175 25 2MB
German Pages 188 Year 2017
Thomas Ostertag Der gezähmte Diktator
Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft
| Herausgegeben von Prof. Dr. Thomas Apolte Prof. Dr. Martin Leschke Prof. Dr. Albrecht F. Michler Prof. Dr. Christian Müller Prof. Dr. Rahel Schomaker und Prof. Dr. Dirk Wentzel
Band 103
Thomas Ostertag
Der gezähmte Diktator | Die Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf das Repressionslevel in Autokratien
Dissertation, Westfälische Wilhelms-Universität in Münster (D 6), 2016
ISBN 978-3-11-051853-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-052118-4 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-051864-1 ISSN 1432-9220
Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: PTP-Berlin, Protago-TEX-Production GmbH, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Danksagung Das Schreiben einer Dissertation ist eine Zeit großer Anstrengungen und Entbehrungen. Ohne eine fachliche wie auch persönliche Unterstützung ist ein solches Unterfangen nur schwer zu bewältigen. Meine Danksagung gilt deshalb allen Personen, die mich auf dem Weg zu meiner Promotion begleitet und unterstützt haben. Prof. Dr. Thomas Apolte stellte für mich einen jederzeit erreichbareren Ansprechpartner dar, der durch seine wissenschaftliche und methodische Unterstützung einen erheblichen Anteil am Gelingen meiner Promotion hält. Einen dazu vergleichbar großen Anteil am Gelingen meiner Promotion tragen meine Kolleginnen Helena Helfer, Lena Gerling sowie Kim Leonie Kellermann, die mir stets bei fachlichen Fragestellungen weiterhelfen konnten. Neben der fachlichen Unterstützung meines Lehrstuhl-Teams möchte ich mich zudem bei meiner Familie bedanken. Der größte Dank gilt hier meiner Frau Felicia, die mir auch in der herausfordernden Endphase meiner Dissertation mit ihrer ausgestrahlten Ruhe und Zuversicht eine große Stütze war. Zudem möchte ich meinen Eltern sowie meinen Schwestern für ihre geleistete Unterstützung danken. Darüber hinaus möchte ich mich bei allen Freunden und Kollegen bedanken, die dafür ursächlich sind, dass ich immer mit Freude auf meine Promotionszeit zurückblicken werde. Im Einzelnen zu nennen sind: Telje Busse, Dr. Nele Franz, Jana Griese, Kerstin Heitmann, Dr. Oliver Jennissen, Clementine Kessler, Dr. Sabine Lachmann, Claudia Langenhorst, Dr. Britta Meersmann, Dr. Marie Möller, Michael Müller, Christian Sander, Dr. Fabian Schleithoff und Lisa Schlesewsky.
DOI 10.1515/9783110521184-001
Inhalt Danksagung | V Abbildungsverzeichnis | XI Tabellenverzeichnis | XIII Abkürzungsverzeichnis | XV 1
Einleitung | 1
Teil I: Eine Theorie der abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf politische Führer 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2
Die Politikwahl einer politischen Führung | 9 Die Selektoratstheorie | 10 Das politische System | 10 Die Loyalitätsnorm und die Loyalitätsfalle | 12 Das politische System und private Renten des politischen Führers | 14 Die Erklärung unterschiedlicher Wirtschaftskraft von Autokratien | 16
3 3.1 3.2 3.3
3.4
Der Einsatz von Repressionen als politisches Mittel | 19 Die Verletzung von Menschenrechten | 19 Die Ursachen für Repressionen | 21 Die institutionellen Rahmenbedingungen und der Einsatz von Repressionen | 23 Die Menschenrechtsverletzung in demokratischen Systemen | 24 Die Menschenrechtsverletzung in Autokratien mit kleiner Winning-Coalition und großem Selektorat | 25 Die Menschenrechtsverletzung in Autokratien mit sehr kleiner Winning-Coalition und kleinem Selektorat | 26 Ein Zwischenfazit zum Einsatz von Repressionen | 27
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.2 4.2.1
Die Verfolgung von Repressionen | 29 Die Veränderung in den sozialen Normen | 29 Der internationale Normenwandel nach dem Zweiten Weltkrieg | 29 Die Ratifikation internationaler Menschenrechtsabkommen | 33 Die Motivation hinter der Strafverfolgung | 36 Die rechtliche Pflicht zur Verfolgung | 36
3.3.1 3.3.2 3.3.3
VIII | Inhalt
4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2
5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4
Das Machtverhältnis zwischen neuer und alter Elite | 37 Die Aktivität transnationaler Netzwerke zur Einhaltung der Menschenrechte | 37 Der Wirkungsmechanismus der Strafverfolgung | 39 Der Abschreckungseffekt der juristischen Durchsetzung der Menschenrechte | 39 Die bisherigen Forschungsergebnisse zur Wirkung der Strafverfolgung | 42 Die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit eines repressiven Autokraten | 45 Die Intensität internationaler und nationaler juristischer Strafverfolgung | 47 Das institutionelle Design und das Schicksal eines Autokraten | 47 Die Möglichkeit des Exils | 48 Das Exil als sicherer Hafen | 49 Das Schicksal nach Regimetyp | 50 Ein theoretisches Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf Autokraten | 53 Ein Modell wechselseitiger Rechenschaftspflicht mit Abschreckung | 53 Die Gleichgewichte des Modells | 59 Die Entscheidungen der Spieler in der 2. Periode | 59 Die Entscheidungen der Spieler in der 1. Periode | 59 Die komparative Gleichgewichtsanalyse | 65 Die Realisationswahrscheinlichkeit der Gleichgewichte | 65 Der Einfluss der Parameterwerte auf die Politikwahl des nicht kongruenten Führers | 66 Die Erkenntnisse für die empirische Analyse | 70
Teil II: Menschenrechtsverfahren und die Repressionsentscheidung von Autokraten 7 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2
Die empirische Analyse | 75 Das Forschungsdesign | 75 Der Panel-Datensatz | 76 Die Identifikation der Länder mit autokratischen Regimen | 77 Die Indexierung der Menschenrechtspraxis der Regierung | 81
Inhalt
7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.2.7 7.2.8 7.2.9 7.2.10 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6 7.3.7 7.3.8 7.3.9 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 8 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.4 8.5 8.6
| IX
Die Bestimmung benachbarter kulturell ähnlicher Transformationsländer mit Menschenrechtsverfahren | 87 Die Identifikation inner- und zwischenstaatlicher gewalttätiger Konflikte | 90 Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) | 91 Die Einschränkung der politischen Macht des politischen Führers | 91 Die Wirtschafts- und Bevölkerungsdaten | 93 Die Anzahl der aktiven Menschenrechts-NGOs | 93 Die geografische Lage der Autokratien | 94 Die Anzahl der Jahre seit 1975 | 94 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 94 Die Länder mit autokratischer Vergangenheit | 94 Die Anzahl der Menschenrechtsverfahren und Wahrheitskommissionen in Transformationsländern | 95 Die Anzahl der Regime und Regimejahre | 97 Das durchschnittliche Repressionslevel | 99 Die Entwicklung des Repressionslevels nach Kontinenten und Regimeart | 102 Die inner- und zwischenstaatlichen gewalttätigen Konflikte | 106 Die Ratifikation des ICCPR und das Repressionslevel | 108 Die Einschränkung der politischen Macht des politischen Führers | 109 Die Tätigkeit von Menschenrechts-NGOs | 110 Die Schätzung des Abschreckungseffekts | 111 Die Schätzmodelle | 112 Die Ergebnisse | 115 Die Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse | 119 Die Diskussion der Ergebnisse | 127 Die abschreckende Wirkung von Menschenrechtsprozessen | 127 Die personalistischen Regime | 128 Die Einparteiendiktaturen | 129 Die Militärdiktaturen | 129 Die abschreckende Wirkung von Wahrheitskommissionen | 131 Der Einfluss der Datenqualität | 131 Die berichtete Menschenrechtspraxis | 131 Die Kodierung der Menschenrechtsverfahren | 134 Der Einfluss der kulturellen Ähnlichkeit | 134 Der Einfluss des Vorjahresrepressionslevels | 135 Die Wirkung gewalttätiger Konflikte | 135
X | Inhalt
8.7
8.8 8.9 8.10
Die Interaktion der Ratifikation internationaler Menschenrechtsabkommen und der Machteinschränkung des politischen Führers | 136 Der Einfluss der NGO-Tätigkeit | 137 Die sozioökonomischen Kontrollvariablen | 138 Das Fazit der Diskussion | 139
9
Schlussbetrachtung | 143
A
Anhang | 147
Literatur | 163
Abbildungsverzeichnis Abb. 1.1 Abb. 1.2 Abb. 2.1 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 5.1 Abb. 6.1 Abb. 7.1 Abb. 7.2 Abb. 7.3 Abb. 7.4 Abb. 7.5 Abb. 7.6 Abb. 7.7 Abb. 7.8 Abb. 7.9 Abb. 7.10 Abb. 7.11 Abb. 7.12 Abb. 7.13 Abb. 7.14 Abb. 7.15 Abb. 7.16
Länder mit mindestens einem Jahr autokratischem Regime zwischen 1976 und 2007 | 2 Durchschnittliches Repressionslevel von Autokratien und Demokratien zwischen 1976 und 2010 | 2 Anteile der relevanten Gruppen an der Gesamtbevölkerung | 11 Gerechtigkeitskaskade nach Sikkink (2011) | 31 Anzahl an Transformationsländern mit Menschenrechtsprozessen | 33 Schicksal eines Autokraten in Abhängigkeit von politischen und soziokulturellen Faktoren | 46 Spielbaum der ersten Periode | 56 Länder des Datensatzes mit mindestens einem Jahr autokratischem Regime zwischen 1976 und 2007 | 95 Anzahl der Menschenrechtsverfahren und Wahrheitskommissionen nach UN-Subregionen und kultureller Ähnlichkeit | 96 Anzahl der autokratischen Regime je Kontinent und Jahr | 97 Summe der Regimejahre je Kontinent | 98 Anteil der Regimetypjahre je Kontinent | 99 Durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Kontinenten | 100 Durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Regimetypen | 101 Verteilung der Repressionslevel der Regimetypen getrennt nach Kontinenten | 101 Anzahl der personalistischen Regime, Anzahl dieser Regime mit ICCPR-Ratifikation und durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Kontinenten | 103 Anzahl der Einparteiendiktaturen, Anzahl dieser Regime mit ICCPR-Ratifikation und durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Kontinenten | 104 Anzahl der Militärdiktaturen, Anzahl dieser Regime mit ICCPR-Ratifikation und durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Kontinenten | 106 Anzahl der inner- und zwischenstaatlichen gewalttätigen Konflikte | 107 Anzahl der gewalttätigen inner- und zwischenstaatlichen Konflikte getrennt nach Kontinenten | 107 Anteil der Länderjahre mit ICCPR-Ratifikation, in Abhängigkeit von dem Repressionslevel und der Machteinschränkung des politischen Führers | 109 Einschränkung der politischen Macht des Führers getrennt nach Regimetypen | 110 Verteilung der Anzahl der in Autokratien tätigen NGOs getrennt nach Kontinenten | 111
Tabellenverzeichnis Tab. 5.1 Tab. 6.1 Tab. 6.2 Tab. 7.1 Tab. 7.2 Tab. 7.3 Tab. 7.4 Tab. 7.5 Tab. 7.6 Tab. A.1 Tab. A.2 Tab. A.3 Tab. A.4 Tab. A.5 Tab. A.6 Tab. A.7
Schicksal eines Autokraten abhängig vom Regimetyp | 51 Übersicht über die Variablen des Modells | 57 Ergebnis der komparativen Gleichgewichtsanalyse | 69 Zusammenfassende Statistik der Variablen des Datensatzes | 113 Einfluss von Menschenrechtsverfahren auf das Repressionslevel in Autokratien I | 117 Einfluss von Menschenrechtsverfahren auf das Repressionslevel in Autokratien II | 118 Überprüfung der Robustheit I: Schätzverfahren | 121 Überprüfung der Robustheit II: Indizes | 123 Überprüfung der Robustheit III: Regimeklassifikationen | 125 Variablen des Datensatzes | 148 Regime des Datensatzes | 150 Einfluss der Anzahl der Länder mit Menschenrechtsprozessen gegen Beamte mit niedrigem Rang und Zivilisten | 157 Einfluss der kulturellen Ähnlichkeit der Nachbarländer | 158 Bestimmung des Nickell-Bias | 159 Prais-Winsten-Schätzung mit Autokorrelation AR1 | 160 Korrelationstabelle | 161
Abkürzungsverzeichnis CGV CIRI GWF ICC ICCPR ICTR ICTY LDV NGO PCSE POLS PTS PRIO
Democracy and Dictatorship Dataset von José Antonio Cheibub, Jennifer Gandhi und James R. Vreeland Human Rights Dataset von David Cingranelli und David Richards Autocratic Regime Dataset von Barbara Geddes, Joseph Wright und Erica Frantz International Criminal Court – Internationaler Strafgerichtshof International Covenant on Civil and Political Rights – Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte International Criminal Tribunal for Rwanda – Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia – Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien lagged dependend variable – zeitverzögerte abhängige Variable non-governmental organization – Nichtregierungsorganisation panel-corrected standard errors – Panel-korrigierte Standardfehler pooled ordinary least squares – Methode der kleinsten Quadrate Political Terror Scale von Reed Wood und Mark Gibney UCDP/PRIO Armed Conflict Dataset von Kristian Gleditsch und Michael Ward
DOI 10.1515/9783110521184-002
1 Einleitung „Woran dachte denn dieser Repräsentant des Volkes, jenes Volkes, das gesiegt und ihn als einen der Ihren zur Macht hatte aufsteigen lassen, woran dachte er, wenn er so redete, hier ein Maschinengewehr, dort ein Maschinengewehr? Glaubte er nicht an ihren Sieg? Hatte er Angst? Wovor, vor wem hatte er Angst?“ Ladislav Mňačko (1967), Wie die Macht schmeckt
Seit der Zeit der frühen Hochkulturen in Asien und Nordafrika lebte der Großteil der Menschen unter einer Form von Autokratie. Tullock (1987) definiert einen Autokraten als ein Individuum, welches den De-facto-Entscheidungsträger in einem politischen System darstellt. Ein Autokrat ist nicht notwendigerweise in seinem Handeln uneingeschränkt, sondern kann auf die Unterstützung bestimmter Anspruchsgruppen angewiesen sein (vgl. Kurrild-Klitgaard, 2000, S. 64). In diesem Fall ist er bei seiner Politikwahl rechenschaftspflichtig gegenüber einem Teil der Bevölkerung. Die moderne politische Demokratie ist ein Regierungssystem, in dem die politische Führung für ihre Politik rechenschaftspflichtig gegenüber den Staatsbürgern ist (vgl. Schmitter & Karl, 1991, S. 76). Ein grundlegender Unterschied zur Autokratie besteht darin, dass ein Regierungswechsel in Demokratien gewaltfrei durchgeführt werden kann (vgl. Popper, 1958). Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden in fast 60 Prozent der Länderjahre¹ Bevölkerungen von nicht demokratischen Regimen regiert. Im Jahr 2010 waren es noch 40 Prozent der Länder. Abbildung 1.1 bietet einen Überblick über Länder mit mindestens einem Jahr autokratischer Herrschaft zwischen 1976 und 2007. Sämtliche Länder Afrikas und fast alle Länder Mittel- und Südamerikas sowie Asiens wurden in diesem Zeitraum zumindest vorübergehend von einem autokratischen Regime regiert. Zu den Ländern, die während dieser Zeit ausschließlich von demokratischen Regierungen geführt wurden, zählen unter anderem die Länder Mittel- und Nordeuropas, Nordamerikas sowie Australien, Neuseeland, Indien und Japan. Vor dem Hintergrund des Schutzes der Menschenrechte wird eine Demokratie gegenüber einer Autokratie präferiert, da in ersterer weniger Repressionen, das heißt gewalttätige Handlungen von Repräsentanten des Staates gegen Bürger, beobachtet werden.² Der Vergleich der durchschnittlichen Repressionslevel von Autokratien und Demokratien zeigt, dass in den letzten Jahrzehnten im Durchschnitt in Autokratien durchweg eine deutlich schlechtere Menschenrechtspraxis vorherrschte als in Demokratien. Die Differenz der durchschnittlichen Repressionslevel in Autokratien und Demokratien ist seit dem Jahr 1990 annähernd konstant (siehe Abb. 1.2).
1 Die Anzahl der Länderjahre entspricht dem Produkt aus der Anzahl der beobachteten Länder × dem Beobachtungszeitraum in Jahren. 2 Vereinfachend wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass allein die politische Führung über den Einsatz von Repressionen entscheidet. DOI 10.1515/9783110521184-003
2 | 1 Einleitung
Land mit autokratischen Länderjahren Land ohne autokratische Länderjahre
Abb. 1.1: Länder mit mindestens einem Jahr autokratischem Regime zwischen 1976 und 2007. Datenquelle: Geddes et al. (2014).
Durchschnittliches Repressionslevel (PTS)
3,5
3
2,5
2 Durchschnittliches Repressionsniveau Demokratien Durchschnittliches Repressionslevel Autokratien
1,5
1 1980
1990
2000
2010
Jahr
Abb. 1.2: Durchschnittliches Repressionslevel von Autokratien und Demokratien zwischen 1976 und 2010. Datenquellen: Geddes et al. (2014); Gibney et al. (2015).
Mittlerweile ist der Schutz des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit der Bürger gegenüber dem Staat ein fester Bestandteil der Politik der Weltgemeinschaft. Mögliche Strategien für die Weltgemeinschaft zur Verhinderung oder Beendigung von Menschenrechtsverletzungen stellen humanitäre und Militärinterventionen, jegliche Formen von Wirtschaftssanktionen, Entwicklungshilfemaßnahmen und die Durchset-
1 Einleitung
|
3
zung internationalen Rechts über die juristische Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen dar (vgl. Hafner-Burton, 2014; Roberts, 1993). Seit dem Jahr 1990 werden humanitäre und militärische Interventionen bei schlimmsten inner- und zwischenstaatlichen Konflikten genutzt. Sie stellen den einzigen unmittelbar wirksamen Mechanismus dar, Menschenrechtsverletzungen zu beenden, indem der Bevölkerung Hilfe und Schutz zukommen und gegebenenfalls auch die Verantwortlichen militärisch bekämpft werden (vgl. Williams & Stewart, 2007). Eine Intervention erfolgt über das politische Konzept der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) und setzt einen Beschluss des UN-Sicherheitsrats voraus (vgl. Bellamy, 2008). Jedoch fehlt eine legale Basis im internationalen Recht für dieses Vorgehen, da sich Militärinterventionen gegen die Souveränität eines Staates, frei über seine Politik zu entscheiden, richten (vgl. Murphy, 1996; Seybolt, 2007; Williams & Scharf, 2000). Der Erfolg von UN-geführten humanitären Interventionen ist gering (vgl. Seybolt, 2007). Die Wirkung militärischer Interventionen fällt hinsichtlich des angestrebten Zieles der Verbesserung der Menschenrechtspraxis häufig kontraproduktiv aus. Anstatt zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage zu führen, ziehen diese Interventionen eine Verschlechterung der Menschenrechtspraxis in den Ländern nach sich (vgl. Peksen, 2012). Wirtschaftssanktionen sind das am häufigsten genutzte Instrument, um internationalen Druck auf repressive Staaten auszuüben. Ziel der Wirtschaftssanktionen ist es, den sanktionierten Ländern ökonomische Kosten aufzubürden, um einen Politikwechsel oder einen institutionellen Wandel einzuleiten (vgl. Escribà-Folch, 2012). Der Effekt von Wirtschaftssanktionen ist stärker in Regimen, die am internationalen Handel teilnehmen, als in Regimen, die sich vom Weltmarkt abschotten (vgl. Delacote, 2009). Da sich aber repressivere Autokratien eher vom Weltmarkt abschotten, sind die Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen in diesen Ländern gering (vgl. Eichengreen & Leblang, 2008). Der Erfolg von Wirtschaftssanktionen ist zudem vom Regimetyp abhängig. In personalistischen Regimen führen Wirtschaftssanktionen und Kürzungen bei der Entwicklungshilfe zu einer Schwächung der Macht der politischen Führung (vgl. Escribà-Folch & Wright, 2010). Das eigentliche Ziel der Verbesserung der Menschenrechtspraxis wird jedoch verfehlt. In personalistischen Regimen kommt es zu deutlichen, in Einparteiendiktaturen zu schwächeren Erhöhungen des Repressionslevels (vgl. Escribà-Folch, 2012). Vergleichbar zur Wirkung der humanitären und militärischen Interventionen sind die Erfolgsaussichten von Wirtschaftssanktionen hinsichtlich der Änderung der Menschenrechtspraxis gering und mitunter kontraproduktiv. Darüber hinaus können sie hohe Kosten bei den sanktionierenden Staaten verursachen (vgl. Von Soest & Wahman, 2014). Die Wirkung der geleisteten Entwicklungshilfe auf das Repressionslevel in repressiven Autokratien wurde bisher noch nicht anhand empirischer Studien überprüft. Der Hauptgrund hierfür liegt in der Abhängigkeit der Wirkung einer Entwicklungshilfeleistung – oder deren Kürzung – von den wirtschaftlichen und sozialen Faktoren, denen sich die autokratische Führung gegenübersieht (vgl. Poe, 2004, S. 29 f.).
4 | 1 Einleitung
Bisher wurden die für eine repressionssenkende Wirkung der Entwicklungshilfezahlungen notwendigen institutionellen Rahmenbedingungen lediglich anhand theoretischer Überlegungen bestimmt. Als wichtige Einflussgrößen wurden der Zeithorizont des Autokraten und die mit den Hilfeleistungen verknüpften Bedingungen identifiziert (vgl. Wintrobe, 1998; Wright, 2008). Das zugrundeliegende Problem des Einsatzes von humanitären oder militärischen Interventionen, Wirtschaftssanktionen sowie Entwicklungshilfeleistungen besteht darin, dass diese häufig einen zum beabsichtigten Zweck gegenteiligen Effekt zeigen. Sie können zu einer Verschlechterung der Menschenrechtspraxis führen, welche die Zivilbevölkerung und somit wiederum die Opfer der Menschenrechtsverletzungen trifft. In den letzten drei Jahrzehnten wurde deshalb große Hoffnung in die juristische Durchsetzung internationalen Rechts mit dem Ziel der individuellen juristischen Rechenschaftspflicht der politisch Verantwortlichen gesetzt. Seit den letzten Jahren des Kalten Krieges haben institutionelle Veränderungen, begleitet von Änderungen in den sozialen Normen, zu einer zunehmenden öffentlichen Aufmerksamkeit bezüglich der staatlichen Verletzungen von Menschenrechten geführt. Erste Anzeichen dieser Entwicklung waren die Einigungen auf internationale Menschenrechtskonventionen, wie den International Covenant on Civil and Political Rights – Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) im Jahr 1976 oder den „dritten Korb“ des Helsinki-Dokuments von 1992 (vgl. Thomas, 2001). Obwohl diese Abkommen einen unzureichenden Durchsetzungsmechanismus beinhalteten, wurde durch sie ein Umdenken beim Umgang mit Menschenrechtsverletzungen sowohl auf politischer Ebene als auch in der Bevölkerung ausgelöst. Opfern von Menschenrechtsverletzungen war es nun möglich, Gerechtigkeit auf Basis dieser Abkommen von ihren ratifizierenden Regierungen einzufordern (vgl. Heyns & Viljoen, 2001, S. 488). Im Rahmen der sich wandelnden sozialen Normen gingen Politiker dazu über, das Konzept der Menschenrechte als einen essenziellen Bestandteil ihrer Außenpolitik zu behandeln. Eine stetig wachsende Anzahl von zunächst nationalen und später auch internationalen Strafverfahren im Rahmen universeller Jurisdiktion und die simultane Entwicklung von internationalen Menschenrechtsabkommen mit verbesserten Durchsetzungsmechanismen als rechtliches Fundament waren die direkte Folge dieses Normenwandels (vgl. Escribà-Folch, 2013; Kim & Sikkink, 2010). Die repressionssenkende Wirkung von Menschenrechtsverfahren³ im In- und Ausland auf Länder, die einen Wechsel des politischen Systems von einer Autokratie hin zu einer Demokratie erfahren haben (Transformationsländer), ist mittlerweile gut belegt (vgl. Kim & Sikkink, 2010; Kim, 2012; Escribà-Folch & Wright, 2015). Der hinter diesem Abschreckungseffekt der Menschenrechtsverfahren identifizierte Wir-
3 Unter Menschenrechtsverfahren werden in dieser Arbeit sowohl Menschenrechtsprozesse, die eine rechtliche Aufarbeitung der Menschenrechtspraxis ermöglichen, verstanden als auch Wahrheitskommissionen, die der Aufarbeitung der Vergangenheit ohne rechtliche Konsequenzen dienen.
1 Einleitung
|
5
kungsmechanismus wird als positive Sichtweise der Wirkung der strafrechtlichen Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen bezeichnet. Nach diesem sinkt der Einsatz von Repressionen durch die politische Führung gegenüber der Bevölkerung mit zunehmender wahrgenommener Wahrscheinlichkeit, für diese Taten persönlich strafrechtlich verantwortlich zu sein. Die Frage, ob dieser repressionssenkende Effekt der Menschenrechtsverfahren auch für Autokratien besteht, in denen selbst keine Menschenrechtsverfahren stattfinden, wurde in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur bisher noch nicht beantwortet und stellt den zentralen Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit dar. Der Aufbau der Arbeit gestaltet sich wie folgt. Im ersten Teil der Arbeit wird eine Theorie der abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf Autokraten entwickelt. In Kapitel 2 wird hierfür die Selektoratstheorie nach Bueno de Mesquita et al. (2005b) erläutert und dabei werden die für die folgende theoretische Analyse grundlegenden Elemente dargelegt. Zudem werden die theoretischen Modelle der Selektoratstheorie zur Erklärung von wirtschaftlicher Performance in Autokratien von Besley & Kudamatsu (2008) und Gilli & Li (2013) kurz vorgestellt. Diese bilden die Basis für das in Kapitel 6 entwickelte theoretische Modell zum Abschreckungseffekt von Menschenrechtsverfahren in Autokratien. In Kapitel 3 werden mithilfe der Selektoratstheorie die institutionellen Rahmenbedingungen erläutert, die ausschlaggebend dafür sind, ob eine politische Führung Repressionen als politisches Instrument wählt. Gründe für eine Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen in Ländern werden in Kapitel 4 näher betrachtet. Dabei wird zunächst der Normenwandel seit dem Zweiten Weltkrieg beschrieben. Anschließend wird auf die Motivation hinter der Strafverfolgung eingegangen, die zum einen politisch bestimmt, andererseits auf rechtliche Verpflichtungen zurückzuführen ist. Darüber hinaus wird der abschreckende Effekt der Menschenrechtsverfolgung auf menschenrechtsverletzende politische Führungen erläutert. Dabei wird sowohl auf die optimistische als auch auf die pessimistische Sichtweise der Wirkung der Durchsetzung der Menschenrechte eingegangen. Kapitel 5 befasst sich mit den Einflussfaktoren, die auf die von einem Autokraten wahrgenommene Wahrscheinlichkeit seiner individuellen Rechenschaftspflicht für Menschenrechtsverletzungen wirken. Dabei steht die Intensität der nationalen und internationalen juristischen Strafverfolgung im Zentrum der Betrachtung, da diese die objektive Bestrafungswahrscheinlichkeit einer politischen Führung bestimmt. Für diese ist jedoch nicht die objektive, sondern die (niedrigere) subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit entscheidungsrelevant. Wie stark sich diese beiden Bestrafungswahrscheinlichkeiten unterscheiden, ist davon abhängig, ob für die politische Führung die Möglichkeit besteht, sich institutionell abzusichern und dadurch über einen Teil ihrer Macht auch noch nach ihrem Amtsverlust zu verfügen. Die abschreckende Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf Autokraten wird in Kapitel 6 anhand eines theoretischen Modells untersucht. Das verwendete Modell stellt das um die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit der politischen Führung erweiterte Modell von Gilli & Li (2013) dar. Diese Erweiterung ermöglicht die Anwendung des
6 | 1 Einleitung
Modells auf den Bereich der Menschenrechte. Neben der Rechenschaftspflicht der politischen Führung gegenüber ihren Unterstützern wird auch ihre Rechenschaftspflicht gegenüber der Nachfolgeregierung beziehungsweise gegenüber dem Ausland berücksichtigt. Diese ist für eine Analyse der Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf die Repressionsentscheidung von politischen Führungen essenziell. Mithilfe des Modells werden die institutionellen Rahmenbedingungen bestimmt, unter denen die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverstößen die Politikwahl von politischen Führungen in Autokratien beeinflussen. Im zweiten Teil der Arbeit wird der mithilfe des theoretischen Modells ermittelte Abschreckungseffekt der juristischen Durchsetzung internationalen Rechts auf Autokraten empirisch überprüft. In Kapitel 7 erfolgen nach der Beschreibung der Variablengenerierung zunächst eine deskriptive Analyse des Datensatzes und anschließend die Schätzung des Abschreckungseffekts in Autokratien. Der für die empirische Analyse erstellte Datensatz verknüpft Informationen zur Menschenrechtspraxis in Autokratien mit der Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern mit Menschenrechtsprozessen. Daneben beinhaltet er Informationen zu inner- und zwischenstaatlichen Konflikten, zur Ratifikation des ICCPR, zur Einschränkung der politischen Macht der politischen Führung sowie zu sozioökonomischen Einflussgrößen. Der Datensatz ermöglicht die empirische Analyse des Abschreckungseffekts von Menschenrechtsverfahren auf die Repressionsentscheidungen von Autokraten auf Regimetypebene, wobei zwischen personalistischen Regimen, Einparteiendiktaturen und Militärdiktaturen unterschieden wird. Die empirische Überprüfung des Abschreckungseffekts erfolgt anhand einer gepoolten OLS-Schätzung. Die Diskussion der Ergebnisse findet sich in Kapitel 8. Dabei werden die theoretischen und empirischen Ergebnisse zusammengeführt und vorhandene Limitationen aufgezeigt. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung der Ergebnisse in Kapitel 9.
| Teil I: Eine Theorie der abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf politische Führer
2 Die Politikwahl einer politischen Führung Acemoglu & Robinson (2001) setzen bei der Analyse der Wirkungsweise von politischen Institutionen ihren Fokus auf die Repräsentationsfunktion der Institutionen. Sie interpretieren die Autokratie als eine „Diktatur der Reichen“ und die Demokratie als eine „Diktatur der Armen“. Mit Hilfe dieses Ansatzes kann jedoch ein scheinbares Paradox auf institutioneller Ebene in politischen Systemen nicht gelöst werden. In Demokratien ist die politische Führung rechenschaftspflichtig gegenüber der Bevölkerung, da die regelmäßigen Wahlen den Bevölkerungsmitgliedern die Möglichkeit geben, leistungsschwache Regierungen kostengünstig auszuwechseln. In Autokratien besteht diese Möglichkeit für die Bevölkerung nicht. Trotz der Autonomie der politischen Führung in Autokratien liegt jedoch eine Beschränkung des ausbeuterischen Verhaltens gegenüber der Bevölkerung vor (vgl. Besley & Kudamatsu, 2008, S. 460). Bueno de Mesquita et al. (2005b) verfolgen bei der Analyse der Wirkungsweise politischer Institutionen einen zu Acemoglu & Robinson (2001) alternativen Ansatz, mit dessen Hilfe dieses scheinbare Paradox gelöst werden kann. Sie untersuchen auf Basis der politischen Institutionen die wechselseitige Rechenschaftspflicht zwischen einer politischen Führung und dem Teil der Bevölkerung, auf dessen Unterstützung diese angewiesen ist, um nicht gestürzt zu werden. Das Konzept der Rechenschaftspflicht beinhaltet, dass sich rechenschaftspflichtige Akteure gemäß akzeptierten Verhaltensstandards verhalten müssen und sanktioniert werden, wenn sie diese Standards verletzen (vgl. Grant & Keohane, 2005, S. 29 f.). Shirk (1993, S. 83) beschreibt die wechselseitige Rechenschaftspflicht politischer Akteure als einen Vorgang, bei dem die politische Führung eines Landes die ihr unterstellten Partei- und Regierungsvertreter ernennt, diese aber wiederum an der Wahl der politischen Führung beteiligt sind. Somit stellen die Unterstützer der politischen Führung auf der einen Seite deren Agenten dar, auf der anderen Seite ist die politische Führung auf die Unterstützung ihrer Agenten beim Machterhalt angewiesen. Die Gruppe der Unterstützer der politischen Führung wird in der Folge als Winning-Coalition bezeichnet und bildet den Teil der Bevölkerung, auf dessen Unterstützung die Macht der politischen Führung basiert. Im folgenden Kapitel wird die Selektoratstheorie eingeführt und zwei auf dieser Theorie basierende theoretische Modelle werden vorgestellt, welche den Ansatz zur wechselseitigen Rechenschaftspflicht als zentralen Mechanismus beinhalten. Diese dienen als Grundlage für das spieltheoretische Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf Autokraten in Kapitel 6.
DOI 10.1515/9783110521184-004
10 | 2 Die Politikwahl einer politischen Führung
2.1 Die Selektoratstheorie Bueno de Mesquita et al. (2005b) sind die Ersten, die ein Modell zur Rechenschaftspflicht der politischen Führung in einem nicht demokratischen politischen System entwickelt haben. Ihr Modell basiert auf der Annahme, dass das oberste Ziel einer politischen Führung – unabhängig vom politischen System – der eigene Machterhalt ist. Dieser gilt als gesichert, solange die Winning-Coalition die Unterstützung der politischen Führung aufrechterhält. Politische Entscheidungen der Führung können die Winning-Coalition zur Verweigerung ihrer Unterstützung veranlassen, was einen Staatsstreich zur Folge hat (vgl. Higley & Burton, 1989). Aus diesem Grund stehen bei Bueno de Mesquita et al. (2005b) die politischen Institutionen im Zentrum der Betrachtung, die bei einer Bedrohung der Macht durch einen politischen Rivalen die Wahl der Politik der politischen Führung beeinflussen. Dieser liefert die politische Macht der Entscheidungsgewalt über die Verteilung von Gütern. Die politische Führung kann entweder eine wachstumsfördernde und wohlstandssteigernde Politik wählen oder sie trifft eine politische Entscheidung, die ihrer Selbstbereicherung dient. Sie ist in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der politischen Institutionen rechenschaftspflichtig gegenüber einem Teil der Bevölkerung. Ist sie rechenschaftspflichtig, entscheidet ihre Wahl über die Verteilung der staatlichen Mittel mit über ihr Überleben im Amt. Folglich besitzen die politischen Institutionen eine Wirkung auf die Innen- und Außenpolitik eines Landes.
2.1.1 Das politische System Für die Analyse der Bedrohung der Macht der politischen Führung durch Staatsstreiche ist ein Verständnis über das Zusammenwirken der verschiedenen politischen Gruppen notwendig. Bueno de Mesquita et al. (2005b, S. 38 ff.) definieren vier politische Gruppen, die jeweils eine unterschiedliche Rolle im politischen System einnehmen (siehe Abb. 2.1).⁴ Die größte Gruppe stellt die Gesamtheit der Bevölkerung des betrachteten Landes dar. Der Teil der Bevölkerung, der nach einem politischen Führungswechsel beim Auswahlprozess der neuen politischen Führung ein Mitspracherecht besitzt, wird in diesem Modell als Selektorat bezeichnet. Diese Bezeichnung wurde von Shirk (1993, S. 71) und Roeder (1993, S. 24) in die Literatur eingeführt. Gehört ein Selektoratsmitglied zu dem Teil der Unterstützer, auf dessen Unterstützung die politische Führung bei ihrer Machtausübung angewiesen ist, ist dieses Teil der Winning-Coalition. Die kleinste Gruppe stellt die politische Führung dar, welche die Entscheidungen über die Staatseinnahmen und -ausgaben trifft. Die Mitglieder der politischen Führung entstammen der Winning-Coalition. 4 Annahmegemäß unterscheiden sich die Individuen innerhalb dieser Gruppen nicht in ihren Eigenschaften.
2.1 Die Selektoratstheorie | 11
Bevölkerung Selektorat Winning-Coalition Politische Führung Abb. 2.1: Anteile der relevanten Gruppen an der Gesamtbevölkerung.
2.1.1.1 Die Bevölkerung In der Gruppe der Bevölkerung sind alle Einwohner eines Landes subsumiert. Die Größe dieser Gruppe bestimmt zum einen die Höhe der Steuereinnahmen und auf der anderen Seite die Höhe der Bereitstellungskosten der öffentlichen Güter. Die Mitglieder dieser Gruppe profitieren ausschließlich von der staatlichen Bereitstellung öffentlicher Güter (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 39 ff.).
2.1.1.2 Das Selektorat Zum Selektorat gehört der Teil der Bewohner, der prinzipiell an der Auswahl der politischen Führung beteiligt ist und private Güter von der Regierung erhalten kann. Nur Mitglieder des Selektorats haben die Möglichkeit, Teil der Winning-Coalition zu werden. Die Mitglieder des Selektorats besitzen bestimmte persönliche Eigenschaften. In Abhängigkeit vom politischen System fallen unter diese Charakteristika beispielsweise Geburtsort und Abstammung, besondere Kenntnisse wie Fähigkeiten, Ansichten oder Wissen, Reichtum oder Geschlecht und Alter (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 41 ff.). Die Größe des Selektorats variiert sowohl zwischen unterschiedlichen politischen Systemen als auch zwischen unterschiedlichen Regimen.
2.1.1.3 Die Winning-Coalition Die Winning-Coalition stellt den kleinstmöglichen Teil des Selektorats dar, auf dessen Unterstützung der politische Führer angewiesen ist, um nicht von dem restlichen Selektorat oder der übrigen Bevölkerung gestürzt werden zu können. Die relative Größe der Winning-Coalition zum Selektorat variiert zwischen unterschiedlichen politischen Systemen, wobei keine allgemeingültige Aussage über die relative Größe der Winning-Coalition in bestimmten politischen Systemen getroffen werden kann. Die politische Führung sichert sich die Loyalität und Unterstützung der Mitglieder der Winning-Coalition über die exklusive Verteilung privater Güter an diese Gruppe. Im Gegensatz zu den öffentlichen Gütern besteht bei den privaten Gütern eine Rivalität im Konsum und andere können von der Nutzung ausgeschlossen werden. Die Höhe
12 | 2 Die Politikwahl einer politischen Führung
der Kosten für die Bereitstellung der privaten Güter ist dabei abhängig von der Größe der Winning-Coalition (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 51 ff.).
2.1.1.4 Die politische Führung Die politische Führung besitzt die Befugnis, Regelungen für die Generierung von Staatseinnahmen (Steuern) und über deren Verteilung zu bestimmen. Dabei kann die politische Führung in Abhängigkeit vom politischen System eine oder mehrere Personen umfassen. Die politische Führung setzt sich aus Mitgliedern der WinningCoalition zusammen. Die Macht der politischen Führung kann durch einen Herausforderer bedroht werden, der entweder aus der Winning-Coalition oder dem Selektorat stammt. Dieser benötigt die Unterstützung von mindestens einem Mitglied der Winning-Coalition, um die politische Führung zu entmachten (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 38 f.). Die politische Führung verwendet die ihr zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel für die Bereitstellung privater und öffentlicher Güter oder für eigene private Renten. Dabei besitzen die öffentlichen Güter (zumindest näherungsweise) die Eigenschaften der Nichtrivalität und Nichtausschließbarkeit (vgl. Samuelson, 1954, S. 387). Von deren Bereitstellung profitieren somit neben den Unterstützern auch die restlichen Bevölkerungsanteile.⁵ Die privaten Güter werden hingegen gezielt an die Mitglieder der Winning-Coalition verteilt, um mit Hilfe dieser „Treueprämie“ deren politische Unterstützung zu kaufen und zu sichern (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 29 f.). Die Umsetzung der Politik erfolgt annahmegemäß effizient (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 74). Bei der Selektoratstheorie wird angenommen, dass sich die politische Führung wie ein Individuum verhält, welches die alleinige politische Entscheidungsmacht besitzt. Aus diesem Grund wird nachfolgend die Bezeichnung „politische Führung“ durch „politischer Führer“ gleichbedeutend ersetzt (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 74).
2.1.2 Die Loyalitätsnorm und die Loyalitätsfalle Im Zentrum der Selektoratstheorie steht die Analyse der Rechenschaftspflicht (accountability) des politischen Führers gegenüber der Winning-Coalition. Dieser ist dann rechenschaftspflichtig gegenüber der Winning-Coalition, wenn die Mitglieder der Winning-Coalition im Fall einer bestimmten Politikentscheidung dem politischen Führer ihre Unterstützung entziehen.
5 Der staatliche Schutz der Menschenrechte stellt ein solches öffentliches Gut dar.
2.1 Die Selektoratstheorie | 13
Der Herausforderer wählt die Mitglieder seiner Winning-Coalition aus dem Selektorat, muss aber bereits vor der Bildung seiner Winning-Coalition Mitglieder der aktuellen Winning-Coalition für sich gewinnen, um den politischen Führer stürzen zu können. Da die Anzahl der Selektoratsmitglieder jedoch größer ist als die der Winning-Coalition, ist eine Unterstützung des Herausforderers für Mitglieder der aktuellen Winning-Coalition immer mit der Gefahr verbunden, nach dem Machtwechsel nicht mehr Teil der Winning-Coalition zu sein. Als dann einfaches Selektoratsmitglied ist der neue politische Führer nicht mehr auf dessen Unterstützung angewiesen, wodurch das ehemalige Mitglied der Winning-Coalition trotz der Unterstützung des Herausforderers beim Sturz keine privaten Güter für seine Loyalität erhält. Für Mitglieder der Winning-Coalition entspricht die Wahrscheinlichkeit, nach einem Sturz des politischen Führers wieder ein Mitglied in der Winning-Coalition zu sein, dem Verhältnis der Größe der Winning-Coalition zum Selektorat. Entsprechend diesem Größenverhältnis – der Loyalitätsnorm – entscheiden die Mitglieder der Winning-Coalition über die Unterstützung des politischen Führers (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 65 ff.). Sinkt die Größe der Winning-Coalition oder steigt die Größe des Selektorats, wird eine Unterstützung des Herausforderers für Mitglieder der Winning-Coalition riskanter. Je stärker sich diese beiden Gruppengrößen unterscheiden, desto loyaler werden sich die Mitglieder der Winning-Coalition gegenüber dem politischen Führer verhalten. Mit wachsender Loyalität der Winning-Coalition wird ein Machtverlust des politischen Führers aufgrund seiner Politikwahl unwahrscheinlicher und sein diskretionärer Handlungsspielraum wächst. Die Rechenschaftspflicht des politischen Führers gegenüber den Mitgliedern der Winning-Coalition sinkt. Im Extremfall werden die Mitglieder der Winning-Coalition den politischen Führer bei jeder von diesem gewählten Politik unterstützen, da für sie die Gefahr des Verlusts des Zugangs zu den privaten Gütern nach einem Machtwechsel zu hoch ist. Sie befinden sich in der Loyalitätsfalle. Steigt der Anteil der für den Machterhalt notwendigen Unterstützer im Selektorat an, sinkt hingegen die Loyalität der Mitglieder der Winning-Coalition. Die Rechenschaftspflicht des politischen Führers gegenüber der Winning-Coalition erhöht sich. Die Bereitstellung öffentlicher Güter steigt mit der relativen Größe der Winning-Coalition. Folglich kann für demokratische politische Systeme die im Vergleich größte Bereitstellung öffentlicher Güter festgestellt werden. In Autokratien hingegen ist der politische Führer auf die Unterstützung einer kleinen Winning-Coalition angewiesen. Dies bewirkt, dass dieser der Winning-Coalition exklusive private Güter bereitstellen wird. Von der Bereitstellung öffentlicher Güter würde auch der Bevölkerungsteil profitieren, auf dessen Unterstützung der politische Führer nicht angewiesen ist (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b; Deacon, 2009). Dieses Verhalten wäre nicht effizient.
14 | 2 Die Politikwahl einer politischen Führung
2.1.3 Das politische System und private Renten des politischen Führers Die Bereitstellungskosten der privaten Güter, die der Winning-Coalition als Treueprämie vom politischen Führer angeboten werden, werden von der Größe der WinningCoalition bestimmt. Mit steigender Mitgliederzahl wird für den politischen Führer die Bereitstellung öffentlicher Güter relativ günstiger, um die Unterstützung der WinningCoalition zu sichern. Dadurch gilt sowohl für den politischen Führer als auch für den Herausforderer, dass mit wachsender Größe der Winning-Coalition die Bereitstellung öffentlicher Güter für den Machterhalt des politischen Führers effizienter und als Folge daraus die Verteilung privater Güter begrenzt wird. Der Vorteil der Mitgliedschaft in der Winning-Coalition für Selektoratsmitglieder ist folglich umso größer, je kleiner das Verhältnis der Winning-Coalition zum Selektorat ist. Mit zunehmender Größe der Winning-Coalition steigt der Anteil der Ausgaben für öffentliche Güter an den Gesamtausgaben. Die Differenz zwischen den staatlichen Bezügen innerhalb und außerhalb der Winning-Coalition nimmt ab und damit auch die Loyalität der Mitglieder der Winning-Coalition gegenüber dem politischen Führer. Eine sinkende Loyalität der Winning-Coalition führt zu einem kleineren diskretionären Handlungsspielraum des politischen Führers. Im Rahmen der Selektoratstheorie bedeutet dies, dass die Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung des politischen Führers abnimmt. Letztere erfolgt über die Generierung privater Renten, indem ein Teil der Staatseinnahmen weder für die Finanzierung von öffentlichen noch von privaten Gütern verwendet wird, sondern in das private Vermögen des politischen Führers übergeht (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 91 ff.). Folgende politische Systeme können grob nach den absoluten und relativen Größen von Winning-Coalition und Selektorat unterschieden werden:⁶ – Demokratisches politisches System (Verhältnis Winning-Coalition zum Selektorat = 0,5 und Selektorat ≈ Bevölkerung) Das Selektorat besteht aus einem Großteil der Bevölkerung, der ein bestimmtes Kriterium, in westlichen Demokratien häufig die Erlangung eines bestimmten Alters, erfüllt. Der politische Führer benötigt (bei einer absoluten Mehrheitswahl) eine Winning-Coalition, die der Hälfte des Selektorats entspricht, um sicher an der Macht bleiben zu können. Der politische Führer wird eine Politik wählen, die seine Wiederwahl sicherstellt. Diese muss jedoch nicht zwangsläufig der höchsten Präferenz der Mitglieder der Winning-Coalition entsprechen. Die im Vergleich zu den anderen politischen Systemen größte Winning-Coalition geht mit hohen Kosten der Bereitstellung privater Güter einher und führt zu einer umfangreichen Bereitstellung öffentlicher Güter. Für die Mitglieder der Winning-Coalition ist die
6 Die Einteilung der Regimetypen über die absoluten und relativen Größen von Winning-Coalition und Selektorat erfolgt anhand Heuristiken und dient aufgrund der großen institutionellen Unterschiede innerhalb der Regimetypen lediglich als ein erster Anhaltspunkt für die Klassifikation eines Regimes.
2.1 Die Selektoratstheorie | 15
–
–
Unterstützung des Herausforderers im Vergleich zur Unterstützung in anderen politischen Systemen mit geringen Risiken verbunden. Nach einem Wechsel des politischen Führers ist die Wahrscheinlichkeit der erneuten Mitgliedschaft in der Winning-Coalition vergleichsweise hoch. Die Loyalität gegenüber dem politischen Führer fällt somit gering aus. Die Möglichkeit der Generierung privater Renten des politischen Führers besteht nur begrenzt (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 69 f.). Einparteiendiktaturen (kleine Winning-Coalition, kleines Selektorat) Die politische Führung in Einparteiendiktaturen besteht aus wenigen Mitgliedern. Die Größe des Selektorats ist bezogen auf die Gesamtbevölkerung klein, kann aber variieren und wirkt sich indirekt auf die Politikwahl des politischen Führers aus. Die Selektoratsmitglieder haben de jure ein Mitspracherecht bei der Auswahl und Unterstützung des politischen Führers, de facto ist die Wahl von vielen Selektoratsmitgliedern irrelevant. Die Macht des politischen Führers wird durch eine kleine Winning-Coalition gestützt. Die Loyalität der Mitglieder der Winning-Coalition ist hoch und umso größer, je kleiner die Winning-Coalition im Vergleich zum Selektorat ist. Die Mitglieder der Winning-Coalition können einen Einfluss auf den politischen Führer ausüben und profitieren von der Bereitstellung privater Güter. Für den politischen Führer besteht die Möglichkeit der Generierung von privaten Renten insbesondere bei kleinen Winning-Coalitionen (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 70). Personalistische Regime, monarchistische Regime und Militärdiktaturen (sehr kleine Winning-Coalition, sehr kleines Selektorat) In diesen Regimen besitzen Einzelne die Entscheidungsgewalt im Staat. Deren Macht basiert auf der Unterstützung einer kleinen politischen Elite, der WinningCoalition. Nur einige Wenige haben einen Einfluss auf die Wahl des politischen Führers. Die Loyalität der Winning-Coalition ist in diesen politischen Systemen sehr groß, da die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass mit dem Sturz des Führers das Regime endet und im nachfolgenden politischen System ein neues Selektorat aus der Bevölkerung gebildet wird. Die Wahrscheinlichkeit für die Mitglieder der Winning-Coalition, wieder Teil der neuen Winning-Coalition zu sein, ist gering. Die Selektoratsmitglieder hoffen mittelfristig auf eine Mitgliedschaft in der Winning-Coalition und verhalten sich loyal gegenüber dem politischen Führer. Durch die hohe Loyalität der Mitglieder der Winning-Coalition und des Selektorates besteht in diesen Regimen für den politischen Führer die Möglichkeit der Generierung hoher privater Renten (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 70 f.).
16 | 2 Die Politikwahl einer politischen Führung
2.2 Die Erklärung unterschiedlicher Wirtschaftskraft von Autokratien Das von Besley & Kudamatsu (2008) entwickelte Modell zur Selektoratstheorie hilft bei der Beantwortung der Frage, warum in manchen Autokratien Armut und eine allgemeine wirtschaftliche Schwäche und in anderen eine prosperierende Wirtschaft zu beobachten sind. Sie ermitteln die Wirkung des Institutionengefüges als entscheidende Einflussgröße auf das Politikresultat und das Wohlbefinden der Bevölkerung. Dabei sind die Institutionen für die wirtschaftliche Prosperität entscheidend, die den politischen Führer rechenschaftspflichtig gegenüber der Winning-Coalition⁷ werden lassen. Im Gegensatz zu Bueno de Mesquita et al. (2005b), die ein Modell mit vollständiger Information entwickeln, wenden Besley & Kudamatsu (2008) das Standardmodell zu Demokratien von Besley (2006) mit unvollständiger Information auf Autokratien an, um den zentralen Mechanismus der wechselseitigen Rechenschaftspflicht abzubilden. Der politische Führer trifft zwei Politikentscheidungen. Die erste Entscheidung richtet sich auf die Wahl seiner „General-interest-Politik“. Im Rahmen dieser kann er sich für eine wohlstandssteigernde Politik, von der die gesamte Bevölkerung profitiert, oder für eine private Rente, von der ausschließlich er profitiert, entscheiden. Die private Rente stiftet ihm dabei einen höheren Nutzen als die Wahl einer wohlstandssteigernden Politik. Neben der Wahl seiner „General-interest-Politik“ entscheidet er über die Aufteilung exogen gegebener staatlicher Mittel auf seine Unterstützer und die Opposition. Wie in der zugrundeliegenden Selektoratstheorie von Bueno de Mesquita et al. (2005b) ist er, um an der Macht zu bleiben, auf die Unterstützung ihrer Winning-Coalition angewiesen. Im Modell von Besley & Kudamatsu (2008) gibt es keinen regulären Wettbewerb um öffentliche Ämter. Dieser tritt nur auf, wenn die WinningCoalition dem politischen Führer ihre Gefolgschaft verweigert. Die Entscheidung der Winning-Coalition, den Führer nicht mehr zu unterstützen, ist mit Unsicherheit verbunden: Zum einen besteht die Gefahr, dass die Opposition die Wahl gewinnt, und zum anderen sind die persönlichen Eigenschaften des neuen Führers unbekannt. Nur die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der neue Führer eine im Sinne des Wirtschaftswachstums „gute“ Politik wählen wird, ist allen Spielern bekannt. Die Autoren zeigen auf, dass leistungsschwache, sich selbst bereichernde politische Führer dann die Unterstützung der Winning-Coalition verlieren, wenn deren Mitglieder ausreichend sicher sein können, dass ihre Gruppe die anschließende Wahl gewinnen und der neue politische Führer der Winning-Coalition weiterhin gruppenspezifische Renten bereitstellen wird. Der politische Führer wird in diesem Fall eine wohlstandsfördernde Politik wählen, um den anderweitig drohenden Sturz abzuwen-
7 Die Autoren sprechen von „Selectorate“, dieses entspricht prinzipiell der Winning-Coalition von Bueno de Mesquita et al. (2005b).
2.2 Die Erklärung unterschiedlicher Wirtschaftskraft von Autokratien | 17
den. Liegen die Chancen zum Wahlsieg des eigenen Kandidaten hingegen unter einer bestimmten Wahrscheinlichkeit, wird die Winning-Coalition den politischen Führer auch bei einer leistungsschwachen Politik unterstützen, da sie den Verlust ihrer Renten befürchtet. Autokratien mit einer prosperierenden Wirtschaft sind auf Basis des Modells von Besley & Kudamatsu (2008) somit jene Regime, in denen der politische Führer rechenschaftspflichtig gegenüber einer starken Winning-Coalition ist. In diesen wählt der politische Führer eine wachstumsfördernde Politik, um nicht von der WinningCoalition gestürzt zu werden. Mit zunehmender Größe der Winning-Coalition steigt die Rechenschaftspflicht des Führers gegenüber dem Selektorat und darüber auch die Wirtschaftskraft des Landes an. Gilli & Li (2013) orientieren sich bei ihrer Modellkonzeption an Besley & Kudamatsu (2008). Ihr Modell beinhaltet ebenfalls unvollständige Informationen über den Typ des politischen Führers. Dieser verliert entsprechend der Selektoratstheorie nur sein Amt, wenn die Winning-Coalition ihm die Unterstützung verweigert. Im Vergleich zu dem Modell von Besley & Kudamatsu (2008) ist der Abstimmungswettbewerb nach dem Sturz des politischen Führers stark vereinfacht. Die wechselseitige Rechenschaftspflicht zwischen dem politischen Führer und der Winning-Coalition ist zentraler Bestandteil des Modells und der Einfluss der relativen Größe der Winning-Coalition zum Selektorat auf die Entscheidungen des politischen Führers und der Winning-Coalition steht im Zentrum der Analyse. Der politische Führer muss eine „General-interest-Politik“ wählen, bei der er sich zwischen einer wachstumsfördernden Politik, von der alle Bevölkerungsmitglieder profitieren (dies entspricht einer Bereitstellung eines öffentlichen Gutes), und seiner privaten Rente entscheiden muss. Die Loyalität der Winning-Coalition erkauft dieser über eine Treueprämie in Form der exklusiven Bereitstellung privater Güter. Der politische Führer kann durch die Mitglieder der Winning-Coalition von der Wahl einer leistungsschwachen Wirtschaftspolitik abgehalten werden, wenn die Loyalitätsnorm ein bestimmtes Verhältnis überschreitet und zudem die private Rente für den politischen Führer bei der Wahl der leistungsschwachen Wirtschaftspolitik einen fallspezifischen Wert unterschreitet. Dieses Gleichgewicht bezeichnen Gilli & Li (2013) als „effizientes Gleichgewicht“. Überschreitet hingegen die private Rente den fallspezifischen Wert, wird sich der politische Führer immer gegen die Bereitstellung des öffentlichen Gutes und für seine private Rente entscheiden und seine Entmachtung durch einen Staatsstreich in Kauf nehmen. Diese gesellschaftliche Situation bezeichnen die Autoren als „Roving-Bandit-Gleichgewicht“.
