Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge: Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des ÖPNV [1 ed.] 9783428515431, 9783428115433

Die Diskussion über Art und Weise staatlicher Aufgabenerfüllung in Deutschland wird unter den Einflüssen leerer öffentli

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Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge: Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des ÖPNV [1 ed.]
 9783428515431, 9783428115433

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 976

Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des ÖPNV

Von Matthias Knauff

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MATTHIAS KNAUFF

Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 976

Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des ÖPNV

Von Matthias Knauff

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2003 / 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11543-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Lilia

Vorwort Die staatliche Aufgabenerfüllung unterliegt derzeit sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als auch ihrer Art und Weise zahlreichen Veränderungen. Das neuartige Modell des „Gewährleistungsstaats“ beginnt sich in der Staatswirklichkeit insbesondere in den Bereichen der Daseinsvorsorge durchzusetzen. Die vorliegende Arbeit untersucht diese Entwicklung aus juristischer Sicht sowohl abstrakt als auch anhand des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Die Untersuchung wurde von der Juristischen Fakultät der Bayerischen JuliusMaximilians-Universität Würzburg im Wintersemester 2003 / 2004 als Dissertation angenommen und mit dem Alumni-Preis 2004 der Juristen Alumni Würzburg e.V. ausgezeichnet. Mein Dank gilt zunächst Herrn Prof. Dr. Helmuth Schulze-Fielitz, der mich bereits früh im Laufe meines Studiums für das wissenschaftliche Arbeiten zu begeistern vermochte und mich stets in meinen diesbezüglichen Bemühungen unterstützte. Als mein Doktorvater nahm er intensiv am Entstehen der Arbeit teil, ohne mir jedoch die erforderlichen wissenschaftlichen Freiräume zu nehmen. Dank gilt weiterhin Herrn Prof. Dr. Eckhard Pache, der nicht nur die Zweitkorrektur innerhalb kürzester Zeit übernahm, sondern auch das Entstehen der Arbeit in den beiden Jahren, während derer ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl tätig war, stets mit großem Interesse begleitete. Weiterhin bin ich denjenigen zu Dank verpflichtet, die durch zahlreiche Gespräche und die Übernahme der Mühen des Korrekturlesens maßgeblich am Entstehungsprozess beteiligt waren. Zu nennen ist insoweit an erster Stelle mein Studienfreund Frank Nolte. Darüber hinaus gilt mein Dank vor allem meinen ehemaligen Kollegen Christina Rüger, M.E.S., und Carsten Schütz, sowie Herrn Rechtsanwalt Carsten Jennert, LL.M. Eur. Schließlich hätte die Untersuchung in der vorliegenden Form nicht entstehen können ohne die Unterstützung und die unendliche Geduld meiner Frau. Ihr sei diese Arbeit gewidmet. Würzburg / Krefeld, im Juni 2004

Matthias Knauff

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Erster Teil Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

I. Historische Einbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

1. Theoretische Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

a) G.W.F. Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

b) Lorenz von Stein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

c) Karl Jaspers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

d) Staatsrechtslehre vor Forsthoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

2. Entwicklung in der Rechtswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

a) Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

b) Aufbauphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

aa) Neue Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

bb) Kommunalisierungen und Munizipalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

cc) Erste gesetzliche Anklänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

dd) Erster Weltkrieg und beginnende Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . .

33

c) Zunehmende Verrechtlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

II. Die Konzeption Forsthoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Daseinsvorsorgekonzeption im Dritten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Daseinsvorsorgekonzeption unter dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

3. Die Problematik der Konzeption Forsthoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

a) Vereinbarkeit mit dem freiheitlichen Staatsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

b) Die Eignung des Daseinsvorsorgebegriffs als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . .

45

8

Inhaltsverzeichnis III. Daseinsvorsorge heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

1. Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

2. Ausgestaltung in der Rechtswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

a) Ausbau der Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

b) Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

1. Ideologisch-politische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

2. Wissenschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

II. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

III. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

1. „Schlanker Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

2. Formalprivatisierter Leistungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

3. Präventionsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

4. Kooperationsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

IV. Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

1. Rollenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

a) Modell der „Verantwortungsstufen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

b) Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

c) Insbesondere: „Funktionale Privatisierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Folgerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

a) Vertragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

b) Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

3. „Daseinsvorsorge“ im Gewährleistungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

C. Aktueller rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

I. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

1. Globale Ebene: WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

2. Ebene des Europarats: Charta der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . .

94

Inhaltsverzeichnis

9

II. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

1. Daseinsvorsorge in der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

a) Mitgliedstaatliche Situationsvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

b) Politischer Konflikt und Stellenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

c) Universaldienstkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Daseinsvorsorge im EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Art. 16 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) „Gemeinschaftszielbestimmung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Art. 86 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Art. 86 EGV im Regelungsgeflecht des EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Der Grundsatz der Nichtprivilegierung (Art. 86 I EGV) . . . . . . . . . . . . 122 cc) Daseinsvorsorge als Privilegierungsgrund (Art. 86 II EGV) . . . . . . . . . 126 (1) Bedeutung und Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (2) Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Betrauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Rückausnahme / Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 132 140 144 148

dd) Die Befugnisse der Kommission (Art. 86 III EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Subsidiarität und nationale Identität (Art. 5 II EGV / Art. 6 III EUV) . . . . 151 d) Gemeinschaftsrechtliches Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung? . . 153 e) Daseinsvorsorgegrundrecht (Art. 36 EuGRC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Nationales Recht 1: traditionelle verfassungsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. „Staatsaufgabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 c) Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Abwehrrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182

10

Inhaltsverzeichnis bb) Leistungsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) Schutzpflichtdimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Daseinsvorsorgeleistungen: Teil der Sozialstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Organisationsrechtliche Aussagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Kommunale Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Wirkungsrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Allzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 cc) Verpflichtung zu kommunaler Daseinsvorsorge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 dd) Staatliche Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 d) Beamtenvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 e) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 f) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 g) „Steuerstaat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 h) Wirtschaftlichkeits- und Gemeinwohlgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 i) Wirtschaftsordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 j) Subsidiaritätsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Herkunft und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 bb) Verfassungsrechtliche Verankerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 IV. Nationales Recht 2: Verfassungswandel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Die Neufassung der Art. 87e und f GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Art. 87e IV GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Art. 87f I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Normvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Rückwirkung der Regelungen auf das gesamte Grundgesetz? . . . . . . . . . . . . . . . 247 V. Nationales Recht 3: unterverfassungsrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Landesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

D. Bewertung der Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Der Staat der Daseinsvorsorge: Kritik der aktuellen Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Inhaltsverzeichnis

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II. Gewährleistungsstaat: begriffliche und praktische Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . 263 1. Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Staatlichkeit als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Verantwortungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 c) Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Aufgabendefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Vertragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 aa) Vertrag und Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 bb) Sicherstellung der Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 cc) Einzelaspekte der Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 dd) Verwaltungsorganisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 c) Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 aa) Grundlegende Regulierungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 bb) Regulierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 cc) Verwaltungsorganisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Zweiter Teil Ausprägung im ÖPNV E. ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Funktionale Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Gesetzliche Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 II. ÖPNV in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 III. Ziele des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 1. Beförderungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 2. Soziale Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 3. Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 4. Weitere Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 IV. ÖPNV und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Explizite Verankerung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

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Inhaltsverzeichnis 3. Umweltstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 4. Sonstige Bestimmungen und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

F. Historische Entwicklung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 I. Allgemein-gewerberechtliche Periode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 1. Pferdebusse und -bahnen: private Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 2. Elektrische Straßenbahnen: Marktveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a) Das preußische Kleinbahngesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 b) Kommunalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Weimarer Zeit: zunehmende rechtliche Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 II. Regelung durch das PBefG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 1. PBefG 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2. ÖPNV in der Bundesrepublik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) PBefG 1961 und 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 b) Entwicklung in der Rechtswirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 G. Die Reform von 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I. Die Einwirkung des EG-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 1. Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 a) Verkehrstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 bb) Einzelregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 cc) Insbesondere: beihilfenrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 b) Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 aa) Leistungserbringungsbezogene Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 bb) Rechtsetzungsbezogene Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 2. Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 a) VO 684 / 92 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 b) VO 12 / 98 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 c) VO 1191 / 69 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 aa) Ziele, Anwendbarkeit und Grundaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 bb) Auferlegung und Vertrag bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren . . . . 374 (1) Verhältnis von Auferlegung und Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

Inhaltsverzeichnis

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(2) Vertragliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 (a) Rechtliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 (b) Bewerberauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 (3) Auferlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 cc) Exkurs: Querverbund und VO 1191 / 69 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 dd) Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 d) VO 1107 / 70 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 3. Gesamtwürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 II. Die deutsche Rechtslage nach der Anpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1. BRegG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2. PBefG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 a) Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 aa) Genehmigungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 bb) Aufgabenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 cc) Verkehrsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 b) Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 aa) Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 bb) Nahverkehrsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 (1) Rechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 (2) Zustandekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 (3) Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 (4) Allgemeine Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 cc) Bewerberauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 (1) Ziel: „ausreichende Verkehrsbedienung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 (2) Eigenwirtschaftliche Verkehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 (a) Der Begriff „Eigenwirtschaftlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 (b) Genehmigungsvoraussetzungen und -folgen . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Objektive und subjektive Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Auswirkungen des Nahverkehrsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Anspruch auf Genehmigungserteilung? . . . . . . . . . . . . . . .

430 431 433 436

(3) Gemeinwirtschaftliche Verkehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 (a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 (b) Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 (aa) Vertrag und Auferlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 (bb) Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 3. Die ÖPNV-Gesetze der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 a) Begriffsbestimmung und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447

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Inhaltsverzeichnis b) Aufgabenträger und -qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 c) Nahverkehrsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 d) Sonstige Regelungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 a) Entwicklung in der Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 b) Europarechtskonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 aa) Eigenwirtschaftlichkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 bb) Finanzielle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 cc) Faktische Marktabschottung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 dd) Primärrechtliche Rechtfertigung von Verstößen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 c) Probleme zwischen Recht und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 III. Konzeptionelle Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472

H. Die (geplante) zweite ÖPNV-Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 I. Reformmodelle und -erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 1. Wettbewerb auf dem Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 a) Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 b) Praxisbeispiel Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 2. Wettbewerb um den Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 a) Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 b) Praxisbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 aa) Großraum London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 bb) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 cc) Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 dd) Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 II. Der Kommissionsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 1. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 a) Hauptzielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 b) Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 aa) Zuständige Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 bb) Betreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497

Inhaltsverzeichnis

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c) Vergaberechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 d) Betreiberauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 aa) Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 bb) Qualitätsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 cc) Direktvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 e) Durchführungsbezogene Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 f) Rechtsschutz und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 a) Primärrechtskonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 b) Ausgewählte Problembereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 c) Konzeptionelle Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 III. Anpassungsanforderungen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 1. Unmittelbare Auswirkungen und Regelungsnotwendigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 530 2. Rechtspolitische Ansätze im Recht des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 a) Institutionelle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 b) Instrumentarium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 3. ÖPNV-Reform und Gemeindewirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606

Einleitung Seit dem Entstehen der modernen Massengesellschaft mit dem Aufkommen des Industriezeitalters sehen sich der Staat und seine Untergliederungen der Frage ausgesetzt, wie sie einerseits die Bedürfnisse breiter, nicht vermögender Schichten einer Befriedigung zuführen und zugleich den für ein Gemeinwesen elementaren sozialen Frieden wahren können. Für deren Beantwortung konnte es auf Dauer nicht genügen, das pure physische Überleben des Einzelnen sicherzustellen. Auch die Ermöglichung seiner sozialen Existenz und die Garantie zumindest der Möglichkeit des Zugriffs auf bestimmte, allgemein als lebensnotwendig angesehene Güter und Dienstleistungen konnte nicht unterbleiben. Dieser – von Forsthoff1 erstmals so bezeichnete – Bereich der Daseinsvorsorge unterliegt derzeit einem gravierenden Wandel.2 Dieser betrifft nicht zuletzt dessen konzeptionelles Verständnis. In Deutschland hat sich parallel zu Entwicklungen in zahlreichen anderen freiheitlichen Staaten in einem langwierigen Prozess, dessen markantestes Kennzeichen die seit den 1970er Jahren andauernde Privatisierungsdiskussion war, das Modell des Gewährleistungsstaates herausgebildet. Dieses stellt der jahrzehntelang praktizierten Leistungserbringung durch die öffentliche Hand3 die verstärkte Zulassung Privater in den entsprechenden Bereichen unter Beibehaltung einer ergebnisbezogenen staatlichen Gewährleistungsverantwortung gegenüber. Dieses Modell soll im ersten Teil der vorliegenden Arbeit aus juristischer Perspektive untersucht und dem traditionellen Modell der Daseinsvorsorge gegenübergestellt werden. Dies kann nicht ohne Bezugnahme auf historische, (wirtschafts-)politische und verwaltungswissenschaftliche Aspekte geschehen. Der Schwerpunkt soll jedoch in einer Klärung des rechtlichen Rahmens liegen. Dieser ist maßgeblich dafür, ob eine umfassende Verwirklichung des Gewährleistungsstaatsmodells möglich ist. Dabei ist insbesondere auf das immer wichtiger werdende europäische Gemeinschaftsrecht einzugehen. Neben zahlreichen anderen, in der deutschen Rechtswirklichkeit wurzelnden Aspekten, entwickelt sich dieses zunehmend zu einem Reformmotor im Hinblick auf die Organisation der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen. Anders als in anderen Wissenschaften ist die Beschäftigung mit Modellen in der Rechtswissenschaft zumindest unüblich. Dies mag nicht zuletzt an der fehlenden E. Forsthoff, Verwaltung, S. 6 = Rechtsfragen, S. 26. H. Cox, Organisation, S. 1. 3 Dieser Begriff bezeichnet im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Gesamtheit des Staates und seiner Untergliederungen. 1 2

