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German Pages 287 Year 1999
DANIEL WEISERT
Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung
Strafrechtliche Abhandlungen . Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberbard Schmidhäuser em. ord. Professor der Rechte 8D der Universität Hamburg
und Dr. Friedrich-Christian Schroeder ord. Professor der Redlte 8D der UniversWit Regeosburg
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrem der deutschen Universitäten
Band 119
Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung
Von
Daniel Weisert
Duncker & Humblot . Berlin
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Wilfried Küper, Heidelberg
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Weisert, Daniel:
Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung I von Daniel Weisert. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Strafrechtliche Abhandlungen; N.F., Bd. 119) Zug!.: Heidelberg, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428"09556-1
Alle Rechte vorbehalten
© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-09556-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8
Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 1997/98 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als rechtswissenschaftliehe Dissertation angenommen. Besonderen Dank schulde ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Wilfried Küper, für seinen großen Anteil an dieser Arbeit durch Anregung, Kritik und Betreuung. Außerdem gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Dieter Dölling für die Erstellung des Zweitgutachtens. Nicht minder großen Anteil am Gelingen hat ferner Herr Professor Dr. Karlheinz Misera. Er hat mir als seinem Assistenten am Lehrstuhl rur Römisches Recht, Institut für geschichtliche Rechtswissenschaft der Universität Heidelberg, großzügig Freiraum rur die eigene wissenschaftliche Arbeit auf dem "femen" Gebiet des Strafrechts eingeräumt. Hierrur ganz herzlichen Dank. Für die Verleihung des Ruprecht-Karls-Preises der Stiftung der Universität Heidelberg und den damit verbundenen Druckkostenzuschuß danke ich den Stiftungsvorsitzenden, Herrn Hartmut Mehdorn sowie Herrn Professor Dr. Paul Kirchhof, ebenfalls herzlich. Den Herausgebern, Herrn Professor Dr. Eberhard Schmidhäuser und Herrn Professor Dr. Friedrich-Christian Schroeder, danke ich rur die Aufnahme der Arbeit in ihre Schriftenreihe. Eine ganz andere Art von Dank gebührt meiner Mutter fUr ihr ebenso stetes wie "blindes" Vertrauen in mich; ihr widme ich diese Arbeit. Nicht - an dieser Stelle - in Worte zu fassen ist schließlich der Dank, den ich meiner Lebensgefährtin Klaudia Bednarz schulde: Sie ist Teil meines Lebens und daher auch Teil dieser Arbeit.
Daniel Weiser!
Inhaltsverzeichnis 1. Abschnitt: Kritische Einführung in die Problematik des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung
A. Einleitung ................................................................................................................. 13 I. Überblick ........................................................................................................... 13 H. Kriminologie ................................................................................. ,.................... 16
B. Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung in der Auslegung durch die Literatur ................................................................................................................... 19 I. Ein Standardfall mit neun möglichen Begünstigungshandlungen ..................... 19 H. Die Hilfeleistung als eine aus Sicht des Täters zur Vorteilssicherung geeignete Handlung in Vorteilssicherungsabsicht ("subjektive Theorien") .......... 21 1. Begünstigung als angestrebte Vorteilssicherung ......................................... 21 a) Begünstigung als bloßes Handeln in Vorteilssicherungsabsicht ("rein subjektive Theorie") .................................................................... 22 b) Begünstigung als versuchte Vorteilssicherung ("Versuchstheorien") ..................................................................................................... 24 (1) Nur eingeschränkte Anwendbarkeit der Versuchsregeln fiir unechte Unternehmensdelikte ("Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs") ................................................................ 25 (2) Uneingeschränkte Anwendbarkeit der Versuchsregeln auch auf die unechten Unternehmensdelikte ("Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs") ................................................................ 30 (3) Übergreifende Kritik an den "Versuchstheorien" ........................... 32 2. Begünstigung als Manifestation der Vorteilssicherungsabsicht ("Manifestationstheorie") ........................................................................................ 35 III. Die Hilfeleistung als eine zur Vorteilssicherung objektiv geeignete Handlung in Vorteilssicherungsabsicht ("objektive Eignungstheorie") ..................... 38 I. Einfiihrender Überblick ............................................................................... 38 a) Übersicht über die Begründungsansätze ............................................... 38 b) Praktische Auswirkungen ...................................................................... 40 2. Die objektive Eignung als tauglicher Versuch oder Gefahr der Vorteilssicherung? ............................................................................................. 44 a) Gegenüberstellung des tauglichen Versuchs und der Gefahr einer Vorteilssicherung .................................................................................. 44
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Inhaltsverzeichnis b) Die Begünstigung als tauglich versuchte Vorteilssicherung ................. 47 (1) Gefahr als Tauglichkeitskriterium .................................................. 47 (2) Adäquanz bzw. Zurechnung als Tauglichkeitskriterium ................. 51 c) Die Begünstigung als Herbeiführung einer Vorteilssicherungsgefahr ........................................................................................... :............ 53 (1) Die Eignungsdelikte als abstrakte oder konkrete Gefährdungsdelikte ............................................................................................. 54 (2) Definition des Eignungsbegriffs ..................................................... 56 3. Die Hilfeleistung als zur Vorteilssicherung geeignete Handlung in Entsprechung zum Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe? ............................... 62 a) Der Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe nach der "Risikoerhöhungs lehre" .................................................................................... 63 b) Die Anwendung der "Risikoerhöhungslehre" auf den Hilfeleistungsbegriff der Begünstigung ............................................................ 67 4. Zusammenfassung ....................................................................................... 69 IV. Hilfeleistung als Herbeiführung eines bestimmten Erfolges ("objektive Förderungstheorien") ......................................................................................... 70 I. Verbesserung der Lage des Vortäters als Steigerung gegenüber der zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung ("Theorie der objektiven Lageverbesserung") ......................................................................................... 71 2. Förderung als "aliud" gegenüber einer tauglich versuchten Vorteilssicherung ("lnteressenforderungstheorie") .................................................... 74
C. Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung in der Auslegung durch die Rechtsprechung ....................................................................................................... 77 I. Die Entwicklung der Rechtsprechung des Reichsgerichts ................................. 77 11. Die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung nach 1945 ........................... 88 Erstes Zwischenergebnis ................................................................................................ 95
2. Abschnitt: Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung A. Historische Auslegung ............................................................................................. 98 I. Geschichtliche Wurzeln der Begünstigung ....................................................... 98 1. Die Begünstigung im römischen Recht.. ..................................................... 99 2. Die Begünstigung im germanischen Recht ............................................... 104 11. Die Begünstigung als Teilnahme an der Vortat.. ............................................. 106 I. Das mittelalterlich-italienische Recht.. ...................................................... 107 2. Die Rezeption in Deutschland, insbesondere die Constitutio Criminalis Carolina ..................................................................................................... 108 3. Die Partikulargesetze seit dem 18. Jahrhundert ......................................... 111
Inhaltsverzeichnis
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III. Die Begünstigung als eigenständiges Delikt... ................................................. 114 I. Die spätere gemeinrechtliche Doktrin ....................................................... 114 2. Die Theresiana und ihre Nachfolger.. ........................................................ 116 3. Das RStGB von 1871 und die Zeit bis zum EGStGB 1974....................... 117 4. Die Strafrechtsreform von 1975 ................................................................ 120 Zweites Zwischenergebnis ............................................................................................ 122 B. Grammatische Auslegung ...................................................................................... 123 1. Der Begriff der Hilfeleistung ........................................................................... 123 H. Der Begriff der Vorteilssicherung ................................................................... 128 Drittes Zwischenergebnis ............................................................................................. 133 C. Systematische Auslegung ...................................................................................... 134 1. Die unterlassene Hilfeleistung, § 323 c StGB. ................................................. 135 1. Parallelen zwischen § 257 und § 323 c StGB trotz unterschiedlicher Deliktscharaktere? ..................................................................................... 135 2. Unterlassene Hilfeleistung als verweigerter Beitrag zur Reduzierung der Gefahr für das bedrohte Rechtsgut? .................................................... 137 a) Unterlassene Hilfeleistung als unterlassener Rettungsversuch ............ 137 b) Unterlassene Hilfeleistung als Nichtwahrnehmung einer auch von einem objektiven Dritten als gegeben vermuteten Gefahrminderungschance ............................................ :............................................ 139 c) Unterlassene Hilfeleistung als unterlassene Gefahrminderung ........... 142 3. Unterlassene Hilfeleistung als verweigerte Förderung der Interessen des Opfers .................................................................................................. 144 4. Vereinbarkeit der "Interessenforderungstheorie" mit dem von § 323 c StGB bezweckten Rechtsgüterschutz ........................................................ 148 5. Zusammenfassung ..................................................................................... 151 H. Die Beihilfe, § 27 StGB ................................................................................... 152 I. Zulässigkeit des Vergleichs der Hilfeleistungsbegriffe bei der Beihilfe und der Begünstigung ................................................................................ 153 2. Der Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe ................................................. 157 a) Beihilfe als kausaler Tatbeitrag ........................................................... 158 b) Beihilfe als Risikoerhöhung der Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter ..................................................................................... 162 c) Beihilfe als Förderung der Haupttat .................................................... 163 d) Beihilfe als selbständiges, abstraktes Gefahrdungsdelikt.. .................. 165 e) Beihilfe als InteressenfOrderung des Vortäters im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung ................................................................. 166 (1) Beihilfe ohne kausalen Tatbeitrag trotz akzessorischer Haftung des Gehilfen? ................................................................................ 166 (2) Praktikabilität des Kriteriums der Interessenforderung ................. 171 f) Zusammenfassung ............................................................................... 173
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Inhaltsverzeichnis
3. Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf den Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung ........................................................................ 174 III. Delikte mit dem Hilfeleistungsbegriff verwandten Tatbestandsmerkmalen .... 176 1. "Fördern" gemäß § 120 Abs. 1, § 180 a Abs. I Nr.2 und § 354 Abs. 2 Nr.3 StGB .................................................................................................. 178 2. "Unterstützen" gemäß § 84 Abs.2, § 85 Abs.2, § 129 Abs. 1 und § 129 a Abs. 3 StGB .................................................................................. 181 3. "Vorschubleisten" gemäß § 180 Abs. 1,2 StGB. ...................................... 184 4. "Begehen-" oder "Geschehenlassen" gemäß § 340 Abs. 1 S. 1 und § 357 Abs. I StGB .................................................................................... 186 5. Zusammenfassung ..................................................................................... 186 IV. Die Hehlerei, § 259 StGB ................................................................................ 187 1. Die Problematik des Hilfeleistungsbegriffs bei der Hehlerei .................... 187 2. Enthält lediglich das Merkmal der Absatzhilfe den Hilfeleistungsbegriff oder ist die Hehlerei insgesamt ein Hilfsdelikt? ................................ 188 a) Grammatische Auslegung ................................................................... 188 b) Historische Auslegung ........................................................................ 189 c) Teleologische Auslegung .................................................................... 191 3. Zusammenfassung ..................................................................................... 195 V. Die Strafvereitelung, § 258 StGB .................................................................... 196 1. Strafvereitelung bei bloßem sozialüblichen Verhalten? ............................ 197 2. Feststellung der Kausalität für den Strafvereitelungserfolg ...................... 204 3. Mittelbare Strafvereitelungshandlungen ................................................... 206 4. Zusammenfassung ..................................................................................... 208 Viertes Zwischenergebnis ............................................................................................ 208 D. Teleologische Auslegung....................................................................................... 210 I. Die innere Struktur der Begünstigung ............................................................. 210 1. Der objektive Tatbestand des § 257 Abs. I StGB ..................................... 211 a) Abgrenzung der Begünstigungshandlung von der Beihilfe an der Vortat .................................................................................................. 211 (I) Friktionen im Bild von der Begünstigung als Anschlußtat, die gleichwohl keine Teilnahme an der Vortat ist .............................. 211 (a) Die Strafrahmenregelung des § 257 Abs. 2 StGB .................. 211 (b) Die Regelung des § 257 Abs. 4 StGB ..................................... 213 (c) Besondere persönliche Merkmale des Begünstigers ............... 216 (2) Abgrenzungsprobleme zwischen Vollendung und Beendigung der Vor- bzw. Haupttat ................................................................. 217 (3) Abgrenzungsprobleme vor Vollendung der Vor- bzw. Haupttat.. 222 b) Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung ......... 225 2. Der subjektive Tatbestand des § 257 Abs. I StGB ................................... 231 3. Täterschaft und Teilnahme bei der Begünstigung ..................................... 236 a) Vortatbeteiligte als Täter einer Begünstigung? ................................... 237
Inhaltsverzeichnis
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(I) Zustand de lege lata und ratio legis ............................................... 237 (2) Sonderproblem Nr.l: Strafbarkeit der Begünstigung bei ungewisser Vortatbeteiligung ............................................................ 239 (3) Sonderproblem Nr.2: Die Begünstigung eines nur zu einem begrenzten Teil an der Vortat Beteiligten ..................................... 245 b) Die Teilnahme an einer Begünstigung .............. :................................. 246 (I) Der Normalfall: Teilnahme an einer Begünstigung zugunsten eines Dritten .................................................................................. 246 (2) Sonderproblem Nr.l: Die "Teilnahme" an einer Selbstbegünstigung ........................................................................................... 248 (3) Sonderproblem Nr.2: Die Teilnahme des Vortäters an der Begünstigung zu seinen eigenen Gunsten ......................................... 250 11. Das Rechtsgut der Begünstigung ..................................................................... 253 I. Meinungsstand bezüglich des Rechtsguts der Begünstigung .................... 254 a) Begünstigung als Vorteilssicherungsdelikt ......................................... 255 (1) Begünstigung als Delikt gegen die Rechtspflege .......................... 255 (2) Begünstigung als Delikt gegen das öffentliche Restitutionsinteresse der Rechtsordnung ............................................................. 257 (3) Begünstigung als sowohl gegen Individual- wie Allgemeininteressen gerichtetes Delikt... .......................................................... 259 (4) Begünstigung als gegen das Vermögen bzw. Individualinteressen gerichtetes Delikt .................................................................... 26 I b) Begünstigung als Hilfsdelikt... ............................................................ 264 (I) Begünstigung als gegen das Vortatrechtsgut gerichtetes Delikt ... 264 (2) Begünstigung als Verstärkung der generalpräventiven Wirkung von Straftatbeständen .................................................................... 266 2. Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung im Einklang mit dem zugrundeliegenden Rechtsgüterschutz....................................................... 267 Fünftes Zwischenergebnis und Schluß ......................................................................... 270
Literaturverzeichnis
273
Quellenverzeichnis
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Sachwortverzeichnis
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1. Abschnitt: Kritische Einmhrung in die Problematik des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung A. Einleitung I. Überblick
Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren, Der listigen Schlange zum Opfer erkoren! (Tamino, in: Die Zauberflöte, LI.)
Kein Zweifel, der in die Ohnmacht dahinschwindende Heldentenor bedarf dringend der Hilfe: Von einem wüsten Schlangenungeheuer arg bedrängt, ist er nicht mehr Manns genug, sich seiner Haut zu erwehren. Doch glücklicherweise wird dank dreier beherzter Damen und ihrer silbernen Wurfspieße dem Tier gerade noch rechtzeitig ein Ende bereitet, und das Singspiel kann seinen Lauf nehmen. Über einen Diskurs zur Frage, was er denn überhaupt unter "Hilfe" verstanden wissen will, würde der Todesbedrohte dagegen nur den Kopf schütteln - das Monstrum soll geschlachtet werden, allein dies ersehnt er mit seinem Notruf. Doch nicht immer sind die Fälle so klar gelagert wie bei Mozart. Von Interesse sollen im folgenden - und hieran entzündet sich die Leidenschaft des Juristen - die Grenzfälle sein. Wenn also das Töten der Schlange zweifellos dem Ohnmächtigen eine Hilfe ist, so wäre die Frage zu stellen, ob bzw. wann eine Handlung noch mit Fug als Hilfeleistung bezeichnet werden kann, wenn sie letztlich den erwünschten Erfolg nicht zu zeitigen vermag, der Opernheld also schon im ersten Aufzug dahingerafft wird. Darf sich etwa derjenige als Helfer bezeichnen lassen, der zwar wagemutig dem Bedrohten zur Seite steht, jedoch noch weniger als der geschwächte Tamino in der Lage ist, das Tier zu bezwingen? Oder derjenige, der dem Bedrohten durchaus taugliche Verteidigungswaffen an die Hand gibt, dieser aber schon zu kraftlos ist, um sie noch zu benutzen? Oder schließlich derjenige, der im Kampfe mit dem Untier dieses immerhin zu verletzen weiß, letztlich aber doch mitsamt dem Prinzen verspeist wird?
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
Es zeigt sich also: Hilfe ist ein durchaus klärungsbedürftiger Begriff. Im StGB findet er sich ausdrücklich an mehreren Stellen. Um eine Hilfeleistung ganz im Sinne des in Not geratenen Tamino geht es beim Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB. Daß aber eine Hilfeleistung von der Rechtsgemeinschaft auch als schädlich empfunden werden kann, zeigt sich neben zahlreichen Delikten, in denen eine Unterstützung einer anderen Person oder Gruppe unter Strafe gestellt wird, vor allem im Tatbestand der Beihilfe gemäß § 27 StGB und der im Zentrum dieser Abhandlung stehenden Begünstigung gemäß § 257 StGB. Der zu Begünstigende ist in diesem Fall kein Untadeliger, sondern vielmehr ein Straftäter (sogenannter Vortäter), dem Hilfe geleistet werden soll, um ihm die Vorteile seiner Tat (sogenannte Vortat) zu sichern. Die Bedrohung, in der sich der Hilfeempfanger befmdet, richtet sich also speziell auf den Verlust jener Vortatvorteile. Von einer "perfekten" Hilfe im Sinne des § 257 StGB läßt sich daher in jedem Falle dann sprechen, wenn es dem Begünstiger gelingt, rur den Vortäter die Vorteile tatsächlich zu sichern. Interessant wird es jedoch auch hier wiederum erst in den Fällen, in denen es nicht zu diesem Erfolg kommt. Denn - und dies ist die eindeutige gesetzliche Vorgabe - man muß nicht die Vorteilssicherung tatsächlich erreichen, um stratbar zu sein, es genügt vielmehr die bloße Hilfeleistung hierzu. Im ersten Abschnitt dieser Arbeit gilt es daher, die in Literatur und Rechtsprechung zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung vertretenen Auffassungen näher zu untersuchen (s.u., I. Abschnitt, Bund C). Dabei wird insbesondere die hierzu vorzufindende klassische Meinungstrias darzustellen sein, wonach Hilfe einerseits als bloßes Handeln mit HilfswilIen, andererseits als Herbeiführung einer objektiven Besserstellung bzw. gleichsam vermittelnd als zum angestrebten Ziel objektiv geeignete Handlung defmiert wird. Geht man den Begründungen dieser verschiedenen Ansichten nach, so wird sich zeigen, daß die in diesem Rahmen geführte Diskussion sich insbesondere mit zwei dem Allgemeinen Teil der Strafrechtslehre entstammenden Themenkreisen beschäftigen muß: Zum einen verleitet die Tatsache, daß bei der Begünstigung das Erreichen des Hilfeleistungszieles, der Vorteilssicherung, gerade nicht tatbestandIich vorausgesetzt ist, zu dem Schluß, daß es sich bei diesem Tatbestand um eine Art versuchte Vorteilssicherung zugunsten eines Straftäters handelt. Daran knüpft sich die weitere Frage an, um welche Art von Versuch es sich dabei handeln muß, ob etwa auch ein untauglicher genügt oder ob ein ganz bzw. teilweise tauglicher vorliegen muß etc. Zum anderen hat sich der Tatbestand der Begünstigung stets auch im Vergleich mit der Beihilfe zu einer fremden Tat zu behaupten. Sowohl die Tatsache, daß in beiden Tatbeständen der Hilfeleistungsbegriff ausdrücklich auftaucht, als auch die, daß in beiden Fällen einem anderen Straftäter geholfen wird, begründet die - letztlich unzutreffende - Vermutung, daß es sich bei der Begünstigung um einen besonderen Fall der Beihilfe handeln könnte.
A. Einleitung
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Daß die Nähe zur Beihilfe jedoch nicht ganz abwegig ist, zeigt sich vor allem bei der dem zweiten Abschnitt dieser Arbeit voranzustellenden Untersuchung der Genese des Begünstigungstatbestandes, womit zugleich eine für die Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs wichtige Verständnisgrundlage geschaffen werden soll (s. die historische Auslegung im 2. Abschnitt, A). Wie unterschiedlich der Begriff Hilfe je nach seiner tatbestandlichen Einbettung verstanden werden kann, läßt sich freilich nicht nur am natürlichen Wortsinn (s. die grammatische Auslegung im 2. Abschnitt, B) verdeutlichen, sondern gerade auch an einzelnen Tatbeständen, in denen der Hilfeleistungsbegriff entweder ausdrücklich erscheint - neben der Begünstigung und der Beihilfe gilt dies noch für die unterlassene Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB - oder die artverwandte Begriffe wie etwa das Unterstützen verwenden (s. die systematische Auslegung im 2. Abschnitt, C). Dabei wird es dennoch um die Frage gehen, ob nicht trotz aller Unterschiede im einzelnen das Verständnis von Hilfe im Sinne der einzelnen Strafnormen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden kann. Bereits ein erster Blick auf die Kommentierungen dieser Tatbestände in der Literatur zeigt jedoch, daß das Merkmal der Hilfeleistung nur ganz selten einer isolierten Betrachtung unterzogen, sondern vielm~hr von den übrigen Tatbestandsmerkmalen, insbesondere dem mit der Hilfe jeweils zu verfolgenden Ziel, gleichsam aufgesogen wird. So verlangt etwa die herrschende Lehre bei der Beihilfe gemäß § 27 StGB einen kausalen Tatbeitrag oder eine Risikoerhöhung bezüglich der Rechtsgutsverletzung durch den Haupttäter, verliert dabei jedoch ganz aus dem Blick, was dem Täter hilft und was nicht'. Auch bei der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB wird oft der Strafgrund allein in der Nichtabwendung einer einem anderen drohenden Gefahr gesehen, ohne danach zu fragen, ob dem Betroffenen überhaupt geholfen werden mußte und wenn ja, worin diese Hilfe konkret bestanden hätte. Läßt sich bei diesen und anderen Delikten wider Erwarten doch ein tatbestandsübergreifend einheitliches Verständnis des Hilfeleistungsbegriffs ermitteln, so wird es abschließend und entscheidend darauf ankommen, ob sich dieses Verständnis mit der inneren Struktur und dem hinter der Begünstigung stehenden Strafzweck vereinbaren läßt (s. die teleologische Auslegung im 2. Abschnitt, D). Die Relevanz der Behandlung nur eines einzelnen Tatbestandsmerkmals eines nicht geradezu im Zentrum des ständigen wissenschaftlichen Interesses stehenden Straftatbestandes beruht daher nicht nur auf dem Erfordernis der Erzielung gerechter Einzelfallergebnisse im Rahmen dieses Deliktes, sondern auch darauf, daß die Untersuchung eine darüber hinausgehende Erkenntnis über den Begriff der Hilfe im Strafrecht überhaupt in Aussicht stellt. Bestehenden Meinungsstreitigkeiten zur Auslegung von Tatbeständen wie der Beihilfe oder unterlassenen Hilfeleistung, aber auch der der Begünstigung verwandten I
So auch der Befund von Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 84.
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
Strafvereitelung oder Hehlerei kann durch dieses Fundament unter Umständen ein neuer Aspekt beigesteuert werden.
11. Kriminologie
Einen Einblick in die Qualität der Begünstigung als Hilfsdelikt gewährt die Untersuchung der Kriminalstatistiken 2 • Für diesen Zweck gilt es allerdings zu beachten, daß zum einen in den polizeilichen Kriminalstatistiken die zur Begünstigung erhobenen Daten mit denen zur Strafvereitelung, Hehlerei und Geldwäsche zusammengefaßt sind, wohingegen in den Statistiken über die jährlichen Ab- und Verurteilungen die Begünstigung lediglich gemeinsam mit den Strafvereitelungsdelikten der §§ 258 und 258 a StGB als einheitliche Deliktskategorie aufgeruhrt ist. Etwaige Unterschiede zwischen der Begünstigung und der Strafvereitelung müssen daher in jedem Fall im Dunkeln bleiben. Dies erscheint allerdings hinsichtlich unserer auf den Hilfeleistungsbegriff der Begünstigung beschränkten Fragestellung hinnehmbar, da es im Rahmen des kurzen Blickes auf kriminologische Untersuchungen nur darauf ankommen soll, ob sich der Hilfeleistungsbegriff in diesen möglicherweise widerspiegelt. Der Hilfeleistungsbegriff ist jedoch nicht nur in der Begünstigung enthalten, sondern auch der Strafvereitelung immanent, auch wenn bei dieser seit der Neufassung durch die Strafrechtsreform 1975 mittlerweile der Strafvereitelungserfolg herbeigeführt werden und nicht nur dem Vortäter in dieser Absicht geholfen werden muß 3 • Denn letztlich hilft auch der Strafvereiteler dem Vortäter in einer bestimmten Weise. Die Auswirkungen des Hilfscharakters dieser Delikte zeigen sich am deutlichsten in den Untersuchungen über das jeweilige Verhältnis des Begünstigers zum Begünstigten, dem Vortäter. Nach den Untersuchungen von Toelle 4 sind von den Begünstigten 62,5% Freunde oder Bekannte und 22,5% Angehörige des Begünstigers. Rechnet man noch die 7,5% der Fälle, in denen ein Mittäter 2 Die im folgenden Abschnitt aufgeführten Daten wurden den polizeilichen Kriminalstatistiken der Bundesrepublik Deutschland - hg. vom BKA, Wiesbaden 1996 - und des Landes Baden-Württemberg - hg. vom LKA, Stuttgart 1996 -, jeweils für das Jahr 1995, sowie den vom Statistischen Bundesamt Wiesbaden herausgegebenen Bänden Rechtspflege, Reihe 3: Strafverfolgung, für die Jahre 1992 bis 1994 entnommen. Vgl. ausführlich zur Kriminologie der Begünstigung Taelle, Sachliche Begünstigung und Hehlerei, S. 96 ff. 3 Zur gesetzlichen Fassung der Strafvereitelung vor 1975 als sogenannte persönliche Begünstigung s.u., 2. Abschnitt, A.III.3, S. 124. Geerds, GA 1988, 243 (250 und 269), sieht hingegen eine größere Verwandtschaft der Begünstigung mit der Hehlerei als mit der Strafvereitelung, da er die Begünstigung de lege ferenda als Vermögensdelikt einstufen möchte. 4 S. Taelle, Sachliche Begünstigung und Hehlerei, S. 115 (Fn. 124).
A. Einleitung
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begünstigt wird, zur Unterstützung eines Bekannten des Begünstigers hinzu, so bleiben lediglich 7,5% aller Fälle, in denen ein Fremder unterstützt wird. Demzufolge nimmt es nicht wunder, daß die Motivation der Begünstiger in 80 bis 90% der Fälle zumindest auch philanthropischer Natur ist5 . Demgegenüber treten wirtschaftliche Motive weit zurück, obwohl es sich nach einer Untersuchung in der Praxis bei 95% aller Vortaten der Begünstigung um Diebstähle handelt und bei den restlichen 5% um Unterschlagungen6 , also primär gegen das Eigentum gerichtete Delikte. Dies gilt es im Gedächtnis zu behalten, wenn an späterer Stelle die Frage zu stellen sein wird, inwieweit die Begünstigung zugleich auch das vom Vortäter angegriffene Rechtsgut verletzt - in der Motivationslage des Begünstigers spiegelt sich jedenfalls eine solche Konnexität nicht wider. Der Hilfscharakter dürfte zumindest auch einen Grund dafür darstellen, daß sich der Frauenanteil an den Verurteilungen7 wegen Begünstigung oder Strafvereitelung deutlich über der durchschnittlichen Frauenkriminalität bewegt: 1991 belief sich ihr Anteil bundesweit auf 25,5%, ein Jahr später sogar auf 28,9%, während sich die durchschnittliche Frauenkriminalität in diesen Jahren auf knapp über 15% belief. Hier ergibt sich ein auffälliger Unterschied zur Hehlerei, bei der der Frauenanteil in diesen Jahren lediglich 10,8% bzw. 9,4% betrug. Gründe für diese Diskrepanz könnten insbesondere darin zu fmden sein, daß zum einen einige der Tatmodalitäten der Hehlerei nicht mehr als rein altruistisch angesehen werden können, da oftmals ein nicht unerhebliches Interesse des Hehlers an der Beute besteht, insbesondere in Fällen eines professionellen Betreibens des Hehlerei-"Gewerbes". Bei der Begünstigung und der Strafvereitelung sind es hingegen gerade die zum Vortäter bestehenden engen Beziehungen, aufgrund derer der Täter entweder freiwillig oder aber auch aufgrund erheblichen, innerhalb einer solchen Verbindung leicht auszuübenden Drucks dem anderen Hilfe angedeihen läßt. Immerhin profitiert der in einer solchen Beziehung zum Vortäter stehende Begünstiger nicht selten zumindest mittelbar vom Erhalt der Beute. Auf eine gewisse Parallelität zwischen Begünstigung und Strafvereitelung einerseits und den Diebstahlsdelikten (einschließlich deren Qualifikationen) So Geerds, GA 1988, 243 (252). So die Frankfurter Untersuchung von Taelle, aaO, S. 114, aus den Jahren 1965 bis 1967. 7 Bei den Verurteilungsstatistiken gilt es allerdings zu bedenken, daß in Fällen, in denen eine Person wegen mehrerer Delikte verurteilt worden ist, sei es in Ideal- oder Realkonkurrenz, nur das schwerste Delikt in die Statistik aufgenommen wird. 8 Der Frauenanteil bei den nach §§ 257, 258, 258 a StGB Verurteilten ist auch dann deutlich überdurchschnittlich, wenn man bei der Gesamtkriminalität die Straßenverkehrsdelikte ausklammert, da auch in diesem Fall der Anteil an weiblichen Verurteilten klar unter 20% liegt (1992: 18,7%). 5
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2 Weisen
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
andererseits ließe sich in diesem Zusammenhang deshalb schließen, weil bei diesen der bundesweite Frauenanteil an Verurteilungen mit 26,9% bzw. 26, 1% in den Jahren 1991 bzw. 1992 ähnlich hoch war. Doch ist bei diesem Vergleich Vorsicht geboten, da sich zugleich im Rahmen der kriminologischen Untersuchung auch spezifische Unterschiede zwischen diesen Deliktskategorien feststellen lassen. Während beim Diebstahl der Anteil an weiblichen Verurteilten mit zunehmendem Alter stetig ansteigt9, bleibt der Anteil von männlichen und weiblichen wegen Begünstigung oder Strafvereitelung Verurteilten über sämtliche Altersstufen hinweg im wesentlichen konstant lO • Als Erklärung für den überdurchschnittlichen Frauenanteil im Rahmen der Begünstigung bzw. Strafvereitelung muß daher auch unabhängig von der Motivation die Tatsache berücksichtigt werden, daß einige der am häufigsten auftretenden Begehungsformen der Begünstigung ohne größeren Aufwand an krimineller Energie zu bewerkstelligen sind. Dazu zählen insbesondere das verbergende Verwahren und das sonstige Verheimlichen der Beute, aber auch die Unterstützung des Vortäters in Form falscher Angaben über die Beute oder durch Absatzhilfe. Weitere typische Begünstigungshandlungen sind ferner das Wegschaffen oder Bergen der Beute und die Einflußnahme auf sachliche oder persönliche Beweismittel!!. Insgesamt läßt sich jedoch nicht verkennen, daß die Bedeutung sowohl der Anschlußdelikte 12 insgesamt als auch speziell der Begünstigung!3 im Angesicht der Gesamtkriminalität äußerst gering ist. Dies mag für die Begünstigung seinen Grund nicht zuletzt darin haben, daß der Vortatbeteiligte nach § 257 Abs. 3 S. I StGB straflos ise 4 . Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß die sogenannten Hilfsdelikte der §§ 257 bis 261 StGB gegenüber den - in der Regel das Eigentum oder Vermögen verletzenden - Taten, denen sie sich anschließen, durchaus ein kriminologisches Eigenleben führen. Dies müßte um so mehr verwundern, als die Hehlereitatbestände ja selbst als Vermögensstraftaten eingestuft werden und daher an sich keine auffälligen Unterschiede zu anderen Vermögensdelikten 9 Zur Verdeutlichung: 1992 waren von den 21-25 jährigen Verurteilten 79,8% männlich, hingegen bei den 50-60jährigen nur noch 58% und bei den 60-70jährigen 50,4%. 10 Die im Vergleich zu den in Fn. 9 genannten Zahlen lauten bei der Begünstigung und Strafvereitelung 70,9%, 73,9% und 62,5%. 11 Zu den Erscheinungsformen vgl. zusammenfassend Geerds, GA 1988, 243 (252), aufgrund der Untersuchungen von Taelle, Sachliche Begünstigung und Hehlerei, S.116ff 12 1994 belief sich in Deutschland der Anteil der wegen eines der in §§ 257 bis 261 StGB niedergelegten Delikte Verdächtigten auf 1,3%, in Baden-Württemberg gar nur aufO,6%. 13 1992 wurden von insgesamt 712.613 Verurteilten lediglich 1.296 Personen wegen Begünstigung oder Strafvereitelung verurteilt, mithin 0,2%; beachte dazu allerdings oben Fn. 7. 14 So auch Haft, BT, S. 169 f; vgl. ferner Arzt, in: Arzt/Weber, BT 4, E.I1 Rn. 359 f
B. Auslegung durch die Literatur
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ergeben dürften. Dasselbe müßte auch fur die von der herrschenden Meinung als Restitutionsvereitelung charakterisierte Begünstigung gelten, da zwischen der Verletzung der Rechtsordnung und der Verhinderung der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes bezüglich der Motivationslage kaum ein Unterschied feststellbar sein dürfte. Daß die Anschlußdelikte sich dennoch von den Vortaten in gewissen Beziehungen kriminologisch signifIkant unterscheiden, mag an dieser Stelle mit aller Vorsicht als Fingerzeig darauf gewertet werden, dem Hilfscharakter dieser Delikte, der heute nur noch bei der Begünstigung in Gestalt des Hilfeleistungsbegriffs ausdrücklich zum Vorschein kommt, bei der Tatbestandsinterpretation größere Bedeutung beizumessen: Die Vereitelung der dem Vortäter gebührenden Strafe scheint daher ebenso etwas anderes zu sein als nur die Behinderung des staatlichen Strafapparates, wie die Sicherung von Vorteilen aus einer Vortat möglicherweise etwas anderes ist als die bloße Vereitelung der Restitution. Mag die Bedeutung der Begünstigung gemessen an den übrigen Delikten gering sein, die durch eine Durchleuchtung dieses Deliktes zu gewinnenden Erkenntnisse sind es sicherlich nicht.
B. Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung in der Auslegung durch die Literatur I. Ein Standardfall mit neun möglichen Begünstigungshandlungen
Anknüpfend an die kriminologischen Untersuchungen soll anhand einer keineswegs ungewöhnlichen Fallgestaltung ein Eindruck davon gegeben werden, mit welchen Unklarheiten der Tatbestand der Begünstigung und somit speziell der Hilfeleistungsbegriff behaftet ist. Dabei soll an bestimmten Stellen gekennzeichnet werden, zu welchen Zeitpunkten des fortlaufenden Geschehens bereits eine Verwirklichung einer vollendeten Begünstigung in Betracht kommen könnte. V hat aus einem Einbruchsdiebstahl Schmuck erbeutet, weiß aber nun nichts mit der Beute anzufangen, zumal zu befürchten ist, daß die Ware noch "heiß" ist und daher in nächster Zeit schwer abzusetzen sein wird. Nicht zum ersten Mal kann er sich jedoch auf seinen Freund H verlassen. Dieser sagt dem V zu, er werde den Schmuck an einer sicheren Stelle vergraben, bis buchstäblich Gras über die Sache gewachsen ist (1). Noch im sei ben Gespräch nimmt H jedoch von dem Plan, den Schmuck selbst zu vergraben, Abstand, weil ihm die Sache doch zu riskant erscheint. Statt dessen schlägt H vor, V solle doch lieber den Schmuck verkaufen, benennt jedoch keinen konkreten Abnehmer. V lehnt diesen Vorschlag zunächst ab (2). Als H jedoch verspricht, einen Abnehmer zu suchen, geht V darauf ein. Am nächsten Tag überredet H den zwielichtigen Antiquitätenhändler D, sich den Schmuck wenigstens einmal anzusehen (3). D geht zwar darauf ein, doch kommt es 2*
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
nicht zu dem geplanten Geschäft, weil er noch am selben Tage wegen des Verdachts anderer Straftaten in Untersuchungshaft genommen wird. Wieder auf sich allein gestellt, kommen V und H nun doch überein, den Schmuck zu vergraben. H soll noch am gleichen Tag ein Loch im Garten seiner Großmutter graben und V um Mitternacht mit dem Schmuck hinzukommen. So setzt Habends den ersten Spatenstich (4). H gräbt weiter, der Plan von V und H scheitert jedoch, weil a) durch das Graben zwangsläufig der Argwohn der Nachbarn erweckt wurde und diese die Polizei gerufen haben, b) H zwar völlig unauffällig gegraben hat, jedoch zufällig ein vorbeikommender Spaziergänger den H entdeckt und die Polizei alarmiert hat, c) V, noch während H gräbt, mitsamt dem Schmuck von der Polizei geschnappt wurde oder d) sich eines anderen besinnt und den Schmuck im Speicher seiner Freundin versteckt, oder aber e) V und H den Schmuck zwar vollständig vergraben, ohne zu ahnen, daß sie bereits unter ständiger Beobachtung der Polizei . stehen (5 bis 9). Gerade bei den zuletzt aufgezählten Fallvarianten zeigt sich das klassische Problem der Frage nach den Anforderungen an die Qualität der Hilfeleistung in seiner ganzen Schärfe. Jedoch wird durch einen Blick auf das dem Vergraben des Schmucks vorangehende Geschehen deutlich, daß sich eine Definition dessen, was unter einer tatbestandlichen Begünstigungshandlung zu verstehen ist, auch auf die Frage auswirkt, wie bzw. ob überhaupt eine vollendete Begünstigungshandlung von einem bloßen Versuch oder gar einer Vorbereitungshandlung abgegrenzt werden kann. Fraglich ist dabei insbesondere, ob sich eine solche zeitliche Staffelung an der intendierten Vorteilssicherung oder eher an der Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung auszurichten hat. Ferner stellt sich die Frage, inwieweit Täterschafts- und Teilnahmekriterien bei der Begünstigung Platz greifen können, wenn die Handlung des Begünstigers entweder gegenüber den Bemühungen des Vortäters selbst oder eines Dritten nur von untergeordneter, sprich bloß teilnehmender Bedeutung ist. Alle diese Fragen finden sich zwar als Gegenstände der oben bereits angedeuteten klassischen Kontroverse über die Qualität des Hilfeleistungsbegriffs wieder. Jedoch ist es keineswegs so, daß zwischen den jeweiligen Vertretern innerhalb einer der drei sich grundlegend voneinander unterscheidenden Ansichten bezüglich der Behandlung dieser Einzelfragen stets Einigkeit herrschen würde. Dennoch soll im folgenden zur übersichtlicheren Darstellung die klassische Dreiteilung in "subjektive Theorie", "objektive Eignungstheorie" und "objektive Theorie" im Grundsatz beibehalten werden, ohne damit jedoch vorentscheiden zu wollen, daß Überschneidungen oder gar eine Auflösung dieses Links-Mitte-Rechts-Schemas nicht denkbar wären. Im Gegenteil: Es wird insbesondere erst noch nachzuweisen sein, ob sich die verschiedenen Ansichten hinsichtlich der Ausdehnung des Tatbestandes wirklich als "weit", "vermittelnd" und "eng" charakterisieren lassen.
B. Auslegung durch die Literatur
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11. Die Hilfeleistung als eine aus Sicht des Täters zur Vorteilssicherung geeignete Handlung in Vorteilssicherungsabsicht ("subjektive Theorien")
I. Begünstigung als angestrebte Vorteilssicherung
Ausgangspunkt der Überlegungen zur Frage, was Hilfe im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB sein kann, ist nach einem Teil der Literatur die Hypothese, daß es sich nach der Vorstellung des Helfenden bestimmt, ob eine Handlung als Hilfe zugunsten eines anderen angesehen werden kann oder nicht. Nach den herkömmlichen Formulierungen der Vertreter dieser Ansicht soll es daher für das Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung genügen, wenn der Täter eine Handlung in Vorteilssicherungsabsicht vornimmt, mag auch das damit angestrebte Ziel, die Vorteilssicherung, möglicherweise gar nicht erreicht werden können 15. Unter den einzelnen Vertretern dieser Ansicht bestehen allerdings Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob nicht neben dieser bloßen Handlung in Vorteilssicherungsabsicht gewisse objektive Tatumständevorauszusetzen sind, um von einer Hilfeleistung im Sinne des Begünstigungstatbestands sprechen zu können. Von dieser Frage abgesehen läßt sich zunächst jedoch feststellen, daß nach diesen Auffassungen zumindest das Merkmal der Hilfeleistung objektiv nur aus "irgendeiner" Handlung besteht. Daß diese von einer bestimmten Vorstellung des Begünstigers begleitet sein muß, verleiht ihr keine objektive, d.h. in der Außenwelt wahrnehmbare Qualität, da äußerliche Handlung und innere Vorstellung des Täters von deren Wirksamkeit sehr weit voneinander abweichen können. Im folgenden soll daher bei allen von diesem Ansatz ausgehenden Ansichten von sogenannten "subjektiven Theorien" gesprochen werden. Hilfeleistung würde demnach keinen selbständigen Erfolg beinhalten, sondern lediglich eine Tätigkeit in bestimmter Absicht umschreiben. Jedoch kann nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, daß nach den "subjektiven Theorien" generell der Tatbestand der Begünstigung von der "Hilfeleistung in Vorteilssicherungsabsicht" - so die gesetzliche Formulierung - zur bloßen "Handlung in Vorteilssicherungsabsicht" gleichsam degradiert würde. Manche 15 In der seit der Neufassung des § 257 StGB erschienenen Literatur wird dies vertreten von Bockelmann, BT 1, § 23.11.3, S. 174 f; Burkhardt, JZ 1971, 352 (355); Jescheck/Weigend, AT, § 49.VIII.2., S. 526 f; Preisendanz, § 257 Anm.4; Sch/Schr I8 , Stree, § 257 Rn. 15 (seit der 19. Auflage davon abgerückt); See/mann, JuS 1983, 32 (34). Arzt, in: Arzt/Weber, BT 4 Rn. 396-399, entscheidet sich nicht ausdrücklich für diese Ansicht, konstatiert ihr jedoch geringere Schwächen als den Gegenauffassungen. In der älteren Literatur finden sich Herzog, GA 29 (1881), 112 (125 f); Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 231; Schröder, NJW 1962, 1037 (1038 f.), und in FS Kern, S.457 (464 ff.); ferner Sch/SCHRÖDER I7, § 257 Rn. 20; Schwarze, ZStW 24 (1872), 368 (388); Welze/, Strafrecht, § 58.1.1 b, S. 394.
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
Autoren scheinen zwar diesen Ausgangspunkt in der Tat vertreten zu wollen (s. sogleich unter a). Die meisten Autoren gehen jedoch davon aus, daß es sich bei der Begünstigung um einen vertatbestandlichten Vorteilssicherungsversuch handelt (s. unter b).
a) Begünstigung als bloßes Handeln in Vorteilssicherungsabsicht ("rein subjektive Theorie") Man gelangt sicherlich zu der denkbar weitesten Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs, wenn man tatsächlich auf jegliche objektive Anforderung an die Begünstigungshandlung verzichtet und mit der so zu bezeichnenden "rein subjektiven Theorie" jede Handlung des Täters genügen lassen will, sofern sie nur in Vorteilssicherungsabsicht unternommen wird l6 . Statt einer Hilfeleistung in Vorteilssicherungsabsicht, wie es der Gesetzeswortlaut verlangt, begnügt sich diese Ansicht daher mit einer bloßen Handlung in entsprechender Absicht, so daß sich die Frage stellt, ob eine solche Auffassung nicht von vornherein gegen den Wortlaut des Gesetzes verstoßen muß. Jedoch ist dieser Einwand vorschnell. Der Hilfeleistungsbegriff wird nicht gänzlich irgendeiner Bedeutung beraubt, sondern er wird vielmehr durch die Vorteilssicherungsabsicht konkretisiert und dadurch gleichsam konsumiert l7 : Während Hilfe die gutwillige Handlung ist, wird für eine Begünstigung konkret eine Handlung in Vorteilssicherungsabsicht verlangt. Mit dem Wortlaut mag diese Ansicht durchaus noch vereinbar sein, auch wenn danach das Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung redundant wäre l8 . Die Weite dieser Auslegung bringt es jedoch mit sich, daß in obigem Grundfall (s. o. S.20) bei sämtlichen Fallvarianten die Frage nach dem Vorliegen einer vollendeten Begünstigung stets zu bejahen wäre. Denn da es hiernach allein auf die Vorstellung des Begünstigers ankommen soll, kann es keine Rolle spielen, daß es zu einer Verwirklichung einer Vorteilssicherung nicht gekommen ist, ja unter Umständen sogar gar nicht kommen konnte. Insbesondere spielt es weder eine Rolle, ob eine Vortat überhaupt begangen wurde, noch ob sicherungsfähige Vorteile erlangt wurden bzw. zum Zeitpunkt der Begünstigungshandlung noch existieren. Ferner ist auch eine Unterteilung in 16 V gl. die Formulierung bei Arzt, aaO Rn. 397: "Danach ist jedes von der Begünstigungstendenz getragene Verhalten "Hilfe" i.S. des § 257". Früher schon Herzog, GA 29 (188 I), 112 (125 f.), und Schwarze, ZStW 24 (1872), 368 (388). 17 Schon Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 7, III.lb, S. 35 f., sieht die Vorteilssicherung als Teil der Hilfeleistung an, lehnt jedoch den Schritt zur Subjektivierung des Hilfeleistungsbegriffs ab. 18 S. dazu unten, 2. Abschnitt, B.I., S. 130 ff.
B. Auslegung durch die Literatur
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verschiedene Handlungsstufen wie Vorbereitungsstadium, unmittelbares Ansetzen und Vollendung nicht möglich, wenn schlicht eine Handlung in bestimmter Absicht für die Tatbestandserfiillung ausreichen soll. So ist etwa das Aushecken eines Planes mit dem Vortäter, ja sogar die völlig eigenmächtige Planung des Hilfswilligen ebenso eine in Vorteilssicherungsabsicht begangene Handlung wie das abschließende Vergraben der Beute. Kriterien, die die eine Handlung aus dem Bereich des Strafbaren ausklammern würden, sind hingegen nicht ersichtlich. Ein solcher Befund ist in der Strafrechtswissenschaft keineswegs neu: Vor demselben Problem stand auch die rein subjektiv verstandene Versuchstheorie, die den Strafgrund des Versuchs ausschließlich in der Vorsätzlichkeit des Angriffs auf das Rechtsgut sah 19 • Damit wurde der Blick weg von der Tat als Unrechtsverwirklichung hin zur Gefährlichkeit des Täters gelenkt. Als strafwürdig wurde die "böse" Gesinnung des Täters empfunden20 , unabhängig von der Tauglichkeit seiner Handlung. Neben der Ausdehnung des Versuchsbegriffs in qualitativer Hinsicht war damit eine fast beliebig weite zeitliche Vorverlagerung des Versuchsbeginns die FOlge 21 • Die gegen eine rein subjektive Versuchstheorie erhobenen Einwände haben auch für eine entsprechende Verlagerung des Begünstigungsunrechts in den subjektiven Tatbestand Gültigkeit. Insbesondere kann der Vorwurf, eine "rein subjektive Theorie" führe zum Gesinnungsstrafrecht, nicht entkräftet werden22 • Um zumindest die abwegigsten Vorstellungen des Täters von der Strafbarkeit wegen Begünstigung auszunehmen, kann immerhin eine analoge Anwendung des "Dummenprivilegs" gemäß § 23 Abs. 3 StGB in Betracht gezogen werden23 • Jedoch muß man sich bei dieser Einschränkung darüber im Klaren sein, daß es sich hierbei nur um eine Strafzumessungsregel handelt, das tatbestandliche Unrecht also keineswegs beseitigt wird24 • Ferner ist nicht zu verkennen, daß die Verfechter der reinen subjektiven Lehre - sei es bei der Begünstigung oder beim Versuch - diese Einschränkung, die sie in Extremfällen vor unsinnigen Ergebnissen bewahren soll, mit dem Preis der Inkonsequenz bezahlen müssen, da der mit der Irrelevanz subjektiver Irrtümer verbundenen Ausuferung durch einen objektiven Vernunftmaßstab eine Grenze gesetzt werden soll. 19 Vgl. zu diesem Problem Welzel, Strafrecht, § 24.IV.2, S. 193; allgemein dazu LK lO , Vogler, Vor § 22 Rn. 46 ff. 20 S. Spendei, FS Stock, S.89 (97); LK lO , Vogler, Vor § 22 Rn. 48; Weigend, in: Hirsch/Weigend, Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 113 (123 f.). 21 Vgl. RG (3. Strafsenat, 25.3.1943), DR 1943, 747: die Übergabe eines Präparates an die Schwangere als bereits versuchter Schwangerschaftsabbruch. 22 Vgl. zur Begünstigung schon Binding, BT 2.2, § 244.II.4b, S. 655, zur subjektiven Versuchstheorie Weigend, in: Hirsch/Weigend, Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 112 (124); LK lO , Vogler, Vor § 22 Rn. 49. 23 So Arzt, aaO Rn. 397; ebenso Seelmann, JuS 1983,32 (34). 24 So zu Recht der Hinweis von Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 240.
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
Die Analyse dieser Ansicht zeigt also, daß das bloße Handeln mit Vorteilssicherungsabsicht nichts anderes darstellt als eine mindestens versuchte Vorteilssicherung, und zwar versucht im Sinne einer rein subjektiven Theorie. Lediglich durch eine Anwendung des § 23 Abs. 3 StGB gelingt ein gewisser objektiver Einschlag, der jedoch allein noch nicht die Begünstigung als verselbständigtes Versuchsdelikt mit der herrschenden Versuchstheorie, der sogenannten Eindruckstheorie, die die Kompromißregelung der §§ 22 f. StGB zu beschreiben suches, zu harmonisieren weiß. Insbesondere führt der Verzicht auf das objektive, stratbarkeitsbeschränkende Merkmal des unmittelbaren Ansetzens zu einer fast uferlosen Ausdehnung des Tatbestands. Darüber hinaus bestehen Bedenken gegen die Tatsache, daß der Hilfeleistungsbegriff offenbar ausschließlich als eine Umschreibung eines bestimmten Versuchsstadiums im Hinblick auf die anzustrebende Vorteilssicherung verstanden wird; hierauaf wird an späterer Stelle noch zurückzukommen sein.
b) Begünstigung als versuchte Vorteilssicherung ("Versuchstheorien") Den angesprochenen Bruch wollen diejenigen Autoren vermeiden, die sich ausdrücklich auf den Versuchs- bzw. Unternehmenscharakter der Begünstigung berufen 26 • Auch diese "Versuchstheorien" messen dem Hilfeleistungsbegriff nur insoweit eine Bedeutung zu, als er sich als eine Tätigkeit definiert, die zu dem mit der Hilfe angestrebten Ziel - hier also der Vorteilssicherung - tendiert27 . Von einem "vollwertigen", will heißen selbständigen Tatbestandsmerkmalläßt sich hiernach also ebenfalls nicht sprechen. Soll jedoch somit die Begünstigung als Tendenzdelikt zu verstehen sein, so kommt sie inhaltlich den Unternehmensdelikten sehr nahe. Im Ergebnis soll ebenso wie bei diesen nicht nur das Erreichen eines Erfolges - hier der Vorteilssicherung -, sondern auch schon dessen Versuch einheitlich als vollendete Straftat behandelt werden (vgl. die Legaldefinition des Unternehmensdelikts in § II Abs. I Nr.6 StGB); dagegen wären sämtliche Vorbereitungshandlungen, die vor einem unmittelbaren
25 VgJ. die kritische Würdigung der Eindruckstheorie bei Weigend, in: Hirsch/Weigend, Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 113 (121 ff.). 26 VgJ. Bockelmann, BT 1, § 23.II.3., S. 174; Burkhardt, JZ 1971, 352 (354); Jescheck/Weigend, AT, § 49.VIII.2, S. 526 f; Schräder, NJW 1962, 1037 (1038); ders., FS Kern, S. 457 (464 ff.); Seelmann, JuS 1983,32 (34). 27 VgJ. insbesondere Burkhardt, JZ 1971, 352 (354), und Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 231, die die Hilfeleistung bzw. das identisch verstandene Leisten von Beistand gemäß § 257 StGB aF unter Berufung auf v. Weber als "finales Tätigkeitswort" umschreiben; ebenso LK IO , Trändie, § II Rn. 79; SK, Rudolphi, § 11 Rn. 27. V.Weber, Grundriß, S. 54 f, führt allerdings das Hilfe- bzw. Beistandleisten selbst nicht als Beispiel der sogenannten finalen Tätigkeitswörter auf
B. Auslegung durch die Literatur
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Ansetzen zur Vorteilssicherung stattfinden, straflol 8 . In unserem Grundfall (s. oben S. 20) würde dies bedeuten, daß die weit vorgelagerten Handlungen wie die bloße Zusage einer Hilfe oder die Anstiftung des Vortäters oder eines Dritten zu einer Vorteilssicherungshandlung das Kriterium eines unmittelbaren Ansetzens zur Vorteilssicherung noch nicht erfullen dürften. Doch eine eindeutige Grenze läßt sich auch hierdurch nicht ohne weiteres finden, was allerdings mit der ebenfalls noch nicht geklärten Bedeutung des Begriffs der Vorteilssicherung zusammenhängt29 . Zwischen der Begünstigung als Versuchsdelikt und den Unternehmensdelikten besteht jedoch insofern ein zumindest formaler Unterschied, als der Versuchscharakter der Begünstigung lediglich aus einem einzelnen Tatbestandsmerkmal, das eine Tätigkeit umschreibt, abgeleitet wird; bei den Unternehmensdelikten zeigt das Gesetz durch die Verwendung des Begriffs des "Unternehmens" hingegen eindeutig an, daß der objektive Tatbestand in toto nur versucht zu sein braucht (vgl. nur § 316 a i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr.6 StGB). Für die Delikte mit Tätigkeitswörtern hat sich daher der Begriff der "unechten Unternehmensdelikte" eingebürgert, ohne daß durch diese Klassifikation inhaltliche Unterschiede zwingend vorgezeichnet wären 3o • Umstritten sind insbesondere die daraus fur die Reichweite der Anwendbarkeit der Versuchsregeln zu ziehenden Konsequenzen.
(1) Nur eingeschränkte Anwendbarkeit der Versuchsregelnfür unechte Unter-
nehmensdelikte (" Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs ")
Nach der einen Auffassung liegt in der vom Gesetzgeber vorgenommenen Wahl eines bloßen Tätigkeitswortes anstelle der Verwendung des technischen Unternehmensbegriffs nicht nur ein formaler Unterschied. Während beim echten Unternehmensdelikt die Mitbestrafung des Versuchs gemäß § 11 Abs. 1 Nr.6 StGB technisch verstanden wird, also auch der untaugliche Versuch strafbar sein sole I, will man beim unechten Unternehmensdelikt die Versuchsregeln nur bezüglich der durch das Tätigkeitswort umschriebenen Handlung angewendet wissen. Strafbar sei nur der Handlungsversuch, nicht der Versuch des Vgl. nur Jescheck/Weigend, AT, § 49, VIII.2, S. 526 .. Vgl. dazu unten die Ausführungen im 2. Abschnitt, B.II, S.136 ff. 30 V gl. Lackner, § 11 Rn. 19; aus diesem Grund tritt Sowada, GA 1988, 195 (202 f., 213 f.), für einen Verzicht auf diese Klassifizierungen ein: Da die Rechtsfolge zugleich Definitionsmerkmal sei, lasse sich aus dem Begriff des unechten Unternehmensdelikts nichts ableiten; er habe lediglich Crdnungsfunktion. 31 Vgl. Lackner, § 11 Rn.19; Trändie, § 11 Rn.34. A.A. hingegen Burkhardt, JZ 1971, 352. 28
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
anzustrebenden Erfolges insgesamt32 • Daraus folge, daß am Beispiel der Begünstigung die zur Vorteilssicherung vorgenommene Handlung zwar durchaus untauglich sein könne, jedoch die übrigen objektiven Tatbestandsmerkmale der Begünstigung tatsächlich vorliegen müßten. Dazu zählten insbesondere die Vortat des Begünstigten, aber auch das Vorhandensein der Vorteile. Strafbar sei also der Versuch mit untauglichen Mitteln, nicht hingegen der Versuch am untauglichen Objeke 3 • Für unseren Grundfall bedeutet dies, daß von den letzten vier Handlungsalternativen jedenfalls der Fall keine Begünstigung darstellen würde, in dem die Vorteile bereits beschlagnahmt worden sind. Aufgrund der so fiir eine strafbare Begünstigungshandlung erforderlichen objektiv vorliegenden Mindestvoraussetzungen läßt sich diese Auffassung daher im Rahmen der zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Ansichten als "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" kennzeichnen. Untersucht man die Berechtigung dieser Objektivierung, so vermißt man zunächst eine nähere Begründung dafiir, warum es sich insbesondere bei den zu sichernden "Vorteilen der Tat" um einen Bestandteil des objektiven Tatbestands der Begünstigung handeln soll. Läßt sich dies fiir das Vorliegen einer Vortat sicherlich ohne weiteres aus der gesetzlichen Formulierung ableiten ("Wer einem ... [Vortäter]. .. Hilfe leistet ... "), so kann man dies nicht ohne weiteres für die Vorteile der Tat behaupten. Denn diese tauchen lediglich als Gegenstand der erforderlichen subjektiven Absicht auf (" ... in der Absicht ... , ihm die Vorteile der Tat zu sichern ... "). Der Wortlaut gibt insoweit keinerlei Hinweis darauf, ob diese Vorteile tatsächlich vorliegen müssen oder ob es genügt, daß sie in der Vorstellung des Täters existieren. Gerade letztere Variante hätte man von einer Ansicht, die die Begünstigung als Versuchsdelikt auffaßt, eher erwarten dürfen, da ja hiernach tendenziell der subjektive Tatbestand als allein ausschlaggebend betrachtet wird. Abgesehen von dieser Schwierigkeit, die objektiven von den subjektiven Tatbestandsmerkmalen abzugrenzen 34, muß man jedoch feststellen, daß die 32 Vgl. Burkhardt, JZ 1971, 352 (355); Jescheck/Weigend, AT, § 49.VIII.2, S.526; Schröder, FS Kern, S.457 (465 f., insbes. Anm. 26); wohl auch Welzel, Strafrecht, § 58.1.1, S. 394 (vgl. dazu unten Fn. 48). SK, Samson, § 257 Rn.lO, bezeichnet diese Ansicht als herrschende Lehre im Rahmen der Auslegung des Begünstigungstatbestandes, was jedoch nur insoweit zutrifft, als der Versuchscharakter lediglich das Tätigkeitswort umfaßt; daß diesbezüglich auch ein untauglicher Versuch strafbar sein soll, also die Versuchsregeln voll umfänglich anzuwenden wären, wird von der h.M. zu § 257 StGB jedoch nicht mitgetragen, vgl. dazu unten die herrschende "objektive Eii?Jnungstheorie", I. Abschnitt, B.III, S.40 ff.; ferner auch SK, Rudolphi, § 11 Rn.28; LK , Tröndle, § 11 Rn.80. 33 Ob auch U. Weber, ZStW -Beiheft, I (13 f.), dieser Ansicht folgt, ist nicht eindeutig, da er aus der Klassifizierung der Begünstigung als unechtes Unternehmensdelikt lediglich den Schluß zieht, daß Vortat und Vorteile aus dieser tatsächlich vorliegen müßten. 34 Auf dieses generelle Problem im Rahmen der Begünstigung weist insbesondere SK, Samson, § 257 Rn.6, hin.
B. Auslegung durch die Literatur
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Schlußfolgerung, für den Handlungsversuch seien die allgemeinen Versuchsregeln der §§ 22 f. StGB anwendbar, also insbesondere auch der untaugliche Versuch strafbar, keineswegs zwingend ist. Bedenken werden insbesondere vor dem Hintergrund des Art.l 03 Abs. 2 GG vorgebracht, da der Gesetzgeber hier im Gegensatz zu den echten Unternehmensdelikten gerade nicht auf die gesetzlichen Versuchsregeln verweises. Dieser Einwand setzt zu seiner Schlüssigkeit allerdings voraus, daß die §§ 22 f. StGB mit ihrer Bestrafung auch des untauglichen Versuchs als Ausnahmevorschriften angesehen werden, die nicht in der Natur einer angestrebten, jedoch nicht erreichten Rechtsgutsverletzung liegen. Die Bestrafung des untauglichen Versuchs müßte sich demnach als Fremdkörper im Rahmen des durch das Strafrecht bezweckten Rechtsgüterschutzes erweisen. Eine solche Sichtweise ließe sich jedoch nur mit Fug vertreten, wenn man das Strafrecht als grundsätzlich einem konkreten Rechtsgüterschutz verpflichtet ansieht. Nur dann träfe die Behauptung zu, daß es für die Bestrafung auch des objektiv ungefährlichen oder untauglichen Versuchs stets einer besonderen gesetzlichen Anordnung bedürfe36 • Liegt hingegen eine solche besondere Anordnung nicht vor - so der folgerichtige Einwand gegen die "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" -, so kann der untaugliche Versuch im Rahmen der Begünstigung nicht Platz greifen. Wie allerdings statt dessen eine Objektivierung des Vorteilssicherungsversuchs erreicht werden soll, wird noch eingehend erörtert werden müssen 37 • Dagegen hat die hier zu erörternde "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" den Vorzug, gerade diesen Rückgriff auf die Untiefen der überwunden geglaubten objektiven Versuchstheorie zu vermeiden; ein Rückgriff, der sehr viel weiter geht, als sie ihn bereits selbst durch die Unterscheidung zwischen Handlungsversuch einerseits und sonstigen, objektiv zu erfüllenden Tatbestandsmerkmalen andererseits vornimmt. Jedoch ist jeder generalisierenden Lösung im Rahmen der unechten Unternehmensdelikte eine gewisse Skepsis entgegenzubringen, da es sich bei diesen Delikten nicht um eine vom Gesetz vorgegebene Deliktsgattung handelt, sondern diese sich allenfalls als mehreren Delikten erwiesenermaßen gemeinsame Struktur herauskristallisiert. Eine solche Feststellung setzt jedoch eine dahingehende, in jedem Einzelfall vorzunehmende Auslegung des Tatbestandes voraus: Ob und, wenn ja, in welchem Umfang auch die untaugliche Begünstigungshandlung strafbar sein soll, läßt sich weder aus dem Begriff des unechten Unternehmensdelikts noch aus einer generell festzustellenden Strafwürdigkeit einer versuchten Rechtsgutsverlet-
Ebenso SK, Rudolphi, § 11 Rn.28. In diesem Sinne SK, Rudolphi, § 11 Rn.29; Sowada, GA 1988, 195 (208). 37 S. unten, 1. Abschnitt, B.III, S.40 ff. 35
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
zung ableiten, sondern muß sich aus dem Tatbestand des § 257 Abs. 1 StOB . d erge ben 38 . zwmgen Folgt man an dieser Stelle dennoch der "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" und wendet man die allgemeinen Versuchsregeln der §§ 22 f. StOB allein auf den Handlungsversuch an, so ist zunächst zu fragen, welche Qualität dadurch die objektiv vorauszusetzende Tathandlung erlangt; denn nach wie vor stellt sich nach dieser Theorie der Tatbestand der Begünstigung als ein Versuch einer Vorteilssicherung dar, wenn auch als eine besondere Form eines Versuchs. Während die Untersuchung der oben dargestellten "rein subjektiven Theorie", also des bloßen Handelns in Vorteilssicherungsabsicht, eine Übereinstimmung mit der heute nicht mehr vertretenen streng subjektiven Versuchstheorie hat erkennen lassen, so entspricht die hier behandelte" Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs", die nicht jede versuchte Begünstigung bestraft wissen will, sondern immerhin das tatsächliche Vorliegen einer Vortat und eines daraus entstammenden Vorteils verlangt, ebenfalls nicht der herrschenden und in den §§ 22 f. StOB niedergelegten Versuchsdogmatik. Burkharde 9 selbst weist darauf hin, daß er sich mit dieser Ansicht ebenfalls auf dem Boden einer historischen Versuchstheorie befindet, nämlich der Lehre vom "Mangel am Tatbestand,,40, Diese Theorie hat sich, ausgehend von der bis in das erste Drittel dieses Jahrhunderts hinein noch herrschenden objektiven Versuchstheorie, um eine Klärung der Frage bemüht, welche an sich untauglichen Handlungen noch als strafbarer Versuch angesehen werden können und welche dem Bereich der straflosen Wahndelikte zuzuordnen sind41 , Nach dieser Lehre soll ein Versuch dann nicht in Betracht kommen, wenn es über den Nichteintritt des tatbestandlichen Erfolges hinaus an der Tatbestandserfiillung mangele, also auch nur eines der neben der - nicht von Erfolg gekrönten tatbestand lichen Handlung erforderlichen sonstigen Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sei. Denn bei der Erreichung des Handlungserfolgs handele es sich um kein solches Tatbestandsmerkmal; fehle es ausschließlich an diesem, so liege sehr wohl ein strafbarer Versuch vor42 , So ausdrücklich auch Sowada, GA 1988, 195. JZ 1971,352 (356 f.). 40 Vgl. vor allem Gra/zu Dohna, FS Güterbock, S. 35 (49 ff.); weitere Nachweise bei LK IO , Vogler, Vor § 22 Rn.41; Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S.53 (Anm.51). 41 Aufgrund der Ausklammerung bestimmter Handlungen aus dem Bereich des untaugliche~ Versu~hs ergibt.sich zwangsläuV.f d,ie Zuordnung zum Wahndeli.kt - v~l. nur Schmidt, m: v.LlsztiSchmldt, Lehrbuch I , § 45.III, S. 312 - obwohl dies mit dem heutigen Verständnis unvereinbar ist, da diese Handlungen dennoch sogenannte umgekehrte Tatbestandsirrtümer darstellen können. 42 Die Lehre vom Mangel am Tatbestand wurde allerdings von ihren meisten Anhängern als ergänzungsbedürftig angesehen, da eine Bestrafung sämtlicher untauglicher Versuche, denen lediglich der Erfolg als "tatbestandliches Schlußstück" fehlt, eine allzu 38
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B. Auslegung durch die Literatur
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Bei diesem Verständnis stellt sich somit der Erfolg als Schlußstück einer linearen, durch die Handlung in Gang gesetzten Kausalkette dar. Tatbestandliche Unrechtsverwirklichung wird aufgespalten in die einen bestimmten Erfolg hervorrufende Handlung einerseits und die übrigen Umstände andererseits. Ebenso wie diese Umstände keinen auf sie gerichteten Willen des Täters voraussetzen, soll es dann auch keine Rolle spielen, wenn der Täter deren Vorliegen nur irrig annimmt; eine Strafbarkeit kann dadurch nicht begründet werden. Hier wird die Übereinstimmung dieser Lehre vom Mangel am Tatbestand und der hier dargelegten "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" bezüglich der Auslegung des Begünstigungstatbestandes deutlich: Während die Handlung selbst zur Erreichung der Vorteilssicherung untauglich sein kann und dennoch strafbar sein soll, müssen die sonstigen Umstände, das Vorliegen einer Vortat und der Vorteile aus dieser, tatsächlich gegeben sein. Daß allerdings die Lehre vom Mangel am Tatbestand durch das eindeutige Bekenntnis des Gesetzgebers zu einem grundsätzlich subjektiven Verständnis des Versuchs inzwischen überholt ist, muß einer Wiederbelebung im Rahmen der sogenannten unechten Untemehmensdelikte nicht zwangsläufig entgegenstehen. Es sollte dabei insbesondere nicht der Vorzug dieser Theorie vergessen werden, einigermaßen praktikable Differenzierungskriterien zwischen einer straflosen untauglichen Handlung und einem grundsätzlich strafwürdigen, wenn auch untauglichen Versuch an die Hand zu geben. Jedoch ist die Sachgerechtigkeit dieser Kriterien keineswegs erwiesen, vielmehr sind materielle Bedenken gegen diese Lehre zu erheben, die nicht minder bei ihrer Anwendung im Rahmen der Begünstigung Geltung beanspruchen. Denn mag zwar eine Unterscheidung zwischen Handlung bzw. Handlungserfolg einerseits und den übrigen Tatbestandsmerkmalen andererseits praktikabel sein, so läßt sich mit Fug an einer inneren Berechtigung für eine solche Unterscheidung zweifeln. Sie ließe sich nur dann bejahen, wenn jene übrigen Tatbestandsmerkmale und der tatbestandliche Erfolg von unterschiedlicher Bedeutung fur die Rechtsgutsverletzung wären. Dem ist jedoch nicht S043. Zwar ist die Erkenntnis zutreffend, daß es allein der tatbestandliche Erfolg ist, auf dessen Herbeifuhrung der Wille des Täters gerichtet sein muß. Dies ist jedoch fur die Kennzeichnung einer Handlung als Unrecht nicht entscheidend44 . Wie das Beispiel des Diebstahls zeigt, steht ein vollendeter Bruch des Gewahrsams an einer vermeintlich weite Abkehr von den Ergebnissen der noch herrschenden objektiven Versuchs lehre bedeutet hätte; dabei hielten interessanterweise auch subjektive Abgrenzungskriterien Einzug, wie etwa die Unterscheidung von nomologischen und ontologischen Irrtümern bei Graf zu Dohna, FS Güterbock, S.35 (59 f.); s. dazu mit einzelnen Nachweisen Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 19 f. 43 So schon im wesentlichen v.Hippel, Strafrecht 11, § 3D. VIII, S. 427 ff. 44 So zutreffend Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 54, von dem auch das folgende Beispiel entliehen ist.
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
fremden Sache im Grad der Rechtsgutsgefährdung -Verletzung des Eigentums - nicht ohne weiteres hinter einem untauglich versuchten Gewahrsamsbruch bezüglich einer tatsächlich fremden Sache zurück. Mithin hängt es von der Zufalligkeit der tatbestandlichen Formulierung ab, ob, wie zum Beispiel bei der Vergiftung, ein bestimmtes Mittel zur Rechtsgutsverletzung als objektives Tatbestandsmerkmal aufgenommen wurde oder nicht45 . Dieser Einwand läßt sich aber auch gegen die hier zu erörternde "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" erheben46 . Denn es ist nicht nur die gesetzliche Formulierung unter Umständen zufiillig gewählt, sondern sie gibt auch, wie schon der erste Einwand gegen diese Ansicht gezeigt hat, keine Anhaltspunkte dafiir her, welche Tatbestandsmerkmale in der Tat als objektive aufzufassen sind - und daher tatsächlich vorliegen müssen - und welche als nähere Kennzeichnung des Tätigkeitswortes fungieren: Die kaum reflektierte Behauptung, daß es sich bei den "Vorteilen der Tat" um ein objektives Tatbestandsmerkmal handele, resultiert daher eher aus der Einsicht, daß die Einstufung der Begünstigung als (unechtes) Unternehmensdelikt kaum noch mit einer materiellen Rechtsgutsverletzung korrespondiert. Denn hat man erst einmal das Hilfeleistungsmerkmal gänzlich dem subjektiven Bereich zugeordnet, so bildet das tatsächliche Vorliegenmüssen der Vorteile aus der Vortat neben dem Vorliegen der Vortat selbst den letzten Anknüpfungspunkt fiir ein objektiv festzustellendes Tatunrecht. Der materielle Gehalt einer solchermaßen umschriebenen Rechtsgutsverletzung bleibt jedoch fragwürdig 47 •
(2) Uneingeschränkte Anwendbarkeit der Versuchsregeln auch auf die unechten Unternehmensdelikte (" Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs")
Diese sich auf eine inkonsequente Versuchsdogmatik gründenden Widersprüche vermeidet die Ansicht, die keinen Unterschied sieht zwischen sogenannten echten Unternehmensdelikten und solchen, bei denen der Versuchs45 VgL zum Beispiel des § 229 StGB LK lO , Vogler, Vor § 22 Rn. 42; vgL ferner zur Kritik aus heutiger Sicht Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 17 ff.; Ha, Untauglicher Versuch S. 101 ff.; Sch/Schr25 , Eser, Vorbem § 22 Rn.20; Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 53 f. 46 Burkhardt, JZ 1971, 357 irrt, wenn er dem aus den Weg gehen zu können glaubt, indem er darauf verweist, daß es nur darum gehe, ob das unechte Unternehmensdelikt vollendet sei oder nicht: Die Frage, ob eine "mit Erfolgstendenz vorgenommene Handlung" (aaO, S. 356) im Rahmen eines solchen Deliktes im Gegensatz zum Versuch am untauglichen Objekt strafbar ist, unterscheidet sich nicht von der Frage im Rahmen der Lehre vom Mangel am Tatbestand, ob eine untaugliche Handlung, der es lediglich am Erfolg fehlt, als untauglicher Versuch strafbar ist. 47 S. dazu unten, 2. Abschnitt, D.ll, S.268 ff.
B. Auslegung durch die Literatur
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charakter des Deliktes lediglich auf ein im Tatbestand verwendetes Tätigkeitswort zurückzuführen ist. In beiden Fällen sollen gleichermaßen die Regeln über den untauglichen Versuch anwendbar, dieser also ebenso wie in den §§ 22 f. StGB uneingeschränkt strafbar sein 48 • Es läßt sich daher insoweit von einer "Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs" sprechen. Der Strafbarkeit würde es demnach insbesondere nicht entgegenstehen, wenn der Begünstiger sich nur irrig eine Vortat vorgestellt hat oder wenn die Vorteile der Tat nicht mehr existieren, d.h. als solche nicht mehr gesichert werden können. Im Grundfall (s. oben S. 20) würden daher sämtliche der letzten vier Varianten eine vollendete Begünstigung darstellen. Hingegen wäre im Gegensatz zur "rein subjektiven Theorie" einer allzu weiten Vorverlagerung des Strafbarkeitsbereichs durch das objektive Erfordernis des unmittelbaren Ansetzens zur Vorteilssicherung, insbesondere also in den ersten Fallvarianten, entgegengewirkt. Ein Vorzug dieser Auffassung gegenüber der oben dargestellten "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" liegt sicherlich in der Tatsache, daß ein Rückgriff auf eine zweifelhafte Versuchstheorie vermieden wird und sich so deren Unstimmigkeiten nicht auf den Begünstigungstatbestand übertragen. Vielmehr hat die Bewertung der Begünstigung als Vorteilssicherungsversuch im technischen Sinn den Vorzug einer einheitlichen Verwendung des strafrechtlichen Versuchs begriffs. Da dies jedoch nur um den Preis einer erheblich weiteren Auslegung des Begünstigungstatbestandes geschieht, müssen die Bedenken, die bereits im allgemeinen gegen die Einstufung der Begünstigung als Versuchs delikt bestehen, hier im verstärkten Maße erhoben werden (s. dazu sogleich unter (3)). Davon abgesehen wird jedoch der "Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs" entgegenhalten, daß eine Bestrafung des untauglichen Vorteilssicherungsversuchs, bei dem sich der Täter das Vorliegen einer Vortat nur irrig vorgestellt hat, mit dem Wortlaut des § 257 Abs. 1 StGB kaum noch vereinbar sei, da sowohl die Person des Hilfeempfangers als auch die von ihm begangene Vortat objektiv formuliert seien _(" ... einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, ... ,,)49. Zwar lassen sich die "Vorteile der Tat" noch plausibel als Gegenstand der Absicht zum subjektiven Tatbestand rechnen, und es kann darüber hinaus dem Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung mit einem gewissen Begründungsaufwand eine selbständige objektive Bedeutung streitig gemacht werden, indem ihm lediglich noch die Funktion beige48 So Bockelmann, NJW 1951, 620 (622); Hartung, NJW 1949, 324 (327); Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 235 f.; Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendung, S. 74; Waider, GA 1962, 176 (183 f.). Während sich Welzel, Strafrecht, § 58.I.l, S. 394, im Rahmen-der Begünstigung nicht eindeutig äußert, ob auch die irrige Annahme einer Vortat genügen soll, bezeichnet er bei der Hehlerei diesen Fall als Wahndelikt, vgl. aaO, § 58.11.4, S. 399; es spricht daher mehr dafür, daß er ein Anhänger der "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" ist. 49 Vgl. Burkhardt, JZ 1971,352 (355); SK, Samsan, § 257 Rn.8.
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I. Abschnitt: Kritische Einftihrung
messen wird, zumindest Tatentschluß und unmittelbares Ansetzen zur beabsichtigten Vorteilssicherung vorauszusetzen; jedoch kann das Vorliegen einer tatsächlich begangenen rechtswidrigen Vortat keinesfalls als bloßer Gegenstand der subjektiven Vorstellung des Täters aufgefaßt werden. Dies wäre nur dann möglich gewesen, wenn das Gesetz die Vortat im Zusammenhang mit der Vorteilssicherungsabsicht aufgeführt hätte, etwa mit der Formulierung "Wer einem anderen in der Absicht Hilfe leistet, ihm die Vorteile aus einer rechtswidrigen Tat zu sichern ... ". Man wird daher schwerlich die semantische Barriere überwinden können, daß die Begünstigung allenfalls als versuchte Vorteilssicherung zugunsten eines anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, interpretiert werden kann, nicht jedoch schlechthin als versuchte Vortatvorteilssicherung zugunsten eines anderen.
(3) Übergreifende Kritik an den" Versuchstheorien " Generell kann jedoch gegen jede Theorie, die die Begünstigung als versuchte Vorteilssicherung einstufen will - mag es sich um einen Versuch gemäß der herrschenden Eindruckstheorie oder um einen objektivierten Versuch gemäß der Lehre vom Mangel am Tatbestand handeln -, insbesondere der Vorwurf erhoben werden, daß der Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB durch die Einbeziehung auch des untauglichen Versuchs unangemessen weit ausgedehnt werde. Kein zwingendes Argument ist allerdings der Einwand, daß dadurch die in § 257 StGB vorgesehene Straflosigkeit des Versuchs umgangen würdeso. Zu Recht muß dem entgegengehalten werden, daß, sollte es sich bei der Begünstigung tatsächlich um ein Untemehmensdelikt handeln, die Straflosigkeit des Versuchs wenn nicht schon begrifflich ausgeschlossen, so doch nach der ratio legis selbstverständlich wäreSt. Ferner kann auch nicht eingewendet werden, daß eine derart weite Auslegung gleichsam zur Bestrafung von Wahndelikten führen würde s2 . Mag dieser Einwurf auch auf eine früher unklare Verwendung des Begriffs des Wahndelikts zurückzuführen sein, da insbesondere sämtliche nicht die Anforderungen eines objektiven Versuchs erfüllenden Handlungen zum straflosen Wahnbereich gezählt wurden, so entbehrt dies heute der
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~n·
So allerdings Geppert, Jura 1980,269 (274); Krey, BT 1 Rn.63 1; Zipf, JuS 1980,24
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Für einen denknotwendigen Ausschluß der Versuchsstrafbarkeit bei Untemehmensdelikten plädieren Bockelmann, BT 1, § 23.II.3, S. 174; LK JO, Tröndle, § 11 Rn.74. Dagegen halten Burkhardt, JZ 1971, 357; Jescheck/Weigend, AT, § 49.VIII.2, S. 526; SK, Rudolphi, § 11 Rn.24, einen "Versuch des Versuchs" theoretisch ftir möglich, was einer Bestrafung des Vorbereitungs stadiums gleichkomme, jedoch aus kriminalpolitischen Gründen in jedem Falle ftir nicht strafwürdig. 52 Dies wendet insbesondere Binding, BT 2.2, § 244, II.4b, S. 655, ein. 51
B. Auslegung durch die Literatur
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Grundlage: Während im Rahmen eines Unternehmensdelikts auch diejenige Handlung strafbar sein soll, die der Täter aufgrund irriger Sachverhaltserfassung für geeignet hält, den Tatbestand zu verwirklichen, so unterscheidet sich dieser Fall von dem eines Wahndelikts, bei dem der Täter unter zutreffender Erfassung des Sachverhalts ein strafloses Tun aufgrund einer irrigen rechtlichen Wertung für strafbar hält. Dieser Fall ist auch nach den hier besprochenen Ansichten straflos53 • Es trifft daher nicht zu, daß nach den zu § 257 StGB vertretenen "Versuchstheorien" auch Wahndelikte von der Strafbarkeit miterfaßt würden. Auf der anderen Seite ist diesen Ansichten durch die Gesetzesänderung des EGStGB vom 2.3.1974 ein wichtiges systematisches Argument verlorengegangen. Bis dahin waren die heutige Begünstigung als sogenannte sachliche Begünstigung und die heutige Strafvereitelung (§ 258 StGB) als sogenannte persönliche Begünstigung gemeinsam in einer dem heutigen § 257 StGB entsprechenden Weise geregelt, indem Vorteilssicherung und Strafvereitelung als beabsichtigte Ziele einer Beistandshandlung formuliert waren 54. Dem standen jedoch zwei Qualifikationstatbestände zur Strafvereitelung gegenüber, nämlich zum einen die Vereitelung von Maßregeln gemäß § 257 a StGB aF 55 , die im heutigen § 258 Abs. 2 StGB aufgeht, und zum anderen die persönliche Begünstigung im Amt gemäß § 346 StGB aF56, die heute in § 258 a StGB geregelt ist. Diese Qualifikationen waren jedoch eindeutig als Erfolgstatbestände ausgestaltet, bei denen der Versuch - also auch der untaugliche - unter Strafe gestellt war. Wollte man nun § 257 StGB aF zwar als verselbständigte Versuchstatbestände, unter Ausschluß des untauglichen Versuchs, oder gar als Erfolgsdelikte ohne jegliche Versuchs strafbarkeit auffassen, so ergaben sich Unstimmigkeiten, insbesondere wenn einerseits einem Strafgefangenen und andererseits einem Gefangenen in Sicherungsverwahrung eine untaugliche Hilfe geleistet wurde: Der erste Fall wäre dann nach § 257 StGB aF straflos, der zweite nach § 257 a StGB aF in versuchter Form strafbar gewesen57 • Diese zu vermeidende Diskrepanz ist jedoch durch die Einstufung der Strafvereitelung als Erfolgsdelikt inzwischen obsolet geworden.
53 Zutreffend insoweit Bockelmann, NJW 1951, 620 (622), und Vogler, FS Dreher, 405 (407). 54 Vgl. dazu unten 2. Abschnitt, A.III.3, S.124. 55 § 257 a Abs. I StGB aF lautete: "Wer, abgesehen von den Fällen der §§ 120, 121, 122 a, 122 b, vorsätzlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen rechtskräftig angeordneten Maßregel der Sicherung und Besserung ganz oder zum Teil vereitelt, wird mit ... bestraft." 56 § 346 Abs. 1 StGB aF lautete auszugsweise: "Ein Beamter, der ... wissentlich jemand der im Gesetz vorgesehenen Strafe oder Maßregel entzieht, wird mit ... bestraft." 57 Argumentation und Beispiel entnommen bei Schröder, NJW 1962, 1037 (1038).
3 Weiser!
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
Der Einwand, der in den sogenannten "Versuchstheorien" eine zu weite Ausdehnung des Begünstigungstatbestandes sieht, stützt sich daher insbesondere auf das Argument, daß ein Begünstigungsversuch durch eine völlig ungefährliche Handlung nicht strafwürdig erscheine58 • Es ist also nicht nur, wie bei der Erörterung der "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" , die Frage zu stellen, inwieweit das Tätigwerden in irrig angenommener Handlungstauglichkeit strafwürdiger sein soll als die Begünstigungshandlung bei nur irrig angenommener Vortat. Vielmehr müssen sich beide Theorien fragen lassen, warum untaugliche Vorteilssicherungsversuche überhaupt strafwürdiges Begünstigungsunrecht darstellen sollen. Zu kurz gegriffen ist allerdings der bloße Hinweis darauf, daß es untauglichen Handlungen an der Gefährlichkeit mangele. Seit sich das StGB für die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs entschieden hat, sollte eigentlich nicht mehr ernsthaft bezweifelt werden können, daß Rechtsgüter auch von objektiv ungefährlichen Handlungen in strafbarer Weise beeinträchtigt werden können. Faßt man die Begünstigung als verselbständigte Versuchsstraftat auf, so ist es im Gegenteil, wie dargelegt, unter dem Gesichtspunkt einer möglichst einheitlichen Auslegung von Rechtsbegriffen innerhalb eines Gesetzes durchaus konsequent, wenn auch der untaugliche Versuch bestraft werden soll. Will man dieser Ansicht nicht folgen, so wird man nachweisen müssen, daß die völlige oder auch nur eingeschränkte Einbeziehung der untauglich versuchten Vorteilssicherung in den Begünstigungstatbestand der durch eine alle Aspekte berücksichtigende Auslegung des gesetzlichen Tatbestands ermittelten gesetzgeberischen Intention nicht entspricht59 . Diese Untersuchung - darauf sei bereits im Rahmen dieser kritischen Darstellung des Meinungsspektrums hingewiesen - wird sich jedoch vorrangig mit einem grundlegenden Einwand gegen die "Versuchstheorien" beschäftigen müssen, der sich angesichts der Ausführungen ihrer Vertreter geradezu aufdrängt: Denn allzu marginal sind die Erläuterungen zum eigentlichen Ausgangspunkt dieser Theorien, nämlich dem Wortlaut des Begünstigungstatbestandes. Mag man noch über die fehlende Recherche nach einem selbständigen Sinn des Hilfeleistungsbegriffs hinwegsehen, so erstaunt es, daß nur sehr apodiktisch behauptet wird, daß es sich bei der Hilfeleistung um ein Tätigkeitswort handele, etwa wie das "Angreifen" in § 113 StGB oder das "Nachstellen" in § 292 StGB 60 . Ob Hilfeleistung sich tatsächlich ohne weitere Nachwirkung, d.h. einen Handlungserfolg, im bloßen Tätigwerden erschöpft, kann jedoch V gl. nur LK 11, Ruß, § 257 Rn. 13; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.15. Freilich müssen auch umgekehrt die hier besprochenen Theorien erst noch den Nachweis erbringen, daß die Ubertragung der in §§ 22 f. StGB niedergelegten Versuchsregeln auf § 257 StGB diesem gerecht wird; für eine differenzierte Betrachtung plädiert Sowada, GA 1988, 195 (213). 60 Vgl. diese und weitere Beispiele bei Burkhardt, .TZ 1971,352 (354); Schröder, FS Kern, S. 457, 464 f. 58
59
B. Auslegung durch die Literatur
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ohne eine ausflihrliehe Untersuchung nicht selbstverständlich angenommen werden 61 •
2. Begünstigung als Manifestation der Vorteilssicherungsabsicht (" Manifestationstheorie '')
Auf den ersten Blick mit diesen "Versuchstheorien" i.w.S. eng verwandt ist die in der älteren Literatur vertretene Ansicht, die die Hilfeleistung als eine Manifestation der Vorteilssicherungsabsicht betrachtet62 . Während die obige "rein subjektive Theorie" jedes Handeln in Vorteilssicherungsabsicht genügen läßt, wird hier einschränkend ein Handeln in erkennbarer Vorteilssicherungsabsicht gefordert. Es wird also dem Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung scheinbar insofern objektive Qualität beigemessen, als eine Handlung nur dann eine Hilfe darstellen soll, wenn man als Außenstehender von dieser Handlung auf die mit ihr verfolgte Hilfsabsicht des Täters zu schließen imstande ist. Eine solche Konstruktion ist insbesondere vom Tatbestand der Unterschlagung bekannt, bei der die Zueignung nach inzwischen herrschender Auffassung als manifestierte Zueignungsabsicht, also als gemischt subjektiv-objektives Tatbestandsmerkmal angesehen wird63 • Das auf den ersten Blick selbständige objektive Tatbestandsmerkmal der Zueignung wurde dadurch teilweise subjektiviert, daß die äußerliche Erkennbarkeit eines bestimmten subjektiven Tatbestands genügen soll. Bei der Begünstigung würde es sich insoweit genau umgekehrt verhalten: Wer fordert, die Vorteilssicherungsabsicht müsse objektiv manifestiert werden, der objektiviert ein auf den ersten Blick rein subjektives Tatbestandsmerkmal. Allerdings wird dadurch dem Begriff der Hilfeleistung nicht notwendig ein eigenständiger materieller Gehalt gegeben. Das Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung hätte auch nach dieser Auffassung lediglich eine rein funktionale Bedeutung, nämlich der in Vorteilssicherungsabsicht begangenen Handlung ein äußerlich wahrnehmbares Moment abzuverlangen. Auf der anderen Seite wird durch das Manifestationserfordernis ein Kriterium eingeführt, das sich völlig unabhängig von einem wie weit auch immer vorange61 Selbst Sowada, GA 1988, 195 (199, Fn. 19), erwägt, daß für den Begriff der Hilfeleistung auch eine erfolgsbezogene Interpretation in Betracht komme, läßt diesen Gedanken jedoch unbehandelt wieder fallen. 62 So v.Bar, Gesetz und Schuld II, S. 767 f.; Dahm, DR 1942, 570; Hälschner, Deutsches Strafrecht 2.2, S. 876. Der Verweis von Köhler, JW 1923,403 auf Hälschner als einen Vertreter der rein subjektiven Ansicht verkennt die Eigenständigkeit des Manifestationsgedankens; dies gilt i.ü. erst recht für die Zuordnung von Beling zur "rein subjektiven Theorie", da dieser einen ganz eigenen Weg beschreitet, vgl. unten I. Abschnitt, B.IV.2, S.79 ff. 63 Vgl. nur BGHSt (I. Strafsenat, 19.6.1951) 1,262 (264); BGHSt (GS in Strafsachen, 7.12.1959) 14,38; ferner LacknerlKühl, § 246 Rn.4.
3*
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
schrittenen oder tauglichen Vorteilssicherungsversuch darstellt. Die Manifestation einer Handlung ist im Hinblick auf ein eigentlich anzustrebendes Endziel ein Zufallsmoment und daher im Rahmen der Versuchsdogmatik ein Fremdkörper. Die Einordnung dieser Ansicht, die sich als "Manifestationstheorie" bezeichnen läßt, innerhalb der zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen klassischen Meinungstrias fallt daher nicht leicht. Das zeigen insbesondere die Ausführungen von Hälschner, der sich entschieden davon abgrenzt, die Begünstigung in irgendeiner Art als Versuchsdelikt verstehen zu wollen 64 , so daß an sich weder die bloße subjektive Tendenz noch eine immerhin objektiv zur Vorteilssicherung geeignete Handlung allein zur Tatbestandsverwirklichung ausreichen würde. Gleichwohl bleibt die Vorteilssicherungsabsicht das nahezu allein ausschlaggebende Tatbestandsmerkmal. Folgerichtig werden gemäß der "Manifestationstheorie" völlig ungeeignete Handlungen in den Hilfeleistungsbegriff ausdrücklich einbezogen, so daß man unter diesem Gesichtspunkt zu einer sehr viel weiteren Auslegung gelangt als die sogleich zu besprechende "objektive Eignungstheorie" . Es scheint sich daher die in den einleitenden Bemerkungen zum Grundfall (s. oben S. 20) angedeutete Vorahnung zu bestätigen, daß die klassische Meinungstrias nicht nur ihre Konturen verliert, sondern sich die einzelnen Positionen insgesamt ineinander verschieben: Trotz eines geforderten objektiven Momentes, trotz einer Ablehnung der Einstufung der Begünstigung als Versuchsdelikt befindet sich die "Manifestationstheorie" in ihren Ergebnissen zwischen der "objektiven Eignungstheorie" und der "rein subjektiven Theorie". Freilich zieht die "Manifestationstheorie" dadurch dieselbe Kritik auf sich wie die obigen "Versuchstheorien", da sie zwar nicht zur Bestrafung des untauglichen Vorteilssicherungsversuchs schlechthin gelangt, wohl aber zur Bestrafung von zur Vorteilssicherung ungeeigneten Handlungen und daher zu einer ähnlich weiten Tatbestandsauslegung. Zu welchen Ergebnissen diese Theorie in den Einzelfällen kommt, läßt sich jedoch nur mutmaßen, da von keinem ihrer Vertreter Überlegungen darüber angestellt worden sind, welche Voraussetzungen an eine solche Manifestationshandlung zu stellen sind. Im Grundfall dürften sämtliche Grabungsarbeiten des H jeweils als vollendete Begünstigung einzustufen sein, unabhängig davon, ob oder aus welchem Grund diese nicht zum Ziel geführt haben. Eine Manifestation der Vorteilssicherungsabsicht ist wohl auch bereits im ersten Spatenstich zu sehen. Zweifel werfen hingegen die Situationen auf, die der anvisierten Vorteilssicherung noch weit vorgelagert sind, also zum einen der bloße Rat an den Vortäter im Hinblick auf die Sicherung seiner eigenen Vorteile oder der Versuch, eine dritte Person einzuschalten. Die Zweifel verstärken sich für den
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S. Hälschner, Deutsches Strafrecht 2.2, S. 876.
B. Auslegung durch die Literatur
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Fall, in dem zwischen Vortäter und Begünstiger zunächst nur eine bloße Abrede getroffen wird. Dabei stellt sich in diesen vorgelagerten Stadien weniger das Problem, inwieweit diese Handlungen des H ambivalent sind und daher keine eindeutigen Rückschlüsse auf seine Vorteilssicherungsabsicht zulassen65. Vielmehr wäre zu erörtern, wie weit diese Absicht in die Tat umgesetzt sein muß, um von einer Manifestation sprechen zu können. Eine Auskunft darüber würde voraussetzen, daß überhaupt Klarheit über den Begriff der Vorteilssicherung herrscht, was man jedoch mit Fug wird verneinen müssen 66 . Weiterhin stellt sich die Frage, inwieweit das Tatbestandsmerkmal der Manifestation einer Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme zugänglich ist: Unterscheidet sich die Vorteilssicherungsabsicht des Täters nicht von der des Teilnehmers, wird sich auch in deren jeweiliger Manifestation kein Unterschied entdecken lassen. Daß dieses Problem bei der Unterschlagung nicht in gleicher Schärfe auftritt, liegt am diesbezüglich regulativ wirkenden Tatbestandsmerkmal des Gewahrsams, da nach herrschender Auffassung nur der Gewahrsamsinhaber Täter einer Unterschlagung sein kann 67 • Ein vorläufiger Befund zur "Manifestationstheorie" muß daher dahingehend ausfallen, daß in ihrem Vorzug, sich vom Gedanken einer wie auch immer gearteten versuchten Vorteilssicherung lösen zu können, zugleich auch eine eminente Schwäche liegt. Wenn die Vorteilssicherungsabsicht zur Gänze dem subjektiven Tatbestand zugeordnet und der Begriff der Hilfeleistung zur bloßen Manifestation dieses subjektiven Tatbestands reduziert wird, gehen jegliche objektiven Kriterien dafür verloren, welche Anforderungen an eine solche Manifestation zu stellen sind. Während im Falle der Unterschlagung der Auslegung durch das Erfordernis der Gewahrsamsinhaberschaft gewisse Grenzen gesetzt sind, da der Täter die Sache zumindest in den Händen haben muß, bevor sich die Frage nach der Manifestation der Zueignungsabsicht überhaupt stellt68 , wären beim Begünstigungstatbestand der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet.
6S Vgl. zum gleichen Problem bei der Unterschlagung Trändie, § 246 Rn.I3, einerseits und LacknerlKühl, § 246 RnA, andererseits. 66 Vgl. dazu unten 2. Abschnitt, B.lI, S.I36 ff. 67 Abweichungen bestehen nur hinsichtlich der Frage, ob der Gewahrsam einem Mittäter zugerechnet werden kann; dies bejaht z. B. Trändie, § 246 Rn.20. Zum Ganzen vgl. ausführlich Küper, ZStW 106 (1994),354. Bei der Unterschlagung wirkt ferner das Tatbestandsmerkmal des Sich-Zueignens regulativ, wenn man die schlichte Drittzueignung hiervon ausnimmt. 68 Wie sehr dieses die Ausdehnung des Tatbestands begrenzende Merkmal des Gewahrsams unter "Druck" steht, zeigt der Streit um eine strenge oder kleine bzw. große berichtigende Auslegung, vgl. nur LacknerlKühl, § 246 Rn.3.
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
IH. Die Hilfeleistung als eine zur Vorteilssicherung objektiv geeignete Handlung in Vorteilssicherungsabsicht ("objektive Eignungstheorie") 1. Einführender Überblick
a) Übersicht über die Begründungsansätze In dem Bemühen, durch die Ausblendung objektiv völlig ungeeigneter Handlungen zu einer engeren Auslegung des Tatbestands der Begünstigung zu gelangen, will die herrschende Meinung in der Literatur nur solche in Vorteilssicherungsabsicht vorgenommene Handlungen als Hilfeleistung im Sinne von § 257 Abs. 1 StGB ansehen, die zur Förderungbzw. Erreichung der Vorteilssicherung geeignet sind69 • Besteht insoweit zwischen allen Vertretern dieser sogenannten "objektiven Eignungstheorie" noch Einigkeit, so sind die dogmatischen Begründungen im einzelnen sehr unterschiedlich. Am deutlichsten tritt der Charakter dieser Theorie als zwischen den beiden Extrempositionen lediglich vermittelnde Ansicht bei Haft70 hervor, der zwischen der Bestrafung sämtlicher Fälle der versuchten Vorteilssicherung und deren völliger Ausklammerung aus dem Tatbestand der Begünstigung die Bestrafung nur des tauglichen Vorteilssicherungsversuchs favorisiert. Die herrschende Ansicht läßt sich daher ebenfalls als eine Versuchstheorie bezeichnen 7l , wenn sie auch durch das Er69 Vgl. in der aktuellen Literatur Berz, FS Stree & WesseIs, S. 331 (342); Blei, BT, § 109.III.1.c, S. 430; Eser, Strafrecht IV, 18 A 85, S. 200; Geerds, GA 1988,243 (259); Geppert, Jura 1980, 269 (274 0; Haft, BT, S. 169 f.; Hauf, BT I, H.3.2, S. 168; Janson, Begünstigung und Hehlerei! S. 244; Krey, BT 1 Rn.631; Küper, BT, S. 174 f.; LacknerlKühl, § 257 Rn.3; LK 1 , Ruß, § 257 Rn.13; MaurachlSchroederlMaiwald, BT 2, § 101.11.3 Rn.6; Dtto, Grundkurs, § 57.1I.1b, S. 270 (s. dazu unten Fn. 199); Rudolphi, FS Kleinknecht, S. 379; Schmidhäuser, Strafrecht BT, 23/24, S. 248; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.15 (seit der 19. Auflage); SK, Samson, § 257 Rn.19; Theissen, Begünstigungshandlung, S. 186; TrändIe, § 257 Rn.6; Vogler, FS Dreher, S.405 (insbes. 420 ff.); U. Weber, ZStW-Beiheft, 1 (13 f., allerdings nicht eindeutig, s. o. Fn.33); WesseIs, BT 2, § 19.11.2 Rn.748; Zipf, JuS 1980, 24 (27). Ferner bereits für § 257 aF: Binding, BT 2.2, § 245.IV.E, S.669 i.V.m. § 244, 11.4., S.655; KohlrauschlLange, § 257, Bem. IV; LK4 , Lobe, § 257, Bem.II.3; LK617 , Nagler, § 257, Bem.III.4; LK 8, Jagusch, § 257, Bem.3b (der allerdings darin zugleich eine Verbesserung der Lage des Vortäters sieht); Mezger, BT, § 80.III.2, S.261; v.Dlshausen, § 257, Bem.29 (möglicherweise verlangt er aber auch noch zusätzlich eine tatsächliche Erhöhung der Sicherheit); PfeifferlMaullSchulte, § 257, Bem.4; Sauer, BT, § 39.IV.4a, S. 497; Schäfer, in: DaIcke/FuhrmanniSchäfer, A.2, zu § 257, Bem.5, S. 316; Waldthausen, GA 29 (1881), 375 (394 und 398). 70 In: BT, S. 170; vgl. ferner Küper, BT, S. 174 f. 71 So bekennen sich neben Haft, BT, S. 169 f., auch Hauf, BT I, 3.2, S. 168; Janson, Begünsti~ung und Hehlerei, S.237; Küper, BT, S. 174; LK", Ruß, § 257 Rn. 13 f.; Sch/Schr , Stree, § 257 Rn.15 ("nicht zu einem Erfolgsdelikt ausgestaltet worden"), eindeutig zum Versuchscharakter der Begünstigung; in der Rückschau auf § 257 StGB aF ebenso Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 65. Dies lehnen hingegen
B. Auslegung durch die Literatur
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fordemis der Eignung an den Versuch einer Vorteilssicherung strengere Anforderungen stellt als die Theorie des "echten" oder des "objektivierten Vorteils sicherungsversuchs,,72. Die Bedeutung des Hilfeleistungsbegriffs beschränkt sich daher auch hier wieder auf ein rein funktionales Moment, nämlich an das Streben nach Vorteilssicherung die Anforderung zu stellen, daß es sich dabei um einen tauglichen Vorteilssicherungsversuch handeln muß. In der älteren Literatur war insoweit noch die Vorstellung verbreitet, daß man nur dann von einer Begünstigungshandlung sprechen könne, wenn zumindest eine Bedingung für die Vorteilssicherung gesetzt worden sei 73. In ähnlicher Weise folgert Otto74 aus dem Wortlaut "Hilfeleisten", daß zumindest die Chancen des Täters hinsichtlich der Vorteilssicherung gefördert sein müssen. Wie sich noch bei der Erörterung des Begriffs der Vorteilssicherung zeigen wird75 , laufen diese Ansichten, die gleichsam einen Teilerfolg hinsichtlich der Vorteilssicherung verlangen, Gefahr, nicht mehr von den noch zu besprechenden "objektiven Förderungstheorien" abgegrenzt werden zu können. Zumindest in der Begrifflichkeit klarer stellt sich daher die Definition einer zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung als tauglicher Vorteilssicherungsversuch dar. Konsequenz hieraus ist allerdings, daß man damit vor demselben Problem steht, vor dem schon die bis ins 20. Jahrhundert herrschende sogenannte objektive Versuchstheorie stand: der Abgrenzung des tauglichen vom untauglichen Versuch 76 • Um zumindest sprachlich den Anklang an diese letztlich glücklos gebliebene Theorie zu vermeiden, stellen andere Autoren weniger den Versuchs charakter der Begünstigung als vielmehr den Gesichtspunkt der Gefährdung des von § 257 StGB geschützten Rechtsguts in den Vordergrund 77 . Es wird jedoch zu klären sein (sogleich unter 2.), ob sich dieser Ansatz von der Forderung nach einem tauglichen Vorteilssicherungsversuch unterscheidees und falls nicht, ob Theissen, Begünstigungshandlung, S. 50 ff. - konkretes Gefährdungsdelikt - und Vogler, FS Dreher, S. 405 (415) - "kupiertes Erfolgsdelikt" - ab. n Dies übersieht SK, Samsan, § 257 Rn. 10 und 19. 73 Vgl. Binding, BT 2.2, § 244, 1I.4., S. 655; LK4 , Lobe, § 257, Bem.II.3. 74 In: Grundkurs, § 57.II.l b, S. 270. 75 V gl. dazu unten, 2. Abschnitt, B.II, S.136 ff. 76 Zahlreiche Nachweis~ über die Vertreter der objektiven Versuchstheorie finden sich insbesondere bei LK 1 , Vogler, Vor § 22 Rn.39 f.; Sauer, Allgemeine Strafrechtslehre, § 17.1.4, S. 101; Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 41, Fn. 1. Vgl. ferner sogleich unter 2b, S.50 ff. 77 S. Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 244; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.15; SK, Samsan, § 257 Rn.19; Theissen, Begünstigungshandlung, S. 184 ff. 78 Einen Unterschied b~iaht Theissen, Begünstigungshandlung, S. 49 ff. (insbes. S. 52). Etwas zurückhaltender hält Sowada, GA 1988, 195 (214), den Gesichtspunkt der Gefährdung zumindest für "eher zugänglich als die insoweit starre Versuchsdogmatik". Keine Unterscheidung trifft hingegen Küper, BT, S. 174: "Die Begünstigung ... ist ...
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I. Abschnitt: Kritische Einflihrung
es sich dabei um ein fiir die Feststellung der Tauglichkeit eines Versuchs brauchbares Kriterium handele 9 • Schließlich läßt sich aber noch ein weiterer Begründungsansatz finden, der auf den ersten Blick nicht nur die mit der Figur des tauglichen Versuchs verbundenen Schwierigkeiten umgeht, sondern sich auch vom Ausgangspunkt des Vorteilssicherungsversuchs zu lösen versucht. Zurückgehend auf die Untersuchungen von Vogler wird hiernach der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung als weitgehend mit dem der Beihilfe identisch angesehenso. Die Eignung der Handlung zur Vorteilssicherung entspreche daher der von Vogler im Rahmen der Beihilfe vertretenen "Risikoerhöhungslehre"sl, wobei statt des nach ihr für die Beihilfe erforderlichen generellen Eignungsmaßstabes bei der Begünstigung eine konkrete Eignung erforderlich sei, da der Begünstiger im Gegensatz zum Gehilfen das Geschehen selbst in der Hand halte 82 . Es ist daher auch dieser Begründungsansatz einer genaueren Untersuchung zu unterziehen, um festzustellen, inwieweit er sich tatsächlich von der herkömmlichen Formulierung der Begünstigung als tauglichen Vorteilssicherungsversuchs unterscheidet (sogleich unter 3.).
b) Praktische Auswirkungen Mögen die Begründungsansätze auch unterschiedlich sein, so muß sich das Erfordernis einer zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung zunächst an der Brauchbarkeit für eine Lösung der in unserem Grundfall (s. oben S.20) in Betracht kommenden Begünstigungshandlungen messen lassen. Jedoch zeigt sich bei einer unbefangenen Anwendung des Eignungskriteriums auf den praktischen Fall, daß dieses sich zumindest als unscharf, wenn nicht sogar als contradictio in adjecto! - völlig ungeeignet fiir die Abgrenzung zum straflosen Begünstigungsversuch oder zur bloßen Vorbereitungshandlung herausstellt: Denn bedeutet die Eignung einer Handlung zur Vorteilssicherung im Ausgangspunkt sicherlich ein Weniger gegenüber einer zurechenbar kausal herbeigefiihrten, vollendeten Vorteilssicherung, so stellt sich die Frage, welche und
ein Gefahrdungsdelikt eigener Art, das man als ,verselbständigtes objektiviertes Versuchsdelikt' bezeichnen kann." 79 V gl. in diese Richtung etwa SK, Samsan, § 257 Rn.19, der jedoch verkennt, daß er damit den Boden der h.M. keineswegs verläßt. 80 Vogler, in: FS Dreher, S. 405 ff. Dem haben sich angeschlossen Blei, BT, § 109.III.I c, S. 430; Geerds, GA 1988,243 (259); Geppert, Jura 1980,269 (275, insbes. Fn. 48); immerhin als Fortschritt stuft dies Arzt, in: Arzt/Weber, BT 4 Rn.398, Fn. 9 ein. 81 Vgl. nur Vogler, FS Heinitz, S. 295; dazu unten, I. Abschnitt, B.lII.3a, S.67 fT. 82 S. Vogler, FS Dreher, S. 405 (421).
B. Auslegung durch die Literatur
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wie viele Faktoren von einer Erfolgsverursachung hinweggedacht werden müssen, um zumindest noch von einer Eignung einer Handlung zur Erfolgsherbeiführung sprechen zu können. Dies gilt zunächst in zeitlicher Hinsicht, da Handlungen, die der späteren eigentlichen Vorteilssicherungshandlung weit vorgelagert sind, sich ebenso zur Vorteilssicherung eignen können, wie sich der Kauf eines Messers im Hinblick auf die angestrebte Tötung eignet. Insbesondere fallt unter dem Gesichtspunkt der Eignung eine Distinktion in unserem Grundfall zwischen der bloßen Zusage des H, den Schmuck zu vergraben, dem Setzen des ersten Spaten stichs und dem abschließenden Zuschaufeln des Verstecks schwer, da letztlich sämtliche Schritte für das Erreichen des Erfolges - so er denn eintritt - gleichermaßen geeignet sind. Man steht hier wie auch bei der Äquivalenztheorie vor der Erkenntnis, daß mehrere Kausalfaktoren stets gleichwertig sind. Eine Lösung kann sich allenfalls auf der Basis der Charakterisierung der Begünstigung als wenn auch taugliches - Versuchsdelikt anbieten, da sich dann zumindest eine Grenze zwischen Vorbereitungshandlungen und dem unmittelbaren Ansetzen zur Vorteilssicherung ermitteln läßt83 . Wer hingegen das Erfordernis der Eignung im Rahmen des Begünstigungstatbestandes nicht auf den Versuchscharakter stützen will, liefert sich der vollen Unschärfe des Eignungskriteriums aus: Wenn Vogler84 dennoch diese Problematik durch die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Handlungsstadien zu lösen versucht, so setzt er sich damit einem Widerspruch aus. Dieser liegt darin, daß er einerseits als objektiven Tatbestand lediglich eine zur Vorteilssicherung geeignete Handlung verlangt, jedoch andererseits eine unter Umständen geeignete (!) Handlung als straflose Vorbereitungshandlung bezeichnet. Dies zeigt sich am von ihm diskutierten sogenannten Quittungsfall nach RGSt 63, 240 85 : Eine unrichtige Quittung sollte zur Strafvereitelung 86 eingesetzt werden, um dadurch den Unterschlagungsverdacht zu entkräften, war bislang jedoch lediglich hergestellt, hingegen noch nicht gebraucht worden. Wer für eine Begünstigung als Versuchsdelikt ein unmittelbares Ansetzen zur Vorteilssicherung (bzw. in diesem 83 SK, Samson, § 257 Rn.20, stiftet daher Verwirrung, wenn er lediglich ein unmittelbares Ansetzen zur Hilfeleistung verlangt. Denn sollte demnach tatsächlich für die Erfüllung des § 257 StGB der Versuch einer Hilfeleistung genügen, so setzte dies zur Vereinbarkeit mit dem Gesetzeswortlaut ("Hilfe leistet") voraus, daß "Hilfe" und "Hilfsversuch" identisch sind. Indes verlangt die h.M. und wohl auch Sarnson gemäß seinen vorigen Ausführungen für eine vollendete(!) Hilfeleistung zumindest eine unmittelbares Ansetzen zur Vorteilssicherung, vgl. Geppert, Jura 1980, 269 (275); LK lI , Ruß, § 257 Rn. 14; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn. 19. 84 In: FS I)reher, S. 405 (422 f.). 85 2. Strafsenat, 1.7.1929; s. dazu unten, I. Abschnitt, C.I, S.91. 86 In § 257 StGB aF war die Strafvereitelung- ebenso wie bis heute bei der Begünstigung die Vorteilssicherung - noch als Ziel der Beistandsleistung als sogenannte persönliche Begünstigung geregelt; s. dazu unten, 2. Abschnitt, A.III.3, S. 124 .