3 Der Einsatz von Repressionen als politisches Mittel 3.1 Die Verletzung von Menschenrechten Repressionen stellen staatliches Verhalten dar, welches über die Einschränkung und Verletzung politischer oder bürgerlicher Rechte eine Beruhigung der politischen Lage herbeiführen und den Fortbestand des Regimes ermöglichen soll (vgl. Davenport, 2000, S. 6). Eine grundlegende rechtliche Regelung der Menschenrechte findet sich in der UN-Resolution zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (vgl. Vereinte Nationen, 1948a). Demnach zählen neben dem Recht auf körperliche Unversehrtheit auch Bürgerrechte und wirtschaftliche Rechte zu den Menschenrechten. Bürgerrechte schützen den einzelnen Bürger vor staatlichen Eingriffen in seine persönliche Freiheit (vgl. Davenport, 1996). Zu diesen zählen vom Staat ausgehende Beschränkungen wie Ausgangssperren, Verbote oder Verhaftungen aufgrund von Äußerungen oder Ansichten, die denen des politischen Führers widersprechen. Wirtschaftliche Rechte schützen den einzelnen Bürger vor einer wirtschaftlichen Unterdrückung durch hohe Steuern oder eine ungleiche Verteilung von Ressourcen in der Bevölkerung. Diese Unterdrückungsform wird auch als strukturelle Gewalt im Sinne sozialer Ungerechtigkeit bezeichnet (vgl. Galtung, 1969). Der Großteil der wissenschaftlichen Literatur, die sich mit Wirkungen der Menschenrechtsverfahren auf die von Regierungen ausgehenden Repressionen beschäftigt, untersucht Forschungsfragen im Rahmen des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit, da Verstöße gegen dieses Grundrecht gewöhnlich Gegenstand von Menschenrechtsverfahren sind. Verstöße gegen wirtschaftliche Rechte finden in der Menschenrechtsliteratur keine Beachtung und werden auch in der vorliegenden Arbeit von der Betrachtung ausgenommen. Die Auffassung der Menschenrechte als politische und bürgerliche Rechte sowie Persönlichkeitsrechte entspricht folglich der westlichen Sichtweise, wohingegen in kommunistischen Regimen soziale und wirtschaftliche Rechte im Vordergrund stehen (vgl. Goldstein, 1986, S. 609). Als Repressionen werden in dieser Arbeit die tatsächliche oder angedrohte Anwendung von körperlicher Gewalt gegen Individuen oder Organisationen des eigenen Landes durch den Staat verstanden, wenn die staatlichen Akteure dabei gegen soziale Normen oder geltendes Recht verstoßen. Ziel des Einsatzes von Repressionen ist es, Kosten bei den Adressaten zu verursachen, um diese von Aktivitäten abzuhalten, die den Interessen des politischen Führers widersprechen, und das Problem des kollektiven Handelns von Regierungsgegnern zu vergrößern (vgl. Goldstein, 1978; Tilly, 1978). Oppositionelle werden durch den Einsatz von Repressionen abgeschreckt (vgl. Gupta et al., 1993). Durch den Fokus auf Repressionen, im Sinne von Verletzungen des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit, sind für diese Arbeit ausschließlich folgende Menschenrechtsverletzungen relevant: DOI 10.1515/9783110521184-005
20 | 3 Der Einsatz von Repressionen als politisches Mittel
–
–
–
Politische Inhaftierung Der Begriff der politischen Inhaftierung bezieht sich auf das Grundrecht eines Menschen, nicht verhaftet zu werden, wenn er von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch macht (vgl. Seymour, 1979, S. 99). Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgelegt. Demnach hat jeder Mensch „das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten“ (Vereinte Nationen, 1948a). Verhindert ein Staat die Ausübung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung seiner Bürger durch Inhaftierungen, stellt dieses Vorgehen eine Menschenrechtsverletzung dar. Folter Gemäß der Antifolterkonvention der UN wird jede Handlung als Folter betrachtet, „durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, […] wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden“ (Vereinte Nationen, 1984, Art. 1). Davon explizit ausgenommen sind Handlungen, die Schmerzen und Leiden verursachen, jedoch Teil einer menschenrechtlich erlaubten juristischen Bestrafung darstellen. Das Folterkonzept, welches in dieser Arbeit Berücksichtigung findet, beinhaltet folglich vier essenzielle Elemente: (1) Vorsatz und (2) eine bestimmte Absicht der Täter, (3) großes körperliches oder seelisches Leid der Opfer und (4) eine staatliche Verantwortung oder Duldung außerhalb eines rechtlichen Rahmens (vgl. Klayman, 1978, S. 513). Extralegale Morde Extralegale Morde stellen politisch angeordnete und durch staatliche Akteure wie Militär oder Polizei ausgeführte Morde dar, die als Mittel zum Schutz der Macht des politischen Führers dienen. Die Opfer werden trotz fehlender rechtlicher Basis und ohne Gerichtsverfahren getötet. Zu den extralegalen Morden zählen das Töten von politischen Widersachern, rechtswidriger Einsatz tödlicher Gewalt von Polizeikräften, absichtliches Töten von Zivilisten während Kampfhandlungen und andere willkürliche tödliche Handlungen (vgl. Poe, 2004, S. 17). Die Vollstreckung der Todesstrafe gilt nicht als extralegaler Mord, wenn diese auf einer verfassungsrechtlichen Basis erfolgt. Kaufman & Fagen (1981, S. 90) identifizieren drei Motivationen hinter den extralegalen Morden. Beim politischen Mord wird ein politischer Rivale beseitigt. Zudem zielt die Ermordung von Anführern populärer Gruppen darauf ab, deren Unterstützer zu einer Aufgabe ihrer politischen
3.2 Die Ursachen für Repressionen
–
|
21
Ideen zu bewegen. Der Einsatz tödlicher Gewalt gegen sogenannte „Staatsfeinde“ dient vordergründig dem Schutz der bestehenden Institutionen. Verhängte Ausnahmezustände ermöglichen es der Regierung, rechtskonform gewaltsam gegen die Opposition oder Kriminelle vorzugehen. Verschwindenlassen von Personen Die Praxis des Verschwindenlassens ist ähnlich motiviert wie die der außerrechtlichen Tötungen. Ist der Staat als handelnder Akteur bei außerrechtlichen Tötungen eindeutig erkennbar, findet beim Verschwindenlassen von Personen eine Leugnung der Verantwortung seitens des politischen Führers statt. Die Opfer sind in der Regel politische Oppositionelle oder stellen eine anderweitige Bedrohung der politischen Macht dar. Sie werden von Regierungsvertretern, Militär- oder Polizeiangehörigen entführt und tauchen nach ihrer Entführung in keiner offiziellen Statistik auf. Durch das Verschwindenlassen der Opfer wird eine Anwendung rechtlicher Standards zur Einhaltung individueller Rechte bewusst verhindert. Darüber wird die Rechtsstaatlichkeit ernsthaft untergraben. Für die Angehörigen besteht keine Möglichkeit, Informationen zu den Opfern von offizieller Seite zu erhalten (vgl. Berman & Clark, 1981, S. 532 ff.). Das Verschwindenlassen von Personen verursacht eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung und gilt als das schwerwiegendste Verbrechen unter den Menschenrechtsverletzungen (vgl. Bell et al., 2013).
3.2 Die Ursachen für Repressionen Grundlegend für die Erklärung des Einsatzes von Repressionen durch politische Führer ist die Annahme, dass sich insbesondere in Autokratien die politischen Führer nicht generell verantwortlich für den Schutz der Bürger zeigen. Vielmehr treffen diese ihre Politikwahl entsprechend den Folgen auf die eigene Überlebenswahrscheinlichkeit im Amt und der Maximierung ihres persönlichen Nutzens. Repressionen dienen einerseits der Abwehr potenzieller oder tatsächlicher Bedrohungen der politischen Macht und andererseits der Erhöhung des Einkommens (vgl. Davenport, 1995; Des Forges, 1999; Straus, 2007). Dabei erfolgt der Einsatz von Repressionen durch den politischen Führer in Abhängigkeit von dem Verhältnis der Bedrohung der eigenen Macht zur eigenen wahrgenommenen Stärke (vgl. Poe & Tate, 1994). Wie bereits aufgeführt, kann ein politischer Führer auf Bedrohungen seiner politischen Macht mit dem Einsatz von Repressionen reagieren (vgl. Poe et al., 2000). Ob es tatsächlich zu Menschenrechtsverletzungen kommt, wird durch das Zusammenspiel von politischen Institutionen, der Durchsetzungsfähigkeit von Rechtsnormen und den Möglichkeiten zur Verteilung der staatlichen Mittel bestimmt (vgl. Smith, 2008, S. 792). Gemäß der Rational-choice-Theorie wägen politische Akteure die Kosten und Nutzen von Repressionen gegeneinander ab und entscheiden auf dieser Basis, ob sie diese anwenden (vgl. Davenport, 2007a). Dieser Logik folgend können höhere
22 | 3 Der Einsatz von Repressionen als politisches Mittel
Repressionsgrade in autokratischen als in demokratischen politischen Systemen dadurch erklärt werden, dass in Autokratien geringere Kosten der Repressionen vorherrschen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass aufgrund schwacher politischer Institutionen im Sinne fehlender turnusmäßiger freier Wahlen ein Autokrat eine geringere Wahrscheinlichkeit besitzt, durch den Einsatz von Repressionen seine Macht zu verlieren (vgl. Davenport & Armstrong, 2004; Gandhi & Przeworski, 2007; Schmitz & Sikkink, 2012). Folglich nutzen Autokraten im Gegensatz zu Demokraten Repressionen, weil sie ihren Nutzen steigern können, wenn sie Repressionen einsetzen (vgl. Poe, 2004). Eine zentrale Ursache für Menschenrechtsverletzungen lässt sich im Institutionengefüge eines Landes finden. So kommt es in Staaten mit zu schwachen allgemeinen staatlichen Institutionen (Failed States) oder mit zu schwachen demokratischen Institutionen (Autokratien) zu Menschenrechtsverletzungen (vgl. Schmitz & Sikkink, 2012, S. 829). Diese zwei repressionsfördernden Rahmenbedingungen haben unterschiedliche Konsequenzen bei der Identifikation der Verantwortlichen und der Wahl möglicher Maßnahmen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation. In Autokratien mit einer starken, zentralisierten Organisationsstruktur, in der eine politische Kontrolle durch eine handlungsfähige politische Opposition oder autonom tätige politische und juristische Organe fehlt, besitzt der politische Führer die vollständige Kontrolle über die staatliche Gewalt und ist direkt für die im Land stattfindenden Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. In diesen Autokratien erfolgen Anweisungen zur Begehung von Menschenrechtsverletzungen direkt vom Führer von oben nach unten und es kommt dadurch zu einem systematischen Einsatz von Repressionen als politischem Instrument (vgl. Hafner-Burton, 2014, S. 274). Daneben kommt es in Ländern zu Menschenrechtsverletzungen, wenn es diesen an einer starken institutionellen (staatlichen) Organisationsstruktur mangelt. Ist die Leistungsfähigkeit der staatlichen Institutionen beschränkt, wofür niedrige Steuereinnahmen, hohe Korruption und fehlende Rechtsstaatlichkeit als Indikatoren dienen, besteht für den politischen Führer keine Möglichkeit, gegen menschenrechtsverletzende Akteure im eigenen Land vorzugehen und diese zur Rechenschaft zu ziehen (vgl. Englehart, 2009). In diesem Fall erfolgt der Einsatz von Repressionen unkoordiniert und dezentral von unterschiedlichen Akteuren. Der politische Führer trägt nur bedingt eine politische Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen im Land. Um diese beiden unterschiedlichen Ursachen von Repressionen zu bekämpfen, ist jeweils ein spezifisches Maßnahmenpaket notwendig. Stellt die Ursache von Repressionen eine starke, zentralisierte Organisation dar, müssen die Anreize des politischen Führers verändert werden. In schwachen oder gescheiterten Staaten kann hingegen die Menschenrechtslage verbessert werden, indem die staatliche Handlungsfähigkeit wiederhergestellt wird. Dafür ist eine institutionelle Reform, verbunden mit einer Neuordnung der Zuständigkeiten, notwendig (vgl. Hafner-Burton, 2014, S. 274).
3.3 Die institutionellen Rahmenbedingungen und der Einsatz von Repressionen |
23
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen Menschenrechtsverletzungen, die im direkten Verantwortungsbereich des politischen Führers liegen. Dieser kann möglicherweise über die juristische Durchsetzung internationalen Rechts zu einer Verhaltensänderung bewegt werden.
3.3 Die institutionellen Rahmenbedingungen und der Einsatz von Repressionen Der Einfluss der institutionellen Rahmenbedingung kann im Rahmen der Selektoratstheorie analysiert werden. Nach dieser nutzt ein politischer Führer den Einsatz von Repressionen mit politischer Zielsetzung, um mögliche Gefahren des Machtverlusts abzuwenden und private Renten zu maximieren. Eine notwendige Bedingung für den Einsatz von Repressionen sind staatliche Strukturen, die einen Einsatz von Repressionen ermöglichen (vgl. Poe & Tate, 1994, S. 26). Politisch motivierte Repressionen richten sich gegen drei mögliche Adressaten: potenzielle und tatsächliche Herausforderer aus der Winning-Coalition oder dem Selektorat, Unterstützer des Herausforderers aus dem Selektorat und der Winning-Coalition sowie den nicht im Selektorat vertretenen Teil der Bevölkerung, von dem eine Revolutionsgefahr ausgeht.⁸ Für den Herausforderer und seine Unterstützer erhöhen sich durch die Repressionen die Kosten eines gescheiterten Umsturzversuchs. Die dadurch sinkende Bereitschaft der Mitglieder der Winning-Coalition, sich an Umstürzen zu beteiligen, resultiert in einer Sicherung der Macht des politischen Führers. Durch diese kann der politische Führer höhere private Renten einbehalten (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b). Die Kosten des Machtwechsels für den politischen Führer entsprechen der Differenz zwischen dem Nutzen, der aus der Machtposition erzielt werden kann, und dem Nutzen nach der Regentschaft. Der Nutzen aus der Machtposition entspricht der Summe der Nutzen aus privater Rente, privaten Gütern und öffentlichen Gütern. Die Höhe des Nutzens nach dem Amtsverlust ist abhängig von der Gruppenzugehörigkeit. Als ein Teil der Winning-Coalition ermöglicht der Bezug privater Güter einen zum Selektorat vergleichsweise höheren Nutzen. Als Teil des Selektorats ist der Nutzen ausschließlich von der Bereitstellung öffentlicher Güter abhängig. Geht der politische Führer nach seinem Sturz ins Exil, hat er keinen Zugang zu den staatlich bereitgestellten Gütern. Zusätzlich zu den Nutzeneinbußen durch den Machtverlust können für den politischen Führer weitere Kosten durch eine Strafverfolgung aufgrund von Menschenrechtsverletzungen entstehen. Die Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung ist abhängig von der Verbreitung der Menschenrechtsverfolgung in der Region, von dem Einsatz von Repressionen während der Amtszeit und der Möglichkeit zur Nutzung
8 Eine mögliche Revolution der nicht wahlberechtigten Bevölkerung wird in dieser Arbeit nicht berücksichtigt.
24 | 3 Der Einsatz von Repressionen als politisches Mittel
institutioneller Absicherungsmöglichkeiten, die einen wirksamen Schutz vor einer Strafverfolgung darstellen. Im Vorfeld des Sturzversuchs wägen der Herausforderer und dessen Unterstützer den Nutzen des Machtwechsels gegen die Kosten eines gescheiterten Umsturzes ab. Der Nutzen des Machtwechsels entspricht für den Herausforderer der Differenz zwischen dem Nutzen, der aus der politischen Führungsposition bezogen werden kann, und dem Nutzen im Status quo. In der Selektoratstheorie wird angenommen, dass es zu keiner Änderung des politischen Systems durch einen Sturz kommt. Das heißt, durch einen Sturz wird eine neue Winning-Coalition gebildet, die Mitglieder werden jedoch aus dem bisherigen Selektorat akquiriert. Die bisher nicht wahlberechtigten Bevölkerungsmitglieder bleiben weiterhin ohne Stimmrecht. Für einen Unterstützer aus der aktuellen Winning-Coalition besteht der Anreiz zur Unterstützung des Herausforderers in einem höheren persönlichen Nutzen der Politik des Herausforderers, wobei für ihn eine erneute Zugehörigkeit zur Winning-Coalition bei einem erfolgreichen Sturz des politischen Führers nicht sicher ist. Die Wahrscheinlichkeit der erneuten Zugehörigkeit zur Winning-Coalition steigt mit zunehmender relativer Größe der Winning-Coalition zum Selektorat. Für Selektoratsmitglieder besteht der Anreiz in der Unterstützung eines Herausforderers, da ein damit verbundener potenzieller Wechsel in die Winning-Coalition den Zugang zu privaten Gütern ermöglicht. Dem Nutzen des Machtwechsels stehen die Kosten eines gescheiterten Umsturzes gegenüber. In Abhängigkeit vom Repressionsgrad erhöhen sich die Kosten für den Herausforderer und dessen Unterstützer (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 340).
3.3.1 Die Menschenrechtsverletzung in demokratischen Systemen In Demokratien, in denen im Vergleich zu den nachfolgend betrachteten autokratischen politischen Systemen sowohl die größte Winning-Coalition als auch das größte Selektorat besteht, sind die Möglichkeiten des politischen Führers zum Bezug privater Renten begrenzt und die Nutzendifferenz durch die sehr hohe Bereitstellung öffentlicher Güter aufgrund der großen Winning-Coalition zwischen den Gruppen insgesamt nur gering (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 342). Die Wahrscheinlichkeit der erneuten Zugehörigkeit zur Winning-Coalition ist nach einer Abwahl des politischen Führers für die Mitglieder der Winning-Coalition auch durch die Möglichkeit, Koalitionen zu bilden, hoch. Die Loyalität der Mitglieder der Winning-Coalition gegenüber dem politischen Führer ist somit vergleichsweise gering. Für den politischen Führer ist die Erzielung privater Renten in Demokratien in geringem Umfang möglich. Eine Erhöhung der privaten Renten des politischen Führers bewirkt jedoch bereits bei einem niedrigen Schwellenwert den Loyalitätsverlust der Mitglieder der Winning-Coalition und folglich einen Machtverlust.
3.3 Die institutionellen Rahmenbedingungen und der Einsatz von Repressionen |
25
Der Machtverlust verursacht in demokratischen Systemen durch die kleinen privaten Renten und die Bereitstellung eines hohen Maßes an öffentlichen Gütern nur geringe Kosten. Zudem ermöglichen die regelmäßig stattfindenden Wahlen zeitnah den Wechsel in die Winning-Coalition oder erneut in eine politische Führungsposition. Politisch motivierte Repressionen stellen durch die Gewaltenteilung in Demokratien kein geeignetes Mittel dar, einen drohenden Machtverlust zu verhindern. Zudem würden mangels eines Anreizes weder Mitglieder des Selektorats noch der WinningCoalition von dem politischen Führer eingesetzte Repressionen durchführen (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 345). Die sozialen Normen und ein drohender Machtverlust bei der nächsten Wahl bewirken, dass politische Führer in Demokratien auf den Einsatz von Repressionen verzichten (vgl. Dixon, 1994).
3.3.2 Die Menschenrechtsverletzung in Autokratien mit kleiner Winning-Coalition und großem Selektorat Politische Führer in Autokratien stützen ihre Macht im Vergleich zu politischen Führern in Demokratien auf eine deutlich kleinere Winning-Coalition. Eine kleine Winning-Coalition geht mit der Bereitstellung privater Güter als Treueprämie für deren Mitglieder einher und ermöglicht über die Loyalität der Winning-Coalition den Bezug hoher privater Renten des politischen Führers. Diese privaten Renten steigen mit sinkender relativer Größe der Winning-Coalition zum Selektorat. Folglich ist in diesen politischen Systemen die Differenz zwischen dem Nutzen des politischen Führers und den Mitgliedern der Winning-Coalition groß. Die Nutzendifferenz zwischen der Mitgliedschaft in der Winning-Coalition und im Selektorat ist ebenfalls groß. Folglich sollte in politischen Systemen mit einer kleinen Winning-Coalition und einem großen Selektorat ein hoher Anreiz für die Mitglieder dieser Gruppen zur Beteiligung an einem politischen Sturz bestehen. Tatsächlich ist dies jedoch nur für die Mitglieder des Selektorats zutreffend. Durch die geringe Wahrscheinlichkeit der Mitglieder der WinningCoalition, nach einem Sturz erneut Teil dieser zu sein, werden sich die Mitglieder der Winning-Coalition nicht an einem Sturz des politischen Führers beteiligen. Vielmehr werden die für die Ausführung der Repressionen benötigten Personen aus den Mitgliedern der Winning-Coalition rekrutiert. Da ausschließlich die Mitgliedschaft in der Winning-Coalition den Zugang zu einer Treueprämie über private Güter bietet, haben die Mitglieder der Winning-Coalition ein starkes Interesse am Machterhalt des aktuellen politischen Führers und sichern sich über die Ausführung von Repressionen ihren politischen Status. Im Gegensatz zu den Mitgliedern der Winning-Coalition verfügen die Selektoratsmitglieder über einen großen Anreiz zur Unterstützung eines Machtwechsels. Diesem Anreiz wird seitens des politischen Führers mit Repressionen entgegengewirkt. Der nicht dem Selektorat angehörige Teil der Bevölkerung wird Ziel für Repressionen des politischen Führers, wenn er den Herausforderer unterstützt oder sich eine Revolution andeutet (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 343).
26 | 3 Der Einsatz von Repressionen als politisches Mittel
3.3.3 Die Menschenrechtsverletzung in Autokratien mit sehr kleiner Winning-Coalition und kleinem Selektorat Die Wahrscheinlichkeit der Mitgliedschaft in der Winning-Coalition nach einem Sturz des politischen Führers ist in Autokratien mit sehr kleiner Winning-Coalition und kleinem Selektorat sowohl für die Mitglieder der Winning-Coalition als auch des Selektorats relativ hoch. Dies macht die Zahlung hoher Treueprämien an die Mitglieder der Winning-Coalition erforderlich. Die Institutionen bewirken eine hohe Bereitstellung privater Güter, was zu einer großen Differenz beim Nutzen zwischen der Mitgliedschaft im Selektorat und der Winning-Coalition führt. Die hohe Loyalität der WinningCoalition aufgrund der hohen Bereitstellung privater Güter ermöglicht wiederum dem politischen Führer die Generierung privater Renten. Die hohen Nutzenunterschiede zwischen den einzelnen gesellschaftspolitischen Gruppen führen zur Bedrohung der Macht sowohl durch die nicht wahlberechtigten Mitglieder der Bevölkerung und des Selektorats als auch der Winning-Coalition. Der politische Führer reagiert auf diese Bedrohungen seiner Macht mit den im Vergleich stärksten politischen Repressionen gegen den Herausforderer und dessen Unterstützer (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 341 f.). Die Beteiligung von Mitgliedern der Winning-Coalition und des Selektorats an der Ausführung von Repressionen hängt davon ab, ob das politische System von einer Revolution seitens des Teiles der Bevölkerung, der nicht Teil des Selektorats ist, bedroht wird. Im Fall einer drohenden Revolution werden sich die Mitglieder beider Gruppen an der Ausführung von Repressionen beteiligen, um das Überleben des bestehenden politischen Systems zu sichern. Die Mitglieder der Winning-Coalition sichern sich dadurch ihren privilegierten Zugang zu den privaten Gütern, die Selektoratsmitglieder erhoffen sich langfristig die Aufnahme in die Winning-Coalition und haben aufgrund dessen ein Interesse am Fortbestehen des Regimes. Die Loyalität gegenüber dem politischen Führer ist im Fall einer Bedrohung von außerhalb des politischen Systems sowohl bei den Mitgliedern des Selektorats als auch der Winning-Coalition hoch. Besteht keine externe Bedrohung des politischen Systems durch eine Revolution, können sowohl die Selektoratsmitglieder als auch die Mitglieder der Winning-Coalition einen Anreiz besitzen, sich einem Herausforderer anzuschließen. Selektoratsmitglieder haben aufgrund der möglichen Nutzensteigerung durch einen Wechsel in die WinningCoalition stets ein Interesse daran, den politischen Führer zu stürzen. Durch die mit dem Sturz verbundene Bildung einer neuen Winning-Coalition erhalten sie die Möglichkeit, Teil der neuen Winning-Coalition zu werden und private Güter zu beziehen. Auf die Bedrohung der eigenen Macht reagiert der politische Führer mit Repressionen. Ist die Winning-Coalition loyal gegenüber dem politischen Führer, werden ihre Mitglieder die Repressionen gegen das Selektorat ausführen. Kündigt hingegen die Winning-Coalition ihre Loyalität aufgrund einer zu niedrigen Bereitstellung privater Güter auf, verliert der politische Führer seine Macht. Ein Einsatz von Repressionen gegen die Mitglieder beider Gruppen resultiert nicht in einem längeren Überleben im
3.4 Ein Zwischenfazit zum Einsatz von Repressionen
|
27
Amt, da ein politischer Führer ohne Unterstützung einer ausreichenden Anzahl an Mitgliedern im Selektorat zwangsläufig seine Macht verliert (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 343).
3.4 Ein Zwischenfazit zum Einsatz von Repressionen Repressionen dienen dem politischen Führer zum Machterhalt in politischen Systemen, bei denen sich aufgrund der Ausgestaltung der politischen Institutionen eine große Differenz zwischen dem Payoff des politischen Führers und der Winning-Coalition beziehungsweise dem Selektorat ergibt. Selbst wenn der politische Führer nach dem Sturz weiterhin Mitglied des Selektorats sein sollte, bedeutet dies einen Verlust der Treueprämie und, noch relevanter, einen Verlust der privaten Renten. Die Repressionsintensität steigt dabei mit der Differenz zwischen dem Nutzen, der mit dem Machtbesitz realisiert werden kann, und dem Status-quo-Nutzen des Herausforderers und dessen Unterstützer. Diese Differenz wird ceteris paribus kleiner, wenn die Winning-Coalition relativ zum Selektorat wächst (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 341 ff.). Politische Systeme mit einer kleinen Winning-Coalition, wie sie häufig in autokratischen Systemen zu beobachten sind, fördern den Einsatz von Repressionen. In diesen herrscht bei der Opposition ein großer Anreiz, den politischen Führer zu stürzen. Dieser hat hingegen den Anreiz, seine Macht mit Hilfe des Einsatzes von Repressionen zu verteidigen. In der Regel können die Mitglieder der Winning-Coalition und in manchen Fällen auch die des Selektorats für die Ausführung der Repressionen gewonnen werden. Somit ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Abwehr des Umsturzversuchs hoch. Der Einsatz von Repressionen ist dabei primär gegen den Herausforderer und abweichende Mitglieder der Winning-Coalition gerichtet, da von diesen die größte Gefahr für den politischen Führer ausgeht (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 346). Für den politischen Führer bedeutet der Machtverlust in autokratischen Systemen zudem, dass er für sich ein schlechtes Schicksal befürchten muss (vgl. Goemans, 2000; Goemans et al., 2009b; Werner, 1996). Ein ehemaliger und potenziell handlungsfähiger politischer Führer stellt eine starke Bedrohung für den neuen politischen Führer dar, da dieser durch die Aktivierung von Mitgliedern der ehemaligen WinningCoalition den neuen politischen Führer verhältnismäßig einfach stürzen kann. Ein neuer politischer Führer wird deswegen dazu neigen, gezielte Repressionen gegen seine Vorgänger einzusetzen, um die Gefahr seines Sturzes zu senken (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005b, S. 343). Bei der Entscheidung, Repressionen einzusetzen, muss der amtierende politische Führer jedoch die Kosten berücksichtigen, die diese Entscheidung verursacht. Die eingesetzten Repressionen zur eigenen Machtsicherung erhöhen die Wahrscheinlichkeit, nach einem erfolgten Sturz selbst einem Menschenrechtsverfahren ausgesetzt zu sein. Drohenden Menschenrechtsverfahren kann ein
28 | 3 Der Einsatz von Repressionen als politisches Mittel
politischer Führer nur entgehen, wenn die Repressionen wirksam sind und sie die politische Macht sichern. Ist dies der Fall, wird er mit weiteren Repressionen versuchen, Bedrohungen seiner Macht entgegenzuwirken.
4 Die Verfolgung von Repressionen In der Vergangenheit sind Staaten auf drei unterschiedliche Arten mit staatlichen Menschenrechtsverletzungen umgegangen: Den Verantwortlichen wurde rechtliche Immunität oder Straffreiheit gewährt, der Staat war rechenschaftspflichtig oder der politische Führer war individuell rechenschaftspflichtig. Bis in die 1970er-Jahre wurden Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen vor individueller juristischer Rechenschaftspflicht geschützt. Das gängige Vorgehen war, den Staat als Institution in die Rechenschaftspflicht zu nehmen, was gleichzeitig die individuelle Straffreiheit für ehemalige Staatsrepräsentanten bedeutete. Nur in Ausnahmefällen, wie bei vollständigen Niederlagen bei kriegerischen Auseinandersetzungen nach dem Zweiten Weltkrieg, wurden (politisch) Verantwortliche persönlich zur Rechenschaft gezogen. Die Prozesse gegen Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg und Tokio stellen solche Ausnahmen dar. In der Ära des Kalten Krieges fand kaum eine Weiterentwicklung der Menschenrechtsnorm statt. Die Menschenrechtsverfahren in Griechenland und Portugal in der Mitte der 1970er-Jahre stellen die ersten Verfahren gegen einzelne politische Verantwortliche auf nationaler Ebene dar. Auf internationaler Ebene wurde erstmals im Rahmen des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) die individuelle Rechenschaftspflicht einzelner Verantwortlicher durchgesetzt (vgl. Sikkink & Kim, 2013, S. 270 f.).
4.1 Die Veränderung in den sozialen Normen Die Entwicklung hin zur strafrechtlichen Verfolgung von politisch Verantwortlichen staatlicher Repressionen basiert auf dem nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzenden internationalen Normenwandel und dem damit verbundenen Anstieg der Länder mit ratifizierten internationalen Menschenrechtsabkommen, der die ratifizierenden Staaten zu einer juristischen Durchsetzung der Menschenrechte verpflichtet.
4.1.1 Der internationale Normenwandel nach dem Zweiten Weltkrieg Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde in der Außenpolitik die Bedeutung von Menschenrechten weitestgehend ignoriert. Heutzutage ist der Schutz der Menschenrechte ein fester Bestandteil dieser (vgl. Schmitz & Sikkink, 2012, S. 837 f.). Dieser politische Wandel wurde mit einer Entwicklung hin zu einer individuellen Rechenschaftspflicht für begangene Menschenrechtsverletzungen vor internationalen, ausländischen und nationalen Gerichten begleitet und wird als Gerechtigkeitskaskade (vgl. Sikkink, 2011) oder auch als eine Revolution in der Rechenschaftspflicht (vgl. Sriram, 2005) bezeichnet. Die individuelle juristische Rechenschaftspflicht von hochrangigen Beamten DOI 10.1515/9783110521184-006
30 | 4 Die Verfolgung von Repressionen
besteht bei von diesen zu verantwortenden Straftaten, bei denen gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit verstoßen wurde. Dieses umfasst zentrale Straftaten wie Folter, politische Inhaftierungen, extralegale Morde oder das staatlich geleitete Verschwindenlassen von Menschen. Dem Konzept der individuellen juristischen Rechenschaftspflicht liegen folgende grundsätzliche Ansichten zugrunde: Die meisten grundlegenden Verstöße gegen Menschenrechte oder das Kriegsrecht können keine legitimen Staatsakte sein und müssen folglich als Straftaten von Individuen gesehen werden. Individuen, die gegen Menschenrechte verstoßen, können und müssen strafrechtlich verfolgt werden. Im Rahmen der strafrechtlichen Verfolgung haben die Beschuldigten ein Anrecht auf einen fairen Prozess (vgl. Weissbrodt, 2001). Die Etablierung einer individuellen juristischen Rechenschaftspflicht von politisch Verantwortlichen wurde durch ein umfassendes System aus internationalen Menschenrechtsabkommen ermöglicht, welches als rechtliches Fundament für Menschenrechtsverfahren dient. Diese gemeinschaftlichen Rechtsbestimmungen wurden von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren gemeinsam erarbeitet und verankern die persönliche strafrechtliche Rechenschaftspflicht gesetzlich (vgl. Schmitz & Sikkink, 2012). Am Anfang dieser Entwicklung stand die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu den wichtigsten weiteren internationalen Abkommen zählen unter anderem die Völkermordkonvention (1951), die Genfer Konventionen (1949) und die UN-Konvention gegen Folter (1987). Der ICCPR der UN stellt eine erweiterte und rechtlich bindende Version der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 dar (vgl. McGoldrick, 1991, S. 20). Einen weiteren Meilenstein bei der gesetzlichen Verankerung der individuellen strafrechtlichen Rechenschaftsplicht ergibt die Verabschiedung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (1998). Dieses ermöglicht die juristische Durchsetzung der individuellen Rechenschaftspflicht gegen Verantwortliche schwerster Menschenrechtsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC). Ratifizierende Staaten sind zur Kooperation verpflichtet, was auch die Auslieferung von Beschuldigten mit einschließt (vgl. Vereinte Nationen, 2000). Im Rahmen dieses Systems aus internationalen Menschenrechtsabkommen wurde die individuelle juristische Rechenschaftspflicht rechtskräftig, indem drei Anforderungen institutionalisiert wurden: Verbindlichkeit, Genauigkeit und Delegation. Verbindlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Staaten oder weitere Akteure an eine Regel, Verpflichtung oder ein Regelwerk gebunden sind. Ihr Verhalten wird durch allgemeine Regeln, Verfahrensweisen und internationales sowie nationales Recht beschränkt. Die Verbindlichkeit wird erzeugt, indem die Regeln in den internationalen Abkommen eindeutig das Verhalten definieren, welches sie voraussetzen, erlauben und verbieten. Die letzte Anforderung stellt die Übertragung der Kompetenz auf Dritte dar, die Regeln zu interpretieren und anzuwenden, Streitigkeiten beizulegen und weitere Regelungen zu treffen (vgl. Abbott et al., 2000, S. 401).
4.1 Die Veränderung in den sozialen Normen |
31
Nach dem Zweiten Weltkrieg breitete sich ein dezentralisiertes, aber interaktives Rechenschaftssystem aus, bei dem sich viele nationale und internationale Gerichte auf nationales und internationales Recht berufen konnten. Dieses ermöglichte die Etablierung der individuellen Rechenschaftspflicht bei Menschenrechtsverletzungen. Interaktiv ist dieses System, da nationale Entscheidungen zur Verfolgung von Straftätern über die Diffusion sozialer Normen über Landesgrenzen hinweg eine Wirkung auf das Ausland erzielen. Als dezentralisiert kann dieses System beschrieben werden, da es kein einzelnes Gericht gibt, welches die Verfahren koordiniert und entscheidet, welche Straftat und welcher Straftäter gerichtlich verfolgt werden. Größtenteils werden diese Entscheidungen von nationalen Gerichten und somit dezentral getroffen (vgl. Sikkink, 2011, S. 18 f.). In diesem Rechenschaftssystem dient der ICC als letzte Instanz der Strafverfolgung, welche angerufen wird, wenn nationale Gerichte nicht in der Lage sind, Menschenrechtsverfahren durchzuführen. Der ICC auf Basis des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs stellt somit die Funktionsfähigkeit dieses Rechenschaftssystems sicher. Ein System, welches nur auf nationaler Rechtsprechung beruht, würde einigen politischen Führern die Möglichkeit eröffnen, sich einer individuellen Strafverfolgung zu entziehen, indem Prozesse im eigenen Land kraft politischer Macht verhindert werden oder über den Gang ins Exil in befreundeten Staaten eine Strafverfolgung verhindert würde. Ein transnationales Rechenschaftssystem erhöht die Wahrscheinlichkeit einer juristischen Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen (vgl. Sikkink, 2011, S. 18 f.). Somit erfolgt die Rechtsprechung nach dem Subsidiaritätsprinzip hauptsächlich auf nationaler Ebene, ergänzt durch internationale Gerichte. 2. Strömung: Nationale Verfahren
GRE POR ARG CHL
1. Strömung: Nürnberg &Tokyo Internationale Verfahren
CPPCG GC
ICTY ICTR ICC
ICSPCA
CAT
RS
Rechtliches Fundament Errichtung eines dezentralisierten, interaktiven Systems weltweiter Rechenschaftspflicht
1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Zeitleiste CPPCG: Völkermordkonvention GC: Genfer Konventionen RS: Römisches Statut des ICC
ICSPCA: Apartheidskonvention CAT: Antifolterkonvention
Abb. 4.1: Gerechtigkeitskaskade nach Sikkink (2011).
32 | 4 Die Verfolgung von Repressionen
Das rechtliche Inkrafttreten der Norm der individuellen strafrechtlichen Rechenschaftspflicht von politisch Verantwortlichen auf der Basis internationalen Rechts kann anhand zweier separater Strömungen beschrieben werden (siehe Abb. 4.1). Die erste Strömung über internationale Verfahren begann mit den Nürnberger Prozessen zwischen 1945 und 1946 und fand ihre Fortsetzung nach einer knapp 50-jährigen Pause mit den Verfahren vor den Internationalen Strafgerichtshöfen für das ehemalige Jugoslawien ICTY (1993) und Ruanda ICTR (1994). Diese Verfahren förderten die Doktrin und Rechtsprechung einer individuellen strafrechtlichen Rechenschaftspflicht und setzten diese in die Tat um. Die zweite Strömung über nationale Verfahren und Strafverfolgung im Ausland begann mit den Prozessen in Griechenland und Portugal in den 1970er-Jahren und in Argentinien im Jahr 1985 und setzte sich mit dem viel beachteten Prozess gegen Augusto Pinochet zum Ende der 1990er-Jahre fort (vgl. Mignone et al., 1984; Sikkink, 2011). Die effektivsten Institutionen bei der Durchsetzung internationaler Menschenrechtsregeln basieren auf einer vorausgehenden Konvergenz auf soziologischer, ideologischer und institutioneller Ebene, die in gemeinsame Normen endet (vgl. Moravcsik, 1995, S. 178 ff.). Die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen als ein relativ neues rechtsprechendes Modell beinhaltet die soziale Norm, dass Staatsoberhäupter bei Verstößen gegen das Menschenrecht persönlich zur Rechenschaft gezogen werden sollten (vgl. Kim & Sikkink, 2012). Eine Diffusion der sozialen Norm der Einhaltung von Menschenrechten tritt auf, wenn die Entscheidung für eine Verfolgung von Menschenrechtsverletzung durch die vorhergehende Entscheidung eines anderen Landes systematisch beeinflusst wird (vgl. Sikkink & Kim, 2013; Simmons et al., 2006). Insbesondere der Menschenrechtsprozess in Argentinien verursachte eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, was zu einer Reihe ähnlicher Prozesse in Lateinamerika und der Karibik führte (vgl. Lutz & Sikkink, 2001).⁹ Die Diffusion verläuft über die Imitation der Politikentscheidungen anderer Staaten, wobei Vorkommnisse in Nachbarländern einen besonders großen Einfluss besitzen (vgl. Strang, 1991, S. 341). Die Imitation erfolgt dabei über Zwang, Wettbewerb oder einen Lernprozess (vgl. Berry & Berry, 1990; Goodman & Jinks, 2004; Simmons et al., 2006). Sie kann sowohl horizontal als auch vertikal vorliegen (vgl. Daley & Garand, 2005, S. 619). Horizontal verläuft eine Diffusion, wenn sich bestimmte soziale Normen von einem Land auf ein anderes Land ausbreiten. Eine vertikale Diffusion besteht, wenn ein Land die Idee der individuellen rechtlichen Rechenschaftspflicht von einer überstaatlichen Organisation übernimmt (vgl. Sikkink, 2011, S. 249). Die Diffusion der sozialen Norm der individuellen Rechenschaftspflicht bei Menschenrechtsverletzungen erfolgte bisher sowohl horizontal als auch vertikal über die Ratifikation internationaler Verträge, die wirtschaftliche Liberalisierung und die Verbreitung politischer Systeme (vgl. Gleditsch & Ward, 2006; Sikkink & Walling, 2007; Simmons &
9 Bolivien, Guatemala, Panama, Chile und Haiti.
4.1 Die Veränderung in den sozialen Normen |
33
Elkins, 2004; Simmons et al., 2006, 2008; Starr, 1991). Die schnelle Diffusion von zunehmend verstärkten Durchsetzungsmaßnahmen und paralleler nationaler Rechtsprechung, die selbständig oder zusammen mit internationalen Strafgerichten gefällt wurde, verringerte im Zuge dieses Normenwandels die Wahrscheinlichkeit einer Straffreiheit nach dem Begehen von Menschenrechtsverletzungen für politische Führer (vgl. Roht-Arriaza & Mariezcurrena, 2006).
Länderanzahl
15
Menschenrechtsprozesse gegen hochrangige Beamte Menschenrechtsprozesse gegen niedrige Beamte
10
5
19 8 19 0 8 19 1 82 19 8 19 3 84 19 8 19 5 86 19 8 19 7 88 19 8 19 9 9 19 0 9 19 1 92 19 9 19 3 94 19 9 19 5 96 19 9 19 7 98 19 9 20 9 00 20 0 20 1 02 20 0 20 3 04 20 0 20 5 06
0
Jahr
Abb. 4.2: Anzahl an Transformationsländern mit Menschenrechtsprozessen. Datenquelle: Kim (2012).
Die Anzahl der Menschenrechtsprozesse dient als ein Indikator für die Diffusion der individuellen Rechenschaftspflicht bei Menschenrechtsverletzungen (siehe Abb. 4.2). Bis in die 1980er-Jahre stellten Menschenrechtsverfahren in Transformationsländern eine Ausnahme dar. Mit dem Ende des Kalten Krieges ist ein deutlicher Anstieg der Länder mit Menschenrechtsverfahren sowohl gegen hochrangige Beamte (dunkel) als auch gegen Beamte mit niedrigem Rang und Zivilisten (hell) festzustellen.
4.1.2 Die Ratifikation internationaler Menschenrechtsabkommen Rechtlich betrachtet drücken Staaten ihr Bekenntnis zu internationalen Menschenrechtsnormen durch die Unterzeichnung und Ratifikation von Menschenrechtsabkommen aus. Gemäß Artikel 18, 1155 United Nations Treaty Series, verpflichtet sich ein Staat mit der Ratifikation eines UN-Vertrages, Handlungen zu unterlassen, die
34 | 4 Die Verfolgung von Repressionen
dem Gegenstand und Ziel des Vertrags entgegenstehen (vgl. Vereinte Nationen, 1969). Die Einhaltung der Menschenrechtsnormen erfolgt anhand von vier ineinander übergehenden Schritten (vgl. Kent, 1999, S. 236): Auf internationaler Ebene stehen am Anfang des Prozesses die (1) Unterzeichnung des internationalen Abkommens zur Einhaltung der Menschenrechte und die Anerkennung der beinhalteten sozialen Normen. Gefolgt wird diese (2) von der Einhaltung der formalen Abläufe mit Berichterstattung und weiteren Anforderungen. Auf nationaler Ebene wird dieser Prozess (3) von der De-jure-Einhaltung der Inhalte des Abkommens und Einbindung der Normen in nationales Recht sowie (4) von der De-facto-Einhaltung der Inhalte des Abkommens begleitet. Für die im Land vorherrschende Menschenrechtspraxis ist die De-facto-Einhaltung der Inhalte des Abkommens entscheidend. Diese wird durch eine Selbstverpflichtung oder über einen wirksamen Durchsetzungsmechanismus erreicht. Politische Führer können von den Normen selbst zu einer Einhaltung der Verpflichtungen angehalten werden (vgl. Chayes & Chayes, 1993; Koh, 1997). Da internationale Abkommen häufig solche Regelungen beinhalten, die dem Verhalten der unterzeichnenden Staaten ohnehin entsprechen, und ein Brechen dieser Regeln nur geringe Vorteile mit sich bringt, ist diese Ansicht jedoch umstritten (vgl. Downs et al., 1996, S. 380). Insbesondere bekennen sich viele demokratische Regierungen zu den internationalen Menschenrechtsnormen, da diese mit den im Land gelebten Normen weitestgehend übereinstimmen und die Ratifikation lediglich geringe Kosten verursacht (vgl. Simmons, 2009, S. 108). Jedoch ist auch zu beobachten, dass Staaten Menschenrechtsabkommen ratifizieren, ohne dass sie von deren Inhalten überzeugt sind. So widerspricht der Inhalt internationaler Menschenrechtsabkommen häufig der Politikwahl von Autokraten. Für diese spielen bei der Ratifikation die Inhalte des internationalen Rechts nur eine untergeordnete Rolle (vgl. Bork, 1989; Boyle, 1980). Die Errichtung eines Menschenrechtsregimes geht zwar mit der normativen Erwartung einher, dass sich jeder ratifizierende Staat dem Schutz der Menschenrechte seiner Bürger verschreibt. Die Einhaltung der Abkommen ist jedoch für manche politische Regime abhängig von drohenden Sanktionen bei Verstößen gegen diese sozialen Normen. Fehlt ein wirksamer Durchsetzungsmechanismus für die Inhalte der Menschenrechtsabkommen, kann dies zu einer Diskrepanz zwischen der offiziellen Bereitschaft zum Schutz dieser Rechte über die Ratifikation und der tatsächlichen Menschenrechtspraxis führen (vgl. Hafner-Burton et al., 2008, S. 121 f.). Gäbe es einen wirksamen Durchsetzungsmechanismus, würde die Ratifikation solcher Abkommen insbesondere für die politischen Führer autokratisch regierter Länder ein teures Signal darstellen, da eine Ratifikation einer Selbstverpflichtung dem Verzicht von Repressionen gleichkommen würde. Dies kann jedoch insbesondere nicht für Autokratien mit geringem oder nicht vorhandenem Schutz von Menschenrechten bestätigt werden. So wird für die Ratifikation von Menschenrechtsabkommen wie dem ICCPR kein genereller Effekt auf den Schutz der Rechte auf körperliche Unversehrtheit festgestellt (vgl.
4.1 Die Veränderung in den sozialen Normen |
35
Hathaway, 2002; Keith, 1999). Vielmehr besteht eine positive Auswirkung auf das Verhalten in Demokratien nach der Ratifikation von Menschenrechtsabkommen, jedoch kein Effekt auf das Verhalten in Nicht-Demokratien (vgl. Morrow, 2007). Die grundlegenden Menschenrechtsabkommen scheinen zudem in Ländern mit hohem Repressionslevel die geringste Wirkung zu besitzen, also genau dort, wo ein rechtlicher Schutz am nötigsten wäre (vgl. Hafner-Burton & Tsutsui, 2007). Dies lässt den Schluss zu, dass die Ratifikation in manchen Regimen lediglich als günstiges Signal an die Weltgemeinschaft genutzt wird, um internationalen politischen Druck abzuwenden. In diesen Ländern wird auf die Umsetzung entscheidender Abkommensbestandteile in der nationalen Rechtsprechung verzichtet und die Ratifikation als Signal einer vermeintlichen Identifikation mit internationalen Werten genutzt. Dies ist möglich, da es den Abkommen an unmittelbaren und wirksamen Sanktionsund Durchsetzungsmechanismen mangelt. Folglich müssen die politischen Eliten keine direkten Konsequenzen bei Verstößen gegen internationale Menschenrechtsabkommen fürchten (vgl. Goldsmith & Posner, 2005; Neumayer, 2005). Vielmehr dient die Ratifikation als eine kostengünstige Möglichkeit, den internationalen politischen Druck auf das Regime zu mindern (vgl. Hathaway, 2002, S. 2007). Von ihr geht ein Signal der Identifikation mit den Menschenrechtsnormen an andere Länder, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Investoren aus, die eine Erhöhung der Entwicklungshilfeleistungen, des Handels und der Direktinvestitionen zur Folge haben können (vgl. Hathaway, 2005, S. 504 ff.). Die tatsächliche Einhaltung der Menschenrechtsabkommen kann nur langfristig beurteilt werden, wodurch die Ratifikation für repressive Autokraten für die Reputation in der Weltgemeinschaft mittelfristig vorteilhaft ist. Darüber hinaus ergeben sich durch einen Verstoß gegen internationale Menschenrechtsabkommen auch innenpolitische Vorteile. Die Ratifikation eines Menschenrechtsabkommens und der anschließende Verstoß gegen dieses signalisiert die Stärke des Regimes gegenüber der Opposition (vgl. Hollyer & Rosendorff, 2011). Eine isolierte Betrachtung der Ratifikation von Menschenrechtsabkommen kann somit nicht als ein Indikator für einen Wandel in den weltweiten Menschenrechtsnormen genutzt werden. Bis heute haben 123 Staaten das Römische Statut des Internationalen Gerichtshofs ratifiziert. Weitere 31 haben es unterzeichnet, jedoch noch nicht ratifiziert. Das Statut ermöglicht dem Internationalen Gerichtshof die Ausübung der Rechtsprechung im Bereich von vier festgelegten Verbrechensarten, welche schwerste Verstöße gegen internationale Menschenrechte und gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Aggressionsverbrechen. Ratifizierende Staaten gehen eine unbegrenzte Kooperation mit dem Internationalen Gerichtshof ein (vgl. Vereinte Nationen, 2000, Art. 86), was insbesondere die Verpflichtung einschließt, beschuldigte Personen an das Gericht auszuliefern (vgl. Vereinte Nationen, 2000, Art. 89). Den ICCPR haben bis dato 167 Länder ratifiziert. Der ICCPR stellt eine rechtliche Basis dar, auf die sich die Opfer staatlicher Gewalt bei ihrer Forderung nach Gerechtigkeit beziehen können (vgl. Goodman & Jinks,
36 | 4 Die Verfolgung von Repressionen
2003, S. 176). Durch die Ratifikation des ICCPR besteht jedoch kein individuelles Recht zur Forderung nach der Bestrafung von Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen. Vielmehr sind Vertragsstaaten durch den Pakt verpflichtet, Verantwortliche für schwere Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen, wobei das Ausmaß der verhängten Strafe auf die Straftat abgestimmt sein soll (vgl. Seibert-Fohr, 2009).
4.2 Die Motivation hinter der Strafverfolgung Den Startpunkt der Aufarbeitung der Menschenrechtspraxis der Vergangenheit stellt häufig ein Übergang von einem autokratischen zu einem demokratischen politischen System dar. Charakteristisch für diese Übergangsjustiz ist ein rechtliches Vorgehen gegen Fehlverhalten von repressiven Vorgängerregimen (vgl. Teitel, 2003, S. 69). Die Motivation zur Durchführung von Menschenrechtsverfahren kann auf drei Ursachen zurückgeführt werden: auf die rechtliche Pflicht zur Verfolgung, auf das Machtverhältnis zwischen der neuen und der alten Elite und auf die Aktivität transnationaler Netzwerke zur Einhaltung der Menschenrechte.
4.2.1 Die rechtliche Pflicht zur Verfolgung Internationales Recht verpflichtet die Staaten zur Anklageerhebung gegen ehemalige repressive Autokraten (vgl. Orentlicher, 1991; Roht-Arriaza, 1990). So beinhaltet das Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung von Völkermord (vgl. Vereinte Nationen, 1948b, Art. 6 und 7) oder das Internationale Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (vgl. Vereinte Nationen, 1984, Art. 7) für ratifizierende Staaten die explizite Pflicht der Verfolgung von Menschenrechtsverstößen (vgl. Olsen et al., 2010, S. 983 f.). ICCPR-Vertragsstaaten sind verpflichtet, gegen Menschenrechtsverstöße vorzugehen, die auf ihrem Territorium stattgefunden haben, die Rechte des Paktes zu respektieren und deren Einhaltung zu sichern (Art. 2(1)). Darüber hinaus sind sie zur Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen angehalten. Opfern von Rechtsverstößen sollen effektive Rechtsmittel zur Verfügung gestellt werden (Art. 2(3)) (vgl. Human Rights Committee, 2004). Dabei muss die Bestrafung nicht zwangsläufig eine strafrechtliche Sanktion darstellen, sondern soll entsprechend der Schwere der Menschenrechtsverletzung erfolgen (vgl. Scharf, 1996; Seibert-Fohr, 2009).
4.2 Die Motivation hinter der Strafverfolgung
| 37
4.2.2 Das Machtverhältnis zwischen neuer und alter Elite Die Entscheidung, ob sich die ehemalige politische Elite vor Gericht für ihre Menschenrechtspraxis verantworten muss, hängt nach der von Huntington (1991) auf die nationale Politik angewandten Power-balance-Theorie primär vom Machtverhältnis zwischen der neuen und der alten Elite ab. Dieses ist direkt mit der Art des Übergangs verbunden. Autokratische Führer, die selbst einen geregelten Übergang des politischen Systems in eine Demokratie einleiten und gestalten, können ihre Straffreiheit zur Bedingung eines geregelten Überganges machen und so einen Teil ihrer Macht ins neue politische System mitnehmen. Mitglieder der autokratischen Elite, deren Regime einen Zusammenbruch erfuhr, verfügen hingegen über keine Macht im nachfolgenden politischen System und müssen eine strafrechtliche Verurteilung fürchten (vgl. Huntington, 1991, S. 213 ff.). Kim (2012) ermittelt für den Einfluss des Machtverhältnisses zwischen der neuen und der alten Elite auf die Wahrscheinlichkeit für Menschenrechtsverfahren nach einem Umsturz einen kurzfristigen Zusammenhang. Demnach ist diese Theorie kurzzeitig nach der Machtübergabe unbestritten, mittel- und langfristig kann aber keine generelle Gültigkeit des Einflusses des Machtverhältnisses festgestellt werden.
4.2.3 Die Aktivität transnationaler Netzwerke zur Einhaltung der Menschenrechte Nach dem Power-balance-Ansatz ist allein die Entscheidung der neuen Elite dafür maßgeblich, ob Menschenrechtsprozesse gegen ehemalige politische Führer durchgeführt werden. Die Forderung der Opfer nach Gerechtigkeit findet bei der Betrachtung des Machtverhältnisses zwischen der neuen und der alten Elite keine Berücksichtigung (vgl. Kim, 2012, S. 307). Ob ein Beamter aufgrund von Menschenrechtsverstößen angeklagt wird, hängt jedoch zu einem großen Teil davon ab, ob es eine Partei gibt, die die Rechenschaftspflicht eines (ehemaligen hochrangigen) Beamten einfordert. In jungen Demokratien setzt sich diese Partei häufig aus Mitgliedern transnationaler Interessensnetzwerke zusammen (vgl. Sikkink, 2011, S. 18). Transnationale Netzwerke bestehen aus national und international tätigen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Zivilgesellschaftsorganisationen, einzelnen Bürokraten, den Medien und Teilen internationaler Regierungsorganisationen. Diese bildeten sich in den 1960er- und 1970er-Jahren als Reaktion auf das Versagen der Vereinten Nationen, um angemessen auf die weltweit stattfindenden systematischen Menschenrechtsverletzungen reagieren zu können (vgl. Schmitz & Sikkink, 2012; Sikkink & Kim, 2013). Die zentrale Forderung dieser Netzwerke stellt die lückenlose juristische Aufklärung der politischen Vergangenheit dar, bei der auch ehemalige politische Führer zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. Risse et al., 1999). Neben der Forderung nach juristischer Aufklärung und der Zurechenschaftsziehung der Verantwortlichen ist die Lenkung der öffentlichen Aufmerksamkeit auf Men-
38 | 4 Die Verfolgung von Repressionen
schenrechtsverstöße durch die Verbreitung von Informationen ein wichtiges Ziel der Netzwerke. Im Vergleich zu internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder souveränen Staaten besitzen sie deutlich weniger materielle Macht. Ihre Stärke liegt in der schnellen Verbreitung von Informationen über Menschenrechtsverletzungen, die zu einer geringeren Kontrolle über die Informationen seitens der Regierungen führt (vgl. Schmitz & Sikkink, 2012, S. 838 f.). Folglich ist eine Verbesserung der Menschenrechte in den Ländern wahrscheinlich, in denen diese Interessengemeinschaften, bestehend aus internationalen Menschenrechts-NGOs und inländischen NGOs, durchsetzungsstark sind und sich Gehör verschaffen können (vgl. Risse et al., 1999). Seit dem Ende des Kalten Krieges kann eine Zunahme des Einflusses von internationalen und nationalen Menschenrechts-NGOs, zwischenstaatlichen Einrichtungen und den Medien beobachtet werden (vgl. Keck & Sikkink, 1998, S. 8 f.). Galten die Forderungen dieser Netzwerke für die Eröffnung von Menschenrechtsverfahren lange Zeit als notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung, ermittelt Kim (vgl. 2012) für Transformationsländer, dass aktive nationale und internationale MenschenrechtsNGOs einen langfristigen positiven Effekt auf die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen besitzen, indem sie eine Durchführung von Menschenrechtsverfahren sicherstellen. Er bestätigt damit die Ergebnisse von Hafner-Burton & Tsutsui (vgl. 2005, S. 1385 f.), die ebenfalls einen positiven Effekt der Anzahl der im Land tätigen internationalen NGOs auf die Menschenrechtspraxis ermitteln. Diese Interessengemeinschaften stellen somit einen Durchsetzungsmechanismus dar, der den internationalen Menschenrechtsabkommen fehlt. Generell gilt, dass bei einem Fehlen einer aktiven Zivilgesellschaft die Ratifikation von Menschenrechtsabkommen so gut wie keinen positiven Effekt auf die Verbesserung der Menschenrechtslage in reinen Autokratien besitzt (vgl. Neumayer, 2005). Die Forderung nach Gerechtigkeit und persönlicher Rechenschaftspflicht seitens der Opfer und internationaler Menschenrechtsorganisationen stellt eine hinreichende Bedingung für die Strafverfolgung dar (vgl. Kim, 2012; Murdie & Peksen, 2014). Folglich beeinflusst die Aktivität der im Inland tätigen Organisationen die Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverfahren gegen ehemalige politische Eliten entscheidend. Darüber hinaus hat die Aktivität von Menschenrechts-NGOs eine positive Wirkung auf die politische Beteiligung der Bevölkerung und somit auf die Menschenrechtspraxis in nicht demokratischen Ländern (vgl. Boulding, 2010; Murdie, 2009). Ohne die Existenz transnationaler Interessengruppen als hinreichende Bedingung kann die gegenwärtige Veränderung bei der Strafverfolgung somit nicht erklärt werden (vgl. Kim, 2012). Eine Stärkung der inländischen Zivilgesellschaft und der politischen Institutionen sowie der internationalen Organisationen, welche diesen Normenwandel begleiten, stellt eine vielversprechende Strategie dar (vgl. Moravcsik, 1995, S. 182). Im Gegensatz zur Aktivität von Menschenrechts-NGOs geht von einem internationalen Druck auf Regierungen kein entscheidender Einfluss aus und dieser kann zudem zu Problemen bei der Prozessdurchführung führen (vgl. Grodsky, 2011; Subotic, 2009).