2 Knauff

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Konkretisierung, dem nicht oder nur unzureichend vorhandenen normativen Anknüpfungspunkt liegen. Schließlich sind Modelle zumeist einer Norm vorgelagert. Sie dienen als deren Vorbild. Nach ihrer Umsetzung ist jedoch ein Rückgriff weder nötig noch möglich. Allenfalls bei der historischen Auslegung einer Norm kann eine Modellvorstellung Auswirkungen zeigen. Die Heranziehung einer solchen Vorstellung ohne einen Anhaltspunkt im Wortlaut einer Norm oder gar gegen diesen ist jedoch grundsätzlich unzulässig.4 Dennoch ist das Arbeiten mit Modellvorstellungen auch in der Rechtswissenschaft gerade in Zeiten von Veränderungen sinnvoll. Die Verwendung von Modellen erleichtert in erheblichem Umfang die fachübergreifende Kommunikation.5 Indem das Modell symbolisiert, ruft es intuitiv verständliche Vorstellungen hervor.6 Durch die Beschäftigung mit dem durch das Modell verklausulierten Sachproblem aus verschiedenen Perspektiven können Missverständnisse und Fehlsteuerungen wenn auch wohl nicht vermieden, so doch eingeschränkt werden. Inhaltlich machen Modelle auf die Zukunft bezogene Veränderungen vorstellbar. Sie sind insoweit dem Recht zeitlich vorgelagert. Die Integration entsprechender Vorstellungen in das Recht ist historisch ein üblicher Vorgang.7 Sie enthalten auf relativ hohem Abstraktionsniveau orientierungs-, handlungs- oder entscheidungsleitende Vorstellungen.8 Zuzugeben ist insoweit zwar, dass sie bloße „gedankliche Konstrukte“9 und überdies Idealtypen sind. Erst die Modellvorstellung ist jedoch geeignet, mehr als punktuell wirkende Alternativlösungen für bestehende Strukturprobleme aufzuzeigen.

4 Allerdings fließt der dahinterstehende Zeitgeist unweigerlich ein, vgl. G. Beaucamp, Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, S. 8 f. 5 Vgl. mit Bezug zur Verwaltungswissenschaft G.F. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 46; im Hinblick auf „Begriffe“ H.Chr. Röhl, Die Verwaltung Beih. 2 (1999), S. 33 (34). 6 J. Karstens, in: M. Eifert / W. Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, S. 50 (64); A. Voßkuhle, Die Verwaltung Beih. 4 (2001), S. 197 (198); ähnlich W. HoffmannRiem, DÖV 1997, 433 (439). Negativ ausgedrückt: „methodische Sprengkraft“, A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (282), unter Bezugnahme auf den Begriff „Daseinsvorsorge“. Gerade dieses Beispiel in positivem Kontext hervorhebend aber H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13. Vgl. auch im Hinblick auf eine Vielzahl „neuartige(r) Leitbegriffe“ H. Schulze-Fielitz, in: FS K. Vogel, S. 311 (314). 7 Dahingehend auch G. Beaucamp, Das Konzept der zukunftsfähigen Entwicklung im Recht, S. 9. 8 J. Karstens, in: M. Eifert / W. Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, S. 50 (52). Dementsprechend sind sie nicht zwingend abschließend, sondern „weisen dem Denken den Weg“, A. Voßkuhle, Die Verwaltung Beih. 4 (2001), S. 197 (198). G.F. Schuppert, in: FS H. Wollmann, S. 399, spricht mit Bezug zum Begriff „Gewährleistungsstaat“ von einem „Drehbuchbegriff“ sowie auch bezogen auf andere Staatsbegrifflichkeiten von „Begriffsgarderobe“. K.-H. Ladeur / T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), S. 141, sprechen mit Bezug auf den Gewährleistungsstaat von einem „strukurbildende(n) Begriff“. 9 A. Voßkuhle, Der Staat 40 (2001), S. 495 (506).

Einleitung

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Das Denken in Modellen birgt jedoch auch Gefahren in sich.10 Kennzeichen von Modellen ist es, problembezogen und somit nicht umfassend zu sein. Sie sind daher nur geeignet, Ausschnitte aufzuzeigen und verengen so den Blick.11 Als Vorläufer zukünftigen Rechts berücksichtigen sie aktuelles und Verfassungsrecht oft nur in unzureichendem Maße und verlieren dadurch ihren Anknüpfungspunkt. Als Vorbild gültigen Rechts dagegen neigen sie bei ihrer Heranziehung zu einer normative Kraft entfaltenden Eigendynamik. Darin sind jedoch auch Sinn und Notwendigkeit der juristischen Beschäftigung mit Modellvorstellungen zu sehen. Gelingt die Verortung eines Modells in der Rechtsordnung, kann dies sowohl bei der Formulierung seiner normativen Umsetzung als auch indirekt (unter Beachtung der juristischen Methodik) bei deren Beurteilung hilfreich sein. Keinesfalls ist die Modellvorstellung allerdings als „Quasi-Rechtsbegriff“ anzusehen.12 Dies ist bezüglich der nachstehenden Ausführungen zu berücksichtigen. Von größter Relevanz für die Entwicklung in der Rechtswirklichkeit ist daher, wie Modellvorstellungen gesetzlich umgesetzt werden. Diesbezüglich sind im Hinblick auf die sektorielle Entwicklung in den bereits weitgehend gewährleistungsstaatlich organisierten Bereichen Telekommunikation, Post, Energieversorgung und Eisenbahnverkehr bereits zahlreiche Untersuchungen vorgenommen worden. Dabei fehlt es entsprechend der typischen, auf konkrete Vorschriften bezogenen und damit Modelle missachtenden juristischen Arbeitsweise jedoch regelmäßig an einer Anbindung an die unzweifelhaft existente bereichsübergreifende Entwicklung. Diese ist jedoch nicht zuletzt wegen häufig auftretender Parallelen in den einzelnen Rechtsgebieten nicht nur aus politisch-konzeptioneller, sondern auch aus juristischer Perspektive von Interesse. Dies gilt umso mehr, als der EGV im vorliegenden Zusammenhang mehrfach allgemein bereichsübergreifend von „Dienst(leistung)en von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ spricht und somit zumindest im Ansatz keine strenge Trennung zwischen einzelnen Bereichen vornimmt. Nichtsdestotrotz ist die Betrachtung einzelner Bereiche gerade auch bei einer vor allem konzeptionell orientierten Untersuchung unerlässlich. Nur jene ermöglicht eine anwendungsbezogene und damit wirklichkeitsnahe Bewertung der Modellvorstellung. Im zweiten Teil der Arbeit soll daher die Entwicklung hin zum Gewährleistungsstaat anhand des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) verfolgt werden. Dieser bereits von Forsthoff als typischer Bereich der Daseinsvorsorge hervorgehobene Sektor13 wird in der konzeptionell ausgerichteten wie auch überhaupt in 10 So auch bezogen auf den Begriff der „regulierten Selbstregulierung“ A. Voßkuhle, Die Verwaltung Beih. 4 (2001), S. 197 (200). 11 Ähnlich auch J. Karstens, in: M. Eifert / W. Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, S. 50 (53). 12 Dahingehend auch die Ausführungen bei M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 21; mit Bezug zum Gewährleistungsstaat M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (235). 13 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 7, 36 f. = Rechtsfragen, S. 21, 38 f.; BVerfGE 38, 258 (270); R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 11; W. Dippel /

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der (rechts-)wissenschaftlichen14 Literatur weitgehend vernachlässigt.15 Für die hier verfolgten Zwecke bietet er sich als Referenzgebiet jedoch in besonderem Maße an, da er gleichsam „symptomatisch“16 für das auf zahlreichen Gebieten zu beobachtende Vordringen des Gewährleistungsstaatsmodells in die Rechtswirklichkeit ist. Als überaus komplexer17 und zudem „hochpolitischer Bereich“18, ist er geeignet, die zahlreichen Schwierigkeiten und Widerstände bei einer gewährleistungsstaatlich geprägten Reform, aber auch die Probleme der überkommenen Organisationsformen aufzuzeigen. Dies gilt umso mehr, als der derzeit faktisch von kommunalen Unternehmen dominierte19 und stark defizitäre20 ÖPNV in der modernen Gesellschaft sowohl in vielfacher Hinsicht unabdingbar,21 als auch, unter der Voraussetzung des Einsatzes staatlicher Finanzmittel, wirtschaftlich interessant22 und überdies volkswirtschaftlich bedeutsam23 ist. Zudem besteht jedenA. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (121); M. Gegner, Der Städtetag 6 / 2003, 27; M. Winnes, NZBau 2002, 371 (375); vgl. auch M. Ronellenfitsch, in: Chr. Parak / D. Unfried, Personennahverkehr, Nr. 14 S. 1, wonach der „ÖPNV in erster Linie eine Aufgabe der Daseinsvorsorge ist“. 14 Der Großteil der insoweit zitierten Literatur entstammt der Feder von Praktikern im Bereich des ÖPNV und ist dementsprechend nur in vergleichsweise geringem Maße vorrangig von wissenschaftlicher Intention geleitet. 15 Vgl. aber etwa mit abweichendem Erkenntnisinteresse G. Hammerschmid, New Public Management, S. 133 ff. Dagegen klammert die thematisch ähnliche und etwa zeitgleich mit der vorliegenden Arbeit entstandene, mit dem Titel „Gewährleistungsverwaltung und Verkehrsverwaltung“ überschriebende Dissertation von H. Lackner den Bereich des ÖPNV aus. 16 J.-Chr. Pielow, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 33 (40). 17 M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (27); G. Hammerschmid, New Public Management, S. 137. 18 R. Maaß, Wettbewerb, S. 25. 19 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 33; A. Bühner / G. Augsburg, Nahverkehrspraxis 11 / 2000, 23; bezogen auf die Situation in der gesamten EG G. Fredrich, Der Nahverkehr 11 / 2000, 14, wenn auch in dieser Allgemeinheit nicht (mehr) zutreffend. Ein rechtlich begründetes Verwaltungsmonopol bestand im ÖPNV jedoch nie, U. Hösch, GewArch 2001, 223 (225). R. Schauer, ZögU 16 (1993), S. 331, verweist aber zutreffend darauf, dass öffentliche Wirtschaft zu großen Teilen öffentliche Verkehrswirtschaft sei. 20 W. Pällmann, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 6 (7), spricht von einem nicht mehr tragbaren Zuschussbedarf. Plastisch J. Heyer, Der Landkreis 2001, 528 (530): der ÖPNV befinde sich zur Zeit auf „steinigem Weg“. 21 Allgemein auf den Verkehr bezogen R. Neuefeind, Verkehrspolitik und Umweltschutz, S. 9. Zum Problem der Zersiedelung als Herausforderung für den ÖPNV siehe Europäische Umweltagentur, Indikatoren, S. 18; M. Hesse, Verkehrswende S. 31. 22 H. Schmidt-Kohlhaas, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 149 (151), bezeichnet den Nahverkehr als Wachstums- und Zukunftsbranche; allgemein bezogen auf die regelmäßig der Daseinsvorsorge zuzuordnenden öffentlichen Dienstleistungen G. Schwarting, ZögU 24 (2001), S. 286 (291). 23 H. Nöthe, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 3 (4); perspektivisch bezogen auf den Binnenmarkt M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (132).