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
Fall zur Strafvereitelung) verlangt, wird die Grenze zur Strafbarkeit zweifellos erst mit Beginn des Gebrauchens der Quittung als überschritten ansehen. Wer hingegen wie Vogler die zur Vorteilssicherung geeignete Handlung unabhängig vom tauglichen Vorteilssicherungsversuch definieren will, der kann auch nicht auf das Kriterium des unmittelbaren Ansetzens zur Vorteilssicherung zurückgreifen. Vielmehr bedarf es zunächst allein der Feststellung, ob es sich bei der Herstellung nicht schon um eine zur Vorteilssicherung geeignete Hilfeleistung handelt. Wäre sie das, könnte sie dann nicht gleichzeitig als bloße Vorbereitung zur Begünstigung angesehen werden, sondern sie würde bereits eine vollendete Begünstigung darstellen. Denn letztere Abgrenzung setzt die erstere voraus; ohne Bestimmung der tatbestandlichen Handlung ist die Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung nicht möglich. Darüber hinaus ist die Behauptung, der taugliche und der untaugliche Versuch ließen sich stets durch die Unterscheidung von Vorbereitungs- und Versuchsstadium abgrenzen, sicherlich nicht haltbar87 . Nicht nur zeitlich, sondern auch qualitativ weit von der abschließenden Vorteilssicherung entfernt sind auch diejenigen Tatbeiträge, die sich auf den ersten Blick als bloße Teilnahmehandlungen begreifen lassen. So scheint die Aufforderung an den Vortäter oder an einen Dritten, vorteilssichernd tätig zu werden, eher auf eine Anstiftungshandlung hinzudeuten. Aber auch hier fällt es schwer, solche Handlungen allein aufgrund des Eignungskriteriums aus der täterschaftlichen Tatbestandserfüllung auszuklammern, denn auch eine Anstiftungshandlung ist letztlich zur Vorteilssicherung geeignet88 . Ist dem aber so, so müßte man zu dem Ergebnis kommen, daß auch in diesen Fällen eine täterschaftlich begangene vollendete Begünstigung vorliegt. Der Bereich der Teilnahme wäre demnach völlig zurückgedrängt. Dies ließe sich vermeiden, wenn die Handlung mindestens dazu geeignet sein müßte, zur Vorteilssicherung unmittelbar beizutragen 89 , also ohne das Erfordernis einer Zwischenschaltung einer dritten Person. Dann käme man allerdings nicht umhin, den Fall der Beihilfe zur Selbstbegünstigung des Vortäters aus dem Tatbestand der Begünstigung auszuklarnmern 90 • Dieses Dilemma kann im Rahmen der herrschenden "objektiven Eig87 Konsequent fordern daher Geppert, Jura 1980, 269 (275), und Theissen, Begünstigungshandlung, S. 164 ff., allein die Vollendung der Hilfeleistung. 88 Der Hinweis von SK, Samson, § 257 Rn.22, auf die Regeln der Tatherrschaft geht an der Sache vorbei, da es um die vorrangige Frage geht, welche Handlungen tatbestandlieh sind; die Frage der Täterschaft ist unabhängig hiervon zu beantworten. 89 Vgl. Lenckner, NStZ, 1982,401 (403); Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.l9. 90 Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn. 20 und 28, will in einer kaum nachvollziehbaren Unterscheidung die bloße Stärkung oder Veranlassung des Selbstbegünstigungswillens straflos lassen, hingegen darüber hinausgehende Handlungen unter § 257 StGB fallen lassen. Konsequent daher insoweit Haft, BT, S. 170, der für eine täterschaftliche Begünstigung stets Tatherrschaft verlangt; zu beachten und von Haft nicht problematisiert ist jedoch, daß es sich um eine tatherrschaftliche Hilft handelt.
B. Auslegung durch die Literatur
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nungstheorie" nur vennieden werden, wenn man dem Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung eine zweifache Bedeutung zuerkennt: Zum einen würde sie eine Handlung umschreiben, die zur Vorteilssicherung objektiv geeignet ist und unmittelbar dazu beiträgt, und zum anderen eine Handlung, die lediglich eine Beihilfe zur Selbstbegünstigung des Vortäters darstellt91 • Bei einer solchen Konzeption würde somit die Hilfeleistung zur Sichemng der Vortatvorteile zumindest zum Teil die Hilfeleistung zur Selbstbegünstigung (= Beihilfe zur straflosen Selbstbegünstigung) des Vortäters gleichsam konsumieren. Von hier läßt sich ohne weiteres erkennen, daß die Tatbestände der Begünstigung und der Beihilfe zumindest strukturell Ähnlichkeiten aufweisen müssen, was letztlich - ganz im Sinne des Ansatzes von Vogler - nur durch einen einheitlich zu verstehenden Hilfeleistungsbegriff erklärt werden kann. Eine weitere Schwierigkeit im Umgang mit dem Eignungsbegriff zeigt sich bei Handlungen, die letztlich aus verschiedenen Gründen gescheitert sind. Dies gilt zum einen für das Hilfsangebot, das bereits vom Vortäter abgelehnt wurde, zum anderen aber auch für die letzten fünf Varianten des Grundfalles, in denen der Versuch, den Schmuck zu vergraben, jeweils aus bestimmten Gründen gescheitert ist. Man wird zu untersuchen haben, welche dieser Hinderungsgründe zur Folge haben, daß die Handlung bereits als ungeeignet eingestuft werden muß. Sprachlich ist nichts dagegen einzuwenden, selbst bei einer Kumulation sämtlicher der fünf letzten Fallgestaltungen die Handlung des H noch als geeignet anzusehen, denkt man nur hinzu, daß er unauffälliger gegraben hätte, kein Passant zufällig vorbeigekommen wäre, er nicht unter ständiger Beobachtung gestanden hätte, es sich V nicht gleichzeitig anders überlegt hätte und zudem nicht noch mitsamt der Beute geschnappt worden wäre, solange nur das Vergraben des Schmuckes überhaupt zu einer Vorteilssicherung führen kann 92 • Von dieser sehr abstrakten Sichtweise lassen sich jedoch genausogut zahlreiche Einschränkungen denken, die zu einer immer konkreteren, die Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Betrachtung führen. Es stellt sich dann die Frage, welche der zum Scheitern führenden Umstände hinweggedacht werden dürfen, um noch von einer Eignung der Handlung im konkreten Fall sprechen zu können. Wollte man allerdings sämtliche dieser Umstände berücksichtigen, so hätte dies zur Folge, daß eine letztlich gescheiterte Handlung niemals zur Erreichung des angestrebten Erfolges geeignet gewesen sein
91 So im Ergebnis SK, Samson, § 257 Rn.24, wobei er die Anstiftung zur Selbstbegünstigung als vom Wortlaut nicht mehr erfaßt ansieht. 92 Vgl. nur Gra/zu Dohna, FS Güterbock, S. 35 (56 f.): " Beginnt man aber erst einmal mit der Abstraktion, so erscheint jeder Versuch als ein generell tauglicher, sobald man nur gerade von dem Umstande absieht, der ihn zu einem untauglichen hat werden lassen."
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kann 93 . Es wird daher zu untersuchen sein, welchen Kenntnisstand man der Bewertung einer Handlung als geeignet zugrunde zulegen hat. In Betracht kommt insoweit die Beurteilung der Umstände aus einer nachträglichen Sicht oder aus einer Sicht zum Zeitpunkt der Tathandlung (ex-post- oder ex-anteBetrachtung), wobei jeweils entweder das individuelle Täterwissen oder das Wissen eines fiktiven objektiven Beobachters zugrunde gelegt werden kann 94 . Zusammenfassend läßt sich daher sagen, daß die "objektive Eignungstheorie" gegenüber den Ansichten, die mehr oder minder schon eine untaugliche Tendenz des Täters zur Vorteilssicherung genügen lassen, die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Begünstigung mit dem Preis einer im einzelnen völlig unklaren und umstrittenen Auslegung des Eignungskriteriums bezahlen muß. Es bedarf daher eines näheren Eingehens auf den eigentlichen Sinn dieses Merkmals, um eine gewisse Praktikabilität dieses Kriteriums zu erreichen.
2. Die objektive Eignung als tauglicher Versuch oder Gefahr der Vorteilssicherung?
a) Gegenüberstellung des tauglichen Versuchs und der Gefahr einer Vorteilssicherung Innerhalb der herrschenden Ansicht, die für eine Hilfeleistung eine zur Vorteilssicherung geeignete Handlung fordert, wollen die meisten Stimmen die Begünstigung ebenso wie die Theorien des "echten bzw. objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" als versuchte Vorteilssicherung einstufen, allerdings mit der Einschränkung, daß es sich bei diesem Versuch um einen tauglichen handeln müsse95 • Ist somit diese Ansicht noch als "Versuchstheorie" im weiteren Sinne einzustufen, so besteht unter ihren Vertretern trotz des Versuchscharakters Unsicherheit darüber, ob die Begünstigung noch als unechtes Unternehmensdelikt bezeichnet werden kann. Denn wie sich gezeigt hat, ist die Anwendung der gesetzlichen Versuchsregeln auf den Handlungsversuch, welche zu einer Bestrafung auch des untauglichen Versuchs führt, keineswegs zwingend96 . Verlangt man etwa für die Bestrafung eines untauglichen Versuchs eine 93 So weit will jedoch keiner gehen; die eingeschränkteste Betrachtungsweise hat sicherlich Theissen, Begünstigungshandlung, S. 163 f. 94 Arzt, in: Arzt/Weber, BT 4 Rn.398 f. stellt insoweit fest, daß eine objektive Bestimmung bisher erfolglos geblieben ist, Bocke/mann, NJW 1951,620 (623), und See/mann, JuS 1983,32 (34), halten diese gar flir unmöglich. 95 S. o. Fn. 71. 96 S. oben unter B.n.1 b.(I), S.28 f.
B. Auslegung durch die Literatur
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ausdrückliche gesetzliche Anordnung, so läßt sich im Rahmen der unechten Unternehmens delikte ebenso die Bestrafung ausschließlich der tauglichen Handlungsversuche vertreten 97 • Demnach könnte die Begünstigung auch in der Auslegung durch die herrschende Meinung dieser Deliktsgruppe zugeordnet werden 98 • Erneut erweist sich damit die bereits hervorgehobene geringe Aussagekraft der Kategorisierung der unechten Unternehmensdelikte. Man tut daher gut daran, diesen Begriff weder als Erklärungsmodell noch als Etikett zu sehr zu strapazieren. Vielmehr sollte er allein im Sinne seines Schöpfers Schröder99 verstanden werden, der bei diesen Delikten im allgemeinen und bei der Begünstigung im besonderen lediglich den untauglichen Handlungsversuch bestraft wissen wollte, entsprechend der oben besprochenen "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs". In diesem Sinne würde sich daher die Begünstigung gemäß der herrschenden Meinung nicht als sogenanntes unechtes Unternehmensdelikt bezeichnen lassen. Bestünde jedoch davon abgesehen innerhalb der herrschenden Ansicht bezüglich der Einordnung der Begünstigung als tauglichen Vorteilssicherungsversuchs Einigkeit, so wäre damit zumindest das zu lösende Problem eindeutig geortet: Es wäre der taugliche vom untauglichen Versuch zu scheiden, was nichts anderes als eine Wiederbelebung der objektiven Versuchstheorie bedeuten würde. Es stellt sich daher die Frage, ob es demgegenüber tatsächlich einen ganz neuen Ansatz bedeutet, wenn anstatt auf den tauglichen Versuch auf die Gefahrdung des von § 257 StGB geschützten Rechtsgutes abgehoben wird. Blickt man allerdings auf den Stand der vereinzelt sogar noch von modemen Autoren vertretenen objektiven Versuchstheorie lOo, so zeigt sich, daß gerade der Gedanke der Rechtsgutsgefahrdung den Ausgangspunkt für die Definition eines tauglichen Versuchs darstellt lol . Dennoch schließt die Tatsache, daß die Einstufung des § 257 StGB als Gefahrdungsdelikt zu ähnlichen Konsequenzen 97 So ausdrücklich LK IO, Trändie, § 11 Rn.80; SK, Rudolphi, § 11 Rn.29; dies favorisiert ferner, wenn auch grundsätzlich für eine differenzierende Lösung, Sowada, GA 1988, 195 (213 f). 98 So in der Tat Berz, FS Stree & Wesseis, S. 331 (335 f.); Haft, BT, S. 170; Hauf, BT I, H.3.2, S. 168; LK IO, Trändie, § 11 Rn.79; Sax, JZ 1976, 429; SK, Rudolphi, § 11 Rn.27; SK, Samson, § 257 Rn.lO; U.Weber, ZStW-Beiheft 1987, 1 (13 f). Dagegen unterscheiden zwischen "unechtem Unternehmensdelikt" und "zur selbständigen Straftat erhobener Versuchshandlung" Lenckner, NStZ, 1982, 401 (403); Vogler, FS Dreher, S. 405 (406 f); Zipf, JuS 1980,24 (26 f); ausdrücklich gegen die Charakterisierung als unechtes Unternehmensdelikt auch Küper, BT, S. 174; Sch/Schr25 , Eser, § 11 Rn.52. 99 In: FS Kern, S. 457. 100 Zuletzt wurden die Vorzüge eines objektivistischen Ansatzes wieder von Hirsch, FS Arthur Kaufmann, S. 545 (560 f.), und Weigend, in: Hirsch/Weigend, Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 113 (126 ff.) hervorgehoben; vgl. auch Dicke, JuS 1968, 157; Spendei, FS Stock, S. 89. 101 So nimmt es nicht wunder, wenn U.Weber, ZStW-Beiheft 1987, I (5 f.), von der Behandlung der Gefahrdungsdelikte aus auf die Parallele zum tauglichen Versuch stößt.
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wie die Lehre vom objektiven Versuch führt, nicht zwingend aus, daß es sich doch um einen völlig anderen Ansatz handelt, der möglicherweise zu klareren Ergebnissen führt. Ansatzpunkt für die Charakterisierung der Begünstigung als Gefährdungsdelikt ist, sofern man mit der herrschenden Meinung eine zur Vorteilssicherung geeignete Handlung fordert, die Parallele zu den sogenannten Eignungsdelikten, bei denen stets die Eignung einer Handlung oder eines Gegenstandes zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolges vorausgesetzt ist, ohne daß dieser Erfolg tatsächlich eingetreten zu sein braucht. Als Beispiele für Delikte, die eine solche, in bestimmter Weise geeignete Handlung voraussetzen, mögen vor allem die üble Nachrede und die Verleumdung gemäß §§ 186 f. StGB dienen; hier müssen die Tatsachenbehauptungen jeweils den anderen "verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet" sein. Weniger eine Handlung als vielmehr bestimmte Tatgegenstände mußten in Delikten wie der Vergiftung gemäß § 229 Abs. I StGB aF ("Stoffe ... , welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind") oder der Brandstiftung gemäß § 308 Abs. 1, 2. Alt. StGB aF ("wenn diese Gegenstände .. .ihrer Beschaffenheit und Lage nach geeignet sind, das Feuer ... [einem anderen bestimmten Gegenstand] ... mitzuteilen") eine gewisse Gefahr begründende Eigenschaft besitzen lO2 • Demgegenüber würde es sich allerdings bei der Begünstigung um ein Delikt handeln, bei dem noch nicht einmal die Eignung einer tatbestandlich näher eingegrenzten Handlung zu einem Erfolg - der Vorteilssicherung - vorausgesetzt wäre, sondern die Eignung irgendeiner Handlung schlechthin 103 • Jedoch ist nicht nur die Bedeutung des Eignungsmerkmals weitgehend ungeklärt lO4 , sondern es befindet sich auch die herkömmliche Einteilung in abstrakte und konkrete Gefährdungsdelikte noch im Fluß 105. Angesichts dieser zahlreichen "Unbekannten" bedarf es einer näheren Untersuchung, ob die Charakterisierung der Begünstigung als Gefährdungsdelikt in Form eines sogenannten Eignungsdelikts tatsächlich qualitativ etwas anderes bedeuVgl. weitere zahlreiche Beispiele bei Hoyer, Eignungsdelikte, S. 18. Insofern trifft es nicht zu, wenn Theissen, Begünstigungshandlung, S. 57, davon ausgeht, daß die h.M. den Hilfeleistungsbegriff um das Erfordernis der Vorteilssicherungseignung ergänze, zumal die Autorin offenläßt, was denn dann im übrigen unter Hilfe verstanden werden soll; vielmehr erschöpft sich die Definition der Hilfeleistung im Sinne des § 257 StGB nach der h.M. in einer Handlung mit Vorteilssicherungseignung. 104 Vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 184 ff. Hoyer, Eignungsdelikte, S. 107 ff., bildet immerhin einen einheitlichen "materiellen" Begriff der Eignung, indem er auf objektive Eigenschaften der jeweiligen Handlung zurückgreift. lOS Während Gallas, FS Heinitz, S. 171 (174 f.), zunächst nachwies, daß das Erfordernis der richterlichen Ermittlung einer Gefahr im speziellen Fall ftir die konkreten Gefährdungsdelikte nicht begriffsbestimmend ist, schlug zuletzt Hirsch, FS Arthur Kaufmann, S. 545 (548 ff.), vor, den Begriff der abstrakten Gefährdungsdelikte durch abstrakte und konkrete Gefährlichkeitsdelikte abzulösen, wobei er letzteren die Eignungsdelikte zuordnen will (aaO, S. 561 f.). 102 103
B. Auslegung durch die Literatur
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tet als die Einstufung als tauglicher Versuch, ob es also einen Unterschied gibt zwischen einer tauglich versuchten Vorteilssicherung (sogleich unter b) und der Herbeiführung der Gefahr einer Vorteilssicherung (sogleich unter c).
b) Die Begünstigung als tauglich versuchte Vorteilssicherung (I) Gefahr als Tauglichkeitskriterium
Ausgangspunkt der objektiven Versuchslehre war die grundlegende Einsicht, daß eine Handlung nur dann strafwürdig sei, wenn sie äußerlich erkennbar dem Recht widerspreche und nicht lediglich die Intention des Handelnden auf einen Rechtsbruch gerichtet sei lO6 • Daraus folgerte man sehr rasch, daß, wenn keine vollendete Rechtsverletzung vorliege, die darauf gerichtete Handlung nur dann als Versuch bestraft werden könne, wenn sie eine Gefahr für das angegriffene Rechtsgut hervorgerufen habe (sogenannte "ältere objektive Theorie"lo7). Während allerdings ursprünglich Feuerbach daneben noch einen Kausalzusammenhang zwischen Handlung und dem beabsichtigten Erfolg verlangt hatte lO8, also ersichtlich nur den wirklich tauglichen Versuch bestraft wissen wollte, nahm mit dem bloßen Abstellen auf die Gefahr für das Rechtsgut das Unglück für die objektive Versuchstheorie seinen Lauf, da nunmehr zum Teil auch untaugliche Versuchshandlungen mitbestraft wurden 109 • Wenn sich also bei der Begünstigung die Frage nach einem tauglichen Vorteilssicherungsversuch stellt, so zeigt sich bereits hier, daß die meisten Vertreter der objektiven Versuchstheorie eine Antwort hierauf von vornherein schuldig bleiben müssen. Nur ein kleiner Teil der Literatur griff den eigentlichen Ansatz von Feuerbach wieder auf, indem der Versuch als teilweise verwirklichtes Unrecht angesehen wurde" O• Dadurch 106 So etwa der Urheber der objektiven Versuchstheorie Feuerbach, Lehrbuch, § 42 Anm.3, S. 72: " ... eine Handlung aber nur dann (äußerlich) rechtswidrig ist, wenn sie das Recht verletzt oder gefährdet". 107 Vgl. dazu Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 6 ff.; Ha, Untauglicher Versuch S. 87 tf., jeweils m. w. N. 108 V gl. Feuerbach, Lehrbuch, § 42, S. 71: " ... wird bestraft, ... wenn die Handlung selbst, nach ihrer äußeren Beschaffenheit ... mit dem beabsichteten Verbrechen in ursachlichem Zusammenhange steht, - objektiv gefährlich ist." 109 So ftihrte vor allem Mittermaier, in: Feuerbach, Lehrbuch, Note VIII zu § 42, S. 76, den Begriff des strafbaren lediglich "in concreto unzulänglichen" Versuchs (später auch "relativ untauglicher Versuch") ein. Gegen jegliche Einbeziehung des untauglichen Versuchs durch jene objektiven Theorien wendet sich Treplin, ZStW 76 (1964),441 (448). 110 So Geyer, GS 18 (1866), 35, und später vor allem Binding, Normen III, S. 426 ff., der statt Versuch lieber von Teilverursachung sprechen will; zu weiteren Nachweisen vgl. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 52 (Fn. 48).
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
sollte in der Tat jeder untaugliche Versuch straflos gestellt werden. Allerdings gelang dieser Lehre keine brauchbare Bestimmung dessen, was unter Teilunrecht zu verstehen ise 11; insbesondere war das Verharren in Kausalitätsüberlegungen zum Scheitern verurteilt, da es am Bezugspunkt der Kausalität, dem Erfolg, ja gerade fehlte 112. Die wissenschaftlichen Bemühungen konzentrierten sich in Feuerbachs Nachfolge daher überwiegend auf die Klärung der Frage, wie die Gefahr des Erfolgseintritts zu definieren sei. Insbesondere galt es zu vermeiden, durch eine Beurteilung der Tatsituation ausschließlich aus der Rückschau heraus (ex-postBetrachtung) in den Widerspruch zu geraten, daß eine Handlung, die letztlich aus einem bestimmten Grund eben nicht zu einer Rechtsgutsverletzung geführt hat, ganz offenbar das Rechtsgut auch nicht gefährdet haben kann. V.Liszt prägte zur Lösung dieses Dilemmas den Begriff der "nachträglichen Prognose,,113 (sogenannte "neuere objektive Theorie" oder "Gefährlichkeitstheorie" 114). Dadurch brachte er zum Ausdruck, daß die Gefahr zwar objektiv festzustellen und nicht von der Vorstellung des Täters abhängig sei, jedoch die Gefahr in der Situation der Tathandlung bestehen müsse. Dies könne nur dadurch erreicht werden, daß man den nachträglich erlangten Kenntnisstand auf denjenigen Stand zu reduzieren versucht, der zum Tatzeitpunkt vorhanden war. Dennoch bereitete es dieser Theorie erhebliche Schwierigkeiten, diejenigen Tatsachen, die erst nachträglich eingetreten sind, von denjenigen zu trennen, die schon fur den Täter erkennbar waren, jedoch erst nachträglich erkannt wurden l15 . Zuletzt hat Spendel l16 versucht, diesbezüglich Klarheit zu schaffen, 111 Geyer, GS 18 (1866), 35 (81), verwendet insoweit das plastische Beispiel einer Bahnfahrt von Leipzig nach Dresden, die durch einen Tunneleinsturz hinter Riesa jäh unterbrochen wird; dabei übersieht er, daß in den meisten Fällen die eigentliche Schwierigkeit in der Feststellung liegt, ob - im übertragenen Sinn - die Gleise hinter dem Tunnel bis Dresden überhaupt einwandfrei verlegt waren - diesbezüglich kann man in der Regel nur unsichere Prognosen aufstellen. 112 So zieht sich Treplin, ZStW 76 (1964), 441 (457), der zuletzt wieder ausschließlich den tauglichen Versuch bestraft wissen wollte, resigniert auf "die aus der Praxis gewonnenen Erfahrungen sowie ein angemessenes Rechtsempfinden" zurück. Welche Möglichkeiten hingegen der Ansatz von Binding eröffnet hätte, gerade den Willen des Täters in die Begründung des Versuchsunrechts einzuführen, weist Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 69 ff. (insbesondere S. 74 f.), nach. 113 Vgl. v.Liszt, Lehrbuch 21122 , § 47.11.2, S. 200; weiterentwickelt von v.Hippel, Strafrecht 11, § 30.VIII, S. 427 ff.; zur Genese des Ausdrucks vgl. Nachweis bei Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 45 (Fn. 21). 114 Vgl. Nachweise bei Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 11 ff.; Ha, Untauglicher Versuch S. 90 ff. IIS Vgl. Schmidt, in: v.LisztJSchmidt, Lehrbuch 6 , § 45.III, S. 314, wonach etwa der Schuß mit dem unerkannt ungeladenen Gewehr deshalb als ein tauglicher, weil gefahrlicher Versuch angesehen wird, weil die Tatsache, daß das Gewehr ungeladen war, erst nachträglich aufgedeckt wurde; dazu zu Recht kritisch Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 13. 116 In: FS Stock, S. 89 (105 ff.).
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B. Auslegung durch die Literatur
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indem er sich an die oben bereits angesprochene Lehre vom Mangel am Tatbestand ll7 anlehnte. Demnach sei die ex-ante-Betrachtung nur auf die Gefährlichkeit der Handlung zu beziehen, hingegen das Vorliegen der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen nachträglich (ex post) festzustellen. Die Straflosigkeit des mit geeigneten Mitteln versuchten Schwangerschaftsabbruchs an einer Nichtschwangeren wäre daher mit der aus der Rückschau festzustellenden Ungefahrlichkeit zu begründen, während die Strafbarkeit derselben Handlung an einer Schwangeren von der ex ante festzustellenden Gefahrlichkeit der verwendeten Mittel abhängen würde. Diese Ansicht muß jedoch letztlich dieselbe Kritik gewärtigen wie die Lehre vom Mangel am Tatbestand, nämlich insbesondere, daß dadurch die grundsätzliche materielle Gleichwertigkeit aller Tatbestandsmerkmale mißachtet wird 1l8 . Abgesehen davon ergibt sich jedoch noch das weitere Problem, daß eine ex ante ungefahrliche, da (scheinbar) ungeeignete Handlung aus zu diesem Zeitpunkt unbekannten Gründen doch zum Erfolg führen kann, ex post gesehen also sehr wohl gefahrlich war. Die Zurückdrängung der ex-post-Betrachtung durch die Einführung des Begriffs der "nachträglichen Prognose" soll nach Spendel 1l9 daher nur dann gelten, wenn eine nachträglich als ungefahrlich erkannte Handlung auf die Gefährlichkeit zur Tatzeit zu untersuchen sei, nicht jedoch, wenn die Handlung sich im nachhinein als gefährlich herausgestellt habe; in diesem Fall soll allein die ex-postBetrachtung ausschlaggebend bleiben 120. Diese Probleme bei der Ermittlung des für das Gefährlichkeitsurteil erforderlichen Tatsachenmaterials sind jedoch keine auf die Spitze getriebenen Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall, sondern sie entlarven ein schon im Ansatz der objektiven Versuchstheorie liegendes Grundproblem. So stringent es erscheint, nur die objektiv gefahrliche Handlung bestrafen zu wollen und dadurch zumindest den nicht strafwürdigen untauglichen Versuch zu eliminieren, so übersieht diese Prämisse, daß der Begriff der Gefährlichkeit für sich genommen keinerlei Auskunft darüber zu geben vermag, ob eine Weiterentwicklung des Geschehens tatsächlich zur Verwirklichung des angestrebten Erfolges, also der Rechtsgutsverletzung, geführt hätte. Zwar mag die Gefahr, unter welchen Schwierigkeiten auch immer, objektivfeststellbar sein l2l , wenn
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In diesem Zusammenhang vgl. insbesondere Schmidt, in: v.LisztJSchmidt, Lehr6 , S. 312 Anm.5. 118 Vgl. nur Ha, Untauglicher Versuch S. 100 f.; Weigend, in: Hirsch/Weigend, Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 113 (114, insbesondere Anm.5 m. w. N.); s. auch oben unter B.Il.l.b.(I), S.31 f. 119 AaO, S. 104. 120 Dieses Problem muß sich in verstärktem Maße auch Hirsch, FS Arthur Kaufmann, S. 545 (560), stellen, der beim objektiven Versuch nur die Gefährlichkeit der Handlung als strafbegründend ansieht, nicht erst die Herbeiflihrung einer Gefahr. 121 Kaum noch nachvollziehbar ist dabei allerdings die Behauptung von Spendel, FS Stock, S. 89 (95), wenn sich seiner Meinung nach die versuchte Tötung - etwa durch 117
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auch unter dem Gesichtspunkt einer stark subjektivierten ex-ante-Betrachtung 122 . So definiert Gallas die konkrete Gefahr als eine Verschlechterung der Lage des betroffenen Rechtsguts: "Die Existenz oder Integrität des Guts sind tatsächlich in Frage gestellt, und die Krise, in die es damit geraten ist, besitzt, wie etwaige Reaktionen der Umwelt oder Abwehrmaßnahmen des Rechtsgutsträgers zeigen, ,soziale Realität' unabhängig davon, ob tatsächlich etwas passiert oder die Krise sich als nur vorübergehend erweist" 123. Es zeigt sich damit aber zugleich, daß es flir die Feststellung der Gefahr nicht nur keine Rolle spielt, daß es im folgenden zu keiner Rechtsgutsverletzung gekommen ist, sondern es ebenso belanglos ist, daß es zu einer solchen unter Umständen gar nicht kommen konnte, weil die Handlung hierfür schlicht ungeeignet war l24 • Umgekehrt zeigt sich aber auch, daß eine ex ante ungefährliche Handlung sich tatsächlich als zur Erfolgsherbeiführung geeignet herausstellen kann. Der oben geschilderte Rettungsversuch Spendeis, der in diesem Fall die ex-postBetrachtung ausschlaggebend sein lassen will, hilft hingegen nur in den Fällen weiter, in denen es tatsächlich zum Erfolgseintritt gekommen ist, nicht jedoch in den eigentlich problematischen Fällen, in denen dieser ausgeblieben ist 125 . einen Messerstich in den Bauch - von einer vorsätzlichen Körperverletzung - etwa durch den identischen Stich! - schon äußerlich unterscheide, nämlich daß erstere zusätzlich eine Lebensgefährdung darstelle; damit bereitet Spendel der Kritik an der objektiven Versuchstheorie selbst den Boden, wonach dem Tatentschluß als subjektivem Element zentrales Gewicht für die Begründung des Versuchsunrechts zuzukommen hat; vgl. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 50. 122 Bereits v.Liszt, Lehrbuch 21122 , § 47.II.2, S. 200, hat festgestellt, daß man unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Prognose weitgehend zu denselben Ergebnissen gelangt wie die damals schon von der Rechtsprechung zum Versuch vertretene subjektive Theorie. Dennoch bleibt der Maßstab, an dem die Gefahr gemessen werden soll, ein objektiver, der lediglich durch subjektive Unkenntnis eingeschränkt wird. Dies zeigt sich v.a. bei v.Hippel, Strafrecht II, § 30.VIII.5b, S.429, wenn er die Nichtbestrafung der "harmlosen" Fälle hervorhebt. 123 In: FS Heinitz, S. 171 (176). 124 Vgl. nur Oehler, Das objektive Zweckmoment, S. 112. Es verwundert daher nicht, wenn Spendei, FS Stock, S. 89 (107), im klassischen Fall, in dem der Taschendieb in die leere Manteltasche greift, letztlich wieder auf die subjektive Theorie ausweichen muß (vgl. schon aaO, S. 95), da er, sofern nur das Opfer überhaupt etwas "Stehlbares" mit sich führt, die Gefahr deshalb bejaht, weil in diesen Fällen die Handlung "durchaus geeignet erscheint"; ob der Griff in die leere Tasche hingegen objektiv geeignet bzw. objektiv tauglich war, ist damit nicht beantwortet. Die diesbezügliche Kritik von Wolter, Objektive und personale Zurechnung, S. 87 f., ist daher durchaus berechtigt. Wolter, aaO, S. 85 ff., selbst ist jedoch ebenfalls zu widersprechen, wenn er die Tauglichkeit allein an der Gefährdung messen will: Daß der versuchte Schwangerschaftsabbruch an einer Nichtschwangeren eine Gefährdung für das Rechtsgut darstelle (soweit noch zutreffend) und damit tauglich gewesen sei, überschreitet die Wortlautgrenze des TaugIichkeitsbegriffs. 125 Stratenwerth, FS Gallas, S. 227 (229 ff.), schlägt daher genau aus diesem Grunde bei der Frage nach der Risikoerhöhung als Voraussetzung der Zurechnung eines Erfolges eine reine ex-post-Betrachtung vor, die den Eintritt des Gefahrerfolgs mitberücksichtigt, da anderenfalls Ungewißheiten zu Lasten des Täters gehen würden. Auch
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Man kommt daher nicht umhin festzustellen, daß der Begriff der Gefahr keinerlei Aussage darüber zu geben imstande ist, ob eine Handlung - sei sie gefährlich, sei sie sogar gefahrverursachend - zur Herbeifiihrung eines Erfolges tauglich ist l26 . Darüber hinaus beinhaltet der Gefahrbegriff auch eine Unschärfe in zeitlicher Hinsicht. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Gefährdung des Rechtsguts schon in der ersten "noch so unscheinbaren Vorbereitungshandlung" enthalten und von da an in einem ständigen Steigen begriffen ist 127. Will man hingegen eine zeitliche Eingrenzung durch die Beschränkung auf eine unmittelbare oder konkrete Gefahr erreichen, so schlägt damit das Pendel in die andere Richtung aus, da dann der unbeendete Versuch stets straflos wäre 128. Für die Begünstigung würde allerdings weniger der Umstand, daß die Figur des unbeendete Vorteilssicherungsversuchs straflos bleiben soll, Kopfzerbrechen bereiten als vielmehr die Tatsache, daß dieser unbeendete Versuch durchaus geeignet sein kann, die Vorteilssicherung herbeizufiihren. Die von der herrschenden Meinung gesteckte Vorgabe einer tatbestandlichen Eingrenzung des § 257 StGB würde damit verfehit l29 .
(2) Adäquanz bzw. Zurechnung als Tauglichkeitskriterium
Vermag somit der Begriff der Gefahr nicht die Brücke zu schlagen hin zur nicht eingetretenen Rechtsgutsverletzung, so läßt sich dieses Manko auch nicht durch Äquivalenz- oder Adäquanzüberlegungen 130 beheben, da diesen jegliche dieser Aspekt macht deutlich, daß das Kriterium der Gefahr im Rahmen des Versuchs, bei dem es ja gerade nicht zu diesem Erfolg gekommen ist, nicht Platz greifen kann. 126 Oehler, Das objektive Zweckmoment, S. 121, ist daher vollumfanglieh zuzustimmen, wenn er zu dem Schluß kommt, daß es beim tauglichen Versuch auf dessen gefahrlichen oder ungefahrlichen Charakter gar nicht ankomme; freilich läßt er uns bei der Definition der Tauglichkeit im Stich. 127 So Treplin, ZStW 76 (1964), 441 (442), der offenbar tatsächlich die Strafbarkeit des Versuchs in diesem Stadium beginnen lassen will. Wer wie Dicke, JuS 1968, 157 (161), und neuerdings wieder Hirsch, FS Arthur Kaufmann, S.545 (560 f.), auf die bloße Gefahrlichkeit der Versuchshandlung abheben will, kann einer zu weiten Vorverlagerung kaum entrinnen. Zu Recht halten daher Berz, Jura 1984, 511 (513), und SK, Rudolphi, § 22 Rn. 10 (jeweils m. w. N.), den Gefahrbegriff für untragbar. 128 So Berz, Jura 1984, 511 (513); dies gesteht auch Weigend, in: Hirsch/Weigend, Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 113 (128), zu. 129 Im übrigen entstünde dadurch im Rahmen der (straflosen) versuchten Begünstigung ein bizarres Nebeneinander einerseits von unbeendeten, wiewohl geeigneten und andererseits beendeten, jedoch ungeeigneten Vorteilssicherungsversuchen; in diesem Sinne in der Tat LK II , Ruß, § 257 Rn.19. 130 S. dagegen v.Hippel, Strafrecht 11, § 30.VIII.6, S. 430; Sauer, Allgemeine Strafrechtslehre, § 17.I.2b S. 98 f.; zuletzt wieder Treplin, ZStW 76 (1964),441 (450). 4'
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I. Abschnitt: Kritische Einflihrung
"prognostische Kraft" fehlt l31 . Denn die Feststellung von Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie kann stets nur die Zurückfiihrung eines Erfolges auf bestimmte Ursachen leisten, was jedoch zwingend das Vorhandensein des Erfolges voraussetzt. Liegt ein solcher Erfolg vor, so stellt sich die Frage, inwieweit die ausufernde Äquivalenztheorie eingeschränkt werden muß, um zu der Aussage gelangen zu können, daß ein Täter fiir diesen Erfolg strafrechtlich "haftbar" gemacht werden kann. In Betracht kommen diesbezüglich etwa die Adäquanztheorie 132 oder die "Risikoerhöhungslehre" 133, seien sie lediglich Ergänzung zur Kausalitätsfeststellung oder gar eigenständige l34 Zurechnungslehren. Ziel ist es dabei, den Täter nicht fiir zufallig eingetretene Erfolge haftbar zu machen. Was "Zufall" ist, kann jedoch nur aus der Handlungssituation heraus bestimmt werden, also aus einer ex-ante-Sicht. Um diesen Punkt ranken sich Ausdrücke wie "Vorhersehbarkeit" des Erfolges, Schaffung eines "rechtlich relevanten Risikos"l35, im Hinblick auf den Erfolg "zweckhaft gesetztes Verhalten,,'36 und so fort. Es liegt daher scheinbar nichts näher, als gen au diese Kriterien auf den Versuch zu übertragen: Soll nicht fiir einen nur zufallig eingetretenen Erfolg gehaftet werden, so auch nicht fiir eine erfolglos gebliebene Handlung, wenn der Erfolg nur zufallig hätte eintreten können 137 • So einleuchtend diese Parallele erscheint, so wenig hilft sie fiir die eigentliche Frage im Rahmen der objektiven Versuchstheorie weiter, ob nämlich eine Versuchshandlung zur Herbeifiihrung des nicht eingetretenen Erfolges geeignet war oder nicht. Denn die Fälle, in denen der eingetretene Erfolg nicht als adäquate Folge der Handlung begriffen werden kann, lassen sich ohne weiteres auch als untaugliche, zum Teil sogar als abergläubische Versuche entlarven 138 • Die entscheidende Frage beim versuchten Delikt geht jedoch nicht dahin, ob der Erfolg, denkt man ihn nur als eingetreten, dem Täter zurechenbar wäre, sondern ob der Erfolg überhaupt hätte eintreten können. Diejenigen Autoren, Vgl. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 51. So etwa Engisch, Kausalität, S. 44 ff. und 58 f. 133 Vgl. nur Jescheck/Weigend, AT, § 28.IV, S. 286 ff.; Roxin, FS Honig, S. 133 ff.; SchajJstein, FS Honig, S.169 (171 ff.); Schmidhäuser, AT, Lehrbuch, 8/63 ff., S. 228 ff.; SK, Rudolphi, Vor § I Rn.57 ff. 134 Kritisch insoweit zur Herausbildung eines Risikostrafrechts Kuhlen, GA 1994, 347 (361 f.). U. Weber, ZStW-Beiheft 1987, 1 (3 f.), weist zu Recht auf die sowohl haftungserweiternde als auch -beschränkende Funktion des Risikogedankens hin. 135 Roxin, FS Honig, S. 133 (135). 136 Honig, FS Frank, Band I, S. 174 (188). 137 So v.Hippel, Strafrecht II, VIlI.6, S. 430; speziell flir die Übertragung auf die Begünstigung vgl. Geppert, Jura 1980, 269 (275). 138 Darauf weist auch Albrecht, Der untaugliche Versuch, S. 9, hin, der dies dem Einfluß des "wallfahrenden Bayern" bei Feuerbach, Lehrbuch, § 42 Anm.3, S. 72, zuschreibt: Die Absicht, seinen Nachbarn totzubeten, sei zwar unmoralisch, nicht jedoch strafbar. 131
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die den tauglichen Versuch mit der Adäquanztheorie zu ermitteln versuchen, wenden sie in Wirklichkeit mit umgekehrten Vorzeichen an: Es soll dann ein strafbarer Versuch vorliegen, wenn der Nichteintritt des Erfolges nicht adäquate Ursache der Handlung war, sondern aus der Handlungssituation heraus als nicht beherrschbarer Zufall erscheint. Daß diese Umkehrung zu keinen brauchbaren Ergebnissen zu führen imstande ist, ergibt sich bereits daraus, daß der Nichteintritt eines Erfolges, also ein ontologisches Nullum, sich nur schwerlich als Folge einer Handlung begreifen läßt. Aus diesem Grunde lassen sich die Ursachen für das Scheitern des Versuchs auch nicht eindeutig entweder der Handlung des Täters (dann adäquat) oder einem von ihm nicht beherrschten Umstand (dann zufällig) zuordnen. Die Zurechnungslehren helfen somit nicht über die grundsätzlichen Probleme bei der Ermittlung eines tauglichen Versuchs hinweg.
c) Die Begünstigung als Herbeiflihrung einer Vorteilssicherungsgefahr Angesichts dieses unbefriedigenden Zustands der objektiven Versuchstheorie ist es nur allzu verständlich, wenn man sich von der Einstufung der Begünstigung als wie auch immer qualifiziertem Vorteilssicherungsversuch zu distanzieren sucht. Tut man dies, indem man die Begünstigung ausschließlich den Gefährdungsdelikten zuordnee 39 , so sollte an sich zu erwarten sein, daß sämtliche mit der Ermittlung eines tauglichen Versuchs behafteten Probleme umgangen werden, insbesondere angesichts der Tatsache, daß diese bei den Gefährdungsdelikten im allgemeinen und den sogenannten Eignungsdelikten im besonderen nicht annähernd in dieser Weise auftreten. Betrachtet man allerdings gerade die Kategorie der Eignungsdelikte 140 näher, so erweist sich deren Behandlung im Rahmen der Gefährdungsdelikte als keineswegs geklärt. Dabei wäre es sicherlich ein zu enger Ansatz, wollte man sämtliche Eignungsdelikte diesbezüglich einheitlich einstufen. Fraglich wäre zudem, ob die Begünstigung 139 Um weIche Art von Gefährdungsdelikten es sich dabei bei der Begünstigung handeln soll, wird von den wenigen Autoren, die sich mit dieser Frage beschäftigen, völlig unterschiedlich beantwortet: Theissen, Begünstigungshandlung, S. 53-149, plädiert für ein konkretes Gefährdungsdelikt, eramer, Vollrauschtatbestand, S. 73, Jescheck/Weigend, AT, § 26.II.2., S. 265, und Dtto, Grundkurs, § 57, I.2, S.269, dagegen für ein abstraktes; Hirsch, FS Arthur Kaufmann, S. 545 (562), präzisiert hingegen wohl nur letztere Ansicht, indem er in der Begünstigung ein konkretes Gefährlichkeitsdelikt sieht. Küper, BT, S. 174, stuft die Begünstigung gar als Gefährdungsdelikt eigener Art ein. 140 Um die dogmatische Durchleuchtung dieser Kategorie hat sich Hoyer in seiner gleichnamigen Dissertation von 1987 verdient gemacht, wobei die von ihm behandelten Eignungsdelikte im formellen Sinne, bei denen das Eignungsmerkmal ausdrücklich im Tatbestand auftaucht, von denen im materiellen Sinne zu unterscheiden seien, bei denen eine Qualifizierung in diesem Sinne erst gesondert geprüft werden müsse, vgl. für die Begünstigung aaO, S. 199.
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I. Abschnitt: Kritische Einftlhrung
- verlangt man mit der herrschenden Meinung eine zur Vorteilssicherung geeignete Handlung - zu dieser Kategorie hinzuzurechnen wäre. Nicht in Frage gestellt werden sollte hingegen, daß dem Begriff der Eignung innerhalb des Strafrechts nur eine einheitliche Bedeutung zukommen kann, sei es, daß bereits der Gesetzgeber diesen Begriff verwendet, sei es, daß die Auslegung eines Tatbestands zur Notwendigkeit einer Einschränkung durch dieses Merkmal fiihrt 141 •
(1) Die Eignungsdelikte als abstrakte oder konkrete Gefährdungsdelikte
Wie sich gezeigt hat, verwendet das StGB nicht selten das Kriterium einer Eignung, um deutlich zu machen, daß ein bestimmter Erfolg, der klarstellt, wozu eine Eignung vorliegen muß, zwar nicht eingetreten, jedoch eine gewisse Tendenz zu seiner Erreichung geschaffen sein muß. Fraglich ist jedoch, ob dieser Zustand als "Gefahr" umschrieben werden kann. Tut man dies, so ist im einzelnen fraglich, ob es sich bei den Delikten, die eine bestimmte Handlungseignung verlangen, jeweils um abstrakte 142 oder konkrete Gefahrdungen handeln muß. Schröder 143 folgert aus der Tatsache, daß bei diesen Delikten die durch eine geeignete Handlung herbeizufiihrende Gefahrdung nicht lediglich gesetzgeberisches Motiv war, sondern vom Richter jeweils festzustellen ist, daß es sich bei den Eignungsdelikten entweder um konkrete Gefahrdungsdelikte handele, oder, falls der Richter aufgrund der gesetzlichen Bestimmung nur generelle Maßstäbe zur Ermittlung der Eignung anzulegen habe, um sogenannte abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte. Dem hält jedoch Gallas 144 entgegen, daß auch im Rahmen eines abstrakten Gefahrdungsdeliktes die Aufgabe einer richterlichen Überprüfung der Eignung keineswegs denknotwendig ausgeschlossen, die Konstruktion der abstrakt-konkreten Gefahrdungsdelikte daher überflüssig sei. Letztlich sieht aber auch er in denjenigen Eignungsdelikten, die sich gegen ein bestimmtes Rechtsgut richten, ebenfalls konkrete Gefährdungs-
141 Es genügt daher nicht, wenn Theissen, Begünstigungshandlung, S. 84 ff., lediglich auf die Unvereinbarkeit des Eignungsbegriffs von Hoyer mit der Begünstigung hinweist; vielmehr ist entweder die von Hoyer, Eignungsdelikte, S. 107 ff. und 197 ff., gefundene Definition der Eignung unzutreffend oder die von der h.M bei der Begünstigung geforderte Beschränkung auf zur Vorteilssicherung geeignete Handlungen ist unzutreffend. 142 Gegen diesen Begriff wendet sich mit guten Gründen Hirsch, FS Arthur Kaufmann, S. 545 (550, 558), der statt dessen diesen Bereich in abstrakte und konkrete Gefährlichkeitsdelikte unterteilen will. 143 .TZ 1967, 522 (525). 144 In: FS Heinitz, S. 171 (172 ff.); ihm folgen Jescheck/Weigend, § 26.11.2., S. 264, und Roxin, AT I, § II Rn.127, S. 344.
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delikte l45 , so daß beide Autoren die Begünstigung als konkretes Gefährdungsdelikt einstufen würden. Es verwundert jedoch nicht, daß manche Stimmen angesichts der schlichten Funktion des Eignungsmerkmals, die bloße Handlung in Vorteilssicherungsabsicht lediglich tatbestandiich einzugrenzen, es für ausreichend erachten, daß eine abstrakte Gefahr der Vorteilssicherung hervorgerufen werde l46 . Daß es dabei nicht etwa um die Herbeiführung einer Gefahr einer (Vorteilssicherungs-) Gefahr und damit um die praktisch kaum abgrenzbare "Wahrscheinlichkeit einer wahrscheinlichen Gefahrverwirklichung" geht 147, weist Hirsch 148 nach, indem er auf die der konkreten Gefahr vorgelagerte Gefährlichkeit der Handlung hinweist, wobei eine bloß abstrakt gefährliche Handlung den Bereich des Strafbaren noch nicht überschreite, sondern nur eine konkret gefährliche l49 • Demnach sollen zumindest diejenigen Eignungsdelikte, die keine konkrete Gefährdung eines Rechtsguts voraussetzen l50 , als "konkrete Gefährlichkeitsdelikte" eingestuft werden, insbesondere also auch die Begünstigung. Gegenüber der Einstufung als konkretes Geflihrdungsdelikt bedeutet dies also eine erhebliche Erweiterung des Tatbestands. Die Durchsicht der zu den Eignungsdelikten vertretenen Auffassungen erweist somit zweierlei: Zum einen fällt es offensichtlich schwer, aus der bloßen Vorgabe, daß eine - tatbestandlich nicht näher umschriebene - Handlung zu einem bestimmten Erfolg geeignet sein müsse, den Straftatbestand einer bestimmten Kategorie von Gefährdungsdelikten zuzuordnen. Zum anderen, und das muß angesichts dieser Schwierigkeiten überraschen, wird von niemandem in Frage gestellt, daß das Tatbestandsmerkmal der Eignung wenn nicht gar eine bestimmte Gefährdung, so doch zumindest eine Gefährlichkeit einer Handlung umschreibt. Zuzugeben ist, daß die Dinge sprachlich eng beieinander liegen: Eine konkrete Eignung könnte eine konkrete Gefahr verlangen, eine abstrakte Eignung eine abstrakte Gefahr (bzw" um mit Hirsch zu sprechen, eine konkrete Gefährlichkeit). Daß dem nicht ohne weiteres so ist, offenbart bereits ein Blick 145 Vgl. aaO, S. 182; ferner Theissen, Begünstigungshandlung, S. 69 f; diesem Unterscheidungskriterium muß entgegengehalten werden, daß auch ein individuelles Rechtsgut abstrakt gefährdet werden kann; so auch die h.M. zu den §§ 126, 130, 140 Abs. 1 Nr.2 und § 166 StGB, vgl. Sch/Schr25 , Lenckner, § 126 Rn.9. Ebenfalls kritisch zur Auffassung von Gallas: Hoyer, Eignungsdelikte, S. 26 f. 146 S. eramer, Vollrauschtatbestand, S. 73, Jescheck/Weigend, AT, § 26.11.2., S.265 und Ouo, Grundkurs, § 57, I.2, S. 269. 147 So der Einwand von Theissen, Begünstigungshandlung, S. 67 f 148 In: FS Arthur Kaufmann, S. 545 (550 f, speziell zur Begünstigung 562). 149 Ganz ähnlich argumentiert Hoyer, Eignungsdelikte, S. 97 ff, und JA 1990, 183 (187), wenn er von der Schaffung einer "Gefahrenquelle" spricht, die konkret in Augenschein zu nehmen sei; zur konkreten Gefahr fehle es lediglich an einem Kontakt mit einem Rechtsgutsobjekt. 150 Hirsch, FS Arthur Kaufmann, S. 545 (562), läßt nicht eindeutig erkennen, ob Eignungsdelikte überhaupt noch als konkrete Gefährdungsdelikte eingestuft werden können.
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
auf die §§ 126, 130, 140 Abs. 1 Nr.2, § 166 StGB: Während einhellig stets eine konkrete Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens verlangt wird, sieht zumindest die herrschende Meinung in diesen Normen dennoch abstrakte Gefährdungsdelikte l51 . Man muß daher die Möglichkeit ins Auge fassen, daß sich die Kategorien "Eignung" und "Gefährdung" entweder nicht decken oder daß sogar "Eignung" eine ganz andere Bedeutung hat als "Gefährdung". Letztere Variante könnte uns angesichts der oben gefundenen Erkenntnis, daß die Feststellung einer Gefahr keinerlei Auskunft über die Tauglichkeit eines Versuchs zu geben vermag, nicht völlig überraschen.
(2) Definition des Eignungsbegrijft Bei näherem Hinsehen bestätigt sich in der Tat diese Vermutung, daß die Feststellung, ob eine Handlung oder ein Umstand zur Herbeiflihrung eines bestimmten Erfolges geeignet ist, durch das Gefahrkriterium ebensowenig getroffen werden kann, wie die Tauglichkeit eines Versuchs hierdurch definiert werden kann. Besinnt man sich auf den natürlichen Wortsinn der Begriffe, so liegt der Grund daflir auf der Hand. Denn sowohl die Tauglichkeit eines Versuchs als auch die Eignung einer Handlung zu einem bestimmten Erfolg schöpfen ihre Qualität aus einer Beziehung zu eben diesem Erfolg, der jedoch ein hypothetischer ist. Und wie sich gezeigt hat, liegt darin gerade der erhebliche Unterschied zum Begriff der Gefahr. Ob nur eine gefährliche Handlung vorgenommen wurde oder sogar eine Rechtsgutsgefährdung herbeigeflihrt wurde, in beiden Fällen ist es denkbar, daß es unter Umständen auch gar nicht zur Verwirklichung der Gefahr hätte kommen können. Für den Begriff der Gefahr bzw. der Gefährlichkeit spielt dies auch keine Rolle I52 . Dagegen geht der Begriff der Eignung einerseits darüber hinaus, andererseits bleibt er dahinter zurück. Mehr als Gefahr wird insoweit verlangt, als eine zur Erfolgsherbeiftihrung geeignete Handlung niemals vorliegen kann, wenn es zu diesem Erfolg gar nicht kommen konnte. Ein Weniger gegenüber der Gefahr liegt insoweit vor, als ein Erfolg nicht nur durch eine (die Gefahr unmittelbar verursachende) 151 Nachweise vgl. Sch/Schr25 , Lenckner, § 126 Rn.9. Hoyer, JA 1990, 183 (184), vernebelt die Lage etwas, wenn er bei diesen Delikten von "verkappten konkreten Gefahrdungsdelikten" spricht. 152 Dies übersieht Hoyer, Eignungsdelikte, S. 95 ff., und JA 1990, 183 (187), wenn er meint, die Eignung bzw. abstrakte Gefährdung stets dann feststellen zu können, wenn es lediglich am Kontakt mit dem Rechtsgutsobjekt gefehlt habe; daß sich Handlung und Handlungsobjekt solchermaßen nicht trennen lassen, zeigt das Beispiel eines Boxkampfes: Ob das Verfehlen des Gegners an dessen Reaktion oder an der Qualität des eigenen Hiebes lag, läßt sich schlechterdings nicht auseinanderhalten; gefährlich hinsichtlich einer Körperverletzung sind die in Richtung des Gegners abgegebenen Schläge allesamt, gefährdend wohl nur die "guten", zur Verletzung geeignet nur die wenigsten.
B. Auslegung durch die Literatur
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Handlung hervorgerufen wird, sondern durch eine Vielzahl von geeigneten Einzelakten, die zum Teil dem angestrebten Erfolg noch weit vorgelagert und daher alles andere als gefährlich sind l53 . Es muß daher im Rahmen der sogenannten Eignungsdelikte jedes Operieren mit dem Gefährdungs- oder Gefahrlichkeitsgedanken ebenso scheitern wie beim tauglichen Versuch l54 . Dies läßt sich an der Frage verdeutlichen, welches Tatsachenmaterial dem Gefahr- oder Gefahrlichkeitsurteil zugrunde zu legen ist, bei dem die zum Tatzeitpunkt nur unvollständige Kenntnis eines objektiven Beobachters hinsichtlich der zukünftigen Geschehnisse (ex-ante-Betrachtung) nicht unberücksichtigt bleiben darf. So stellen die Ausfiihrungen von Gallas 155 gleichsam eine Fortfiihrung der Diskussion um den objektiven Versuch dar, wenn er den "eigentümlichen Dualismus von ex-ante- und ex-postBeurteilung,,156 dadurch aufzulösen versucht, daß zwar einerseits sämtliche Tatsachen zu berücksichtigen seien, die im nachhinein überhaupt bekannt oder bekannt geworden sind (ex post), andererseits von diesen Tatsachen jene unberücksichtigt bleiben sollten, die zum Zeitpunkt der Handlung (ex ante) noch nicht vorgelegen hätten. Will er damit aber zugleich die Grundlage fiir die Ermittlung des Eignungsbegriffs schaffen, so geht dies an der Sache vorbei. Denn fiir die Frage, ob eine bestimmte Handlung zur Erfolgsherbeifiihrung . ' ex-ante- noch eme . ex-post-B etrachtung 157 . Ist geeignet war, gl'b t es wed er eme der Erfolg eingetreten, so ist jede hierzu adäquat-kausale bzw. objektiv zurechenbare Handlung zugleich eine geeignete Handlung, oder umgekehrt mit Hoyer gesagt: Eignung ist die "Qualität eines Ausgangssachverhalts, ... den Bezugssachverhalt hervorbringen zu können,,158. Dasselbe muß jedoch auch fiir den Fall gelten, daß der Erfolg nicht eingetreten ist. Der Unterschied besteht nunmehr nur darin, daß die Frage nach der Kausalität oder Adäquanz nicht 153 Um das Boxbeispiel zu ergänzen: Eine zur Körperverletzung geeignete Handlung stellt beispielsweise bereits das in der Kabine vorgenommene Einnähen von Bleigewichten in die Handschuhe dar. 154 Für die Vertreter der objektiven Versuchstheorie, die dies leugnen wollen, besteht daher konsequenterweise zwischen einem objektiven Versuch und einer konkreten Gefährdung nur ein Unterschied im Vorsatz, vgl. Spendet, FS Stock, S.89 (106 Anm.62). Dagegen kommt nach den subjektivistischen Theorien dem Tatentschluß entscheidende Bedeutung zu; vgl. Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 50 ff. Dies sieht auch Hoyer, Eignungsdelikte, S. 59 f., hält für die Eignungsdelikte jedoch am Gefährdungsgedanken fest. 155 In: FS Heinitz, S. 171 (177 ff.). 156 AaO, S. 179. 157 Vgl. Hoyer, Eignungsdelikte, S. 71: "Das Bestehen von Geeignetheit charakterisiert den Ausgangssachverhalt unabhängig von irgendeiner ex-ante-Erkennbarkeit oder Attestierbarkeit"; ferner Armin Kaufmann, ZtRV 1964, 41 (49): "Es ist apriori ausgeschlossen, axiologische Erwägungen bruch los in intellektuelle Tatsachenprognosen zu transferieren. " 158 In: Eignungsdelikte, S. 29.
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
mehr gestellt werden kann; man bewegt sich in einem hypothetischen Raum, der auch ex post hypothetisch bleibt. Es lassen sich in der Rückschau noch nicht einmal eindeutig die Ursachen dafür finden, die dazu geführt haben, daß eine Handlung nicht zum Erfolg geführt hat. Denn auch diese Feststellung setzt die Hypothese voraus, wie es denn überhaupt zum Erfolg hätte kommen können; eine Hypothese, die sich "ex ante" wie "ex post" immer gleich darstellt, nämlich spekulativ. Das Merkmal der Eignung zur Erfolgsherbeiführung kommt daher ohne diese Spekulation nicht aus l59 . Das Gesagte läßt nur den Schluß zu, daß es sich bei den sogenannten Eignungsdelikten weder um GeHihrdungs- noch um Gefahrlichkeitsdelikte handelt. Statt dessen lassen sie sich vielmehr als Delikte mit einem verselbständigten objektivierten Versuch kennzeichnen 160. Zwischen Tauglichkeit und Eignung ist nicht nur semantisch, sondern auch juristisch kein Unterschied. Betrachtet man einzelne Eignungsdelikte, so hat sich diese Erkenntnis in der Literatur zum Teil bereits durchgesetzt: Zum Beispiel wurde zu Recht die Vergiftung gemäß § 229 StGB aF überwiegend als Vorverlegung der Vollendung auf einen besonders schweren Körperverletzungsversuch verstanden 161. Bei den meisten Eignungsdelikten bleibt es dagegen beim Bestreben, eine Einordnung in die Gefährdungsdelikte zu finden l62 .
159 Hoyer, Eignungsdelikte, S. 60 und 122, verengt seinen Blick auf Fälle, in denen der Erfolg entweder eingetreten ist oder der Erfolgseintritt von vornherein inadäquat gewesen wäre - so etwa im Erbonkelfall, in dem der Erblasser in spe bei jedem Gewitter auf einen Hügel geschickt wird, damit der Blitz ihn treffe: In weniger eindeutigen Fällen, in denen der Erfolg ausgeblieben ist, läßt sich die Verletzungsursachentauglichkeit einer Handlung nicht ohne weiteres feststellen, schon gar nicht durch den Aspekt der Gefährdung bzw. der Überschreitung des erlaubten Risikos. Dies zeigt sich etwa auch bei Stratenwerth, FS Gallas, S. 227 (233), der die Gefahr bzw. Risikoerhöhung ausschließlich ex post beurteilen will, so daß die Wahrscheinlichkeitsurteile auf die Momente beschränkt bleiben, die auch im nachhinein nicht aufklärbar sind. Das Wahrscheinlichkeitsurteil ist jedoch bei der Frage nach der Handlungseignung - sofern der Erfolg ausgeblieben ist - ein umfassendes und daher zur Klärung der Eignungsfrage nicht brauchbar. 160 Ein Blick auf den Ausgangspunkt der objektiven Versuchstheorie und die Untersuchungen über die Eignunl;sdelikte läßt dies deutlich erkennen: Vgl. nur Schmidt, in: v.LisztiSchmidt, Lehrbuch I 6, § 44.1.3, S. 301 ("das Wesen des Versuchs ... [liegt] ... in der Beziehung des Geschehenen auf ein Nichtgeschehenes") mit Theissen, Begünstigungshandlung, S. 52 ("Die h.M. will mit dem Merkmal der Eignung zum Ausdruck bringen, daß ... eine objektive Beziehung zwischen der Begünstigungshandlung und dem Erfolg der Vorteilssicherung bestehen muß"). 161 Vgl. Trändie, § 229 Rn.I; Lackner/Kühl, § 229 Rn.I; LK IO , Hirsch, § 229 Rn.2; Sch/Schr25 , Stree, § 229 Rn.I. SK, Horn, § 229 Rn.2, bezeichnet die Vergiftung nur unter systematischem Gesichtspunkt als Körperverletzungsversuch, hält sie hingegen dogmatisch für ein konkretes Gefahrdungsdelikt; nach dem oben Gesagten ist dieser Dogmatik nicht zu folgen. 162 In diesem Rahmen ist auch der Begriff des "potentiellen Gefahrdungsdelikts" geprägt worden, vgl. Trändie, § 126 Rn.7; § 308 Rn.3; § 311 a Rn.I.
B. Auslegung durch die Literatur
59
Stuft man hingegen die Eignungsdelikte richtigerweise als gesetzliche Fälle eines - nicht durch ein Gefährdungskriterium zu umschreibenden - objektiven Versuchs ein, so müßte zu erwarten sein, daß sich insoweit dieselben Probleme ergeben wie im Rahmen der Feststellung eines tauglichen Versuchs. Dem ist jedoch nicht ganz so: Die Schwierigkeiten werden bei den Eignungsdelikten dadurch verringert, daß das Erfordernis der objektiven Eignung auf tatbestandlich vorgegebene Handlungen oder gar auf Gegenstände dieser Handlung beschränkt wird. So reduzierte sich die Eignungsfrage beispielsweise im Rahmen des § 308 Abs. 1, 2. Alt. StGB aF darauf, ob ein in Brand gesetzter Gegenstand seiner Lage und Beschaffenheit nach dazu geeignet war, das Feuer fremdem Eigentum mitzuteilen. In vergleichbarer Weise kam es bei § 229 Abs. 1 StGB aF nur auf die Eignung eines Stoffes zur Gesundheitszerstörung oder kommt es bei den §§ 186 f. StGB auf die Eignung einer behaupteten Tatsache zur Ehrverletzung an. Mit dieser jeweils vom Gesetz vorgegebenen Spezifizierung der Frage nach der Eignung werden die mit ihr grundsätzlich verbundenen Schwierigkeiten verringert, wenn auch nicht völlig aus der Welt geschafft. Denn trotz Eingrenzung bleibt die Frage nach der Eignung einer Handlung, einen Erfolg herbeizuführen, eine hypothetische, die davon abhängt, wie man sich den fiktiven Kausalverlauf hin zum Erfolg vorstellt. Das Erfordernis der Eignung einer bestimmten Handlung oder eines bestimmten Umstandes führt lediglich dazu, daß sich diese im Hinblick auf den vorgestellten Erfolg - wäre dieser eingetreten - als Kausalfaktoren erweisen müssen. Hingegen bleibt es bei allen anderen Tatumständen, die nicht vom Eignungserfordernis erfaßt sind, dabei, daß sie der Erreichung des hinter dem Delikt stehenden Erfolges geradezu zwingend entgegenstehen können 163 • Allerdings ist es ein nicht immer einfach zu bewältigendes Problem der Tatbestandsauslegung, welche Handlungsmerkmale tatsächlich objektiv geeignet sein müssen.
163 Hoyer, Eignungsdelikte, S. 182, und JA 1990, 183 (184), weist zu Recht darauf hin, daß die anderen Umstände bei der Eignungsfrage nicht völlig ausgeblendet werden könn~!1. Soll daher z. B. bei § 308 Abs. 1, 2.AIt. StGB aF das Wetter für die Eignung zum Ubergriff des Feuers keine Rolle spielen, so herrscht doch stets irgendein Wetter. Schräder, JZ 1967, 522 (525), will hingegen aus der Beschränkung der Eignung auf nur bestimmte Umstände eine Begrenzung der Strafbarkeit folgern; demnach sollen die Fälle nicht erfaßt werden, in denen das Feuer nur bei Windunterstützung hätte übergreifen können. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß Schräder nicht anzugeben vermag, welcher Wind denn statt dessen bei der Feststellung der Eignung maßgeblich sein soll; die Nichtberücksichtigung des Windes kann jedenfalls nicht ohne weiteres mit Windstille gleichgesetzt werden, ebensowenig wie die Nichtberücksichtigung des Wetters mit einem wie auch immer zu bestimmenden "normalen" Wetter. Ferner ist auch nicht zu leugnen, daß eine brennende Sache, die das Feuer nur bei Windunterstützung einer anderen Sache mitzuteilen vermag, damit zugleich wenigstens nach ihrer Lage und Beschaffenheit dazu geeignet ist. Die Beschränkung der Eignungsfrage auf bestimmte Faktoren bedeutet daher entgegen Schräder eine Ausdehnung der Strafbarkeit, weil bezüglich aller anderen Faktoren stets der aus Sicht des Rechtsguts hypothetisch schlechteste Fall angenommen werden muß.
60
I. Abschnitt: Kritische Einführung
So bedurfte es beispielsweise bei der Vergiftung gemäß § 229 StGB aFohne Zweifel der Feststellung, daß der beigebrachte Stoff zur Gesundheitszerstörung geeignet war. Anders als in § 308 Abs. 1, 2. Alt. StGB aF wurde die objektive Eignung auch nicht in einer bestimmten Weise eingeschränkt: Dort mußte der in Brand gesetzte Gegenstand lediglich seiner Lage und Beschaffenheit nach zur Übermittlung des Feuers auf einen anderen Gegenstand geeignet sein. Hingegen sollten im Rahmen des § 229 Abs. 1 StGB aF sämtliche die gesundheitszerstörende Wirkung des Giftes bildenden Faktoren berücksichtigt werden, also insbesondere auch die Qualität und Quantität des beigebrachten Stoffes l64 . Eine schwierigere Frage war es, ob durch die Inbezugnahme der Gesundheitszerstörung auch die körperliche Beschaffenheit des Opfers bei der Eignungsprüfung mitzuberücksichtigen war. Interpretierte man das Tatbestandsmerkmal "Gesundheit" als die menschliche Gesundheit überhaupt, so war diese Frage zu verneinen 165, wollte man hingegen die Gesundheit des konkreten Opfers in Bezug genommen wissen, so war diese Frage zu bejahen 166. Da der Gesetzeswortlaut nur von der Gesundheit schlechthin sprach, nicht von "dessen (sc. des Opfers) Gesundheit", dürfte darin ein - wenn auch nicht zwingendes - Argument für erstere Ansicht gelegen haben. Für unsere Betrachtung lassen sich daher an diesem inzwischen abgeschafften Tatbestand die im Rahmen der Eignungsdelikte vertretbaren Extrempositionen gut verdeutlichen: Soll es mit der ersten Ansicht nicht auf die körperliche Beschaffenheit des Opfers angekommen sein, so war der Stoff auch dann zur Gesundheitszerstörung geeignet, wenn diese offenbar nur aufgrund der unerschütterlichen Konstitution (oder eines zuvor eingenommenen Gegengifts) nicht eingetreten ise 67 . Die Gegenauffassung mußte in diesem Fall hingegen zum (hier strafbaren) Vergiftungsversuch gelangen.
Vgl. nur Sch/Schr 25 , Stree, § 229 Rn.4. So Hoyer, Eignungsdelikte, S. 162, der aber aus Erwägungen der Verfassungskonformität dann zu einer konkreten Betrachtung der Opferbeschaffenheit gelangen will, wenn der Täter diese in den Blick genommen hat und von dieser ohne Fahrlässigkeit auf die Ungeeignetheit seines Tuns schließen durfte. 166 So die ganz h.M., vgl. nur Sch/Schr 25 , Stree, § 229 Rn.4. 167 Wie bei den abstrakten Gefahrdungsdelikten läßt sich hier die Frage stellen, ob der Täter sich entgegen des Wortlautes des Gesetzes dadurch entlasten kann, wenn er diesen Umstand einkalkuliert haben will, vgl. Sch/Schr25 , eramer, Vorbem §§ 306 ff. Rn.4; instruktiv auch Hoyer, JA 1990,183 (185 f.), der auf das Irrtumsrisiko bei der Berücksichtigung einer solchen Kalkulation des Täters hinweist. Keine Frage der Entlastung des Vortäters stellt allerdings die Berücksichtigung des auf ein bestimmtes Opfer konkretisierten Vorsatzes des Täters dar: Bei der Frage, ob das einem Vierzigjährigen beigebrachte Gift überhaupt (also im denkbar ungünstigsten Fall, vgl. o. Fn. 163) hätte gesundheitszerstörend wirken können, darf also nicht die denkbar schwächste Konstitution eines Menschen überhaupt, etwa eines Säuglings, zugrunde gelegt werden, sondern lediglich die denkbar schwächste Konstitution einer mit dem konkreten Opfer vergleichbaren Person. 164 165
B. Auslegung durch die Literatur
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Die gesetzliche Vorgabe im Rahmen der Eignungsdelikte hat aber auch in anderer Hinsicht den Effekt, eine zur Erreichung eines bestimmten Erfolges geeignete Handlung tatbestandlich einzugrenzen. Denn das bloße Merkmal der Eignung bzw. Tauglichkeit verlangt durch seinen Erfolgsbezug nicht nur mehr als der Begriff einer Gefahr oder Gefahrlichkeit, sondern stellt, wie oben bereits angedeutet, im Hinblick auf die zeitliche und örtliche Nähe des hypothetischen Erfolgseintritts zugleich ein Weniger gegenüber der Gefahr des Erfolgseintritts dar. Denn geeignet sind letztlich alle Handlungen, die, wäre der Erfolg eingetreten, für diesen kausal gewesen wären, also einschließlich der Vorbereitungshandlung. Tatbestandiich sind hingegen nur die Handlungen, die den objektiven Tatbestand erfüllen 168 oder, im Falle der Strafbarkeit des Versuchs, dazu unmittelbar ansetzen. Bei den Eignungsdelikten sind daher ebenso sämtliche Handlungen - seien sie auch bereits hinsichtlich eines bestimmten Erfolges geeignet - noch nicht tatbestandlich, die die übrigen objektiven Tatbestandsmerkmale noch nicht erfüllen. So bedurfte es für die Vergiftung ge,äß § 229 StGB aF bzw. der gefahrlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. I Nr. 1 StGB in jedem Falle der Beibringung eines Stoffes, beim entsprechenden Versuch mindestens des unmittelbaren Ansetzens zur Beibringung, bei der Verleumdung einer unwahren Tatsachenbehauptung etc. Trotz der tatbestandlichen Einschränkungen bleibt im Rahmen der Eignungsdelikte im engeren Sinne dennoch ein gewisser Spielraum, in dem die Frage nach der tatsächlichen Eignung einer Handlung zu einem bestimmten Erfolg nur spekulativ zu beantworten ise 69 . Ob solche Nonnen noch dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entsprechen, braucht allerdings vorliegend nicht entschieden zu werden. Für unseren Zusammenhang ausschlaggebend ist vielmehr, daß sich vor dem Hintergrund dieser Zweifel leicht erkennen läßt, zu welchen Schwierigkeiten der Tatbestand der Begünstigung führen muß, sofern man die Tathandlung mit der herrschenden Meinung als ein zur Vorteilssicherung geeignetes Verhalten interpretieren will. Einerseits gibt der so verstandene Tatbestand keinen Anhaltspunkt dafür, welche Momente bei der Frage der tatsächlichen Eignung unberücksichtigt bleiben dürfen. Im Gegenteil: Es sind schlicht alle Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, die für oder gegen eine Eignung sprechen könnten. Insoweit unterscheidet sich jedoch die Begünstigung strukturell nicht von einer Verleumdung l70 , da auch bei die168 So simpel diese Feststellung klingen mag, erinnert sie doch daran, daß die Vollendung sich nach rein formellen Kriterien richtet und nicht etwa von der Herbeiführung eines bestimmten Zustandes hinsichtlich des geschützten Rechtsgutes abhängt; vgl. Berz, Jura 1984, 5 I I. 169 Kuhlen, GA 1994, 347 (362), spricht insoweit zutreffend von der "gesetzlich unterbestimmten Grundlage für die Beurteilung der Verletzungseignung eines Verhaltens". 170 Eine noch deutlichere Parallele ließe sich im Tatbestand des Mißbrauchs ionisierender Strahlen gemäß § 3 I I a Abs. 4 S. I StGB finden, da hier ebenso wie bei der
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I. Abschnitt: Kritische EinfUhrung
ser bezüglich der Eignung zur Ehrverletzung sämtliche Umstände in Betracht zu ziehen sind. Diese Feststellung der Eignung wird jedoch uferlos, wenn bei der Begünstigung hinzukommt, daß an die Handlung kein weiteres objektives Merkmal geknüpft ist: Der Täter muß keine unwahre Tatsache behaupten wie bei § 187 StGB, er muß schlicht handeln. So ergibt sich zwangsläufig, daß man auf das Grundproblem des Begriffs der Eignung zurückgeworfen ist, das sich bereits bei der Behandlung unseres Grundfalles (s. oben S. 20) gezeigt hat: Eine Handlung kann sich noch weit im Vorfeld des angestrebten Erfolges befinden und dennoch geeignet sein. Will man jedoch die Eignung durch Berücksichtigung sämtlicher denkbarer Umstände positiv feststellen, so ist letztlich der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Was bei den Eignungsdelikten, bei denen es sich um partiell objektivierte Versuchsdelikte handelt, noch mit mehr oder weniger großen Schwierigkeiten gelöst werden mag, ist bei einem reinen objektiven Versuchsdelikt, d.h. wenn nur noch die geeignete = taugliche Handlung bestraft werden soll, nicht mehr zu bewerkstelligen, ohne sich in vagen Plausibilitätserwägungen zu verlieren. Es zeigt sich also, daß die als Eignungsdelikt i.w.S. verstandene Begünstigung durch die Einordnung als Gefährdungs- oder Gefährlichkeitsdelikt zu demselben Problem fuhrt, vor dem auch die objektive Versuchstheorie stand: "Eignung" bzw. "Tauglichkeit" können mit den Begriffen "Gefahr" oder "Gefährlichkeit" nicht erklärt werden, da jene im Gegensatz zu diesen einerseits keine Herbeiführung eines bestimmten Zustandes des Rechtsguts verlangen, dafür aber eine tatsächliche Beziehung zu einem bestimmten Erfolg besitzen müssen, nicht nur eine (objektiv und ex ante) so empfundene. Soll die Begünstigung daher tatsächlich ein solches Eignungskriterium enthalten, kann die an die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit stoßende Unbestimmtheit dieses spekulativen Merkmals nicht durch eine letztlich willkürliche, da sachfremde Zuordnung zu einer bestimmten Art von Gefährdungsdelikt ausgeglichen werden.
3. Die Hilfeleistung als zur Vorteilssicherung geeignete Handlung in Entsprechung zum Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe?
Alle bislang besprochenen, zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung vertretenen Ansichten haben die Gemeinsamkeit, daß der "Hilfeleistung" allenfalls die Bedeutung beigemessen wird, den vertatbestandlichten VorteilssicheBegünstigung noch zusätzlich eine auf den durch eine geeignete Handlung herbeizufUhrenden Erfolg gerichtete Absicht verlangt wird.
B. Auslegung durch die Literatur
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rungsversuch zumindest teilweise zu objektivieren. Ein wirklich eigenständiger, allein aus dem Begriff der Hilfeleistung heraus zu erklärender Inhalt ist damit allerdings nicht gewonnen worden. Um so verdienstvoller ist es, wenn in der neueren Literatur zum ersten Mal wieder Vogler!7! hervorgehoben hat, daß es im wesentlichen allein die Hilfeleistung ist, die die objektive Tathandlung der Begünstigung ausmacht. Dabei versucht er, den Begriff der Hilfeleistung bei der Begünstigung weitgehend mit dem der Beihilfe zu hannonisieren 172 . Dabei kommt er allerdings zu dem Schluß, daß die von der herrschenden Meinung vertretene Interpretation der Begünstigungshandlung zutreffe, die hierfür eine zur Vorteilssicherung geeignete Handlung verlange. Haben unsere bisherigen Überlegungen gezeigt, daß es sich bei jenem Verständnis um nichts anderes als um die Bestrafung des tauglichen Vorteilssicherungsversuchs handelt, die Tauglichkeit hingegen objektiv nicht feststellbar ist, so stellt sich die Frage, ob es Vogler mit seiner Parallele zur Beihilfe tatsächlich gelungen ist, einen neuen Aspekt in den Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung einzuführen, oder ob auch der Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe, den er seinen Überlegungen zugrunde legt, auf die objektive Versuchstheorie zurückzuführen ist.
a) Der Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe nach der "Risikoerhöhungslehre" Um es vorwegzunehmen: Verfolgt man die im Rahmen der Beihilfe von einigen Autoren in der Literatur - zu denen mit Unterschieden im einzelnen auch Vogler zu zählen ist - vertretene "Risikoerhöhungslehre" in ihrer Entstehungsgeschichte zurück, so läßt sich feststellen, daß sie in der Tat da anknüpft, wo insbesondere die neuere objektive Versuchstheorie!73 ihren vorläufigen Endpunkt hatte. Wie wir gesehen haben, sollte gemäß jener Theorie das Vorliegen einer Gefahr für das geschützte Rechtsgut bzw. ein adäquater Zusammenhang zwischen Handlung und - nicht eingetretenem - Erfolg ausschlaggebend für die Feststellung sein, ob eine Handlung zur Tatbestandsverwirklichung tauglich bzw. geeignet war. Es hat sich jedoch gezeigt, daß die hierbei anzustellende "nachträgliche Prognose" keine Auskunft darüber zu geben vennag, ob eine Verknüpfung zwischen Handlung und nicht eingetretenem Erfolg in dem Sinne
171 In: FS Dreher, S. 405 (411); zuvor hatte schon Miehe, FS Honig, S. 91 (107 f.), das Merkmal der Hilfe betont, jedoch daraus im wesentlichen nur Konsequenzen flir das Rechtsgut abgeleitet. 172 Auf die Parallele zwischen Beihilfe und Begünstigung haben in der neueren literatur zuvor schon Salamon, Volkndete und versuchte Beihilfe, S. 143 ff., und Schaffstein, FS Honig, S. 169 (179), hingewiesen. 173 Vgl. insbesondere v.Hippel, Band 11, S. 425 ff., bzw. oben, B.III.2b, S.5!.
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
vorliegt, daß die Handlung, wäre der Erfolg eingetreten, für diesen kausal geworden wäre. Dennoch trug der Gedanke, die Gefahr für ein Rechtsgut durch eine nachträgliche Prognose zu ermitteln, außer bei den konkreten Gefahrdungsdelikten noch an anderer Stelle in der Strafrechtsdogmatik seine Früchte, und zwar bei der Frage nach der Zurechnung eines eingetretenen Erfolges. In diesem Rahmen entwickelten sich die Adäquanztheorie l74 und die "Risikoerhöhungslehre"l75. Ursprünglich wurden diese Lehren allerdings nur als Ergänzung zur primär festzustellenden Kausalität der Handlung für den Erfolg verstanden: Bei einer Handlung, die nicht fiir den eingetretenen Erfolg kausal war, erübrigt sich die Frage nach der Zurechnung. Jedoch geben auftretende Schwierigkeiten bezüglich der FeststeIlbarkeit von Kausalität im Sinne der Bedingungstheorie bis heute Anlaß, die Frage nach einer Zurechnung unabhängig von Kausalität zu erwägen l76 • Diesbezüglich ist anzumerken, daß die oben gegen die objektive Versuchstheorie vorgebrachten Einwände einer solchen Zurechnung allein aufgrund der Schaffung eines Risikos im Rahmen von Erfolgsdelikten nicht ohne weiteres entgegengehalten werden können. Denn das Problem, daß die Feststellung einer Risikoerhöhung bzw. Rechtsgutsgefahrdung nichts darüber auszusagen vermag, ob es überhaupt zur Verwirklichung dieses Risikos kommen konnte, stellt sich nicht, wenn es zu diesem Erfolg tatsächlich gekommen ist. In entsprechender Weise wurde jener Gedanke der Zurechnung ohne Kausalität von Salamon und Schaffstein 177 nunmehr fiir die Beihilfe fruchtbar zu machen versucht. Dieses Bemühen steht vor dem Hintergrund, daß sich bis heute der Streit im Rahmen der Beihilfe darum rankt, ob der Gehilfenbeitrag für den Erfolg der Haupttat kausal geworden sein muß 178 . Während insbesondere die Rechtsprechung sich mit einer Förderung der Handlung des Haupttäters beVgl. nur Engisch, Kausalität, S. 41 ff.; Frank, § I Anm.III.ld. Honig, FS R. von Frank, Band I, S. 174 (188), führte insoweit die Formel des im Hinblick auf den Erfolg zweckhaft gesetzten Verhaltens ein; vgl. ferner Roxin, FS Honig, S. 133 ff.; SK, Rudolphi, Vor § I Rn.57 ff. m. w. N. 176 Vgl. Armin Kaufmann, 1Z 1971, 569 (574 f.); Kuhlen, GA 1994, 347 (361 f.); Sch/Schr25 , Lenckner, Vorbem §§ 13 ff. Rn.7l. 177 S. Salamon, Vollendete und versuchte Beihilfe, S. 140 ff., sowie Schaffstein, FS Honig, S. 169 (170), der ausdrücklich an die jüngere objektive Versuchstheorie anknüpft. Im Grundsatz folgt ihnen auch Vogler, FS Heinitz, S. 295 (306 ff.). . 178 Zur in der Lehre herrschenden sogenannten "Verursachungstheorie", die im wesentlichen am Erfordernis der Kausalität fe?thalten will, vgl. hier nur Lackner, § 27 Rn.2; LK II , Roxin, § 27 Rn.2 ff.; Sch/Schr2 , eramer, § 27 Rn.IO; SK, Samson, § 27 Rn.9 f; TrändIe, § 27 Rn.2. Mit der reinen "Risikoerhöhungslehre", die auf ein Kausalitätserfordernis verzichtet, nicht zu verwechseln ist der von den meisten Vertretern der "Verursachungstheorie" befürwortete Rückgriff auf die Risikoerhöhung als ergänzendes Merkmal der objektiven Zurechnung. Zu den Einzelheiten vgl. unten, 2. Abschnitt, C.II.2a, S.168 f. 174
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B. Auslegung durch die Literatur
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gnügt179, dem Begriff der Förderung jedoch keine klaren Konturen zu geben vermag, stellt die Übertragung der "Risikoerhöhungslehre" auf die Beihilfe den Versuch dar, sich diesem Begriff der Förderung zu nähern. Der Verzicht auf das Kriterium der Kausalität wird dabei zum einen mit dessen Unbrauchbarkeit im Rahmen der Beihilfe begründet'80, zum anderen aber auch mit der Behauptung, daß der Gehilfe "außerhalb des Tatbestands" stehe l81 . Der Frage, ob dieser Verzicht auf Kausalität des Gehilfenbeitrags und damit die "Risikoerhöhungslehre" im Rahmen der Beihilfe zutreffend ist, kann an dieser Stelle offenbleiben, da es zunächst nur um das Resultat einer Übertragung dieser Lehre auf die Begünstigung gehen soll. Es ist daher das Bild zu untersuchen, das diese Lehre von der Beihilfe entwirft: Während Schaffstein durch das Aufgreifen der "nachträglichen Prognose" von v.Liszt und v.Hippel 182 die Beihilfe als konkretes Gefllhrdungsdelikt ansieht, unterscheidet sich Vogler davon insoweit, als er aufgrund der mangelnden Tatherrschaft des Gehilfen eine generelle Eignung des Gehilfenbeitrags zur Förderung der Haupttat genügen lassen wi1l 183 . Ob sich damit die Beihilfe als abstraktes oder abstrakt-konkretes l84 Gefährdungsdelikt oder gar als konkretes Gefährlichkeitsdelikt l85 darstellt, soll jedoch vorliegend nicht von entscheidender Bedeutung sein, zumal selbst Vogler bei der Übertragung der "Risikoerhöhungslehre" auf die Begünstigung eine konkrete Gefahr der Vorteilssicherung verlangtl86. Gleichgültig weIche Schlüsse man daraus für die Qualität der Gefahr ziehen will, daß der Gehilfenbeitrag lediglich das Risiko der Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter bzw. des Erfolgseintritts erhöhen müssen soll, so stellt die "Risikoerhöhungslehre" gegenüber der herrschenden Lehre, die die Beihilfe als - tatherrschaftslos geleisteten - kausalen Beitrag ansehen will, sowohl eine Ausdehnung als auch eine Beschränkung des Strafbarkeitsbereichs dar. Eine Ausdehnung liegt insoweit vor, als eine Risikoerhöhung auch dann vorliegen kann, wenn die aus einer objektiven ex-ante-Sicht zu beurteilende Gefahrsteigerung sich ex post als filr die Haupttat nicht kausal herausstellt. 179 Vgl. nur BGHSt (1. Strafsenat, 21.12.1951) 2, 129 (131); BGHSt (2. Strafsenat, 6.5.1960) 14,280 (282); BGH (3. Strafsenat, 12.9.1984), NStZ 1985,24; zu den der Rechtsprechung folgenden Literaturstimmen s.u. Fn. 512. 180 So Schaffstein, FS Honig, S. 169 (176 ff.). 181 So Vogler, FS Heinitz, S. 295 (306). 182 Vgl. Schaffstein, FS Honig, S. 169 (170 f.). 183 In: FS Heinitz, S. 295 (311). 184 Dies deutet Vogler, FS Heinitz, S. 295 (311), selbst an, wobei er wohl die Konkretheit ebenso wie Schröder, JZ 1967, 522, lediglich aus dem Umstand schließt, daß dem Richter die Feststellung der Gefährdung aufgegeben ist; dagegen wendet sich mit guten Gründen Gallas, FS Heinitz, S. 171 (174 ff.). 185 So drückt sich in Abwendung vom Begriff des abstrakten Gefährdungsdelikts Hirsch, FS Arthur Kaufmann, S. 545 (550), aus. 186 S. Vogler, FS Dreher, S. 405 (421).
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
stellt. Dieser Fall ist durchaus denkbar, da die Gefahr sich lediglich als in der Handlungssituation akut darstellende Krise für das betreffende Rechtsgut erweist. Hingegen vennag sie, wie bereits festgestellt, keine Aussage darüber zu treffen, ob die Gefährdung sich auch tatsächlich verwirklicht, ob also die Handlung hierfür geeignet war, will sagen: ob sie sich nach Erfolgseintritt als hierzu kausaler Beitrag herausstellt. So käme es danach bei den viel diskutierten Nachschlüssel-Fällen l87 allein darauf an, ob die Hingabe des Schlüssels, den der Einbrecher zur Öffnung der Tür verwenden sollte, dann aber aus bestimmten Gründen nicht benutzt hat, von vornherein als für die Herbeiführung der Rechtsgutsverletzung ungefährlich erscheinen mußte l88 . Auf der anderen Seite stellt die "Risikoerhöhungslehre" gegenüber der herrschenden Lehre eine Beschränkung dar, da auch Beiträge zur Haupttat denkbar sind, die sich ex post als für diese kausal herausstellen, ex ante jedoch zur Tatbestandsverwirklichung konkret wie abstrakt ungefährlich waren l89 : Dies kommt etwa in Betracht, wenn sich die Haupttat nur als strafbarer untauglicher Versuch darstellt, der von vornherein keine Gefahr für das Rechtsgut zu begründen vennochte, gleichwohl nicht als grob unverständiger oder abergläubischer Versuch anzusehen ise 90 • Es zeigt sich somit erneut, daß sich das Kriterium der Gefahr nicht bruchlos in die auf eine Rechtsgutsverletzung zulaufende Kausalkette eingliedern läßt. Bei der Erörterung des Versuchs hatte sich gezeigt, daß der gefährliche Versuch keineswegs mit dem tauglichen, zur Tatbestandsverwirklichung geeigneten Versuch gleichgesetzt werden kann. Die entsprechende Feststellung muß jedoch nunmehr auch für die Beihilfe getroffen werden, bei der es ja im Gegen187 Vg1. RGSt (1. Strafsenat, 20.4.1882) 6, 169; RGSt (1. Strafsenat, 18.3.1924) 58, 113; Schaffstein, FS Honig, S. 169 (181); Vogler, FS Heinitz, S. 295 (307). 188 In diesem Rahmen ist es Lü. durchaus denkbar, daß das Gefahrurteil allein auf der psychischen Unterstützung des Haupttäters beruhen kann. Die für die h.L. nur schwer nachweisbare psychische Kausalität - vg1. Jescheck/Weigend, AT, § 64.III.2c, S. 694 kann daher sehr viel leichter als Risikoerhöhung verstanden werden. Zur Kritik an der Figur der psychischen Beihilfe s. jedoch unten, 2. Abschnitt, C.II.2e.( I), S.178. 189 Vogler, FS Heinitz, S. 295 (308, 312), ist Recht zu geben, wenn er den von Schaffstein gebildeten Leiterfall, bei dem der Hilfswillige dem Haupttäter beim Tragen einer Leiter hilft, die dieser auch alleine hätte tragen können, durch die Bejahung einer generellen Gefährlichkeit und damit der Strafbarkeit des Gehilfen nicht zu dieser Fallgruppe zählt. 190 Küper, JuS 1986, 862 (866), ist hingegen der Ansicht, daß die Risikoerhöhungslehre in Fällen der Beihilfe zum untauglichen Versuch nur dann zu tragbaren Ergebnissen kommen kann, wenn allein der Beitrag des Helfers auf dessen Risikogehalt untersucht werde; hingegen müsse die untaugliche Haupttat durch eine hypothetisch taugliche ersetzt werden. Der Risikoerhöhungslehre könnte sich freilich von ihrem Ansatzpunkt aus auch eine andere Lösungsmöglichkeit anbieten: Da sie lediglich auf die Gefahrsteigerung abstellt, müßte es ihr für eine strafbare Beihilfe genügen, wenn der - ex post untaugliche - Rechtsgutsangriff des Haupttäters aus der objektivierten ex-anteBetrachtung des Gehilfen heraus gefahrlich erschien und diese Gefahr durch die Hilfeleistung gesteigert werden sollte.
B. Auslegung durch die Literatur
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satz zum Versuch zu einer - vom Haupttäter herbeigeführten - vollendeten Rechtsgutsverletzung tatsächlich kommen kann: Der gefahrliche Beitrag des Gehilfen unterscheidet sich durchaus vom für die Tatbestandsverwirklichung kausalen Beitrag. Will man nun die Beihilfe als Gefahrdungsdelikt einstufen, so stellt sich allerdings die Frage, ob der auf solcher Weise umschriebene Beihilfetatbestand vor dem Bestimmtheitsgebot des Art. I 03 Abs. 2 GG Bestand haben kann. Erforderlich ist danach, daß jedermann vorhersehen kann, welches konkrete Verhalten für ihn verboten und mit Strafe bedroht ise 91 . Wenn die "Risikoerhöhungs lehre" im Rahmen der Beihilfe an die Stelle einer kausalen Verursachung der konkreten Tatbestandsverwirklichung ausschließlich eine Gefahrerhöhung für ein bestimmtes Rechtsgut setzen will, so begibt sie sich damit zumindest der konkreten tatbestandlichen Vorgaben der vom Haupttäter zu erfüllenden Verbotsnormen des Besonderen Teils. Was bleibt, ist dann nur noch das Gebot, eine Gefahrerhöhung im Hinblick auf einen von einem anderen unternommenen Rechtsgutsangriff zu unterlassen. Jedes vom Haupttäter begangene Verletzungsdelikt würde dadurch für den Gehilfen zum tatbestandlich nicht weiter eingegrenzten Gefahrdungsdelikt. Beim Wort genommen läßt sich daher die "Risikoerhöhungslehre" im Rahmen der Beihilfe spätestens unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht aufrecht erhalten. Dies liegt daran, daß die "Allzweckwaffe" des Gefahrbegriffs in weit weniger Fällen zu einem mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbaren Ergebnis führt, als man wahrhaben will. Denn mag den Vertretern der "Risikoerhöhungslehre" ursprünglich vorgeschwebt haben, den Bereich der strafbaren Beihilfe von kausalen Beiträgen auf immerhin taugliche auszudehnen, so wird diese Vorgabe durch das Kriterium der Gefahr wie schon beim tauglichen Versuch und den Eignungsdelikten gerade nicht erreicht. Der Begriff der Gefahr muß somit denjenigen Tatbeständen vorbehalten bleiben, in denen sich der Gesetzgeber explizit mit der Herbeiführung einer solchen begnügt.
b) Die Anwendung der "Risikoerhöhungslehre" auf den Hilfeleistungsbegriff der Begünstigung Daß den Vertretern der "Risikoerhöhungslehre" weniger das Bild einer für das Rechtsgut bloß gefahrlichen Handlung vorschwebt, sondern vielmehr das einer zur Rechtsgutsverletzung tauglichen, zeigt sich vor allem in der Übertragung dieser Lehre auf den Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung. Behaup191 Vgl. BVerfGE (2. Senat, 15.3.1978) 48, 48 (56); BVerfGE (1. Senat, 11.11.1986) 73,206 (234 ff.); JescheckJWeigend, AT, § I 5. III. 2, S. 137.
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
tet wird eine Bestrafung einer im Hinblick auf das anvisierte Ziel gefahrlichen Handlung, bei der Beihilfe also hinsichtlich der Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter, bei der Begünstigung hinsichtlich der Vorteilssicherung. Gemeint ist hingegen, daß für dieses Ziel ein tauglicher Beitrag beigesteuert werden sole 92 • Vogler spricht daher weder bei der Beihilfe noch bei der Begünstigung von der bloßen abstrakten oder konkreten Gefahrdung, sondern von der "generellen Eignung der Mitwirkung des Gehilfen für die [Haupttat]"193 bzw. von einer Handlung, "die konkret geeignet ist, den Vortäter günstiger zu stellen" 194. Daß die Begriffe der Gefahrdung und der Eignung bzw. Tauglichkeit nicht miteinander korrespondieren, übersieht er jedoch. Vogler kommt daher mit seiner Interpretation des Hilfeleistungsbegriffs nicht über die Probleme der objektiven Versuchstheorie hinaus: Das Rätsel der Tauglichkeit bzw. Geeignetheit einer Handlung bleibt ungelöst. . Wie oben 195 bereits dargelegt, läßt sich dieses Problem auch nicht auf die Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung reduzieren 196, da diese sich erst an die Ermittlung einer tatbestandlichen Handlung anschließt. Erst wenn die Voraussetzungen bestimmt sind, die an eine zur Vorteilssicherung geeignete Handlung zu stellen sind, kann festgestellt werden, ob der Täter diese vollendet, versucht oder nur vorbereitet hat. Daß aber gerade Vorbereitungshandlungen eine Eignung zum Erfolg nicht abgesprochen werden kann, darin liegt das Dilemma, das die herrschende Lehre im Rahmen der Begünstigung hat. Schließlich darf bei der Übertragung der "Risikoerhöhungslehre" auf die Begünstigung ein Weiteres nicht übersehen werden: Einerseits ist der Ansatz, den Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe wie bei der Begünstigung einheitlich zu verstehen, sicherlich bemerkenswert. Ob eine solche Gleichsetzung wirklich durchführbar ist, wird ebenso noch zu erörtern sein wie die Frage, ob der von Vogler zur Beihilfe vertretenen Auffassung gefolgt werden kann. Auf der anderen Seite muß jedoch festgestellt werden, daß auch nach seiner Auffassung wie schon bei den anderen bislang besprochenen Theorien der Hilfeleistung selbst als Tatbestandsmerkmal keine eigenständige Bedeutung zugemessen wird. Sie erschöpft sich darin, dem Streben nach einem Erfolg eine objektive Qualität abzuverlangen, nämlich die Tauglichkeit. 192 Der von Lackner, § 27 Rn.2; Rudolphi, FS Bruns, S. 315 (328); Samsan, Hypothetische Kausalverläufe, S. 80 f.; ders. in: SK, § 27 Rn.8; Spendel, FS Dreher, S. 167 (169), erhobene Vorwurf, daß die Risikoerhöhungslehre strukturell zur Versuchsstrafbarkeit führt, ist daher zutreffend. 193 In: FS Dreher, S. 405 (420). 194 AaO, S. 421. 195 S. o. B.III.l b, S.44. 196 So jedoch Vogler, FS Dreher, S. 405 (423).
B. Auslegung durch die Literatur
69
4. Zusammenfassung
Will man sämtliche Autoren, die für die Begünstigung eine zur Vorteilssicherung geeignete Handlung verlangen, unter dem Sammelbegriff der "herrschenden Meinung" zusammenfassen, so läßt sich sagen, daß mit dieser tatbestandlichen Einschränkung erreicht werden soll, nutzlose Handlungen aus dem Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB auszuscheiden. Dahinter steckt der Gedanke, daß die Frage, wann Hilfe vorliegt, sich nicht nur nach der Vorstellung des Helfenden richten darf, sondern sich objektiv feststellen lassen muß: Was einem andern unter keinen Umständen nützen kann, kann keine Hilfe sein. Die Einführung des Eignungsmerkmals - und darüber besteht ebenso innerhalb der herrschenden Meinung Einigkeit - geht jedoch zu Lasten der Klarheit des Begünstigungstatbestandes. Die Eignung bzw. Tauglichkeit einer Handlung zur Erreichung eines hypothetischen Erfolges ist in der letzten Konsequenz eine bloße Vermutung. Dieses Dilemma vermag auch nicht die Feststellung einer Gefahr für das von dem Begünstigungstatbestand geschützten Rechtsgut oder einer Gefährlichkeit der Begünstigungshandlung zu lösen. Denn mag auch der Ausgangspunkt zutreffend sein, daß durch die Forderung nach einer geeigneten Handlung ungefährliche Handlungen aus dem Tatbestand ausgeschieden werden, so läßt sich daraus nicht der Umkehrschluß ziehen, daß jede Herbeiführung einer Gefahr zugleich auf eine geeignete Handlung schließen läßt. Die Gefahr stellt sich lediglich als eine in der Situation der Handlung eintretende Krise für das geschützte Rechtsgut dar, ohne ausschließen zu können, daß die Tatbestandsverwirklichung nur vermeintlich möglich ist. Gefahr besteht auch dann, wenn sich die Prognose als falsch erweist oder es zu einem Nachweis ihrer Richtigkeit gar nicht komme 97 • Der Umstand, daß sich "Eignung" nur aus einer mehr oder minder vagen Prognose heraus begreifen läßt, bringt es aber auch mit sich, daß eine Einordnung in Kategorien wie Täterschaft und Teilnahme oder Vorbereitung, Versuch und Vollendung nur schwer möglich ist. Denn eine Erfolgsprognose läßt sich für eine täterschaftliehe wie teilnehmende, für eine vollendete wie nur vorbereitende Handlung gleichermaßen stellen, ohne daß aus der Prognose im Hinblick auf die Beteiligungsform oder das Handlungsstadium Abstufungen abgeleitet werden könnten. In diesem Rahmen hilft es allenfalls, die Begünstigung als 197 Den Schwierigkeiten des Eignungsbegriffs ließe sich aus dem Weg gehen, wenn man - wie etwa in Wirklichkeit Theissen, Begünstigungshandlung, S. 53 ff., 90 ff. - die Gefährdung statt als Erläuterung der Eignung an deren Stelle setzen würde: Begünstigung wäre dann als bloße Herbeiftihrung der Gefahr der Vorteilssicherung definiert. Dabei wird jedoch verwechselt, daß diese Gefahr allenfalls das Ergebnis einer Begünstigungshandlung, nicht jedoch, daß dieses Ergebnis zugleich einzige Voraussetzung einer Begünstigung sein kann. Dies wäre mit dem Wortlaut (Hilfeleistung zur Vorteilssicherung) nicht mehr vereinbar.
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
vertatbestandlichte (tauglich) versuchte Vorteilssicherung zu begreifen, um so wenigstens über das Kriterium des unmittelbaren Ansetzens einen Maßstab für den Beginn des Strafbarkeitsbereichs zu erhalten. Aber auch damit lassen sich schon deshalb keine klaren Abgrenzungen erzielen, weil sich das Endziel der Vorteilssicherung als völlig unscharf erweise 98 . Abgesehen davon bleibt jedoch die Frage, ob dem Vortäter in diesen Fällen und vor allem nur in diesen Fällen Hilfe zuteil geworden ist, unbeantwortet.
IV. Hilfeleistung als Herbeiführung eines bestimmten Erfolges ("objektive Förderungstheorien") Wenden wir uns abschließend dem dritten grundlegenden Ansatz im Rahmen der klassischen Meinungstrias zu, so läßt sich häufig lesen, daß hiernach eine objektive Förderung des Vortäters verlangt werde. Eine genauere Ausdifferenzierung dieses Erfordernisses muß man jedoch schon deshalb vermissen, weil sich heute zu den so zu bezeichnenden "objektiven Förderungstheorien" praktisch niemand mehr bekennt. Gleichwohl ist vor einem vorschnellen Schluß von der nicht mehr vertretenen auf die nicht vertretbare Ansicht zu warnen. Immerhin läßt sich zunächst feststellen, daß das Abstellen auf eine objektive Förderung sich jedenfalls insoweit von den bislang besprochenen Ansichten unterscheidet, als hier die Begünstigung nicht mehr als ein mehr oder minder tauglicher Versuch der Vorteilssicherung aufgefaßt wird. Es steht daher zu erwarten, daß die in diesem Zusammenhang bei den oben besprochenen Theorien auftauchenden Probleme im Rahmen der "objektiven Förderungstheorien" überwunden werden können. Die Begünstigung soll danach einen eigenständigen Erfolg haben, der in der Hilfe liegen soll. Diese wird im einzelnen unterschiedlich beschrieben als tatsächliche Verbesserung der Lage des Vortäters oder als Förderung seiner Interessen l99 . Unter dem Aspekt der durch die Vorteilssicherung definierten Rechtsgutsverletzung ließe sich in der Tat sagen, daß es sich bei dieser Auffassung um die engste im Rahmen der Meinungstrias S. dazu unten, 2. Abschnitt, B.II, S. 136 ff. In der seit der Strafrechtsreform 1975 erschienenen Literatur finden sich Anklänge an diese Auffassung allenfalls bei Duo, Grundkurs, § 57.1I.1 b, S. 270, der allerdings lediglich von der "Förderung der Chancen des Täters, die Beute zu behalten" spricht und sich damit der h.M. anschließen will: In der Tat erreicht Dtto durch die Verwendung des Begriffs "Chancen" keine wirkliche Objektivierung der Handlung, die über die bloße Eignung zur Vorteilssicherung hinausginge. In der älteren Literatur finden sich dagegen als Vertreter der "objektiven Förderungstheorie" Allfeld, Lehrbuch, § 135.VII, S. 574; Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 4, S. 18 ff.; Frank, § 257 Anm. V; Elvers, ZStW 31 (1911), 893 (896); Köhler, GS ~I (1902),44 (55 f.), und JW 1923, 403 (404); Schmidt, in: v.LisztiSchmidt, Lehrbuch 5, § 183.III.lb, S. 845; v.Dlshausen, § 257 Anm.29 (allerdings nicht eindeutig, vgl.o. Fn. 69). 198
199
B. Auslegung durch die Literatur
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handelt: Weder ein Versuch, sei er auch tauglich, noch eine Gefährdung reichen zur TatbestandserfUllung aus, vielmehr soll das Erreichen einer objektiven Verbesserung der Lage des Vortäters auf dem Weg zur Vorteilssicherung notwendig sein. Jedoch muß an dieser Stelle genauer hingeschaut werden. Bei den "objektiven Förderungstheorien" würde es sich nur dann um die engsten der bislang besprochenen Auffassungen handeln, wenn der nach ihnen herbeizufUhrende Erfolg sich als Steigerung gegenüber der zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung darstellt; dies wird insbesondere von der sogenannten "Theorie der objektiven Lageverbesserung" (sogleich unter 1.) vertreten. Entgegen manchen Mißdeutungen200 wird jedoch von keinem Vertreter der "objektiven Förderungstheorien" behauptet, daß es sich bei diesem Erfolg um die Vorteilssicherung selbst handeln müsse. Denn daß die Begünstigung nicht den Eintritt einer Vorteilssicherung voraussetzt, ist aufgrund des eindeutigen Wortlautes, nach dem hierauf nur die Absicht gerichtet sein muß, nicht zu bestreiten. Es wird jedoch zu untersuchen sein, ob sich ein solches der eigentlichen Vorteilssicherung vorgelagertes Moment überhaupt finden läßt. Einen davon ganz verschiedenen Weg bedeutet es hingegen, wenn man mit der sogenannten "Interessenförderungstheorie" (sogleich unter 2.) die Förderung des Vortäters als unabhängig von den dem Vorteilssicherungserfolg vorgelagerten Stadien ansieht.
1. Verbesserung der Lage des Vortäters als Steigerung gegenüber der zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung (" Theorie der objektiven Lageverbesserung H
)
Eine Analyse der "Theorie der objektiven Lageverbesserung" muß schwerfallen, weil ihre Vertreter in der Literatur in der Minderheit geblieben sind und sich zum Teil nur sehr marginal mit den übrigen Ansichten auseinandergesetzt haben. Dennoch läßt sich einigen AusfUhrungen dieser Autoren entnehmen, daß über die bloße zur Vorteilssicherung geeignete Handlung hinaus die HerbeifUhrung einer verbesserten Lage des Vortäters erforderlich sein soll, so daß es sich bei dieser Theorie um eine zusätzliche Einschränkung der "objektiven Eignungstheorie" handelt201 . Dieser Ansicht läßt sich nicht von vornherein der 200 Vgl. nur die Gleichstellung von Vorteilssicherung einerseits und Verbesserung der Lage des Vortäters andererseits bei Theissen, Begünstigungshandlung, S. 5 f. und 19 ff. 201 Elvers, ZStW 31 (1911), 893 (896), verlangt eine "eigentliche Unterstützung" im Hinblick auf die verfolgten Ziele, ohne jene genauer zu definieren. Frank, § 257 Anm. V, verlangt ebenfalls eine Förderung, sieht aber immerhin die "objektive Eignungstheorie" als ihm entgegenkommende Ansicht an. V.Dlshausen, § 257 Anm.29, spricht insoweit ausdrücklich von einer Steigerung der Handlungsqualität; in ähnlicher Weise gehen Allfeld, Lehrbuch, § 135.VII, S. 574, und Schrnidt, in: v.LisztJSchmidt, Lehrbuch 25 , § 183.III.lb, S. 845, von einer solchen Steigerung aus, da sie die Verbesserung
72
I. Abschnitt: Kritische Einführung
Wortlaut des § 257 Abs. 1 StGB entgegenhalten, da dem Begriff der Hilfeleistung nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob damit eine bloße Tendenzhandlung oder die Herbeiflihrung eines Erfolges umschrieben iseo 2 • Gewichtiger erscheint jedoch der Einwand, daß es den Anhängern der so verstandenen "objektiven Förderungstheorie" kaum gelingen kann, die Verbesserung der Lage des Vortäters in zweierlei Hinsichten abzugrenzen: zum einen zur Erreichung der Vorteilssicherung und zum anderen zum bloßen tauglichen Vorteilssicherungsversuch. In der einen Richtung zeigt sich erneut das noch zu erörternde Problem des sehr unscharfen Begriffs der Vorteilssicherung; denn wie früh läßt sich nicht bereits von einer - wenn auch nur geringftigigen Sicherung der Vorteile der Tat sprechen 203 ? Auf der anderen Seite stellt sich jedoch auch die Frage, ob nicht noch so weit vorgelagerte Handlungen bereits eine Verbesserung der Lage des Vortäters darstellen, sofern sie nur zur Vorteils sicherung überhaupt geeignet sind. Gerade diese kaum zu treffende Unterscheidung brachte manche Autoren dazu, die zur Vorteilssicherung geeignete Handlung mit der Verbesserung der Lage des Vortäters gleichzusetzen204 • Bokkelmann setzt an diesem Punkt seine Kritik an, indem er behauptet, daß es zwischen einer tauglich versuchten Vorteilssicherung und einer eingetretenen Vorteilssicherung kein drittes Stadium gebe 205 : Wer weniger verlange als das Erreichen einer Vorteilssicherung, verlange damit einen Versuch; wer mehr verlange als einen bloßen Versuch im Sinne der allgemeinen Versuchsregeln, verlange allenfalls einen tauglichen, geeigneten Versuch. Nichts anderes stelle daher die Forderung nach einer Verbesserung der Lage des Vortäters dar. Diese Kritik ist in der Tat schlagend, allerdings nur, wenn man ausschließlich auf die allein auf die Vorteilssicherung ausgerichteten Handlungsstadien blickt. Außer Vorbereitung, (so er denn feststellbar ist: tauglichem) Versuch und Vollendung der Vorteilssicherung läßt sich schlechterdings kein weiteres Stadium finden. Die "Verbesserung der Lage des Vortäters" soll jedoch kein Handlungsstadium auf dem Weg zur Vorteilssicherung markieren, sondern selbst einen Erfolg darstellen, der sich gegenüber jener gleichsam als Teilerfolg erweist. Gegen eine solche Konstruktion lassen sich keine systematischen Einwände erheben: Ebenso wie sich eine in Tötungsabsicht begangene Körperverletzung als eigenständiger Tatbestand fassen ließe, soll hier eine in Vorteilssicherungsabsicht begangene Verbesserung der Lage des Täters hinsichtlich der Täterlage als Voraussetzung der Vollendung der Begünstigung bezeichnen, die bloß geeignete Handlung demnach nur einen (straflosen) Begünstigungsversuch darstellt. 202 So vermag Zipf, JuS 1980, 24 (26), seine gegenteilige Behauptung nicht zu belegen; zutreffend daher die Analyse von Theissen, Begünstigungshandlung, S. 17 ff. 203 S. dazu unten, 2. Abschnitt, B.II, S. 136 ff. 204 Vgl. insbesondere LK6/7, Nagler Anm.lII.4, und LK 8 , Jagusch Anm.2b und 3b, jeweils zu § 257. 20; In: NJW 1951,620 (623).
