.  40, 41 Hobson, J. A.  114, 188 Homan, P. T.  188 homo oeconomicus  54, 67, 70, 165 Hume, D.  41, 42, 43 Hutchison, T. W.  24, 145, 149, 163, 168, 178, 188 Hutt, W. H.  42, 66, 70, 128, 188 Idealtypus  161, 162, 172 Ideengeschichte  11, 12, 13, 20 Impuls, ökonomischer  74, 75, 78 Ingram, J. K.  54, 100, 188 Institution  39, 40, 91, 116, 117 Introspektion 178 Jennings, R.  64, 156, 188 Jevons, W. S.  15, 31, 32, 53, 58, 60, 61, 64, 72, 73, 81, 188, 196 Jourdan, A.  33, 188 Katallaktik  85, 87, 92, 93 Kaufkraft  107, 109, 112, 149 Kaufmann, F.  23, 89, 134, 147, 163, 188 Kausalität  83, 166 Kausalketten  19, 32, 175 – siehe Ursache-Wirkungs-Ketten Kautsky, K.  50, 51, 75, 188 Keynes, J. M.  21, 148, 149 Keynes, J. N.  39, 48, 53, 188 Kleinwächter, F.  99, 188 Knappheit  44, 121, 122, 123, 124, 125, 127, 147, 148, 150 – siehe Mittel, knappe Knappheitskriterium  32, 122 Knappheitsphänomen  122, 123 Knies, K.  31, 53, 189 Knight, F.  15, 19, 22, 25, 34, 49, 50, 70, 95, 112, 126, 133, 137, 138, 140, 141, 142, 147, 151, 176, 178, 181, 189 Konsumption, Konsum  46, 48, 61, 68, 86 Kooperation  90, 92, 93, 95, 97 Lachmann, L.  163, 189

199

Laissez-faire 96 Lauderdale, Earl of  43, 44, 122, 189 Lawson, J. A.  87, 88, 89, 189 Lebensunterhalt  39, 47, 48, 50, 157 Lecky, W. E. H.  56, 57, 189 Leroy-Beaulieu, P.  51, 87, 189 Leslie, C.  53, 54, 61, 73, 76, 100, 105, 109, 189 Levasseur, E.  55, 189 Liberatore, M.  49, 189 List, F.  58, 186 Little, I. M. D.  15, 60, 66, 81, 170, 189 Locke, J.  40, 41 Logik  61, 69, 82, 118, 131, 145, 153, 154, 156, 177, 179, 180 Lowe, A.  124, 138, 189 Lowe, R.  53, 70, 104, 105 Lust und Leid  112, 113 Macfie, A. L.  15, 25, 36, 60, 78, 101, 114, 128, 133, 144, 145, 146, 147, 170, 172, 189 MacGregor, D. H.  124, 189 Mach, E.  83, 190 Machlup, F.  126, 178, 190 Macleod, H. D.  87, 190 Makroökonomie 147 Malthus, T. R.  43, 44, 45, 46, 48, 60, 85, 86, 190 Mandeville, B.  41, 190 Mangoldt, H. K. E.  57 Mannheim, K.  49, 190 Marriott, W. F.  53, 190 Marshall, A.  15, 21, 32, 34, 38, 53, 62, 70, 92, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 116, 117, 130, 136, 190, 191, 192 Marx, K.  9, 49, 50, 51, 186, 187, 190, 195 Maßstab, Geld als  108, 110, 111, 112, 114, 116, 117, 171 materialistische Geschichtsauffassung/ Interpretation  47, 49, 50, 119, 138, 195 Mathematik  42, 83, 159, 193