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falls potenziell eine mehrfache Konkurrenzsituation.24 Unabweisbare Realität ist der als exogene Konkurrenz bezeichnete Wettbewerb mit dem individuellen Verkehr.25 In diesem ist der motorisierte Individualverkehr (MIV) derzeit eindeutiger Gewinner.26 Die endogene Konkurrenz verschiedener kollektiver Verkehrsmittel untereinander um einen Marktanteil der öffentlichen Verkehrsleistung27 spielt demgegenüber eine deutlich geringere Rolle. Mit dem Vordringen neuer Anbieter28 unter einer reformierten rechtlichen Regelung kann sich dies jedoch zumindest teilweise ändern. Dieser Gemengenlage muss eine Neuregelung Herr werden. Gerade in einem derart unübersichtlichen und von zahlreichen Interessengegensätzen und Herausforderungen gekennzeichneten Gebiet wie dem ÖPNV zeigt sich, ob die Umsetzung der Modellvorstellung in der Praxis zur Problemlösung beitragen kann und die mit ihr verfolgten Zielsetzungen erreicht. Darüber hinaus bietet sich der ÖPNV wegen der zunehmenden Europäisierung seiner rechtlichen Grundlagen als Referenzgebiet an, da gerade das Gemeinschaftsrecht bereits zu einer Umgestaltung des Sektors geführt hat und eine weitere erzwingen wird.

24 M. Baltes / D. Bayer / P. Hofmann, Der Nahverkehr 11 / 1994, 18; J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (21). 25 B. Schmucki, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 63 (64); J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 10. Als eigentliche Konkurrenz des ÖPNV sehen den MIV M. Löw, Regionalisierung, S. 30; W. Pällmann, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 6 (7), an. Hinzu kommt in neuerer Zeit die Konkurrenz durch die Telekommunikation, R. Petersen, in: A. Pastowski / R. Petersen, Wege aus dem Stau, S. 13 (20); J. Pingel, ÖPNVNEU, S. 30; ausführlich dazu R. König, in: A. Pastowski / R. Petersen, Wege aus dem Stau, S. 40 ff.; verhalten kritisch M. Hesse, Verkehrswende S. 131 ff. 26 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 34; H.-J. Ewers / G. Ilgmann, Wettbewerb im ÖPNV, S. 32 f.; K. Haefner / G. Marte, Der schlanke Verkehr, S. 116; S. Rommerskirchen, in: BayStMinWV, Umweltfreundlicher Verkehr, S. 35 (41); J. Sumpf, Internationales Verkehrswesen 2002, 539; dahingehend auch T. Perner / P. Schöne / H. Brosig, Dresdner Modell, S. 52; VDV, Mobilität, S. 24. Ein allseits bekanntes und dennoch nicht zufriedenstellend gelöstes Problem bildet der durch den MIV bedingte Verkehrsinfarkt, Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 9, den G. Girnau, Der Nahverkehr 4 / 1991, 10 (14), als Grundlage für eine blühende Zukunft des ÖPNV ansieht. Das Fahrrad spielt demgegenüber anders als zu Beginn der Entwicklung keine wesentliche Rolle mehr, vgl. F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 50; H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (16). 27 B. Schmucki, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 63 (64). 28 Obwohl bislang nur wenige ausländische Unternehmen auf dem deutschen ÖPNVMarkt tätig sind, U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 16 f., besteht insbesondere seitens der sich herausbildenden „European Players“ ein großes Interesse an diesem, R. Bauer, in: BOU, Finanzen, S. 35; A. Bühner / G. Augsburg, Nahverkehrspraxis 11 / 2000, 23; H.-J. Ewers / G. Ilgmann, Wettbewerb im ÖPNV, S. 4; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (88). Diese stammen insbesondere aus Frankreich, Großbritannien und Skandinavien, M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (132).

Erster Teil

Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer Der Begriff der Daseinsvorsorge war nie ein eindeutig feststehender. Im Laufe seiner Entwicklung durchlebte er mehrere Phasen, in denen seine Bedeutung wie auch sein Inhalt starken Schwankungen unterworfen waren. Nach seiner Einführung im Jahre 1938 bis in die ersten Jahre und Jahrzehnte der Bundesrepublik hinein war er Gegenstand eines aufgeregten Meinungskampfes. Danach ließ seine Präsenz deutlich nach. Die Aussage, er sei „mittlerweile schon ziemlich verstaubt“1 und „altbacken“2, war wohl noch vor einigen Jahren keine Einzelmeinung. Erst seit kurzem, nicht zuletzt anlässlich verschiedener Reformen in Einzelbereichen der traditionellen Daseinsvorsorge, gewann die Diskussion um ihn wieder an Dynamik.

I. Historische Einbindung Der Begriff „Daseinsvorsorge“ hat gesellschaftstheoretische, wirtschaftspolitische, staats- und rechtstheoretische sowie politische Hintergründe.3 Seine „Entdeckung“ durch Forsthoff erfolgte keineswegs als spontaner Akt, sondern stellte das Ergebnis einer langen Entwicklung in Theorie und Praxis dar.

1. Theoretische Vorarbeiten Obwohl Forsthoff sich nicht offen zu einer bestimmten wissenschaftlichen Entwicklungslinie bekannte, lässt sich seine Beeinflussung insbesondere durch Hegel und v. Stein4, aber auch durch Jaspers erkennen. Schließlich hatte auch die Staats1 2 3 4

S. Schulte-Beckenhausen, Der Städtetag 1996, 761. A. Möhlenkamp, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 155 (160). Siehe dazu ausführlich D. Scheidemann, Der Begriff Daseinsvorsorge, S. 17 ff. Auf v. Stein findet sich jedoch ein Verweis bei E. Forsthoff, DR 1935, 398.

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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und Verwaltungsrechtslehre der Weimarer Zeit den Themenkomplex erkannt, wenn auch nicht zufrieden stellend zu lösen vermocht.

a) G.W.F. Hegel Der theoretische Grundstein für die Entwicklung der Daseinsvorsorge wurde bereits von Hegel5 gelegt. Bei ihm stand die „Vorsorge für das Dasein“ im Mittelpunkt der Lehre von Familie, Gesellschaft und Staat.6 Aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit ergebe sich ein dreifaches Prinzip: die Besonderheit der Zwecke jeder Familie bzw. jedes Einzelnen, die Notwendigkeit des Ausgleichs zwischen diesen durch eine allgemeine Regelung der Bedürfnisbefriedigung innerhalb der Gesellschaft, und schließlich die Notwendigkeit des staatlichen Eingriffs zur Sicherung der Voraussetzungen gesellschaftlicher Selbstregulierung und zur Erfüllung von der Gesellschaft nicht bewältigter Aufgaben der „Vorsorge für das Dasein“7. Zwar sollte ein vorsorgender staatlicher Eingriff zur Sicherstellung der Bedürfnisse der arbeitenden Besitzlosen, des „Pöbels“ bzw. Proletariats8 nur subsidiär erfolgen.9 Hegel erkannte jedoch, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse in der beginnenden Industriegesellschaft eine staatliche Daseinsvorsorge erzwängen.10 Diese sollte nach seiner Vorstellung aber vor allem auf die Beseitigung individueller Notlagen gerichtet sein.11 Ziel sei, „das Individuum mit der allgemeinen Möglichkeit zu vermitteln, die zur Erreichung der individuellen Zwecke vorhanden ist“12. Geschäfte zur Befriedigung täglicher Bedürfnisse und gemeinnützige Veranstaltungen forderten daher „die Aufsicht und Vorsorge der öffentlichen Macht“13. Entgegenstehende Interessen von Produzenten und Konsumenten bedürften einer ausgleichenden Regulierung.14

5 G.F.W. Hegel, Rechtsphilosophie, § 182 (Zusatz); E.R. Huber, in: FS E. Forsthoff, S. 139 (143); ders., Bewahrung und Wandelung, S. 322 f.; H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 76 f.; G.Chr.v. Unruh, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 43 (45); zum Einfluss auf Forsthoffs spätere Konzeption siehe D. Scheidemann, Der Begriff Daseinsvorsorge, S. 91 ff. 6 Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Begriffe Fürsorge und Vorsorge ursprünglich gleichbedeutend waren, vgl. E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 334 Anm. 39. 7 E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 328. 8 G.F.W. Hegel, Rechtsphilosophie, § 241 ff.; E.R. Huber, in: FS E. Forsthoff, S. 139 (148 f.); ders., Bewahrung und Wandelung, S. 327. 9 G.F.W. Hegel, Rechtsphilosophie, § 238 ff.; E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 329; D. Scheidemann, Der Begriff Daseinsvorsorge, S. 96. 10 E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 328. 11 D. Scheidemann, Der Begriff Daseinsvorsorge, S. 98 f. 12 G.F.W. Hegel, Rechtsphilosophie, § 236 (Zusatz). 13 G.F.W. Hegel, Rechtsphilosophie, § 235. 14 G.F.W. Hegel, Rechtsphilosophie, § 236.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Hegel schwebte im Rahmen seines Modells zwar vor allem die individuelle Armenhilfe als Aufgabe des Staates vor. Allerdings beschränkte er sich nicht darauf, was sich deutlich an der von ihm als Beispiel für eine staatliche Aufgabe gewählten Straßenbeleuchtung zeigt. Implizit zeigte er dabei zugleich auf, dass neben den existenzwichtigen Faktoren weitere Funktionsbedingungen des Einzelnen und der Gesellschaft bestanden, für die auf überindividuellem Niveau Sorge zu tragen ist.

b) Lorenz von Stein An die Gedanken Hegels knüpfte v. Stein an. Nach seiner Vorstellung werde der – der Gesellschaft insgesamt dennoch antithetisch gegenübergestellte15 – Staat aus der Gesamtheit seiner Angehörigen gebildet. Der Grad der persönlichen Entwicklung des Einzelnen werde somit zugleich zum Grad und Inhalt des Staates selbst, so dass der Fortschritt jedes Einzelnen zur wesentlichen Aufgabe des Ganzen werde.16 Dieser zu erreichende Fortschritt sollte aber nicht gleichsam mit staatlicher „Zwangsbeglückung“ gleichgesetzt werden. Vielmehr bilde auch die Freiheit des einzelnen ein wesentliches Element des Staates.17 Das Prinzip des Staats sei daher „die Erhebung aller einzelnen zur vollsten Freiheit, zur vollsten persönlichen Entwicklung“18. Dabei wird der Staat „zur persönlichen Form der allgemeinen Bedingungen der individuellen Entwicklung“19 und unterstützt das Individuum in seiner Entwicklung mit dem Ziel, ein freies, selbstbestimmtes Leben zu führen.20 Zur Durchsetzung dieses Ziels trete der Staat in Form der inneren, sorgenden Verwaltung in Erscheinung und arbeite an dessen Bedingungen.21 In dieser Form umgibt er den Einzelnen dauerhaft und sorgt für ihn.22 Die Verwaltung umfasse damit das menschliche Leben insoweit, als dass Einzelner und Gemeinschaft sich gegenseitig bestimmen und bedingen.23 Ihr Objekt sei das persönliche Leben.24 Sie erreiche dann ihre „reinste, idealste durch das Prinzip des Staats gebotene Gestalt, wenn sie das Leben aller Staatsbürger zu ihrer einzigen Aufgabe machte.“25 Allerdings solle das staatliche Engagement nicht weitergehen als nötig, um die Selbständigkeit des Einzelnen zu erhalten.26 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

S.-O. Kuk, Das Wesen der Sozialstaatsidee bei Lorenz von Stein, S. 26 f. L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 8. L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung, S. 37. L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung, S. 45. L. v. Stein, Verwaltungslehre II, S. 50. L. v. Stein, Verwaltungslehre II, S. 59. L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 44. L. v. Stein, Verwaltungslehre II, S. 47 f. L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 55. L. v. Stein, Verwaltungslehre II, S. 52. L. v. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung, S. 37. L. v. Stein, Verwaltungslehre II, S. 60; ders., Handbuch der Verwaltungslehre, S. 44.