B. Auslegung durch die Literatur
73
dieser Vorteilssicherung bestraft werden. Daß die Körperverletzung ebensowenig wie die Verbesserung der Lage des Vortäters ein Fixstadium auf dem Weg zur Erreichung der Tötung bzw. Vorteilssicherung markieren kann, versteht sich von selbst: Während das Hinstrecken des Opfers durch einen Schuß bereits einen beendeten Tötungsversuch darstellt, ist dieser bei der begonnenen sukzessiven Giftgabe, die wohl zur Gesundheitsbeeinträchtigung, dagegen noch keineswegs zur Lebensgefahrdung gefiihrt hat, noch nicht beendet. Will man jedoch die Verbesserung der Lage des Vortäters hinsichtlich der Vorteilssicherung als zu erreichenden Begünstigungserfolg auf die Varianten unseres Grundfalles (s. oben S. 20) anwenden, so zeigt sich, daß im Vergleich zum Eignungskriterium nichts an Klarheit gewonnen ist. Entsprechend zu jenem kann sich die Lage des Vortäters als tatsächlich verbessert erweisen, um im nächsten Moment wieder als endgültig aussichtslos zu erscheinen, womit die angestrebte Vorteilssicherung verfehlt würde. So könnte man in dem Moment, als H den Schmuckhändler bittet, dem V zu helfen, bereits von einer Verbesserung seiner Lage sprechen 206 • Weist jedoch der Händler das Ansinnen sogleich zurück, so ist V auf seine vorige Lage zurückgeworfen. Insbesondere scheint jedoch auch das Erfordernis der bloßen Verbesserung der Situation des Vortäters entgegen der Intention der Vertreter dieser Theorie im Ergebnis extrem weit vorgelagerte Handlungen in den Tatbestand der Begünstigung mit einzubeziehen, da für eine Verbesserung schon der kleinste Schritt in Richtung Vorteilssicherung genügen kann. Die Interpretation des Begünstigungstatbestandes, die durch das Merkmal der Verbesserung der Lage des Vortäters gleichsam ein Etappenziel auf dem Weg zum Erfolg einzufiihren sucht, muß daher auf folgende grundsätzliche Einwände stoßen: a) Wie schon angedeutet, läßt sich angesichts des unscharfen Begriffs der Vorteilssicherung kaum ein ihr vorgelagerter Teilerfolg denken; denn mag zwischen Tötungsbeginn und Tötungsvollendung möglicherweise die Körperverletzung liegen, so fragt sich, was zwischen Sicherung und Nochnicht-Sicherung der Vorteile liegen soll. b) Sollte sich dennoch ein solcher Teilerfolg definieren lassen, so ist fraglich, ob dieser dann noch mit dem Begriff der Hilfeleistung hinreichend bestimmt umschrieben ist. c) Zweifelhaft ist schließlich, ob die Herbeiführung eines solchen Teilerfolges wirklich als Steigerung eines tauglichen bzw. geeigneten Versuchs des eigentlich anvisierten, dahinterstehenden Erfolges - der Vorteilssicherung - angesehen werden kann: Denn nicht jede in Tötungsabsicht begangene Körperverletzung stellt sich als zur Tötung geeignete Handlung dar. 206 Schmidt, in: v.Liszt/Schmidt, Lehrbuch 25 , § 183.1II.l b, S. 845, Fn.4, überzeugt nicht, wenn er die Straflosigkeit damit begründet, daß den Vortäter die Hilfe noch nicht erreicht habe; denn es kann kaum darauf ankommen, inwieweit der V in das Geschehen involviert ist oder nicht.
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
2. Förderung als" aliud" gegenüber einer tauglich versuchten Vorteilssicherung (" Interessenförderungstheorie ")
Insbesondere den letzten Kritikpunkt greifen Beling207 und August Köhler 208 auf, wenn sie die Hilfeleistung 209 als Förderung der Interessen des Vortäters definieren, die jedoch letztlich auch in einem ungeeigneten Vorteils sicherungsversuch liegen könne. Köhler setzt seine Kritik am Eignungsmerkmal ausschließlich bei dem auch oben festgestellten Aspekt an, daß allein die Feststellung der Eignung zu einer Mitbestrafung von Handlungen führen würde, die der angestrebten Vorteilssicherung noch äußerst weit vorgelagert sind. Dies führt er am Beispiel des an die lustizbehörden abgesendeten Briefes vor, der inhaltlich sehr wohl zu einer Vorteilssicherung zugunsten eines Vortäters geeignet sein würde, jedoch durch Zufall verloren gegangen ist; hier könne nur ein strafloser Versuch vorliegen 21O . Auch wenn sich die Straflosigkeit in diesem Beispiel zunächst nur als Behauptung erweist, so macht Köhler damit zumindest das Dilemma der "objektiven Eignungstheorie" deutlich, ein Dilemma, welches sich mit unserem obigen Befund deckel I. Die Beliebigkeit des Begriffs der Eignung bzw. Tauglichkeit hat zur Folge, daß die Ergebnisse teilweise willkürlich (hätte die Handlung tatsächlich zum Erfolg führen können?), teilweise ausufernd (welche Handlungen sind nicht bereits geeignet?) sind. Fraglich ist jedoch, ob der statt dessen vorgeschlagene Begriff der Interessenförderung mehr Klarheit zu schaffen vermag. Köhler kommt etwa zu einer ungewöhnlich weiten Auslegung des Begünstigungstatbestandes, da er selbst dann das Vorliegen einer vollendeten Begünstigung bejaht, wenn der Vortäter den ihm gegebenen Rat verschmäht212 • Dieses Ergebnis verblüfft, stellt sich doch die Frage, wie man die Interessen eines anderen entgegen dessen Willen soll fördern können. Möglich ist ein solches Ergebnis dann, wenn man ausschließlich die objektiven Interessen des anderen als ausschlaggebend ansieht. Das von Köhler gewählte Beispiel wäre allerdings danach zu differenzieren, ob der Vortäter den Rat sofort zurückweist und ihn
In: Vergl. Darst. VII, § 4.IV, S. 21. In: GS 61 (1902), 44 (56, insbesondere Anm.l). 209 Allerdings hatten sie es gemäß § 257 Abs. I aF noch mit dem inhaltsgleichen Tatbestandsmerkmal der Beistandsleistung zu tun. 210 Köhler, GS 61 (1902),44 (56 Anm.I); Vogler, FS Dreher, S. 405 (422), greift diesen auch von RGSt (3. Strafsenat, 23.4.1917) 50, 364 entschiedenen Fall auf, um auf die lediglich erforderliche Abgrenzung von Vorbereitungshandlung und Vollendung aufmerksam zu machen, hält jedoch im Gegensatz zu Köhler am Eignungsmerkmal fest; vgl. dazu oben die Kritik unter B.lILl b, S.44. 211 S.o., B.lIL4, S.73 f. 212 S. Köhler, GS 61 (1902),44 (56). 207 208
B. Auslegung durch die Literatur
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damit von vornherein leerlaufen läßt oder ob er lediglich den Rat später aus bestimmten Gründen nicht umsetzt. Dogmatisch etwas fundierter begründet Beling seine Interpretation der Begünstigung als Interessenförderung2l3 • Er versucht von vornherein, durch die Definition der Hilfeleistung als Förderung der Vortäterinteressen den Tatbestandserfolg der Begünstigung völlig unabhängig von einem Vorteilssicherungsversuch zu umschreiben. Hilfe wäre demnach das eine, das Streben nach Vorteilssicherung etwas davon völlig Verschiedenes 214 • Ersteres muß objektiv gegeben sein, letzteres bestimmt lediglich den subjektiven Tatbestand. Dabei stellt sich die Interessenförderung nicht als Etappe auf dem Weg zur Vorteilssicherung dar, sondern als völlig eigenständiger Erfolg 215 • Die Vorteilssicherung gibt im Rahmen des objektiven Tatbestands lediglich noch das Ziel an, nach dem sich die Interessen des Vortäters auszurichten haben. Damit entspricht die "Interessenförderungstheorie" zumindest formal dem Wortlaut des § 257 Abs. 1 StGB: Der Begünstiger muß nicht die Vorteile sichern, er muß vielmehr lediglich dem Vortäter in dieser Hinsicht helfen. Die Vorteilssicherungsabsicht erweist sich demnach tatsächlich als überschießende Innentendenz. Hingegen verlangt der objektive Tatbestand keine Tendenzhandlung. Ebenso wie die Hilfe beim Hausbau eines anderen nicht zur Vollendung desselben führen muß, die Hilfe selbst jedoch nicht bloß tendenziell, sondern tatsächlich zu leisten ist, um als solche bezeichnet werden zu können, so verhält es sich mit der Vorteilssicherungshilfe. Diese kann vorliegen, auch wenn der angestrebte Erfolg von vornherein nicht eintreten kann, es sich also um einen im Hinblick auf die Vorteilssicherung ungeeigneten Beitrag handelt. Wendet man diese Ansicht auf unseren Grundfall an, so ergibt sich ein von den bisher besprochenen Ansichten zum Teil erheblich abweichendes Bild. Dadurch, daß nicht mehr die auf die Vorteilssicherung gerichtete Tendenz der Handlung im Vordergrund steht, sondern vielmehr das Vorteilssicherungsinteresse des Vortäters, ergibt sich einerseits eine - aus Sicht der herrschenden Meinung - enorme Ausdehnung des Strafbarkeitsbereichs. Denn die Interessen des Vortäters können bereits durch die Zusage einer Hilfe gefördert sein, aber auch durch die Aufforderung des Begünstigers an einen Dritten, dem Vortäter zu helfen. Auch wenn diese Handlungen ungeeignet sein mögen, weil beispielsweise der Dritte die Mithilfe verweigert, so kann bereits die vergebliche AufIn: Vergl. Darst. VII, § 4.IV, S. 21 ff. So ausdrücklich der Ansatz von Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 4, I, S. 18: "Der Begriff der Beistandleistung darf demnach in keiner Weise durch Hereinziehung der Begriffe ,Strafvereitelung' und ,Vorteilssicherung' beeinträchtigt werden ... ". 215 Elvers, ZStW 31 (1911),893 (895), spricht etwas unscharf von einem Bezug der Hilfeleistung auf die Interessen des Vortäters, die auf die Vorteilssicherung gerichtet sind. 2IJ
214
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1. Abschnitt: Kritische Einflihrung
forderung dann eine Interessenförderung bedeutet haben, wenn dem Vortäter die Vergeblichkeit nicht von vornherein klar war. Dagegen wären sämtliche Handlungen des Hilfswilligen straflos, die den Interessen des Vortäters entweder zuwiderlaufen oder diese nicht mehr zu fördern imstande sind. Das gilt zum einen für den Fall, in dem der Vortäter die Hilfe nicht oder nicht mehr annehmen will, zum anderen, wenn die Vorteile gar nicht mehr existieren. Die Berücksichtigung des Vortäterinteresses führt somit zu der Besonderheit, daß sich die Beurteilung einer Begünstigungshandlung nicht mehr wie etwa bei der "objektiven Eignungstheorie" nach der (objektiven ex-ante-) Sicht des Begünstigers bemißt, sondern nach der (objektiven) Sicht des Begünstigten. Nicht die Untauglichkeit einer Handlung im Hinblick auf die Vorteilssicherung stellt sich demnach als bloß versuchte Begünstigung dar, sondern die Handlung, an der der Vortäter kein Interesse haben konnte. Beling gelingt es also, sich nicht nur vom Vorteilssicherungsversuch, sondern ebenso wie die oben besprochene Manifestationstheorie216 auch von der Vorstellung zu lösen, daß die Hilfeleistung zur Vorteilssicherung lediglich als ein Vorstadium zu dieser zu begreifen ist. Die "Interessenförderungstheorie" tritt insofern aus dem Schema der Meinungstrias heraus, als sie sich weder als extensiv noch als restriktiv oder vermittelnd einstufen läßt. Die Interessen des Vortäters an einer vorteilssichernden Handlung stellen gegenüber der (tauglich) versuchten Vorteilssicherung oder der zusätzlichen Besserstellung des Vortäters einen ganz eigenen Maßstab dar, der manche (mutmaßlich) taugliche Handlung von der Strafbarkeit ausnimmt wie manche untaugliche Handlung gerade erfaßt. Es wird jedoch genauer zu untersuchen sein, ob die Interessen des Vortäters tatsächlich für die Strafbarkeit einer Hilfe im Rahmen der Begünstigung ausschlaggebend sein können. Ferner werden Einzelfragen zu klären sein, beispielsweise das bereits angedeutete Problem, welche Rolle bei der Feststellung des Interesses der tatsächliche Wille des Vortäters spielen soll.
216
S. oben unter 8.11.2, S.37 ff.
C. Auslegung durch die Rechtsprechung
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c. Der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung in der Auslegung durch die Rechtsprechung
Die Rechtsprechung kann sich angesichts der keineswegs geklärten und zum Teil ineinandergreifenden, in der Literatur erwogenen Theorien zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung glücklich schätzen, sich nicht notwendig auf eine dieser Theorien festlegen zu müssen. Insofern verwundert es nicht, daß sich die Rechtsprechung zunächst lange Zeit scheinbar wahllos aus dem Fundus der verschiedenen Theorien bzw. deren Kriterien bedient hat. Mittlerweile läßt sich jedoch feststellen, daß das Erfordernis einer zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung zum Bestandteil ständiger Rechtsprechung geworden ist. Welchen tatsächlichen Aussagewert diesem Eignungskriterium in den jeweiligen Entscheidungen beizumessen ist bzw. ob damit die Rechtsprechung in der Tat der von der herrschenden Lehre vertretenen "objektiven Eignungstheorie" zuzurechnen ist, muß jedoch einer genaueren Untersuchung unterzogen werden.
I. Die Entwicklung der Rechtsprechung des Reichsgerichts
Während der Begünstigungstatbestand in seiner heutigen Fassung bis auf wenige, nebensächliche sprachliche Änderungen seit 1871 nahezu unverändert geblieben ist, stellt sich bei der Analyse der vor der Strafrechtsreform 1975 erlassenen Gerichtsentscheidungen das Problem, daß bis dahin in § 257 Abs. 1 StGB aF 217 neben der Begünstigung - damals gemeinhin als "sachliche Begünstigung" bezeichnet - zugleich die Vorläufernorm der heutigen Strafvereitelung, die sogenannte "persönliche Begünstigung", geregelt war. Letztere unterschied sich vom heutigen § 258 StGB dadurch, daß es nicht zum Eintritt eines Strafvereitelungserfolges gekommen sein mußte, sondern es genügte vielmehr entsprechend der (sachlichen) Begünstigung die in der Absicht geleistete Hilfe, den Vortäter der Bestrafung zu entziehen 2l8 . In dieser Tatbestandsfassung läßt sich daher nicht von einer "Strafvereitelung" sprechen, da diese eben nur angestrebt werden mußte. Im folgenden soll daher in "Strafvereitelungsfällen" aus der Zeit vor der Strafrechtsreform die alte Bezeichnung der persönlichen Begünstigung beibehalten werden. Da somit vor 1975 neben der sachlichen auch die persönliche Begünstigung durch die Tathandlung des Beistand(= Hilfe-) Leistens umschrieben war, dürften jene "Strafvereitelungsfälle" in der Rechtsprechung ohne weiteres zur Analyse des Hilfeleistungsbegriffs herS. Normtext unten, 2. Abschnitt, A.III.3, S.124. In § 257 StGB aF wurde allerdings die Hilfeleistung mit dem bedeutungsgleichen Leisten von Beistand umschrieben. 217 218
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
angezogen werden können 219 . Das Ziel der jeweiligen Hilfeleistung, also die anzustrebende Vorteilssicherung oder Strafvereitelung, erscheint insoweit austauschbar. Vergegenwärtigt man sich jedoch obige Analyse der zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Auffassungen, so muß vor einer pauschalen Vereinheitlichung der auf Vorteilssicherung einerseits und auf Strafvereitelung andererseits gerichteten Hilfe gewarnt werden. Denn bis auf die vor allem von Beling 220 entwickelten "Interessenförderungstheorie" betrachten sämtliche der dargestellten Meinungen die Begünstigung als - bis zu welchem Grad auch immer tauglich - versuchte Vorteilssicherung. Geht man fiir die persönliche Begünstigung von einem ebensolchen Verständnis des Hilfeleistungsbegriffs aus, so kann es im jeweils entschiedenen Einzelfall sehr wohl von Bedeutung sein, daß die anzustrebenden Hilfsziele sich inhaltlich sehr unterscheiden. Auswirkungen könnte dies etwa auf den jeweils zu definierenden Vollendungszeitpunkt der Hilfeleistung haben. Denn wie bereits öfter angedeutet wurde, ist gerade die Vorteilssicherung als hinter der Begünstigungshandlung stehender Erfolg nur schwer bestimmbar22I , und es läßt sich schon bei der Durchsicht der Rechtsprechungsfalle zeigen, daß in dieser Hinsicht der Strafvereitelungserfolg jener in nichts nachsteht. In seiner ersten Entscheidung zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung pirscht sich das Reichsgericht in RGSt 9, 242 222 nur vorsichtig an das Problem heran, kommt jedoch zu einem harten Urteil. Demnach soll bereits in dem vergeblichen Versuch des Täters, einen Gendarmen zur Nichtanzeige eines vom Vortäter begangenen Diebstahls zu überreden, eine vollendete persönliche Begünstigung liegen. Das Gericht begnügt sich dabei mit der Feststellung, daß die beabsichtigte Verhinderung der Einleitung eines Strafverfahrens jedenfalls nicht unmöglich gewesen sei. Damit liege bereits ein von § 257 Abs. 1 StGB aF erfaßter Beistand vor. Mit dieser Entscheidung, die wenigstens die Möglichkeit der Erreichung des angestrebten Zieles verlangt, wendet sich das Gericht scheinbar gegen die weiten sogenannten "Versuchstheorien", die auch einen untauglichen Vorteilssicherungsversuch in gewissen Grenzen fiir strafbar halten. Jedoch vermag der sehr unscharfe Ausdruck des "Möglichseins" kaum die taugliche von der untauglichen Handlung zu scheiden, zumal das Reichsgericht auf eine Angabe irgendwelcher Kriterien, nach denen diese Möglichkeit festzustellen sein soll, verzichtet. Insbesondere zeigt sich aber 219 So scheren sämtliche Betrachtungen früherer Entscheidungen oder Kommentierungen sachliche und persönliche Begünstigung über einen Kamm; vgl. nur Vogler, FS Dreher, S. 405 (407 Anm.17). 220 Bezeichnend ist insoweit sein puristischer Ansatz in: Vergl. Darst. VII, § 4, I, S. 18 in Fortsetzung zum in Fn. 214 erwähnten Zitat: " ... und am allerwenigsten ist es statthaft, zwei "Arten" der Beistandsleistung zu unterscheiden." 221 S. dazu unten, 2. Abschnitt, B.n, S.136 ff. 222 2. Strafsenat, 7.12.1883.
C. Auslegung durch die Rechtsprechung
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auch, daß durch dieses Merkmal dem Endziel weit vorgelagerte Handlungen kaum vom Tatbestand der Begünstigung ausgenommen werden können: Materiell stellt sich die zu beurteilende Handlung des Täters als versuchte Anstiftung zur Strafvereitelung durch Unterlassen dar. Über die Strafwürdigkeit einer solchen Handlung läßt sich sicherlich trefflich streiten223 • Für das Reichsgericht scheint indes auszureichen, daß der Täter mit dem Überredungsversuch bereits den ersten, eindeutig auf die Strafvereitelung gerichteten Schritt unternommen hat. Genau diese Voraussetzung sah der erste Strafsenat in RGSt 16, 157 224 gerade nicht als gegeben an: Im zu entscheidenden Fall war die Täterin im Begriff, auf von ihrem Ehemann geschmuggelte und in einem in Grenznähe befmdlichen Garten versteckte Tabaksäcke zuzugehen, als sie von einem sie beobachtenden Grenzbeamten aufgehalten wurde. Das Vorliegen einer (sachlichen) Begünstigung wurde mit der Begründung abgelehnt, daß der beabsichtigte Beistand - das Wegschaffen der Schmuggelware - erst noch einsetzen sollte, durch die bloße Annäherung hingegen zur Sicherung noch nichts geschehen sei 225 . Erforderlich, aber auch ausreichend sei eine Betätigung einer absichtlichen Gegenwirkung wider den Eintritt der rechtlichen Folgen eines Verbrechens gewesen, also nicht unbedingt die Erreichung einer Vorteilssicherung. Das Reichsgericht läßt offen, ob ein zwischen einer solchen strafbaren Begünstigungshandlung und einer straflosen Vorbereitungshandlung liegendes Stadium einer (straflosen) versuchten Begünstigung überhaupt denkbar ist. Insoweit deutet diese Entscheidung bereits die Schwierigkeiten an, die bei einer Charakterisierung der Begünstigung als Unternehmensdelikt entstehen226 • Noch allerdings enthält sich das Reichsgericht einer Aussage darüber, ob sich die Hilfeleistung im Rahmen der (sachlichen) Begünstigung als bloße Versuchshandlung im Hinblick auf die Vorteilssicherung verstehen läßt und, wenn ja, welche Qualität dieser Versuch haben muß. Das Urteil begnügt sich damit, überhaupt nur einen Schritt in Richtung des angestrebten Zieles - der Vorteilssicherung zu verlangen. Daß das Gericht dabei Gefahr läuft, mit der Forderung nach einem solchen Schritt "zur Sicherung" im Grunde bereits einen - wenn auch geringen - Vorteilssicherungserfolg vorauszusetzen, liegt in der Schwierigkeit des weiten und unscharfen Begriffs der Vorteilssicherung begründet227 • Die Entscheidung läßt sich daher nicht ohne weiteres als Favorisierung der
223 So plädiert die heutige h.M. unter Hinweis auf die allgemeinen Teilnahmeregeln bzw. auf die mangelnde Gefährdung ges Rechtsguts in diesem Fall rur Straflosigkeit; vgl. LK 11, Ruß, § 257 Rn.14; Sch/Schr 5, Stree, § 257 Rn.19; SK, Samson, § 257 Rn.22. 224 Urteil vom 9.6.1887. 225 RG, aaO, S. 158. 226 V gl. den diesbezüglichen Streitstand bei den Unternehmensdelikten Fn. 51. 227 S.u. 2. Abschnitt, B.I!, S.136 ff.
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
"objektiven Förderungstheorie" umschreiben 228 • Verlangt wird lediglich, wie schon in RGSt 9, 242, ein objektiv feststellbarer "erster Schritt" in Richtung Vorteilssicherung; inwieweit dieser tauglich sein muß, brauchte das Reichsgericht nicht zu entscheiden. Zum Erfordernis der Eignung der Beistandsleistung hinsichtlich des angestrebten Erfolges bekennt sich das Reichsgericht zum ersten Mal in RGSt 20, 233 229 . Darin hat es in dem vergeblichen Bemühen des Täters, einen Dritten zur Falschaussage zugunsten des Vortäters zu bestimmen, bereits eine persönliche Begünstigung gesehen. Ausreichend sei, daß die Handlung in Strafvereitelungsabsicht unternommen worden und zur Erreichung des beabsichtigten Zieles jedenfalls geeignet gewesen sei. Keine Rolle spiele es dagegen, daß damit zugleich ein fehlgeschlagener Versuch einer Anstiftung zur Strafvereitelung vorliege. Für § 257 StGB aF genüge insoweit die Betätigung der Strafvereitelungsabsicht. Mit dieser Entscheidung knüpft das Reichsgericht an RGSt 9, 242 an, wobei lediglich der Begriff der Möglichkeit der Zweckerreichung durch die Eignung der Handlung hierzu ausgetauscht wurde. Inhaltlich ist dadurch hingegen nur wenig gewonnen: Denkt man nur sämtliche erfolgshindernden Faktoren hinweg, so ist jede Erreichung des Erfolges theoretisch ebenso möglich wie jede Handlung hierfür geeignet. Bei einem solch abstrakten Eignungsbegriff nimmt es nicht wunder, wenn das Gericht letztlich nicht mehr fordert als die bloße "Betätigung der Absicht, den Verbrecher der Bestrafung zu entziehen,,230, also wieder nur einen "ersten Schritt" in Richtung auf den Erfolg. In RGSt 23, 105 231 und 26, 119 232 wird in diesbezüglich weiter nicht problematischen Fällen wie selbstverständlich festgestellt, daß die Beistandsleistungen sowohl hinsichtlich der Vorteilssicherung als auch der Strafvereitelung geeignet gewesen seien. Ob dies allerdings jeweils zwingende Voraussetzung für eine Bestrafung gemäß § 257 Abs. 1 StGB aF ist, brauchten die Senate nicht zu entscheiden, da eine Verurteilung jeweils aus anderen Gründen ausschied. Daß es sich bei der Eignung um eine zwingende Voraussetzung handele, stellt dann jedoch wieder der dritte Strafsenat in RGSt 35, 128 233 klar. Auf eine nähere Eingrenzung dieses Eignungsmerkmals, insbesondere auf dessen objektive FeststeIlbarkeit, wird hingegen erneut verzichtet. Immerhin prägt das
228 229 230 231 232
233
Vgl. dagegen Hillenkamp, BT, S. 213. 1. Strafsenat, 13 .2.1890. RGSt 20,233 (234). 4. Strafsenat, 10.5.1892. 2. Strafsenat, 5.10.1894. Urteil v. 20.2.1902.
C. Auslegung durch die Rechtsprechung
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Reichsgericht angesichts der Tatsache, daß der angestrebte Erfolg nicht erreicht zu werden braucht, den später oft zitierten Ausdruck, daß die Begünstigung "eine zu einem selbständigen Delikte durch positives Recht erhobene Versuchshandlung" sei 234 • Wie weit das Kriterium der Eignung vom Reichsgericht zunächst verstanden wird, zeigt sich insbesondere in RGSt 36, 76235 : In diesem Fall rieten die Angeklagten dem Vortäter, vor den Strafverfolgungsbehörden ins Ausland zu fliehen; dieser ließ sich jedoch nicht darauf ein und nahm sich statt dessen das Leben. Im Hinblick auf die grundsätzliche Eignung dieses Ratschlages zur Strafvereitelung hegt der Senat nicht die geringsten Zweifel. Die Bedenken, daß damit jedoch möglicherweise noch das Vorbereitungsstadium in den Tatbestand des § 257 StGB aF mit einbezogen würde, werden dadurch ausgeräumt, daß die Täter ja alles getan hätten, "was sie zu tun willens waren,,236. Dies genüge fur einen Strafvereitelungsversuch, der in § 257 StGB aF als persönliche Begünstigung zur selbständigen Straftat erhoben sei. Hieran zeigt sich erneut, daß nach der Auffassung des Reichsgerichts dem Eignungskriterium als objektivem Moment einer ansonsten rein subjektiv zu beurteilenden Versuchshandlung nach wie vor keine wesentliche tatbestandsbeschränkende Bedeutung zukommt. Erfolgseignung scheint demnach schon dann vorzuliegen, wenn auch nur irgendeine Möglichkeit besteht, daß das Geschehen in eine Vorteilssicherung oder Strafvereitelung mündet. Ein solch weites Verständnis bringt es mit sich, daß diese Möglichkeit um so eher besteht, je weiter das Geschehen dem angestrebten Erfolg zeitlich vorgelagert ist. Von einer besonderen objektiven Qualität der Handlung bzw. einer objektiven Beziehung zwischen Begünstigungshandlung und Erfolg237 läßt sich daher jedoch nicht sprechen. Erst recht kann im Fall von RGSt 36, 76 keine Herbeifuhrung einer Strafvereitelungsgefahr erblickt werden, da die eigentliche Vereitelungshandlung vom Vortäter selbst noch gänzlich hätte ausgefuhrt werden müssen, dieser aber von vornherein jegliche Anstalten in diese Richtung verweigert hatte. Läßt man sich somit nicht von der Verwendung des Begriffs "Eignung" blenden, so könnte die Position des Reichsgerichts daher auf der einen Seite den "subjektiven Theorien" zugeordnet werden 238 • Andererseits bleibt es, wie schon in den vorigen Entscheidungen, beim Erfordernis des "ersten Schrittes", so daß sich auch Anklänge an die "Theorie der objektiven Lageverbesserung" finden lassen. Im Ergebnis läßt sich daher die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu diesem Zeitpunkt keiner der oben erörterten Theorien eindeutig zuordnen. 234 235 236 237 238
RGSt 35, 128 (129). 4. Strafsenat, 9.1.1903. RG, aaü, S. 77. S. o. Fn. 160. V gl. oben unter B.n.I., S.22 ff.
6 Weisen
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
Jener "erste Schritt" war erneut in RGSt 40, 15 239 ausschlaggebend dafür, daß eine Begünstigungshandlung als noch nicht gegeben angesehen wurde: Eine Detektei lobte, von einem Diebstahlsopfer hierzu beauftragt, an mehreren Litfaßsäulen unter Zusicherung voller Diskretion einen Betrag von 500 Mark für denjenigen aus, der die Diebesbeute wieder zurückbringe. Gemäß den Ausführungen des Reichsgerichts muß zwar die Vorteilssicherung selbst noch nicht herbeigeführt, jedoch eine Sicherungshandlung vorgenommen sein. Nicht zuletzt der Verweis aufRGSt 16, 157 stellt klar, daß damit nichts anderes gemeint ist als die Betätigung einer absichtlichen Gegenwirkung wider den Eintritt der rechtlichen Folgen der Straftat, also jener "erste Schritt" in Richtung auf die Vorteilssicherung. Dabei beurteilt der Senat das Vorliegen dieses Schrittes erneut nach dem Täterplan: Hier sollte die eigentliche Vorteilssicherung ebenso wie in RGSt 16, 157 erst noch einsetzen, während in RGSt 9,242 und 36, 76 jeweils die Täter aus ihrer Sicht mit der (erfolglosen) Einwirkung auf die dritte Person alles getan hatten, was sie sich vorgenommen hatten. Ein Fall letzterer Art lag dann erneut RGSt 46, 74240 zugrunde, wonach eine vollendete persönliche Begünstigung schon dann vorliegen soll, wenn der Täter zugunsten des Vortäters vor Gericht eine falsche uneidliche Aussage gemacht hat und diese erst abändert, als seine Vereidigung angeordnet wurde: Auch hier habe der Täter aus seiner Sicht alles getan, was er sich als Strafvereitelungshandlung vorgenommen habe, und dies sei zur Erreichung seines Zieles auch geeignet gewesen. Erneut verwendet das Gericht den Begriff der Eignung lediglich in dem Sinne, daß die Erreichung des Zieles jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen gewesen sein darf. Auf die einzelnen Umstände geht es hingegen nicht ein. Ansatzweise ändert sich das in RGSt 50, 364241 : Hier ging es darum, ob die an ein Gericht gesendeten Briefe dazu geeignet gewesen sind, eine Beweisquelle so zu trüben, daß dies der angeklagten Vortäterin zum Vorteil gereicht hätte. Zum ersten Mal scheint hier die Vorinstanz die Qualität der Tathandlung hinsichtlich ihrer Eignung, zur persönlichen Begünstigung zu führen, näher untersucht zu haben, da sie zur Feststellung gelangte, daß das erkennende Gericht durchaus durch die Briefe hätte getäuscht werden können. Einzelheiten sind aus der Entscheidung des Reichsgerichts allerdings nicht ersichtlich, da der Senat die insoweit getroffenen Feststellungen des Untergerichts seiner Entscheidung zugrunde legt. Etwas anderes läßt sich auch nicht aus dem Umstand schließen, daß das Gericht im folgenden nur noch kurz die Definition der Begünstigungshandlung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung wiederholt, 5. Strafsenat, 22.2.1907. 4. Strafsenat, 23.4.1912. 24 J 3. Strafsenat, 23.4.1917.
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C. Auslegung durch die Rechtsprechung
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hierbei allerdings das Erfordernis der Eignung zur Strafvereitelung bzw. Vorteilssicherung nicht mehr erwähnt. Denn da sich das Reichsgericht bei dieser Definition auf die oben bereits erläuterten Entscheidungen beruft242 , ist auszuschließen, daß es nunmehr auf das Eignungskriterium verzichten wollte 243 . Die Entscheidung ist im Gegenteil dahingehend zu verstehen, daß die Ausfiihrungen der Vorinstanz zur tatsächlichen - nicht nur vom Täter angenommenen Eignung der Briefe zur Strafvereitelung in Bezug genommen sein sollten. Anders, als die Vertreter der weiten subjektiven Theorien es wahrhaben wollen, scheint sich das Reichsgericht hier tendenziell von diesen Auffassungen abzuwenden. Denn dem Merkmal der Eignung kommt zum ersten Mal ansatzweise die Funktion zu, der Begünstigungshandlung eine gewisse objektive Qualität abzuverlangen. Auf die Unwägbarkeiten einer Feststellung, wann eine Handlung tatsächlich Erfolgseignung besitzt, brauchte das Reichsgericht als Revisionsinstanz - leider -nicht einzugehen. Daß sich allerdings die Begünstigungshandlung in einem tauglichen Vorteilssicherungs- bzw. Strafvereitelungsversuch erschöpfe, verwarf das Reichsgericht in RGSt 54, 132 244 . In dieser Entscheidung war die Frage nach der Eignung der Handlung zur Vorteilssicherung unproblematisch, da es zu jener bereits gekommen war; das Gericht wiederholt daher das Erfordernis der Eignung nur formelhaft. Im Zentrum stand statt dessen die Frage, ob bei der (sachlichen) Begünstigung als Vortaten auch Straftaten, die nicht gegen das Vermögen gerichtet sind, in Betracht kommen können. Dies bejaht der dritte Strafsenat, indem er bei der sachlichen und persönlichen Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB aF den Schutz der staatlichen Rechtspflege als einheitliches Rechtsgut annimmt. Für unseren Zusammenhang von Interesse ist hierbei die Ausfiihrung zur tatbestandlichen Struktur der Begünstigung: "Die Eigenart der Handlung selbst, des Beistandleistens, wird durch die sie bestimmende Absicht nicht verändert.,,245 Diese an Beling246 erinnernde Aussage erteilt zwar den ausschließlich auf den Vorteilssicherungsversuch ausgerichteten Ansichten eine Absage; wie jedoch die Beistandsleistung statt dessen zu definieren ist, bleibt im Dunkeln. Ist mit RGSt 50, 364 die Rechtsprechung zum Eignungskriterium zum ersten Mal etwas restriktiver geworden, so zieht das Reichsgericht in RGSt 55, 178 247 S. in Fn. 1 in RGSt 50, 364 (366). Zu Unrecht firmiert daher diese Entscheidung in der Literatur nach wie vor als Ausrutscher in Richtung der weiten Versuchstheorien; vgl. nur LK II , Ruß, § 257 Rn. 13; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.15. 244 3. Strafsenat, 2.2.1920. 245 RGSt 54, 132 (134). 246 In: Vergl. Darst.. § 4, 1., S. 18; s. o. Fn. 214 und 220. 247 4. Strafsenat, 7.12.1920. 242 243
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
nun auch die Anforderung an den erforderlichen "ersten Schritt" in Richtung auf den angestrebten Erfolg an. Und es verwundert nicht, daß dies nicht in einem FaII einer persönlichen, sondern einer sachlichen Begünstigung aufgegriffen wird, da der Begriff der Vorteilssicherung sehr viel schwieriger von noch im Vorbereitungsstadium steckenden Handlungen abzugrenzen ist: Wie schon in RGSt 16, 157 schlichen sich die Täter an die in einem Strohschober deponierte Diebesbeute heran, als sie bereits vom auf der Lauer liegenden bestohlenen Eigentümer festgenommen wurden. Das Reichsgericht hebt hier die Verurteilung wegen Begünstigung auf, gibt jedoch dem Untergericht eine nähere Prüfung der Frage auf, ob sich die Handlung tatsächlich noch im Vorbereitungsstadium befinde. Denn anders als noch in RGSt 16, 157 hält es das Reichsgericht nicht für ausgeschlossen, daß die Täter bereits mit der Annäherung an die Beute den ersten entscheidenden Schritt in Richtung Vorteilssicherung unternommen haben. Entscheidend sei jedoch nicht - und das ist neu! die weitergehende Absicht der Täter, ob also die eigentliche Begünstigungshandlung - etwa das Fortschaffen der Beute - nach dem Tatplan erst noch einsetzen solIte; vielmehr sei unabhängig davon zu fragen, ob die Sicherheit der Vorteile bereits durch die bis zur Ergreifung verwirklichte Handlung, also durch die bloße Annäherung objektiv erhöht worden sei. Dadurch, daß das Reichsgericht sich ausdrücklich auf die Entscheidung RGSt 16, 157 beruft, wird klargesteIlt, daß mit dem Ausdruck der Erhöhung der Sicherheit nichts anderes gemeint ist als jener bislang schon stets vorausgesetzte "erste Schritt", der jedoch nunmehr nach objektiven Kriterien festgesteIlt werden soll. Daß das Gericht erneut Gefahr läuft, schon sprachlich kaum eine Differenz zwischen "Erhöhung der Sicherheit" und "Sicherung" zu finden, ist wiederum auf den inhaltlich schwer faßbaren Begriff der Vorteilssicherung zurückzuführen. Es ist also Vorsicht geboten, wenn man die Entscheidung des vierten Senats den "objektiven Förderungstheorien" zurechnen wiII 248 . Weniger die Erreichung eines bestimmten, der angestrebten Vorteilssicherung vorgeschalteten Erfolges stand im Vordergrund der Entscheidung, sondern vielmehr die Überschreitung der SchweIIe vom noch straflosen Bereich der Vorbereitung und - sofern dieser überhaupt denkbar ise 49 - des Versuchs zur voIIendeten Begünstigung. Das Bestreben des Reichsgerichts, hier klare Abgrenzungskriterien zu finden, kommt noch deutlicher in einer Entscheidung vom 20.3.1922 250 zum Ausdruck: Dort wurde die Zusage des Täters an den Vortäter, einen Käufer für die gestohlenen Bilder zu suchen, und die schon zum Teil durchgeführte Umsetzung dieses Versprechens als voIIendete (sachliche) Begünstigung bestraft, da das 248 So etwa Hillenkamp, BT, S. 224; Küper, BT, S. 174; Vogler, FS Dreher, S. 405 (408, Fn. 22). 249 Vgl. RGSt (1. Strafsenat, 9.6.1887) 16, 157. 250 RGSt (Strafsenat 6 a), JW 1923, 403, mit Anm. von Köhler.
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Vorbereitungsstadium bereits überschritten sei. Das Gericht betont dabei ausdrücklich, daß hierfiir keineswegs ein bestimmter äußerer Erfolg eingetreten sein müsse, vielmehr genüge die "Teilverwirklichung des Willens", nämlich das "Setzen einer Bedingung fiir den Sicherungserfolg". Erneut wird hierbei auf die Feststellung zurückgegriffen, daß durch die Handlung des Begünstigers bereits eine Erhöhung der Sicherheit eingetreten sein müsse. Blickt man vom heutigen Stand des zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung gefiihrten Meinungsstreits auf diese Entscheidung, so scheint das Gericht jeder der in der Literatur vertretenen Ansichten gerecht werden zu wollen. Während die "Teilverwirklichung des Willens" den subjektiven Theorien nahekommt, nähert sich das "Setzen einer Bedingung" in Anlehnung an manche Formulierung von Vertretern der objektiven Versuchstheorie251 dem tauglichen Versuch und somit der "objektiven Eignungstheorie" an und bedeutet schließlich die "Erhöhung der Sicherheit" zumindest eine objektiv eingetretene Förderung. Vergleicht man allerdings diese Entscheidung mit späteren Urteilen des Bundesgerichtshofs, in denen bereits die bloße Zusage einer Falschaussage als vollendete persönliche Begünstigung angesehen wird 252 ,so scheint sich eine gewisse Diskrepanz zu ergeben. Denn in RG, JW 1923, 403, scheint die Teilumsetzung der versprochenen Absatzbemühungen zwingende Voraussetzung fiir die Vollendung der Begünstigung zu sein. Unter dem Gesichtspunkt der mehr oder weniger tauglich versuchten Vorteilssicherung bzw. Strafvereitelung, wie ihn die überwiegend in der Literatur vertretenen Theorien befiirworten, läßt sich dieser Unterschied freilich nicht erklären. Und doch stellen sich die Fälle zumindest aus der Sicht des Vortäters unter Umständen unterschiedlich dar: Durch die Zusage einer künftigen Falschaussage im Prozeß ist die Verteidigungssituation des Vortäters möglicherweise ad hoc eine ganz andere, während sich durch die Zusage von Absatzbemühungen zunächst nichts Entscheidendes an der Situation des Vortäters ändert. Das Reichsgericht versucht daher offensichtlich, bei der Lösung des konkreten Falles darauf abzustellen, was dem Vortäter bereits hilft und was nicht. Mit diesem Ansatz befindet sich das Gericht allerdings allein auf der Spur der "Interessenförderungstheorie" . Einen mit dem eben besprochenen fast identischen Fall hatte das Reichsgericht in RGSt 58, 13 253 zu entscheiden, als der Täter sich bemüht hatte, Helfer zum Fortschaffen von Waffen zu finden, die der Vortäter unerlaubterweise in Besitz gehabt hat. Hier hatte das Gericht keine Mühe, die Schwelle des Beginns der Begünstigungshandlung als überschritten anzusehen. Folgerichtig begnügt 251 Vgl. Binding, Normen III, S. 426 ff., und bereits oben unter B.III.2b.(I), S.50; folgerichtig verlangt Binding, BT 2.2, § 244, II.4., S. 655, bei der Begünstigung ebenfalls ein Setzen einer Bedingung; ihm folgend LK 4, Lobe, § 257, Bem.II.3. 252 Vgl. BGHSt (4. Strafsenat, 18.3.1976) 27, 74 (75), m. w. N. und unten Fn. 684. 253 4. Strafsenat, 20.11.1923.
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
sich das Gericht unter Verweis auf die Entscheidungen im 16., 35. und 36. Band wieder mit der Feststellung, daß die Handlung lediglich geeignet sein müsse, den angestrebten Erfolg herbeizuführen. Eine nähere Qualifizierung des Eignungsmerkmals wird allerdings nicht vorgenommen. Entsprechend wird in RGSt 58, 154 254 das Erfordernis der Eignung dann erneut nur formelhaft erwähnt. Dagegen gelangt das Reichsgericht in RGSt 63, 240 255 zum ersten Mal in einem Fall einer persönlichen Begünstigung zu dem Ergebnis, daß die Schwelle zur Strafbarkeit noch nicht überschritten sei: Der Täter hatte sich hierbei falsche Quittungen ausstellen lassen, um mit diesen einen u. a. gegen einen Vortäter (zu Recht) bestehenden Diebstahlsverdacht auszuräumen. Zu einem Einsatz der Quittungen kam es jedoch nicht. Zum Teil verwendet das Gericht hier bereits wohlbekannte Formulierungen, wenn es für eine strafbare persönliche Begünstigung verlangt, daß die Absicht des Täters irgendwie in die Tat umgesetzt bzw. die Handlung zur Erreichung des endgültigen Strafvereitelungserfolges geeignet sein müsse. Nicht jedoch die - ohnehin sehr weit verstandene Eignung der Handlung stand im vorliegenden Fall in Frage, sondern vielmehr, ob in der bloßen Beschaffung der Quittungen die persönliche Begünstigung bereits vollendet war, ob also jener "erste Schritt" in Richtung Strafvereitelungserfolg vorlag. Ausschließlich in diesem Zusammenhang greift das Reichsgericht die Formulierung der oben besprochenen "Theorie der objektiven Lageverbesserung,,256 auf, wenn es eine Besserstellung des Vortäters im Hinblick auf die Strafverfolgung verlangt257 . Insoweit stellt die Entscheidung des Reichsgerichts entgegen Vogler258 keineswegs einen Widerspruch zu den vorigen Entscheidungen im 50. und 58. Band dar, in denen lediglich das Erfordernis der Eignung der Beistandsleistung zur Erreichung des beabsichtigten Zieles betont wurde, die Frage der Überschreitung der Schwelle zur Strafbarkeit jedoch unproblematisch war. Daß nach dem Verständnis des Reichsgerichts zwischen verselbständigter Versuchsstrafbarkeit einerseits und tatsächlicher Förderung andererseits kein Widerspruch besteht, wird in RG 66, 316 259 deutlich: Ein Anwalt hatte einen 2. Strafsenat, 17.4.1924. 2. Strafsenat, 1.7.1929. 256 Vgl. oben unter B.IV.I, S.76. 257 In diesem Sinne auch die bereits oben erörtfrten Allfeld, Lehrbuch, § 135.VII, S. 574, und Schmidt, in: v.Liszt/Schmidt, Lehrbuch 2 , § 183.III.lb, S. 845. 258 In: FS Dreher, S.405 (408). Wenn er aaO, S. 422 f., sämtliche kritischen Fälle durch die Abgrenzung von Vorbereitungsstadium und Vollendung lösen will, so würde er damit eigentlich gänzlich auf der Linie des Reichsgerichts liegen, hätte er sich nicht mit dem zusätzlichen Erfordernis der Tauglichkeit praktisch kaum lösbare Probleme aufgehalst: zur Kritik s.o., B.m.I b, S.44 f. 259 I. Strafsenat, 1.7.1932. 254 255
C. Auslegung durch die Rechtsprechung
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Zeugen im Prozeß benannt, von dem er wußte, daß er zugunsten der Vortäter lügen würde. Hier wird eine vollendete persönliche Begünstigung bejaht, da für § 257 Abs. I StGB aF bereits der Versuch einer Strafvereitelung genüge; hierin liege schon eine Förderung. Wie wenig dabei dem Eignungskriterium als Qualitätsmaßstab hinsichtlich der Begünstigungshandlung tatsächlich an entscheidender Bedeutung zukommt, mag man daran ersehen, daß es in dieser Entscheidung noch nicht einmal erwähnt wird. Die Reihe der Fälle, in denen der Täter sich der versteckten Beute nähert, setzt RGSt 76, 31 260 fort: Hier wollte die Täterin vom Vortäter gestohlenen und vergrabenen Schmuck bergen, um ihn anderweitig zu sichern. Wie weit sie allerdings die Ausgrabungen bereits eingeleitet hatte, wird aus der Entscheidung nicht ganz ersichtlich; der zweite Senat spricht insoweit nur von wiederholten Fahrten zum Versteck bzw. der Einweihung einer dritten Person. Wieder war die Frage zu klären, ob damit bereits die Schwelle zur strafbaren Begünstigungshandlung überschritten ist. Das Gericht greift hierbei auf die in RGSt 63, 240 gefundene Formel der Verbesserung der Lage des Vortäters zurück und bejaht eine Strafbarkeit, ohne dies allerdings im einzelnen am Fall darzulegen. Im Vergleich zur Entscheidung RGSt 55, 178, als das Reichsgericht den Fall noch zur näheren Sachaufklärung dieser Frage zurückverwiesen hatte, stellt dieses neuerliche Urteil hinsichtlich der Subsumtionsgenauigkeit einen qualitativen Rückschritt dar. In seiner letzten Entscheidung zur Hilfeleistung bei der Begünstigung hatte das Reichsgericht in RGSt 76, 122261 endlich Gelegenheit, dem Eignungskriterium doch noch eine für die Tatbestandslosigkeit einer Handlung entscheidende Bedeutung beizumessen: Der Täter hatte mit einer Falschaussage zwei Vortäterinnen vor Strafe zu bewahren gesucht, deren Taten allerdings bereits verjährt waren. Daß die Handlung zur Erreichung des Ziels - hier der Vereitelung der Strafe - geeignet sein müsse, bedeute lediglich, daß auch nur die entfernte Möglichkeit hierzu bestanden haben müsse. Gerade dies sei jedoch im vorliegenden Fall ausgeschlossen, da bei einer bereits verjährten Tat keine Strafe mehr vereitelt werden könne. Zieht man ein Fazit der Rechtsprechung des Reichsgerichts, so ist festzustellen, daß diese keineswegs so widersprüchlich ist, wie Vogler262 in seiner Analyse ermittelt haben will. Wenn sich die Rechtsprechung gleichwohl nicht eindeutig einer der in der Literatur vertretenen Theorien zuordnen läßt, sondern statt dessen zwischen diesen hin und her zu schwanken scheint, so spricht dieser Umstand allein schon vor dem Hintergrund der oben unter B. aufgezeigten 2. Strafsenat, 15.1.1942 = DR 1942, 569 (mit Anm. von Dahm). 1. Strafsenat, 28.4.1942. 262 In: FS Dreher, S. 405 (407 ff.). 260 261
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1. Abschnitt: Kritische Einführung
Begründungsnotstände der einzelnen Theorien eher gegen diese als gegen das Reichsgericht. Es hat daher gut daran getan, sich von jener Meinungstrias zu distanzieren und unbefangen an die Frage heranzugehen, was unter einem Beistand zur Vorteilssicherung bzw. Strafvereitelung zu verstehen ist. Dabei gelangt das Reichsgericht zu zwei Ergebnissen: a) Die Handlung muß zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet sein, wobei damit jedoch nur diejenigen Handlungen vom Begünstigungstatbestand ausgeschlossen sein sollen, die unter keinen Umständen mehr zum Ziel fuhren können. Weder wird damit eine Gefährdung fur das Rechtsgut noch eine Handlung im Sinne eines tauglichen Versuchs verlangt. b) Das Endziel muß zwar nicht erreicht sein, jedoch muß der Täter einen Schritt in diese Richtung bereits unternommen haben; ursprünglich sollte hierfur allein der Tatplan des Täters ausschlaggebend sein, in späteren Entscheidungen gelangt das Reichsgericht jedoch zu einer restriktiven Auslegung, indem dieser erste Schritt objektiv festzustellen ist, etwa wenn die Sicherheit des Vortäters erhöht oder dessen Lage verbessert worden ist. Dabei bewegt sich das Reichsgericht insbesondere bei der sachlichen Begünstigung schon sprachlich auf einem sehr schmalen Grat, da diese Erhöhung der Sicherheit bzw. Verbesserung der Täterlage nur schwerlich vom dahinterliegenden endgültigen Erfolg der Vorteilssicherung abzugrenzen sind.
11. Die höchst- und obergerichtIiche Rechtsprechung nach 1945 Schon mit der ersten nach dem Kriege zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung erlassenen Entscheidung hielt jedoch eine weitgehende Begriffsverwirrung Einzug in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. In BGHSt 2, 375 263 wurde ein Rechtsanwalt vom Vorwurf der persönlichen Begünstigung freigesprochen, der sowohl einem Täter, der einen falschen Eid geleistet hatte, von einer Selbstanzeige abgeraten als auch bei der Verteidigung eines Mandanten trotz Kenntnis von dessen Schuld einen Freispruch angestrebt hatte. Die das weite Feld des an die Strafvereitelung grenzenden Verteidigerhandelns betretende Entscheidung des Bundesgerichtshofs würde an sich nahtlos an die Entscheidungen des Reichsgerichts anknüpfen, wenn er ausführt, daß ein Handeln, das letztlich unter keinen Umständen zur Erschwerung der Strafverfolgung führen könne, als zur Begünstigung ungeeignet angesehen werden müsse. Denn da der Täter eines Meineides nicht zur Selbstanzeige verpflichtet sei, könne das Abraten hiervon ebensowenig eine Beeinträchtigung der Strafverfolgung darstellen wie das sich im erlaubten Rahmen bewegende Verteidigerhandeln im Prozeß. Der Bundesgerichtshof will sich auch ersichtlich nicht in Widerspruch setzen zur ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts, wie der Verweis auf 263
I. Strafsenat, 20.5.1952 (= N.TW 1952,894, mit Anm. von Cüppers).
c. Auslegung durch die Rechtsprechung
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dessen Entscheidungen im 55., 58. und 76. Band zeigt. Dennoch ist dem ersten Strafsenat die Umschreibung der Begünstigungshandlung völlig mißglückt: "Zur vollendeten Begünstigung gehört aber, daß sich die Lage des Vortäters gegenüber der Strafverfolgung durch hierzu bestimmte und geeignete Handlungen des Begünstigenden äußerlich verbessert und daß das Verhalten des Täters geeignet ist, einen solchen Erfolg herbeizufiihren.,,264 Wozu die Handlung im ersten Halbsatz dieses Zitats geeignet sein muß, ist nicht ganz klar. Sollte sich das "hierzu" auf die vollendete Begünstigung beziehen, so würde in die Definition der zu definierende Begriff hineingetragen; denn welcher Handlungsqualität es fiir eine vollendete Begünstigung bedarf, soll ja erst geklärt werden. Soll die Handlung hingegen, wie es auch der letzte Halbsatz ausdrückt, zur Verbesserung der Lage geeignet sein, so ist Vogler265 in seinem Hinweis zuzustimmen, daß dieser Zusatz überflüssig ist, denn stets kann ein eingetretener Erfolg nur durch eine dazu geeignete Handlung herbeigeftihrt worden sein. In Entsprechung zur Rechtsprechung des Reichsgerichts und angesichts der im Urteil folgenden Ausfiihrungen des Bundesgerichtshofs wird man ihn wohl nur so interpretieren können, daß die Handlung zur Erreichung der tatsächlichen Vereitelung der Strafe, also des Endzieles der Hilfeleistung, geeignet sein muß. Der Begriff der Eignung wird allerdings auch hier wieder im denkbar weitesten Sinne verstanden, indem diese offenbar nur dann nicht vorliegen soll, wenn das Erreichen des Endzieles unter allen Umständen ausgeschlossen ist. Auf die Verneinung der Handlungseignung im konkreten Fall ist es auch zurückzufiihren, daß in den Entscheidungsgründen die Frage nach der Verbesserung der Lage des Vortäters keine Rolle mehr spiele66 . Auch die Entscheidung in BGHSt 4, 221 267 versteht das Eignungskriterium in jenem denkbar weiten Sinn und kommt daher ebenfalls zu einem - in der Sache wohl fragwürdigen - Freispruch: Die Täterin nahm vom Vortäter Geld als Darlehen entgegen, von dem sie irrig annahm, jener hätte es aus einer Steuerhinterziehung erlangt; indessen hatte er die Gelder aus anderen Vortaten erzielt. Bei der Prüfung des Bundesgerichtshofs, ob die Handlung der Täterin, träfe ihre Vorstellung zu, zur Vorteilssicherung geeignet gewesen sei, kommt er zu einem negativen Ergebnis, weil durch ihr Tun der Bestand des Anspruchs des Staates auf Zahlung der hinterzogenen Gelder unter keinen Umständen beeinflußt worden wäre. Ungeeignet wird hier also erneut in dem Sinne verwendet, daß das Erreichen des Endziels - die Vorteilssicherung - in jedem Falle ausgeschlossen ist. NJW 1952, 894 (895, re. Sp.). In: FSDreher, S. 405 (408). 266 Wenn Vogler, aaO, hingegen bezüglich der "tatsächlichen Verbesserung der Lage des Vortäters" von einem weitergehenden Erfordernis spricht, wird er damit der oben dargestellten Rechtsprechung des Reichsgerichts, wie dargelegt, nicht gerecht. 264
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I. Abschnitt: Kritische Einführung
Daß im Fall von BGHSt 4, 221 das Abstellen auf die Nichtbeeinflussung des Bestandes des Anspruchs wohl ein Fehlgriff war, deutet unter vornehmer Zurückhaltung die Entscheidung des fünften Strafsenats vom 27.4.1954 268 an: Nicht den Anspruch gelte es rechtlich zu vereiteln, sondern seine Durchsetzung müsse lediglich erschwert werden. Eine solche Erschwerung bejaht der Bundesgerichtshof bei einer Absatzhilfe bezüglich Waren, die aus einer Zollhinterziehung stammen. Interessant ist jedoch die Feststellung des fünften Senats, daß durch die vollbrachte Absatzhilfe "die Durchsetzbarkeit des Zollanspruchs gegen den Hinterzieher unmittelbar gefährdet" sei. Jedoch bleibt diese Aussage apodiktisch. Unklar ist, ob die unmittelbare Gefahrdung des Restitutionsanspruchs Voraussetzung für eine Begünstigungshandlung sein oder damit sogar die Vorteilssicherung selbst umschrieben werden soll. Ferner wird nicht ersichtlich, ob das Kriterium der Gefahr die Handlung in zeitlicher oder qualitativer Hinsicht bestimmen soll. Die in der Lehre herrschende "objektive Eignungstheorie", deren Vertreter den Begriff der Eignung mitunter durch den Gefahrbegriff bestimmen wollen, kann daher aus dieser Entscheidung nur wenig für sich ableiten. Mit einer neuen Variante der Verknüpfung von Handlungseignung und Herbeiführung eines "Erfolges" wartet der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 7.12.1954 auf: "Zur persönlichen Begünstigung genüge es ... , daß die Handlung geeignet sei, die Lage des Täters oder Teilnehmers der vorangegangenen Straftat gegenüber der drohenden Strafverfolgung zu verbessern.,,269 Sollte diese Wiedergabe von Dallinger tatsächlich authentisch sein, so wäre zumindest die Verweisung des dritten Senats auf BGHSt 2, 375 unzutreffend, da dort verlangt wurde, daß die Verbesserung der Lage des Vortäters tatsächlich eingetreten sein müsse. Galt nach dieser Entscheidung ebenso wie nach der reichsgerichtlichen Rechtsprechung die Verbesserung der Lage als Kriterium des ersten Schritts in Richtung auf die Vorteilssicherung bzw. Strafvereitelung, so wird es nun als Endziel der Begünstigungshandlung umgedeutet, zu dem lediglich die Handlung geeignet sein müsse. Es verwundert nicht, daß dieses Durcheinanderwürfeln der Begriffe gerade in einem Fall vorgenommen wird, in dem es auf die Fragen des ersten Schrittes oder der Handlungseignung gar nicht ankam, da es im konkreten Sachverhalt für eine Strafvereitelung durch Unterlassen bereits an der nötigen Garantenpflicht mangelte. Zur herkömmlichen Begrifflichkeit kehrte hierauf wieder das OLG Braunschweig, GA 1963, 211 27°, zurück, indem es schlicht auf die Handlungseig267
3. Strafsenat, 30.4.1953 (= NJW 1953, 1194).
268.1R 1954,349. 269 270
Zitiert nach Dallinger in: MDR 1956, 271. Urteil vom 18.3.1963.
C. Auslegung durch die Rechtsprechung
91
nung, die Vorteile der Tat zu sichern, abstellt. In dem zu beurteilenden Fall, in dem die Täterin vom Vortäter gestohlene Schnapstlaschen und Zigaretten mitverzehrte, stellte sich nicht die Frage, ob die Handlung der Täterin schon eine Begünstigungshandlung darstellte, sondern ob die Handlung - der Verzehr der Vorteile - überhaupt zu einer Sicherung führen konnte. Das Oberlandesgericht hat diese Frage bejaht. Dennoch scheint sich die irrtümliche Einordnung des Kriteriums der Verbesserung der Lage als Umschreibung des anzustrebenden Endziels der Begünstigung in der nachfolgenden Rechtsprechung etabliert zu haben, weswegen der Bundesgerichtshof im folgenden nur noch das Eignungskriterium fruchtbar zu machen sucht. So sieht etwa BGH, NJW 1971, 525 271 , im bloßen Anerbieten einer falschen Zeugenaussage eine vollendete persönliche Begünstigung. Mißglückt ist jedoch erneut die Formulierung, daß die Begünstigungshandlung objektiv geeignet sein müsse, "dem Vortäter zu helfen,,272. Der gesetzliche Tatbestand setzt eine Beistandsleistung, ergo Hilfeleistung voraus, nicht bloß eine hierzu geeignete Handlung. Im übrigen bleibt es in dieser Entscheidung bei dem denkbar weiten Verständnis des Eignungsmerkmals, da hiernach lediglich das Erreichen des Ziels nicht ausgeschlossen sein darf: Dies war jedoch im konkreten Fall für das zusätzliche Angebot der Täterin an den Vortäter der Fall, eine falsche eidesstattliche Versicherung abzugeben; da dies kein taugliches Beweismittel im Strafprozeß ist, konnte dies auch keine geeignete Strafvereitelungshandlung darstellen. Dem Bundesgerichtshof stellte sich in diesem Fall jedoch das weitere Problem, ob das Anerbieten der falschen Zeugenaussage bereits den Beginn einer geeigneten Begünstigungshandlung darstellt. Hatte das Reichsgericht gerade bei dieser Frage die Verbesserung der Lage des Vortäters gegenüber der Strafverfolgung als für den Beginn ausschlaggebend angesehen, verwirft der zweite Senat ausdrücklich dieses Kriterium, wohl in der Meinung, daß eine solche Verbesserung bereits den endgültigen Erfolg der Begünstigung - die Vereitelung der Strafe oder die Vorteilssicherung - darstellen würde. Gleichwohl bejaht der Bundesgerichtshof im Fall das Vorliegen einer vollendeten persönlichen Begünstigung, freilich ohne nähere Begründung; auf die Einführung eines anderen Kriteriums, mit dem der Beginn einer Begünstigungshandlung festgestellt werden könnte, wartet man hingegen vergebens. Mit einer zur Vorteilssicherung in jeder Hinsicht ungeeigneten Begünstigungshandlung hatte sich BGHSt 24, 166 273 zu befassen: Die Angeklagte hatte vom Vortäter veruntreutes Geld zunächst gutgläubig als Geschenk angenom2. Strafsenat, 2.12.1970 (= MDR 1971, 231). NJW 1971, 525 (526). 273 2. Strafsenat, 16.6.1971 (= NJW 1971, 1572 = MDR 1971, 856 .IR 1972, 69 (mit Anm. von Maurach». 271
272
=
JZ 1971, 597
=
1. Abschnitt: Kritische Einführung
92
men. Als der wahre Sachverhalt jedoch ans Licht kam, gab sie ihm das Geld zurück, damit er es in Sicherheit bringen konnte. Der Bundesgerichtshof hält eine Begünstigung für ausgeschlossen, wenn der zu sichernde Vorteil wie im vorliegenden Fall beim Täter gar nicht mehr vorhanden ist; mit der Schenkung des Geldes an die Angeklagte war der unmittelbare Vorteil der Vortat endgültig verbraucht. Der gegen den Vortäter gerichtete Restitutionsanspruch konnte danach nicht weiter erschwert werden. In diesem Fall liegt also erneut eine Konstellation vor, in der eine mögliche Vorteilssicherung von vornherein ausgeschlossen war. Ist somit eine Vorteilssicherung bei nicht mehr vorhandenem Vorteil denknotwendig ausgeschlossen, so gilt dies entsprechend für den in § 257 Abs. 1 StGB aF ebenso geregelten Tatbestand der persönlichen Begünstigung im Hinblick auf die zu vereitelnde Strafe, wie das BayObLG, JZ 1973, 385 274 , folgerichtig klargestellt hat: Dort wurde der Verursacher eines Unfalls vom vorbeikommenden Angeklagten mitgenommen, damit jener nicht von der noch nicht eingetroffenen Polizei eines möglicherweise begangenen Trunkenheitsdeliktes überführt werden sollte; ob der Unfallverursacher allerdings tatsächlich in entsprechendem Maße alkoholisiert war, konnte im nachhinein nicht mehr festgestellt werden. Genau dies müßte jedoch nach der Ansicht des BayObLG der Fall sein, um die Eignung der Tathandlung zur Erreichung der angestrebten Vereitelung der Strafe bejahen zu können. Bei Nichtvorliegen bzw. NichtfeststeIlbarkeit einer strafbaren Vortat sei die Handlung zur Strafvereitelung von vornherein nicht geeignet bzw. die Eignung nicht nachweisbar. Auch das OLG Düsseldorf, NJW 1979, 2320 275 , beschäftigt sich mit solch ungeeigneten Begünstigungshandlungen, diesmal wiederum im Hinblick auf die Vorteilssicherung, nachdem die Strafvereitelung mit der Strafrechtsreform 1975 aus dem Begünstigungstatbestand herausgenommen wurde: Der vom Täter, einem Rechtsanwalt, vermittelte Verkauf der Diebesbeute (wohlgemerkt an den bestohlenen Eigentümer!) stelle demnach durchaus eine zur Vorteilssicherung geeignete Begünstigungshandlung dar, da der Schaden dadurch noch vertieft werden könne. Dies sei aber nicht der Fall, wenn "eine Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes bei vernünftiger Betrachtungsweise ... ohnehin kaum möglich (sei),,276, etwa bei einem unbekannten Vortäter oder bei einem Massenprodukt als Diebesbeute, das dem Bestohlenen nicht mehr ohne weiteres zugeordnet werden könne. Ob diese vom Oberlandesgericht angeführten Beispiele allerdings zutreffen, soll hier nur am Rande mit einem gewissen Zweifel bedacht werden: Bei der Restitution geht es nicht um das DingfestrnaUrteil vom 16.4.1973. Urteil vom 22.3.1979; vgl. auch die Anm. hierzu von Zipf, JuS 1980,24. 276 N.lW 1979,2320 (2321, re. Sp.). 274 275
C. Auslegung durch die Rechtsprechung
93
chen des unbekannten Vortäters, sondern um die vom Begünstiger gesicherten - und damit für den Geschädigten wieder greifbar gewordenen - Vorteile der Tat, so daß es an sich keine Rolle spielt, daß der Vortäter völlig unbekannt ist; ferner erscheint fraglich, warum der gestohlene Sack Kartoffeln mittlerer Art und Güte durch das Verstecken hinter anderen Kartoffelvorräten nicht in strafbarer Weise soll gesichert werden können. Im vom OLG Düsseldorf zu entscheidenden Fall war hingegen eine theoretische Möglichkeit der Vorteilssicherung noch gegeben, so daß auch diese Entscheidung sich der Auffassung von einem denkbar weit verstandenen Eignungsbegriff anschließt. Die Frage nach dem Vollendungszeitpunkt einer Begünstigungshandlung stellte sich im Fall hingegen nicht. Zu demselben Problemkreis und entsprechend zu BGHSt 24, 166 verneint auch BGH, NJW 1985, 814277, das Vorliegen einer Begünstigung für den Fall, daß die zu sichernden Vorteile bereits gar nicht mehr vorhanden waren. Konkret waren die vom Vortäter auf der Flucht versteckten Geldbomben bereits von einem Zeugen gefunden und an die Polizei übergeben worden, als die Täterin die Beute aus dem Versteck bergen wollte. In BGH, NJW 1986, 1183 (1185)278, ging es ähnlich wie schon im vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall um die Vermittlung zwischen Vortätern und den Geschädigten durch einen Rechtsanwalt: Gegenstand war hier jedoch Lösegeld, das die Vortäter zurückgeben sollten. Als Gegenleistung sollten die Geschädigten auf Schadensersatzansprüche verzichten und den Vortätern immerhin einen Betrag in Höhe von 10% des Lösegeldes überlassen. Der zweite Senat bejaht hier prinzipiell eine Hilfeleistung, es fehle jedoch an der Vorteilssicherungsabsicht, weil der angestrebte Vorteil- die 10% des Wertes des Lösegeldes - nicht mit dem Vorteil aus der Vortat identisch sei. Wie ein Vergleich mit ähnlich gelagerten Rechtsprechungsfallen zeigt, ist dies ein Trugschluß des Bundesgerichtshofs. Gegenstand der Begünstigung ist nicht das Entgelt für die Rückgabe des Lösegeldes, sondern das Lösegeld selbst. Der Bundesgerichtshof hätte daher fragen müssen, ob die entgeltliche Rückgabe der Vortatbeute deren Sicherung bedeuten kann. Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen bereits mehrfach bejaht279 . Abgesehen von diesem Einwand soll jedoch der Blick auf die für unseren Zusammenhang bemerkenswerte Formulierung des entscheidenden zweiten Strafsenats gerichtet werden. Demnach liege zwar eine Hilfeleistung vor, es fehle jedoch an der Absicht, die Vorteile 277 2. Strafsenat, 9.1.1985 (= JZ 1985, 298 = Kriminalist 1985, 203); vgl. auch die Anm. von Küper, JuS 1986, 862, allerdings unter Ausklammerung der sich im Rahmen der Begünstigung stellenden Probleme. 278 2. Strafsenat, 5.11.1985. 279 Vgl. nur BGHSt (4. Strafsenat, 15.5.1952) 2, 362 (= NJW 1952,892) und BGHSt (2. Strafsenat, 21.10.1970) 23,360 (361) (= NJW 1971,62 = MDR 1971, 60).
94
1. Abschnitt: Kritische Einflihrung
der Tat zu sichern. Diese Aussage erinnert an die Entscheidung RGSt 54, 132 und die Auffassung von Be1ing, wonach Beistandleisten einerseits und Vorteilssicherungs- bzw. Strafvereitelungsabsicht andererseits streng voneinander getrennt werden müssen 280 . Sicherlich muß diese Randbemerkung des Bundesgerichtshofs nicht zwingend im Sinne dieser Auffassung verstanden werden. Dennoch scheint der darin zum Ausdruck kommende Gedanke, daß auch eine nicht nach § 257 Abs. 1 StGB strafbare Hilfe eben doch eine Hilfe darstellen kann, ein Fingerzeig darauf zu sein, daß dem Hilfeleistungsbegriff durchaus eine eigenständige Bedeutung zukommen könnte und die Begünstigung daher nicht ausschließlich in einer mehr oder minder tauglich versuchten Vorteilssicherung bestehen muß. Im zuletzt vom Bundesgerichtshof zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung entschiedenen Fall bedurfte es keines Eintauchens mehr in dessen dogmatische Untiefen: Im Fall von BGH, StV 1994, 185 281 , hatte der Täter durch Vorspielen einer Komödie verhindert, daß das vom Vortäter geprellte Opfer auf die erschwindelten Gelder zugreifen konnte. Der vierte Strafsenat hält bei einem solchen - vom Tatgericht erst noch festzustellenden - Sachverhalt eine Begünstigung für möglich. Bei der Leitlinie, die der Bundesgerichtshof insoweit gibt, zieht er sich auf die unbestreitbaren Grundlagen des Tatbestandes der Begünstigung zurück: Das Delikt sei bereits mit der Hilfeleistung vollendet, hingegen müsse die Vorteilssicherung nicht erreicht sein. Angesichts mancher begrifflichen Verwirrung in vorigen Entscheidungen bedeutet diese Hervorhebung der tatbestandlichen Vorgaben eine wohltuende Rückbesinnung auf eine unbefangen vorzunehmende Auslegung des Begünstigungstatbestandes. Resümiert man die nach 1945 zur Tathandlung des § 257 StGB ergangenen Urteile des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte, so ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zur vom Reichsgericht zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung verfolgten Linie. Insbesondere bleibt dem Eignungskriterium nach wie vor nur die Funktion, von vornherein zur Vorteilssicherung absolut untaugliche Handlungen - sei es aus tatsächlichen, sei es aus rechtlichen Gründen - aus dem Tatbestand der Begünstigung auszuklammern. Das daneben vom Reichsgericht nicht selten behandelte Problem, wie der Vollendungszeitpunkt einer Begünstigung bestimmt werden kann, hat der Bundesgerichtshof allerdings weitgehend vernachlässigt, wenn nicht gar vernebelt. Diesbezüglich wurde das einst verwendete Kriterium der Verbesserung der Lage beim Vortäter fallengelassen, da dies offenbar als mit dem Vorteilssicherungserfolg - zu dem es ja nicht gekommen sein muß - identisch angesehen wurde.
280 28\
S. o. S.88 f. und das Zitat in den Fn. 214 und 220. 4. Strafsenat, 8.9.92.
Erstes Zwischenergebnis
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Ein an diese Stelle getretenes anderes Abgrenzungsmerkmal ist jedoch in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung nicht ersichtlich. Kontinuität beweist die Rechtsprechung hingegen bis zum heutigen Tage dahingehend, daß sie sich keiner der oben unter B.H bis IV besprochenen in der Literatur vertretenen Ansichten eindeutig zurechnen läßt. Auch wenn sich das Dogma von der Begünstigung als verselbständigter Versuchshandlung in der Rechtsprechung durchgesetzt hat, so läßt sich stets auch das Bestreben der entscheidenden Gerichte erkennen, die Begünstigungshandlung nicht nur als mehr oder minder tauglich versuchte Vorteilssicherung zu defmieren, sondern unabhängig davon danach zu fragen, ob eine Handlung sich (schon) als Vorteilssicherungshilfe zugunsten des Vortäters darstellt.
Erstes Zwischenergebnis Das zuletzt Gesagte aufnehmend wird man aus der Tatsache, daß die Vorteilssicherung zur Vollendung der Begünstigung nicht erreicht zu werden braucht, ohne weiteres dem Satz zustimmen müssen, daß es sich bei der Begünstigung unter dem Aspekt der Vorteilssicherung nur um ein zum selbständigen Tatbestand erhobenes Versuchsdelikt handelt. Die entscheidende Frage lautet nun aber dahin, ob man bei diesem Ausgangspunkt einer versuchten Vorteilssicherung verharrt und somit das Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung der "Übermacht" der Vorteilssicherung preisgibt, oder ob man diesem einen demgegenüber eigenständigen Inhalt zubilligt. Die besprochenen Stimmen in der Literatur wählen fast ausnahmslos den ersten Weg, wobei sich im einzelnen sechs unterschiedliche Ansichten herausgebildet haben: a) Es genügt jedes Handeln in Vorteilssicherungsabsicht282, b) die Vorteilssicherungsabsicht muß nach außen hin manifestiert worden sein283 , c) die Vorteils sicherung muß im Sinne der §§ 22 f. StGB versucht worden sein284, d) dieser Versuch muß jedenfalls bei tatsächlich vorliegender Vortat und tatsächlich vorhandenen Vorteilen unternommen worden sein28S , e) der Versuch muß im Hinblick auf die Vorteilssicherung tauglich gewesen sein286 und f) der Versuch muß den Vortäter in einer objektiv feststellbaren Weise dem
8. oben, 8.11. la, 8.22 ff., sogenannte "rein subjektiveTheorie". 8. oben, 8.11.2, 8.35 ff., sogenannte "Manifestationstheorie". 284 8. oben, B.ll.lb.(2), 8.30 ff., sogenannte "Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs". 285 8. oben, B.II.lb.(l), 8.25 ff., sogenannte "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" . 286 8. oben, 8.III, 8.38 ff., sogenannte "objektive Eignungstheorie". 282 283
96
I. Abschnitt: Kritische Einführung
Ziel der Vorteilssicherung näher gebracht haben 287 • Die ersten vier Ansichten laufen Gefahr, durch die Bestrafung objektiv ungefahrlicher Handlungen möglicherweise dem Sinn und Zweck der Begünstigung nicht gerecht zu werden, die letzten zwei Ansichten vermögen keine tatbestands beschränkenden Kriterien anzugeben, die zum einen praktikabel wären und zum anderen mit einer materiellen Rechtsgutsverletzung korrespondieren würden. Der Grund filr dieses Festhalten an der Vorteilssicherung als die Begünstigung allein prägendem Tatbestandsmerkmal und der daraus folgenden Vernachlässigung des Hilfeleistungsbegriffs kann leicht ausgemacht werden: Wie eine Durchleuchtung der historischen Entwicklung der Begünstigung zeigen wird, wird die Stellung des heutigen Begünstigungstatbestands im Besonderen Teil als Menetekel für die Verselbständigung dieses Deliktes verstanden. Inwieweit diese Interpretation ihre Berechtigung hat, wird noch zu zeigen sein. Daß jedenfalls das Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung, das aufgrund des Bezugs der Handlung auf einen Hilfeempfiinger nicht aus sich heraus erklärbar zu sein scheint, schon begrifflich ein Stachel im Fleisch dieser Forderung nach Selbständigkeit sein muß, ist nur zu verständlich. Die Vernachlässigung des Hilfeleistungsbegriffs wird zudem dadurch begünstigt, daß es bislang nicht gelungen ist, diesen - auch nicht im Rahmen der Beihilfe - einer praktikablen Definition zuzufilhren, ohne lediglich eine Unbekannte durch eine jeweils andere auszutauschen. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die zum Begünstigungstatbestand ergangene Rechtsprechung, so hat sich gezeigt, daß es dieser stets nur um die Lösung von Einzelfallproblemen ging - etwa die Frage des Vollendungszeitpunkts oder der Beteiligung an einer Selbst- oder Fremdbegünstigung. Ein eindeutiges Bekenntnis zu einer der in der Literatur vertretenen Theorien oder auch nur zur überwiegend favorisierten Negierung des Hilfeleistungsbegriffs wurde von ihr hingegen tunlichst vermieden. In der Literatur steht diesem durchgängig vertretenen Ansatzpunkt, den Begünstigungstatbestand ausschließlich von der Vorteilssicherung her zu definieren, allein die Ansicht gegenüber, die die Hilfeleistung als entscheidendes objektives Tatbestandsmerkmal ansieht, wohingegen die Vorteilssicherungsabsicht ausschließlich die überschießende Innentendenz im subjektiven Tatbestand darstellen soll288. Diese dem Wortlaut sicherlich voll gerecht werdende Auffassung muß jedoch erst noch nachweisen, daß sie dem Hilfeleistungsbegriff einen solchen Inhalt zu geben vermag, der die Begünstigung weder als Teilnahme an der Vortat noch als bloßes der Vorteilssicherung vorgelagertes Versuchsstadium erscheinen läßt. Dies wird bei der im folgenden zu leistenden Auslegung des Begünstigungstatbestandes ebenso auf dem Prüfstand stehen
287 288
S. oben, B.lV.I, S.71 ff., sogenannte "Theorie der objektiven Lageverbesserung" . S. oben, B.lV.2, S.74 ff., sogenannte "Interessenförderungstheorie".
Erstes Zwischenergebnis
97
wie zum einen das von allen übrigen Literaturstimmen vertretene Modell eines wie auch immer qualifizierten Vorteilssicherungsversuchs und zum anderen die von der Rechtsprechung in den Einzelfällen erzielten Ergebnisse.
7 Weiser!
2. Abschnitt: Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung A. Historische Auslegung Grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers sinnvollerweise erst dann, wenn die Bedeutung des auszulegenden Tatbestandsmerkmals sowohl seinem natürlichen Wortsinn als auch der begrifflichen Systematik nach noch nicht eindeutig bestimmt werden kann 289 . Denn entscheidend rur die Auslegung eines gesetzlichen Tatbestandes kann nur der nonnative Sinn sein, der ihm aus heutiger Sicht, d.h. vom heutigen Rechtsanwender oder potentiellen Rechtsbrecher objektiv beizumessen ist. Dabei bilden allerdings die Regelungsabsichten und konkreten Nonnvorstellungen des historischen Gesetzgebers immerhin ein Indiz rur die Gesetzesauslegung. Blickt man daher auf die Entstehungsakte des Begünstigungstatbestandes gemäß § 257 StGB nF, so zeigt sich, daß einerseits die Ausbeute rur die uns interessierende Frage nach der Bedeutung des Hilfeleistungsbegriffs denkbar dürftig ist, weil die jeweiligen Nonngeber das konkrete Problem der tatbestandlichen Unschärfe bestenfalls gesehen, aber auch dann bewußt unbeantwortet gelassen haben. Andererseits lassen sich jedoch rur das Verständnis der Begünstigung und damit auch des Hilfeleistungsbegriffs entscheidende Weichenstellungen erkennen, die nur vor dem Hintergrund der wechselhaften Geschichte des Straftatbestandes der Begünstigung verständlich sind. Aus diesem Grund soll die historische Betrachtung nicht nur den übrigen Auslegungskriterien vorangestellt, sondern auch weiter ausholend die gesamte geschichtliche Entstehung der Begünstigung beleuchtet werden, um dadurch die gesetzgeberische Grundentscheidung ebenso wie auch die in diesem Delikt angelegten Probleme besser erkennen zu können.
I. Geschichtliche Wurzeln der Begünstigung
Will man der Entwicklung der Begünstigung bzw. der mit ihr eng verbundenen weiteren Anschlußdelikte Strafvereitelung und Hehlerei auf den Grund 289 V gl. zur Bedeutung der historischen Auslegung Larenz, Methodenlehre, II.4.Kap.2c, S. 328 ff.
A. Historische Auslegung
99
gehen, so stellen das römische und das gennanische Recht zwei Ausgangspunkte dar, in denen mit diesen Delikten verbundene grundsätzliche Probleme zwar erkannt, aber kaum systematisch behandelt bzw. einer konsequenten Lösung zugeführt wurden. Daher waren auch die aus diesen Erkenntnissen in der Folgezeit gezogenen Konsequenzen durchaus verschieden, was zu einem fast durchgängigen, unversöhnlichen Nebeneinander der zur Begünstigung vertretenen Theorien in der deutschen Strafrechtswissenschaft führte. Dabei floß das römische Recht durch dessen Fortentwicklung im mittelalterlich-italienischen Recht und die anschließende Rezeption in Deutschland teilweise direkt in die Gesetzbücher ein. Aber auch die altgennanischen Rechte haben nicht minder über Jahrhunderte in der Diskussion um die Einordnung bzw. den Strafgrund der einem Vortäter im nachhinein gewährten Hilfe nachgewirkt.
1. Die Begünstigung im römischen Recht
Obwohl die Dogmatik des römischen Strafrechts bei wettern nicht zu solcher Blüte gelangte wie die des römischen Privatrechts, so zeigt sich dennoch, daß schon damals ein Grundproblem der Anschlußdelikte im allgemeinen und der Begünstigung im besonderen aufgespürt worden ist, das für die Diskussion der folgenden Jahrhunderte bestimmend sein sollte und das der Frage nach der Bedeutung des Hilfeleistungsbegriffs vorgelagert ist. Denn nicht das Wie der zu leistenden Unterstützung stand im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Frage, wobei dem anderen geholfen wird, ob bei der Vortat selbst oder bei einem der Vortat nachfolgenden Geschehen. Nur in letzterem Falle kommt eine Einstufung der Nachtathilfe als selbständige Straftat in Betracht. Bei einer Durchsicht der hierzu einschlägigen Stellen insbesondere im Corpus Iuris Civilis muß man allerdings feststellen, daß den römischen Juristen weder bei der Begünstigung noch bei den anderen Anschlußdelikten im heutigen Sinne die Aufstellung eines diesbezüglich durchgreifenden Prinzips gelungen ise 90 • Immerhin läßt sich in den Quellen eine Differenzierung der insoweit in Betracht kommenden Handlungen nach der Art ihrer Unterstützungsleistung entsprechend den heutigen §§ 257 bis 259 StGB erkennen, wobei auch hier die römischen Juristen keine dogmatisch eindeutige Zuordnung zu jeweils eigenständigen Kategorien vorgenommen haben. Es blieb in der Regel bei einer vom jeweiligen Fall abhängigen Aufzählung der verschiedenen Arten nachträglicher Hilfe. Ob allerdings schon in den 12 Tafeln Begünstigungs- oder Hehlereihandlungen erfaßt waren, kann nur gemutmaßt werden. Ebenso im unklaren ist die 290
7*
So auch v.Buri, GS 29 (1877), 14.
100
2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Frage, ob diese Handlungen gegenüber den mit ,furtum' umschriebenen Diebstahlsdelikten im weiteren Sinne als selbständige Straftaten angesehen wurden 291 . Näher liegt insoweit der Gedanke, daß das Auffinden einer gestohlenen Sache bei einer Person kein eigenständiges Delikt darstellte, sondern lediglich als Beweisregel diente, die auf die Täterschaft hinwies 292 • Ob in der republikanischen Zeit die Nachtathilfe als nachfolgende Teilnahme oder in bestimmten Fällen als eigenständiges Delikt behandelt wurde, kann ebenfalls nicht eindeutig festgestellt werden293 • Man wird aufgrund der rein kasuistischen Darstellung des römischen Rechts im Corpus Iuris Civilis ohnehin vorsichtig damit sein müssen, von den Juristen beispielhaft aufgeführte Tathandlungen unter bestimmte Rechtsfiguren zusammenfassen zu wollen, zum al diese inzwischen durch die modeme Strafrechtsdogmatik gleichsam verbildet sind. Aber auch eine weitere Eigentümlichkeit des römischen Rechts muß von einer vorschnellen Systematisierung von Straftaten abhalten: Die in unserem Zusammenhang interessierenden Straftatbestände gehörten nicht zu den sogenannten ,crimina', also zu den öffentlichen Straftaten, sondern zählten zum Bereich der Privatdelikte, d.h. die Verfolgung war Sache des jeweils Verletzten. Die Auskunft der überlieferten Fragmente erschöpft sich aus diesem Grunde oftmals darin, ob die nachträgliche Hilfe zugunsten eines Vortäters eine Haftung auslöst, läßt jedoch bezüglich der systematischen Einordnung noch Fragen offen. Denn aus der Haftung eines Hehlers oder Begünstigers "als Dieb" folgt noch nicht zwingend, daß es sich bei ihm tatsächlich um einen Dieb handelt294 • Darüber hinaus ist zu bedenken, daß der Begriff des ,furtum' gleichsam als Sammelbecken zahlreicher gegen das Eigentum gerichteter Delikte fungierte. Von einer Haftung als Dieb handeln daher: C. 6, 2, 14 (Impp. Diocletianus et Maximianus AA. et Caesares Dionysio) Eos, gui a servo furtim ablata scientes susceJjerint, non tantum de susceptis convenire, sed etiam poenali furti actione potes. 2 5
C. 9, 20, 12 (lidern AA. et Caesares Mutiano) Si guis servum fugitivum sciens cum rebus furtivis susceperit, guum horum nomine furti actione teneatur, haec tibi rector provinciae cum solita poena restitui efficiet.
291 Mommsen, Römisches Strafrecht, 4.Buch, 8. Abschnitt, S. 747, geht insoweit von einem selbständigen Delikt aus; vgl. hingegen Gaius, Institutionen, 3, 191 (zu Tafel 8, 15a): "Concepti et oblati poena ex lege XII tabularum tripli est ... ", wobei er aaO, 3, 186 betont: " ... quamuis fur non sit." 292 In diesem Sinne Mezger, ZStW 59 (1940), 549 (552). 293 Köhler, OS 61 (1902), 44 (49), verneint eine Einordnung unter die Teilnahme; a.A. hingegen Rein, Criminalrecht der Römer, S. 201. 294 So auch Abegg, Lehrbuch, § 77, S. 122; Platner, Archiv des Criminalrechts, 1843, 170 (183). 295 Hervorhebungen wurden vom Verfasser vorgenommen.
A. Historische Auslegung
101
Allerdings spricht Ulpian, D. 47, 2, 48, 3 hinsichtlich des Täters, der einen entlaufenen Sklaven verbirgt, ausdrücklich von einem Dieb: ... si celavit, tune fur esse incipit. 296
Daß es sich dagegen bei der Vortat und der nachträglichen Hilfe um zwei unterschiedliche, wenn auch ähnliche Verbrechen handelt, fuhrt C.9, 12,9 (Impp. Honorius et Theodosius AA. Aureliano Praef. Pr.) aus: Crimen non dissimile est rapere et ei, qui rapuerit, raptarn rem scientem delictum servare.
Wie wenig sich darüber aussagen läßt, ob in klassischer Zeit eine einem Vortäter nachträglich gewährte Hilfe als Beteiligung an der Vortat oder als eigenständiges Delikt aufgefaßt wurde, macht das Fragment in Inst. 4, 1, 4 deutlich: Der Begünstiger, Strafvereiteler oder Hehler tritt typischerweise im modem gesprochen - Ermittlungsverfahren gegen den Vortäter negativ in Erscheinung. Konkret: Wie schon in den 12 Tafeln angedeutet, stellte sich die Frage nach der Haftung desjenigen, bei dem eine gestohlene Sache im Zuge einer förmlichen Haussuchung aufgefunden wurde. Das Fragment Inst. 4, 1, 4 zählt in diesem Zusammenhang mehrere mögliche Klagen auf, so etwa die ,actio furti concepti' bei aufgefundenem Diebesgut, die ,actio furti oblati' bei untergeschobenem Diebesgut, die ,actio furti prohibiti' bei verhinderter Diebstahlsaufklärung und die ,actio furti non exhibiti' bei nicht herausgegebenem Diebesgut. Die Nachtathilfe entpuppt sich hier lediglich als prozeßhindemdes und damit haftungsauslösendes Verhalten, ohne daß dadurch eine eigene Deliktskategorie, sei es als Teilnahme, sei es als eigenständiges Delikt, umschrieben wäre. Da in der lustinianischen Zeit die förmliche Aufsuchung der gestohlenen Sache aus der Übung gekommen ist, blieb in Fällen des Verbergens des Diebes oder Diebesgutes von den einzelnen ,actiones furti' allein die umfassende ,actio furti nec manifesti' übrig, ohne daß damit der Helfer zugleich als Dieb bezeichnet werden könnte: Inst. 4, I, 4: Conceptum furtum dicitur, cum apud aliquem testibus praesentibus furtiva res quaesita et inventa sit: nam in eum propria actio constituta est, quamvis fur non sit, quae appellatur concepti. ... cum enim requisito rei furtivae hodie secundum veterem observationem non fit: merito ex consequentia etiam praefatae actiones ab usu communi recesserunt, cum manifestissimum est, quod omnes, qui scientes rem furtivam susceperint et celaverint, furti nec manifesti obnoxii sunt. 97
296 Bemerkenswert ist insoweit zum einen, daß in diesem Fragment der Täter sowohl den Sklaven hehlt (da dieser eine Sache ist!) als auch eine Strafvereitelung begeht. Zum anderen behandelt die Stelle bereits die bis heute bei § 258 StGB nach wie vor umstrittene Unterscheidung zwischen bloßem Aufnehmen des Vortäters und dessen Verstekken; vgl. dazu unten, 2. Abschnitt, C. V.I, S.209 ff. 297 V gl. auch Gaius, Institutionen, 3, 186 ff. (s. auch oben, Fn. 291).
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
In der Kaiserzeit erhielt die dem Vortäter im nachhinein gewährte Hilfe in Form des Verbergens des Vortäters selbst oder dessen Beute durch das sogenannte ,crimen receptatorum' eine eigene Bezeichnung. Dieses ,crimen' konnte in der sogenannten ,cognitio extra ordinem' verfolgt werden 298 , so daß der Bereich der Privatdelikte an Bedeutung verlor. Jedoch wurde dadurch weder eine klare Unterscheidung zur Teilnahme an der Vortat selbst noch die Verselbständigung der Nachtathilfe erreicht. Marcianus, D. 47, 16, I verdeutlicht immerhin den gemeinsamen Kern nachträglicher Unterstützungshandlungen: Pessimum genus est receptatorum, sine quibus nemo latere diu potest: et praecipitur, ut perinde puniantur atque latrones.
Daraus läßt sich ableiten, daß die Bezeichnung bestimmter Nachtathelfer als ,receptores' bzw. ,receptatores,299 insbesondere den die Bestrafung des Vortäters verhindernden Helfer im Auge hatte. Platner weist in diesem Zusammenhang auf die entscheidende Bedeutung des aufgrund des zunehmenden Sittenverfalls in den Vordergrund tretenden Inquisitionsprozesses hin, der durch die Verbergung des Vortäters behindert wurde 30o • Bei Ulpian, D. 47, 9, 3, 3 scheint daher durchaus folgerichtig das ,crimen receptatorum' gegenüber der Teilnahme an der Vortat eigenständig zu sein: Non tantum autem qui rapuit, verum is quoque, qui recepit ex causis supra scriptis, tenetur, quia receptores non minus delinquunt qua m adgressores. sed enim additum est ,dolo malo', quia non omnis qui recipit statim etiam delinquit, sed qui dolo malo recipit.
Andererseits läßt sich ein einleuchtender Unterschied zu Fällen der nach begangener Tat geleisteten Hilfe nicht erkennen: C. 9, 13, 1,3 (Imp. Iustinianus A. Hermogeni):
Poenas autem, quas praediximus, id est mortis et bonorum amissionis, non tantum adversus raptores, sed etiam contra eos, qui hos comitati in ipsa invasione et rapina fuerint, constituimus. Ceteros autem omnes, qui conscii et ministri huiusmodi criminis reperti et convicti fuerint, vel qui eos susceperint, vel quamcunque opern eis intulerint, ... poenae tantummodo capitali subiicimus ....
Daß das ,crimen receptatorum' gegenüber der nachträglichen Teilnahme an der Vortat - wenn überhaupt ein sachlicher Unterschied zwischen diesen Delikten bestanden hat - keinen dogmatischen Fortschritt brachte, zeigt sich nicht zuletzt in der gleichermaßen schwankenden Beurteilung der Strafzumessung. Sollte in der Regel der Anschlußtäter in gleicher Weise haften wie der eigentli-
298
V gl. dazu ausführlich Platner, Archiv des Criminalrechts 1843, 170 (173 ff., 178).
Diese beiden Bezeichnungen wurden nach allgemeiner Ansicht gleichbedeutend verwendet, vgl. Platner, Archiv des Criminalrechts 1843, 170 (179). )00 AaO, S. 175 ff. 299
A. Historische Auslegung
103
che Haupt- bzw. Vortäter30 \ so wurden hiervon sowohl beim ,recep(ta)tor d02 als auch beim Teilnehmer Ausnahmen zugelassen 303 . Hinzuweisen ist schließlich noch darauf, daß die nachträgliche Unterstützung des Vortäters sich nicht zwingend an eine gegen das Eigentum gerichtete Vortat anschließen mußte, auch wenn sie das in den meisten Fällen getan hat. Allgemein gehalten ist insoweit C. 9, 39, 1 (lmppp. Valentinianus, Valens et Gratianus AAA. Simplicio, Vicario):
Eos, qui secum alieni criminis reos occultando eum eamve sociarunt, par ipsos et reos poena exspectet.
Den Fall einer Strafvereitelung zugunsten eines Mörders behandelt Ulpian, D. 29, 5, 3, 12: Si quis quem eorum servum servamve ex ea familia, qui eius facinoris noxius erit, receperit vel celaverit sciens d210 malo, in ea causa est, ac si lege quae de sicariis lata est facinoris noxius fuerit. 3
Insgesamt läßt sich daher feststellen, daß das römische Strafrecht sich auf geradezu typische Einzelfälle möglicher Nachtathilfe - seien es nun im heutigen Sinne Begünstigungs-, Strafvereitelungs- oder Hehlereihandlungen - beschränkt hat, die aus heutiger Sicht bezüglich der Subsumtion unter die jeweiligen Tatbestände keine größeren Probleme aufwerfen. Gleichwohl ist die wechselnde Einstufung dieser Sachverhalte einerseits als Beteiligung an der Vortat, andererseits als eigenständiges Delikt für den Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung bis heute von Interesse, da dies nicht nur die Frage nach dem Verhältnis zur Beihilfe aufdrängt, sondern grundsätzlich auf das Problem hindeutet, was Hilfe zugunsten eines Vortäters bedeutet bzw. warum Hilfe zugunsten einer Person überhaupt strafwürdig erscheinen kann. Das römische Recht gibt in diesem Zusammenhang zwei wertvolle Hinweise: Zum einen stellt sich die Nachtathilfe als eine letztlich auch den Eigentümer verletzende Prozeßbehinderung dar, zum anderen scheint die Haftung aufgrund eines Nachtatverhaltens aus der Beweisnot bezüglich der Vortatbeteiligung heraus geboren zu sein.
301 Vgl. etwa beim Verbrechen des Kassendiebstahls C. 9, 28, 1 (Impp. Theodosius, Arcadius et Honorius AAA. Rufino Praef. Pr.): ... his quoque nihilominus, qui ministerium eis ad hoc adhibuerunt, vel qui subtractas ab his scientes susceperunt, eadem poena percellendis. Interessant ist hierbei wiederum die Unterscheidung zwischen Beihilfe ("ministerium") und wissentlicher Annahme der unterschlagenen Gelder. 302 So etwa für den Hehler der Viehdiebe, Callistratus, D. 47, 14,3,3. 303 Vgl. zu weiteren Nachweisen Rein, Criminalrecht der Römer, S. 201 f. 304 Ein weiteres Beispiel stellt die wissentliche Aufnahme eines Feindes bei Paulus, D. 48, 19,40 dar.
104
2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
2. Die Begünstigung im germanischen Recht
Ebenso wie im römischen Recht lassen sich auch im germanischen Recht keine durchgreifenden Prinzipien bezüglich der Begünstigung finden 105 . Betrachtet man zunächst die altgermanischen Rechte, so sind in den Quellen Begünstigungshandlungen im heute verstandenen Sinne nicht ausdrücklich niedergelegt. Um so mehr stand die Strafvereitelung und dabei insbesondere das Aufnehmen und Verbergen des Vortäters oder die Fluchthilfe im Vordergrund. Die Bestrafung war dabei außerordentlich hart, zumeist wie beim Vortäter, dem sogenannten ,Friedbrecher', selbst, da auch der nachträgliche Helfer durch die Gemeinschaft mit dem ,friedlos' gewordenen Verbrecher an dessen Schuld gleichsam teilhatte106 . Daß diese strenge Bestrafung im Gegensatz zur meist straflosen Teilnahme an dem Verbrechen selbst stand, dürfte seinen Grund darin haben, daß die damalige Rechtsordnung bei der Strafverfolgung in erheblichem Maße auf die Unterstützung durch die Bevölkerung angewiesen war; wer für einen Straftäter einstand, der nahm dessen Straftat und deren Folgen der Allgemeinheit gegenüber auf sich107 . Insofern liegt in der Hilfe zugunsten des flüchtenden Straftäters nicht nur Strafvereitelungs-, sondern ebenso, wenn auch vielleicht in untergeordnetem Maße, Begünstigungsunrecht, da zugleich die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes im Hinblick auf die begangene Eigentumsverletzung erschwert wurde108 . Dies zeigt sich insbesondere bei den in lateinischer Sprache abgefaßten Volksrechten 109 der fränkischen Zeie 1o • Daß es bei der Bestrafung der nachträglichen Helfer primär darauf ankam, des Vortäters habhaft zu werden, zeigt die Lex Visigothorum VI, 1, 3 aus dem Jahre 654, wonach bei einem gegen einen Herrn gerichteten Verdacht eines schweren Verbrechens dessen Knechte und Mägde gefoltert werden durften; stellte sich deren Mitwisserschaft oder gar eine Begünstigungshandlung heraus, so traf sie dieselbe Strafe wie ihren Herren: ... ita ut servi vel ancille pro talibus criminibus torti, si conscii et occultatores sceleris dominorum repperiuntur, pariter cum dominis puniantur. 311
Vgl. v.Buri, GS 29 (1877), 14 (16). Vgl. Binding, BT 2.2, § 242.1, S. 630. 307 So v.Bar, Gesetz und Schuld 11, S. 737; Brunner, Rechtsgeschichte 11, § 130, S. 751; Mezger, ZStW 59 (1940), 549; Wilda, Geschichte des deutschen Strafrechts I, X. D, S. 635. 308 Wilda, aaO, weist daher wohl zu Recht auf diese Doppelfunktion hin. 309 Sogenannte ,leges barbarorum' im Gegensatz zu den ,leges Romanae'. 310 Vgl. v.Hippel, Band 1, § 12.V., S. 119. 311 Zitiert nach Wohlhaupter, in: Germanenrechte, Band 11, S. 154. 305
306
A. Historische Auslegung
105
Die gleiche Zielsetzung hatte es, wenn es demjenigen, der gestohlene Waren - sei es auch unwissentlich - angekauft oder für den Dieb verwahrt hatte, oblag, den Dieb ausfindig zu machen, wenn er nicht selbst die Bestrafung wegen Diebstahls hinnehmen wollte: Lex Baiuvariorum 9.7: ... Quodsi furem celare voluerit, peri~rans, et postea detectus inventus fuerit, tamquam iIIe fur, ita in crimine damnetur. 12 Ebd.,9,15: .. , Si autem ille qui furtivam rem commendatam suscepit, et quaerentem dominum negaverit, iIIe fur est sieut iIIe qui furavit, et ita conponat, sicut lex habet.
Angesichts dieses Rechtszustandes offenbart sich die Regel, die zwar nicht ausdrücklich in den Volksrechten ausgesprochen wurde, sich dennoch aus ihnen ergibt, "daß der Hehler so gut sei als der Stehler,,313. Aber auch hierin läßt sich erneut die Unschlüssigkeit darüber erkennen, ob es sich bei der nachträglichen Unterstützung um eine Beteiligung an der Vortat handelt oder um eine eigenständige Straftat, die lediglich wie die Vortat zu ahnden ist. Die prozessuale Funktion der Kriminalisierung des Nachtathelfers dürfte angesichts des in den alten Rechten eng miteinander verwobenen materiellen und prozessualen Strafrechts Grund dafür sein, daß aus damaliger Sicht keine Veranlassung für eine klare dogmatische Trennung bestand. Jedoch blieb nicht nur die Frage nach der Stellung der nachträglichen Hilfe als eigenständiges Delikt im Dunkeln, sondern gelang es zunächst kaum, die einzelnen Begehungsformen systematisch voneinander zu scheiden. Insbesondere die heutige Begünstigung erscheint das eine Mal als Unterfall der Strafvereitelung, denn wer einen flüchtigen Dieb verbirgt, verbirgt in der Regel zugleich dessen Beute. Das andere Mal erweist sich die Begünstigung als mit der Hehlerei eng verwandt, da der Verwahrer wie der Käufer der Beute die Rechte des Bestohlenen gleichermaßen erneut beeinträchtigt. Diese Zuordnung der im heutigen Sinne verstandenen Begünstigung zur Strafvereitelung einerseits, zur Hehlerei andererseits, je nach ihrer konkreten Begehungsform, setzte sich in den Rechtsquellen des deutschen Mittelalters fort. So wird beispielsweise das Fortschaffen der Beute als ein leichterer Grad der Strafvereitelung aufgefaße l4 , wobei dieses Delikt ursprünglich mit Begriffen wie ,hausen', ,hofen', ,speisen und tränken des Missetäters' umschrieben Zitiert nach Eckhardt, in: Germanenrechte Band 2.II, S. 126. Vgl. Brunner, Rechtsgeschichte II, § 130, S. 755 (insbesondere Fn. 27); His, Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 164, Fn. 8; ders., Strafrecht bis zur Karolina, § 8, S. 29 und 31; Wilda, Geschichte des deutschen Strafrechts 1, X. D, S. 637 mit dessen Zitat: "Es sagt das Recht, daß drei Diebe sind: Einer der die Sache stiehlt und fortnimmt; der andere, dem sie der Dieb überantwortet; der Dritte, der sie in Empfang nimmt; diese sind alle drei in gleicher Schuld." 314 Vgl. His, Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 164. 312 313
106
2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
wurde 315 • Seit Ende des 12. Jahrhunderts fanden sich dann aber mit Wendungen wie ,consilium auxiliumve impendere', ,Hilfe oder Fürschub tun', ,stärken' und dann vor allem ,fovere', ,favorem praestare' und ,Vergünstigung' Anklänge an den Begriff der Begünstigung316 • Auf der anderen Seite wird die Verwahrung bzw. Verbergung der Beute ebenso wie das Ankaufen derselben entsprechend dem eigentlichen Wortsinn als Hehlerei bezeichnet und als solche zumeist der Vortat gleichgestellt: Sachsenspiegel,2, 13,6: Wer du be adir roub verburget, adir imande mit hulfe dar zu sterkit, werden se des ubirwunden, man sal ubir se richten, alse ubir ienen. 317
In manchen Landfrieden wird allerdings die Vorenthaltung der Beute nicht so streng geahndet, so etwa im Friesischen Landfrieden, wonach im wesentlichen nur der doppelte Ersatz zu leisten war3l8 • Waren bis dahin jedoch in der strafrechtlichen Behandlung der bloßen Verwahrer und Ankäufer der Diebesbeute keine Unterschiede festzustellen, so waren es die seit dem 13. Jahrhundert aufkommenden sogenannten Judenprivilegien, die letztere weitgehend von Strafe verschont ließen 3l9 • Die Rechtsquellen jener Zeit lassen somit keine einheitliche dogmatische Behandlung der Begünstigung erkennen. Weder läßt sich eine generelle Einstufung als Teilnahme an der Vortat feststellen 320, noch kann in diesen Rechten auch nur annähernd von einer Verselbständigung der Anschlußdelikte gesprochen werden. Insoweit darf wie schon im römischen Strafrecht nicht verkannt werden, daß die Begünstigung nicht zuletzt die Schwierigkeit kompensiert, daß dem Inhaber von Diebesbeute der Nachweis, daß er diese auch gestohlen hat, kaum erbracht werden kann 321 •
11. Die Begünstigung als Teilnahme an der Vortat Eine streng chronologische Darstellung der weiteren Entwicklung der Begünstigungsdogmatik würde das Nebeneinander der in der Folgezeit vertreteVgl. His, aaO, S. 153. Nachweise bei His, Strafrecht bis zur Karolina, § 7, S. 30. 317 Zitiert nach der Ausgabe von Freiherr von Schwerin, Sachsenspiegel. Zu ähnlichen Quellen vgl. His, Strafrecht des deutschen Mittelalters, S. 165, Fn. I. 318 Vgl. Nachweis bei His, aaO, S. 165, Fn. 2; ferner Toelle, Sachliche Begünstigung und Hehlerei, S. 76, Fn. 17. 319 Hierzu Toelle, Sachliche Begünstigung und Hehlerei, S. 77 f., m. w. N. 320 Zu einseitig daher Binding, BT 2.2, § 242.1, S. 631. 321 So insbesondere Mezger, ZStW 59 (1940), 549 (551 f.). 315
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A. Historische Auslegung
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nen, sich grundlegend unterscheidenden Ansätze kaum zu ordnen vermögen. Im Zentrum der Auseinandersetzung blieb im wesentlichen die Frage, ob die Anschlußdelikte zur Teilnahme an der Vortat zu rechnen oder als selbständige Straftatbestände einzustufen seien. Im folgenden soll daher zur Strukturierung dieses Streitstandes zunächst allein der Ansatz in Wissenschaft und Gesetzgebung verfolgt werden, der von einer Einordnung als Vortatteilnahme ausging.
1. Das mittelalterlich-italienische Recht Es waren die Postglossatoren des mittelalterlich-italienischen Rechts, die zum ersten Mal die Anschlußdelikte der Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei eindeutig der Beihilfe zur Vortat zuordneten. Die Beihilfe wurde dabei unterteilt in das ,auxilium ante delictum', ,in delicto' und ,post delictum,322, so daß die Anschlußdelikte sämtlich der letzteren Art zugehörten 323 • Jedoch hatte nicht nur die Beihilfe als Hilfeleistung (,auxilium') zum Verbrechen einen sehr viel weiteren Anwendungsbereich als etwa der heutige § 27 StGB, sondern war dadurch die Teilnahme am Verbrechen keineswegs erschöpft. Allerdings gelangte die mittelalterlich-italienische Doktrin zu keinem homogenen Teilnahme- oder Beihilfebegriff. Denn es setzte sich sehr schnell der vom Rechtsgefiihl geleitete Gedanke durch, die nachträgliche "Beihilfe" (,auxilium') geringer zu bestrafen als die anderen beiden Arten der Unterstützung eines Straftäters. Bartolus hebt insoweit hervor, daß die Hilfe nicht geleistet wurde zur Verwirklichung des Delikts, sondern lediglich zum Entkommen: "non fuit praestitum auxilium ad committendum, sed ad evadendum,,324. Zum Teil wurde in diesem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, daß es bei der nachträglichen Hilfe an der Kausalität bezüglich der Haupt- bzw. Vortat fehle. Dennoch sollte sich dieser Unterschied nur auf die Rechtsfolgen auswirken, nicht jedoch die grundsätzliche Einordnung unter die Beihilfe in Frage stellen325 • Dieser Zusammenhang wird insbesondere durch die Sonderbehandlung der vorversprochenen Begünstigung deutlich. Diese wurde im Gegensatz
322 Vgl. Clarus, Liber V der Opera omnia, qu.20: "Praesuppono, quod tripliciter est praestari auxilium delinquenti. Primo, ante delictum. Secundo in ipso delicto. Tertio, post delictum consummatum ... "; zitiert nach Toelle, Sachliche Begünstigung und Hehlerei, S. 81. 323 Vgl. zum ,auxilium post delictum' oder ,factum' mit ausführlichen Nachweisen Dersch, Begünstigung, S. 7 ff. 324 Zitiert nach Mezger, ZStW 59 (1940), 549 (554); dort auch der Nachweis für Angelus Aretinus, der Bartolus diesbezüglich zustimmt. m Vgl. hierzu Dersch, Begünstigung, S.22; von einem "scharfen Gegensatz", wie Binding, BT 2.2, § 242, 11, S. 631, meint, kann daher nicht gesprochen werden.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
zu der ausschließlich nach begangener Vortat einsetzenden Unterstützung des Vortäters in der Regel in voller Höhe, d.h. wie eine normale Beihilfe bestraft326 . Angesichts des von den Postglossatoren vertretenen weiten, durch ,auxilium' umschriebenen Beihilfebegriffes ist ein Vergleich mit dem heutigen Verständnis der Beihilfe nur unter Vorbehalten zu ziehen. Betrachtet man die Beihilfe ausschließlich unter dem Blickwinkel der Teilnahme an einer fremden Tat, so ist damit die Vorstellung einer Beihilfe nach beendeter Tat sicherlich nicht mehr vereinbar. Der Ausgangspunkt der mittelalterlich-italienischen Postglossatoren ist jedoch statt dessen der - uns ja interessierende - Begriff der Hilfeleistung, des ,auxiiium' . Daß es sich bei den Anschlußdelikten sämtlich um Hilfsdelikte handelt - woran uns gerade der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung noch erinnert - wurde damals als Selbstverständlichkeit angesehen. Will man mit den Postglossatoren diese Delikte zur Beihilfe zur Vortat zählen, so stellt sich daher für uns die Frage, ob es sich bei der Beihilfe ebenso wie bei jenen Delikten um ein Hilfsdelikt handelt - eine Frage, die bei der Diskussion um den Inhalt des Beihilfetatbestandes gemäß § 27 StGB mitunter vernachläs. zu werden sch' Slgt emt327 . Allerdings wurde von den mittelalterlich-italienischen Rechtsgelehrten die ausschließliche Zuteilung der Anschlußdelikte zu einer weit verstandenen Beihilfe nicht konsequent durchgehalten. Denn der im römischen Recht entwickelte Begriff der ,receptatio' ließ sich nicht bruchlos in die Figur des ,auxilium post delictum' eingliedern. Teilweise scheint jene als qualifizierter Unterfall von dieser angesehen worden zu sein, teilweise als inkonsequentes Festhalten an einem selbständig neben der nachträglichen Beihilfe bestehenbleibenden Straftatbestand328 •
2. Die Rezeption in Deutschland, insbesondere die Constitutio Criminalis Carolina
Mit Beginn des 16. Jahrhunderts zog im Wege der Rezeption des römischen Rechts vornehmlich der von den italienischen Gelehrten erreichte Abstraktionsgrad der Rechtsdogmatik in die deutschen Gesetzbücher ein. Mit ihm wurde zugleich auch die für die Anschlußdelikte des ,fautor criminis,329 entwickelte S. Binding, BT 2.2, § 242, n, S. 631 f.; Dersch, Begünstigung, S. 22 f. S. dazu unten 2. Abschnitt, C.n.2e, S.176 ff. 328 S. die Nachweise zu diesem Streitstand bei Taelle, Sachliche Begünstigung und Hehlerei, S. 82, Fn. 53; insgesamt zur , receptatio , bei den Postglossatoren: Dersch, Begünstigung, S. 9 ff. 329 Dieser auf den Begriff der Begünstigung hindeutende Begriff bürgerte sich seit der gemeinrechtlichen Doktrin ftir den Nachtathelfer ein - vgl. nur Feuerbach, Lehrbuch, 326
327
A. Historische Auslegung
109
Zuordnung zum ,auxilium post delictum' übernommen. Betrachtet man jedoch die Teilnahmevorschriften insbesondere der Constitutio Criminalis Carolina (C.e.e.) von 1532 und deren Vorläuferin, der Constitutio Criminalis Bambergensis von 1507, so wurde zugunsten der Abstraktion auf eine ausdrückliche Dreiteilung der Beihilfe (ante - in - post) verzichtet: C.C.C., Art.177: Item so jemandt einen missethatter zu vbung einer Missenthat wissenntlichen vnnd geferlicher weise einicherley Hilff, beistand oder furderunge, wie das alles namen hatt, thut: jst peinlich zu straffen, als aber vorstehet, in einem fall anders dan in dem andern: Darumb sollenn jnn dissen fellen die vrtheiller mit berichtung der verhand lunge, auch wie 3~l?lIiches ann leib oder leben soll gestrafft werden, alls obsteet, Raths pflegen.