200

Personen- und Sachregister

Mauduit, R.  30, 190 Maximierung  72, 74, 75, 76, 77, 81, 82, 107, 124, 125, 126, 127, 129, 141, 142, 170 Maximierungsmuster 75 Maximierungsprinzip  71, 72, 77, 81, 99, 140 Mayer, H.  124, 135, 140, 141, 142 McCulloch, J. R.  45, 46, 85, 86, 87, 190 Mechanik  80, 81, 82, 83 Menger, C.  31, 32, 53, 57, 58, 122, 124, 188 Merkantilisten  39, 104 Merz, J. T.  41, 190 Messbarkeit  92, 109, 111, 112, 113 Messung  104, 109, 112, 117 Methodenstreit  32, 53, 55, 190 Methodenstreit, britischer  54 Methodologie  100, 139 Mill, J.  85 Mill, J. S.  22, 29, 30, 46, 52, 54, 60, 68, 69, 70, 71, 72, 88, 100, 143, 190 Mises, L.  9, 11, 13, 15, 16, 34, 94, 104, 112, 113, 117, 124, 152, 159, 162, 163, 170, 172, 176, 177, 178, 179, 182, 189, 190, 193 Mitchell, W. C.  15, 16, 36, 62, 104, 114, 117, 118, 138, 166, 191 Mittel, knappe  148, 152 – siehe Mittelknappheit Mittelknappheit  33, 125, 126 – siehe Mittel, knappe Motiv, ökonomisches  76, 141, 142 Motivation  70, 146, 161, 189, 191 Motive  23, 41, 50, 66, 67, 70, 76, 77, 102, 106, 109, 110, 111, 112, 113, 116, 117, 123, 146, 156 Myint, H.  15, 56, 59, 125, 191 Myrdal, G.  15, 24, 40, 132, 143, 191 Nationalökonomie  11, 12, 13, 26, 35, 42, 43, 55, 61, 67, 70, 71, 73, 74, 77, 80, 82, 83, 92, 93, 98, 100, 103, 104, 106, 107, 108, 109, 130, 131, 132, 139, 147, 156,

162, 163, 168, 169, 176, 181, 182, 183, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 193 Natur, menschliche  30, 41, 63, 64, 67, 68, 69, 70, 74, 169, 174 Neigung zu handeln  51, 88, 90, 91, 92, 95, 129, 159, 172, 182 Neumann, F. J.  32, 73, 74, 123, 157, 191 Newcomb, S.  91, 191 Nominaldefinition  22, 27 Non-Tuismus  78, 79, 80, 90 Norman, G. W.  53 Northrop, F. S. C.  15, 176, 178, 191 Nützlichkeit  24, 25, 26, 52, 74, 140, 142 Ogden, C. K.  22, 191 Ökonomie, Geltungsbereich der  21, 30, 34, 86 Ökonomie, klassische  31, 56, 59, 105 Ökonomie, Konzeption der  53, 84, 149 Ökonomie, Methodologie der  88, 119, 160, 168 Ökonomie, Natur der  25, 27, 28, 30, 31, 32, 37, 57, 67, 69, 129, 152, 158, 160, 162, 178 Ökonomie, Reichweite der  25, 94, 163 Ökonomie, Schulen der  31, 51, 166 ökonomischer Blickwinkel, Definition  19, 24, 25, 33, 77 Oppenheimer, F.  97, 99, 124, 191 Oswalt, H.  77, 191 Pantaleoni, M.  33, 81, 82, 179, 191 Papandreou, A. G.  178, 191 Pareto, V.  11, 24, 33, 83, 102, 111, 114, 158, 159, 170, 191 Parry, C. E.  95, 114, 191 Parsons, T.  49, 62, 76, 100, 101, 102, 108, 131, 132, 133, 134, 136, 141, 145, 158, 162, 189, 191, 192 Patten, S.  15, 25, 33, 112, 113, 192 Paul, E. und C.  15, 49, 192 Perry, A. L.  87, 89, 90, 147, 192 Perspektive, praxeologische  34, 152, 181

Personen- und Sachregister – siehe  Blickwinkel, praxeologischer Philippovich, E. v.  53, 74, 192 Physiokraten  85, 122 Pigou, A. C.  15, 21, 108, 109, 110, 111, 114 Plotnick, M. J.  166, 192 Plough, P.  87, 88, 99, 141, 192 Political Economy Club  30, 53, 186, 192, 194 Politische Ökonomie  29, 37, 38, 39, 41, 43, 45, 46, 52, 54, 55, 56, 58, 59, 60, 63, 64, 68, 69, 70, 72, 85, 86, 87, 88, 89, 96, 97, 98, 100, 105, 156, 165, 186, 192 Position, praxeologische  166, 168 – siehe Sichtweise, praxeologische Positivismus  42, 132, 133 Powers, H. H.  61, 192 Präferenz, Präferenzen  115 Praxeologie  152, 156, 157, 160, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 172, 173, 177, 179, 180, 181, 182 Preis-Ökonomie  114, 116 Price, B.  53, 192 Prinzip, ökonomisches  57, 66, 71, 72, 73, 74, 77, 99, 122, 124, 125, 157, 158 Privateigentum  39, 40 Produktion  36, 45, 46, 49, 50, 58, 68, 86, 182 Produktionsgesetze  68, 69 Programm  10, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 177 Prosperität 60 Ramsay, G.  46, 192 Rationalität  106, 136, 152, 154, 155, 158, 161, 167, 168, 169, 173, 174, 178 Raymond, D.  48, 99, 192 Read, S.  40, 46, 47, 86 Realdefinitionen  22, 27 Reichtum  105, 155, 168 Ressourcen  23, 56, 58, 63, 91, 92, 93, 94, 111, 124, 125, 126, 128, 130, 133, 135, 138, 140, 142, 147, 148, 149, 150, 152, 156, 158, 163, 164, 167, 172