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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Die staatliche Legitimation selbst folgt nach v. Stein somit aus der sozialgewährenden Verwaltung zum Zwecke der Freiheitssicherung.27 Erstmals wurde auch die administrative Fürsorge für die Lebensbedürfnisse des Menschen als konstitutives Merkmal des Verwaltungshandelns28 im Gegensatz zu einem auf bloßer Eingriffsverwaltung beruhenden Staats- und Verwaltungsverständnis begriffen. Allerdings ist keine Trennung von Daseinsvorsorge und sozialer Sicherung zu erkennen. Dass dennoch beide Aspekte einfließen, folgt aus der Überlegung, dass die angestrebte, von der Verwaltung zu leistende Unterstützung des Einzelnen bei seiner Entwicklung anders nicht zu erreichen wäre. Zudem sah v. Stein als soziale Aufgabe des Staates bzw. der Verwaltung nicht ausschließlich das Armenwesen an. Vielmehr solle sie auch die von ihm für vordringlich gehaltene Lösung der Klassenproblematik umfassen.29 Als Mittel dazu sollte nicht zuletzt das staatliche Bildungswesen dienen.30 Überdies stellte v. Stein die Verbindung des Sozialen mit dem Politischen her.31 Er sah den sozialen und verwaltenden Staat als von der industriellen Gesellschaft32 und der (zu schaffenden) sozialen Demokratie33 bedingt an. Seinem Modell liegt ein wohlfahrtsstaatlicher Ansatz und die Vorstellung eines vorgegebenen harmonischen Gemeinwohls aller Bürger zugrunde.34 Wie auch bei Hegel, sollte der daseinsvorsorgende Staat aber nicht zur umfassenden Versicherungs- und Versorgungsanstalt für die Gesellschaft werden, sondern, insbesondere den sozial schwächeren Schichten,35 ein Leben in Freiheit, Wagnis und Wettbewerb ermöglichen.36 c) Karl Jaspers Als letzter direkter Vorläufer Forsthoffs hinsichtlich der Entwicklung der Daseinsvorsorge ist Jaspers anzusehen. Dieser schuf den Begriff der „Daseinsfürsorge“37. Ausgehend von der Enge des Machtbereichs des Einzelnen,38 qualifi27 E.-W. Böckenförde, in: ders., Staat und Gesellschaft, S. 131 (132); ähnlich S.-O. Kuk, Das Wesen der Sozialstaatsidee bei Lorenz von Stein, S. 124. 28 E. Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), S. 8 (13); E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 322. 29 L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 51; ders., Handbuch der Verwaltungslehre, S. 440. 30 S.-O. Kuk, Das Wesen der Sozialstaatsidee bei Lorenz von Stein, S. 95. 31 Vgl. E.-W. Böckenförde, in: ders., Staat und Gesellschaft, S. 131 (155). 32 E.-W. Böckenförde, in: ders., Staat und Gesellschaft, S. 131 (155). 33 S.-O. Kuk, Das Wesen der Sozialstaatsidee bei Lorenz von Stein, S. 87. 34 Kritisch U. Storost, Staat und Verfassung, S. 31. 35 G.Chr.v. Unruh, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 43 (45). 36 E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 340 f. 37 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 27. Der Begriff findet sich auch bei E. Forsthoff, DR 1935, 398 (400). Im Jahre 1927 hatte M. Heidegger, Sein und Zeit, insbes. S. 180 ff., die Begriffe „Dasein“ und „Sorge“ zueinander in Beziehung gesetzt. Er bezog sich

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zierte er das zeitgenössische Dasein, das er als planvolle Befriedigung der Lebensbedürfnisse aller ansah,39 als rational-technische Massenversorgung.40 Als Folge der technischen Entwicklung sei eine zuverlässige Versorgung mit dem Lebensnotwendigen erforderlich.41 Dazu wiederum wäre ein riesiger Leistungsapparat, in dem alle mitarbeiteten, nötig.42 Die Lenkung dieses Versorgungsapparats müsse und könne nur durch Bürokratie i.S.v. Organisation geschehen.43 Zwar sah Jaspers den Staat nicht zwingend als Inhaber und Organisator dieses Apparats an, allerdings wies er ihm die Aufgabe der Sicherung der Massenordnung zu und hielt ihn zugleich auch für den Schutz vor dieser verantwortlich.44 Insoweit sei die Daseinsfürsorge auch Teil der Staatlichkeit.45 Jaspers’ Anliegen ging jedoch nicht dahin, die Daseinsfür- oder -vorsorge wissenschaftlich zu durchdringen. Vielmehr wollte er die Vermassungssituation, in der sich der einzelne befinde, mit dem philosophischen Ziel der Wiederversubjektivierung aufzeigen.46 Dies zeigt sich deutlich an den Aussagen, dass die Massenordnung einen universellen Daseinsapparat aufbaue, der die spezifisch menschliche Daseinswelt zerstöre47 und durch die universale Daseinsordnung das Dasein des wirklichen Menschen aufgehoben und zur bloßen Funktion werde.48 Der bei Hegel und v. Stein, aber auch bei Forsthoff und in der späteren Auseinandersetzung vorherrschende Aspekt des Sozialen fehlt bei Jaspers. Eine Lösung sozialer Probleme war von ihm nicht beabsichtigt.49 jedoch allein auf das individuelle Sein, dessen Sinn er ergründen wollte. Trotz Herausarbeitung der Begrenztheit der Gestaltungsfreiheit des Einzelnen bezüglich seines Daseins, das nicht zuletzt durch Furcht und Angst geprägt sei (erläuternd zu den betreffenden Ausführungen Heideggers vgl. B. Merker, in: Th. Rentsch, Martin Heidegger: Sein und Zeit, S. 117 ff.), lässt er sich kaum als mehr denn begrifflicher Vorläufer Forsthoffs ansehen (offen lassend aber M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 [2001], S. 293 [294 f. Anm. 108]). Der Bezug zu Staat und Gesellschaft fehlt bei Heidegger völlig. Inhaltliche Ähnlichkeiten zum späteren Konzept der Daseinsvorsorge sind allenfalls bezüglich der den Einzelnen betreffenden Voraussetzungen, und auch insoweit nur schemenhaft, erkennbar. Anders als Jaspers lässt Heidegger keinen Bezug zu den aktuellen gesellschaftlichen Problemen erkennen. 38 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 6. 39 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 39. 40 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 25. 41 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 28. 42 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 26. 43 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 33. 44 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 72. 45 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 74. 46 G. Hofmann, Politik und Ethos bei Karl Jaspers, S. 10 ff.; kritisch daher zu Verbindungslinien zu Forsthoff M. Ronellenfitsch, in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (61). 47 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 48. 48 K. Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, S. 49. 49 G. Hofmann, Politik und Ethos bei Karl Jaspers, S. 22 f.; kritisch bezüglich des Bestehens eines Zusammenhangs dagegen M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (294 Anm. 108).

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d) Staatsrechtslehre vor Forsthoff Die Staats- und Verwaltungsrechtslehre der Zeit zwischen v. Stein und Forsthoff beschäftigte sich nur beiläufig mit dem Phänomen der Daseinsvorsorge. Diskutiert wurde jedoch nicht die staatliche Verantwortung für diese, sondern die Organisation ihrer Erbringung. So war der Anstaltsbegriff von Otto Mayer50 in Analogie zum französischen „service public“ gebildet worden.51 Entsprechendes galt für die ebenfalls diskutierte Verleihung öffentlicher Unternehmen, die Konzession.52 W. Jellinek nahm sich der auf das Allgemeinwohl zielenden nicht-hoheitlichen Verwaltung an und betrachtete sie als Gegenstück zur Hoheitsverwaltung.53 Der von ihm gewählte Begriff der „schlichten Hoheitsverwaltung“ war allerdings sehr weit gefasst54 und daher nicht geeignet, den Bereich einer Ausdifferenzierung und Charakterisierung zuzuführen. Die aus heutiger Sicht am modernsten erscheinende Ansicht wurde von Fleiner vertreten. Er betrachtete die öffentliche Verwaltung wirtschaftlicher Angelegenheiten als von der Eingriffsverwaltung getrennte „Betriebsverwaltung“55. In einer Überschrift sprach er gar von „Leistungen“56 des Verwaltungsapparats. Mit ihren Betrieben, etwa Straßenbahn und Wasserversorgung, nehme die Verwaltung „öffentliche“57 bzw. „wirtschaftliche Fürsorge“58 wahr. Rechtlich bemühte er sich um eine Verankerung des Bereichs im öffentlich-rechtlichen Anstaltsrecht. Wie aber auch Otto Mayer konnte er sich mit diesem Konzept auf Dauer nicht durchsetzen. Insgesamt betrachtet, war die Rechtslehre vor Forsthoff noch zu sehr der Vorstellung von der Verwaltung als in erster Linie Eingreifendem verbunden, als dass sie für die im Folgenden darzustellenden Entwicklungen in der Rechtswirklichkeit offen und zu ihrer theoretischen Durchdringung in der Lage gewesen wäre.

O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 468. H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 166; E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526 (540); G. Püttner, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 32 (33). Der Begriff des „service public“ kann hinsichtlich seines Gegenstandes als Parallelerscheinung der späteren deutschen „Daseinsvorsorge“ gelten. Zum damaligen Zeitpunkt verfügte er allerdings noch nicht über seine heutige Ausdifferenziertheit und Bedeutung, G. Püttner, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 45 (50). 52 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 406. 53 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 21. 54 H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 26. 55 F. Fleiner, Institutionen, S. 121. 56 F. Fleiner, Institutionen, S. 321. 57 F. Fleiner, Institutionen, S. 324. 58 F. Fleiner, Institutionen, S. 326. 50 51

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2. Entwicklung in der Rechtswirklichkeit Die der Daseinsvorsorge zuzurechnenden Tätigkeitsfelder entwickelten sich in Abhängigkeit von der technischen Entwicklung weitgehend zufällig. Die sozialen Aspekte traten erst nach und nach hervor. Unter der Prämisse der Vergleichbarkeit zur heutigen Situation erscheint eine Betrachtung zwar erst ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts, nach dem Ende des absolutistischen Wohlfahrtsstaats,59 sinnvoll. Dennoch soll auch jene Periode kurz angesprochen werden, da in ihr die Anfänge auch der modernen Daseinsvorsorge liegen und ein deutlicher Einschnitt in der Entwicklung nicht feststellbar ist.60

a) Anfänge Erfolgte die Einführung der öffentlichen Straßenbeleuchtung in Berlin, Dresden und Hannover in 1820er Jahren zunächst noch der Repräsentation und nicht der sicheren Nutzbarkeit des Straßenraums durch die Allgemeinheit wegen,61 so galten doch sozialpolitische Reformen seit der französischen Revolution von 1789 als Mittel der „Befriedung gesellschaftlicher Spannungen“ und damit gegen Revolutionsgefahr.62 Die Daseinsvorsorge trat daher als Ziel staatlicher Wirtschaftstätigkeit zunehmend neben fiskalische, entwicklungs- und wachstumspolitische Motive.63 Die Vorsorge für den Gemeinbedarf der Gesellschaft und des Einzelnen64 äußerte sich insbesondere durch den Bau von Bildungsanstalten, Fortbewegungsmitteln und -wegen, der Errichtung von Versorgungsbetrieben und dem Aufbau einer Sozialverwaltung. Diese Akte planender, lenkender und fördernder Wirtschaftspolitik können als Beginn staatlicher Daseinsvorsorge und der Leistungsverwaltung angesehen werden.65 Während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Engagement des Staates und damit auch die gemeindliche Tätigkeit jedoch noch weitgehend als subsidiär angesehen.66 59 Siehe dazu H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 23 ff.; G. Habermann, Der Wohlfahrtsstaat, S. 15 ff. 60 Früheste Erscheinungsformen wie etwa die Trinkwasserversorgung im antiken Rom, vgl. F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 67; B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 20, sollen vorliegend außer Betracht bleiben. 61 F.-W. Henning, Handbuch, S. 264. Parallel dienten Postdienste anfangs nicht zuletzt der Herrschaftssicherung, vgl. M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 32. 62 E. Reidegeld, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 307 (308). 63 G. Himmelmann, in: H. Brede / A. v. Loesch, Die Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft, S. 31 (36). 64 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 16 f.; E.R. Huber, in: FS E. Forsthoff, S. 139 (140); ders., Bewahrung und Wandelung, S. 320. 65 E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 320 f. 66 H. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (8).