4.3 Der Wirkungsmechanismus der Strafverfolgung
|
39
4.3 Der Wirkungsmechanismus der Strafverfolgung Gemäß der Rational-choice-Theorie wägen Autokraten den Nutzen der Repressionen gegen deren Kosten ab und entscheiden sich für Repressionen, wenn für sie der Nutzen größer ist als die Kosten. Mögliche Nutzen, die durch die Verletzung von Menschenrechten erzielt werden, entstehen durch die Sicherung der politischen Macht über die Unterdrückung der Opposition. Ferner ermöglichen sie Einkommenssteigerungen durch die Erzielung höherer privater Renten und die Ausbeutung eines bestimmten Bevölkerungsteils. Kosten durch Repressionen entstehen durch deren mögliche Folgen, wie Wirtschaftssanktionen, inner- und zwischenstaatliche gewalttätige Konflikte und die Erwartung eines schlechten Schicksals nach der Amtszeit durch eine höhere Bestrafungswahrscheinlichkeit. Rechtsverstöße und Verstöße gegen Gesellschaftsnormen verursachen bei gegebener persönlicher juristischer Verantwortung direkte teure materielle Konsequenzen wie den eigenen Tod, Gefängnis oder das Einfrieren von Vermögenswerten und soziale Kosten durch Gerichtsverfahren und Wahrheitskommissionen wie Reputationsverlust oder den Verlust von Unterstützern (vgl. Escribà-Folch, 2013). Die Höhe der sozialen Kosten richtet sich bei Menschenrechtsverletzungen nach der Verbreitung sozialer Menschenrechtsnormen, wobei die Kosten mit ihrer weltweiten Diffusion und Akzeptanz steigen. Die Wahrscheinlichkeit eines schlechten Schicksals nach der Amtszeit steigt mit dem Level der Menschenrechtsverletzungen und somit auch deren Kosten (vgl. Kim & Sikkink, 2010). Da die Kosten durch die Höhe der Bestrafungswahrscheinlichkeit bestimmt werden, können nach diesem Ansatz Verbesserungen bei der Menschenrechtspraxis durch eine Erhöhung der Bestrafungswahrscheinlichkeit nach der Amtszeit erzielt werden (vgl. Kim & Sikkink, 2010, S. 944 f.).
4.3.1 Der Abschreckungseffekt der juristischen Durchsetzung der Menschenrechte Bei der Untersuchung der grenzüberschreitenden Wirkung der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen werden die Annahmen des Rational-choice-Ansatzes und der Einfluss der sozialen Normen gemeinsam betrachtet. Die Aufarbeitung der Menschenrechtspraxis in einem Nachbarstaat hat für sich genommen keinen direkten Einfluss auf die Höhe der materiellen Kosten einer Bestrafung eines politischen Führers. Jedoch ist sie ein Indiz für die regional oder weltweit vorherrschende Auffassung über die Gültigkeit der Menschenrechtsnorm, die wiederum die Erwartungen des politischen Führers über das Verhalten seines politischen Nachfolgers beeinflusst (vgl. Kim & Sikkink, 2010, S. 945 f.). Von den Menschenrechtsverfahren geht ein Abschreckungseffekt für Autokraten aus. Mit Abschreckung ist in diesem Zusammenhang der hemmende Effekt von Sanktionen auf die kriminelle Aktivität von Personen gemeint, die nicht dem Sanktionierten entsprechen (vgl. Blumstein et al., 1978, S. 3). Diese Definition stellt klar heraus, dass bei der Untersuchung des Abschreckungseffekts
40 | 4 Die Verfolgung von Repressionen
von Menschenrechtsverfahren nicht das zukünftige Verhalten des Sanktionierten im Zentrum der Untersuchung steht, sondern das zukünftige Verhalten von Personen, die diese Sanktionierung beobachten (vgl. Kim & Sikkink, 2010, S. 943). Ursprünglich konzentrierte sich die empirische und theoretische Literatur zum Abschreckungseffekt auf den Einfluss der nationalen Strafverfolgung auf zukünftige Rechtsverstöße der Bewohner dieses Landes. Nach dieser hat eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung einen größeren Einfluss auf die Entscheidung, gegen bestehendes Recht zu verstoßen, als eine Erhöhung der Strafe um denselben Faktor (vgl. Cameron, 2004; Cook, 1980; Matsueda et al., 2006; McCarthy, 2002). Erklärt werden kann dies damit, dass der marginale Abschreckungseffekt der Bestrafung mit steigender angedrohter Haftdauer durch die Angewohnheit der Menschen, die Zukunft zu diskontieren, sinkt (vgl. Cook, 1980, S. 232). Sowohl die Gefahr der Entdeckung als auch die Angst vor einer Strafverfolgung weisen eine deutliche abschreckende Wirkung auf. Von einer für sicher gehaltenen Bestrafung geht ein bedeutender Abschreckungseffekt aus (vgl. Klepper & Nagin, 1989, S. 741). Die Untersuchungen der Wirkung der internationalen Strafverfolgung und der Diffusion sozialer Normen über Landesgrenzen hinweg auf zukünftige Rechtsverstöße der politischen Führer in Transformationsländern basiert auf diesen Befunden (vgl. Escribà-Folch & Wright, 2015; Kim & Sikkink, 2010). Der Wirkungsmechanismus hinter diesem grenzüberschreitenden Abschreckungseffekt kann bisher jedoch noch nicht gänzlich erklärt werden. Kim & Sikkink (2010) vermuten, dass die Zunahme an Strafverfolgungen in Nachbarländern dazu führt, dass die Staatsfunktionäre eine gestiegene Bestrafungswahrscheinlichkeit annehmen. Zusammen mit einer Veränderung der Einstellung der Bevölkerung gegenüber Menschenrechtsverletzungen im Sinne einer stärkeren Forderung nach Gerechtigkeit führt dies zu höheren (materiellen und sozialen) Kosten der Repressionen.¹⁰ Vor 1970 waren Menschenrechtsverfahren gegen politische Eliten die absolute Ausnahme und die Gewährung von Immunität im Inland oder im Exil nach dem Machtverlust die Regel (vgl. Kim & Sikkink, 2010, S. 943 f.). Im Zuge der Etablierung internationaler Menschenrechte kam es zu einem deutlichen Anstieg der Bestrafungswahrscheinlichkeit. Die Folgen dieses Anstiegs werden anhand zweier Forschungsansätze untersucht: der Auswirkung der gestiegenen Bestrafungswahrscheinlichkeit auf die Bereitschaft repressiver Autokraten, ihr Amt freiwillig niederzulegen (pessimistische Sichtweise), und der Auswirkung der gestiegenen Bestrafungswahrscheinlichkeit auf die Entscheidung von Autokraten, erstmals gegen Menschenrechte zu verstoßen (optimistische Sichtweise). Diese beiden Ansätze widersprechen sich nicht, sondern beschreiben jeweils den Effekt einer erhöhten individuellen Rechen-
10 Im Fokus steht die Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf Autokraten. Die unterschiedlich hohen Kosten der möglichen Bestrafungsarten, wie sie beispielsweise von Becker (1974, S. 12 ff.) analysiert werden, werden bei dieser und in der folgenden Betrachtung nicht beachtet.
4.3 Der Wirkungsmechanismus der Strafverfolgung
|
41
schaftspflicht aufgrund sich ausbreitender internationaler sozialer Normen auf das Verhalten von Autokraten in unterschiedlichen Situationen.
4.3.1.1 Die pessimistische Sichtweise der Menschenrechtsverfolgung Ein Teil der Autoren, die sich mit der Wirkung der Verfolgung von Menschenrechtsverstößen befassen, setzt den Fokus auf die Wirkung einer beim Machtverlust drohenden Übergangsjustiz. Dabei wird das Verhalten von sich noch im Amt befindenden repressiven politischen Führern betrachtet, die sich nach ihrem möglichen Machtverlust einer erhöhten persönlichen juristischen Rechenschaftspflicht gegenübersehen. Vertreter dieser pessimistischen Sichtweise betrachten die Eröffnung von Menschenrechtsverfahren gegen ehemalige Mitglieder politischer Führungen kritisch, da es durch eine höhere Intensität bei der Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen zu einem Anstieg der Kosten der Amtsniederlegung der Autokraten kommt, die schon Rechtsverstöße begangen haben (vgl. Goldsmith & Krasner, 2003, S. 51). Durch bereits begangene Menschenrechtsverletzungen muss der politische Führer eine Bestrafung nach seiner Amtszeit fürchten und versucht über die vermehrte Anwendung von Repressionen die Wahrscheinlichkeit eines Machtverlusts zu minimieren (vgl. Larcom et al., 2014). Eine stärkere Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen führt demnach vor einem Machtwechsel zu einer ungewollten Zunahme der Repressionen durch Autokraten, die den drohenden Machtverlust und die damit verbundene drohende Bestrafung mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern wollen. Daneben kann in jungen Demokratien die Strafverfolgung zu einer Gefahr für die Stabilität werden und nach dem Machtwechsel möglicherweise zu Konflikten in der Bevölkerung zwischen den Anhängern des alten und neuen Regimes führen, was wiederum ein Entstehen eines autokratischen politischen Systems wahrscheinlicher werden lässt (vgl. Elster, 2006; Osiel, 2000). Zudem kann es durch die Ausblendung der politischen Realität dazu kommen, dass durch bestimmte Maßnahmen – wie die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen der beteiligten Parteien während eines Bürgerkrieges – eine weitere Verschlechterung der Menschenrechtspraxis entsteht (vgl. Snyder & Vinjamuri, 2003, S. 5). Der Einsatz von Amnestien für Autokraten, also die bewusste Nichtverfolgung zurückliegender Verstöße gegen Menschenrechte oder andere Exit-Garantien, wird als eine pragmatische Lösung dieses Problems gesehen (vgl. Dix, 1982; Larcom et al., 2014; Snyder & Vinjamuri, 2003). Auch die Exilgewährung durch die Regierung eines anderen Landes wird von den Vertretern der pessimistischen Sichtweise gegenüber einer juristischen Aufarbeitung der Vergangenheit präferiert (vgl. Sutter, 1995). Internationalen Menschenrechtsabkommen und insbesondere der Errichtung des ICC stehen die Proponenten der pessimistischen Sichtweise der Menschenrechtsverfolgung kritisch gegenüber, da diese die Gewährung von Immunität und Exil erschweren (vgl. Ginsburg, 2009).
42 | 4 Die Verfolgung von Repressionen
4.3.1.2 Die optimistische Sichtweise der Menschenrechtsverfolgung Präferieren Vertreter der pessimistischen Sichtweise die Garantien über Amnestien und Exilgewährung für repressive politische Führer, fordern Verfechter der optimistischen Sichtweise eine effektive individuelle Rechenschaftspflicht bei der Bestrafung von menschenrechtsverletzenden politischen Führern. Dabei wird als der bedeutendste Grund für eine Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen die mögliche Folge einer Nichtbestrafung dieser Straftaten angeführt. So würde eine Nichtbestrafung in einem generellen mangelnden Respekt für das geltende Recht enden, da diese faktisch eine Legitimation dieser Verhaltensweisen darstellen würde (vgl. Packer, 1968, S. 287). Folglich steht eine Straffreiheit nach begangenen Menschenrechtsverletzungen dem Respekt der Menschenrechte im Weg und eine Bestrafung dient darüber hinaus nicht nur der rechtlichen Aufarbeitung vergangener Straftaten, sondern soll zudem vor zukünftigen Menschenrechtsverletzungen schützen (vgl. Seibert-Fohr, 2009, S. 46). Die optimistische Sichtweise der Wirkung von Menschenrechtsverfahren bezieht sich auf Länder mit einem neuen politischen Führer, der zum ersten Mal vor der Entscheidung steht, gegen Menschenrechte zu verstoßen. Eine zunehmende Wahrscheinlichkeit, von einer Strafverfolgung betroffen zu sein, führt zu steigenden Kosten der Menschenrechtsverletzungen. Ist eine Menschenrechtsverletzung mit einer hohen Bestrafungswahrscheinlichkeit verbunden, geht – unter der Annahme, dass der Nutzen der Repressionen gleich bleibt – von der Menschenrechtsverfolgung ein starker Abschreckungseffekt aus (vgl. Kim & Sikkink, 2010; Packer, 1968). Repressionen gegenüber der eigenen Bevölkerung gehen als Folge zurück (vgl. Downs et al., 1996; Kim & Sikkink, 2010; Méndez, 1997b; Olsen et al., 2010; Roht-Arriaza, 2005; Roht-Arriaza & Mariezcurrena, 2006; Vinjamuri, 2010).
4.3.2 Die bisherigen Forschungsergebnisse zur Wirkung der Strafverfolgung Die Wirkung der Strafverfolgung von Menschenrechtsverstößen wurde in der Literatur bis vor wenigen Jahren überwiegend mittels Fallstudien und theoretischer Überlegungen beschrieben (vgl. Méndez, 1997a; Risse et al., 1999; Roht-Arriaza, 1995). Thoms et al. (2008) finden bei ihrer Analyse der verfügbaren länderübergreifenden Studien, welche sich mit der Wirkung der Übergangsjustiz auf die Menschenrechtspraxis befassen, weder Belege für einen positiven noch für einen negativen Einfluss. Sie führen ihr Ergebnis unter anderem auf die schlechte Datenbasis der Studien zurück. Bei der Analyse von Fallbeispielen, die geografisch auf Südamerika begrenzt wurden, konnte hingegen ein positiver Effekt von Menschenrechtsprozessen auf benachbarte Länder festgestellt werden (vgl. Sikkink & Walling, 2007). Olsen et al. (2010) testen die Wirkung von Prozessen, Amnestien und Wahrheitskommissionen auf die Menschenrechte und demokratischen Strukturen. Bei der Untersuchung der isolierten Wirkung der jeweiligen Instrumente können sie für keines dieser drei Instrumente
4.3 Der Wirkungsmechanismus der Strafverfolgung
|
43
eine positive Wirkung auf die Menschenrechtspraxis oder demokratischen Strukturen ermitteln. Für Wahrheitskommissionen stellen sie vielmehr einen signifikant negativen Effekt auf die Menschenrechtslage fest. Kim & Sikkink (2010) testen erstmals die Abschreckungshypothese mit einer quantitativen Analyse. Sie ermitteln, dass Transformationsländer, in denen Strafverfahren gegen Menschenrechtsverstöße abgehalten wurden, geringere Verstöße gegen Menschenrechtsnormen aufweisen als Transformationsländer ohne Menschenrechtsverfahren. Darüber hinaus können autokratische politische Führer auch dann von Verstößen abgehalten werden, wenn es keinen De-facto-Durchsetzungsmechanismus gibt: Obwohl Wahrheitskommissionen über keinen materiellen Bestrafungsmechanismus verfügen, führen sie zu einer Senkung der Unterdrückung in Transformationsländern (vgl. Kim & Sikkink, 2010; Ritter & Wolford, 2012). Der größte Abschreckungseffekt stellt sich bei der gleichzeitigen Durchführung von normativer (Wahrheitskommissionen) und materieller (gerichtliche Verfolgung) Bestrafung ein (vgl. Kim & Sikkink, 2010; Olsen et al., 2010). Ein Transformationsland ohne inländische Strafverfolgungsaktivität erfährt darüber hinaus einen Abschreckungseffekt, falls in einer ausreichenden Anzahl von Nachbarländern repressive Aktivitäten strafrechtlich verfolgt werden (vgl. Kim & Sikkink, 2010; Roht-Arriaza, 2002; Sikkink & Walling, 2007). Dabei hat die geografische Nähe einen geringeren Effekt auf die Diffusion sozialer Normen als ein ähnlicher kultureller Hintergrund (vgl. Kim, 2012). Diese Ergebnisse unterstützen die optimistische Sichtweise auf die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen. Insgesamt zeigen die Forschungsergebnisse jedoch kein einheitliches Bild zum Abschreckungseffekt der juristischen Durchsetzung der Menschenrechte auf das Verhalten politischer Führer.
5 Die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit eines repressiven Autokraten Wählt der politische Führer eine Politik der Selbstbereicherung und Menschenrechtsverletzung, kann er sein politisches Amt verlieren. Im Zuge des möglichen Machtverlusts ist der politische Führer nach seiner Amtszeit von inländischer oder internationaler Strafverfolgung bedroht, wenn für ihn nicht die Möglichkeit besteht, sich einer Strafverfolgung zu entziehen. Die objektive Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung kann auf das tatsächliche Ausmaß von nationaler und internationaler Strafverfolgung zurückgeführt werden. Ist dieses hoch, ist auch die Wahrscheinlichkeit eines schlechten Schicksals für einen Autokraten nach dessen Sturz hoch. Letztlich entscheidend für die Politikwahl des Autokraten ist jedoch seine subjektive Einschätzung über seine Bestrafungswahrscheinlichkeit, die von der objektiven abweichen kann. Die Höhe der subjektiven Wahrscheinlichkeit, dass er anschließend Beschuldigter in einem Menschenrechtsverfahren ist und somit ein schlechtes Schicksal erfährt, leitet er aus den institutionellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ab. So basiert die Diskrepanz zwischen der objektiven und der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit auf dem Zugang zu Informationen über das Schicksal anderer Autokraten nach ihrer Amtszeit, der Möglichkeit, Repressionen geheim zu halten, und der Möglichkeit, sich institutionell gegen eine Strafverfolgung abzusichern. Cook (1980, S. 222 f.) identifiziert drei Informationskanäle, über die sich potenzielle Kriminelle hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung und des Ausmaßes der sie zu erwartenden Strafe informieren: (1) die Berichterstattung in den Medien, (2) eine sichtbare Präsenz von Fahndungsbehörden und (3) persönliche Erfahrungen und Beobachtungen. Diese Informationskanäle lassen sich auch bei potenziell repressiven Autokraten finden, wobei die einzelnen Informationskanäle nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden können. Die Berichterstattung in den Medien über die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen anderer Autokraten wirkt insbesondere über Berichte von rechtlichen Maßnahmen, Gerichtsverfahren und der Verbreitung von Informationen zu neuen internationalen Programmen und politischen Maßnahmen. Menschenrechts-NGOs stellen ein wichtiges Element der Berichterstattung und der Informierung der Öffentlichkeit dar. Diese veröffentlichen Berichte wie den Jahresbericht über die Menschenrechtslage in den Ländern der Welt (Amnesty International) und versorgen die Medien mit Informationen zu begangenen Menschenrechtsverletzungen. Indem sie Menschenrechtsverstöße öffentlich machen, setzen transnationale Interessengemeinschaften repressive Staatsfunktionäre unter Druck. Dadurch wird bei Verstößen gegen das Menschenrecht weltweite Aufmerksamkeit auf die Staatsführung gelenkt. Dies führt zu einer eingeschränkten Möglichkeit, nach der Amtszeit im Ausland Exil zu erhalten, und erleichtert zudem die Strafverfolgung im eigenen Land. Die Berichterstattung der NGOs verschlechtert die Aussichten auf ein gutes Schicksal nach DOI 10.1515/9783110521184-007
46 | 5 Die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit eines repressiven Autokraten
dem Machtverlust. Staatsfunktionäre werden dadurch zur Integration der Inhalte der Menschenrechtsabkommen in die nationale Rechtsprechung angehalten (vgl. Hafner-Burton & Tsutsui, 2005; Neumayer, 2005; Schmitz & Sikkink, 2012). Als Organe zur rechtlichen Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen agieren nationale Fahndungsbehörden und Gerichte sowie suprastaatliche Einrichtungen wie die fallspezifisch eingerichteten internationalen Strafgerichtshöfe der UN. Diese werden errichtet, wenn das nationale Rechtssystem nicht in der Lage ist, einen Prozess selbst durchzuführen. Die Präsenz dieser Gerichtshöfe stellt ein starkes Signal für eine höhere Bestrafungswahrscheinlichkeit für politische Führer dar. Unterstützung bei ihrer Arbeit erfahren die Gerichtshöfe wiederum durch die Arbeit der MenschenrechtsNGOs. Persönliche Erfahrungen und Beobachtungen haben einen starken Effekt auf die persönliche Wahrnehmung der Durchsetzungsfähigkeit der weltweiten Strafverfolgung und somit auf die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit (vgl. Cook, 1980, S. 224). Beobachten Autokraten einen sozialen Normenwandel hin zu einer individuellen juristischen Rechenschaftspflicht für repressive Autokraten über eine Zunahme der Menschenrechtsverfahren, bilden diese entsprechende Erwartungen über ihr Schicksal in der Zeit nach ihrer Amtszeit. Abhängig vom Regimetyp besteht für Autokraten für die Zeit nach der Amtsausübung die Möglichkeit, sich gegen eine strafrechtliche Verfolgung institutionell, beispielsweise durch eine zugesicherte Immunität, abzusichern. Alternativ zu der im eigenen Land gewährten Immunität ist ein möglicher Gang in ein Exil gewährendes Land möglich, welches auch langfristig einen „sicheren Hafen“ darstellt. Können sich Autokraten aufgrund von verfügbaren sicheren Exilländern oder einer institutionellen Absicherung einer Bestrafung entziehen, bedeutet dies für sie ein gutes Schicksal (siehe Abb. 5.1). Der Wirkungszusammenhang der einzelnen Einflussfaktoren auf die Erwartungen der politischen Führer über ihr Schicksal wird nachfolgend näher erläutert. nationale und internationale Strafverfolgung
gutes Schicksal
hoch ja
effektive institutionelle Absicherung nein Exilmöglichkeiten
nein
schlechtes Schicksal
gering
ja ja
Exil = sicherer Hafen
nein
Abb. 5.1: Schicksal eines Autokraten in Abhängigkeit von politischen und soziokulturellen Faktoren.
5.1 Die Intensität internationaler und nationaler juristischer Strafverfolgung
| 47
5.1 Die Intensität internationaler und nationaler juristischer Strafverfolgung Die vom Autokraten wahrgenommene Wahrscheinlichkeit für ein schlechtes Schicksal hängt direkt vom Ausmaß der de facto vorgenommenen Strafverfolgung ab. Dieses bestimmt die Höhe der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit. Autokraten sind sich dessen bewusst, dass Staaten von anderen Staaten lernen (vgl. Haas, 1992; Weyland, 2005). Eine Durchführung von Menschenrechtsverfahren in Nachbarländern führt zu einer Zunahme der Forderungen nach Gerechtigkeit über eine juristische Aufarbeitung der Vergangenheit. Diese regionale Diffusion findet sowohl auf der politischen als auch auf der gesellschaftlichen Ebene statt. Mit der Anzahl an Nachbarländern mit Menschenrechtsverfahren steigt die Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverfahren im betrachteten Land (vgl. Dancy & Sikkink, 2011). Besteht eine strafrechtliche Verfolgung von ehemaligen repressiven Autokraten in nur wenigen Nachbarländern, wird der Autokrat für sich eine niedrige Bestrafungswahrscheinlichkeit annehmen und ein gutes Schicksal nach seiner Amtszeit erwarten. Führt hingegen eine große Anzahl an Nachbarländern eine strafrechtliche Verfolgung gegen ehemalige repressive politische Führer durch, erwartet er für sich eine hohe Bestrafungswahrscheinlichkeit und damit ein schlechtes Schicksal, es sei denn, er kann sich mit Hilfe vorhandener Institutionen vor einer Strafverfolgung schützen.
5.2 Das institutionelle Design und das Schicksal eines Autokraten Bei drohender nationaler oder internationaler Strafverfolgung hängt das Schicksal des Autokraten für den Zeitraum nach der Amtszeit von seinen Möglichkeiten ab, die eigene Straffreiheit noch vor seinem Amtsverlust sicherzustellen. Hier kommt einem wirksamen institutionellen Rahmen, mit dessen Hilfe der Autokrat seine strafrechtliche Immunität für die Zeit nach der Herrschaft effektiv aufrechterhalten kann, eine entscheidende Rolle zu. Autokraten können sich beispielsweise im Vorfeld eines anstehenden politischen Systemwechsels gegen eine strafrechtliche Verfolgung absichern, indem sie Sicherungsklauseln in die Verfassungen der nachfolgenden demokratischen Regime einbauen (vgl. Albertus & Menaldo, 2014). Dies ist gewöhnlich bei Autokraten in Einparteiendiktaturen zu beobachten. Auch politische Führer in Militärdiktaturen können sich – einen friedlichen Übergang vorausgesetzt – nach ihrer Amtszeit vor einer Strafverfolgung schützen. Übergeben sie die Macht an ein nachfolgendes Regime, ziehen sie sich wieder in die Kasernen zurück. Menschenrechtsprozessen können die ehemaligen politischen Führer mit Androhungen eines Militärputsches entgegenwirken. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Autokraten in politischen Systemen, die keine institutionellen Absicherungsmöglichkeiten über das Ende der Herrschaft hinaus bieten, ein aus ihrer Sicht schlechtes Schicksal fürchten müssen. Dies trifft auf
48 | 5 Die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit eines repressiven Autokraten
personalistische Regime zu (vgl. Escribà-Folch & Wright, 2015, S. 346). Die Möglichkeit der institutionellen Absicherung besteht bei personalistischen Regimen nur beschränkt, da diese Regime gewöhnlich den Amtsverlust des politischen Führers nicht überdauern (vgl. Geddes et al., 2014, S. 321). Dies liegt darin begründet, dass bei diesem Regimetyp das Zusammenspiel des politischen Systems aus Institutionen und politischen Eliten spezifisch auf den personalistischen Führer zugeschnitten und ohne diesen nicht überlebensfähig ist (vgl. Geddes, 1999, S. 132). Politische Führer in personalistischen Regimen sichern sich ihre Macht durch die Zahlung von Treueprämien an die Mitglieder der Winning-Coalition. Alle Profiteure des Regimes büßen ihre Privilegien ein, wenn der politische Führer sein Amt verliert und das Regime endet (vgl. Brough & Kimenyi, 1986; Bueno de Mesquita et al., 2005b). Ein Machtverlust von personalistischen Führern führt häufig zu einer vollständigen Auswechslung des Selektorats und Angehörige der ehemaligen Opposition, die möglicherweise ein Ziel von Repressionen waren, bestimmen über das persönliche Schicksal des politischen Führers. Neben diesen „persönlichen“ Gründen bestehen auch politische Gründe für den neuen Führer, seine Vorgänger zu bestrafen, da der ehemalige politische Führer eine permanente Bedrohung für seinen Nachfolger darstellt. Er fürchtet eine mögliche Machtergreifung der ehemaligen Elite, die durch den ehemaligen politischen Führer initialisiert wird, und muss dieser Bedrohung aktiv entgegenwirken, da er abhängig vom Typ des nachfolgenden Regimes möglicherweise auch dem Problem der fehlenden institutionellen Absicherung ausgesetzt ist (vgl. Geddes et al., 2014, S. 321).
5.3 Die Möglichkeit des Exils Ohne die Möglichkeit, sich institutionell abzusichern, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich der Autokrat einem Prozess im eigenen Land gegenübersieht, wenn er im Heimatland bleibt. Ein möglicher Ausweg ist der Gang ins Exil. Eine weltweit anwachsende Akzeptanz der Menschenrechtsnormen erschwert es jedoch den repressiven politischen Führern zunehmend, Asyl zu erhalten. International tätige Menschenrechts-NGOs sorgen für einen breiten Wissensstand über die Menschenrechtspraxis des Autokraten und für eine weitere Diffusion der sozialen Norm des Schutzes der Menschenrechte. Überlegungen von Regierungen zur Asylgewährung werden durch Proteste der eigenen Bevölkerung und die Gefahr politischer Ächtung aufgrund von Verstößen gegen internationale Abkommen verworfen. Insbesondere demokratische Länder, die in der Vergangenheit häufig Exilländer für Autokraten darstellten, wie Frankreich oder einige südamerikanische Länder, stehen aus diesem Grund nicht mehr als Exil-Option zur Verfügung. Somit schränkt das weltweit wachsende Bewusstsein für die Wahrung von Menschenrechten die Anzahl der Länder ein, die als Asyl infrage kommen, und erhöht den Druck auf den politischen Führer, eine Politik zu wählen, bei der keine Menschenrechte verletzt werden (vgl. Kim & Sikkink, 2010).
5.4 Das Exil als sicherer Hafen | 49
Über eine größere Strafverfolgungsintensität ist jedoch nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Menschenrechtspraxis in Autokratien zu erwarten. Steigt die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung nach begangenen Menschenrechtsverletzungen im Laufe der Zeit an und sinkt parallel die Anzahl möglicher Exilländer, wird ein repressiver Autokrat möglicherweise versuchen, mit allen Mitteln an der Macht zu bleiben, um ein schlechtes Schicksal zu verhindern. Dies kann zu einem vermehrten Einsatz von Repressionen führen. Für designierte Nachfolger ist es somit rational, dieses Dilemma des Autokraten zu lösen. Garantien für einen sicheren Ausstieg, wie beispielsweise Amnestien, ermöglichen dem politischen Führer den Rücktritt. Jedoch unterliegt dieses Zugeständnis einem Zeitinkonsistenzproblem (vgl. Kydland & Prescott, 1977). Obwohl der designierte Nachfolger einen starken Anreiz besitzt, dem Autokraten für die Zeit nach seiner Amtszeit Immunität in Aussicht zu stellen, ändert sich dieser Anreiz dramatisch, sobald der politische Wechsel durchgeführt wurde. Einen möglichen Ausweg aus diesem Dilemma bietet ein Exil gewährendes Land (vgl. Sutter, 1995).
5.4 Das Exil als sicherer Hafen Sollte ein Autokrat ein Land finden, welches ihm Exil gewährt, bedeutet das für ihn nicht, dass er in diesem Fall keine Bestrafung zu befürchten hat. Vergleichbar mit den Verhaltensanreizen der designierten Nachfolgeregierung unterliegt auch die Regierung des Exil gewährenden Landes einem Zeitinkonsistenzproblem, bei dem nach der Exilgewährung der Anreiz besteht, von der Zusage der Straffreiheit abzuweichen (vgl. Sutter, 1995, S. 112). Doch auch selbst dann, wenn dieses zugrundeliegende Verbindlichkeitsproblem gelöst werden kann, kann der gestürzte Autokrat nicht sicher sein, dass er sich nicht gerichtlich verantworten muss. Ist eine Regierung gewillt, einem Autokraten Asyl zu gewähren, der in der Vergangenheit schwere Verstöße gegen die Menschenrechte begangen hat, kann diese Regierung zur Kooperation und somit zur Auslieferung des Autokraten gezwungen sein. Gründe dafür umfassen die von manchen Ländern praktizierte universelle Gerichtsbarkeit oder die Ratifikation eines internationalen Menschenrechtsabkommen wie beispielsweise des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs. Auch für Vertragsstaaten des ICCPR ist die Gewährung von Amnestien für menschenrechtsverletzende politische Führer nicht möglich (vgl. Seibert-Fohr, 2009, S. 37 ff.). Die Länder, die heutzutage noch für ein Exil infrage kommen, werden häufig von autokratischen Regimen regiert, in denen der ehemalige politische Führer auf das Wohlwollen des politischen Führers angewiesen ist. Darüber hinaus können mögliche Änderungen in den sozialen Normen (durch Diffusion) oder politische Veränderungen im Exilland letztlich Gerichtsverfahren gegen den Autokraten bewirken.
50 | 5 Die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit eines repressiven Autokraten
5.5 Das Schicksal nach Regimetyp Aufgrund der Abwesenheit einer glaubwürdigen Selbstbindung an die Absprache, Straffreiheit zuzusichern und wegen des Anreizes, den ehemaligen Führer anzuklagen, sobald er aus dem Amt geschieden ist, ist der Machtverlust ohne eine wirksame institutionelle Absicherung immer mit der Gefahr einer Bestrafung und somit mit einem möglichen schlechten Schicksal verbunden. Die Möglichkeiten für den Gang ins Exil haben sich insbesondere seit dem Ende des Kalten Krieges für alle Autokraten der unterschiedlichen Regimetypen gleich verschlechtert. Es kam zu einem deutlichen Anstieg der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit. Jedoch gibt es deutliche Unterschiede bei den institutionellen Absicherungsmöglichkeiten der politischen Führer, die ihr Schicksal nach ihrer Amtszeit beeinflussen. Über die Wahrscheinlichkeit, dass der Autokrat ein gutes Schicksal erfährt, kann auf die institutionellen Absicherungsmöglichkeiten und somit auf die Höhe der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit in den einzelnen Regimetypen geschlossen werden (vgl. Geddes et al., 2014, S. 319). Mit Hilfe der Archigos-Datenbank von Goemans et al. (2009b) und der Regimedaten aus dem Autocratic Regime Dataset von Geddes et al. (2014) (GWF) wird im Folgenden das Schicksal autokratischer politischer Führer nach ihrem Amtsverlust näher betrachtet, indem die Informationen der beiden Datenbanken inhaltlich verbunden werden. Die Archigos-Datenbank beinhaltet Informationen über das Schicksal innerhalb eines Jahres nach Machtaufgabe oder -verlust von ehemaligen politischen Führern. In der nachfolgenden Analyse werden alle Autokraten berücksichtigt, die zwischen 1946 und 2004 aus ihrem Amt ausgeschieden sind und mindestens ein Jahr im Amt waren. Kodiert wurde das jeweils schlechteste Schicksal, welches sie innerhalb eines Jahres nach ihrem Amtsverlust ereilt hat. In der Archigos-Datenbank wird zwischen vier möglichen Schicksalen unterschieden (vgl. Goemans et al., 2009a): – OK Der politische Führer wurde nach seiner Amtszeit nicht persönlich zur Rechenschaft gezogen oder starb eines natürlichen Todes. – Exil Der politische Führer ist innerhalb eines Jahres nach dem Amtsverlust ins Exil gegangen. – Haft Der politische Führer wurde innerhalb eines Jahres nach dem Amtsverlust verhaftet. Dazu zählt auch Hausarrest. – Tod Der politische Führer ist nicht eines natürlichen Todes gestorben. Die Nichtbestrafung einschließlich des Ganges ins Exil wird als „gutes“ Schicksal kodiert. Haft und Tod gelten als „schlechtes“ Schicksal.
5.5 Das Schicksal nach Regimetyp |
51
Das Schicksal eines Autokraten wird unter anderem vom Typ des Nachfolgeregimes und vom Überleben seines Regimes nach seinem Machtverlust bestimmt (vgl. Goemans et al., 2009b; Geddes et al., 2014). Ein Autokrat weiß jedoch vor seinem Amtsverlust weder, ob das Nachfolgeregime autokratisch sein wird, noch verfügt er über Informationen darüber, ob das Regime seinen Sturz überleben wird. Folglich wird angenommen, dass er sich bei seiner Repressionsentscheidung bei einer beobachteten positiven Bestrafungswahrscheinlichkeit an den allgemeinen Schicksalserwartungen seines Regimetyps orientiert. Die Veränderung der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit erfolgt über Menschenrechtsverfahren in Nachbarländern. Die Intensität der Aufarbeitung der politischen Vergangenheit ist somit unabhängig vom Regimetyp. Würden alle politischen Führer in den unterschiedlichen autokratischen Regimen über dieselben institutionellen Absicherungsmöglichkeiten verfügen, sollten keine oder nur geringe Unterschiede bei den jeweiligen Wahrscheinlichkeiten eines schlechten Schicksals für die Autokraten nach ihrer Amtszeit festzustellen sein. Tatsächlich bestehen große Unterschiede bei der Bestrafungswahrscheinlichkeit zwischen den einzelnen Regimetypen (siehe Tab. 5.1). Tab. 5.1: Schicksal eines Autokraten abhängig vom Regimetyp. Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten von Goemans et al. (2009b) und Geddes et al. (2014). Schicksal schlecht
Regimetyp
gut
Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Militärdiktatur
60,78 % 73,76 % 86,26 %
39,22 % 26,24 % 13,74 %
Unter allen Regimetypen besitzen personalistische Regime mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 40 Prozent hinsichtlich eines schlechten Schicksals die schlechtesten Aussichten auf eine Straffreiheit nach einem Machtverlust. Einerseits lässt sich dies auf den expliziten Gebrauch von Gewalt und Unterdrückung in dieser Autokratieform zurückführen (vgl. Debs & Goemans, 2010; Escribà-Folch, 2013; Geddes et al., 2014). Andererseits lässt dies auf geringe institutionelle Absicherungsmöglichkeiten in diesen Regimen schließen. Ein Anstieg der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit führt in personalistischen Regimen zu einer vergleichbaren Erhöhung der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit. Die für politische Führer in Einparteiendiktaturen im Vergleich zu personalistischen Regimen um ein Drittel niedrigere Wahrscheinlichkeit, ein schlechtes Schicksal zu erfahren, ist ein Hinweis darauf, dass politische Führer in diesen Regimen über wirksame institutionelle Absicherungsmöglichkeiten verfügen und einen Teil ihrer Macht nach dem Amtsverlust beibehalten können (vgl. Wright & Escriba-Folch, 2012).
52 | 5 Die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit eines repressiven Autokraten
Ein Anstieg der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit führt zu einer im Vergleich zum Anstieg der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit in personalistischen Regimen geringeren subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit. Autokraten in Militärdiktaturen verfügen über die mit Abstand geringste Wahrscheinlichkeit für ein schlechtes Schicksal. Nur in etwa 14 Prozent der Fälle ist ein Machtverlust mit einem schlechten Schicksal verbunden. Der Rückzug in die Kasernen stellt zwar eine Abgabe der politischen Macht dar, die für die Nachfolgeregierung notwendige Unterstützung des Militärs bietet jedoch einen guten Schutz vor einer Bestrafung. Militärregime verfügen über die im Vergleich besten institutionellen Absicherungsmöglichkeiten. Ein Anstieg der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit führt nur zu einem geringen Anstieg der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit.
6 Ein theoretisches Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf Autokraten Das in diesem Kapitel entwickelte theoretische Modell basiert grundlegend auf der Rational-choice-Theorie, nach der politische Führer Repressionen wählen, wenn sie dadurch ihren Nutzen steigern können (vgl. Acemoglu & Robinson, 2006). Im Zentrum der Analyse steht der Abschreckungseffekt der Menschenrechtsverfolgung auf die Repressionsentscheidung eines autokratischen politischen Führers. Dieser wird über die Rechenschaftspflicht des politischen Führers sowohl gegenüber der WinningCoalition als auch gegenüber der Nachfolgeregierung und dem Ausland im Modell berücksichtigt. Der politische Führer macht seine Politikwahl nicht nur davon abhängig, wie sich diese auf seine Überlebenswahrscheinlichkeit im Amt auswirkt, sondern auch davon, mit welcher Wahrscheinlichkeit ihm ein schlechtes Schicksal nach dem Machtverlust droht (vgl. Goemans, 2008). Der politische Führer entscheidet sich gegen die Bereitstellung öffentlicher Güter und nimmt aufgrund dessen seinen Amtsverlust in Kauf, wenn er so seinen eigenen Nutzen maximieren kann. Er strebt nur dann den Machterhalt an, wenn darüber der höchste Nutzen erzielt werden kann.
6.1 Ein Modell wechselseitiger Rechenschaftspflicht mit Abschreckung Als Ausgangsmodell dient das Modell von Gilli & Li (2013), welches ein Zwei-PeriodenModell über die politische Handlungsfähigkeit auf der Basis von Besley & Kudamatsu (2008) mit unvollständiger Information in einem autokratischen Umfeld darstellt.¹¹ Im Zentrum der folgenden Analyse steht die Entscheidung des politischen Führers über seine die Menschenrechtspraxis betreffende Politikwahl. Durch die Einbindung der individuellen Bestrafungswahrscheinlichkeit des politischen Führers nach seiner Amtszeit wird das Ausgangsmodell der wechselseitigen Rechenschaftspflicht zwischen dem politischen Führer und seiner Winning-Coalition um die Rechenschaftspflicht des politischen Führers gegenüber der Nachfolgeregierung beziehungsweise dem Ausland erweitert. Seine Politikwahl trifft der politische Führer folglich in Abhängigkeit von seinen persönlichen Eigenschaften (seinem Typ), seiner Rechenschaftspflicht gegenüber seiner Winning-Coalition sowie der Wahrscheinlichkeit, dass er nach seinem Sturz rechenschaftspflichtig für seine Politikwahl ist.
11 Das weitere Vorgehen in diesem Kapitel ist eng an Gilli & Li (2013) angelehnt. DOI 10.1515/9783110521184-008
54 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren
Im Rahmen des Modells werden ausschließlich autokratische politische Systeme betrachtet. In diesen stützt sich die Macht des politischen Führers auf einen kleinen Teil der Bevölkerung. Folglich wird in diesem Modell ausschließlich der Teil der Bevölkerung betrachtet, der bei der Wahl des politischen Führers einen Einfluss besitzt. Dieser entspricht den Selektoratsmitgliedern. Die Größe des Selektorats wird auf eins normiert, ohne dass dadurch die Aussagekraft des Modells eingeschränkt wird. Analog zur grundlegenden Selektoratstheorie von Bueno de Mesquita et al. (2005b) erfolgt eine Unterscheidung von Selektoratsmitgliedern, die auch Teil der Winning-Coalition sind, von denen, die ausschließlich im Selektorat vertreten sind. Dabei ist die relative Größe der Winning-Coalition zum Selektorat von Bedeutung und somit der Anteil der Mitglieder des Selektorats, der seine Loyalität gegen die Treueprämie des politischen Führers tauscht. Die relative Größe der Winning-Coalition zum Selektorat wird mit ϕ ∈ [0, 1] bezeichnet. Der Wert von ϕ stellt den kleinstmöglichen Anteil an Unterstützern aus dem Selektorat dar, der von einem politischen Führer benötigt wird, um seine Macht aufrechtzuerhalten und zu sichern. Somit repräsentiert ϕ die Loyalitätsnorm der Selektoratstheorie. Die Größe der Winning-Coalition ist in autokratischen Regimen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung klein. Im nachfolgend abgebildeten autokratischen politischen System gibt es keine reguläre Wahl des politischen Führers (vgl. Przeworski et al., 2000). Der politische Führer verliert nur durch die Aufkündigung der Loyalität der Mitglieder der Winning-Coalition sein Amt. Da der Fokus der Analyse auf autokratischen Regimen liegt und gewalttätige Proteste der Bevölkerung lediglich eine untergeordnete Wirkung auf die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes eines autokratischen Regimes besitzen (vgl. Ulfelder, 2005), findet die breite Öffentlichkeit im nachfolgenden Modell keine Berücksichtigung.¹² Folglich kommt ein Machtwechsel ausschließlich durch einen durch die Mitglieder der Winning-Coalition ausgelösten Coup zustande. Diese haben Zugang zu privaten Gütern, die ihnen exklusiv vom politischen Führer bereitgestellt werden. Diese privaten Güter dienen als Treueprämie, über die sich der politische Führer die Unterstützung seiner Winning-Coalition sichert. Der Wert 1 − ϕ entspricht dem Anteil der Selektoratsmitglieder, der nicht Teil der Winning-Coalition ist und somit keinen Zugang zu den privaten Gütern besitzt und allein vom Nutzen der „General-interestPolitik“ des politischen Führers abhängig ist. Der in Periode t machthabende politische Führer muss eine diskrete „Generalinterest-Politikentscheidung“ e t ∈ {0, 1} fällen. Im Rahmen dieser Politikentscheidung kann er sich für den Verstoß gegen Menschenrechte entscheiden (e t = 0) oder die Menschenrechte wahren (e t = 1). Dabei gibt es zwei Typen T ∈ {K, NK} von amtierenden politischen Führern: kongruent T ∈ {K} und nicht kongruent T ∈ {NK}. Ein
12 Für theoretische Modelle mit der Bedrohung der Macht eines Autokraten durch eine Revolution der Bevölkerung siehe: Bueno de Mesquita & Smith (2010), Bueno de Mesquita & Smith (2009) sowie Gilli & Li (2015).
6.1 Ein Modell wechselseitiger Rechenschaftspflicht mit Abschreckung | 55
politischer Führer ist mit Wahrscheinlichkeit π kongruent. Nur er selbst kennt seinen eigenen Typ. Die beiden Typen unterscheiden sich in der Höhe des erzielbaren Payoffs im Rahmen der „General-interest-Politikentscheidung“. Der nicht kongruente Führer erzielt einen Payoff von ∆, falls er eine Politik der Wahrung der Menschenrechte wählt, und r t , falls er gegen Menschenrechte verstößt. Dabei stellt r t eine private Rente dar, die er bei der Verletzung von Menschenrechten erzielt, was auf seine persönlichen Eigenschaften zurückzuführen ist. In jeder Periode t wird r t unabhängig gemäß einer kumulativen Verteilungsfunktion G(r t ) mit E(r t ) = r,̄ G(∆) = 0, und G(r t ) > 0 für r t > ∆, gezogen. Folglich bedeutet die Wahl einer Politik der Wahrung der Menschenrechte für den nicht kongruenten Führer-Typ, dass er in diesem Fall auf seinen privaten Nutzen, der durch die Verletzung von Menschenrechten entstehen würde, verzichten müsste. Da die Wahrung der Menschenrechte ein Nutzen stiftendes öffentliches Gut im Sinne von Samuelson (1954, S. 387) darstellt, profitieren sowohl der kongruente Führertyp als auch die Winning-Coalition von dieser Politikentscheidung. Sie erhalten bei dieser Politik einen Payoff von ∆, ansonsten einen Payoff von 0.¹³ Das bedeutet, dass der kongruente Führertyp nicht von einer Verletzung der Menschenrechte profitiert, was wiederum auf persönliche Eigenschaften des Führertyps zurückgeführt werden kann. Im Rahmen seiner Politikwahl in Periode 1 diskontiert der politische Führer den erwarteten Payoff der zweiten Periode mit dem Faktor β. Im Rahmen des Versuchs, die Loyalität der Winning-Coalition zu sichern, stellt der politische Führer den Mitgliedern exklusiv eine exogen¹⁴ gegebene Menge X privater Güter zur Verfügung, die als Treueprämie bezeichnet wird. Jedes Mitglied erhält davon X/ϕ. Somit wird der Nutzen der Mitglieder der Winning-Coalition zum einen durch die „General-interest-Politik“ und zum anderen durch die Höhe der Treueprämie bestimmt. Da sie den Typ des politischen Führers nicht beobachten können, bilden die Mitglieder der Winning-Coalition Erwartungen über seinen Typ, indem sie das Resultat der „General-interest-Politik“ der ersten Periode beobachten (siehe Abb. 6.1). Falls die Winning-Coalition entscheidet, den politischen Führer abzusetzen, wird er mit Sicherheit aus dem Amt ausscheiden, da ein politischer Führer ohne Unterstützung der Winning-Coalition nicht überleben kann. Die Mitglieder der Winning-Coalition sind in ihren Eigenschaften annahmegemäß homogen. Folglich gilt im Falle einer Entscheidung eines Mitglieds der Winning-Coalition über den Sturz des politischen Führers, dass jedes andere Mitglied ebenfalls dieselbe Entscheidung trifft. Es besteht kein Problem des kollektiven Handelns innerhalb der Winning-Coalition.
13 Die Höhe dieses Payoffs ist als Normierung zu interpretieren. 14 Exogen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Umfang der privaten Güter X unabhängig von der Wahl des politischen Führers im Rahmen der „General-interest-Politik“ ist.
56 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren
Sturz
K
Sturz
δ=0
δ=Δ π W
kein Sturz
keine Menschenrechtsverletzung
Natur
kein Sturz
Menschenrechtsverletzung
W 1−π
δ=0
Sturz
δ=Δ MenschenNK rechtsverletzung
kein Sturz
keine Menschenrechtsverletzung
kein Sturz
Sturz
Abb. 6.1: Spielbaum der ersten Periode nach Gilli & Li (2013).
Das Schicksal des politischen Führers nach dem Machtverlust kann zwei Ausprägungen annehmen. Mit Wahrscheinlichkeit ω ∈ [0, 1] erwartet er, einer Bestrafung zu entgehen und somit ein gutes Schicksal, indem ihm politische Immunität im eigenen Land gewährt wird oder indem er ein Land findet, welches ihm Exil gewährt und ihn zudem vor nationaler und internationaler Strafverfolgung schützt. Annahmegemäß verursacht der Gang ins Exil selbst keine Kosten und ist gleichbedeutend mit dem Schutz vor Strafverfolgung. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist der politische Führer indifferent. Der Wert von ω stellt folglich ein Maß für die subjektive Wahrscheinlichkeit der Straffreiheit dar, welches durch die allgemeine inländische und internationale Einstellung gegenüber der Wahrung der Menschenrechte und den institutionellen Absicherungsmöglichkeiten des politischen Führers bestimmt wird. Der Wert von ω wird extern festgelegt und ist stochastisch unabhängig von e1 . Indem er die nicht kongruente „General-interest-Politik“ wählt, kalkuliert der politische Führer ein, dass er möglicherweise nach der ersten Periode gestürzt wird. Kann er einer Bestrafung im Sinne eines gegen ihn eröffneten Menschenrechtsverfahrens entgehen, hat er nach seinem Sturz keinen Zugang zu staatlichen Transfers. Somit ist für ihn der Payoff von Periode 2 null und er muss vom Einkommen der Periode 1 leben. Mit der Gegenwahrscheinlichkeit 1 − ω ∈ [0, 1] ist der politische Führer einem Menschenrechtsverfahren ausgesetzt und erleidet aufgrund dessen ein schlechtes Schicksal. Eine strafrechtliche Verfolgung verursacht materielle und soziale Kosten, die dazu führen, dass der Gesamtpayoff über beide Perioden 0 beträgt. Erfolgt ein Sturz des politischen Führers am Ende von Periode 1, kommt in Periode 2 ein neuer politischer Führer an die Macht und wählt die Mitglieder seiner neuen Winning-Coalition aus dem Selektorat. Im Zusammenhang mit diesem Machtwechsel gibt es keine Veränderung in der institutionellen politischen Struktur und somit bleiben die jeweiligen Größen der Winning-Coalition und des Selektorats konstant. Jedes Mitglied der Win-
6.1 Ein Modell wechselseitiger Rechenschaftspflicht mit Abschreckung | 57
Tab. 6.1: Übersicht über die Variablen des Modells. Spieler und Spielertypen LT politischer Führer vom Typ T T ∈ K, NK Typ des politischen Führers mit Pr{T = K} = π K kongruenter Führertyp NK nicht kongruenter Führertyp W Winning-Coalition Exogene Variablen δ ∈ {0, ∆} Payoff der „General-interest-Politik“ r ∼ G(r) private Zufallsrente des Führers, gezogen über cdf G(r) β Diskontfaktor der Payoffs der 2. Periode X exogene Einnahmen des Landes ϕ ∈ [0, 1] relative Größe der Winning-Coalition ω Wahrscheinlichkeit von L T , einer Bestrafung nach dem Machtverlust zu entgehen Endogene Variablen e t ∈ [0, 1] „General-interest-Politik“ in Periode t λ T (r) Wahrscheinlichkeit, dass der Führer vom Typ T eine kongruente Politik wählt ρ(δ) Wahrscheinlichkeit, dass die Winning-Coalition den Führer beibehält, nachdem δ beobachtet wurde Payoffs UK UNK UW EUNK VW
Nutzen des kongruenten Führers Nutzen des nicht kongruenten Führers Nutzen der Winning-Coalition erwarteter Nutzen des nicht kongruenten Führers in Periode 2 erwarteter Anschlusspayoff der Winning-Coalition in Periode 2
ning-Coalition in Periode 1 hat in Periode 2 eine Wahrscheinlichkeit von ϕ, wieder Teil der neuen Winning-Coalition zu sein. Die Variablen des theoretischen Modells sind in Tab. 6.1 zusammengefasst. Die Entscheidung des politischen Führers bezüglich der Wahrung der Menschenrechte basiert ausschließlich auf seinen Überlegungen zur Maximierung des persönlichen Payoffs. Dabei beeinflussen die politischen Institutionen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die persönlichen Eigenschaften des Führers, welche Politikwahl für diesen optimal ist. Darüber hinaus wird angenommen, dass der politische Führer aus seiner politischen Position keinen Nutzen zieht. Somit verursacht der Machtverlust selbst keine Kosten. Folglich werden hier Autokraten betrachtet, die primär ihre politische Motivation aus den Möglichkeiten zur Selbstbereicherung ziehen – sogenannte „Westentaschendiktatoren“–, und weniger „Totalitaristen“, bei denen der Machtbesitz und die Ausübung von Macht im Mittelpunkt stehen (vgl. Wintrobe, 1990, S. 849).
58 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren
Der Ablauf des Modells ist wie folgt: 1. Das Spiel besteht aus zwei Runden t ∈ {1, 2}. Das politische System entspricht dem einer Autokratie. Der Wert von ϕ repräsentiert die relative Größe der WinningCoalition zum Selektorat. 2. Die Natur bestimmt r1 , den Typ des Amtsinhabers T ∈ {K, NK} und ω. Die Werte von r1 und T sind stochastisch unabhängig und ihre Realisation ist nur dem politischen Führer bekannt. Der Wert von ω ist unabhängig von der Politikwahl des politischen Führers. 3. Der politische Führer L von Typ T wählt seine „General-interest-Politik“ und die Payoffs jedes Spielers in Runde t = 1 werden realisiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass er eine kongruente Politik wählt, beträgt: λ1T : r1 → [0, 1]. 4. Die Mitglieder der Winning-Coalition beobachten die gewählte Politik des Führers und den dazugehörigen Payoff δ ∈ {0, ∆}, aber nicht den Typ des politischen Führers T ∈ {K, NK}. 5. Die Winning-Coalition wird den aktuellen Führer am Ende von Periode 1 mit der Wahrscheinlichkeit ρ : {0, ∆} → [0, 1] nicht stürzen. 6. Im Falle eines Sturzes kommt ein neuer Führer ins Amt, der mit Wahrscheinlichkeit π kongruent ist. Der neue Führer wird eine neue Winning-Coalition bilden und Mitglieder der alten Winning-Coalition werden mit der Wahrscheinlichkeit ϕ auch in der neuen Winning-Coalition vertreten sein. 7. Die Natur bestimmt r2 und der politische Führer wählt eine Politik gemäß seinem Typ. Die Payoffs jeden Spielers in Periode t = 2 werden realisiert und das Spiel endet. Die Nutzen der Spieler hängen direkt von der Höhe der staatlichen Bezüge ab.¹⁵ Die jeweiligen Payoffs der beiden Führertypen T ∈ {K, NK} und der Mitglieder der WinningCoalition W in jeder Periode t ∈ 1, 2 betragen: – Die Nutzenfunktion des kongruenten Führertyps L K : U K (e t ) = U W (e t ). –
Die Nutzenfunktion des nicht kongruenten Führertyps LNK : { ∆ + ϕX , U NK (e t ) = { r + X, { 1 ϕ
–
wenn e t = 1 wenn e t = 0.
Die Nutzenfunktion eines repräsentativen Mitglieds der Winning-Coalition: {∆+ U W (e t ) = { X , {ϕ
X ϕ,
wenn e t = 1 wenn e t = 0.
15 Es wird hierbei unterstellt, dass sich die Spieler risikoneutral verhalten.
6.2 Die Gleichgewichte des Modells |
59
6.2 Die Gleichgewichte des Modells Die sequenziellen Gleichgewichte werden über die Anwendung der strengen Vorgabe der sequenziellen Rationalität beim Verhalten jedes Spielers ermittelt. Dabei muss jede Entscheidung Teil einer optimalen Strategie bezüglich des restlichen Spielablaufs sein. Bei diesem Ansatz von Kreps & Wilson (1982) erfolgt eine Spezifikation der Beliefs auf und neben dem Gleichgewichtspfad, was den Nachweis ermöglicht, dass die vom Spieler gewählte Strategie unabhängig von der aktuellen Position im Spielbaum optimal ist. Darüber hinaus ist so die Identifikation plausibler Beliefs möglich. Da es sich bei dem betrachteten Spiel um eines mit unvollständiger Information handelt, darf es zudem nicht dem Axiom der Wahl unter Unsicherheit nach Savage (1954) widersprechen. Demnach muss an jedem Entscheidungsknoten des Spielbaums die nachfolgende Strategie des Spielers optimal bezüglich der Einschätzung der Wahrscheinlichkeiten aller unsicheren Ereignisse und aller vorausgehenden aber nicht beobachtbaren Entscheidungen der anderen Spieler sein. Die Beliefs werden über den Satz von Bayes berechnet und das Spiel unter Zuhilfenahme des Perfekten Bayes’schen Gleichgewichts gelöst. Im Rahmen dieses Lösungskonzeptes werden die optimalen Entscheidungen der Spieler ermittelt, die sich über die Anwendung der Methode der Rückwärtsinduktion aus den erzielbaren Payoffs in jeder einzelnen Runde ergeben. Es werden ausschließlich reine Strategien betrachtet. Da die Politikwahl des Führers von der zufälligen Realisation seiner privaten Rente abhängt, erscheint seine Wahl für die Winning-Coalition willkürlich.
6.2.1 Die Entscheidungen der Spieler in der 2. Periode Die zweite Spielperiode besteht ausschließlich aus der Entscheidung des politischen Führers über seine „General-interest-Politik“. Die Winning-Coalition hat keine Möglichkeit, in das Spiel einzugreifen und den politischen Führer gegebenenfalls für seine Politikwahl zu sanktionieren. Da somit keine Rechenschaftspflicht des politischen Führers gegenüber der Winning-Coalition besteht, werden beide Typen von Führern ihren kurzfristigen Nutzen maximieren, indem sie die „General-interest-Politik“ gemäß ihrem Typ wählen: Der nicht kongruente Führertyp wird sich für die Verletzung der Menschenrechte entscheiden, der kongruente Typ wird die Menschenrechte wahren und darüber das öffentliche Gut bereitstellen.
6.2.2 Die Entscheidungen der Spieler in der 1. Periode Für den nicht kongruenten Führertyp kann es rational sein, in der ersten Periode die kongruente Politik zu wählen und dadurch seinen wahren Typ zu verschleiern, wenn er in Periode 1 rechenschaftspflichtig gegenüber seiner Winning-Coalition ist.