201

Ricardo, D.  31, 44, 45, 46, 48, 67, 69, 70, 101, 185, 192, 194 Richards, I. A.  22, 191 richesse sociale  124, 195 Rivett, K.  22, 108, 135, 142, 149, 192 Robbins, L.  11, 15, 25, 29, 34, 39, 40, 48, 60, 62, 74, 75, 78, 79, 93, 107, 108, 118, 119, 120, 121, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 136, 137, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 152, 162, 163, 164, 167, 173, 178, 183, 184, 186, 189, 192, 194 Robertson, D. H.  15, 19, 62, 63, 193 Robinson, J.  168, 193 Robinson, R.  21, 27, 193 Roche-Agussol, M.  78, 193 Röpke, W.  42, 193 Roscher, W.  31, 76, 87, 98, 193 Rostow, W. W.  102 Ruskin, J.  50, 66, 90, 193 Samuelson, P.  140, 178, 186, 193 Sargent, J.  49, 193 Sax, E.  51, 53, 57, 74, 193 Say, J. B.  44, 60 Schäffle, A.  57, 58, 73, 123, 193 Schmidt, G. H.  33, 165, 193 Schmoller, G.  98, 193 Schoeffler, S.  128, 193 Schönberg, G. v.  53, 193 Schor, A.  101, 193 Schumpeter, J. A.  22, 37, 82, 83, 93, 94, 95, 143 Scitovsky, T.  15, 148, 194 Scoon, R.  113, 194 Selbstsucht  72, 78 – siehe Egoismus Seligman, R.  15, 40, 50, 74, 87, 94, 194 Senior, N.  15, 30, 43, 52, 70, 71, 72, 81, 86, 87, 122, 143, 185 Sherwood, S.  52, 156, 157, 158, 194

202

Personen- und Sachregister

Shils, E.  92, 124, 138, 160, 172, 194 Sicht, praxeologische  153, 167, 168, 172, 173, 178, 181, 183 – siehe Sichtweise, praxeologische Sichtweise, praxeologische  136, 154, 155, 156, 158, 159, 164, 167, 169, 178, 181, 183 – siehe Blickwinkel, praxeologischer Sismondi, J. C. L.  61, 86, 194 Smith, A.  38, 39, 41, 43, 44, 60, 66, 67, 88, 90, 91, 92, 104, 188, 194 Solow, R.  140, 186, 194 Sombart, W.  74, 192, 194 Souter, R. W.  130, 131, 132, 133, 141, 144, 145, 194 Sozialwissenschaften  42, 51, 99, 101, 110, 151, 152, 190 Soziologie  32, 77, 100, 101, 102, 124, 130, 156, 160, 190, 191, 195 Spann, O.  99, 124, 187 Spezialisierung  79, 91, 92, 95 Stebbing, L. S.  22, 194 Steuart, J.  39, 48, 194 Stewart, D.  60, 194 Stone, N.  50 Storch, H.  56, 60, 156, 194 Streeten, P.  132 Subsistenz  48, 49, 50, 51, 52 Subsistenz-Ansatz – siehe Subsistenz Subsistenz-Auffassung 49 – siehe Subsistenz-Ansatz Supino, C.  33, 194 Suranyi-Unger, T.  99, 101, 194 Tagliacozzo, G.  25, 26, 119, 128, 135, 136, 159, 169, 170, 171, 172, 194 Tarde, G.  33, 61, 92, 110, 165, 194 Tauschakt  86, 90, 92, 93, 114 Tauschkonzept  90, 92, 94 Tauschwissenschaft  85, 86, 87, 89, 90, 91 Tawney, R. H.  63, 194