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b) Aufbauphase Es dauerte nahezu ein Jahrhundert, bis sich der Bereich der Daseinsvorsorge annähernd zu dem entwickelt hatte, das Forsthoff schließlich beschrieb und das auch heute noch im Grundsatz unverändert die Rechtswirklichkeit prägt. Dabei nahm die Involviertheit der öffentlichen Hand im Laufe der Zeit deutlich zu. Deren anfangs zu beobachtende Zurückhaltung wich zunehmend einer Begeisterung, insbesondere auf der kommunalen Ebene, wo ein Großteil der in Frage stehenden Aufgaben anfiel. aa) Neue Herausforderungen Als sich der Staat im 19. Jahrhundert zunehmend auf die Eingriffsverwaltung zurückzog,67 besetzten die Gemeinden die sich auftuenden Lücken.68 Insbesondere Industrialisierung und Urbanisierung zwangen sie, ihr Engagement über die klassischen Ordnungsaufgaben hinaus auszuweiten.69 Zum einen bewirkte die Angewiesenheit der (sich entwickelnden) Industrie auf nicht selbst zu erzeugende Infrastrukturleistungen deren Schaffung durch die Kommunen.70 Zum anderen diente ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts der Bezug zum Menschen als Antriebsfeder bei der Schaffung von Daseinsvorsorgeeinrichtungen.71 Von Bedeutung waren vor allem die Versorgung mit gesundem Trinkwasser, Licht, Verkehrsmitteln und Energie.72 Nach diesen Leistungen bestand nach den gewaltigen Veränderungen durch Industrialisierung, Verstädterung, Kriegen und Krisen ein Bedürfnis seitens der Bevölkerung.73 Neben diese vor allem sozial motivierten traten aber auch bildungsbezogene, kulturelle und wirtschaftliche Aufgaben.74 So kam es im Laufe des 19. Jahrhunderts zur Entwicklung und raschen Ausdehnung von kommunalen Betrieben, um die fundamentalen Lebensbedürfnisse der Gemeindeeinwohner zu befriedigen.75 67 Zum vorherigen Umfang des Staatseinflusses in den Gemeinden siehe Chr. Treffer, Der Staat 35 (1996), S. 251 (252 ff.). 68 H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 38; E.R. Huber, in: FS E. Forsthoff, S. 139 (142); ders., Bewahrung und Wandelung, S. 321; H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 29. 69 G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 38; ders., in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 15 (16); G. Himmelmann, in: H. Brede / A. v. Loesch, Die Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft, S. 31 (39). 70 H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 11. 71 F.-W. Henning, Handbuch, S. 265. 72 H.G. Hockerts, in: W.-Raymond-Stiftung, Sozialstaat, S. 27 (33); P.M. Mombaur, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 503; vgl. auch die als exemplarisch angesehene nahezu gleich lautende Aufzählung bei BayVerfGH, DÖV 1958, 216 (217). 73 J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (335). 74 H. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (10); H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 29.

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bb) Kommunalisierungen und Munizipalsozialismus Dies geschah nicht zuletzt durch die „Kommunalisierung“ zuvor privater Unternehmungen.76 Darunter ist die Übernahme privater Unternehmen in die Verfügungsgewalt der Gemeinde zu verstehen, die zumeist auf Grundlage vertraglicher Regelungen erfolgte. Es ist durchaus möglich, darin einen Unterfall der Sozialisierung zu sehen.77 Im Ergebnis kam es so zur Herausbildung des „Munizipalsozialismus“ als Erscheinung des Interventionsstaats auf kommunaler Ebene78 und zum Aufbau einer kommunalen Leistungsverwaltung79. Aus Sicht der Gemeinden wurden die Kommunalisierungen als „notwendige Entwicklungen der modernen Stadtwirtschaft“ im Industriestaat angesehen. Auch lässt sich im Laufe der Jahrzehnte eine gewisse zeitliche Reihenfolge erkennen. Den Anfang bildeten die Wasserwerke, gefolgt von Schlachthäusern, Gas- und Elektrizitätswerken, Straßenbahnen sowie schließlich sogar in Teilen der Lebensmittelversorgung.80 Die Kommunalisierung kann im Hinblick auf risikoreiche und aufwändige Projekte sogar als der typische Fall des Entstehens kommunaler Unternehmen angesehen werden, da kommunale Eigengründungen insoweit selten waren. Dass sich eine solche Entwicklung in einer maßgeblich zunächst auch von liberalen Ideen geprägten Ära ereignen konnte, ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Zum einen waren die als Zusammenschluss ihrer Bürger angesehenen und zunehmend vom Staat unabhängigen81 Gemeinden zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich der Gesellschaft, nicht aber dem Staat zugeordnet.82 Kommunale 75 W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 117; N. Niederich, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 83 (96); ähnlich J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 1 f.; ders., in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (80). Ein Großteil der leistenden gemeindlichen Tätigkeiten der späteren „Daseinsvorsorge“ ließ sich noch unter dem Stichwort des Armenwesens zusammenfassen, vgl. mit zahlreichen Beispielen Chr. Treffer, Der Staat 35 (1996), S. 251 (262). 76 W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 117 (118). 77 H.-D. Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert, S. 3; kritisch in Bezug auf Kommunalisierungen vor 1918 W. Schülke, Das Problem der Kommunalisierung, S. 11. 78 G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 39; G. Habermann, Der Wohlfahrtsstaat, S. 224 f.; W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 117 (134); H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 29; Chr. Treffer, Der Staat 35 (1996), S. 251 (265). Zum Interventionsstaat und seiner Entwicklung allgemein siehe zusammenfassend W. Abelshauser, in: D. Grimm, Staatsaufgaben, S. 199 (202 ff.); sowie ideengeschichtlich nochmals G. Habermann, ebd., S. 135 ff. 79 B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (11). 80 G. Ambrosius, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 15 (16); H. Lindemann, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 679. U. Steckert, DfK 41 (2002), S. 61 (63), bezeichnet die Zeit nach 1870 als „kommunalwirtschaftliche Gründerjahre“. 81 H.-D. Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert, S. 54. 82 H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 36; im Ergebnis ebenso A. Köttgen, Deutsche Verwaltung, S. 75 ff.

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Betätigung erschien somit nicht als staatliche, sondern als im Grunde private. Zum anderen wollten die anfangs vielerorts bestehenden liberalen Stadtratsmehrheiten kein privates Monopol akzeptieren.83 Waren zunächst der liberale Antimonopolismus und auch der sozialkonservative Paternalismus die maßgeblichen Strömungen in Deutschland84 und damit politikbestimmend auch in den Bereichen der Daseinsvorsorge, so gewannen ab Ende des 19. Jahrhunderts, insbesondere aber nach dem Ende des Kaiserreiches sozialistische und sozialdemokratische Vorstellungen die Oberhand. Diese wiederum sahen in den Kommunalisierungen eine Möglichkeit, zumindest auf Gemeindeebene ihre ideologischen Ideale zu verwirklichen. Die Kommunalisierung wurde bei den sozialistischen Parteien nicht zuletzt als Ersatz für gesamtstaatlich nicht durchsetzbare Sozialisierungen angesehen.85 Neben diesen in erster Linie politisch-ideologischen Kommunalisierungsgründen, waren jedoch auch sachliche Überlegungen ausschlaggebend. Kommunalisierungen basierten stets auf einem Ursachenbündel.86 Anfangs stand der Aspekt der Erzielung von Einnahmen neben der Gemeinwohlorientierung im Vordergrund.87 Tatsächlich zeichneten sich kommunalisierte Unternehmen im Daseinsvorsorgebereich häufig durch ihre Profitabilität aus. Später waren jedoch vor allem entwicklungspolitische und soziale Motive ausschlaggebend.88 Insbesondere waren private Unternehmer häufig nicht bereit oder in der Lage, sich neuen Anforderungen und Problemstellungen anzupassen. Ihre ausschließlich von wirtschaftlichen Überlegungen bestimmte Geschäftspolitik ließ sich häufig trotz gegebener vertraglicher 83 V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 28; G. Habermann, Der Wohlfahrtsstaat, S. 225 f.; G. Himmelmann, in: H. Brede / A. v. Loesch, Die Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft, S. 31 (41). 84 G. Ambrosius, GS Th. Thiemeyer, S. 199 (213); ders., in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 15 (18). 85 G. Ambrosius, Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, S. 27 ff.; H. Lindemann, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 679 (681); H. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (13 ff.). Auf die Bedeutung sozialistischen Gedankenguts allgemein bei der Ausweitung des Staates in den gesellschaftlichen Bereich ab ca. 1840 weist M. v. Creveld, Aufstieg und Untergang des Staates, S. 391, hin. 86 G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 52; vgl. auch die Aufzählung bei W. Schülke, Das Problem der Kommunalisierung, S. 12. 87 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 23; K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 70, 105; H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 37; N. Niederich, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 83 (97); ders., in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr, S. 131 (137); W. Schülke, Das Problem der Kommunalisierung, S. 12; für Österreich Chr. Dirninger, in: J. Schneider, Öffentliches und privates Wirtschaften, S. 159 (169); plastisch aus heutiger Sicht U. Steckert, Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, S. 13: „Altruismus ist nicht zwangsläufig defizitär“. 88 G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 53; diesen Aspekt hebt K. Stern, AfK 3 (1964), S. 81 (82), auch im Hinblick auf die Anfangszeit der heutigen Kommunalwirtschaft besonders hervor.

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Einflussnahmemöglichkeiten der Gemeinden nicht mit deren politischen Zielsetzungen in Einklang bringen. Daneben sahen die Kommunen die Notwendigkeit, „Herrinnen des öffentlichen Straßenraumes zu sein“ und betrachteten die Unternehmen als ein Mittel kommunaler Finanzpolitik.89 Schließlich spielten Prestigefragen eine Rolle. So galten gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein umfangreiches kommunales Erwerbs- und Betriebsvermögen als „Ausdruck wirtschaftlicher und sozialer Potenz“, das die Bedeutung und Eigenständigkeit der kommunalen Selbstverwaltung unterstrich.90 Die Geisteshaltung der kommunalpolitisch Verantwortlichen, die Verantwortungsbewusstsein, machtpolitische Berechnung, und Prestigedenken in den Vordergrund stellte, förderte nach der Industrialisierung die kommunale Entwicklung insgesamt,91 insbesondere aber die Entstehung der kommunalen Daseinsvorsorge. Seit dem späten 19. Jahrhundert erfolgte so eine kontinuierliche Ausweitung des öffentlichen Sektors92 und damit einhergehend ein Ausbau der Verwaltung93. Es kam letztlich in Reaktion auf das soziale Versagen des rein liberalen Staatsmodells zu einer „Reaktivierung des Staats“, in den Aufgabenfeldern der Daseinsvorsorge zumeist in Form der Gemeinden, an den nun auf die Ermöglichung individueller Freiheit gerichtete Ansprüche gestellt wurden.94

cc) Erste gesetzliche Anklänge In Form rechtlicher Regelungen schlug sich diese Entwicklung zunächst nicht wieder. Dies kann für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht verwundern. Der Übergang zur liberalen und Industriegesellschaft war noch nicht vollständig vollzogen, die Gemeinden hatten im Staatsaufbau noch nicht an Eigenständigkeit gewonnen. So enthielt zwar die Preußische Städteordnung von 1808 mit § 179 eine Regelung, die sich mit gemeindlichen Zuständigkeiten befasste. Diese war jedoch rein organisationsrechtlichen Charakters. Sie enthielt keinen Katalog gemeindlicher Aufgaben. Dagegen war in den §§ 165 ff. bereits ein Zusammendenken von Verwaltungsformen und Aufgabeninhalten erkennbar.95 Einen Ansatzpunkt für kommunale Tätigkeitsfelder oder gar eine Regelung des Daseinsvorsorgebereichs bot die Preußische Städteordnung jedoch nicht. Dies änderte sich auch nicht durch H. Lindemann, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 679 (680). G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 40. 91 Chr. Treffer, Der Staat 35 (1996), S. 251 (268). 92 D. Grimm, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 27 (45). 93 F.-W. Henning, Handbuch, S. 1039. 94 D. Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, S. 613 (622). 95 H. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (5 f.); G.W. Wittkämper, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 25 (37); solche konnten sich aber aus „polizeilichen“ Erwägungen ergeben, vgl. H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 28 f. 89 90

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ihre revidierte Fassung von 1831.96 Die (allerdings nur drei Jahre später wieder aufgehobene) Preußische Gemeindeordnung von 1850 stellte demgegenüber einen gewaltigen Fortschritt dar. In ihrem § 3 enthielt sie die Anerkennung gemeindlicher Anstalten in einem finanziellen Kontext. Erfolgte damit auch keine Regelung gemeindlichen Tätigwerdens an sich, so wurde es doch erstmals von einem Gesetzgeber ausdrücklich wahrgenommen und zumindest in Teilen dem Recht unterstellt. Breit diskutiert und begrüßt wurde die staatliche bzw. kommunale Fürsorgepflicht innerhalb der privatwirtschaftlich-kapitalistischen Wirtschaftsordnung schließlich seit etwa 1880,97 wobei in der theoretischen Betrachtung noch keine Trennung von sozialer Sicherheit und Daseinsvorsorge vorgenommen wurde. Juristischen Anklang fanden diese Überlegungen bereits zuvor in der Präambel der Verfassung des Deutschen Reichs von 1871, die „zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes“ aufrief und dies sogar als Staatsziel deklarierte.98 Weitreichende Folgen auf Gesetzesebene hatte dies jedoch nicht. Auch weiterhin erfolgte keine konkrete Regelung des vornehmlich auf kommunaler Ebene verankerten Daseinsvorsorgebereichs. Insbesondere erfolgte keine Abgrenzung des kommunalen zum privaten Tätigkeitsbereich, so dass eine Verrechtlichung der Kommunalisierungen weitgehend nicht erfolgte. Allenfalls indirekte Schranken wurden den Gemeinden gesetzt, so etwa durch § 3 des Preußischen Kommunalabgabengesetzes von 1893, der für kommunale Unternehmen das Kostendeckungsprinzip anordnete. Da aber, wie bereits angemerkt, die kommunalisierten Bereiche häufig auch wirtschaftlich lukrativ waren, waren die kommunalisierungsbeschränkenden Auswirkungen der Bestimmung minimal. Das Zweckverbandsgesetz von 1911 setzte schließlich bereits die Existenz eines leistenden Aufgabenbereichs der Gemeinden voraus.99 Überdies genossen öffentliche Unternehmen bis zum Ersten Weltkrieg Steuerfreiheit.100 dd) Erster Weltkrieg und beginnende Weimarer Republik Während des Ersten Weltkriegs erfolgte ein Bedeutungswandel der Verwaltung durch deren Zuteilungsmacht.101 Als erster moderner Krieg beeinflusste er in starH. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (6). H. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (11); N. Niederich, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 83; vgl. dazu etwa E. Rosenthal, Der Wandel der Staatsaufgaben, S. 14 ff. 98 Zur Situation während des Deutschen Reichs siehe E. Rosenthal, Der Wandel der Staatsaufgaben, S. 19 ff. 99 H. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (10). 100 G. Püttner, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 27 (28). 101 Einzelmaßnahmen im Überblick bei R. Walter, Wirtschaftsgeschichte, S. 137; zum allgemein bestehenden Zusammenhang zwischen Krieg und Ausdehnung der Verwaltung siehe W. Leisner, Die undefinierbare Verwaltung, S. 141 f. 96 97