60 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren
6.2.2.1 Das rationale Verhalten der Winning-Coalition Da die Winning-Coalition gemäß dem Spielablauf die letzte Entscheidung in Periode 1 trifft, müssen zunächst die Einflussfaktoren untersucht werden, die bestimmen, ob diese sich für die weitere Unterstützung ρ(δ) = 1 oder für den Sturz ρ(δ) = 0 des politischen Führers entscheidet. Maßgeblich bei der Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist die Höhe des zu erwartenden Payoffs in Periode 2, welche ausschließlich vom verborgenen Typ des politischen Führers abhängt. Die Mitglieder der Winning-Coalition beobachten die „General-interest-Entscheidung“ des politischen Führers in Periode 1 δ ∈ {0, 1} und ziehen auf dieser Basis Rückschlüsse auf den Typ T des politischen Führers. Das Entscheidungskalkül der Winning-Coalition ist wie folgt: Übersteigt der erwartete Payoff in Periode 2 im Falle eines Führerwechsels den erwarteten Payoff bei einer weiteren Unterstützung des aktuellen politischen Führers, werden sich die Mitglieder der Winning-Coalition für den Sturz des politischen Führers in Periode 1 entscheiden. Es sei V W (ρ(δ) = 0) der erwartete Payoff der Winning-Coalition für Periode 2 nach dem Sturz des politischen Führers. Da nun zu Beginn der 2. Periode ein neuer politischer Führer in das Amt kommt und dieser ausschließlich seine Politikwahl aufgrund seines Typs trifft, ist der entsprechende Payoff unabhängig von den vorhergehenden Beobachtungen in der ersten Periode δ. Der Typ des neuen Führers ist am Ende der ersten Periode nicht bekannt. Mit Wahrscheinlichkeit π wird dieser vom Typ kongruent sein und einen Payoff von ∆ für die Mitglieder der Winning-Coalition generieren. Mit der Wahrscheinlichkeit 1 − π ist der neue politische Führer vom Typ nicht kongruent, was für die Winning-Coalition einen Payoff von 0 im Rahmen der „General-interestPolitik“ bedeutet. Da ein neuer Führer eine neue Winning-Coalition aus der Gesamtbevölkerung bestimmt, sind die Mitglieder der Winning-Coalition, wenn sie sich für einen Sturz des politischen Führers entscheiden, mit einer Wahrscheinlichkeit von ϕ wieder Teil der neuen Winning-Coalition. Nur als Mitglied der Winning-Coalition erhalten sie die Treueprämie in der Höhe von X/ϕ des neuen politischen Führers. Folglich gilt im Fall eines Sturzes für jedes δ ∈ {0, ∆}: V W (ρ(δ) = 0) = π ⋅ ∆ + (1 − π) ⋅ 0 + ϕ ⋅
X + (1 − ϕ) ⋅ 0 = π∆ + X. ϕ
(6.1)
Es sei V W (ρ(δ) = 1) der erwartete Payoff in Periode 2 für die Winning-Coalition, wenn deren Mitglieder den politischen Führer weiterhin unterstützen. Da der Führer nicht ausgewechselt wurde, besteht ein Zusammenhang zwischen dem Payoff in Periode 2 und der Beobachtung von δ in Periode 1. Folglich gilt im Fall der weiteren Unterstützung für jedes δ ∈ {0, ∆}: V W (ρ(δ) = 1) = P(K|δ) ⋅ (∆ +
X X X ) + (1 − P(K|δ)) ⋅ = P(K|δ)∆ + . ϕ ϕ ϕ
(6.2)
P(K|δ) entspricht dem Belief der Mitglieder der Winning-Coalition, dass der politische Führer vom Typ kongruent ist, nachdem deren Mitglieder den Payoff der „Generalinterest-Politik“ in der ersten Periode δ ∈ {0, ∆} beobachtet haben.
6.2 Die Gleichgewichte des Modells |
61
P(K|δ) wird über den Satz von Bayes ermittelt: P(K) ⋅ P(δ = ∆|K) P(K) ⋅ P(δ = ∆|K) + P(NK) ⋅ P(δ = ∆|NK) π ⋅ λ K (r1 ) = π ⋅ λ K (r1 ) + (1 − π) ⋅ λNK (r1 ) π⋅1 = , π ⋅ 1 + (1 − π) ⋅ λNK (r1 )
P(K|δ = ∆) =
P(K) ⋅ P(δ = 0|K) P(K) ⋅ P(δ = 0|K) + P(NK) ⋅ P(δ = 0|NK) π ⋅ (1 − λ K (r1 )) = K π ⋅ (1 − λ (r1 )) + (1 − π) ⋅ (1 − λNK (r1 )) π⋅0 = . π ⋅ 0 + (1 − π) ⋅ (1 − λNK (r1 ))
P(K|δ = 0) =
Der kongruente Führertyp wird immer die kongruente Politik λ K (r1 ) = 1 wählen, da dieser durch die Wahl der nicht kongruenten Politik zum einen keine private Rente r t realisieren kann und zusätzlich auf den Payoff ∆ verzichten würde. Der nicht kongruente Führertyp entscheidet sich hingegen anhand strategischer Überlegungen für eine der beiden Möglichkeiten λNK (r1 ) ∈ [0, 1]. Folglich gilt: P(K|δ = ∆) = mit
π⋅1 ≡ Π(λNK ) ∈ [π, 1] π ⋅ 1 + (1 − π) ⋅ λNK (r1 )
∂Π < 0, ∂λNK
Π(0) = 1
und
(6.3)
Π(1) = π.
Darüber hinaus gilt: P(K|δ = 0) =
π⋅0 0 = , π ⋅ 0 + (1 − π) ⋅ (1 − λNK (r1 )) (1 − λNK (r1 ))
woraus P(K|δ = 0) = 0
∀λNK ∈ [0, 1)
folgt. Somit bleibt nur ein problematischer Fall übrig, wenn λNK = 1, was P(K|δ = 0) ∈ [0, 1] impliziert. Da aber aufgrund der Ausgestaltung der Payoffs der kongruente Führertyp keinen Anreiz besitzt, die nicht kongruente Politik zu wählen, kann unter Zuhilfenahme eines (Standard-)Vorwärtsinduktionsarguments (vgl. Cho & Kreps, 1987) begründet werden, dass P(K|δ = 0) = 0 gilt.
∀λNK ∈ [0, 1]
62 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren
Gemäß der angenommenen sequenziellen Rationalität wird die Winning-Coalition, nachdem sie δ ∈ {0, ∆} beobachtet hat, den politischen Führer weiterhin unterstützen, wenn folgende Bedingung erfüllt ist: V W (ρ(δ) = 1) ≥ V W (ρ(δ) = 0) beziehungsweise P(K|δ)∆ +
(1 − ϕ) X ≥ π∆. ϕ
(6.4)
(6.5)
6.2.2.2 Die Entscheidung der Winning-Coalition Falls δ = ∆, dann entspricht Ungleichung 6.5 Π(λNK ) ⋅ ∆ +
(1 − ϕ) X ≥ π∆, ϕ
(6.6)
welche immer erfüllt ist. Folglich wird sich die Winning-Coalition immer für die weitere Unterstützung des politischen Führers entscheiden, nachdem δ = ∆ beobachtet wurde. Falls δ = 0, dann entspricht Gleichung (6.5) 0⋅∆+
(1 − ϕ) X ≥ π∆, ϕ (1 − ϕ) X ≥ π∆, ϕ
(6.7)
welche in Abhängigkeit von der Realisation des exogenen Parameters ϕ erfüllt ist.
6.2.2.3 Die Entscheidung des politischen Führers In Periode 1 hat der kongruente politische Führer die strikt dominante Strategie der Wahrung der Menschenrechte e1 = 1. Der nicht kongruente politische Führer wird seine Politikwahl hingegen anhand strategischer Überlegungen, die seine Rechenschaftspflicht gegenüber der Winning-Coalition betreffen, ausrichten.
6.2.2.4 Fall 1. Angenommen
1−ϕ X ϕ
≥ π∆ bzw. ϕ ≤
X X+π∆
In diesem Fall ist durch den niedrigen Wert von ϕ die Wahrscheinlichkeit, Teil der neu zusammengesetzten Winning-Coalition in Periode 2 zu sein, so gering, dass die Mitglieder der Winning-Coalition selbst dann den politischen Führer weiterhin unterstützen, wenn sie sicher wissen, dass der Führer vom Typ nicht kongruent ist und in Periode 2 wiederum die nicht kongruente Politik wählen wird. Es ist die Angst vor dem Verlust des privaten Nutzens durch die Treueprämie des politischen Führers, die die Winning-Coalition davon abhält, den Führer zu stürzen, und sie vollständig loyal
6.2 Die Gleichgewichte des Modells |
63
werden lässt. Sie befindet sich in der Loyalitätsfalle. Die Wahl der Winning-Coalition antizipierend, wird der nicht kongruente Führer immer die nicht kongruente „Generalinterest-Politik“ wählen und dadurch seinen Nutzen maximieren. Da er keinen Sturz durch die Winning-Coalition befürchten muss, hat die Realisation von ω in diesem Fall keine Auswirkung auf die Politikwahl. Theorem 1. Falls ϕ ≤ gewicht, in dem
X X+π∆ , dann existiert ein eindeutiges Perfektes Bayes’sches Gleich-
λ K (r1 ) = 1,
λNK (r1 ) = 0,
ρ(0) = 1,
ρ(∆) = 1
gilt. In diesem Gleichgewicht verfolgt der politische Führer seinen eigenen kurzfristigen Vorteil und wird trotzdem an der Macht bleiben. Er ist nicht rechenschaftspflichtig gegenüber der Winning-Coalition. Diese Situation wird in dieser Arbeit als „Terrorgleichgewicht“ bezeichnet.
6.2.2.5 Fall 2. Angenommen
1−ϕ X ϕ
≤ π∆ bzw. ϕ ≥
X X+π∆
Nachdem die Mitglieder der Winning-Coalition δ = 0 in Periode 1 beobachtet haben, wissen sie, dass der politische Führer vom nicht kongruenten Typ ist und auch in Periode 2 die nicht kongruente Politik wählen wird. In diesem Fall wird die WinningCoalition den politischen Führer am Ende von Periode 1 stürzen, da die Wahrscheinlichkeit ϕ, wieder Teil der neuen Winning-Coalition zu sein, hoch genug ist. Der politische Führer ist sich in diesem Fall seiner Rechenschaftspflicht gegenüber der Winning-Coalition bewusst und wählt seine Politik anhand der exogen gegebenen Parameter r1 und ω. Indem er eine kongruente Politik wählt, signalisiert er der Winning-Coalition einen anderen Typ und entgeht damit sicher einer Absetzung und somit auch einer strafrechtlichen Verurteilung. Es sei EU NK (λNK = 1) der erwartete Nutzen des nicht kongruenten Führers in Periode 2 in dem Fall, dass er seine „General-interest-Politik“ so wählt, dass er die Menschenrechte wahrt. Dieser entspricht dann im Fall λNK (r1 ) = 1: EU NK (λNK = 1) = ∆ +
X X + β ⋅ [r ̄ + ] . ϕ ϕ
(6.8)
Zudem sei EU NK (λNK = 0) der erwartete Nutzen des nicht kongruenten Führers, wenn er seine „General-interest-Politik“ so wählt, dass diese gegen fundamentale Menschenrechte verstößt. Dieser entspricht im Fall λNK (r1 ) = 0: X ) + (1 − ω) ⋅ 0 ϕ X = ω (r1 + ) . ϕ
EU NK (λNK = 0) = ω (r1 +
(6.9)
64 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren Der nicht kongruente Führer wird nur dann die nicht kongruente Politik λNK (r1 ) wählen, wenn gilt: EU NK (λNK = 0) ≥ EU NK (λNK = 1), (6.10) was r1 ≥
1 X X (∆ + (1 − ω) + β [r ̄ + ]) ω ϕ ϕ
(6.11)
impliziert. Daraus folgt die sequenziell rationale Wahl des nicht kongruenten Führers für den X : Fall, dass ϕ ≥ X+π∆ 1 { { { { NK λ (r1 ) = { ∈ [0, 1] { { { {0
r1 ≤ r1 = r1 ≥
1 ω 1 ω 1 ω
(∆ + (1 − ω) ϕX + β [r ̄ + (∆ + (1 − ω) ϕX + β [r ̄ + (∆ + (1 − ω) ϕX + β [r ̄ +
X ϕ ]) X ϕ ]) X ϕ ]) .
In Abhängigkeit von der Höhe der privaten Rente der ersten Periode und der Wahrscheinlichkeit, nach dem Amtsverlust nicht bestraft zu werden, wird der nicht kongruente Führer entscheiden, ob er seinen wahren Typ offenbart und die nicht kongruente Politik wählt. Dabei nimmt er in Kauf, infolgedessen seine Macht zu verlieren und dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt zu sein. Entlang dem Gleichgewichtspfad bestehen folgende Beliefs: P(K|δ = ∆) =
π⋅1 π ⋅ 1 + (1 − π) ⋅ G (∆ + (1 − ω) ⋅
=: Π (∆ + (1 − ω)
X ϕ
+ β (r ̄ +
X ϕ ))
X X + β (r ̄ + )) > π, ϕ ϕ
(6.12)
während abseits des Gleichgewichtspfads¹⁶ Folgendes gilt: P(K|δ = 0) =
π⋅0 π ⋅ 0 + (1 − π) ⋅ (1 − G (∆ + (1 − ω) ⋅
X ϕ
+ β ⋅ (r ̄ +
X ϕ )))
= 0.
(6.13)
Wie oben bereits aufgeführt, wird die Winning-Coalition gemäß der sequenziellen Rationalität den politischen Führer nur dann unterstützen, wenn V W (ρ(δ) = 1) ≥ V W (ρ(δ) = 0) beziehungsweise P(K|δ)∆ +
(1 − ϕ) X ≥ π∆ ϕ
(6.14)
(6.15)
gilt.
16 Im Gleichgewicht hat diese Informationsmenge eine Realisationswahrscheinlichkeit von null.
6.3 Die komparative Gleichgewichtsanalyse | 65
Wird δ = ∆ beobachtet, bedeutet dies Π∆ +
(1 − ϕ) X ≥ π∆, ϕ
(6.16)
was immer erfüllt ist. Somit folgt daraus direkt ρ(∆) = 1. Wenn δ = 0 beobachtet wird, bedeutet dies (1 − ϕ) X ≥ π∆, ϕ
(6.17)
was in Abhängigkeit von der Realisation von ϕ erfüllt ist. In dem Fall, dass die Winning-Coalition den nicht kongruenten Führer weiterhin unterstützt, wenn dieser zu einer kongruenten „General-interest-Politik“ wechX selt, erhalten wir ein Gleichgewicht: ρ(0) = 0 nur dann, wenn ϕ ≥ X+π∆ . Ohne diesen Bestrafungsmechanismus besitzt der nicht kongruente Führer keinen Anreiz, seine Politikwahl zu ändern, und wählt seine Politik entsprechend seinem Typ. Theorem 2. Falls ϕ ≥ gewicht, bei dem λ K (r1 ) = 1,
X X+π∆ , dann existiert ein eindeutiges Perfektes Bayes’sches Gleich-
λNK (r1 ) = G (∆ + (1 − ω)
X X + β [r ̄ + ]) , ϕ ϕ
ρ(0) = 0,
ρ(∆) = 1
gilt. Ist der nicht kongruente Führer rechenschaftspflichtig gegenüber der Winning-Coalition, wird dieser in der ersten Periode zu einer kongruenten „General-interest-Politik“ wechseln, wenn er damit seinen Gesamtpayoff maximieren kann. Dies hängt direkt von der Realisation der privaten Rente und der Wahrscheinlichkeit ab, sich einer Bestrafung entziehen zu können. Diese Situation wird in dieser Arbeit als „Abschreckungsgleichgewicht“ bezeichnet.
6.3 Die komparative Gleichgewichtsanalyse Mithilfe der komparativen Gleichgewichtsanalyse kann der Einfluss der Parametervariation auf die Realisation des „Terror“- beziehungsweise des „Abschreckungsgleichgewichts“ ermittelt werden. Darüber hinaus ermöglicht die Analyse Aussagen über den Einfluss der Parameterwerte auf die kongruente oder nicht kongruente Politikwahl des politischen Führers.
6.3.1 Die Realisationswahrscheinlichkeit der Gleichgewichte Der kongruente politische Führer wählt stets die kongruente Politik. Eine weitere Analyse dieses Gleichgewichtes ist nicht notwendig, da die Winning-Coalition, unabhängig von den Parameterwerten, den politischen Führer unterstützen wird. Anders ist
66 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren
es bei der Betrachtung der Politikwahl des nicht kongruenten politischen Führers, da in diesem Fall der politische Führer und die Winning-Coalition in Abhängigkeit von der Realisation der Parameterwerte ihre Entscheidungen treffen. Darüber hinaus haben die Parameterwerte einen direkten Einfluss darauf, ob sich die Spieler im X X „Terrorgleichgewicht“ (ϕ ≤ X+π∆ ) oder im „Abschreckungsgleichgewicht“ (ϕ ≥ X+π∆ ) befinden. Durch eine einfache Analyse der Ungleichung 6.5, welche die Art des Gleichgewichts bestimmt, in dem sich die Spieler befinden, kann der Einfluss einer Veränderung der Parameter auf die Realisationswahrscheinlichkeit der Gleichgewichte festgestellt werden. So führt ein steigendes X eher zu einer Spielsituation mit „Terrorgleichgewicht“. Steigen hingegen π, ∆ oder ϕ, befinden sich die Spieler eher in einem „Abschreckungsgleichgewicht“. Übrige Parametervariationen von β, r ̄ oder ω zeigen keine Auswirkung auf die Realisationswahrscheinlichkeit der Gleichgewichte.
6.3.2 Der Einfluss der Parameterwerte auf die Politikwahl des nicht kongruenten Führers Im Folgenden soll ein genauerer Blick auf die Politikwahl des nicht kongruenten Führers vorgenommen werden. Die Winning-Coalition entscheidet sich anhand von Φ(X, π, ∆) als eine Funktion von X, π und ∆, ob es den politischen Führer nach seiner Wahl der nicht kongruenten „General-interest-Politik“ weiterhin unterstützt (siehe Gleichung (6.18)). Wie bereits zuvor aufgeführt, ist der Führer nur in dem Fall ϕ≥
X := Φ(X, π, ∆) X + π∆
(6.18)
rechenschaftspflichtig gegenüber der Winning-Coalition und muss aufgrund dessen befürchten, gestürzt zu werden, wenn er die nicht kongruente „General-interestPolitik“ wählt. Der politische Führer wird sich entsprechend der Realisation seiner privaten Rente r1 für eine bestimmte „General-interest-Politik“ entscheiden. Er entscheidet sich für die Wahrung der Menschenrechte (λNK = 1), wenn r1 ≤
1 X X (∆ + (1 − ω) + β [r ̄ + ]) ω ϕ ϕ
(6.19)
und gegen die Wahrung der Menschenrechte (λNK = 0), wenn r1 ≥ gilt.
1 X X (∆ + (1 − ω) + β [r ̄ + ]) ω ϕ ϕ
(6.20)
6.3 Die komparative Gleichgewichtsanalyse |
67
Damit ein nicht kongruenter Führer die kongruente Politik in Periode 1 wählt, müssen die erwarteten Payoffs bei der Wahrung der Menschenrechte größer als die kurzfristigen privaten Renten durch die Menschenrechtsverletzungen sein (Gleichung (6.21)). Ein nicht kongruenter Führer wird abhängig von der Höhe seiner privaten Rente r1 mit einer Wahrscheinlichkeit von G(R(∆, β, r,̄ X, ϕ, ω)) eine Politik der Wahrung der Menschenrechte wählen (Gleichung (6.21)): r1 ≤ ∆ + (1 − ω)
X X + β (r ̄ + ) := R(∆, β, r,̄ X, ϕ, ω). ϕ ϕ
(6.21)
Im Folgenden wird der Einfluss der einzelnen Parametervariationen auf die Entscheidungen der Spieler dargelegt.¹⁷
6.3.2.1 Die Veränderung der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit Ein Sinken der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit (ω steigt) führt zu einer Verringerung der Kosten bei der Verletzung von Menschenrechten. Da es für den nicht kongruenten Führer unwahrscheinlicher ist, dass im Falle eines Machtverlustes durch den Einsatz von Repressionen ein Menschenrechtsverfahren gegen ihn eröffnet wird und es dadurch zu einem vollständigen Verlust des Einkommens aus Periode 1 kommt, wird er sich seltener für die kongruente Politik entscheiden: ∂G(R(∆, β, r,̄ X, ϕ, ω)) > 0. ∂ω
(6.22)
Eine Änderung von ω hat keinen Einfluss auf das Verhalten der Winning-Coalition. Es kommt somit bei einem Anstieg von ω eindeutig häufiger zur Verletzung der Menschenrechte durch den politischen Führer.
6.3.2.2 Die Veränderung der exogenen Staatseinkünfte Ein Anstieg bei diesen Einnahmen führt dazu, dass die relative Nutzendifferenz zwischen der Mitgliedschaft in der Winning-Coalition und außerhalb jener steigt. Steigende Werte der exogenen Einkünfte X ermöglichen es dem politischen Führer, sich eine höhere Loyalität der Mitglieder der Winning-Coalition zu sichern. Die Mitglieder der Winning-Coalition werden sich auch bei einem größeren ϕ loyal gegenüber dem politischen Führer verhalten, wenn dieser eine nicht kongruente Politik wählt: ∂G(R(∆, β, r,̄ X, ϕ, ω)) > 0. ∂X
(6.23)
Da der politische Führer einen Teil der exogenen Staatseinkünfte bezieht, weil er selbst Teil der Winning-Coalition ist, führt deren Anstieg zu einem höheren Schwellenwert, den die private Rente r1 überschreiten muss, damit es für ihn lohnenswert
17 In Tab. 6.2 werden die Ergebnisse der komparativen Gleichgewichtsanalyse zusammengefasst.
68 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren
ist, gegen die Menschenrechte zu verstoßen: ∂Φ(X, π, ∆) > 0. ∂X
(6.24)
Durch einen Anstieg der exogenen Staatseinkünfte X wählt der politische Führer seltener die nicht kongruente „General-interest-Politik“. In den Fällen, in denen der politische Führer gegen Menschenrechte verstößt, wird er seltener von der Winning-Coalition gestürzt.
6.3.2.3 Die Veränderung des Nutzens durch die „General-interest-Politik“ Ein höherer Nutzen der kongruenten Politik – also eines höheren ∆ – hat zur Folge, dass die relative Nutzendifferenz zwischen der Mitgliedschaft in der Winning-Coalition und außerhalb jener sinkt. Aufgrund dessen sind die Mitglieder der WinningCoalition bereits bei einer vergleichsweise kleineren Winning-Coalition bereit, den Verlust ihres Privilegs aus der Mitgliedschaft in der Winning-Coalition zu riskieren und den politischen Führer bei einer nicht kongruenten „General-interest-Politik“ zu stürzen: ∂Φ(X, π, ∆) (6.25) < 0 und lim Φ(X, π, ∆) = 1. ∆→0 ∂∆ Auf den ersten Blick scheint es, dass sich der nicht kongruente Führer eher für eine kongruente Politik in Periode 1 entscheiden wird, da der Schwellenwert, den die private Rente r1 übersteigen muss, bevor der nicht kongruente Führer eine nicht kongruente Politik wählt, ansteigt: ∂G(R(∆, β, r,̄ X, ϕ, ω)) > 0. ∂∆
(6.26)
Da aber r t ≥ ∆ gilt, hat eine Zunahme von ∆ keine Auswirkung auf das Verhalten des politischen Führers. Ein Anstieg des Nutzens aus der „General-interest-Politik“ ∆ führt zu einer höheren Sturzwahrscheinlichkeit in Folge von beobachteten Menschenrechtsverletzungen. Trotz dieser höheren Sturzwahrscheinlichkeit ändert der politische Führer sein Verhalten nicht.
6.3.2.4 Die Veränderung der relativen Größe der Winning-Coalition Eine Zunahme der Größe der Winning-Coalition führt zu einer kleineren Pro-KopfTreueprämie sowohl für die Mitglieder als auch für den politischen Führer selbst. Der relative Nutzenvorteil der Mitgliedschaft in der Winning-Coalition gegenüber einer Nichtmitgliedschaft sinkt, ein Sturz des politischen Führers bei einer nicht kongruenten Politikwahl wird ceteris paribus wahrscheinlicher. Auf der anderen Seite wird die private Rente des politischen Führers häufiger den erwarteten Gesamtpayoff aus einer kongruenten Politik in der ersten und einer nicht kongruenten Politik in der
6.3 Die komparative Gleichgewichtsanalyse |
69
zweiten Periode übertreffen. Sein Anreiz, die kongruente Politik zu wählen, um an der Macht zu bleiben, sinkt: ∂G(R(∆, β, r,̄ X, ϕ, ω)) < 0. ∂ϕ
(6.27)
Mit steigender relativer Größe der Winning-Coalition zum Selektorat ϕ erhöht sich die Bereitschaft der Mitglieder der Winning-Coalition, den politischen Führer aufgrund seiner nicht kongruenten Politikwahl zu stürzen. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Sturz wieder Teil der neuen Winning-Coalition zu sein, steigt mit ϕ. Dieser wird ungeachtet dessen bereits bei niedrigeren privaten Renten r1 eine Politik der Verletzung von Menschenrechten wählen. Insgesamt erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Machtwechsels bei einer zunehmenden relativen Größe der Winning-Coalition. Tab. 6.2: Ergebnis der komparativen Gleichgewichtsanalyse. Parametervariation ↑ω ↑X ↑∆ ↑ϕ ↑ r̄ ↑π ↑β
Wahl NK-Politik
Sturz bei NK-Politik
↑ ↓ ←→ ↑ ↑ ←→ ↓
←→ ↓ ↑ ↑ ←→ ↑ ←→
6.3.2.5 Die Veränderung der durchschnittlich erwarteten privaten Rente Die Höhe von r ̄ hat keinen Einfluss auf das Verhalten der Winning-Coalition: ∂G(R(∆, β, r,̄ X, ϕ, ω)) > 0. ∂r̄
(6.28)
Ansteigende durchschnittlich zu erwartende private Renten r ̄ führen zu einer Erhöhung der Kosten des Machtverlustes. Da aber ein Anstieg von r ̄ mit einem Anstieg von r1 einhergeht und letzterer stärker im Entscheidungskalkül gewichtet wird (r ̄ wird mit β diskontiert), führt ein Anstieg der erwarteten Renten eindeutig zu einer häufigeren Wahl der nicht kongruenten „General-interest-Politik“.
6.3.2.6 Die Veränderung der Wahrscheinlichkeit der Typenzugehörigkeit Mit steigender Wahrscheinlichkeit π, dass ein politischer Führer vom Typ kongruent ist, wird die Winning-Coalition bei beobachteter nicht kongruenter Politik in der ersten Periode eher gewillt sein, den Führer zu stürzen. Die Aussicht auf den Nutzen aus der „General-interest-Politik“ senkt den erwarteten Disnutzen durch den Verlust der
70 | 6 Ein Modell zur abschreckenden Wirkung von Menschenrechtsverfahren
Mitgliedschaft der Winning-Coalition: ∂Φ(X, π, ∆) 0. ∂β
(6.30)
Je weitsichtiger der politische Führer bei seinem Handeln ist, desto eher wird er eine Politik der Wahrung der Menschenrechte wählen.
6.4 Die Erkenntnisse für die empirische Analyse Über die Verbindung der grundlegenden Selektoratstheorie, der institutionellen Absicherungsmöglichkeiten in den unterschiedlichen Regimetypen und der Ergebnisse der komparativen Gleichgewichtsanalyse des theoretischen Modells können Erwartungen über den Abschreckungseffekt von Menschenrechtsverfahren auf die politischen Führer in den unterschiedlichen autokratischen Regimetypen gebildet werden. Die zentrale Erkenntnis der komparativen Analyse der Gleichgewichte des Modells ist der abschreckende Effekt einer gestiegenen subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit für Autokraten. Kommt es zu einem stärkeren Einsatz von Menschenrechtsverfahren, steigt die objektive Bestrafungswahrscheinlichkeit für Autokraten an. Inwieweit dieser Anstieg der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit auf die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit der einzelnen Autokraten wirkt, hängt von den institutionellen Absicherungsmöglichkeiten in den einzelnen Regimen ab. Bestehen wirksame Absicherungsmöglichkeiten gegen drohende Menschenrechtsverfahren nach der Amtszeit, wirkt sich ein Anstieg der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit nur gering auf die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit aus. Liegen hingegen keine oder nur schwache Absicherungsmöglichkeiten vor, verändert sich die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit gleichmäßig mit der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit. Je stärker die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit mittelbar über die objektive Bestrafungswahrscheinlichkeit ansteigt, desto größer ist der erwartete abschreckende Effekt von Menschenrechtsverfahren auf politische Führer.
6.4 Die Erkenntnisse für die empirische Analyse |
71
Die hohe Wahrscheinlichkeit für ein schlechtes Schicksal nach der Amtszeit deutet darauf hin, dass in personalistischen Regimen für politische Führer nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit der institutionellen Absicherung der eigenen Macht über die Lebensdauer des Regimes hinaus besteht. Da eine Zunahme der Menschenrechtsverfahren im benachbarten Ausland zu einem – dem Anstieg der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit – annähernd proportionalen subjektiven Anstieg der Bestrafungswahrscheinlichkeit führt, wird ein starker Abschreckungseffekt der Menschenrechtsverfahren auf politische Führer in personalistischen Regimen erwartet. Da für politische Führer in Einparteiendiktaturen die Möglichkeit besteht, sich im Falle eines Machtwechsel institutionell abzusichern, schätzen diese ihre Bestrafungswahrscheinlichkeit im Falle eines Regimeendes als geringer im Vergleich zu personalistischen Regimen ein. Eine Erhöhung der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit über eine Zunahme der Menschenrechtsverfahren im Ausland führt folglich zu einem unterproportionalen Anstieg der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit. Es wird ein geringer Abschreckungseffekt der Verfolgung von Menschenrechtsverfahren auf politische Führer in Einparteiendiktaturen erwartet. Der Fokus politischer Führer in Militärdiktaturen liegt auf der Sicherung der öffentlichen Ordnung und nicht primär auf dem Besitz der politischen Macht. Für sie stellt der Rückzug aus der Politik in die Kasernen immer eine Option dar. Durch die Kontrolle der Streitkräfte nach der Amtszeit verfügt ein politischer Führer über eine wirksame Absicherung vor einer nationalen Strafverfolgung. Für eine Zunahme der Menschenrechtsverfahren im Ausland wird in diesen Regimen ein sehr geringer Abschreckungseffekt der Menschenrechtsverfahren auf die Repressionsentscheidung von politischen Führern erwartet. Der aus der Theorie und deskriptiven Analyse des Schicksals gestürzter Autokraten abgeleitete regimespezifische Abschreckungseffekt von Menschenrechtsverfahren wird im folgenden Teil der Arbeit empirisch überprüft.
| Teil II: Menschenrechtsverfahren und die Repressionsentscheidung von Autokraten
7 Die empirische Analyse Der im theoretischen Modell ermittelte Abschreckungseffekt einer gestiegenen subjektiven Verurteilungswahrscheinlichkeit eines Autokraten auf seine Entscheidungen, Repressionen einzusetzen, wird in diesem Kapitel empirisch überprüft. Als Proxy für die Veränderung der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit wird in der empirischen Analyse die Anzahl der eröffneten Menschenrechtsverfahren in kulturell ähnlichen Transformationsländern in derselben UN-Subregion genutzt. Die regimespezifische, aus der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit abgeleitete subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit des politischen Führers wird über die Analyse auf Regimetypebene im Modell berücksichtigt. Für die empirische Überprüfung wurde ein Panel-Datensatz erstellt. Die Beschreibung der Generierung und Bedeutung der einzelnen Variablen erfolgt in Kapitel 7.2. Eine deskriptive Analyse des Datensatzes findet sich in Kapitel 7.3, die empirische Analyse in Kapitel 7.4.
7.1 Das Forschungsdesign Die Motivation für die Analyse ist der empirische Befund, dass die Menschenrechtspraxis von Regierungen in Transformationsländern durch Menschenrechtsverfahren in anderen Transformationsländern der gleichen Region, die eine kulturelle Ähnlichkeit aufweisen, maßgeblich beeinflusst wird (vgl. Kim, 2012). Bisher fehlt eine empirische Analyse darüber, ob diese abschreckende Wirkung der Menschenrechtsverfahren auch für autokratische Länder gilt. Ob ein Abschreckungseffekt ebenfalls in Autokratien vorliegt, wird mit einer pooled OLS-Regression getestet. Die Analyse erfolgt auf Basis von Länderjahren. Der hierfür erstellte Panel-Datensatz umfasst 97 Länder mit autokratischen Regimen zwischen 1976 und 2007. Die abhängige Variable stellt die vorherrschende, staatlich verantwortete Menschenrechtspraxis (Repressionslevel) in den betrachteten Autokratien dar. Die Informationen zur Menschenrechtspraxis entstammen den jährlichen Länderberichten zur Menschenrechtspraxis des US-Außenministeriums (vgl. US-Außenministerium, 2014). Haupterklärende Variable stellt die Anzahl der benachbarten, kulturell ähnlichen Transformationsländer dar, die eine Aufarbeitung ihrer politischen Vergangenheit über die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen der ehemaligen Eliten vornehmen. Diese Variable wurde aus dem Datensatz zu Menschenrechtsverfahren von Kim (2012) entwickelt. Als benachbart gilt ein Land, wenn es zu derselben UN-Subregion gehört. Die kulturelle Ähnlichkeit wird über die Anzahl der Anhänger der größten Religionsgemeinschaft in der Bevölkerung bestimmt, wobei dieser mindestens 50 Prozent der Gesamtbevölkerung angehören muss. Der Vorjahreswert der erklärenden Variable wird herangezogen, da DOI 10.1515/9783110521184-009
76 | 7 Die empirische Analyse
eine Pfadabhängigkeit beim Einsatz von Repressionen besteht (vgl. Davenport, 2007a; Escribà-Folch, 2012; Kim & Sikkink, 2010; Kim, 2012; Neumayer, 2005). Bürokratien nutzen die Entscheidungen der Vergangenheit als Entscheidungsgrundlage und sind in ihren Entscheidungsstrukturen zudem träge. Wurden in der Vergangenheit bereits Repressionen genutzt, sind die Kosten des Repressionsgebrauchs geringer als beim erstmaligen Gebrauch (vgl. Poe & Tate, 1994, S. 27). Zusätzlich wird die Anzahl der kulturell ähnlichen Nachbarländer mit eingesetzten Wahrheitskommissionen berücksichtigt und ebenfalls deren Abschreckungseffekt auf das Repressionslevel in den betrachteten Autokratien bestimmt. Der Effekt von Menschenrechtsprozessen und Wahrheitskommissionen wird nach personalistischen Regimen, Einparteien- und Militärdiktaturen getrennt bestimmt. Da eine Beteiligung an einem inner- oder zwischenstaatlichen Konflikt mit höheren Repressionsleveln in Verbindung steht, werden diese Variablen ebenfalls in die Analyse mit aufgenommen (vgl. Carey & Poe, 2004; Kim & Sikkink, 2010; Poe & Tate, 1994). Im Rahmen der Analyse wird auf sozioökonomische Einflussfaktoren, für die bereits eine Wirkung auf die Menschenrechtspraxis in Transformationsländern festgestellt wurde, kontrolliert. Bisher wurde für die Wirtschaftsleistung (vgl. Davenport, 2007a), die Wirtschaftsleistung pro Kopf (vgl. Mitchell & McCormick, 1988) und für Handlungsbeschränkungen des politischen Führers (vgl. Davenport, 2007a) eine repressionssenkende Wirkung auf die Menschenrechtspraxis demokratischer Regierungen ermittelt. Neben den negativ wirkenden Einflussfaktoren wird auch auf positive Einflussfaktoren kontrolliert. In der Literatur finden sich für die Ratifikation von Menschenrechtsabkommen (vgl. Neumayer, 2005) sowie für inner- und zwischenstaatliche Konflikte (vgl. Davenport, 2007a; Escribà-Folch, 2012; Kim & Sikkink, 2010) Ergebnisse, die für einen positiven Einfluss dieser Faktoren auf das Repressionslevel sprechen. Für den Effekt der Bevölkerungsgröße und des Bevölkerungswachstums auf die Menschenrechtspraxis wurden bisher uneinheitliche Ergebnisse ermittelt (vgl. Davenport, 2007a; Escribà-Folch, 2012; Frey et al., 1999; Kim & Sikkink, 2010; Neumayer, 2005; Poe & Tate, 1994). Diese beiden Variablen gehen ebenfalls als Kontrollvariablen in das Modell ein.
7.2 Der Panel-Datensatz Der Panel-Datensatz beinhaltet als abhängige Variable das Repressionslevel eines Landes. Dieses basiert auf den Länderberichten des US-Außenministeriums. Die erklärende Variable ist die Anzahl der benachbarten, kulturell ähnlichen Länder mit Menschenrechtsprozessen in den letzten drei Jahren. Die Ratifikation des ICCPR, inner- und zwischenstaatliche Konflikte, die Einschränkung der politischen Macht des politischen Führers, Wirtschafts- und Bevölkerungsdaten, die Anzahl der aktiven NGOs sowie die Lage der Länder nach Kontinenten und die Zeit seit dem Jahr 1975 stellen Kontrollvariablen dar (siehe Tab. A.1 im Anhang).
7.2 Der Panel-Datensatz |
77
Im nachfolgenden Kapitel werden der Generierungsprozess und die Bedeutung der Variablen einzeln erläutert.
7.2.1 Die Identifikation der Länder mit autokratischen Regimen Grundlage der empirischen Untersuchung ist die Identifikation von Ländern mit autokratischem Regime im Zeitraum von 1976 bis 2007. Zur Ermittlung der Wirkung von Menschenrechtsverfahren in kulturell ähnlichen Transformationsländern in derselben UN-Subregion auf die Menschenrechtspraxis unterschiedlicher autokratischer Regimetypen wird die Regimeklassifikation nach Geddes et al. (2014) verwendet. Bei dieser erfolgt eine Einteilung der politischen Systeme in Autokratien und Nichtautokratien sowie eine Klassifikation der Autokratien nach dem Regimetyp. Zur Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse wird in einem weiteren Schritt die Schätzung mit alternativen Ansätzen zur Identifikation von Ländern mit autokratischen politischen Systemen vorgenommen. Zum einen wird die abschreckende Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf politische Führer in Autokratien mit Hilfe der POLITY-2-Daten aus dem POLITY-IV-Projekt und zum anderen mit dem „Democracy-and-Dictatorship“Datensatz von Cheibub et al. (2010) auf seine Robustheit überprüft. Weder im Rahmen des POLITY-IV-Projektes noch beim „Democracy-and-Dictatorship“-Datensatz wird eine zu der Regimeklassifikation von Geddes et al. (2014) vergleichbare Regimeklassifikation vorgenommen, was einen Robustheitstest auf Regimetypebene verhindert. Die jeweils zu Geddes et al. (2014) unterschiedlichen Kriterien der Einteilung politischer Systeme in Demokratien und Autokratien ermöglichen jedoch eine Überprüfung der Robustheit der Wirkung des Abschreckungseffekts für Autokratien allgemein. Im Folgenden wird das spezifische Vorgehen bei der Einteilung der politischen Systeme bei den drei Indizes vorgestellt.
7.2.1.1 Die Regimeklassifikation nach Geddes et al. (2014) Die empirische Analyse basiert auf der Regimeklassifikation des Autocratic Regime Dataset von Barbara Geddes, Joseph Wright und Erica Frantz (GWF). Das Autorenteam konzentriert sich bei der Identifikation der Regimetypen auf die Analyse der „Führungsriege“ in Autokratien, die im Grunde der Winning-Coalition der Selektoratstheorie nach Bueno de Mesquita et al. (2005b) entspricht. Konkret erfolgt die Klassifikation der Autokratien über die Unterschiede in den Interessen und regimespezifischen Eigenschaften der autokratischen Führungsriege und weniger über ihre Größe. Die spezifischen Eigenschaften sind bei der Klassifikation autokratischer Regime insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Winning-Coalition eine hohe restriktive Wirkung auf die Entscheidungsmacht des Führers besitzt. Ist dies der Fall, wirken sich diese direkt auf die Politik der Regime aus. Folglich stellen die formellen und informellen Regelungen hinter den politischen Entscheidungsprozessen und die Machtvertei-
78 | 7 Die empirische Analyse
lung zwischen Führer und Winning-Coalition den Kern der Klassifikation der Regime bei Geddes et al. (2014) und Geddes (2003, S. 225 ff.) dar (De-facto-Betrachtung). Sie unterscheiden auf dieser Basis anhand folgender Merkmale vier autokratische Regimetypen: – Personalistisches Regime Der politische Führer kommt gewöhnlich als Anführer eines militärischen Coups oder als Parteivorsitzender in einer Einparteiendiktatur ins Amt und entmachtet anschließend aus Angst vor politischen Rivalen alle anderen politischen Organe (vgl. Chehabi & Linz, 1998, S. 26 ff.). In der Folge verfügt er über die alleinige Entscheidungsmacht in der Politik und in Personalfragen und wird dabei von einer kleinen, sehr loyalen Elite gestützt (vgl. Bratton & Van de Walle, 1994, S. 460). Die kleine Unterstützerbasis ist zudem ein Grund dafür, dass auf Bedrohungen der Macht mit Repressionen reagiert wird. Der Zugang zu hohen Ämtern wird nur durch die Zustimmung des politischen Führers gewährt und setzt in der Regel eine mit dem politischen Führer gleiche Religions- oder Stammeszugehörigkeit voraus. Der Sicherheitsapparat wird persönlich vom politischen Führer befehligt. Es werden keine freien, turnusmäßigen Wahlen abgehalten. Werden Wahlen abgehalten, entsprechen diese im Grunde einem Plebiszit, da es keine Gegenkandidaten mit reellen Siegchancen gibt (vgl. Geddes, 2003; Geddes et al., 2014). Die Bedeutung der breiten Öffentlichkeit für den politischen Führer ist lediglich auf die Generierung von Staatseinnahmen begrenzt. Diese werden vom politischen Führer zur Finanzierung der eigenen privaten Renten und der privaten Güter für die Winning-Coalition benötigt (vgl. Ulfelder, 2005, S. 315). Einer möglichen Revolutionsgefahr wird durch den Einsatz von Repressionen entgegengewirkt. Zu den personalistischen Diktaturen zählen auch militär-personalistische Regime, in denen ein Militärangehöriger uneingeschränkte Entscheidungsmacht besitzt. – Einparteiendiktatur Eine einzelne Partei verfügt über die Kontrolle der Politik. Führungspositionen werden nach bestimmten Regeln ausschließlich durch Parteimitglieder besetzt. Die Auswahl der Besetzung der Parteiposten erfolgt über die Partei selbst und nicht durch den Parteiführer. Auch die Verteilung von Leistungen für Unterstützer der Partei liegt in der Hand der Partei. Der politische Führer ist durch die Partei in seinem Handeln eingeschränkt. Die Stabilität der Macht der Partei bleibt auch bei einem Wechsel des Parteivorsitzenden bestehen. Die Mitglieder der Partei verfügen nicht über ein bestimmtes gemeinsames Merkmal, wie Religions- oder Stammeszugehörigkeit. Der Sicherheitsapparat liegt in der Hand des Militärs und nicht im direkten Einflussbereich des politischen Führers. Die Partei beansprucht für sich, dass sie die Interessen der breiten Bevölkerung vertritt und danach handelt. Es werden Wahlen abgehalten, an denen auch die politische Opposition teilnehmen darf. Trotz einer vorhandenen Opposition ist es in diesen Regimen ausgeschlossen, dass die regierende Partei eine Wahl verliert (vgl. Geddes, 2003; Geddes et al., 2014).
7.2 Der Panel-Datensatz |
–
–
79
Militärdiktatur In diesen Regimen ist der politische Führer ein Militärangehöriger, dessen Macht durch andere Militärangehörige sowie Regelungen bei Politikentscheidungen und bei der Besetzung von Posten eingeschränkt ist. Militärregime entstehen in Situationen, in denen sich ein starkes Militär nicht mehr als Agent des politischen Führers verhält, sondern sich gegen diesen wendet, um seine eigenen Ziele durchzusetzen (vgl. Acemoglu et al., 2010). Für die militärische Elite stehen die Effizienz und der Fortbestand des Militärs über allen anderen Zielen. Politisch tätig wird das Militär in der Regel, wenn die zivile Regierung in der Hinsicht versagt, dass das Militär sein eigenes Fortbestehen in Gefahr sieht. Der Besitz der politischen Macht ist nur Mittel zum Zweck (vgl. Nodlinger, 1977, S. 142). Wichtiges Element der Politikwahl ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, was häufig als Rechtfertigung eines Militärputsches aufgeführt wird. Im Vergleich zu einem militär-personalistischen Regime verfügt der politische Führer in diesem Regime über eine geringere absolute Macht, da diese auf mehrere Militärangehörige verteilt ist. Die hochrangigen Militärangehörigen weisen kein bestimmtes gemeinsames Merkmal wie Religions- oder Stammeszugehörigkeit auf (vgl. Geddes, 2003; Geddes et al., 2014). Beförderungen werden primär auf Basis von Verdiensten und des Dienstalters gewährt, nicht aufgrund besonderer Treue gegenüber dem militärischen Führer. Der politische Führer hat als primäres Ziel ein effizientes und gut ausgestattetes Militär (vgl. Decalo, 1976; van Doorn, 1969). Die freiwillige Abgabe der politischen Macht an eine Nachfolgeregierung und die Rückkehr in die Kasernen sind in diesen Regimen nicht ungewöhnlich (vgl. Geddes, 1999, S. 131). Monarchistische Diktatur Die Kontrolle über Politik, die Auswahl der Führungspositionen und des Sicherheitsapparats liegen in der Hand eines Königshauses. Ein Nachfolger wird über eine Erbfolge bestimmt (vgl. Geddes, 2003; Geddes et al., 2014).
Von den vier aufgeführten Regimetypen gehen die drei erstgenannten in die empirische Analyse ein. Monarchistische Regime finden in der empirischen Analyse keine Berücksichtigung, da für diese durch die lebenslange Amtszeit des Monarchen und die Erbfolgeregelung angenommen wird, dass die Politik langfristig orientiert ist und Repressionen nicht für eine Maximierung des kurzfristigen Nutzens durchgeführt werden.¹⁸ Zur Identifikation der Länderjahre mit einem autokratischen Regime und zur Bestimmung der Regimedauer werden die von Geddes et al. (2014) ermittelten Regimestart- und -endzeitpunkte genutzt. Für die Kodierung des Regimetyps des Länderjahres ist der Regimetyp am 1. Januar eines Jahres ausschlaggebend. Ein Regime gilt
18 Eine Übersicht über alle autokratischen Regime des Datensatzes liefert Tab. A.2 im Anhang.
80 | 7 Die empirische Analyse
ab dem Zeitpunkt als autokratisch, zu dem ein politischer Führer mit undemokratischen Mitteln an die Macht kommt, die demokratisch gewählte Regierung die formellen und informellen Regeln ändert und damit den Wettbewerb in nachfolgenden Wahlen beschränkt oder Wahlen abgehalten werden, von denen mindestens eine populäre Partei durch das Militär ausgeschlossen wurde. In einem zweiten Schritt erfolgt die Zuordnung des Regimes zu einem Regimetyp anhand der oben aufgeführten Kriterien. Alle nachfolgenden Jahre mit gleichbleibenden formellen und informellen Regelungen und gleicher politischer Elite gelten als autokratisch (vgl. Geddes et al., 2014, S. 317). Ein autokratisches Regime endet mit dem Amtsantritt eines neuen politischen Führers, der nicht aus der herrschenden Elite stammt, mit dem Sturz der Regierung durch einen Staatsstreich oder mit dem Zeitpunkt der Einführung demokratischer Strukturen bezüglich der Wahl des Staatsoberhauptes (vgl. Geddes et al., 2014, S. 317 f.). Im Datensatz werden alle Länder mit mehr als einer Million Einwohner berücksichtigt.
7.2.1.2 Die Regimeklassifikation nach POLITY IV Die Robustheit des Zusammenhangs zwischen menschenrechtsverfolgenden Nachbarländern und dem Repressionslevel in Autokratien wird mittels der Klassifikation des POLITY-2-Index überprüft. Das Center for Systemic Peace konstruiert im Rahmen des POLITY-IV-Projektes jeweils einen Index für die institutionalisierte Demokratie und Autokratie in einem Land, die zum POLITY-2-Wert zusammengefasst werden (vgl. Marshall et al., 2013). Im Gegensatz zu Geddes et al. (2014) werden im Rahmen dieses Projektes nur die formellen institutionellen Regelungen bei der Indexierung berücksichtigt (De-jure-Betrachtung). Eine Bestimmung unterschiedlicher Regimearten, die über die Einteilung in Demokratie, Anokratie und Autokratie hinausgeht, findet nicht statt. Die elfstufige Skala (0–10) für die institutionalisierte Demokratie wird additiv aus drei unabhängigen Subindizes gebildet. Zum einen werden Institutionen und Verfahren bewertet, über die Bürger erfolgreich ihre Präferenzen über die Politik und den politischen Führer äußern können. Der zweite Aspekt betrifft die institutionalisierten Machtbeschränkungen des politischen Führers. Als dritter Index werden die Garantien für bürgerliche Freiheiten berücksichtigt. Die elfstufige Skala (0–10), über die der Wert für die institutionalisierte Autokratie bestimmt wird, wird über die Subindizes zum politischen Wettbewerb, die Regelung der politischen Teilhabe und die Beschränkungen der Entscheidungsmacht des politischen Führers gebildet. Der POLITY-2-Wert entspricht dem Wert aus der Subtraktion des Wertes für die institutionalisierte Autokratie von dem Wert für die institutionalisierte Demokratie. Das Resultat ist eine 21-stufige Skala zwischen −10 und +10. Im Projekt werden Länderjahre mit einem POLITY-2-Wert über 5 als demokratisch einge-
7.2 Der Panel-Datensatz |
81
stuft. Länder mit Werten zwischen +5 und −5 werden als Anokratien und Länder mit Werten zwischen −6 und −10 als Autokratien klassifiziert. Für die Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse aus der Analyse mit der Klassifikation nach Geddes et al. (2014) werden mit Hilfe der POLITY-2-Daten Länderjahre als autokratisch eingestuft, die Werte kleiner +6 aufweisen und somit als nicht demokratisch klassifiziert werden. Mit dieser Festlegung des Grenzwerts orientiert sich die Analyse an Fearon (2011, S. 1696) sowie Partell & Palmer (1999, S. 396).
7.2.1.3 Die Klassifikation nach Cheibub, Gandhi und Vreeland (2010) Die Robustheit des Wirkungszusammenhangs zwischen der Anzahl der kulturell ähnlichen Nachbarländer mit Menschenrechtsverfahren und dem Repressionslevel in einer betrachteten Autokratie wird zusätzlich anhand des 199 Länder umfassenden „Democracy-and-Dictatorship-Datensatzes“ von Cheibub, Gandhi und Vreeland (CGV) überprüft, der auch eine alternative Klassifikation politischer Regime liefert. Cheibub et al. (2010) entwickeln hierbei eine sechsfache Klassifikation politischer Systeme, bei der die Institutionen im Vordergrund stehen, die den Regierungswechsel regeln. Diese von Alvarez et al. (1996) und Przeworski et al. (2000) übernommene Klassifizierung ist bewusst einfach gewählt und basiert ausschließlich auf beobachtbaren Daten, um eine einfache Reproduzierbarkeit zu gewährleisten (De-jure-Betrachtung). Regime, bei denen Ämter der Exekutive und Legislative direkt oder indirekt durch offene Wahlen besetzt werden, bei denen bei der Wahl mehr als eine Partei antritt und ein durch eine Wahl beschlossener Regierungswechsel auch durchgeführt wird, werden als Demokratien definiert (vgl. Cheibub et al., 2010, S. 69). Regime, die nicht als Demokratien identifiziert wurden, gelten als Diktatur. Unter den Diktaturen wird anhand der persönlichen Eigenschaften des politischen Führers zwischen Monarchie-, Militär- und Zivil-Regimen unterschieden. Demnach liegt ein monarchistisches Regime vor, wenn der politische Führer die Bezeichnung „König“ führt und eine Erbfolge besteht. Ist der politische Führer ein aktuelles oder ehemaliges Mitglied der Armee, liegt ein Militärregime vor. Alle übrigen Regime, die nicht in die beiden aufgeführten Regimetypen klassifiziert werden können, werden als Zivilregime betrachtet. Diese Kategorie dient somit als eine Residualkategorie (vgl. Cheibub et al., 2010, S. 87 ff.).
7.2.2 Die Indexierung der Menschenrechtspraxis der Regierung Mit der Bestimmung des Repressionslevels in den Ländern der Welt befassen sich zwei Projekte, deren Indizes regelmäßig in wissenschaftlichen Publikationen Anwendung finden. Zum einen handelt es sich um das Political Terror Scale Project (PTS) (vgl. Gibney et al., 2015) und zum anderen um das CIRI Human Rights Data Project (CIRI) (vgl. Cingranelli et al., 2014). Beide Projekte nutzen die jeweils jährlich erscheinenden Länderberichte des amerikanischen Außenministeriums zur Menschenrechtspraxis
82 | 7 Die empirische Analyse
und die jährlichen Länderberichte von Amnesty International als Informationsquellen. Seit dem Jahr 2013 werden im Rahmen des PTS-Projekts zusätzlich die Länderberichte von Human Rights Watch kodiert.¹⁹ Die Projekte zur Bestimmung der Menschenrechtspraxis beanspruchen jeweils für sich, dass der eigene Index die Menschenrechtspraxis in den betrachteten Ländern bestmöglich vor dem Hintergrund der Qualität der vorhandenen Informationsquellen wiedergibt (vgl. Cingranelli & Richards, 2010; Wood & Gibney, 2010). Beim PTSProjekt wird aus den Länderberichten direkt die Menschenrechtspraxis anhand der Rechte auf körperliche Unversehrtheit beurteilt, wohingegen im CIRI-Projekt zunächst die jeweilige Menschenrechtspraxis anhand einzelner Menschenrechte bestimmt wird und diese anschließend zu einem Verbundindikator zusammengefasst werden, der als Indikator für die gesamte Menschenrechtspraxis dient (vgl. Cingranelli et al., 2014). Im Folgenden schließt sich eine Bewertung der Qualität der Länderberichte an, die als Informationsquelle der Indizes dient und anschließend eine detaillierte Erläuterung der Kodierung der Länderberichte in den Projekten.
7.2.2.1 Die Qualität der Länderberichte Als Datenquellen für die Länderberichte zur staatlichen Menschenrechtspraxis des US-Außenministeriums dienen als glaubwürdig eingestufte Berichte amerikanischer und ausländischer Staatsbediensteter, Opfer staatlicher Gewalt, wissenschaftliche Studien sowie Berichte aus der allgemeinen Presse und Presseberichte internationaler Organisationen und Menschenrechts-NGOs. Ziel der Länderberichte ist eine möglichst realitätsnahe Darstellung der Menschenrechtspraxis. Dabei stellt die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Berichte nach eigener Aussage des US-Außenministeriums eine komplexe Aufgabe dar (vgl. US-Außenministerium, 2014, Anhang A). Staatlich begangene Menschenrechtsverletzungen werden in der Regel von den Beschuldigten abgestritten, Zeugen eingeschüchtert und bedroht oder der Opposition zugeschrieben. Zudem erfolgen staatlich angeordnete Menschenrechtsverletzungen mitunter über Dritte, was die Identifikation der Auftraggeber erschwert. Auf der anderen Seite haben Angehörige der Oppositionsgruppen einen Anreiz zu Übertreibungen und falschen Vorwürfen. Aus diesem Grund versucht das Außenministerium, die Verantwortlichen für die Taten zu identifizieren, und bewertet die Menschenrechtslage in den Ländern auch nach den Anstrengungen der Regierung, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und Täter zu bestrafen. Den Berichten des US-Außenministeriums wurde mitunter unterstellt, dass im Vergleich zu den Berichten von Amnesty International alliierten Ländern in der Hochphase des Kalten Krieges eine bessere Menschenrechtspraxis zugeschrieben wurde als
19 Der Index auf Basis der Berichte von Human Rights Watch findet aufgrund der geringen verfügbaren Länderjahre keine Beachtung in der folgenden empirischen Analyse.