Technologie  49, 101, 130, 134, 135, 138, 140, 141 Teleologie  83, 158, 166 Tewari, J. N.  108, 167, 194 Theorem, ökonomisches  81, 177, 180, 181 Theorem, praxeologisches  154, 173, 174, 175 Theoreme  154, 155, 159, 166, 168, 169, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180 Torrens, R.  86 Trowbridge, O. R.  113, 195 Trower, H.  46 Tuttle, C. A.  57, 58, 195 Ursache-Wirkungs-Ketten  166, 175, 177 – XE Urteil, ökonomisches  171 Usher, A. P.  23, 195 Utilitarismus 112 Veblen, T.  15, 16, 51, 117, 147, 191, 195 Verhalten, maximierendes  89, 122 – siehe Maximierungsmuster Verhalten, menschliches  36, 66, 83, 93, 117, 120, 134, 153, 167, 168, 176 – siehe Handeln, menschliches Verhaltensmuster  66, 71, 72, 77, 121, 178, 180 Vernunft  56, 81, 97, 153, 154, 159, 168, 169, 170, 173, 180, 188 Verstehen  68, 73, 74, 131, 136, 142, 156, 160, 161, 163, 171, 179, 180 Verteilungsgesetze  46, 47 Villey, E.  61, 195 Viner, J.  66, 77, 79, 114, 195 Voigt, A.  77, 124, 191, 195 Volkswirtschaft  57, 83, 97, 98, 99, 189, 193, 195 – siehe Nationalökonomie Vorliebe  96, 147 – siehe Präferenz Wagner, A.  73, 195 Walker, F. A.  89, 90, 195

Personen- und Sachregister Walras, L.  23, 58, 124, 195 Ward, L. F.  33, 52, 195 Weber, M.  11, 15, 89, 92, 124, 138, 143, 144, 160, 161, 162, 163, 165, 166, 172, 194, 195 Wertfreiheit 143 Werttheorie  25, 40, 49, 70 Werturteil 143 Whately, R.  64, 70, 86, 87, 89, 90, 92, 99, 195 Wirtschaft und Gesellschaft  99, 195 wirtschaften  19, 119, 123, 125, 126, 129, 132, 140, 146, 147, 148, 149, 163, 164, 182, 183 – siehe haushalten Wirtschaftlichkeitsprinzip 122 Wirtschaftsdynamik 176 Wirtschaftswissenschaft  11, 19, 21, 23, 24, 28, 34, 37, 42, 46, 47, 58, 59, 61, 63, 64, 67, 74, 75, 76, 81, 82, 83, 95, 99, 101, 104, 105, 110, 113, 117, 119, 120, 121, 122, 123, 128, 130, 132, 134, 135, 136, 143, 144, 146, 147, 148, 149, 151, 156, 159, 160, 161, 162, 163, 165, 170, 179, 181, 183, 186 Wissen, ökonomisches  100, 174, 178 Wohlergehen  33, 36, 37, 47, 52, 56, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 72, 74, 75, 80, 89, 108, 114, 153

203

– siehe Wohlstand, materieller Wohlfahrt  23, 30, 36, 37, 62, 72, 74, 92, 110, 142, 155 Wohlstand, materieller  43, 44, 49, 56 Wohlstand, Verteilung von  36, 37, 46 Wohlstandes, Gesetze des  53 Wohlstandswissenschaft  59, 63, 69, 70, 71, 72, 83, 86, 87, 88, 111, 122 Wootton, B.  148, 149, 196 Worms, R.  33, 55, 196 Wünsche  39, 42, 50, 56, 58, 91, 96, 110, 111, 112, 117, 120, 123, 136, 137, 140, 147, 148, 173, 176 Young, A. A.  118, 196 Ziele und Mittel  50, 125, 129, 130, 132, 133, 134, 135, 136, 138, 146, 159, 161, 163, 171, 172, 183 Zweckmäßigkeit  134, 158, 159, 161, 165, 166, 167 Zweck-Mittel  133, 134, 136, 149, 162, 163, 167, 182, 183 – siehe Ziele und Mittel; Zweck-Mittel-Dichotomie Zweck-Mittel-Dichotomie  133, 134, 162, 163, 167 Zweig, F.  77, 134, 138, 196