Daß von diesem Artikel dennoch auch die nachträgliche Beihilfe und somit die Anschlußdelikte der Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei mit umfaßt sein sollten, folgert die zu dieser Frage entstandene herrschende Meinung 331 aus der Beweisvorschrift des ArtAO C.e.C., wonach als Beispiele für die Hilfe zugunsten von Räubern oder Dieben unter anderem typische nachträgliche Unterstützungshandlungen aufgezählt sind:
c.c.c., Art.40:
Item so einer vonn gerauptem oder gestolem gut peuth oder theill nymbt, oder so einer die thätter wissenntlich vnnd geferlicher weise Etzet oder drenckt, Auch die thaetter oder obgemelt vnrecht gut gar oder zum theill wissenntlich annympt, heimlich verbyrgt, beherberigt, verkaufft oder vertreibt, Oder so ymandt den thättern sunst jnn andere dergleichenn wege geferlich furderung, Rathe oder beistanndt thutt Oder jnn jren thatten vnzimblich gemeynschafft mit jnen hett: 1st auch ein anzeigung, peinlich zu fragenn.
Allerdings zeigt sich sowohl in der Nichterwähnung der nachträglichen Hilfe in Art.l77 C.e.e. als auch in der Formulierung des ArtAO e.C.C. eine den heute so bezeichneten Anschlußdelikten immanente Besonderheit, die sich schon beim Blick auf die altgermanische und fränkische Zeit erwiesen hatte: Sowohl die auf die Strafvereitelung als auch auf die Sicherung der Beute gerichteten Handlungen eines Täters scheinen nur im engen Zusammenhang mit der Vortat strafrechtlich relevant zu sein. Die ausfiihrliche Aufzählung der Handlungsmodalitäten in ArtAO e.C.C. macht deutlich, worauf es der Rechtsordnung bei diesen Taten primär ankam, nämlich auf das Dingfestrnachen des eigentlichen Täters. Nicht zuletzt besteht im Falle, in dem eine Person im Be§ 53, S. 96 ("fautor delicti"); Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 1, S. 1 -, verschleiert jedoch zugleich die dahinter verborgenen unterschiedlichen Handlungen der Vorteilssicherung, der Strafvereitelung oder der sogenannten Teilnahme an den Vorteilen der Tat. 330 Zitiert nach der Ausgabe von Kahler/Scheel, Band 1. Nahezu wortgleich lautet Art.203 C.C.B. 331 Vgl. flir die h.M. nur v.Bar, Gesetz und Schuld 11, S. 739; v.Hippel, Strafrecht I, § 14, 6, S. 207 f.; weitere Nachweise bei Dersch, Begünstigung, S. 51 f., und Taelle, Sachliche Begünstigung und Hehlerei, S. 83, Fn. 59; ablehnend hingegen z. B. Mittermaier, in: Feuerbach, Lehrbuch, § 53, S. 97, Note III.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
sitz gestohlener Waren aufgefunden wird und daher der Begünstigung oder Hehlerei verdächtig ist, die Möglichkeit, daß sich diese Person nach "peinlicher" Befragung als der eigentliche Dieb entpuppte332 • Weiterhin verwundert es angesichts der Vielgestaltigkeit der Fälle, in denen einem Hauptoder Vortäter geholfen wird, nicht, daß das Strafmaß in Art. 177 C.C.c. offengelassen wurde. Die frühe gemeinrechtliche Doktrin knüpfte daher nahtlos an die Erkenntnisse der Postglossatoren an, um zu einer weiteren Ausdifferenzierung zu gelangen. Carpzov betont als ruhrender Jurist dieser Zeit insbesondere die Dreiteilung der Beihilfe zum Diebstahl333 , deren dritter Fall eben die Beihilfe nach begangenem ,furtum' sei334 . Die verschiedenen Begehungsformen der nachträglichen Beihilfe werden entsprechend den §§ 257 bis 259 StGB ebenso aufgeführt, darunter auch ausdrücklich Begünstigungshandlungen im heutigen Sinne: "Vel etiam res furto ablatas occultando & vendendo ... ,,335. Die in der Folgezeit in der Wissenschaft geruhrten Auseinandersetzungen über die Zuordnung der einzelnen Begehungsformen zu einer allgemeinen nachträglichen Beihilfe oder statt dessen zum Diebstahl sind hingegen rur unseren Zusammenhang weniger ergiebig336 • Entscheidender waren die Bedenken, die im Anschluß an manche Postglossatoren im Hinblick auf die Dreiteilung der Hilfeleistung erhoben wurden. Allerdings kam insoweit die herrschende Lehre über Strafzumessungserwägungen oder die unsystematische Herausnahme einzelner Begünstigungsformen aus dem Bereich der Teilnahme hin zu einer Verselbständigung der Delikte33 ? nicht hinaus. Die seit dem 17. Jahrhundert auftretenden Lehren, die eine dogmatisch eindeutige Trennung zwischen Teilnahme und Begünstigung herauszuarbeiten begannen, blieben vorerst noch eine Rander. 338 schemung .
332 Das Problem dieser Beweisnot hat sich bei der Begünstigung und der Hehlerei bis heute erhalten, wird aber statt mit Folter nunmehr - ganz im Sinne des Rechtsstaates durch die Rechtsfiguren der Postpendenz oder Wahlfeststellung gelöst; vgl. dazu unten 2. Abschnitt, D.I.3a.(2), S.253 ff. 333 Wie schon bei den Postglossatoren war damit der Bereich der Teilnahme keineswegs erschöpft; vgl. zu den weiteren Begehungsformen wie ,societas delinquendi', ,consilium', ,mandatum', ,jussus', ,ratihabitio', ,receptatio', ,conscius' und unterlassene Deliktsverhinderung Schaffstein, Lehren vom Verbrechen, § 24, S. 174 ff. 334 Carpzov, Rerum Criminalium I, Quaest. 87, Nr.35: "Tertius denique est casus, quando auxilium post furtum commissum praestatur." 335 Carpzov, aaO, Nr.40. 336 Vgl. ausflihrlich dazu Dersch, Begünstigung, S. 54 ff. 337 So etwa Abegg, Lehrbuch, § 72, S. 111; § 76, S. 119; §§ 460 ff., S. 590 ff. Zu weiteren Nachweisen vgl. Dersch, Begünstigung, S. 123 ff. 338 S. unten, IIl.1, S.121 ff.
A. Historische Auslegung
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3. Die Partikulargesetze seit dem 18. Jahrhundert
Zunächst unbeeinflußt von diesen angesprochenen neuen Strömungen blieben mit Ausnahme der österreichischen Gesetzbücher339 die in der Folgezeit erlassenen Strafgesetze der einzelnen Länder340 • Nachdem bereits der ,Codex iuris bavarici' von 1751 und das Preußische ALR von 1794 entsprechend der bis dahin noch herrschenden gemeinrechtlichen Doktrin von einer Dreiteilung der Beihilfe ausgingen, behielten die unter der nachträglichen Beihilfe zusammengefaßten Delikte der Nachtathilfe in sämtlichen der nachfolgenden Gesetzbücher der einzelnen Länder grundsätzlich ihren Platz im Allgemeinen Teil. Lediglich der Hehlerei (damals zum größten Teil noch ,Partiererei' genannt) gelang der Sprung in den Besonderen Teil der Gesetzbücher, indem sie bei Diebstahl und Raub als eigener Straftatbestand aufgeführt wurde. Dabei gewann die Hehlerei gegenüber der im heutigen Sinne verstandenen Begünstigung keine klaren Konturen, sondern wurde allenfalls als bei bestimmten Vortaten einschlägige qualifizierte Begünstigung angesehen 341 • Von erheblichem Einfluß für die nachfolgenden Gesetzbücher war das von Feuerbach verfaßte bayerische Strafgesetzbuch von 18B: Die besondere Leistung lag dabei in der abstrakten Definition des Fachterminus der Begünstigung in Art.84 342 : Wer nach vollbrachter Übertretung einem Übelthäter durch Thun oder Unterlassen, in Bezug auf die begangene Übertretung, beförderlich ist, ohne ihm jedoch vor Vollendung der That solche Unterstützung versprochen zu haben, macht sich der Begünstigung sChuldig. 343
Im weiteren Gesetzestext schloß sich hieran lediglich eine Unterscheidung zwischen gewerbsmäßigem - dann Beihilfe zweiten Grades - und nicht geVgl. dazu unten, 111.2, S.123. Ob das Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620 zumindest den Ankauf gestohlener Sachen als selbst~ndiges Vergehen behandelt, ist umstritten: vgl. Schmidt, in: v.Liszt/Schmidt, Lehrbuch2 , § 183.1, S. 843, und Mezger, ZStW 59 (1940), 549 (558). 341 Sonderregelungen im Besonderen Teil gab es etwa in §§ 1223 ff. der 11. Teils, 20. Titel Preußisches ALR (1794); Art.343 StGB Württemberg (1839); Art.303 und 333 Criminalgesetzbuch Hannover (1840); Art.239 f. Criminalgesetzbuch SachsenAltenburg (1841); § 237 StGB Preußen (1851); Art.292 f. StGB Sachsen (1855). 342 Vgl. auch Feuerbach, Lehrbuch, § 53, S. 96 f. In der Literatur taucht der technische Begriff der Begünstigung zuvor schon bei Steltzer im Jahre 1793 auf, vgl. v.Bar, Gesetz und Schuld 11, S. 741. 343 Dieses und die noch folgenden Gesetzeszitate aus den Partikularstrafgesetzbüchern wurden entnommen bei Stenglein, Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher. Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung - vgl. nur Blei, BT, § 109.1, S.428; Mezger, ZStW 59 (1940), 549; Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 5 - erscheint dieser Begriff keineswegs zum eisten Mal in einem deutschen Strafgesetzbuch: Vielmehr war es die Theresiana von 1768, die bereits von Begünstigung sprach, s. sogleich unter 111.2, S.123. 339 340
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
werbsmäßigem Vorgehen - in diesem Fall war eine feste Strafe festgesetzt an. Sprach das bayerische StGB vom Beförderlichsein344 , so wurden in anderen Gesetzbüchern gleichbedeutende Begriffe wie "Beistand,,345 oder "Vorschub,,346 verwendet. Im Gegensatz zur abstrakten Umschreibung der nachträglichen Hilfe zugunsten eines Vortäters wählten manche Gesetzbücher den Weg einer kasuistischen Aufzählung einzelner Handlungsmodalitäten. So formulierte etwa Art.36 StGB Thüringen aus dem Jahre 1852: Wer einem Verbrecher nach Ausführung des Verbrechens wissentlich durch Verhehlung seiner Person oder Unterstützung zur Flucht Beihülfe leistet, oder Gegenstände des Verbrechens wissentlich aufnimmt, verheimlicht, annimmt, an sich bringt, an Andere absetzt oder absetzen läßt oder sonst wegschafft, oder von den Gegenständen des Verbrechens wissentlich einigen Nutzen zieht, ingleichen Spuren oder Anzeichen des Verbrechens unterdrückt oder vernichtet, ist als Begünstiger des Verbrechens zu bestrafen. Eine ähnliche Kasuistik fand sich zuvor schon in den Strafgesetzbüchem von Württemberg (1839), Braunschweig (1840) und Sachsen-Altenburg (1841), hernach noch in Sachsen (1855) und Bayern (1861). Im Gegensatz zu diesen Aufzählungen einzelner Begehungsformen versuchten andere Gesetzbücher eine abstrakte Aufgliederung und gelangten so in der Tradition von Feuerbach zu einer doppelten Stoßrichtung der Begünstigung als nachträglicher Beihilfe, nämlich hinsichtlich der Strafvereitelung und hinsichtlich der Sicherung der Vortatvorteile, so etwa in Hannover (1840), Baden (1845), Preußen (1851) und Hamburg (1869)347. Wurde zwar am Dogma der Zuordnung der nachträglichen Hilfe zur Teilnahme und somit an ihrer Stellung im Allgemeinen Teil der Gesetzbücher in den Landesgesetzen bis 1871 nicht gerüttelt, so zeichnete sich gegen Ende in den Gesetzen dennoch eine Entwicklung ab, die diese von den Postglossatoren herrührende Auffassung zurückzudrängen schien. So wurde in den Strafgesetzbüchern von Württemberg (1839) Hannover (1840), Hessen (1841), Baden (1845) und Nassau (1849) für die nachträgliche Unterstützung des Vortäters eine selbständige Strafe festgesetzt, unabhängig von der Vortat bzw. von der ansonsten für die Beihilfe an der Vortat bestimmten Strafe348 . Speziell das 344 Ähnlich formulierten Art.90 StGB 01denburg (\814); Art.89 StGB Württemberg (1839); Art.74 Crimina1gesetzbuch Hannover (1840). 345 Etwa in § 37 StGB Preußen (\851). 346 So in Art.47 Criminalgesetzbuch Braunschweig (1840); Art.87 StGB Hessen (1841); Art.142 StGB Baden; Art.84 StGB Nassau (1849); Art.61 StGB Sachsen (1855). 347 Textnachweis bezüglich Hamburg bei Beling, in: Vergl. Darst. VII, § l.VIII, S. 7. 348 Art.89 StGB Württemberg und Art. 142 StGB Baden weisen allerdings darauf hin, daß bei der Strafzumessung die Haupttat zu berücksichtigen sei.
A. Historische Auslegung
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StGB für Baden von 1845 betont ebenso wie das StGB für Preußen von 1851 den besonderen Deliktscharakter, trotz der Regelung im Allgemeinen Teil. Für den Wechsel der bis dahin als nachträgliche Beihilfe umschriebenen Delikte in den Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs vielleicht entscheidend, jedoch - wie erst 124 Jahre später endgültig erkannt wurde - in sich mißglückt war die in § 237 StGB rür Preußen von 1851 eingeführte Regelung der Personenhehlerei, die neben die Sachhehlerei im Sinne des heutigen § 259 Abs. 1 StGB gestellt wurde: Wer Sachen, von denen er weiß, daß sie gestohlen, unterschlagen, oder mittels anderer Verbrechen oder Vergehen erlangt sind, ankauft, zum Pfande nimmt oder verheimlicht, ingleichen wer Personen, die sich eines Diebstahls, einer Unterschlagung oder eines ähnlichen Verbrechens schuld gemacht haben, in Beziehung auf das ihm bekannte Verbrechen oder Vergehen um seines Vorteils willen begünstigt, ist mit ... zu bestrafen.
Solange die einfache Begünstigung als Beihilfe nach der Tat im Allgemeinen Teil des StGB geregelt war, war die Verselbständigung allein der Personenhehlerei als qualifizierte Begünstigung nicht erklärbar. Wurde diese Diskrepanz durch das RStGB von 1871 zwar durch die Einstellung der Begünstigung in § 257 StGB aF beseitig 49 , so stellte sich die Beibehaltung der Personenhehlerd so als Widerspruch zur Hehlerei dar, die sich nicht mehr als besonderer Fall der Begünstigung verstehen ließ.
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Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß die Idee, die Anschlußdelikte bzw. speziell die Begünstigung der Teilnahme am vorangegangenen Verbrechen zuzurechnen, Schritt für Schritt aufgegeben wurde351 • Der vom RStGB
349 Zur Entwicklung vom Preußischen StGB 1851 über den Entwurf eines StGB für den Norddeutschen Bund (1869) - noch völlig schwankend zwischen Allgemeinem und Besonderem Teil, vgl. Binding, Entwurf eines Strafgesetzbuches, 6. Abschnitt, 11., S. 105 ff. - und dem im selben Jahr dem Reichstag vorgelegten Entwurf zum RStGB 1871 s. Mezger, ZStW 59 (1940), 549 (566 f.). 350 Die zuletzt vor dem 1.1.1975 geltende Fassung der Personenhehlerei in § 258 Abs. 1 StGB aF lautete: "Wer seines Vorteils wegen sich einer Begünstigung schuldig macht, wird als Hehler bestraft, wenn der Begünstigte 1. einen Diebstahl oder eine Unterschlagung begangen hat, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, 2. einen Raub oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbrechen begangen hat, mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren .... ". Zu den mit der Personenhehlerei aufgetauchten Problemen vgl. Schwarze, ZStW 24 (1872), 368 (369 ff.); Mezger, ZStW 59 (1940), 549 (565 f.); Schräder, FS Rosenfeld, S. 161 (189 f.). Besonders unglücklich über diesen gesetzlichen Zustand mußte Binding, BT 1, § 89, S. 382, sein, der sachliche Begünstigung, Personen- und Sachhehlerei einheitlich als Vermögensdelikte ansah. 351 Auch die am Teilnahmedogma noch festhaltende Lehre mußte - halbherzige - Zugeständnisse machen; so spricht etwa v.Bar, Gesetz und Schuld 11, S. 750, von einer
8 Weisen
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
1871 vollzogene Schritt hin zur Einstellung der Begünstigung in den Besonderen Teil war daher tatsächlich kleiner, als dies nach außen hin den Anschein haben mag. Der entscheidende Erkenntniswandel betraf weniger die Selbständigkeit der Begünstigung als vielmehr die Definition der Teilnahme am Verbrechen, insbesondere der Beihilfe, wie die folgenden Erörterungen zeigen werden.
III. Die Begünstigung als eigenständiges Delikt Blickt man nochmals auf die von den Postglossatoren eingeführte und nach der Rezeption in der gemeinrechtlichen Doktrin aufgenommene Dreiteilung der Beihilfe am Verbrechen zurück, so hat sich gezeigt, daß der dadurch entworfene Teilnahmebegriff mit dem heutigen nicht mehr vereinbar ist. Nachdem ursprünglich nur im Rahmen der Strafzumessung die Frage aufgeworfen wurde, ob sich die nachträgliche Beihilfe nicht von den anderen Arten der Unterstützung unterscheide, wurde später grundlegender angesetzt, indem die Figur einer nachträglichen Teilnahme überhaupt in Frage gestellt wurde.
1. Die spätere gemeinrechtliche Doktrin
Als entscheidendes Kriterium in Bezug auf die Teilnahme als Mitwirkung an einer fremden Tat taucht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Kausalität auf. Nach Grotius und Pufendorfbedurfte es zur Haftung fur eine fremde Tat des Nachweises eines kausalen Wirkungsbeitrags352 • Dieser fur die Teilnahme bis heute die Lehre bestimmende Gedanke, der, wie erwähnt, bereits für manche Postglossatoren beim ,auxilium post delictum' eine mildere Strafe hat angemessen erscheinen lassen, wurde jedoch erst später für die Unterscheidung zwischen Beihilfe und Nachtathilfe fruchtbar gemacht. Im Anschluß an Kreß und Westphal 353 war es insbesondere Boehmer, der die Besonderheiten der Begünstigung hervorhob; dennoch wollte auch er sich nicht völlig von der Teilnahme an der Vortat lösen, sondern kreierte insoweit eine Teilnahme im weiteren Sinne, die ,societas criminis':
"Teilnahme am Verbrechen, zwar nicht im abstrakt logischen Sinne, wohl aber im Sinne der Moral und des Rechts". 352 Vgl. hierzu Dersch, Begünstigung, S. 84 ff. 353 Dieser hatte bereits den ,socius criminis', der eine Deliktsursache setzt, vom ,particeps criminis', der erst nach Vollendung des Delikts tätig wird, unterschieden; s. dazu Dersch, Begünstigung, S. 104 f.
A. Historische Auslegung
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zu Art. 177, § I: "Latius patet societas criminis, comprehendens non modo eos, penes quos est vera caussa criminis, verum etiam qui quomodoeunque ab eo, eiusque consequentia participant, quo sensu huc pertinent turn mandantes, conspirantes, infligantes, turn quoque qui crimen perfectum laudant, approbant, praemio pensant, res furtiuas vendunt, celant etc .... etsi delictum praesens ab eo non processerit. ... Unde, quoties de concursu quaeritur, non immiscendos esse, qui ex postfacto vitiosi quid agunt, recte monet Kress, § l.N.II.,,354
Dies stellte zwar im Vergleich zu den mittelalterlich-italienischen Postglossatoren in dogmatischer Hinsicht einen Fortschritt dar, nicht jedoch im Ergebnis. Denn die Unterscheidung innerhalb der Teilnahme zwischen ,societas' und , participatio , blieb im Vergleich zur hergebrachten Dreiteilung zu subtil. Ferner rechtfertigte Boehmer selbst seine Unterscheidung nur im Hinblick auf eine besser vorzunehmende Strafzumessung355 • Dennoch bildete sich auf der Basis dieser Erkenntnisse in der Folgezeit, insbesondere im 19. Jahrhundert, eine beachtliche Meinung in der Strafrechtsliteratur heraus 356 , die die Selbständigkeit der Anschlußdelikte betonte. Die Ungewißheit der römisch-rechtlichen Dogmatik bezüglich der Einordnung des ,crimen receptatorum', das seit den Postglossatoren entweder der Teilnahme zugeschlagen oder als Überbleibsel nicht integriert wurde, wurde nunmehr als eine Verselbständigung der Begünstigung bzw. Hehlerei gedeutet357 • Trotz der daraus abgeleiteten Forderung, diese Delikte im Besonderen Teil zu regeln, vermochten sich die Vertreter dieser Ansicht jedoch nicht inhaltlich endgültig vom Teilnahmegedanken zu lösen. Insbesondere bei der Strafzumessung wollte man sich in der Regel wieder an der Vortat bzw. der Teilnahme an der Vortat orientieren 358 • Angesichts dieser nach wie vor bestehenden Unsicherheit bezüglich der systematischen Einordnung der Begünstigung bzw. der Anschlußdelikte konnten auch ganz abseitige Erklärungsmodelle nicht ausbleiben, die auf die weitere Entwicklung ohne Einfluß geblieben sind und daher in unserem Zusammenhang nur kurz anzudeutende Episoden darstellen. Dies gilt zum einen für die von Sander entwickelte Lehre von der Begünstigung als Nebenverbrechen359 . Boehmer, Meditationes (1774), zu Art. 177, § 1. Boehmer, aaO, am Ende: "usus huius inspectionis se legitimat quoties de poena horum sociorum quaeritur". 356 Vgl. nur Berner, Lehre von der Teilnahme, S. 6; Hälschner, Preußisches Strafrecht III, § 105, S. 556 f.; weitere ausführliche Nachweise bei Dersch, Begünstigung, S. 139, Fn.1027. 357 So zuerst ausdrücklich Eisenhart im Jahre 1771; s. dazu Dersch, Begünstigung, S. 101 f.; vgl. ferner Binding, BT 2.2, § 242, A.II.3, S.632, Fn.3, der sich wundert, "daß das durchaus selbständige crimen receptatorum der römischen Kaiserzeit dazu nicht früher den Anstoß gegeben hat", damit allerdings dem römischen Strafrecht mehr an dogmatischer Reife unterstellt, als tatsächlich den Quellen entnommen werden kann. 358 S. dazu Dersch, Begünstigung, S. 146 ff. 359 In: Archiv des Criminalrechts 1838, 431 (446 ff.); den Begriff des Nebenverbrechens verwendet ebenfalls Schwarze, ZStW 24 (1872), 368. 354 355
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Diese dem Strafrecht fremd gebliebene Rechtsfigur stellte einen Komprorniß zwischen der Einordnung als Teilnahme an der Vortat einerseits und als selbständiges Verbrechen andererseits dar; ein Komprorniß, der aus Sanders Sicht notwendig war, da sowohl Handlung wie Absicht des Begünstigers sich allein auf die Vorteile der Tat beziehen und nicht etwa gegen die Allgemeinheit richten. Ebenfalls dem Strafrechtssystem fremd geblieben ist die Vorstellung v.Buris 360, der die Begünstigung als Teilnahme an der Rechtsverletzung ansah; zwar nehme der Begünstiger nicht an der Entstehung der Rechtsverletzung teil, wohl aber an deren Fortdauer. Immerhin wurde dieser Gedanke, wenn auch nicht als dogmatisch tragfahig, so doch zumindest als zutreffende Umschreibung der den Anschlußdelikten innewohnenden Charakteristik anerkanne 61 • Dies war hingegen den Gedanken der Aufrechterhaltung der Schuld des Vortäters (Villnow 362) und der Fortsetzung der Vortat (Waldthausen363 ) nicht vergönne 64 .
2. Die Theresiana und ihre Nachfolger
Hatte sich oben gezeigt, daß sich die seit Ende des 18. Jahrhunderts entstandenen Partikulargesetzbücher grundsätzlich zunächst unbeeindruckt von der Diskussion um die Selbständigkeit der Begünstigung geblieben sind und erst im Verlaufe des 19. Jahrhunderts allmählich von der Einordnung als Teilnahme an der Vortat abgerückt sind, so bilden diesbezüglich die österreichischen Strafgesetzbücher, insbesondere die Theresiana von 1768, eine Ausnahme. Zwar wurde die von den Postglossatoren herrührende Dreiteilung der Beihilfe und somit die Einstellung der Begünstigung in den Allgemeinen Teil des Gesetzbuches beibehalten, jedoch wurde hier zum ersten Mal von der Begünstigung als besonderer "Missethat" gesprochen und diese auch im Besonderen Teil als solche ausgewiesen: Constitutio Criminalis Theresiana, Artikel 3, § 12: Im dritten Falle, wenn Jemand nach bereits vollbrachter Missethat wissentlich und gefährlicher Weise dem Thäter mit Hülff und Beystand beförderlich wäre und wie immer erst nachfolglich daran Theil nähme, kann derselbe zwar als ein Mitwirker 360 In: Teilnahme an dem Verbrechen, S. 85 und 95; ferner auf Kritiker eingehend, in: GS 29 (1877), 14 (17 ff. und 33); kritisch dazu etwa Hälschner, Preußisches Strafrecht III, § 105, S. 559 ff. 361 Vgl. etwa Binding, BT2.2, § 243.II.A.2c, S. 638. 362 Nachweise bei Binding, aaO, und in der Replik von v.Buri, GS 29 (1877), 14 (17 ff.). 363 In: GA 29 (1881), 375 (377 f.). 364 So wird Binding, BT 2.2, § 243.II.A.2a und b, S. 637, durchaus deutlich: mystisch, stark abwegig, nicht lehrreiche Irrtümer, voll eklatanter Widersprüche der erste, das direkte Gegenteil gesunder Dogmatik der zweite.
A. Historische Auslegung
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zu der schon vorhin beschehenen That nicht angesehen werden; er macht sich jedoch einer besonderen Missethat schuldig. Ferner Artikel 102, § 1: Es ist vorläuffig anzum-erken, wienach zwischen Helffern und Heelern der nöthige Unterscheid in Acht zu nehmen seye. Die Heffere der Missethätern sind jene, weIche zur Missethat selbst beywirken; durch die Heelere und Unterschleiffgebere aber werden hier eigentlich diejenige verstanden, die zu Bewerkstelligung der Uebelthat selbst keine Beyhülff leisten, sondern nur lasterhafte und verdächtige Leute mit oder ohne habende Wissenschaft ihrer entweder schon verübt oder verüben wollenden Uebelthat bey sich aufhalten, beherbergen und Unterstand geben oder denenseIben, damit sie nicht zur gefanglicher Haft gebracht werden mögen, fursetzlich durchhelffen; oder ... aber gestohlenes und geraubtes Gut verheelen, vertuschen, kauffen, verkauffen, vertragen, oder wie immer zu Begünstigung365 der Uebelthätern auf die Seiten bringen.
Dieser Vorstoß ist jedoch vereinzelt geblieben und selbst von den direkt nachfolgenden Gesetzen, der Josephina von 1787 und dem österreichischen StGB von 1803, nicht mehr konsequent durchgehalten worden: Denn der im Besonderen Teil des Gesetzbuches behandelte Hehler wird als Mitschuldiger und Teilnehmer des Diebstahls angesehen 366 . Die österreichischen Regelungen befanden sich somit sehr bald wieder im Einklang mit den übrigen deutschen Gesetzbüchern, die zunächst sämtlich der Behandlung der Begünstigung als Teilnahme zuneigten.
3. Das RStGB von 1871 und die Zeit bis zum EGStGB 1974
Die Auflockerungen dieses Dogmas innerhalb der einzelnen Landesgesetzbücher und die zunehmende Anzahl der Stimmen in der Literatur, die die Eigenständigkeit der Anschlußdelikte betonten, setzte das RStGB durch die Aufnahme der Begünstigung, bestehend aus der sogenannten sachlichen und persönlichen Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB aF) und der Hehlerei (§ 259 StGB aF) in den Besonderen Teil eindeutig um. Dabei stellt sich der Tatbestand der (sachlichen) Begünstigung als nahezu mit dem heutigen § 257 Abs. 1 StGB identisch dar; lediglich die persönliche Begünstigung hatte im Vergleich zur mittlerweile in § 258 StGB ausgelagerten Strafvereitelung ein anderes Gesicht: § 257 StGB in der Fassung vom 15.5.1871 367 : (I) I Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens dem Täter oder Teilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die Vorteile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern, ist wegen Begünstigung mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr und, wenn er diesen Beistand seines Vorteils wegen leistet, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jah365 Dies dürfte die erste gesetzliche Verwendung des Begriffs der Begünstigung darstellen. 366 Vgl. Dersch, Begünstigung, S. 116. 367 Diese Fassung blieb bis zum 31.12.1974 unverändert.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
ren zu bestrafen. 2Die Strafe darf jedoch der Art oder dem Maße nach keine schwerere sein als die auf die Handlung selbst angedrohte. (2) Die Begünstigung ist straflos, wenn dieselbe dem Täter oder Teilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden ist, um ihn der Bestrafung zu entziehen. (3) IDie Be~ünstigung ist als Beihilfe zu bestrafen, wenn sie vor der Tat zugesagt worden ist. Diese Bestimmung ist auch auf Angehörige anzuwenden.
Mit der defmitiven Entscheidung des Gesetzgebers für die Verselbständigung der Begünstigung gegenüber der Teilnahme wurde nunmehr allerdings der Blick frei für die hinter der Frage nach deren Eigenständigkeit steckenden Probleme, insbesondere endlich auch für die Frage der Qualität der tatbestandlichen Handlung, also der Defmition der Beistandsleistung zum Zweck der Vorteilssicherung. Bezüglich dieser Frage und der damit verbundenen weiteren Fragen, etwa nach dem geschützten Rechtsgut, nach der Abgrenzung zum Vorbereitungsstadium bzw. zum Versuch oder der Möglichkeit der Teilnahme an der Begünstigung, vermochte die Regelung des § 257 StGB aF jedoch so gut wie keine Antworten zu geben 368 . Aber auch die innere Rechtfertigung für die Herausnahme der Begünstigung aus der Verbindung mit der Vortat blieb erklärungsbedürftig, auch wenn hieran nur in den Anfangen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Tatbestand erinnert wurde. So führte etwa Beling im Jahre 1907 aus: "Der zwingende Nachweis, daß der Begriff einer ,Teilnahme post delictum' unlogisch ist, veranlaßte den deutschen Gesetzgeber, mit der überkommenen Rechtsentwicklung zu brechen. Und zwar glaubte man mit dem rein negativen Nachweis, daß die Begünstigung ihrem Wesen nach keine Teilnahme sei, auch den positiven Nachweis erbracht zu haben, daß sie einen selbständigen Deliktsbegriff ausmachen müsse. Ohne zu prüfen, ob sie, wenn auch nicht Teilnahme, so doch immerhin eine bloße Erscheinungsform des Delikts ausmache, stattete man sie mit eigener Strafe aus und zerschnitt das innere Band, das zwischen ihr und der Vortat besteht.,,369 Jeder Ansatz, der die Begünstigung in ihrem rechtlichen Charakter auch nur teilweise durch die Verbindung mit der Vortat zu erklären versuchte, wurde in der Folgezeit und bis zum heutigen Tage als abwegiger Rückfall in die Doktrin des ,auxilium post delictum' getadele 70 • Wie unentschlossen der Gesetzgeber von 368 Die Bewertung dieser Vorschrift in der Literatur fiel entsprechen vernichtend aus: so etwa Reling, in: Vergl. Darst. VII, § 60, A., S. 201 - "Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die §§ 257-262 RStGB zu den am meisten verunglückten Bestimmungen des Gesetzbuchs gehören." - und Binding, BT 2.2, § 243, II, S. 636 - "Diese wenigen Bestimmungen sind voll der schwersten inneren Widersprüche." 369 Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 2, A. 1., S. 10. Elvers, ZStW 31 (1911),893 (894) spricht von Eierschalen, die die Begünstigung noch nicht ganz verloren habe. 370 Der Parallelisierung der durch eine Begünstigung und eine Beihilfe verletzten Rechtsgüter durch Miehe, FS Honig, S. 91 ff. (zur Kritik hieran vgl. nur Amelung, JR 1978,227 (231); Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 81 ff. (insbesondere S. 87 f.); LK 11 , Ruß, § 257 Rn.2), ergeht es da nicht anders als dem Versuch Voglers, FS Dreher, S. 405 ff., den Hilfeleistungsbegriff in §§ 27 und 257 StGB einheitlich auszulegen (zur Kritik vgl. Theissen, Begünstigungshandlung, S. 81).
A. Historische Auslegung
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1871 selbst war, zeigen die Motive zum RStGB, wonach es sich bei der Begünstigung zwar "um ein selbständiges Vergehen, wenn auch von akzessorischer Natur, handle.,,371 Aber auch bezüglich der uns interessierenden Frage nach der Qualität der Begünstigungshandlung ist den Gesetzesmotiven nichts Entscheidendes zu entnehmen. Insbesondere lassen sich entgegen RGSt 20,233 f. 372 keine Aussagen dahingehend fmden, daß die Handlung zur Vorteilssicherung bzw. damals noch zur Strafvereitelung geeignet sein müsse. Vielmehr beschränkt sich die Aussage in den Motiven zum Entwurf eines Strafgesetzbuches aus dem Jahre 1869 darauf, daß die abstrakte Umschreibung der Begünstigungshandlung anstelle einer enumerativen Aufzählung - ausreiche, um feststellen zu können, ob eine Handlung geeignet sei, als Begünstigung aufgefaßt zu werden. Von einer Eignung zur Vorteilssicherung oder zur Strafoereitelung war hingegen nicht die Rede 373 • In den ersten Jahrzehnten des Bestehens des RStGB war der Begünstigungstatbestand mehrfach Gegenstand von Reformbemühungen 374 , die zum einen die Auslagerung der persönlichen Begünstigung aus dem § 257 Abs. 1 StGB aF hin zu einem Erfolgsdelikt der Strafvereitelung betrafen, aber auch die ersatzlose Streichung des § 257 Abs.3 StGB aF, da die schon von den Postglossatoren befilrwortete Einstufung der vorversprochenen Begünstigung als Beihilfe zur Tat mitunter als Reminiszenz an das ,auxilium post delictum' empfunden wurde375 . Kam es jedoch zu keiner der anvisierten Gesetzesänderungen, wurde am 24.11.1933 in überraschender Weise der Tatbestand der Vereitelung von Maßregeln gemäß § 257 a StGB aF als Erfolgsdelikt neu eingefilhrt und der der persönlichen Begünstigung im Amt gemäß § 346 StGB aF in entsprechender Weise abgeändert376 . Da es sich bei beiden Delikten um Qualifikationen der persönlichen Begünstigung handelte, jedoch im Gegensatz zu dieser der Erfolg der Strafvereitelung jeweils zur Tatbestandserfilllung vorausgesetzt war, entstand durch die Einfilhrung der neuen Strafvereitelungsvor-
37\ Reichstagsvorlage, S. 77; zitiert nach v.Hippel, Strafrecht 11, § 35, IV., S. 491. 3721. Strafsenat, 13.2.1890. 373 Vogler, FS Dreher, S. 405 (409 f.), hält die Aussage in den Motiven zumindest für mehrdeutig. 374 So etwa die Entwürfe von 1913 (§§ 233, 371), 1920 (§§ 234 f.), 1925 (§§ 185 f.im Text §§ 184 f.), und die Reichstagsvorlage 1927 (§§ 200 0. m Vgl. nur Beting, in: Vergl. Darst. VII, § 2, A. l., S. 10. V.Buri, GS 29 (1877), 14 (34 f.), sah hierin gar die Bestätigung seiner Ansicht, daß es sich bei der Begünstigung um die Teilnahme an der Rechtsverletzung handele; zurückhaltender - wenn auch bedauernd - hingegen Waldthausen, GA 29 (1881),375 (393), der von einer Teilnahme im weiteren Sinne spricht. 376 Vgl. die Gesetzestexte oben in Fn. 55 und 56.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
schriften ein gewisser dogmatischer Bruch innerhalb des StGB in seiner alten Fassung3??
4. Die Strafrechtsreform von 1975 Zumindest diesen Widerspruch hob das die heutige Fassung der Begünstigung bestimmende EGStGB vom 2.3.1974 auf, indem es die persönliche Begünstigung als Erfolgsdelikt in Form der Strafvereitelung in § 258 StGB neu regelte. Die uns interessierende Tathandlung der Begünstigung wurde von der Beistandsleistung in die Hilfeleistung umgetauft, ohne daß damit eine sachliche Änderung verbunden sein sollte378 • Wie schon im Entwurf von 1962379 , den die Reform fast vollständig übernommen hat, enthielt sich der Gesetzgeber in seinen Motiven jeglicher Aussage über den in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Inhalt des Beistandsleistungs- bzw. Hilfeleistungsbegriffs, so daß keine der vertretenen Meinungen durch die Neufassung sanktioniert werden sollte. Letztlich blieben auch die damit verbundenen Fragen nach dem Rechtsgue 80 , den Handlungsstadien, den Beteiligungsmöglichkeiten etc. weitestgehend offen381 • Entscheiden wollte der Reformgesetzgeber lediglich den zwischen Rechtsprechung und Literatur geführten Streit, inwieweit ein Vortatbeteiligter sich anschließend einer Begünstigung schuldig machen kann; § 257 Abs. 3 StGB verneint dies entgegen der Ansicht der bis dahin ständigen Rechtsprechung dem Grundsatz nach 382 • Das Antragserfordernis in bestimmten Fällen, das zuvor in § 247 Abs. 3 StGB aF geregelt war, wurde in § 257 Abs.4 StGB aUfgenommen 383 , wobei die etwas unklare Verweisung in Satz 2 auf § 248 a StGB gleichsam erst in letzter Minute eingefügt wurde 384 • Verzichtet wurde hingegen auf die noch in § 290 Abs. 1 und 2 E 1962 vorgesehene RegeVgl. dazu oben, I. Abschnitt, B.II.lb.(3), S.35. m So BT-Drs. 7/550, S. 248: "Auch im übrigen weicht der Entwurf trotz einzelner sprachlicher Änderungen in der Umschreibung der Tathandlung vom geltenden Recht sachlich nicht ab." 379 Vgl. dort in der Begründung zu § 289: BT-Drs. 4/650, S. 460. 380 Im Entwurf 1962 wurde trotz der Einstellung der Begünstigung und der Hehlerei in die Vermögensdelikte die vermögensrechtliche Auffassung abgelehnt, vgl. BT-Drs. 4/650, S. 460; dies gilt erst recht für das EGStGB 1974, bei dem die Strafvereitelung räumlich sogar zwischen Begünstigung und Hehlerei angesiedelt ist; vgl. dazu die ausführliche Diskussion der Großen Strafrechtskommission in: Niederschriften, Band 6, S. 105 ff., bei der die vermögensrechtliche Auffassung ausdrücklich abgelehnt wurde. 381 Vgl. auch Stree, JuS 1976, 137, und Blei, JA 1976,309. 382 S. zu diesem Problem unten, 2. Abschnitt, D.I.3, S.249 ff. 383 Im Entwurf 1962 war dieses noch separat in § 290 Abs. 3 geregelt. 384 S. dazu BT-Drs. 7/1261, S.18; zur Bedeutung dieses Zusatzes s. unten, 2. Abschnitt, D.I.1 a.( 1)(b), S.225 ff. 377
A. Historische Auslegung
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lung bezüglich besonderer persönlicher Merkmale, die beim Begünstiger vorliegen und ihm als Täter oder Teilnehmer an der Vortat zugute kommen würden. Gegenüber der alten Fassung des StGB ist der Tatbestand der Personenhehlerei (§ 258 StGB aF) ebenso entfallen wie der in § 257 Abs. 3 StGB aF angeordnete pauschale Verweis auf die Beihilfe rur den Fall, daß dem Vortäter die Begünstigung schon vor dessen Tat zugesagt wurde 385 , da insoweit die unmittelbare Anwendung der Beihilfevorschrift als ausreichend erachtet wurd e386 . Gerade der Wegfall dieser Vorschrift, die stets als Zugeständnis an die Verwandtschaft mit der Beihilfe verstanden wurde, gibt Anlaß zu erörtern, welche Momente von der einst als ,auxilium post delictum' eingestuften Begünstigung sich in der heutigen Regelung noch wiederfmden lassen. Nicht zu leugnen ist die Abhängigkeit von der Tat eines anderen, an die sich die Begünstigung erst anschließen kann. Der Gesetzgeber aus dem Jahre 1871 sprach insoweit zutreffend von der "akzessorischen Natur" der Begünstigung, wenn auch diese nicht in dem Maße besteht wie bei der Beihilfe. Einen gewissen Überrest stellt ferner die Regelung des § 257 Abs. 2 StGB dar, der eine an der Vortat ausgerichtete Obergrenze des Strafrahmens bestimmt und damit gleichsam einer "negativen Akzessorietät,,387 gleichkommt. Die Vortat stellt somit überhaupt einen wesentlichen Strafzumessungsfaktor dar388 . Dies ruhrt letztlich auch dazu, daß rur den Fall, daß die Strafwürdigkeit der Vortat, etwa aufgrund des Wegfalls des entsprechenden Straftatbestandes, nachträglich entfallen ist, auch die Begünstigung nicht mehr bestraft werden kann 389 . Die Abhängigkeit von der Vortat zeigt sich schließlich auch in der nach § 257 Abs. 4 StGB vorgesehenen Übertragung des Antragserfordernisses bezüglich der Vortat auf die Begünstigung. Man mag über die Formulierung streiten, wenn man im Hinblick auf die Begünstigung von einer "akzessorischen Straftat" oder vom "Verbot der Teilnah-
385 Sturm, in: Niederschriften, 6.Band, S. 105, bezeichnet diese Norm als "typisches und irreftihrendes Relikt aus der alten Teilnahmenatur der Begünstigung". 386 Vgl. BT-Drs. 4/650, S. 460 f. und 7/550, S. 248; beide Male wird darauf hingewiesen, daß es sich bei Vorliegen einer Beihilfe zur Haupttat um eine "strengere Behandlung" handele, was verwundern muß, unterfallt der Gehilfe doch nicht selten einem geringeren Strafrahmen als der Begünstiger - vgl. hierzu unten, 2. Abschnitt, D.I.la.(l)(a), S.224 f. In dieser Aussage offenbart sich, daß trotz der Selbständigkeit der Begünstigung offenbar das Rechtsgeftihl dazu nötigt, zumindest hinsichtlich der Bestrafung die Begünstigung als das gegenüber der Beihilfe leichtere Delikt anzusehen. 387 So Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 100, LI Rn.3. >SB Vgl. nur LG Hannover, NJW 1976,978; Lackner/Kühl, § 257 Rn.IO. Binding, Entwurf eines Strafgesetzbuches, 6. Abschnitt, H., S. 109, hatte noch diese akzessorische Natur bekämpft, da er die Begünstigung allein als Vermögensdelikt und somit den Schaden als für die Strafzumessung entscheidend ansah. 389 S. Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.14; BGH (5. Strafsenat, 1.3.1960), NJW 1960, 1163 ( 1164), mit kritischer Anm. von Dreher, ebd.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
me nach der Tat,,390 spricht. Festzuhalten bleibt allerdings, daß der heutige Begünstigungstatbestand sich weniger vom weit verstandenen mittelalterlichen ,auxilium post delictum' entfernt hat, als dies gemeinhin angenommen wird. Daß die Anschlußdelikte auch außerhalb des StGB nicht als völlig selbständige Straftaten aufgefaßt werden, zeigt sich auch in § 3 StPO, der den prozessualen Zusammenhang ebenso nicht nur auf die Teilnehmer, sondern auch auf die Anschlußtäter erstreckt, sowie in § 60 Nr.2 StPO bezüglich des Vereidigungsverbotes hinsichtlich Teilnehmern wie Nachtathelfern.
Zweites Zwischenergebnis Der Blick auf die geschichtliche Entwicklung der Begünstigung zeigt uns zuvörderst die enge Verwandtschaft dieses Tatbestandes mit den übrigen Anschlußdelikten, also der Strafvereitelung und der Hehlerei. Diese sich in ihrer Begehungsform und Angriffsrichtung heute wie selbstverständlich unterscheidenden Delikte haben sich in dieser Weise jedoch erst in den letzten Jahrhunderten herausgebildet. Daß dabei die Begünstigung sowohl in ihrer tatbestandlichen Ausgestaltung - was bedeutet Hilfeleistung? - als auch in der Klarsteilung des ihr zugrunde liegenden Rechtsguts von der Dogmatik eher stiefmütterlich behandelt wurde, macht es um so mehr erforderlich, sich jenes mit den §§ 258 f. StGB gemeinsamen Ursprungs als Anschlußdelikt, also als Anknüpfung an ein strafbares Verhalten eines anderen, zu erinnern. Daneben ist die Geschichte der Begünstigung vor allem die Geschichte eines Irrweges, nämlich dem der Einordnung in die Teilnahme an der Vortat. Gleichwohl ist dieser Irrweg ein lehrreicher, da er seinen Grund in der engen Beziehung der Begünstigung zur Vortat hat. Daß es sich bei dieser Beziehung um keine Teilnahme im Sinne der §§ 26 f. StGB handelt, darf als geklärt gelten. Diese Erkenntnis darf jedoch nicht dazu fUhren, daß nun ein neuerlicher Irrweg beschritten wird, indem man diese Beziehung völlig leugnen wollte. Denn nach wie vor macht die gesetzliche Fassung deutlich, daß es sich bei der Begünstigung um ein Hilfsdelikt zugunsten eines Vortäters handelt391 . Klammert man daher die überkommene Teilnahmedoktrin aus, so ist die Einstufung der Begünstigung - und der übrigen Anschlußdelikte - als ,auxilium post deIictum , im Gegensatz zum ,auxilium ante delictum / in delicto' nach wie vor 390 So etwa U. Weber, GS K.Meyer, S. 633, und Arzt, in: Arzt/Weber, BT 4 Rn.351.
391 Bereits Kriegsmann, ZStW 30 (1910),542 (571), wies im Anschluß an v.Bar, Gesetz und Schuld II, S. 750, auf die Unfruchtbarkeit des Streits um die Betonung entweder der akzessorischen oder der selbständigen Natur der Begünstigung hin: "Dabei ist es letzten Endes nicht so sehr erheblich, ob man mehr das Akzessorietätsverhältnis oder mehr den besonderen Angriffsgehalt der Delikte in den Vordergrund rücken will."
B. Grammatische Auslegung
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verwertbar, übersetzt man ,auxilium' jeweils mit Hilfe. Die Richtigkeit dieser Überlegung zeigt sich nicht zuletzt auch in der Tatsache, daß ursprünglich die Bestrafung des Anschlußtäters mehr auf der Beweisnot darüber beruhte, ob es sich bei dem Besitzer von Diebesgut tatsächlich auch um den Dieb handelte, als auf der Verwirklichung eines originär eigenständigen Deliktstatbestandes.
B. Grammatische Auslegung I. Der Begriff der Hilfeleistung
Bereits ein erster unbefangener Versuch, den natürlichen Wortsinn von "Hilfeleistung" zu eruieren, macht die mit der Auslegung dieses Begriffs verbundenen Schwierigkeiten deutlich. Man mag zwar Synonyme wie "Beistand leisten" - so die frühere Fassung des Begünstigungstatbestandes -, "fördern", "unterstützen", womöglich auch "nützlich sein" finden, eine konkrete Aussage über die damit umschriebene tatbestandliche Handlung enthalten sie jedoch sämtlich nicht392 . Zwar beinhalten alle diese Begriffe im Kern eine positive Handlung: In einer bestimmten Situation wird ein nützlicher Beitrag geleistet, ein einem anderen dienendes Ziel soll erreicht, ihm überhaupt etwas Gutes getan werden. Hierin unterscheidet sich der Hilfeleistungsbegriff bereits von den meisten Tatbestandsmerkmalen anderer Strafrechtsnorrnen, da in diesen in der Regel bereits ein hinsichtlich einer bestimmten Rechtsgutsverletzung pejorativer Charakter enthalten ist. So ist etwa dem Begriff der Wegnahme die Gewahrsamsverletzung ebenso bereits immanent wie dem Begriff des Tötens der Angriff auf das Rechtsgut "Leben". Isoliert betrachtet deutet hingegen der Umstand, daß einem anderen geholfen, also etwas Gutes getan wird, in keiner Weise auf eine Rechtsgutsverletzung hin 393 • Dabei kann Hilfe in zweierlei Weise wirken: zum einen als Rettung, als Befreiung aus üblen Umständen - sei es, daß lediglich Beistand bei der Rettung geleistet wird oder sei es, daß die Hilfe die Rettung selbst darstellt -, zum anderen als Unterstützung bzw. Förderung zur Erreichung eines bestimmten Zieles394 . Ein qualitativer Unterschied zwischen diesen beiden Hilfeleistungsarten besteht jedoch nicht, lassen diese ja sich im Einzelfall kaum voneinander scheiden, da in beiden Fällen die Lage des 392 Vgl. Duden, Universalwörterbuch, unter dem Stichwort "helfen". In der Literatur wird insoweit vom "blassen bzw. farblosen Hilfeleistungsbegriff' gesprochen; vgl. Sch/Schr25 , eramer, § 27 Rn.6; Schröder, FS Rosenfeld, S. 161 (170); SK, Samson, § 257 Rn.6; Vogler, FS Dreher, S. 405 (411). 393 Zu den Schwierigkeiten der Bestimmung des Rechtsguts bei der Begünstigung s.u., 2. Abschnitt, D.Il, S. 268 ff. 394 Diese Unterscheidung findet sich bereits bei Gehr. Grimm, Deutsches Wörterbuch, unter dem Stichwort "Hilfe".
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Hilfeempfängers von einem schlechteren in einen besseren Zustand geführt werden soll und dies zugleich stets Zweck der Hilfe ist. Die entscheidende, mit der Definition der Hilfeleistung untrennbar verbundene Frage lautet daher, wozu oder wobei Hilfe geleistet werden soll395. So setzt etwa die Beihilfe gemäß § 27 Abs. 1 StGB eine Hilfe zur Haupttat voraus, die unterlassene Hilfeleistung nach § 323 c StGB eine Hilfe bei Unglücksfällen und die Begünstigung eben eine Hilfe, um die Vorteile der Tat zu sichern. § 257 Abs. 1 StGB bestimmt den Hilfeleistungsbegriff somit durch die subjektive Zielsetzung des Helfers. Es stellt sich daher die Frage, was vom objektiven Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung noch an eigenständiger Bedeutung übrig bleibt, wenn sie doch ihre entscheidende Inhaltsbestimmung erst durch den subjektiven Tatbestand erfährt396 . Denn die der Hilfeleistung auch objektiv immanente positive Tendenz scheint sich zu erübrigen, da diese erst recht in der überschießenden Innentendenz, der Vorteilssicherungsabsicht, enthalten ist. Dennoch wäre der Schluß zu vorschnell, wollte man bereits aus der Ergänzungsbedürftigkeit des Hilfeleistungsbegriffs folgern, daß diese in diesem Zusatz gleichsam aufgehen und somit jegliche eigenständige objektive Bedeutung verlieren würde. Vielmehr führt eine allein am Wortlaut des § 257 Abs. 1 StGB ausgerichtete Auslegung zunächst nur zu dem Ergebnis, daß die Hilfeleistung nur im Zusammenhang mit der Vorteilssicherungsabsicht definiert werden kann und es sich damit bei der so zu bezeichnenden "Vorteilssicherungshilfe" um ein gemischt objektiv-subjektives Tatbestandsmerkmal handelt. Eine ähnliche Konstruktion begegnet uns etwa bei der Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB: Dort stellt sich das Merkmal der Zueignung als Manifestation der Zueignungsabsicht ebenfalls als ein solches gemischt objektiv-subjektives Merkmal dar. In welcher Gewichtung allerdings das objektive und subjektive Element bei der Vorteilssicherungshilfe zueinander stehen sollen, läßt sich allein dem Wortlaut nur schwer entnehmen. Vor dem Hintergrund dieser Problematik lassen sich die verschiedenen zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Auffassungen folgendermaßen bewerten: Zu einer völligen Ignorierung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung führt die "rein subjektive Theorie". Denn da es nach ihr allein auf ein Handeln in Vorteilssicherungsabsicht ankommt, hat der Hilfeleistungsbegriff jegliche 395 Treffend daher Hruschka, JR 1980, 221 (225, Fn. 31), wenn er darauf hinweist, daß auf die Frage "Was hast du gestern gemacht?" die Antwort "Ich habe geholfen!" wenig sinnvoll sei. 396 Charakteristisch ist insoweit die Aussage von Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 346, zur damals noch in § 257 Abs. 1 StGB aF geregelten persönlichen Begünstigung: Bei fehlender Strafvereitelungsabsicht hat der Täter "dann auch keine Begünstigungshandlung ... vorgenommen, weil die das äußere Verhalten tragende und vom Gesetz geforderte Strafvereitelungstendenz fehlt."
B. Grammatische Auslegung
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objektive Bedeutung verloren. Mag die Degradierung des sicherlich "farblosen" Begriffs der Hilfe 397 gleichsam zur "Durchsichtigkeit" gerade noch mit dem natürlichen Wortverständnis vereinbar sein - etwa: Helfen als Handeln in altruistischer Absicht -, so stellt sich jedoch zumindest die Frage, warum der Gesetzgeber eben nicht lediglich eine Handlung in entsprechender Absicht gefordert hat, sondern eine Hilfeleistung. Eine gewisse objektive Bedeutung hat der Hilfeleistungsbegriff nach der "Manifestationstheorie" , wonach die Vorteilssicherungsabsicht wenigstens nach außen hin erkennbar in Erscheinung getreten sein muß. Gegen die Reduzierung der Vorteilssicherungshilfe ähnlich wie der Zueignung bei § 246 Abs. I StGB auf dieses geringe objektive Moment läßt sich sprachlich sicherlich nichts einwenden: Das runfjährige Kind, das beim Umzug seiner Eltern stets sein Stofftier hin und her trägt und dabei den Möbelpackern vor die Füße läuft, mag sich durchaus als tragende Stütze des Umzugs ruhlen; nur die Eltern und die anderen Helfer sehen dies unter Umständen anders. Ob sich die Hilfe allein aus der Sicht des Helfenden definieren läßt, kann aufgrund des Wortlautes nicht entschieden398 , sondern nur aus dem Strafzweck der Begünstigung abgeleitet werden, ob es also lediglich den Hilfswillen beim Begünstiger, eine tatsächliche, objektiv feststellbare Hilfe oder gar das Empfinden von Hilfe beim Begünstigten zu unterbinden gilt. Das gleiche gilt rur die "Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs", weil auch hier die Definition dessen, was im konkreten Fall Hilfe ist, dem Begünstiger überlassen bleibt. Hilfe liegt dann vor, wenn dieser die Vorteilssicherung zumindest im Sinne der §§ 22 f. StGB versucht, mag es sich dabei auch um einen untauglichen Versuch handeln. Das objektive Moment dieser Vorteilssicherungshilfe beschränkt sich dabei auf die Notwendigkeit eines unmittelbaren Ansetzens zur Vorteilssicherung und - sofern man den Gedanken aus § 23 Abs.3 StGB heranziehen will - auf das Vorliegen einer gewissen Verständigkeit des Täters. Im Ergebnis gehen somit alle diese Auffassungen davon aus, daß zum einen Hilfe sich ausschließlich von der mit ihr angestrebten Zielsetzung her definiert, und daß zum anderen kein Unterschied zwischen Helfen und Helfenwollen existiert399 • Letzteres läßt sich mit dem allgemeinen Sprachgebrauch durchaus vereinbaren, wenn man sich Ausdrücke wie die zu spät gekommene oder vergebliche Hilfe vergegenwärtigt. Indes stellen diese sprachlichen Wendungen keineswegs einen zwingenden Beleg rur die RichtigS. o. Fn. 392. Ebenso Theissen, Begünstigungshandlung, S. 18 f. 399 So explizit Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 59 und 75; vgl. auch Sax, JZ 1976, 429 (434): "Zwar umfaßt ein ,Hilfeleisten' sowohl die auf Hilfe abzielende Handlung (also den Versuch, einen Hilfserfolg herbeizuflihren) wie auch den Erfolg des Hilfeleistens (also die Vollendung) ... ". 397 398
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
keit der subjektiven Auffassungen dar. Vielmehr läßt sich die Beurteilung einer Handlung als im Hinblick auf eine bestimmte Zielsetzung vergebliche Hilfe auch dahingehend deuten, daß der Hilfeleistungsbegriff völlig unabhängig von der Erreichung eines bestimmten Erfolges zu definieren ist. Bei der Bewertung der Hilfe als vergeblich, nützlich oder erfolgreich würde es sich dann um einen die Erfolgstauglichkeit betreffenden Zusatz handeln, der mit der Beurteilung einer Handlung als Hilfe oder Nichthilfe nichts zu tun hätte. Die hier angesprochenen subjektiven Theorien wären ebenso wie die noch folgenden Theorien des "objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" und der "objektiven Eignung" mit einem solchen Verständnis freilich nicht vereinbar, da diese sämtlich den Kern des Hilfeleistungsbegriffs lediglich als angestrebte Vorteilssicherung definieren. Allerdings muß den bislang besprochenen subjektiven Theorien einschließlich der "Manifestationstheorie" ein bereits oben 400 angefuhrtes, gewichtiges Wortlautargument entgegengehalten werden. Mag zwar bei einer völlig irrationalen Einschätzung des Täters von der Wirksamkeit der eigenen Handlung auch ein zur Vorteilssicherung völlig untauglicher Beitrag dennoch sprachlich als Hilfe eingestuft werden können, so kommt man nicht an der gesetzlichen Formulierung vorbei, die objektiv einen "anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat", als Objekt der Hilfeleistung tatsächlich voraussetzt. Es kann demnach nicht genügen, wenn Vortäter oder Vortat ausschließlich in der Vorstellung des Begünstigers existieren. Gleichwohl folgt daraus nicht zwingend, daß die subjektive Interpretation des Hilfeleistungsbegriffs von vornherein unzutreffend sein muß. Vielmehr würde der objektive Tatbestand der Begünstigung lediglich mehr verlangen, als es das Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung nach diesen Theorien erforderte. Freilich entstünde dadurch ein gewisses Spannungsverhältnis innerhalb des Begünstigungstatbestandes, das sich insbesondere auf den subjektiven Tatbestand auswirken würde: Zu klären wäre nämlich, inwieweit die Vortat vom Vorsatz des Täters erfaßt sein müßte 40I • Diejenigen Auffassungen, die wie die "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" und die "objektive Eignungstheorie" entweder auf eine zumindest zum Teil vorhandene Eignung des Vorteilssicherungsversuchs abstellen oder wie die "Theorie der objektiven Lageverbesserung" darüber hinaus sogar den Eintritt eines Teilerfolges verlangen, verstehen es zwar ebenfalls nicht, sich von der Definition des Hilfeleistungsbegriffs ausschließlich von der anzustrebenden Vorteilssicherung her zu lösen. Allerdings wird Hilfe im Gegensatz zu den subjektiven Theorien zumindest als objektiv meßbares Ereignis eingestuft. Das heißt, daß die Beurteilung dessen, was Hilfe darstellt, nicht S.o., I. Abschnitt, B.II.I b.(2), S.33 f. Bockelmann, NJW 1951, 620 (623), stuft angesichts dieser Schwierigkeit das Vorliegen der Vortat als objektive Bedingung der Strafbarkeit ein. 400 40\
B. Grammatische Auslegung
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mehr allein von der Sicht des Helfenden abhängt, sondern von einer objektiv festzustellenden Qualität. Hilfe wäre demnach gesetzlich defmiert als (zumindest teilweise) tauglicher Vorteilssicherungsversuch, der unter Umständen sogar zu einem bestimmten Teilerfolg geführt haben muß. Ausformuliert bedeutete dies: "Wer einem Vortäter Vorteilssicherungshilfe (= in der Absicht, die Vorteile der Tat zu sichern, Hilfe) leistet, indem er die Vorteilssicherung mindestens in (zum Teil) geeigneter Weise versucht, ... ". Nach dieser Theorie bleibt daher das subjektive Moment des gemischt subjektiv-objektiven Merkmals der Vorteilssicherungshilfe dominierend: Der Täter muß primär die Vorteilssicherung zu erreichen suchen; das Prädikat "Hilfe" erhält diese Handlung freilich nur, wenn sie tatsächlich auch Erfolgstauglichkeit besitzt. Der Hilfeleistungsbegriff wird demnach lediglich als "Gütesiegel" einer bestimmten altruistischen Handlung verstanden. Ob der Begünstigte diese Handlung tatsächlich auch als Hilfe empfmdet, ist dabei allerdings irrelevant. Will man hingegen mit der "Interessenförderungstheorie" dieses Hilfsempfinden des zu Begünstigenden in die Definition des Hilfeleistungsbegriffs mit aufnehmen, so gelangt man sicherlich zum höchsten objektiven Gehalt des Merkmals der Vorteilssicherungshilfe. Die objektiv festzustellende Interessenförderung des Vortäters im Hinblick auf die Vorteilssicherung vermag sich hier von der Vorteilssicherungsabsicht zu lösen. Das Tatbestandsmerkmal der Vorteilssicherungsabsicht hat somit eine gewisse Doppelrolle inne: Im Rahmen der Hilfeleistung gibt sie die zu deren Verständnis notwendige Richtung der Vortäterinteressen an, im Rahmen des subjektiven Tatbestandes stellt sie hingegen die beim Täter erforderliche überschießende Innentendenz dar. Entsprechend läßt sich somit die Hilfe (in Richtung Vorteilssicherung) als eigenständiger objektiver Tatbestand gegenüber der Vorteilssicherungsabsicht als speziellem subjektiven Tatbestandsmerkmal abgrenzen402. Im Vergleich zu den anderen Theorien läßt sich darin ein weiterer wesentlicher Unterschied feststellen. Betrachtet man die einzelnen Theorien unter der Fragestellung, inwieweit sie die Begünstigung als Erfolgs- oder Tendenzdelikt verstehen, so zeigt sich, daß die "Interessenförderungstheorie" versucht, die Begünstigung als ein vom Vorteilssicherungsversuch unabhängiges Erfolgsdelikt zu begreifen: Der Erfolg liegt nicht etwa in einer zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung, sondern in einer geleisteten Vorteilssicherungshilfe. Demgegenüber verstehen alle übrigen Theorien - auch wenn sie einen auf den Vorteilssicherungserfolg gerichteten Teilerfolg voraussetzen - die Begünsti402 Vgl. schon die oben, 1. Abschnitt, C.I, S.88, zitierte Entscheidung RGSt (3. Strafsenat, 2.2.1920) 54, 132. Entscheidend ist hierbei die Aussage, daß die Tathandlung gegenüber dem subjektiven Tatbestand eine eigene Bedeutung behalten soll; daß die Beistandsleistung bzw. Hilfeleistung allerdings der Ergänzung bedarf, nämlich der Richtungsangabe, brauchte das Reichsgericht im konkreten Fall nicht näher auszuführen.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
gung im wesentlichen als Tätigkeitsdelikt. Jedoch kann keines der beiden "Lager" den Wortlaut des Hilfeleistungsbegriffs fur sich allein in Anspruch nehmen: Hilfe kann auch dann zu einem objektiven Erfolg fuhren - sprich: die Interessen des Vortäters tatsächlich gefördert haben -, wenn sie letztlich im Hinblick auf das angestrebte Ziel, die Vorteilssicherung, vergeblich war. Hilfe kann aber auch allein im bloßen Streben nach einem bestimmten, einem anderen zugute kommenden Erfolg gesehen werden. Als Zwischenergebnis der grammatischen Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs läßt sich daher festhalten, daß die Hilfeleistung isoliert keine aussagekräftige Bedeutung hat, vielmehr nur vor dem Hintergrund der subjektiven Tendenz, dem Vortäter die Vorteile der Tat zu sichern, verständlich ist. Der somit den Tatbestand der Begünstigung im wesentlichen prägende Begriff der Vorteilssicherungshilfe gibt keine Auskunft darüber, inwieweit dieser noch von einem objektiven Gehalt bestimmt ist, ob also das Hilfsmoment gar keine, nur eine funktionale Bedeutung im Rahmen des Vorteilssicherungsversuchs oder eine davon unabhängige, selbständige Bedeutung hat. Sämtliche zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Ansichten sind daher mit dem Wortlaut durchaus vereinbar. Es hat sich dabei jedoch auch erwiesen, daß mit Zunahme des objektiven Gehalts, den man der Vorteilssicherungshilfe beimessen will, eine Veränderung der Perspektive einhergeht. Von der Beurteilung der Handlung als Hilfe durch den Helfenden wandert der Blick über die Feststellung einer Hilfshandlung durch einen objektiven Dritten hin zur aus der Sicht des Begünstigten vorzunehmenden Bewertung der Unterstützungshandlung. Daß der Begriff der Hilfeleistung seinem Wortlaut nach hier keine Vorentscheidung trifft, zeigt sich am oben erwähnten Umzugsfall: Ob eine Handlung Hilfe ist, ist Ansichtssache.
11. Der Begriff der Vorteilssicherung
Die Vorteilssicherung spielt somit nach sämtlichen zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Auffassungen eine entscheidende Rolle: zum einen als anzustrebendes Handlungsziel, in dessen Rahmen die Hilfeleistung entweder ganz ohne Bedeutung ist oder lediglich objektive Maßstäbe an das zu erreichende Versuchsstadium stellt, zum anderen als bloße Richtungsangabe der zu fördernden Interessen des Vortäters. Wie bei der oben im ersten Abschnitt unternommenen kritischen Einfuhrung in den Hilfeleistungsbegriff bereits mehrfach angedeutet, stellt sich jedoch der Begriff der Vorteilssicherung nicht weniger unscharf dar als jener. In diesem Zusammenhang sind die über Jahrzehnte im Brennpunkt stehenden Fragen, ob nur Vermögensvorteile gesichert werden können403 , in403 Daß es sich bei den Vortatvorteilen nicht um Vermögensvorteile handeln muß, hat der Gesetzgeber spätestens durch die Strafrechtsreform 1975 klargestellt - vgL BT-Drs.
B. Grammatische Auslegung
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wieweit die Sicherung mittelbarer Vorteile noch eine Begünstigung darstellen kann 404 , vor wem oder was die Vorteile zu sichern sind405 und zu wessen Gunsten dies geschieht406 , ohne Relevanz; die Beantwortung hängt jeweils aus4/650, S. 460 und BT-Drs. 7/550, S. 248 - und ist daher ganz h.M. So ist Bockelmann, BT 1, § 23, 1., S. 171, von seiner früheren gegenteiligen Auffassung abgerückt und faßt die Begünstigung nur noch aus Praktikabilitätsgründen unter die Vermögensdelikte; lediglich DUo, Grundkurs, § 57.1.1, S.269, plädiert nach wie vor fur eine restriktive Auslegung des zu weit formulierten § 257 StGB im Sinne eines Vermögensdelikts. Früher sind fUr die Sicherung nur von Vermögensvorteilen insbesondere Binding, BT 2.2, § 243.C, S. 643, Hälschner, Deutsches Strafrecht 2.2, S. 865, und Wachen/eid, Lehrbuch, § 106, S. 420, eingetreten. 404 Die Strafbarkeit der Sicherung auch von Surrogaten der ursprünglichen Vortatvorteile befürworten im wesentlichen nur Hegler, JW 1923,931, Miehe, FS Honig, S. 91 (120 f.) und Sauer, BT, § 39.IV.4c)bb), S. 500. Die diametral entgegengesetzte Position - nur der identische Vorteil kann gesichert werden - beziehen Binding, BT 2.2, § 245.IV.C, S. 667, und Hruschka, JR 1980,221 (225). Die in der Mitte angesiedelte h.M. hält hingegen noch die Sicherung des "wirtschaftlichen Wertes" - so etwa Duo, Grundkurs, § 57, 1I.2c, S.271; Schröder, FS Rosenfeld, S.161 (174) -, der "Unrestituierbarkeit des Geschehenen" - so Maurach, JZ 1953, 605 (606) -, der "angemaßten EigentümersteIlung" - so BGHSt Strafsenat, 1.4.1953) 4, 122 (124)-, des "nächsten Verwendungszwecks" - vgl. LK I , Ruß, § 257 Rn.II; v.Olshausen, §257 Anm.29a -, des "unmittelbaren Ersatzvorteils" - so Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 173 -, des noch "bemakelten Vorteils" - so Dahm, DR 1942, 570 - oder solcher Vorteile, die noch in den Bereich der durch die Vortat geschützten Rechtsgüter fallen so neuerdings BGHSt (I. Strafsenat, 24.10.1989) 36, 277 (= NJW 1990,918 = NStZ 1990, 123) mit Zustimmung von Keller, JR 1990, 480 - fur strafbar. Vgl. zu dieser Problematik unten, 2. Abschnitt, D.II.2, S.284 f. Dies fUhrt zum einen zu Abgrenzungsschwierigkeiten in Fällen, in denen strafbar erlangtes Geld durch Finanztransaktionen "gewaschen" wurde - grundsätzlich bejaht die Rechtsprechung in diesen Fällen das Vorliegen eines noch nach§ 257 StGB sicherungsfähigen Vorteils, so in RGSt (4. Strafsenat, 30.10.1906) 39, 236; RGSt (2. Strafsenat, 15.1.1942) 76, 31; BGHSt (I. Strafsenat, 24.10.1989) 36, 277 (281 f.); BGH (3. Strafsenat, 16.11.1993), NStZ 1994, 187 (= wistra 1994, 94), ausnahmsweise jedoch nicht nach einer Einzahlung auf ein Bausparkonto, BGH (3. Strafsenat, 27.8.1986), NStZ 1987,22; zu diesem Widerspruch zu Recht kritisch Lackner/Kühl, § 257 Rn.5. Zum anderen sind diejenigen Fälle umstritten, in denen es nur um die Hilfe beim Absatz der Beute geht: Roxin, FS H.Mayer, S. 467 (476), hält offenbar die Fälle des Absetzens von "heißem" Geld nur im Wege der Wertsummentheorie fUr lösbar; gegen jede Einbeziehung der Absatzhilfe in § 257 StGB ist neben den oben erwähnten Vertretern der strengen Auffassung auch Schünemann, in: Lexikon des Rechts I1I, unter dem Stichwort "Begünstigung", S. 3; a.A. hingegen die mittlerweile seit BGHSt (4. Strafsenat, 15.5.1952) 2, 362 (= NJW 1952, 892) ständige Rechtsprechung (zuvor wich schon von der damals noch gegenteiligen Reichsgerichtsrechtsprechung RGSt (5. Strafsenat, 22.2.1907) 40, 15 (19) ab) und die h.L., vgl. nur Tröndle, § 257 Rn.9. 405 Daß es sich bei der Begünstigung insoweit um Restitutionsvereitelung handelt, d.h .. die Vorteile ge~en ei~ EI.ltzie~en zugunsten ~es Ver~etzten oder sonst Ben~~htigten geSichert werden müssen, Ist mzwlschen allgememe AnSicht; vgl. nur Sch/Schr ,Stree, § 257 Rn.24, und zuletzt wieder BGH (4. Strafsenat, 8.9.1992), StV 1994, 185; a.A. hingegen Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 7, 111.2, S. 36 f. 406 Insoweit wird neben der Sicherung zugunsten des Vortäters auch die zugunsten dessen Erben erwogen, so etwa Tröndle, § 257 Rn.3; unter Vorbehalten befUrwortend Binding, BT 2.2, § 245, IVA S. 667.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
schließlich von dem der Begünstigung beizumessenden Wesen bzw. von dem durch sie geschützten Rechtsgut ab. Für uns stellt sich vielmehr die Frage, wie sich der Eintritt der Vorteilssicherung - zu dem es ja für die Vollendung der Begünstigung nach einhelliger Auffassung nicht gekommen zu sein brauchtvon der Vorteilssicherungshilfe abhebt. Zweifellos läßt sich spätestens dann von einer Vorteilssicherung sprechen, wenn die Restitution durch den Berechtigten oder die dazu berufenen Organe definitiv nicht mehr möglich ist: Die Vorteile der Tat sind dem Vortäter in diesem Fall in der Tat sicher. In der forensischen Praxis dürften solche Fälle jedoch äußerst selten auftreten, da der Nachweis einer Begünstigungshandlung in der Regel erst dann gelingt, wenn die zu sichernden Vorteile wieder aufgetaucht sind. Ist dies aber der Fall, so läßt sich von einer endgültigen Sicherung gerade nicht sprechen. Wird das Versteck des Begünstigers entdeckt, so sind die Vorteile für den Vortäter verloren. Indes wird man den Begriff des Sicherns nicht auf eine solche Endgültigkeit beschränken können. Dem steht allein schon entgegen, daß von einer definitiven Sicherung nach menschlichem Ermessen so lange nicht gesprochen werden kann, wie die Vorteile der Tat überhaupt noch irgendwo existieren 407 • Die Vorteile sind dann nur so lange sicher, bis sie schließlich doch noch dem Vortäter genommen werden. Eine absolute Sicherheit kann es daher nicht geben, sondern nur eine relative. Das heißt aber, daß eine Sicherung bereits dann vorliegt, wenn der zu sichernde Gegenstand im Hinblick auf die abzuwehrende Gefahr sicherer als zuvor geworden ist. Besteht die Vorteils sicherung somit lediglich in der Erschwerung der Restitution408 bzw. in einer Erhöhung der Sicherheit für die Vorteile der Tat, so stellt sich die Frage, wie gering diese Erhöhung sein darf, damit man noch von einem Sichern sprechen kann: Das Fahrrad, das mit einer Kette an einen Laternenpfahl angeschlossen wurde, ist auch dann gesichert worden, wenn es hernach durch einen mit einem Bolzenschneider ausgerüsteten Dieb entwendet wird. Wurde das Fahrrad hingegen lediglich mit einem Bindfaden angebunden, so stellt dies ebenso eine Erhöhung der Sicherheit im Hinblick auf eine Wegnahme dar, das Prädikat der Sicherung möchte man dieser Handlung jedoch 407 Von Endgültigkeit ließe sich allenfalls in Fällen des Verbrauchens bzw. der Hilfe hierzu denken, so etwa in den Fällen von RGSt (I. Strafsenat, 6.4.1894) 25, 265 - der Angeklagte ließ den Vortäter in seinen Räumen das gestohlene Holz verfeuern - und OLG Braunschweig (18.3 .1963), GA 1963, 211 - die Diebesbeute wurde verraucht und vertrunken. Ob allerdings eine Vorteilssicherung darin liegen kann, daß Verbrauchsgüter ihrer Bestimmung zugeführt werden, mag an dieser Stelle dahingestellt bleiben. 408 So auch die h.M., vgl. nur Lackner/Kühl, § 257 Rn.5; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.24 a.E.; Tröndle, § 257 Rn.9. Interessant ist diesbezüglich auch die zivilrechtliche Sicht auf die Begünstigung: BGH (6. Zivilsenat, 26.3.1968) LM § 823 (Be) BGB, Nr.15a, sieht die Sicherung ebenfalls bereits in der Verzögerung bzw. Erschwerung der Restitution und läßt daher den Begünstiger für den daraus entstandenen Schaden aus § 823 Abs. 2 BGB haften.
B. Grammatische Auslegung
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nur ungern verleihen409 • Für den Tatbestand der Begünstigung käme es auf die Festlegung einer exakten Grenze, wann eine Handlung tatsächlich eine Sicherung bedeutet, an sich nicht an, da der Täter lediglich in Sicherungsabsicht handeln muß und es daher belanglos ist, ob eine Vorteilssicherung tatsächlich eingetreten ist oder nicht. Jedoch wird nicht selten manchen Auffassungen zum Hilfeleistungsbegriff entgegengehalten, daß sie letztlich den Eintritt einer Vorteils sicherung voraussetzten, dies jedoch der gesetzlichen Intention widerspreche. Diesem Vorwurf entgehen am leichtesten die "rein subjektive Theorie", die des "echten Vorteilssicherungsversuchs" und die "Manifestationstheorie" . Da nach diesen Ansichten auch zur Vorteilssicherung völlig ungeeignete Handlungen tatbestandlich sein können, bei denen man auch nicht ansatzweise von einer objektiven Erhöhung der Sicherheit sprechen kann, ergibt sich ein großer Bereich von strafbaren Begünstigungshandlungen, bei denen eine Vorteilssicherung zwar beabsichtigt war, jedoch nicht erreicht wurde. Ein solcher, wenn auch kleinerer Bereich ist auch nach der "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" strafbar, nach der zwar Vortat und Vorteile tatsächlich gegeben sein müssen, die Sicherungshandlung selbst aber durchaus untauglich sein kann. Schwieriger wird es hingegen für die Theorien, die einen zur Sicherung tauglichen Vorteilssicherungsversuch oder sogar darüber hinaus das Erreichen eines Zwischenziels auf dem Weg zur Vorteilssicherung verlangen. Denn nach diesen Auffassungen werden sämtliche Handlungen, die unter keinen Umständen etwas zur Erhöhung der Sicherheit beitragen können, von vornherein aus dem Tatbestand ausgeschlossen. Kann jedoch eine Handlung einen geeigneten Beitrag zur Vorteilssicherung leisten, so stellt sich die Frage, ob durch diese Handlung die Sicherheit nicht bereits, wenn auch nur in einem geringen Maße, erhöht worden ist. Hier wirkt sich das oben angedeutete Problem aus, daß es sich bei der Sicherung nicht um die Erreichung eines bestimmten Zustandes handelt, sondern lediglich um eine Veränderung gegenüber dem vorigen, unsichereren Zustand. Der Erfolg der Sicherung tritt bereits dann ein, wenn die Gefahr der Nichtrestituierbarkeit der Vorteile irgendwie erhöht worden ist. Bedarf es normalerweise zur Verwirklichung eines tatbestandlichen Erfolges einer steten Steigerung des Risikos der Erfolgsverwirklichung, bis dieser Erfolg tatsächlich eingetreten ist, würde demgegenüber der Tatbestandserfolg der Sicherung eine enorme Vorverlagerung der Strafbarkeit bedeuten: Schon die erste Risikosteigerung wäre demnach tatbestandlich. Hatte sich zwar bei der Erörterung der "objektiven Eignungstheorie" gezeigt, daß die Feststellung einer Gefahr für das Rechtsgut keine Auskunft über die Eignung der Handlung zur 409 fl.Bar, Gesetz und Schuld II, S. 767, spricht daher zu Recht bei der einstweiligen Sicherung von einem verschwimmenden und daher unbrauchbaren Begriff.
9'
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Erfolgsverwirklichung beinhaltet, so ist es jedoch in der Umkehrung so, daß eine zur Vorteilssicherung geeignete Handlung - unterstellt, man könnte die Eignung positiv feststellen - stets eine Risikoerhöhung im Hinblick auf den Erfolg bedeutet. Der "taugliche Sicherungsversuch" fällt daher faktisch mit der Sicherung zusammen. Dieses Problem verschärft sich für die sogenannte "Theorie der objektiven Lageverbesserung", die darüber hinaus noch den Eintritt eines bestimmten Etappenzieles auf dem Weg zur Vorteilssicherung verlangt. Bei näherem Hinsehen liillt sich beim Erfolg der Sicherung ein solches Zwischenziel gar nicht denken. Wenn schon das unmittelbare Ansetzen zur Vorteilssicherung mit einer hierzu geeigneten Handlung eine Sicherung darstellt, so ist selbstverständlich ein darüber hinausgehender Erfolg, der noch keine Sicherung bedeuten soll, nicht vorstellbar. Wenn also Vertreter der herrschenden "objektiven Eignungstheorie" gegen die "Theorie der Besserstellung des Vortäters" einwenden, sie setze stets eine vollendete Vorteils sicherung voraus, so treffen sie mit diesem Vorwurf auch sich selbst. Jedoch erweisen sich demgegenüber die Theorien, die durch die Bestrafung auch untauglicher Versuche nicht Gefahr laufen, stets zugleich die Vorteilssicherung als Erfolg vorauszusetzen, in diesem Zusammenhang als nur scheinbar überlegen. Denn nach ihnen wird dem Bereich der tauglichen und damit die Vorteile der Tat bereits sichernden Handlungen lediglich der der untauglichen Handlungen gegenübergestellt. Der Vorstellung eines Tendenzdeliktes, bei dem die Begünstigungshandlung in Vorteilssicherungsabsicht begangen wird, die Vorteilssicherung selbst jedoch noch nicht erreicht ist, werden aber auch sie nicht gerecht, da jedes in die Tat umgesetzte, objektiv nicht sinnlose Streben nach Vorteilssicherung in aller Regel bereits eine gewisse Sicherung darstellt. In dieses Dilemma muß jede Theorie führen, die die Begünstigung ausschließlich als - wie auch immer objektiv qualifizierten Vorteilssicherungsversuch defmiert. Aber auch die "Interessenförderungstheorie", die sich vom reinen Versuchscharakter der Begünstigung löst, indem sie dem objektiven Tatbestand, der Hilfeleistung in Richtung Vorteilssicherung, eine eigenständige Bedeutung zum ißt, läuft Gefahr, faktisch stets eine bereits vollendete Vorteilssicherung vorauszusetzen. Zwar hat diese Theorie den abstrakten Vorzug, daß eine von der Vorteilssicherungsabsicht unabhängige Tathandlung vorausgesetzt wird. Aber auch diese beinhaltet die Tendenz zur Vorteilssicherung, so daß mit der Förderung der Vorteilssicherungsinteressen des Vortäters in der Regel ebenfalls bereits eine Erhöhung der Sicherheit einhergehen wird.
B. Grammatische Auslegung
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Drittes Zwischenergebnis Die Begriffe der Hilfeleistung und der Vorteilssicherung entpuppen sich will man allein deren natürliche Wortbedeutung zugrunde legen - gleichsam als Teufel und Beelzebub. Die Hilfeleistung läßt sich ohne die Vorteilssicherung als Zielsetzung bzw. Richtungsangabe nicht verstehen. Die Vorteilssicherung selbst stellt sich jedoch als derart unscharf dar, daß das Argument, der Eintritt des Vorteilssicherungserfolges dürfe nicht vorausgesetzt werden, mehr polemisch als aussagekräftig ist. Denn jede einigennaßen sinnvolle Tätigkeit, die in der Absicht begangen wird, die Vorteile der Tat endgültig zu sichern, kann bereits als eine Sicherungshandlung verstanden werden. Es empfiehlt sich daher, für die Interpretation des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung allein die erforderliche Vorteilssicherungsabsicht des Täters in den Vordergrund zu stellen. Das Argument, daß die eine oder andere Theorie stets eine vollendete Vorteilssicherung voraussetze, verliert dadurch seine Schlagkraft. Ferner kann die Frage, wann bereits eine Vorteilssicherung eingetreten ist, als für den Streit um den Hilfeleistungsbegriffnicht entscheidend zurückgestellt werden. Es bleibt somit zu klären, wieviel Eigenständigkeit der Hilfe zuzubilligen ist, ob sie also lediglich einen Vorteilssicherungsversuch bestimmter Qualität umschreibt, oder ob Hilfeleistung in Richtung auf eine Vorteilssicherung objektiv festgestellt werden kann, unabhängig davon, ob diese bereits erreicht oder gar nur versucht wurde. Der Wortlaut gibt in dieser Hinsicht keinerlei vorentscheidenden Hinweis, bleibt also nebulös. Das Verdikt der "Blässe"410 des Hilfeleistungsbegriffs darf allerdings nicht dahingehend mißverstanden werden, daß dadurch bereits eine Interpretation dieses Begriffs im Sinne der völligen Unselbständigkeit gegenüber der Vorteilssicherungsabsicht nahegelegt würde.
410
Vgl. die Nachweise in Fn. 392.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
C. Systematische Auslegung Hat uns die Untersuchung der historischen Entwicklung der Begünstigung im Ergebnis zu einer unvoreingenommenen Interpretation des Hilfeleistungsbegriffs ermahnt, so läßt sich der nach der Wortlautauslegung vorgefundene Nebel vielleicht schon durch die Untersuchung des Bedeutungszusammenhangs dieses Begriffs etwas lichten. Es ist also die Frage zu stellen, in welchen Zusammenhängen einem anderen zugewendete oder zuzuwendende Hilfe strafrechtlich relevant werden kann. Hierbei drängen sich zunächst diejenigen Straftatbestände auf, die den Hilfeleistungsbegriff ebenso wie die Begünstigung in ihren Tatbestand mit aufgenommen haben: Dies gilt zum einen für die unterlassene Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB und zum anderen für die Beihilfe gemäß § 27 StGB. Letztere ist für die Auslegung der Begünstigung nicht nur vom Wortlaut her von eminenter Bedeutung, sondern auch und zuvörderst durch die enge inhaltliche Verzahnung von Beihilfe und Begünstigung, die sich insbesondere bei der Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Straftatbestands der Begünstigung gezeigt hat. Allerdings wird es nicht darum gehen, den Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe oder der unterlassenen Hilfeleistung ,en passant' endgültig zu klären. Vielmehr ist zu beachten, daß ebenso wie bei der Begünstigung, bei der der Hilfeleistungsbegriff ohne die Vorteils sicherungstendenz nicht verstanden werden kann, auch in jedem anderen Delikt die Hilfe durch eine bestimmte Richtungsangabe defmiert werden muß. Die Frage ist daher allein darauf zu beschränken, inwieweit das Zusammenspiel von objektivem Gehalt des Hilfeleistungsbegriffs und subjektiver Zielsetzung bei diesen Tatbeständen mit dem bei der Begünstigung vergleichbar ist. Zu eruieren ist also, ob der Hilfeleistungsbegriff ein einheitlich zu bestimmendes Maß an Selbständigkeit besitzt und somit als ein tatbestandsübergreifend einheitlich zu verstehender Begriff angesehen werden kann. Von hier ausgehend werden aber auch diejenigen Delikte zu untersuchen sein, in denen der Hilfeleistung verwandte Elemente festgestellt werden können. Dies gilt vor allem für die Straftatbestände, die ihre gemeinsame Wurzel in der Hilfe (,auxilium') nach der Tat eines andern haben, also die Strafvereitelung gemäß § 258 StGB und die Hehlerei gemäß § 259 StGB. Ferner wird ebenso auf die Straftaten mit einer sogenannten vertatbestandlichten Beihilfehandlung sowie auf sonstige Tatbestände, die in einer Unterstützung oder Förderung eines anderen bestehen, ein Blick zu werfen sein.
C. Systematische Auslegung
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I. Die unterlassene Hilfeleistung, § 323 c StGB
1. Parallelen zwischen § 257 und § 323 c 8tGB trotz unterschiedlicher Deliktscharaktere ?
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Straftatbeständen des echten Unterlassungsdelikts gemäß § 323 c und des Tätigkeitsdelikts gemäß § 257 StGB besteht schon auf den ersten Blick darin, daß sich bei diesem die Leistung einer bestimmten Hilfe rechtsgutsverletzend auswirkt, bei jenem hingegen gerade die Verweigerung der erforderlichen Hilfe diese Folge zeitigt. Aus diesem Unterschied läßt sich jedoch erneut die Erkenntnis gewinnen, daß der Hilfeleistungsbegriff als Umschreibung einer tatbestandlichen Tätigkeit für sich genommen rechtsgutsneutral ist. Dieses Ergebnis deckt sich mit den oben411 zum Wortlaut gemachten Ausführungen, wonach der Begriff der Hilfe für sich genommen nur eine geringe Aussagekraft hat und somit stets der Ergänzung bedarf, wem und wobei bzw. mit welchem Ziel geholfen werden soll. Aus der Gegenüberstellung der §§ 257 und 323 c StGB läßt sich daher erkennen, daß es allein dieser Ergänzung obliegt, der Hilfe einen rechtsgutsverletzenden oder -schützenden Charakter zu geben. Will man somit zu einem deliktsübergreifend einheitlichen Verständnis des Hilfeleistungsbegriffs gelangen, so steht fest, daß dies nicht allein aufgrund einer am zu schützenden Rechtsgut orientierten Auslegung geschehen kann: Nicht nur, daß die Hilfeleistung sich gegen die verschiedensten Rechtsgüter richten kann, sondern auch die Tatsache, daß Hilfe zugunsten einer Person von der Rechtsgemeinschaft das eine Mal erwünscht, das andere Mal verurteilt wird, deutet darauf hin, daß sich eine Defmition des Hilfeleistungsbegriffs weniger aus den objektiven Auswirkungen einer Handlung auf das Rechtsgut eines Dritten gewinnen läßt als vielmehr allein aus dem durch die Hilfe bestimmten Verhältnis zwischen der Person, die helfen will, und der Person, der geholfen werden soll. Versucht man von hier aus, Parallelen zwischen der unterlassenen Hilfeleistung und der Begünstigung zu ziehen, so geht es bei dieser um Hilfe zur Vorteilssicherung, bei jener um eine grundsätzlich jedermann treffende Hilfspflicht bei Unglücksfällen. Eine nähere Eingrenzung des Hilfeleistungsbegriffs findet auch bei letzterer nicht statt. Bei beiden Delikten stehen also bestimmte Erfolge gleichsam hinter den Tatbeständen, die weder tatsächlich erreicht noch verhindert werden müssen: Würde der Begünstiger nicht helfend eingreifen, würden dem Vortäter möglicherweise die Vorteile der Tat entzogen; durch die Hilfe kann unter Umständen eine Vorteilssicherung erreicht werden. Genauso kann im Rahmen des § 323 c StGB durch die Verweigerung der erforderlichen Hil411
S.o., 2. Abschnitt, B.I, S.130 f.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
fe 412 das bedrohte Rechtsgut endgültig Schaden nehmen, hingegen im Falle der Leistung von Hilfe die drohende Unbill möglicherweise ganz oder zum Teil abgewendet werden. Es wird daher ähnlich wie bei der Begünstigung die Frage nach der Gewichtung dieser tatbestandlichen Elemente zu untersuchen sein, wie weit also die Hilfe als selbständiges Tatbestandsmerkmal angesehen werden kann oder ob diese ganz in der einzuschlagenden Tendenz - der Vorteilssicherung bzw. der Gefahrminderung - aufgeht. Diesbezüglich ist allerdings anzumerken, daß die dem nach § 323 c StGB Verpflichteten obliegende Handlung im konkreten Fall durchaus darin bestehen kann, einen bestimmten Erfolg abzuwenden, etwa das Leben des bedrohten Opfers zu retten, sofern nur der Nothelfer dazu in der Lage ist. So stellt es zwar eine Hilfe dar, wenn ein normaler, zufällig vorbeikommender Verkehrsteilnehmer das Unfallopfer in eine stabile Seitenlage bringt, auch wenn die einzige lebens rettende Maßnahme eine sofortige Intubation gewesen wäre. Handelt es sich bei diesem Passanten um einen Arzt und ist er zu dieser Maßnahme in der Lage, so ist er zur Lebensrettung des Opfers verpflichtet. Unterläßt der Arzt dies, so haftet er allerdings allein aufgrund der nicht vorgenommenen Tätigkeit, nicht aufgrund des nicht verhinderten Erfolges413. An diesem Beispiel zeigt sich aber auch, daß die Frage, welche Handlung eine Hilfeleistung darstellt, nicht pauschal im Hinblick auf die anzustrebende Gefahrenabwehr definiert werden kann, sondern offensichtlich von den Umständen des Einzelfalls abhängt, so von den Möglichkeiten des potentiellen Helfers und vom Zustand des Hilfsbedürftigen. Diese Erkenntnis wird bei der im folgenden zu klärenden Frage nach dem Hilfeleistungsbegriff im Sinne des § 323 c StGB zu berücksichtigen sein.
412 Geilen, Jura 1983, 138 (140), weist zu Recht auf eine sprachliche Ungenauigkeit der Gesetzeswortlautes hin: Es genügt nicht, wenn der nach § 323 c StGB Hilfspflichtige im Falle, daß Hilfe erforderlich und ihm zumutbar ist, irgendeine Hilfe, wenn auch nicht die eben erforderliche leistet; vielmehr ist er gerade zur Erbringung dieser erforderlichen Hilfe verpflichtet. Zu beheben wäre dies allerdings bereits durch ein kleines "e": "Wer ... nicht Hilfe leistet, obwohl dies~ erforderlich ... ist, wird ... bestraft." 413 Darauf weist zu Recht LK 10, Spendel, § 323 c Rn.19, hin. Da die strafrechtlichen Ver- und Gebote allerdings ausschließlich am Rechtsgüterschutz ausgerichtet sind, ist die Konsequenz zwingend, daß von § 323 c StGB ein anderes Rechtsgut geschützt ist als das in der konkreten Unglückssituation bedrohte; anderenfalls wäre nicht erklärlich, warum der Arzt denselben Erfolg wie ein Garant herbeizuführen hat und doch nur für die nicht vorgenommene Tätigkeit haften soll. Diesen Schluß zieht allerdings, soweit ersichtlich, nur Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, S. 133. Gegen ihn FreIlesen, Zumutbarkeit der Hilfeleistung, S. 150, jedoch ohne Begründung.
C. Systematische Auslegung
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2. Unterlassene Hilfeleistung als verweigerter Beitrag zur Reduzierung der Gefahr für das bedrohte Rechtsgut?
Der Blick auf die zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung vertretenen Ansichten hat uns gezeigt, daß nicht nur bezüglich der Auslegung dieses einen Tatbestandsmerkmals, sondern auch hinsichtlich der tatbestandlichen Struktur der Begünstigung überhaupt alles andere als Klarheit besteht. Im Kern steht die Frage, inwieweit das objektive Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung über die subjektive Tendenz des Strebens nach Vorteilssicherung hinausgeht oder sogar ganz unabhängig davon definiert werden kann. Mag die Vergleichbarkeit der Begünstigung mit der unterlassenen Hilfeleistung im einzelnen dahinstehen, so zeigt bereits ein erster Blick, daß bei § 323 c StGB in gleicher Weise Unklarheit hinsichtlich der tatbestandlichen Struktur herrscht414 . Auch hier stellt sich grundlegend die Frage, ob dem von einem Unglücksfall Betroffenen primär hätte geholfen oder ob die Abwehr der ihm drohenden Gefahr hätte angestrebt werden sollen. Verlangt man eine gewisse Wirksamkeit der Hilfe im Hinblick auf die Abwehr der dem Hilfsbedürftigen drohenden Gefahr, so bewegt man sich damit in den Spuren der ganz herrschenden Lehre bei der Begünstigung: Der Hilfeleistungsbegriff ginge völlig in dem Streben nach einem bestimmten Erfolg auf. Die Frage wäre dann nur noch, welche objektiven Anforderungen an diese Tendenzhandlung zu stellen sind, konkret bei § 323 c StGB also, wie sehr die unterlassene Hilfe potentiell zur Gefahrabwehr beizutragen hätte imstande sein müssen.
a) Unterlassene Hilfeleistung als unterlassener Rettungsversuch Entsprechend zur im Rahmen der Begünstigung von einer Mindermeinung in der Literatur vertretenen "Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs,,415 könnte man sich bei § 323 c StGB etwa mit der allein subjektiven und unter Umständen irrigen Vorstellung des Täters von der eigenen Fähigkeit zur Gefahrenabwehr begnügen, so daß sich auch derjenige nach § 323 c StGB strafbar machen würde, der bei einem nur vermeintlichen Unglücksfall nicht hilft416 :
414 Entgegen LK IO , Spendel, § 323 c StGB Rn.32, dürfte bereits die ungeklärte Bedeutung des Hilfeleistungsbegriffs der vorrangige Grund dafür sein, daß "die Strafvorschrift ziemlich unsystematisch kommentiert zu werden pflegt". 41 S S. oben, 1. Abschnitt, B.II.1 b.(2), S.32 ff. 416 Dies vertreten etwa Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 231; Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 58 ff., 72 ff.; Sch/Schr25 , eramer, § 323 c Rn.2a. Wetzet, Strafrecht, § 68.1, S. 471, hält zwar ebenfalls eine Strafbarkeit bei nicht vorliegender Hilfsbedürftigkeit für möglich, hebt jedoch im folgenden auf eine objektive
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Diese weiteste aller vertretenen Auffassungen, die die Regeln des subjektiven Versuchs angewendet wissen will, besticht durch ihre Konse~uenz und durch die eindeutigen Ergebnisse, die von ihr erzielt werden können41 - Konsequenz, weil Friktionen mit den in §§ 22 f. StGB niedergelegten Versuchsregeln vermieden werden; eindeutige Ergebnisse, weil sich die Frage erübrigt, inwieweit objektive Elemente wie Hilfsbedürftigkeit des Opfers oder Hilfsmöglichkeit des Täters tatsächlich gegeben sein müssen418 • Die unterlassene Hilfeleistung stellt sich nach dieser Auffassung also als Versuchsdelikt dar. Als Begründung wird mit einer gewissen Selbstverständlichkeit auf den Begriff der Hilfeleistung zurückgegriffen, bei dem es sich um ein "finales Tätigkeitswort" handele 419 . Eine stichhaltige Begründung rur diese Einordnung vermißt man jedoch, so daß man nach den oben aus einer Auslegung des reinen Wortlautes gewonnen Erkenntnissen diese Interpretation zwar als möglich, nicht jedoch als zwingend ansehen muß. Insoweit erschöpft sich diese Ansicht wie schon die "Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs" in dieser Behauptung und ist ebenso wie diese dem Vorwurf ausgesetzt, zu einem allzu ausgedehnten Anwendungsbereich des § 323 c StGB zu führen. Die unterlassene Hilfeleistung stellt danach letztlich ein reines Gesinnungsdelikt dar420 , zumal der Täter in diesem Fall sein ungefährliches Vorhaben noch nicht einmal in eine äußerlich wahrnehmbare Handlung umsetzt. Zwar kann diese Beurteilung zu Recht als eine Kritik an der gesetzlich weitgehend niedergelegten subjektiven Versuchstheorie entlarvt werden421. Allerdings kann der Berechtigung der Übertragung der subjektiven Versuchstheorie auf den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung, ja sogar jeglicher Interpretation als nachträgliche Prognose ab, widerspricht also einer Übertragung der subjektiven Versuchstheorie auf § 323 c StGB. 417 Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 76, registriert daher zu Recht, daß diese Auffassung sogar von ihren Gegnern Komplimente für die Exaktheit der Grenzziehung erhält, vgl. nur Vermander, Unfallsituation, s. 32. 418 Konsequent insoweit Sch/Schr25 , eramer, § 323 c Rn.2a, der das Vorliegen eines Unglücksfalls sowie der Erforderlichkeit der Hilfe generell aus einer objektiven ex-postBetrachtung beurteilen, jeglichen untauglichen Versuch aber bestraft wissen will. 419 Der Verweis von Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 231, auf v.Weber, Grundriß, S. 54, ist jedoch insoweit fragwürdig, als dieser zwar die Kategorie der "finalen Tätigkeitswörter" einführt, den Begriff der Hilfeleistung dabei jedoch nicht erwähnt; s. schon oben Fn. 27. 420 Bei § 323 c StGB erscheint dieser Vorwurf besonders schmerzlich, weil die Rechtsprechung des Reichsgerichts ganz im Sinne des nationalsozialistischen Gesetzgebers die rücksichtslose Gesinnung des Täters in den Vordergrund gestellt hatte. Daß hingegen § 330 c StGB aF kein Produkt typisch nationalsozialistischen Denkens ist, sondern auf eine Hervorhebung der sozialen Verantwortlichkeit des einzelnen beruht, ist mittlerweile anerkannt; vgl. dazu Dölling, NJW 1986, 1011 (1013); FreIlesen, Zumutbarkeit der Hilfeleistung, S. 111 ff.; Kargi, GA 1994,247 (250 ff.). 421 So Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 236: "Denn dieser Tadel träfe in Wahrheit die subjektive Versuchstheorie schlechthin."
c. Systematische Auslegung
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versuchte Gefahrreduzierung, mit Fug entgegengehalten werden, daß für dieses Delikt nach dem Wortlaut gar kein Verletzungsvorsatz erforderlich ist, der Täter also gar nicht die Verwirklichung der drohenden Gefahr gewollt haben muß 422 • Dieser Einwand vermag allerdings die Versuchstheorie nicht wirklich zu erschüttern, weil der Versuch, die Gefahrverwirklichung für das bedrohte Opfer durch bewußte Untätigkeit herbeizuführen, gerade in den Begriff der (nicht vorgenommenen) Hilfeleistung - als "finales Tätigkeitswort" - hineininterpretiert wird und diese sehr wohl vom Vorsatz des Täters umfaßt sein muß. Zieht man jedoch von hier aus einen Vergleich zum Tatbestand der Begünstigung, so wird dadurch der Blick für deren tatbestandliche Struktur geschärft: Denn ein Grund für die nahezu kritiklose Interpretation der Begünstigung als wenn auch objektivierter oder gar tauglicher - Vorteilssicherungsversuch liegt nicht zuletzt darin, daß der für den Versuch erforderliche Tatentschluß hinsichtlich des Vorteilssicherungserfolges im Tatbestandsmerkmal der Vorteilssicherungsabsicht enthalten ist. Freilich kann die Hilfeleistung auch ohne diese überschießende Innentendenz als Vorteilssicherungsversuch interpretiert werden; auf welch tönernen Füßen eine solche Sicht jedoch steht, zeigt sich beim Delikt der unterlassenen Hilfeleistung, bei dem die Fahne des Versuchsdelikts 423 . nur noc h von d en wemgsten ge h·ß· I t wir d .
b) Unterlassene Hilfeleistung als Nichtwahrnehmung einer auch von einem objektiven Dritten als gegeben vermuteten Gefahrminderungschance Ebenso wie bei der zur Begünstigung vertretenen "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" und der "objektiven Eignungstheorie" werden daher auch bei der unterlassenen Hilfeleistung Vorschläge zur Objektivierung des Tatbestandsmerkmals der Unfallhilfe gemacht. Dabei wird ganz überwiegend auf den von v.Liszt und v.Hippel im Hinblick auf den tauglichen Versuch geprägten Begriff der objektiven nachträglichen Prognose zurückgegriffen, indem die Beurteilung, ob eine Hilfeleistung erforderlich ist, nicht dem Täter überlassen, sondern dem Standpunkt eines objektiven Dritten unterworfen wird424 • Ausgangspunkt dieser Auffassung ist, wie schon bei der Eindämmung So zutreffend LK lO, Spendei, § 323 c Rn.23. Ausdrücklich ablehnend auch Geilen, Jura 1983, 138 (142 f); Vermander, Unfallsituation, S. 32 ff 424 So die h.M. in Literatur und Rechtsprechung; vgl. Geilen, Jura 1983, 138 (144); Kreuzer, NJW 1967, 278 (279 ff.); Lackner/Kühl, § 323 c Rn.5; LK lO, Spendei, § 323 c Rn.22; Pawlik, GA 1995, 360 (370); Schaffstein, FS Dreher, S. 147 (153); Seelmann, JuS 1995, 281 (285); SK, Rudolphi, § 323 c Rn.5a und 13; Trändie, § 323 c Rn.6; Vermander, Unfallsituation, S. 45 ff; Welzel, NJW 1953, 327 (329); ders. in: Strafrecht, § 68.I.Ia, S. 471; ferner für die Rechtsprechung BGHSt (4. Strafsenat, 8.4.1960) 14, 422 423
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
der subjektiven Versuchstheorie, die Überlegung, daß die tatbestandliche Handlung - hier also die Nichthilfe - letztlich eine (zusätzliche) Gefährdung für das angegriffene Rechtsgut darstellen müsse, eine Gefährdung, die daraus resultiert, daß der Täter dem Opfer hätte helfen können 425 • Insoweit ist es konsequent, wenn von der herrschenden Lehre und der Rechtsprechung für die Frage, ob die Hilfeleistung erforderlich gewesen ist, auf die Rechtsfigur der nachträglichen Prognose, also auf eine objektive Bestimmung aufgrund einer ex-ante-Betrachtung zurückgegriffen wird. Daß diese Interpretation keineswegs bedingt, daß dadurch die vorzunehmende und vom Täter verweigerte Hilfeleistung stets zur Herbeiführung einer Gefahnninderung geeignet gewesen wäre, hat sich bereits oben bei der Diskussion der "objektiven Eignungstheorie" gezeigt426 ; Eine Hilfe kann sich aus der Sicht eines objektiven Dritten zum Zeitpunkt des "Hilferufs" sehr wohl als erforderlich erweisen, auch wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Hilfe tatsächlich entweder nicht möglich oder nicht nötig gewesen ist427 • Es wird also durch die Einführung der Figur der nachträglichen Prognose keineswegs nur die Bestrafung des Unterlassens eines tauglichen Gefahnninderungsversuchs erreicht428 • Es stellt sich daher die Frage, ob es für eine Strafbarkeit gemäß § 323 c StGB genügen kann, wenn sich die Nichthilfe aus einer objektiven ex-anteBetrachtung zwar für das Opfer als gefährlich darstellt, sich jedoch nachträglich herausstellt, daß diese, durch das Nichtstun des Täters hervorzurufende Gefahr sich gerade nicht verwirklicht hat bzw. gar nicht verwirklichen konnte. Als Fallvarianten ergeben sich insoweit zum einen, daß die dem Opfer drohende Gefahr nicht im mindesten hätte abgewehrt werden können, und zum anderen, daß sich diese drohende Gefahr entgegen allen Erwartungen gar nicht verwirklicht hat. Verharrt man auf dem Standpunkt, daß Hilfe einen Beitrag
213 (216); BGHSt (4. Strafsenat, 2.3.1962) 17, 166; ferner BGH (4. Strafsenat, 26.4.1963), VRS 25, 42; BGH (3. Strafsenat, 10.7.1985), NStZ 1985,501. 425 Vgl. Tröndle, § 323 c Rn.I; LK IO, Spendel, § 323 c Rn.20, m. w. N. in Fn. 16 zur Frage, ob es sich dabei um ein konkretes oder abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. Ausführlich zum Gefährdungsaspekt Vermander, Unfallsituation, S. 35 ff. 426 Vgl. oben 1. Abschnitt, B.III.2c, S.56 ff. 427 Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 77 f., weist zu Recht darauf hin, daß die h.L. damit der Versuchslösung der Sache nach sehr nahe komme. 428 So allerdings ausdrücklich SK, Rudolphi, § 323 c StGB Rn.3. Dagegen wendet Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 66 und 69, zutreffend ein, daß die h.L. einerseits nur die Vornahme einer zur Schadensabwehr geeigneten Handlung für geboten erachte, weil nur deren Unterlassen geeignet sei, die Wahrscheinlichkeit weiterer Gefährdungen für bereits bedrohte Schutzgüter zu begründen - so etwa ausdrücklich Vermander, Unfallsituation, S. 42 -; andererseits hätte die Beurteilung der Gefahrensituation und der Handlungseignung durch einen objektiven Beobachter zwangsläufig zur Folge, daß die h.L. auch zur Erfolgsabwendung untaugliche Handlungen als rechtlich geboten ansehen müsse.