7.2 Der Panel-Datensatz |
83
den kommunistischen Gegnern (vgl. Carleton & Stohl, 1985; Mitchell & McCormick, 1988) und dass in diesen bewusst falsche Informationen veröffentlicht wurden (vgl. Forsythe, 1989, S. 134). Dies kann für einzelne Fälle bestätigt werden. Eine systematische Beeinflussung der Berichte fand jedoch nicht statt. Ab Mitte der 1980er-Jahre kann hinsichtlich dieses Aspektes kein Unterschied zwischen den Berichten festgestellt werden (vgl. Poe et al., 2001). Die Berichte stellen folglich eine verlässliche Informationsquelle zur Menschenrechtspraxis autokratischer Regierungen dar. Amnesty International sammelt selbst als glaubwürdig eingestufte Informationen zur Menschenrechtslage direkt bei Betroffenen vor Ort oder nutzt Zeitungsartikel oder Informationen lokaler NGOs als Informationsquelle und fasst diese in den jährlichen Länderberichten zusammen (vgl. Amnesty International, 2016). Vor der Veröffentlichung der Berichte können die Länder Stellung zu der ermittelten Menschenrechtspraxis in ihrem Land beziehen. Bei der Bewertung der Länderberichte von Amnesty International bestehen vergleichbare Probleme bei der Beurteilung der Qualität der Quellen wie bei der Erstellung der Länderberichte des US-Außenministeriums. Bei Amnesty International wie bei anderen MenschenrechtsNGOs stellt die Bekanntmachung von Menschenrechtsverletzungen, insbesondere über Naming-und-Shaming-Kampagnen, das Haupttätigkeitsfeld dar (vgl. Franklin, 2008; Hafner-Burton, 2008; Meernik et al., 2012). Um mit diesen Kampagnen eine möglichst große Wirkung zu erzielen, müssen zwei Aspekte erfüllt sein: Einerseits bedarf es einer hohen Glaubwürdigkeit der Organisation und andererseits muss die vermittelte Information Aufmerksamkeit bei den Adressaten erlangen. Eine möglichst hohe Aufmerksamkeit wird durch Informationen über dramatische Ereignisse gewonnen. Eine Übertreibung der Realität führt kurzfristig zu einer höheren Aufmerksamkeit. Langfristig bewirkt die Verbreitung von Informationen, die nicht der Wahrheit entsprechen, einen Glaubwürdigkeitsverlust der Organisation und somit eine geringere öffentliche Aufmerksamkeit (vgl. Cohen & Green, 2012, S. 451). Die von Menschenrechts-NGOs verbreiteten Informationen zur Menschenrechtslage eines Landes können nicht als objektiv angesehen werden (vgl. Hafner-Burton, 2014, S. 282). Nichtsdestotrotz ist der Anreiz dieser NGOs nur gering, die Menschenrechtslage eines Landes zu dramatisieren (vgl. Hill et al., 2013). Die Berichte stellen eine verlässliche Informationsquelle für die Menschenrechtspraxis in Autokratien dar. Der Fokus der Berichte von Amnesty International liegt jedoch nicht nur auf den vom Staat ausgeübten Menschenrechtsverletzungen, sondern auch auf der allgemeinen Menschenrechtslage. Aus diesem Grund werden die Repressionslevel auf Basis der Amnesty-International-Berichte lediglich zur Überprüfung der Robustheit des Zusammenhangs zwischen den menschenrechtsverfolgenden Nachbarländern und dem Repressionslevel in Autokratien verwendet.
84 | 7 Die empirische Analyse
7.2.2.2 Das „Political-Terror-Scale-Projekt“ Beim PTS-Projekt wird für jede der drei Informationsquellen ein separater Index für die Menschenrechtspraxis bezüglich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit gebildet, welches im Zentrum der juristischen Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen steht. Bei der Analyse der Menschenrechtspraxis eines Landes wird zwischen politischer Inhaftierung, Folter, extralegalen Morden und Verschwindenlassen unterschieden, was eine umfassende Beurteilung der Menschenrechtspraxis eines Landes ermöglicht (vgl. Goodman & Jinks, 2003, S. 174 f.). Da weder die Berichte des US-Außenministeriums noch die von Amnesty International einen quantitativen Überblick in Form eines vergleichenden Rankings beinhalten, ist die Anwendung eines Kodierungsschemas notwendig. Für die Zuordnung der Menschenrechtspraxis eines Landes zu einem bestimmten Repressionslevel wird das fünfstufige kontinuierliche Kodierungsschema nach Freedom House angewendet (vgl. Gastil, 1980, S. 37). Nach diesem zeigt ein höheres Level ein größeres Ausmaß an Menschenrechtsverletzungen auf. Die Regierungen der Länder mit gleichem Repressionslevel verfolgen eine vergleichbare Menschenrechtspraxis (vgl. Wood & Gibney, 2010, S. 373). – Level 1 Länder mit rechtsstaatlicher Sicherheit. Einwohner werden nicht für ihre Ansichten inhaftiert und Folter ist selten oder kommt nur in Ausnahmefällen vor. Politische Morde sind extrem selten. – Level 2 Es gibt einen beschränkten Umfang an Verhaftungen aufgrund gewaltfreier politischer Aktivität. Obwohl einige Wenige staatlicher Folter und körperlicher Gewalt ausgesetzt sind, kommen Maßnahmen wie diese nur in Ausnahmefällen vor. Politische Morde sind selten. – Level 3 Es kommt in hohem Umfang zu politischen Inhaftierungen. Exekutionen und andere politische Morde und Brutalität können üblich sein. Die Praxis zur unbefristeten Inhaftierung mit oder ohne Gerichtsverfahren aufgrund oppositioneller politischer Ansichten ist verbreitet. – Level 4 Von den Methoden aus Level 3 sind größere Teile der Bevölkerung betroffen. Extralegale Morde, das Verschwinden von Personen und Folter sind Teil des täglichen Lebens. Obwohl prinzipiell die gesamte Bevölkerung betroffen ist, gilt für dieses Level, dass sich der staatliche Terror insbesondere gegen diejenigen richtet, die sich politisch engagieren oder bestimmte Meinungen vertreten. – Level 5 Von den Terrormaßnahmen von Level 4 ist die gesamte Bevölkerung betroffen. Die politischen Anführer dieser Gesellschaften verfolgen ihre persönlichen oder ideellen Ziele ohne jegliche Beschränkung der Maßnahmen und Gründlichkeit.
7.2 Der Panel-Datensatz |
85
Der zugrundeliegende konzeptuelle Ansatz dieser Klassifikation besteht darin, dass staatliche Gewalt anhand dreier Dimensionen gemessen werden kann: Umfang, Intensität und Ausmaß (vgl. Stohl et al., 1986, S. 600 ff.). Der Umfang der staatlichen Ausübung von Gewalt richtet sich danach, welche Maßnahmen der Staat gegen seine Opfer anwendet. Dabei erfolgt eine implizite Anordnung der einzelnen Arten von Menschenrechtsverletzungen nach ihrer Bedeutung für das Leben der Opfer und deren Angehörigen, was letztlich die „Qualität“ der Menschenrechtsverletzungen angibt. Unter den betrachteten Maßnahmen werden politische Inhaftierungen als geringste Verletzung der Menschenrechte der Opfer angesehen. Folter stellt die nächsthöhere Stufe dar. Die Schwere der Menschenrechtsverletzung eines von einem politischen Führer angeordneten extralegalen Mordes wird nur durch die Praxis des Verschwindenlassens von Menschen überstiegen. Die fehlende Erwähnung von Praktiken wie das Verschwindenlassen von Personen in den ersten drei Leveldefinitionen bedeutet nicht, dass ein Land mit dieser Praxis automatisch ein Level von 4 oder 5 zugewiesen bekommt. Bei der Beurteilung der Menschenrechtspraxis erfolgt stets eine Einzelfallbetrachtung, die mit der Bewertung der gesamten Menschenrechtspraxis endet (vgl. Wood & Gibney, 2010, S. 398). Bei der Beurteilung der Intensität steht die Häufigkeit einer bestimmten Repressionsart oder Maßnahme innerhalb einer bestimmten Zeitperiode im Fokus. Nur durch die gemeinsame Betrachtung von Intensität und Umfang kann eine realistische Einschätzung der Menschenrechtslage unternommen werden, da eine isolierte Sicht auf die Aspekte zu fehlerhaften Rückschlüssen führen kann (vgl. Stohl et al., 1986, S. 601 f.). Bei der Betrachtung der Dimension Ausmaß wird untersucht, welcher Teil und welcher Anteil der Bevölkerung Opfer staatlich ausgeübter Gewalt ist. Die Anzahl der berichteten Menschenrechtsverletzungen wird in Relation zu der Bevölkerungsgröße gestellt und die Identität der Opfergruppen bei der Indexbildung berücksichtigt. Der Index liefert somit Informationen über das relative Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen einer Regierung. Dies hat zum einen zur Folge, dass gleiche absolute Opferzahlen in zwei Ländern mit unterschiedlichen Bevölkerungsgrößen zu unterschiedlichen Repressionsleveln führen können. Zudem wird einem Staat, der seine Maßnahmen gegen ausgewählte gesellschaftliche Gruppen richtet, ein geringeres Repressionslevel zugewiesen als einem Staat, der seine Opfer undifferenziert auswählt (vgl. Stohl et al., 1986, S. 602 f.). Dieser Aspekt kommt insbesondere bei der Kodierung von Level 4 und Level 5 zur Geltung. Das Projektteam plädiert für eine strikte Trennung der drei bereitgestellten Indizes und somit für die Interpretation des Indexes als eine Menschenrechtspraxis eines Landes aus Sicht einer bestimmten Organisation (vgl. Goldstein, 1986; Haschke, 2015). Für die empirische Analyse wird der Index aus den Länderberichten des USAußenministeriums verwendet. Der alternative Index aus den Berichten von Amnesty International wird im Anschluss zur Robustheitskontrolle der Ergebnisse genutzt.
86 | 7 Die empirische Analyse
Der Datensatz des PTS-Projekts umfasst 180 Länder über den Zeitraum von 1976 bis 2014. Die Variable Repressionslevel (PTS US-Außenministerium) repräsentiert die Menschenrechtspraxis für ein Länderjahr auf Basis der Länderberichte des US-Außenministeriums. Die ordinal skalierte Variable kann Werte zwischen 1 (PTS-Level 1) und 5 (PTS-Level 5) annehmen. Die Variable Repressionslevel (Amnesty) entspricht im Grunde der Variablen Repressionslevel (PTS US-Außenministerium), nur dass das Repressionslevel hier auf Basis der Informationen der jährlichen Länderberichte von Amnesty International bestimmt wurde. Die Strukturen für Repressionen verfügen über einen selbsterhaltenden Effekt. Ein bestehender Repressionsapparat erleichtert den erneuten Einsatz von Repressionen (vgl. Zanger, 2000). Wenn politische Eliten körperliche Gewalt in der Vergangenheit genutzt haben, um ihre politische Position zu sichern, dann werden diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft Gewalt aus diesem Grund anwenden (vgl. Gurr, 1986). Aufgrund der bestehenden Pfadabhängigkeit beim Einsatz von Repressionen werden die Vorjahreswerte der Variablen Repressionslevel (PTS US-Außenministerium) und Repressionslevel (Amnesty) über die Variablen Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) und Repressionslevelt−1 (PTS Amnesty) mit in das Modell als erklärende Variablen aufgenommen.
7.2.2.3 Das CIRI-Projekt Das CIRI-Projekt, bei dem bisher die Menschenrechtspraxis von 202 Ländern über den Zeitraum von 1981 bis 2011 kodiert wurde, nutzt die Berichte des US-Außenministeriums als Primärquelle, um die Menschenrechtspraxis bezüglich der Einhaltung der Rechte auf körperliche Unversehrtheit, der bürgerlichen und politischen Rechte, der Arbeitnehmerrechte und der Rechte von Frauen jeweils separat zu bewerten. Bei der Kodierung der Menschenrechtspraxis hinsichtlich der Rechte auf körperliche Unversehrtheit, die im Zentrum der Betrachtung der Analyse steht, wird zudem der jährliche Länderbericht von Amnesty International herangezogen. Widersprechen sich die Angaben in den Berichten, wird der Bericht von Amnesty International als verlässlicher angesehen (vgl. Cingranelli & Richards, 2010, S. 406). Somit basieren die CIRI-Subindizes des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit faktisch auf den Informationen der Länderberichte von Amnesty International. Die Menschenrechtsverletzungen im Rahmen des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit werden bei der Indexerstellung in vier Unterkategorien unterteilt (politische Verhaftungen, Folter, extralegale Morde und Verschwindenlassen) und es wird für jede Unterkategorie anhand einer dreistufigen ordinalen Skala ein separater Indexwert für die spezifische Menschenrechtspraxis bestimmt. Dabei entspricht die erste Stufe (CIRI-Wert = 0) dem vollständigen Respekt der Regierung des betrachteten Rechtes und Stufe 3 (CIRI-Wert = 2) der Missachtung dieses Rechts durch die Regierung. Die einzelnen Subindizes werden in einem zweiten Schritt zum Physical Integrity RightsIndex zusammengeführt, der als Index für die Menschenrechtspraxis, bezogen auf das
7.2 Der Panel-Datensatz |
87
Recht auf körperliche Unversehrtheit eines Landes, dient. Dabei werden die einzelnen Unterkategorien bei der Bildung dieses Verbundindikators gleich gewichtet. Es besteht bei der Beurteilung der Menschenrechtspraxis demnach kein Unterschied zwischen einer politischen Inhaftierung und staatlich angeordneten Morden (vgl. Wood & Gibney, 2010, S. 398). Die Menschenrechtspraxis der Länder wird nach tatsächlichen Opferzahlen und somit nach einem absoluten Verhaltensstandard bewertet. Die Bevölkerungsgröße findet bei der Bewertung keine Berücksichtigung. Auch die Gruppenzugehörigkeit der Opfer staatlicher Gewalt wird nicht in Betracht gezogen. Im Fokus der Betrachtung steht somit das absolute Ausmaß der einzelnen Menschenrechtsverletzungsarten einer Regierung. Der Physical Integrity Rights Index findet in dieser Arbeit bei der Überprüfung der Robustheit des Ergebnisses der PTS-Schätzung Verwendung, da starke Verschlechterungen in der Menschenrechtspraxis in den PTS-Daten besser abgebildet werden (vgl. Clark & Sikkink, 2013). Die Variable Repressionslevel (CIRI) entspricht dem invertierten Physical Integrity Rights Index des CIRI-Projektes. Diese ordinal skalierte Variable kann Werte zwischen 0 (keine Verletzung der Rechte auf körperliche Unversehrtheit) und 8 (höchste Stufe der Menschenrechtsverletzungen) annehmen. Mit der Variable Repressionslevelt−1 (CIRI) werden die Vorjahreswerte der Repressionslevel (CIRI)-Variable abgebildet.
7.2.3 Die Bestimmung benachbarter kulturell ähnlicher Transformationsländer mit Menschenrechtsverfahren Der Fokus der empirischen Analyse liegt auf der Bestimmung des Effekts von Menschenrechtsverfahren gegen die ehemalige Führungselite in Transformationsländern auf das Repressionslevel in benachbarten kulturell ähnlichen Autokratien. Die Informationen zu Transformationsländern, welche die Menschenrechtsverletzungen ihrer ehemaligen autokratischen Elite mit Hilfe von Menschenrechtsprozessen oder Wahrheitskommissionen aufgearbeitet haben, stammen aus dem Datensatz von Kim (2012). Für die Generierung dieser Variablen müssen folgende Fragen geklärt werden: (1) Wie können Transformationsländer identifiziert werden? (2) Über welches Merkmal der Länder wird eine kulturelle Ähnlichkeit bestimmt? (3) Wie werden benachbarte Länder definiert? (4) Welche Menschenrechtsverfahren sind relevant und wo können Quellen dazu gefunden werden? Diese Fragen werden nachfolgend einzeln beantwortet.
7.2.3.1 Die Identifikation der Transformationsländer Die Transformationsländer werden über die Veränderung beim POLITY-Index identifiziert (vgl. Kim, 2012, S. 309). Ein Land durchläuft demnach eine Transformation hin zu demokratischeren Strukturen, wenn in diesem Land ein bedeutender demokratischer
88 | 7 Die empirische Analyse
Wandel eingesetzt hat (+6 Punkte oder mehr innerhalb der letzten drei Jahre) oder in mindestens zwei aufeinander folgenden Jahren ein kleinerer demokratischer Wandel (+3 bis +5 Punkte innerhalb der letzten drei Jahre) festgestellt wurde. Zusätzlich muss hierbei ein Wechsel beim Politiktyp nach POLITY erfolgt sein. Das bedeutet, dass die Länder durch die Veränderung der erzielten POLITY-Punkte von einer Autokratie (POLITY-Wert ≤ 0) zu einer Anokratie (POLITY-Wert zwischen +1 und +6) oder vollständigen Demokratie (POLITY-Wert ≥ 7) oder aus einer Anokratie zu einer vollständigen Demokratie gewechselt sein müssen (vgl. Marshall et al., 2013). Daneben wurden Länder mit in die Betrachtung aufgenommen, die eine demokratische Transformation zeitgleich mit einer Veränderung des Staatsterritoriums oder der Neugründung des Staates erfahren haben. Für den relevanten Zeitraum zwischen den Jahren 1980 und 2006 ermittelt Kim (2012) 71 Länder mit einer Gesamtpopulation größer als 500 000, die eine Transformation hin zu einem demokratischen politischen System durchlaufen haben.
7.2.3.2 Die Klassifikation kulturell ähnlicher Nachbarländer Als kulturell ähnliche Nachbarländer werden Länder klassifiziert, welche in derselben UN-Subregion liegen und in denen die absolute Mehrheit der Bevölkerung derselben Religion angehört (vgl. Kim, 2012). Dieser Klassifikation liegt eine Definition von Kultur zugrunde, nach der als Kultur die Überzeugungen und Werte gelten, die von ethnischen, religiösen Gemeinschaften und Gesellschaftsgruppen nahezu unverändert von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden (vgl. Sapienza et al., 2006, S. 2). Die Informationen zur Religionszugehörigkeit in den Ländern werden mit Hilfe des World Religion Dataset (vgl. Maoz & Henderson, 2013) gewonnen, wobei zwischen den Religionen Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus und Animismus unterschieden wird. Länder, in denen die Bevölkerung nicht mehrheitlich einer bestimmten Religion angehört, werden einer Residualkategorie zugeordnet. Diese Länder haben keine kulturell ähnlichen Nachbarstaaten.
7.2.3.3 Die Identifikation von Menschenrechtsverfahren Als relevante Menschenrechtsverfahren gelten jegliche Maßnahmen der Exekutive oder Judikative eines Landes gegen ehemalige hochrangige Staatsbedienstete aufgrund von Anschuldigungen begangener Menschenrechtsverletzungen. Darunter fallen sämtliche Anklageerhebungen, Verhaftungen, Auslieferungen, Arreste, Festnahmen und Strafverfahren, welche aufgrund von Verletzungen gegen grundlegende Menschenrechte eingeleitet wurden (vgl. Kim, 2012, S. 309). Da sich die Analyse auf die Rechenschaftspflicht der Mitglieder der politischen Führung bezieht, werden nur Menschenrechtsverfahren gegen ehemalige Staatsoberhäupter und hochrangige Staatsbeamte bei der Analyse berücksichtigt. Darunter fallen oben genannte Maßnahmen gegen ehemalige Generäle, Admiräle, Minister, Prä-
7.2 Der Panel-Datensatz |
89
sidenten und Leiter von Sicherheits- und Geheimdiensteinrichtungen (vgl. Kim, 2012, S. 309). Verfahren gegen Staatsbeamte auf unteren Ebenen werden nicht in die Analyse mit einbezogen, da von diesen im Gegensatz zu den Verfahren gegen hochrangige Staatsbeamte für Transformationsländer kein Abschreckungseffekt ausgeht (vgl. Kim & Sikkink, 2012).²⁰ Diese handeln als ausführende Organe der Menschenrechtsverletzung in der Regel auf Anweisung der Staatsoberen. Im Rahmen der empirischen Analyse werden sowohl nationale als auch internationale Menschenrechtsverfahren berücksichtigt. Nationale Verfahren unterscheiden sich von internationalen Verfahren darin, dass erstere in dem Land erfolgen, in dem die Menschenrechtsverletzungen stattgefunden haben. Bei internationalen Verfahren findet hingegen der Prozess in einem Drittland statt, welches keinen direkten Bezug zu den Menschenrechtsverletzungen besitzt. Hierzu zählen beispielsweise die Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) oder dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR), die beide durch Resolutionen des UN-Sicherheitsrats geschaffen wurden und in Den Haag ihren Sitz hatten (vgl. Kim, 2012, S. 309). Daneben zählen hierzu Verfahren, die auf Basis der Anwendung des Weltrechtsprinzips eröffnet wurden.²¹ Der Großteil der im Datensatz berücksichtigten Verfahren sind solche, die auf nationaler Ebene stattgefunden haben. Menschenrechtsverfahren in Autokratien werden explizit aus der Betrachtung herausgenommen. Grund dafür ist, dass für diese angenommen werden muss, dass die Justiz nicht zu einer vom autokratischen Führer unabhängigen Rechtsprechung gelangt ist und insbesondere Strafverfahren gegen ehemalige politische Führer mitunter weder frei noch objektiv abgehalten werden. So dient die Anklage in einem Menschenrechtsverfahren gegen ehemalige Eliten vielmehr der Machtsicherung des amtierenden Autokraten als der Wahrheitsfindung (vgl. Kim & Sikkink, 2010, S. 946). Als Primärquelle für Informationen zu Verfahren aufgrund von Menschenrechtsverletzungen dienen die jährlichen Berichte des US-amerikanischen Außenministeriums zur Menschenrechtspraxis, da diese Länderberichte als verlässliche Quelle für Informationen bezüglich der Menschenrechtspraxis angesehen werden (vgl. Poe et al., 2001). Da die Länderberichte nur Auskunft über nationale Menschenrechtsverfahren geben, wurden ergänzend Länderberichte von NGOs²² und zwischenstaatlichen Institutionen²³ zur Informationsermittlung über internationale Verfahren herangezogen (vgl. Kim & Sikkink, 2010, S. 948). 20 Eine empirische Analyse, bei der der Effekt von Menschenrechtsverfahren gegen Beamte auf unteren Ebenen und Zivilisten auf Autokraten getestet wurde, liefert keine signifikanten Koeffizienten (siehe Tab. A.3 im Anhang). 21 Als prominentestes Beispiel kann der Prozess gegen den ehemaligen chilenischen General und Diktator Augusto Pinochet aufgeführt werden (vgl. Roht-Arriaza, 2005). 22 Human Rights Watch, International Center for Transitional Justice, Coalition for International Justice, Prevent Genocide International, REDRESS, Universal Jurisdiction Information Network, Gobal Policy.org, Track Impunity Always. 23 UN Security Council, ICC, ICTY, ICTR.
90 | 7 Die empirische Analyse
Sowohl in den Berichten des US-Außenministeriums als auch in den Länderberichten von Amnesty International fehlen vollständige Informationen zu der Rechtsprechung am Ende der Menschenrechtsverfahren. Es kann bei der Analyse der Daten somit nicht berücksichtigt werden, welchen Einfluss das verhängte Strafmaß auf den Abschreckungseffekt ausübt. Bei der empirischen Analyse kann folglich nur eine Aussage über den Abschreckungseffekt der Eröffnung strafrechtlicher Maßnahmen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen gegen ehemalige Eliten auf amtierende Autokraten getroffen werden. Da zudem die Vollständigkeit der Informationen in den Länderberichten des US-Außenministeriums und weiteren Quellen nicht gewährleistet ist und die Genauigkeit der Berichterstattung variiert, haben Kim (2012) und Kim & Sikkink (2010) von einer genauen Zählung der Verfahren abgesehen und sich für eine binäre Kodierung entschieden: Wenn in einer der Quellen Informationen über mindestens ein Menschenrechtsverfahren gegen einen hochrangigen Staatsbeamten enthalten waren, wurde diesem Land für das betrachtete Jahr der Wert „1“ zugewiesen. Werden in den herangezogenen Berichten keine Menschenrechtsverfahren erwähnt, so wurde dem Land der Wert „0“ für dieses Jahr zugeteilt. Neben der Information zu den Menschenrechtsprozessen beinhaltet der Datensatz Informationen zu Länderjahren, in denen eine oder mehrere Wahrheitskommissionen tätig waren. Die Kodierung verläuft hier analog zu der Variable der Menschenrechtsverfahren: Gab es eine Wahrheitskommission in dem betrachteten Länderjahr, so wird dem Land ein Wert von „1“ zugewiesen, in einem Jahr ohne Wahrheitskommission hat die Variable einen Wert von „0“. Die Variable Menschenrechtsprozesse entspricht dem Logarithmus der Summe der kulturell ähnlichen Transformationsländer in derselben UN-Subregion mit Menschenrechtsprozessen in den letzten drei Jahren. Jedes Länderjahr mit Menschenrechtsverfahren wird hierbei einzeln berücksichtigt. Die Berücksichtigung der Nachbarländer mit Menschenrechtsprozessen der letzten drei Jahre basiert auf der Annahme, dass dieser Zeitraum dem Erinnerungsvermögen von Autokraten in diesem Bereich entspricht. Die Variable Wahrheitskommissionen entspricht analog dazu dem Logarithmus der Summe der kulturell ähnlichen Transformationsländer in derselben UN-Subregion mit Wahrheitskommissionen.
7.2.4 Die Identifikation inner- und zwischenstaatlicher gewalttätiger Konflikte Für die Generierung zweier Dummy-Variablen, die angeben, ob die Regierung eines Landes in einem bestimmten Jahr an einem inner- oder zwischenstaatlichen Konflikt beteiligt war, werden Informationen des „UCDP/PRIO-Armed-Conflict-Datensatzes“ (PRIO) verwendet (vgl. Gleditsch et al., 2002). Innerstaatliche Konflikte stellen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen der Regierung des Landes und einer oder mehreren Oppositionsgruppe(n) dar, ohne dass weitere Staaten in diesen Konflikt involviert sind. Sie bilden das größte Gefähr-
7.2 Der Panel-Datensatz |
91
dungspotenzial für die Macht eines politischen Führers. Er kann mit Repressionen auf diese Bedrohung reagieren (vgl. Poe & Tate, 1994, S. 859). Hierbei wird diejenige Gruppe als Regierung bezeichnet, welche die Hauptstadt des Landes kontrolliert. Als Opposition gilt bei der Kodierung der PRIO-Daten eine organisierte Nichtregierungsgruppe, welche mit Hilfe von Waffengewalt das politische System ändern, die Zentralregierung stürzen oder die territoriale Aufteilung des Landes neu ordnen will. Als zwischenstaatlicher Konflikt gilt eine bewaffnete Auseinandersetzung dann, wenn dieser zwischen zwei oder mehreren international anerkannten und souveränen Regierungen, die ein bestimmtes Territorium kontrollieren, besteht (vgl. Themnér & Wallensteen, 2014, S. 9). Einem Land wird über die Variable Innerstaatlicher Konflikt ein Wert von „1“ zugewiesen, wenn in dem betrachteten Jahr mindestens ein kleinerer bewaffneter innerstaatlicher Konflikt mit mindestens 25 Todesopfern stattgefunden hat. Erfolgte ein entsprechender Konflikt zwischen zwei souveränen Staaten, wird den beteiligten Ländern über die Variable Zwischenstaatlicher Konflikt ebenfalls ein Wert von „1“ zugewiesen. Darüber hinaus wird bei beiden Variablen keine weitere Unterscheidung zwischen einem kleineren Konflikt mit 25 bis 999 Toten und einem Krieg mit mindestens 1000 Todesopfern vorgenommen. Gab es in einem Land keine gewalttätige Auseinandersetzung mit mehr als 25 Todesopfern, wird dem Land ein Wert von „0“ zugewiesen. Dies ist auch dann der Fall, wenn es in einem Land in einem Jahr zu zwei oder mehr unabhängigen innerstaatlichen Konflikten zwischen der Regierung und oppositionellen Gruppierungen kam, bei denen jeweils weniger als 25 Menschen starben. Gleiches gilt für die Kodierung zwischenstaatlicher Konflikte.
7.2.5 Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) Der Einfluss der Ratifikation internationaler Menschenrechtsabkommen auf die Menschenrechtspraxis eines Landes wird anhand der Ratifikation des ICCPR getestet. Die den ICCPR ratifizierenden Staaten verpflichten sich zum Schutz der grundlegenden Menschenrechte der eigenen Bürger. Jedem Land wird über die Variable Ratifikation ICCPR ein Wert von „1“ zugewiesen, wenn am 1. Januar des betrachteten Jahres der ICCPR ratifiziert ist (vgl. Vereinte Nationen, 2016). War der ICCPR in einem Jahr am 1. Januar noch nicht ratifiziert, so wird diesem Land für das betrachtete Jahr der Wert „0“ gegeben.
7.2.6 Die Einschränkung der politischen Macht des politischen Führers Die Erfolgsaussichten der Forderungen nach Gerechtigkeit im Zuge staatlicher Gewalt in Verbindung mit der Ratifikation des ICCPR sind möglicherweise davon abhängig, inwieweit der politische Führer in seinem Handeln autonom ist. Ist er in seinem po-
92 | 7 Die empirische Analyse
litischen Handeln nicht oder kaum eingeschränkt, womit eine Kontrolle der Gerichte einhergeht, ist eine Verbesserung der Menschenrechtslage durch eine Ratifikation des ICCPR nicht zu erwarten. Im Kern der Betrachtung der POLITY-IV-Variable-XCONST steht die gegenseitige Kontrolle der am politischen Entscheidungsprozess beteiligten Instanzen. Die Variable gibt den Grad der De-jure-Beschränkung der politischen Entscheidungsgewalt des politischen Führers wieder. Als kontrollierende Instanz dient in westlichen Demokratien gewöhnlich die Legislative, in Autokratien kann eine politische Partei (in Einparteiendiktaturen), das Militär oder eine unabhängige Justiz einen kontrollierenden Einfluss auf den politischen Führer ausüben (vgl. Conrad, 2014; Marshall et al., 2013). Die siebenstufige Variable XCONST ist ordinalskaliert. Die Variable XCONST gibt den Indexwert zur Begrenzung der politischen Macht durch andere Staatsorgane an. Dabei haben die einzelnen Stufen folgende Bedeutung: – XCONST = 1: uneingeschränkte Autorität Es gibt keine reguläre Einschränkungen der Handlungen des politischen Führers. – XCONST = 2: Zwischenkategorie – XCONST = 3: geringe bis mittlere Einschränkung der Exekutivorgane Es gibt wenige effektive, in ihrer Wirkung begrenzte Einschränkungen der Macht des politischen Führers. – XCONST = 4: Zwischenkategorie – XCONST = 5: substanzielle Einschränkungen der Exekutivorgane Der politische Führer verfügt über eine höhere effektive Entscheidungsmacht als andere Staatsorgane, diese schränken jedoch seinen politischen Handlungsspielraum erheblich ein. – XCONST = 6: Zwischenkategorie – XCONST = 7: Machtparität zwischen den Staatsorganen Die übrigen Staatsorgane sind ebenbürtig oder besitzen in den meisten Bereichen eine größere Macht als der politische Führer. Anhand der aus der XCONST generierten binären Machteinschränkungsvariablen werden Länder mit einer uneingeschränkten oder kaum eingeschränkten Handlungsund Entscheidungsautonomie (XCONST ≤ 3 → Machteinschränkung = 1) des politischen Führers von Autokratien mit einer mindestens geringfügigen Einschränkung (XCONST ≥ 4 → Machteinschränkung = 0) unterschieden. Mit Hilfe des Interaktionsterms der Variablen Ratifikation ICCPR und Machteinschränkung (Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung) wird die Wechselwirkung der beiden Variablen in der empirischen Analyse berücksichtigt.
7.2 Der Panel-Datensatz |
93
7.2.7 Die Wirtschafts- und Bevölkerungsdaten Die Bevölkerungsgröße ist mit dem Repressionslevel korreliert (vgl. Henderson, 1993). So führt eine größere Bevölkerung zu höheren Repressionen, da der Wettbewerb um nationale Ressourcen und die Gefahr von Umweltverschmutzung zunehmen, was die vorhandenen Ressourcen weiter verringert (vgl. Poe & Tate, 1994, S. 857). Um bei der empirischen Überprüfung des Abschreckungseffekts bei Autokratien Koeffizienten zu erhalten, die unabhängig von Wirtschafts- und Bevölkerungscharakteristika der Länder sind, wird die Wirkung sozioökonomischer Einflüsse auf das Repressionslevel in Autokratien kontrolliert. Der Einfluss der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf das Repressionslevel wird zum einen über das Wachstum des totalen BIP (zu Kaufkraftparitäten) zu den jeweiligen Preisen in Millionen internationalen Dollar (BIP-Wachstum) und zum anderen über das logarithmierte BIP pro Kopf (zu Kaufkraftparitäten) zu den jeweiligen Preisen in internationalen Dollar (BIP pro Kopf (ln)) in die Analyse mit aufgenommen. Darüber hinaus werden der Logarithmus der Größe der Bevölkerung (Bevölkerungsgröße (ln)) und die aus der Bevölkerungsgröße berechnete prozentuale Veränderung dieser (Bevölkerungswachstum) kontrolliert. Der natürliche Logarithmus der Bevölkerungsgröße wird aufgrund der schiefen Verteilung der Variablen verwendet. Die Wachstumsrate der Bevölkerung gibt nicht nur die Veränderung der Bevölkerungsgröße durch einen natürlichen Wachstumsprozess an, sondern berücksichtigt auch die Veränderung der Bevölkerungsgröße durch Migration. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil gewalttätige Konflikte starke Migrationsbewegungen auslösen können. Die verwendeten Bevölkerungs- und Wirtschaftsdaten stammen aus den PENN World Tables 7.1 (vgl. Heston et al., 2012).
7.2.8 Die Anzahl der aktiven Menschenrechts-NGOs Den Menschenrechts-NGOs wird eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der staatlichen Menschenrechtspraxis zugeschrieben. Gleichzeitig hat die Aktivität der NGOs eine direkte Auswirkung auf die Vollständigkeit der Berichte. Die Variable NGOs repräsentiert die Anzahl der tätigen Menschenrechts-NGOs in einem Land in einem bestimmten Jahr. Dabei wird die Anzahl der NGOs in Zehnerschritten erfasst. Ein Wert von 1 entspricht somit zehn aktiven NGOs. Hathaway (2007) generierte diese Variable, indem die Anzahl der in jedem Land agierenden Organisationen zu den Zeitpunkten 1989, 1994, 2000 und 2003 erfasst und die Daten für die dazwischenliegenden Jahre interpoliert wurden. Als Informationsquelle dienen ihr die Auflistungen von Menschenrechtsorganisationen von Human Rights Internet.²⁴
24 Diese Informationen sind nicht mehr zugänglich.
94 | 7 Die empirische Analyse
7.2.9 Die geografische Lage der Autokratien Es wird zudem der Einfluss der Lage der Länder über vier Kontinentdummy kontrolliert. Einem Land wird der Wert „1“ zugewiesen, wenn es in Europa (EU) liegt. Anderen Ländern wird über diese Variable der Wert „0“ zugeteilt. Analog erfolgt dieses Vorgehen für die Kontinente Lateinamerika und die Karibik (LA), Asien (AS) und Afrika (AF).
7.2.10 Die Anzahl der Jahre seit 1975 Die Veränderung des Repressionslevels über die Zeit wird mit Hilfe der Jahre-seit1975-Variablen erfasst. Dabei wird die vergangene Zeit seit dem Jahr 1975 berechnet. Diesem Jahr wird der Beginn der zweiten Strömung der Gerechtigkeitskaskade nach Sikkink zugeschrieben, welche die nationale Rechtsprechung zur individuellen Rechenschaftspflicht von ehemaligen politischen Führern darstellt.
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes Eine umfassende Interpretation der empirischen Ergebnisse setzt eine vorangestellte deskriptive Analyse des Datensatzes voraus. Hierfür werden die erklärenden Variablen sowie die Kontrollvariablen der empirischen Analyse mithilfe von Grafiken präsentiert, um einerseits die im Datensatz beinhalteten Informationen kurz darzulegen und andererseits erste Erkenntnisse für die anschließende empirische Untersuchung zu gewinnen.²⁵
7.3.1 Die Länder mit autokratischer Vergangenheit Einen Überblick über die im Datensatz enthaltenen Länder mit mehr als einer Million Einwohnern, die zwischen 1976 und 2007 mindestens ein Jahr von einem autokratischen Regime regiert wurden, liefert Abb. 7.1. Zur Einteilung in autokratische und demokratische Regime wurde die Klassifikation nach Geddes et al. (2014) angewendet. Die monarchistischen Regime in Jordanien, Kuwait, Marokko, Oman, Nepal, Saudi-Arabien, Swasiland und in den Vereinigten Arabischen Emiraten werden nur bei der Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse bezüglich der Regimeklassifikation berücksichtigt und gehen aus diesem Grund nicht in die folgende deskriptive Analyse des Datensatzes mit ein. Der Datensatz weist für Europa nur wenige autokratische Regime auf. Die autokratischen Regime der Deutschen Demokratischen Republik
25 Die folgenden Abbildungen wurden ausschließlich auf Basis des in Kapitel 7.2 vorgestellten Datensatzes erstellt.
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 95
(1949–1990), der Tschechoslowakei (1948–1989), Jugoslawiens (1945–1990) und Serbiens (1991–2000) sind nicht Teil des Datensatzes, da für diese Länder nicht alle für die empirische Analyse notwendigen Variablen verfügbar waren. Die Länder Asiens sind fast vollständig im Datensatz vertreten. Indien, Japan und Papua-Neuguinae wurden in dem betrachteten Zeitraum nicht autokratisch regiert. Für Taiwan (1949–2000), Nordkorea (1948–2007), Myanmar (1962–1988 und 1988–2007), Jemen (1978–1989) und Südjemen (1967–1990) lagen nicht alle für die empirische Analyse benötigten Daten vor. Australien und Neuseeland sowie Kanada und die Vereinigten Staaten von Amerika sind aufgrund ihrer ausschließlich demokratischen Vergangenheit nicht Teil des Datensatzes. Die Länder Mittel- und Südamerikas sowie der Karibik mit autokratischer Vergangenheit sind vollständig im Datensatz enthalten. Kolumbien, Guyana und Französisch-Guyana wurden im Betrachtungszeitraum durchgehend demokratisch regiert. Afrika stellt den einzigen Kontinent dar, in dem im betrachteten Zeitraum jedes Land mindestens ein Jahr von einem autokratischen Regime regiert wurde.
Land mit autokratischen Länderjahren Land ohne autokratische Länderjahre
Abb. 7.1: Länder des Datensatzes mit mindestens einem Jahr autokratischem Regime zwischen 1976 und 2007.
7.3.2 Die Anzahl der Menschenrechtsverfahren und Wahrheitskommissionen in Transformationsländern Abbildung 7.2 liefert einen Überblick über die Anzahl der demokratischen, kulturell ähnlichen Transformationsländer mit Menschenrechtsverfahren gegen ehemalige autokratische Eliten (Balken) und die Anzahl dieser Länder mit eingesetzten Wahrheitskommissionen (Punkte) pro Jahr und UN-Subregion. Es sind deutliche Unterschiede in den einzelnen Regionen der Erde beim Gebrauch von Gerichtsverfahren aufgrund von Menschenrechtsverletzungen zu erkennen. So ist der Großteil der Länder mit Men-
96 | 7 Die empirische Analyse
schenrechtsprozessen gegen ehemalige politische Führer in Lateinamerika zu finden. Zudem scheint die kulturelle (religiöse) Prägung der Länder über einen bedeutenden Einfluss auf die Durchführung von Menschenrechtsverfahren zu verfügen. Auffällig ist, dass es fast ausschließlich in christlich geprägten Ländern zu einer juristischen Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Die einzige Ausnahme bildet das muslimisch geprägte Mali, in dem in den Jahren 1991 und 1993 Menschenrechtsprozesse gegen ehemalige Eliten stattgefunden haben. In den christlich geprägten Ländern Südamerikas kam es bereits in den 1980er-Jahren zu Menschenrechtsprozessen gegen ehemalige politische Eliten. In den übrigen Regionen wurden ehemalige politische Führer erst nach dem Jahr 1990 persönlich zur Rechenschaft gezogen. Wahrheitskommissionen wurden ebenfalls überwiegend in christlich geprägten Transformationsländern eingesetzt, wenn auch deutlich seltener als Menschenrechtsprozesse. Zu weiteren Einsätzen von Wahrheitskommissionen kam es in den westafrikanischen muslimischen Ländern Nigeria (1999–2001) und Sierra Leone (2002–2006) (vgl. Kim, 2012).
Anzahl
Karibik (Christentum) 3 2 1 0
Zentralamerika (Christentum) 3 2 1 0
1970 1980 1990 2000 2010
1970 1980 1990 2000 2010
Jahr
Anzahl
1970 1980 1990 2000 2010
Südamerika (Christentum) 3 2 1 0
1970 1980 1990 2000 2010
1970 1980 1990 2000 2010
Jahr
Jahr Westafrika (Christentum) Anzahl
Jahr
Mittleres Afrika (Christentum) 3 2 1 0
3 2 1 0
1970 1980 1990 2000 2010
Jahr
Osteuropa (Christentum) 3 2 1 0
Ostafrika (Christentum) 3 2 1 0
Jahr
Westafrika (Islam) 3 2 1 0
Westasien (Christentum) 3 2 1 0
1970 1980 1990 2000 2010
1970 1980 1990 2000 2010
1970 1980 1990 2000 2010
Jahr
Jahr
Jahr
Menschenrechtsprozesse gegen hochrangige Beamte Wahrheitskommissionen Abb. 7.2: Anzahl der Menschenrechtsverfahren und Wahrheitskommissionen nach UN-Subregionen und kultureller Ähnlichkeit.
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 97
7.3.3 Die Anzahl der Regime und Regimejahre Für Afrika sind durchweg die meisten autokratischen Regime festzustellen (siehe Abb. 7.3). Asien verfügt im Betrachtungszeitraum über eine im Vergleich etwas niedrigere Anzahl an Ländern mit autokratischen Regimen. Für Europa sind nur wenige autokratische Regime zu verzeichnen. Gleiches gilt für Lateinamerika und die Karibik ab Mitte der 1990er-Jahre. Für Lateinamerika und die Karibik, Europa und Afrika kann über den Betrachtungszeitraum ein Rückgang der autokratischen Regime festgestellt werden. Verläuft dieser Rückgang der Anzahl der Regime pro Jahr in Lateinamerika und der Karibik relativ gleichmäßig, erfolgt der Rückgang in Europa nach einer stabilen Phase in den 1980er-Jahren innerhalb von wenigen Jahren im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion. Die Entwicklung der Regimeanzahl in Afrika verläuft im Vergleich zu Lateinamerika und der Karibik und Europa unsteter. Insbesondere gegen Ende der 1990er-Jahre ist ein kurzer, vorübergehender Anstieg der Regime erkennbar. In Asien verbleibt die Anzahl an Autokratien – von einem deutlichen Anstieg im Jahr 1992 abgesehen – annähernd konstant. Der Datensatz umfasst insgesamt 2106 autokratische Länderjahre zwischen 1976 und 2007. Knapp 55 Prozent dieser Länderjahre gehen auf autokratische Regime in Afrika zurück. Der Kontinent mit den zweithäufigsten autokratischen Länderjahren im Datensatz ist Asien mit 588 Jahren, was einem Anteil von etwa 30 Prozent an allen
Anzahl Regime
Lateinamerika und die Karibik
Europa
40
40
30
30
20
20
10
10
0
0 1980
1990 Jahr
2000
2010
1980
Anzahl Regime
Asien
1990 Jahr
2000
2010
1990 Jahr
2000
2010
Afrika
40
40
30
30
20
20
10
10 0
0 1980
1990 Jahr
2000
2010
1980
Abb. 7.3: Anzahl der autokratischen Regime je Kontinent und Jahr.
98 | 7 Die empirische Analyse
240 121
1157 588
Kontinente LA und Karibik Asien
Europa Afrika
Abb. 7.4: Summe der Regimejahre je Kontinent.
Länderjahren des Datensatzes entspricht. Vergleichsweise wenige autokratische Länderjahre des Datensatzes fallen auf die Regionen Lateinamerika und die Karibik (ca. zehn Prozent) sowie Europa (ca. fünf Prozent) (siehe Abb. 7.4). Anhand der Abb. 7.5 können deutliche Unterschiede zwischen den Kontinenten bei den Anteilen der einzelnen Regimetypen an allen autokratischen Länderjahren festgestellt werden. So haben Militärdiktaturen in Lateinamerika und der Karibik einen Anteil von fast 50 Prozent an allen Regimejahren, knapp 40 Prozent der autokratischen Länderjahre gehen auf Einparteiendiktaturen zurück. Die restlichen etwa zehn Prozent stellen personalistische Regime dar. Der Datensatz enthält für Europa keine Militärdiktaturen. Der überwiegende Anteil an autokratischen Länderjahren geht auf Einparteiendiktaturen zurück, die in der Zeit des Kalten Krieges bestanden und der Sowjetunion zugerechnet werden können. Personalistische Regime verfügen über von etwas mehr als 20 Prozent. Für Asien lassen sich über 60 Prozent der autokratischen Länderjahre des Datensatzes auf Einparteiendiktaturen zurückführen. Personalistische Regime haben einen Anteil von etwa 30 Prozent, Militärdiktaturen einen Anteil von unter zehn Prozent. Einparteiendiktaturen in Afrika haben einen Anteil von fast 50 Prozent an den gesamten autokratischen Länderjahren. Personalistische Regime sind mit einem Anteil von fast 40 Prozent der zweitverbreiteste Regimetyp. Militärregime mit einem Anteil von etwa zehn Prozent stellen in Asien eher die Ausnahme dar.
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 99
100
Prozent
80 60 40 20 0 Lateinamerika/ Karibik
Europa
Asien
Einparteiendiktaturen
Afrika
Militärdiktaturen
Personalistische Regime Abb. 7.5: Anteil der Regimetypjahre je Kontinent.
7.3.4 Das durchschnittliche Repressionslevel Für die Kontinente Lateinamerika und die Karibik, Europa und Afrika ist ein Anstieg des durchschnittlichen Repressionslevels²⁶ zwischen 1976 und 2006, für Asien ein leichter Rückgang festzustellen (siehe Abb. 7.6). Die höchsten Durchschnittswerte bei der staatlichen Repression können für die Regime in Lateinamerika und der Karibik sowie in Europa ermittelt werden. In Lateinamerika und der Karibik fand seit Mitte der 1970er-Jahre ein Anstieg des durchschnittlichen Repressionslevels von 2,5 auf 3,5 statt, mit einem Maximum von 4 zur Mitte der 1990er-Jahre. Für Europa ist eine vergleichbare Erhöhung zu beobachten, wobei ein sprunghafter Anstieg des durchschnittlichen Repressionslevels im Jahr 1994 festgestellt werden kann. Diese deutliche Zunahme des durchschnittlichen Repressionslevels ist mit einem vollständigen Wechsel der autokratischen Regime verbunden (siehe Abb. 7.9 und 7.10) In Asien steigt das durchschnittliche Repressionslevel bis zum Beginn der 1990erJahre um ein Repressionslevel an. In der Zeit nach dem Kalten Krieg erfolgt ein deutlicher Rückgang des durchschnittlichen Repressionslevels bis zurück auf das Level der 1970er-Jahre in den Jahren 1995 und 1996. Im nachfolgenden Jahr steigt das durchschnittliche Repressionslevel wieder deutlich auf etwas über drei an und verweilt bis zum Ende des Beobachtungszeitraums auf diesem Level. Unter allen Kontinenten ist der stärkste Anstieg beim durchschnittlichen Repressionslevel für Afrika zu verzeich-
26 Im Folgenden wird immer auf das Repressionslevel gemäß der Political Terror Scale auf Basis der Länderberichte des US-Außenministeriums Bezug genommen.
100 | 7 Die empirische Analyse
Repressionslevel
Lateinamerika und die Karibik
Europa
4
4
3
3
2
2
1
1 1980
1990 Jahr
2000
2010
1980
Repressionslevel
Asien
2000
2010
1990 Jahr
2000
2010
Afrika
4
4
3
3
2
2
1
1 1980
1990 Jahr
1990 Jahr
2000
2010
Durchschnittliches Repressionslevel (PTS)
1980
Fit
Abb. 7.6: Durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Kontinenten.
nen. Dort stiegen die durchschnittlichen staatlichen Repressionen von einem Level unter 2 auf ein Level von fast 3,5 an. Neben der Betrachtung der Entwicklung des durchschnittlichen Repressionslevels auf den vier Kontinenten liefert eine Betrachtung der Entwicklung des durchschnittlichen Repressionslevels der jeweiligen Regimetypen über die vier Kontinente hinweg weitere Erkenntnisse (siehe Abb. 7.7). Bei der Analyse ist zunächst auffällig, dass bei allen Regimearten ein Anstieg des durchschnittlichen Repressionslevels seit den 1970er-Jahren festzustellen ist. Das Level und die Entwicklung des Ausmaßes staatlicher Repressionen sind in personalistischen Regimen und Einparteiendiktaturen mit einem moderaten Anstieg von einem Level von knapp über 2 zur Mitte der 1970er-Jahre auf einen Wert von über 3 am Ende des Betrachtungszeitraums vergleichbar. Das durchschnittliche Repressionslevel in Militärdiktaturen erhöht sich nach einer Phase mit moderatem Anstieg von etwa 2,5 auf 3,5 über knapp 20 Jahre zum Beginn der 1990er-Jahre nahezu sprunghaft auf ein Level von über 4,5 an. Nach dem Jahr 2000 ist ein deutlicher Rückgang des durchschnittlichen Repressionslevels bei diesen Regimen zu beobachten. Spezifische Aussagen bezüglich der Unterschiede bei den Regimetypen auf unterschiedlichen Kontinenten sind auf diesem aggregierten Level nicht möglich. Abbildung 7.8 ermöglicht einen Vergleich der Repressionslevel der unterschiedlichen Regimearten auf den einzelnen Kontinenten. Es fällt auf, dass die regimespezifische
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 101
Repressionslevel
Personalistische Regime
Einparteiendiktaturen
5
5
4
4
3
3
2
2 1980
1990 Jahr
2000
2010
1980
1990 Jahr
2000
2010
Repressionslevel
Militärdiktaturen 5 4 Durchschnittl. Repressionslevel (PTS) Fit
3 2 1980
1990 Jahr
2000
2010
Abb. 7.7: Durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Regimetypen.
Repressionslevel
Personalistische Regime
Einparteiendiktaturen
5
5
4
4
3
3
2
2
1
1 LA
EU
AS
AF
AS
AF
LA
EU
AS
Militärdiktaturen Repressionslevel
5 4 3 2 1 LA
EU
Abb. 7.8: Verteilung der Repressionslevel der Regimetypen getrennt nach Kontinenten.
AF
102 | 7 Die empirische Analyse
Verteilung der Repressionsnivaus auf den vier Kontinenten ähnlich ausfällt. Auch die Anordnung der Regimearten nach Repressionslevel ist für jeden Kontinent fast identisch. Das niedrigste Ausmaß an staatlicher Gewalt wird in Einparteiendiktaturen ausgeübt, in denen das Repressionslevel etwas niedriger als in Militärdiktaturen liegt. Das höchste Repressionslevel wird für personalistische Regime festgestellt.
7.3.5 Die Entwicklung des Repressionslevels nach Kontinenten und Regimeart Eine Betrachtung der durchschnittlichen Repressionslevel auf Kontinent- bzw. Regimebasis bietet jedoch nicht mehr als einen groben Einblick in die Entwicklung des Repressionslevels über den Betrachtungszeitraum. Eine detailliertere Analyse des durchschnittlichen Repressionslevels der unterschiedlichen Regimearten auf kontinentaler Ebene in Verbindung mit der Anzahl an autokratischen Regimen ist für die Gewinnung tiefergehender Erkenntnisse notwendig. Aus diesem Grund wird im Folgenden das durchschnittliche Repressionslevel der einzelnen Regimetypen für jeden Kontinent einzeln betrachtet und dabei auch die Anzahl der Regime je Regimeart und die Ratifikation des ICCPR der betrachteten Länder berücksichtigt. Als Stichtag für den Beginn und das Ende von Regimen sowie für die Ratifikation des ICCPR dient der 1. Januar eines jeden Jahres.
7.3.5.1 Die personalistischen Regime In Lateinamerika und der Karibik gab es nach dem Ende der Regime in der Dominikanischen Republik und Nicaragua gegen Ende der 1970er-Jahre mit Haiti nur noch ein Land mit personalistischem Regime (siehe Abb. 7.9). Das durchschnittliche Repressionslevel ist für diese Zeit auf mittlerem Level relativ konstant. Nach einem Zeitraum ohne personalistische Regime wurden nachfolgend die Länder Peru, Haiti und Venezuela durch ein solches regiert. Obwohl alle Länder mit personalistischem Regime nach dem Jahr 1992 den ICCPR ratifiziert haben, liegt das Repressionslevel in der jüngeren Vergangenheit nicht unter dem der Regime zum Ende der 1970er- und zum Anfang der 1980er-Jahre. Für Europa ist im Datensatz das letzte Jahr des Franco-Regimes in Spanien (1976) mit einem mittleren Repressionslevel enthalten. Die aus den Einparteiendiktaturen der UdSSR hervorgegangenen personalistischen Regime in Russland und Weißrussland stellen die einzigen Autokratien in Europa für den Zeitraum von Mitte der 1990erJahre bis in das Jahr 2007 dar. Das Repressionslevel blieb, wenn von dem höchstmöglichen Repressionslevel im Jahr 1993 im ersten Regimejahr in Russland abgesehen wird, auf hohem Level konstant. Die Ratifikation des ICCPR fand in beiden Ländern bereits in den 1970er-Jahren statt.
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 103
20 15 10 5 0 1970
1980
1990 Jahr
2000
20 15 10 5 0
2010
1970
Asien
1990 Jahr
2000
5 4 3 2 1 0
2010
Afrika
Anzahl Regime
5 4 3 2 1 0
20 15 10 5 0 1970
1980
5 4 3 2 1 0
Repressionslevel
Europa 5 4 3 2 1 0
Repressionslevel
Anzahl Regime
Lateinamerika und die Karibik
1980
1990 Jahr
2000
2010
Regime Durchschn. Repressionslevel Fit (1991–2007)
20 15 10 5 0 1970
1980
1990 Jahr
2000
2010
Regime mit ICCPR-Ratifikation Fit (1976–1990)
Abb. 7.9: Anzahl der personalistischen Regime, Anzahl dieser Regime mit ICCPR-Ratifikation und durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Kontinenten.
Im Gegensatz zu Lateinamerika und der Karibik sowie Europa werden über den gesamten Betrachtungszeitraum Länder in Asien und Afrika durch personalistische Regime regiert. Das durchschnittliche Repressionslevel in den personalistischen Regimen Asiens steigt bis zum Beginn der 1990er-Jahre an. Auffällig für Asien ist der Anstieg der Anzahl personalistisch regierter Länder nach dem Ende der Sowjetunion, welcher mit einem deutlichen Sinken des durchschnittlichen Repressionslevels einhergeht. Nach dem Jahr 1992 bleibt das Level relativ konstant auf einem mittleren Niveau. Zwischen den Jahren 1976 und 1987 stellt die Ratifikation des ICCPR in personalistischen Regimen eine Ausnahme dar. Ab der Mitte der 1990er-Jahre hat eine deutliche Mehrheit der Länder Asiens mit personalistischem Regime den ICCPR ratifiziert. Die Anzahl der Länder mit personalistischem Regime in Afrika ist, abgesehen von einem vorübergehenden Anstieg in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre, konstant über den Betrachtungszeitraum und deutlich höher als auf den anderen Kontinenten. Das durchschnittliche Repressionslevel steigt von etwa 2,5 in der Mitte der 1970er-Jahre auf ein Level nahe 4 am Ende des Betrachtungszeitraums. Demgegenüber steht die Entwicklung bei der Ratifikation des ICCPR, die grob der Entwicklung in Asien gleicht. Liegt der Anteil der ratifizierenden Länder in den 1970er-Jahren bei etwa 30 Prozent, haben ab dem Jahr 2005 alle personalistischen Regime Afrikas den ICCPR ratifiziert.
104 | 7 Die empirische Analyse
7.3.5.2 Die Einparteiendiktaturen Über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg gibt es nur wenige Länder in Lateinamerika und der Karibik, die von einer Einparteiendiktatur regiert werden. Die Anzahl dieser Länder sinkt zudem ab Beginn der 1980er-Jahre kontinuierlich. Von den Ländern El Salvador, Mexiko, Nicaragua, Paraguay und Kuba wurde Mitte der 2000er-Jahre nur noch Kuba von einer Einparteiendiktatur regiert. Das durchschnittliche Repressionslevel verbleibt über den relevanten Zeitraum überwiegend konstant mit jeweils geringen kurzzeitigen Anstiegen zur Mitte der 1980er- und 1990er-Jahre. Zwischen 1980 und 2000 hatte die Hälfte der autokratischen Länder den ICCPR ratifiziert. Die einzig verbliebene Einparteiendiktatur in Kuba hat bisher die Ratifikation des ICCPR noch nicht vorgenommen (siehe Abb. 7.10). Die Einparteiendiktaturen in Europa können bis auf Albanien Ländern der ehemaligen UdSSR zugerechnet werden. Mit dem Niedergang der UdSSR zum Ende der 1980er-Jahre verschwand in der Folge diese Regierungsform in Europa. Das durchschnittliche Ausmaß der staatlichen Repressionen befindet sich auf mittlerem Level mit einem leichten Rückgang, der zum Ende der 1980er-Jahre einsetzt. Die Ratifikation des ICCPR wurde von den sowjetischen Ländern bereits in den 1970er-Jahren durchgeführt. Albanien ratifizierte den ICCPR erst im Zuge seines demokratischen Transformationsprozesses nach dem Ende der Einparteiendiktatur.
20 15 10 5 0 1970
1980
1990 Jahr
2000
20 15 10 5 0
2010
1970
Asien 20
Anzahl Regime
1990 Jahr
2000
5 4 3 2 1 0
2010
Afrika 5 4 3 2 1 0
15 10 5 0 1970
1980
5 4 3 2 1 0
Repressionslevel
Europa 5 4 3 2 1 0
Repressionslevel
Anzahl Regime
Lateinamerika und die Karibik
1980
1990 Jahr
2000
2010
Regime Durchschn. Repressionslevel
20 15 10 5 0 1970
1980
1990 Jahr
2000
2010
Regime mit ICCPR-Ratifikation Fit
Abb. 7.10: Anzahl der Einparteiendiktaturen, Anzahl dieser Regime mit ICCPR-Ratifikation und durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Kontinenten.