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kem Maße auch die Gegebenheiten in nicht von eigentlichen Kriegshandlungen betroffenen Gebieten. Er führte Knappheits-, Ausbeutungs- und Verelendungssituationen und damit einen insgesamt sinkenden Lebensstandard herbei.102 Daraus folgte eine existentielle unausweichliche Abhängigkeit des Einzelnen vom Staat, der auf die neue Situation zu reagieren hatte. Bis dahin noch bestehende psychologische Barrieren, die gegen ein staatliches oder wiederum insbesondere kommunales Engagement gesprochen hatten, wurden nun unter dem Einfluss der Notlage überwunden.103 Staatliche Sozialpolitik im weitesten Sinne wurde somit durch den Ersten Weltkrieg gefördert.104 Diese wiederum führte in der Bevölkerung zur Herausbildung einer Erwartungshaltung gegenüber dem Staat und seinen Untergliederungen nicht nur in Notsituationen.105 Vermeiden ließ sich diese Entwicklung aber auch aus einem anderen Grund nicht. Der Staat war zur Erhaltung des inneren Friedens auf die Zustimmung der organisierten Arbeiterschaft angewiesen,106 die er sich durch Zugeständnisse sozialer Art „erkaufte“. Betroffen war insoweit allerdings weniger der Bereich der Daseinsvorsorge, als derjenige der sozialen Sicherheit, des Arbeitsrechts und verwandter Gebiete. Zu vernachlässigen ist dieser Aspekt jedoch auch unter der hier interessierenden Fragestellung nicht, da der eminent wichtige Bereich der Lebensmittelversorgung vor allem auf kommunaler Ebene relevant wurde. Nach dem verlorenen Krieg und dem Ende des Kaiserreichs gab es Bestrebungen, auch das Wirtschaftssystem einer grundsätzlichen Neuordnung zuzuführen. Es gab mehrere Entwürfe zu Kommunalisierungsgesetzen,107 die jedoch ebenso wie weitergehende Pläne scheiterten. Obwohl die Weimarer Reichsverfassung mit Art. 151 I soziale Vorbehalte als stützende Elemente innerhalb der freiheitlichen Wirtschaftsverfassung kannte,108 erfolgte die Entwicklung zum Wohlfahrtsstaat E. Reidegeld, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 307 (313). H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 12; zur wirtschaftshistorischen Einbindung siehe C. Zacher, Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland, S. 42 ff. So gab es etwa sozial motivierte kommunale Bäckereien, vgl. Chr. Treffer, Der Staat 35 (1996), S. 251 (262). Zum diesbezüglichen kommunalen Engagement im und nach dem Ersten Weltkrieg siehe H. Lindemann, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 679 (680); M. Pagenkopf, GewArch 2000, 177. 104 E. Reidegeld, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 307. H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 2, konstatiert ein Anwachsen der versorgenden Tätigkeit der Körperschaften des öffentlichen Rechts „in erheblichem Umfang“. 105 E. Mäding / H. Tigges / H. Hack, Entwicklung der öffentlichen Aufgaben, S. 6 f. 106 E. Reidegeld, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 307 (315 f.). 107 H. Lindemann, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 679 (681); vgl. die Zielsetzungen überblicksartig bei W. Schülke, Das Problem der Kommunalisierung, S. 15 f. Ein Sozialisierungsgesetz wurde demgegenüber 1919 verabschiedet, RGBl. I S. 341, zur Frage von Sozialisierung und Gemeinwirtschaft zu Beginn der Weimarer Republik ausführlich C. Zacher, Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland, S. 101 ff. 108 E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte VI, S. 1032. P. Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 21; ders., in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Ver102 103

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dennoch weitgehend auf der Ebene der Verwaltung mit relativ geringem Niederschlag in der Verfassung.109 Im Interesse der Bereitstellung „daseinsvorsorgerischer“ Güter und Leistungen kam es jedoch zunehmend zu Wirtschaftsinterventionen und zur Gründung öffentlicher Unternehmen, die weiterhin auch steuerlich privilegiert wurden.110 So erfolgte während der Weimarer Republik eine starke Ausdehnung nicht zuletzt der Kommunalwirtschaft,111 die sich gleichzeitig organisatorisch verselbständigte.112 Gegen Ende dieser Entwicklung war – in zeitlicher Parallelität zur Etablierung des „service public“ in Frankreich113 – die (kommunale) Leistungsverwaltung weitgehend ausgeformt.114 Wenn sich auch durch den Krieg beschädigte oder wirtschaftlich betroffene kommunale Infrastrukturunternehmen konsolidieren konnten,115 so war diese Entwicklung doch in finanzieller Hinsicht nicht unproblematisch. Die Neugründungen und Ausweitungen geschahen häufig auf Kreditbasis. Insbesondere ausländische Kredite spielten eine große Rolle.116 Für die Gemeinden hatten ihre kommunalen Unternehmen zudem eine so große finanzielle Bedeutung, dass zur Erhöhung des abzuführenden Gewinns auch vor der Manipulierung von Bilanzen nicht zurückgeschreckt wurde.117 Durchschnittlich 10 bis 15 % ihres Zuschussbedarfs wurde von den kommunalen Unternehmen erwirtschaftet.118 Zugleich setzten sich soziale waltungsrecht, S. 219 (234 Rn. 17), spricht sogar von einer sozialistischen bzw. sozialreformatorischen Überformung. M. Ronellenfitsch, in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (55), hebt jedoch hervor, dass es nicht gelang, die Daseinssicherung auf der verfassungsrechtlichen Ebene zu verankern. 109 G. Dürig, JZ 1953, 193. 110 Vgl. im einzelnen F. Fleiner, Institutionen, S. 327 m. w. N.; zu den steuerrechtlichen Entwicklungen siehe ausführlich H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 61 ff. 111 G. Püttner, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 27 (27 f.). 112 G. Ambrosius, Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, S. 66. 113 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 506. Die dortige Entwicklung kurz zusammenfassend G. Ambrosius, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 15 (18 f.); H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 61 ff.; ausführlich etwa J. Keller, Service public und Art. 86 Abs. 2 EGV, S. 32 ff.; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 111 ff. 114 E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte VI, S. 1033; H. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (13); zur allgemeinen Ausdehnung öffentlicher Unternehmen siehe V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 32. 115 G. Himmelmann, in: H. Brede / A. v. Loesch, Die Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft, S. 31 (45). 116 E. Mäding / H. Tigges / H. Hack, Entwicklung der öffentlichen Aufgaben, S. 9. 117 G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 93. 118 G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 92. Teilweise stammten bis zu 50 % der kommunalen Einnahmen aus wirtschaftlicher Betätigung, U. Steckert, DfK 41 (2002), S. 61 (63); ders., Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, S. 15, spricht insoweit von einer unverzichtbaren Säule der Gemeindehaushalte. 3*

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Tarifierungen im Daseinsvorsorgebereich endgültig durch.119 Damit wird ein noch heute im Grundsatz bestehender Konflikt deutlich. Zum einen hatten die weitaus meisten kommunalen Unternehmen zur Erreichung politischer Zielsetzungen „Daseinsvorsorge“ unter sozialen Vorzeichen zu betreiben. Zum anderen sollten sie zur Finanzierung der eben diese Ziele vorgebenden Gemeinde beitragen. Dass dieser Spagat letztlich nicht auf Dauer erfolgreich bewältigt werden konnte und nach verbindlichen Regelungen verlangte, ist offensichtlich. Zwar fehlte es in der Weimarer Zeit noch immer an einer geschlossenen Theorie der öffentlichen Wirtschaft.120 Der Bereich der Daseinsvorsorge wurde in der Praxis jedoch inzwischen als immerhin von der sozialen Fürsorge gedanklich zu trennendes Gebiet erkannt.121 Eine klare rechtliche Abgrenzung zu erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten erfolgte aber nicht.

c) Zunehmende Verrechtlichung Während der letzten Jahre der Weimarer Republik und den ersten der nationalsozialistischen Herrschaft wurde erstmals der Bereich der – insbesondere kommunalen – Daseinsvorsorge spezifischen rechtlichen Regelungen unterworfen. Als Beginn dieser Entwicklung kann der Erlass der Gemeindeordnungen der Länder angesehen werden. Diese befassten sich erstmals relativ umfassend mit öffentlichen Unternehmen. Grundsätzlich standen sie diesen positiv gegenüber. Deutlich wird dies etwa an § 26 I der Gemeinde- und Kreisordnung für Thüringen von 1926. Danach waren die Gemeinden berechtigt, Anstalten, Einrichtungen und Betriebe gemeinnütziger und gewerbsmäßiger Art zu betreiben.122 Neben der Anerkennung öffentlicher Unternehmen bestimmten die Gemeindeordnungen, die durch Ortsstatuten ergänzt wurden aber auch, dass die Unternehmensführung nach kaufmännischen Grundsätzen und grundsätzlich in organisatorisch verselbständigter Form zu erfolgen habe. Die Zielrichtung dieser Regelungen zeigt am besten ein zeitgenössisches Schlagwort: „Entbürokratisierung aber nicht Entpolitisierung“ sollte erreicht werden.123 In den folgenden Jahren wurden vermehrt kommunale Betätigungen auf wirtschaftlichen Feldern beschränkende Vorschriften eingeführt. Den Anfang bildete G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 99. G. Ambrosius, Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, S. 25; zu vorhandenen Ansätzen C. Zacher, Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland, S. 200 ff. 121 Vgl. exemplarisch den Sammelband H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, 1922. 122 Zitiert nach F. Fleiner, Institutionen, S. 326 f. 123 G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 84. J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 100, kostatiert, dass einmal entstandene öffentliche Strukturen kaum je wieder in Frage gestellt wurden. 119 120

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Art. 61 der Bayerischen Gemeindeordnung von 1927124, gefolgt von Notverordnungen aus den Jahren 1931125 und 1933126 sowie § 87 des Preußischen Gemeindefinanzgesetzes ebenfalls von 1933127. Den Schlussstrich unter die kontinuierliche Expansion kommunaler Unternehmen128 zogen schließlich 1935 § 67 der Deutschen Gemeindeordnung (DGO)129 und die Eigenbetriebsverordnung von 1938130. Für die weitere Rechtsentwicklung bedeutsam erwiesen sich insbesondere die Regelungen der DGO. Zwar war diese auch im Hinblick auf die Beschränkung kommunaler wirtschaftlicher Tätigkeit relativ unbestimmt.131 Durch sie wurde jedoch erstmalig eine einheitliche Regelung geschaffen.132 Die einschränkenden Bestimmungen galten jedoch nur für neu zu errichtende kommunale Unternehmen. Zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende, etwa des Verkehrs- oder Versorgungsbereichs, genossen Bestandsschutz, so dass diese auch bei Wachstumsprozessen nicht erfasst wurden.133 Darüber hinaus war der Bereich der Daseinsvorsorge nur in relativ geringem Ausmaß betroffen, da insoweit Ausnahmen vorgesehen waren.134 Zu beachten ist jedoch, dass insbesondere die in der Anfangszeit des NS-Regimes entstandenen Bestimmungen trotz ihrer Initiierung durch die Privatwirtschaft135 weniger deren Wohl bei der Beschränkung kommunaler Aktivitäten bewirken sollten, als vielmehr im Einklang mit dem allgemeinen Ausbau der nationalsozialistischen, staatswirtschaftlich geprägten Wirtschaftsordnung136 eine Überforderung der Gemeinden zugunsten des Staates verhindern und der organisatorischen Einordnung der Gemeinden in den Führerstaat dienen sollten. GVBl. S. 293. RGBl. I S. 437. 126 RGBl. I S. 180. 127 GS S. 442. 128 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 73. 129 RGBl. I S. 47. 130 RGBl. I S. 1650. 131 Dies zeigt sich etwa daran, dass nun zwar nicht mehr die Versorgung als solche als öffentlicher Zweck ein kommunales Unternehmen rechtfertigen konnte, da insoweit keine Aussage über die Trägerschaft getroffen wurde, dagegen aber die Verhinderung andernfalls drohenden privaten Monopolmissbrauchs angeführt werden konnte, vgl. G. Püttner, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 27 (30). 132 G. Himmelmann, in: H. Brede / A. v. Loesch, Die Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft, S. 31 (47). 133 H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 73 f.; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 74; G. Püttner, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 27 (29). 134 G. Ambrosius, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 15 (21). 135 W. Berg, WiVerw 2000, 141; K. Stern, AfK 3 (1964), S. 81 (85 f.). 136 G. Himmelmann, in: H. Brede / A. v. Loesch, Die Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft, S. 31 (47); M. Pagenkopf, GewArch 2000, 177 (179 f.); auch U. Steckert, Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, S. 15, hebt den Zusammenhang der Einführung der kommunalwirtschaftlichen Beschränkungen mit der nationalsozialistischen Machtergreifung hervor. 124 125