C. Systematische Auslegung
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zum mit der Hilfe bezweckten Endziel darstellen so1l429, so erscheint eine Bestrafung wegen eines Unterlassens einer Handlung, die, wäre sie vorgenommen worden, ohnehin zwecklos gewesen wäre, doch recht problematisch: Man kann nur unterlassen, was man hätte tun können. Dieser an sich selbstverständliche Satz gerät am deutlichsten in dem Fall ins Wanken, wenn ein Unglücksfall tatsächlich gar nicht bestanden hat. Hier fällt es schon sprachlich schwer, von einer Hilfeleistung bei einem Unglücksfall zu sprechen. Fordert man jedoch dessen objektives Vorliegen als Mindestvoraussetzung einer Hilfeleistung im Sinne des § 323 c StGB43o, so lassen sich keine klaren Grenzen mehr zur aus der Sicht eines objektiven Dritten zu beurteilenden Erforderlichkeit der Hilfe ziehen: Wenn das Opfer ohnehin gestorben wäre, war dann die Hilfe bloß nicht erforderlich - dann käme es auf die Erkennbarkeit dieser Tatsache ftir den Täter an - oder lag schon gar kein Unglücksfall mehr vor? Eine Trennung in der Beurteilung der Erforderlichkeit der Hilfe im Hinblick auf die Gefahrabwendungsmöglichkeit und das Vorliegen eines Unglücksfalls läßt sich schon aus dem Grund nicht vornehmen, als beiden Fragen ein prognostisches Element immanent ist. Die Ungewißheit über den Fortgang des Geschehens, das bislang das Opfer in eine Notlage gebracht hat, und die Ungewißheit, ob die Gefahr durch den potentiell Hilfspflichtigen abgewendet werden kann, stellen sich daher als zwei Seiten derselben Medaille dar431. Erneut treten die uns schon von der Begünstigung her bekannten Probleme auf, die mit dem Verständnis der Hilfeleistung als Beitrag zur Erreichung eines bestimmten Endzieles, das tatsächlich nicht erreicht wurde, verbunden sind: Welche der objektiven Faktoren, die ftir die Verwirklichung des anvisierten Endzieles ausschlaggebend gewesen wären, nun tatsächlich oder nur aus der Sicht eines objektiven Dritten vorgelegen haben müssen, ist schlechterdings nicht ohne Willkür festzulegen. Unter dem Aspekt der Erreichbarkeit der Gefahrbeseitigung oder -minderung spielt es beispielsweise keine Rolle, ob das Opfer zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Hilfspflichtigen vom Unglück a) bereits gestorben ist, b) zwar noch gelebt hat, bei frühestmöglichem Eintreffen des Hilfspflichtigen am Unglücksort jedoch schon tot gewesen ist oder c) zwar auch dann noch gelebt hätte, aber jedes Bemühen um das Opfer vergeblich gewesen wäre. Aus nachträglicher objektiver Sicht ist in allen diesen Fällen jegliches Handeln zugunsten des Opfers ebenso aussichtslos wie aus diesem Grunde ex post nicht erforderlich. Von Hilfe läßt sich daher nur dann sprechen, wenn man die, wenn auch objek429 Ganz deutlich wird dies bei Geilen, Jura 1983, 138 (140): "Hilfe ist diejenige Tätigkeit, die nach ihrer objektiven Tendenz und ihrer außerdem subjektiven Zweckbestimmung darauf gerichtet ist, den Eintritt eines nach § 323 c tatbestandsmäßigen Schadens (ganz oder teilweise) zu verhindern." 430 Dies befürworten AG Tiergarten (2.3.1990), NStZ 1991,236; Schröder, FS Kern, S. 457 (467); Seelmann, JuS 1995,281 (284); wohl auch Gallas, JZ 1952,396 (399). 43 I In diesem Sinne auch Rudolphi, NStZ 1991, 237.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
tivierte ex-ante-Sicht des Hilfspflichtigen genügen lassen will. Die herrschende Lehre kann daher nur dann konsequent bleiben, wenn sie auch Hilfe zugunsten eines bereits von Anfang an toten Opfers ftir möglich hält, sofern der schon eingetretene Tod und damit die Zwecklosigkeit der Hilfe fur den Hilfspflichtigen nicht objektiv erkennbar war. Daß die Rechtsprechung diesen Schritt - zu Recht - nicht vollziehen will, wird noch zu zeigen sein 432 • Die Vorbehalte gegen ein solches Ergebnis sind nur zu verständlich und decken sich mit der Kritik an der oben besprochenen subjektiven Theorie, die § 323 c StGB als Unternehmenstatbestand auffaßt: Die Statuierung einer Hilfspflicht zugunsten eines Toten bedeutet im Ergebnis die Pflicht zur Vornahme eines untauglichen Rettungsversuchs. Rudolphi räumt selbst als Beftirworter einer solchen Pflicht ein, daß in diesem Fall- ausgehend von der Definition der Hilfeleistung als Beitrag zum angestrebten Hilfsziel- der objektiv gefährliche Versuch einer unterlassenen Hilfeleistung bestraft werde433 ; gleichwohl handele es sich um einen untauglichen Versuch, der nach eigener Prämisse nicht geboten sei und daher nicht von § 323 c StGB erfaßt werden solle434 - ein Widerspruch.
c) Unterlassene Hilfeleistung als unterlassene Gefahrminderung Konsequenz läßt sich daher auch dadurch beweisen, daß man auf die Ungewißheiten einer nachträglichen Prognose ganz verzichtet und schlicht verlangt, daß die nicht gewährte Hilfe die Gefahr tatsächlich oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise hätte abwenden müssen435 • Läßt sich dies aus nachträglicher Sicht nicht feststellen, so kann dem Täter kein Unterlassungsvorwurf gemacht werden. Diese Lösung orientiert sich daher an den unechten Unterlassungsdelikten, bei denen eine Haftung ftir die Nichtabwendung eines Erfolges nur dann eintritt, wenn tatsächlich eine Erfolgsabwendungsmöglichkeit bestanden hat. Ein Einwand läßt sich gegen diese Ansicht sehr leicht erheben: Wie wir oben schon gesehen haben und sich allein schon aus der niedrigen und unabhängig 432 Vgl. nur die Kontroverse zwischen AG Tiergarten (2.3.1990), NStZ 1991,236, und Rudolphi, NStZ 1991,237. 433 In: NStZ 1991,237 (239). 434 Rudolphi, NStZ 1991,237 (238), und in SK, § 323 c Rn.3. Der Fehler liegt auch hier wiederum in der irrigen Gleichsetzung von Gefährlichkeit und Tauglichkeit; vgl. nur SK, Rudolphi, § 11 Rn.29: "Die finalen Tätigkeitsbeschreibungen der unechten Unternehmensdelikte sind daher grundsätzlich dahin auszulegen, daß sie nur flir die jeweils geschützten Rechtsgüter konkret gefährliche, d.h. taugliche (l) Versuchshandlungen umfassen" (Hervorhebung vom Verfasser). 435 So wohl Schmidhäuser, Strafrecht BT, 16/4 f., S. 207; in diese Richtung tendiert auch FreIlesen, StV 1987,22 (23).
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vom konkret bedrohten Rechtsgut bestehenden Strafdrohung ergibt, haftet der Täter einer unterlassenen Hilfeleistung nicht etwa dafür, daß er den dem Opfer drohenden Schaden nicht abgewendet hat, sondern allein deshalb, weil er nicht helfend tätig geworden ist436 . Es wäre daher widersinnig, den Täter nur dann bestrafen zu wollen, wenn er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit diesen Erfolg hätte abwenden können. Der bei einem Verkehrsunfall hinzukommende Autofahrer ist auch dann zu einem Hilfseinsatz aufgefordert, wenn sich später erweist oder auch nur nicht widerlegen läßt, daß die Unfallopfer tatsächlich schon sämtlich dem Tode geweiht waren. Aus diesem berechtigten Einwand läßt sich jedoch noch nicht zwingend folgern, daß damit auch der weitere Ansatz dieser Auffassung zu verwerfen ist, der die Beurteilung einer Handlung als Hilfe aus nachträglicher Sicht bevorzugt. FreIlesen weist insoweit nicht zu Unrecht darauf hin, daß der Nachweis, warum bei § 323 c StGB im Gegensatz zu den unechten Unterlassungsdelikten eine ex-ante-Betrachtung bezüglich der Erforderlichkeit der Hilfe genügen soll, erst noch erbracht werden müsse437 . Denn wer durch eine objektive ex-anteBetrachtung in Kauf nimmt, daß sich die angestellte Mutmaßung im nachhinein als unzutreffend erweist, der Unglücksfall also gar nicht bestanden hat oder dem Opfer gar nicht geholfen werden konnte, der führt damit strukturell eine Versuchsstratbarkeit ein438 • Damit zeigt sich erneut, daß der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung und bei der unterlassenen Hilfeleistung in gleicher Hinsicht ungeklärt ist: Ist Hilfe bereits das, was man als Helfer dafür hält oder daflir halten durfte, oder läßt sich ein davon unabhängiger, völlig objektiver Befund in dem Sinne treffen, daß tatsächlich geholfen wurde? Freilich darf die Übertragung letzterer Ansicht auf § 323 c StGB nicht, wie es die zuletzt besprochene Ansicht vorschlägt, dazu führen, daß dieser objektive Befund aus der Möglichkeit des Hilfspflichtigen abgeleitet wird, die Verwirklichung der Gefahr für das Opfer zu verhindern. Denn für eine solche Erfolgsabwendung haftet dieser, wie gezeigt, gerade nicht.
Vgl. hierzu LK lO, Spendel, § 323 c Rn.19. FreIlesen, StV, 1987,22 (23); von diesem Standpunkt ist es durchaus konsequent, wenn er auch die Rechtsprechung des BGH mit dem Vorwurf des Gesinnungsstrafrechts belegt. 438 So Dölling, NJW 1986, 1011 (1016, Fn. 89), wobei seine vorherigen Ausführungen selbst, wenn auch nicht eindeutig, zu einer ex-ante-Betrachtung tendieren, wenn er von einer Beurteilung "auf der Grundlage aller objektiv erkennbarer ... Umstände" spricht. 436
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
3. Unterlassene Hilfeleistung als verweigerte Förderung der Interessen des Opfers
Daß es für den Hilfeleistungsbegriff im Sinne von § 323 c StGB möglicherweise gar nicht auf den mehr oder weniger tauglichen Beitrag zur Erreichung eines Fernzieles ankommen könnte, läßt sich dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHSt 17, 166439 zugrundeliegenden Fall entnehmen: Dabei ging es entsprechend dem eben unter 2b) schon angesprochenen zweiten Beispielsfall zugespitzt um die Frage, ob für einen Arzt die Pflicht bestand, sich zur Unglücksstelle zu begeben, auch wenn im nachhinein festgestellt wurde, daß er bei dortigem Eintreffen gar nicht mehr hätte helfen können, weil das fieberkranke Kind zwar erst nach dem Anruf beim Arzt, jedoch noch vor dem theoretischen Zeitpunkt des frühestmöglichen Eintreffens des Mediziners verstorben war. Die erste Instanz hatte den Arzt wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt, das OLG Hamm wollte dessen Revision verwerfen, sah sich daran jedoch durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.5.l957440 gehindert. Darin wurde festgestellt, daß einem Opfer nur dann geholfen werden könne, wenn dieses noch lebe; sei demnach dessen vorzeitiger Tod nicht auszuschließen, komme eine Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung nicht in Betracht, unabhängig davon, ob der Nichthandelnde von dieser Tatsache Kenntnis gehabt habe oder nicht. Unter dem Gesichtspunkt der Gefahrabwendungsmöglichkeit des Hilfspflichtigen ist diese Entscheidung selbstverständlich, mußte jedoch dem Bundesgerichtshof im nunmehr vorgelegten Fall Kopfzerbrechen bereiten. Daß der vierte Strafsenat vorliegend gleichwohl die Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 323 c StGB (damals noch § 330 c StGB aF) mit der Begründung bestätigte, daß es nicht auf die Hilfsmöglichkeit zum Zeitpunkt des theoretischen Eintreffens am Unglücksort ankomme, sondern der Zeitpunkt der Kenntnisnahme vom Unglück maßgeblich sei, mutet wie ein Taschenspielertrick an. Denn soll unter Hilfe eine Gefahrabwendung oder -minderung bzw. ein Beitrag hierzu verstanden werden, so kann nicht geleugnet werden, daß der angeklagte Arzt zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Erkrankung des Kindes tatsächlich gerade nicht mehr helfen konnte, da jegliche Rettungsmaßnahme aufgrund der Anfahrtszeit erst nach Todeseintritt des Kindes eingesetzt hätte, mithin zu spät. Der Angeklagte konnte demnach zu keinem Zeitpunkt irgendeinen Beitrag zur Lebensrettung leisten, womit sich die Frage stellt, warum er wegen Unterlassens eines Tuns bestraft werden soll, das für ihn schlechterdings unmöglich war441 •
4. Strafsenat, 2.3.1962. 4. Strafsenat, VRS 13, 121. 441 Es trifft daher nicht zu, wenn Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 58 f., behauptet, gerade ein Blick auf die Kasuistik der Rechtsprechung zeige, daß es "der 439
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C. Systematische Auslegung
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Vordergründig könnte sich in diesem Fall eine Pflicht des Arztes zum Handeln damit begründen lassen, daß er nicht nur nicht wußte, sondern auch objektiv gar nicht wissen konnte, daß fur das Kind nicht die geringste Rettungschance mehr bestand. Dies liefe dann darauf hinaus, daß so lange eine Hilfspflicht bestehen würde, wie der Pflichtige noch nicht wissen konnte, daß er nicht (mehr) helfen kann. Eine solche Auffassung ließe sich jedoch nicht vereinbaren mit der anerkannten Straflosigkeit desjenigen, der sich jeglicher Bemühung um das Unfallopfer enthält, unabhängig davon, ob er wußte oder wissen konnte, daß das Opfer bereits von vornherein verstorben war; einem Toten ist schlechterdings nicht mehr zu helfen442 . Wird aber von dem an einer in einem Autowrack liegenden Unfalleiche vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer nicht verlangt, sich des Todes und damit der fehlenden Hilfsbedürftigkeit des Opfers zu vergewissern, so ist es inkonsequent, dies vom Arzt im Hinblick auf das in den letzten Zügen seiner Agonie liegende Kind zu erwarten. Dem Bundesgerichtshof ging es hingegen offensichtlich darum, eine Verpflichtung des Arztes festzustellen, sich unverzüglich zum Unglücksort zu begeben, unabhängig davon, ob eine Lebensrettung dann noch möglich gewesen wäre. Durchaus nachvollziehbar verweist der Senat hierbei darauf, daß dies sowohl "einem Gebot der Gerechtigkeit" als auch "einem rechtspolitischen Erfordernis" entspreche443. Denn zum einen hänge die Tatsache, daß das Opfer bereits vorzeitig versterbe, nicht selten von reinem Zufall ab. Und zum anderen könne die Behauptung des Angeklagten, das Opfer sei ohnehin nicht mehr zu retten gewesen, oftmals nur schwer widerlegt werden. Will man den Arzt jedoch gemäß § 323 c StGB bestrafen, kann man ihm im vorliegenden Fall nichts weiter vorwerfen, als sich nicht sofort auf den Weg gemacht zu haben. Es kann daher keine andere Lösung geben, als eben dieses Sich-auf-den-Weg-Machen unter den Hilfeleistungsbegriff im Sinne des § 323 c StGB zu subsumieren. Der Bundesgerichtshof unternimmt dies jedoch nur halbherzig: "In diesem Augenblick (sc. der Kenntnisnahme vom Unglück) begann die Pflicht des Angeklagten, dazu beizutragen, daß sich der Zustand des Kindes nicht verschlechterte444 . Dazu gehörte auch, daß er sich tunlichst schnell zu dem Kinde begab445 ,
Sache nach" stets um Lebensrettung, Linderung von Schmerzen, Verhütung von Unfällen, Löschen von Bränden etc. gehe: Im vorliegenden Fall geht es ausschließlich darum, daß der Arzt sich auf den Weg macht und so lange diesen Weg fortsetzt, bis das Kind gestorben ist; erführe er noch während der Fahrt vom Ableben des Kindes (Stichwort: ,Handy'), so wäre er in der Tat befugt, auf der Stelle umzukehren. Man kommt nicht umhin, die Dinge zu trennen: Es geht um Hilfe, nicht um Lebensrettung. 442 Vgl. nur BGHSt (4. Strafsenat, 8.4.1960) 14, 213 (216); BGHSt (3. Strafsenat, 4.7.1984) 32, 367 (381). 443 BGHSt 17,166 (171). 444 Man sieht: Hilfe wird noch ganz als Beitrag zur Gefahrbeseitigung oder -minderung verstanden! 10 Weisen
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
also den Weg zum Krankenbett zurücklegte, um dort unmittelbar helfend einzugreifen. Demnach war auch schon die Fahrt zum Krankenlager Hilfeleistung im weiteren Sinne des § 330 c StGB."446 Wird der Bundesgerichtshof mit dieser Kreation der "Hilfeleistung im weiteren Sinne" wenigstens den tatbestandlichen Vorgaben gerecht, so wird dieser Ansatz noch auf derselben Seite wieder aufgegeben: "Schon durch das Unterlassen der zur Hilfe erforderlichen zumutbaren Vorbereitung (l) verletzt daher der zu Hilfe Gerufene die ihm nach § 330 c StGB obliegende Hilfspflicht." Auf den Punkt gebracht, hieße dies: Eine Hilfe stellt auch schon die Vorbereitung zur Hilfe dar. Eine sprachlich wie dogmatisch zu verwerfende Konstruktion. Sprachlich ebenso unsicher beruft sich der Senat im folgenden auf die in Rechtsprechung und Literatur ganz einhellig vertretene Auffassung, daß der Täter eines echten Unterlassungsdelikts wie § 323 c StGB nicht wegen der Versäumung einer Erfolgsabwendungspflicht hafte, sondern nur wegen der Unterlassung einer bestimmten Tätigkeit447 • Wenn jedoch der Bundesgerichtshof diese als eine "auf Hilfe abzielende Tätigkeit" bezeichnet, so setzt er sich damit in Widerspruch zum Gesetzeswortlaut, der die Leistung einer Hilfe verlangt, nicht lediglich eine darauf abzielende Handlung. Die Argumentationskette ist insoweit auch wenig schlüssig: Einerseits wird der Begriff der Hilfeleistung ausschließlich vom zu verhindernden Erfolg der Gefahrverwirklichung her definiert, andererseits soll dann nur die darauf abzielende Tätigkeit genügen, da der Täter eines echten Unterlassungsdelikts nicht für die Erfolgsabwendung hafte. Und doch entspricht die Entscheidung BGHSt 17, 166 nicht nur einem vagen Gespür für Gerechtigkeit, sondern läßt sich auch dogmatisch durchaus plausibel begründen, allerdings nur, wenn man das Verständnis des Hilfeleistungsbegriffs revidiert. Soll bereits die Anfahrt zum Unglücksort eine Hilfeleistung darstellen und soll dies unabhängig davon gelten, ob das Opfer währenddessen bereits stirbt oder nicht, so kann dies nichts anderes bedeuten, als daß Hilfe nicht notwendig einen intendierten oder tatsächlichen Beitrag zur Gefahrminderung oder -beseitigung darstellen muß. Auf diese kommt es daher für die Qualifizierung einer Handlung als Hilfe nicht an. Soll aber für eine tatsächlich oder durch die äußeren Umstände um Hilfe angerufene Person auch dann eine Hilfspflicht bestehen, wenn unter (möglicherweise zufälligen) Umständen zugunsten des Opfers überhaupt nichts objektiv Positives ausgerichtet werden kann, so lenkt dies den Blick auf ein für den Hilfeleistungsbegriff sehr viel fruchtbareres Kriterium: Nicht die Versäumung der Möglichkeit zur Schadens445 Obwohl dies doch objektiv gerade keinen Beitrag mehr zur Gefahrbekämpfung darstellen konnte! 446BGHSt 17, 166 (169 f.). 447 So BGH, aaO, S. 172; vgl. ferner LK 10, Spendel, § 323 c Rn.19, und oben Fn. 413.
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abwendung ist strafbegründend448 , sondern die Zuwiderhandlung gegen berechtigte, auf die Gefahrabwendung gerichtete Interessen des Opfers. Solange das fiebernde Kind noch lebt, hat es ein Interesse nicht nur daran, daß ihm ein Arzt durch ein bestimmtes Mittel das Leben rettet, sondern erst recht daran, daß sich überhaupt ein Arzt auf den Weg zu ihm macht. Dieses Interesse besteht auch dann, wenn der weitere Verlauf der Dinge erweist, daß der Arzt gar nicht mehr rechtzeitig hätte kommen können. Von hier aus läßt sich auch das Abstellen des Bundesgerichtshofs auf den Zeitpunkt des Hilferufs dogmatisch bestätigen. Eine Möglichkeit, dem Kind das Leben zu retten, bestand für den Arzt auch zum Zeitpunkt des Hilferufs nicht mehr, wohl aber wurde ihm das berechtigte Interesse des Kindes an seinem Kommen bekannt und damit seine Hilfspflicht begründet. "Berechtigt" im Sinne von § 323 c StGB ist das Interesse deshalb, weil nicht von vornherein feststand, daß jedes Bemühen um Lebensrettung aussichtslos war und auch keine andere Rettungsmöglichkeit bestand. Vom Arzt war demnach im konkreten Fall nicht eine "auf Hilfe abzielende Tätigkeit" verlangt, sondern zunächst nur eine Handlung, die ihn zu einer in seinen Möglichkeiten stehenden Rettungsmaßnahme in die Lage versetzen würde. Diese vom Bundesgerichtshof als Vorbereitung bezeichnete Handlung stellt jedoch bereits eine vollwertige Hilfeleistung im Sinne des § 323 c StGB dar449 , allerdings nur deshalb, weil dies eben im berechtigten Interesse des in eine Notlage geratenen Opfers liegt. Der Unterschied, der durch das Abstellen auf die Förderung der Interessen des Opfers zur Argumentation des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Lehre entsteht, ist bei der Lösung der meisten Fälle, so auch des eben besprochenen, nur marginal. Denn die Beurteilung der Opferinteressen sowie deren Förderbarkeit unterliegen in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung auch nach dieser Ansicht einer objektiven ex-ante-Betrachtung. Aus diesem Grund herrscht Einigkeit darüber, daß unter Umständen eine Hilfe auch dann geleistet werden muß, wenn sich hernach deren Nutzlosigkeit bzw. Überflüssigkeit herausstellt. Gleichwohl lassen sich durch diesen veränderten Blickwinkel die Unstimmigkeiten der herrschenden Meinung vermeiden. Denn nur so läßt sich begründen, daß eine Hilfeleistung, die unter dem Gesichtspunkt der Gefahrabwendungschance unter Umständen nicht geboten ist, gleichwohl geleistet werden muß. Weiterhin läßt sich begründen, warum die Hilfspflicht bei 448 So allerdings die h.M. in Rechtsprechung und Literatur; vgl. nur BGHSt (4. Strafsenat, 8.4.1960) 14,213 (215); Lackner/Kühl, § 323 c Rn.5. Diese Formel etablierte sich sehr schnell in Abgrenzung zur Reichsgerichtsrechtsprechung, die noch die Bestrafung der bösen Gesinnung als strafbegründend angesehen hatte; damit ist allerdings die eben erörterte Entscheidung BGHSt 17, 166 nicht vereinbar, da hier gerade keine Möglichkeit zur Schadensabwendung bestand. 449 Die Unterscheidung des BGH zwischen Hilfe im engeren und weiteren Sinne ist daher insoweit überflüssig, als auch die Hilfe im weiteren Sinne unter § 323 c StGB zu subsumieren ist.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
nicht voraussehbarer Aussichtslosigkeit der Rettungsbemühungen bestehen bleibt, hingegen bei objektivem Wegfall der Gefahr - sei es daß sie sich endgültig verwirklicht hat, sei es daß sie von selbst wieder abgeklungen ist - ebenfalls entfällt: Ausschlaggebend ist das objektive Interesse des Opfers.
4. Vereinbarkeit der" Interessenfärderungstheorie" mit dem von § 323 c StGB bezweckten Rechtsgüterschutz Läßt man somit für die Defmition des Hilfeleistungsbegriffs die objektiven Interessen des Opfers, des Hilfeempfangers maßgebend sein, so wirft dies zugleich auch ein neues Licht auf die bei § 323 c StGB viel diskutierte Frage des geschützten Rechtsguts. Die ganz herrschende Meinung hegt keinen Zweifel daran, daß mit der Abkehr des Gesetzgebers von der Auffassung, es werde durch den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung vor allem die böse Gesinnung bestraft, allein die in der Unglückssituation bedrohten Rechtsgüter geschützt werden450 • Diskutiert wird allein noch über die Frage, ob im wesentlichen nur Rechtsgüter wie Leib, Leben oder Gesundheit erfaßt werden sollen, mithin ein Unglücksfall im Sinne des § 323 c StGB nur bei der Gefahr für diese Güter vorläge, oder ob sämtliche denkbaren Rechtsgüter in Betracht kommen, etwa auch der Schutz von Sachwerten, der Ehre etc. 451 Während dem gesetzlichen Tatbestand im Grunde keine Anhaltspunkte für eine Restriktion der möglichen Rechtsgüter entnommen werden können, so ist auf der anderen Seite der Einwand, daß die Unbestimmtheit eines Tatbestandes, der als Quintessenz verbietet, überhaupt nur ein Rechtsgut durch Nichtstun zu gefährden, verfassungsrechtlich mehr als bedenklich sei 452 , kaum zu entkräften. In unserem Zusammenhang stellt sich jedoch die vorrangige Frage, ob die Vorstellung, daß das in der Unglückssituation bedrohte Rechtsgut des Opfers zugleich auch das vom Delikt der unterlassenen Hilfeleistung geschützte Rechtsgut ist, angesichts der eben zum Hilfeleistungsbegriff gewonnenen Erkenntnisse noch haltbar ist. Einen anderen Ansatz stellt das von Maurach fur § 323 c StGB vorgeschlagene Schutzgut der "humanitären Solidarität" dar453. Da den Hilfspflichtigen 450 V gl. nur Frellesen, Zumutbarkeit der Hilfeleistung, S. 135; Geilen, Jura 1983, 78 (84 f.); Kargt, GA 1994, 247 (2~0); Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S.209; Lackner/Küht, § 323 c Rn.I; LK 1 , Spendet, § 323 c Rn.29; Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 48; Sch/Schr2 , eramer, § 323 c Rn.l; SK, Rudotphi, § 323 c Rn.l. 451 S. dazu im einzelnen Frellesen, Zumutbarkeit der Hilfeleistung, S. 154 ff.; LK lO , Spendet, § 323 c Rn.30; Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 48 ff. 452 So Geiten, Jura 1983, 78 (84 f.). 453 Maurach, 8T 5, § 51.1.8, S.468. Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme, S. 133, folgt Maurach in diesem Punkt mit dem oben in Fn. 413 erläuterten Argument, daß
C. Systematische Auslegung
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keine Erfolgsabwendungspflicht treffe, gehe es ausschließlich um die Verweigerung der Hilfe, ein "Delikt gegen die Menschlichkeit, begangen im kleinen Rahmen des Alltäglichen,,454. Die Richtigkeit dieses Ansatzes läßt sich dadurch unterstreichen, daß nicht nur vom Täter die Erfolgsabwendung nicht hätte erreicht werden müssen, sondern darüber hinaus die erforderliche Hilfeleistung sich von vornherein unabhängig von einer Tauglichkeit zur Gefahrenabwehr definiert. Der Ansicht Maurachs ist jedoch entgegengehalten worden, daß sie den Strafgrund mit dem zu schützenden Rechtsgut verwechsle 455. In der Tat: Die Erwartung einer auf soziales Verhalten ihrer Mitglieder angewiesenen Gesellschaft, daß zumindest in "Unglücksfällen" dem hiervon Betroffenen durch alle diejenigen, denen dies möglich und zumutbar ist, beigestanden werden soll, stellt lediglich den Strafgrund des § 323 c StGB dar. In einem allein auf Rechtsgüterschutz ausgerichteten Strafrecht könnte daher eine Norm, die lediglich die Wahrung dieser Erwartungshaltung der Allgemeinheit schützen würde, mithin einen rein moralischen Status, nicht gerechtfertigt werden 456 . Indes läßt sich daraus noch nicht zwingend ableiten, daß es bei § 323 c StGB allein um den Schutz der in der Unglückssituation bedrohten Rechtsgüter geht. Vielmehr ergibt sich nach der eben unternommenen Analyse des Hilfeleistungsbegriffs ein solcher Zusammenhang zwischen der vom Gesetz verlangten erforderlichen Hilfstat und einem daraus folgenden Schutz der bedrohten Rechtsgüter des Opfers gerade nicht. Um nochmals auf den Fall von BGHSt 17, 166 zurückzukommen: Strafgrund war die Erwartungshaltung der Allgeanders die unterschiedliche Haftung zwischen einem unechten Unterlassungstäter und dem gemäß § 323 c StGB Hilfsptlichtigen nicht erklärbar sei. Vermander, Unfallsituation, S. 21 f., erkennt die Solidarität als Schutzgut zwar insoweit an, als sie unmittelbar dem Schutz personaler Rechtsgüter dient, meint damit im folgenden jedoch nichts anderes, als daß die bedrohten Rechtsgüter zugleich die von § 323 c StGB geschützten Rechtsgüter seien, vgl. nur aaO, S. 34 (" ... die durch § 330 c geschützten Rechtsgüter des Lebens, der körperlichen und sexuellen Integrität sowie der Bewegungsfreiheit ... "). Pawlik, GA 1995,360 (365 f.), stimmt Maurach darin zu, daß es bei § 323 c StGB nicht um den Schutz der bedrohten Rechtsgüter gehe, verzichtet jedoch in Konsequenz dessen gänzlich auf einen Rechtsgüterschutz: "Es geht um soziale Stabilisierung, nicht um ,Rechtsgüterschutz' ." 454 Maurach, aaO. 455 V gl. nur Kargl, GA 1994, 247 (260). 456 So insbesondere FreIlesen, Zumutbarkeit der Hilfeleistung, S. 141. Freilich beruht diese Kritik auf der verengten Sichtweise, daß es außer dem Schutz der bedrohten Individualrechtsgüter und dem von Universalrechtsgütern keine dritte Möglichkeit gebe; so führt FreIlesen, aaO, S. 135 aus: "Die Konstruktion, daß § 330 c StGB Universalrechtsgüter schütze, erweist sich als Ausweg für diejenigen Autoren, die einerseits in der unterlassenen Hilfeleistung einen Erfolgsunwert mit Blick auf die gefährdeten Individualrechtsgüter nicht zu erkennen vermögen, andererseits aber an dem Gedanke.~ des Rechtsgüterschutzes festhalten wollen, um der mit der Neufassung eingetretenen Anderung der kriminalpolitischen Zielrichtung des § 330 c StGB äußerlich Rechnung zu tragen." Folgerichtig verzichtet Pawlik, GA 1995, 360 (365 f.), auf eine Rechtsgutsbestimmung.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
meinheit, daß ein Arzt so lange, wie die Aussichtslosigkeit seiner Hilfe für ihn nicht offenkundig ist, Hilfe leistet, indem er sich zumindest auf den Weg zum Kind macht. Wie könnte man hingegen die Strafbarkeit des Arztes bejahen, wenn das von § 323 c StGB geschützte Rechtsgut das Leben bzw. die Gesundheit des Kindes gewesen sein soll, ein Rechtsgut, das der Arzt weder verletzen noch retten konnte?457 Soll dem Kind also unabhängig von den tatsächlich möglichen Auswirkungen der Hilfe auf seinen Zustand geholfen werden, so kann bei Unterlassen dieser Hilfe die Rechtsgutsverletzung nur in der Enttäuschung des Kindes im Hinblick auf die unterbliebene Hilfe liegen, nicht hingegen in der enttäuschten Hoffnung auf die positiven Auswirkungen auf seinen Gesundheitszustand458 . Das Rechtsgut des § 323 c StGB schöpft sich daher aus dem individuellen Anspruch des durch einen Unglücksfall in einem oder mehreren seiner Rechtsgüter459 bedrohten Opfers darauf, daß ihm von den Personen geholfen wird, denen dies zumutbar ist und deren Hilfe auch erforderlich ist. Zu diesen Personen zählt im Fall von BGHSt 17, 166 allein der Arzt. Hatte somit das dahinsiechende Kind ein Recht darauf, daß dieser unabhängig von den tatsächlichen Rettungschancen in sein Auto steigt, so verletzt der Arzt ausschließlich dieses Recht auf Beistand, nicht hingegen das Rechtsgut Leben oder Gesundheit. Es läßt sich hiergegen nicht einwenden, es werde lediglich eine Pflicht verletzt, die ausschließlich um ihrer selbst willen zu erfüllen sei, ohne daß damit eine Beeinträchtigung bestimmter Rechtsgüter verknüpft wäre 460 . Die Pflicht zur erforderlichen und zumutbaren Hilfe findet vielmehr ihre Entsprechung im Rechtsgut des berechtigten Vertrauens darauf, nicht auf sich allein gestellt zu sein, auf das Bestehen eines sozialen Netzes. Sicherzustellen, daß die Anforderungen an dieses Netz nicht überspannt werden, ist Aufgabe
457 So legt LK lO , Spendei, § 323 c StGB Rn.26 f., zwar richtig dar, daß die Pflicht zur Nächstenhilfe daraus folge, daß der Mensch ein gesellschaftliches Wesen und Gemeinschaftsglied sei; jedoch versteht er diese Hilfe ganz im Sinne der h.L. ausschließlich als Schutzpflicht zugunsten der bedrohten Rechtsgüter des anderen. 458 Es trifft daher nicht zu, wenn Schöne, Unterlassene Erfolgsabwendungen, S. 46, die Existenz der humanitären Solidarität als eigenständiges Schutzgut bezweifelt, weil diese immer nur durch die Beeinträchtigung eines anderen Rechtsguts tangiert werden könne. Zwar ist in der Tat die Beeinträchtigung eines bestimmten Rechtsguts des Opfers stets vorauszusetzen, jedoch ist diese Beeinträchtigung unabhängig vom potentiell Hilfspflichtigen entstanden und kann von diesem unter Umständen auch gar nicht beseitigt werden oder verflüchtigt sich gar ohne sein Zutun. Indes kann in allen diesen Fällen erforderliche Hilfe zu leisten sein, so daß der Schluß zwingend ist, daß das durch die Verweigerung der Hilfe verletzte Rechtsgut sich von den durch den Unglücksfall beeinträchtigten Rechtsgütern unterscheiden muß. 459 Die Frage, ob der Kreis der für § 323 c StGB in Betracht kommenden Rechtsgüter, die durch den Unglücksfall tangiert s~!n können, einzuschränken ist - s. die Nachweise oben in Fn. 451 -, spielt für unsere Uberlegungen keine Rolle und kann daher offenbleiben. 460 Kargl, GA 1994, 247 (260), ist durchaus zuzustimmen, wenn er eine solche Konstruktion als Gesinnungsstrafrecht bezeichnet.
C. Systematische Auslegung
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der Dogmatik zur Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Hilfeleistung461. Daß dieses Netz keineswegs zu dem Zweck gespannt ist, den Fall des betroffenen Opfers - die Verletzung bestimmter Rechtsgüter - aufzufangen, ergibt sich aus den obigen Erwägungen zum Hilfeleistungsbegriff.
5. Zusammenfassung
Entsprechend zur bei der Begünstigung besprochenen "Interessenförderungstheorie,,462 lassen sich somit für die unterlassene Hilfeleistung durch die Verlagerung der Perspektive auf die des Hilfeempfängers zweierlei Fortschritte gegenüber den herkömmlichen, in der Literatur vertretenen Theorien erzielen: Zum einen wird dadurch eine Objektivierung der Beurteilung der Frage erreicht, welche Handlung als Hilfe angesehen werden kann. Weder kommt es auf die subjektive Sicht des Hilfspflichtigen noch auf die eines objektiven Dritten ("nachträgliche Prognose") an, sondern allein auf die Interessenlage des Hilfeempfängers. Zum anderen erfährt der Hilfeleistungsbegriff gegenüber der auf Gefahrenbeseitigung bzw. Vorteilssicherung gerichteten Handlung eine Verselbständigung, indem nicht die Erreichbarkeit des jeweiligen Zieles entscheidend ist, sondern allein die Frage, ob eine darauf abzielende Handlung jeweils im Interesse des Hilfeempflingers liegt. Ob allerdings im Rahmen des § 323 c StGB die Defmition des Hilfeleistungsbegriffs als "Handlung in eine bestimmte, tatbestandlich vorgegebene Richtung im Interesse des Hilfeempfängers" sämtlichen in Rechtsprechung und Literatur auftretenden Fallvarianten eine plausible und praktikable Lösung zuzuführen vermag oder im einzelnen zu modifizieren ist, muß einer näheren Untersuchung überlassen bleiben, die sich eingehend mit dem Straftatbestand des § 323 c StGB befassen würde. Insoweit gälte es zu klären, wie sich das objektive Interesse des Opfers zu dessen sich unter Umständen dazu widersprüchlich äußerndem Willen verhalten soll. An dieser Stelle ist insbesondere auf die viel diskutierten Suizidfälle463 hinzuweisen: Hierbei scheint die Frage, ob die Rettung eines Suizidenten in dessen Interesse liegt bzw. in welcher Weise hierfür dessen Wille Berücksichtigung zu finden hat, sehr viel sachnäher zu sein als die Erwägungen, die sich mit dem
461 So auch Kargt, GA 1994, 247 (264), der auf die Gefahr hinweist, daß anderenfalls vorhandene Solidaritätspotentiale in ihr Gegenteil umschlügen. Warum er allerdings dennoch an der Auffassung eines Schutzes der bedrohten Rechtsgüter durch von § 323 c StGB geförderter Solidarisierung festhalten will, bleibt im Dunkeln, läßt sich dieser Ansatz in seinen zuvor angestellten Untersuchungen zur sozialen und moralischen Geltung in keiner Weise wiederfinden. 462 Vgl. oben, l.Abschitt, B.IV.2b, S.79 ff. 463 S. Nachweise bei Lackner/Küht, § 323 c Rn.2; SK, Rudotphi, § 323 c Rn.8.
152
2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Vorliegen eines Unglücksfalls beschäftigen 464 • Dölling hat in seinen Ausführungen hierzu daher zu Recht darauf hingewiesen, daß es beim Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung nicht nur um den Schutz von Individualrechtsgütern gehe, sondern auch um das Gebot zu einer solidarischen Hilfeleistung, weshalb überhaupt erst ein Bedürfnis nach Hilfeleistung bestehen müsse, um sich wegen Unterlassung strafbar machen zu können 465 . Will er ein solches Bedürfnis im Falle eines sogenannten Abwägungssuizids verneinen, so erscheint allerdings das Pferd von hinten aufgezäumt, wenn er die Frage, ob ein solcher Abwägungssuizid vorliegt, durch Subsumtion unter das Merkmal der Zumutbarkeit der Hilfe beantworten will466 • Denn zuvor ist die Frage zu stellen, ob in einem solchen Fall dem Suizidenten überhaupt Hilfe geleistet werden kann. Versteht man Hilfe wie hier als Förderung der Interessen im Hinblick auf eine Gefahrabwendung, so muß man im - seltenen - Falle des wohl abgewogenen Selbstmordversuchs - und nur in diesem Falle - dazu kommen, daß die objektiven Interessen eines solchen Suizidenten an seiner Lebensrettung nicht mehr gefördert werden können, da sie definitiv gar nicht vorhanden sind.
11. Die Beihilfe, § 27 StGB
Es hat sich somit gezeigt, daß die Auslegung der Tatbestände der Begünstigung und der unterlassenen Hilfeleistung zum Teil vor vergleichbaren Problemen steht, die sich jeweils auf das umstrittene Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung zurückführen lassen. Wenn auch Hilfe für sich genommen ohne wesentliche Aussagekraft ist, es also stets der Ergänzung bedarf, wem und in welcher Richtung geholfen werden soll, so hat sich dennoch gezeigt, daß zumindest die Grundstruktur der beiden Delikte von der jeweiligen Interpretation des Hilfeleistungsbegriffs abhängt. Insoweit wurde bei § 323 c StGB oben allein die "Interessenförderungstheorie" als praktikabel erachtet, während diese bei § 257 StGB zumindest eine der möglichen Auslegungsvarianten darstellt, wenn auch gegenüber anderen Ansätzen mit dem Vorzug, zumindest in der Theorie frei von Widersprüchen zu sein. Man würde sich daher wünschen, auf dieselbe unbefangene Weise wie bei der unterlassenen Hilfeleistung nunmehr den Tatbestand des § 27 StGB auf die Bedeutung des Hilfeleistungsbegriffs hin untersuchen zu können. Indes wird schon durch eine kurze Rückbesinnung auf die oben dargestellte Entwicklung der Begünstigung, die sich in einem Satz als 464 So lehnt die wohl h.L. bei einem frei verantwortlichen Selbstmordversuch das Vorliegen eines Unglücksfalls ab; vgl. nur Pawlik, GA 1995, 360 (368 f.); SK, Rudo/phi, § 323 c Rn.8 m. w. N. 465 Dölling, NJW 1986, 1011 (1013 0. 466 AaO, S. 10 16.
C. Systematische Auslegung
153
Herauslösung aus dem Bereich der Teilnahme hin zu einer Verselbständigung umschreiben läßt, klar, daß man bei einem Vergleich von Tatbestandsmerkmalen der Begünstigung und Beihilfe stets Gefahr läuft, durch den Vorwurf des Rückfalls auf die Doktrin des ,auxilium post delictum' argumentativ niedergestreckt zu werden 467 • Gleichwohl hatten wir erkannt, daß die Begünstigung zwar sicher nicht mehr als Beihilfe zur Tat eines anderen begriffen werden kann, hingegen der Nachweis der wirklichen Selbständigkeit dieses Deliktes im einzelnen noch erbracht werden muß. Insbesondere beim Begriff der Hilfeleistung scheint Raum zu sein fiir eine Auslegung, die zwar eine gewisse Abhängigkeit bzw. Akzessorietät mit sich bringt, jedoch deshalb keineswegs zur Einstufung der Begünstigung als Beteiligung an einer fremden Tat fuhren muß. Es ist daher durchaus vorstellbar, daß der Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe als Hilfe zur Tat mit dem bei der Begünstigung als Hilfe nach der Tat deckungsgleich ist, ohne daß damit einer nach mittelalterlichem Vorbild umfassenden Teilnahme vor, während und nach der Tat das Wort geredet würde. Dennoch wird man auf die grundsätzlich gegen eine Vergleichbarkeit der beiden Tatbestände vorgebrachten Einwände eingehen müssen, bevor man die Behandlung des Hilfeleistungsbegriffs bei der Beihilfe einer näheren Untersuchung unterziehen kann. .
I. Zu/ässigkeit des Vergleichs der Hi/feleistungsbegriffe bei der Beihi/fe und der Begünstigung
Um es deutlich hervorzuheben, sei nochmals darauf hingewiesen, daß der Hypothese von einer Übereinstimmung der Hilfeleistungsbegriffe bei §§ 27 und 257 StGB nicht entgegengehalten werden kann, daß die Begünstigung nicht als Beteiligung an einer fremden Tat aufgefaßt werden könne und auch keine Beihilfenatur besitze. So wies Binding468 zu Recht darauf hin, daß die Begünstigung auch nicht als Beihilfe zur Selbstbegünstigung des Vortäters interpretiert werden könne, da dieser unter Umständen nicht das Geringste zur eigenen Begünstigung beiträgt, ja dies sogar gar nicht will 469 • Dieser Einwand stellt sich jedoch lediglich als eine zutreffende Mahnung dahingehend dar, daß der Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung letztlich nicht als eine "Hilfe467 Zu solchen Schicksalen vgl. nur oben, Fn. 370. Arzt, in: Arzt/Weber, BT 4, E.I Rn.358, stellt immerhin die vage Vermutung auf, "daß in der alten Rechtsfigur der Teilnahme vor und nach der Tat mehr an innerer Sachgerechtigkeit steckt, als wir heute wahrhaben möchten." 468 In: BT 2.2, § 243.II.B, S. 641 f. 469 Daß hier dennoch eine strafbare Begünstigung möglich ist, ist von jeher anerkannt; vgl. nur, RGSt (4. Strafsenat, 9.1.I903) 36,76 (78); Hegler, JW 1924, 1597 (1599); Bockelmann, BT 1, § 23.II.1b, S. 172; LK 11 , Ruß, § 257 Rn. 13.
154
2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
leistung zu einer fremden Tat" definiert werden darf. Indes ist damit noch keineswegs nachgewiesen, daß die Vorteilssicherungshilfe und die Tathilfe nicht einen gemeinsamen Kern besäßen, nämlich den Hilfeleistungsbegriff. Die Vergleichbarkeit läßt sich daher mit der zutreffenden Verneinung der Beihilfenatur der Begünstigung nicht bestreiten. Betrachtet man überhaupt die Diskussionen um die Selbständigkeit der Begünstigung und um die Unselbständigkeit bzw. Akzessorietät der Beihilfe näher, so muß man feststellen, daß diese dem Ziel, den jeweiligen Hilfeleistungsbegriff einer Definition zuzuruhren, eher abträglich waren. Konnten wir oben 470 bei der Begünstigung sehen, daß bei allen Unterschieden im einzelnen fast einhellig das Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung auf eine rein funktionale Bedeutung im Hinblick auf eine nähere Qualifizierung des Vorteilssicherungsversuchs reduziert wird, so läßt sich Ähnliches bei der Beihilfe feststellen: Hier steht weitgehend allein die Frage im Vordergrund, wann eine Handlung als Beteiligung an der fremden Tat angesehen werden kann, hingegen kaum, ob dem Täter bei seiner Tat tatsächlich geholfen wurde471 • Allenfalls die Rechtsprechung ist um eine Definition des Hilfeleistungsbegriffs bei der Beihilfe bemüht, wenn sie auf die Förderung der Haupttat abstellt472 • Jedoch hat auch sie die Übertragung dieses Verständnisses von einer Hilfeleistung gemäß § 27 Abs. I StGB auf den Tatbestand der Begünstigung stets mit dem Argument abgelehnt, daß der Teilnahmegedanke nicht auf den selbständigen Tatbestand der Begünstigung übertragen werden dürfe473 . Damit wird allerdings das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, das Kind namens Hilfeleistung: Dieser Begriff muß erst noch daraufhin untersucht werden, ob ihm nicht unabhängig von seiner tatbestandlichen Einbettung - ob als Hilfe bei fremder Tat und damit als unselbständige Beihilfe oder als Hilfe, um die Vorteile der Tat zu sichern, und damit als selbständige Begünstigung - eine gemeinsame Bedeutung beigemessen werden kann. Die Umschreibung als "Förderung" ist in dieser Hinsicht immerhin ein Ansatz, wenn auch nur ein nahezu inhaltsloser. Wie bereits angedeutet, läßt sich auch aus der historischen Entwicklung der Beihilfe und der Begünstigung kein Argument gegen die Vergleichbarkeit der Hilfeleistungsbegriffe fmden. Zumeist wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß man die Genese dieser Delikte zum einen dahingehend deuten könne, daß die einstige Zusammenfassung der Hilfsdelikte einen Beweis rur Vgl. 1. Abschnitt, B.ll bis IV, S.22 ff. Daß der Hilfeleistungsbegriff dann doch vereinzelt eine Renaissance erfahrt, um die Teilnahmetheorien vor unsinnigen Ergebnissen zu bewahren, wird noch sogleich unter 2a, a.E., S.161 f., zu besprechen sein; deutlich wird dies etwa bei Spendet, FS Dreher, S. 168 (186). 472 S. sogleich unter 2c, S.163 f. 473 Vgl. nur RGSt (1. Strafsenat, 7.4.1881) 4, 60 (61) und RG (1. Strafsenat, 1.2.1924), JW 1924, 1597 (1599). 470 471
c. Systematische Auslegung
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ihre auch inhaltlich gemeinsame Wurzel darstelle 474 , zum anderen aber auch dahin, daß mit der Verselbständigung der Begünstigung eine bewußte Abkehr von dieser Gemeinsamkeit beabsichtigt war475 • Im Ergebnis lassen sich daher keine zwingenden Argumente in der einen oder anderen Richtung aus der Genese ableiten476 . Entscheidend sind jedoch nicht die Schlüsse, die aus der Verselbständigung des Begünstigungstatbestandes zu ziehen sind, sondern ist vielmehr die Tatsache, daß trotz Selbständigkeit einerseits und Akzessorietät andererseits jeweils einem anderen, das eine Mal einem Vortäter, das andere Mal einem Haupttäter, geholfen werden muß und sich daher damals wie heute die Frage stellt, was das bedeutet. Die historische Entwicklung kann daher in keiner Weise ein Argument darstellen für oder gegen eine Vergleichbarkeit der Hilfeleistungsbegriffe bei der Beihilfe und der Begünstigung. Einer solchen Vergleichbarkeit läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß bei der Begünstigung die Hilfeleistung im Präsens, hingegen bei der Beihilfe im Perfekt formuliert ist. Daß die neben der Anstiftung einmalige Verwendung der Vergangenheitsform durch den Gesetzgeber in einem Straftatbestand für das inhaltliche Verständnis ohne Bedeutung ist, vielmehr lediglich die "bloße" Teilnahmeform kennzeichnen soll, ist bislang nicht bestritten worden 477 • Es ist daher nicht zu leugnen, daß der Beihilfetatbestand dasselbe Merkmal enthält wie auch die Begünstigung und die unterlassene Hilfeleistung478 . Im folgenden soll es nur darauf ankommen, ob allein diesem Merkmal eine tatbestandsübergreifend einheitliche Bedeutung beigemessen werden kann. Daß die Beihilfe und die Begünstigung durch den jeweiligen tatbestandlichen Zusatz, der die Hilfe in eine bestimmte Richtung lenkt, nicht nur in Bezug auf die Selb- oder Unselbständigkeit, sondern auch hinsichtlich ihres jeweiligen kriminalpolitischen Zwecks oder zu schützenden Rechtsguts Differenzen aufweisen können 479 , versteht sich von selbst. Dies hatte sich bereits an der Gegenüberstellung von Begünstigung und unterlassener Hilfeleistung erwiesen, bei der die eine Hilfeleistung von der Allgemeinheit erwünscht, die andere dagegen geächtet ist.
So etwa Vogler, FS Dreher, S. 405 (416). So Theissen, Begünstigungshandlung, S. 181. 476 So auch Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 243. 477 Vgl. nur Schmidhäuser, AT, Lehrbuch, 14/60. 478 Dies gesteht auch Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 241, zu. 479 Die Skepsis von Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 242 f., und Vogler, FS Dreher, S.405 (414), an einer völligen Ubereinstimmung in dieser Hinsicht ist daher berechtigt. Gleichwohl ist Miehe, FS Honig, S. 91 (104), zuzustimmen, wenn er durch die Hervorhebung der Begünstigung als Verbot einer bestimmten Hilfeleistung die Brücke vom ,auxilium post delictum' zum ,auxilium ante delictum' oder ,in delicto' schlägt; mehr als den Hilfeleistungsbegriff dürfte diese Brücke allerdings nicht tragen. 474 475
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Dagegen drängt sich nicht nur ein Vergleich der beiden Tatbestände hinsichtlich ihres Merkmals der Hilfeleistung, sondern sogar die Vermutung einer gemeinsamen, übergreifenden Bedeutung geradezu auf, wenn man auf die in Literatur und Rechtsprechung viel diskutierte Abgrenzung zwischen einer Beihilfe- und einer Begünstigungshandlung blickt. Dieses Problem ergibt sich vor allem dann, wenn unter rein zeitlichem Gesichtspunkt beide Tatbestände in gleicher Weise in Betracht kommen. Dies gilt insbesondere tUr die Zeitspanne zwischen Vollendung und Beendigung der Tat des Haupt- bzw. Vortäters, da hier nach herrschender Meinung sowohl noch eine Teilnahme an der Haupttat in Form der sukzessiven Beihilfe möglich ist als auch schon eine Hilfeleistung zur Sicherung der bereits zu diesem Zeitpunkt erlangten Vorteile der Tat, also eine Begünstigung48o • Blickt man nur auf das von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre betUrwortete Abgrenzungskriterium der "inneren Willensrichtung", so setzt dies voraus, daß der objektive Tatbestand der Hilfeleistung sowohl bei der Beihilfe als auch der Begünstigung identisch ist48 \ sei es auch, daß dieser - und das würde sich bei der Mehrzahl der zur Begünstigung vertretenen Theorien aufdrängen - gar keine eigenständige Bedeutung hat. Freilich erfordert dieses Argument zu seiner Schlüssigkeit, daß das von der herrschenden Meinung bevorzugte Unterscheidungskriterium der inneren Willensrichtung zutreffend ist482 . Daneben sind aber auch unter dem Stichwort der "vorgeleisteten Begünstigung" Begünstigungshandlungen anerkannt, bei denen die entsprechende Hilfe schon vor Vollendung des Delikts des anderen geleistet wurde. Kommt es hierbei nach der ganz herrschenden Meinung darauf an, ob sich diese Hilfe noch auf die Tat oder erst auf die Restitutionsvereitelung auswirkt483 , so scheint es danach tUr die Hilfeleistung noch nicht einmal mehr auf den subjektiven Tatbestand anzukommen, sondern allein auf den mehr oder weniger zufälligen Wirkungszeitpunkt. Sollte sich daher auch diese Ansicht als zutreffend erweisen, so müßten die Hilfeleistungsbegriffe bei der Beihilfe und der Begünstigung zwangsläufig identisch sein. Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß sich kein überzeugendes Argument aus der Natur der Beihilfe oder der Begünstigung gewinnen läßt, das die Suche nach einer tatbestandsübergreifend einheitlichen Bedeutung des Hilfeleistungsbegriffs speziell im Hinblick auf diese beiden Tatbestände als von vornherein abwegig erscheinen ließe. Es ist daher im folgenden die Untersuchung berechtigt, inwieweit sich möglicherweise die Hilfeleistungsbegriffe in ihrer tatbestand lichen Funktion oder Bedeutung decken. Allerdings kann es Zu diesem Problem s. eingehend unten, 2. Abschnitt, D.I.la.(2), S.230 ff. So das Argument von Vogler, FS Dreher, S. 405 (416 f.). 482 Vgl. dazu unten am in Fn. 480 angegebenen Ort. 483 S. nur Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.7; ausführlich dazu unten, 2. Abschnitt, D.I.la.(3), S.235 ff. 480 481
c. Systematische Auslegung
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nicht Aufgabe dieser Abhandlung sein, den im Rahmen der Beihilfe bestehenden Streitstand umfassend darzustellen 484 . Vielmehr wird lediglich danach zu fragen sein, ob sich die einzelnen Lösungsansätze, die sowohl zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung wie auch der unterlassenen Hilfeleistung vertreten werden und denen jeweils ein unterschiedliches Strukturverständnis von den so zu bezeichnenden Hilfsdelikten zugrunde liegt, bei der Beihilfe wiederfinden lassen.
2. Der Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe
Wie bereits angedeutet, rankt sich der Streit in Literatur und Rechtsprechung bezüglich der Auslegung des § 27 StGB weniger um die Frage nach der Definition des Hilfeleistungsbegriffs als vielmehr um die generelle Frage, was unter Beihilfe als Teilnahme an einer fremden Tat zu verstehen ist. Daß sich die verschiedenen Positionen, die sich zu dieser Frage herausgebildet haben, auf den ersten Blick nicht mit dem Streitstand bezüglich des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung parallelisieren lassen, hat zunächst einen ganz einfachen Grund: Anders als bei der Begünstigung besteht bei der Beihilfe das Ziel der Hilfeleistung in einem Erfolg, den ein anderer, der Haupttäter, herbeiführen muß, nämlich der Tatbestandsverwirklichung. Dabei spielt es fur die Tatbestandlichkeit als vollendete Beihilfe keine Rolle, wenn es sich bei der Haupttat nur um einen strafbaren Versuch handelt485 . Davon zu unterscheiden ist die seit 1953 wieder straflose versuchte Beihilfe, bei der es zu einer Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter nicht kommt. Im Gegensatz zur Begünstigung, bei der es zu dem angestrebten Hilfeleistungsziel, der Vorteilssicherung, nicht unbedingt gekommen zu sein braucht, bedarf es daher für eine strafbare Beihilfe stets der Erreichung des Ziels der Unterstützung in Form einer strafbaren Haupttat. Aus diesem Grunde erübrigt sich zum einen die Frage, ob auch 484 Ausgeklammert werden bei der folgenden Betrachtung insbesondere die vereinzelt gebliebenen, zwar eigenständigen, sich aber mit den sonstigen Beihilfetheorien teilweise überschneidenden Ansätze wie die Beeinflussungstheorie von Coenders - vgl. dazu Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 68 ff. -, die Theorie der wechselseitigen Willensvereinigung von H.Mayer, FS Rittler, S. 241, die Solidarisierungstheorie von Schumann - vgl. dazu etwa Jescheck/Weigend, AT, § 64, III.2c, S. 694, Fn. 47 - oder die Theorie der selbständigen, jedoch ungeschriebenen Teilnahmetatbestände von Lüderssen, Strafgrund der Teilnahme. 485 Zur Beihilfe zu einem (untauglichen) Versuch nach der "Verursachungstheorie", wonach der Gehilfenbeitrag zum Haupttäterverhalten kausal sein muß, vgl. Dreher, MDR 1972, 553 (556); Küper, JuS 1986, 862 (864 ff.). Restriktiver hingegen Harzer, StV 1996, 336 (339), die offenbar nur taugliche Beiträge des Gehilfen als strafbar ansieht; es ist jedoch nicht einzusehen, warum Haupttäter und Gehilfe nicht gemeinsam einem die Untauglichkeit beider Handlungen begründenden Sachverhaltsirrtum unterliegen können sollen.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
bloße Tendenzhandlungen, denen es an jeglicher Erfolgstauglichkeit mangelt, unter den Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe gefaßt werden können, ebenso wie die Frage nach der Erfolgseignung einer Handlung überhaupt, wenn es zu einem solchen Erfolg gar nicht gekommen ist486 . Es liegt daher auf der Hand, daß statt des von der herrschenden Lehre bei der Begünstigung favorisierten Eignungskriteriums bei der Beihilfe nunmehr von der Mehrzahl der Autoren die sehr viel einfacher zu handhabende Frage nach der Kausalität des Beitrags für die Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter gestellt wird. Ob allerdings dieses Kausalitätskriterium dem Sinn und Zweck der Teilnahmevorschrift gerecht zu werden vermag und welche Alternativen zu dieser Hilfeleistungstheorie bestehen, wird im folgenden zu untersuchen sein.
a) Beihilfe als kausaler Tatbeitrag Während die herrschende Lehre zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung, die "objektive Eignungstheorie" , vor dem Problem steht, einerseits Hilfe als einen kausalen Beitrag zum angestrebten Ziel der Hilfe - bei § 257 StGB also der Vorteilssicherung - verstehen zu wollen, sich andererseits im Falle des Nichteintritts dieser Vorteilssicherung in bloßen Mutmaßungen über die potentielle Kausalität, sprich Eignung zu verlieren, stellt sich dieses Problem bei der Beihilfe nicht. Hier muß die unterstützte Haupttat tatsächlich vorliegen, so daß es ein leichtes wäre, die Hilfeleistung als tatherrschaftslose Mitverursachung dieser Tatbestandsverwirklichung zu definieren487 . Dabei bestehen im einzelnen Meinungsverschiedenheiten über die Brauchbarkeit der Äquivalenztheorie in diesem Zusammenhang, da bei der Beihilfe häufig Fälle auftreten, in denen die Tat auch ohne den Gehilfenbeitrag ebenso oder sogar noch leichter hätte ausgeführt werden können. Während noch MEZGER die Bedingungstheorie dadurch retten wollte, daß er bereits die äquivalente Verursachung jedes tatmodifizierenden Umstandes genügen ließ488 , nehmen die meisten anderen Autoren Modifizierungen an der Bedingungstheorie selbst vor oder ergänzen sie durch besondere Zurechnungslehren. So sprechen Class und ihm folgend Dre-
486 Vogler, FS Dreher, S. 405 (418), weist zu Recht darauf hin, daß bei der Beihilfe die Strafbarkeit einer bloßen Tendenzhandlung von niemandem in Betracht gezogen wird. 487 So in der Tat die ganz herrschende sogenannte "Verursachungstheorie"; zur Kommentarliteratur vgl. oben, Fn. 178. Vgl. ferner Class, FS Stock, S. 115 ff; Dreher, MDR 1972, 553 (556 f.); JescheckiWeigend, AT, § 64.III.2c, S.694; Rudolphi, FS Bruns, S. 315 (328); ders. in StV 1982,518 (519 f); Samsan, Hypothetische Kausalverläufe, S. 169 ff; ders, in: FS Peters, S. 121 (132 ff); Spendei, FS Dreher, S. 167 (170); Welzel, Strafrecht, § 16.III.3, S. 119. 488 In: LK 8, § 49 Anm.2.
c. Systematische Auslegung
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her von einer sogenannten Zufluß- oder Verstärkerkausalität489 ; Samson stellt bei der Verursachung auf das sogenannte Übernahme- und Intensivierungsprinzip ab 490 ; von anderen wird die "Risikoerhöhungstheorie", die als Zurechnungslehre die Äquivalenztheorie ergänzen, nicht ersetzen soll, auch im Rahmen der Beihilfe zusätzlich herangezogen491; in der Regel begnügt man sich allerdings mit einer eher paradigmatischen Aufzählung einzelner Beihilfehandlungen wie etwa dem Ermöglichen, Erleichtern, Beschleunigen oder Intensivieren 492 . Im Ergebnis lassen sich daher nach den Vertretern der herrschenden Lehre die Begriffe "Verursachung" und "Förderung" nicht mehr scharf trennen. Dies gilt um so mehr, als durch die Möglichkeit, daß ein Beitrag den Haupttäter stets auch psychisch beeinflussen kann, der Kausalzusammenhang in dessen Unterbewußtsein und damit aus dem Bereich des objektiv Wahrnehmbaren zu verschwinden droht493 • So lassen sich die Schwierigkeiten, die sich der" Verursachungstheorie" in Fällen, in denen der "Schmiere" stehende Gehilfe gar nicht einzugreifen brauchte, zwangsläufig ergeben, in den meisten Fällen durch die "Auffangkonstruktion der psychischen Beihilfe" scheinbar lösen 494 . Folglich beschränken sich die Unterschiede der "Verursachungstheorie" zur insbesondere von der Rechtsprechung vertretenen "Förderungstheorie,,495 auf die wenigen Fälle, in denen unter keinem Gesichtspunkt Kausalität festgestellt werden kann 496 . Abgesehen von diesen innerhalb der herrschenden Lehre bestehenden Differenzen im einzelnen läßt sich jedoch bei allen ihren Vertretern feststellen, daß sie generell davon absehen, dem Hilfeleistungsbegriff einen eigenständigen Inhalt zu geben. Erneut läßt sich mit inzwischen für das Schicksal dieses Begriffs in seiner oft vernachlässigten Bedeutung geschärftem Blick erkennen, daß sich das Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung in der Funktion erschöpft, von sämtlichen Beiträgen zur Haupttat eines anderen lediglich die hierfür kausalen herauszufiltern. Daß es sich bei
Jeweils aaO. In: Hypothetische Kausalverläufe, S. 163 ff und 169 ff. 491 Vgl. LK 11 , Roxin, § 27 Rn.4 f; Rudolphi, StV 1982,518 (520). 492 Selbst Spendei, der allein mit der Äquivalenztheorie auszukommen glaubt, zieht sich im kritischen Moment auf solche Umschreibungen zurück, wenn er aaO, S. 186, feststellt, daß gewisse kausale Beiträge, die die Haupttat letztlich erschwert haben, jedenfalls keine "Hilfe" darstellen würden. 493 Die Figur der psychischen Kausalität wird daher bei der Begründung der Gehilfenstrafbarkeit trotz Beweisschwierigkeiten - ließ sich der Haupttäter wirklich psychisch beeinflussen?, vgl. Rudolphi, StV 1982,518 (520)- recht großzügig gehandhabt, beim Rücktritt hingegen - wie soll die Aufhebun:B der Beeinflussung möglich sein? sehr restriktiv, vgl. Lackner, § 24 Rn.27; SchISehr , Eser, § 24 Rn.99. 494 Ablehnend zur Figur der psychischen Beihilfe: H.Mayer, FS Rittler, S.241 (256 f); Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 181 ff 49, S. sogleich unten unter c), S.173 f 496 Vgl. dazu etwa Jescheck/Weigend, AT, aaO, S. 63, m. w. N. in Fn. 44. 489 490
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
diesen dann um eine "Hilfeleistung" handelt, wird stillschweigend vorausgesetzt. Diese Auffassung stellt sich demnach als Entsprechung zur "objektiven Eignungstheorie" bei der Begünstigung dar, nimmt man diese beim Wort, indem nur diejenigen Handlungen als Hilfeleistung im Sinne von § 257 StGB angesehen werden, die entweder rur die Vorteilssicherung kausal geworden sind oder im Falle des Nichteintritts der Vorteilssicherung potentiell hätten kausal werden können. Da bei der Beihilfe die Verwirklichung der Haupttat als Zielsetzung der Unterstützung tatsächlich eingetreten sein muß, erübrigt sich hier die bloß durch Mutmaßungen zu beantwortende Frage nach der potentiellen Kausalität. Aus diesem Grunde ist auch ein widersprüchliches Ausweichen auf den Gefahrdungsaspekt, wie er letztlich von den meisten Vertretern der "objektiven Eignungstheorie" im Rahmen der Begünstigung berurwortet wird, nicht erforderlich. Von dieser Warte aus gesehen ergibt sich aus dem Abstellen auf einen Beitrag, der im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung des anderen als geeignet oder gefahrlich anzusehen ist, wie es die bereits oben angesprochene 497 "Risikoerhöhungslehre" bei der Beihilfe befürwortet, strukturell eine Versuchsstrafbarkeit. Zu Recht kann daher darauf verwiesen werden, daß die versuchte Beihilfe seit dem 3. StÄG vom 4.8.1953 straflos gestellt ist498 . Zur Stringenz dieses Argumentes ist allerdings erst noch nachzuweisen, daß sich die Hilfeleistung tatsächlich als kausaler Beitrag zum angestrebten Hilfsziel definiert. Bei der Begünstigung hatte sich gezeigt, daß diese im Grundsatz so klare Definition sich dann in Mutmaßungen über hypothetische Kausalität verliert, wenn das angestrebte Hilfeleistungsziel nicht erreicht worden ist, also vom Begünstiger weder allein noch mit dem Begünstigten zusammen die Vorteilssicherung herbeigeruhrt wurde. Je nach Standpunkt und vorauszusetzendem Wissen des die Situation Beurteilenden läßt sich die Frage, ob die Handlung des Hilfswilligen tatsächlich einen kausalen Beitrag hätte darstellen können, fast nach Belieben bejahen oder verneinen. Bei der Beihilfe ist hingegen mit der Haupttat, selbst wenn diese auch nur einen strafbaren Versuch darstellt, stets ein Bezugspunkt gegeben, zu der die Handlung des Gehilfen als kausal oder nichtkausal in Bezug gesetzt werden kann. Das Erfordernis eines kausalen Beitrags wird dabei nicht anhand der Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs begründet, sondern vielmehr damit, daß die Beihilfe eine Form der Tatbeteiligung sei und daher die Tat dem Gehilfen zugerechnet werden müsse; die Min-
S. oben, I. Abschnitt, B.III.3a, S.67 ff., und sogleich unten unter b), S.I72 f. So etwa Lackner, § 2 15 Rn.2; Rudolphi, FS Bruns, S. 315 (328); Samson, FS Peters, S. 121 (132); Sch/Schr , eramer, § 27 Rn. 10; Spendel, FS Dreher, S. 167 (169). 497 498
C. Systematische Auslegung
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destvoraussetzung jeglicher Zurechnung sei jedoch die Kausalität499 • Nur am Rande sei jedoch darauf hingewiesen, daß dieser Gedankengang sich jedenfalls durch das Gesetz nicht belegen läßt50o : Als Gehilfe wird danach nicht ein Tatbeteiligter bestraft, also einer, der einen kausalen Beitrag zur Tat beisteuert, sondern schlicht, "wer ... Hilfe geleistet hat", § 27 Abs. I StGB. Wie weit sich die herrschende Lehre, die für einen Gehilfenbeitrag allein das Kriterium der Verursachung ausschlaggebend sein lassen will, vom Wortlaut des § 27 StGB entfernt hat, zeigen die Probleme, die sich ihr in den Fällen einer Erschwerung der Haupttat stellen50I • So ist nicht zu bestreiten, daß derjenige, der den Täter zunächst noch eine Zeitlang von der Tat abgehalten hatte, etwa indem er ihm das erforderliche Tatwerkzeug vorenthalten, es ihm dann aber im vollen Bewußtsein des weiteren Geschehens wieder zurückgegeben hat, einen kausalen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung geleistet hat und sich damit nach der herrschenden Lehre als Gehilfe strafbar gemacht haben müßte. An dieser Stelle müssen daher die oben angesprochenen Modifizierungen der Äquivalenztheorie herangezogen werden, wonach der Gehilfenbeitrag stets eine Ermöglichung, Verstärkung oder Erleichterung der Rechtsgutsverletzung durch den Haupttäter darstellen muß, damit die Haupttat dem Gehilfen noch zuzurechnen ist502 • Diese Einschränkungen mögen zwar im einzelnen dogmatisch gut begründbar sein503 , doch werden dadurch noch nicht alle Fälle zweifels frei entschieden. Denn sollen solche Beiträge, durch die die Tatausführung erschwert wird, nicht für die Tathandlung kausal sein oder zumindest die Zurechenbarkeit des Erfolges ausschließen, so stellt sich die Frage, wie unter dem bloßen Gesichtspunkt der Kausalität oder Zurechnung festgestellt werden soll, ob es sich um eine solche Erschwerung handelt. So ist etwa der Fall vorstellbar, daß ein Dritter den Benzinkanister, mit dem der Täter die Scheune in Brand stecken wollte, unbemerkt durch einen anderen Behälter austauscht, in dem eine Flüssigkeit enthalten ist, die sehr viel schlechter enttlammbar ist als Ben-
499 Vgl. Class, FS Stock, S. 115 (124); Mezger, AT, § 83.1, S. 223; Spendel, FS Dreher, S. 167 (169 f.). 500 Darauf weist auch Rudolphi, FS Bruns, S. 315 (328), hin. 501 Samson, FS Peters, S. 121 (132 f.), weist zu Recht darauf hin, daß die Äquivalenztheorie im Rahmen der Beihilfe nicht nur erweitert, sondern in Erschwerungsfällen auch eingeschränkt werden müsse. Zu diesem Befund einmal gelangt, hätte es allerdings näher gelegen, das Kausalitätserfordernis bei der Beihilfe insgesamt in Frage zu stellen. 502 In der 21. Auflage seines Kommentars sprach Lackner, § 27 Rn.2, daher zu Recht vom "in Grenzfällen nicht immer befriedigende(n) und der Ergänzung durch Kriterien objektiver Zurechnung bedürftige(n) Kausalitätserfordernis"; vgl. ferner JeschecklWeigend, AT, § 64.III.2c, S. 694, Fn. 48. 503 So weist Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 163 ff. und 169 ff., zutreffend nach, daß dadurch der Gleichlauf des Kausalitätsbegriffs bei der Täterschaft und der Teilnahme gewahrt werde.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
zin, dafür aber dauerhafter brenne o4 • Wer soll feststellen, ob die unter Verwendung des ausgetauschten Kanisters ausgeführte Tat durch den Dritten erschwert wurde oder nicht? Von hier aus wird klar, daß diese Frage sich im Kern nicht unterscheidet von dem bei der Begünstigung aufgetauchten Problem, aus wessen Sicht beurteilt werden soll, ob eine Handlung tatsächlich eine Hilfeleistung darstellt oder nicht. Denn in der Tat: Die Erschwerung oder Behinderung einer fremden Tat ist keine Frage mangelnder Kausalität oder Zurechnung, sondern stellt sich vielmehr als Gegenteil dessen dar, was man unter Hilfeleistung verstehen kann. Wer einen anderen bei dessen Tat behindert oder die Ausführung seiner Tat erschwert, mag sehr wohl für den tatbestandlichen Erfolg einen kausalen Beitrag geleistet haben, ihm mag die Tat sogar zurechenbar sein, indes: geholfen hat er nicht. Es ist also der Wortlaut des § 27 Abs. 1 StGB, der in diesen Fällen einer Bestrafung entgegensteht505 •
b) Beihilfe als Risikoerhöhung der Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter Einen Verzicht auf das Kausalitätserfordernis und den Versuch einer Orientierung am Wortlaut der Hilfeleistung stellt die oben bereits erörterte "Risikoerhöhungslehre" im Rahmen der Beihilfe dar506 • Die Ergebnisse unserer Untersuchung nochmals zusammenfassend, läßt sich feststellen, daß diese Lehre ihrem Inhalt nach sämtliche Handlungen bestraft wissen will, die die Gefahr der Tatbestandsverwirklichung durch den Täter entweder konkret507 oder abstrakt508 erhöht haben. Hingegen muß der Gehilfe den tatbestandlichen Erfolg nicht mitverursacht haben. Es hatte sich jedoch auch gezeigt, daß, will man tatsächlich keine weiteren Anforderungen an die Beihilfehandlung stellen, ein so auszulegender gesetzlicher Straftatbestand nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes entsprechen würde 509 • Wie 504 Dieser Fall wurde in leicht abgewandelter Form bei Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 53 f, entnommen. 505 Spendei, FS Dreher, S. 167 (186), gibt offen zu, daß eine Erschwerung der Tat nicht "mit dem Wortlaut wie ... dem Sinn des gesetzlichen Merkmals ,Hilfe leisten'" vereinbar sei; er hätte daher als Ergebnis seiner Uberlegungen durchaus herausstreichen können, daß die Beihilfe allein unter dem Gesichtspunkt eines kausalen Tatbeitrags nicht erklärbar ist. 506 S. oben, I. Abschnitt, B.m.3, S.67 ff 507 So Niedermair, ZStW 107 (1995), 507 (542 ff.); Otto, FS Lange, S. 197 (210); Salamon, Vollendete und versuchte Beihilfe, S. 148 f; Schaf/stein, FS Honig, S. 169 (180); Stratenwerth, ZStW 1975,935 (943 f). 508 So Vogler, FS Heinitz, S. 295 (311). 509 Deutlich wird dies etwa bei Otto, FS Lange, S. 197 (210), der davon ausgeht, daß der Täter die Gefahr für das geschützte Rechtsgut realisiere und der Gehilfe hierzu einen
c. Systematische Auslegung
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sich gezeigt hat, steht in Wirklichkeit hinter der Risikoerhöhung nicht nur der Gedanke, die bloße Gefahrsteigerung im Hinblick auf eine Rechtsgutsverletzung als strafbegründend anzusehen, sondern vielmehr soll damit jeder zur Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter taugliche bzw. geeignete Beitrag erfaßt werden. Gegen eine solche Sicht müssen jedoch ganz andere Bedenken erhoben werden: Sieht man von der Frage ab, ob diese sich möglicherweise strukturell als Versuch darstellende Handlung mit der gesetzlich angeordneten Straflosigkeit der versuchten Beihilfe vereinbar ist51O, so muß der "Risikoerhöhungslehre" im Rahmen der Beihilfe ebenso wie der neueren objektiven Theorie im Rahmen des Versuchs entgegengehalten werden, daß das Kriterium der Gefahr keine Auskunft darüber zu geben vermag, ob die gefahrliche oder gefahrdende Handlung tatsächlich als zur Erreichung des Zieles geeignet bzw. tauglich angesehen werden kann.
c) Beihilfe als Förderung der Haupttat Demgegenüber haben sich die Rechtsprechung 5ll und ihr folgend wenige Stimmen in der Literatur512 weder auf das Kausalitätserfordernis noch auf das Kriterium der Gefahrerhöhung durch den Gehilfen eingelassen. Es genüge vielmehr, daß die den Tatbestand verwirklichende Handlung des Haupttäters zu irgendeinem Zeitpunkt vor ihrer Beendigung durch den Gehilfen gefördert werde 513 • Was jedoch unter einer solchen Förderung konkret zu verstehen ist, gefahrerhöhenden Beitrag liefere. Bis auf die Fälle, in denen die Haupttat selbst ein Gefahrdungsdelikt ist, genügt die Herbeiführung einer Gefahr zur Strafbarkeit des Haupttäters jedoch nicht und kann demzufolge auch nicht für die Strafbarkeit des Teilnehmers ausreichen. 510 Offenkundig wird dieses Problem etwa bei SpendeI, FS Dreher, S. 167 (169 f.): Als Vertreter der objektiven Versuchstheorie, die nur den gefahrlichen Versuch bestraft wissen will, muß für ihn die - von ihm abgelehnte - "Risikoerhöhungslehre" bei der Beihilfe zwangsläufig auf die Bestrafung der versuchten Beihilfe hinauslaufen. Indes erweist sich das Gefahrkriterium sowohl bei der Beihilfe als auch beim Versuch als gleichermaßen unheilvoll. 511 Schon seit RGSt (1. Strafsenat, 20.4.1882) 6, 169 ständige Rechtsprechung; vgl. nur BGH bei Dallinger (1. Strafsenat, 27.7.1971), MDR 1972,16; BGH (4. Strafsenat, 14.2.1985), NStZ 1985, 318. 512 Blei, AT, § 80.II.2b, S. 288 f.; Preisendanz, § 27 Anm.3d (allerdings mit der nebulösen Umschreibung der Hilfeleistung als zur Förderung der Rechtsverletzung geeignete Handlung); Weber, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, 31116, S.667; WesseIs, AT, § 13.IV.5a Rn.582. In der älteren Literatur finden sich etwa v.Hippel, Strafrecht II, § 32.VII, S. 462; Sauer, Allgemeine Strafrechtslehre, § 26.V.2b, S. 223. m Daß sich die "Förderungstheorie" mit ihrem Verzicht auf einen kausalen Beitrag inzwischen als eigenständige Theorie etabliert hat, ist mittlerweile nicht mehr zu bezweifeln, auch wenn man mit Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 57, annimmt, daß das Reichsgericht ursprünglich nur eine strenge Akzessorietät zwischen Haupttat und Teilnahme bewahren wollte, wonach die Beihilfe zu einem Versuch, der in einer in 11*
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
wird weitgehend offengelassen. In der Tat läßt sich feststellen, daß sich die Unterschiede dieser "Förderungstheorie" zur "Verursachungs-" und der "Risikoerhöhungstheorie" nur in wenigen Fallgestaltungen praktisch auswirken. Dabei tendiert die Rechtsprechung durch das sehr unscharfe Kriterium der Förderung dazu, ohne größere Beweisschwierigkeiten eine solche Förderung der Haupttat auch in den Fällen zu bejahen, in denen die "Verursachungstheorie" einen kausalen Tatbeitrag vermißt - so bei Nichtverwendung des vom Hilfswilligen gereichten Tatwerkzeugs oder bei Nichtnachweisbarkeit der psychischen Beeinflussung - und in denen die "Risikoerhöhungslehre" den untauglichen Versuch des Haupttäters als ex ante ungefährlich ansehen muß und daher eine Steigerung der Gefahr nicht in Betracht kommt. Es zeigt sich daher, daß die "Risikoerhöhungslehre" ihrem Anspruch, die "F örderungstheorie" näher zu umschreiben, nicht gerecht werden kann. In der Tat ist die Verwandtschaft jener Theorie mit der "Verursachungstheorie" sehr viel enger als mit der "Förderungstheorie". Denn nur die letzte vermag sich wirklich von der Vorstellung zu lösen, daß die Beihilfe einen Beitrag im Hinblick auf das Hilfeleistungsziel, die Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter, darstellen müsse. Während die "Verursachungstheorie" einen kausalen Beitrag hierzu fordert, verlangt die "Risikoerhöhungslehre" einen gefährlichen Beitrag. In beiden Fällen hat der Hilfeleistungsbegriff die rein funktionale Bedeutung, die Qualität des Scherfleins zu bestimmen, das zur Zielerreichung - der Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter - beigetragen werden muß. Dieser Befund ist uns bereits von der Erörterung der fast ausnahmslos zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung vertretenen Theorien her bekannt, seien es die "Versuchstheorien", die "objektive Eignungstheorie" oder die "Theorie der objektiven Lageverbesserung" . Ebenso wie bei der Begünstigung die "Interessenförderungstheorie" läßt sich bei der Beihilfe die "Förderungstheorie" als ein Ansatz verstehen, der den Charakter als Hilfeleistungsdelikt herauszustreichen versucht. Nicht die Frage, inwieweit das Ziel der Hilfeleistung tatsächlich (mit-) verwirklicht sein muß, steht im Vordergrund, sondern die Frage, ob dem anderen in Richtung der Tatbestandsverwirklichung geholfen wurde. Freilich ist die Formel von der bloßen Förderung der fremden Tat ebenso aussageschwach wie der Begriff der Hilfeleistung selbst.
Tateinheit stehenden vollendeten Tat aufgeht, insgesamt als Beihilfe zur vollendeten Tat aufgefaßt werden müsse; vgl. dazu RGSt (1. Strafsenat, 18.3.1924) 58, 113 (l16 f.).
c. Systematische Auslegung
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d) Beihilfe als selbständiges, abstraktes Gefahrdungsdelikt Diesen Ansatz, die Beihilfe nicht mehr als bloß gefährlichen oder kausalen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung zu verstehen, greift Herzberg auf, indem er die Beihilfe als selbständiges Delikt auffaßt, das das vom Haupttäter angegriffene Rechtsgut lediglich abstrakt gefährde514 • Dadurch wird dem Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung insoweit eine eigenständige Bedeutung beigemessen, als der Gehilfe nicht die Gefährdung oder Verletzung irgendwelcher Rechtsgüter hervorrufen, sondern vielmehr schlicht Hilfe verursachen muß 515 • Im Kern der Auffassung von der Beihilfe als abstraktem Gefährdungsdelikt steht daher die Defmition des einzigen zu errullenden objektiven Tatbestandsmerkmals, der Hilfeleistung. Ausgerechnet in diesem Punkt läßt uns jedoch Herzberg im Stich516 • So sehr es zu berurworten ist, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen und die Hilfeleistung als kausal zu verwirklichendes objektives Tatbestandsmerkmal der Beihilfe aufzufassen, so voreilig ist allerdings der Schluß von Herzberg, daß es sich demzufolge bei der Beihilfe wie auch der Anstiftung um vollwertige, selbständige Tatbestände handele. Denn wäre dies der Fall, so würde es an einer inneren Rechtfertigung rur die akzessorische Bestrafung des Teilnehmers fehlen; es wäre schon nicht erklärbar, warum sich die Tatsache, daß der Haupttäter die Tatbestandsverwirklichung nicht nur versucht, sondern vollendet hat, auf die Strafhöhe des Teilnehmers soll auswirken können 5l7 . Das gleiche gilt etwa rur die in § 24 Abs. 2 StGB vorgesehene Möglichkeit des Rücktritts von der vollendeten (!) Teilnahme an der bisher nur versuchten Haupttat. Ginge man von Anstiftung und Beihilfe zu einer fremden Tat als selbständigen Straftatbeständen aus, so wäre ein Rücktritt von einer vollendeten Tat nicht denkbar. Im Ergebnis ist das Verständnis der Teilnahme als eigenständiges Gefährdungsdelikt mit dem Gesetz nicht vereinbar. Gleichwohl ist der Ansatz, die Hilfeleistung als Tatbestandsmerkmal der Beihilfe "auf eigene Füße zu stellen", weiterzuverfolgen. Denn wie wir bereits mehrfach gesehen haben, hat dieses Merkmal schon begrifflich eine gewisse akzessorische Natur, da stets ein Bezug auf eine andere Person und ein bestimmtes Ziel erforderlich ist. Und so ist es durchaus möglich, daß eine eigenständige, tatbestandsübergreifende Definition des Hilfeleistungsbegriffs dennoch dazu ruhren kann, daß sich die Beihilfe aufgrund der speziellen Ausformung der Hilfe - Hilfeleistung bei fremder Tat - im Ergebnis als im engeren Sinne akzessorisch darstellt. In: GA 1971, 1 ff. m Herzberg, aaO, S. 5 f. 516 Vgl. die Kritik bei Samsan, Hypothetische Kausalverläufe, S. 82 f.; Vogler, FS Heinitz, S. 295 (301). m So zu Recht Samsan, Hypothetische Kausalverläufe, S. 83. 514
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
e) Beihilfe als Interessenförderung des Vortäters im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung Ein Vergleich mit der Anstiftung vermag das eigentümliche Spannungsverhältnis von eigenständigem objektiven Tatbestandsmerkmal einerseits und unselbständigem Tatbestand andererseits aufzuklären: Bei jener ist es völlig unbestritten, daß der Anstifter fiir seinen objektiven Tatbeitrag schlicht den Haupttäter zur Tat bestimmt haben muß. Es ist nicht etwa danach zu fragen, ob eine solche Anstiftung einen kausalen Beitrag zur Haupttat darstellt oder das Risiko der Tatbestandsverwirklichung erhöht wurde, sondern allein danach, ob eine Bestimmung zur Tat vorliegt. Trotz dieses selbständigen objektiven Tatbestandsmerkmals handelt es sich bei § 26 StGB dennoch um eine unselbständige Teilnahme an fremder Tat. Es kann daher für die Beihilfe um nichts anderes gehen, als dem Hilfeleistungsbegriff einen subsumtionsfähigen Inhalt zu geben, unabhängig von jeglicher Kausalität oder Risikoerhöhung 518 • Ansatzweise geschieht dies durch die "Förderungstheorie", die trotz des akzessorischen Charakters der Beihilfe dem Hilfeleistungsbegriff eine eigenständige Bedeutung beimessen will, welche sich nicht lediglich in einem verursachenden oder gefahrerhöhenden Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter erschöpft. Dieser Ansatz soll im folgenden aufgegriffen werden, indem das bei der Begünstigung als möglich erachtete und bei der unterlassenen Hilfeleistung als praktikabel eingestufte Kriterium der Interessenförderung auf seine Brauchbarkeit auch im Rahmen der Beihilfe untersucht wird. Dabei wird allerdings zunächst danach zu fragen sein, ob die akzessorische Natur der Beihilfe eine Deutung des Hilfeleistungsbegriffs unabhängig von Kausalität überhaupt zuläßt.
(1) Beihilfe ohne kausalen Tatbeitrag trotz akzessorischer Haftung des Gehilfen?
Nach ganz herrschender und hier nicht zu bezweifelnder Auffassung liegt der Strafgrund der Teilnahme in der Förderung einer fremden Tat, da auf eine andere Weise die akzessorische Haftung des Teilnehmers nicht erklärt werden kann 5l9 . Daraus folgt zunächst, daß der Teilnehmer über die Rechtsgutsverletzung durch den Haupttäter hinaus nichts weiter "anrichtet", also kein anderes Rechtsgut verletzt. In dieser Tatsache liegt die Unselbständigkeit der Teilnah518 Die Behauptung von Jescheck/Weigend, AT, § 64.III.2c, S.693, der Begriff der Hilfeleistung sage nichts darüber aus, welche Voraussetzungen die Beihilfe erfüllen müsse, um den Anforderungen des § 27 StGB zu genügen, ist daher zu pauschal. 519 Vgl. nur Jescheck/Weigend, AT, § 64.I.2, S. 685.
C. Systematische Auslegung
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me begründet, denn von §§ 26 f. StGB geschützte Rechtsgüter sind nicht etwa unmittelbar sämtliche, die durch das Strafrecht geschützt sind, sondern lediglich mittelbar das bzw. die vom Haupttäter jeweils verletzte(n) Rechtsgut bzw. -güter. Auf der anderen Seite folgt daraus aber auch, daß der Teilnehmer eigenes Unrecht verwirklicht: "Der Teilnehmer nimmt nicht an unerlaubter fremder Tat teil, sondern er nimmt unerlaubt an fremder Tat teil."s20 Insoweit läßt sich innerhalb der herrschenden Lehre kein Widerspruch fmden. Beim vom Teilnehmer zu verwirklichenden eigenen Unrecht stellt sich die entscheidende Frage nach dem objektiven Tatbestand der Anstiftung bzw. Beihilfe. Da das Unrecht des Teilnehmers gegenüber dem des Haupttäters eigenständig ist, müssen auch die Tatbestände der §§ 26 f. StGB eine solche Eigenständigkeit aufweisen. Für das objektive Tatbestandsmerkmal des "Bestimmens eines anderen" im Rahmen der Anstiftung läßt sich eine solche Eigenständigkeit nicht bezweifeln. Gleichwohl liegt im Falle einer Anstiftung stets auch ein kausaler Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter vor, so daß in diesem Rahmen nicht erörtert zu werden braucht, ob eine Teilnahmehandlung auch ohne dieses Kausalitätserfordernis denkbar wäre. Folgender, von der "Verursachungstheorie" stets bemühter Gedankengang könnte für ein solches Erfordernis sprechen: Wenn Schutzgut der Teilnahme das jeweils vom Haupttäter angegriffene oder verletzte Rechtsgut ist, so sei eine strafrechtliche Inhaftungnahme des Teilnehmers nur möglich, wenn die Rechtsgutsbeeinträchtigung diesem zurechenbar sei; Mindestvoraussetzung jeder Zurechnung sei jedoch die Kausalität, so daß Anstiftung und Hilfeleistung unabhängig von ihrer jeweiligen tatbestandlichen Ausformung sich jedenfalls als kausaler Beitrag zur Rechtsgutsverletzung darstellen müßten. Diese Deduktion ist jedoch keineswegs zwingend, denn sie unterschätzt die möglichen Erscheinungsformen einer mittelbaren Rechtsgutsbeeinträchtigung. Die "Verursachungstheorie" geht in ihrer Prämisse zu sehr von der Vorstellung aus, daß das beeinträchtigte Rechtsgut nicht nur die Wucht des Angriffs durch den Haupttäter, sondern daneben auch noch das "draufgelegte Pfund" des Teilnehmers zu spüren bekommen müsse. Daß es auf eine solche kausal hervorgerufene Wirkung nicht ankommen kann, hatte sich oben bereits in den Fällen gezeigt, in denen die Tatausführung trotz eines kausalen Beitrags letztlich erschwert wurde. Das angegriffene Rechtsgut wird weniger dadurch betroffen, daß neben dem Haupttäter noch eine weitere Person die Verletzung verursacht hat, als vielmehr durch die Tatsache, daß der Haupttäter unterstützt wurde. Es verwundert daher nicht, daß die "Verursachungstheorie" in vielen Fällen mit der Figur der psychischen Beihilfe operieren muß, wonach sich der Beitrag des Gehilfen zumindest mittels des gestärkten Willens des Haupttäters kausal auf 520 Schmidhäuser, AT, Lehrbuch, 14/57; das eigene Unrecht des Teilnehmers betonen auch Harzer, StV 1996, 336 (338), und Jakobs, AT, 22/9, S. 661.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
dessen Tatverwirklichung auswirken soll. Zu Recht kann dagegen jedoch eingewendet werden, daß die Behauptung eines kausalen Zusammenhangs in diesen Fällen oftmals eine Fiktion ist. Denn bei einem Täter, der, ohnehin zur Tat fest entschlossen, einen guten Rat oder einen sonstigen Beitrag nur "mitnimmt", ohne diese bei der Tat zu verwenden, kann von einer relevanten Bestärkung des Tatentschlusses keineswegs gesprochen werden 521 . Gleichwohl läßt sich vom Rechtsgeruhl nicht leugnen, daß in den als psychische Beihilfe bezeichneten Fällen trotz nicht nachweisbarer (psychischer) Kausalität jedenfalls dann dem Haupttäter geholfen wurde, wenn sich der Beitrag nicht als von vornherein kontraproduktiv erweisen mußte. Es ist daher durchaus ein Teilnahmemodell auch ohne Kausalitätserfordernis denkbar. Zwar sind hinsichtlich einer Rechtsgutsverletzung zunächst nur diejenigen Handlungen strafrechtlich relevant, die jene kausal hervorgerufen haben. Jedoch gilt dieses Kausalitätserfordernis zwingend nur rur den Täter. Allein bei diesem liegt die Tatherrschaft im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung. Das beinhaltet aber auch, daß der Täter Herr über sämtliche potentiellen Ursachen rur die Rechtsgutsverletzung ist. Es liegt in seiner Hand, welche Umstände sich als Kausalfaktoren erweisen sollen. Dabei ist nur ein geringer Teil dieser Umstände vom Täter selbst verursacht, die Mehrzahl ist hingegen bereits vorhanden oder von anderen - sei es auch vom Gehilfen - bewirkt und wird vom Täter nur noch zur Tatbestandsverwirklichung ausgenutzt. So ist es scheinbar auf die kausale Verursachung zurückzuruhren, daß derjenige als Gehilfe bestraft werden soll, der dem Mörder die Pistole beschafft hat. Indes ist rur die Rechtsgutsverletzung unter dem Gesichtspunkt ihrer Verursachung lediglich entscheidend, daß der Täter die ihm gereichte Pistole neben den sonst die Tötung begünstigenden Umständen zur Tötung verwendet hat. Der Täter hatte es in der Hand, auch eine andere Waffe zu benutzen oder gar die Tat ganz zu unterlassen. Diese Entscheidung des Täters stellt sich rur den Gehilfen jedoch als mehr oder weniger zufällig dar, weil ihm die Tatherrschaft und damit die Macht, einzelne Gegebenheiten oder Handlungen zu Erfolgsursachen zu "befördern", fehlt 522 • Dasselbe gilt auch rur die Fälle, in denen der Haupttäter vom ihn unterstützenden Gehilfenbeitrag gar nichts weiß, der Gehilfe ganz auf eigene Faust tätig wird. Ob etwa einer, der ohne Wissen des sich gerade in Aktion befindenden Einbrechers "Schmiere steht" und dabei den Nachtwächter niederschlägt, Ge-
521
Vgl. zu Kritikern der psychischen Kausalität oben Fn. 494.
m So auch ausdrücklich Otto, FS Lange, S. 197 (205): "Der deliktische Erfolg inner-
halb eines Erfolgsdelikts erscheint deshalb als das Werk des Täters und nicht als Werk irgendeiner Randfigur, weil deriäter das Steuerungssubjekt innerhalb des deliktischen Geschehens ist." Hingegen sei der Tatbeitrag des Teilnehmers abhängig von dem des Täters.
C. Systematische Auslegung
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hilfe ist, hängt allein vom Tatgeschehen ab, das ausschließlich der Täter in den Händen hält. Dadurch, daß sich dieser noch an dem Tresor zu schaffen gemacht hat und daher vom Nachtwächter erwischt worden wäre, stellt sich das Niederschlagen desselben zwar auch als kausal für die Tatbegehung dar, aber - und das ist für die Rechtsgutsverletzung durch den Teilnehmer von allein entscheidender Bedeutung - zugleich als Hilfeleistung zugunsten des Haupttäters. Löst man die Frage nach dem Vorliegen einer Hilfeleistung vom Kausalitätserfordernis, so kann eine Beihilfe selbst dann in Erwägung gezogen werden, wenn der Nachtwächter gar nicht auftaucht, der Schmieresteher also gar nicht einzugreifen braucht523 • Hilfe kann demnach auch in einer bloß brauchbaren Handlung bestehen. Den Strafgrund der Teilnahme in einem kausalen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter zu sehen, heißt, das Faktum der Tatherrschaft des Haupttäters zu negieren. Tatherrschaft bedeutet, abgesehen von möglichen Mittätern, allein darüber zu entscheiden, welche Faktoren für einen Erfolg kausal werden sollen. Von dieser Erkenntnis aus lassen sich die eigenständigen objektiven Tatbestandsmerkmale der bei den Teilnahmeformen besser verstehen: Zur Teilnahme als Form der Beteiligung an· der Tat des tatherrschaftlich handelnden Haupttäters genügt bereits, wenn dieser zur von ihm kausal herbeigeführten, vorsätzlichen und rechtswidrigen Tat bestimmt worden ist oder ihm dabei geholfen wurde. Wann eine solche Hilfe vorliegt, richtet sich dann lediglich noch nach der uns bereits bekannten Frage, aus wessen Sicht das Vorliegen von Hilfe zu beurteilen ist. Um es zusammenfassend mit einem Bild zu verdeutlichen: Daß sich der Gehilfenbeitrag als für die Tatbestandsverwirklichung kausal herausstellt, muß nicht zwingend Haftungsvoraussetzung des Gehilfen sein, weil sich der Haupttäter hinsichtlich des Kausalverlaufs aufgrund seiner Tatherrschaft für den Teilnehmer als ,black box' darstellt, die jeglichen Beitrag von außen gleichsam absorbiert. Dennoch erachtet das Gesetz in §§ 26 f. StGB eine Teilnahme eines Außenstehenden an diesem nur vom Täter beherrschten Prozeß der Tatbestandsverwirklichung für möglich, und zwar durch ein vorsätzliches, rechtswidriges Anstoßen oder Hilfeleisten hierzu. Der Ausschluß des Teilnehmers vom tatbeherrschenden Geschehen zeigt sich insbesondere an den für die Vertreter der "Verursachungstheorie" schwer lösbaren Fällen. Denn das Festhalten am Kausalitätserfordernis bereitet schon dann Schwierigkeiten, wenn der Gehilfenbeitrag durch den Haupttäter gleichsam neutralisiert wird, etwa wenn die Herbeiführung des Erfolges durch den Beitrag zwar erleichtert wird, jedoch hierfür entbehrlich war. Als Beispiel mag die für die Öffnung des Tresors zur Verfügung gestellte elektrische Bohrmam Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 196, plädiert in diesem Fall trotz eines von ihm nicht geleugneten Strafbedürfnisses für Straflosigkeit; kritisch dazu Stratenwerth, ZStW 1975,935 (943).
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
schine anstelle der sonst benutzten Handbohrmaschine dienen. Samson versucht, sich - obwohl Verfechter der "Verursachungstheorie" - in diesem Fall von der Kausalität als Rechtfertigung der Gehilfenstrafbarkeit zu lösen, indem er sich damit begnügt, "daß der Haupttäter aufgrund des Gehilfenbeitrages nunmehr eine geringere Leistung zu entfalten hatte", wobei er die Leistung des Haupttäters als "Umlenkung der angelegten Kausalprozesse auf den Erfolg hin" definiert524 . Solange allerdings die Feststellung, ob der Täter tatsächlich eine geringere Leistung erbringen mußte, vom hypothetischen Kausalverlauf abhängen soll, können aufgrund dieser Abhängigkeit von einer völlig ungewissen Hypothese keine brauchbaren Ergebnisse erzielt werden. Kaum zu beantworten ist etwa die Frage, ob die Hingabe einer Bohrmaschine anstelle einer sonst vom Haupttäter benutzten Maschine identischer Marke wirklich eine solche Erleichterung darstellen würde. Es kann nur schwerlich einleuchten, daß die Strafbarkeit des Gehilfen davon abhängen soll, ob die Maschine des Täters aus bestimmten Gründen den Tresor nicht oder nicht so hätte öffnen können. Vollends willkürlich wären überdies die unter dem Gesichtspunkt der Kausalität zu erzielenden Ergebnisse, wenn der Täter in diesem Fall sowohl seine als auch die baugleiche Maschine des Gehilfen zum Tatort mitnimmt und beim Griff in die Tasche gar nicht mehr weiß, welche nun die seine und die des anderen war. Der Griff des Täters in die Tasche gliche daher dem einer Glücksfee, die über die Strafbarkeit des Gehilfen entscheiden soll. Gegen die Richtigkeit des Verzichts auf das Kausalitätserfordernis bei der Beihilfe kann auch nicht der Wortlaut des § 24 Abs. 2 S.2 StGB eingewendet werden 525 . Danach bleibt der zur Tat beigesteuerte Beitrag dann als Beihilfe zur versuchten Haupttat strafbar, wenn der Gehilfe sich nicht freiwillig und ernsthaft um die Verhinderung der Vollendung bemüht hat, die Tat jedoch unabhängig von dem früheren Beitrag begangen wird. Aus dieser Vorschrift läßt sich jedoch nicht ableiten, daß bei einem Beitrag, der sich nicht kausal auf die Haupttat auswirkt, eine Beihilfe zur Vollendung auf keinen Fall in Betracht kommen kann. Die fehlende Kausalität stellt insoweit lediglich eine Voraussetzung für die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts des an der in das Versuchsstadium gelangten Haupttat Beteiligten dar. Diese Einschränkung findet ihre Berechtigung darin, daß der Mittäter oder Teilnehmer nicht leichter zurücktreten können soll als etwa der Alleintäter: Wird eine Handlung für einen tatbestandlichen Erfolg kausal, ist der Strafbefreiungsgrund des § 24 StGB generell ausgeschlossen. Demgegenüber ist es gerade die "Verursachungstheorie", die eine Wortlauthürde der Rücktrittsvorschrift zu überwinden hat: Denn § 24 Abs. 2 S. 2 StGB geht im Falle eines nicht ernsthaften Bemühens um die Vollendungsverhinderung auch dann von einer Bestrafung wegen 524 525
In: Hypothetische Kausalverläufe, S. 177. Vgl. Dreher, MDR 1972, 553 (557).
C. Systematische Auslegung
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Beihilfe zum versuchten Delikt aus, "wenn sie (sc. die Tat) unabhängig von seinem (sc. des Beteiligten) früheren Tatbeitrag begangen wird". Nicht nur die Vollendung der Tat, sondern die Tat insgesamt kann offensichtlich ohne kausalen Beitrag des Gehilfen begangen werden, und dennoch ist eine strafbare Beihilfe zum Versuch möglich 526 . Die für einen stratbefreienden Rücktritt erforderliche zusätzliche Voraussetzung der fehlenden. Kausalität entspricht schließlich auch dem obigen Bild vom Haupttäter als ,black box': Hatten wir gesehen, daß es für die Begründung der Gehilfenstrafbarkeit genügt, den Haupttäter durch eine Anstiftung oder eine Hilfeleistung positiv beeinflußt zu haben, die Frage der kausalen Auswirkung des Beitrags auf die Tatbestandsverwirklichung jedoch in dessen Hand und Belieben liegt, so ist es nur konsequent, wenn die Straflosigkeit des Gehilfen von der in der Herrschaft des Haupttäters liegenden Annulierung des Beitrags abhängt527 •
(2) Praktikabilität des Kriteriums der Interessenförderung
Hat man sich somit vom Kausalitätserfordernis befreit, so stellt sich die Frage, aus wessen Sicht das Vorliegen von Hilfe gemäß § 27 Abs. I StGB zu beurteilen ist, ob es also darauf ankommt, was der Hilfswillige für hilfreich gehalten hat bzw. halten konnte, oder darauf, was der Haupttäter als Hilfe empfinden konnte. Nach dem eben entworfenen Bild wird ohne weiteres klar, daß die erstere Möglichkeit, das Abstellen auf den subjektiven oder auch objektiven Blickwinkel des Hilfswilligen dem Strafgrund der Beihilfe nicht gerecht werden kann. Denn wenn der Teilnehmer seinen Rechtsgutsangriff ausschließlich über den Haupttäter führt und daher mangels eigener Tatherrschaft auch diesem die strafrechtlich relevante Verursachung der Tatbestandsverwirklichung überläßt, so kann es keine Rolle spielen, was aus Sicht des Hilfswilligen dem Täter zu dessen Tat helfen könnte. Wenn das Interesse des Rechtsgüterschutzes dahin geht, daß einem Täter nicht geholfen werden soll, so nur aus dem Grunde, weil der Täter als Schlüsselfigur über das Ob und Wie der Rechtsgutsverletzung keine Hilfe erfahren soll, nicht, weil ein Dritter keine mehr oder weniger tauglichen Hilfsbestrebungen zeigen soll528.
526 Walter, JR, 1976, \00 (\01), spricht von einer insoweit mißlungenen Tatbestandsfassung. 527 Vgl. Lenckner, FS Gallas, S. 281 (290), wonach sich der Beteiligte - das gleiche Problem kann auch bei einem rücktrittswilligen Mittäter auftauchen - in die Abhängigkeit vom guten Willen des Haupttäters begebe. 528 Dreher, MDR 1972, 553 (555), umschreibt dies treffend als "Hilfsbereitschaft, die nur als Gedanke im Kopf des potentiellen Gehilfen existiert", die mit faktischer Hilfe verwechselt werde.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Der Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe kann daher dahingehend eingegrenzt werden, daß es auf die Förderung des Haupttäters in Richtung auf die von ihm verübte Tatbestandsverwirklichung aus dessen Sicht ankommt. Diese Sicht kann nur durch die bei ihm im Zeitpunkt der Hilfeleistung bestehenden objektiven, auf die Tatbegehung gerichteten Interessen bestimmt werden. Es ist also zu fragen, an welchen Hilfsbeiträgen der Haupttäter ein objektives Interesse im Hinblick auf die Begehung seiner Tat hat. Somit findet auch hier eine objektive ex-ante-Betrachtung bzw. eine sogenannte nachträgliche Prognose statt, die uns schon von den Gefährdungsdelikten und der objektiven Versuchslehre her bekannt ist. Gleichwohl handelt es sich vorliegend um etwas davon ganz Verschiedenes: Nicht die Sichtweise des Gehilfen soll für die Beurteilung einer möglichen Eignung seines Beitrags ausschlaggebend sein, da nicht er in gefährlicher oder gefährdender Weise handeln muß; sonst wäre der Einwand in der Tat berechtigt, daß damit strukturell eine versuchte Beihilfe bestr~ft würde. Sondern der Gehilfe soll die durch eine objektive (d.h. nachträgliche) Prognose zu ermittelnden Interessen des Haupttäters im Hinblick auf die Tatbegehung nicht fördern dürfen 529 • Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich zum einen sehr viel klarer die pauschal unter dem Stichwort der psychischen Beihilfe zusammengefaßten Fälle erklären: Nicht schon die diffuse Einwirkung auf die Psyche des Täters ist entscheidend, sondern vielmehr, an welchem Rat oder welcher sonstigen Beeinflussung seiner Psyche er objektiv ein Interesse hatte. Danach sind etwa auch die Nachschlüssel-Fälle lösbar: Die Hingabe des später bei der Tatausführung nicht verwendeten Schlüssels stellt sich dann als Beihilfe zu dieser Tat dar, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Übergabe ein objektives Interesse daran hatte, den Schlüssel zu erhalten. Dieses Interesse ist bereits in dem Fall zu bejahen, in dem er mit Fug davon ausgehen konnte und auch ausgegangen ist, diesen Nachschlüssel für die Tatausführung zu benötigen - d.h. daß die Tür verschlossen sein und der Schlüssel passen werde. Zum anderen werden durch das Kriterium der Interessenförderung auch die Schwierigkeiten überwunden, mit denen die "Verursachungstheorie" zu kämpfen hat: So lassen sich für die Tatausführung zwar ursächliche, jedoch letztlich völlig nebensächliche Beiträge aus dem Strafbarkeitsbereich in sinnvoller Weise herausfiltern. Die dem Einbrecher mitgegebene Sprudelflasche stellt sich daher im Normalfall als 529 Hiergegen läßt sich nicht mehr der Vorwurf erheben, es werde damit strukturell die versuchte Beihilfe bestraft, da sich bei der als Interessenförderung verstandenen Hilfeleistung objektiver und subjektiver Tatbestand decken: Die beim Gehilfen vorhandene Vorstellung, sein "Beitrag könne den Erfolg der Haupttat möglicherweise mitverursachen" - so zu Recht Samson, FS Peters, S. 121 (132) - spiegelt sich exakt in der Förderung der auf die Tatbegehung gerichteten Interessen des Haupttäters wider; denn mehr als eine mögliche Verursachung will der Gehilfe nicht, da er das Schicksal seines Beitrags den Interessen des Täters und dessen tatherrschaftlichen Tatausftihrung überläßt.
C. Systematische Auslegung
173
straflose Förderung der auf eine annehmliche Tatbegehung gerichteten Interessen dar, hingegen im Falle eines Tresoraufbruchs, bei dem der Flüssigkeitsverlust durch schweißtreibende Schweißarbeiten unbedingt ausgeglichen werden muß, sehr wohl als strafbare Förderung der Tatbestandsverwirklichungsinteressen53o . Ferner lassen sich auf diese Weise auch die Erschwerungsfalle lösen. Die in manchen Fällen abstrakt nicht zu entscheidende Frage, ob der Hilfswillige nun die Tatausführung erleichtert oder erschwert hat, kann nur anhand der objektiven Interessen des Haupttäters beurteilt werden. Durch die Rückführung des maßgeblichen Beurteilungsmaßstabes und -zeitpunktes auf die Förderung der Tatbegehungsinteressen zum Zeitpunkt der Hilfeleistung wird schließlich auch die strafbare Beihilfe zum (untauglichen) Versuch verständlich. Der "Verursachungstheorie" bleibt hierbei nichts anderes übrig, als auf den Ursachenzusammenhang zwischen Gehilfenbeitrag und Haupttäterverhalten abzustellen, d.h. daß der Beitrag im konkreten Ablauf der Haupttat zur Wirkung gelangen muß 53 ). Für die Strafwürdigkeit des Gehilfenbeitrags kann es jedoch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes keinen Unterschied machen, ob der Beitrag gerade noch vor Scheitern des Versuchs zur Wirkung gelangt ist oder ob dies erst später der Fall gewesen wäre. So stellt sich die Mitteilung des Codes für den Tresor auch dann als vollendete Beihilfe zum Versuch dar, wenn der Haupttäter bereits beim Einsteigen in das Haus geschnappt wird. Denn zum Zeitpunkt der Informationsgabe stellte sich diese als Interessenförderung im Hinblick auf die Tatbegehung dar, die sich durch den sich anschließenden Einbruchsversuch des Haupttäters als - wenn auch nicht kausaler - mittelbarer Rechtsgutsangriff ausgewirkt hat.
t) Zusammenfassung
Es hat sich also gezeigt, daß es möglich ist, dem Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe einen eigenständigen Inhalt zu geben, ohne daß dadurch an den Grundfesten der Teilnahme, der akzessorischen Haftung des Teilnehmers und damit der Unselbständigkeit der Teilnahmedelikte, gerüttelt würde. Da der unmittelbare Rechtsgutsangriff ausschließlich vom Haupttäter ausgeht, muß es 530 Zu einer Strafbarkeit in diesem Fall nur bei einer krassen Ausnahmesituation gelangt auch Niedermair, ZStW 107 (1995), 507 (542 f.), allerdings auf der Basis der "Risikoerhöhungslehre". Gerade dieses Beispiel und seine folgenden Ausführungen zeigen jedoch die Schwierigkeiten, die die "Risikoerhöhungslehre" mit dem Gehilfenvorsatz haben muß: Denn der Gehilfe denkt in diesem Fall unter Umständen gar nicht an die dadurch gesteigerte Gefahr flif die Tatbestandsverwirklichung, sondern schlicht an die Interessen des Haupttäters, die in diesem Fall auf Durstlöschung zur weiteren Tatbestandsverwirklichung gerichtet sind. 531 Vgl. Küper, JuS 1986,862 (865).
174
2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
fur den Standpunkt, von dem aus das Vorliegen einer Hilfe beurteilt werden soll, auf die (objektive) Sichtweise dieses Haupttäters ankommen. Dies wird dadurch gestützt, daß als Haupttat auch ein Versuch in Betracht kommt, dessen Strafbarkeit sich gemäß der in den §§ 22 f. StGB niedergelegten Eindruckstheorie im wesentlichen nach der subjektiven Vorstellung des Täters richtet. Für den Haupttäter stellt sich ein Beitrag von Seiten eines Dritten dann als Hilfe dar, wenn dadurch seine im Moment der Hilfeleistung bestehenden, auf die Tatbegehung gerichteten Interessen gefördert werden. Ob darüber hinaus gefordert werden soll, daß der Beitrag zumindest aus einer ex-ante-Betrachtung zur Tatbestandsverwirklichung geeignet ist oder gefahrerhöhend wirkt, oder daß der Beitrag sich tatsächlich als fur diese kausal herausstellt, läßt sich nach den obigen Überlegungen weder aus dem Wesen der Beihilfe noch aus dem Begriff der Hilfeleistung zwingend ableiten. Dennoch mag eine solche unter Umständen den Anwendungsbereich des § 27 StGB einschränkende Auslegung diskutabel sein. Für sich genommen vermögen jedoch die Kriterien der Risikoerhöhung oder der Verursachung nicht widerspruchsfrei sämtliche Beihilfefalle zu lösen.