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 105
Die Anzahl der Länder mit Einparteiendiktatur in Asien bleibt über den gesamten Beobachtungszeitraum konstant zwischen zehn und zwölf. In diesen befindet sich das durchschnittliche Repressionslevel auf mittlerem Level, wobei im Jahr 1997 ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr festzustellen ist. Der Anteil der ICCPR ratifizierenden Länder mit Einparteiendiktatur steigt über den Betrachtungszeitraum leicht an, geht aber nicht über einen Anteil von zwei Dritteln hinaus. Bei der Anzahl an Ländern mit Einparteiendiktaturen in Afrika ist ein deutlicher Rückgang zwischen 1980 und 2003 zu beobachten. In den nachfolgenden Jahren bleibt die Anzahl dieser Regime annähernd konstant. Im Gegensatz zu den anderen Kontinenten steigt bei diesem Regimetyp das durchschnittliche Repressionslevel in Afrika über den Betrachtungszeitraum konstant an, wobei der Anstieg jedoch über die Zeit abflacht. Das Repressionslevel erhöht sich spiegelbildlich zu der sinkenden Regimeanzahl. Der Anteil der ratifizierenden Staaten steigt ebenfalls kontinuierlich. Seit 2003 haben alle Staaten Afrikas mit Einparteiendiktaturen den ICCPR ratifiziert.
7.3.5.3 Die Militärdiktaturen Unter den autokratischen Regimetypen in Lateinamerika und der Karibik ist die Militärdiktatur am weitesten verbreitet. Die Anzahl der Länder Lateinamerikas mit einer Militärdiktatur nimmt seit dem Ende der 1970er-Jahre kontinuierlich ab. Mit dem Sinken der Anzahl an Ländern mit einer Militärdiktatur geht ein deutlicher Anstieg des durchschnittlichen Repressionslevels einher. Nach 1995 gibt es keine Militärdiktaturen in Lateinamerika und der Karibik. Die Anzahl der Militärdiktaturen mit ratifiziertem ICCPR bleibt über den Betrachtungszeitraum relativ konstant (siehe Abb. 7.11). Während des Kalten Krieges gab es in Asien mehrere Militärdiktaturen mit einer jeweils kurzen Regimedauer. Nur in Südkorea war das Militär über einen längeren Zeitraum an der Macht (1961–1987). Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden in Pakistan (2000–2008) und Thailand (1992 und 2007) Militärdiktaturen errichtet. Das durchschnittliche Repressionslevel in den asiatischen Militärdiktaturen lag während der Zeit des Kalten Krieges niedriger als in der jüngeren Vergangenheit. In diesen beiden Phasen blieb das durchschnittliche Repressionslevel jeweils konstant. Thailand ist 2007 das erste Land Asiens mit ratifiziertem ICCPR, in dem sich eine Militärdiktatur an der Macht befindet. Über den gesamten Beobachtungszeitraum gibt es in Afrika Länder mit Militärdiktaturen. In den 1980er-Jahren ist ein leichter Anstieg bei der Anzahl dieser Regime zu beobachten, dem sich ein Rückgang nach 1990 anschließt. Dieser Rückgang geht mit einem deutlichen Anstieg des durchschnittlichen Repressionslevels einher. Ab dem Jahr 2000 setzt in den Militärdiktaturen Afrikas eine Entwicklung hin zu deutlich geringeren Repressionsleveln ein. Der Anteil der ratifizierenden Staaten steigt über die Zeit an. Ab 1997 haben alle Militärdiktaturen Afrikas den ICCPR ratifiziert.
Anzahl Regime
Lateinamerika und die Karibik
Europa 5 4 3 2 1 0
20 15 10 5 0 1970
1980
1990 Jahr
2000
2010
5 4 3 2 1 0
20 15 10 5 0 1970
1980
1990 Jahr
2000
Repressionslevel
106 | 7 Die empirische Analyse
2010
Asien Anzahl Regime
5 4 3 2 1 0
20 15 10 5 0 1970
1980
1990 Jahr
2000
Regime Regime mit ICCPR-Ratifikation Durchschn. Repressionslevel Fit (1976–1990) Fit (1991–2007)
2010
Abb. 7.11: Anzahl der Militärdiktaturen, Anzahl dieser Regime mit ICCPR-Ratifikation und durchschnittliches Repressionslevel getrennt nach Kontinenten.
7.3.6 Die inner- und zwischenstaatlichen gewalttätigen Konflikte Bis zum Ende der 1980er-Jahre sind autokratische Länder häufig an zwischenstaatlichen gewalttätigen Konflikten beteiligt. Zur Mitte der 1990er-Jahre und um die Jahrtausendwende kommt es nur noch vereinzelt zu zwischenstaatlichen Konflikten mit autokratischer Beteiligung (siehe Abb. 7.12). Im Vergleich zu der Beteiligung an zwischenstaatlichen Konflikten sind Autokratien durchweg häufiger in gewalttätige Konflikte innerhalb des eigenen Landes involviert. Die Anzahl an Autokratien mit einem innerstaatlichen gewalttätigen Konflikt ist zum Ende des Kalten Krieges mit Abstand am höchsten. Nach dem Jahr 1997 kommt es zu einem Rückgang der Anzahl autokratischer Länder mit internen gewalttätigen Konflikten. Abbildung 7.13 ermöglicht eine getrennte Betrachtung der Anzahl autokratischer Länder mit Beteiligung an inner- und zwischenstaatlichen Konflikten nach den einzelnen Kontinenten. Durch diese Darstellung werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Autokratien auf den unterschiedlichen Kontinenten deutlich. In Lateinamerika und der Karibik sowie Europa sind – absolut gesehen – Autokratien deutlich weniger an inner- und zwischenstaatlichen gewalttätigen Konflikten beteiligt als Autokratien in Asien oder Afrika. Politische Führer in den Autokratien Lateinamerikas und der Karibik sind bis zum Jahr 2000 in innerstaatliche gewalttätige Konflikte involviert. Ab dem Jahr 2000 kommen gewalttätige innerstaatliche Konflikte in Autokratien nur noch vereinzelt vor. Zwischenstaatliche gewalttätige Konflikte mit Beteiligung von autokratischen Regimen treten in dieser Region selten auf. So waren dort Autokratien lediglich an zwischenstaatlichen Konflikten in drei Fällen beteiligt.
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 107
20
Anzahl
15
10
5
0 1980
1990 Jahr
2000
Innerstaatliche Konflikte Zwischenstaatliche Konflikte Abb. 7.12: Anzahl der inner- und zwischenstaatlichen gewalttätigen Konflikte.
Jahr Innerstaatliche Konflikte
05 20
00
05 20
00
95
20
90
85
19
19
19
80 19
19
20
20
19
19
19
19
05
0 00
0 95
5 90
5 85
10
80
10
6
15
76
Afrika
15
19 7
95
Jahr
Asien
Anzahl
20
90
85
Jahr
19
19
19
05 20
20
19
19
19
80 19
19
19
0 19
0
76
5 00
5 95
10
90
10
85
15
80
Europa
15
76
Anzahl
Lateinamerika und die Karibik
Jahr Zwischenstaatliche Konflikte
Abb. 7.13: Anzahl der gewalttätigen inner- und zwischenstaatlichen Konflikte getrennt nach Kontinenten.
108 | 7 Die empirische Analyse
Ein Grund für den Rückgang hinsichtlich der Beteiligung autokratischer Regierungen an gewalttätigen Konflikten ist die deutliche Abnahme der Anzahl der Autokratien auf diesem Kontinent (siehe Abb. 7.3). Obwohl in Europa nur wenige Länder von autokratischen Regimen regiert werden, verzeichnet der Datensatz ab dem Jahr 1990 für fast jedes Jahr einen innerstaatlichen gewalttätigen Konflikt. Für Europa wird nur ein zwischenstaatlicher Konflikt mit der Beteiligung einer autokratischen Regierung berücksichtigt.²⁷ Bis in die 1990er-Jahre muss eine hohe Anzahl an innerstaatlichen Konflikten in den Autokratien Asiens festgestellt werden. In den nachfolgenden Jahren ist ein leichter Rückgang der Anzahl dieser Konflikte erkennbar. Zwischenstaatliche Konflikte mit der Beteiligung einer Autokratie sind bis zum Ende des Kalten Krieges in Asien verbreitet. Gegen Ende der 1980er-Jahre sind mehr autokratische Länder an einem zwischenstaatlichen Konflikt beteiligt als an einem innerstaatlichen. In den nachfolgenden Jahren finden nur noch wenige zwischenstaatliche gewalttätige Konflikte statt, obwohl die Anzahl an autokratischen Regimen konstant bleibt. Der letzte im Datensatz enthaltene zwischenstaatliche Konflikt Asiens ist der vier Jahre dauernde Religionsgruppenkonflikt in Pakistan zwischen militanten Sunniten und aus dem Ausland finanzierten schiitischen Gruppierungen. Für die afrikanischen Autokratien des Datensatzes kann eine über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg hohe Anzahl autokratischer Länder mit innerstaatlichen gewalttätigen Konflikten festgestellt werden. Insbesondere für die Jahre 1990 bis 2004 ist die Anzahl dieser Länder hoch. Bis zum Ende der 1980er-Jahre sind autokratische Länder Afrikas vereinzelt an zwischenstaatlichen Konflikten beteiligt. In den 1990er-Jahren kam es zudem zu zwei gewalttätigen Konflikten zwischen autokratischen Regimen: Nigeria und Kamerun (1996) sowie Äthiopien und Eritrea (1998–2000). Nach dem Jahr 2000 ist eine Entwicklung hin zu einem Rückgang der Anzahl autokratischer Länder mit Beteiligung an einem innerstaatlichen gewalttätigen Konflikt erkennbar.
7.3.7 Die Ratifikation des ICCPR und das Repressionslevel In Länderjahren mit Machteinschränkung des politischen Führers und dem geringsten Repressionslevel (Stufe 1) ist nur in einem Viertel aller Beobachtungen eine Ratifikation des ICCPR festzustellen. Bei den Länderjahren mit Repressionsleveln zwischen 3 und 5 liegt der Anteil der Jahre mit Ratifikation um 60 Prozent (siehe Abb. 7.14). Für die Länderjahre ohne Machteinschränkung des politischen Führers ist ein Zusammenhang zwischen dem Repressionslevel und der Ratifikation des ICCPR erkennbar. Mit steigendem Repressionslevel erhöht sich der Anteil an Länderjahren mit
27 Die Jugoslawienkriege zwischen 1991 und 1995 werden im Datensatz nicht berücksichtigt.
7.3 Die deskriptive Analyse des Datensatzes | 109
Machteinschränkung
keine Machteinschränkung 100
80
80
60
60
40
40
20
20
Prozent der Länderjahre
100
0
1
2 3 4 Repressionslevel ICCPR-Ratifikation
5
0
1
2 3 4 Repressionslevel
5
keine ICCPR-Ratifikation
Abb. 7.14: Anteil der Länderjahre mit ICCPR-Ratifikation, in Abhängigkeit von dem Repressionslevel und der Machteinschränkung des politischen Führers.
Ratifikation.²⁸ Dies stellt einen Hinweis auf abnehmende Kosten der Ratifikation mit steigendem Repressionslevel in Autokratien dar, in denen der politische Führer keiner Machteinschränkung unterliegt.
7.3.8 Die Einschränkung der politischen Macht des politischen Führers Trotz der Unterschiede bei der institutionellen Ausgestaltung der Regimetypen fallen die Differenzen bei der substanziellen Begrenzung der politischen Macht der politischen Führer, was einem xconst-Wert ≥ 3 entspricht, in personalistischen Regimen und Militärdiktaturen gering aus. In diesen Regimen sind die politischen Führer in etwa zehn Prozent der Regimejahre von einer substanziellen Beschränkung ihrer Macht betroffen. Die mit etwa 20 Prozent der Regimejahre im Vergleich häufigste substanzielle Beschränkung der Macht erfahren politische Führer in Einparteiendiktaturen (siehe Abb. 7.15).
28 Ein vergleichbarer Zusammenhang besteht zwischen der Ratifikation des UN-Anti-Folterabkommens und dem tatsächlichen Gebrauch von Folter: Mit zunehmender Anwendung von Folter steigt die Wahrscheinlichkeit der Ratifikation (vgl. Vreeland, 2008).
110 | 7 Die empirische Analyse
Personalistische Diktaturen
Einparteiendiktaturen
Militärdiktaturen
XCONST-Wert 1 3 5 7
2 4 6
Abb. 7.15: Einschränkung der politischen Macht des Führers getrennt nach Regimetypen. Machteinschränkung: XCONST-Werte < 4, keine Machteinschränkung: XCONST-Werte ≥ 4.
7.3.9 Die Tätigkeit von Menschenrechts-NGOs Für alle vier Kontinente kann ein Anstieg der Anzahl an aktiven MenschenrechtsNGOs in den bestehenden Autokratien festgestellt werden (siehe Abb. 7.16). Auffällig für Lateinamerika und die Karibik ist der Rückgang der Anzahl der aktiven NGOs in den Autokratien zwischen den Jahren 2000 und 2003. Dieser kann auf das Ende der Regime in Mexiko und Peru zurückgeführt werden, in denen im Jahr 2000 jeweils eine große Anzahl an NGOs tätig war. Für Kuba und Haiti kann für die Zeit zwischen 2000 und 2003 tatsächlich ein Anstieg der NGO-Anzahl festgestellt werden. Die autokratischen Länder der ehemaligen Sowjetunion weisen zum Ende des Kalten Krieges eine geringe NGO-Tätigkeit auf. Die Anzahl der NGOs in Russland und Weißrussland steigt zwischen den Jahren 1994 und 2000 deutlich an. Über den Betrachtungszeitraum ist lediglich ein geringer Anstieg der Anzahl tätiger Menschenrechts-NGOs in den meisten Autokratien Asiens erkennbar. Jedoch gibt es auch Autokratien, in denen eine große Anzahl an NGOs tätig ist. Zu diesen Ländern zählen Pakistan und Malaysia. In Afrika ist die Tätigkeit von NGOs in Autokratien bis ins Jahr 2000 gering. Eine Ausnahme
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts |
Anzahl NGOs (10×)
Lateinamerika und die Karibik
Europa
15
15
10
10
5
5
0
0 1989
1994
Jahr
2000
2003
1989
Anzahl NGOs (10×)
1994
2000
2003
2000
2003
Jahr
Asien
Afrika
15
15
10
10
5
5
0
0 1989
111
1994
2000
2003
1989
Jahr
1994 Jahr
Abb. 7.16: Verteilung der Anzahl der in Autokratien tätigen NGOs getrennt nach Kontinenten.
bildet Südafrika, welches nach dem Ende der Apartheid im Jahr 1994 ein demokratisches System etablierte. Nach dem Jahr 2000 ist ein Rückgang der NGO-Tätigkeit in den Autokratien Afrikas erkennbar.
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts Der in Kapitel 6 ermittelte allgemeine Abschreckungseffekt der Menschenrechtsverfolgung auf politische Führer in Autokratien wird im Folgenden mit Hilfe des oben vorgestellten Datensatzes überprüft. Nach der Erläuterung der Wahl der Schätzmethode wird schrittweise das vollständige Schätzmodell entwickelt und der Einfluss der erklärenden Variablen und Kontrollvariablen auf das Repressionslevel dargelegt. Die Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse erfolgt über die Verwendung alternativer Schätzverfahren, alternativer Repressionsindizes und alternativer RegimeKlassifikationen.
112 | 7 Die empirische Analyse
7.4.1 Die Schätzmodelle Der Datensatz stellt keine Stichprobe, sondern die Grundgesamtheit aller autokratischen Regime dar. Aufgrund dessen wurden die Daten ausschließlich auf fehlerhafte Ausreißer geprüft. Die Kontrolle auf zu eliminierende Ausreißer wurde anhand der Definition von Barnett & Lewis (1994, S. 8 ff.) durchgeführt, nach der Beobachtungen nicht in die Analyse miteingehen sollen, wenn sich deren Ausprägung deutlich von den übrigen Werten unterscheidet und diese zudem fehlerhaft sind. Bei der Analyse des Datensatzes wurden keine Werte identifiziert, die diese beiden Kriterien erfüllen. Tabelle 7.1 liefert einen Überblick über die Variablen.²⁹ Für die Analyse der im vorhergehenden Kapitel beschriebenen unbalancierten Paneldaten hinsichtlich der Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf die Repressionsentscheidung von Autokraten wird eine pooled ordinary least squares (POLS) Regression mit panel-korrigierten Standardfehlern (PCSE), bei der die Heteroskedastizität der Residuen berücksichtigt wird, als Regressionsverfahren verwendet.³⁰ Diese Methode gilt als die beste Lösung für die Analyse gepoolter Paneldaten (vgl. Beck & Katz, 1995, S. 635). Da eine Pfadabhängigkeit des Repressionslevels mit der Vorperiode und somit eine Autokorrelation der Daten vorliegt, geht die um eine Periode verzögerte abhängige Variable als erklärende Variable in das Schätzmodell mit ein (vgl. Kim & Sikkink, 2010; Kim, 2012; Poe et al., 1999). Dadurch wird die Verzerrung durch die vorliegende Autokorrelation gemindert.³¹ Das zugrundeliegende PCSE-Modell gestaltet sich wie folgt: Y i,t = β0 + β1 Menschenrechtsprozessei,t + β2 Menschenrechtsprozesse × personalistische Regimei,t + β3 Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatureni,t + β4 Wahrheitskommissioneni,t + β5 Wahrheitskommissionen × personalistische Regimei,t + β6 Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatureni,t + β7 personalistische Regimei,t + β8 Einparteiendiktatureni,t + β9 Y i,t−1 + γZ i,t + e i,t ,
(7.1)
wobei Y i,t das Maß für die staatlich ausgeübten Repressionen darstellt, Y i,t−1 die um eine Periode verschobene abhängige Variable ist, Z i,t ein Vektor für die Kontrollvariablen repräsentiert und e i,t für den Fehlerterm steht. Das Modell enthält jeweils einen 29 Korrelationstabelle der Variablen siehe Tab. A.7 im Anhang. 30 Sowohl der modifizierte Wald-Test für gruppenweise Heteroskedastizität als auch der LR-Test auf Panel-Level-Heteroskedastizität bestätigen das Vorliegen von Heteroskedastizität. 31 Der Wooldridge-Test auf Autokorrelation in Paneldaten lehnt die Nullhypothese, dass keine Autokorrelation vorliegt, ab.
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts |
113
Tab. 7.1: Zusammenfassende Statistik der Variablen des Datensatzes. Variable
Mittelwert
SD
Min.
Repressionslevel (Amnesty) Repressionslevel (PTS US-Außenministerium) Repressionslevel (CIRI) Menschenrechtsprozesse Wahrheitskommissionen Regimedauer Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Ratifikation ICCPR Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Lateinamerika und die Karibik Europa Asien Afrika Jahre seit 1975
3,116 2,934 4,310 0,08 0,053 19,16 0,21 0,04 0,535 0,446 9,293 2,26 7,994 7,159 0,114 0,057 0,279 0,549 14,962
0,988 1 1,027 1 2,095 0 0,259 0 0,249 0 16,049 1 0,407 0 0,196 0 0,499 0 0,497 0 1,354 6,366 1,578 −15,872 9,543 −65,097 1,056 5,018 0,318 0 0,233 0 0,449 0 0,498 0 9,089 1
Max.
N
5 5 8 1,792 1,792 85 1 1 1 1 14,086 19,614 56,579 10,883 1 1 1 1 32
1912 1984 1644 2106 2106 2106 2106 2106 2106 2106 2106 2106 2052 2061 2106 2106 2106 2106 2106
binären Indikator für personalistische Regime und Einparteiendiktaturen, die mit den Variablen zur Anzahl der kulturell ähnlichen Nachbarländer mit Menschenrechtsprozessen (Menschenrechtsprozessen) beziehungsweise Wahrheitskommissionen (Wahrheitskommissionen) jeweils einen Interaktionsterm bilden. Dabei misst die lineare Kombination von β1 + β2 den marginalen Effekt der Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern mit Menschenrechtsprozessen auf das Repressionslevel in personalistischen Regimen und β1 den Effekt auf Militärdiktaturen. Die lineare Kombination von β1 + β3 misst den marginalen Effekt der Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern mit Menschenrechtsprozessen auf das Repressionslevel in Einparteiendiktaturen. Vergleichbar erfolgt die Bestimmung des Effekts von Wahrheitskommissionen auf das Repressionslevel der einzelnen Regimetypen. Die lineare Kombination von β4 + β5 misst den marginalen Effekt der Anzahl kulturell ähnlicher Nachbarländer mit Wahrheitskommissionen auf das Repressionslevel in personalistischen Regimen und β4 den Effekt auf Militärdiktaturen. Die lineare Kombination von β4 + β6 misst den marginalen Effekt der Anzahl kulturell ähnlicher Nachbarländer mit Wahrheitskommissionen auf das Repressionslevel in Einparteiendiktaturen. Da in der empirischen Analyse die Wirkung der Anzahl der kulturell ähnlichen Nachbarländer mit Menschenrechtsverfahren auf die Repressionsentscheidung getestet wird, stellt dieses Vorgehen eine Überprüfung der pessimistischen Sichtweise der Menschenrechtsverfolgung dar.
114 | 7 Die empirische Analyse
In vorhergehenden empirischen Studien, in denen die Wirkung von Menschenrechtsverfahren und verwandten Fragestellungen untersucht wurde, wurden neun Kontrollvariablen identifiziert, über deren Berücksichtigung der Schätzung der Nettoeffekt der Menschenrechtsverfolgung in Transformationsländern isoliert wurde. Zu diesen Kontrollvariablen zählen inner- und zwischenstaatliche Konflikte, die Ratifikation von Menschenrechtsabkommen, die Wirtschaftskraft und das Wirtschaftswachstum eines Landes, die Bevölkerungsgröße und das Bevölkerungswachstum sowie die kontinentale Lage des Landes und eine lineare Zeitvariable, welche die zeitliche Differenz zwischen den ersten Menschenrechtsverfahren der zweiten Strömung der Gerechtigkeitskaskade mit individueller Rechenschaftspflicht in der Mitte der 1970erJahre und dem betrachteten Jahr angibt. In der nachfolgenden empirischen Analyse des Einflusses der Menschenrechtsverfahren auf die Repressionsentscheidung von Autokraten finden diese Kontrollvariablen Anwendung. Neben den aufgeführten Kontrollvariablen werden in dieser Analyse zusätzlich die Dauer des Regimes in Jahren und die Einschränkung der politischen Macht des politischen Führers durch politische Organe kontrolliert. Abbildung 7.2 lässt eine regionale und religiöse „Clusterbildung“ bei den Menschenrechtsprozessen vermuten, was eine Berücksichtigung der nicht beobachtbaren länderspezifischen oder regional unterschiedlichen Eigenschaften bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen dem Repressionslevel und der Menschenrechtsverfolgung im Nachbarland erfordert. Da bei der Verwendung der PCSE-Schätzung nicht die länderspezifischen Effekte der Menschenrechtsverfolgung kontrolliert werden können, wird neben der PCSE-Schätzung zusätzlich ein POLS-Modell mit fixen Effekten und robusten Standardfehlern geschätzt.³² Das zugrundeliegende Modell mit fixen Effekten lautet: Y i,t = β0 + β1 Menschenrechtsprozessei,t + β2 Menschenrechtsprozesse × personalistische Regimei,t + β3 Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatureni,t + β4 Wahrheitskommissioneni,t + β5 Wahrheitskommissionen × personalistische Regimei,t + β6 Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatureni,t + β7 personalistische Regimei,t + β8 Einparteiendiktatureni,t + β9 Y i,t−1 + γZ i,t + u i + e i,t .
(7.2)
32 Nach dem Hausman-Test als auch dem Breusch-Pagan-LM-Test liegt ein Modell mit fixen Effekten vor.
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts | 115
Dieses Modell unterscheidet sich vom PCSE-Modell durch die länderspezifischen fixen Effekte u i . Die Leistungsfähigkeit dieses einfachen Modells entspricht dem aufwändigeren Kiviet-Schätzer (vgl. Kiviet, 1995). Bei den beiden vorangegangenen Schätzmethoden kann die Eigenschaft der ordinal skalierten abhängigen Variablen nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grund wird zudem anhand einer Ordered-logit-Schätzung die Robustheit der Schätzergebnisse überprüft.
7.4.2 Die Ergebnisse Basismodell Die Koeffizienten und Standardfehler in Tab. 7.2 wurden mit Hilfe der PCSE-Schätzung ermittelt. Modell 1 stellt im Kern das auf Autokratien angewandte Modell von Poe et al. (1999) dar, bei dem der Einfluss der Menschenrechtsverfahren in den kulturell ähnlichen Nachbarländern noch nicht berücksichtigt wird. Die Analyse von 97 Ländern mit 1855 Länderjahren ergibt, dass das Repressionslevel des Vorjahrs einen starken positiven Einfluss auf das Repressionslevel des betrachteten Jahres besitzt. Gewalttätige Konflikte wirken sich ebenfalls positiv auf das Repressionslevel aus, wobei bei innerstaatlichen Konflikten ein stärkerer positiver Einfluss auf das Repressionslevel besteht als bei zwischenstaatlichen Konflikten. Es liegt kein Zusammenhang zwischen der Regimedauer und dem Repressionslevel. Länder vor, welche den ICCPR ratifiziert haben, weisen ein etwas höheres Repressionslevel auf als Länder ohne Ratifikation. Gleiches gilt für Länder, in denen der politische Führer nicht durch weitere Staatsorgane in seiner Macht eingeschränkt ist. Länder mit einer größeren Bevölkerung weisen ein höheres Repressionslevel auf. Demgegenüber verfügen Länder mit einem höheren Bevölkerungswachstum über ein geringeres Repressionslevel. Mit steigendem Wohlstand sinkt das Repressionslevel in einem Land. Die Regime in Lateinamerika und der Karibik weisen im Vergleich zu den Regimen auf den anderen Kontinenten einen signifikant höheren Repressionsgrad auf. Der Koeffizient der Zeit-Variablen gibt einen geringen Anstieg des in den Länderberichten des US-Außenministeriums aufgeführten Repressionslevels in Autokratien über die Zeit an.
Analyse auf Autokratieebene Modell 2a stellt die Erweiterung des ersten Modells um den Einfluss der Anzahl kulturell ähnlicher Nachbarstaaten mit Menschenrechtsprozessen und Wahrheitskommissionen auf die politischen Repressionen in Autokratien dar. Die beiden neu ins Modell aufgenommenen Variablen entsprechen hierbei dem Logarithmus der Summe der kulturell ähnlichen Nachbarländer über die letzten drei Jahre, in denen entweder mindestens ein Menschenrechtsprozess gegen ehemalige politische Eliten (Menschenrechtsprozesse) oder mindestens eine Wahrheitskommission (Wahrheitskommis-
116 | 7 Die empirische Analyse
sionen) zur Aufarbeitung der repressiven politischen Vergangenheit des Landes eingesetzt wurde. Es kann nur ein schwacher, nicht signifikanter negativer regimeübergreifender Effekt der Anzahl der Nachbarländer mit Menschenrechtsprozessen und ein schwacher, nicht signifikanter positiver regimeübergreifender Effekt für den Einfluss der Anzahl von Nachbarländern mit Wahrheitskommissionen festgestellt werden. Diese Ergebnisse lassen einen für die unterschiedlichen Autokratietypen spezifischen Einfluss der Menschenrechtsverfolgung in kulturell ähnlichen Nachbarländern vermuten. Die Stärke und Wirkungsrichtung des Einflusses der einzelnen Kontrollvariablen entsprechen denen des Ausgangsmodells, die Signifikanzlevels bleiben unverändert.
Analyse auf Regimeebene Modell 2a und Modell 3 unterscheiden sich in der Hinsicht, dass in Modell 3 zwischen der Wirkung von Menschenrechtsverfahren und Wahrheitskommissionen auf personalistische Regime, Einparteiendiktaturen sowie Militärdiktaturen differenziert wird. Somit kann mittels Modell 3 überprüft werden, ob politische Führer in den unterschiedlichen autokratischen Regimearten spezifisch auf Menschenrechtsverfahren in Nachbarländern reagieren. Sowohl der Koeffizient des Interaktionsterms zwischen der Anzahl der Menschenrechtsprozesse und den personalistischen Regimen als auch der Interaktionsterm zwischen der Anzahl der Menschenrechtsprozesse und den Einparteiendiktaturen ist negativ und signifikant. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass ein starker Abschreckungseffekt von Menschenrechtsprozessen in kulturell ähnlichen Nachbarländern auf politische Führer in personalistischen Regimen und ein schwächerer Abschreckungseffekt für Einparteiendiktaturen bestehen. In Militärdiktaturen kommt es hingegen zu einer Verschlechterung der Menschenrechtspraxis, wenn die Anzahl der kulturell ähnlichen Nachbarländer mit Menschenrechtsprozessen steigt. Für die Anzahl an kulturell ähnlichen Ländern mit eingesetzten Wahrheitskommissionen kann kein signifikanter Einfluss auf das Repressionslevel in personalistischen Regimen sowie auf Einparteien- und Militärdiktaturen festgestellt werden. Die Koeffizienten zeigen einen nicht signifikanten Anstieg des Repressionslevels bei zunehmender Anzahl dieser benachbarten Länder an. Bis auf den Koeffizienten der Machteinschränkung, der in diesem Modell nicht mehr signifikant ist, behalten alle Koeffizienten der Kontrollvariablen ihre Wirkungsrichtung, Einflussstärke und Signifikanz bei.
1855 0,678 97
0,647*** 0,367*** 0,182** −0,00158 0,0660** 0,0595** 0,0617*** −0,0346*** −0,00369** −0,0605*** −0,166** −0,172*** −0,181*** 0,00894***
(0,0178) (0,0391) (0,0736) (0,00110) (0,0304) (0,0281) (0,0121) (0,0101) (0,00149) (0,0178) (0,0693) (0,0469) (0,0484) (0,00202)
Modell 1, Basismodell PCSE
Modelle 1–3: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1. Berechnungen erfolgten mit Stata 13.
Beobachtungen R2 Länder
Menschenrechtsprozesse Menschenrechtsprozesse × personalistisches Regime Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatur Wahrheitskommissionen Wahrheitskommission × personalistische Regime Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Regimedauer Ratifikation ICCPR Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Europa Asien Afrika Jahre seit 1975
Abhängige Variable: Repressionslevel
1855 0,678 97
(0,0178) (0,0392) (0,0735) (0,00110) (0,0304) (0,0282) (0,0121) (0,0101) (0,00149) (0,0179) (0,0702) (0,0503) (0,0504) (0,00211)
(0,0544)
0,0575
0,647*** 0,371*** 0,184** −0,00168 0,0664** 0,0577** 0,0628*** −0,0347*** −0,00376** −0,0607*** −0,153** −0,170*** −0,177*** 0,00884***
(0,0564)
−0,0399
Modell 2, Autokratieebene PCSE
Tab. 7.2: Einfluss von Menschenrechtsverfahren auf das Repressionslevel in Autokratien I.
1855 0,681 97
(0,148) (0,172) (0,169) (0,142) (0,158) (0,178) (0,0504) (0,0509) (0,0179) (0,0391) (0,0730) (0,00138) (0,0304) (0,0286) (0,0129) (0,0102) (0,00148) (0,0186) (0,0734) (0,0534) (0,0518) (0,00218)
Modell 3, Regimeebene PCSE 0,387*** −0,599*** −0,422** −0,140 0,161 0,232 0,0523 0,0135 0,639*** 0,374*** 0,185** −0,00194 0,0673** 0,0454 0,0668*** −0,0339*** −0,00360** −0,0550*** −0,128* −0,177*** −0,183*** 0,00894***
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts |
117
(0,0286) (0,0129) (0,0102) (0,00148) (0,0186) (0,0734) (0,0534) (0,0518) (0,00218)
0,0454 0,0668*** −0,0339*** −0,00360** −0,0550*** −0,128* −0,177*** −0,183*** 0,00894*** 1855 0,681 97
(0,148) (0,172) (0,169) (0,142) (0,158) (0,178) (0,0504) (0,0509) (0,0179) (0,0391) (0,0730) (0,00138) (0,0304)
0,387*** −0,599*** −0,422** −0,140 0,161 0,232 0,0523 0,0135 0,639*** 0,374*** 0,185** −0,00194 0,0673**
Modell 3, Regimeebene PCSE
Modelle 3–5: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1. Berechnungen erfolgten mit Stata 13.
Beobachtungen R2 Länder
Menschenrechtsprozesse Menschenrechtsprozesse × personalistisches Regime Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatur Wahrheitskommissionen Wahrheitskommissionen × personalistische Regime Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Regimedauer Ratifikation ICCPR Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Europa Asien Afrika Jahre seit 1975 NGOs
Abhängige Variable: Repressionslevel
Tab. 7.3: Einfluss von Menschenrechtsverfahren auf das Repressionslevel in Autokratien II.
1855 0,682 97
0,395*** −0,606*** −0,429** −0,153 0,176 0,263 0,0541 0,0231 0,634*** 0,379*** 0,175** −0,00226 −0,00215 0,154*** −0,0379 0,0726*** −0,0350*** −0,00361** −0,0611*** −0,133* −0,207*** −0,203*** 0,00927***
(0,147) (0,171) (0,169) (0,140) (0,157) (0,176) (0,0504) (0,0510) (0,0179) (0,0390) (0,0731) (0,00138) (0,0396) (0,0577) (0,0418) (0,0130) (0,0102) (0,00148) (0,0188) (0,0739) (0,0547) (0,0522) (0,00219)
Modell 4a, Vollst. Modell PCSE
1148 0,686 89
0,262 −0,469** −0,265 0,0604 −0,108 0,0193 0,00415 -0,0586 0,646*** 0,405*** 0,130 −0,00123 −0,00271 0,138* −0,0133 0,0880*** −0,0371*** −0,00392* −0,0475** −0,116 −0,120 −0,0677 0,00606 −0,000893
(0,196) (0,222) (0,218) (0,241) (0,267) (0,264) (0,0712) (0,0734) (0,0223) (0,0495) (0,0992) (0,00172) (0,0499) (0,0792) (0,0609) (0,0177) (0,0125) (0,00202) (0,0241) (0,103) (0,0766) (0,0714) (0,00389) (0,0101)
Modell 5, NGOs PCSE
118 | 7 Die empirische Analyse
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts |
119
Berücksichtigung der Interaktion von ICCPR-Ratifikation und Machteinschränkung In Modell 3 wird implizit davon ausgegangen, dass zwischen der Ratifikation von Menschenrechtsabkommen und der Machteinschränkung des politischen Führers kein Zusammenhang besteht. Um diesen möglichen Interaktionseffekt zwischen der Ratifikation von Menschenrechtsabkommen und der bestehenden Machteinschränkung des politischen Führers zu kontrollieren, wurde in Modell 4a das Modell 3 um den Interaktionsterm Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung erweitert (siehe Tab. 7.3). Dieser wird aus den binären Variablen zur Ratifikation (ICCPR) und zur Machteinschränkung des politischen Führers (Machteinschränkung) gebildet und nimmt den Wert 1 an, wenn im betrachteten Jahr ein autokratisch geführtes Land den ICCPR ratifiziert hat und die politische Macht des Führers nicht eingeschränkt ist. Im Vergleich zu den Länderjahren, in denen keine Ratifikation und eine Machteinschränkung des politischen Führers bestand, wird für Länderjahre ohne Machteinschränkung des politischen Führers und ratifizierten ICCPR ein signifikant höheres Repressionslevel ermittelt. In Länderjahren, in denen keine Ratifikation bestand, ist das Repressionslevel unabhängig von der Machteinschränkung. Ist der politische Führer in seiner Macht eingeschränkt, zeigt die Ratifikation keine signifikante Wirkung auf das Repressionslevel. Die Koeffizienten der Ratifikation sowie der Machteinschränkung verlieren ihre Signifikanz. Alle übrigen Koeffizienten der Kontrollvariablen behalten durch die Berücksichtigung des Interaktionsterms ihre Wirkungsrichtung, Einflussstärke und Signifikanz bei.
Wirkung der NGO-Tätigkeit Um den Einfluss der Anzahl an in einer Autokratie tätigen Menschenrechts-NGOs auf die Repressionsentscheidung zu überprüfen, wird das Modell 4a um die Variable NGOs erweitert, welche die Anzahl an aktiven Menschenrechts-NGOs wiedergibt (Modell 5). Es kann lediglich ein schwacher, nicht signifikanter negativer Einfluss der NGO-Tätigkeit auf das Repressionslevel in Autokratien festgestellt werden. Die Koeffizienten der Militärdiktaturen, Einparteiendiktaturen, zwischenstaatlichen Konflikte sowie alle Kontinentdummy verlieren ihre Signifikanz.
7.4.3 Die Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse Um eine Beeinflussung der Ergebnisse durch die verwendeten Schätzmethoden, Regimeklassifikationen oder Repressionsindizes auszuschließen, wird die Robustheit der Ergebnisse im Folgenden in dreierlei Hinsicht überprüft: Zuerst werden die Ergebnisse mit alternativen Schätzmethoden überprüft. Dabei wird Modell 4a mittels POLS mit fixen Effekten und robusten Standardfehlern (Modell 4b) sowie einer Orderedlogit-Regression (Modell 4c) erneut geschätzt. Die Robustheit der Ergebnisse wird zudem für alternative Menschenrechtsindizes überprüft. Hierbei kommen der Men-
120 | 7 Die empirische Analyse
schenrechtsindex des „Political-Terror-Scale-Projekts“ auf Basis der Länderberichte von Amnesty International sowie der „Physical Integrity Index“ des CIRI-Projekts zur Anwendung. Als letzte Überprüfung der Abhängigkeit der Ergebnisse von der gewählten Vorgehensweise wird Modell 3 mit den zu Geddes et al. (2014) alternativen Regimeklassifikationen nach Cheibub et al. (2010) und dem POLITY-Projekt erneut geschätzt.
7.4.3.1 Die Verwendung alternativer Testverfahren Das Modell 4b zur Wirkung der Menschenrechtsverfahren in kulturell ähnlichen Nachbarländern auf die Repressionsentscheidung von Autokraten wird zur Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse zunächst mittels einer POLS-Regression mit fixen Ländereffekten geschätzt, da bei der POLS-Schätzung mit PCSE (Modell 4a) keine Berücksichtigung landesspezifischer fixer Effekte möglich ist. Da zudem Heteroskedastizität vorliegt, werden robuste Standardfehler verwendet. Die Untersuchung des Zusammenhangs über POLS mit länderspezifischen fixen Effekten und robusten Standardfehlern bestätigt den zuvor ermittelten Zusammenhang zwischen der Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern mit Menschenrechtsprozessen und dem Repressionslevel in den jeweiligen Regimetypen (siehe Tab. 7.4). Das Repressionslevel des Vorjahrs besitzt weiterhin einen starken positiven Einfluss auf die Menschenrechtspraxis. Für Einparteiendiktaturen übt die Anzahl kulturell ähnlicher Nachbarländer mit Menschenrechtsprozessen eine positive Wirkung auf das Repressionslevel aus. Der Koeffizient des Interaktionsterms Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung verliert seine Signifikanz. Gleiches gilt für die Koeffizienten der Bevölkerungsgröße und des Wirtschafswachstums. Mit zunehmender Regimedauer sinkt das Repressionslevel geringfügig. Die Wirkung der übrigen erklärenden Variablen ändert sich im Vergleich zur PCSE-Schätzung nicht. Da in den bisherigen Schätzungen die ordinale Skalierung der abhängigen Variablen nicht berücksichtigt wurde, erfolgt mit Modell 4c als letztem Robustheitstest bezüglich der Schätzmethode eine Ordered-logit-Schätzung des Zusammenhangs. Die Ordered-logit-Schätzung bestätigt die Ergebnisse der beiden vorausgegangenen Schätzungen für den Abschreckungseffekt in personalistischen Regimen. Für Militärdiktaturen wird der positive Effekt der Anzahl kulturell ähnlicher Nachbarländer mit Menschenrechtsprozessen auf das Repressionslevel bestätigt. Auch der starke Einfluss des Repressionslevels der Vorperiode auf die abhängige Variable wird bestätigt. Analog zu Modell 4b ist der Koeffizient des Interaktionsterms Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung nicht signifikant.
1855 0,682 97
(0,147) (0,171) (0,169) (0,140) (0,157) (0,176) (0,0504) (0,0510) (0,0179) (0,0390) (0,0731) (0,00138) (0,0396) (0,0577) (0,0418) (0,0130) (0,0102) (0,00148) (0,0188) (0,0739) (0,0547) (0,0522) (0,00219)
Modell 4a, Vollst. Modell PCSE 0,395*** −0,606*** −0,429** −0,153 0,176 0,263 0,0541 0,0231 0,634*** 0,379*** 0,175** −0,00226 −0,00215 0,154*** −0,0379 0,0726*** −0,0350*** −0,00361** −0,0611*** −0,133* −0,207*** −0,203*** 0,00927*** 1855 0,463 97
0,0297*** (0,0105)
(0,144) (0,187) (0,158) (0,127) (0,141) (0,160) (0,132) (0,157) (0,0294) (0,0512) (0,0970) (0,00312) (0,0815) (0,0860) (0,0737) (0,365) (0,0124) (0,00186) (0,0902)
Modell 4a, Vollst. Modell REG, fe r 0,426*** −0,556*** −0,361** −0,211 0,222 0,193 −0,00861 −0,179 0,467*** 0,332*** 0,190* −0,00669** 0,00507 0,0531 0,0129 −0,188 −0,0400*** −0,00241 −0,211**
Modell 4a: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern. Modell 4b: POLS-Schätzung mit fixen Effekten, robuste Standardfehler in Klammern. Modell 4c: ologit-Schätzung mit ologit-Koeffizienten, auf Länderebene geclusterte Standardfehler in Klammern. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1. Berechnungen erfolgten mit Stata 13.
Beobachtungen R2 Länder
Menschenrechtsprozesse Menschenrechtsprozesse × personalistisches Regime Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatur Wahrheitskommissionen Wahrheitskommissionen × personalistische Regime Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Regimedauer Ratifikation ICCPR Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Europa Asien Afrika Jahre seit 1975
Abhängige Variable: Repressionslevel
Tab. 7.4: Überprüfung der Robustheit I: Schätzverfahren.
1855 0,448 (Pseudo R2 ) 94
(0,646) (0,775) (0,740) (0,617) (0,683) (0,773) (0,356) (0,336) (0,0877) (0,191) (0,311) (0,00975) (0,237) (0,285) (0,223) (0,959) (0,0465) (0,00597) (0,267) (0,907) (2,828) (1,678) (0,0289)
Modell 5, Vollst. Modell OLOGIT 1,527** −2,095*** −1,209 −0,876 0,886 0,819 −0,0118 −0,689** 1,776*** 1,305*** 0,723** −0,0242** 0,0735 0,257 0,0979 −0,470 −0,164*** −0,00935 −1,016*** −3,121*** 0,0326 −0,188 0,120***
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts |
121
122 | 7 Die empirische Analyse
7.4.3.2 Die Verwendung alternativer Repressionsindizes Zur Überprüfung der Robustheit der Ergebnisse bezüglich alternativer Repressionsindizes wurde die PCSE-Schätzung aus Modell 4a zum einen mit Repressionswerten aus den Jahresberichten von Amnesty International nach dem Index des „Political-TerrorScale-Projekts“ und zum anderen mit Werten des alternativen „Physical Integrity Index“ des CIRI-Projekts wiederholt. Die Ergebnisse der drei Schätzungen sind in Tab. 7.5 aufgeführt. Der in Modell 4a ermittelte Zusammenhang zwischen der Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern mit Menschenrechtsverfolgung und den Regimetypen ist nur eingeschränkt robust. Die Kontroll-Schätzung mit der CIRIRepressionslevelvariable (Repressionslevel (CIRI)) bestätigt für personalistische Regime einen Abschreckungseffekt der Menschenrechtsverfolgung. Obwohl sowohl die Variable Repressionslevel (Amnesty) als auch die Variable Repressionslevel (CIRI) auf den Jahresberichten von Amnesty International basieren, kann bei der Verwendung der Repressionslevel-Amnesty-Variable für keinen der Regimetypen ein signifikanter Effekt der Anzahl der menschenrechtsverfolgenden kulturell ähnlichen Nachbarländer festgestellt werden. Das Repressionslevel des Vorjahrs übt einen positiven Einfluss auf das Repressionslevel aus. Das signifikant höhere Repressionslevel in autokratischen Ländern, die den ICCPR ratifiziert haben und in denen der politische Führer keiner Einschränkung ihrer Macht ausgesetzt ist, wird bestätigt. Der Koeffizient für zwischenstaatliche Konflikte ist bei den Schätzungen mit auf Amnesty International basierenden Repressionsindizes nicht mehr signifikant. Die positive Wirkung einer größeren Bevölkerung auf das Repressionslevel ist über alle drei Indizes stabil und signifikant. Für ein umfangreicheres Bevölkerungswachstum und ein höheres BIP pro Kopf wird in allen Modellen eine repressionssenkende Wirkung festgestellt. Autokratische Regime in Europa, Asien und Afrika verfügen über ein signifikant geringeres Repressionslevel als Autokratien in Lateinamerika und der Karibik.
1855 0,682 97
0,395*** −0,606*** −0,429** −0,153 0,176 0,263 0,0541 0,0231 0,634*** 0,379*** 0,175** −0,00226 −0,00215 0,154*** −0,0379 0,0726*** −0,0350*** −0,00361** −0,0611*** −0,133* −0,207*** −0,203*** 0,00927***
(0,147) (0,171) (0,169) (0,140) (0,157) (0,176) (0,0504) (0,0510) (0,0179) (0,0390) (0,0731) (0,00138) (0,0396) (0,0577) (0,0418) (0,0130) (0,0102) (0,00148) (0,0188) (0,0739) (0,0547) (0,0522) (0,00219)
Modell 4a, Vollständiges Modell US-Außenministerium
1748 0,583 97
0,134 −0,326 −0,0552 −0,138 0,0247 0,0304 −0,0448 −0,0799 0,596*** 0,377*** 0,0724 −0,00149 0,00277 0,145** −0,0334 0,0762*** −0,0231** −0,00279* −0,0344* −0,267*** −0,269*** −0,233*** 0,00204
(0,186) (0,207) (0,206) (0,161) (0,182) (0,202) (0,0648) (0,0638) (0,0203) (0,0440) (0,0778) (0,00145) (0,0445) (0,0656) (0,0484) (0,0152) (0,0115) (0,00168) (0,0198) (0,0764) (0,0673) (0,0652) (0,00233)
Modell 4a, Vollständiges Modell Amnesty International
Modell 4a: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern, Repressionsindex: PTS US-Außenministerium. Modell 4d: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern, Repressionsindex: PTS Amnesty International. Modell 4e: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern, Repressionsindex: CIRI. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1. Berechnungen erfolgten mit Stata 13.
Beobachtungen R2 Länder
Menschenrechtsprozesse Menschenrechtsprozesse × personalistisches Regime Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatur Wahrheitskommissionen Wahrheitskommissionen × personalistische Regime Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Repressionslevelt−1 Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Regimedauer Ratifikation ICCPR Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Europa Asien Afrika Jahre seit 1975
Abhängige Variable: Repressionslevel
Tab. 7.5: Überprüfung der Robustheit II: Indizes.
1519 0,640 94
0,235 −0,538** −0,273 −0,336 0,273 0,286 0,113 0,0843 0,366*** 0,537*** 0,104 −0,000167 0,0861 0,172* 0,0435 0,122*** −0,0353** −0,00006 −0,0834*** −0,385*** −0,332*** −0,407*** 0,00787**
(0,235) (0,263) (0,259) (0,213) (0,235) (0,269) (0,0826) (0,0826) (0,0129) (0,0585) (0,109) (0,00187) (0,0586) (0,0886) (0,0708) (0,0204) (0,0147) (0,00226) (0,0282) (0,129) (0,0987) (0,0989) (0,00346)
Modell 5, Vollständiges Modell CIRI
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts |
123
124 | 7 Die empirische Analyse
7.4.3.3 Die Verwendung alternativer Regime-Klassifikationen Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Ergebnisse durch die Identifikation der autokratischen Regime über die Klassifikation nach Geddes et al. (2014) beeinflusst sind, wird als letzte Robustheitsprüfung die Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf das Repressionslevel in Autokratien mit alternativen Autokratie-Klassifikationen nach Cheibub et al. (2010) (CGV) und dem POLITY-Projekt vorgenommen. Eine Analyse auf Regimetypebene ist hier nicht möglich. Im Rahmen des POLITYProjektes wird keine Unterscheidung verschiedener autokratischer Regime getroffen. Bei Cheibub et al. (2010) erfolgt eine von Geddes et al. (2014) abweichende Klassifikation der Regimetypen. Werden im CGV-Datensatz monarchistische Regime explizit ausgewiesen, erfordert die fehlende Differenzierung der Regimetypen der POLITYKlassifikation die Ergänzung des bisher verwendeten Datensatzes um die Länderjahre mit monarchistischen Diktaturen. Dadurch steigt die Anzahl der Länderjahre auf 2058. Trotz der Unterschiede bei der Identifikation autokratischer Regime bei den einzelnen Klassifikationen stimmen die Datensätze von GWF und CGV beziehungsweise POLITY zu etwa 90 Prozent überein. Als Konsequenz der fehlenden einheitlichen Regimetypunterscheidung in den Datensätzen wird ein PCSE-Modell mit POLS geschätzt, welches dem um den Interaktionsterm aus Ratifikation und Machteinschränkung erweiterten Modell 2a entspricht. Die Koeffizienten der drei Modelle unterscheiden sich bezüglich Wirkungsrichtung und Signifikanz nur gering (siehe Tab. 7.6). Die Ergebnisse sind bei der Verwendung alternativer Regime-Klassifikationen robust.
2058 0,690 105
−0,0227 0,0521 0,641*** 0,377*** 0,217*** −0,0109 0,158*** −0,0250 0,0607*** −0,0228*** −0,00419*** −0,0773*** −0,139** −0,190*** −0,220*** 0,00970***
(0,0556) (0,0540) (0,0172) (0,0369) (0,0725) (0,0376) (0,0523) (0,0373) (0,0106) (0,00744) (0,00137) (0,0150) (0,0692) (0,0473) (0,0488) (0,00197)
Modell 5a, Autokratieebene GWF PCSE
1947 0,672 104
−0,0815 0,0451 0,594*** 0,430*** 0,216*** −0,00986 0,154*** 0,0317 0,0772*** −0,0173*** −0,00228* −0,0674*** −0,0787 −0,218*** −0,216*** 0,0117***
(0,0503) (0,0513) (0,0182) (0,0407) (0,0743) (0,0405) (0,0536) (0,0399) (0,0105) (0,00590) (0,00138) (0,0146) (0,0672) (0,0513) (0,0504) (0,00197)
Modell 5b, Autokratieebene CGV PCSE
Modell 5a: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern, Autokratieklassifikation nach GWF. Modell 5b: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern, Autokratieklassifikation nach CGV. Modell 5c: POLS-Schätzungen, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern, Autokratieklassifikation nach POLITY. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1. Berechnungen erfolgten mit Stata 13.
Beobachtungen R2 Länder
Menschenrechtsprozesse Wahrheitskommissionen Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Ratifikation ICCPR Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Europa Asien Afrika Jahre seit 1975
Abhängige Variable: Repressionslevel
Tab. 7.6: Überprüfung der Robustheit III: Regimeklassifikationen.
1993 0,644 106
−0,0530 0,0483 0,578*** 0,453*** 0,239*** 0,00659 0,153*** 0,0111 0,0683*** −0,0182*** −0,00190 −0,0638*** −0,187** −0,236*** −0,230*** 0,0108***
(0,0561) (0,0496) (0,0182) (0,0391) (0,0727) (0,0403) (0,0536) (0,0395) (0,0106) (0,00595) (0,00139) (0,0148) (0,0733) (0,0485) (0,0491) (0,00196)
Modell 5c, Autokratieebene POLITY PCSE
7.4 Die Schätzung des Abschreckungseffekts |
125
8 Die Diskussion der Ergebnisse 8.1 Die abschreckende Wirkung von Menschenrechtsprozessen Das Ergebnis des theoretischen Modells in Kapitel 6 besteht darin, dass von der Eröffnung von Menschenrechtsverfahren in kulturell ähnlichen Nachbarländern, die auf die individuelle Rechenschaftspflicht von ehemaligen politischen Führern gerichtet sind, durch die mittelbare Veränderung der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit über die Veränderung der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit in Verbindung mit institutionellen Absicherungsmöglichkeiten eine abschreckende Wirkung auf Autokraten ausgeht. Dabei steigt der Abschreckungseffekt mit einer höheren subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit des politischen Führers. Die Rechenschaftspflicht des politischen Führers bewirkt einen größeren Respekt der Menschenrechte (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005a). Ausgehend von der Theorie wird der abschreckende Effekt bei der empirischen Analyse für personalistische Regime als am größten erwartet, da in diesen die institutionellen Absicherungsmöglichkeiten am geringsten sind und somit die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit am höchsten liegt. Entsprechend sollten Einparteiendiktaturen einen mittleren Rückgang aufweisen. Für Militärdiktaturen wird hingegen aufgrund der ausgeprägten institutionellen Absicherungsmöglichkeiten ein geringer Rückgang des Repressionslevels erwartet. Da für alle Regimetypen dieselbe Effektrichtung erwartet wird, sollte in der empirischen Analyse auf Autokratieebene (Modell 2) ein signifikanter Abschreckungseffekt festgestellt werden. Eine Analyse der abschreckenden Wirkung der Menschenrechtsprozesse auf das Repressionslevel in Autokratien im Allgemeinen führt jedoch zu keinem signifikanten Ergebnis. Entgegen der Erwartung werden für die abschreckende Wirkung von Menschenrechtsverfahren in kulturell ähnlichen Nachbarländern regimespezifische Ergebnisse mit unterschiedlichen Wirkungsrichtungen des Abschreckungseffekts ermittelt (Modell 3). Für personalistische Regime besteht ein deutlicher Abschreckungseffekt. Der Abschreckungseffekt auf Einparteiendiktaturen ist geringer. Militärdiktaturen reagieren auf Menschenrechtsverfahren mit einem erhöhten Einsatz von Repressionen. Diese empirischen Ergebnisse bestätigen die Befunde von Davenport (2007b) und Escribà-Folch & Wright (2010), dass eine Analyse der Wirkung menschenrechtspolitischer Maßnahmen des Auslands auf Autokratien auf Regimetypebene erfolgen muss. Die ermittelten unterschiedlichen Wirkungsrichtungen der Verfolgung von Menschenrechtsverstößen deuten darauf hin, dass die Wirkungsrichtung abhängig von den Institutionen sowie der politischen Zielsetzung ist und eine für alle Autokratietypen gültige Aussage nicht getroffen werden kann. Die Diskrepanz zwischen den Ergebnissen des theoretischen Modells und denen der empirischen Analyse kann mit Blick auf den hohen Abstraktionsgrad des Modells erklärt werden. Im theoretischen Modell können Regime lediglich anhand der Unterschiede bei der relativen Größe der Winning-Coalition zum Selektorat differenziert DOI 10.1515/9783110521184-010
128 | 8 Die Diskussion der Ergebnisse
werden. Eine Abgrenzung von Regimen anhand der absoluten Größen von WinningCoalition und Selektorat ist innerhalb des theoretischen Modells nicht möglich. Dies ist für eine Differenzierung der in dieser Arbeit berücksichtigten Regimetypen unzureichend. Einerseits unterscheiden sich diese bei der relativen Größe des Selektorats an der Gesamtbevölkerung, welche direkt die Loyalitätsnorm beeinflusst, anderseits – und bedeutender – erfolgt die Regimeklassifikation von Geddes et al. (2014) anhand der Analyse der formellen und informellen Regelungen hinter den Entscheidungsprozessen des politischen Führers. Diese De-facto-Betrachtung kann mit dem verwendeten Modell nicht abgebildet werden und findet bei der Analyse der theoretischen Ergebnisse keine Berücksichtigung. Darüber hinaus ist die Annahme, dass das Selektorat nach einem Sturz des politischen Führers bestehen bleibt und nicht neu aus der Gesamtbevölkerung zusammengestellt wird, nicht mit der Realität zu vereinbaren. Im Modell besitzen die Mitglieder der Winning-Coalition stets eine positive Wahrscheinlichkeit, wieder Teil der neuen Winning-Coalition zu werden. Tatsächlich kann es beispielsweise in zwei aufeinanderfolgenden personalistischen Regimen nach dem Sturz des politischen Führers zu einem vollständigen Wechsel des Selektorats kommen. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Mitgliedschaft in der Winning-Coalition null. Die Loyalität der Winning-Coalition ist folglich tatsächlich höher als im Modell angenommen. Die Mitglieder der Winning-Coalition haben in diesem Fall Angst vor der Machtergreifung der Opposition nach dem Sturz des Führers und verzichten auf dessen Sturz (vgl. Padró i Miquel, 2007). Der politische Führer wählt häufiger den Einsatz von Repressionen, als dies das Ergebnis der komparativen Gleichgewichtsanalyse annehmen lässt.
8.1.1 Die personalistischen Regime Über alle Modelle hinweg wird ein deutlicher Abschreckungseffekt in personalistischen Regimen festgestellt. Unzureichende institutionelle Absicherungsmöglichkeiten in Verbindung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eines schlechten Schicksals nach dem Amtsverlust lassen die subjektive mit der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit ansteigen. Dies veranlasst Autokraten in diesen Regimen dazu, als Reaktion auf die Menschenrechtsprozesse in den kulturell ähnlichen Nachbarländern den Einsatz von Repressionen zu senken. Dies geschieht trotz der hohen Loyalität der Winning-Coalition, die einen Machtverlust durch einen Coup unwahrscheinlich macht. Die Kosten des Einsatzes von Repressionen sind hoch. Dieses Ergebnis kann als eine Erweiterung der positiven Sichtweise der Menschenrechtsverfolgung gesehen werden, die sich auf politische Führer bezieht, die erstmalig vor der Entscheidung stehen, Repressionen einzusetzen. Auch bei bereits zurückliegenden Menschenrechtsverstößen des Autokraten erfolgt eine Senkung des Repressionslevels aufgrund der erhöhten subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit durch Menschenrechtsprozesse in den kulturell ähnlichen Nachbarländern.