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Waren diese Regelungen noch allgemein auf gemeindliche wirtschaftliche Betätigung bezogen, so wurden zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft mit dem Energiewirtschaftsgesetz137 und dem Personenbeförderungsgesetz138 erstmals auch Teilbereiche der Daseinsvorsorge derart normiert, dass ihre Gemeinwohlorientiertheit im Vordergrund stand. Damit war nicht mehr die Trägerschaft eines Unternehmens, sondern sein Gegenstand für die Zuordnung zu einem bestimmten, sozial geprägten Pflichtenregime entscheidend. Für die in den entsprechenden Bereichen tätigen kommunalen Unternehmen ergab sich aus dem Zusammenwirken dieser Regelungen mit denen der DGO zugleich eine Separierung von anderen Unternehmen der Gemeinde und die Begründung eines eigenständigen Bereichs der kommunalen Daseinsvorsorge.

II. Die Konzeption Forsthoffs Das Verdienst der Schöpfung und maßgeblichen Entwicklung des Daseinsvorsorgebegriffs kommt Forsthoff zu. Allerdings unterwarf er ihn, im Einklang mit der politischen Entwicklung in Deutschland, geradezu gravierenden Änderungen.139 1. Daseinsvorsorgekonzeption im Dritten Reich Bei der Entwicklung des Daseinsvorsorgebegriffs nahm Forsthoff eine „Wirklichkeitsanalyse“140 vor und verglich die von ihm vorgefundene Situation mit der freiheitlich-rechtsstaatlichen Dogmatik der Verwaltungswissenschaft, der er – nicht zu Unrecht – vorwarf, blind für die soziale Wirklichkeit zu sein.141 Anders als jene ging er von der typischen, keinen Eingriff seitens der Verwaltung beinhaltenden Lebenssituation eines Bürgers aus. Dabei erkannte er zunächst den Unterschied zwischen dem effektiven und dem beherrschten Lebensraum des Einzelnen.142 RGBl. (1935) I S. 1451. RGBl. (1935) I S. 1217. 139 D. Scheidemann, Der Begriff Daseinsvorsorge, S. 172; weniger dramatisch G. Püttner, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 45 (47). 140 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 48 = Rechtsfragen, S. 44. Im Jahre 1930 sah bereits J. Ortega y Gasset, Der Aufstand der Massen, S. 163, den Menschen des 19. Jahrhunderts von einem „vorsorgenden Staat“ umgeben. Zur methodischen Notwendigkeit dieses Ansatzes schon E. Forsthoff, DR 1935, 398. 141 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 8 = Rechtsfragen, S. 28 f.; allgemein zur Notwendigkeit des Ansatzes an der Verwaltungswirklichkeit, allerdings ideologiebeladen, ders., DR 1935, 331 (331 f.). 142 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 4; ders., in: ders., Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 (146); mit teilweise leicht abweichenden Begrifflichkeiten bereits ders., DR 1935, 398. 137 138

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Den effektiven Lebensraum definierte er als den Raum, in dem sich dessen Dasein abspiele.143 Der beherrschte Lebensraum sei dagegen derjenige, über den der Einzelne Verfügungs- und Gestaltungsmacht habe,144 also seine gesicherte Lebensbasis. Je größer dieser beherrschte Raum nun sei, desto geringer sei seine soziale Bedürftigkeit, d. h. die Angewiesenheit auf die Zugänglichmachung einer Leistung im Wege der Appropriation.145 Bedingt durch die industriell-technische Entwicklung, die zu einer Deregulierung der herkömmlichen Sozial- und Wirtschaftsverfassung geführt habe,146 sei es zu einer Reduzierung des beherrschten bei gleichzeitiger bedeutender Erweiterung des effektiven Lebensraumes gekommen.147 Die so entstandene Lücke werde nun durch die „Daseinsvorsorge“ ausgefüllt. So bezeichnete er die Veranstaltungen zur Befriedigung des Appropriationsbedürfnisses148 und somit die Vorsorge für die Lebensnotwendigkeiten bzw. die Daseinsmöglichkeit überhaupt.149 Kriterien für Aufgaben der Daseinsvorsorge seien die Zweiseitigkeit des Leistungsverhältnisses und die Angewiesenheit des Einzelnen auf dessen Bestand.150 Jenem stehe es jedoch im Belieben, ob er auf die Leistung zugreife.151 Nicht zur Daseinsvorsorge gehörten demnach Hoheitsaufgaben, einseitige Leistungsverhältnisse der Verwaltung, z. B. die staatliche Fürsorge wegen individueller Notlagen,152 die Gerichtsbarkeit, sowie zweiseitige Rechtsverhältnisse wie die Zugehörigkeit zu berufsständischen Gliederungen.153 Zur Daseinsvorsorge gehörte somit, was Folge sozialer Umschichtungen war.154 Von der Frage der Qualifizierung als Daseinsvorsorgeaufgabe zu trennen sei die Daseinsverantwortung als die Verantwortung zur Befriedigung des Appropriations143 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 4 f., 25. Ähnliches meinte wohl auch J. Ortega y Gasset, Der Aufstand der Massen, S. 118, der bezogen auf den von ihm so bezeichneten „Massenmenschen“ von einer „ungehemmte(n) Ausdehnung seiner Lebenswünsche und darum seiner Person“ sprach. 144 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 5, 25. 145 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 5 f. = Rechtsfragen, S. 26. Zum Begriff der Appropriation siehe M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 23 ff., der darunter dauerhafte und unentziehbere Positionen Einzelner oder Gruppen in geschlossenen sozialen Beziehungen versteht. 146 H.G. Hockerts, in: W.-Raymond-Stiftung, Sozialstaat, S. 27. 147 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 5; ders., in: ders., Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 (147). D. Grimm, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 27 (44), folgert daraus eine erhöhte gesellschaftliche Interdependenz und dementsprechend eine höhere Störungsanfälligkeit. 148 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 6 = Rechtsfragen, S. 26. Begrifflich hinführende Bemerkungen finden sich schon in ders., DR 1935, 398 (400). 149 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 12 = Rechtsfragen, S. 32; zustimmend A. Köttgen, Deutsche Verwaltung, S. 172. 150 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 42 = Rechtsfragen, S. 38. 151 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 40 = Rechtsfragen, S. 37. 152 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 47 = Rechtsfragen, S. 43. 153 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 41 = Rechtsfragen, S. 37 f. 154 H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 66.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

bedürfnisses. Diese könne verschiedenen Trägern anheim fallen. In der Zeit des beginnenden Hochkapitalismus sei dieser Träger noch jedes Individuum selbst gewesen. Diese individuelle Daseinsverantwortung sei aber ab der Mitte des 19. Jahrhunderts von einer kollektiven, auf der Solidarität der sozialen Gruppen basierenden abgelöst worden. Erst in der Zeit des Nationalsozialismus sei es zur Entwicklung der politischen Daseinsverantwortung, nämlich durch Staat und Partei, gekommen.155 Dies war insoweit folgerichtig, als er erkannte, dass mit der Einschränkung der Privatautonomie in einer Planwirtschaft, wie aber auch in einer durch diktierte Verträge geprägten freien Marktwirtschaft,156 die soziale Bedürftigkeit des Einzelnen im oben genannten Sinne wächst157 und somit die Notwendigkeit überindividueller Daseinsvorsorge gegeben ist. Deren Risiken wiederum seien von der als Individuen profitierenden Gemeinschaft zu tragen.158 Ziel des Staates sei es, eine „gerechte, sozial angemessene Gestaltung der Appropriationschancen“ zu verwirklichen und somit eine gerechte Sozialordnung zu schaffen.159 Zu diesem Zweck sah Forsthoff es als unerlässliche staatliche Aufgaben an, ein angemessenes Verhältnis von Lohn und Preis bei gleichzeitigem Recht auf Arbeit und angemessenem Lohn zu schaffen, eine Bedarfs-, Erzeugungs- und Umsatzlenkung vorzunehmen sowie diejenigen Leistungen anzubieten, die für die Menschen in der Massengesellschaft lebensnotwendig sind.160 Zugleich erkannte er die intensive Abhängigkeit des Menschen vom versorgenden Staat.161 Als Vertreter der nationalsozialistischen Rechtswissenschaft162 konnte er jedoch kein Grundrecht auf die Bereitstellung der jeweiligen Leistungen anerkennen,163 da er im Einklang mit seiner Zeit von der Überlebtheit individueller Grundrechte ausging. Als eigenverantwortlichen Garanten für die Durchführung sah er stattdessen die Verwaltung an, deren Gesetzmäßigkeit er unangetastet sah.164 Diese übernehme durch die Daseinsvorsorge zudem eine sozio-politische Stabilisierungsfunktion der staatlichen Herrschaftsordnung.165 Eine juristische E. Forsthoff, Verwaltung, S. 6 = Rechtsfragen, S. 26 f. Zum Problem der Übermacht monopolistischer Konzerne siehe schon E. Rosenthal, Der Wandel der Staatsaufgaben, S. 25. 157 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 38 f. = Rechtsfragen, S. 35 f. 158 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 40 = Rechtsfragen, S. 37. 159 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 13 = Rechtsfragen, S. 32. 160 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 7 = Rechtsfragen, S. 27. 161 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 8 = Rechtsfragen, S. 28; ders., DR 1935, 398 (398 f.); ebenso H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 193. 162 Zur umstrittenen Rolle Forsthoffs im Dritten Reich siehe M. Ronellenfitsch, in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (53 ff.). 163 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 46 = Rechtsfragen, S. 42. 164 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 1 f. = Rechtsfragen, S. 22; vgl. bereits mit Einschränkungen ders., DR 1935, 331 (331 f.); deutlicher ders., DR 1935, 398, dort, S. 400, auch in Abgrenzung zur „Führung“. 165 U. Storost, Staat und Verfassung, S. 215. 155 156

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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Verfestigung der Teilhabe des einzelnen an Leistungen der Verwaltung zur Minimierung von Lebensrisiken in der verstädterten Lebensweise geschehe durch wirtschaftslenkende Gesetze wie das PBefG oder das EnWG.166 Für die Durchführung der Aufgaben der Daseinsvorsorge sah er innerhalb des Staatsaufbaus das Reich selbst, allenfalls die Kreise als geeignet an, nicht aber die Gemeinden, die wegen ihrer unterschiedlicher Größen- und Strukturverhältnisse einen einheitlichen Standart nicht gewährleisten könnten.167 Allerdings verlangte er nicht die vollständige Verstaatlichung der Daseinsvorsorge. Wie die von ihm angeführten, Teilbereiche der Daseinsvorsorge regelnden Gesetze zeigen, sah er die Lenkung der Daseinsvorsorge durch die Verwaltung als ausreichend an.