3. Übertragung der gewonnenen Erkenntnisse auf den Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung
Es läßt sich somit feststellen, daß trotz des unterschiedlichen Charakters von Beihilfe und Begünstigung - die unselbständige, akzessorische Teilnahme an fremder Tat einerseits und das selbständige Delikt andererseits - bei der jeweiligen Tatbestandsauslegung ähnliche Probleme auftauchen. Bei beiden Straftatbeständen lassen sich diese Schwierigkeiten im wesentlichen auf das weithin ungeklärte Merkmal der Hilfeleistung zurückfilhren. Und in beiden Fällen sucht die nahezu überwiegende Lehre unter Vernachlässigung einer Definition des Hilfeleistungsbegriffs in der Weise einen Ausweg zu fmden, daß sie sowohl die Beihilfe als auch die Begünstigung vom jeweiligen Ziel der Hilfeleistung her defmieren will. Allerdings lassen sich die zur Begünstigung vertretenen "Versuchstheorien" im Rahmen des Streitstandes bei der Beihilfe nicht wiederfinden. Bei dieser steht die Tatsache, daß in den Jahren 1943 bis 1953 die versuchte Beihilfe gemäß § 49 a Abs. 3 StGB aF tatsächlich strafbar war, einer Einstufung des Hilfeleistungsbegriffs als "finales Tätigkeitswort" bzw. der Beihilfe als Tendenzdelikt entgegen, da anders als bei der Begünstigung die Straflosigkeit des Versuchs nicht aus der "Natur der Sache" 532, also dem Unternehmenscharakter 532
Vgl. zu diesem Argument bereits oben, 1. Abschnitt, B.II.1 b.(3), S.34.
c. Systematische Auslegung
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des Hilfeleistungsbegriffs abgeleitet werden kann. Zwar ist durchaus denkbar, daß es sich beim Tatbestand des Beihilfeversuchs seinerseits nicht nur um einen kriminalpolitischen, sondern auch um einen dogmatischen Fehlgriff des Gesetzgebers gehandelt haben könnte. Eine Übertragung der "Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs" auf die Beihilfe würde dann allerdings zu einer Strafbarkeit des Gehilfen auch in dem Fall führen, in dem sich dieser Gehilfe eine vorsätzlich rechtswidrige Haupttat nur irrig vorgestellt hat, eine Konsequenz, die eindeutig gegen Akzessorietätsgrundsätze verstoßen würde. Diese würden aber auch bei einer entsprechenden Anwendung der "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" im Rahmen der Beihilfe vernachlässigt, weil die Abgrenzung von objektiv zu erfüllenden Tatbestandsmerkmalen einerseits und bloßem Handlungsversuch andererseits letztlich zufallig und willkürlich zustande kommt. Dagegen stellen sich sowohl die zur Beihilfe vertretene herrschende "Verursachungstheorie" als auch die "Risikoerhöhungslehre" als Entsprechung zur bei der Begünstigung herrschenden "objektiven Eignungstheorie" dar. Daß der Gehilfe einen kausalen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter geleistet haben muß, korrespondiert dann mit· der "objektiven Eignungstheorie", wenn man deren ursprüngliche Intention und die Bedeutung des Begriffs "Eignung" im Sinne von Tauglichkeit ernst nimmt. Denn als Begünstigung bestraft werden sollen alle diejenigen Handlungen, die entweder die Vorteilssicherung verursacht haben, oder, falls es zu einer solchen nicht gekommen sein sollte, die hierfür potentiell kausal waren, d.h. die kausal gewesen wären, wenn es zur Vorteilssicherung gekommen wäre. Da es bei der Beihilfe stets zu einem Erfolg - der Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter gekommen sein muß, stellt sich bei ihr das ohne Mutmaßungen nicht zu lösende Problem dieser potentiellen Kausalität nicht. Erkennt man die Unlösbarkeit dieses Problems bei der Begünstigung an, vor dem im übrigen auch die "Verursachungstheorie" stünde, wenn die versuchte Beihilfe wieder für strafbar erklärt würde, so bleibt nichts anderes übrig, als sich mit der Feststellung einer Gefahr des Erfolgseintritts zu begnügen. Insoweit findet zumindest faktisch auch die "Risikoerhöhungslehre" ihre Entsprechung in der "objektiven Eignungstheorie", auch wenn bei dieser der Rückgriff auf die Herbeiführung einer Vorteils sicherungsgefahr widersprüchlich und in den Ergebnissen willkürlich ist, da sie letztlich nicht mit dem Tauglichkeitskriterium übereinstimmt. Neben diesen speziell bei der Begünstigung auftretenden Problemen zeigt sich aber durch den Vergleich mit der jeweils entsprechenden "Verursachungs-" und "Risikoerhöhungstheorie" bei der Beihilfe, daß diese Theorien dem Hilfeleistungsbegriff auch bei Eintritt des angestrebten Hilfeleistungszieles kaum gerecht werden können. Weder die Verursachung eines Erfolgseintritts noch die diesbezügliche Gefahrerhöhung vermögen den Nachweis zu erbringen, daß dadurch einem anderen tatsächlich geholfen wurde. Wenn aber das Verständnis
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
von Hilfe als Kausalitäts- oder Zurechnungs faktor selbst dann an seine Grenzen stößt, wenn wie bei der Beihilfe stets ein Erfolg eingetreten sein muß, so muß die Fragwürdigkeit dieses Ansatzes erst recht für die Begünstigung gelten. Ein Ausweg läßt sich bei der Beihilfe daher nur mit der unscharfen "Förderungstheorie" bzw. der diese ausgestaltenden "Interessenförderungstheorie" finden, die den Hilfeleistungsbegriff nicht in einer auf das Hilfsziel gerichteten Handlung aufgehen lassen, indem entweder Kausalität oder zumindest eine Risikoerhöhung bezüglich der Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter vorliegen muß. Der Verzicht auf einen kausalen oder gefahrerhöhenden Beitrag trotz akzessorischer Natur der Beihilfe wird damit begründet, daß der Haupttäter aufgrund seiner Tatherrschaft auch Herr über die Wirksamkeit dieses Beitrages ist, diesen daher aus der Sicht des zu schützenden Rechtsguts gleichsam absorbiert. Die Akzessorietät der Beihilfe zeigt sich dabei darin, daß das Ziel der Hilfeleistung auf die Förderung einer fremden Tat gerichtet ist, und von daher sowohl ihren Unwertgehalt als auch ihren Strafgrund aus der Begehung dieser Tat schöpft. Demgegenüber zeigt sich, daß die Anwendung der "Interessenförderungstheorie" auf die Begünstigung keineswegs zur vergleichbaren Unselbständigkeit dieses Tatbestandes führt wie bei der Beihilfe. Denn bei ihr wird nicht das Tatbegehungsinteresse eines anderen, sondern dessen Vorteilssicherungsinteresse gefördert. Es wird noch zu erörtern sein, weIches Rechtsgut durch dieses dem Begünstigungstatbestand zugrunde liegende, an grundsätzlich an der Vortat unbeteiligte Personen533 gerichtete Verbot geschützt werden so1l534. Die Selbständigkeit der Begünstigung ergibt sich dabei in jedem Fall daraus, daß die Rechtsgutsverletzung nicht wie bei der Beihilfe durch einen Haupttäter mitsamt Gefolgschaft - darunter auch einem Helfer - verursacht wird, sondern daß die Rechtsgutsverletzung allein in einer bestimmten Hilfe zugunsten einer bestimmten Person liegt. Von hier aus läßt sich ohne weiteres die Parallele zum ebenfalls selbständigen Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung ziehen, bei der nach den obigen Überlegungen die Rechtsgutsverletzung allein in der nicht vorgenommenen Hilfe liegt.
IH. Delikte mit dem Hilfeleistungsbegriff verwandten Tatbestandsmerkmalen
Neben den bislang besprochenen Straftatbeständen, in denen der Hilfeleistungsbegriff ausdrücklich enthalten ist, gibt es jedoch noch eine stattliche Zahl 533 Eine Ausnahme wird in § 257 Abs. 3 S. 2 StGB zugelassen; vgl. dazu unten, 2. Abschnitt, D.I.3b.(3), S.264 ff. 534 Vgl. dazu unten, 2. Abschnitt, D.lI, S.268 ff.
C. Systematische Auslegung
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weiterer Delikte, die ähnliche Begriffe verwenden, wie etwa das Fördern, Unterstützen oder Vorschubleisten. Auch in diesen Fällen wird einer anderen Person oder Gruppierung in einer ganz bestimmten Hinsicht etwas Gutes getan. Die offensichtliche Verwandtschaft mit dem Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe veranlaßt daher Rechtsprechung und Lehre, bei den meisten dieser Delikte von sogenannten "verselbständigten Beihilfetatbeständen" zu sprechen. Damit soll allerdings nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich bei demjenigen, der einen solchen Tatbestand verwirklicht, materiell um einen Gehilfen handeln würde, der lediglich als Täter bestraft wird. Richtig ist zwar, daß der so Handelnde, würde der entsprechende Tatbestand keines der mit der Hilfeleistung artverwandten Merkmale enthalten, sich als Gehilfe zur entsprechenden Haupttat - vorausgesetzt, diese läge vor - strafbar machen würde. Der Grund darur liegt jedoch darin, daß sich die "beihilfeähnlichen" Tatbestandsmerkmale ganz oder teilweise mit dem Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe decken. Von einer "Verselbständigung der Beihilfe" als Teilnahmefonn an einem fremden Delikt hin zu einem eigenständigen Delikt kann daher strenggenommen nicht gesprochen werden, weil der Begriff der Beihilfe stets die Anknüpfung an einzelne Straftatbestände voraussetzt und rur sich allein genommen das Unrecht einer Tat nicht zu umschreiben vennag 535 • Nach den obigen Ausruhrungen zur Beihilfe lassen sich jedoch die als verselbständigte Beihilfedelikte bezeichneten Tatbestände leicht analysieren: Nicht der Beihilfetatbestand ist in ihnen verselbständigt, sondern der in jenem enthaltene, eigenständige (!) Hilfeleistungsbegriff taucht entweder wörtlich - so in §§ 257 und 323 c StGB - oder in ähnlichen Wendungen - so in den nun zu besprechenden Delik. d er aur,,536 . ten - WIe Daß sich trotz der Verwendung von ganz oder zumindest teilweise inhaltsgleichen Begriffen bei der Auslegung der jeweiligen Tatbestände leichte Unterschiede ergeben können, liegt an der bereits festgestellten Ergänzungsbedürftigkeit des Hilfeleistungsbegriffs, die sich auch bei den Begriffen wie Fördern oder Unterstützen zeigt. Stets bedarf es einer Konkretisierung, wem geholfen bzw. wer gefördert oder unterstützt werden soll, und vor allem, wobei oder zu m So auch Sommer, IR 1981,490 (493).
536 Daraus läßt sich ersehen, daß sich das viel diskutierte Problem der Anwendbarkeit des § 27 StGB bei Tatbeständen mit verselbständigter Beihilfe zunächst auf die Frage reduziert, ob unter die abstrakt ohne weiteres zu konstruierende Hilfeleistung (i.S. von § 27 Abs. I StGB) zur Hilfeleistung, Förderung oder Unterstützung (i.S. des jeweiligen Tatbestands) bei den einzelnen Delikten überhaupt noch Fälle subsumiert werden können, die nicht zugleich eine unmittelbare Hilfeleistung, Förderung oder Unterstützung darstellen und damit die Beihilfe hierzu in jedem Falle als subsidiär verdrängen; nur wenn sich solche Fälle finden lassen, kann danach gefragt werden, ob eine Bestrafung auch der Beihilfe dem Sinn und Zweck der Norm entspricht; in diesem Sinne etwa Sommer, IR 1981,490 (494 f.), der eine pauschale Lösung, wie sie etwa Schmitt, NIW 1977. 1811, vorschlägt, zu Recht ablehnt.
12 Weisert
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
welchem Zweck die altruistische Handlung vorzunehmen ist. Insbesondere der jeweilige Sinn und Zweck der einzelnen Vorschriften kann unterschiedliche Antworten darauf geben, ob der Bereich des verbotenen oder - beim Delikt der unterlassenen Hilfeleistung - gebotenen altruistischen HandeIns restriktiv oder extensiv auszulegen ist. Als Beispiel mag etwa der Landfriedensbruch gemäß § 125 Abs. 1 StGB dienen, bei dem das Gesetz sogar den tenninus technicus der Teilnahme verwendet und doch nicht sämtliche denkbaren Teilnahmehandlungen vom Tatbestand erfaßt wissen will. Zwar wird ausgeführt: "Wer sich an Gewalttätigkeiten ... , die aus einer Menschenmenge ... begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt, ... wird ... bestraft." Gleichwohl sollen alle diejenigen Handlungen, die zwar unter die Tatbestände der §§ 26 f. StGB fallen, jedoch von außerhalb der Menschenmenge stehenden Personen begangen werden, keine Teilnahmehandlung im Sinne von § 125 Abs. 1 StGB und somit keinen täterschaftlichen Landfriedensbruch darstellen, sondern vielmehr als bloße Anstiftung oder Beihilfe zum Landfriedensbruch bestraft werden 537 • Im folgenden kann es daher erneut nur darauf ankommen, nach einer gemeinsamen Grundstruktur der jeweiligen, eine bestimmte Art von Hilfe umschreibenden Begriffe zu fahnden. Auch hier wird sich wieder die Frage stellen, ob sich die jeweilige Hilfshandlung ausschließlich als auf die Erreichung eines bestimmten Zieles gerichtet definiert, sei es daß man einen Kausalnexus verlangt oder auch nur eine (tauglich) versuchte oder gefährliche Handlung, oder ob demgegenüber erneut die Interessenförderung zum Ziel führt. Bei dieser sicherlich nicht abschließenden Untersuchung der in Betracht kommenden Tatbestände soll allerdings zunächst bewußt die Absatzhilfe im Rahmen der Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB außer acht gelassen werden, weil dieser Tatbestand schon aufgrund der gemeinsamen historischen Wurzel für die Auslegung des Begünstigungstatbestandes von besonderem Interesse ist und daher einer separaten Betrachtung bedarf.
1. "Fördern" gemäß § 120 Abs. I, § 180aAbs. I Nr.2 und § 354 Abs. 2 Nr.3 StGB Bei der Gefangenenbefreiung gemäß § 120 Abs. 1 StGB, der Förderung der Prostitution gemäß § 180 a Abs. 1 Nr.2 StGB und auch bei der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses gemäß § 354 Abs. 2 Nr.3 StGB wird jeweils eine bestimmte Handlung gefördert, die ebenso wie bei der Beihilfe tatsächlich vorliegen muß. Da die Begriffe Hilfeleistung und Förderung sprachlich keine unterschiedliche Bedeutungen haben, liegt somit nichts näher, als die zu jenem Begriff gewonnenen Erkenntnisse auf diesen zu übertragen. Demnach wäre m V gl. nur LacknerlKühl, § 125 Rn.II; Sch/Schr25 , Lenckner, § 125 Rn. 13 .
c. Systematische Auslegung
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jede Handlung, die sich als Beihilfe entweder zur Selbstbefreiung eines Gefangenen oder zur Ausübung der Prostitution oder zur Verletzung von Fernmeldegeheimnissen im Sinne von § 354 Abs. 1 und 2 Nr.l und 2 StGB darstellen würde, unter den jeweiligen Begriff der Förderung zu subsumieren538 • Nach den Grundsätzen der Kettenbeihilfe wäre damit Beihilfe zu diesen F örderungshandlungen zwar konstruktiv möglich, würde aber zugleich eine täterschaftliche Förderung im Sinne dieser Tatbestände darstellen. Zum Teil wird allerdings bei der Gefangenenbefreiung aus teleologischen Überlegungen heraus dadurch ein gewisses Reservat für die Beihilfe geschaffen, daß nur die unmittelbar oder auf Veranlassung des Gefangenen gewährte Hilfe tatbestandlich sein so1l539. Jedoch ist das Kriterium der Unmittelbarkeit der Hilfe nur schwerlich zu rechtfertigen, wenn man mit der herrschenden Lehre bei der Beihilfe und demzufolge auch beim Begriff der Förderung gemäß § 120 Abs. 1 StGBentscheidendes Gewicht auf den kausalen Tatbeitrag legen Will 540 . Aufgrund der Gleichwertigkeit sämtlicher Kausalfaktoren ist nicht einzusehen, warum der Schnitt zwischen Täterschaft und Teilnahme bei der Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit der Verursachung vollzogen werden soll. Legt man jedoch bei der Beihilfe die "Interessenförderungstheorie" zugrunde, so hat eine Unterscheidung zwischen der Förderung der Interessen eines die Gefangenenbefreiung fördernden Zwischenmannes als mittelbare Förderung der Interessen des Gefangenen selbst und der unmittelbaren Förderung von dessen Fluchtinteressen durchaus Sinn. Unter diesem Aspekt läßt sich auch die auf direkte Veranlassung des Gefangenen von einem Hintermann gewährte Hilfe selbst bei Zwischenschaltung einer ebenfalls die Befreiung fördernden Mittelsperson ohne weiteres als unmittelbare Förderung verstehen, da in diesem Fall eine direkte Brücke zu den Interessen des Gefangenen geschlagen ist und dieser daher nicht lediglich generell an der Beihilfe zugunsten der Mittelsperson interessiert ist, sondern konkret an der veranlaßten Handlung des Hintermannes selbst. Die Richtigkeit einer solchen tatbestandlichen Einschränkung auf ausschließlich unmittelbare Förderungshandlungen braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Gleichwohl läßt sich am Delikt der Gefangenenbefreiung be538 So etwa im Falle der Gefangenenbefreiung konsequent Lackner, § 120 Rn.8; die von Siegert, JZ 1973, 308 (309), als problematisch bezeichnete Frage, wie die Konkurrenz zwischen dem verwirklichten Fördern und der Beihilfe zu behandeln sei, ist daher ohne weiteres mit der Subsidiarität letzterer zu beantworten. 539 So etwa LK 10, v.Bubnoff, § 120 Rn.31; Sch/Schr25 , Eser, § 120 Rn.II-12. Immerhin geht Eser, aaO, angesichts seines Verweises auf den Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung - nachdem er zuvor die Förderung als Beihilfehandlung umschrieben hatte - offenbar davon aus, daß die sogenannten Hilfsbegriffe tatbestandsübergreifend einheitlich verstanden werden müssen, was ganz dem Sinne obiger Ausführungen entspricht. 540 Vgl. für die Gefangenenbefreiung nur Sch/Schr25 , Eser, § 120 Rn.II-12; Siegert, .rZ 1973, 308.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
reits erkennen, daß zwar von der herrschenden Meinung die bei der Beihilfe vertretene "Verursachungstheorie" auf den Begriff der Förderung übertragen wird, dadurch jedoch nicht nur die Fälle eines kausalen, jedoch die Befreiung erschwerenden Beitrags mit dem Wortlaut nicht vereinbar sind, sondern auch der Versuch, den Tatbestand auf unmittelbare Förderungen zu beschränken, mit dem Kausalitätserfordernis nur schwer erklärbar ist. Mit einem ähnlichen, von Teilen der Literatur unternommenen Versuch einer Tatbestandseinschränkung haben wir es bei § 180 a Abs. I Nr.2 StGB zu tun. Hier stellt sich die Frage, ob etwa auch das bloße Schaffen günstigerer Bedingungen für die Prostitutionsausübung unter diesen Tatbestand fallen soll. Unter dem Gesichtspunkt der Kausalität läßt sich nicht leugnen, daß auch durch solche Handlungen die Prostitution gefördert wird 541 . Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, daß angesichts der Tatsache, daß § 180 a StGB weniger der Bekämpfung der Prostitution schlechthin dient als vielmehr die Prostituierte in ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit schützen will, der Tatbestand insoweit teleologisch zu reduzieren sei. Danach würde beispielsweise das Schaffen einer "gehobenen und diskreten Atmosphäre", wiewohl für die Prostitution kausal, nicht unter § 180 a Abs. 1 Nr.2 StGB fallen 542 • Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man mit der "Interessenförderungstheorie" von vornherein die Frage stellt, um wessen Interessen es bei der Förderung der Prostitutionsausübung gehen soll. Unter diesem Aspekt wird ohne weiteres deutlich, daß die Prostitution "nicht im wohlverstandenen Interesse der Prostituierten, sondern im Erwerbsinteresse der Nutznießer vorangebracht" werden muß, um tatbestandlich zu sein543 • Erneut erweist sich also die Schwäche der Theorien, die eine Gunsterweisung, Hilfeleistung oder Förderung allein unter dem Gesichtspunkt eines kausalen Beitrags zu einem bestimmten Erfolg erklären wollen; vernachlässigen sie doch die Tatsache, daß jene Begriffe zuvörderst einen einer bestimmten Person willkommenen Beitrag umschreiben und es folglich auf deren (objektives) Interesse ankommen muß. Beim Tatbestand der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses gemäß § 354 Abs. 2 Nr.3 StGB wird nach allgemeiner Ansicht das Merkmal der Förderung als mit dem Hilfeleistungsbegriff im Sinne von § 27 Abs. 1 StGB identisch verstanden, sofern eine Handlung nicht bereits unter das Merkmal der "Gestattung" fällt 544 . Argumente für eine Präferenz einer bestimmten im Rahmen der Beihilfe vertretenen Theorie lassen sich jedoch speziell der Struktur des § 354 Abs.2 Nr.3 StGB nicht entnehmen. Es bleibt daher bei den oben 541 Der BGH befürwortet daher eine Strafbarkeit in diesen Fällen, vgl. BGH (1. Strafsenat, 17.9.1985), NJW 1986,596; BGH (5. Strafsenat, 22.10.1985), StV 1986,297; zustimmend etwa LacknerlKühl, § 180 a Rn.4. 542 So etwa Sch/Schr25 , Lenckner, § 180 a Rn. 10, m. w. N. ,43 Trändie, § 180 a Rn.5; ebenso SK, Horn, § 180 a Rn.9. ,44 V gl. nur LacknerlKühl, § 354 Rn.II; Trändie, § 354 Rn.16.
c. Systematische Auslegung
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hierzu angesprochenen Schwächen der in der Literatur vertretenen Theorien, so daß auch hier der "Förderungs-" bzw. "Interessenförderungstheorie" der Vorzug einzuräumen ist. Eine Teilnahme an § 354 Abs.2 Nr.3 StGB kommt schließlich nur bei Anstiftungs- oder Beihilfehandlungen von nicht bei der Post bediensteten Personen in Betracht.
2. " Unterstützen" gemäß § 84 Abs. 2, § 85 Abs. 2,
§ 129 Abs. 1 und § 129 a Abs. 3 StGB
Im Gegensatz zum Begriff der Förderung verwendet der Gesetzgeber den der Unterstützung in den Tatbeständen der §§ 84 f. und 129 f. StGB nicht im Hinblick auf eine konkrete Handlung einer anderen Person, sondern als Gunsterweisung in Bezug auf eine Organisation bzw. Personenvereinigung schlechthin. Bei den §§ 84 f. StGB geht es um die Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts einer verfassungswidrigen Partei oder sonstigen verbotenen Vereinigung, bei den §§ 129 f. StGB um die generelle Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung. Bis auf die Tatsache, daß der Begriff der Unterstützung bildlich gesehen etwas Statisches besitzt im Sinne einer Absicherung eines gefährdeten Zustands -, wohingegen der Förderung begrifflich eine gewisse Dynamik eigen ist, lassen sich keine Unterschiede im Sprachgebrauch dieser Begriffe feststellen. Denn auch die Unterstützung kann, wie etwa in den §§ 84 f. StGB, auf ein anzustrebendes Ziel gerichtet sein, da es dort ausschließlich um die Unterstützung des organisatorischen Zusammenhalts geht; ein sprachlicher Unterschied zur Förderung des organisatorischen Zusammenhalts läßt sich daher nicht feststellen. Der Begriff der Unterstützung muß daher nach der Förderung als weiteres Synonym zum Hilfeleistungsbegriff verstanden werden. Die herrschende Meinung überträgt daher auch hier zu Recht die zum Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe gewonnenen Erkenntnisse zumindest auf die §§ 84 f. StGB545 • Dies fällt um so leichter, wenn man berücksichtigt, daß bei diesen ebenso wie bei der Beihilfe ein gewisser Unterstützungserfolg eingetreten sein muß 546 • Problematisch ist allerdings, daß dieser Erfolg bei den §§ 84 f. StGB - der organisatorische Zusammenhalt - ontologisch und damit auch unter dem Gesichtspunkt einer kausalen Verursachung kaum faßbar ist. Daher muß auch hier wieder die "Verursachungstheorie" an ihre Grenzen stoßen, wenn man mit Stree als Tatbestandsrestriktion verlangt, daß die Organisation entweder unmittelbar oder in erheb li-
545 Vgl. nur BGHSt (3. Strafsenat, 30.10.(964) 20, 89; Dreher, MDR 1972, 553 (557); Lackner, § 84 Rn.3; Tröndle, § 84 Rn.8. 546 Lackner, § 84 Rn.3, spricht von einem "organisatorischen Effekt".
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
chem Umfang gefördert werden müsse 547 • Denn die unmittelbare Unterstützung ist keineswegs "kausaler" als die mittelbare. Indes verläßt Stree selbst den Boden der "Verursachungstheorie", wenn er die Unterstützung als einen Beitrag defmiert, der objektiv dazu geeignet ist, den organisatorischen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten548 • Damit bringt er zwar zutreffend zum Ausdruck, daß es nur schwerlich darauf ankommen kann, einen bestimmten - ohnehin objektiv kaum feststellbaren - Effekt hinsichtlich des Zusammenhalts hervorgerufen zu haben. Das Unterstützungsziel im Rahmen der §§ 84 f. StGB erweist sich daher als ähnlich unscharf wie die Vorteilssicherung bei der Begünstigung. Dennoch ist zweifelhaft, ob statt dessen das Erfordernis der Eignung - folgert man daraus nun eine Art Gefährdung rur das Rechtsgut oder einen tauglichen Versuch - dem von diesen Delikten intendierten Rechtsgüterschutz gerecht werden kann. Auch hier bietet sich wieder die "Interessenförderungstheorie" als Lösungsmodell an: Nicht jeder Beitrag, der mutmaßlich den organisatorischen Zusammenhalt zu erhöhen geeignet ist, stellt sich als Förderung bzw. Unterstützung dar. Maßgebend sind vielmehr die auf den Zusammenhalt gerichteten Interessen der jeweiligen Partei oder Vereinigung; diese zu fördern ist bei Strafe verboten, denn allein hierdurch wird das vom Verfassungsgericht ausgesprochene Parteienverbot unterwandert549 • Die Anwendbarkeit der bei der Beihilfe vertretenen "Verursachungstheorie" gerät erst recht bei den Vorschriften der §§ 129 f. StGB ins Wanken, da hier als Erfolg der Unterstützungshandlung allenfalls die Entstehung oder das Weiterbestehen der generellen "Existenz der kriminellen oder terroristischen Vereinigung als besonderer Gefahrenquelle" in Betracht kommt55o . In der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre begnügt man sich daher mit einer Handlung, die rur die jeweilige Vereinigung entweder "irgendwie vorteilhaft" ist oder die Mitglieder in ihrem Zusammenwirken bestärkt551 . Gleichwohl sollen damit sämtliche Fälle einer Hilfeleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB abgeIn: Sch/Schr2s , § 84 Rn.16. Sch/Schr25 , Stree, § 84 Rn.16. Dabei verweist er auf die identische Definition des Unterstützungsbegrifffs bei § 129 StGB durch Lenckner im selben Kommentar, § 129 Rn.15, und dieser wiederum auf die auch von Stree vertretene herrschende "objektive Eignungstheorie" bei der Begünstigung, aaO, § 257 Rn.15. 549 Dem entspricht auch der vom Gesetzgeber, BT -Drs. 5/2860, S. 6, hervorgehobene Unterschied zum Werben, bei dem im Gegensatz zum Unterstützen kein Förderungserfolg eingetreten sein muß. Der Erfolg liegt jedoch nicht in der kausal verursachten Steigerung des Zusammenhalts, sondern in der Förderung der Interessen; a.A. hingegen Dreher, MDR 1972, 553 (557). 550 So Rudolphi, FS Bruns, S. 315 (329). m BGHSt (3. Strafsenat, 3.10.1979) 29, 99 (\01, wobei die Parallele zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung hervorgehoben wird!); BGHSt (3. Strafsenat, 25.1.1984) 32, 243 (244); BGHSt (3. Strafsenat, 25.7.1984) 33,16 (17); BGH (1. Strafsenat, 24.8.1987), NJW 1988, 1677 (1678); Lackner/Kühl, § 129 Rn.6; Trändie, § 129 Rn.4b. 547 548
C. Systematische Auslegung
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deckt sein, so daß jede Beihilfe zur Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung zugleich auch eine täterschaftliehe Unterstützung darstellen würde 552 • Während die Rechtsprechung vor dem Hintergrund der von ihr bei der Beihilfe vertretenen "Förderungstheorie" mit Fug auf eine solche Kongruenz zwischen Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe und Unterstützungsbegriff bei den §§ 129 f. StGB schließen kann, läuft die Anwendung der "Verursachungstheorie" bei diesen Delikten Gefahr, zu einer uferlosen Ausdehnung der Strafbarkeit zu führen: Soll jede Handlung strafbar sein, die lediglich für das weitere Existieren der Organisation kausal ist, so trifft dies im Grunde für sämtliche Handlungen zu, die die jeweilige Vereinigung jedenfalls nicht nachweislich behindern. Lenckner lehnt daher konsequenterweise ebenso wie Stree im Rahmen der §§ 84 f. StGB eine Übertragung der "Verursachungstheorie" auf die §§ 129 f. StGB ab und damit auch die von der herrschenden Meinung vorgenommene Einstufung dieser De1.ikte als sogenannte verselbständigte Beihilfe: Da es für eine Unterstützung im Gegenteil auch nicht genügen könne, wenn der Täter lediglich eine gewisse Tendenzhandlung vornehme, verlangt er entsprechend zur "objektiven Eignungstheorie" bei der Begünstigung eine Handlung, in deren Genuß die Vereinigung komme und die objektiv geeireet sei, die Bestrebungen der Organisation in irgendeiner Weise zu fördern 53. Abgesehen von den mit dem Eignungskriterium verbundenen faktischen und dogmatischen Problemen stellt sich jedoch die Frage, ob mit der Defmition der Unterstützung als Förderung der Bestrebungen der Vereinigung etwas an Gehalt gewonnen wird. Die "Förderung der Bestrebungen einer Vereinigung" stellt sich insoweit als genauso unscharf dar wie die" Unterstützung einer Vereinigung". Sowohl die von der herrschenden Meinung geforderte "irgendwie vorteilhafte" Handlung als auch die zur Förderung geeignete Handlung kommen dem eigentlichen Kern nahe, treffen ihn jedoch nicht: Erneut bietet sich eine Lösung nur mit der Förderung der objektiven Interessen der jeweiligen Vereinigung an. Nur wenn eine Handlung diese Voraussetzung erfüllt, ist sie auch im Sinne der herrschenden Meinung für die Organisation vorteilhaft und zwar unabhängig von der Tatsache, ob der eigentlich erstrebte Erfolg eintritt oder ob die Vereinigung einen tatsächlichen, meßbaren Nutzen davon hat554 . Das Eignungskrite552 Vgl. TrändIe, § 129 Rn.4d, mit Verweis auf eine unveröffentlichte BGHEntscheidung. SK, Rudolphi, § 129 Rn.21, will hingegen jede andere Form von Teilnahme straflos lassen, erläutert allerdings nicht, welche Formen überhaupt noch denkbar sind. Sommer, JR 1981, 490 (495), lehnt aus teleologischen Gründen jegliche Anwendbarkeit des § 27 StGB in Bezug auf § 129 StGB ab und kann daher offenlassen, inwieweit sich der Unterstützungsbegriffmit der Hilfeleistung gemäß § 27 StGB deckt. m In: Sch/Schr25 , § 129 Rn.l5. 554 Wenn Rudolphi, FS Bmns, S. 315 (330), auf einen kausalen Beitrag zur Existenz dieser Vereinigung in ihrem Gefahrdungspotential abstellt, beschreibt er damit im Er-
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
rium muß hingegen erneut versagen, wobei speziell bei den §§ 129 f. StGB die Unklarheit darüber noch hinzukommt, zu welchem konkreten Erfolg ein geeigneter Beitrag geleistet werden muß.
3... Vorschub/eisten" gemäß § 180 Abs. 1,2 StGB Ein weiteres Tatbestandsmerkmal, das sich ebenso der Reihe der Hilfsbegriffe zuordnen läßt, stellt das Vorschubleisten im Sinne von § 180 Abs. 1 und 2 StGB dar. Auch hier wird eine bestimmte Handlung bzw. ein Geschehen, nämlich sexuelle Handlungen unter Beteiligung einer Person unter 16 Jahren, vorangetrieben, befördert, unterstützt. Dennoch scheidet eine völlige Kongruenz der insoweit in Betracht kommenden Tathandlungen mit solchen, die unter den Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe zu subsumieren wären, von vornherein aus, da nur bestimmte Vorschubleistungen in § 180 Abs. 1, 2 StGB unter Strafe gestellt sind: Zum einen die Vermittlungstätigkeit, zum anderen das Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit. Für alle anderen Unterstützungstätigkeiten kommt daher lediglich die Bestrafung wegen Beihilfe zur Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger in Betracht555 • Nach einhelliger Auffassung braucht es für das Vorschubleisten gemäß § 180 Abs. 1 StGB nicht zu den sexuellen Handlungen gekommen zu sein. Daraus ergibt sich aufs neue das Problem, wie die Förderungshandlung näher eingegrenzt werden soll. Nur vereinzelt wird entsprechend zur "Theorie des echten V orteilssicherungsversuchs" bei der Begünstigung die Konsequenz gezogen, daß es sich bei § 180 Abs. 1 StGB im Hinblick auf das Zustandebringen sexueller Handlungen unter Beteiligung einer Person unter 16 Jahren um ein Unternehmensdelikt handele 556 . Richtig an diesem Ansatz ist sicherlich, daß es sich bei den sexuellen Handlungen nicht um einen kausal herbeizuführenden Tat-
gebnis nichts anderes: Das Gefahrdungspotential stellt jedoch kein äußerlich greifbares Faktum dar, so daß es schwer fällt, kausale Ursachen hierfür festzustellen; vielmehr geht das Gefährdungspotential von der Gesamtheit der Mitglieder und ihrer Absichten aus. Der eigentliche Unrechtsgehalt besteht daher in der Förderung deren Interessen. m Daß eine Beihilfe zum Vorschubleisten im Sinne von § 180 Abs. 1 oder 2 StGB möglich ist, ist h.M.; vgl. Sch/Schr25 , Lenckner, § 180 Rn.30; 'Tröndle, § 180 Rn.25. Ein spezielles, die Frage nach der notwendigen Teilnahme betreffendes Problem ist die Teilnahmefahigkeit der Minde~iährigen einerseits - allgemein verneint - und des an den Handlungen beteiligten Dritten andererseits - verneint etwa von Armin Kaufmann, MDR 1958, 177 (178); LacknerlKühl, § 180 Rn.14; Sch/Schr25 , Lenckner, § 180 Anm.32; bejaht von BGHSt (5. Strafsenat, 1.10.1957) 10,386; BGHSt (1. Strafsenat, 28.2.1961) 15,377; differenzierend: Tröndle, § 180 Rn.25. 556 So SK, Horn, § 180 Rn.2 und 37.
C. Systematische Auslegung
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bestandserfolg handeln kann 557 • Um jedoch völlig untaugliche Handlungen auszuschließen, wird vielfach die Lösung in einem kausal zu verursachenden Zwischenerfolg gesucht, etwa dem Schaffen günstigerer Bedingungen fiir sexuelle Handlungen im Sinne einer unmittelbaren Gefährdung der minderjährigen Person oder der Herbeifiihrung der Bereitschaft eines der beiden Partner558 • Diese Definition vermag jedoch im Einzelfall kaum zu klären, wie sehr Ort, Zeit und beteiligte Personen konkretisiert sein müssen, um von einer Schaffung günstigerer Bedingung sprechen zu können. So soll etwa das Unterhalten eines Lokals, in dem derartige Kontakte ohne weiteres möglich sind, noch nicht unter das Vorschubleisten im Sinne von § 180 Abs. 1 StGB fallen 559, obwohl nicht zu leugnen ist, daß dadurch bereits günstigere Bedingungen geschaffen wurden. Indes muß auch hier jede Definition des Vorschubleistens, die sich nicht an den die Handlung vornehmenden Personen orientiert, zu Schwierigkeiten fiihren. Von § 180 Abs. 1 StGB unter Strafe gestellt ist die Förderung eines bestimmten sexuellen Kontaktes zwischen zwei vom Täter verschiedenen Personen. Dieser Kontakt wird, wenn nicht sogar von beiden, so doch zumindest von einer dieser Personen gewollt und "tatherrschaftlich" herbeigefiihrt. Wenn es also um das Verbot der Förderung einer Handlung geht, die von einer oder zwei anderen Personen durchgeführt werden soll, so kann es wie schon beim Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe nur darum gehen, daß die auf die Herbeifiihrung dieses sexuellen Kontaktes gerichteten Interessen der jeweils dazu gewillten Beteiligten gefördert werden. Die Frage nach der Konkretisierung von Ort, Zeit und Personen ergibt sich demnach von selbst: Mindestens eine Person muß demnach feststehen, um deren konkrete, auf sexuelle Handlungen gerichtete Interessen fördern zu können, sei es, indem eine andere Person vermittelt wird oder ein Beitrag zur Verschaffung der zeitlichen oder örtlichen Gelegenheit geleistet wird. Nichts anderes kann im Ergebnis fiir den Tatbestand des Vorschubleistens entgeltlicher sexueller Handlungen einer Person unter 18 Jahren nach § 180 Abs. 2 StGB gelten. Im Gegensatz zu Abs. 1 wird hier allerdings überwiegend verlangt, daß eine solche Handlung tatsächlich zustande kommen muß 560 • Aber auch hier kann es nicht darauf ankommen, ob der Täter letztlich fiir diese Handlung kausal geworden ist, sondern lediglich, ob die Interessen der Perm Vom Boden der bei der Beihilfe herrschenden Verursachungstheorie muß es allerdings überraschen, wenn Trändie, § 180 Rn.6, die "erfolglose sowie die nicht kausale Beihilfe (!)" aufführt. 558 Vgl. BGHSt 10, 386 (387); BGHSt (3. Strafsenat, 24.11.1971) 24, 249 (253); LacknerlKüfz/, § 180 Rn.7; LKW, Laufhütte, § 180 Rn.4; Sch/Schr25 , Lenckner, § 180 Rn.6; Trändie, § 180 Rn.6. S59 S. Lackner, Laufhütte und Lenckner jeweils am aaO. >60 Dies befürworten etwa LKW, Laufhütte, § 180 Rn.16; Sch/Schr25 , Lenckner, § 180 Rn.25; SK, Horn, § 180 Rn.37. A.A. hingegen Trändie, § 180 Rn.16 f.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
son(en), die die entgeltliche sexuelle Handlung vornehmen will bzw. wollen, gefördert wurden. Bei der Forderung nach dem Eintritt des mit der Förderungshandlung verfolgten Zieles handelt es sich daher um eine Tatbestandsrestriktion aus teleologischen Gründen, deren Berechtigung hier nicht weiter nachgegangen zu werden braucht.
4. "Begehen-" oder" Geschehenlassen " gemäß § 340 Abs. I S. I und § 357 Abs. I StGB
Schließlich seien noch mit den Delikten der Körperverletzung im Amt gemäß § 340 StGB und der Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat gemäß § 357 StGB zwei Tatbestände herausgegriffen, die eine auf die speziellen Deliktsumstände zugeschnittene Umschreibung der Hilfeleistung im Sinne von § 27 Abs. 1 StGB enthalten. Aufgrund der besonderen Stellung als Amtsträger bzw. Vorgesetzter sind die Täter nicht nur verpflichtet, keiner dritten Person bzw. keinem Untergebenen Hilfe zu einer Straftat zu leisten, sondern auch, Straftaten so weit wie möglich zu unterbinden. Die Formulierung des Begehenbzw. Geschehenlassens bringt jedoch keinen sachlichen Unterschied zum Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe mit sich. Es wird dadurch lediglich hervorgehoben, daß nicht nur eine Hilfeleistung durch aktives Tun ebenso wie die vom anderen begangene Tat- ohne Milderung des § 27 Abs. 2 S. 2 StGB! - bestraft wird, sondern aufgrund der tatbestandlich festgelegten GarantensteIlung insbesondere auch eine Hilfe durch Unterlassen in Betracht kommt. Ein Vorzug der einen oder anderen Hilfeleistungstheorie läßt sich bei diesen Tatbeständen jedoch nicht ermitteln, da Kausalität, Risikoerhöhung und Interessenforderung stets gleiChermaßen gegeben sind.
5. Zusammenfassung Der Blick auf die Straftatbestände, die ein mit dem Hilfeleistungsbegriff verwandtes, in der Regel synonymes Tatbestandsmerkmal haben, lehrt uns daher zusammengefaßt zweierlei. Zum einen ist von der Vorstellung Abstand zu nehmen, daß bei diesen Delikten die Beihilfe gleichsam in den Besonderen Teil des StGB gewandert sei; übernommen wurde lediglich der Hilfeleistungsbegriff der Beihilfe, der ebenso wie dort auch bei den genannten Tatbeständen seine eigenständige Bedeutung hat. Eine solche Übertragung ist freilich nur dann möglich, wenn zuvor - wie oben geschehen - bei der Beihilfe eine solche Hervorhebung des eigenständigen Hilfeleistungsbegriffs vorgenommen wurde, die Definition einer Beihilfehandlung also nicht lediglich aus dem Sinn und
C. Systematische Auslegung
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Zweck der Teilnahme und dem Wesen der Akzessorietät abgeleitet wurde, ohne danach zu fragen, was dem anderen wirklich hilft. Des weiteren konnte aber auch festgestellt werden, daß es bei den angesprochenen Tatbeständen des Besonderen Teils ebenso wie bei der unterlassenen Hilfeleistung gelingt, dem Hilfeleistungsbegriff eine strafrechtlich einheitliche Bedeutung zu geben: Das Verständnis als Förderung bestimmter, vom jeweiligen. Tatbestand näher umschriebener Interessen des Hilfeempfangers vermag einerseits den Unrechtskern der helfenden, fördernden oder unterstützenden Handlung hinreichend genau zu umschreiben; insbesondere werden die Schwierigkeiten der Theorien, die Hilfe stets an der Verursachung eines bestimmten Erfolges messen wollen, bei denjenigen Delikten, die einen solchen Erfolg gar nicht voraussetzen, vermieden. Andererseits bietet die Ausrichtung der Hilfshandlung an bestimmten Interessen des anderen genügend Spielraum, um dem Schutz der jeweils unterschiedlichen Rechtsgüter der einzelnen Normen gerecht zu werden.
IV. Die Hehlerei, § 259 StGB 1. Die Problematik des Hilfeleistungsbegrifft bei der Hehlerei
Auf den ersten Blick scheint für unseren Zusammenhang bei der Hehlerei lediglich die Tatbestandsalternative der Absatzhilfe von Bedeutung zu sein. Sowohl die im Eigeninteresse zu verwirklichende Alternative des SichVerschaffens als auch das im Interesse des Vortäters vorzunehmende Absetzen der Beute geben keine Anhaltspunkte für eine mögliche Relevanz des Hilfeleistungsbegriffs. Betrachtet man daher das Merkmal der Absatzhilfe isoliert, so liegt der Schluß nahe, daß man es auch hier wiederum mit einer sogenannten verselbständigten Beihilfe zum an sich straflosen Beuteabsatz durch den Vortäter zu tun haben könnte. Nach den obigen Ausführungen S61 müßte man allerdings genauer sagen, daß es sich lediglich um die Übertragung des Hilfeleistungsbegriffs bei der Beihilfe auf die Hehlerei handeln würde; dem Vortäter müßte beim von ihm vorgenommenen Absatz seiner Beute Hilfe geleistet werden. Aufgrund der tatbestandlichen Gleichstellung der Absatzhilfe mit dem Absetzen läge es dann ferner nahe, daß auch bei der Alternative der Absatzhilfe ein vollendeter - oder im Falle der versuchten Hehlerei ein versuchter - Absatz durch den Vortäter vorausgesetzt würde s62 • Ebenso wie bei der Beihilfe wäre dann die Frage zu untersuchen, ob der Hehler Absatzhilfe nur durch einen S. o. 2. Abschnitt, c.m, S.187 f. So in der Tat die h.L., vgl. nur Küper, JuS 1975, 633 (634 ff.); Lackner/Kühl, § 259 Rn. 13; LK II , Ruß, § 259 Rn.26; Stree, JuS 1976, 137 (143); ders., in: Sch/Schr25 , § 259 Rn.32, 38; SK, Samson, § 259 Rn.26. 561
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
kausalen oder risikoerhöhenden Beitrag zum Absatz leisten kann oder ob angesichts der oben angesprochenen Schwierigkeiten dieser Beihilfetheorien auf die "Interessenförderungstheorie" zurückzugreifen ist. Nun ist aber keineswegs unbestritten, daß es sich bei der Absatzhilfe um eine Beihilfe bzw. Hilfeleistung zum vom Vortäter tatherrschaftlich ausgeführten Absatz handelt. Vielmehr wird insbesondere von der Rechtsprechung vertreten, daß Absatz und Absatzhilfe insgesamt als eine Hilfe zum Absatz bzw. bei Absatzbemühungen des Vortäters oder des Vorbesitzers zu verstehen sind563 . Die beiden Tatbestandsmerkmale unterscheiden sich demnach nur in der Frage, ob der Hehler selbständig (dann Absatz) oder unselbständig, d.h. in Abhängigkeit vom Vortäter (dann Absatzhilfe) handelt. Für eine vollendete Hehlerei bedarf es nach dieser Ansicht somit keines Absatzerfolges. Auch nach dieser Auffassung würde also im Rahmen des § 259 StGB der Hilfeleistungsbegriff wieder auftauchen, und zwar in einer durchaus ähnlichen Weise wie bei der Begünstigung: Dort geht es um auf Vorteilssicherung gerichtete Hilfe, hier wäre die Hilfe auf Beuteabsatz gerichtet. Bedenkt man noch die gemeinsame historische Wurzel von Begünstigung und Hehlerei als sogenannte Nachtathilfe - nicht unbedingt Beihilfe nach der Tat! -, so ist zu erwarten, daß aus dem Streitstand bezüglich der Tatbestandsmerkmale des Absatzes und der Absatzhilfe bei der Hehlerei für die Bedeutung des Hilfeleistungsbegriffs wertvolle Erkenntnisse abgeleitet werden können.
2. Enthält lediglich das Merkmal der Absatzhilfe den Hilfeleistungsbegriff oder ist die Hehlerei insgesamt ein Hilfsdelikt?
a) Grammatische Auslegung Für die herrschende Lehre, die sowohl beim Merkmal des Absetzens als auch bei der Absatzhilfe für eine vollendete Hehlerei stets das Erreichen eines Absatzerfolgs voraussetzt, spricht zuvörderst ein gewichtiges Wortlautargument: Zumindest der Begriff des Absetzens scheint eindeutig die Verursachung eines Absatzerfolges, nicht bloß eine darauf gerichtete Tätigkeit vorauszusetzen. Indes ist diese Auslegung keineswegs zwingend. Wir hatten schon an anderer 563 Nachdem noch BGH (2. Strafsenat, 26.5.1976), NJW 1976, 1698, zumindest fur das Absetzen einen Absatzerfolg vorausgesetzt hatte, distanzierte er sich im folgenden davon: Vgl. BGHSt (3. Strafsenat, 16.6.1976) 26, 358 (zumindest bei der Absatzhilfe, was der 2. Senat zuvor nur in einem obiter dictum erwähnt hatte); BGHSt (4. Strafsenat, 4.11.1976) 27, 45 (hier auch flir die Alternative des Absetzens bestätigt); BGH (3. Strafsenat, 16.12.1988), NJW 1989, 1490 (= NStZ 1989, 319); dem folgen etwa Trändie, § 259 Rn.18 f.; Wesseis, BT 2, § 20.III.3b Rn.808 (allerdings zweifelnd).
c. Systematische Auslegung
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Stelle gesehen, daß bestimmte Begriffe, wie etwa das Nachstellen in § 292 Abs. 1 StGB, als sogenannte finale Tätigkeitswörter eingestuft werden, es also nur um das Anstreben eines dahinterliegenden Erfolges geht564 . Nicht selten wird bei der Begünstigung von einigen Vertretern der "Versuchstheorien" gerade auch der Hilfeleistungsbegriff in diese Kategorie eingestuft, ohne damit jedoch zu plausiblen Ergebnissen zu kommen. Untersucht man den Begriff des Absetzens, so ist eine solche Deutung als Tätigkeitswort allerdings keineswegs ausgeschlossen. Insbesondere kann Absetzen nicht ohne weiteres mit dem Begriff Verkaufen völlig gleichgesetzt werden: Bedeutet zwar der Absatz einer Ware letztlich deren Verkauf und Veräußerung, so lenkt doch der Begriff des Absetzens seiner eigentlichen Wortbedeutung nach den Blick auf den Vorgang, der die noch nicht abgesetzte Ware zur abgesetzten werden läßt. Absetzen umschreibt daher stets den rechtlichen Vorgang des Verkaufs bzw. Eigentumsübergangs, in der Regel aber auch die tatsächliche Übergabe (§ 929 S. 1, § 854 Abs. 1 BGB). Allerdings kann die zeitliche Spanne des Verkaufs- und Veräußerungsvorgangs in manchen Fällen derart kurz sein, daß sich Absatzhandlung und Absatzerfolg kaum auseinanderhalten lassen. Nicht selten gehen jedoch dem Verkauf der Ware Anbahnungsgespräche und Verhandlungen voraus und folgt die Übereignung erst sehr viel später nach, so daß sich die absetzende Tätigkeit über diesen gesamten Zeitraum erstreckt. Es stellt daher keineswegs eine sprachliche "Vergewaltigung,,565 dar, wenn die mit dem Begriff des Absetzens umschriebene Tätigkeit nicht erst mit der unmittelbaren Herbeifiihrung des Absatzerfolges einsetzt - zumal angesichts des zivilrechtlichen Trennungsprinzips unklar bleibt, welcher rechtsgeschäftliehe Erfolg damit gemeint sein soll-, sondern bereits die auf den Verkauf gerichteten Bemühungen eine Absatztätigkeit darstellen. Von einer zwingenden Barriere des Wortlautes kann daher nicht gesprochen werden 566 .
b) Historische Auslegung Für die Ansicht, die bei der Hehlerei generell auf das Erreichen eines Absatzerfolges verzichtet, spricht der gesetzgeberische Wille. Demnach sollte das Tatbestandsmerkmal des Absetzens nur klarstellende Funktion haben, da nicht nur ein unselbständiges Handeln des Hehlers, sondern auch ein selbständiges bestraft werden sollte. Im übrigen wollte man an der zuvor geltenden RegeV gl. v. Weber, Grundriß, S. 54 f. So etwa Lackner, FS Heidelberg, S. 39 (61). 566 Lackner/Kühl, § 259 Rn. 13, bzw. Lackner, FS Heidelberg, S. 39 (61), spricht daher auch trotz seines Vergewaltigungsvorwurfs von einem vertretbaren Auslegungsergebnis. S64
565
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
lung, die von einem Mitwirken zum Absatz sprach, inhaltlich nichts ändern 567 • Nach damaligen Recht ging man einhellig568 davon aus, daß sämtliche auf einen Absatzerfolg gerichtete Tätigkeiten strafbar waren, unabhängig davon, ob diese sich im Hinblick auf jenen Erfolg noch als Versuchs- oder sogar nur als Vorbereitungshandlungen darstellten. Sollte nun das Mitwirken zum Absatz im wesentlichen durch den Begriff der Absatzhilfe ersetzt werden, so würde sich dieses Tatbestandsmerkmal als die eigentliche Unrechtsbeschreibung einer Hehlerei in Form der Absatzalternative darstellen. Auf das Merkmal des Absetzens hätte man dann sogar ganz verzichten können, wenn nur sichergestellt gewesen wäre, daß auch die selbständige Absatztätigkeit unter den Begriff der Absatzhilfe subsumiert werden könnte. Anders ist die gesetzgeberische Begründung von der nur klarstellenden Funktion des Absetzens nicht zu verstehen. Stehen sich die Begriffe des Absetzens und der Absatzhilfe in ihrer Bedeutung als Unterstützung bei Absatzbemühungen gleich, so wäre freilich auch das Gegenteil denkbar gewesen: Man hätte sich auch mit dem Merkmal des Absetzens begnügen können, sofern darunter auch die unselbständige Mitwirkung verstanden werden kann. Darauf, daß der Gesetzgeber von einer solchen Beliebigkeit der Begriffe ausgegangen ist, deutet auch die Genese des § 259 Abs. I StGB nF hin, bei der in der ersten, ursprünglichen Fassung von einer Unterkommission der Großen Strafrechtskommission allein das Tatbestandsmerkmal des Absetzens verwendet wurde, von einer Absatzhilfe hingegen noch nicht die Rede war569 • Der Wille des historischen Gesetzgebers wäre jedoch ohne Bedeutung, wenn die tatsächliche Tatbestandsfassung mit jenem unter keinen Umständen vereinbar wäre 57o • Daß dies nicht zwingend der Fall ist, wurde jedoch oben unter a) bereits angedeutet. Im übrigen sind aus dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG abgeleitete Bedenken nicht begründet, da die gesetzgeberische Absicht, auch nicht zum Absatzerfolg führende Handlungen mit Strafe zu bedrohen, sich zumindest im Begriff der Absatzhilfe niedergeschlagen hat. Es kann nicht behauptet werden, daß damit das Erreichen eines Absatzerfolges zwingend vorausgesetzt sei. Es bliebe daher lediglich noch die Frage zu klären, ob hiervon auch selbständige Absatztätigkeiten in hinreichend bestimmter Weise erfaßt sind. Daß auch dies nicht von vornherein ausgeschlossen ist, zeigt schon ein kurzer Blick auf die bislang erörterten Tatbestände, die den Hilfeleistungsbegriff oder einen ihm ähnlichen Begriff enthalten: So wird von niemandem vertreten, daß etwa nur der unselbständig Handelnde Beihilfe im Sinne Vgl. BT-Drs. 7/550, S. 253. Zu vereinzelt gebliebenen abweichenden Auffassungen vgl. Nachweise bei Küper, JuS 1975,633 (634, Fn. 2), und Lackner, FS Heidelberg, S. 39 (41, Fn. 8). 569 Nachweis dieser Genese bei Küper, JuS 1975,633 (634). ,70 Zur Funktion des Wortlautes als Auslegungsschranke insbesondere bei der Absatzhilfe vgl. Lackner, FS Heidelberg, S. 39 (56 ff.). ,67 ,68
c. Systematische Auslegung
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von § 27 StGB leisten könnte 571 • Im Ergebnis ist daher nicht zu leugnen, daß der Wille des historischen Gesetzgebers auf ein Verständnis der Absatzalternative als Tendenztatbestand gerichtet war und daß dieser Wille durch keine entgegenstehende Tatbestandsfassung überspielt wird.
c) Teleologische Auslegung Gleichwohl ist zu überprüfen, ob eine solche Tatbestandsinterpretation nicht zu Ergebnissen führt, die dem Sinn und Zweck der Norm widersprechen. Von der herrschenden Lehre wird insbesondere angeführt, daß die Tatbestandsmerkmale des Absetzens und des Absetzenhelfens im Hinblick auf die Erforderlichkeit des Eintritts eines Absatzerfolges nicht unterschiedlich ausgelegt werden dürften 572 • Anderenfalls würde der letztlich scheiternde Absatzhelfer schlechter behandelt als der ebenfalls scheiternde selbständig absetzende Täter oder dessen Gehilfe. So richtig dieses Argument ist, so wenig zwingend ist die von der herrschenden Lehre daraus gezogene Konsequenz, daß bei beiden Tatbestandsmerkmalen das Erreichen eines Absatzerfolges vorauszusetzen sei. Der Hehlereitatbestand ist auch dann in sich stimmig, wenn sowohl beim Absatz als auch bei der Absatzhilfe ein Absatzerfolg nicht erforderlich ist. Die herrschende Lehre baut bei ihrer Argumentation letztlich erneut nur auf den keineswegs zwingenden Wortlaut des Absetzens, der angeblich keine andere Deutung als die Herbeiführung eines Absatzerfolges zulasse. Ein weiteres auf eine stimmige Auslegung des § 259 StGB abzielendes Argument der herrschenden Lehre lautet dahin, daß die Tatbestandsvarianten des Absetzens oder Absetzenhelfens nicht weiter ausgelegt werden dürften als die des Sich-Verschaffens573 • Bei dieser müsse die Sache ohne Zweifel tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Hehlers gelangt sein. Dann müsse auch beim Absetzen bzw. Absetzenhelfen ein solcher in der Übertragung der Diebesbeute liegender Erfolg vorauszusetzen sein. In ähnlicher Weise wird für den Vergleich zwischen der Beihilfe zum Sich-Verschaffen gemäß §§ 259, 27 StGB 571 Daß der BGH (2. Strafsenat, 26.5.1976), NJW 1976, 1698, - in dieser Entscheidung verlangte er noch für das Merkmal des Absetzens einen Absatzerfolg - und ihm insoweit folgend Küper, NJW 1977, 58, bei selbständigen Absatzbemühungen den Rückgriff auf das Merkmal der Absatzhilfe generell ausschließen, ist daher keinesfalls zwingend; zumindest für die Hilfeleistung im Rahmen der Begünstigung stellt Küper, BT, S. 175, klar, daß sowohl die unselbständige als auch die selbständige Unterstützung tatbestandlieh sei. m S. Lackner/Kühl, § 257 Rn.13; Rudolphi, JA 1981, 90 (93); Sch/Schr25 , Eser, § 259 Rn.38; OLG Köln (28.2.1975), NJW 1975, 987 (988). m Vgl. Küper, JuS 1975,633 (636); ders., in: NJW 1977,58 (59); der~., in: BT, S. 9; LacknerlKühl, § 257 Rn. 13; Rudolphi, JA 1981, 90 (93); Sch/Schr2 , Stree, § 259 Rn.38,52.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
und der als Absatz oder Absatzhilfe gemäß § 259 StGB strenger zu bestrafenden unmittelbaren Unterstützung des Vortäters argumentiert. Das Gegenargument des Bundesgerichtshofs, daß den auf einen Absatzerfol~ gerichteten Handlungen eine erhöhte Gefahr für das Rechtsgut innewohne54 , vennag in dieser Pauschalität nicht zu überzeugen, da der Verschaffung vorgelagerte Handlungen bzw. deren Unterstützung nicht minder gefährlich zu sein brauchen. Gleichwohl besteht zu solchen Handlungen, die auf den Absatz abzielen bzw. den Vortäter dabei unmittelbar unterstützen, ein wesentlicher Unterschied: Entscheidend ist der zwischen Hehler und Vortäter bzw. Vorbesitzer entstehende besondere Kontakt, der bei auf den Absatz gerichteten Tätigkeiten entsteht. Es ist das beim Absetzen bzw. Absetzenhelfen - nach allgemeiner Ansicht 575 - vorauszusetzende Handeln im Interesse des Vortäters bzw. Vorbesitzers, das schon dem eigentlichen Absatzerfolg vorgelagerten Handlungen jene Gefährlichkeit, von der der Bundesgerichtshof sprach, verleiht. Zum Verständnis dieses Arguments muß in gebotener Kürze auf den mit der Hehlerei verbundenen Strafzweck eingegangen werden. Allgemein hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß es sich bei dieser Strafnonn um ein Vennögensdelikt handelt, da der durch die Vortat angerichtete Vennögensschaden perpetuiert wird 576 . Gleichwohl gehen die überwiegende Lehre und die Rechtsprechung davon aus, daß das spezifische Hehlereiunrecht nicht allein in der Weiterverschiebung der Beute liegt, sondern es zusätzlich eines einverständlichen Zusammenwirkens zwischen Vortäter bzw. Vorbesitzer und dem Hehler bedarr 7. Von einigen Autoren wird dagegen zu Recht eingewendet, daß eine solche tatbestandliche Einschränkung dann sinnwidrig sei, wenn sich der Schutzzweck ausschließlich im Vennögensschutz erschöpfen so1l578. Indes gibt es triftige Gründe, die einem solch einseitigen Verständnis von Sinn und Zweck der Hehlereivorschrift entgegenstehen. Denn wenn es allein um eine weitere Verletzung des bereits vom Vortäter geschädigten Vennögens gehen soll, so wären weder der im Vergleich zu manchen in Betracht kommenden Vortaten deutlich höhere Strafrahmen der Hehlerei noch die bei den Vortaten so nicht vorhandenen Qualifikationstatbestände der §§ 260 f. StGB erklärlich 579 . Demnach wird der Unrechts gehalt der Hehlerei zusätzlich im Schutz 574 So etwa BGHSt (3. Strafsenat, 16.6.1976) 26, 358 (362). m Vgl. nur Sch/Schr25 , Stree, § 259 Rn.34. 576 Vgl. nur jeweils Rn.1 zu § 259 bei Lackner/Kühl; Sch/Schr25 , Stree; SK, Samson; Trändie. m So BGI:ISt (GS, 20.12.1954) 7, s4 (137);.BGHSt (4. Strafsenat, 21.2.1957) 10, 151 (152); Kuper, BT, S. 239; Sch/Schr ,Stree, § 259 Rn.42, m. w. N. m So Hruschka, JR 1980, 221 ff.; Roth, JA 1988, 193 (207); SK, Samson, § 259 Rn.33. 579 Vgl. Rudolphi, JA 1981, 1 (4). Roth, JA 1988, 193 (195), begnügt sich demgegenüber mit der Feststellung einer Fehlleistung des Gesetzgebers hinsichtlich der Harmonisierung der Strafrahmen. Das von ihm, aaO, S. 196, vorgebrachte weitere Argument,
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sogenannter allgemeiner Sicherheitsinteressen gesehen. Denn der Hehler vertieft nicht nur den Schaden des von der Vortat betroffenen Opfers, sondern er "fördert und begünstigt" (l) Personen, die zur Begehung von Diebstählen bereit sind580 • Nur vor diesem Hintergrund wird verständlich, daß es nach allgemeiner Auffassung stets eines einverständlichen Zusammenwirkens des Hehlers mit dem Vortäter bzw. Vorbesitzer bedarf. Hierdurch wird der Zusammenhang mit der Vortat hergestellt, so daß die Hehlerei als Weiterführung des deliktischen Werkes des Vortäters erscheint581 • Allein dieser Umstand vermag die im Vergleich zu den Vortaten schwere Strafdrohung der Hehlerei zu rechtfertigen. Doch ist dies nicht die einzige Konsequenz, die nach ganz überwiegender Auffassung aus dem zusätzlichen Schutz allgemeiner Sicherungsinteressen gezogen wird. Betrachtet man die dem Sich-Verschaffen und dem Absatzerfolg vorgelagerten Handlungen ausschließlich unter dem Aspekt der Weiterverschiebung der Beute, so läßt sich sicherlich eine gleichermaßen vorhandene Gefährlichkeit feststellen. Der für das Hehlereiunrecht entscheidende Unterschied dieser daß der Anreiz für den Vortäter doch dann am größten sei, wenn die Beute letztlich sogar zum Marktpreis abgenommen werde, dies aber mangels Bereicherungsabsicht für den Hehler straflos sei, trifft in gleichem Maße die Perpetuierungstheorie: Denn an einer Vertiefung des Schadens ist auch in diesem Fall nicht zu zweifeln. Das Erfordernis der Bereicherungsabsicht ist daher eine vom Strafzweck der Hehlerei her nicht zwingend gebotene, jedoch vom Gesetzgeber eindeutig gewollte Strafbarkeitsbeschränkung; vgl. zu dieser Unstimmigkeit und zu Regelungen in anderen Ländern Hruschka, JR 1980, 221 (222). 580 Rudolphi, JA 1981, I (4). Diese Ansicht geht auf die eingehende Untersuchung von Miehe, FS Honig, S. 91 (103 ff.), zurück, der den der Begünstigung und Hehlerei gemeinsamen Hilfscharakter hervorhebt. Miehe, aaO, S. 104, Fn. 62, weist selbst darauf hin, daß dies der Tradition der §§ 257 ff. StGB als ,auxilium post delictum' entspricht; zu ergänzen ist, daß diese Tradition keine schlechte ist, denn es geht nicht um eine Beihilfe nach der Tat, sondern um eine nachträgliche Hilfeleistung. Vgl. ferner zu den von der Hehlerei zusätzlich geschützten "allgemeinen Sicherheitsinteressen": BGHSt (GS, 20.12.1954) 7, 134 (142); Lenckner, GS Schröder, S. 339 (353 f. Fn. 42). 581 Sch/Schr25 , Stree, § 259 Rn.42. In diesem Zusammenhang umstritten sind di~. Fälle, in denen dem Vortäter die Beute abgenötigt (liegt bei einer bloß willentlichen Ubergabe der Sache noch Einverständlichkeit im Sinne des § 259 StGB vor?) oder einem gutgläubigen Besitzer - jedoch Nichteigentümer gemäß § 935 Abs. I BGB - der Beute beim Absatz geholfen wird (genügt das Einverständnis mit einer nicht strafbar handelnden Person?). Rudolphi, JA 1981, I (6), verneint in beiden Fällen das Vorliegen einer Hehlerei, da er den Unrechtsgehalt der Hehlerei neben der - in beiden Fällen gegebenen - Weiterverschiebung der Beute auf die zusätzlich zu stellende Frage verengt, welche Handlungen dem V0!1.äter einen Anreiz zur Begehung der Tat geben. Entscheidend ist jedoch vielmehr die Ubereinstimmung mit den auf die Weiterverschiebung der Beute gerichteten Interessen des Vortäters (diese sind im Falle einer Erpressung gerade nicht auf die Herausgabe der Beute gerichtet, so daß Rudolphi insoweit Recht zu geben ist; ebenso neuerdings BGH (4. Strafsenat, 25.7.1996), NStZ 1996,599) oder des Vorbesitzers (dessen Interessen trotz seiner Gutgläubigkeit jedenfalls auf den Weiterverkauf der Ware gerichtet sind, so daß hier sehr wohl eine schadensvertiefende Hehlerei in Form von Absatzhilfe möglich ist; so im Ergebnis auch die h.M., vgl. Stree, aaO, m. w. N.). 13 Weisen
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Handlungen liegt jedoch darin, daß bei der Verschaffensalternative erst für die eigentliche Übergabe der Beute ein Einvernehmen mit dem Vortäter bzw. Vorbesitzer erforderlich ist. Geschieht die Verschaffung im Einverständnis mit dem Vortäter, so liegt sie zugleich auch in dessen Interesse. Versteht man Hilfeleistung als Förderung der Interessen, so stellt die Tatbestandsalternative des Sich-Verschaffens somit eine wirklich verselbständigte Hilfeleistungshandlung im Rahmen der Hehlerei dar, d.h. ein Tatbestandsmerkmal, bei dessen Erfüllung in jedem Falle auch eine Hilfeleistung, d.h. eine Förderung der auf die Weiterverschiebung der Beute gerichteten Interessen des Vortäters vorliegt. Dies läßt sich allerdings lediglich für den entscheidenden Moment sagen, in dem der - bis dahin unter Umständen ausschließlich im eigenen Interesse handelnde - Hehler die Sache tatsächlich abnimmt, d.h. in seine Verfügungsgewalt bringt. Vorausgesetzt, der Vortäter bzw. Vorbesitzer ist damit einverstanden, läßt sich dann in der Tat feststellen, daß eine Nachtathilfe im Sinne von § 259 StGB geleistet wurde S82 • Das Einverständnis des Vortäters allein mit der Übertragung der Beute genügt jedoch nach allgemeiner Ansicht für die Absatzalternative, bei der sich der Hehler auf die Seite des Vortäters schlägt, nicht. Vielmehr bezieht sich das Einvernehmen hier nicht nur auf den beabsichtigten Verkauf der Beute, sondern strahlt auf sämtliche darauf abzielende Handlungen aus: Die Unterwerfung unter die auf die Weiterverschiebung der Beute gerichteten Interessen des Vortäters bzw. Vorbesitzers ist hier nicht zwangsläufige Begleiterscheinung wie beim Sich-Verschaffen im Einverständnis mit dem Vortäter, sondern nach allgemeiner Auffassung ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung jeglicher Absatzhandlung 583 • Damit stellt sich aber die Hehlerei insgesamt als eine Hilfeleistung dar, und zwar eine solche im Sinne der "Interessenförderungstheorie". Während bei der Verschaffensalternative nur im Moment der Übergabe der Beute eine solche Interessenförderung vorausgesetzt wird, gilt dies bei der Absatzalternative für sämtliche Handlungen des Hehlers. Es bedarf hierzu stets eines unmittelbaren Kontakts mit dem Vortäter bzw. Vorbesitzer, womit der Hehler das deliktische Werk des Vortäters weiterführt und sich daher mit diesem gemein macht584 • Der sich die Beute verschaffende Hehler schlägt sich erst 582 Da sich also das Erfordernis des Einverständnisses im Hinblick auf die Übertragung der Beute als in einem bestimmten Moment zutage tretendes Handeln im Interesse des Vortäters darstellt, löst sich auch der Streit, ob das mutmaßliche Einverständnis ausreicht, auf: Entscheidend ist, ob das Handeln des Hehlers im objektiven Interesse des Vortäters liegt; vgl. zum Streitstand LK 11, Ruß, § 259 Rn.17; Tröndle, § 259 Rn.16. 583 S. LacknerlKühl, § 259 Rn.14; Sch/Schr25 • Stree, § 259 Rn.34, jeweils m. w. N. 584 Dahm, DR 1942, 570, umschreibt die so begründete enge Verwandtschaft mit der Begünstigung und Strafvereitelung (damals noch persönliche Begünstigung) treffend damit, daß der Nachtäter mit dem Vortäter gemeinsam unter einer Decke stecke. Wie eng diese Delikte beieinander liegen, bestätigt auch BGH (4. Strafsenat, 18.5.1995), StV 1995, 586, wonach es für die Verurteilung wegen Begünstigung statt der angeklagten
C. Systematische Auslegung
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durch die einverständliche Entgegennahme der Gegenstände auf die Seite des Vortäters, während alle vorgelagerten Handlungen ihn noch nicht in den durch die Nachtathilfe entstehenden Verbund mit dem Vortäter eintreten lassen. Dasselbe gilt für seinen Gehilfen, so daß dessen geringere Bestrafung gegenüber dem dem Vortäter bzw. Vorbesitzer beim Absatz helfenden Hehler tatsächlich gerechtfertigt ist. Daß eine von der herrschenden Lehre geforderte Gleichbehandlung der am Verschaffen und der am Absatz Beteiligten nicht der tatbestandlichen Struktur entspricht, zeigt sich nicht zuletzt auch an der Tatsache, daß mit dem Absatz nur das Weiterverschieben der Beute gegen Entgelt erfaßt ist585 , wohingegen das Verschaffen auch unentgeltlich geschehen kann. Hier wird deutlich, daß bei letzterem die Strafwürdigkeit nur auf dem Moment der tatsächlichen Übergabe beruht; dagegen stellt bei der entgeltlichen Veräußerung des Diebesguts schon jede darauf gerichtete Handlung eine Anknüpfung an die Vortat dar, mithin eine Nachtathilfe.
3. Zusammenfassung
Der Hilfeleistungsbegriff taucht somit bei der Hehlerei nicht nur voraergrundig im Tatbestandsmerkmal der Absatzhilfe wieder auf, sondern erweist sich als Grundelement der einzelnen Tatbestandsmerkmale, das dem Sinn und Zweck der Hehlerei als nach der Tat einsetzende Hilfe entspricht586 • Bei der Alternative des Sich-Verschaffens kommt dies allein in dem Erfordernis des Einverständnisses des Vortäters bzw. Vorbesitzers mit der Übertragung der Beute zum Ausdruck. Beim Absetzen bzw. Absetzenhelfen bedarf es darüber hinaus noch des Handeins im Interesse des Vortäters bzw. Vorbesitzers. Diesem Interesse wird aber nicht erst mit der Erreichung des Absatzerfolges entsprochen, sondern bereits mit jeder Absatztätigkeit, ohne daß es dadurch unmittelbar oder zwangsläufig zu einem Absatzerfolg kommen müßte. Es ist zwar zuzugeben, daß der Hehlereitatbestand auch in der Weise ausgestaltet sein könnte, daß lediglich bestimmte Förderungserfolge wie eben das SichVerschaffen oder die Herbeiführung eines Absatzerfolges unter Strafe gestellt wären. Für eine solche Reduktion gibt die derzeitige Tatbestandsfassung jedoch keinen Anhaltspunkt; sie widerspräche überdies dem gesetzgeberischen Willen. Hehlerei noch nicht einmal eines Hinweises gemäß § 265 Abs. I StPO bedarf; ferner ausdrücklich BGH (4. Strafsenat, 25.7.1996), NStZ 1996,599 (600). 585 A.A. hingegen lediglich - und bei Betonung ausschließlich der Schadensvertiefung auch konsequent - Roth, JA 1988, 193 (204); Stree, GA 1961,33 (38); ders., in: Sch/Schr25 , § 259 Rn.32. 586 So auch BGH (4. Strafsenat, 25.7.1996), NStZ 1996, 599 (600), der das Nebeneinander von Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei als Hilfeleistung zugunsten des Vortäters nach der Tat hervorhebt. 13'
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Für die Tatbestandsvarianten des Absetzens und Absetzenhelfens gilt daher, daß es sich bei ihnen um die selbständige und unselbständige auf den Beuteabsatz gerichtete Hilfeleistung handelt. Daß nun im Rahmen der Hehlerei nicht derselbe Streit um die Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs wie bei der Begünstigung vorzufmden ist, dürfte seinen Grund darin haben, daß die überwiegende Lehre sich von diesem Hilfeleistungscharakter völlig distanziert. Gleichwohl wird das Erfordernis des Handelns im Interesse des Vortäters einhellig anerkannt, obwohl dieses nur durch den Hilfeleistungscharakter der auf den Absatz zielenden Tätigkeit erklärt werden kann: Daß die einverständliche Übergabe der Beute an einen Dritten - sei es nun in der Verschaffens- oder Absatzalternative - zumindest auch im Interesse des Vortäters geschieht, bedürfte keiner besonderen Erwähnung. Die den Hilfeleistungscharakter der Hehlerei leugnende herrschende Lehre ist daher nicht konsequent, wenn sie beim Absatz oder bei der Absatzhilfe auf einem Handeln im Interesse des Vortäters besteht587 • Die hier bevorzugte gegenteilige Auffassung trifft mit dem Erfordernis des Handelns im Interesse des Vortäters den Kern der "Interessenförderungstheorie", ohne auch nur einen Gedanken an die bei der Begünstigung erwogene "objektive Eignungstheorie", die "Theorie des objektivierten" oder "reinen Vorteilssicherungs-" (bzw. bei der Hehlerei: Absatz-) ,,versuchs" zu verschwenden. Es ist daher festzuhalten, daß auch bei der Hehlerei als typisches Delikt einer sogenannten Nachtathilfe die zu gewährende Hilfeleistung in der Förderung der auf ein bestimmtes Nachtatgeschehen gerichteten Interessen des Vortäters besteht.
V. Die 8trafvereitelung, § 258 8tGB
Was soeben bei der Hehlerei festgestellt wurde, müßte erst recht rur den Straftatbestand der Strafvereitelung gelten. Denn auch die Strafvereitelung hat ihre Wurzel in der sogenannten Nachtathilfe (,auxilium post delictum') und war überdies bis 1975 sogar gemeinsam mit der Begünstigung ausdrücklich als ein solches Hilfeleistungsdelikt formuliert. Auch bei diesem Straftatbestand kann es daher nur darum gehen, daß einem Vortäter in einer bestimmten Hinsicht geholfen wird. Hat sich die Hehlerei als eine auf die Vertiefung des bereits angerichteten Vermögensschadens spezialisierte Nachtathilfe herausgebildet, so richtet sich die Strafvereitelung nicht gegen das Vermögen, sondern gegen die Strafverfolgungs- bzw. -vollstreckungsorgane, die gegen den Vortä587 Hruschlw, JR 1980, 221 (223), sieht diesen Widerspruch, kommt jedoch zu einer unnatürlichen Spaltung des Hehlereitatbestandes: Das Verschaffen entspreche dem reinen Vermögensdeliktscharakter und bedürfe daher keines einverständlichen Zusammenwirkens, das Absetzen und Absetzenhelfen stelle sich hingegen als Hilfe dar, die ohne Einverständnis des Vortäters nicht denkbar sei.
C. Systematische Auslegung
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ter einzuschreiten suchen. Die Einstufung der Strafvereitelung als gegen die Rechtspflege gerichtetes Delikt ist daher bis auf im einzelnen unterschiedliche Nuancierungen unstreitig S88 • Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit durch die Neufassung des § 258 StGB, also durch die Umgestaltung der einstigen persönlichen Begünstigung in das Erfolgsdelikt der Strafvereitelung, der Hilfeleistungscharakter dieser speziellen Nachtathilfe noch eine Rolle spielts89 • Bei der VerschaffensaIternative im Rahmen der Hehlerei hatten wir etwa gesehen, daß auch diese Handlungsweise zwar noch den Hilfeleistungsbegriff in sich birgt, dieser aber bis auf das zusätzliche Erfordernis einer einverständlichen Übertragung der Beute keine Auswirkung mehr hat. Dementsprechend könnte man auf den Gedanken kommen, daß die Herbeifilhrung eines Strafvereitelungserfolges das Abstellen auf eine dem Vortäter geleistete Hilfe im Hinblick auf den Schutz vor Bestrafung hat obsolet werden lassen. Daß dies jedoch nicht der Fall ist, kann an den folgenden wenigen Problemfallen im Rahmen der Strafvereitelungsdogmatik sehr deutlich aufgezeigt werden.
1. Strafvereitelung bei bloßem sozialüblichen Verhalten?
Nimmt man § 258 Abs. 1 bzw. 2 StGB als Erfolgsdelikt beim Wort, so müßte jede kausal und zumindest wissentlich herbeigefilhrte Verfolgungs- oder Vollstreckungsvereitelung den Tatbestand der Strafvereitelung erfilllen. Dies erscheint jedoch kaum gerechtfertigt bei Handlungen, die sich im sogenannten sozialüblichen Rahmen halten. Fraglich ist daher, ob etwa der Arzt, der den auf der Flucht befindlichen verletzten Täter notdürftig behandelt, wegen Strafvereitelung belangt werden kann, auch wenn er weiß, um wen es sich bei seinem Patienten handelt und daß dieser durch die Behandlung bessere Chancen hat zu entkommen. In ähnlicher Weise stellt sich das Problem, ob sich bereits die Gewährung einer Unterkunft als Strafvereitelung darstellt oder ob sich dies erst bei einem bewußt gegen die Strafverfolgungsbehörden gerichteten Verstecken des Täters sagen läßtS9o • Die sich daraus ergebende notwendige Unterscheidung 588 Vgl. nur LacknerlKühl, § 258 Rn.l; LK 11 , Ruß, § 258 Rn.I, m.w.N; Lenckner, GS Schröder, S. 339 (344). 589 Die Kennzeichnung der Strafvereitelung als Erfolgsdelikt im Gegensatz zur persönlichen Begünstigung bezieht sich allerdings nur auf die Tatsache, daß nunmehr der Strafvereitelungserfolg tatsächlich eingetreten sein muß; keineswegs ist damit gesagt, daß es sich bei der persönlichen Begünstigung nicht auch um ein Erfolgsdelikt gehandelt hat, sofern diese als Herbeiführung der Strafvereitelungshilfe (= Tatbestandserfolg) verstanden wurde - so in der Tat die hier favorisierte "Interessenförderungstheorie". 590 Mit dieser Unterscheidung hatte die Rechtsprechung etwa in LG Hannover (7.10.1975), NJW 1976,979; OLG Stuttgart (6.3.1981), NJW 1981, 1569; OLG Koblenz (24.6.1982), NJW 1982, 2785, zu tun; ausführlich dazu etwa Frisch, JuS 1983, 915ff.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
zwischen der Unterkunft und dem Unterschlupf, zwischen Beherbergen und Verbergen ist allein unter dem Gesichtspunkt der Herbeiführung eines tatsächlichen Strafvereitelungserfolges schlechterdings nicht durchführbar591 • Im Hinblick auf dieses mit der Neueinfiihrung der Strafvereitelung als Erfolgsdelikt in voller Schärfe zutage tretende, jedoch nicht neue Problem592 sind daher zahlreiche Vorschläge gemacht worden, die zu einer sinnvollen tatbestandlichen Restriktion führen sollen. Im folgenden soll jedoch nicht in aller Ausführlichkeit auf die einzelnen Vorschläge eingegangen werden 593 • Vielmehr soll es genügen, zwei sich grundlegend unterscheidende Ansätze aufzuzeigen, auf die die einzelnen Lösungsansätze jeweils zurückzuführen sind594 • Während zu überwiegendem Teil in Literatur und Rechtsprechung die Möglichkeit bevorzugt wird, allein auf objektiver Ebene sozialadäquate von strafwürdigen Handlungen zu scheiden, wollen andere das spezifische Strafvereitelungsunrecht vorrangig in einem besonderen subjektiven Moment sehen. Betrachtet man zunächst letztere Ansicht595 , so stellt sich die Frage, um welche subjektiven Momente es sich handeln soll, die über die tatbestandlich vorausgesetzte Absicht oder Wissentlichkeit des die Strafe vereitelnden Täters hinsichtlich der Herbeiführung des Strafvereitelungserfolges hinausgehen könnten. Was kann beispielsweise der Arzt, der den Vortäter zwar nur notdürftig, jedoch in Strafvereitelungsabsicht versorgt, überhaupt noch mehr wollen, um strafbar zu sein? Wenn der Gesetzgeber eindeutig die bloß wissentliche Strafvereitelung ebenfalls bestraft wissen will, so darf die Forderung nach einem zusätzlichen subjektiven Moment nicht dazu führen, daß eine auf diesen 591 Weitere Beispiele bei Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 18 f. Wie wenig aussagekräftig dabei der Begriff der "Sozialüblichkeit" ist, zeigt sich am Beispiel von Lenckner, GS Schröder, S. 339 (355), in dem der Vortäter in einer Verhandlungspause "krankenhausreif' geschlagen wird und daher der Prozeß deutlich verzögert wird. 592 Daß bereits der alte Tatbestand der persönlichen Begünstigung dieses Problem in sich trug, zeigt Küpper, GA 1987,385 (399), auf. Niedermair, ZStW 107 (1995),507, behandelt das Parallel prob lern bei der Beihilfe. 593 Ausflihrlich dazu Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 20 ff. 594 Keine "Lösung" in diesem Sinne stellt der Hinweis von Rudolphi, JR 1981, 160 ff; JR 1984, 338 f, und in: FS Kleinknecht, S. 379, Scholderer, StV 1993, 228 (229 f), und SK, Samson, § 258 Rn.45, dar, wonach die meisten dieser Fälle als Teilnahme zur vom Vortäter zu seinen eigenen Gunsten verwirklichten (straflosen) Strafvereitelung ohnehin nicht mehr tatbestandIich seien. Während die Richtigkeit dieser Ansicht sogleich unter 3. überprüft werden soll, bleiben auch hiernach Fälle sozialüblichen Verhaltens übrig, bei denen der Vortäter selbst völlig untätig bleibt, so etwa beim Gewähren von Unterkunft. Es ist daher nicht so, wie Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 39, meint, daß dadurch alle Problemfalle aus dem Tatbestand ausgeschieden würden. 595 Auf die entscheidende Relevanz des subjektiven Tatbestands stellen - mit Unterschieden im einzelnen - Küpper, GA 1987, 385 (399 ff.); Lenckner, GS §chröder, S. 339 (357); Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 59; Sch/Schr 5, Stree, § 258 Rn.21 f, ab.
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Erfolg gerichtete Absicht verlangt wird596 • Letztlich darf nicht mehr gefordert werden, als tatbestandlich vorausgesetzt ist. Der Defmition der tatbestandlichen Handlung als Manifestation des Vereitelungswillens597 steht daher entgegen, daß es nach der Neufassung des § 258 StGB genügt, wenn der Täter vom Eintritt des Strafvereitelungserfolges sichere Kenntnis hat, auch wenn er diesen Erfolg nicht will. Wenn also von den Berurwortern eines subjektiven Elements beklagt wird, daß bei der Neuschaffung der Strafvereitelung als Erfolgsdelikt vor allem die beim Tatbestand der persönlichen Begünstigung gemäß § 257 StGB aF noch vorhandene, auf den Strafvereitelungserfolg gerichteten Zwecksetzung verloren gegangen sei598 , so kann es sich dabei nicht um die damals noch ausschließlich verlangte Strafvereitelungsabsicht handeln; an der Tatsache, daß der Gesetzgeber nunmehr das bloße sichere Wissen genügen läßt, kommt man nicht vorbei 599 • Besinnt man sich auf die zu § 257 StGB und damit auch zur alten Fassung der persönlichen Begünstigung vertretenen herrschenden Auffassung, so wird deutlich, warum, wie oben angedeutet, das Ausscheiden sozialüblicher Handlungen kein genuines Problem der Umwandlung der persönlichen Begünstigung in ein Erfolgsdelikt ist. Denn da die "objektive Eignungstheorie" ebenso wie die weiteren "Theorien des Vorteilssicherungsversuchs" den Begünstigungstatbestand ausschließlich als auf den jeweils anzustrebenden Erfolg ausgerichtet ansehen, ergibt sich hieraus kein weiteres Kriterium, das sogenannte "normale", nicht strafwürdige Vereitelungshandlungen aus dem Tatbestand ausklammern würde. Der Rückgriff auf die einst beim Tatbestand der persönlichen Begünstigung bestehende Rechtslage, an der der Gesetzgeber bis auf das zusätzliche Erfordernis eines Strafvereitelungserfolges nichts ändern wollte, gibt somit rur eine Beschränkung des subjektiven Tatbe596 Küpper, GA 1987, 385 (397 f.), will zwischen der Vereitelungsabsicht und der im konkreten Fall des Gewährens von Unterschlupf seiner Meinung nach zusätzlich zu fordernden - Versteckungsabsicht unterscheiden; ein Unterschied besteht hier jedoch ebensowenig wie etwa zwischen der Tötungsabsicht und der Absicht im konkreten Fall, durch Betätigen des Abzuges die Kugel in Richtung des Opfers zu befördern. 597 So Küpper, GA 1987,385 (399 ff.); ihm folgt Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 59 ff. 598 Diese Anknüpfung wird besonders deutlich bei Küpper, GA 1987, 385 (399); vgl. ferner auch Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 63. 599 Lenckner, GS Schröder, S. 339 (356 f.), will aus dem Solidarisierungsgedanken heraus im Falle des Handeins mit bloß sicherem Wissen zusätzlich verlangen, daß der Täter "im Hinblick auf die Strafvereitelung handelt"; dagegen sei "bei einer absichtlichen Strafvereitelung der Tatbestand immer erfüllt". Letzterem muß entschieden widersprochen werden: Solange sich objektiv die Handlungen des nur an seinen hypokratisehen Eid denkenden und des die Strafvereitelung beabsichtigenden Arztes nicht unterscheiden, würde mit der Bestrafung des zweiten Arztes lediglich seine Gesinnung bestraft. Aber auch die erste Aussage Lenckners ist fragwürdig, da unklar ist, inwieweit sich das Erfordernis des "Handelns im Hinblick auf die Strafvereitelung" vom dolus directus ersten oder zweiten Grades unterscheidet.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
stands des § 258 StGB nichts her, sofern man nur die insoweit herrschende Doktrin betrachtet. Etwas anderes könnte freilich gelten, wenn man die von der "Interessenförderungstheorie" betonte Eigenständigkeit des Hilfeleistungsbegriffs auf die Strafvereitelung überträgt; doch dazu sogleich. Zuvor soll jedoch noch der scheinbar gegenteilige Ansatz untersucht werden, wonach bereits der objektive Tatbestand des § 258 StGB eingeschränkt werden soll, um bestimmte, nicht strafwürdige Handlungen auszuklammern. So soll etwa nach Frisch auf ein bestimmtes Sonderverhalten des Täters abgestellt werden, das speziell dem Vortäter im Hinblick auf dessen Täterschaft zugewendet wird. Straflos sollen demnach solche Handlungen sein, die sich als indifferent erweisen, d.h. auch Unschuldigen in gleicher Weise gewährt werden könnten 6oo • Daß eine solche pauschale Differenzierung in einzelnen Fällen nicht zu befriedigenden Ergebnissen zu führen vermag, wurde bereits von anderen Autoren mehrfach nachgewiesen. So kann selbst das für eine Strafvereitelung so typische Verschaffen eines Alibis neben dem Einbrecher auch dem Ehebrecher zugute kommen, so daß diese Handlung folglich ebenfalls eine indifferente und somit stets straflose Handlung darstellen würde 60I . Gleichwohl läßt sich dem dieser Ansicht zugrunde liegenden Ansatz eine für die Tatbestandsinterpretation des § 258 StGB richtige Erkenntnis entnehmen: Frisch weist darauf hin, daß nur ein "in Richtung auf den Strafvereitelungserfolg riskantes Sonderverhalten, das Straftätern gerade in Ansehung ihrer Gefährdung durch die Strafrechtspflege zuteil" werde, tatbestandsmäßig sei602 • Dieser Bezug auf den Vortäter ist der Strafvereitelung immanent, unabhängig von ihrer nunmehrigen Ausgestaltung als Erfolgsdelikt. Daß das Sonderverhalten sich nicht allein auf die konkrete Art der einem anderen zu erweisenden Wohltat gründet, sondern zuvörderst auf der Nützlichkeit speziell für den Vortäter in einer konkreten Situation beruht, übersieht Frisch hingegen, wenn er auf die Besonderheit oder Indifferenz allein der Handlung des Wohltäters abstellt. Wie schon das einfache Beispiel des falschen Alibis zeigt, kann die objektive Qualität einer altruistischen Handlung nicht unabhängig vom Handlungsobjekt beurteilt werden. Die Lösung dieses Problems liegt auf der Hand: Bei Strafe verboten ist die Vereitelung von Strafe durch 603 Gewähren von Strafvereitelungshilfe; diese speziell dem Vortäter in seiner konkreten Situation zugewendete Unterstützung macht die besondere objektive Qualität einer Handlung aus, die sie von einer einem Nichtstraftäter erwiesenen Wohltat unterscheidet. An dieser Stelle läßt sich das von den "Subjektivisten" geforderte subjektive Moment aufgreifen. Kommen diese nicht darüber hinweg, daß hinsichtlich des So Frisch, in: JuS 1983,915 und NJW 1983,2471. So zu Recht der Einwand von Küpper, GA 1987, 385 (397). 602 In: NJW 1983, 2471 (2473). 603 Zum Kausalitätsproblem s. sogleich unter 2.
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Strafvereitelungserfolges sicheres Wissen des Täters ausreicht, so führt die Wiederentdeckung des Hilfeleistungsbegriffs bei der Strafvereitelung dazu, daß die objektiv zu fordernde Qualität der Handlung - nämlich als Strafvereitelungshilfe - auch subjektiv mindestens vom Eventualvorsatz des Täters umfaßt sein muß. Es genügt nicht, wenn der Täter mit dem Erfolg sicher rechnete oder es auf diesen sogar abgesehen hatte, sondern er muß zusätzlich dem Vortäter in Richtung auf die Strafvereitelung vorsätzlich geholfen haben. Legt man jedoch die herrschende Auffassung zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung und somit auch zur persönlichen Begünstigung aF zugrunde, so zeigt sich auch hier wiederum, daß die Defmition der Hilfe als mehr oder weniger tauglichen Beitrags zur Erreichung des angestrebten Hilfsziels in diesem Rahmen kein zusätzliches Erfordernis bedeuten würde. Erst die eigenständige Zielsetzung der Hilfeleistung in Richtung auf die Vortäterinteressen gemäß der "Interessenförderungstheorie" vermag sich gegenüber der Strafvereitelungsabsicht als ein zusätzliches subjektives Moment zu behaupten, mit dessen Hilfe das besondere Handlungsunrecht des § 258 StGB zutreffend erfaßt werden kann. Sowohl der subjektive wie auch der objektive Ansatz kreisen demnach um denselben Kern und unterscheiden sich folgerichtig in ihren praktischen Ergebnissen nur geringfügig 604 • . Ebenso läßt sich der Rückgriff auf den Hilfeleistungsbegriff im Sinne einer Interessenförderung mit den verschiedenen Ansätzen harmonisieren, die eine tatbestandliehe Beschränkung ausschließlich aus dem Schutzzweck der Norm ableiten wollen 605 . Dabei wird zu Recht darauf hingewiesen, daß es bei der Strafvereitelung aufgrund ihrer nach wie vor bestehenden Funktion als Nachtathilfe auch um die Bestrafung einer Solidarisierung mit dem Vortäter gehe, ohne die dieser isoliert wäre und sich daher die Begehung seiner Tat reiflich überlegen würde - sogenannte generalpräventive Funktion der Anschlußdelikte. Bleibt man bei diesem Hinweis auf den zusätzlichen Normzweck des § 258 StGB, so ist dieser Ansatz möglichen Mißdeutungen ausgeliefert. Denn das Wort "Solidarisierung" mit dem Vortäter scheint auf eine Bestrafung der schlechten Gesinnung des Helfers hinzudeuten. Und unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention läßt sich nicht leugnen, daß der Vortäter gerade auch mit Handlungen Dritter rechnet, die völlig sozialadäquat sind, wie etwa die auf das Notwendigste beschränkte Behandlung durch einen Arzt606 • Diese Einwände greifen jedoch dann nicht mehr, wenn man den um den Hilfscharakter erweiterten Normzweck dahingehend konkretisiert, daß es sich bei 604 Lackner/Kühl, § 258 Rn.3, bezeichnet daher die Auffassungen der Antipoden Frisch und Küpper zu Recht als "ähnlich, wenn auch mit Unterschieden im einzelnen". 605 Vgl. Lackner, FS Heidelberg, S. ~? (34); Lenckner, GS Schröder, S. 339 (353); Miehe, FS Honig, S. 91 (105); Sch/Schr ,Stree, § 258 Rn.21. 606 So der Einwand von Küpper, GA 1987,385 (390 f.).
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
der Solidarisierung vor allem um eine solche aus der objektivierten Sicht des Vortäters handeln muß und beim Anreiz zur Tat ausschließlich Strafvereitelungsinteressen des Vortäters gefördert werden müssen. Ein gewichtiger Einwand gegen das Wiederaufleben des Hilfeleistungsbegriffs bei der Strafvereitelung soll jedoch nicht negiert werden. Insbesondere Rudolphi hält jegliche Interpretation des Strafvereitelungstatbestandes als Hilfe- bzw. Beistandleisten im Sinne der früheren persönlichen Begünstigung für eine Mißachtung des gesetzlichen Wortlauts607 • "Vereiteln" könnte demnach nur als Herbeiführung des Vereitelungserfolges verstanden werden, ebenso wie "Töten" nur als Verursachung des Todes. Dieser Einwand scheint zwingend zu sein, bedenkt man, daß auch der Vortäter zumindest begrifflich seine eigene Strafe vereiteln kann; in diesem Fall wäre es ein abwegiger Gedanke, mit einer Hilfeleistung zu seinen eigenen Gunsten operieren zu wollen. Gleichwohl läßt sich im Tatbestand des § 258 StGB ein sprachlicher Anhaltspunkt für den Hilfeleistungsbegriff im Sinne einer Förderung der Strafvereitelungsinteressen des Vortäters finden, und zwar in der Tatsache, daß zugunsten eines anderen die Strafe oder Vollstreckung vereitelt werden soll. Das Erfordernis der Herbeiführung eines für einen anderen günstigen Zustands läßt sich ohne weiteres als Umschreibung einer Hilfeleistung verstehen. Pointiert stellt sich daher die Frage, ob es noch dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entspricht, wenn allein aus der Tatsache, daß filr einen anderen eine bestimmte Leistung erbracht werden muß, gefolgert wird, daß es sich dabei um eine Hilfeleistung im Sinne der Interessenförderung handeln muß. Man wird dies zumindest für die Strafvereitelung angesichts der eindeutigen gesetzgeberischen Absicht und der ebenfalls eindeutigen Genese dieses Tatbestandes wohl bejahen können 608 . Will man schließlich das Kriterium der Interessenförderung auf seine Brauchbarkeit im Einzelfall überprüfen, so zeigt sich sehr rasch, worin das Problem der sozialadäquaten Handlungen begründet liegt. Denn die zu fördernden Interessen des Vortäters können unter Umständen auf mehrere Ziele gleichzeitig gerichtet sein. So erweist sich die ärztliche Behandlung als Förderung der Genesungsinteressen wie auch, sofern filr die Flucht erforderlich, der Strafvereitelungsinteressen. Letzteren dient auch das bloße Beherbergen eines Vortäters, auch wenn zugleich das schlichte Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf befriedigt wird. Um zu einer allgemein befürworteten Einschränkung des Strafvereitelungstatbestandes zu gelangen, muß man sich daher darSo insbesondere in: FS Kleinknecht, S. 379 (392). Dabei muß man sich bewußt sein, daß der Rückgriff auf den Hilfeleistungsbegriff nicht nur strafbeschränkende Funktion hat wie im Fall der Ausklammerung sozialüblichen Verhaltens, sondern auch straferweiternde wie beim Problem nur mittelbarer Strafvereitelungshandlungen (sogleich unter 3.) und möglicherweise auch bei der Frage nach dem Kausalitätserfordernis (sogleich unter 2.). 607 608
C. Systematische Auslegung
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über klar werden, in welchem Verhältnis das geförderte Strafvereitelungsinteresse zu den jeweils anderen Interessen stehen muß, um von einer strafwürdigen Hilfeleistung im Sinne des § 258 StGB sprechen zu können. Am weitesten und wohl kriminalpolitisch vorzugswürdig wäre die Auffassung, die die Vornahme einer Handlung verlangt, die ausschließlich das auf die Strafvereitelung gerichtete Interesse des Vortäters fördert. So wäre der Arzt erst dann strafbar, wenn er eine Behandlung vornimmt, die unter keinen Umständen mehr irgendwelchen Genesungsinteressen dient, sondern lediglich die Fortsetzung der Flucht erleichtert609 • Zu sehr viel schwierigeren Abgrenzungsproblemen gelangt man freilich bei der Unterscheidung von Beherbergen und Verbergen des Vortäters. Zumindest scheint aber die Untersuchung seines Interesses als ausschlaggebender Maßstab das Kernproblem richtig zu orten: Ob die Aufnahme eines Straftäters in die Wohnung stratbar ist oder nicht, kann doch nur davon abhängen, ob der Vortäter neben seinem Interesse an einem Versteck vor der Polizei objektiv überhaupt ein weiteres - unverfangliches - Interesse hat. Der viel und zumeist wenig sachlich diskutierte Fall des Hannoveraner Psychologieprofessors, der einer Terroristin seine Wohnung überlassen hatte61O , ist hierfür ein Lehrbeispiel. Hier stufte das erkennende Gericht die Wohnung als Versteck ein, weil die Täterin nicht in den Räumen des Angeklagten vermutet und gesucht wurde. Will man hiergegen einwenden, daß eine hochrangige, aus Sicht der Ermittlungsbehörden untadelige Person nicht schlechter behandelt werden dürfe als eine "normale", dem Vortäter lediglich Obdach gewährende Person 611 , so setzt dieses Argument genau am falschen Ende an. Es geht nicht um die Begründung von Sonderpflichten für bestimmte Personen, sondern um die jedermann untersagte ausschließliche Förderung der Strafvereitelungsinteressen eines Vortäters. Unter diesem Gesichtspunkt ist im Falle des Psychologieprofessors und der Terroristin zumindest die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß es letzterer konkret in keiner Weise um die Erlangung von Obdach ging, sondern ausschließlich um die Wahl eines Aufenthaltsortes, der wegen der Prominenz des Helfers dem Blickfeld der Ermittlungsbehörden aufgrund den Besonderheiten des damaligen Falles von vornherein entzogen war. Daß dies allerdings nur in besonderen Ausnahmefallen angenommen werden kann, läßt sich daran ersehen, daß beim Gewähren einer Unterkunft ein Interesse des Vortäters daran,
609 Über dieses Ergebnis besteht weitgehend Einigkeit; vgl. etwa das Beispiel des Fitmachens für die weitere Flucht bei Küpper, GA 1987,385 (402). 610 Entschieden von LG Hannover (7.10.1975), NJW 1976, 978, mit Anmerkung Schroeder. 611 So etwa Frisch, JuS 1983,915 (917).
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
nicht buchstäblich im Regen stehen gelassen zu werden, wohl fast immer bestehen bleibt612 •
2. Feststellung der Kausalität für den Strafvereitelungserfolg
Eines der schwierigsten Probleme, die durch die Umgestaltung der persönlichen Begünstigung in die Strafvereitelung als Erfolgsdelikt entstanden sind, ist die Feststellung der äquivalenten Verursachung des Strafvereitelungserfolges durch den Nachtathelfer613 • Die Schwierigkeit liegt insbesondere darin begründet, daß oftmals kaum nachzuweisen ist, ob ohne die Intervention des die Strafe vereitelnden Täters die Strafverfolgungsbehörden tatsächlich schneller zum Zuge gekommen wären 614 • An diesem Problem ändert sich allerdings auch dann nichts, wenn man bei der Tathandlung auf die der Strafvereitelung zugrundeliegende Hilfeleistung zurückgreift. Denn auch dann erfordert der Wortlaut zwingend, daß der Vereitelungserfolg kausale Folge der Tathandlung, also der Hilfeleistung sein muß. Indes zeigen diese Schwierigkeiten, wie wenig fruchtbar die Ausrichtung des Hilfeleistungsbegriffs bei der früheren Vorschrift der persönlichen Begünstigung allein auf den Strafvereitelungserfolg sein mußte und bei der (sachlichen) Begünstigung tUr die Ausrichtung auf den Vorteilssicherungserfolg heute noch sein muß: Denn wenn schon bei eingetretenem Erfolg kaum die kausale Verursachung hiertUr festgestellt werden kann, dann ist es nahezu ausgeschlossen, bei einem noch nicht eingetretenen Erfolg die Eignung einer Handlung, d.h. deren potentielle Kausalität festzustellen 615 • Auch hier konnte nur ein als Interessenförderung verstandener Hilfeleistungsbegriff weiterhelfen, der eine vom Strafvereitelungserfolg losgelöste Zweckrichtung hat. Daß der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 258 StGB dieses Problem übersehen hat, ist offensichtlich. Dies wird nicht zuletzt dadurch deut612 Bejaht man mit dem LO Hannover einen solchen Ausnahmefall, so kann dies entgegen Schroeder, NJW 1976, 980, als untere Schwelle des strafbaren Bereichs einer Strafvereitelung sehr wohl strafmildernd berücksichtigt werden. 613 So schon Schroeder, NJW 1976, 980; ferner Frisch, NJW 1983, 2471 (2474); Lenckner, OS Schröder, S. 339 (347 ff.); ders., NStZ 1982,401. 614 Im folgenden wird die herrschende Auffassung in Literatur und Rechtsprechung zugrunde gelegt, daß es für den Tatbestandserfolg ausreicht, wenn ledi~lich eine nicht unerhebliche Verzögerung der Bestrafung erreicht wirdi vgl. nur LK I, Ruß, § 258 Rn. 10; Lenckner, OS Schröder, S. 339 (342 ff.); Sch/Schr 5, Stree, § 258 Rn.16,jeweiis m.w.N; in diesem Sinne auch BT-Drs. 7/550, S.249; a.A.: etwa Samson, JA 1982, 181 ff.; ders. in: SK, § 258 Rn.26 ff., wonach sich allerdings das in selber Weise auftretende Kausalitätsproblem lediglich auf die wenigen Fälle beschränkt, bei denen die Strafe endgültig vereitelt wird. 615 Der Schluß von Randerath, Strafvereitelung als Erfolgsdelikt, S. 151, die Oeeignetheit einer Handlung sei weitaus leichter feststellbar als die Ursächlichkeit für den Erfolg, ist daher unbedacht.
C. Systematische Auslegung
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lich, daß im Gegensatz zur alten Fassung der persönlichen Begünstigung die wissentliche Vereitelung genügen soll; denn: wie soll ein Strafvereiteler angesichts der noch nicht einmal im nachhinein zu kalkulierenden Vorgänge innerhalb der Strafverfolgungsbehörden sicheres Wissen davon haben, daß durch seinen Beitrag die Bestrafung oder Vollstreckung tatsächlich verzögert wird 616 ? Nur am Rande sei auf einen möglicherweise gangbaren Weg aus diesem Dilemma hingewiesen. Akzeptiert man das hier favorisierte Weiterbestehen des Hilfeleistungsbegriffs im Rahmen der Strafvereitelung, so ließe sich auch eine Tatbestandsinterpretation denken, bei der zwar neben dieser Strafvereitelungshilfe auch der Strafvereitelungserfolg tatsächlich eingetreten sein, dieser jedoch nicht kausal auf der Hilfe beruhen muß. Damit wäre die gesetzgeberische Intention, durch die Umgestaltung in ein Erfolgsdelikt die Rücktrittsmöglichkeit des Täters gegenüber der alten Fassung zu erweitern, nach wie vor gewahrt617 • Warum bei der Strafvereitelung auf die kausale Verursachung des Strafvereitelungserfolges möglicherweise zu verzichten ist, könnte in der Besonderheit des Strafvereitelungserfolges liegen. Denn die Frage, ob der Vortäter früher oder später erwischt wird, hängt unter dem Gesichtspunkt der Herrschaft über das Geschehen weder vom Vortäter noch vom Helfer ab, sondern ausschließlich von den Strafverfolgungsbehörden. Die Feststellung von Kausalität zwischen Handlung und Strafvereitelungserfolg ist also stets hypothetisch. Gleichwohl läßt sich die Situation nicht ohne weiteres mit den Fällen des Eingriffs in einen rettenden Kausalverlauf vergleichen618 , da gerade die Existenz eines solchen Kausalverlaufs in Frage steht. Die Situation erinnert statt dessen eher an die oben erörterte Problematik der Beihilfe, bei der die Irrelevanz eines kausalen Beitrags des Gehilfen damit begründet wurde, daß ausschließlich der Haupttäter die Tatherrschaft und somit auch die Herrschaft über Kausalität oder Nichtkausalität eines Beitrags innehat619 • Auch bei der Strafvereitelung wäre daher danach zu fragen, ob es angesichts der ausschließlichen Handlungsherrschaft der Behörden im Hinblick auf die Bestrafung des Vortäters überhaupt darauf ankommen kann, ob die Intervention des Täters (= die tatsächliche Förderung der Strafvereitelungsinteressen des Vortäters) für die Verzögerung der Strafe ursächlich war oder nicht. Denn angesichts der Zufälligkeiten und Unwägbarkeiten staatsanwaltlicher oder gerichtlicher Ermittlungen scheint es dem Normzweck des § 258 StGB kaum gerecht zu werden, daß eine Vereitelungshandlung nur im Falle eines Eingriffs in ein zielsicheres und erfolgversprechendes Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden strafbar sein
So zu Recht Lenckner, GS Schröder, S. 339 (355). Vgl. BT-Drs. 7/550, S. 249. 618 So aber Lenckner, GS Schröder, S. 339 (347). 619 S.o., 2. Abschnitt, C.II.2e, S.176 ff.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
so11 620 . Denn nur in diesem (seltenen) Fall ließe sich die Strafvereitelung als Eingriff in einen rettenden Kausalverlauf bezeichnen. Hatten wir oben im Rahmen der Beihilfe den Haupttäter mit einer ,black box' verglichen, die die Beiträge des Teilnehmers absorbiert, so muß dieses Bild erst recht für den staatlichen Strafverfolgungsapparat gelten. Auf eine kausale Verknüpfung der gegen die Strafverfolgung gerichteten Hilfe zugunsten des Vortäters und der Verzögerung der Bestrafung bzw. Vollstreckung könnte daher bei dieser Sichtweise verzichtet werden. Bricht man den Gedankengang an dieser Stelle ab, so läßt sich zumindest festhalten, daß auch hier wieder dem Hilfeleistungsbegriff bei der Strafvereitelung, obwohl augenscheinlich verschüttet, elementare Bedeutung zukommt.
3. Mittelbare Strafvereitelungshandlungen
Ein letztes hier anzusprechendes Problem bei der Strafvereitelung stellen Handlungen dar, die sich scheinbar nur als Teilnahme an einer Strafvereitelung begreifen lassen, wie etwa die tatherrschaftslose Unterstützung eines anderen Strafvereitelers. Drohten im Rahmen der persönlichen Begünstigung gemäß § 257 StGB aF aufgrund des Hilfeleistungsbegriffs solche Handlungen noch in einem Einheitstäterbegriff unterzugehen, so hat die Änderung zum Erfolgsdelikt daran scheinbar insoweit etwas geändert, als nunmehr nur die tatherrschaftliche Herbeiführung des Strafvereitelungserfolges erfaßt ist. Sieht man einmal von der eben unter 2. diskutierten Frage der kausalen Verursachung ab, so stellt sich bei einer solchen Sicht das Problem, daß strenggenommen eine große Anzahl unstreitig klassischer Strafvereitelungshandlungen aus dem Tatbestand des § 258 StGB ausgeklammert wären, nämlich alle diejenigen, die sich als Teilnahme zur tatherrschaftlich begangenen, jedoch straflosen Vereitelung der eigenen Strafe durch den Vortäter selbst darstellen621 • Virtuose Vorschläge wie die gleichwohl strafbare Teilnahme an der rechtswidrigen, lediglich straflosen Selbstbegünstigung des Vortäters - hiergegen spricht der eindeutige Wortlaut des § 258 StGB - oder die Konstruktion einer mittelbaren Täterschaft622 - hiergegen spricht die volle Verantwortlichkeit des sich selbst
620 Auf die unkalkulierbaren Zufälligkeiten eines Ermittlungsverfahrens weist in anderem Zusammenhang auch Samson, JA 1982, 181 (182 f.), hin. 621 Dies wird in der Tat von Rudolphi, JR 1981, 160 ff.; ders. in JR 1984, 338 f.; ders. in: FS Kleinknecht, S. 379; Scholderer, StV 1993, 228 (229 f.); SK, Samson, § 258 Rn.45, vertreten. 622 Die abstrakte Konstruktion einer mittelbaren Täterschaft ist so bislang von niemanden vertreten worden, insbesondere nicht von Frisch, JuS 1983, 915 (919), der nicht rur eine mittelbare, sondern eher rur eine Einheitstäterschaft plädiert.