8.1 Die abschreckende Wirkung von Menschenrechtsprozessen | 129
Die pessimistische Sichtweise kann für personalistische Regime nicht bestätigt werden. Gerade bei diesem Regimetyp, in dem für die politischen Führer nur sehr geringe Möglichkeiten bestehen, sich institutionell abzusichern, hätte nach der pessimistischen Sichtweise eine Verschlechterung der Menschenrechtspraxis bei einer erhöhten Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern mit Menschenrechtsprozessen festgestellt werden müssen. Das Ergebnis der empirischen Analyse spricht folglich dafür, dass personalistische politische Führer ihre begangenen Menschenrechtsverletzungen als versunkene Kosten betrachten und auf eine erhöhte Bestrafungswahrscheinlichkeit mit einer Verbesserung ihrer Menschenrechtspolitik reagieren, um ein schlechtes Schicksal nach der Amtszeit zu vermeiden.
8.1.2 Die Einparteiendiktaturen In Einparteiendiktaturen kann im Gegensatz zu personalistischen Regimen nur ein schwacher Abschreckungseffekt festgestellt werden. Die in diesen Regimen vorhandenen Absicherungsmöglichkeiten der politischen Führer nach dem Amtsverlust und der geringere Einsatz von Repressionen führen zu einem im Vergleich zu den politischen Führern in personalistischen Regimen besseren erwarteten Schicksal nach der Amtszeit. Eine Veränderung in den sozialen Normen wirkt sich somit bei diesem Regimetyp nicht unmittelbar auf die Bestrafungswahrscheinlichkeit aus. Die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit ist niedriger als die objektive, was zu einem schwächeren Abschreckungseffekt führt. Ein Grund, warum der politische Führer in Einparteiendiktaturen auf den sozialen Normenwandel mit einem geringeren Einsatz von Repressionen reagiert, kann im Innenverhältnis zwischen Führer und Volk sowie in dessen Selbstbild gefunden werden. Hierbei ist die politische Ideologie des politischen Führers von besonderer Bedeutung (vgl. Møller & Skaaning, 2013). Dieser sieht sich als Vertreter des Volkes. Signalisiert die Bevölkerung in den Nachbarländern einen Normenwandel im Sinne einer vermehrten Forderung nach Gerechtigkeit für Repressionen sowie einen wachsenden Widerstand gegen repressive Maßnahmen, erwartet der autokratische Führer eine ähnliche Einstellung in der eigenen Bevölkerung und muss – um dem Willen des Volkes nicht zu widersprechen – den Einsatz von Repressionen verringern.
8.1.3 Die Militärdiktaturen Da mit der Anzahl der kulturell ähnlichen Nachbarländer mit Menschenrechtsprozessen die objektive Bestrafungswahrscheinlichkeit für politische Führer in Militärdiktaturen steigt, müsste durch die Erhöhung der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit auch in Militärdiktaturen ein Abschreckungseffekt festzustellen sein.
130 | 8 Die Diskussion der Ergebnisse
Entgegen dieser Erwartung reagieren Militärdiktaturen jedoch mit einer Ausweitung der Repressionen bei Menschenrechtsprozessen in Nachbarstaaten. Dieser negative Abschreckungseffekt entspricht im Grunde der pessimistischen Sichtweise, nach der höhere Repressionen erwartet werden, wenn es zu einem Anstieg der Bestrafungswahrscheinlichkeit kommt. Vor dem Hintergrund der im Vergleich der Regimetypen geringsten subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit für politische Führer in Militärdiktaturen ist der bei der pessimistischen Sichtweise angenommene Wirkungszusammenhang jedoch in diesem Fall argumentativ nicht überzeugend. Eine mögliche Erklärung dafür, dass die Menschenrechtsverfolgung im Ausland zu einem höheren Repressionslevel führt, kann in den politischen Zielen des politischen Führers in Militärdiktaturen gefunden werden und nicht bei der Angst vor einer Bestrafung. Politische Führer in Militärregimen haben, neben der Maximierung des Militärbudgets, die Wiederherstellung beziehungsweise die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung als ein oberstes Ziel ihrer Politik. Mit sich ändernden sozialen Normen bezüglich der Einhaltung grundlegender Menschenrechte, die im Ausland durch die häufiger angewandte persönliche Rechenschaftspflicht ehemaliger politischer Eliten im Rahmen von Menschenrechtsprozessen sichtbar werden, sehen sich autokratische Regime möglicherweise vermehrt Forderungen nach Gerechtigkeit für Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, für die sie auch selbst die Verantwortung tragen. Auf diese Forderungen, die für sie eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung darstellen, reagieren sie mit einem erhöhten Einsatz von Repressionen. Ein weiterer Grund für diese Reaktion auf Menschenrechtsprozesse in den Nachbarländern kann in dem vergleichsweise guten Schicksal für Autokraten in Militärdiktaturen gesehen werden. Für den politischen Führer stellt der Rückzug in die Kasernen stets eine Handlungsoption dar. Dieser Rückzug geht jedoch nicht mit der Aufgabe aller (politischen) Macht einher. Der ehemalige politische Führer besitzt auch nach der Amtszeit einen großen politischen Einfluss. Das nachfolgende Regime ist, unabhängig davon, ob es demokratisch oder autokratisch ausfällt, auf die Unterstützung des Militärs angewiesen. Menschenrechtsverfahren gegen den ehemaligen politischen Führer können zu einem durch diesen eingeleiteten Militärputsch führen. Diese institutionelle Absicherungsmöglichkeit ermöglicht es politischen Führern in Militärdiktaturen, Repressionen einzusetzen, ohne eine individuelle Rechenschaftspflicht nach ihrer Amtszeit befürchten zu müssen. Die Kosten des Repressionseinsatzes sind gering. Neben den Unterschieden in den subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeiten können auch Unterschiede in den Organisationsstrukturen der Regime den Abschreckungseffekt beeinflussen. Jede Repressionsanordnung benötigt Untergebene, die diese ausführen. Möglicherweise besteht auch ein Abschreckungseffekt der erhöhten objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit auf die Mitglieder der WinningCoalition und des Selektorats in personalistischen Regimen und Einparteiendiktaturen, aus denen die ausführenden Personen stammen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Abschreckungseffekt bei Militärangehörigen deutlich geringer ist, da hier das
8.3 Der Einfluss der Datenqualität |
131
gesetzlich verankerte Recht des militärischen Gehorsams die Möglichkeit einer Befehlsverweigerung für die Mitglieder des Militärs, die in diesen Regimen die WinningCoalition bilden, ausschließt. Bezüglich der Entscheidung über den Einsatz von Repressionen politischer Führer in Militärdiktaturen liefert die vorliegende Studie einen ersten Erklärungsversuch. Es ist jedoch noch weiterer Forschungsbedarf notwendig, um die positive Wirkung der Anzahl an Nachbarländern mit Menschenrechtsprozessen auf das Repressionslevel in Militärdiktaturen erklären zu können.
8.2 Die abschreckende Wirkung von Wahrheitskommissionen Für die Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern mit Wahrheitskommissionen kann für die verschiedenen autokratischen Regime kein signifikanter Effekt festgestellt werden. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass die von Wahrheitskommissionen ausgehenden sozialen Kosten für politische Führer in Autokratien niedriger liegen als für demokratische politische Führer in Transformationsländern, in denen diese eine repressionssenkende Wirkung besitzen (vgl. Kim & Sikkink, 2010). Eine stichhaltige Interpretation dieses Ergebnisses ist jedoch schwierig. Dies liegt insbesondere daran, dass die Variable zur Anzahl der kulturell ähnlichen Länder mit Wahrheitskommissionen in den letzten drei Jahren keine Information über die von diesen betroffenen Personen enthält. Sowohl Wahrheitskommissionen, welche die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen hochrangiger Beamter zum Ziel haben, als auch Wahrheitskommissionen, die Menschenrechtsverletzungen von Beamten niedrigen Ranges und Zivilisten behandeln, werden berücksichtigt. Sollten – analog zu den Menschenrechtsprozessen – ausschließlich die Verfahren gegen ehemalige hochrangige Beamte eine Wirkung auf amtierende Autokraten besitzen, kann dieser Zusammenhang aufgrund der verfügbaren Daten nicht überprüft werden.
8.3 Der Einfluss der Datenqualität 8.3.1 Die berichtete Menschenrechtspraxis Die Ergebnisse zum Abschreckungseffekt der Menschenrechtsverfolgung müssen vor dem Hintergrund der Datenqualität interpretiert werden. Das grundlegende Problem sowohl der Indizes des PTS-Projektes als auch des Index des CIRI-Projektes liegt darin, dass diese auf den Informationen der Länderberichte des US-Außenministeriums und Amnesty International basieren und somit deren Reliabilität von deren Qualität und Vollständigkeit abhängt. Diese beeinflussen direkt die Reliabilität der Ergebnisse. Ein wichtiger Aspekt der Reliabilität ist die Transparenz bei der Berichterstellung.
132 | 8 Die Diskussion der Ergebnisse
Nennt das US-Außenministerium amerikanische und ausländische Regierungsvertreter, Opfer von Menschenrechtsverletzungen, wissenschaftliche Studien und Studien des Kongresses sowie internationale Organisationen und NGOs als Quellen (vgl. USAußenministerium, 2014, Anhang A), sind Informationen über Informationsquellen von Amnesty International nur spärlich verfügbar. So berichtet Amnesty International auf seiner Homepage allgemein, dass sie für die Berichterstellung Informationen von Opfern, aus Zeitungsartikeln und von nationalen NGOs nutzen (vgl. Amnesty International, 2016). Die Qualität der Informationen für die Berichte hat sich über die letzten Jahrzehnte stetig verbessert (vgl. Clark & Sikkink, 2013). Bis weit in die 1980er-Jahre hinein erwies sich die Ermittlung von Daten zu Menschenrechtsverletzungen als ein aufwändiger Prozess, welcher durch repressive Regierungen bewusst erschwert wurde. Die Zugänglichkeit der Daten in entwickelten Ländern ist besser als in Entwicklungsländern. In den letzten beiden Jahrzehnten brachten insbesondere der leichtere Zugang zu Informationen über die gestiegene Anzahl nationaler NGOs und die verbesserte weltweite Vernetzung internationaler NGOs, die sich mit Menschenrechtsfragen beschäftigen, eine deutliche Verbesserung der Qualität, Vollständigkeit und Glaubwürdigkeit der Länderberichte mit sich (vgl. Schmitz & Sikkink, 2012, S. 829). Durch die Tätigkeit der NGOs wurden glaubwürdige Informationen auch für solche Länder, die zu Beginn der Berichterstellung nicht berücksichtigt werden konnten, gesammelt und in die Berichte aufgenommen. Bei der Analyse der Wirkung von Menschenrechtsprozessen auf die Menschenrechtspraxis werden somit Informationen zu Länderjahren vor Jahrzehnten, die historisch bedingt qualitativ schlecht und unvollständig sind, mit aktuellen realitätsnäheren und vollständigeren Informationen verglichen. Das Problem der unterschiedlichen Qualität und Vollständigkeit besteht zudem nicht nur für die einzelnen Länder über die Zeit, sondern auch bei der Betrachtung der Länderinformationen innerhalb eines Jahresberichtes zwischen den Ländern. Eine sich verbessernde Menschenrechtslage führt zu einem leichteren Zugang zu Informationen über Menschenrechtsverletzungen. Und je repressiver ein Regime, desto schwieriger ist der Zugang zu Informationen über die Menschenrechtsverletzungen im Land (vgl. Goldstein, 1986, S. 617). Die Verfügbarkeit und Glaubwürdigkeit von Informationen zu politischen, bürgerlichen und Persönlichkeitsrechten sinken mit steigender Schwere der Menschenrechtsverletzung (vgl. Goldstein, 1986, S. 612 f.). Zudem kann ein Land, in dem eine relativ große Pressefreiheit herrscht, in den Länderberichten schlechter bei der Menschenrechtspraxis abschneiden als Länder mit einer vergleichbaren Praxis, da in diesen die Wahrscheinlichkeit der Erfassung der Menschenrechtsverletzung höher ist (vgl. Bollen, 1986, S. 580 f.). Aufgrund dieser Problematik unterliegen die Indizes einem „Informationsparadox“ (vgl. Keck & Sikkink, 1998; Clark & Sikkink, 2013). Nach diesem führt ein höherer Informationsstand bei tatsächlich gleichbleibender Menschenrechtspraxis zu höheren Indexwerten und somit zu Schwierigkeiten bei der Bewertung der Entwicklung der Menschenrechtspraxis
8.3 Der Einfluss der Datenqualität |
133
über die Zeit (vgl. Fariss, 2014; Schmitz & Sikkink, 2012).³³ Von diesem Problem ist insbesondere der Index des CIRI-Projekts betroffen, da bei diesem der Verbundindikator über die Subindizes gebildet wird, deren Realisation bei der absoluten Betrachtung der Menschenrechtspraxis sensibel auf Unterschiede in den Länderberichten reagiert. Eine möglichst kleinteilige Differenzierung der Menschenrechtspraxis in mehrere Subindizes ist einer Beurteilung anhand eines einzelnen aggregierten Indizes prinzipiell vorzuziehen (vgl. Cingranelli & Richards, 2010, S. 413). Da jedoch die Länderberichte vom US-Außenministerium und von Amnesty International hinsichtlich ihrer Vollständigkeit und Glaubwürdigkeit der beinhalteten Informationen nicht überprüft werden können, muss die Aussagekraft der einzelnen Indizes auf dieser disaggregierten Ebene angezweifelt werden (vgl. Wood & Gibney, 2010). Somit ist die Aussagekraft des CIRI-Indizes, der aus disaggregierten und damit fraglich aussagekräftigen Indizes besteht, limitiert. Die über die Zeit besser werdenden Zugangsmöglichkeiten zu Informationen werden von einer höheren Sensibilität bei der Klassifikation von Menschenrechtsverstößen begleitet. Dies hat zur Folge, dass durch die höhere Sensibilität bei den Berichtsautoren Praktiken gegen fundamentale Menschenrechte als verstoßend angesehen werden, die in früheren Berichten nicht in diese Kategorie gefasst wurden und somit auch nicht in den Berichten Erwähnung fanden. Auf der anderen Seite bleibt die Definition der Indexlevel über die Zeit unverändert (vgl. Fariss, 2014). Darüber hinaus wird zudem die Medienberichterstattung davon beeinflusst, inwieweit sich die betrachtete Menschenrechtspraxis von der in der Vergangenheit unterscheidet. In den Medien erscheinen seltener Berichte über Repressionen in einem Land mit Repressionsgeschichte als in einem ehemals demokratischen Land (vgl. Bollen, 1986, S. 581). Folglich bilden die Indizes auf Basis des US-Außenministeriums sowie die Indizes auf Basis der Berichte von Amnesty International die Menschenrechtspraxis in den Ländern nur bedingt ab. Da den Berichten unterschiedliche Informationsquellen zugrunde liegen, führt dies zu einer differenzierenden Darlegung der Menschenrechtspraxis, die durch abweichende Indexwerte deutlich wird. Zum einen sind bis ins Jahr 1991 die PTS-Länderdurchschnittswerte aus den Amnesty-International-Berichten durchweg niedriger als die aus den Außenministeriumsberichten ermittelten. Darüber hinaus besteht auch bei etwa 40 Prozent der Werte aus der jüngeren Vergangenheit eine Diskrepanz von mindestens einem Level Unterschied (vgl. Haschke, 2015). Die aufgeführten Limitationen der Datenqualität müssen bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden, sie bedeuten jedoch nicht, dass die Ergebnisse der empirischen Analyse unbrauchbar werden.
33 Dieses Paradox ist in Abb. 1.2 erkennbar. Die durchschnittlichen Repressionslevel in beiden politischen Systemen steigen über die Zeit an.
134 | 8 Die Diskussion der Ergebnisse
8.3.2 Die Kodierung der Menschenrechtsverfahren Die binäre Kodierung der Länder mit Menschenrechtsprozessen gegen ehemalige politische Führer und Wahrheitskommissionen führt zu einer systematischen Unterschätzung der Verfahrensanzahl, da unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Verfahren in den Daten nur wiedergegeben wird, ob in dem betrachteten Land in einem bestimmten Jahr mindestens ein Menschenrechtsprozess abgehalten wurde oder eine Wahrheitskommission getagt hat (vgl. Kim & Sikkink, 2010, S. 948). Da bei der Kodierung das Verfahrensergebnis nicht berücksichtigt wird, muss das Ergebnis der empirischen Analyse als die Wirkung der Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern mit Eröffnung von Menschenrechtsverfahren auf die Repressionsentscheidung von Autokraten interpretiert werden. Unter der Leitung von Leigh Payne und Kathrin Sikkink wird derzeit im Rahmen der Transitional Justice Research Collaborative eine Datenbank zu Prozessen, Wahrheitskommissionen und Amnestien im Rahmen der Übergangsjustiz erstellt, wodurch zukünftig eine detaillierter Analyse der Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf die Repressionsentscheidung von Autokraten möglich sein wird.³⁴
8.4 Der Einfluss der kulturellen Ähnlichkeit Werden die Nachbarländer ausschließlich über dieselbe UN-Subregion definiert, verändern sich die Koeffizienten nur gering (siehe Tab. A.4 im Anhang). Dies deutet darauf hin, dass der kulturelle Einfluss beim Abschreckungseffekt für Autokraten geringer ist als in Transformationsländern (Kim, 2012, 314 f.). Andererseits ist eine religiöse Clusterung bei der Verwendung der UN-Subregionen zu erkennen. Folglich wird eine kulturelle Ähnlichkeit durch die Definition der Nachbarländer über die UN-Subgruppen auch ohne deren explizite Beachtung implizit berücksichtigt. Ein Einfluss der kulturellen Ähnlichkeit kann folglich weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Die Identifikation von Nachbarländern über UN-Subregionen birgt noch ein weiteres Problem. Bei dieser Methode werden Länder an den Grenzen der UN-Subregionen nicht als Nachbarn definiert, obwohl sie eine gemeinsame Landesgrenze besitzen. Bei der empirischen Analyse besteht dieses Problem insbesondere für Afrika. Ein zu diesem Vorgehen alternativer Ansatz liegt in der Erstellung eines gewichteten Index über die Distanz zwischen den Hauptstädten der Länder (vgl. Escribà-Folch & Wright, 2015). Diese Methode umgeht das Problem der Ignoranz einer gemeinsamen Ländergrenze. Bei dieser Methode entscheidet allein die geografische Lage der Hauptstadt über den Einflussfaktor der Menschenrechtspolitik eines umliegenden Landes, was jedoch wiederum willkürlich erscheint.
34 Website des Projektes: https://www.transitionaljusticedata.com.
8.6 Die Wirkung gewalttätiger Konflikte |
135
8.5 Der Einfluss des Vorjahresrepressionslevels Der in allen Modellen signifikante Einfluss des Repressionslevels der Vorperiode auf das Repressionslevel bestätigt eine Pfadabhängigkeit beim Gebrauch von Repressionen. Die Verwendung der Vorjahreswerte der abhängigen Variablen als erklärende Variable (LDV) ist aus statistischen Gründen nicht unproblematisch. Die Berücksichtigung einer LDV führt zu einer seriellen Korrelation der Fehler und zu inkonsistenten POLS-Schätzern (vgl. Achen, 2000). Somit liefert die PCSE-Schätzung nicht nur inkorrekte Standardfehler, sondern auch inkonsistente Schätzer der Parameter (vgl. Maddala, 1998, S. 3). Eine verzögerte abhängige Variable als erklärende Variable erklärt gewöhnlich einen großen Teil der Varianz der abhängigen Variablen und lässt dadurch den restlichen erklärenden Variablen nur noch wenig Varianz zur Erklärung übrig. In Verbindung mit fixen Effekten führt die Verwendung der LDV zu einer systematischen Unterschätzung der Koeffizienten. Diese Verzerrung wird als Nickell-Bias bezeichnet (vgl. Nickell, 1981). Der Einfluss des Nickell-Bias ist jedoch gewöhnlich gering und die verfügbaren alternativen Methoden führen zu einer deutlichen Verringerung der Effizienz der Schätzung (vgl. Beck & Katz, 2004; Judson & Owen, 1999). Eine Kontrollschätzung ohne LDV zieht sehr ähnliche Ergebnisse nach sich (siehe Tab. A.5 im Anhang). Da die Verwendung einer verzögerten abhängigen Variablen als erklärende Variable mit Problemen behaftet ist, wurden die Schätzungen zudem mit einer Prais-Winsten-Schätzung durchgeführt, bei der in einem linearen Modell die serielle Korrelation vom Typ AR(1) berücksichtigt wird. Die ermittelten Ergebnisse unterscheiden sich nur gering von denen des Modells 4b mit einer LDV (siehe Tab. A.6 im Anhang). Insgesamt ist die Verzerrung durch die Verwendung der LDV gering. Durch die bestehende Pfadabhängigkeit des Repressionslevels in zwei aufeinanderfolgenden Jahren ist diese Vorgehensweise auch aus theoretischer Sicht gerechtfertigt (vgl. Neumayer, 2005, S. 940).
8.6 Die Wirkung gewalttätiger Konflikte Bei der Kodierung gewalttätiger Konflikte des PRIO-Projekts werden die Opfer tödlicher Gewalt gezählt, die Verletzung von Menschenrechten findet keine gesonderte Betrachtung. Bei der Kodierung der Länderberichte im Rahmen des PTS bzw. CIRIProjekts liegt der Fokus hingegen auf der staatlichen Menschenrechtspraxis. Ein gewalttätiger Konflikt wird folglich einerseits im PRIO-Projekt berücksichtigt, andererseits führt dieser gewalttätige Konflikt zu einem höheren kodierten Repressionslevel bei den Menschenrechtsindizes. In der empirischen Analyse wird in Länderjahren mit mindestens einem gewalttätigen Konflikt ein höheres Repressionslevel festgestellt. Dabei hat ein innerstaatlicher gewalttätiger Konflikt eine stärkere Wirkung auf das Repressionslevel als zwischenstaatliche gewalttätige Konflikte.
136 | 8 Die Diskussion der Ergebnisse
Dieses Ergebnis bestätigt die in der Literatur auffindbaren Erklärungen des Zusammenhangs zwischen gewalttätigen Konflikten und dem Repressionslevel. Demnach stellen Repressionen einerseits eine Ursache für innerstaatliche Konflikte dar, andererseits sind sie auch die Folge innerstaatlicher Konflikte. Innerstaatliche Konflikte treten in Ländern auf, die über schwache politische Institutionen verfügen und in denen Repressionen gegen die Bevölkerung stattfinden (vgl. Fearon & Laitin, 2003). Auf tatsächliche oder potenzielle Bedrohungen seiner politischen Macht reagiert der politische Führer mit Repressionen (vgl. Davenport, 2007a; Des Forges, 1999; Poe, 2004; Straus, 2007). Durch die Anwendung von Repressionen verliert der Führer den Rückhalt in der Bevölkerung (vgl. Young, 2013). Insbesondere wenn auf friedliche Proteste mit staatlicher Gewalt reagiert wird, kann dies eine gewalttätige Reaktion bewirken (vgl. Lichbach, 1987). Auf diese Konflikte reagiert der politische Führer mit zusätzlichen Repressionen. Andere Staaten oder die politische Opposition geht zur Anwendung von politischem Terror beziehungsweise Gewalt ihrerseits über, was zu einer Gewaltspirale führen kann, die nur schwer zu durchbrechen ist und in einem Bürgerkrieg enden kann (vgl. Hafner-Burton, 2014).
8.7 Die Interaktion der Ratifikation internationaler Menschenrechtsabkommen und der Machteinschränkung des politischen Führers Der schwache Durchsetzungsmechanismus der Menschenrechtsabkommen ermöglicht es manchen Autokraten, dass sie durch die Ratifikation ihre Reputation in der Weltgemeinschaft verbessern können. Die Ratifikation verursacht für sie nur geringe Kosten, da sie lediglich eine De-jure-Regelung einführen müssen, de facto aber weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen können, ohne für diese rechenschaftspflichtig zu sein (vgl. Hafner-Burton & Tsutsui, 2007). Das Schätzergebnis von Modell 3 bestätigt zunächst die bereits mehrfach in der Literatur ermittelte inverse Beziehung zwischen der Machteinschränkung des politischen Führers und der Menschenrechtspraxis, nach der eine fehlende Machteinschränkung durch weitere Staatsorgane mit einer schlechteren Menschenrechtspraxis einhergeht (vgl. Bueno de Mesquita et al., 2005a; Hathaway, 2007; Keith, 2002; Powell & Staton, 2009). In Autokratien mit einem effektiven, die Macht des politischen Führers einschränkenden Justizapparat besitzt die Ratifikation eines Menschenrechtsabkommens einen repressionssenkenden Effekt (vgl. Conrad, 2014). Bestehende machteinschränkende staatliche Organe erschweren die Durchsetzung von Repressionsanordnungen des politischen Führers im Falle eines ratifizierten Menschenrechtsabkommens. Die Kosten einer Ratifikation für machteingeschränkte politische Führer sind folglich höher als für politische Führer ohne Machteinschränkung. Zudem wird mit Modell 3 für Länderjahre, in denen die Ratifikation des ICCPR bestand, ein höheres Repressionslevel festgestellt.
8.8 Der Einfluss der NGO-Tätigkeit |
137
Mit Hilfe von Modell 4a kann jedoch aufgezeigt werden, dass diese isolierte Betrachtung des jeweiligen Einflusses der Ratifikation des ICCPR und der Machteinschränkung des politischen Führers nicht zielführend ist, da eine Wechselwirkung zwischen diesen beiden Variablen besteht. In autokratischen Länderjahren, in denen der politische Führer in seiner Macht nicht eingeschränkt und der ICCPR ratifiziert ist, liegt das Repressionslevel etwas höher als in Länderjahren ohne Ratifikation des ICCPR und mit einer bestehenden Machteinschränkung des politischen Führers. Folglich spielt das politische Umfeld eine wichtige Rolle beim Effekt der Ratifikation auf die Menschenrechtspraxis. Hafner-Burton et al. (2008) ermitteln, dass kein negativer Effekt von der Unterzeichnung von Menschenrechtsabkommen auf das Repressionslevel ausgeht. Vielmehr können sie für stark repressive Staaten, in denen der politische Führer keiner Machteinschränkung unterliegt, eine größere Bereitschaft zur Unterzeichnung von Menschenrechtsabkommen feststellen. Die Repressionen finden somit trotz und nicht wegen der Ratifikation statt (vgl. Hill, 2010). Der positive Zusammenhang zwischen einem höheren Repressionslevel in Ländern mit einem politischen Führer ohne Machteinschränkung und ratifiziertem ICCPR ist somit auf die höhere Wahrscheinlichkeit der Ratifikation in diesen Ländern zurückzuführen.
8.8 Der Einfluss der NGO-Tätigkeit Mit Hilfe der Daten zur Tätigkeit von Menschenrechts-NGOs in autokratischen Regimen kann kein Effekt auf das Repressionslevel festgestellt werden. Dieses Ergebnis bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass kein Zusammenhang zwischen den beiden Variablen besteht. Der insignifikante Einfluss der NGO-Tätigkeit auf das Repressionslevel kann unter anderem als Hinweis auf die problematische Auswirkung des Informationsparadoxes gesehen werden. Eine erhöhte Aktivität von Menschenrechts-NGOs in einem Land (hier abgebildet über eine höhere Anzahl an tätigen NGOs) führt zu einer vollständigeren Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen der Regierungen, was wiederum bewirkt, dass die Länderberichte des US-Außenministeriums und von Amnesty International mehr Informationen über Menschenrechtsverletzungen enthalten. Das kodierte Menschenrechtslevel steigt mit der NGO-Aktivität und der dadurch zunehmenden Vollständigkeit der Länderberichte an. Die Implementierung des ICCPR in nationales Recht führt zu einer erhöhten NGO-Tätigkeit und insgesamt zu einer verbesserten Dokumentation der Menschenrechtspraxis. Somit fallen insbesondere die Länder mit schlechten Berichten auf, in denen der Schutz der Menschenrechte tatsächlich institutionell verankert ist (vgl. Heyns & Viljoen, 2001, S. 489). Zusätzlich kann davon ausgegangen werden, dass die Arbeit in autokratischen Ländern mit einem hohen tatsächlichen Repressionslevel der Menschenrechts-NGOs behindert wird. Folglich wird das Repressionslevel in Ländern mit wenigen MenschenrechtsNGOs systematisch unterschätzt.
138 | 8 Die Diskussion der Ergebnisse
Neben dem Informationsparadox kann sich auch das Vorgehen bei der Generierung der Daten zur NGO-Tätigkeit negativ auf das Ergebnis auswirken. Da die Anzahl der tätigen NGOs nur zu wenigen Jahren ermittelt wurde und die Daten in den dazwischenliegenden Jahren über die Interpolation der Daten erzeugt wurden und somit nicht den tatsächlichen Werten entsprechen, ist es möglich, dass die Ergebnisse durch diesen Vorgang verzerrt sind. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es noch keine systematische, quantitative Studie zum Einfluss der Tätigkeit von Menschenrechts-NGOs auf die Menschenrechtspraxis in Autokratien. Bisher scheiterte die Analyse an einer unzureichenden Datenbasis (vgl. Cingranelli & Richards, 2015). Auch bei der Untersuchung dieses Einflusses in dieser Arbeit muss aufgrund der als massiv anzunehmenden Beeinflussungen des Ergebnisses der Schätzung angezweifelt werden, ob die Überprüfung der NGOs als notwendige beziehungsweise hinreichende Bedingung mit den verfügbaren Daten überprüft werden kann.
8.9 Die sozioökonomischen Kontrollvariablen Mit einer höheren Bevölkerungszahl wird ein zunehmender Einsatz von Repressionen festgestellt. So verursachen große Populationsgrößen Verteilungsprobleme von nationalen Ressourcen. Die Folge ist eine Zunahme von Protesten, auf die der politische Führer mit Repressionen reagiert (vgl. Henderson, 1993; Poe & Tate, 1994). Große Bevölkerungszahlen besitzen somit eine indirekte Wirkung auf das Repressionslevel, da der Führer über eine steigende Bedrohung seiner Macht zu einem erhöhten Einsatz von Repressionen bewegt wird (vgl. Poe, 2004, S. 24). Damit eng verbunden ist der ermittelte Zusammenhang zwischen einem höheren Wohlstandsniveau eines Landes und der Verbesserung der Menschenrechtspraxis durch die Verringerung dieser Verteilungsprobleme. Länder mit einem höheren BIP pro Kopf verfügen über eine im Vergleich bessere Menschenrechtspraxis (vgl. De Soysa & Vadlammanati, 2013; Mitchell & McCormick, 1988). Für diesen Zusammenhang gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze. Nach der Argumentation von Duff et al. (1976, S. 58 f.) führt eine höhere Wirtschaftskraft zu einer größeren Zufriedenheit in der Bevölkerung und damit zu einem geringeren Gebrauch von Repressionen. Ein geringer Wohlstand wird als Grund für soziale Missstände gesehen, die ein repressives Verhalten des Staates fördern (vgl. Poe et al., 1999). Fearon & Laitin (2003) erklären den Zusammenhang über die Effektivität der Repressionen. So führt eine geringere Ressourcenausstattung zu einer geringeren Effektivität der Repressionen, wodurch es zu einem höheren Grad an Repressionen kommt. Nach Olson (1993) kann der Zusammenhang zwischen einem höheren Wohlstandsniveau eines Landes und der Verbesserung der Menschenrechtspraxis damit erklärt werden, dass in Gesellschaften, welche nicht über eine friedliche Grundordnung verfügen, der Anreiz für Produktionssteigerungen und somit Wohlstandssteigerungen nur gering ist. Ego-
8.10 Das Fazit der Diskussion
| 139
rov & Sonin (2004) sehen die Ursache in dem Loyalitäts-Kompetenz-Trade-off, dem der politische Führer unterliegt. Um an der Macht zu bleiben, ist es für den politischen Führer nicht möglich, im Führungsstab kompetente Mitarbeiter einzustellen, da kompetente Mitarbeiter ein Machtrisiko darstellen. Er nimmt eine schlechtere ökonomische Performance für die Sicherung seiner Macht in Kauf. Je unsicherer seine Machtposition, desto weniger kompetente Mitarbeiter wird er einstellen. Je geringer die Kompetenz der Mitarbeiter, desto schlechter ist die Wirtschaftskraft. Bei einer geringen Wirtschaftskraft fällt auch die Zufriedenheit bei seinen Unterstützern und in der Bevölkerung gering aus. Einem drohenden Sturz versucht der politische Führer über einen erhöhten Einsatz von Repressionen entgegenzuwirken. Ob ein einzelner Ansatz oder eine Kombination von Ansätzen den Zusammenhang zwischen einem höheren Wohlstandsniveau und der Menschenrechtspraxis erklärt, ist jedoch bisher noch nicht belegt (vgl. Davenport, 2007a, S. 14). Olson (1963) weist darauf hin, dass ein hohes Wirtschaftswachstum zu einer Destabilisierung der Politik führen kann, da die gesellschaftlichen Gruppen vom Wachstum unterschiedlich stark profitieren. Die politische Elite profitiert stark, der Rest der Bevölkerung hingegen nur wenig. Diese Entwicklung vergrößert die Unterschiede zwischen den Gesellschaftsschichten und führt zu einer Bedrohung der Macht des politischen Führers. Dieser kann der Bedrohung Repressionen entgegensetzen, um die politische Kontrolle aufrechtzuerhalten (vgl. Acemoglu et al., 2010; Midgley, 1987). Auf der anderen Seite bedeutet ein höheres Wirtschaftswachstum ein größeres Vertrauen der Wirtschaft und des Militärs, was zu einer höheren wahrgenommenen Stärke des eigenen Regimes durch den politischen Führer und darüber zu geringeren Repressionen führt (vgl. Poe & Tate, 1994, S. 28). Der leicht negative Einfluss des Wirtschaftswachstums auf das Repressionslevel spricht dafür, dass die Bedrohung durch eine ungleiche Partizipation am Wirtschaftswachstum eine untergeordnete Rolle spielt. Ein größerer Wohlstand und dadurch geringere Verteilungsprobleme resultieren in einem Rückgang der Repressionen.
8.10 Das Fazit der Diskussion Der aufgezeigte Zusammenhang zwischen der Anzahl von Nachbarländern mit Menschenrechtsprozessen gegen hochrangige Beamte und der Repressionsentscheidung in autokratischen Regimen stellt die zentrale Erkenntnis dieser Arbeit dar. Personalistische Regime erfahren einen starken, Einparteiendiktaturen einen schwächeren Abschreckungseffekt. Militärdiktaturen reagieren – entgegen der Annahme aus dem theoretischen Modell – mit einer Erhöhung der Repressionen auf eine Verbreitung der Menschenrechtsverfolgung in den Nachbarländern. Entscheidende Einflussgröße ist dabei die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit des politischen Führers, welche die Kosten der Repressionen für den politischen Führer bestimmt und abhängig vom Regimetyp ist. Die ermittelte regimespezifische Wirkung der Anzahl der Länder
140 | 8 Die Diskussion der Ergebnisse
mit Menschenrechtsprozessen auf die Menschenrechtspraxis in Autokratien bedeutet, dass die Strategie der Ausweitung der Menschenrechtsverfahren zur Verbesserung der weltweiten Menschenrechtspraxis, wie die anderen Strategien auch, nicht uneingeschränkt empfohlen werden kann. Dieses Ergebnis basiert auf Daten, deren Qualität zwei bedeutende Mängel aufweist: Zum einen geben die Repressionsindizes vom PTS-Projekt und von CIRI nur die vom US-Außenministerium und von Amnesty International berichtete Menschenrechtspraxis wieder. Auf der anderen Seite wird bei der Kodierung der Länder mit Menschenrechtsprozessen lediglich abgebildet, ob ein Menschenrechtsprozess eröffnet wurde. Die genutzte Kodierung der Länder mit Menschenrechtsverfahren liefert keine Informationen über den Prozessausgang. Diese beiden Mängel stellen jeweils ein bedeutendes Problem bei der Interpretation der Ergebnisse dar. Sie können jedoch aufgrund der mittelbaren Informationsgewinnung über transnationale Menschenrechtsnetzwerke bei der Erstellung der Länderberichte zur Menschenrechtspraxis nicht behoben werden. Mit der vorliegenden Arbeit konnte zudem gezeigt werden, dass der bisher in der Literatur verbreitete Ansatz der isolierten Betrachtung der Wirkung der Ratifikation von internationalen Menschenrechtsverfahren und der Machteinschränkung auf das Repressionslevel zu kurz greift. Nur über die Berücksichtigung des Interaktionseffekts dieser zwei Einflussgrößen kann deren Wirkung umfassend beschrieben werden. Demnach herrscht in Ländern, die den ICCPR ratifiziert haben und in denen der politische Führer keiner Machteinschränkung unterliegt, ein höheres Repressionslevel vor. Im Gegensatz zu einer höheren subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit des politischen Führers wirkt sich die Ratifikation von internationalen Menschenrechtsabkommen nicht auf die Menschenrechtspraxis in Autokratien aus. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass gewalttätige Konflikte und sozioökonomische Einflussfaktoren in Autokratien eine vergleichbare Wirkung zu der in Transformationsländern besitzen. Zwischenstaatliche Kriege oder innerstaatliche Konflikte fördern Menschenrechtsverletzungen durch die beteiligten Parteien (Poe & Tate, 1994, 859). Ein höherer Wohlstand geht über die geringeren Verteilungsprobleme mit einer besseren Menschenrechtspraxis einher. Die Untersuchung der Wirkung der Anzahl der Nachbarländer mit Wahrheitskommissionen und die Wirkung der Anzahl der im Inland tätigen Menschenrechts-NGOs auf das Repressionslevel in Autokratien führten zu keinen signifikanten Ergebnissen. Dies lässt sich bei der Wirkung der Wahrheitskommissionen auf die fehlende Unterscheidung der Beschuldigten bei der Kodierung zurückführen. Bei der Wirkung der NGO-Tätigkeit ist einerseits die Datenqualität gering, andererseits erschwert das vorliegende Informationsparadox eine Analyse. Prinzipiell kann das auf der Selektoratstheorie basierende theoretische Modell dieser Arbeit für die Erklärung der Wirkung der Menschenrechtsverfahren genutzt werden, jedoch werden durch die empirische Analyse auch die Grenzen des Modells aufgezeigt. Der Fokus auf den Einfluss der Institutionen auf die Repressionsentschei-
8.10 Das Fazit der Diskussion
|
141
dung eines Autokraten ist für die Regime zielführend, bei denen keine weiteren entscheidenden Wirkungszusammenhänge mit anderen Einflussgrößen bestehen. Politische Führer in Militärdiktaturen verhalten sich nicht entsprechend den aus der Theorie abgeleiteten Erwartungen. Über die Gründe der repressionssteigernden Wirkung von Menschenrechtsprozessen in Nachbarländern konnten erste Anhaltspunkte aufgezeigt werden. Dort besitzt die politische Zielsetzung einen bedeutenden Einfluss auf die Repressionsentscheidung bei einer veränderten subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit. Diese kann jedoch in der Selektoratstheorie nicht ausreichend abgebildet werden. Folglich besteht weiterer Forschungsbedarf bei der Identifikation des politischen Entscheidungskalküls von politischen Führern in Militärdiktaturen, um die Steigerung der Repressionen bei einer erhöhten subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit erklären zu können.
9 Schlussbetrachtung Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit stellte die Frage dar, ob die juristische Durchsetzung internationalen Rechts ein wirksames Mittel zur Abschreckung repressiver Autokraten darstellt und diese Strategie einen größeren Erfolg bei der Verbesserung der Menschenrechtspraxis in Autokratien verspricht als Wirtschaftssanktionen, militärische Interventionen oder Entwicklungshilfemaßnahmen.
Der soziale Normenwandel In den letzten 40 Jahren erfolgte die juristische Durchsetzung internationalen Rechts auf der Basis eines dezentralen interaktiven Systems internationaler individueller Rechenschaftspflicht, welches in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Dabei verpflichteten sich die Vertragsstaaten internationaler Menschenrechtsabkommen wie des Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs oder des ICCPR durch die Ratifikation Menschenrechtsverstöße zu verfolgen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Darüber hinaus stellten internationale und nationale Menschenrechts-NGOs Anspruchsgruppen dar, die eine Strafverfolgung nach Menschenrechtsverstößen wahrscheinlicher werden ließen. Dieser Wandel in den sozialen Normen wird über die ansteigende Zahl an Menschenrechtsverfahren sichtbar. Ein Großteil der Menschenrechtsprozesse findet dabei im Rahmen der nationalen Übergangsjustiz nach einem Wechsel von einem autokratischen zu einem demokratischen politischen System statt. Ergänzt werden diese durch Verfahren vor internationalen Gerichten wie dem ICTY oder ICTR.
Selektoratstheorie und theoretisches Modell Im ersten Teil der Arbeit wurde ein theoretisches Modell zur Wirkung von Menschenrechtsverfahren in den Nachbarländern auf Autokratien auf Basis der Selektoratstheorie entwickelt. Dies ermöglichte die Berücksichtigung der Wirkung des nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzenden weltweiten Wandels der sozialen Menschenrechtsnormen auf die Repressionsentscheidung von Autokraten. In Kapitel 2 wurde aufgezeigt, dass sich politische Systeme bei den relativen und absoluten Größen von Selektorat und Winning-Coalition unterscheiden. Zum Selektorat gehört der Teil der Bevölkerung, der prinzipiell an der Auswahl der politischen Führer beteiligt ist. Die Winning-Coalition besteht aus einem Teil der Mitglieder des Selektorats. Die Selektoratstheorie von Bueno de Mesquita et al. (2005b) basiert auf der Grundidee, dass die Macht eines politischen Führers auf der Unterstützung der Winning-Coalition beruht. Folglich ist er bei seinen Politikentscheidungen rechenDOI 10.1515/9783110521184-011
144 | 9 Schlussbetrachtung
schaftspflichtig gegenüber der Winning-Coalition. Die Entscheidung, ob die Mitglieder der Winning-Coalition dem politischen Führer aufgrund seiner Politikwahl ihre Unterstützung verweigern, ist davon abhängig, welche Politikwahl der politische Führer trifft und wie groß die Wahrscheinlichkeit für die Mitglieder der Winning-Coalition ist, nach dem Sturz des politischen Führers wieder Teil der neuen Winning-Coalition zu sein. Diese Wahrscheinlichkeit entspricht dem Verhältnis der Größe der WinningCoalition zum Selektorat und wird als Loyalitätsnorm bezeichnet. Die Modelle zur Erklärung wirtschaftlicher Performance in Autokratien von Besley & Kudamatsu (2008) und Gilli & Li (2013) basieren auf dieser Selektoratstheorie und beinhalten die wechselseitige Rechenschaftspflicht zwischen dem politischen Führer und der Winning-Coalition als zentralem Element der Analyse. Durch die Erweiterung des Modells von Gilli & Li (2013) um die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit des politischen Führers nach seinem Amtsverlust konnte dieses Modell in Kapitel 6 für eine theoretische Analyse der Wirkung von Menschenrechtsverfahren auf repressive Autokraten genutzt werden. Hierbei wurde nicht nur die Rechenschaftspflicht des politischen Führers gegenüber seiner Winning-Coalition, sondern auch seine Rechenschaftspflicht gegenüber der Nachfolgeregierung und dem Ausland berücksichtigt. Die in dieser Arbeit betrachteten Repressionen stellen Verletzungen des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit dar. Zu diesen zählen Maßnahmen wie politische Inhaftierungen, Folter, extralegale Morde oder das Verschwindenlassen von Personen durch den Staat. Diese sind in der Regel Gegenstand von Menschenrechtsverfahren. Repressionen richten sich zumeist gegen die Opposition und dienen dem Interesse des politischen Führers. Die Ausgestaltung der politischen Institutionen besitzt einen Einfluss darauf, ob dieser aufgrund der Entscheidung, Repressionen einzusetzen, die Unterstützung seiner Winning-Coalition verliert. Abhängig von der privaten Rente, die der politische Führer durch die Anordnung der Repressionen erzielen kann, sowie seiner subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit entscheidet er sich für die Anwendung von Repressionen. Ein Anstieg der objektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit nach der Amtszeit bei zu verantwortenden Repressionen führt zu einem Anstieg der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit. Die komparative Gleichgewichtsanalyse hat zum Ergebnis, dass bei einer gestiegenen subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit ein Abschreckungseffekt für politische Führer in Autokratien zu erwarten ist. Die Stärke der Veränderung bei der subjektiven Bestrafungswahrscheinlichkeit hängt von den institutionellen Absicherungsmöglichkeiten des politischen Führers gegen Menschenrechtsverfahren nach einem Sturz ab. Diese ist aufgrund der unterschiedlichen institutionellen Rahmenbedingungen regimetypspezifisch. In personalistischen Regimen bestehen die geringsten Möglichkeiten der institutionellen Absicherung, in Militärdiktaturen die größten. Entsprechend unterscheiden sich die Wahrscheinlichkeiten auf ein schlechtes Schicksal nach dem Amtsverlust. Mit Hilfe der Archigos-Datenbank (vgl. Goemans et al., 2009b) sowie des GWF-Datensatzes (vgl. Geddes et al., 2014) konnte in Ka-
9 Schlussbetrachtung
|
145
pitel 5 die subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit näherungsweise quantifiziert werden. Politische Führer in Militärdiktaturen weisen die geringste subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit auf. Politische Führer in Einparteiendiktaturen und in personalistischen Regimen verfügen über eine fast zweifach beziehungsweise dreifach höhere subjektive Bestrafungswahrscheinlichkeit. Folglich sollte der Abschreckungseffekt gemäß dem theoretischen Modell in personalistischen Regimen größer als in Einparteiendiktaturen sein. In Militärdiktaturen sollte der geringste Abschreckungseffekt der juristischen Durchsetzung internationalen Rechts vorherrschen.
Empirische Analyse Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde der mit Hilfe des theoretischen Modells ermittelte Abschreckungseffekt der juristischen Durchsetzung internationalen Rechts auf die politischen Führer der unterschiedlichen Regimetypen empirisch überprüft. Hierfür wurde ein neuer Datensatz erstellt. Dieser umfasst 97 Länder mit autokratischen Regimen zwischen den Jahren 1976 und 2007. Er enthält Informationen zu der Menschenrechtspraxis in den Autokratien, der Anzahl an Menschenrechtsverfahren in den kulturell ähnlichen Nachbarländern sowie weitere Kontrollvariablen. Unter Verwendung einer POLS-Schätzung mit panel-korrigierten Standardfehlern wurden in Kapitel 7 ein starker Abschreckungseffekt der Menschenrechtsverfolgung für personalistische Regime und ein schwächerer Abschreckungseffekt in Einparteiendiktaturen ermittelt. Entgegen der Erwartung aus dem Ergebnis des theoretischen Modells konnte für Militärdiktaturen kein Abschreckungseffekt festgestellt werden. In diesen bewirkt eine höhere Anzahl an kulturell ähnlichen Nachbarländern, die Menschenrechtsprozesse durchführen, einen Anstieg des Repressionslevels. Das Ergebnis für den Abschreckungseffekt in personalistischen Regimen und in Einparteiendiktaturen verdeutlicht, dass die pessimistische Sichtweise auf die Wirkung der Menschenrechtsverfolgung in diesen Regimen nicht zutreffend ist. Entgegen der Annahme dieser Sichtweise führt eine verstärkte Menschenrechtsverfolgung auch zu einer Verbesserung der Menschenrechtspraxis in Autokratien, in denen politische Führer in der Vergangenheit Repressionen eingesetzt haben. Darüber hinaus gibt es stichhaltige Gründe dafür, dass die Verschlechterung der Menschenrechtspraxis in Militärdiktaturen nicht mit der Argumentation der pessimistischen Sichtweise erklärt werden kann. Demnach führt nicht die Angst vor einer Bestrafung zu einem erhöhten Gebrauch von Repressionen. Vielmehr ist der Repressionsanstieg mit der politischen Zielsetzung der politischen Führer in Militärdiktaturen in Verbindung mit den im Vergleich besten institutionellen Absicherungsmöglichkeiten zu erklären. Es ist zudem davon auszugehen, dass ein Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Mitglieder der Winning-Coalition aus Militärangehörigen und der repressionssteigernden Wirkung in Militärdiktaturen durch eine erhöhte Menschenrechtsverfolgung besteht.
146 | 9 Schlussbetrachtung
Bei diesen ist vermutlich der Abschreckungseffekt der Verfahren auf die Mitglieder der Winning-Coalition geringer als in den übrigen Regimetypen.
Fazit Mit Hilfe der vorliegenden Arbeit konnte aufgezeigt werden, dass auch die Anwendung des internationalen Rechts über die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen keine Maßnahme darstellt, die vorbehaltlos empfohlen werden kann, wenn mit dieser eine Senkung des Repressionslevels in allen Autokratien angestrebt wird. Wie bei den anderen zur Verfügung stehenden Strategien zur Verbesserung der Menschenrechtspraxis in Autokratien auch, ist die Wirkung der Menschenrechtsverfolgung abhängig vom Regimetyp und somit von den institutionellen Rahmenbedingungen der Autokratien. Die juristische Durchsetzung der Menschenrechte wirkt auf personalistische Regime und Einparteiendiktaturen repressionssenkend. In Militärdiktaturen kommt es hingegen zu einer Erhöhung der Repressionen. Da die Menschenrechtsverfolgung über die Nachbarländer wirkt, ist eine in Transformationsländern ausschließlich auf personalistische Regime und Einparteiendiktaturen gerichtete Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen nicht möglich. Um eine Verbesserung der Menschenrechtspraxis in Autokratien herbeizuführen, ist folglich ein Strategiemix aus der juristischen Durchsetzung internationalen Rechts, Wirtschaftssanktionen, militärischen Interventionen und Entwicklungshilfemaßnahmen nötig. Die Auswahl der Strategien muss an die individuellen institutionellen Eigenschaften jedes einzelnen autokratischen Regimes angepasst sein.
Anmerkung Diese Arbeit hat sich theoretisch und empirisch mit Menschenrechtsverletzungen in Autokratien befasst. Die analytische Herangehensweise und die dafür notwendige Abstraktion von der Realität führten zwangsläufig zu einer großen Distanz zu den auch aktuell stattfindenden politisch motivierten Gräueltaten in der Welt. Deshalb soll am Ende dieser Arbeit an den staatlichen Terror und an das dadurch ausgelöste unermessliche Leid der Opfer erinnert werden, welche hinter den Gleichgewichten des theoretischen Modells und den Koeffizienten der empirischen Analyse stehen.
| Anhang A
Bedeutung
Index über die Menschenrechtspraxis auf Basis der Länderberichte des US-Außenministeriums, ermittelt nach dem Kodierungsschema des PTSProjektes
Index über die Menschenrechtspraxis auf Basis der Länderberichte von Amnesty International, ermittelt nach dem Kodierungsschema des PTSProjektes
Index über die Menschenrechtspraxis auf Basis der Länderberichte von Amnesty International, ermittelt nach dem Kodierungsschema des CIRIProjektes
Summe der kulturell ähnlichen Transformationsländer derselben UNSubregion mit Menschenrechtsprozessen gegen ehemalige hochrangige Beamte in den letzten drei Jahren (log)
Summe der kulturell ähnlichen Transformationsländer derselben UNSubregion mit Menschenrechtsprozessen gegen niedrigrangige Beamte und Zivilisten in den letzten drei Jahren (log)
Personalistisches Regime im betrachteten Länderjahr
Einparteiendiktatur im betrachteten Länderjahr
Menschenrechtspraxis der Vorperiode auf Basis der Länderberichte des US-Außenministeriums, ermittelt nach dem Kodierungsschema des PTSProjektes
Menschenrechtspraxis der Vorperiode auf Basis der Länderberichte des US-Außenministeriums, ermittelt nach dem Kodierungsschema des PTSProjektes
Variable
Repressionslevel (PTS US-Außenministerium)
Repressionslevel (Amnesty)
Repressionslevel (CIRI)
Menschenrechtsprozesse
Menschenrechtsprozesse niedriger Rang
Personalistisches Regime
Einparteiendiktatur
Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium)
Repressionslevelt−1 (PTS Amnesty)
Tab. A.1: Variablen des Datensatzes.
ordinal
ordinal
kardinal
kardinal
abhängige Variable
abhängige Variable
erklärende Variable
erklärende Variable
ordinal ordinal
ordinal
erklärende Variable Kontrollvariable
Kontrollvariable
ordinal
ordinal
abhängige Variable
erklärende Variable
Skalierung
Typ
1–5
1–5
binär
binär
stetig
stetig
0–8
1–5
1–5
Ausprägung
148 | A Anhang
Land in Europa
Land in Asien
Land in Afrika
Zeit seit 1975 in Jahren
Europa
Asien
Afrika
Jahre seit 1975
Land in LA oder Karibik
Bevölkerungsgröße (log)
Bevölkerungsgröße (ln)
Lateinamerika und die Karibik
Vorliegen mindestens eines zwischenstaatlichen gewalttätigen Konfliktes im betrachteten Jahr
Zwischenstaatlicher Konflikt
Wachstum des BIP pro Kopf (log)
Vorliegen mindestens eines innerstaatlichen gewalttätigen Konfliktes im betrachteten Jahr
Innerstaatlicher Konflikt
BIP pro Kopf (ln)
Bestehende Ratifikation des ICCPR zum 1. Januar im betrachteten Jahr
Ratifikation ICCPR
Bevölkerungswachstum
Machtbegrenzung des politischen Führers durch andere Staatsorgane
Machteinschränkung
Totales BIP-Wachstum
Summe der kulturell ähnlichen Transformationsländer derselben UNSubregion mit Wahrheitskommissionen in den letzten drei Jahren (log)
Wahrheitskommissionen
BIP-Wachstum
Menschenrechtspraxis der Vorperiode auf Basis der Länderberichte von Amnesty International, ermittelt nach dem Kodierungsschema des CIRIProjektes
Repressionslevelt−1 (CIRI)
Bevölkerungswachstum
Bedeutung
Variable
Tab. A.1: (fortgesetzt)
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Kontrollvariable
kardinal
ordinal
ordinal
ordinal
ordinal
kardinal
kardinal
kardinal
kardinal
ordinal
ordinal
ordinal
ordinal
kardinal
ordinal
Kontrollvariable
Kontrollvariable
Skalierung
Typ
diskret
binär
binär
binär
binär
stetig
stetig
stetig
stetig
binär
binär
binär
binär
stetig
0–8
Ausprägung
A Anhang | 149
Regimetyp
Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Militärdiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Militärdiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime Militärdiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Militärdiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime
Land
Afghanistan Afghanistan Afghanistan Argentinien Ägypten Albanien Algerien Algerien Angola Armenien Armenien Aserbaidschan Aserbaidschan Äthiopien Äthiopien Bangladesch Bangladesch Benin Bolivien Bolivien Botswana Brasilien Bulgarien Burkina Faso Burkina Faso Burkina Faso Burkina Faso
Tab. A.2: Regime des Datensatzes.