C. Systematische Auslegung
207
helfenden Vortäters, der aus diesem Grunde kein Werkzeug darstellen kann haben an der formalen Richtigkeit dieses Arguments nichts ändern können. Dieses Problem läßt sich jedoch ohne weiteres lösen, wenn man auf das nach wie vor im Strafvereitelungstatbestand enthaltene Hilfeleistungsmerkmal zurückgreift623 . Der Strafvereiteler muß lediglich tatherrschaftlich Hilfe leisten, d.h. die Interessen des Vortäters fördern. Hingegen kommt es darauf, wer die Zentralgestalt des Geschehens im Hinblick auf die Erreichung des Strafvereitelungserfolges ist, nicht an. Die Frage, ob auch mittelbare Vereitelungshandlungen624 unter den Tatbestand des § 258 StGB fallen können, vernebelt den eigentlichen Unrechtsgehalt der Strafvereitelung, denn es kommt nur darauf an, daß die Vortäterinteressen unmittelbar gefördert werden. Freilich gelangt man durch das Festhalten am Hilfeleistungscharakter zu einem gewissen Einheitstäterbegriff 25 , da dem Vortäter auch dadurch geholfen wird, daß der Strafvereiteler seinerseits unterstützt wird. Den dagegen möglicherweise zu erhebenden Bedenken626 läßt sich dadurch begegnen, daß man diese bei der Kettenteilnahme anerkannten Grundsätze nicht etwa auf die Besonderheiten der Teilnahmevorschriften zurückführt, sondern auf die Eigenart des Hilfeleistungsbegriffs. Wir werden uns speziell bei der Begünstigung mit den Auswirkungen dieser Eigenart noch zu beschäftigen haben 627 •
623 Zumeist wird auf den Schutzzweck der Norm und ihre historische Entwicklung hingewiesen, vgl. Frisch, JuS 1983, 915 (919); Küpper, GA 1987, 385 (391); LacknerlKühl, § 258 Rn.6; Lenckner, GS Schröder, S.339 (350 ff.). Letzterer weist aaO, S. 354, zu Recht daraufhin, daß die reine Anstiftung des Vortäters zur Selbstbegünstigung allerdings straflos bleiben müsse. Das ausschließliche Argumentieren mit dem Normzweck erscheint jedoch recht unscharf: Es ließe sich sehr viel einfacher unter den Strafvereitelungstatbestand subsumieren, wenn man sich offen dazu bekennt, daß in diesem nach wie vor der Hilfeleistungsbegriff enthalten ist. Die von Lenckner angesprochenen Anstiftungshandlungen sind daher nur dann keine Strafvereitelung, wenn sie nicht zugleich eine derartige Hilfe für den Vortäter darstellen. 624 Lackner, FS Heidelberg, S. 39 (61 f.), erörtert und bejaht ausschließlich die Frage, ob mittelbare Vereitelungshandlungen noch sprachlich unter das Tatbestandsmerkmal gefaßt werden können. Die entscheidende und ebenfalls zu bejahende Frage geht jedoch weiter: Kann unter den Begriff "Vereiteln" eine Vereitelungshilfe einschließlich des Eintritts des Vereitelungserfolges verstanden werden, so daß die Regeln über Täterschaft und Teilnahme an die Tathandlung des Hilfeleistens anzuknüpfen sind (so noch der zutreffende Ausgangspunkt bei Lackner, aaO, S. 42)? Ebenso Frisch, JuS 1983, 915 (919); Küpper, GA 1987,385 (395). 625 Küper, BT, S. 234, spricht insoweit von einem "kupierten Einheitstäterbegiff'. 626 Zweifelnd etwa Lackner, FS Heidelberg, S. 39 (62). 627 S. unten, 2. Abschnitt, D.I.3b.(I), S.260 ff.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
4. Zusammenfassung Die für den Straftatbestand der Strafvereitelung oben aufgestellten Vermutungen haben sich also bestätigt. Dies gilt zum einen für die Tatsache, daß es sich bei § 258 StGB auch noch nach der Umgestaltung in ein Erfolgsdelikt nach wie vor um ein Delikt der sogenannten Nachtathilfe handelt628 . Demzufolge ist der Tatbestand ebenso wie bei der Hehlerei und der Begünstigung bei letzterer sogar noch expressis verbis - von der tatbestandlichen Handlung der Hilfeleistung bestimmt. Es ließ sich zeigen, daß dieses Merkmal insbesondere bei den Problemen der sogenannten sozialüblichen Handlungen und der mittelbaren Vereitelungshandlungen herangezogen werden muß, um zu dem Normzweck entsprechenden Ergebnissen gelangen zu können. Zum anderen ließ sich erneut nachweisen, daß es allein die "Interessenförderungstheorie" vermag, diese Ergebnisse nicht nur zu stützen, sondern in Einzelfällen auch die Entscheidungskriterien zu liefern. Erneut wird die These untermauert, daß Hilfe etwas anderes ist als die Teilverursachung eines bestimmten Erfolges; Hilfe bemißt sich nach der objektiven Sicht des Hilfeempfängers.
Viertes Zwischenergebnis Bei der Suche nach der Bedeutung des Hilfeleistungsbegriffs im Strafrecht allgemein sind wir somit bei zwei Gruppen von Delikten fündig geworden: zum einen bei den zuletzt behandelten, der Begünstigung wesensverwandten Anschlußdelikten der Hehlerei629 und der Strafvereitelung630, zum anderen bei sämtlichen Straftatbeständen, in denen der Hilfeleistungsbegriff entweder ausdrücklich oder als Synonym auftaucht631. Das wesentliche Ergebnis dieser Untersuchung besteht in der Tatsache, daß bei sämtlichen angesprochenen Delikten eine einheitliche Definition der Hilfeleistung möglich ist, nämlich als Förderung fremder Interessen, die auf die Erreichung eines bestimmten Zieles gerichtet sind. Diese Defmition erweist sich bei allen Tatbeständen von Vorteil, in denen das zu erreichende Hilfsziel, etwa bei der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB die Abwendung der Gefahrenlage, nicht unbedingt erreicht zu 628 Der Umstand, daß gegenüber der einstigen persönlichen Begünstigung nunmehr der Eintritt eines Strafvereitelungserfolges vorausgesetzt ist, wirkt sich daher ausschließlich in einem nach hinten verlagerten Vollendungszeitpunkt aus: Der Täter kann auch noch nach Leistung der Hilfe von der Tat strafbefreiend zurücktreten. 629 S.o., 2. Abschnitt, C.IV, S.198 ff. 630 S.o., 2. Abschnitt, C.V, S.208 ff. 631 S.o., 2. Abschnitt, C.I bis III, S.144 ff.
C. Systematische Auslegung
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werden braucht. Nur durch das Abstellen auf die Vortäterinteressen, also auf die Frage, was diesem wirklich hilft, gelingt es, das kaum zu bewältigende Problem zu umgehen, inwieweit Hilfe einen Teilerfolg oder zumindest einen tauglichen Versuch im Hinblick auf den angestrebten Erfolg darstellen muß. Da Hilfe letztlich auch in einer nachträglich sich als ausweglos erweisenden Situation geleistet werden kann, kann es folglich nicht auf die Erreichbarkeit jenes Erfolges ankommen, sondern allein darauf, ob der Hilfeempfänger die ihm erwiesene Zuwendung objektiv als Hilfe empfinden konnte. Aber auch bei denjenigen Delikten, die das Erreichen des mit der Hilfe bezweckten Erfolges voraussetzen, insbesondere also bei der Beihilfe, die eine rechtswidrige Haupttat des anderen verlangt, hat sich gezeigt, daß das Kriterium der Interessenf6rderung gegenüber der insbesondere von der Lehre favorisierten Defmition anband der zweifelhaften Beziehung zwischen Hilfe und Tatbestandserfolg (Kausalität? Risikoerhöhung?) vorzuziehen ist632 • Darüber hinaus wird speziell bei der Beihilfe deutlich, daß die "Interessenf6rderungstheorie" der Flexibilität des Hilfeleistungsbegriffs gerecht wird. Denn durch die Ausrichtung der Hilfeleistung an den jeweils zu fördernden Interessen ist es möglich, die Beihilfe im Gegensatz zu allen übrigen in diesem Kapitel behandelten Hilfeleistungsdelikten als akzessorisches Delikt zu begreifen, da bei dieser die Interessen des anderen nicht auf ein spezielles Ziel gerichtet sein müssen, sondern vielmehr auf eine Tatbestandsverwirklichung schlechthin633. Schließlich hat sich der Vorzug der Defmition der Hilfe als Interessenf6rderung auch bei den Anschlußdelikten der Hehlerei und der Strafvereitelung erwiesen. Gerade bei diesen wurde deutlich, daß deren Unrechtsgehalt nicht in der kausalen Herbeiführung eines Absatz- oder Strafvereitelungserfolges liegt, sondern in einer entsprechenden Hilfeleistung. Trotz der weitgehenden Tilgung des Hilfeleistungsbegriffs aus diesen Tatbeständen bleibt der aus deren Anschlußnatur sich ergebende Hilfeleistungscharakter bestehen. Dies zeigt sich insbesondere in der Tatsache, daß im Rahmen der Hehlerei die ganz herrschende Meinung unabhängig von der im einzelnen umstrittenen Auslegung des Absatzmerkmals hierfür stets ein Handeln im Interesse des Vortäters voraussetzt, was nichts anderes bedeutet als die Anerkennung der "Interessenförderungstheorie": Hilfeleistung ist Interessenf6rderung.
632 633
S.o., 2. Abschnitt, C.n.2e.(2), S.182 ff. Ausführlich dazu oben, 2. Abschnitt, C.I1.2e.(l), S.I77 ff.
14 Weisert
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
D. Teleologische Auslegung Bei der abschließend vorzunehmenden teleologischen Auslegung der "Hilfeleistung" sind grundsätzlich zwei Aspekte zu unterscheiden, die den Sinngehalt eines Begriffs zu erklären imstande sind. Zum einen muß sich der zu ermittelnde Inhalt auf eine vernünftig erklärbare Weise in die innere Struktur des Gesamttatbestandes einrugen lassen. So müssen etwa vorgegebene strafrechtliche Strukturen wie die Abgrenzung von objektivem und subjektivem Tatbestand, von Vorbereitung, Versuch und Vollendung oder von Täterschaft und Teilnahme grundsätzlich auch bei der Begünstigung anwendbar sein, es sei denn, es läßt sich eine deliktsspezifische Ausnahme nachweisen; im einen wie im anderen Fall muß dem die Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs gerecht werden. Zum anderen stellt sich bei der Teleologie aber auch die Frage nach dem hinter der Norm stehenden rechtsethischen Prinzip, genauer: nach dem von der Norm bezweckten Rechtsgüterschuti 34 • Daß diese gerade im Strafrecht oftmals als allein entscheidendes Kriterium hervorgehobene Frage hier ganz am Schluß behandelt wird, ist auf die nur wenig zwingende Aussagekraft des Rechtsgüterschutzes rur die Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung zuruckzuruhren. Denn wie sich noch zeigen wird, ist bei der Begünstigung die Palette der in Betracht kommenden Rechtsgüter, wie sie in Rechtsprechung, Literatur und auch den Gesetzesmotiven vorgeschlagen werden, keineswegs weniger vielfältig als die Zahl der zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Theorien. Schon aus diesem Grunde leuchtet es ein, der Erklärung einer Unbekannten durch eine andere keine vorrangige Stellung einzuräumen.
I. Die innere Struktur der Begünstigung
Im folgenden sollen nur die wenigen neuralgischen Punkte, an denen sich eine Definition des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung zu bewähren hat, herausgegriffen werden. Um welche es sich dabei handelt, hat sich nach den bisherigen Erörterungen bereits angedeutet. Zuvörderst gilt es im Rahmen der objektiven Tathandlung die Begünstigungshandlung von der Beihilfe zur Vortat zu scheiden. Daneben bleibt aber auch das Problem zu klären, das sich den im 1. Abschnitt besprochenen Theorien immer wieder gestellt hat, wie nämlich Vorbereitungs-, Versuchs- und Vollen dungs stadium bei einem Tatbestand, der den Eintritt eines Vorteilssicherungserfolges noch nicht einmal voraussetzt, sinnvoll unterschieden werden können. Ferner wird danach zu fragen sein, wie sich diese Unschärfen im objektiven Tatbestand im Vorsatz des Täters unter 634 Zu dieser Zweiteilung der teleologischen Auslegung vgl. Larenz, Methodenlehre, Kap.4, 2d, S. 333.
D. Teleologische Auslegung
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Umständen widerspiegeln bzw. inwieweit eine irrige Vorstellung des Begünstigers von den Wirkungen seiner Tat überhaupt relevant ist. Schließlich wird uns die Ähnlichkeit des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung mit dem der Beihilfe auch bei der Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme, insbesondere wenn es sich dabei um einen Vortatbeteiligten selbst handelt, zu beschäftigen haben.
1. Der objektive Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB
a) Abgrenzung der Begünstigungshandlung von der Beihilfe an der Vortat Daß es bei der Abgrenzung zwischen Beihilfe und Begünstigung nicht mit der bloßen Unterscheidung von ,auxilium ante delictum' oder ,in delicto' einerseits und ,auxilium post delictum' andererseits getan ist, zeigt sich daran, daß die zeitlichen Grenzen der Beihilfe durch die Figur der sukzessiven Beihilfe sehr weit nach hinten verschoben werden. Aber auch bei der Begünstigung sind Fälle denkbar, in denen der Täter schon während der Ausführung der Vortat seinen Hilfsbeitrag erbringt, so bei der sogenannten vorgeleisteten Begünstigung. Doch bereits ein Blick auf die schon oben angesprochenen Überreste der überkommenen Auffassung von der nachträglichen Beihilfe635 wie die Strafrahmenregelung des Abs. 2 oder die Übertragung des Antragserfordemisses von der Vortat auf die Begünstigung gemäß Abs. 4 zeigt, wie eng verwoben die Tatbestände der Beihilfe und Begünstigung nach wie vor sind. Es wird mithin die grundsätzliche Frage zu klären sein, inwieweit ein und dieselbe Handlung nicht zugleich Beihilfe und Begünstigung sein kann, mithin die Frage der Exklusivität von Beihilfe und Begünstigung.
(1) Friktionen im Bild von der Begünstigung als Anschlußtat, die gleichwohl keine Teilnahme an der Vortat ist
(a) Die Strafrahmenregelung des § 257 Abs. 2 StGB Betrachtet man zunächst die besondere Strafrahmenregelung des Abs. 2, so scheint diese der unbestrittenen Natur der Begünstigung als Anschlußdelikt gerecht zu werden. Die nicht einsichtige Konsequenz, daß die Sicherung von 635 S.o., 2. Abschnitt, A.III.4., S.121 f. Roxin, JZ 1988, 260 (261), spricht auch heute noch völlig unbefangen von der Begünstigung als "eine Art nachträglicher Beihilfe"; der Ausdruck "nachträgliche Hilfeleistung" ist freilich vorzuziehen.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Vorteilen einer Tat mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe schwerer wiegen soll als die Begehung der Vortat selbst - etwa die einfache Unterschlagung mit bis zu drei Jahren -, wird dadurch ausgeräumt, daß die Obergrenze des Strafrahmens nicht über die der Vortat hinausgehen darf. Daraus wird ersichtlich, daß der Unwertgehalt der Begünstigung maximal so schwer wiegt wie der der Vortat, eher sogar weniger schwer636 • Dabei bezieht sich Abs. 2 nicht nur auf die täterschaftlich begangene Vortat, wie sich an § 257 Abs. 3 S. 1 StGB zeigt, wonach generell eine Bestrafung wegen Begünstigung entfällt, wenn der Täter zugleich Beteiligter - gleich in welcher Form - an der Vortat war: Eine leichtere Straftat vermag grundsätzlich keine schwerere zu verdrängen 637 • Daß diesem einleuchtenden Grundgedanken der Begünstigung durch Abs. 2 de facto nicht immer entsprochen wird, liegt an der mittlerweile eingeführten obligatorischen Strafrahmenreduzierung bei der Beihilfe gemäß § 27 Abs. 2 S. 2 StGB. Bei der Frage, ob die Hilfe beim Abtransport und Verstecken der Beute sich noch als Beihilfe zum Diebstahl oder bereits als Begünstigung darstellt, steht man damit zugleich vor der Wahl eines Strafrahmens von bis zu 3 Jahren und neun Monaten für die Beihilfe zum Diebstahl (§ 242 Abs. 1, § 27 Abs. 2 S. 2, § 49 Abs. I Nr.2 S. I StGB) und bis zu 5 Jahren für die Begünstigung. In dem Beispiel führt dies daher zu der erstaunlichen Konsequenz, daß dem Angeklagten anzuraten ist, wenn er schon vor Gericht eine Bewertung des Geschehens als Begünstigung nicht vermeiden kann, er wenigstens noch zusätzlich eine eindeutige zum Diebstahl des Vortäters geleistete Beihilfehandlung gestehen soll, um zu einem niedrigeren Strafrahmen zu gelangen. Zwar können die Ungereimtheiten bei dieser "Flucht in die Beihilfe" im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne wieder ausgeglichen werden. Gleichwohl stellt sich die Regelung des § 257 Abs. 2 StGB seit der obligatorischen Herabsetzung des Strafrahmens bei der Beihilfe als Anachronismus dar638 • De lege ferenda könnte daher nur dadurch das Bild von der milderen Anschlußtat wieder her-
636 Dem steht nicht entgegen, daß aufgrund individueller StrafzumessungsgTÜnde im Einzelfall der Begünstiger schwerer bestraft werden kann als der Vortäter, s. nur Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.36. Wenn Roxin, JZ 1988,260 (261), davon spricht, daß sich der Gesetzgeber in Abs. 2 "zur Entsprechung im Unrechtsgehalt von Vortat und Begünstigung" bekenne, so gilt dies gerade nicht für Vortaten, deren Höchstmaß über 5 Jahre Freiheitsstrafe hinausgeht. 637 Dies entspricht auch dem hergebrachten Bild von der Begünstigung als milderem Delikt, vgl. nur BGHSt (4. Strafsenat, 23.4.1953) 4, 132 (133); BGH (2. Strafsenat, 16.4.1958), NJW 1958, 1005 (= St 11, 316 = MDR 1958, 618); BGHSt (GS fur Strafsachen, 7.12.1959) 14,38 (46). 638 Der Gesetzgeber hat dies offenbar übersehen, da er in BT-Drs. 7/550, S. 248, wie selbstverständlich von einer strengeren Bestrafung als Gehilfe ausgeht; ebenso schon im E 1962, BT-Drs. 4/650, S. 461, in dem ebenfalls gemäß §§ 31,64 E 1962 eine obligatorische Strafmilderung des Gehilfen vorgesehen war. In der Literatur wird dies ebenfalls übersehen von Geppert, Jura 1994,441 (443); Preisendanz, § 257 Anm.9.
D. Teleologische Auslegung
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gestellt werden, daß das Höchstmaß der Begünstigungsstrafe auf jenes der für die Beihilfe an der Vortat angedrohten Strafe begrenzt würde.
(b) Die Regelung des § 257 Abs. 4 StGB Ein weiterer "Beihilfeüberrest" bei der Begünstigung findet sich ferner in der Regelung des Abs. 4, die bezüglich des Erfordernisses von Strafantrag, Ermächtigung oder Strafverlangen einen sehr eigentümlichen Zusammenhang zwischen Begünstigung und Vortat herstellt. Es werden nicht etwa die für die Vortat geltenden prozessualen Regelungen pauschal auf die Begünstigung übertragen, sondern es sollen diejenigen besonderen Verfahrensvoraussetzungen bei der Begünstigung Anwendung fmden, die für den Begünstiger als Beteiligten an der Vortat gelten würden. Liegt daher eine besondere Verfahrensvoraussetzung in der Vortat selbst begründet - z. B. die Ermächtigung bei der Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353 b StGB oder das generelle Antragserfordernis bei der Pfandkehr -, so wird in dieser Hinsicht durch Abs. 4 S. 1 eine Gleichstellung der Begünstigung mit der Vortat erreicht. Wird hingegen mit der Verfahrensvoraussetzung eine besondere Eigenschaft des Täters berücksichtigt - z. B. beim Haus- und Familiendiebstahl gemäß § 247 StGB -, so gilt diese nur bei demjenigen (Vortäter oder Begünstiger), bei dem sie tatsächlich vorliegt. In Anlehnung an die Teilnahme ließe sich daher von einer "limitierten Gleichstellung" von Vortat und Begünstigung im Hinblick auf die Verfahrensvoraussetzungen sprechen. Die Begründung für eine solchermaßen verwobene Beziehung zwischen Vortat und Begünstigung ist auf den ersten Blick schwer verständlich 639 • Zur Unklarheit trägt noch zusätzlich der Verweis des § 257 Abs. 4 S. 2 StGB auf die Vorschrift des § 248 a StGB bei640 . Dieser Zusatz wurde noch kurz vor "Torschluß" und daher in wenig durchdachter Weise der Norm bei ihrer Änderung durch das EGStGB 1974 hinzugefügt, um eine Schlechterstellung des Begünstigers gegenüber dem Vortatbeteiligten auf jeden Fall auszuschließen 641 . Denn man ging bei den Beratungen davon aus, daß das Antragserfordernis gemäß § 248 a StGB noch nicht von § 257 Abs. 4 S. 1 StGB erfaßt sei, da ein Diebstahl oder eine Unterschlagung geringwertiger Sachen eben nicht "nur auf Antrag", sondern im Falle der Bejahung öffentli639 In den Gesetzesmaterialien BT-Drs. 7/550, S. 249, findet sich lediglich die Feststellung, daß diese Regelung der Billigkeit entspreche. 640 Daß mit § 248 a StGB nunmehr vermögensrechtliche Aspekte bei der Begünstigung zu berücksichtigen sind, kritisiert generell Blei, JA 1974, 27 (29); Quo, Grundkurs, § 57.III.2, S. 272, sieht sich daher gerade durch diese Vorschrift in seiner vermögensrechtlichen Rechtsgut-Theorie bestärkt; s. dazu unten, 2. Abschnitt, D.II.la).(4), S.261 ff. 641 S. BT-Drs. 7/1261, S. 18.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
chen Interesses auch ohne einen solchen verfolgt werden kann. Diese Auslegung ist jedoch keineswegs zwingend: Wenn die Strafverfolgungsbehörde wäre der Begünstiger Vortatbeteiligter - das besondere öffentliche Interesse verneint, dann ist die Vortat eben "nur auf Antrag" verfolgbar642 • In seinem Bestreben, in diesem Punkt durch den besonderen Hinweis in Abs. 4 S. 2 Klarheit zu schaffen, hat der Gesetzgeber jedoch durch die pauschale Anordnung der sinngemäßen Geltung des § 248 a StGB ein ganz neues Auslegungsproblem geschaffen. Denn es stellt sich nun die Frage, ob sich dieser Zusatz lediglich auf die von Abs. 4 S. 1 intendierte limitierte Gleichstellung von Vortat und Begünstigung im Hinblick auf die Verfahrensvoraussetzungen bezieht643 - ein Antrag für die Verfolgung wegen Begünstigung wäre demnach nur dann erforderlich, wenn dies auch im Hinblick auf die Vortat erforderlich ist - oder ob Abs. 4 S. 2 ein allein für die Begünstigungshandlung geltendes, eigenständiges Antragserfordernis darstellen soll644. Die Frage der Geringwertigkeit würde sich in diesem Falle allein auf den vom Begünstiger zu sichernden Vorteil beziehen, unabhängig von der Art der Vortat bzw. der Wertigkeit des durch sie erlangten Vorteils. Für unseren Zusammenhang bedarf es keiner ausführlichen Erörterung der jeweils vorgebrachten Argumente. Angedeutet sei nur so viel: Nach dem sehr unscharf gefaßten Wortlaut lassen sich beide Ansichten gleichermaßen vertreten. Gegen die zweite Ansicht spricht auch nicht die Stellung der Vorschrift direkt bei § 257 Abs. 4 S. 1 StGB, da die Regelung verschiedener Strafverfolgungsvoraussetzungen innerhalb eines Absatzes auch dann bereits sinnvoll ist, wenn ihnen unterschiedliche gesetzgeberische Intentionen zugrunde liegen; Satz 2 muß daher nicht zwingend wie Satz 1 als Gleichstellung von Vor- und Nachtat im Hinblick auf das Antragserfordernis des § 248 a StGB interpretiert werden. Auch wenn dies zwar die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers bei der Hinzufügung des Satzes 2 gewesen sein mag, so lesen sich die Gesetzesmaterialien insoweit etwas widersprüchlich: Der Begünstiger sollte nicht nur nicht schlechter gestellt werden als der Vortäter, sondern sollte auch gegenüber dem Hehler nicht benachteiligt sein; bei diesem bezieht sich der sinngemäß anzu642 Diese Ansicht vertritt etwa SK, Samson, § 257 Rn.48, der nicht zögert, das Antragserfordernis des § 248 a StGB unter § 257 Abs. 4 S. I zu subsumieren. 643 So Preisendanz, §257 Anm.lO (allerdings etwas widersprüchlich, wenn er auf entsprechende Regelungen in §§ 259, 263, 265 a, 266 StGB verweist, da es bei diesen ausschließlich auf die Geringwerti~keit des Deliktsgegenstandes ankommt); Stree, JuS 1976, 137 (139), und in: Sch/Schr , § 257 Rn.38, (der allerdings ausnahmsweise auch dann ein Antragserfordernis annehmen will, wenn sich die konkrete Begünstigungshandlung nur auf einen geringwertigen Teil des aus der Vermögensvortat erlangten Vermögens bezieht); Trändie, § 257 Rn.14a. 644 So die h.L., vgl. Hau/, BT I, H.5, S. 173; Lackner/Kühl, § 257 Rn.IO; LK'\ Ruß, § 257 Rn.27; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 101.11.6, S.407; SK, Samson, § 257 Rn.48; Vogler, FS Dreher, S. 405 (420); Wesseis, BT 2, §19.IV Rn.762.
D. Teleologische Auslegung
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wendende § 248 a StGB allerdings ausschließlich auf den zu verhehlenden Gegenstand. Die zweite Ansicht muß sich allerdings die Frage stellen, ob das Kriterium der Geringwertigkeit bei Vorteilen aus Nichtvermögensstraftaten überhaupt sinnvoll angewendet werden kann. Dies gilt um so mehr, als schon allgemein bei § 248 a StGB zweifelhaft ist, wie Sachen ohne meßbaren Verkehrswert zu behandeln sind645 • Uns soll jedoch an dieser Stelle allein die Frage interessieren, inwieweit sich aus der Regelung des Abs. 4 S. 1, möglicherweise auch des S. 2, Rückschlüsse auf den Hilfeleistungsbegriff ziehen lassen. Vergegenwärtigt man sich noch einmal die in der Literatur fast einhellig vertretene Auffassung, daß Hilfe im Sinne von § 257 Abs. 1 StGB ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der anzustrebenden Vorteilssicherung zu betrachten sei, sei sie nun tauglich oder untauglich versucht, so läßt sich der Sinn des Abs. 4 S. 1 mit dem lapidaren Hinweis auf die Billigkeit646 nur begrenzt erklären. Nach diesen Theorien läßt sich allein die Übertragung von täterbezogenen Verfahrensvoraussetzungen, wie § 247 StGB, auf die Begünstigung nachvollziehen, da die gegenüber der Vortat eigenständige Zielsetzung der Vorteilssicherung auch eine eigenständige Bewertung der in der Person des Täters liegenden besonderen Verfahrensvoraussetzungen verlangt. Dagegen bleibt die Gleichstellung von Vortäter und Begünstiger im Hinblick auf die tatbezogenen Verfahrensvoraussetzungen fragwürdig: Wenn es bei der Begünstigung tatsächlich nur um das Anstreben oder teilweise Erreichen der Vorteilssicherung gehen soll, so macht es aus der Sicht des Begünstigers keinen Unterschied, ob die zu vergrabende Schmuckkassette aus einem Raub oder einer Pfandkehr stammt. Das vom Gesetzgeber bemühte Gefühl der Billigkeit ergibt sich vielmehr aus dem Umstand, daß es bei der Begünstigung eben nicht nur um das Anstreben der Vorteilssicherung geht, sondern primär um das Leisten von Vorteilssicherungshilfe. Die Definition als Handeln im Interesse des Vortäters macht deutlich, warum einerseits der Helfer nicht leichter soll verfolgt werden können als der Vortäter selbst, während aus dem eigenständigen Handlungsunrecht dieser Interessenförderung folgt, daß täterbezogene Verfahrensvoraussetzungen durchaus nur beim Begünstiger vorliegen können. Spricht man allgemein etwas unscharf von der gewissen akzessorischen Natur der Begünstigung, die sich u. a. in Abs. 4 zeige, so ist es die "Interessenförderungstheorie", die diese Zwitterstellung der Begünstigung veranschaulicht, nämlich einerseits die Abhängigkeit von Vortat und -täter - Stichwort: Unterwerfung unter die Interessen eines anderen - und andererseits die eigenständige Rechtsverletzung - Stichwort: Vorteilssicherungshilfe, keine Beteiligung an der Rechtsgutsverletzung des Vortäters.
645 646
V gl. dazu nur LacknerlKühl, § 248 a Rn.3.
S.o., Fn. 639.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Was schließlich den Streit um die Auslegung des § 257 Abs. 4 S. 2 StGB betrifft, so muß gesagt werden, daß die "Interessenforderungstheorie" insoweit beide Ansichten zu stützen vermag. Will man die Anwendung des § 248 a StGB allein auf die Vortat beziehen, so wird hauptsächlich die Unterordnung unter die Vortäterinteressen betont; soll es hingegen auf die Geringwertigkeit der zu sichernden Vorteile ankommen, so wird der eigenständige Unrechtsgehalt dieser Vorteilssicherungshilfe hervorgehoben. Man wird hier den unklaren Gesetzestext wohl zugunsten des Täters auslegen müssen, so daß insoweit der das Antragserfordernis ausdehnenden zweiten Auffassung der Vorzug zu geben ist647 •
(c) Besondere persönliche Merkmale des Begünstigers Noch im E 1962 war in § 290 Abs. 1 und 2 die Regelung vorgesehen, daß besondere persönliche Merkmale, die beim Begünstiger vorliegen, in gleicher Weise zu berücksichtigen sind, wie wenn es sich bei ihm um einen Beteiligten an der Vortat handeln würde648 • Daß diese Vorschrift nicht Eingang ins StGB gefunden hat, wurde nicht mit grundsätzlichen dogmatischen Erwägungen, sondern lediglich mit einem zweifelhaften Bedürfuis für diese Norm begründet649 • Demzufolge scheint nach der bestehenden Regelung das Vorliegen oder Nichtvorliegen besonderer persönlicher Merkmale allenfalls im Rahmen der Strafzumessung eine Rolle zu spielen650 . Demgegenüber hält Stree eine analoge Anwendung zumindest des § 28 Abs. 2 StGB für möglich, da dieser in § 290 Abs. 1 und 2 E 1962 keine Entsprechung hatte65I. Indes muß nicht nur das Bedürfuis für eine solche Berücksichtigung in Zweifel gezogen werden 652 , sondern es sind grundlegende Bedenken hiergegen zu erheben. Eine pauschale Gleichbehandlung von Begünstiger und Vortatbeteiligtem hinsichtlich der besonderen persönlichen Merkmale muß aus dem Unrechtskern der Begünstigung abgeleitet werden können. Daß dies bei der Beihilfe der Fall ist, liegt nicht etwa an der Tatsache, daß einem anderen Täter allgemein geholfen wird, 647 Halbherzig ist dagegen die vermittelnde Lösung von Stree (Fn. 643), der die Eigenständigkeit des Begünstigungsunrechts - Geringwertigkeit des gesicherten Vorteils trotz Hochwertigkeit des Vortatschadens - nur bei Vermögensvortaten anerkennen will; diese Mixtur ist kaum nachvollziehbar. 648 S. BT-Drs. 4/650, S. 57 und 461. 649 S. BT-Drs. 7/550, S. 249. 650 Vgl. Tröndle, § 257 Rn. 13. 651 In: Sch/Schr25 , § 257 Rn.36; Stree begründet die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 2 StGB zwar nicht ausdrücklich in dieser Weise, jedoch muß dies daraus gefolgert werden, daß er die Nichtanwendbarkeit des § 28 Abs. I StGB mit dem Verzicht des Gesetzgebers auf eine dem § 290 Abs. I E 1962 entsprechende Regelung begründet. 652 Zweifel hegt auch SK, Samson, § 257 Rn.46.
D. Teleologische Auslegung
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sondern ausschließlich daran, daß durch die gewährte Vortathilfe, d.h. durch die Förderung der Tatbestandsverwirklichungsinteressen des Haupttäters, das Rechtsgut der Haupttat angegriffen wird. Ein persönliches Merkmal eines Täters wird nur unter dem Gesichtspunkt der jeweiligen Rechtsgutsverletzung zu einem besonderen im Sinne des § 28 Abs. I und 2 StGB. Bei der Begünstigung geht es jedoch nicht um die Beteiligung an der Verletzung des Vortatrechtsguts. Vielmehr werden hier allein die Vorteilssicherungsinteressen des Vortäters gefördert. Daß damit das Rechtsgut der Vortat unmittelbar verletzt würde, kann schon deshalb nicht behauptet werden, weil dieses bei Einsetzen der Begünstigungshandlung in der Regel bereits verletzt ist653 . Nach Strees Auffassung wird hingegen die Tatsache völlig ausgeblendet, daß die Hilfe primär einem Vortäter zuliebe geleistet wird. Daß dabei in der Person des Begünstigers eine im Hinblick auf das vom Vortäter verletzte Rechtsgut besondere persönliche Eigenschaft begründet liegt, spielt hierbei keine Rolle. Das Unrecht der Begünstigung speist sich vielmehr ausschließlich aus dem durch die Vorteilssicherungshilfe begründeten Verhältnis von Vortäter und Begünstiger. In ähnlicher Weise ist auch bereits vom Wortlaut des § 257 Abs. 1 StGB her nicht nachvollziehbar, daß Stree im Falle einer ausschließlich zugunsten eines Vortatgehilfen begangenen Begünstigung nicht den nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB gemilderten Strafrahmen flir das nach § 257 Abs. 2 StGB zu ermittelnde Höchstmaß der Begünstigungsstrafe einsetzen will, sondern den flir die "Vortat,,654. Vortat ist jedoch nicht die Tat des Haupttäters, sondern nur die Tat des Gehilfen. Der Gesetzgeber hat somit gut daran getan, die Regelung des § 290 Abs. 1 und 2 E 1962 nicht in § 257 StGB mit aufgenommen zu haben, wären doch dadurch Sinn und Zweck des Begünstigungstatbestandes und insbesondere die sich von der Beihilfe unterscheidende Zielsetzung der zu leistenden Hilfe konterkariert worden. Zu den oben angesprochenen Friktionen im Tatbestand der Begünstigung, bei denen die enge Verwandtschaft zwischen Beihilfe- und Begünstigungshandlung deutlich wird, kommt daher keine weitere Unstimmigkeit hinzu.
(2) Abgrenzungsprobleme zwischen Vollendung und Beendigung der Vor- bzw. Haupttat Es nimmt nicht wunder, daß die Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung dann am schwierigsten ist, wenn unter rein zeitlichen Gesichtspunkten sowohl das eine als auch das andere Delikt in Betracht kommt. Zu einer solchen Über653 Gleichwohl wird in der Litemtur eine solche Rechtsgutsbestimmung vertreten, s. dazu unten, 2. Abschnitt, D.II.1 b.(l), S.264 f. 654 In: Sch/Schr25 , § 257 Rn.36.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
schneidung kann es schon deshalb kommen, weil Beihilfe jedenfalls bis zur Tatvollendung möglich ist und die Begünstigung bereits dann einsetzen kann, wenn schon ein Vorteil aus der Vortat erlangt wurde. Eine solche Kollision kann sich aber - in seltenen Fällen - durchaus schon im Stadium des Versuchs ergeben655 . Das Hauptaugenmerk gilt jedoch den in der Praxis häufig vorkommenden Fällen einer - neutral formuliert - Hilfeleistung nach Vollendung, aber vor Beendigung der Vortat. Jedenfalls bei Dauerstraftaten gelangt man so zu Abgrenzungsschwierigkeiten, da diese Hilfe sowohl eine Beihilfe als auch eine Begünstigung darstellen könnte. Aber auch bei allen sonstigen Delikten wird nach der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur in dieser Phase zwischen Vollendung und Beendigung eine sukzessive Beihilfe für möglich erachtet656 . Die gegen diese Rechtsfigur erhobenen Einwände brauchen jedoch im folgenden nicht auf ihre Stichhaltigkeit überprüft zu werden, da sich auch nach dieser Auffassung zumindest bei Dauerdelikten eine Phase nach Deliktsvollendung ergibt, in der sowohl Beihilfe als auch Begünstigung möglich sind657 • Die obige Erörterung der Strafrahmenregelung des § 257 Abs. 2 StGB hat bereits gezeigt, daß eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Vortat oder Begünstigung durchaus unterschiedliche Konsequenzen für den Strafrahmen haben kann: Die Beihilfe zum Diebstahl wird etwa deutlich niedriger bestraft als die Begünstigung des Diebes, während bei der Beihilfe zum Raub im Vergleich zur Begünstigung des Räubers genau das Gegenteil der Fall ist. Nun ist diese Situation einer Abgrenzung zweier gleichzeitig in Betracht kommender Tatbestände nichts Ungewöhnliches. Wie stets ist danach zu fragen, ob die jeweiligen Tatbestände objektiv wie subjektiv erfüllt sind bzw. ob dies gleichzeitig überhaupt möglich ist. Sollte dies der Fall sein, wäre dann die Lösung auf der Konkurrenzebene zu suchen. Zur Frage der Exklusivität von Beihilfe und Begünstigung wird jedoch in Rechtsprechung und Literatur kaum Stellung genommen. Die bislang überwiegende Meinung will als Abgrenzungskriterium offenbar Exklusivität voraussetzend - allein die "innere Willensrichtung" des 655 Vgl. TrändIe, § 257 Rn.4; LK 11 , Ruß, § 257 Rn.4; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.6; SK, Samson, § 257 Rn.II. 656 Dies lehnen ab Bottke, JA 1980,379; Herzberg, JuS 1975,35 (36); Hruschka, GA 1968, 193 (205); Isenbeck j NJW 1965,2326 (2328)i Jakobs, AT, 22/40, S. 676; Kühl, Jus 1982, 189 (190); LK 1 , Roxin, § 27 Rn.35; LK \ Ruß, § 257 Rn.5; Rudolphi, FS Jescheck, S. 559 (568 f.); SK, Samson, § 27 Rn.18 und § 257 Rn.26; ursprünglich auch noch RGSt (1. Strafsenat, 25.1.1883) 8, 177 (179). 657 Zumindest in einer Fußnote soll jedoch ein unseren Themenkreis berührendes Argument aufgegriffen werden: Die Rechtsfigur der sukzessiven Beihilfe oder Mittäterschaft wird immer wieder damit abgelehnt, daß der Gesetzgeber mit den §§ 257 ff. StGB nur bestimmtes Nachtatverhalten unter Strafe stellen wollte, vgl. nur Hruschka, GA 1968, 193 (205, Fn. 43). Daß mit den Nachtatdelikten aber nicht zwingend der Bereich der Vortatbeteiligung begrenzt werden sollte, zeigt sich schon am Beispiel der Dauerdelikte oder auch an der Möglichkeit einer Begünstigung schon zum Zeitpunkt des Versuchsstadiums der Vortat.
D. Teleologische Auslegung
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Täters ausschlaggebend sein lassen658 • Will dieser demnach einen Beitrag zur Tat leisten, so läge Beihilfe, will er hingegen die Vorteile der Tat sichern, so läge Begünstigung vor. Gegen diese Abgrenzung auf rein subjektiver Ebene wird von einem Teil der Literatur eingewendet, daß die hiernach auftretenden Beweisschwierigkeiten kaum zu überwinden seien659 , ja daß sogar die innere Willensrichtung im Falle einer Unterstützung der Vortäters zwischen Vollendung und Beendigung der Vortat bei einem Gehilfen wie einem Begünstiger nicht zu unterscheiden sei660 • Der erste Einwand vermag jedoch nicht zu überzeugen, da es dem Strafrecht keineswegs fremd ist, daß zwei in Betracht kommende Straftatbestände allein auf subjektiver Ebene voneinander geschieden werden; man denke etwa nur an die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach der subjektiven Theorie der Rechtsprechung. Das Argument, daß der Täter sich als Angeklagter vor Gericht den milderen Strafrahmen aussuchen könnte, unterstellt zum einen, daß Angeklagte nach Gutdünken lügen, und zum anderen, daß die gerichtliche Beweisaufnahme nicht in der Lage ist, einen subjektiven Tatbestand auch ohne eine mehr oder weniger geschönte Aussage des Angeklagten hierzu festzustellen; beide Unterstellungen sind jedoch so nicht haltbar. Das zweite Argument ist gewichtiger: Worin sollen sich die Willensrichtungen des sukzessiven Gehilfen und des Begünstigers unterscheiden, wenn die Tathandlung jeweils in einem Fortschaffen und Verstecken der vom Vortäter bereits weggenommenen, jedoch noch nicht in dessen gesichertem Gewahrsam befindlichen Beute besteht? In beiden Fällen will der Täter die Beute schlicht fortschaffen und verstecken. Eine Bewertung des Geschehens als Beihilfe oder Begünstigung erscheint da willkürlich 661 • Aufgrund dieser Einwände wird von einem Teil der Literatur ein genereller Vorrang der Beihilfe befürwortet662 • Warum man allerdings ausgerechnet der Beihilfe den Vorzug geben will, wird kaum näher begründet. Wenn etwa Stree darauf hinweist, daß zwischen der Beihilfe vor Vollendung und vor Beendigung der Haupttat kein Unterschied bestehe663 , so läßt sich dasselbe für die 658 S. RGSt (4. Strafsenat, 20.11.1923) 58, 13 (14); BGHSt (4. Strafsenat, 23.4.1953) 4, 132 (133); OLG Köln (l4.11.19891'1 NJW 1?90, 587 (588);. Baumann, JuS 19~3, 51 (54 f.); Hau/, BT I, H.3.1, S. 167; LK ,Ruß, § 257 Rn.6; PfeifferlMaullSchulte, § 257, Bem.2; Welzel, Strafrecht, § 58.1.la, 394. 659 Furtner, MDR 1965, 431 (433); LaubenthaI, Jura 1985, 630 (632); MaurachlSchroederlMaiwald, BT 2, § 101.11.2, S. 404; Seelmann, JuS 1983,32 (33). 660 lsenbeck, NJW 1965, 2326 (2328). 661 So auch Vogler, FS Dreher, S. 405 (416). 662 So Blei, BT, § 109.I1I.3a, S. 431; Furtner, MDR 1965, 431 ff.; Geppert, Jura 1980, 269 (274); LaubenthaI, Jura 1985, 630 (632 f.); MaurachISchroeder/Maiwald, BT 2, § 101.1I.2 isS, 404 f.; Schäfer, in: DalckelFuhrmanniSchäfer, A.2, § 257 Anm.2, S. 315; Sch/Schr , Stree, § 257 Rn.8; Seelmann, JuS 1983,32 (33 f.); Vogler, FS Dreher, S. 405 (416 0; WesseIs, BT 2, § 19.11.1 RN.746. 663 In: Sch/Schr2s , § 257 Rn.8.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Begünstigung nach Vollendung und nach Beendigung der Haupttat sagen. Ebenso verfangt der Hinweis auf die unter Umständen strengere Bestrafung der Beihilfe nicht, da gerade auch die Begünstigung unter Umständen strenger bestraft wird als die Beihilfe zur Vortat (s.o.). Allein dem § 257 Abs. 3 S. 1 StGB läßt sich der Gedanke entnehmen, daß der Beihilfe ein gewisser Vorrang vor der Begünstigung zukommt664 . Solange aber nicht zweifelsfrei feststeht, daß der Täter zugleich Teilnehmer an der Vortat ist, würde die analoge Anwendung dieser Norm eine unzulässige Analogie zu Lasten des Täters bedeuten, sofern die Beihilfe im konkreten Fall tatsächlich strenger bestraft würde. Der Mehrzahl der Autoren begründet daher ihre Ansicht mit einer teleologischen Reduktion des Begünstigungstatbestandes dahingehend, daß dieser im Falle einer möglichen Konkurrenz mit einer Vortatteilnahme erst nach Beendi. ·fie665 . gung der V ortat emgrel Bevor man jedoch den Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB wie einen Buchsbaum beschneidet, sollte man zuvor die gesetzlichen Vorgaben beachten. Nach den oben im Vergleich zur Beihilfe an der Vortat festgestellten Unstimmigkeiten im Strafrahmen gemäß Abs. 2 erscheint eine pauschale Bevorzugung der Beihilfe gegenüber der Begünstigung de lege lata nicht ohne weiteres haltbar. Zu einer solchen kann man erst dann gelangen, wenn tatsächlich beide Tatbestände erfüllt sind und die Konkurrenzregelung des Abs. 3 S. I eingreift. Die herrschende Meinung, die lediglich auf die Willensrichtung des Täters abstellen will, geht offensichtlich davon aus, daß bei einer Hilfeleistung zwischen Vollendung und Beendigung zumindest die objektiven Tatbestände der Beihilfe und der Begünstigung gleichermaßen erfüllt sind666 . Diese Frage hängt jedoch wiederum von den jeweils zu den Hilfeleistungsbegriffen bei der Beihilfe und Begünstigung vertretenen Theorien ab. Wir hatten gesehen, daß bislang allein Vogler versucht hat, die jeweiligen Hilfeleistungsbegriffe einheitlich zu verstehen, nämlich unter dem Aspekt der Risikoerhöhung bzw. Gefahrdung für das geschützte Rechtsgut667 . Auf die geringe Aussagekraft des Gefahrdungsgedankens hinsichtlich der Eignung einer Handlung einerseits und auf die mangelnde Bestimmtheit eines nicht weiter eingegrenzten Gefahrdungsverbots wurde jedoch bereits hingewiesen 668 • Folgt man zur Beihilfe der "Verursachungstheorie", so sind die objektiven Tatbestände der §§ 27 und 257 StGB nur dann gleichermaßen erfüllt, wenn tatsächlich ein kausaler Beitrag zur Tatbeendigung geleistet wurde und man bei der Begünstigung die "objektive Eignungstheorie" Auf diese Vorschrift beruft sich etwa Seelmann, JuS 1983, 32 (33). So Furtner, MDR 1965,431 (434); Laubenthai, Jura 1985, 630 (632 f.); Schäfer, in: Dalcke/Fuhrmann/Schäfer, A.2, § 257 Anm.2, S.315; Vogler, FS Dreher, S.405 (417). 666 Darauf weist auch Vogler, aaO, S. 416 f., hin. 667 S. Vogler, aaO, S. 405 ff. 668 S. o. die Kritik an Voglers Ansicht unter I. Abschnitt, B.III.3, S.66 ff. 664
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D. Teleologische Auslegung
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vertritt: Eine einen bestimmten Erfolg verursachende Handlung ist stets auch hierzu objektiv geeignet. Das fuhrt freilich zu dem merkwürdigen Ergebnis, daß nur im Falle der Verursachung der Tatbeendigung durch den Helfer die Konkurrenz zwischen Beihilfe und Begünstigung auftritt. Warum es in anderen Fällen der von der herrschenden Meinung geforderten besonderen inneren WiIIensrichtung des Begünstigers nicht bedarf, erscheint jedoch nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Dagegen bringt die sowohl bei der Beihilfe als auch der Begünstigung zu favorisierende "Interessenförderungstheorie" erneut Licht ins Dunkel. Die Hilfeleistungsbegriffe sind bei der Beihilfe wie bei der Begünstigung dem Grunde nach tatsächlich identisch: Es geht jeweils um die Förderung bestimmter Interessen eines anderen. Bei der Beihilfe handelt es sich jedoch um die Interessen des Haupttäters an der Tatbestandsverwirklichung, bei der Begünstigung um die Interessen des Vortäters an der Vorteilssicherung. In diesem Punkt unterscheiden sich die beiden objektiven Tatbestände also erheblich. Blickt man jedoch auf die spezielle Situation zwischen Vollendung und Beendigung der Haupt- bzw. Vortat, so zeigt sich, daß die jeweiligen Interessen des Vor- bzw. Haupttäters in den meisten Fällen identisch sind. Dies gilt insbesondere für die Eigentumsdelikte, bei denen es in der Phase bis zur Beendigung allein um die Begründung sicheren Gewahrsams geht; denn dies stellt bereits den ersten und möglicherweise auch schon einzigen Schritt zur Vorteilssicherung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB dar. Anders kann es hingegen bei Dauerdelikten wie etwa der Freiheitsberaubung nach § 239 StGB im Stadium vor Deliktsbeendigung aussehen, in dem nicht jedes Vorteilssicherungsinteresse mit dem Interesse an der Fortdauer des Freiheitsentzuges des Opfers identisch sein muß. Sind jedoch in einem Fall die objektiven Tatbestände der Beihilfe und der Begünstigung gleichermaßen erfüllt, so stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach dem entsprechenden Vorsatz des Täters. Hat dieser vorsätzlich gehandelt, so ist der Einwand ausgeschlossen, daß er mit seiner Handlung eigentlich nur den Vorteilssicherungsinteressen des Vortäters dienen wollte und nicht dessen Tatbegehungsinteressen bzw. umgekehrt. Denn in einer Phase, in der diese grundsätzlich unterschiedlichen Interessen tatsächlich übereinstimmen, kann sich der auf die Förderung des einen Interesses gerichtete Vorsatz nicht vom Vorsatz bezüglich der Förderung des anderen Interesses unterscheiden. Lieber Gehilfe bzw. Begünstiger sein zu wollen, ist für die strafrechtliche Bewertung irrelevant. So ist der Trickdieb auch dann ein Dieb, wenn dieser eigentlich davon ausgegangen ist, mit seiner Handlung einen Betrug begangen zu haben. Für unseren Fall bedeutet dies, daß der Täter fur eine Beihilfe Vorsatz sowohl bezüglich der konkreten Haupttat als auch bezüglich der Hilfeleistung haben muß, hingegen für die Begünstigung in jedem Falle Vorteilssicherungsabsicht vorliegen muß. Die Frage nach der inneren Willensrichtung be-
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
deutet demnach nichts anderes als die Subsumtion unter den jeweiligen subjektiven Tatbestand. Als Ergebnis dieser Subsumtion ergibt sich jedoch, daß der von einem Teil der Literatur befürwortete generelle Vorrang der Beihilfe in aller Regel zutrifft. Denn nicht selten werden die objektiven wie subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Beihilfe zur Haupttat erfüllt sein, so daß selbst bei einem zusätzlichen Vorliegen der Begünstigung diese gemäß § 257 Abs. 3 S. 1 StGB entfallen würde.
(3) Abgrenzungsprobleme vor Vollendung der Vor- bzw. Haupttat
Soeben hatten wir gesehen, daß sich die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Tatbeständen der Beihilfe und der Begünstigung insbesondere im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung der Vortat ergeben, allerdings auch schon nach versuchter Vortat auftreten können, sofern dadurch bereits sicherungsfähige Vorteile erlangt wurden. Jedoch stellt sich die Frage, ob nicht während des gesamten Bereichs, in dem eine Beihilfehandlung denkbar ist, also von den ersten Vorbereitungen bis zur endgültigen Beendigung des Delikts, zugleich auch eine Begünstigungshandlung in Betracht kommt und sich daher die eben geschilderten Abgrenzungsschwierigkeiten über diesen gesamten Zeitraum hinweg ergeben. Die vor Tatbestandsverwirklichung durch den Vortäter einsetzende Begünstigungshandlung - sogenannte "vorgeleistete Begünstigung" - wurde aufgrund der bis 1975 geltenden Wortfassung des § 257 StGB aF überwiegend allenfalls unter die Beihilfe subsumiert, war dies nicht möglich, sogar für straflos gehalten669 • In der Tat: Die frühere Tatbestandsfassung "Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Vergehens ... Beistand leistet ... " schien eine klare zeitliche Abfolge von Vortat und Nachtat vorauszusetzen. Zwingend ist diese Auslegung freilich nicht, da bei der Tathandlung des Beistandleistens nicht unbedingt auf den Zeitpunkt der Vornahme der Handlung abgestellt werden muß, sondern möglicherweise auch der Wirkungszeitpunkt der Handlung gemeint sein kann. So ist es inzwischen die ganz herrschende Meinung, die nach der Neufassung - die insoweit strenggenommen keine wesentliche Änderung gebracht hat - mit genau dieser Argumentation eine vorgeleistete Begünstigung für strafbar hält670 • Die Hilfe muß nunmehr 669 So Beting, Vergl. Darst. VII, § 3.1, S. 13; Class, FS Stock, S. 115 (117 f); Elvers, ZStW 31 (1911), 893 (896); Frank, § 257 Anm.lI.2, S. 565; Scha.fJstein, FS Honig, S. 169 (184). A.A.: Binding, BT 2.2, § 244.1V, S. 659. 670 So Geppert, Jura 1994, 441 ~ 442); Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 181 f; LK 11 , Ruß, § 257 Rn.5; Sch/Schr2 ,Stree, § 257 Rn.6 f; Seelmann, JuS 1983,32 (34); SK, Samson, § 257 Rn.26. A.A.: Spendet, FS Dreher, S. 167 (177 f.). Zweifelnd: Hruschka, JR 1980, 221, (223, Fn. 18), der darauf hinweist, daß zumindest die Begriffe "Vortat" und"Vortäter" strenggenommen falsch seien.
D. Teleologische Auslegung
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"einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat", geleistet werden. Sofern die Vorteilssicherungshilfe erst nach begangener Tat wirkt, wäre nach dieser Auffassung auch eine bereits vor oder während Ausfiihrung der Vortat vorgenommene Begünstigungshandlung strafbar. Im folgenden soll jedoch nicht die Richtigkeit dieser extensiven Tatbestandsinterpretation untersucht werden - man wird sie als gerade noch vom Wortlaut gedeckt ansehen müssen -, da sich in diesem Zusammenhang zwischen den zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Auffassungen keine besonderen Unterschiede ergeben. Von Bedeutung ist vielmehr die Frage, wie die Rechtsfigur der vorgeleisteten Begünstigung - erkennt man sie denn an - insbesondere von der zeitgleich möglichen Beihilfehandlung abzugrenzen ist. Als Beispielsfall mag der noch vor Begehung der eigentlichen Vortat, eines Schmuckdiebstahls, abgesendete Brief dienen, in dem der Absender dem Vortäter wertvolle Ratschläge erteilt, wie die Beute nach der Tat gesichert werden kann. Betrachtet man hierzu die Ausfiihrungen in der Literatur, so wird in aller Regel etwas unscharf allein auf den Wirkungszeitpunkt der Hilfeleistung abgestellt, in unserem Fall also auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des anderen vom Inhalt des Briefes; wirkt die Hilfe vor Vollendung, soll sie demnach eine Beihilfe zur Haupttat darstellen, wirkt sie nach Beendigung, soll sie als Begünstigung bestraft werden671 . Dies muß überraschen, da man sich mit einem derart pauschalen Kriterium ganz in den Bahnen der schlichten Abgrenzung von ,auxilium ante delictum / in delicto' und ,post delictum' bewegt. Richtig ist zwar, daß sowohl die Beihilfe als auch die Begünstigung im wesentlichen eine Hilfeleistung darstellen; unzutreffend ist hingegen, daß sich diese Hilfeleistungen allein in ihrem Wirkungszeitpunkt unterscheiden. Vielmehr zeigt die "Interessenförderungstheorie", daß jeweils unterschiedliche Interessen des Haupt- bzw. Vortäters gefördert werden. Dagegen vermögen die Theorien, die die Begünstigungshandlung lediglich als eine (tauglich) versuchte Vorteilssicherung definieren wollen, ganz gegen das eigene Dogma von der Selbständigkeit des § 257 StGB kaum zu verhindern, daß die Begünstigung zum bloßen "Wurmfortsatz" der Beihilfe reduziert wird. Es stellt sich jedoch im Beispielsfall die Frage, ob noch vor oder während der Vortat erteilte Vorteilssicherungsratschläge überhaupt eine Beihilfe zur Vortat darstellen können; ferner ist fraglich, welche Rolle es fiir den subjektiven Tatbestand spielt, wenn der Hilfswillige mit dem vorzeitigen Eintreffen des Briefes beim Vortäter gar nicht gerechnet hat. Auch hier wird man wieder nur dann zu befriedigenden Ergebnissen kommen können, wenn man die Tathandlung exakt unter die jeweiligen objektiven 671 Vgl. etwa Geppert, Ruß, See/mann und Stree, jeweils aaO. Im Falle der Wirkung zwischen Vollendung und Beendigung ist hingegen das eben unter (2) erörterte Sonderproblem einschlägig.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
und subjektiven Tatbestände von Beihilfe und Begünstigung subsumiert672 . Trifft demnach in unserem Beispiel der Brief erst nach Beendigung der Vortat beim Vortäter ein, so scheidet eine Beihilfe schon objektiv von vornherein aus. Dagegen läge eine Begünstigung wohl nach sämtlichen zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Theorien vor, sieht man einmal von der nur mit Mutmaßungen zu beantwortenden Frage der Handlungstauglichkeit gemäß der "objektiven Eignungstheorie" ab. Erhält der Vortäter den Brief jedoch bereits vor oder während der Ausführung seiner Tat, so stellt sich die Frage, ob dadurch überhaupt der objektive Tatbestand einer Beihilfe zur Haupttat erfüllt sein kann. Die "Verursachungstheorie" kann hier allenfalls mit der Figur der psychischen Beihilfe operieren. Die Kausalität zwischen dieser psychischen Unterstützung und dem Tatbestandserfolg bleibt jedoch auch hier wieder in den meisten Fällen eine Fiktion: Wenn überhaupt die psychische Situation des Haupttäters durch den Briefinhalt positiv beeinflußt wurde, so stellt sich die Frage, ob diese Erleichterung im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung relevant ist. Diese Relevanz muß auch bezüglich der nach der "Risiko erhöh ungs lehre" sicherlich festzustellenden Gefahrsteigerung in Zweifel gezogen werden, um eine uferlose und damit willkürliche Beihilfestrafbarkeit zu vermeiden. Wann eine sogenannte vorgeleistete Begünstigung schon vor Vollendung tatsächlich "wirkt" und daher als Beihilfe zur Vortat angesehen werden muß, läßt sich allein nach der "Interessenförderungstheorie" zutreffend erkennen. Wenn der Briefinhalt in keiner Hinsicht dazu in der Lage ist, die Tatbegehungsinteressen des Vortäters zu fördern, so kommt selbst dann keine Beihilfe in Betracht, wenn der Brief den Vortäter noch vor dessen Tat erreicht. Enthält das Schreiben daher ausschließlich Ratschläge im Hinblick auf die Vorteilssicherung, so kann darin völlig unabhängig vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den anderen niemals eine Beihilfe liegen, allenfalls eine Begünstigung, wenn die Hinweise nicht von vornherein den Vorteilssicherungsinteressen des Vortäters widersprechen. Also nur, wenn auch Tatbegehungsinteressen des Vortäters gefördert werden, kommt im Falle des frühzeitigen Eintreffens des Briefes eine Beihilfe an der Vortat in Betracht. Jedoch stellt sich dann die Frage nach den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 StGB. Wie wir oben bei der Abgrenzung zwischen sukzessiver Beihilfe und Begünstigung bereits gesehen haben, spielt die Vorstellung des Täters, daß es sich bei seiner Handlung rechtlich um eine Begünstigung bzw. um eine Beihilfe handele, keine Rolle, da er insofern lediglich einem unbeachtlichen rechtlichen Bewertungsirrtum unterliegen würde. Von Relevanz ist es hingegen, wenn der Täter sich über den tatsächlichen Ablauf des Geschehens irrt. Geht er in unserem Beispiel etwa noch nicht einmal mit Eventualvorsatz davon aus, daß der Brief, der Ratschläge sowohl hinsicht672
So auch Küper, JZ 1981,251 (256).
D. Teleologische Auslegung
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lich der Tatbegehung als auch der Vorteilssicherung enthält, bereits vor Tatbeendigung beim Vortäter eintreffen könnte, so fehlt ihm rur eine Beihilfe der Vorsatz673 • Hält er ein vorzeitiges Eintreffen des Briefes hingegen rur möglich, so kann in der Tat eine Beihilfe zur Vortat vorliegen. Es zeigt sich also, daß das Abstellen bloß auf den Wirkungszeitpunkt zu pauschal ist. Zum einen bemißt sich die Defmition dessen, was unter" Wirkung" zu verstehen ist, nach dem jeweils in Betracht kommenden Tatbestand. Trotz des im Grundsatz einheitlich zu verstehenden Hilfeleistungsbegriffs bei der Beihilfe und der Begünstigung unterscheiden sich die objektiven Tatbestände bei diesen Delikten insoweit, als die Hilfeleistung jeweils in verschiedene Richtungen weist, d.h. unterschiedliche Interessen des anderen gefördert werden. Daraus folgt aber andererseits auch, daß eine bestimmte Vorstellung des Helfers vom Wirksamwerden der Hilfe sehr wohl den Vorsatz ausschließlich auf die Beihilfe oder umgekehrt ausschließlich auf die Begünstigung konzentrieren kann. Zugleich wird damit erneut deutlich, daß allein die "Interessenförderungstheorie" dazu imstande ist, sowohl die Ähnlichkeit als auch die entscheidenden Unterschiede von Beihilfe und Begünstigung aufzuzeigen und schwierige Abgrenzungsprobleme einer überzeugenden Lösung zuzuruhren.
b) Abgrenzung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung Geht es um die Abgrenzung von vorbereiteter, versuchter und vollendeter Begünstigung, so ist die gesetzliche Vorgabe an sich eindeutig: Vorbereitungshandlungen und Versuch sind straflos gestellt. Nach einer unbefangenen Subsumtion unter den Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB bedarf es daher zur Bestrafung wegen Begünstigung einer in Vorteilssicherungsabsicht geleisteten, vollendeten Vorteilssicherungshilfe zugunsten des Vortäters. Die Dinge werden erst kompliziert, wenn man mit der ganz herrschenden Lehre und der Rechtsprechung den Begünstigungstatbestand als sogenanntes zur selbständigen Straftat erhobenes Versuchsdelikt verstehen will. Wir hatten oben im 1. Abschnitt unter B.Il bis IV gesehen, daß bis auf die "Manifestationstheorie" und die "Interessenförderungstheorie" alle in der Literatur vertretenen Auffassungen von diesem Versuchscharakter der Begünstigung ausgehen, allerdings jeweils mit einem unterschiedlichen Verständnis der zu erreichenden Versuchsqualität: Die "Theorie des echten Vorteilssicherungsversuchs" entspricht 673 SK, Samson, § 257 Rn.26, hält daher zu Recht in dem Fall, in dem die Hilfeleistung erst nach Beendigung der Vortat wirksam werden "soll"(!), allenfalls eine Begünstigung für möglich. Ebenso PfeifferlMaullSchulte, § 257, Bem.2, in einem Fall, in dem der Täter die Vortat irrig für bereits vollendet hält, mit Verweis auf eine unveröffentlichte Entscheidung des BGH (I. Strafsenat, 11.10.1960).
15 Weisen
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
den in §§ 22 f. StGB niedergelegten allgemeinen Versuchsregeln, die "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" der sogenannten Lehre vom Mangel am Tatbestand, und die "objektive Eignungstheorie" postuliert einen tauglichen Vorteilssicherungsversuch. Eingerahmt werden diese Ansichten von der extrem weiten "rein subjektiven Theorie", die sogar auf das Moment des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung verzichtet, und der "Theorie der objektiven Lageverbesserung", die über das unmittelbare Ansetzen hinaus die Herbeiführung eines bestimmten Teilerfolges verlangt. Alle diese Ansichten haben bereits begrifflich die Schwierigkeit, inwieweit sie überhaupt von einem (straflosen) Begünstigungsversuch sprechen können bzw. wie der der Tatbestandsverwirklichung vorgelagerte straflose Bereich zu bezeichnen und definieren ist. So neigen die Vertreter der subjektiven Theorien dazu, die Möglichkeit eines (straflosen) Versuchs einer Begünstigung schon begrifflich abzustreiten 674 oder diesen als "Versuch des vertatbestandlichten Vorteilssicherungsversuchs" dem Vorbereitungsstadium im Hinblick auf die anzustrebende Vorteilssicherung zuzuschlagen 675 . Vollendet ist die Begünstigung jedenfalls nach diesen Ansichten bereits mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Vorteilssicherung, nach der "rein subjektiven Theorie" sogar schon mit irgendeiner auf die Vorteilssicherung abzielenden Handlung. Am Kriterium des unmittelbaren Ansetzens ändert sich bei der "objektiven Eignungstheorie" formal zwar nichts, wohl aber inhaltlich. Da hiernach nur der taugliche Versuch bestraft werden soll, kann es für die Ermittlung des unmittelbaren Ansetzens nicht genügen, wenn das betroffene Rechtsgut aus Sicht des Täters unmittelbar gefährdet676 erscheint. Vielmehr bedarf es hierzu einer objektiven unmittelbaren Gefährdung des Rechtsguts; die restitutionsvereitelnde oder -gefährdende Hilfe muß also tatsächlich erbracht sein 677 • Gegen die Einstufung der Begünstigung als Versuchsdelikt und die daraus resultierende Einbeziehung des Vorteilssicherungsversuchs in den Tatbestand ist dogmatisch zunächst nichts einzuwenden. Auch daß es sich bei dem entscheidenden Bezugspunkt, der Vorteilssicherung, um einen äußerst vagen Be674 Vgl. schon Herzog, GA 29 (1881), 112 (125, Fn.6), und Waldthausen, GA 29 (1881), 375 (398). 675 Rudolphi, FS Kleinknecht, S. 379, spricht in der Rückschau auf § 257 aF hingegen pauschal davon, daß auch Vorbereitungshandlungen erfaßt gewesen seien. Zum Streit, ob bei einem Unternehmensdelikt ein Versuchsstadium denkbar ist, vgl. i.ü. oben Fn.51. 676 Vgl. zu diesem Kriterium als eines von mehreren Sch/Schr25 , Eser, § 22 Rn.42. 677 S. Geppert, Jura 1980, 269 (275); Küper, BT, $. 174; LK 11, Ruß, § 257 Rn.14; Lenckner, JR 1977, 74 (75); Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.15. In diesem Sinne wohl auch SK, Samson, § 257 Rn.20, dessen Forderung nach einem unmittelbaren Ansetzen zur Hilfeleistung mit dem klaren Wortlaut des § 257 Abs. I StGB kaum vereinbar ist; s. dazu oben Fn. 83.
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griff handelt - wie früh kann man nicht schon von einem "Sicherermachen" sprechen?678 - ist nur ein tatsächlicher Einwand, kein rechtlicher. Die Defmition des unmittelbaren Ansetzens zur Vorteils sicherung muß jedoch gewährleisten, daß zu diesem Zeitpunkt dem Vortäter zum einen erst und zum anderen schon Hilfe zuteil geworden ist. Zieht man einen Vergleich zur Beihilfe, so wird deutlich, worin das Problem besteht: Einem Mörder wird etwa bereits dadurch Hilfe geleistet, daß ihm das Mordwerkzeug beschafft wird; diese Beihilfehandlung fmdet jedoch noch eindeutig im Vorbereitungsstadium des Mordes statt, ja die Zeitspanne zwischen der Hilfeleistung und der eigentlichen Tat kann mitunter äußerst groß sein. Für die Qualität der Handlung als Hilfe spielt dies jedoch keine Rolle. Als Beihilfe strafbar ist diese Handlung freilich erst mit der Tatbestandsverwirklichung durch den Haupttäter, sei es also der vollendete oder auch nur der versuchte Mord. Bei der Begünstigung ist hingegen der Eintritt des mit der Hilfe angestrebten Erfolges nicht erforderlich: Es genügt schlicht eine Hilfeleistung zur Vorteilssicherung. Aus diesem Vergleich wird ersichtlich, daß die Scheu, Vorbereitungs- oder Versuchshandlungen im Hinblick auf die Vorteilssicherung mitzubestrafen, nicht nur unberechtigt, sondern das Erreichen eines bestimmten Stadiums hinsichtlich der Vorteilssicherung für den Hilfeleistungsbegriff völlig irrelevant ist. Ein Blick auf die Rechtsprechung verdeutlicht dies. Zwar hatte schon früh das Reichsgericht und ihm folgend der Bundesgerichtshof die Begünstigung als zum selbständigen Delikt erhobene Versuchshandlung bezeichnet679 . Daraus hat aber keines der Gerichte je die Konsequenz gezogen, für die Frage nach dem Vollendungszeitpunkt das Kriterium des unmittelbaren Ansetzens zur Vorteilssicherung zu aktivieren. Wie bereits oben dargestellt, läßt sich die Rechtsprechung daher keiner der in der Literatur überwiegend vertretenen Versuchstheorien zuordnen. Mit dem herausgestellten Versuchscharakter sollte lediglich negativ klargestellt werden, daß das angestrebte Ziel, die Vorteilssicherung, nicht erreicht zu werden braucht680 . Hingegen wird der Vollendungszeitpunkt der Begünstigung unabhängig von einem wie auch immer gearteten Vorteilssicherungsversuch bestimmt. Entscheidend ist vielmehr das Vorliegen einer vollendeten Hilfeleistung im materiellen Sinne. Auch bei Vertretern der "objektiven Eignungstheorie" läßt sich zumindest im Hinblick auf die Abgrenzung von Vorbereitung und Vollendung die Tendenz erkennen, nach einem materiellen Hilfeleistungsbegriff zu fahnden. So fragt etwa Vogler in einem konkreten Fall danach, ob eine "geeignete Hilfeleistung S.o., 2. Abschnitt, B.I!, S.128 ff. S. schon RGSt (3. Strafsenat, 20.2.1902) 35, 128 (129); vgl. auch oben, I. Abschnitt, C.I, S.80. 680 In diesem Sinne auch die zutreffende Analyse von Theissen, Begünstigungshandlung, S. 169 f. 678
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schon als verwirklicht angesehen werden kann,,681. Welchen Gehalt ein solcher Hilfeleistungsbegriff haben soll, bleibt in seinen folgenden Ausführungen jedoch unklar. Zitiert wird lediglich die noch vom Reichsgericht verwendete Formel des "ersten Schrittes", ob also der Schutz des Vortäters gegen den möglichen Wiederverlust der Beute schon erhöht worden ist682 . Damit wird jedoch ein möglicher eigenständiger Inhalt dessen, was unter Hilfe zu verstehen ist, nur sehr rudimentär beschrieben. Geppert folgt immerhin der Ansicht Voglers insoweit, als zur Tathandlung - der Hilfeleistung - nicht nur unmittelbar angesetzt, sondern diese tatsächlich vollendet sein müsse 683 . Solange jedoch dem Hilfeleistungsbegriff kein wirklich eigenständiger Gehalt beigemessen wird, unterscheiden sich Vogler und Geppert nicht wesentlich von der herrschenden "objektiven Eignungstheorie", die auf die unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts und damit auf das unmittelbare Ansetzen zur Vorteilssicherung abstellt. Anders die "Interessenförderungstheorie": Nach ihr besteht die Tathandlung in der vollendeten Förderung der auf die Vorteilssicherung gerichteten Interessen des Vortäters. Und wie ein Vergleich mit der Beihilfe, also der Förderung der Tatbestandsverwirklichungsinteressen eines Haupttäters, zeigt, kann eine solche Interessenförderung bereits äußerst früh vollendet sein; "früh" im Hinblick auf das Hilfeleistungsziel, bei der Begünstigung also die Vorteilssicherung. Ob sich die Hilfe zugleich als Vorbereitung oder als Versuch einer Vorteilssicherung entpuppt, spielt daher für die Definition des Hilfeleistungsbegriffs und somit für den Vollendungszeitpunkt einer tatbestandlichen Begünstigung keine Rolle. Der Gesetzgeber hat den Strafbarkeitsbereich der Begünstigung gegenüber einer vollendeten Vorteilssicherung zwar prinzipiell vorverlegt, jedoch nicht dadurch, daß eine versuchte oder gar vorbereitete Vorteilssicherung genügen würde, sondern dadurch, daß lediglich eine Vorteilssicherungshilfe erforderlich ist. Zur Verdeutlichung mag der oft entschiedene Fall einer dem Vortäter gegebene Zusage einer Falschaussage in dessen anstehendem Prozeß dienen. Sofern es nicht nur um die durch eine dem Vortäter günstige Aussage herbeizuführende Strafvereitelung geht, sondern dadurch auch noch aus der Vortat vorhandene Vorteile gesichert werden sollen, stellt sich in diesen Fällen die Frage, ob bereits durch die Zusage eine vollendete Begünstigung vorliegt. Bejaht man mit der Rechtsprechung diese Frage684 , so hat dies u. a. zur Konsequenz, daß beIn: FS Dreher, S. 405 (423). So in RGSt(4. Strafsenat, 4.12.1920) 55,178. 683 In: Jura 1980, 269 (275). 684 S. RG (I. Strafsenat, 26.4.1929), JW 1929,2730; RG (5. Strafsenat, 4.6.1936), JW 1936 (2806); BGHSt (I. Strafsenat, 22.10.1963) 19, 113; BGH (2. Strafsenat, 2.12.1970), NJW 1971, 525 (= MDR 1971, 231); BGHSt (4. Strafsenat, 18.3.1976) 27, 681
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reits allein aufgrund der vorherigen Zusage der Falschaussage dieser Zeuge gemäß § 60 Nr.2 StPO nicht mehr vereidigt werden darf. Interessant ist jedoch der von der Rechtsprechung mit der Strafrechtsreform 1975 vollzogene Wandel im Hinblick auf die Strafvereitelung: Während zuvor die persönliche Begünstigung ebenfalls, wie heute noch die (sachliche) Begünstigung, lediglich eine Hilfeleistung voraussetzte, muß bei der Strafvereitelung nunmehr der Strafvereitelungserfolg tatsächlich eingetreten sein bzw. bei der versuchten Strafvereitelung hierzu mindestens unmittelbar angesetzt worden sein. Bei der vor dem Prozeß gegebenen Zusage verneint die Rechtsprechung nicht nur einen Strafvereitelungserfolg, sondern zutreffend auch einen Strafvereitelungsversuch mangels unmittelbaren Ansetzens685 . Wenn die Rechtsprechung demgegenüber an der vollendeten Begünstigung gemäß § 257 StGB festhält, so läßt sich daraus erneut ersehen, daß sie sich - zu Recht - bei der Feststellung des Hilfeleistungsbegriffs nicht von den Kategorien des Vorbereitungs-, Versuchsund Vollendungsstadiums hinsichtlich der Vorteilssicherung beeindrucken läßt. Denn in der Tat: Gemessen an der späteren, aus der Falschaussage resultierenden Vorteilssicherung findet die bloße Zusage noch weit im Vorfeld statt, mithin im Vorbereitungsstadium. Und doch kann und wird in der Regel darin bereits eine Hilfeleistung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB liegen. Denn die gesamte Prozeßftihrung des angeklagten Vortäters hängt entscheidend davon ab, mit welchen Aussagen dieser rechnen kann. Die Tatsache, daß dem Vortäter die beabsichtigte Falschaussage zugesichert wird und dieser sich in der Ausarbeitung seiner Prozeßtaktik darauf verläßt, fördert bereits seine auf einen günstigen Prozeßausgang und die daraus resultierende Vorteilssicherung gerichteten Interessen. Freilich bedarf dies genauer Feststellung im Einzelfall, da auch Fälle denkbar sind, in denen die Zusage einer Falschaussage dem Vortäter gar nichts "bringt", ihm also auch nicht hilft. Durch das Erfordernis einer vollendeten Hilfeleistung, also einer vollendeten Förderung der Vorteilssicherungsinteressen des Vortäters, erübrigt sich jedoch nicht nur die Unterscheidung von vorbereiteter, versuchter und vollendeter Vorteilssicherung, sondern es spielt aus diesem Grunde auch entgegen der herrschenden "objektiven Eignungstheorie" die faktisch kaum zu beantwortende Frage keine Rolle mehr, ob eine Begünstigungshandlung zur Vorteilssicherung geeignet war oder nicht. Statt dessen kommt es darauf an, ob eine Hand74; BGH (4. Strafsenat, 26.3.1981), NStZ 1981,268; KG (19.2.1981), NStZ 1981,449. Zustimmend Seibert, NJW 1963, 142, mit dem Hinweis auf die Auswirkungen auf § 60 Nr.2 StPO. A.A. hingegen die in Fn. 677 genannten Literaturstimmen; vgl. ferner Heimberger, JW 1929,2730 (2731); OLG Hamburg (23.9.1980), NJW 1981,771. 685 S. BGHSt (2. Strafsenat, 17.3.1982) 31,11 (13); BGH (4. Strafsenat, 18.3.1982), NJW 1982, 1601 (= NStZ 1982,430); HansOLG Bremen (4.12.1980), JR 1981,474; KG (19.2.1981), NStZ 1981,449; OLG Düsseldorf(28.8.1987), NJW 1988,84; OLG Karlsruhe (25.11.1992), Justiz 1993, 262 (263). Dem stimmt die ganz h.L. zu, vgl. die Nachweise bei Mü/ler-Dietz, JR 1981,475.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
lung tatsächlich den auf die Vorteilssicherung gerichteten objektiven Interessen des Vortäters entspricht. Dies ist beispielsweise dann von vornherein ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung die zu sichernden Vorteile beim Vortäter gar nicht mehr vorhanden sind686, da in diesem Fall die Vorteilssicherungsinteressen objektiv gar nicht mehr f6rderbar sind. Sind jedoch die Vorteile aus der Vortat bei jenem Vortäter noch vorhanden und können diese grundsätzlich noch gesichert werden, so stellt sich die schwierige Frage, wie die objektiven Vorteilssicherungsinteressen des Vortäters festzustellen sind. An dieser Stelle verbietet sich freilich ein Rückgriff auf die Unterscheidung von tauglichem und untauglichem Vorteilssicherungsversuch, etwa mit der Begründung, daß das Interesse des Vortäters nur an einer zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung bestehe. Denn dieses Argument negiert den von der "Interessenf6rderungstheorie" herausgestellten zentralen Gedanken, daß es bei der Beurteilung dessen, was unter Hilfe zu verstehen ist, auf die wenn auch objektive - Perspektive des Hilfeempfängers ankommt687 . Demnach entspricht jede auf Vorteilssicherung gerichtete Handlung dann dessen VOTteilssicherungsinteresse, wenn sie nicht aus seiner Sicht unerwünscht sein muß; dies ist etwa dann der Fall, wenn er - im Gegensatz zum Begünstiger - die Untauglichkeit des Unternehmens bereits absehen kann, oder wenn er zwar ebenfalls von der (theoretischen) Tauglichkeit der Hilfsbemühung ausgeht, jedoch auf andere Weise mit den Vortatvorteilen verfahren will und daher die angebotene Hilfe rur ihn ins Leere läuft. Die Ermittlung dieses Vorteilssicherungsinteresses kann daher im konkreten Fall zu schwer autklärbaren Einzelfragen ruhren. Der vom Vortäter kundgegebene Wille mag unter Umständen einen Anhaltspunkt hierrur bieten. Und doch ist trotz der Schwierigkeiten im Einzelfall der "Interessenf6rderungstheorie" der Vorzug zu geben, da sie im Gegensatz zur herrschenden "objektiven Eignungstheorie" das Problem an der richtigen Stelle behandelt: Die Qualität einer Handlung als Hilfeleistung zugunsten einer anderen Person bemißt sich nicht nach der - nur zu mutmaßenden - objektiven Erreichbarkeit des angestrebten Zieles, sondern danach, ob der Hilfeempfänger von dieser Erreichbarkeit ausgeht und auch ausgehen konnte 688 • Dies kann er nur dann nicht, wenn die Erreichung einer Vorteilssicherung von vornherein objektiv unmöglich ist. In allen anderen Fällen richtet sich dagegen die Beurteilung einer Handlung eines Hilfswilligen als tatsächliche Hilfeleistung nach der - unter Umständen auch irrigen - Vorstellung des 686 So auch im Ergebnis die ständige Rechtsprechung und h.M., vgl. nur BGHSt (2. Strafsenat, 16.6.1971) 24, 166; BGH (2. Strafsenat, 9.1.1985), NJW 1985,814; BGH (3. Strafsenat, 16.11.1993), NStZ 1994, 187; LacknerlKühl, § 257 Rn.3. 687 V gl. zu diesem Gedankengang oben die Ausführungen zum Delikt der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB, 2. Abschnitt, c.I.3, S.144 ff. 688 Die Rechtsprechung verneint dies etwa in Fällen, in denen unter keinen Umständen eine Vorteilssicherung möglich ist - nur in diesem Sinne ist das Eignungskriterium in der Tat tragfähig.
D. Teleologische Auslegung
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Hilfeempfängers über die Erreichbarkeit der Vorteilssicherung. Nur wenn er von einer solchen Erreichbarkeit ausgeht, ist er für eine Hilfe empfänglich, und somit Hilfe auch nur möglich. Ebenso wie bei der unterlassenen Hilfeleistung einem bereits dem Tod Geweihten unter Umständen noch geholfen werden muß, kann auch ein Vortäter selbst dann noch begünstigt werden, wenn sich hinterher herausstellt, daß die Vorteile in jedem Fall verloren gegangen wären.
2. Der subjektive Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB
Für die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Hilfeleistung bei der Begünstigung muß auf die Bedeutung der Vorteilssicherungsabsicht als besonderes subjektives Tatbestandsmerkmal nicht gesondert eingegangen werden. Welcher Theorie man auch immer bei der Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs folgen will, stets bleibt die Zuordnung der Vorteilssicherungsabsicht - zumindest auch - zum subjektiven Tatbestand außer Frage. Daher kommt es hier auch nicht auf die Frage an, ob in diesem Falle tatsächlich eine Absicht im technischen Sinne erforderlich ist oder ob es möglicherweise ausreicht, wenn der Täter mit sicherem Wissen vom Eintritt der Vorteilssicherung handelt, also mit sogenanntem dolus directus zweiten Grades689 . Von Interesse soll vielmehr ausschließlich der im übrigen erforderliche Vorsatz sein, das heißt die Frage, worauf er sich beziehen muß bzw. welche Konsequenzen ein entsprechender Irrtum des Täters für die Strafbarkeit hat. Bei der Abgrenzung zwischen der Begünstigungs- und der Beihilfehandlung hatten wir bereits gesehen, daß dem Begünstiger der Einwand verwehrt ist, er habe mit seiner Handlung lediglich Gehilfe sein wollen. Für eine vorsätzliche Hilfeleistung genügt es insoweit, wenn der Täter mindestens mit dolus eventualis im Sinne des § 257 Abs. I StGB geholfen hat, nach der "Interessenförderungstheorie" also mit seiner Handlung die Interessen des Vortäters hinsichtlich dessen Vorteilssicherung vorsätzlich gefördert hat. Bei der Begünstigung spielt dieser Unterstützungsvorsatz jedoch keine wesentliche Rolle, da 689 Die h.M. verlangt dolus directus I. Grades, wenn auch die Vorteilssicherung nicht Beweggrund des Handeins sein muß: Vgl. nur zuletzt wieder BGH (2. Strafsenat, 30.1.l985), StV 1985, 505; BGH (2. Strafsenat, 31.7.1992), NStZ 1992, 540. Ausführlich begründet wird diese Ansicht etwa in BGHSt (3. Strafsenat, 12.2.1953) 4, 107 (= NJW 1953,835); ferner in der Literatur Erdsiek, NJW 1963, 1048 (1049); Geppert, Jura 1980, 327 (328); Hau/, BT I, H.3.4, S. 169 f.; Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 259 ff.; Miehe, FS Honig, S.91 (109); Seelmann, JuS 1983, 32 (35), und in den Kommentaren Lackner/Kühl Rn.5; LK 11 , Ruß Rn.18 Ueweils zu § 257); Tröndle Rn.9. Nach a.A. soll hingegen dolus directus 2. Grades genügen, so Lenckner, NJW 1967, 1890 (l8~4); Oehler, NJW 1966, 1633 (1637 f.); Olto, Grundkurs, § 57.II.2b, S. 270; Sch/Schr 5, Stree, § 257 Rn.22; Schröder, NJW 1962, 1037 (1039 f.); SK, Samson, § 257 Rn.31.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
dieser in der nach herrschender Meinung erforderlichen überschießenden Innentendenz, der Vorteilssicherungsabsicht, gleichsam enthalten ist: Wem es darauf ankommt, fiir einen anderen dessen Vorteile aus einer Tat zu sichern, der hat auch einen entsprechendem Hilfeleistungsvorsatz. Vorsatzprobleme treten daher nur im Hinblick auf die übrigen objektiven Tatbestandsmerkmale auf, also das Vorliegen einer Vortat und die Existenz bestimmter Tatvorteile beim Vortäter. Insoweit kommt in Betracht, daß sich der Täter entweder gar keine konkreten Vorstellungen über Vortat oder Vorteile macht, dem Vortäter also in jedem Falle helfen will, oder daß er zwar von einer konkreten Vortat bzw. konkreten Vorteilen ausgeht, diese Vorstellung jedoch unzutreffend ist, etwa wenn er glaubt, der Vortäter habe eine Unterschlagung begangen, während dieser in Wirklichkeit ein Dieb ist. Der erste Fall bereitet keine großen Schwierigkeiten: Wenn der Täter weiß, daß eine Vortat begangen wurde und daß Vorteile aus dieser Tat vorhanden sind, sich aber lediglich nicht im klaren ist, um welche Vortat und welche Vorteile es sich konkret handelt, dann handelt er mit umfassenden Vorsatz690 . An diesem fehlt es erst dann, wenn der Täter lediglich eine verschwommene Vorstellung von der Möglichkeit des Vorliegens einer Vortat oder von Vorteilen aus einer solchen hat: Ein typischer Fall ist etwa der, in dem polizeiliche Ermittlungsbeamte bei einem ahnungslosen Bekannten eines gesuchten Straftäters auftauchen und sich nach dessen Aufenthalt erkundigen, der Befragte jedoch falsche Auskünfte gibt, um seinem Freund Ärger mit der Polizei zu ersparen. Die vage Vorstellung vom möglichen Vorliegen einer Straftat - genauso gut könnte der Grund fur die polizeiliche Anfrage eine Ordnungswidrigkeit oder etwas ganz "Harmloses" sein - reicht hier regelmäßig nicht aus, um beim Täter wenigstens Eventualvorsatz bezüglich des Vorliegens einer Vortat bejahen zu können 691 . Freilich ist dies ein Grenzfall; es mag Bekanntschaften geben, bei denen der eine allein schon aus dem Auftauchen der Polizei mit hinreichender Sicherheit schließen kann, was der andere angestellt hat. Schwieriger stellen sich die Fälle dar, in denen der Täter bestimmte, jedoch unzutreffende Vorstellungen bezüglich Vortat oder Vorteilen aus dieser hat. Die ganz herrschende Meinung läßt eine solche Fehlvorstellung grundsätzlich genügen, vorausgesetzt allerdings, daß nicht nur objektiv eine Begünstigungshandlung vorliegt, sondern auch bei Zugrundelegung der Tätervorstellung der
690 So auch die h.M., vgl. nur ROSt (3. Strafsenat, 15.1.1917) 50, 218 (221 f.); ROSt (2. Strafsenat, 15.1.1942) 76, 31 (33 f); BOH (27.4.1954), JR 1954, 349; Haft, BT, S. 169; Hartung, 1Z 1954,694; KohlrauschlLange, § 257 Anm. V; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.26. 691 Ebenso OLO Hamburg (22.4.1953), NJW 1953, 1155; OLO Düsse1dorf (12.3.1964), NJW 1964,2123; Hartung, aaO.
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objektive Begünstigungstatbestand erfüllt wäre 692 • Nach der herrschenden "objektiven Eignungstheorie" würde dies bedeuten, daß die Handlung nicht nur tatsächlich zur Vorteilssicherung geeignet sein muß, sondern auch zur Vorteilssicherung im Falle des Vorliegens der vorgestellten Tat bzw. zur Sicherung der vorgestellten Vorteile. Eine solche Sicht muß jedoch zu Problemen bei der Feststellung des Strafrahmens für die Begünstigung führen. Stellt sich der Täter eine andere als die tatsächlich begangene Vortat vor, so ist fraglich, welche Vortat bei der Ermittlung der Obergrenze des Strafrahmens gemäß § 257 Abs. 2 StGB zugrunde zulegen ist. Während die eine Ansicht stets die vom Täter vorgestellte Tat entscheidend sein lassen will 693 - auch wenn diese einen höheren Strafrahmen hat als die tatsächliche! -, soll nach anderen Stimmen in der Literatur die Tat zugrunde gelegt werden, die den niedrigeren Strafrahmen aufweist694 . Bei der Erörterung dieser Problematik stellen sich somit zwei Fragen: Wieso ist die Fehlvorstellung über die konkrete Vortat unter Umständen irrelevant? Und: Wieso soll der bloße Gedanke des Täters an eine weniger schwer wiegende Vortat zu einem milderen Strafrahmen führen bzw. umgekehrt? Betrachten wir diese Fragen zunächst unter dem Blickwinkel der in der Literatur zum Hilfeleistungsbegriff bei der Begünstigung vertretenen Theorien. Nach diesen besteht die Begünstigung ausschließlich in einer auf die Vorteilssicherung gerichteten Handlung, sei es in einem untauglichen oder teilweise bzw. gänzlich tauglichen Versuch. Unter diesem Gesichtspunkt ist es durchaus einsichtig, daß es nicht darauf ankommen soll, welche konkrete Vortat der Begünstiger sich vorgestellt hat. Es genügt vielmehr, daß er vom Vorliegen irgendeiner Vortat ausgegangen ist, aus der die von ihm zu sichernden Vorteile hervorgegangen sind. Dann stellt sich jedoch die Frage, warum es mit der herrschenden Ansicht dem Begünstiger zugute kommen soll, wenn er irrigerweise davon ausgegangen ist, der Vortäter habe eine Unterschlagung begangen, dieser in Wirklichkeit aber gestohlen hat695 . Würde man die Vorstellung des Täters zugrunde legen, so würde sich das Höchstmaß für die Begünstigung gemäß § 257 Abs. 2, § 246 Abs. ! Alt.! StGB auf drei Jahre Freiheitsstrafe reduzieren; anderenfalls bliebe es hingegen bei der Obergrenze von fünf Jahren, da der 692 Vgl. nur BGHSt (3. Strafsenat, 30.4.1953) 4, 221 (= NJW 1953, 1194); Lackner/Kühl, § 257 Rn.4; LK 11 , Ruß, § 257 Rn.17; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.26. 693 S. Trändie, § 257 Rn. 13. 694 S. LK 11, Ruß, § 257 Rn.25; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.36. Unklar ist, ob sich Vogler, FS Dreher, S. 405 (420, Fn. 91), dieser Ansicht anschließt - so wäre sein Verweis auf Ruß und Stree zu verstehen - oder ob er tatsächlich, wie er schreibt, stets die wirklich begangene Vortat ausschlaggebend sein lassen will. Zur Kritik an einer solchen Ansicht s.u. Fn. 697. 695 Sowohl diejenigen, die stets die Vorstellung des Täters ausschlaggebend sein lassen wollen, als auch diejenigen, die stets den milderen Strafrahmen zugrunde legen, kommen in diesem Fall also übereinstimmend zum sei ben Ergebnis.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Diebstahl insoweit denselben Strafrahmen hat. Besteht nun aber im konkreten Fall die Begünstigungshandlung etwa im Vergraben der Beute, so ist kaum verständlich, warum die Handlung - betrachtet man diese allein unter dem Blickwinkel der dadurch angestrebten Vorteilssicherung - bei Zugrundelegung der irrigen Vorstellung des Täters weniger strafwürdig sein soll, als wenn er zutreffend davon ausgegangen wäre, er vergrabe die Beute eines Diebes. Unter dem Aspekt der Vorteilssicherung ist es schlicht gleichgültig, ob der Vortäter eine Unterschlagung, einen Diebstahl oder gar einen Raub begangen hat. Denn die Vorteile wiegen nicht schwerer, sind nicht "bemakelter" oder - im Jargon "heißer", wenn sie statt aus einer Unterschlagung aus einem Diebstahl herrühren. Im Gegenteil: Die durch einen Handtaschenraub entwendeten 100 DM stehen etwa weit weniger im Brennpunkt des Interesses des betroffenen Opfers oder der Strafverfolgungsbehörden als die unterschlagenen Gelder eines Bankangestellten. Und doch besteht ein Unterschied zwischen der Begünstigung zugunsten einer Person, die einen Diebstahl begangen hat, und einer solchen, die sich einer Unterschlagung schuldig gemacht hat. Nicht jedoch die Vorteile aus der jeweiligen Vortat unterscheiden sich qualitativ, sondern lediglich die Vortaten. Daß die Schwere der Vortat für die Strafwürdigkeit der Begünstigungshandlung von gewisser Relevanz ist, kann daher durch die in der Literatur vertretenen Theorien, die sich in der Ausrichtung der Handlung auf die Vorteilssicherung erschöpfen, nicht erklärt werden. Wohl aber durch die "Interessenförderungstheorie": Durch sie wird deutlich, welche Rolle die Schwere der Vortat für die Begünstigung spielt. Denn nach ihr gilt es, einer anderen Person zu helfen, also deren Interessen im Hinblick auf die Vorteilssicherung zu fördern. Und hier bedeutet es tatsächlich einen Unterschied, ob diese andere Person lediglich einen Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe verwirkt hat oder von bis zu drei, fünf oder mehr Jahren. Ob sich allerdings die Schwere der Vortat tatsächlich im Unwertgehalt der Begünstigung widerspiegelt, kann erst nach einer gesonderten Untersuchung des der Begünstigung zugrunde liegenden Rechtsgüterschutzes festgestellt werden 696 • Wenn es also tatsächlich zutrifft, daß es einen Unterschied macht, ob die Vortat ein Diebstahl oder eine Unterschlagung ist, so muß eine dahingehende Fehlvorstellung des Begünstigers ebenfalls beachtlich sein. Jedoch empfiehlt sich auch hier wieder eine exakte Subsumtion unter den objektiven und subjektiven Tatbestand. Im folgenden sollen zur Veranschaulichung die bei den Fallvarianten zugrunde gelegt werden, in denen der die Beute vergrabende Täter a) von einer Unterschlagung statt einem Diebstahl als Vortat ausgeht und umgekehrt b) von einem Diebstahl anstelle einer Unterschlagung. Objektiv
696
S. dazu unten, 2. Abschnitt, D.II, S.253 ff.
D. Teleologische Auslegung
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liegt unabhängig von jeglicher Vorstellung des Täters eine Förderung der Vorteilssicherungsinteressen des Vortäters vor. Subjektiv handelt der Täter in beiden Fällen in Vorteilssicherungsabsicht. Jedoch fehlt ihm im Fall a) die Vorstellung, daß er die Interessen eines Diebes fördert 697 • Immerhin geht er jedoch davon aus, daß der Vortäter sich strafbar gemacht hat, wenngleich er danach einen geringeren Strafrahmen verwirkt hätte. Es kommt daher in Betracht, entweder wenigstens jenen niedrigeren Strafrahmen dem § 257 Abs. 2 zugrunde zu legen oder den Vortäter gemäß dem In-dubio-pro-reo-Orundsatz freizusprechen. Nur ersteres kann jedoch zutreffend sein. Denn wie ein Vergleich mit dem oben angesprochenen Täter, der sich gar keine konkrete Vorstellung von der Vortat macht, zeigt, bezieht sich der für § 257 StOB erforderliche Vorsatz nicht auf eine bestimmte Vortat, sondern lediglich auf die Tatsache, daß der Vortäter eine bestimmte Strafe verwirkt hat, es sich also um einen Straftäter handelt. Wenn nun im Fall a) der Täter zwar davon ausgeht, daß der Vortäter keinen Diebstahl begangen hat - also auch keinem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe unterliegt -, wohl aber eine Unterschlagung - mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe -, so muß er sich wenigstens daran festhalten lassen. Der Täter hat daher im Fall a) eine vorsätzliche Begünstigung begangen, wobei der Strafrahmen gemäß § 257 Abs. 2 StOB in seinem Höchstmaß auf drei Jahre reduziert ist. In Fall b) hingegen ist aufgrund der objektiv vorliegenden Unterschlagung als Vortat und des eindeutigen Wortlauts des Abs. 2 ein Hinausgehen über das Höchstmaß von drei Jahren Freiheitsstrafe nicht möglich 698 • Daß sich der Begünstiger sogar noch eine schwerere Vortat vorgestellt hat, spielt keine Rolle, da in dieser Vorstellung der Vorsatz bezüglich einer Begünstigung zugunsten eines Vortäters mit niedrigerem verwirktem Strafrahmen gleichsam als ,minus' enthalten ist699 • Auf dieselbe Weise lassen sich auch diejenigen Fälle lösen, in denen der Täter lediglich eine irrige Vorstellung über die Art oder den Umfang der Vorteile hat. Am Vorliegen des objektiven Tatbestandes ist auch in diesen Fällen nicht zu zweifeln, so etwa wenn der Begünstiger eine Kiste vergräbt, in der er 10.000 DM wähnt, die in Wirklichkeit jedoch das zehnfache enthält. Da der Vorsatz sich jedoch nur auf eine geringfügigere Beute bezieht, kann letztlich auch nur diese vorgestellte Beute der Strafzumessung zugrunde gelegt werden. Sollte sich der Täter hingegen weit mehr als die tatsächlich vorhandenen Vorteile vorgestellt haben, so bleibt dies außer Betracheoo. Freilich ergeben sich in 697 An diesem fehlenden Vorsatz müßte die Auffassung scheitern, die im Rahmen des § 257 Abs.2 StOB stets die wirklich begangene Vortat ausschlaggebend sein lassen will, wie es etwa Vogler, FS Dreher, S. 405 (420), andeutet. 698 A.A.: Trändie, § 257 Rn. 13. 699 Im Ergebnis ebenso LK 11 , Ruß, § 257 Rn.25; Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.36. 700 So schon ROSt (2. Strafsenat, 15.1.1942) 76,31 (33 f.); ebenso BOH (3. Strafsenat, 30.4.1953), NJW 1953, 1194 (= St 4,221), der ausfUhrt, daß der Irrtum über die Art
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
dieser Frage keine Unterschiede zwischen der "Interessenförderungstheorie" einerseits und den in der Literatur überwiegend vertretenen Theorien. Da diese sich ausschließlich an der anzustrebenden Vorteilssicherung orientieren, ist für sie die Relevanz eines Irrtums über den Umfang ebenso selbstverständlich wie für jene, die auf die vorsätzliche Förderung der Vorteilssicherungsinteressen abstellt.
3. Täterschaft und Teilnahme bei der Begünstigung
In der bisherigen Erörterung des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung hatten wir stets den Normalfall eines täterschaftlich handelnden Täters vor Augen, der einem anderen, dem Vortäter, eine bestimmte Vorteilssicherungshilfe leistet. Mit der "Interessenförderungstheorie" hatten wir versucht, dem Hilfeleistungsbegriff einen derart eigenständigen Gehalt zu geben, daß es weniger als bei der herrschenden "objektiven Eignungstheorie" Schwierigkeiten bereitet, eine tatherrschaftlich und mit Täterwillen begangene Begünstigungshandlung zu ermitteln. Problematisch sind jedoch aufgrund der bereits mehrfach angesprochenen Nähe der Begünstigung zur Beteiligung an der Vortat die Fälle, in denen es sich beim Begünstiger um eine bereits an der Vortat beteiligte Person handelt. Hier steht jedoch nicht nur die Selbständigkeit der Begünstigung als Straftatbestand des Besonderen Teils auf dem Prüfstand, sondern auch das Verständnis des Hilfeleistungsbegriffs: Ist Hilfe durch einen Vortatbeteiligten zugunsten eines anderen Vortatbeteiligten überhaupt möglich? Diese Problematik spielt jedoch nicht nur bei der täterschaftlich begangenen Begünstigung eine Rolle, sondern tritt in gleicher Weise bei der Teilnahme an dieser durch einen solchen Vortatbeteiligten wieder auf. Bei der Teilnahme an der Begünstigung wird aber zuvor die grundsätzliche Frage zu klären sein, inwieweit eine Anstiftung oder Beihilfe zu einer Vorteilssicherungshilfe gegenüber einer täterschaftlich begangenen Begünstigung überhaupt eigenständige Bedeutung haben kann. Dabei wird dann auch das bereits bei der Erörterung der Strafvereitelung angedeutete Sonderproblem der "Teilnahme" an der (straflosen) Selbstbegünstigung des Vortäters auftauchen.
der Vorteile auf die Strafbarkeit kein Einfluß habe; anzumerken ist: wohl aber auf die Strafzumessung.
D. Teleologische Auslegung
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a) Vortatbeteiligte als Täter einer Begünstigung? (1) Zustand de lege lata und ratio legis
Faßt man zunächst den Fall ins Auge, in dem sich derjenige, der die Vortat in Alleintäterschaft begangen hat, nunmehr in Allein- oder Mittäterschaft begünstigen will, so ist die gesetzliche Lage eindeutig: Ein anderer muß gemäß § 257 Abs. 1 StGB begünstigt werden; die reine Selbstbegünstigung ist daher schon nicht tatbestandlich 701 . Der Wortlaut des Abs. I hilft jedoch dann nicht weiter, wenn an der Vortat mehrere Personen beteiligt waren - sei es als Mittäter, sei es als Teilnehmer - und nunmehr der eine von ihnen einen anderen Vortatbeteiligten begünstigen will. War die Strafbarkeit einer solchen Begünstigung vor der Strafrechtsreform 1975 noch äußerst umstritten 702 , so hat der Gesetzgeber in diesem Punkt durch die Einfiihrung des Abs. 3 Klarheit geschaffen: Gemäß Satz I dieser Bestimmung wird der Vortatbeteiligte wegen einer im Anschluß daran täterschaftlich begangenen Begünstigung "nicht bestraft". Wie ist jedoch die Straflosigkeit des Täters einer Begünstigung, der zugleich an der Vortat beteiligt war, zu erklären? Wenn man zunächst wieder nur den Fall des allein handelnden Vortäters betrachtet, stellt sich die Frage, ob - selbst wenn der Gesetzeswortlaut nicht einen "anderen" als Hilfeempfanger ausdrücklich voraussetzen würde - eine Hilfeleistung zugunsten der eigenen Per701 Abweichend lediglich Hegler, JW 1924, 1597 (160 I), der eine mittäterschaftliehe Begünstigung eines Alleinvortäters bestrafen will, weil er dadurch an deliktischem Treiben eines anderen mitwirke. 702 Mit dem pauschalen Hinweis auf die Selbständigkeit der Begünstigung bejahte insbesondere die Rechtsprechung die Strafbarkeit, vgl. RGSt (1. Strafsenat, 7.4.1881) 4, 60; RGSt (3. Strafsenat, 23.4.1917) 50, 364 (365 f.); RG (1. Strafsenat, 1.2.1924), JW 1924, 1597; RGSt (2. Strafsenat, 23.9.1926) 60, 346; RGSt (3. Strafsenat, 23.12.1929) 63, 373; BGHSt (5. Strafsenat, 10.11.1953) 5, 75 (80 f.) (= NJW 1954,282); BGHSt (1. Strafsenat, 15.3.1960) 14, 172 (= NJW 1960, 1023 = MDR 1960, 597 = JZ 1960, 413) in einem obiter dictum; BGHSt (I. Strafsenat, 22.5.1962) 17, 236 (= NJW 1962, 1365). In der Literatur schlossen sich dieser Ansicht an: v.Buri, Ueber Causalität, S. 140 (wenn auch als ungerecht empfunden); Deubner, NJW 1962, 2260; Gribbohm, MDR 1961, 197 (198); Hegler, JW 1924, 1597; Mezger, NJW 1947/48, 490 (491); Müller, GA 1958,334; Nieland, Begünstigung und Teilnahme, S. 13 ff. und 27 ff. (m. w. N. bezüglich der älteren Literatur); v.Olshausen, § 257, Bem.27. A.A. hingegen Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 15, S. 60; Binding, BT 2.2, § 244.V.2a, S. 662; Frank, § 257 Anm. IV; Hälschner, Deutsches Strafrecht 2.2, S. 882; Herzberg, GA 1971, 1 (10); ders. in JuS 1975,792 (794); Köhler, GS 61 (1902),44 (60); Kohlrausch/Lange, § 257 Anm. 11; Lenckner, JuS 1962, 302 (304); Schmidt, in: v.LisztiSchmidt, Lehrbuch 25 , § 183.111.2, S. 846; Schröder, JZ 1961, 264 (265) (zum gleichen Problem bei der Gefangenenbefreiung); ders., in: JR 1962, 427. Kriegsmann, ZStW 30 (1910), 542 (565), Wachen/eid, Lehrbuch, S. 421, und Wetzei, Strafrecht, § 58.I.3a und b, S. 395, bejahen die Strafbarkeit lediglich für den Teilnehmer an der Vortat, nicht jedoch für den täterschaftlieh handelnden Vortäter.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
son überhaupt möglich ist. Vom Sprachgebrauch her wären hiergegen keine Einwände zu erheben: "Hilf dir selbst, so hilft dir Gott", sagt ein bekanntes Sprichwort. Gleichwohl ist zweifelhaft, ob ein solches Verständnis von Hilfe mit dem Tatbestandsmerkmal der Hilfeleistung speziell bei der Begünstigung bzw. überhaupt einem Straftatbestand vereinbar wäre. Denn eine derartige Selbsthilfe, ein bloßes Handeln zu eigenen Gunsten, verletzt rur sich genommen noch keine Rechtsgüter und ist daher strafrechtlich völlig irrelevant. Wenn in Straftatbeständen daher Begriffe wie Hilfeleistung, Förderung etc. verwendet werden, so stets ausschließlich in dem Sinne, daß eine Person einer anderen etwas Gutes, Positives angedeihen läßt. Durch die Hilfe wird stets ein Band zwischen mindestens zwei Personen zu einem bestimmten Zweck geknüpft. Bei einer unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB hätte vom Täter nach dem Willen der Rechtsgemeinschaft eine solche Verbindung hergestellt werden sollen, bei der Beihilfe gemäß § 27 StGB oder der Begünstigung gemäß § 257 StGB hingegen wird ein solches Band als verwerflich angesehen. Die "Interessenförderungstheorie" macht dies jeweils deutlich, insbesondere auch bei der Begünstigung: Das Ausrichten der Handlung nach den auf die Vorteilssicherung gerichteten Interessen des Vortäters hat nur Sinn, wenn der Vortäter vom Förderer dieser Interessen verschieden ist. Die Selbsthilfe durch den allein handelnden Vortäter ist daher nicht nur nicht tatbestandlich, sondern schon aus rechtslogischen Gründen straflos. Anders sieht es hingegen in Fällen aus, in denen eine von mehreren an der Vortat beteiligten Personen im Anschluß an die gemeinsame Tat den oder die anderen begünstigen will. Hier ist eine Hilfe im Sinne einer Interessenförderung sehr wohl denkbar. Dennoch soll nach § 257 Abs. 3 S. 1 StGB die täterschaftliche Begünstigung nicht strafbar sein, und zwar aus Gründen der mitbestraften Nachtat, wie der Gesetzgeber selbst betonte703 • Nach dieser Vorstellung gehört die Beutesicherung zu einem typischen Nachtatverhalten, das gegenüber der Beteiligung an der Vortat nicht mehr eigenständig ins Gewicht fallt. Das Dogma von der mitbestraften Nachtat scheint auch ganz der herrschenden Auffassung zu entsprechen, die in der Begünstigung ausschließlich einen Vorteilssicherungsversuch sehen will. Doch ist Vorsicht geboten: Dieses Bild vom bloß beutesichernden Nachtatverhalten orientiert sich ausschließlich an den Vermögensvortaten, bei denen die anschließende Sicherung der Beute gegenüber der vorherigen Verletzung des Rechtsguts "Vermögen" keine strafrechtliche Rolle mehr zu spielen vermag. Anders sieht es hingegen aus, wenn die Vorteilssiche703 S. BT-Drs. 7/550, S. 248; ebenfalls schon im E 1962, BT-Drs. 4/650, S. 461; vgl. ferner Fahrenhorst, JuS 1987,797; LK 11 , Ruß, § 257 Rn.21; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 170; Sch/Schr2 , Stree, § 257 Rn.29; Schröder, SJZ 1950, 94 (98 f.); ders. in MDR 1950, 398; SK, Samson, § 257 Rn.35. Kritisch hingegen Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 273 f., der diesen Gedanken mit Verhältnismäßigkeitserwägungen ergänzen will.
D. Teleologische Auslegung
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rung gegenüber der Stoßrichtung der Vortat einen ganz neuen Aspekt darstellt. So etwa im Falle einer Urkundenfälschung als Vortat, bei der es nun gilt, die möglicherweise auch immateriellen - Vorteile zu sichern. Sollte es sich daher beim Delikt der Begünstigung ausschließlich um eine intendierte Vorteilssicherung handeln, so wäre schwerlich einzusehen, warum in diesem Falle die Vorteilssicherung durch die Vortat bereits abgegolten sein sollte; richtet diese sich doch gegen ein ganz anderes Rechtsgut und sind die davon unmittelbar Betroffenen unter Umständen sogar völlig verschieden. Aber auch hier hilft das Verständnis des Begünstigungstatbestandes im Sinne der "Interessenförderungstheorie" weiter: Kern der Begünstigung ist nicht das mehr oder minder taugliche Anstreben der Vorteilssicherung, sondern das Gewähren von Hilfe zugunsten des Vortäters. Und hierin zeigt sich erst der innere Grund, warum es sich im Falle einer Beteiligung bereits an der Vortat bei der Begünstigung um eine mitbestrafte Nachtat handelt. Denn ist man bereits mit dem Vortäter durch die Beteiligung an dessen Tat verbunden, sei es in Form eines mittäterschaftlichen Handeins oder aber auch durch eine Anstiftungsoder Beihilfehandlung, so stellt demgegenüber die anschließende Hilfe im Sinne des § 257 StGB kein "neues" Unrecht mehr dar. Der Verstoß gegen das Verbot, dem Vortäter im nachhinein in einer bestimmten Weise zu helfen, ist bereits durch die Verbindung mit dem Vortäter bei dessen Tat abgegolten. Denn das strafbare Gemeinschafthalten mit dem Vortäter bei dessen Tat endet natürlicherweise nicht mit der Vollendung bzw. Beendigung der Vortat; das Verbot der nachträglichen Unterstützung im Hinblick auf die Vorteilssicherung fällt daher gegenüber der einmal eingegangenen Verbindung nicht eigenständig ins Gewicht. Richtigerweise begründen der Gesetzgeber und die heute herrschende Meinung die Straflosigkeit der Begünstigung durch einen Vortatbeteiligten mit der Rechtsfigur der mitbestraften Nachtat. Freilich läßt sich dies nur durch die "Interessenförderungstheorie" erklären, die dem Hilfeleistungsbegriff eine für den Unrechtskern des § 257 StGB zentrale Bedeutung beimißt.
(2) Sonderproblem Nr.]: Strafbarkeit der Begünstigung bei ungewisser Vortatbeteiligung Erinnern wir uns an die historische Entwicklung der Nachtatdelikte wie Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei, so hatten wir gesehen, daß anfangs in diesen Handlungen weniger eigenständige Delikte bzw. Straftaten gesehen wurden, sondern man vielmehr vor einem Beweisproblem stand: Der Verdächtige wurde mit gestohlener Ware angetroffen, jedoch konnte nicht geklärt werden, ob dieser sich selbst als Dieb betätigt oder lediglich die Beute angekauft
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
oder in Verwahrung genommen haeo4 • Vor demselben Problem stehen nicht selten auch heute Ermittlungsbehörden und Gerichte. Eindeutig in der rechtlichen Behandlung stellen sich immerhin diejenigen Fälle dar, in denen nicht aufgeklärt werden kann, ob der Beschuldigte die Diebesbeute lediglich von einem unbekannten Dieb in Empfang genommen hat und fur ihn verwahrt, oder ob er selbst - und zwar in Alleintäterschaft - der Dieb war. Hier stehen sowohl das Vorliegen eines Diebstahls - hat der Beschuldigte wirklich gestohlen? - als auch das einer Begünstigung - hat der Beschuldigte einer unbekannten Person wirklich geholfen, liegt also überhaupt ein Zwei-Personen-Verhältnis vor? - in Zweifel. Grundsätzlich hat eine solche doppelte Sachverhaltsungewißheit zur Konsequenz, daß der Täter aufgrund einer zweifachen Anwendung des Indubio-pro-reo-Satzes freigesprochen werden müßte. Ausnahmsweise kann er jedoch im Wege der sogenannten Wahlfeststellung auch wegen Diebstahls oder Begünstigung verurteilt werden 705 , will man das Vorliegen von deren Voraussetzungen, insbesondere also die psychologische und rechtsethische Vergleichbarkeit im konkreten Fall bejahen 706 . Anders liegen jedoch die Fälle, in denen derjenige, in dessen Besitz Diebesgut vorgefunden wird, entweder als Begünstiger oder als einer von mehreren Beteiligten an der Vortat in Betracht kommt, diese Beteiligung jedoch nicht aufgeklärt werden kann. Der Unterschied zu obigem Fall liegt darin, daß hier durch das Vorhandensein noch anderer Vortatbeteiligter zumindest festgestellt werden kann, daß das Verstecken der Beute durch den Beschuldigten eine Vorteilssicherungshilfe zugunsten jener darstellt. Anders als im Fall, in dem der die Beute Versteckende möglicherweise auch alleiniger Vortäter ist, liegt in diesen Fällen daher der objektive Tatbestand des § 257 Abs. 1 StGB vollständig vor 707 • Freilich: Wäre zugleich die Beteiligung an der Vortat nachweisbar, S. dazu oben, 2. Abschnitt, A.U, S.99. Die Möglichkeit einer Wahlfeststellung im Falle der in Betracht kommenden, aber nicht nachweisbaren Allein-Vortäterschaft des Beschuldigten befürworten BGH ~ Strafsenat, 29.3.1990), NJW 1990,2476 (2477); Geppert, Jura 1994,441 (446); LK , Gribbohm5 § 1 Rn.122; Richter, Jura 1994, 130 (133); Sch/Schr25 , Eser, § I Rn.98; Sch/Schr2 , Stree, § 257 Rn.29; SK, Rudolphi, Anh. zu § 55 Rn.25; ferner Küper, FS Lange, S. 65 (91 ff.), und in: Hehlerei bei ungewisser Vortatbeteiligung, S. 3 (dort auch auf S. 52 ff. kritisch zu Autoren, die diesen Grundsatz bei der Hehlerei teilweise durchbrechen wollen), der diesen - bzw. den gleich gelagerten Fall einer Hehlers, bei dem eine mögliche Allein-Vortäterschaft nicht ausgeschlossen werden kann - als "tatbestandsrelevanten, exklusiven Postpendenzfall" bezeichnet, bei dem eine Bestrafung bloß wegen der Anschlußtat ausscheide. 706 Für den Fall des Diebstahls und der Begünstigung wird eine Wahlfeststellung allgemein anerkannt; vgl. nur BGHSt (2. Strafsenat, 21.10.1970) 23,360 (361); Geppert, Jura 1994, 441 (446, Fn. 50); Schröder, JZ 1971, 141 (142). A.A. hingegen Miehe, FS Honig, S. 91 (123, Fn. 127). 707 Diesen Unterschied zwischen diesen beiden Möglichkeiten übersieht Hruschlw, NJW 1971, 1392 (1393), in seiner Besprechung des Urteils von BGHSt (2. Strafsenat, 21.10.1970) 23, 360; zutreffend analysiert hingegen von Geppert, Jura 1994, 441 (446). 704
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D. Teleologische Auslegung
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so scheiterte eine Strafbarkeit an Abs. 3 S. 1, da die Begünstigung sich dann als mitbestrafte Nachtat darstellen würde. Bei dieser Konstellation könnte man gleichwohl die Möglichkeit einer Wahlfeststellung befiirworten, da ebenso wie im obigen Fall nicht nur das Vorliegen der Vortat zweifelhaft ist, sondern letztlich auch die Strafbarkeit wegen der Begünstigung. Nach § 257 Abs. 3 S. 1 StGB ist eben Voraussetzung fiir deren Strafbarkeit, daß der Täter nicht zugleich an der Vortat beteiligt war708 • Gegen das Vorliegen einer Wahlfeststellungssituation lassen sich jedoch gute Gründe einwenden. Denn die Ungewißheit über die Strafbarkeit wegen Begünstigung fußt in diesem Fall nicht auf einer tatbestandlichen Ungewißheit wie im obigen Fall- hat der Beschuldigte wirklich einer anderen Person geholfen? -, sondern auf der außerhalb des Tatbestands liegenden Frage, ob der Beschuldigte nicht zugleich auch an der Vortat beteiligt war; geholfen im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB hat er in jedem Fall. Die Voraussetzung des Abs. 3 wird daher als sogenannte negative Tatbestandsvoraussetzung oder als konkurrenzregulierendes Merkmae o9 eingestuft, worüber keine Gewißheit herrschen müsse, um wegen Begünstigung strafbar zu sein. Wie man die Voraussetzung der Nichtbeteiligung an der Vortat gemäß § 257 Abs. 3 S. 1 StGB auch bezeichnen will, so läßt sich zumindest festhalten, daß bei einer Ungewißheit über das Vorliegen ausschließlich dieser Voraussetzung anders als im obigen Fall nicht die Tatbestandlichkeit der Begünstigung in Zweifel steht, sondern lediglich die Strafbarkeit wegen Begünstigung. Aufgrund dessen befiirwortet die inzwischen herrschende Lehre im Anschluß an Hruschka710 im Wege der Rechtsfigur der sogenannten Postpendenz in diesen Fällen eine Strafbarkeit ausschließlich
708 So das Argument bei Schräder, JZ 1971, 141 (142); ebenso Sch/Schr25 , Eser, § 1 Rn.98a, und wohl auch Wolter, JuS 1983, 602 (604), der eine Wahlfeststellung einer
eindeutigen Verurteilung bloß wegen der Nachtat stets vorziehen will - dagegen zu Recht Küper, Hehlerei bei ungewisser Vortatbeteiligung, S. 32 f; Richter, Jura 1994, 130 (132). Eine Wahlfeststellung beftirwortete ftir diese Fälle zunächst auch die Rechtsprechung, vgl. nur BGHSt (2. Strafsenat, 21.10.1970) 23, 360; BGH (3. Strafsenat, 20.2.1974), NJW 1974, 804; anders jedoch inzwischen ftir die Hehlerei bei ungewisser Vortatbeteiligung, vgl. BGHSt (2. Strafsenat, 11.1 1.1987) 35, 86 (= NIW 1988, 921 = NStZ 1988,455); BGH (4. Strafsenat, 23.2.1989), NJW 1989, 1867 (= NStZ 1989, 266); BGH (4. Strafsenat, 14.9.1989), NStZ 1989,574; BGH (4. Strafsenat, 29.3.1990), NIW 1990,2476. 709 Hruschka, JZ 1970, 637 (641); Joerden, JZ 1988, 847 (850 ff); Richter, Jura 1994, 130 (133). Küper, FS Lange, S. 65 (93 ff), bezeichnet diese Fälle, in denen wie bei den Anschlußdelikten Tatbestandsmerkmale lediglich konkurrenzregelnde Funktion haben, als "tatbestandsrelevante, implikative Postpendenzfalle", in denen im Gegensatz zu den "exklusiven Postpendenzfallen" - s. o. Fn. 705 - eine Bestrafung lediglich wegen der Nachtat möglich sei. 71O.TZ 1970,637 ff 16 Weiser!
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
wegen des Anschlußdelikts, hier also der Begünstigung7Il. Dabei rührt allerdings das Bemühen, wenigstens die Strafbarkeit wegen der Nachtat einwandfrei festzustellen, primär von einem Unbehagen gegenüber der Rechtsfigur der Wahlfeststellung her712 : Zu zufällig erscheinen die Ergebnisse, wann eine wahlweise Verurteilung aufgrund ethischer Vergleichbarkeit der in Zweifel stehenden Delikte möglich ist und wann nicht, also freigesprochen werden muß; so soll eine Wahlfeststellung etwa im Falle eines möglicherweise vorangegangen Diebstahls möglich sein, nicht jedoch bei einem· in Frage stehenden Raub als Vortat. Ein weiterer Ausgangspunkt der Überlegungen ist aber auch die Erwägung, daß eine wahlweise Bestrafung des Beschuldigten wegen der Vor- oder Nachtat dem Geschehen weniger gerecht werde als eine Bestrafung bloß wegen der Nachtat, da die Vortat schwerer wiege 713 . Betrachtet man nun diese gegenläufigen Argumentationsstränge, so muß festgestellt werden, daß eine Zuordnung der Fälle, in denen zumindest der objektive Tatbestand eines Nachtatdeliktes zweifelsfrei feststeht, nicht jedoch die Frage, ob der Beschuldigte zugleich an der Vortat beteiligt war, zu einer der beiden Rechtsfiguren Wahlfeststellung oder Postpendenz aus rein logischen Gesichtspunkten nicht ohne weiteres möglich ist. Das Wort von der einfachen Sachverhalts- mit doppelter Rechtsnormungewißheit bietet schon deshalb keine zwingende Lösung, weil der Sachverhalt hinsichtlich der Frage der Vortatbeteiligung eben doch auch ungewiß ise 14 . Man wird daher die Entscheidung darüber, ob dennoch eine eindeutige Verurteilung ausschließlich wegen Begünstigung möglich ist, aus dem Sinn der Regelung des § 257 Abs. 3 S. I StGB ableiten müssen. Es wird also die Frage zu stellen sein, ob im Falle eines Zweifels hinsichtlich des Vorliegens dieser negativen Voraussetzung auf eine eindeutige Feststellung verzichtet und der Täter gleichwohl verurteilt werden kann 715, in Durchbrechung des In-dubio-pro-reo-Satzes. Von der herrschenden Lehre wird diese Frage bejaht, da Abs. 3 dem Gedanken der mitbestraften Nachtat gerecht werde, dieser im Falle der ungewissen Vortatbeteiligung jedoch nicht greife 716 . So ist allgemein anerkannt, daß es der Strafbarkeit einer 711 So etwa Geppert, Jura 1994,441 (446); Joerden, JZ 1988,847 (849 ff.); Küper, FS Lange~ S.65 (93 ff.); Lackner/Kühl, § 257 Rn.8; Richter, Jura 1994, 130 (133); Sch/Schr2 ,Stree, § 257 Rn.32. Nicht eindeutig hingegen LK 11 , Ruß, § 257 Rn.21. 712 Deutlich wird dies etwa bei Küper, FS Lange, S. 65 (85, 89). 713 So Hruschka, NJW 1971, 1392 (1394). 714 Küper, FS Lange, S. 65 (73 f.), apostrophiert diesen Ausdruck daher zu Recht; zu weitgehend dürfte deshalb auch die Behauptung von Hruschka, NJW 1971, 1392 (1393), sein, es liege kein tatsächliches Entweder-Oder vor. 71S Daß eine Postpendenzfeststellung in diesen Fällen einen Verzicht auf ein Tatbestandsmerkmal des § 257 StGB voraussetzt, gestehen Hruschka, NJW 1971, 1392 (1393), und Joerden, JZ 1988, 847 (849), ausdrücklich zu. 716 So Hruschka, JZ 1970, 637 (641); Küper, FS Lange, S. 65 (95); ders., in: Hehlerei bei ungewisser Vortatbeteiligung, S. 35 ff.; Richter, Jura 1994, 130 (131).
D. Teleologische Auslegung
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Tat nicht entgegensteht, wenn neben dem eindeutigen Nachweis dieser Tat der nicht aufklärbare Verdacht einer weiteren Straftat besteht, gegenüber der die nachgewiesene eine mitbestrafte Nachtat darstellen würde 7l7 . Nun ist es allerdings keineswegs so, daß die Rechtsfigur der mitbestraften Nachtat stets dazu fUhrt, daß im Falle von "Komplikationen" im Bereich der Vortat die Nachtat stets als Auffangtatbestand wieder aufleben würde. Dies läßt sich etwa an der Diskussion um den ähnlich gelagerten Fall der nicht mehr strafbaren Vortat verdeutlichen: Sind zwar sowohl Vor- als auch Nachtat eindeutig als vom Beschuldigten begangen festgestellt, so stellt sich die Frage, ob die Strafbarkeit wegen der an sich mitbestraften und damit straflosen Nachtat dann wieder auflebt, wenn die Vortat etwa verjährt ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bejaht diese Frage, weil das Strafbedürfnis bezüglich der Nachtat nur dann entfalle, wenn der Täter wegen der Vortat auch wirklich bestraft werde 7l8 . Dem steht die inzwischen herrschende Meinung in der Literatur gegenüber. Danach wird eine Strafbarkeit wegen der Nachtat auch bei bereits verjährter Vortat stets abgelehnt, weil Vor- und Nachtat insoweit eine Bewertungseinheit bildeten, bei der erstere sämtliche Verwertungshandlungen mit umfasse; der Täter müsse lediglich zum Zeitpunkt dieser entscheidenden Vortat sein Verhalten normgerecht einrichten können, so daß sich nach dieser Tat folglich auch der Verjährungseintritt des gesamten strafbaren Komplexes richten müsse 7l9 . Bei der Entscheidung dieses Streites spielt jedoch weniger die Figur der mitbestraften Nachtat eine Rolle als vielmehr die Frage, welche Bedeutung man dem Institut der Verfolgungsverjährung einer Straftat beimißt720 • Konkret wäre daher die Frage zu stellen, ob sich die Verjährung individuell nach dem jeweiligen tatbestandlichen Verhalten richtet - dann würde im Falle der Verjährung bloß der Vortat die nicht verjährte Nachtat tatsächlich noch geahndet werden können - oder ob die Verjährung ausschließlich an das allein 717 VgJ. schon BGH bei Dallinger (5. Strafsenat, 11.1.1955), MDR 1955,269; BGH (5. Strafsenat, 23.8.1968), NJW 1968,2115 (= JZ 1968, 710); Lackner, Vor § 52 Rn.32; Sch/Schr25 , Stree, Vorbem §§ 52 ff. Rn.117. 718 Vgl. neben den eben in Fn. 717 erwähnten Entscheidungen nur BGH (5. Strafsenat, 27.10.1992), NStZ 1993,96 (97); in der Literatur folgen dem Blei, JA 1974,27 (28); ders. in BT, § 109.III.3d, S. 432; Dreher, MDR 1964, 168; Kohlmann, JZ 1964, 492 (493 f.); Otto, Jura 1994, 276; Preisendanz, § 257 Anm.7a. 719 S. Geppert, Jura 1994,441 (444); Hau/, BT I, H.5, S. 173; Jakobs, AT, 31/46, S.884; Jescheck/Weigend, AT, § 69.II.3a, S.736; Lackner/Kühl, § 257 Rn.8; LK II , Ruß, § 257 Rn.21; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, 36/8, S.723 (allerdings nicht ganz eindeutig, ob diese Ausführung sich auch auf die mitbestrafte Nachtat beziehen soll); Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 171 f.; Stree, JuS 1976, 137 (139); ders., in: Sch/Schr25 , vor § 52 Rn.116, und § 257 Rn.31; SK, Samson/Günther, Vor § 52 Rn. 102; SK, Samson, § 257 Rn.39; Welzel, Strafrecht, § 30.II.3b, S. 235. In der Rechtsprechung bislang lediglich OLG Braunschweig (28.6.1963), MDR 1964, 167. 720 Daß es auf die Art des Verfolgungshindernisses ankommt, bestätigt auch Lackner, Vor § 52 Rn.32; ebenso Kohlmann, JZ, 1964,492 (493).
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
strafbare Verhalten anknüpft - dann wäre ausschließlich der Verjährungszeitpunkt der Vortat maßgebend. Für unseren Zusammenhang entscheidend ist jedoch die Erkenntnis, daß sich aus der Rechtsfigur der mitbestraften Nachtat nicht zwingend ableiten läßt, daß im Falle der Nichtmehrstrafbarkeit oder der Nichterweislichkeit der Vortat nunmehr die Nachtat als Grundlage für eine Verurteilung wieder autlebt721 . Während jedoch der Fall der Verjährung der Vortat den Problembereich der Verfolgbarkeit einer Straftat berührt und daher auch auf dieser Ebene zu lösen ist, betrifft das Problem der Nichterweislichkeit der Vortatbeteiligung des Beschuldigten die tatbestandliehe - und damit auch den Hilfeleistungsbegriff berührende - Ebene. Eine Verurteilung ausschließlich wegen Begünstigung im Wege der Postpendenz setzt demnach voraus, daß es tatbestandlieh irrelevant ist, daß der Beschuldigte möglicherweise auch einer von mehreren Vortatbeteiligten gewesen sein könnte. Zu kurz gegriffen wäre insoweit der Hinweis, daß § 257 Abs.3 StGB seinem Wortlaut nach nicht die Tatbestandlichkeit ausschließt, sondern lediglich die Strafbarkeit. Denn solange eine Interpretation des Abs. 3 als Tatbestandsvoraussetzung der Begünstigung nicht ausgeschlossen ist, kann aufgrund der Garantiefunktion des gesetzlichen Wortlautes im Falle einer Ungewißheit über diese Voraussetzung grundsätzlich keine Verurteilung erfolgen. Eine solche verstieße daher nur dann nicht gegen den Indubio-pro-reo-Satz, wenn es sich beim Anschlußdelikt der Begünstigung hinsichtlich ihres Unwertgehaltes gleichsam um ein minus gegenüber einer möglichen Vortatbeteiligung handelt, der Beschuldigte daher gemäß dem Grundsatz ,in dubio pro mitius' verurteilt werden könnte 722 • So führt Küper zu Recht aus, daß es für den Angeklagten, insgesamt betrachtet, keinen Nachteil bedeute, "wenn er in Konsequenz der ungeklärten Beweislage aus dem jedenfalls erwiesenen Folgesachverhalt wegen eines Delikts verurteilt wird, dessen Unrechtsund Schuldgehalt bei festgestellter Vortat durch deren Bestrafung mitabgegolten würde" 723. Allein hierin liegt aber zugleich das Wesen der mitbestraften Nachtat. Damit greifen wir jedoch auf das oben unter (1) Gesagte zurück, wo wir feststellen konnten, daß jene im Rahmen der Begünstigung nur durch die "Interessenförderungstheorie" erklärt zu werden vermag. Die Figur der mitbestraften Nachtat greift ebenso wie die daraus abzuleitende Figur der Postpen-
Darauf weist auch Küper, FS Lange, S. 65 (75 f.), hin. Wenn, wie etwa von Richter, Jura 1994, 130, stets darauf hingewiesen wird, daß die Vortat und das Anschlußdelikt gemäß §§ 257 oder 259 StOB in keinem Stufenverhältnis zueinander stehen, ist dies zwar zutreffend, trifft jedoch nicht die Pointe der in Frage stehenden Fallkonstellationen: Denn hier stehen sich die Alternativen einer Vortat einschließlich eines Nachtatverhaltens einerseits und eines bloßen Nachtatverhaltens andererseits gegenüber; in diesem Fall läßt sich daher sehr wohl von einem Stufenverhältnis sprechen. 723 In: FS Lange, S. 65 (77). 721
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D. Teleologische Auslegung
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denz nur dann, wenn der Unwertgehalt der Begünstigung in der Unterstützung des Vortäters in Richtung Vorteils sicherung besteht, nicht etwa im alleinigen, ohne Herstellung eines Bezugs zum Vortäter unternommenen Sichern von Vortatvorteilen. Denn die in der Förderung der Vorteilssicherungsinteressen bestehende Unterstützung ist dann nicht mehr von strafrechtlichem Gewicht, wenn zuvor schon im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung durch den anderen eine Beteiligun9i stattgefunden hat, sei es in Form der Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe 24.
(3) Sonderproblem Nr.2: Die Begünstigung eines nur zu einem begrenzten Teil an der Vortat Beteiligten
Ein interessantes Licht auf das Verhältnis der Begünstigung zur Vortat und speziell auf den Hilfeleistungsbegriff wirft schließlich auch die Frage, wie es sich auswirkt, wenn ein Begünstiger zwar zugleich Beteiligter an der Vortat war, diese Beteiligung sich jedoch nur auf einen Teil der Vortat bezog. Zu denken ist etwa an Fälle, in denen dem Täter bei der Teilnahme an der Vortat ein qualifizierendes Merkmal nicht bekannt war, er von diesem vielmehr erst bei der anschließenden Begünstigungshandlung erfahren hat. Die wohl herrschende Meinung geht in dieser Fallkonstellation davon aus, daß § 257 Abs. 3 StGB hier nicht greife, weil das Unrecht der Begünstigung insoweit über das der Vortat hinausreiche 725. Argumentationsgrundlage ist erneut die Figur der mitbestraften Nachtat. Hatten wir eben festgestellt, daß im Falle der Beteiligung an der Vortat das durch die Begünstigung nachträglich geschaffene Band zwischen Begünstiger und Vortäter kein über das zwischen ihnen durch die Vortatbeteiligung bereits begründete hinausgehendes Unrecht darstellt, so muß dies Konsequenzen für den vorliegenden Spezial fall haben. Man wird daher mit der herrschenden Lehre in der Tat die Begünstigung im Hinblick auf den Teil der Vortat, an dem der Begünstiger nicht beteiligt war, eigenständig in Ansatz zu bringen haben. Allerdings läßt sich dies ausschließlich mit einem Verständnis des Begünstigungstatbestands im Sinne der "Interessenförderungstheorie" erklären. Denn entscheidend ist, daß einem Vortäter geholfen wird, d.h. dessen Interessen gefördert werden. Eine solche Hilfe kann aber nur dann als durch die Beteili724 Dieser Umstand stellt sich auch nicht als "Zufall" dar - vgl. Küper, Hehlerei bei ungewisser Vortatbeteiligung, S. 14 -, sondern beruht auf dem Wesen der Anschlußdelikte Hehlerei und Begünstigung. 725 S. BGH bei Holtz (5. Strafsenat, 20.1.198!1, MDR 1981,454; Geppert, Jura 1994, 441 (445); LK 11 , Ruß, § 257 Rn.21; Sch/Schr , Stree, § 257 Rn.32a; Trändie, § 257 Rn. I O. A.A. hingegen Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 173 f.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkrnals der Hilfeleistung
gung an der Vortat konsumiert angesehen werden, wenn sich die Beteiligung an der Vortat auf das gesamte vom Vortäter verwirklichte Unrecht erstreckt. Nur dann stellt die nachträgliche Hilfe keinen neuen Unrechtspakt dar. Die in der Literatur zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Theorien würden hingegen sämtlich in die Irre führen. Denn durch ihre ausschließliche Ausrichtung auf die Vorteilssicherung käme es konsequenterweise lediglich darauf an, ob die durch die Vortat anvisierten Vorteile und die nunmehr zu sichernden identisch sind726 • Zu Recht hebt jedoch die überwiegende Meinung in der Literatur bei dieser Frage nicht auf die Identität der Vorteile ab, sondern auf die der Taten, an denen der Begünstigte und der Begünstiger beteiligt waren; mit dieser Ansicht laufen diese Stimmen allerdings in die Arme der "Interessenförderungstheorie".
b) Die Teilnahme an einer Begünstigung (1) Der Normalfall: Teilnahme an einer Begünstigung zugunsten eines Dritten
Zunächst gibt der Tatbestand der Begünstigung keinen Anlaß für die Annahme, daß hier nicht die allgemeinen Regeln über Täterschaft und Teilnahme anwendbar wären. Wer also nicht mit Tatherrschaft und Täterwillen einen anderen begünstigt, der nimmt allenfalls an einer Begünstigung teil, sei es in Form der Anstiftung oder der Beihilfe727 • Sieht man jedoch mit der herrschenden "objektiven Eignungstheorie" die Begünstigung in einer zur Vorteilssicherung geeigneten Handlung, so beginnt die Grenze zwischen Täterschaft und Teilnahme zu verschwimmen: Letztlich ist auch eine Anstiftung zu einer Begünstigungshandlung zugunsten eines Vortäters dazu geeignet, diesem die Vorteile der Tat zu sichern, wenn auch in einem hinsichtlich der letztlich eintretenden Vorteilssicherung sehr weit vorgelagerten Stadium728 . Zum Teil wird daher zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme bei der Begünstigung darauf abgestellt, welche Handlung unmittelbar zur Vorteilssicherung beiträgt 726 Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 173 f., hebt bei seinem "lerntheoretischen" Ansatz in der Tat ausschließlich auf das Erlangen der Vorteile durch die Vortat einerseits und das Sichern der Vorteile durch die Begünstigung andererseits ab; daß der Unwertgehalt der Begünstigung primär in der Hilfeleistung besteht, übersieht er dabei. 727 Die Anwendbarkeit der allgemeinen Teilnahmeregeln beflirworten daher wie selbstverständlich Allfeld, Lehrbuch, § 135.1X, S. 574 f.; Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 15, S. 59; Blei, BT, § 109.III.4, S.1132; Geppert, Jura 1980, 269 (276); Hälschner, Deutsches Strafrfcht 2.2, S. 881; LK , Ruß, § 257 Rn.23; Lenckner, NStZ 1982,401 (403); Sch/Schr2 , Stree, § 257 Rn.28; SK, Samson, § 257 Rn.21; Trändie, § 257 Rn.!!. 728 Auf die Gefahr der Auflösung von Täterschaft und Teilnahme durch die "objektive Eignungstheorie" weist auch SK, Samson, § 257 Rn.22, hin. Deutlich wird diese Konsequenz etwa bei Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 346.
D. Teleologische Auslegung
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dann Täterschaft - und welche dies erst mittelbar tut - dann Teilnahme729 • Dem Wortlaut des § 257 StGB läßt sich eine solche Differenzierung allerdings nicht entnehmen, und auch bei der allgemeinen Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme hilft das Kriterium der Unmittelbarkeit der Rechtsgutsverletzung allein nicht weiter. Ebensowenig befriedigt das Argument, daß der Hintermann nicht eher bestraft werden könne als der dem Geschehen - sprich: der Vorteilssicherung! - Näherstehende 730 • So sei zwar die Anstiftung zu einer Begünstigung durchaus zur Vorteilssicherung bereits geeignet; solange jedoch der Angestiftete die Begünstigungshandlung selbst noch nicht begangen habe, könne der Hintermann nicht bestraft werden. Die Differenzierung von Vorderund Hintermann setzt freilich voraus, was es erst zu beweisen gilt: Erst wenn man festgestellt hat, worin die eigentliche tatbestandliche Handlung liegt, kann man prüfen, ob der Handelnde den Tatbestand als Täter oder Teilnehmer verwirklicht hat. Die "objektive Eignungstheorie" gerät an dieser Stelle offensichtlich in Schwierigkeiten, denn nähme sie ihr Eignungskriterium ernst, so käme sie nicht daran vorbei, die Anstiftungshandlung als bereits zur Vorteilssicherung geeignete Handlung gemäß §§ 257, 25 Abs. I oder 2 StGB zu bestrafen. Dieses Dilemma bietet jedoch keinen ausreichenden Anlaß dafür, im Rahmen der Begünstigung statt der allgemeinen Teilnahmeregeln nunmehr die Einheitstäterschaft zu propagieren731 • Richtiger ist es auch hier, sich auf den Hilfeleistungsbegriff als zentrales objektives Tatbestandsmerkmal zu besinnen. Denn angesichts der Tatsache, daß der Gesetzgeber es ausdrücklich genügen läßt, daß einem anderen in einer bestimmten Weise geholfen wird, ist es gar nicht zu bestreiten, daß damit weite Bereiche typischer Teilnahmehandlungen bereits tatbestandlich abgedeckt sind. So stellt sich die Konstruktion einer Beihilfe zur Begünstigung de facto als Hilfe zur Hilfe dar. Doch was dem Helfer hilft, hilft auch dem letztlich zu Begünstigenden. Wir befinden uns daher nicht zufl:illig auf dem Boden der Regeln der Kettenteilnahme, wonach Anstiftung oder Beihilfe zur Beihilfe stets als einfache Beihilfe angesehen werden 732 • Der Grund 729 S. Lackner/Kühl, § 257 Rn.3; LK II , Ruß, § 257 Rn.14; Lenckner, JR 1977, 74 (75); ders. in: NStZ 1982,401 (403); Sch/Schr ,Stree, § 257 Rn.19. 730 So das Argument bei Geppert, Jura 1980, 269 (276). 731 So etwa die Anklänge bei RGSt (I. Strafsenat, 13.2.1890) 20, 233 (s. dazu oben, \. Abschnitt, C.I, S.80); hingegen befürwortet Waldthausen, GA 29 (1881), 375 (386), ausdrücklich eine Einheitstäterschaft; vgl. weitere zahlreiche Nachweise bei Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 15, S. 59 (Fn. 5). Merkwürdigerweise wird in der Rückschau auf die persönliche Begünstigung gemäß § 257 StGB aF nicht selten behauptet, der - der heutigen Fassung des § 257 StGB entsprechende - Tatbestand hätte nur einen Einheitstäter gekannt, so etwa von Randerath, S. 115; Rudolphi, FS Kleinknecht, S. 379. m Vgl. nur zuletzt wieder BGH (4. Strafsenat, 8.2.1996), NStZ 1996,562 (563), mit dem Hinweis, daß für eine Hilfeleistung im Sinne von § 27 Abs. 1 StGB auch eine mittelbare Förderung genüge.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
fur diese Verkürzung der Teilnahmekette liegt jedoch nicht an speziellen, mit der Teilnahme verbundenen Besonderheiten, sondern an dem in § 27 Abs. 1 StGB enthaltenen Hilfeleistungsbegriff. Der Satz, daß Hilfe auch in der Hilfe zur Hilfe bestehen kann, gilt dann jedoch nicht nur für die Beihilfe gemäß § 27 StGB, sondern in gleicher Weise für die Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB. Eine exakte Subsumtion unter den Tatbestand der Begünstigung führt daher erneut zum Ziel: Entscheidend ist allein die Frage, ob eine Handlung dem Vortäter im Sinne der "Interessenförderungstheorie" hilft. Tut sie das und hat der Helfer mit Tatherrschaft und Täterwillen - in diesem Fall also dem Willen, als Täter im Sinne des § 257 StGB zu helfen - gehandelt, so spielt es im Anschluß daran grundsätzlich keine Rolle mehr, ob sich diese Handlung zugleich auch als Beihilfe oder Anstiftung zu einer Begünstigung durch eine Mittelsperson darstellt, da diese Teilnahme gegenüber der Täterschaft als subsidiär zurücktritt 733 • Die Teilnahmeregeln werden bei der Begünstigung also erst dann relevant, wenn sich eine Handlung nicht bereits als strafbare Hilfeleistung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB herausstellt. Entgegen manchen Stimmen in der Literatur läßt sich daher nicht pauschal behaupten, daß etwa die Anstiftung zu einer Begünstigung schon vom Wortlaut her niemals eine Hilfeleistung im Sinne der Begünstigung sein könne 734 : Gerade der Versuch, eine andere Person zu einer Begünstigungshandlung zu bestimmen, kann sehr wohl im Vorteilssicherungsinteresse des Vortäters liegen, es sei denn, diesem ist die Vergeblichkeit dieses Anstiftungsversuchs von vornherein offenkundig. Und der so unerkannt vergeblich Handelnde ist nicht etwa ein "Hintermann" oder eine Randfigur des Geschehens, sondern im Gegenteil im Moment seiner Bemühungen einzige und zentrale Figur, weil allein er dem Vortäter Hilfe leistet.
(2) Sonderproblem Nr.]: Die" Teilnahme" an einer Selbstbegünstigung
Das nicht begründete Unbehagen, scheinbar typische Teilnahmehandlungen als bereits vom Tatbestand der Begünstigung erfaßt anzusehen, verstärkt sich wie bei der Strafvereitelung735 - in den Fällen, in denen es sich bei der angestifteten oder unterstützten Person des "Haupttäters" um den Vortäter selbst handelt. Das Problem liegt hier darin, daß der sich selbst begünstigende Vortäter 733 Allein durch die Spezialregelung in § 257 Abs. 3 S. 2 StGB wird ausnahmsweise die an sich zurücktretende Anstiftung eines an der Vortat Unbeteiligten zur Begünstigung beachtlich; s. dazu sogleich unter (3), S.250 ff. 734 Vgl. etwa Lenckner, JR 1977,74 (75); Sch/Sch?S, Stree, § 257 Rn.19; SK, Samsan, § 257 Rn.24. m S.o., 2. Abschnitt, C.V.3, S.206 f.
D. Teleologische Auslegung
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tatbestands los handelt, dieser also im eigentlichen Sinne kein Haupttäter ist und demzufolge an seiner "Tat" auch keine Teilnahme möglich ist. Gleichwohl erscheint in manchen Fällen der Vortäter als Zentralgestalt des Geschehens und somit als "Haupttäter", hingegen der Begünstiger lediglich als am Rande auftretender "Teilnehmer" hierzu. Dieses Bild entsteht jedoch nur dann, wenn man erneut mit der herrschenden Lehre auf das Anstreben der Vorteilssicherung als ausschließlichen Deliktscharakter abstellt. Denn dann läßt sich in der Tat sagen, daß in bestimmten Fällen die eigentliche Vorteilssicherung im wesentlichen nur vom Vortäter selbst herbeigeführt wird und sich der Begünstiger demgegenüber als Randfigur erweist. Bei der Strafvereitelung, bei der es seit der Strafrechtsreform nicht mehr ausreicht, daß dem Vortäter lediglich eine Strafvereitelungshilfe zuteil wird, sondern der Strafvereitelungserfolg - täterschaftlich! - herbeigeführt werden muß, hatten wir gesehen, daß von der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre eine Straflosigkeit solcher Randfiguren abgelehnt wird; allerdings kann dies nur damit begründet werden, daß es sich bei der Strafvereitelung nach wie vor um ein Hilfeleistungsdelikt handelt. Bei der Begünstigung tritt der Hilfeleistungscharakter hingegen offen zutage, wenn wir nur den Hilfeleistungsbegriff fruchtbar zu machen verstehen. Es gilt somit auch im Rahmen der sogenannten "Teilnahme an der Selbstbegünstigung" das oben unter (1) zur "normalen" Teilnahme an einer Begünstigung zugunsten eines Vortäters Gesagte. Auch hier muß die "objektive Eignungstheorie" scheitern, vermag sie doch durch das vage Eignungskriterium die Grenzen zwischen Täterschaft und Teilnahme, hier also zwischen einer täterschaftlich begangenen Begünstigung und einer straflosen "Teilnahme" an einer Selbstbegünstigung, nicht zu ziehen. Hinzu kommt, daß neben der "objektiven Eignungstheorie" auch die meisten der übrigen in der Literatur vertretenen Theorien, die die Begünstigung letztlich als Vorteilssicherungsversuch einstufen, ein völlig schiefes Bild von Zentralgestalt des Geschehens einerseits und Randfiguren andererseits entwerfen. Zentral gestalt einer Begünstigung ist vielmehr allein der mit Tatherrschaft und Täterwillen handelnde Helfer. Der die Hilfe empfangende Vortäter kann daher schon aus diesem Grunde niemals zentrale Figur einer Begünstigung sein. Es gilt vielmehr, nüchtern zu prüfen, ob sich eine einem Vortäter in Vorteilssicherungsabsicht zugedachte Wohltat als Hilfe im Sinne des § 257 Abs. I StGB herausstellt, mag es sich dabei auch um einen noch so nebensächlichen Beitrag zur Vorteilssicherung handeln. Von der herrschenden Lehre wird etwa die Bestimmung zur Selbstbegünstigung nicht unter den Tatbestand der Begünstigung gefaße 36 • Zu Recht, denn das Hervorrufen des Entschlusses beim 736 Vgl. Hau/, BT I, H.3.2, S. 169; Lackner/Kühl, § 257 Rn.8; Lenckner, IR 1977,74 (75); ders. in: NStZ 1982, 401 (403); Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.20; SK, Samson, § 257 Rn.24.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Vortäter, sich nunmehr die Vorteile der Tat selbst zu sichern, fördert keine auf Vorteilssicherung gerichteten Interessen, sondern ruft diese erst hervor. Abgelehnt wird von der überwiegenden Lehre ebenfalls eine Bestärkung des Willens, sich selbst zu begünstigen, indem dem Vortäter etwa eine ihm günstige Falschaussage im späteren Prozeß zugesagt wird 737 • Hier wird man jedoch auf den Einzelfall zu achten haben: In einer solchen Zusage kann durchaus schon eine Förderung der Vorteilssicherungsinteressen liegen, wenn sich nur bereits mit der Zusage verbundene verbesserte Möglichkeiten zur Vorteilssicherung ergeben, etwa die Vorbereitung einer darauf ausgerichteten Verteidigungsstrategie 738. Das täterschaftliche Leisten von Hilfe im Sinne der "Interessenförderungstheorie" ist entscheidend, nicht, ob die Vorteilssicherung überhaupt erreicht wird, wer im Hinblick auf die Vorteilssicherung die Zentralgestalt ist bzw. welche Handlungen diesbezüglich der Vortäter unternimme 39 •
(3) Sonderproblem Nr.2: Die Teilnahme des Vortäters an der Begünstigung zu seinen eigenen Gunsten
Das Problem der Teilnahme des Vortäters an einer von einem Dritten begangenen Begünstigung zu seinen Gunsten deckt sich zunächst weitgehend mit dem oben angesprochenen Problem der täterschaftlichen Begünstigung durch den Vortäter. Denn wie wir eben unter (I) gesehen haben, spielt die Teilnahme an der Begünstigung nur eine geringe Rolle, da sich zahlreiche typische Teilnahmehandlungen bereits als unmittelbare Hilfeleistung im Sinne des § 257 Abs. I StGB entpuppen, so daß die täterschaftlich begangene Begünstigung die Teilnahme an ihr verdrängt. Eine täterschaftliche Begünstigung durch einen Vortäter selbst ist jedoch entweder schon nicht tatbestandIich oder gemäß Abs.3 S. I straflos. Gleichwohl bleiben gewisse Fälle übrig, in denen der Vortäter lediglich an der Begünstigung zu seinen eigenen Gunsten teilnimmt, ohne daß darin zugleich eine täterschaftliche Hilfeleistung liegen würde. Aber auch hier hat der Gesetzgeber durch die KlarsteIlung in § 257 Abs. 3 S. I StGB den einst geführten Streit über die Strafbarkeit einer solchen "mittelbaren Selbstbegünstigung" eindeutig be endet. Allerdings enthält Abs. 3 S. 2 für den Fall eine Ausnahmevorschrift, daß der Vortatbeteiligte eine an der Vortat unbeteiligte 737 Neben LafsknerlKühl, Samson und Stree, jeweils aaO, vgl. LK 11 , Ruß, § 257 Rn.23; Sch/Schr ,eramer, § 27 Rn.II. 738 S. dazu bereits oben, 2. Abschnitt, D.l.lb, S.228. Im Ergebnis ebenso BGH (2. Strafsenat, 2.12.1970), NJW 1971,525 (= MDR 1971,231); weitere Nachweise für die Rechtsprechung zur Zusage einer Falschaussage s. o. Fn. 684. 739 Erst recht nicht erforderlich ist es daher, daß der Haupttäter eine Handlung mit Begünstigungsqualität vorgenommen haben muß, wie etwa SK, Samson, § 257 Rn.24, verlangt.
D. Teleologische Auslegung
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Person zur Begünstigung anstiftet; dieser Fall soll ausnahmsweise strafbar sein. Zur Begründung verweisen die Gesetzesmaterialien auf ein kriminalpolitisches Bedürfnis hierzu 740 bzw. auf die Tatsache, daß sich der Vortäter in diesem Fall in keiner notstandsähnlichen Lage befande741 . Von der ganz herrschenden Lehre wird diese Einschränkung des Abs. 3 jedoch als systemwidrig kritisiert, gleichwohl als geltendes Recht anerkannt. Denn zum einen tauche mit dem Gedanken der Hineinziehung eines bis dahin Unbeteiligten der im Rahmen der Teilnahmedoktrin verworfene Korrumpierungsgedanke wieder auf742 , und zum anderen handele es sich auch in diesem Falle um eine mitbestrafte Nachtae43 • Der Einwand, daß Abs. 3 S. 2 dem Korrumpierungsgedanken verhaftet sei, vermag allerdings der Sinnhaftigkeit dieser Vorschrift nicht entgegenzustehen. Denn da die allgemeinen Teilnahmevorschriften zumindest auch diejenigen Fälle erfassen, in denen ein anderer in ein strafbares Geschehen hineingezogen wird, bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, bei einer einzelnen Vorschrift lediglich speziell diese Konstellationen unter Strafe zu stellen. Tut er dies, so wird damit zugleich ein besonderes Licht auf den Sinn und Zweck dieser Strafnorm geworfen, wenn man dem Unterschied zwischen der (strafbaren) Anstiftung und der (straflosen) Beihilfe zu einer Begünstigung eines an der Vortat Unbeteiligten durch den Vortäter auf den Grund geht. Hatten wir gesehen, daß es sich bei der täterschaftlichen Begünstigung durch einen Vortatbeteiligten um eine mitbestrafte Nachtat handelt, so gilt dies zweifellos ebenso für die Teilnahme eines Vortatbeteiligten an einer Begünstigung, die ihrerseits von einem weiteren Vortatbeteiligten vorgenommen wird. Denn das einmal durch die Vortat geknüpfte Band zwischen den Beteiligten überstrahlt jeglichen weiteren, im Anschluß an die Tat zur Vorteilssicherung eingegangenen Pakt zwischen eben diesen Personen. Anders sieht es jedoch aus, wenn die anschließende Begünstigung durch eine bislang unbeteiligte Person begangen wird. Nimmt hier nun ein Vortatbeteiligter an einer solchen Begünstigung teil, so handelt es sich bei dem dadurch zwischen diesem und dem Begünstiger entstehenden Band um ein neues, nicht schon durch die Vortat BT-Drs. 4/650, S. 461. BT-Drs. 7/550, S. 249. 742 Diesem in der Sitzung der Großen Strafrechtskommission von Gal/as, Niederschriften VI, 61. Sitzung, S. 110, erhobenen Einwand wurde allerdings in der weiteren Diskussion keine Beachtung mehr geschenkt. 743 Zur Widersprüchlichkeit einer solchen Regelung s. schon v.Bar, Gesetz und Schuld 11, S. 745; zur heutigen Kritik vgl. Arzt, in: Arzt/Weber, BT 4, E.IV.3 Rn.407; Geppert, Jura 1994, 441 (445); Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 275 f.; Hau/, BT I, H.5, S. 173; Herzberg, JuS 1975, 792 (795); LacknerlKühl, § 257 Rn.8; Maurach/SchroederiMaiwald, BT 2, § 101.11.5, S.406; Dito, FS Lange, S. 197 (214); ders. in: Grundkurs, § 57.1I.3b, S. 271; Preitendanz, § 257 Anm.7c; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 175 ff.; Sch/Schr2 , Stree, § 257 Rn.33; SK, Samson, § 257 Rn.42. 740 741
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
geknüpftes. Liegt jedoch der zentrale Unwertgehalt der Begünstigung gerade in der durch das Hilfeleisten, also das Fördern fremder Interessen, entstehenden Verbindung, so muß festgestellt werden, daß in diesem Fall der Gedanke der mitbestraften Nachtat nicht mehr greift. Wenn ein Dritter, an der Vortat nicht Beteiligter im Anschluß an die Vortat helfend eingreift, kann gerade nicht davon gesprochen werden, daß die Teilnahme an diesem Zusammenwirken für den Vortäter durch die Bestrafung wegen der Vortat bereits mit abgegolten wäre. Es stellt sich daher nicht die Frage, warum der Gesetzgeber in § 257 Abs.3 S. 1 StGB die Anstiftung eines bis dato Unbeteiligten durch den Vortäter unter Strafe gestellt hat, sondern, warum dies nur rur die Anstiftung gelten soll und nicht auch rur die Mittäterschaft oder Beihilfe. Einzelne Stimmen in der Literatur versuchen, diese Frage mit Hilfe der Figur der notwendigen Teilnahme zu beantworten744 • Danach soll es sich bei der Teilnahme an einer Begünstigung zu eigenen Gunsten so lange um eine straflose Selbsthilfe handeln, wie der Vortäter nichts über den Mindestbeitrag eines notwendigen Teilnehmers hinaus unternehme, sondern lediglich die von dem anderen gewährte Hilfeleistung in Empfang nehme. Diese Grenze sei jedoch dann überschritten, wenn der Vortäter einen bis dahin Unbescholtenen in das Geschehen hineinziehe. Diese Argumentation vermag jedoch aus zweierlei Gründen nicht zu überzeugen. Zum einen wird nicht erst mit der Anstiftung eines an der Vortat Unbeteiligten die Grenze der straflosen notwendigen Teilnahme überschritten, da auch bestimmte Beihilfehandlungen vorstellbar sind, bei denen der Vortäter über das passive Empfangen der Hilfe weit hinausgeht. Zum anderen gilt dies erst recht rur den Vergleich mit einer durch einen Vortäter mittäterschaftlich begangenen Begünstigung zugunsten eines anderen Vortatbeteiligten. Hier stiftet er einen Unbeteiligten unter Umständen nicht nur an, sondern wirkt darüber hinaus noch arbeitsteilig mit ihm zusammen; gleichwohl soll dies im Gegensatz zur bloßen Anstiftung straflos sein. Statt dessen empfiehlt es sich auch hier, sich allein an die tatbestandlichen Vorgaben und somit an die Besonderheiten des Hilfeleistungsbegriffs zu halten. Demnach bleibt die mittäterschaftlich begangene Begünstigung durch einen Vortäter unabhängig von der Person des anderen Begünstigers in jedem Falle als mitbestrafte Nachtat gemäß § 257 Abs. 3 S. 1 StGB straflos. Was nun die Teilnahme des Vortäters an einer Begünstigung anbelangt, so hatten wir schon bei der Erörterung des Normalfalls einer Teilnahme an einer Begünstigung gesehen, daß große Bereiche der Teilnahme wegen des weiten Hilfeleistungsbegriffs keine eigenständige Bedeutung mehr haben. Denn in den meisten Fällen wird sich sogar der Versuch einer Anstiftung zur Begünstigung bereits als direkte Hilfeleistung zugunsten des Vortäters darstellen. Dasselbe 744 So etwa Wolter, JuS 1982, 343 (347 f.); in ähnlicher Weise argumentierte zuvor schon Hegler, JW 1924, 1597 (1601).
D. Teleologische Auslegung
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gilt auch für die Beihilfe zur Begünstigung, also die Hilfe zur Hilfe. Dieses von der Kettenteilnahme her bekannte Phänomen hat zur Folge, daß die gleichzeitig vorliegende Teilnahme an der Begünstigung in der Regel als subsidiär zurücktritt. Bei der Teilnahme eines Vortatbeteiligten an der anschließenden Begünstigung durch einen bis dahin Unbeteiligten stellt sich die Situation daher folgendermaßen dar: Betrachtet man die Teilnahme isoliert, so handelt sich bei ihr keineswegs um eine mitbestrafte Nachtat, da der Unwert der Vortat die verwerfliche Hilfe durch einen Dritten noch nicht mit umfaßt und daher auch die Teilnahme an dieser Hilfe neu es Unrecht bedeutet. Die Teilnahme an der Begünstigung wird sich jedoch in der Regel zugleich als unmittelbare Hilfeleistung im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB darstellen. Diese ist jedoch, handelt der Vortäter zu eigenen Gunsten, schon nicht tatbestandlich oder, handelt der Vortäter zugunsten eines anderen Vortatbeteiligten, als mitbestrafte Nachtat straflos. Im Kern stellt sich daher die Frage, ob die grundsätzlich gegenüber dieser täterschaftlich begangenen Begünstigung subsidiäre und damit ebenfalls straflose Teilnahme nicht doch in den Fällen bestraft werden muß, in denen der Grund für die Straflosigkeit der täterschaftlichen Begünstigung - nämlich die Tatsache der mitbestraften Nachtat - gerade nicht auf die Teilnahme an der Begünstigung durchschlägt. Der Gesetzgeber beantwortet diese Frage uneinheitlich, indem er lediglich bei der Anstiftung eines bis dahin Unbeteiligten durch einen Vortatbeteiligten ein kriminalpolitisches Bedürfnis für eine Bestrafung sieht. Auch wenn einzelne Beihilfehandlungen zu einer Begünstigung durch eine an der Vortat nicht beteiligte Person unter Umständen nicht minder strafwürdig erscheinen mögen, so läßt sich mit der Beschränkung der Strafbarkeit durch den Gesetzgeber auf diese Modalität sicherlich leben. Ein Verstoß gegen allgemeine Teilnahmeregeln oder eine Mißachtung der Figur der mitbestraften Nachtat liegt darin jedenfalls nicht. Im Ergebnis werden dadurch also die von der Kettenteilnahme her bekannten Regeln aus dem Grunde durchbrochen, weil das Hervorrufen eines neuen Hilfeleistungspaktes über die darin zugleich enthaltene Hilfeleistung hinausreicht und somit einen eigenen Unwert enthält.
11. Das Rechtsgut der Begünstigung Auf der Suche nach der Definition des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung sind wir bisher mit der Beleuchtung der historischen Entwicklung des Delikts, der Wortlautbedeutung, der Verwendung des Hilfeleistungsbegriffs an anderen Stellen im Strafgesetzbuch und der inneren Systematik des Tatbestands durchaus weit gediehen. Bei diesen Untersuchungen hat sich die sogenannte "Interessenförderungstheorie" gegenüber allen anderen in der Literatur zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Theorien als überlegen erwiesen, indem
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
sie nicht nur diesem Begriff einen eigenständigen und handhab baren Inhalt zu geben vermag, sondern insgesamt ein stimmiges Bild vom Tatbestand der Begünstigung entwirft. Und doch ist eine wesentliche Frage bislang offengeblieben: Welches Rechtsgut wird von einer Norm geschützt, deren objektiver Tatbestand in einer Vorteilssicherungshilfe besteht, d.h. in einer Förderung der Vorteilssicherungsinteressen eines Vortäters, und deren subjektiver Tatbestand Vorteilssicherungsabsicht voraussetzt? Wie schon erwähnt, besteht in Literatur und Rechtsprechung kein Mangel an diesbezüglichen Vorschlägen, durch die die jeweils zur Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs favorisierte Theorie gestützt werden soll. Dabei korrespondieren allerdings die einzelnen RechtsgutTheorien keineswegs jeweils mit bestimmten Hilfeleistungs-Theorien, so daß aus der Bestimmung des Rechtsguts kaum eine eindeutige Definition des Hilfeleistungsbegriffs abgeleitet werden kann. So überrascht es nicht, wenn Vogler in seiner Untersuchung des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung meint, die Rechtsgutsdiskussion nicht entscheiden zu müssen 745, wie umgekehrt Miehe bei seiner Erörterung des der Begünstigung zugrundeliegenden Rechtsguts den Inhalt des Hilfeleistungsbegriffs offenlassen wilf46 • Im folgenden kann es daher nur darum gehen, zwar die aus der geschichtlichen Entwicklung des Delikts und seinem systematischen Zusammenhang gewonnenen Erkenntnisse auch für den zugrundeliegenden Rechtsgüterschutz fruchtbar zu machen, im übrigen sich jedoch auf eine damit zu vereinbarende Richtungsangabe innerhalb der Rechtsgutsdiskussion zu beschränken. Dazu wird allerdings in einem ersten Schritt eine Darstellung des diesbezüglichen Meinungsstandes einschließlich eines jeweiligen Querverweises auf die von den Exponenten dieser Ansichten vertretenen Hilfeleistungstheorien erforderlich sein.
J. Meinungsstand bezüglich des Rechtsguts der Begünstigung
Auch wenn keine strikte Kongruenz zwischen den einzelnen RechtsgutTheorien und den zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Theorien besteht, so lassen sich die Meinungsunterschiede in beiden Fällen in vergleichbarer Weise auf eine unterschiedliche Gewichtung des Vorteilssicherungscharakters der Begünstigung einerseits und des Hilfeleistungscharakters andererseits zurückfuhren. Hatten wir bei der Diskussion um den Hilfeleistungsbegriff gesehen, daß in der Literatur fast ausschließlich auf das Anstreben der Vorteilssicherung abgestellt wird, so läßt sich bei der Frage nach dem Rechtsgut der Begünstigung ebenfalls ein deutliches Übergewicht derjenigen Auffassungen feststellen, die vor allem im Streben nach Vorteilssicherung eine Rechtsgutsverletzung 745 746
In: FS Dreher, S. 405 (413). In: FS Honig, S. 91 (l08).
D. Teleologische Auslegung
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suchen wollen (s. sogleich unter a). Immerhin lassen sich aber auch beachtliche Strömungen feststellen, die ihre Rechtsgutbetrachtungen primär am Faktum der Leistung von Hilfe zugunsten eines Vortäters orientieren (s. sogleich unter b).
a) Begünstigung als Vorteilssicherungsdelikt Stellt man überwiegend oder sogar ausschließlich die anzustrebende Vorteilssicherung in den Vordergrund der Unwertbetrachtung, so stellt sich die Frage, welches Rechtsgut gerade durch die Sicherung der durch die Vortat erlangten Vorteile verletzt wird. In der Literatur haben sich dazu zwei grundlegend verschiedene Ansätze herausgebildet: Nach der einen Auffassung ist es ein öffentliches Interesse an der Restitution der Vorteile, das durch die vorteilssichernde Intervention des Begünstigers beeinträchtigt wird. Nach anderer Ansicht wird der individuelle Inhaber des Anspruchs auf Restitution verletzt, also in der Regel derjenige, zu dessen Lasten der Vortäter seine Vorteile erzielt hat. Freilich lassen sich die einzelnen Rechtsgut-Theorien nicht eindeutig nach dieser Unterscheidung von Allgemein- oder Individualrechtsgütern einteilen, zumal zahlreiche Vertreter eine Kombination dieser beiden Alternativen favorisieren.
(1) Begünstigung als Delikt gegen die Rechtspflege
Recht unscharf und nur schwer zuzuordnen ist die vor allem in der Rechtsprechung747 und überwiegend in der älteren Literatur748 verwendete Formel von der Verletzung der die Vortatvorteile restituierenden Rechtspflege. Der 747 S. etwa RGSt (3. Strafsenat, 2.2.1920) 54, 132 (134); BGHSt (4. Strafsenat, 15.5.1952) 2,362 (363); BGHSt (2. Strafsenat, 16.6.1971),24, 166; BGH (3. Strafsenat, 27.8.1986), NStZ 1987,22; BGHSt (1. Strafsenat, 24.10.1989) 36, 277; BGH (3. Strafsenat, 16.11.l993), NStZ 1994, 187 (188). Bei der Rechtsprechung vor 1975 ist zu beachten, daß die Formel von der Hemmung der Rechtspflege zunächst für die persönliche Begünstigung entwickelt worden ist und später in Fällen einer sachlichen Begünstigung hierauf verwiesen wurde. 748 S. Allfeld, Lehrbuch, § 135.1, S. 570 f; Berner, Lehre von der Teilnahme, S. 6; Hälschner, Deutsches Strafrecht 2.2, S. 868; Jescheck, Niederschriften, Band 6, 61. Sitzung, S. 108; Köhler, GS 61 (1902),44 (47); KohlrauschlLange, § 257, Bem. I; LK 8, Jagusch, § 257 Anm. I; Maurach, JZ 1952, 662; Merkei, Lehrbuch, § 57, S. 154; Mezger, NJW 1947/48,490; ders., BT, § 80.1, S. 259 (hier allerdings mit Zugeständnissen an die Vermögenstheorie); v.olshausen, § 257, Bem.29; Schäfer, in: Dalcke/Fuhrmann/Schäfer, A.2, § 257, pem.l, S. 315; Schmidhäuser, BT 2, 23/23; Schmidt, in: v.LisztiSchmidt, Lehrbuch 2 , § 183.ll, S. 843; Schünemann, in: Lexikon des Rechts, Ordner 3, Gruppe 8, unter dem Stichwort "Begünstigung", A.ll, S. 1; Schwarze, ZStW 24 (1872), 368 (381).
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Ursprung dieser Theorie ist insbesondere auf die Tatsache zurückzuführen, daß die heutige Begünstigung einst gemeinsam mit der persönlichen Begünstigung als Vorgängerin der Strafvereitelung in § 257 StGB aF geregelt war. Daraus wurde überwiegend geschlossen, daß die sachliche wie persönliche Begünstigung nur ein einheitliches Rechtsgut schützen könne. Ist es jedoch bei der persönlichen Begünstigung bzw. Strafvereitelung evident, daß sich der Täter gegen die strafverfolgende bzw. -vollstreckende Staatsgewalt stellt, war dadurch zugleich die Richtung für die sachliche Begünstigung vorgegeben: Der Unterschied sollte allein darin liegen, daß sich der die Vorteilssicherung anstrebende Täter vor allem gegen die auf Schadensausgleich gerichtete Zivilrechtspflege wende 749 . Es stellt sich jedoch die Frage, ob mit dem Angriff auf die Rechtspflege nicht eine zu ungenaue Umschreibung des Unwertgehalts der Begünstigung gegeben wird, will man damit sämtliche Aspekte des Begünstigungstatbestands berücksichtigen. Denn letztlich wird durch eine Begünstigung nicht die Rechtspflege als Institution angegriffen oder behindert750 , es wird vielmehr die Durchsetzung des auf die Restitution der Vortatvorteile gerichteten Anspruchs erschwert, bei der die Rechtspflege lediglich das Mittel zur Durchsetzung darstelle 51 . Die Tatsache, daß sich hinter dem Rechtsgut "Rechtspflege" primär die sich ihrer bedienenden, auf Restitution gerichteten Individualinteressen verbergen, öffnet zugleich den Blick auf Schwächen dieser Rechtsgutsbestimmung. Denn wie kann die Rechtspflege durch eine Begünstigungshandlung tangiert werden, wenn das durch die Vortat betroffene Opfer im konkreten Fall entweder auf eine Restitution verzichtet oder gar eine solche tatsächlich gar nicht möglich ist, etwa weil die Restitution bestimmter Vorteile ausgeschlossen ist; denn nicht stets korrespondiert ein Vorteil des einen mit einem Nachteil des anderen 752 ? Ferner stellt sich die Frage, warum nur die Restitution der unmittelbaren Vortatvorteile geschützt werden soll, während der mittels der Rechtspflege zu er-
749 Dies wird etwa deutlich in den Ausführungen von Köhler, Maurach, Schmidt und Schünemann, jeweils aaO. Allerdings zieht Schmidt, in: v.LisztiSchmidt, Lehrbuch 25 , § 183.111.3, S. 846, daraus die Konsequenz, daß es sich bei der Begünstigung ausschließlich um Vermögensvorteile handeln könne; Mezger, BT, § 80.1, S.259, konzediert der Vermögenstheorie immerhin, daß sie "manches für sich habe". 750 Darauf weisen auch Drees, Reform des EGStGB, S. 25, und Schröder, FS Rosenfeid, S. 161 (165), hin, ähnlich auch Waldthausen, GA 29 (1881), 375 (381). 751 Ebenso Amelung, JR 1978,227 (230); Janson, Begünstigun~ und Hehlerei, S. 72 f; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 101.1.2, S. 403; Sch/Schr 5, Stree, § 257 Rn.I; SK, Samson, § 257 Rn.3. 752 In diesem Sinne Binding, BT 2.2, § 245.111.2, S. 666; Schröder, FS Rosenfeld, S. 161 (165). So kann man im Fall von RGSt (3. Strafsenat, 15.1.1917) 50, 218 nur schwer davon sprechen, daß der Vorteil der Freiheit vom Wehrdienst durch die Rückführung des Fahnenflüchtigen "restituiert" werde.
D. Teleologische Auslegung
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zielende Ausgleich darüber hinaus auch auf Surrogate gerichtet werden kann 753 • Daß mit dem Rechtsgut "Rechtspflege" der Unwertgehalt der Begünstigung wenn auch nicht unzutreffend, so jedoch zumindest in nicht erschöpfender Weise umschrieben ist, folgt letztlich aus der Tatsache, daß nicht erklärt werden kann, warum die Begünstigung lediglich aus einer Straftat erlangte Vorteile voraussetzt754 • Für die ausgleichende Rechtspflege, insbesondere die Zivilrechtspflege, kommt es allein darauf an, daß sich die Vorteile unrechtmäßigerweise in Händen des Vortäters befinden. Der besondere Charakter der Begünstigung als Anschlußdelikt, also das Anknüpfen an eine vorangegangene Straftat, wird bei dieser Rechtsgutbetrachtung hingegen überspielt. Angesichts dieser Unschärfen verwundert es auch nicht, daß die These von der Rechtspflege als verletztem Rechtsgut im Grunde mit sämtlichen zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Theorien vereinbar ist. Zum einen beinhaltet die Verletzung der die Vorteile restituierenden Rechtspflege das Bild von der Begünstigung als ausschließlich die Vorteilssicherung anstrebender Handlung 755 ; zum anderen wird damit das Hilfeleistungsmerkmal als Unterstützung des Vortäters betont, wodurch die Behinderung der auf Ausgleich bedachten Rechtspflege erstrebt wird 756 • Für die Haltung der Rechtsprechung, die im Streit um den Hilfeleistungsbegriff bislang stets eine Festlegung auf eine bestimmte Theorie vermieden hat, ist das kaum aussagekräftige Rechtsgut "Rechtspflege" daher geradezu prädestiniert.
(2) Begünstigung als Delikt gegen das öffentliche Restitutionsinteresse der Rechtsordnung
Schröder greift insbesondere die den vernachlässigten Anschlußcharakter der Begünstigung betreffende Kritik auf, wenn er sich vor allem um eine neue Akzentuierung bemüht: Statt auf die Rechtspflege hebt er vielmehr auf ein Interesse der Allgemeinheit, der Rechtsordnung, ab, das darin besteht, daß ein So schon v.Buri, Ueber Causalität, S. 151. Darauf weisen vor allem Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 71; Miehe, FS Honig, S. 91 (102), und Schröder, MDR 1952, 68 (70), hin. m Von den in Fn. 748 genannten Anhängern der Rechtspflegetheorie vertreten die "objektive Eignungstheorie" Jagusch, Kohlrausch/Lange, Mezger, Schäfer und Schmidhäuser (v gl. oben Fn. 69). Der "rein subjektiven Theorie" zuzuordnen ist hingegen Schwarze (vgl. oben Fn. 16), der "Theorie von der objektiven Lageverbesserung" Al/feld, v.Olshausen und Schmidt (vgl. oben Fn. 20 I). 756 So nennt Köhler, aaO (Fn. 748), als Vertreter der "Interessenförderungstheorie" (vgl. oben Fn. 208) ebenfalls die Rechtspflege als von der Begünstigung geschütztes Rechtsgut. 753
754
17 Weiser!
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
durch eine Straftat hervorgerufener widerrechtlicher Zustand beseitigt werden soll757. Die Ausrichtung des Begünstigungstatbestands allein auf die anzustrebende Vorteilssicherung wird bei dieser Ansicht ganz deutlich: Wer, wie sämtliche Vertreter dieser Rechtsgut-Theorie, die Begünstigung allein als mehr oder weniger tauglich versuchte Vorteilssicherung ansieht758 , der kann den Unwertgehalt allein in der Verletzung des Anspruchs auf Restitution sehen. Bei der Bestimmung des Inhabers dieses Restitutionsanspruches unternimmt die Theorie von der Rechtsordnung als von der Begünstigung betroffenem Rechtsgut einen nahezu unmöglichen Spagat: Ausgangspunkt ist auch hier der Einzelne, der seinen Individualanspruch auf Herausgabe der vom Vortäter strafbar erlangten Vorteile verfolgt, sofern überhaupt eine derart beeinträchtigte Einzelperson vorhanden ist bzw. ein solcher Anspruch bestehes9 . Gleichzeitig soll jedoch stets auch ein Interesse der Allgemeinheit an der Restitution von speziell aus einer Straftat herrührenden Vorteilen bestehen; in Fällen, in denen nicht zugleich ein Restitutionsanspruch einer Einzelperson besteht, soll dieses Allgemeininteresse sogar das allein durch die Begünstigungshandlung verletzte Rechtsgut darstellen. Bei dieser Rechtsgutsbetrachtung ist vor allem die kritische Frage zu stellen, ob der behauptete öffentlich-rechtliche Anspruch der Rechtsordnung auf Restitution überhaupt bestehe60 • Betrachtet man etwa speziell die strafrechtlichen Vorschriften, so befassen sich lediglich die Beschlagnahme gemäß §§ 94 ff. StPO - einschließlich der Rückgabemöglichkeit an den Verletzten gemäß § 111 k StPO -, der Verfall gemäß §§ 73 ff. StGB und die Einziehung gemäß §§ 74 ff. StGB mit einem öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Entziehung der Vortatvorteile bei einem Straftäter. Alle diese Vorschriften haben jedoch nur einen beschränkten Anwendungsbereich, so daß sich aus ihnen im Ergebnis keinesfalls ein umfassender Restitutionsanspruch ergibe61 • Zu denken ist daher lediglich an einen auf Polizeirecht gestützten Anspruch auf Entzug der Vorteile aus einer Straftat. Grundsätzlich handelt die Polizei jedoch insoweit m So ausführlich in: FS Rosenfeld, S. 161 (164 ff.), sowie in: MDR 1952,68 (70 1'.). Dieser Ansicht haben sich Lenckners OS Schröder, S.339 (344, Fn. 16); Stree, JuS 1976, 137 (138); ders. in Sch/Schr2 , § 257 Rn.1; Theissen, Begünstigungshandlung, S. 121 f1'., angeschlossen. . 758 Während Schräder selbst die "Theorie des objektivierten Vorteilssicherungsversuchs" favorisiert (s. o. Fn. 32), sind Stree und Theissen Anhänger der herrschenden "objektiven Eignungstheorie" (s. o. Fn. 69), auch wenn sich Theissen - zu Unrecht gegen die Einordnung als Vorteilssicherungsversuch wehrt, s. dazu oben, I. Abschnitt, B.III.2c.(2), S.56 f1'. 759 Auf die Interessen auch des durch die Vortat Verletzten stellen insbesondere Schräder,.lZ 1971,141 (142), und Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.l, ab. 760 Dies verneinen im Ergebnis eindeutig Amelung, JR 1978, 227 (230 0; Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 79 f.; MaurachlSchroederiMaiwald, BT 2, § 101.1.2, S. 404; Miehe, FS Honig, S. 91 (1021'.). 761 Vgl. ausführlich dazu Janson, Begünstigung und Hehlerei, aaO.
D. Teleologische Auslegung
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ausschließlich als Mittlerin privater Interessen, und zwar gegenüber einer privatrechtlichen Rechtsverfolgung lediglich subsidiär. Darüber hinaus ist die Polizei zwar auch unabhängig von der Verletzung privater Ansprüche befugt, aufgrund einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung762 restituierend einzuschreiten. Jedoch ist nicht ersichtlich, warum der Verbleib von Vortatvorteilen beim Vortäter, auf die keine Privatperson einen Anspruch erhebt oder erheben kann, eine solche Gefahr darstellen soll. Insoweit genügt es nicht, wenn man darauf hinweist, daß durch eine Straftat stets auch öffentliche Interessen verletzt werden 763. Denn daraus folgt noch nicht, daß die Allgemeinheit unabhängig von privatrechtlichen Ansprüchen ein Interesse am Entzug der aus der Straftat erlangten Vorteile hat. Allein die Tatsache, daß die ursprünglich rechtmäßige Verteilung von materiellen wie immateriellen Gütern durch eine Straftat aus dem Gefüge geraten ist, rechtfertigt kein polizeiliches Einschreiten, wenn keine Individualansprüche auf Restitution bestehen, sondern die Allgemeinheit dem Straftäter die Vorteile lediglich mißgönnt. Die Schwierigkeiten, einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Restitution von Vorteilen aus einer Straftat zu ermitteln, korrespondieren indes mit einem grundsätzlichen Problem der Theorie von der Rechtsordnung als Rechtsgut der Begünstigung. Der aus der Einstufung der Begünstigung ausschließlich als Vorteilssicherungsdelikt resultierende Zwang, einen dadurch verletzten Restitutionsanspruch zu finden, der speziell an die Tatsache anknüpft, daß die Vorteile aus einer Straftat stammen, führt dazu, dem öffentlichen Recht im allge-. meinen und dem Strafrecht im besonderen eine Funktion beizumessen, die diese gerade nicht besitzen. Denn wer die Wiederherstellung des vor der Straftat bestehenden Status quo als öffentlich-rechtliche Aufgabe deklariert, befindet sich damit letztlich in der überwundenen wohlfahrtsstaatlichen Tradition, wonach der Staat über die Interessen der Bürger bzw. sonstiger Allgemeininteressen hinaus einzuschreiten befugt sein soll. Allein das Innehaben eines einem Straftäter nicht gebührenden Vorteils vermag jedenfalls ein solches Allgemeininteresse noch nicht zu begründen.
(3) Begünstigung als sowohl gegen lndividual- wie Allgemeininteressen gerichtetes Delikt
Das zweifelhafte Gebilde des Anspruchs der Rechtsordnung auf Restitution vermeidend, im übrigen aber den Gedankengang Schröders aufnehmend, be762 Vgl. nur die Generalermächtigungen in §§ I, 3 PolG BW, Art.ll Abs. I bay. PAG, § 11 hess. SOG, § 9 Abs. 1 rh.-pfälz. PVG. 763 So das Argument von Theissen, Begünstigungshandlung, S. 127 f.
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
vorzugt die wohl überwiegende Lehre einen kumulativen Rechtsgüterschutz: Zum einen werde, soweit tatsächlich vorhanden, der Individualanspruch des durch die Vortat Verletzten auf Restitution geschützt, zum anderen zugleich bzw. unter Umständen alternativ die die Restitution anstrebende Rechtspflege 764 . Auch hier wird also ausschließlich die Vereitelung des Restitutionsanspruchs als Begünstigungsunwert angesehen, so daß die Vertreter dieser Ansicht bei der Definition des Hilfeleistungsbegriffs folgerichtig ebenfalls über die Einstufung der Hilfeleistung als Vorteilssicherungsversuch nicht hinausgehen 765 . Doch was ist durch diese Kombination der Rechtsgüter gewonnen? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß gleichsam durch einen "Schuß mit der Schrotflinte" möglichst alle Aspekte des Unwertgehalts der Begünstigung erfaßt werden sollen. Zu Recht kann jedoch eingewendet werden, daß mit einer Kumulation mehrerer Rechtsgüter nicht im einzelnen bestehende Unstimmigkeiten beseitigt, sondern diese ebenfalls kumuliert werden 766 • Denn in der Tat entsteht nach dieser Auffassung nicht etwa ein abgerundetes Bild vom Unrecht der Begünstigung, sondern mit der Rechtspflege und den Individualinteressen werden lediglich zwei Rechtsgüter genannt, die in den meisten Fällen unabhängig voneinander tangiert sein können, jedoch keineswegs müssen 767 • Es stellt sich daher nach wie vor die Frage, inwieweit das Rechtsgut "Rechtspflege" über die Behinderung der sie als Instrument benutzenden Rechtsverfolgung hinaus verletzt wird. Ebenso bleibt das Problem bestehen, das Schröder vergeblich zu lösen versuchte, warum nämlich die Rechtspflege bzw. die Verfolgung privater Restitutionsansprüche ausschließlich im Hinblick auf durch eine Straftat erlangte Vorteile besonders geschützt werden soll. Den Charakter der Begünstigung als Anschlußdelikt vermögen daher beide Aspekte dieser kombinierten Betrachtungsweise nicht zu erklären.
764 S. Arzt, in: Arzt/Weber, BT 4, E.IV.l Rn.392 (wobei nicht ganz klar wird, ob Arzt neben der Rechtspflege wirklich den Restitutionsanspruch als geschützt ansieht oder vielmehr das jeweilige Vortatrechtsgut); Bockelmann, BT 1, § 23.1, S. 171 f.; Eser, Strafrecht IV, 18 A 83, S.200; Geppert, Jura 1994, 441 (442); Lackner/Kühl, § 257 Rn.l; LaubenthaI, Jura 1985, 630 (630 f.); LK Il , Ruß, § 257 Rn.2; Preisendanz, § 257 Anm.1; Sauer, BT, § 39.1V.l, S. 494 f.; Seelmann, JuS 1983,32 (33); Wessels, BT 2, § 19.1.2 Rn.743; Zipf, JuS 1980,24 (26). 765 Mit Arzt und Bockelmann finden sich zwei Vertreter subjektiver Theorien (s. o. Fn. 16 und 48), während die übrigen in Fn. 764 Genannten der "objektiven Eignungstheorie" anhängen (s. o. Fn. 69). 766 So Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 91; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2, § 101.1.2, S. 404. 767 Zu unbestimmt und kriminalpolitisch überflüssig nennt Dito, Grundkurs, § 57.1.1, S. 269, diese Kombination, "amorph" Geerds, GA 1988, 243 (262), der dieser Auffassung jedoch immerhin Konsequenz bescheinigt.
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(4) Begünstigung als gegen das Vermögen bzw. Individualinteressen gerichtetes Delikt
Vor den Schwierigkeiten kapitulierend, ein Allgemeinrechtsgut im Sinne eines Anspruchs auf Restitution zu finden, beschränkt sich eine andere Ansicht allein auf die Beeinträchtigung der individuellen Restitutionsansprüche des durch die Vortat Verletzten. Während einerseits eine darüber hinausgehende Beschränkung auf nur bestimmte Individualansprüche abgelehnt wird768 , favorisieren die meisten Vertreter dieser Richtung allein den Schutz von Vermögensinteressen 769 . Diese Meinungsdifferenz rankt sich dabei vornehmlich um die Frage, ob überhaupt andere als wirtschaftliche Vorteile restituierbar sind und demgemäß vor einem Entzug gesichert werden können 77o . Hintergrund dieser Tatbestandsbeschränkung ist aber vor allem die von diesen Autoren favorisierte Einordnung der Begünstigung als Grundtatbestand der Hehlerei; während es bei dieser um eine mit Bereicherungsabsicht vorgenommene Vertiefung des durch die Vortat angerichteten Vermögensschadens geht, soll es sich bei der Begünstigung um die milder zu beurteilende fremdnützige Sicherung dieser Vermögensvorteile vor dem Wiederentzug handeln 771. Ein gewichtiges Argument ist sicherlich auch der Hinweis auf die Regelung des § 257 Abs. 4 S. 2 StGB, da die Anordnung der entsprechenden Anwendung des § 248 a StGB wohl nur bei vermögenswerten Vorteilen einen Sinn hatm . Aber selbst wenn man zu einer Anwendung des § 248 a StGB auch bei Nichtvermögensvorteilen kommen will, so ist die Vorschrift des § 257 Abs.4 S.2 StGB
So SK, Samsan, § 257 Rn.2 und 5. S. Binding, BT 2.2, § 245.1, S. 664 f.; Bockelmann, NJW 1951, 620 (621) (inzwischen jedoch von dieser reinen Vermögenstheorie abgerückt, s. o. Fn. 76~~; Dahm, DR 1942, 570 (zumindest nahestehend); Hartung, NJW 1949, 324 (327); LK , Nagler, § 257 Anm. III.I; OUo, Grundkurs, § 56.1.3b, S.267, und § 57.I.l, S.269; Wachen/eid, Lehrbuch, S. 420; Welzel, Strafrecht, § 58.1, S.393. In der Entscheidung BGHSt (2. Strafsenat, 21.10.1970) 23, 360 (361) zeigte die Rechtsprechung einmalig eine gewisse Neigung zur Vermögenstheorie, ließ die Frage jedoch offen und kam spätefpin.nicht mehr auf diesen G~danken zurück: Sc~mfdt, in: v.LiszUSchmidt, ~ehr buch·, § 183.III.3, S. 846, bezeichnet zwar die ZlVllrechtspflege als geschutztes Rechtsgut, beschränkt jedoch aus diesem Grunde den in Betracht kommenden Gegenstand einer Begünstigung auf Vermögensvorteile. Geerds, GA 1988, 243 (262 ff.), steht der Vermögenstheorie insoweit nahe, als er ebenso wie bei der Hehlerei auf den Perpetuierungsgedanken abstellt. 770 Pointiert etwa die rhetorische Frage von Binding, BT 2.2, § 245.1, S. 664: "Kann man aber die entflihrte Frauensperson als ,Vorteil' bezeichnen?" 771 Deutlich wird dies etwa bei Binding und Nagler, jeweils aaO (Fn. 769). Ebenso Bockelmann, NIW 1951, 620 (621), mit der Behauptung, daß, was nicht unter § 259 StGB falle, erst recht nicht nach § 257 StGB strafbar sein dürfe. 172 Hierauf hebt vor allem Ouo, Grundkurs, § 57.I.l, S. 269 und § 57.III.2, S. 272, ab; s. dazu ferner bereits oben, 2. Abschnitt, D.I.1 a.(l ).(b), S.213 ff. 768
769
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
ersichtlich nur auf die Behinderung von Individualansprüchen auf Restitution · 773 zugeschmtten . Aus der entsprechenden Anwendung des § 248 a StGB wird man jedoch kaum zwingende Schlußfolgerungen für das der Begünstigung zugrundeliegende Rechtsgut ziehen können. Denn diese Regelung ist bereits dann sinnvoll, wenn es, wie bei der Begünstigung unbestritten, in den weitaus meisten Fällen in der Praxis um eine Sicherung von Vermögensvorteilen geht, die aus einer gegen das Vermögen im weiteren Sinne gerichteten Straftat herrühren. Dagegen setzt der Verweis auf § 248 a StGB nicht unbedingt voraus, daß diese Norm in sämtlichen denkbaren Fällen anwendbar sein muß. Es kommen daher immaterielle Vorteile als Gegenstand einer Begünstigung ebenso in Betracht wie solche, die lediglich aus einer ein Allgemeinrechtsgut verletzenden Vortat stammen. Darüber hinaus spricht die Neufassung der §§ 257 bis 259 StGB durch das Strafrechtsänderungsgesetz von 1974 eher dafür, daß sich der Begünstigungstatbestand weder auf gegen das Vermögen gerichtete Vortaten noch auf Vermögensvorteile beschränkt. Während eine solche Beschränkung durch den Gesetzgeber bei der Hehlerei ausdrücklich hervorgehoben wird, wird bei § 257 StGB nach wie vor nur allgemein von einer rechtswidrigen Tat und von Vorteilen der Tat gesprochen 774 . Den Gesetzesmaterialien läßt sich ferner auch eine eindeutige Stellungnahme gegen jegliche Vermögenstheorie entnehmen; insbesondere werden als mögliche Nichtvermögensvortaten der Muntbruch (heute Kindesentziehung), Wirtschaftsstrafsachen oder ein Verstoß gegen das Gesetz über Verbreitung jugendgefährdender Schriften aufgeführt775 • So lassen sich auch zahlreiche Beispiele für sicherbare Nichtvermögensvorteile finden, so etwa schon in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung die Abwesenheit von der Truppe nach einer Fahnenfluche76 oder der Besitz der Waffe im Falle eines Verstoßes gegen das Waffengesetz777 • Weitere in der Literatur genannte Beispiele sind die Erlangung einer Baugenehmigung, das Führen eines Titels, die Gewaltherrschaft über eine Person, ein guter Name wie etwa Erfinderruhm, der Personenstand, eine Pseudoautorenschaft, Besitz von Auszeichnungen oder,
So das Argument bei SK, Samson, § 257 Rn.5. Amelung, JR 1978, 227 (229), hält aus diesem Grund eine Beschränkung auf Vermögensvorteile und -vortaten für nicht mehr haltbar. 775 S. E 1962, BT -Drs. 4/650, S. 460, der bei der Strafrechtsreform 1975 fast wortgleich und mit derselben Begründung übernommen wurde. Als weitere in Betracht kommende Nichtvermögensstraftaten werden in der Literatur u. a. Wählerbestechung, Verstrickungsbruch, Geld- und Wertzeichenfalschung, Meineid, Verletzung der Unterhaltspflicht, Doppelehe, Förderung der Prostitution bzw. Zuhälterei, Verletzung von Privatgeheimnissen, Nötigung, Urkundenfälschung, Bestechungsdelikte und Verstöße im Rahmen des Urheberrechts genannt. 776 RGSt (3. Strafsenat, 15.1.1917) 50, 218. 771 RGSt (4. Strafsenat, 20.11.1923) 58,13. 773
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D. Teleologische Auslegung
263
nicht zuletzt, das Führen eines bigamischen Ehelebens778 • Freilich werden diese theoretisch denkbaren Begünstigungsflille in der Praxis kaum relevant. Dies dürfte unter anderem auch daran liegen, daß bei einigen dieser Beispiele sich die Vortaten als Dauerstraftaten darstellen und die Vorteilssicherung daher einer den Begünstigungstatbestand verdrängenden Teilnahme an dieser Vortat gleichkommt. Ob allerdings tatsächlich ein Strafbedürfnis fur solche Fälle einer Vorteilssicherung besteht, mag zwar zweifelhaft sein, bleibt letztlich jedoch ohne Bedeutung, weil sich der Gesetzgeber zumindest in seiner Gesetzesbegründung eindeutig fur eine Bestrafung dieser Fälle ausgesprochen hae79 • Diesen Willen überspielt jedoch nicht nur die Vermögenstheorie, sondern auch die von Samson befurwortete Beschränkung auf den Schutz jeglicher Individualinteressen des von der Vortat betroffenen Opfers780 • Denn hiernach würde die Sicherung solcher Vorteile nicht strafbar sein, die aus einer gegen die Allgemeinheit gerichteten Vortat stammen, da es in diesen Fällen an verletzten Individualinteressen fehlesl. Daß die Begünstigung sich nicht auch an solche Vortaten soll anschließen können, ist jedoch der gesetzlichen Formulierung nicht zu entnehmen. Gewichtiger ist ein Einwand, der sowohl gegen die weiter gefaßte Ansicht von Samson als auch gegen die Vermögenstheorie zu erheben ist und der auch schon gegen die oben aufgefuhrten Rechtsgut-Theorien vorzubringen war. Denn gerade bei dieser auf den Individualschutz des durch die Vortat Verletzten beschränkten Sicht bleibt die Tatsache unberücksichtigt, daß die Begünstigung ihrem Wesen nach ein Anschlußdelikt ist. Unerklärlich bleibt danach, warum lediglich die Restitutionsvereitelung hinsichtlich ausschließlich aus einer Straftat herrührender Vorteile bestraft wird, da sich die Individualinteressen desjenigen, dem ein Vermögens- oder sonstiges Gut rechtswidrig vorenthalten wird, nicht danach unterscheiden, worauf diese Rechtswidrigkeit beruht 782 . Will man diesem Anschlußcharakter gerecht werden, so kann der Begünstigungsunwert nicht allein in der Verletzung des die Restitution anstrebenden Vortatopfers bestehen. Diese defizitäre Ausschöpfung des Deliktscharakters spiegelt sich folgerichtig auch in den von den einzelnen Exponenten dieser Ansicht vertretenen Theorien zum Hilfeleistungsbegriff wider. Denn 778 Die letzten instruktiven Beispiele finden sich sämtlich bei Köhler, GS 61 (1902), 44 (77). Hiergegen wendet sich vehement, aber ohne Begründung, Binding, BT 2.2, § 245.1, S. 664 f. (insbesondere S. 665, Fn. I). 779 BT-Drs. 7/550, S.248; vgl. bereits die Diskussion der Großen Strafrechtskommission, Niederschriften, Band 6, 61. Sitzung, S. 106 ff., mit der Beschlußfassung gegen die Vermögenstheorie aufS. 109. 780 In: SK, § 257 Rn.5. 78\ So auch Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 63 f. 782 Ebenso Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 59 f. und 64; Miehe, FS Honig, S. 91 (97 bis 99); Schröder, MDR 1952, 68 (70); Zipf, JuS 1980, 24 (26).
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
danach genügt als tatbestandliche Handlung entweder eine vollendete oder auch nur - mehr oder weniger tauglich - versuchte Vorteilssicherung 783 . Damit wird aber der Bedeutungsgehalt des zentralen Tatbestandsmerkmals der Begünstigung ebenfalls nicht ausgeschöpft. Dessen Bedeutung wäre im übrigen auch dann noch zu berücksichtigen, wenn der Gesetzgeber den Hilfeleistungsbegriff fallengelassen und statt dessen die Herbeiführung einer vollendeten Vorteilssicherung vorausgesetzt hätte. Denn wie bei der Strafvereitelung und Hehlerei gesehen, bleibt auch dann noch der Hilfeleistungscharakter dieser Anschlußdelikte bestehen.
b) Begünstigung als Hilfsdelikt Daß allerdings die eben angemahnte Hervorhebung des Hilfscharakters der Begünstigung nicht dazu führen darf, die Begünstigung nunmehr als Teilnahme zum Vordelikt zu verstehen, hatten wir schon mehrfach festgestellt. Aus diesem Grund bedarf es auch keines gesonderten Eingehens auf die Begründungsansätze der noch teilweise bis Anfang dieses Jahrhunderts vertretenen sogenannten Teilnahmetheorien784 • Gleichwohl wird abseits jeglichen Teilnahmegedankens nach wie auf die "gewisse akzessorische Natur" der Begünstigung zur Klärung der Rechtsgutfrage zurückgegriffen.
(J) Begünstigung als gegen das Vortatrechtsgut gerichtetes Delikt
Aus der Erkenntnis heraus, daß nicht in jedem Fall ein Inhaber eines Anspruchs auf Restitution existiert und daß der Schutz eines solchen Anspruchs nicht den Charakter der Begünstigung als Anschlußdelikt zu erklären vermag, hat sich bis heute die Auffassung erhalten, daß mit der Vorteilssicherung zwar nicht an der Rechtsgutsverletzung des Vortäters teilgenommen, wohl aber das jeweilige Vortatrechtsgut erneut verletzt werde 785 ; verletzt nicht etwa dadurch, 783 So hängen von den in Fn. 769 erwähnten Autoren Bockelmann und Hartung der "Theorie vom echten Vorteilssicherungsversuch an" (s. o. Fn. 48), Welzel der "Theorie vom objektivierten Vorteilssicherungsversuch" (s. o. Fn. 32) und Binding, Geerds und Nagler der "objektiven Eignungstheorie" (s. o. Fn. 69). 784 Vgl. etwa nur v.Bar, Gesetz und Schuld II, S. 749 f.; v.Buri, Zur Lehre von der Teilnahme, S. 85 f. und 95; ders., in: Ueber Causalität, S. 150; Wächter, RömischTeutsches Strafrecht, § 91; Waldthausen, GA 29 (1881), 375 (378, 382). 785 In der älteren Literatur befürworten dies Reling, in: Vergl. Darst. VII, § 17.m.l b, S. 62 (wobei er allerdings keinen Unterschied zwischen dem durch die Vortat angegriffenen Rechtsgut und dem daraus entstehenden Restitutionsanspruch des Opfers sieht); Frank, § 257 Anm. I; LK4 , Lobe, § 257 Anm. 11. Das Reichsgericht hat demgegenüber zwar stets den Schutz der Rechtspflege hervorgehoben, aber immerhin in RGSt (3.
D. Teleologische Auslegung
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daß der Begünstiger beteiligt ist, sondern daß er sich mit Rat oder Tat dem Vortäter gewogen erweist. Nun ist allerdings zu fragen, ob es der eigenständigen Stellung eines Straftatbestandes des Besonderen Teils gerecht werden kann, daß es sich bei dem geschützten Rechtsgut nicht ebenfalls um ein eigenständiges handelt, sondern vielmehr um ein variables, akzessorisches 786 . Tatsächlich spiegelt sich dieser akzessorische Ansatz im Rahmen des Rechtsguts bei den meisten Vertretern dieser Auffassung in dem von ihnen jeweils vertretenen Verständnis des Hilfeleistungsbegriffs gerade nicht wider, wenn überwiegend allein auf die anzustrebende Vorteilssicherung abgestellt wird 787 • Lediglich Beling versucht durch die "Interessenförderungstheorie" 788, auch inhaltlich den Anschlußcharakter der Begünstigung, also das Anknüpfen an eine Vortat durch Hilfeleistung primär zugunsten des Vortäters, weniger zu Lasten eines Opfers hervorzuheben. Aber auch dann muß gegen die Auffassung, die lediglich oder zumindest auch das Vortatrechtsgut als von der Begünstigung geschützt ansieht, ein entscheidender Einwand erhoben werden. Denn selbst wenn man - zu Recht - den Hilfeleistungsbegriff in den Vordergrund stellen will, so liegt darin, daß dem Vortäter nicht etwa abstrakt bei der Vertiefung des berdts durch die Vortat angerichteten Schadens geholfen werden soll, sondern speziell bei der Vorteilssicherung, eine eigenständige, unter Umständen sich von der Vortat unterscheidende Angriffsrichtung 789 . So scheint die Vorteilssicherung lediglich bei einem Vermögensdelikt als Vortat ebenfalls das Vermögen zu verletzen. Anders sieht es jedoch aus, wenn etwa ein aus einer Urkundenfälschung erlangter Vorteil gesichert werden soll, da diese Sicherung jedenfalls nicht wie die Vortat gegen die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Beweisverkehrs gerichtet ise90 • Strafsenat, 2.2.1920) 54, 132 (135) die auf das Vortatrechtsgut abstellende Ansicht als möglich akzeptiert. Im Rahmen der Großen Strafrechtskommission hat sich - unwidersprochen - Schafheutle, Niederschriften, Band 6, 61. Sitzung, S. 108, zu dieser Meinung bekannt. In der neueren Literatur sehen Haft, BT, S. 167, und Hau/, BT I, H.I, S. 165, allein jenes Vortatrechtsgut als geschützt an, während Krey, BT 2 Rn.630 und Tröndle, Vor § 257 Rn.2 (möglicherweise auch Arzt - zu den Unklarheiten s. o. Fn. 764), dieses immerhin neben der Rechtspflege geschützt wissen wollen. 786 So der Einwand von Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 69 f., der daraus ohne weitere Begründung - Zweifel bezüglich der Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 103 Abs. 2 GG ableitet. 787 Haft, Krey, Lobe und Tröndle vertreten die "objektive Eignungstheorie" (s. o. Fn. 69) und Frank die "Theorie von der objektiven Lageverbesserung" (s. o. Fn. 201). 788 S. o. Fn. 207. 789 S. bereits oben, I. Abschnitt, A.II, S.17, den Hinweis im Rahmen der kriminologischen Untersuchung. 790 Auf die mögliche Unterschiedlichkeit der Rechtsgüter weist auch die Gesetzesbegründung zum E 1962 in BT-Drs. 4/650, S. 460, mit dem Beispiel einer durch Urkundenfälschung erschlichenen Approbation hin (zuvor schon Sturm, Niederschriften, Band 6, 61. Sitzung, S. 106); vgl. ferner Janson, Begünstigung und Hehlerei, S. 68 f.;
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Mithin zeigt sich an diesem Beispiel deutlich, daß die Rechtsgutsverletzung durch die Vortat nicht nur gegenüber der Vorteilssicherung eigenständig, sondern oftmals schon endgültig abgeschlossen ist, so daß das Vortatrechtsgut auch durch ein unmittelbares Sich-Anschließen an die Vortat nicht erneut verletzt werden kann. Im Ergebnis bezahlt diese Rechtsgut-Theorie ihren Vorzug, eine Brücke zur Rechtsgutsverletzung durch den Vortäter zu schlagen, mit dem Preis einer zu pauschalen Betrachtung. Eine Vorteilssicherungshilfe hat durchaus eine von der Vortat divergierende Angriffsrichtung.
(2) Begünstigung als Verstärkung der generalpräventiven Wirkung von Straftatbeständen
Es finden sich daher in der Literatur sehr viel weitergreifende Ansätze, denen allesamt gemeinsam ist, daß sie auf die Bestimmung eines konkreten, gleichsam "simplen" Rechtsguts verzichten. So will Amelung den Schutz des durch die Vortat verletzten Rechtsguts dadurch ergänzt wissen, daß zugleich auch die Geltung der entsprechenden Norm inklusive aller dadurch geschützten Rechtsgüter geschützt werde 791. Miehe bestreitet hingegen einen unmittelbaren Schutz des Vortatrechtsguts und hebt statt dessen auf den durch die nachträgliche Vorteilssicherung durch einen Begünstiger erhöhten Anreiz für den Vortäter, seine Tat zu begehen, ab; die Unterstrafestellung der Begünstigung verstärke also die generalpräventive Wirkung der für die jeweilige Vortat angedrohten Strafe und schütze über diesen Weg das Vortatrechtsgut wenigstens mittelbar792 . Janson schließlich, der für ein eigenständiges Delikt des Besonderen Teils auch einen unmittelbaren Rechtsgüterschutz verlangt, greift denselben Gedanken auf, formuliert aber ein sich daraus ableitendes spezielles Rechtsgut, das sich aus dem Interesse der Allgemeinheit an einem effektiven Strafrechts. 793 sc hutz speIse . Durch diese Formulierung eines amorphen Allgemeinrechtsguts ist gegenüber dem zugrundeliegenden Gedanken der Verstärkung der generalpräventiven Wirkung von Strafandrohung freilich nur wenig gewonnen. Und dennoch schließt sich dadurch gleichsam ein Kreis innerhalb der hier zu besprechenden Rechtsgut-Theorien. Denn eingestiegen waren wir mit der vornehmlich von der Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.2; Schräder, FS Rosenfeld, S. 161 (164); ders., in: MDR 1952, 68 (69); SK, Sarnson, § 257 Rn.2; Theissen, Begünstigungshandlung, S. 113 f., hin. 791 In: JR 1978, 227 (231). 792 In: FS Honig, S. 91 (103 bis 105). Dem schließen sich Maurach/Schroeder/Maiwald, BT2, §101.I.2, S. 404, an. 793 In: Begünstigung und Hehlerei, S. 94 ff.
D. Teleologische Auslegung
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Rechtsprechung verwendeten Fonnel des Schutzes der Rechtspflege, deren Konturenlosigkeit sie immun macht sowohl gegen durchschlagende Kritik wie auch gegen eine aus ihr abzuleitende Einsicht in den wahren Unrechtsgehalt der Begünstigung. Mit der Behauptung, daß sich die Begünstigungshandlung gegen das Interesse der Allgemeinheit an einem effektiven Strafrechtsschutz richte, liegt man jedoch nicht sehr weit entfernt von der den Schutz der Rechtspflege befürwortenden Ansicht. Entscheidend ist daher in der Tat die Herausarbeitung der Ursache dafür, warum die Allgemeinheit bzw. die Rechtspflege ein Interesse an der Verhinderung der Vorteilssicherung speziell zugunsten eines Straftäters hat. Jene Ursache in der Unterbindung einer Anreizschaffung für den Vortäter zur Begehung seiner Tat zu sehen, ist bislang von anderen Stimmen in der Literatur nicht angegriffen worden. Die insoweit vorgebrachten Bedenken beschränken sich allein auf die Frage, ob es für einen eigenständigen Straftatbestand genügen kann, lediglich einen plausiblen Strafzweck zu verfolgen, ohne jedoch unmittelbar ein oder mehrere bestimmte Rechtsgüter bzw. statt dessen lediglich ein sehr vages Allgemeinrechtsgut zu schützen 794. Wie vage letztlich die so hergestellte Verbindung zwischen Begünstigung und Vortat und der daraus abzuleitenden Anschlußcharakter der Begünstigung ist, zeigt sich nicht zuletzt auch daran, daß Miehe eine Entscheidung für eine der Hilfeleistungstheorien im Rahmen der Rechtsgutsbetrachtung für unerheblich hält 795 , die übrigen Vertreter hingegen der nicht minder vagen "objektiven Eignungstheorie" anhängen 796 , die allerdings den Grundgedanken von der Verstärkung der generalpräventiven Wirkung kaum zu stützen vennag.
2. Der Hilfeleistungsbegriffbei der Begünstigung im Einklang mit dem zugrundeliegenden Rechtsgüterschutz
Aus der Erörterung der in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Rechtsgut-Theorien lassen sich zwei wesentliche Lehren ziehen. Erstens: Die Tatsache, daß sich die Begünstigung an eine Straftat eines anderen anschließt, muß sich sowohl in der Rechtsgutsbetrachtung als auch in der Tatbestandsauslegung widerspiegeln. Zumindest für das Strafbedürfnis hinsichtlich einer solchen Anschlußtat stellt der Hinweis auf die Verstärkung der generalpräventiven Wirkung eine zutreffende Erklärung dar. Zweitens: Die Tatsache, daß die Begünstigung speziell in einer Hilfe zur Vorteilssicherung besteht, findet keine 794 So hält Geerds, GA 1988, 243 (262), diesen Begründungsansatz für zu allgemein. Sch/Schr25 , Stree, § 257 Rn.2, und Theissen, Begünstigungshandlung, S. 120, weisen auf die Eigenständigkeit der Begünstigung hin. 795 In: FS Honig, S. 91 (108). 796 Dies gilt für Janson und Maurach/Schroeder/Maiwald (s. o. Fn. 69).
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2. Abschnitt: Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Hilfeleistung
Entsprechung in einem dadurch jeweils verletzten Restitutionsanspruch eines Einzelnen oder der Allgemeinheit. Der Schutz eines solchen Anspruchs scheitert schon daran, daß nicht nur in manchen Fällen kein Anspruch auf Restitution besteht, sondern der Vorteil allenfalls dem Vortäter entzogen, nicht jedoch zugunsten eines anderen restituiert werden kann; ein Beispiel hierfür ist etwa der durch Urkundenfälschung erschlichene Adelstitel. Der einer Norm zugrundeliegende Rechtsgüterschutz kann sich nicht auf ein Interesse beziehen, das zwar in den meisten Fällen verletzt ist, nicht jedoch in allen. Würde etwa eine kriminologische Untersuchung ergeben, daß eine Urkundenfälschung in 99 Prozent der Fälle eine Vermögensschädigung nach sich zöge, so wäre gleichwohl geschütztes Rechtsgut allein der Beweisverkehr, nicht das Vermögen. Festzuhalten bleibt daher, daß man bislang lediglich imstande ist, ein Strafbedürfnis für die Begünstigung festzustellen, indes nicht, ein konkretes Rechtsgut anzugeben. Man kommt daher nicht umhin, den Tatbestand der Begünstigung als vom Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit bedroht zu sehen. Kann es denn wirklich strafbar sein, sich lediglich zugunsten einer anderen wenn auch straffälligen - Person zu verwenden, ohne damit zugleich zwingend ein schützenswertes Rechtsgut zu verletzen 797 ? Bei der Strafvereitelung und mittlerweile auch bei der Hehlerei tritt dieses Problem durch die Konkretisierung der Nachtathilfe auf die Verletzung eines ganz bestimmten Rechtsguts, der Strafrechtsptlege einerseits und des Vermögens andererseits, nicht so hervor. Gleichwohl hatten wir gesehen, daß der Unwertgehalt dieser Straftatbestände nach wie vor durch die Hilfeleistung zugunsten eines Vortäters mitgeprägt wird. Selbst wenn also der Gesetzgeber durch eine Beschränkung auf Vermögensvorteile und -vortaten die Begünstigung zu einem Vermögensdelikt umgestaltet hätte, würde sich darin allein das Begünstigungsunrecht nicht erschöpfen. Entscheidend bleibt der Hilfeleistungs- bzw. Anschlußcharakter des § 257 StGB. Die Bestimmung des Rechtsguts bliebe daher trotz einer solchen Gesetzesänderung problematisch. Diejenigen in der Literatur vertretenen Theorien, die als tatbestandsmäßig lediglich ein auf die Vorteilssicherung ausgerichtetes Verhalten ansehen, kommen ohne die Erklärung, daß dadurch die generalpräventive Wirkung der Strafandrohung für die Vortat unterwandert wird, nicht aus: Nur so kann der aufgrund des Anschlußcharakters der Begünstigung notwendige 797 Diesen Einwand erhob bereits Beling, in: Vergl. Darst. VII, § 60.A.2, S.203: "Soweit durch solche Vorteilssicherung niemand geschädigt wird, liegt keine Veranlassung dazu vor, zu strafen .... Damit verliert die ,sachliche Begünstigung' ihre Berechtigung." Selbst Miehe, FS Honig, S.91 (105), weist auf die Problematik des von ihm vertretenen mittelbaren Rechtsgüterschutzes hin ("nicht unbedenklich"); resignierend stellt jedoch Haft, BT, S. 167, fest, daß jede Bestimmung eines selbständigen Rechtsguts des § 257 StGB eine Abstraktion mit sich brächte, "die zu einer nahezu vollständigen Inhaltslosigkeit des Rechtsgutsbegriffs führen würde."
D. Teleologische Auslegung
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Bezug zur Vortat hergestellt werden. Zu schwierigen Abgrenzungsfragen führt diese Ansicht jedoch, wenn zwar Vorteile aus der Tat gesichert oder zumindest (in tauglicher Weise) zu sichern versucht werden, gleichwohl dadurch kein Bezug mehr zur Vortat besteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich bei den zu sichernden Vorteilen nur noch um entfernte Surrogate der einst gewonnen Erträge aus der Vortat handelt. Die Abgrenzung von unmittelbaren und mittelbaren Vorteilen erscheint allein unter dem Aspekt der versuchten Vorteilssicherung kaum nachvollziehbar798 . Nicht zuletzt aus diesem Grund erweist sich daher auch hier wiederum die "Interessenförderungstheorie" als vorzugswürdig. Sie stellt bereits tatbestandIich das Wesen der Begünstigung als Anschluß an die Vortat dar, als ein Delikt also, das dem Nachhall der vom Vortäter begangenen Straftat neue Schwingungen verleiht, zwar nicht im Sinne einer Verstärkung, wohl aber der Hinzufügung eines neuen Tones. Dem Vortäter soll keine Vorteilssicherungshilfe zuteil werden, d.h. seine auf die Vorteilssicherung gerichteten Interessen sollen nicht gefördert werden. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint auch die herkömmliche Unterscheidung von unmittelbaren und mittelbaren Vorteilen in einem neuen Licht. Da es sich um die Vorteilssicherungsinteressen eines Straftäters handelt, muß sich der Umfang der vom Begünstiger sicherbaren Vorteile aus dem Zusammenhang eben dieser Straftat ergeben. So hat der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung die aus einem Betrug erlangten Vorteile gerade nicht auf die Sicherung der konkret erlangten Vermögensgegenstände beschränkt, sondern in Entsprechung zur gegen das Vermögen im ganzen gerichteten Vortat auf die Sicherung des ergaunerten wirtschaftlichen Wertes 799 . Im Ergebnis wird daher die "Interessenförderungstheorie" dem Wesen der Begünstigung wohl am ehesten gerecht; ein zugrundeliegendes, konkret geschütztes Rechtsgut läßt sich jedoch ebensowenig wie bei allen anderen Theorien zum Hilfeleistungsbegriff finden. Am plausibelsten ist daher in der Tat die Verwendung der recht unscharfen Formel vom Schutz der Rechtspflege, allerdings nicht primär in ihrem Anspruch auf Restitution, sondern in ihrem Anspruch darauf, daß die generalpräventive Wirkung ihrer Strafandrohungen nicht unterwandert wird. Ob man allerdings mit dem Schutz dieses zweifellos vorhandenen Anspruchs den Anforderungen eines konkreten Rechtsgüterschutzes gerecht wird, muß eingehenden Untersuchungen über den Rechtsgüterschutz überlassen bleiben.
S. zu diesem Problem die ausflihrlichen Hinweise oben in Fn. 404. S. BGHSt (I. Strafsenat, 24.10.1989) 36, 277 (= NJW 1990,918 = NStZ 1990, 123) mit zustimmender Anmerkung von Keller, JR 1990,480. 798
799
Fünftes Zwischenergebnis und Schluß Fassen wir die unter teleologischen Gesichtspunkten gefundenen Ergebnisse zusammen, so stellt sich, mit einem Wort, die sogenannte "Interessenförderungstheorie" als gegenüber allen anderen zum Hilfeleistungsbegriff vertretenen Auffassungen vorzugswürdig dar: Sie vermag der eigentümlichen Zwitterstellung der Hilfe Ausdruck zu verleihen, indem sie einerseits die Unselbständigkeit ("gewisse Akzessorietät") durch die Unterwerfung unter fremde Interessen, andererseits den dennoch eigenständigen Unwert durch das Eingehen eines bestimmten Zweckbündnisses herausstellt, da nur bestimmte, verwerfliche Interessen eines anderen gefördert werden 8°O. Damit sind zugleich die Gemeinsamkeiten, andererseits aber auch die Unterschiede sämtlicher vorstehend untersuchten "Hilfeleistungsdelikte i.w.S." hervorgehoben. So erhellen sich auch diejenigen Fälle, in denen unter zeitlichem Gesichtspunkt neben der Begünstigung auch eine Beihilfe zur Vortat in Betracht kommt. Denn legt man auch beim Hilfeleistungsbegriff bei der Beihilfe die "Interessenförderungstheorie" zugrunde, so lassen sich sowohl die Überschneidungen dieser beiden Tatbestände - das Hilfeleisten - als auch die Unterschiede - Förderung der Tatbegehungsinteressen im Gegensatz zur Förderung der Vorteilssicherungsinteressen des anderen - sehr gut verdeutlichen. Daher können die Tatbestände der §§ 27 und 257 StGB unter Umständen dann gleichzeitig erfilllt sein, wenn die jeweils zu fördernden Interessen des anderen identisch sind80I • Aber auch im Hinblick auf die Bestimmung des Vollendungszeitpunkts leistet die "Interessenförderungstheorie" Entscheidendes. Danach spielt es ftlr die Begünstigung keine Rolle, in welchem Stadium sich die Tat im Hinblick auf die Vorteilssicherung befindet. Für die Vollendung ist allein der Zeitpunkt ausschlaggebend, in dem die Vorteilssicherungsinteressen des Vortäters bereits gefördert sind, mag das Erreichen der angestrebten Sicherung der Vorteile auch noch so weit entfernt sein. Dadurch verlagert sich die von der "objektiven Eignungstheorie" zu stellende Frage nach der Tauglichkeit der Handlung zur Vorteils sicherung auf die objektive Perspektive des Vortäters: Hilfe ist demnach das, was diesem rur die Vorteilssicherung nützlich erscheinen muß 802 • 800 S. dazu oben die Erläuterung des § 257 Abs. 4 StGB, 2. Abschnitt, D.I.la.(I)(b), S.213 ff. Bei der unterlassenen Hilfeleistung sind es hingegen Interessen, die die Rechtsgemeinschaft unterstützt wissen will. 801 S.o., 2. Abschnitt, D.1.1a.(2) und (3), S.217 ff. 802 Zum Ganzen s.o., 2. Abschnitt, D.I.l b, S.225 ff.
Fünftes Zwischenergebnis und Schluß
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Hilfreich ist die "Interessenförderungstheorie" auch im Hinblick auf die Erklärung einiger, auch von der herrschenden Meinung so vertretenen Besonderheiten des Begünstigungstatbestandes. Dies gilt etwa für die Tatsache, daß der Täter zwar keine konkreten Vorstellungen bezüglich der Vortat haben muß, wohl aber eine diesbezügliche Fehlvorstellung für den Strafrahmen beachtlich sein kann 803 • Weiterhin läßt sich durch die Definition der Hilfeleistung als Förderung der Vorteilssicherungsinteressen die zwingende Tatbestandslosigkeit der reinen Selbsthilfe ebenso erklären wie die Stratlosigkeit der Begünstigung durch einen anderen Vortatbeteiligten als mitbestrafte Nachtat804 . Dagegen läßt sich entgegen manchen Strömungen in der Lehre durch die "Interessenförderungstheorie" nachweisen, daß ein weiter Bereich "klassischer Teilnahmehandlungen" bereits tatbestandIich erfaßt ist, weil es dem Gesetzgeber insoweit genügt, daß dem Vortäter in einer bestimmten Weise geholfen wurde 80s • Schließlich erweist sich die hier favorisierte Theorie auch nach einer Untersuchung des der Begünstigung zugrundeliegenden Rechtsguts als vorzugswürdig. Durch die Verlagerung des Gewichts auf den Hilfeleistungsbegriff gelingt es ihr, den Hilfscharakter der Begünstigung näher zu definieren und somit dem Strafzweck, nämlich der Verstärkung der generalpräventi.ven Wirkung anderer Straftatbestände, gerecht zu werden. Dagegen korrespondiert die Weigerung, den Tatbestand allein auf die anzustrebende Vorteilssicherung auszurichten, mit der Tatsache, daß allein in dieser Vorteilssicherung keine prinzipielle Rechtsgutsverletzung gefunden werden kann; denn eine Vorteilssicherung kommt auch dann in Betracht, wenn auf der Gegenseite weder eine Person noch eine Institution einen Anspruch auf Restitution dieser Vorteile hat806 • Die im 2. Abschnitt unternommene Auslegung des Hilfeleistungsbegriffs bei der Begünstigung zusammenfassend, muß daher festgestellt werden, daß die Renaissance des Hilfeleistungsbegriffs im Rahmen der Begünstigung der Genese dieses Deliktes entspricht, die Defmition der Hilfe als Interessenförderung gemäß dem natürlichen Sprachgebrauch dieses Begriffs gut vertretbar ist, die Übertragung dieses Verständnisses sowohl auf die ebenfalls den Hilfeleistungsbegriff enthaltenden Straftatbestände als auch auf die weiteren Anschlußdelikte der §§ 258 f. StGB einschränkungslos durchführbar ist und schließlich das Verständnis der inneren Struktur der Begünstigung als auch des zugrundeliegenden Rechtsguts entscheidend voranbringt. Doch zurück zu Tamino, den wir für die kurze Dauer dieser Überlegungen noch dem Schlangenungeheuer überlassen mußten. War sein Hilferuf so leicht dahergesagt, so können wir ihn nun beruhigen. Er muß keineswegs damit rechnen, von den S.o., 2. Abschnitt, D.1.2, S.231 ff. S.o., 2. Abschnitt, D.I.3a, S.237 ff. 805 S.o., 2. Abschnitt, D.I.3b, S.246 ff. 806 Zum Ganzen s.o., 2. Abschnitt, D.II, S.253 ff. 803
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spitzfmdigen Damen - man denke nur an die etwas kleinliche Reaktion gegenüber dem späterhin sich flilschlich rühmenden Papageno - lediglich einen Wurfspieß zugeworfen zu bekommen, um sich letztlich vergeblich, da zu schwach, seiner Haut zu erwehren. Dieses der "objektiven Eignungstheorie" durchaus entsprechende Ergebnis braucht er nicht zu befilrchten. Da Hilfe die Förderung fremder Interessen bedeutet, kann sich jene in einer Situation, in der es aus der Sicht des Hilfsbedürftigen nur noch eine einzige Rettungsmöglichkeit gibt, nicht anders darstellen als in eben der Wahrnehmung dieser einen Möglichkeit. Tamino beseitigt schließlich selbst jeden Zweifel, wenn er dahinsinkend noch ein "Ach rettet mich! Ach schützet mich!" hervorbringt. Solange daher die Damen zur Tötung des Tieres in der Lage sind, müssen sie denn zur Schlachtung schreiten, um mit Schiller sagen zu können: ... dem Mann kann geholfen werden. (Räuber Moor, in: Die Räuber, 5,2)
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