78–92 96–01 76–78 76–83 76–07 76–91 76–92 92–07 76–07 94–98 98–07 91–92 93–07 91–07 76–91 76–82 82–90 76–90 76–79 80–82 76–07 76–85 76–90 80–82 76–80 82–87 87–07
Regimedauer 1984 1984 1984 1987 1983 1992 1990 1990 1993 1994 1994 1993 1993 1994 1994 1999 1999 1993 1984 1984 2001 1990 1975 2000 2000 2000 2000
Ratifizierung Islam Islam Islam Christentum Islam Islam Islam Islam Christentum Christentum Christentum Islam Islam Christentum Christentum Islam Islam Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Islam Islam Islam Islam
Religion Südasien Südasien Südasien Südamerika Nordafrika Südeuropa Nordafrika Nordafrika Mittelafrika Westasien Westasien Westasien Westasien Ostafrika Ostafrika Südasien Südasien Westafrika Südamerika Südamerika Südliches Afrika Südamerika Osteuropa Westafrika Westafrika Westafrika Westafrika
UN-Subregion
Asien Asien Asien LA und die Karibik Afrika Europa Afrika Afrika Afrika Asien Asien Asien Asien Afrika Afrika Asien Asien Afrika LA und die Karibik LA und die Karibik Afrika LA und die Karibik Europa Afrika Afrika Afrika Afrika
Kontinent
150 | A Anhang
Regimetyp
Einparteiendiktatur Militärdiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Militärdiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime Militärdiktatur Personalistisches Regime Militärdiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Personalistisches Regime
Land
Burundi Burundi Burundi Kambodscha Chile China Dominikanische Rep. El Salvador El Salvador Elfenbeinküste Elfenbeinküste Elfenbeinküste Ecuador Eritrea Gabun Gambia Gambia Georgien Georgien Ghana Ghana Guatemala Guatemala Guinea Guinea Guinea-Bissau Guinea-Bissau
Tab. A.2: (fortgesetzt)
76–87 87–93 96–03 76–79 76–89 76–07 76–78 76–82 82–94 76–99 00–07 99–00 76–79 93–07 76–07 76–94 94–07 91–92 92–03 76–79 81–00 76–85 85–95 76–84 84–08 76–80 02–03
Regimedauer 1991 1991 1991 1993 1975 1989 1979 1980 1980 1993 1993 1993 1975 2003 1984 1980 1980 1995 1995 2001 2001 1991 1991 1979 1979
Ratifizierung Christentum Christentum Christentum Buddhismus Christentum Andere Christentum Christentum Christentum Andere Andere Andere Christentum Christentum Christentum Islam Islam Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Islam Islam Animismus Animismus
Religion Ostafrika Ostafrika Ostafrika Südostasien Südamerika Ostasien Karibik Zentralamerika Zentralamerika Westafrika Westafrika Westafrika Südamerika Ostafrika Mittelafrika Westafrika Westafrika Westasien Westasien Westafrika Westafrika Zentralamerika Zentralamerika Westafrika Westafrika Westafrika Westafrika
UN-Subregion
Afrika Afrika Afrika Asien LA und die Karibik Asien LA und die Karibik LA und die Karibik LA und die Karibik Afrika Afrika Afrika LA und die Karibik Afrika Afrika Afrika Afrika Asien Asien Afrika Afrika LA und die Karibik LA und die Karibik Afrika Afrika Afrika Afrika
Kontinent
A Anhang |
151
Regimetyp
Personalistisches Regime Militärdiktatur Militärdiktatur Militärdiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Militärdiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Monarchistische Diktatur Monarchistische Diktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Monarchistische Diktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur
Land
Guinea-Bissau Haiti Haiti Haiti Haiti Haiti Honduras Indonesien Irak Irak Iran Iran Jordanien Kambodscha Kamerun Kamerun Kasachstan Kenia Kongo/Zaire Kongo/Zaire Kongo-Brazzaville Kongo-Brazzaville Kuba Kuwait Kyrgyzstan Kyrgyzstan Laos
Tab. A.2: (fortgesetzt)
80–99 86–88 88–90 91–94 76–86 99–04 76–81 76–99 76–79 79–03 79–07 76–79 76–07 79–07 76–83 83–07 91–07 76–02 76–97 97–07 76–91 97–07 76–07 76–07 05–07 91–05 76–07
Regimedauer 1992 1992 1992 1992 1992 1997 1999 1975 1975 1976 1976 1976 1993 1985 1985 1999 1975 1977 1977 1984 1984 1996 1997 1995 1995
Ratifizierung Animismus Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Islam Islam Islam Islam Islam Islam Buddhismus Christentum Christentum Islam Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Islam Islam Islam Buddhismus
Religion Westafrika Karibik Karibik Karibik Karibik Karibik Zentralamerika Südostasien Westasien Westasien Südasien Südasien Westasien Südostasien Mittelafrika Mittelafrika Zentralasien Ostafrika Mittelafrika Mittelafrika Mittelafrika Mittelafrika Karibik Westasien Zentralasien Zentralasien Südostasien
UN-Subregion
Afrika LA und die Karibik LA und die Karibik LA und die Karibik LA und die Karibik LA und die Karibik LA und die Karibik Asien Asien Asien Asien Asien Asien Asien Afrika Afrika Asien Afrika Afrika Afrika Afrika Afrika LA und die Karibik Asien Asien Asien Asien
Kontinent
152 | A Anhang
Regimetyp
Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Monarchistische Diktatur Militärdiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Monarchistische Diktatur Monarchistische Diktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Militärdiktatur Personalistisches Regime Militärdiktatur Militärdiktatur Militärdiktatur
Land
Lesotho Lesotho Liberia Liberia Liberia Libyen Madagaskar Malawi Malaysia Mali Marokko Mauretanien Mauretanien Mauretanien Mexiko Mongolei Mosambik Namibia Nepal Nepal Nicaragua Nicaragua Niger Niger Nigeria Nigeria Nigeria
Tab. A.2: (fortgesetzt)
76–86 86–93 76–80 80–90 97–03 76–07 76–93 76–94 76–07 76–91 76–07 05–07 76–78 78–05 76–00 76–93 76–07 90–07 02–06 76–91 79–90 76–79 76–91 96–99 76–79 83–93 93–99
Regimedauer
1975 1980 2005 2005 2005 1983 1975 1994 1995 1992 1992 1981 1981 1987 1987 1994 1994 1994
1993 1993 2005 2005 2005 1975 1975 1994
Ratifizierung Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Islam Christentum Christentum Islam Islam Islam Islam Islam Islam Christentum Buddhismus Christentum Christentum Hinduismus Hinduismus Christentum Christentum Islam Islam Islam Islam Islam
Religion Südliches Afrika Südliches Afrika Westafrika Westafrika Westafrika Nordafrika Ostafrika Ostafrika Südostasien Westafrika Nordafrika Westafrika Westafrika Westafrika Zentralamerika Ostasien Ostafrika Südliches Afrika Südasien Südasien Zentralamerika Zentralamerika Westafrika Westafrika Westafrika Westafrika Westafrika
UN-Subregion
Afrika Afrika Afrika Afrika Afrika Afrika Afrika Afrika Asien Afrika Afrika Afrika Afrika Afrika LA und die Karibik Asien Afrika Afrika Asien Asien LA und die Karibik LA und die Karibik Afrika Afrika Afrika Afrika Afrika
Kontinent
A Anhang |
153
Regimetyp
Monarchistische Diktatur Militärdiktatur Militärdiktatur Personalistisches Regime Militärdiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Militärdiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Monarchistische Diktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Einparteiendiktatur
Land
Oman Pakistan Pakistan Pakistan Panama Panama Paraguay Peru Peru Philippinen Polen Ruanda Ruanda Rumänien Russland Russland Sambia Sambia Saudi-Arabien Senegal Sierra Leone Sierra Leone Simbabwe Singapur Somalia Sri Lanka Südafrika
Tab. A.2: (fortgesetzt)
76–07 77–88 99–08 76–77 76–82 82–89 76–93 76–80 92–00 76–86 76–89 94–07 76–94 76–89 76–91 93–07 76–91 96–07 76–07 76–00 76–92 92–96 80–07 76–07 76–91 78–94 76–94
Regimedauer
1991 1981 1999
1978 1978 1993 1979 1979 1987 1978 1976 1976 1975 1975 1975 1985 1985 1998 1979 1997 1997 1992
Ratifizierung Islam Islam Islam Islam Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Islam Islam Islam Islam Christentum Buddhismus Islam Buddhismus Christentum
Religion Westasien Südasien Südasien Südasien Zentralamerika Zentralamerika Südamerika Südamerika Südamerika Südostasien Osteuropa Ostafrika Ostafrika Osteuropa Osteuropa Osteuropa Ostafrika Ostafrika Westasien Westafrika Westafrika Westafrika Ostafrika Südostasien Ostafrika Südasien Südliches Afrika
UN-Subregion
Asien Asien Asien Asien LA und die Karibik LA und die Karibik LA und die Karibik LA und die Karibik LA und die Karibik Asien Europa Afrika Afrika Europa Europa Europa Afrika Afrika Asien Afrika Afrika Afrika Afrika Asien Afrika Asien Afrika
Kontinent
154 | A Anhang
Regimetyp
Militärdiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Militärdiktatur Monarchistische Diktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Militärdiktatur Militärdiktatur Militärdiktatur Personalistisches Regime Militärdiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Militärdiktatur Einparteiendiktatur Monarchistische Diktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur
Land
Sudan Sudan Sudan Südkorea Swasiland Syrien Tadjikistan Tansania Thailand Thailand Thailand Togo Tschad Tschad Tschad Tunesien Türkei Turkmenistan Uganda Uganda Uganda Ungarn Uruguay Usbekistan VAE Venezuela Vietnam
Tab. A.2: (fortgesetzt)
85–86 76–85 96–07 76–87 76–07 76–07 91–07 76–07 06–07 76–88 91–92 76–07 76–79 82–90 90–07 76–07 80–83 91–07 76–79 80–85 86–07 76–90 76–84 91–07 76–07 05–07 76–07
Regimedauer
1979 1983
1987 1987 1987 1991 2005 1975 1996 1977 1997 1997 1997 1985 1996 1996 1996 1975 1989 1998 1996 1996 1996 1975 1975 1996
Ratifizierung Islam Islam Islam Keine Christentum Islam Islam Christentum Buddhismus Buddhismus Buddhismus Christentum Islam Islam Islam Islam Islam Islam Christentum Christentum Christentum Christentum Christentum Islam Islam Christentum Buddhismus
Religion Nordafrika Nordafrika Nordafrika Ostasien Südliches Afrika Westasien Zentralasien Ostafrika Südostasien Südostasien Südostasien Westafrika Mittelafrika Mittelafrika Mittelafrika Nordafrika Westasien Zentralasien Ostafrika Ostafrika Ostafrika Osteuropa Südamerika Zentralasien Westasien Südamerika Südostasien
UN-Subregion
Afrika Afrika Afrika Asien Afrika Asien Asien Afrika Asien Asien Asien Afrika Afrika Afrika Afrika Afrika Asien Asien Afrika Afrika Afrika Europa LA und die Karibik Asien Asien LA und die Karibik Asien
Kontinent
A Anhang | 155
Regimetyp
Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Militärdiktatur Personalistisches Regime Militärdiktatur Personalistisches Regime Personalistisches Regime Personalistisches Regime
Land
Weißrussland Weißrussland Jemen Jemen Zentralafrikanische Rep. Zentralafrikanische Rep. Zentralafrikanische Rep. Zentralafrikanische Rep.
Tab. A.2: (fortgesetzt)
91–94 94–07 76–78 78–07 81–93 03–07 76–79 79–81
Regimedauer 1975 1975 1988 1988 1982 1982 1982 1982
Ratifizierung Christentum Christentum Islam Islam Christentum Christentum Christentum Christentum
Religion Osteuropa Osteuropa Westasien Westasien Mittelafrika Mittelafrika Mittelafrika Mittelafrika
UN-Subregion
Europa Europa Asien Asien Afrika Afrika Afrika Afrika
Kontinent
156 | A Anhang
(0,142) (0,158) (0,178) (0,0504) (0,0509) (0,0179) (0,0391) (0,0730) (0,00138) (0,0304) (0,0286) (0,0129) (0,0102) (0,00148) (0,0186) (0,0734) (0,0534) (0,0518) (0,00218)
−0,140 0,161 0,232 0,0523 0,0135 0,639*** 0,374*** 0,185** −0,00194 0,0673** 0,0454 0,0668*** −0,0339*** −0,00360** −0,0550*** −0,128* −0,177*** −0,183*** 0,00894*** 1855 0,681 97
(0,148) (0,172) (0,169)
Modell 4a, nur hochrangige Prozesse PCSE 0,387*** −0,599*** −0,422**
POLS-Schätzungen mit PCSE, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1. Berechnungen erfolgten mit Stata 13.
Beobachtungen R2 Länder
Menschenrechtsprozesse Menschenrechtsprozesse × Personalistische Regime Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatur Menschenrechtsprozesse niedriger Rang Menschenrechtsprozesse niedriger Rang × Personalistische Regime Menschenrechtsprozesse niedriger Rang × Einparteiendiktatur Wahrheitskommissionen Wahrheitskommissionen × Personalistische Regime Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Repressionslevel t−1 (PTS US-Außenministerium) Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Regimedauer Ratifikation ICCPR Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Europa Asien Afrika Jahre seit 1975
Abhängige Variable: Repressionslevel
Tab. A.3: Einfluss der Anzahl der Länder mit Menschenrechtsprozessen gegen Beamte mit niedrigem Rang und Zivilisten.
1855 0,682 97
0,678** −0,771** −0,516 −0,197 0,101 0,0319 −0,166 0,188 0,322* 0,0571 0,0285 0,633*** 0,382*** 0,181** −0,00239* 0,00169 0,154*** −0,0411 0,0747*** −0,0349*** −0,00361** −0,0616*** −0,138* −0,232*** −0,224*** 0,00971***
(0,317) (0,356) (0,347) (0,185) (0,210) (0,210) (0,139) (0,157) (0,180) (0,0509) (0,0513) (0,0179) (0,0392) (0,0730) (0,00140) (0,0397) (0,0576) (0,0418) (0,0132) (0,0102) (0,00147) (0,0189) (0,0757) (0,0558) (0,0530) (0,00220)
Modell 4f, alle Prozesse PCSE
A Anhang | 157
(0,171) (0,169) (0,140) (0,157) (0,176) (0,0504) (0,0510) (0,0179) (0,0390) (0,0731) (0,00138) (0,0396) (0,0577) (0,0418) (0,0130) (0,0102) (0,00148) (0,0188) (0,0739) (0,0547) (0,0522) (0,00219)
−0,606*** −0,429** −0,153 0,176 0,263 0,0541 0,0231 0,634*** 0,379*** 0,175** −0,00226 −0,00215 0,154*** −0,0379 0,0726*** −0,0350*** −0,00361** −0,0611*** −0,133* −0,207*** −0,203*** 0,00927***
POLS-Schätzungen mit PCSE, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1. Berechnungen erfolgten mit Stata 13.
1855 0,682 97
(0,147)
0,395***
Menschenrechtsprozesse (gleiche Religion) Menschenrechtsprozesse UN-Subregion Menschenrechtsprozesse × Personalistische Regime Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatur Wahrheitskommissionen (gleiche Religion) Wahrheitskommissionen UN-Subregion Wahrheitskommissionen × Personalistische Regime Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Regimedauer Ratifikation ICCPR Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Europa Asien Afrika Jahre seit 1975
Beobachtungen R2 Länder
Modell 4a, UN-Subregion und kulturelle Ähnlichkeit PCSE
Abhängige Variable: Repressionslevel
Tab. A.4: Einfluss der kulturellen Ähnlichkeit der Nachbarländer.
(0,0676) (0,0984) (0,130) (0,0501) (0,0510) (0,0179) (0,0390) (0,0729) (0,00138) (0,0396) (0,0577) (0,0419) (0,0131) (0,0102) (0,00148) (0,0188) (0,0738) (0,0544) (0,0519) (0,00221)
−0,0116 0,0412 0,129 0,0443 0,0185 0,636*** 0,384*** 0,178** −0,00243* −0,000220 0,151*** −0,0363 0,0725*** −0,0358*** −0,00365** −0,0611*** −0,128* −0,211*** −0,202*** 0,00925*** 1855 0,681 97
(0,0888) (0,132) (0,125)
0,203** −0,433*** −0,245*
Modell 4a, UN-Subregion PCSE
158 | A Anhang
1855 0,463 97
(0,144) (0,187) (0,158) (0,127) (0,141) (0,160) (0,132) (0,157) (0,0294) (0,0512) (0,0970) (0,00312) (0,0815) (0,0860) (0,0737) (0,365) (0,0124) (0,00186) (0,0902) (0,0105)
Modell 4b, mit LDV REG, fe r 0,426*** −0,556*** −0,361** −0,211 0,222 0,193 −0,00861 −0,179 0,467*** 0,332*** 0,190* −0,00669** 0,00507 0,0531 0,0129 −0,188 −0,0400*** −0,00241 −0,211** 0,0297***
POLS-Schätzungen mit fixen Effekten. Robuste Standardfehler in Klammern. LDV: zeitverzögerte abhängige Variable als erklärende Variable. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1. Berechnungen erfolgten mit Stata 13.
Beobachtungen R2 Länder
Menschenrechtsprozesse Menschenrechtsprozesse × Personalistisches Regime Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatur Wahrheitskommissionen Wahrheitskommissionen × Personalistisches Regime Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktaturen Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Regimedauer Ratifikation ICCPR Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Jahre sein 1975
Abhängige Variable: Repressionslevel
Tab. A.5: Bestimmung des Nickell-Bias.
(0,0966) (0,197) (0,00615) (0,145) (0,133) (0,117) (0,608) (0,0210) (0,00237) (0,157) (0,0183)
0,479*** 0,374* −0,0161** 0,0134 0,0597 0,0429 −0,737 −0,0557*** −0,00321 −0,442*** 0,0763*** 1950 0,311 98
(0,197) (0,279) (0,247) (0,145) (0,181) (0,213) (0,205) (0,298)
0,694*** −0,830*** −0,683*** −0,461*** 0,453** 0,426** −0,107 −0,330
Modell 4b, ohne LDV REG, fe r
A Anhang | 159
1855 0,682 97
0,395*** −0,606*** −0,429** −0,153 0,176 0,263 0,0541 0,0231 0,634*** 0,379*** 0,175** −0,00226 −0,00215 0,154*** −0,0379 0,0726*** −0,0350*** −0,00361** −0,0611*** −0,133* −0,207*** −0,203*** 0,00927***
(0,147) (0,171) (0,169) (0,140) (0,157) (0,176) (0,0504) (0,0510) (0,0179) (0,0390) (0,0731) (0,00138) (0,0396) (0,0577) (0,0418) (0,0130) (0,0102) (0,00148) (0,0188) (0,0739) (0,0547) (0,0522) (0,00219)
Modell 4a, mit LDV keine Autokorrelation berücksichtigt PCSE
Modell 4a: POLS-Schätzung mit PCSE, panel-korrigierte Standardfehler in Klammern. Modell 4f: Prais-Winsten-Schätzungen mit PCSE und panel-korrigierte Standardfehler in Klammern. Signifikanzniveaus: *** p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1.
Beobachtungen R2 Länder
Menschenrechtsprozesse Menschenrechtsprozesse × Personalistische Regime Menschenrechtsprozesse × Einparteiendiktatur Wahrheitskommissionen Wahrheitskommissionen × Personalistische Regime Wahrheitskommissionen × Einparteiendiktatur Personalistisches Regime Einparteiendiktatur Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) Innerstaatlicher Konflikt Zwischenstaatlicher Konflikt Regimedauer Ratifikation ICCPR Ratifikation ICCPR × Machteinschränkung Machteinschränkung Bevölkerungsgröße (ln) Bevölkerungswachstum BIP-Wachstum BIP pro Kopf (ln) Europa Asien Afrika Jahre seit 1975
Abhängige Variable: Repressionslevel
Tab. A.6: Prais-Winsten-Schätzung mit Autokorrelation AR1.
(0,0533) (0,0940) (0,00252) (0,0683) (0,0906) (0,0654) (0,0231) (0,0134) (0,00160) (0,0353) (0,131) (0,0998) (0,0948) (0,00384)
0,548*** 0,352*** −0,00853*** 0,0620 0,194** −0,0203 0,216*** −0,0427*** −0,00198 −0,178*** −0,384*** −0,568*** −0,671*** 0,0373*** 1950 0,291 98
(0,217) (0,253) (0,249) (0,200) (0,224) (0,258) (0,0887) (0,0926)
0,832*** −1,103*** −0,889*** −0,399** 0,309 0,616** 0,0923 0,0389
Modell 4g, ohne LDV Autokorrelation AR 1 berücksichtigt PCSE
160 | A Anhang
[1] Repressionslevel (PTS US-Außenministerium) [2] Menschenrechtsprozesse [3] Wahrheitskommissionen [4] Personalistische Regime [5] Einparteiendiktaturen [6] Repressionslevelt−1 (PTS US-Außenministerium) [7] Innerstaatlicher Konflikt [8] Zwischenstaatlicher Konflikt [9] Regimedauer [10] Ratifikation ICCPR [11] Machteinschränkung [12] Bevölkerungsgröße (ln) [13] Bevölkerungswachstum [14] BIP-Wachstum [15] BIP pro Kopf (ln) [16] Europa [17] Asien [18] Afrika [19] Jahre seit 1975
Variablen
Tab. A.7: Korrelationstabelle.
1,000 0,111 0,049 0,103 −0,154 0,797 0,463 0,145 −0,094 0,203 −0,007 0,347 −0,129 −0,118 −0,057 −0,023 0,112 −0,133 0,262
[1] 1,000 0,244 0,020 −0,034 0,102 0,086 0,003 −0,039 0,171 −0,104 0,061 -0,047 −0,052 0,046 0,098 −0,171 0,004 0,239
[2]
1,000 0,098 −0,116 0,036 −0,049 −0,043 0,042 0,108 −0,027 −0,043 −0,009 0,012 0,093 −0,052 −0,114 0,003 0,213
[3]
1,000 −0,742 0,095 0,065 −0,026 −0,312 0,053 0,220 −0,112 0,058 −0,062 −0,184 −0,054 −0,054 0,170 0,181
[4]
1,000 −0,146 −0,125 0,000 0,499 0,008 −0,267 0,059 −0,034 0,057 0,186 0,121 0,121 −0,103 −0,044
[5]
1,000 0,434 0,128 −0,096 0,203 −0,016 0,348 −0,107 −0,077 −0,058 −0,016 0,113 −0,143 0,256
[6]
1,000 0,092 −0,177 0,034 −0,024 0,231 0,042 -0,055 −0,056 −0,057 0,072 −0,058 0,036
[7]
1,000 −0,081 −0,043 −0,036 0,180 0,023 −0,011 −0,079 −0,040 0,192 −0,123 −0,105
[8]
1,000 0,125 −0,209 0,242 −0,086 −0,001 0,400 0,230 −0,020 −0,119 0,118
[9]
A Anhang | 161
[10] Ratifikation ICCPR [11] Machteinschränkung [12] Bevölkerungsgröße (ln) [13] Bevölkerungswachstum [14] BIP-Wachstum [15] BIP pro Kopf (ln) [16] Europa [17] Asien [18] Afrika [19] Jahre seit 1975
Variablen
Tab. A.7: (fortgesetzt)
1,000 −0,073 0,039 −0,060 −0,077 0,152 0,153 −0,084 0,047 0,411
[10] 1,000 −0,129 0,104 0,006 −0,087 −0,057 −0,111 0,108 −0,124
[11]
1,000 −0,122 0,037 0,017 0,120 0,285 −0,291 0,112
[12]
1,000 0,149 −0,244 −0,290 −0,147 0,315 −0,135
[13]
1,000 0,068 −0,012 0,082 −0,076 −0,099
[14]
1,000 0,268 0,178 −0,447 0,306
[15]
1,000 −0,154 −0,273 −0,076
[16]
1,000 −0,687 0,112
[17]
1,000 0,048
[18]
1,000
[19]
162 | A Anhang
Literatur Abbott, K. W., Keohane, R. O., Moravcsik, A., Slaughter, A.-M., & Snidal, D. (2000). The Concept of Legalization. International Organization, 54(3), 401–419. Acemoglu, D. & Robinson, J. A. (2001). A Theory of Political Transitions. American Economic Review, 91(4), 938–963. Acemoglu, D. & Robinson, J. A. (2006). Economic Origins of Dictatorship and Democracy. Cambridge University Press. Acemoglu, D., Ticchi, D., & Vindigni, A. (2010). A Theory of Military Dictatorships. American Economic Journal: Macroeconomics, 2(1), 1–42. Achen, C. H. (2000). Why lagged dependent variables can suppress the explanatory power of other independent variables. Präsentiert auf dem Annual Meeting of Political Methodology, Los Angeles. Albertus, M. & Menaldo, V. (2014). Dealing with Dictators: Negotiated Democratization and the Fate of Outgoing Autocrats. International Studies Quarterly, 58(3), 550–565. Alvarez, M., Cheibub, J. A., Limongi, F., & Przeworski, A. (1996). Classifying political regimes. Studies in Comparative International Development, 31(2), 3–36. Amnesty International (2016). Aufdecken. Available at: https://www.amnesty.de/aufdecken? destination=node%2F2775 [Accessed 27.2.2016]. Barnett, V. & Lewis, T. (1994). Outliers in statistical data, vol. 3. Wiley New York. Beck, N. & Katz, J. N. (1995). What to do (and not to do) with Time-Series Cross-Section Data. The American Political Science Review, 89(3), 634–647. Beck, N. & Katz, J. N. (2004). Time-Series-Cross-Section Issues: Dynamics, 2004. Jahreskonferenz der Society for Political Methodology, Stanford University, CA. Becker, G. S. (1974). Essays in the Economics of Crime and Punishment. In: Becker, G. S. & Landes, W. M. (eds.) Essays in the Economics of Crime and Punishment, chap. Crime and punishment: An economic approach. UMI, pp. 1–54. Bell, S. R., Cingranelli, D., Murdie, A., & Caglayan, A. (2013). Coercion, capacity, and coordination: Predictors of political violence. Conflict Management and Peace Science, 30(3), 240–262. Bellamy, A. J. (2008). The Responsibility to Protect and the Problem of Military Intervention. International Affairs, 84(4), 615–639. Berman, M. R. & Clark, R. S. (1981). State Terrorism: Disappearances. Rutgers Law Journal, 13(3), 531–577. Berry, F. S. & Berry, W. D. (1990). State lottery adoptions as policy innovations: An event history analysis. American Political Science Review, 84(2), 395–415. Besley, T. J. (2006). Principled agents? The political economy of good government. Oxford University Press. Besley, T. J. & Kudamatsu, M. (2008). Making Autocracy Work. In: Helpman, E. (ed.) Institutions and Economic Performance. Harvard University Press, pp. 452–510. Blumstein, A., Cohen, J., & Nagin, D. (1978). Deterrence and incapacitation: Estimating the effects of criminal sanctions on crime rates. National Academy of Sciences Washington, DC. Bollen, K. A. (1986). Political Rights and Political Liberties in Nations: An Evaluation of Human Rights Measures, 1950 to 1984. Human Rights Quarterly, 8(4), 567–591. Bork, R. H. (1989). The Limits of International Law. The National Interest, 4(18), 3–10. Boulding, C. E. (2010). NGOs and political participation in weak democracies: Subnational evidence on protest and voter turnout from Bolivia. The Journal of Politics, 72(2), 456–468. Boyle, F. A. (1980). The Irrelevance of International Law: The Schism between International Law and International Politics. California Western International Law Journal, 10, 193.
DOI 10.1515/9783110521184-013
164 | Literatur
Bratton, M. & Van de Walle, N. (1994). Neopatrimonial Regimes and Political Transitions in Africa. World Politics, 46(4), 453–489. Brough, W. T. & Kimenyi, M. S. (1986). On the inefficient extraction of rents by dictators. Public Choice, 48(1), 37–48. Cameron, I. (2004). Jurisdiction and Admissibility Issues under the ICC Statute. In: McGoldrich, D., Rowe, P., & Donnelly, E. (eds.) The permanent International Criminal Court legal and policy issues. Hart Publishing, Oxford, pp. 65–94. Carey, S. C. & Poe, S. C. (2004). Understanding Human Rights Violations: New Systematic Studies. Ashgate Publishing, Ltd. Carleton, D. & Stohl, M. (1985). The Foreign Policy of Human Rights: Rhetoric and Reality from Jimmy Carter to Ronald Reagan. Human Rights Quarterly, 7(2), 205–229. Chayes, A. & Chayes, A. H. (1993). On Compliance. International Organization, 47(2), 175–205. Chehabi, H. E. & Linz, J. J. (1998). Sultanistic regimes. JHU Press. Cheibub, J. A., Gandhi, J., & Vreeland, J. R. (2010). Democracy and dictatorship revisited. Public Choice, 143(1–2), 67–101. Cho, I.-K. & Kreps, D. M. (1987). Signaling Games and Stable Equilibria. The Quarterly Journal of Economics, 102(2), 179–222. Cingranelli, D. L. & Richards, D. L. (2010). The Cingranelli and Richards (CIRI) Human Rights Data Project. Human Rights Quarterly, 32(2), 401–424. Cingranelli, D. L. & Richards, D. L. (2015). Measuring the Impact of Human Rights Organizations. NGOs and Human Rights: Promise and Performance, 225–237. Available at: http://www. researchgate.net/publication/265484239. Cingranelli, D. L., Richards, D. L., & Clay, K. C. (2014). The CIRI Human Rights Dataset. Clark, A. M. & Sikkink, K. (2013). Information Effects and Human Rights Data: Is the Good News about Increased Human Rights Information bad News for Human Rights Measures? Human Rights Quarterly, 35(3), 539–568. Cohen, D. K. & Green, A. H. (2012). Dueling incentives Sexual violence in Liberia and the politics of human rights advocacy. Journal of Peace Research, 49(3), 445–458. Conrad, C. R. (2014). Divergent Incentives for Dictators Domestic Institutions (and International Promises) Not to Torture. Journal of Conflict Resolution, 58(1), 34–67. Cook, P. J. (1980). Research in Criminal Deterrence: Laying the Groundwork for the Second Decade. Crime and Justice, 2, 211–268. Daley, D. M. & Garand, J. C. (2005). Horizontal diffusion, vertical diffusion, and internal pressure in state environmental policymaking, 1989-1998. American Politics Research, 33(5), 615–644. Dancy, G. & Sikkink, K. (2011). Ratification and human rights prosecutions: toward a transnational theory of treaty compliance. NYU Journal of Law and International Politics, 44(3), 751–790. Davenport, C. A. (1995). Multi-Dimensional Threat Perception and State Repression: An Inquiry into Why States Apply Negative Sanctions. American Journal of Political Science, 39(3), 683–713. Davenport, C. A. (1996). Constitutional Promises and Repressive Reality: A Cross–National Time– Series Investigation of Why Political and Civil Liberties are Suppressed. The Journal of Politics, 58(3), 627–654. Davenport, C. A. (2000). Paths to state repression: Human rights violations and contentious politics. Rowman & Littlefield. Davenport, C. A. (2007a). State repression and political order. Annual Reviews of Political Science, 10, 1–23. Davenport, C. A. (2007b). State repression and the tyrannical peace. Journal of Peace Research, 44(4), 485–504. Davenport, C. A. & Armstrong, D. A. (2004). Democracy and the Violation of Human Rights: A Statistical Analysis from 1976 to 1996. American Journal of Political Science, 48(3), 538–554.
Literatur
|
165
De Soysa, I. & Vadlammanati, K. C. (2013). Do pro-market economic reforms drive human rights violations? An empirical assessment, 1981–2006. Public Choice, 155, 163–187. Deacon, R. T. (2009). Public good provision under dictatorship and democracy. Public Choice, 139, 241–262. Debs, A. & Goemans, H. E. (2010). Regime Type, the Fate of Leaders, and War. American Political Science Review, 104(3), 430–445. Decalo, S. (1976). Coups and army rule in Africa: studies in military style. Yale University Press. Delacote, P. (2009). Boycotting a dictatorship: who does it really hurt? Economics Bulletin, 29(3), 1856–1862. Des Forges, A. L. (1999). Leave none to tell the story: genocide in Rwanda. Human Rights Watch New York. Dix, R. H. (1982). The Breakdown of Authoritarian Regimes. The Western Political Quarterly, 35(4), 554–573. Dixon, W. J. (1994). Democracy and the Peaceful Settlement of International Conflict. American Political Science Review, 88(1), 14–32. van Doorn, J. A. A. (1969). Military Profession and Military Regimes: Commitments and Conflicts. Walter de Gruyter. Downs, G. W., Rocke, D. M., & Barsoom, P. N. (1996). Is the good news about compliance good news about cooperation? International Organization, 50(3), 379–406. Duff, E. A., McCamant, J. F., & Morales, W. Q. (1976). Violence and Repression in Latin America: A Quantitative and Historical Analysis. Free Press, New York. Egorov, G. & Sonin, K. (2004). Dictators and their viziers: Agency problems in dictatorships. Eichengreen, B. & Leblang, D. (2008). Democracy and Globalization. Economics & Politics, 20(3), 289–334. Elster, J. (2006). Retribution and Reparation in the Transition to Democracy. Cambridge University Press. Englehart, N. A. (2009). State capacity, state failure, and human rights. Journal of Peace Research, 46(2), 163–180. Escribà-Folch, A. (2012). Authoritarian Responses to Foreign Pressure Spending, Repression, and Sanctions. Comparative Political Studies, 45(6), 683–713. Escribà-Folch, A. (2013). Repression, political threats, and survival under autocracy. International Political Science Review, 34(5), 543–560. Escribà-Folch, A. & Wright, J. (2010). Dealing with Tyranny: International Sanctions and the Survival of Authoritarian Rulers. International Studies Quarterly, 54(2), 335–359. Escribà-Folch, A. & Wright, J. (2015). Human Rights Prosecutions and Autocratic Survival. International Organization, 69(2), 343–373. Fariss, C. J. (2014). Respect for human rights has improved over time: Modeling the changing standard of accountability. American Political Science Review, 108(2), 297–318. Fearon, J. D. (2011). Self-enforcing democracy. The Quarterly Journal of Economics, 126(4), 1661– 1708. Fearon, J. D. & Laitin, D. D. (2003). Ethnicity, insurgency, and civil war. American Political Science Review, 97(1), 75–90. Forsythe, D. P. (1989). Human rights and world politics. University of Nebraska Press. Franklin, J. C. (2008). Shame on You: The Impact of Human Rights Criticism on Political Repression in Latin America. International Studies Quarterly, 52(1), 187–211. Frey, R. S., Al-Sharideh, K., Bausman, K., DaNa, S., Dunkley, R., Keboneilwe, D., Kemeh, M., Khoury, L., Laman, S., Monier, J., et al. (1999). Development, Dependence, Population Pressure, and Human Rights: The Cross-National Evidence. Human Ecology Review, 6(1), 49–56. Galtung, J. (1969). Violence, Peace, and Peace Research. Journal of Peace Research, 6(3), 167–191.
166 | Literatur
Gandhi, J. & Przeworski, A. (2007). Authoritarian Institutions and the Survival of Autocrats. Comparative Political Studies, 40(11), 1279–1301. Gastil, R. D. (1980). Freedom in the World - Political Rights and Civil Liberties 1980. Freedom House Inc., New York. Geddes, B. (1999). What do we know about democratization after twenty years? Annual Review of Political Science, 2(1), 115–144. Geddes, B. (2003). Paradigms and Sand Castles. Ann Arbor: University of Michigan Press. Geddes, B., Wright, J., & Frantz, E. (2014). Autocratic Breakdown and Regime Transitions: A new Data Set. Perspectives on Politics, 12(02), 313–331. Gibney, M., Cornett, L., Wood, R., Haschke, P., & Arnon, D. (2015). The Political Terror Scale 19762015. URL: http://www.politicalterrorscale.org (letzter Aufruf:27.02.2016). Gilli, M. & Li, Y. (2013). A model of Chinese central government. Economics of Transition, 21(3), 451– 477. Gilli, M. & Li, Y. (2015). Coups, revolutions and efficient policies in autocracies. European Journal of Political Economy, 39, 109–124. Ginsburg, T. (2009). The Clash of Commitments at the International Criminal Court. Chicago Journal of International Law, 9(2), 499–514. Gleditsch, K. S. & Ward, M. D. (2006). Diffusion and the international context of democratization. International Organization, 60(4), 911–933. Gleditsch, N. P., Wallensteen, P., Eriksson, M., Sollenberg, M., & Strand, H. (2002). Armed conflict 1946–2001: A new dataset. Journal of Peace Research, 39(5), 615–637. Goemans, H. E. (2000). War and Punishment: The Causes of War Termination and the First World War. Princeton University Press. Goemans, H. E. (2008). Which Way Out? The Manner and Consequences of Losing Office. Journal of Conflict Resolution, 52(6), 771–794. Goemans, H. E., Gleditsch, K. S., & Chiozza, G. (2009a). Archigos, Version 2.9 Codebook. Goemans, H. E., Gleditsch, K. S., & Chiozza, G. (2009b). Introducing Archigos: A Dataset of Political Leaders. Journal of Peace Research, 46(2), 269–283. Goldsmith, J. L. & Krasner, S. D. (2003). The Limits of Idealism. Daedalus, 132(1), 47–63. Goldsmith, J. L. & Posner, E. A. (2005). The Limits of International Law. Oxford University Press Oxford. Goldstein, R. J. (1978). Political repression in modern America from 1870 to the present. GK Hall & Company. Goldstein, R. J. (1986). The Limitations of Using Quantitative Data in Studying Human Rights Abuses. Human Rights Quarterly, 8(4), 607–627. Goodman, R. & Jinks, D. (2003). Measuring the Effects of Human Rights Treaties. European Journal of International Law, 14(1), 171–183. Goodman, R. & Jinks, D. (2004). How to influence states: Socialization and international human rights law. Duke Law Journal, 54(3), 621–703. Grant, R. W. & Keohane, R. O. (2005). Accountability and abuses of power in world politics. American Political Science Review, 99(1), 29–43. Grodsky, B. K. (2011). The Costs of Justice: how new leaders respond to previous rights abuses. University of Notre Dame Press. Gupta, D. K., Singh, H., & Sprague, T. (1993). Government Coercion of Dissidents Deterrence or Provocation? Journal of Conflict Resolution, 37(2), 301–339. Gurr, T. R. (1986). The Political Origins of State Violence and Terror: A Theoretical Analysis. In: Stohl, M. & Lopez, G. A. (eds.) Government Violence and Repression. An Agenda for Research. New York: Greenwood Press, pp. 45–72.
Literatur
|
167
Haas, P. M. (1992). Introduction: Epistemic Communities and International Policy Coordination. International Organization, 46(1), 1–35. Hafner-Burton, E. M. (2008). Sticks and Stones: Naming and Shaming the Human Rights Enforcement Problem. International Organization, 62(4), 689–716. Hafner-Burton, E. M. (2014). A social science of human rights. Journal of Peace Research, 51(2), 273– 286. Hafner-Burton, E. M. & Tsutsui, K. (2005). Human Rights in a Globalizing World: The Paradox of Empty Promises. American Journal of Sociology, 110(5), 1373–1411. Hafner-Burton, E. M. & Tsutsui, K. (2007). Justice Lost! The Failure of International Human Rights Law to Matter Where Needed Most. Journal of Peace Research, 44(4), 407–425. Hafner-Burton, E. M., Tsutsui, K., & Meyer, J. W. (2008). International Human Rights Law and the Politics of Legitimation Repressive States and Human Rights Treaties. International Sociology, 23(1), 115–141. Haschke, P. (2015). Missingness and Comparability of Scores. Available at: http://www. politicalterrorscale.org/archive/SDvsAI/ [Accessed 27.2.2016]. Hathaway, O. A. (2002). Do Human Rights Treaties Make a Difference? The Yale Law Journal, 111(8), 1935–2042. Hathaway, O. A. (2005). Between Power and Principle: An Integrated Theory of International Law. The University of Chicago Law Review, 72(2), 469–536. Hathaway, O. A. (2007). Why do countries commit to human rights treaties? Journal of Conflict Resolution, 51(4), 588–621. Henderson, C. W. (1993). Population pressures and political repression. Social Science Quarterly, 74(2), 322–333. Heston, A., Summers, R., & Aten, B. (2012). Penn World Table Version 7.1. Center for International Comparisons of Production, Income and Prices at the University of Pennsylvania (CICUP). Heyns, C. & Viljoen, F. (2001). The Impact of the United Nations Human Rights Treaties on the Domestic Level. Human Rights Quarterly, 23, 483–535. Higley, J. & Burton, M. G. (1989). The Elite Variable in Democratic Transitions and Breakdowns. American Sociological Review, 54(1), 17–32. Hill, D. W. (2010). Estimating the Effects of Human Rights Treaties on State Behavior. The Journal of Politics, 72(4), 1161–1174. Hill, D. W., Moore, W. H., & Mukherjee, B. (2013). Information Politics Versus Organizational Incentives: When Are Amnesty International’s “Naming and Shaming“ Reports Biased? International Studies Quarterly, 57(2), 219–232. Hollyer, J. R. & Rosendorff, B. P. (2011). Why Do Authoritarian Regimes Sign the Convention Against Torture? Signaling, Domestic Politics and Non-Compliance. Quarterly Journal of Political Science, 6(3–4), 275–327. Human Rights Committee (2004). General Comment No. 31: The Nature of the General Legal Obligation Imposed on States Parties to the Covenant (Art. 2), U.N. Doc. CCPR/C/21 /Rev. l/ Add.13, para. 18 (26. Mai 2004). Huntington, S. P. (1991). The Third Wave: Democratization in the Late Twentieth Century. University of Oklahoma Press. Judson, R. A. & Owen, A. L. (1999). Estimating dynamic panel data models: a guide for macroeconomists. Economics Letters, 65(1), 9–15. Kaufman, E. & Fagen, P. W. (1981). Extrajudicial executions: an insight into the global dimensions of a human rights violation. Human Rights Quarterly, 3(4), 81–100. Keck, M. E. & Sikkink, K. (1998). Activists beyond borders: Advocacy networks in international politics. Cornell University Press.
168 | Literatur
Keith, L. C. (1999). The United Nations International Covenant on Civil and Political Rights: Does it make a difference in human rights behavior? Journal of Peace Research, 36(1), 95–118. Keith, L. C. (2002). Judicial Independence and human rights protection. Judicature, 85(4), 195–200. Kent, A. (1999). China, the United Nations, and human rights: The limits of compliance. University of Pennsylvania Press. Kim, H. J. (2012). Structural determinants of human rights prosecutions after democratic transition. Journal of Peace Research, 49(2), 305–320. Kim, H. J. & Sikkink, K. (2010). Explaining the Deterrence Effect of Human Rights Prosecutions for Transitional Countries. International Studies Quarterly, 54(4), 939–963. Kim, H. J. & Sikkink, K. (2012). How do human rights prosecutions improve human rights after transition. Interdisciplinary Journal of Human Rights Law, 7(1), 69–90. Kiviet, J. F. (1995). On bias, inconsistency, and efficiency of various estimators in dynamic panel data models. Journal of Econometrics, 68(1), 53–78. Klayman, B. M. (1978). The Definition of Torture in International Law. Temple Law Quarterly, 51, 449– 517. Klepper, S. & Nagin, D. (1989). The Deterrent Effect of Perceived Certainty and Severity of Punishment Revisited. Criminology, 27(4), 721–743. Koh, H. H. (1997). Why Do Nations Obey International Law? Yale Law Journal, 106(8), 2599–2659. Kreps, D. M. & Wilson, R. (1982). Sequential Equilibria. Econometrica, 50(4), 863–894. Kurrild-Klitgaard, P. (2000). The Constitutional Economics of Autocratic Succession. Public Choice, 103(1/2), 63–84. Kydland, F. E. & Prescott, E. C. (1977). Rules Rather than Discretion: The Inconsistency of Optimal Plans. The Journal of Political Economy, 85(3), 473–492. Larcom, S., Sarr, M., & Willems, T. (2014). What shall we do with the bad dictator? University of Oxford Department of Economics Discussion Paper. Lichbach, M. I. (1987). Deterrence or escalation? The puzzle of aggregate studies of repression and dissent. Journal of Conflict Resolution, 31(2), 266–297. Lutz, E. & Sikkink, K. (2001). The Justice Cascade: The Evolution and Impact of Foreign Human Rights Trials in Latin America. Chicago Journal of International Law, 2(1), 1–33. Maddala, G. S. (1998). Recent developments in dynamic econometric modelling: A personal viewpoint. Political Analysis, 7, 59–87. Maoz, Z. & Henderson, E. A. (2013). The world religion dataset, 1945–2010: Logic, estimates, and trends. International Interactions, 39(3), 265–291. Marshall, M. G., Gurr, T. R., & Jaggers, K. (2013). Polity Project: Political Regime Characteristics and Transitions, 1800–2012 Dataset Users’ Manual. Center for Systemic Peace. Matsueda, R. L., Kreager, D. A., & Huizinga, D. (2006). Deterring Delinquents: A Rational Choice Model of Theft and Violence. American Sociological Review, 71(1), 95–122. McCarthy, B. (2002). New Economics of Sociological Criminology. Annual Review of Sociology, 28, 417–442. McGoldrick, D. (1991). The Human Rights Committee: its role in the development of the International Covenant on Civil and Political Rights. Oxford University Press, New York. Meernik, J., Aloisi, R., Sowell, M., & Nichols, A. (2012). The Impact of Human Rights Organizations on Naming and Shaming Campaigns. Journal of Conflict Resolution, 56(2), 233–256. Méndez, J. E. (1997a). Accountability for Past Abuses. Human Rights Quarterly, 19(2), 255–282. Méndez, J. E. (1997b). In defense of transitional justice. In: McAdams, A. J. (ed.) Transitional justice and the rule of law in new democracies. Notre Dame and London: University of Notre Dame Press, pp. 1–26. Bueno de Mesquita, B., Cherif, F. M., Downs, G. W., & Smith, A. (2005a). Thinking Inside the Box: A Closer Look at Democracy and Human Rights. International Studies Quarterly, 49(3), 439–458.
Literatur
|
169
Bueno de Mesquita, B. & Smith, A. (2009). Political Survival and Endogenous Institutional Change. Comparative Political Studies, 42(2), 167–197. Bueno de Mesquita, B. & Smith, A. (2010). Leader survival, revolutions, and the nature of government finance. American Journal of Political Science, 54(4), 936–950. Bueno de Mesquita, B., Smith, A., Siverson, R. M., & Morrow, J. D. (2005b). The Logic of Political Survival. MIT press. Midgley, J. (1987). Need and deprivation in the third world: A profile. In: MacPherson, S. & Midgley, J. (eds.) Comparative Social Policy and the Third World - Studies in International Social Policy and Welfare. St. Martin’s Press, pp. 15–51. Mignone, E. F., Estlund, C. L., & Issacharoff, S. (1984). Dictatorship on Trial: Prosecution of Human Rights Violations in Argentina. Yale Journal of International Law, 10, 118–150. Padró i Miquel, G. (2007). The Control of Politicians in Divided Societies: The Politics of Fear. The Review of Economic Studies, 74(4), 1259–1274. Mitchell, N. J. & McCormick, J. M. (1988). Economic and Political Explanations of Human Rights Violations. World Politics, 40(4), 476–498. Mňačko, L. (1967). Wie die Macht schmeckt. Dt. Buch-Gemeinschaft. Møller, J. & Skaaning, S.-E. (2013). Single-Party Autocracies, Ideology, and Repression. Statsvetenskaplig tidskrift, 115(4), 345–363. Moravcsik, A. (1995). Explaining international human rights regimes: Liberal theory and Western Europe. European Journal of International Relations, 1(2), 157–189. Morrow, J. D. (2007). When do states follow the laws of war? American Political Science Review, 101(3), 559–572. Murdie, A. (2009). The Impact of Human Rights NGO Activity on Human Right Practices. International NGO Journal, 4(10), 421–440. Murdie, A. & Peksen, D. (2014). The Impact of Human Rights INGO Shaming on Humanitarian Interventions. The Journal of Politics, 76(1), 215–228. Murphy, S. D. (1996). Humanitarian intervention: the United Nations in an evolving world order. University of Pennsylvania Press. Neumayer, E. (2005). Do International Human Rights Treaties Improve Respect for Human Rights. Journal of Conflict Resolution, 49(6), 925–953. Nickell, S. (1981). Biases in Dynamic Models with Fixed Effects. Econometrica: Journal of the Econometric Society, 49(6), 1417–1426. Nodlinger, E. A. (1977). Soldiers in Politics: Military Coups and Government. Prentice-Hall. Olsen, T. D., Payne, L. A., & Reiter, A. G. (2010). The Justice Balance: When Transitional Justice Improves Human Rights and Democracy. Human Rights Quarterly, 32(4), 980–1007. Olson, M. (1963). Rapid Growth as a Destabilizing Force. The Journal of Economic History, 23(4), 529–552. Olson, M. (1993). Dictatorship, Democracy, and Development. American Political Science Review, 87(3), 567–576. Orentlicher, D. F. (1991). Settling Accounts: The Duty to Prosecute Human Rights Violations of a Prior Regime. The Yale Law Journal, 100(8), 2537–2615. Osiel, M. (2000). Why prosecute? Critics of punishment for mass atrocity. Human Rights Quarterly, 22(1), 118–147. Packer, H. L. (1968). The limits of the criminal sanction. Stanford University Press. Partell, P. J. & Palmer, G. (1999). Audience Costs and Interstate Crises: An Empirical Assessment of Fearon’s Model of Dispute Outcomes. International Studies Quarterly, 43(2), 389–405. Peksen, D. (2012). Does Foreign Military Intervention Help Human Rights? Political Research Quarterly, 65(3), 558–571.
170 | Literatur
Poe, S. C. (2004). The Decision to Repress: An Integrative Theoretical Approach to the Research on Human Rights and Repression. In: Carey, S. C. & Poe, S. C. (eds.) The decision to repress: An Integrative Theoretical Approach to the Research on Human Rights and Repression. Aldershot, Hants, pp. 16–42. Poe, S. C., Carey, S. C., & Vazquez, T. C. (2001). How are these pictures different? A quantitative comparison of the US State Department and Amnesty International human rights reports, 1976–1995. Human Rights Quarterly, 23(3), 650–677. Poe, S. C. & Tate, C. N. (1994). Repression of Human Rights to Personal Integrity in the 1980s: A Global Analysis. American Political Science Review, 88(4), 853–872. Poe, S. C., Tate, C. N., & Keith, L. C. (1999). Repression of the Human Right to Personal Integrity Revisited: A Global Cross-National Study Covering the Years 1976–1993. International Studies Quarterly, 43(2), 291–313. Poe, S. C., Tate, C. N., Keith, L. C., & Lanier, D. (2000). Domestic Threats: The Abuse of Personal Integrity. In: Davenport, C. A. (ed.) Paths to State Repression - Human Rights Violations and Contentious Politics. Rowman & Littlefield Publishers, INC., pp. 27–70. Popper, S. K. R. (1958). Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Francke. Powell, E. J. & Staton, J. K. (2009). Domestic Judicial Institutions and Human Rights Treaty Violation. International Studies Quarterly, 53(1), 149–174. Przeworski, A., Alvarez, A., Cheibub, J. A., & Limongi, F. (2000). Democracy and development: political institutions and well-being in the world, 1950-1990, vol. 3. Cambridge University Press. Risse, T., Ropp, S. C., & Sikkink, K. (1999). The Power of Human Rights: international norms and domestic change. Cambridge University Press. Ritter, E. H. & Wolford, S. (2012). Bargaining and the effectiveness of international criminal regimes. Journal of Theoretical Politics, 24(2), 149–171. Roberts, A. (1993). Humanitarian War: Military Intervention and Human Rights. International Affairs, 69(3), 429–449. Roeder, P. G. (1993). Red sunset: The failure of Soviet politics. Princeton University Press. Roht-Arriaza, N. (1990). State responsibility to investigate and prosecute grave human rights violations in international law. California Law Review, 78(2), 449–513. Roht-Arriaza, N. (1995). Impunity and Human Rights in International Law and Practice. Oxford University Press. Roht-Arriaza, N. (2002). Civil Society in Processes of Accountability. In: Bassiouni, M. C. (ed.) Post Conflict Justice. Ardsley, NY: Transnational Publishers, pp. 97–114. Roht-Arriaza, N. (2005). The Pinochet effect: transnational justice in the age of human rights. University of Pennsylvania Press. Roht-Arriaza, N. & Mariezcurrena, J. (2006). Transitional justice in the twenty-first century: beyond truth versus justice. Cambridge University Press. Samuelson, P. A. (1954). The pure theory of public expenditure. The review of economics and statistics, 36(4), 387–389. Sapienza, P., Zingales, L., & Guiso, L. (2006). Does culture affect economic outcomes? The Journal of Economic Perspectives, 20(2), 23–48. Savage, L. J. (1954). The Foundations of Statistics. Wiley Publications in Statistics, New York. Scharf, M. P. (1996). Swapping Amnesty for Peace: Was there a Duty to Prosecute International Crimes in Haiti. Texas International Law Journal, 31(1), 1–42. Schmitter, P. C. & Karl, T. L. (1991). What Democracy Is... and Is Not. Journal of Democracy, 2(3), 75– 88. Schmitz, H. P. & Sikkink, K. (2012). International human rights. Handbook of International Relations, 827–851. Seibert-Fohr, A. (2009). Prosecuting Serious Human Rights Violations. Oxford University Press.
Literatur
|
171
Seybolt, T. B. (2007). Humanitarian military intervention: the conditions for success and failure. SIPRI Publication. Seymour, J. D. (1979). Indices of Political Imprisonment. Universal Human Rights, 1(1), 99–103. Shirk, S. L. (1993). The Political Logic of Economic Reform in China. University of California Press. Sikkink, K. (2011). The Justice Cascade: How Human Rights Prosecutions Are Changing World Politics (The Norton Series in World Politics). WW Norton & Company. Sikkink, K. & Kim, H. J. (2013). The Justice Cascade: The Origins and Effectiveness of Prosecutions of Human Rights Violations. Annual Review of Law and Social Science, 9, 269–285. Sikkink, K. & Walling, C. B. (2007). The Impact of Human Rights Trials in Latin America. Journal of Peace Research, 44(4), 427–445. Simmons, B. A. (2009). Mobilizing for human rights: international law in domestic politics. Cambridge University Press. Simmons, B. A., Dobbin, F., & Garrett, G. (2006). Introduction: The international diffusion of liberalism. International Organization, 60(04), 781–810. Simmons, B. A., Dobbin, F., & Garrett, G. (2008). The Global Diffusion of Markets and Democracy. Cambridge University Press. Simmons, B. A. & Elkins, Z. (2004). The globalization of liberalization: Policy diffusion in the international political economy. American Political Sience Review, 98(1), 171–189. Smith, A. (2008). The Perils of Unearned Income. The Journal of Politics, 70(3), 780–793. Snyder, J. & Vinjamuri, L. (2003). Trials and Errors. Principle and Pragmatism in Strategies of International Justice. International Security, 28(3), 5–44. Sriram, C. L. (2005). Globalizing justice for mass atrocities: a revolution in accountability. New York: Routledge. Starr, H. (1991). Democratic Dominoes Diffusion Approaches to the Spread of Democracy in the International System. Journal of Conflict Resolution, 35(2), 356–381. Stohl, M., Carleton, D., Lopez, G., & Samuels, S. (1986). State Violation of Human Rights: Issues and Problems of Measurement. Human Rights Quarterly, 8(4), 592–606. Strang, D. (1991). Adding Social Structure to Diffusion Models: An Event History Framework. Sociological Methods & Research, 19(3), 324–353. Straus, S. (2007). Second-Generation Comparative Research on Genocide. World Politics, 59(3), 476–501. Subotic, J. (2009). Hijacked justice: Dealing with the past in the Balkans. Cornell University Press. Sutter, D. (1995). Settling Old Scores: Potholes along the Transition from Authoritarian Rule. Journal of Conflict Resolution, 39(1), 110–128. Teitel, R. G. (2003). Transitional Justice Genealogy. Harvard Human Rights Journal, 16, 69–94. Themnér, L. & Wallensteen, P. (2014). Armed conflicts, 1946–2013. Journal of Peace Research, 51(4), 541–554. Thomas, D. C. (2001). The Helsinki Effect: International Norms, Human Rights, and the Demise of Communism. Princeton University Press. Thoms, O. N., Ron, J., & Paris, R. (2008). The effects of transitional justice mechanisms. Center for International Policy Studies, CIPS Working Paper. Tilly, C. (1978). From mobilization to revolution. McGraw-Hill New York. Tullock, G. (1987). Autocracy. Kluwer Academic Publishers. Ulfelder, J. (2005). Contentious Collective Action and the Breakdown of Authoritarian Regimes. International Political Science Review, 26(3), 311–334. US-Außenministerium (2014). Country Reports on Human Rights Practices. Available at: http://www. state.gov/j/drl/rls/hrrpt/ [Accessed 27.2.2016]. Vereinte Nationen (1948a). Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
172 | Literatur
Vereinte Nationen (1948b). Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide. Available at: http://www.hrweb.org/legal/genocide.html [Accessed 27.2.2016]. Vereinte Nationen (1969). Vienna Convention on the Law of Treaties. Available at: http://treaties.un. org/doc/Publication/UNTS/Volume%201155/v1155.pdf [Accessed 27.2.2016]. Vereinte Nationen (1984). Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafe vom 10. Dezember 1984. Available at: http://www. institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/ CAT/cat_de.pdf [Accessed 27.2.2016]. Vereinte Nationen (2000). Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Nomos. Vereinte Nationen (2016). Ratification Status for CCPR - International Covenant on Civil and Political Rights. Available at: http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx? Treaty=CCPR&Lang=en [Accessed 27.2.2016]. Vinjamuri, L. (2010). Deterrence, Democracy, and the Pursuit of International Justice. Ethics & International Affairs, 24(2), 191–211. Von Soest, C. & Wahman, M. (2014). Not all Dictators are Equal: Coups, Fraudulent Elections, and the Selective Targeting of Democratic Sanctions. Journal of Peace Research, 52(1), 17–31. Vreeland, J. R. (2008). Political Institutions and Human Rights: Why Dictatorships Enter into the United Nations Convention Against Torture. International Organization, 62(1), 65–101. Weissbrodt, D. (2001). The Right to a Fair Trail - Articles 8, 10 and 11 of the Universal Declaration of Human Rights. Martinus Nijhoff Publishers The Hague/Boston/London. Werner, S. (1996). Absolute and limited war: The possibility of foreign-imposed regime change. International Interactions, 22(1), 67–88. Weyland, K. (2005). Theories of Policy Diffusion lessons from Latin American Pension Reform. World politics, 57(2), 262–295. Williams, P. R. & Scharf, M. P. (2000). NATO intervention on trial: The legal case that was never made. Human Rights Review, 1(2), 103–107. Williams, P. R. & Stewart, M. E. (2007). Humanitarian Intervention: The New Missing Link in the Fight to Prevent Crimes against Humanity and Genocide. Case Western Reserve Journal of International Law, 40, 97–110. Wintrobe, R. (1990). The Tinpot and the Totalitarian: An Economic Theory of Dictatorship. American Political Science Review, 84(3), 849–872. Wintrobe, R. (1998). The Political Economy of Dictatorship, vol. 6. Cambridge Univ Press. Wood, R. M. & Gibney, M. (2010). The Political Terror Scale (PTS): A Re-introduction and a Comparison to CIRI. Human Rights Quarterly, 32(2), 367–400. Wright, J. (2008). To Invest or Insure? How Authoritarian Time Horizons Impact Foreign Aid Effectiveness. Comparative Political Studies, 41(7), 971–1000. Wright, J. & Escriba-Folch, A. (2012). Authoritarian institutions and regime survival: transitions to democracy and subsequent autocracy. British Journal of Political Science, 42(2), 283–309. Young, J. K. (2013). Repression, Dissent, and the Onset of Civil War. Political Research Quarterly, 66(3), 516–532. Zanger, S. C. (2000). A Global Analysis of the Effect of Political Regime Changes on Life Integrity Violations, 1977–93. Journal of Peace Research, 37(2), 213–233.