2. Daseinsvorsorgekonzeption unter dem Grundgesetz Nach den politischen Umwälzungen in Deutschland nach 1945 und einer intensiven Diskussion über seine ursprüngliche Daseinsvorsorgekonzeption konnte Forsthoff mit Recht eine freiwüchsige Entwicklung der Materie168 feststellen. Dem war jedoch deren wesentliche, teilweise in sich nicht vollständig widerspruchsfreie Umgestaltung nicht zuletzt durch ihn selbst169 vorausgegangen. Er sah die Daseinsvorsorge nunmehr als eine der Verwaltung durch den industrielltechnischen Prozess zugewachsene170 und somit öffentliche Aufgabe an, die zwar nicht alleinige Angelegenheit des öffentlichen Rechts171 aber dennoch stets öffentliche Verwaltung172 und eben nicht Wirtschaftstätigkeit173 sei. Er interpretierte den Begriff ausschließlich sachbezogen174 und bezog ihn auf allgemein zugängliche Verwaltungsleistungen, unabhängig von ihrer Rechtsform und Lebensnotwendigkeit.175 Die Daseinsvorsorge wurde somit zum Zwischenbereich zwischen hoheitlicher und fiskalischer Verwaltung und zwischen Etatismus und marktwirtschaftlichem Erwerbsstreben angesiedelt,176 wobei aus ihrer sozialen Funktion sowohl E. Forsthoff, Verwaltung, S. 38 = Rechtsfragen, S. 35. E. Forsthoff, Verwaltung, S. 48 f. = Rechtsfragen, S. 44 f. Verstärkend dürfte auch die Krise der kommunalen Selbstverwaltung gegen Ende der Weimarer Republik, vgl. E. Mäding / H. Tigges / H. Hack, Entwicklung der öffentlichen Aufgaben, S. 12, gewirkt haben, in der die Grenze originärer gemeindlicher Leistungsfähigkeit offen zutage trat. 168 E. Forsthoff, Lehrbuch, S. 368. 169 Zusammenfassend K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 29 f. 170 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 4, 9; ders., VVDStRL 12 (1954), S. 8 (13). 171 E. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 56. 172 E. Forsthoff, Lehrbuch, S. 370. 173 W. Löwer, Energieversorgung, S. 120. 174 E. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 11. 175 E. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 12 f.; Lehrbuch, S. 370. 176 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 10. 166 167

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Schranken für das Gewinnstreben als auch die Notwendigkeit der Eingehung unwirtschaftlicher Risiken folge.177 Nicht zuletzt deshalb hielt er auch die Privatisierung von bestehenden lukrativen kommunalen Betrieben für nicht wünschenswert, weil dadurch die Einheit der Daseinsvorsorge zerstört und die Möglichkeit sozialer Absicherung verloren ginge.178 Zudem setzte er in diesem Zusammenhang die Begriffe staatlich und krisenfest wohl gleich.179 Mit der Verantwortung der Verwaltung verband er – wohl nicht zuletzt aus den historischen Erfahrungen heraus – jedoch zugleich die Gefahr, dass die Daseinsvorsorge sich in ein Herrschaftsmittel verwandeln könne.180 Hinsichtlich der Begründung der Notwendigkeit einer überindividuellen, staatlichen Daseinsvorsorge knüpfte er an seinen früheren Erkenntnissen an und erweiterte diese. Er stellte fest, dass mit der Schrumpfung des beherrschten Lebensraums der Einzelne über wesentliche Mittel der Daseinsstabilisierung die Verfügungsgewalt verloren hatte.181 Dies hätte dazu geführt, dass der weiträumig lebende Mensch182 in der hoch industrialisierten Gesellschaft nicht mehr autonom und autark existieren könne183 und somit im „Zustande weitgehender Bedürftigkeit“ lebe, die organisierter Vorkehrungen und umfangreicher Versorgungsapparaturen zur Erhaltung der Lebensnotwendigkeiten bedürfe.184 Die soziale Bedürftigkeit sei dabei unabhängig vom jeweiligen Vermögen, ihr zu begegnen und die Stabilisierung des Daseins zu betreiben sei die staatliche bzw. kommunale Aufgabe der Daseinsvorsorge.185 Deren Umfang sei jedoch nicht fest vorherbestimmt sondern von den allgemeinen Lebensumständen abhängig,186 so dass eine elastische Anpassung an die soziale Bedürfnisse zu erfolgen habe.187 Er umfasse aber jedenfalls alles, was zur Sicherstellung der physischen Existenz des Menschen notwendig sei.188 Als Leitbild habe „der in seinen Daseinsbedingungen im Maße des Möglichen gesicherte Bürger“, nicht der seiner Personenhaftigkeit entkleidete bestversorgte Endverbraucher zu dienen.189 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 14. E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 15. Innerhalb des Verbundes staatlicher oder kommunaler Daseinsvorsorgebetriebe befürwortete er überdies einen finanziellen Ausgleich, vgl. E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 14. 179 E. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 21. 180 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 9; ders., in: ders., Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 (150). 181 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 6. 182 E. Forsthoff, in: ders., Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 (147). 183 E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 76. 184 E. Forsthoff, in: ders., Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 (147). 185 E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 76; Daseinsvorsorge, S. 6 f. 186 E. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 12; A. v. Mutius, in: FS G. Chr. v. Unruh, S. 227 (247). 187 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 14. 188 E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 77. 189 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 11. 177 178

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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Eine tatsächliche Einbindung der Daseinsvorsorge in das rechtsstaatliche Verfassungsrecht der Bundesrepublik gelang Forsthoff jedoch nicht.190 Er ging vielmehr davon aus, dass eine freiheitsverbürgende Verfassung wie das Grundgesetz keine Lösung der sozialen Herausforderungen bieten könne.191 Als einzigen Anknüpfungspunkt sah er den von ihm im Verhältnis zum Rechtsstaat als nur sekundär bedeutsam betrachteten 192 Sozialstaat, den er als Staat der Daseinsvorsorge und somit der Leistung und Verteilung charakterisierte,193 weshalb er auch eine stark sozialstaatsbetonte Auslegung des GG nahe legte.194 Verstärkt werden sollte dies noch durch die Definition der Daseinsvorsorge aus einem anderen Blickwinkel heraus, nämlich als durch das öffentliche Recht, insbesondere die Grundrechte, geschützte Teilhabe des Bürgers.195 Auch betrachtete er die Daseinsvorsorge als unabhängig von der kommunalen Selbstverwaltung,196 die er aber wiederum durch die Existenzbedingungen des Menschen zum Zwecke einer angemessenen Daseinsermöglichung gerechtfertigt sah. Dennoch betrachtete er die Gemeinden als Nächstbetroffene faktisch und richtigerweise197 als Träger der Daseinsvorsorge.198 Letztlich hielt er seine Konzeption der Daseinsvorsorge jeglicher politischen Verfassung für existentiell überlegen199 und stellte sie somit ober- oder zumindest außerhalb der Verfassung als immerwährende Verwaltungsaufgabe heraus.

3. Die Problematik der Konzeption Forsthoffs Auch wenn die Erkenntnisse Forsthoffs als wegweisend für die Verwaltungsrechtswissenschaft bis heute anzusehen sind, so ist es nicht möglich, ohne kritische Hinterfragung an sein Konzept anzuknüpfen. a) Vereinbarkeit mit dem freiheitlichen Staatsverständnis So richtig und zustimmungswürdig die Erkenntnisse Forsthoffs hinsichtlich der von ihm als Ausgangspunkt vorgenommenen Analyse der sozialen Wirklichkeit sind,200 so problematisch sind seine Schlussfolgerungen. Auch wenn er sich E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 78. E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 7 f. 192 E. Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), S. 8 (14 f., 29). 193 E. Forsthoff, in: ders., Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 145 (149). 194 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 8. 195 E. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 10. 196 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 20. 197 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 24; ebenso F. Zeiß, DÖV 1958, 201 (203). 198 E. Forsthoff, Daseinsvorsorge, S. 9 f. 199 E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 79. 200 Vgl. P.M. Mombaur, in: FS G.Chr.v. Unruh, S. 503, der zusätzlich das Bevölkerungswachstum und die Trennung der Lebensfunktionen hervorhebt. 190 191

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

bemühte, seine Konzeption der Daseinsvorsorge dem freiheitlichen Staat anzupassen, so geht doch sein Denken vom Staat her fehl. Es bleibt deutlich erkennbar, dass er von einer Staatskonzeption ausgeht, die den privaten Charakter der Einzelexistenz weitgehend aufhebt.201 Die von ihm richtig erkannte Massengesellschaft wird nicht auf die sie bildenden Individuen zurückgeführt, sondern als unteilbarer Block mit einheitlichen elementaren Lebensbedürfnissen betrachtet. Durch die Vernachlässigung von Freiheitsrechten und Verhältnismäßigkeit wird der Grenzverlauf zwischen Staat und Gesellschaft überdies ins Ermessen des Staates gestellt.202 Die Daseinsvorsorge im Forsthoffschen Sinn ist zudem Teil der staatsphilosophischen203 Konzeption eines autoritären und totalen Verwaltungsstaats,204 da der Verwaltung letztlich eine überaus starke Stellung eingeräumt wird. Trotz ihrer Bindung im freiheitlichen Rechtsstaat durch Art. 20 III GG205 erscheint dies im Hinblick auf die in vielfacher Hinsicht gegebenen Grundrechtsbezüge problematisch. Dass Daseinsvorsorgeleistungen allerdings nicht zwingend von der Verwaltung selbst erbracht werden müssen, da es andernfalls zu einer vollständigen Wirtschaftslenkung käme,206 hat zwar auch Forsthoff zumindest zeitweise selbst gesehen. Dass sie jedoch nicht einmal unbedingt öffentlich-rechtlich erbracht werden müssen, erkannte er nicht. Die Möglichkeit privatrechtlicher Erbringung ergibt sich aber sowohl aus der deutschen Tradition der Darbietung entsprechender Leistungen als auch aus der anderweitigen Gefahr der Unterwerfung und Entpersonifizierung des Einzelnen. Eine soziale Pflichtgebundenheit des Leistungserbringers ist grundsätzlich als ausreichend anzusehen.207 Andere Kritikpunkte beruhen demgegenüber auf einem unzutreffenden Verständnis der Konzeption Forsthoffs. Wenn er auch keine deutliche Abgrenzung zwischen staatlicher Daseinsvorsorge und individueller Lebensgestaltung und Bedarfsdeckung vornahm,208 so sollte doch keine Verdrängung der individuellen Ver201 H. Cox, Organisation, S. 2; H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (312); D. Scheidemann, Der Begriff Daseinsvorsorge, S. 171; kritisch auch K. Windthorst, CR 2002, 118 (119). 202 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 75 f. 203 G. Püttner, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 45 (47). 204 H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 13; U. Storost, Staat und Verfassung, S. 84, 136; dahingehend auch B. Börner, BayVBl. 1971, 406 (407); K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 88; W. Löwer, Energieversorgung, S. 111; G. Püttner, Unternehmen, S. 9. Gleichsam als Kronzeuge lässt sich auch E. Forsthoff, DR 1935, 398 (399), heranziehen. J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 100 (102), bemängelt die ideologische Aufladung des Begriffs „Daseinsvorsorge“. 205 U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 30. 206 H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (313); U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 30; Th. Maunz, VerwArch 50 (1959), S. 315 (318). 207 Th. Maunz, VerwArch 50 (1959), S. 315 (320 ff.). 208 H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (312); H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 14.

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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antwortung durch eine staatliche erfolgen.209 Vielmehr tritt nach seiner Vorstellung die staatliche zur individuellen Verantwortung in verstärktem Maße hinzu. Fehl geht daneben in Bezug auf Forsthoff, nicht aber auf die von ihm angestoßene Entwicklung, die Feststellung, das Daseinsvorsorgekonzept diene der Begründung neuer Staatsaufgaben, ohne dass deren Grenzen aufgezeigt würden.210 Zu keiner Zeit erfolgte die Verwendung des Begriffs der Daseinsvorsorge durch seinen Erfinder kompetenzbegründend.211 Allerdings übersah Forsthoff den zweiten Aspekt der Daseinsvorsorgetätigkeiten. Neben der Volksbedarfsdeckung stellen diese auch einen bedeutenden volkswirtschaftlichen Faktor dar.212 Sicherlich ist aber die persönliche Bedarfsdeckung als die für das Gesamtinteresse wichtigere Seite der Medaille anzusehen, so dass dieser Einwand gegen die Konzeption letztlich nicht von grundlegender Bedeutung ist.

b) Die Eignung des Daseinsvorsorgebegriffs als Rechtsbegriff Weitere Kritikpunkte betreffen den Daseinsvorsorgebegriff als solchen. In diesem werden soziologische Analyse, juristische Dogmatik sowie politische Zielvorstellungen verknüpft.213 Durch den fehlenden Bezug zu Einzelaufgaben oder auch nur die Möglichkeit, diese anhand eindeutiger Kriterien herauszufiltern, mag er als wenig nützlich erscheinen.214 Insbesondere das Abstellen auf die Lebenswichtigkeit einer Aufgabe bzw. die Angewiesenheit des Menschen auf diese ist nicht hilfreich, da insoweit auch Textilindustrie, Bauwirtschaft und Bäcker und schließlich sogar (in der modernen Gesellschaft) Geld und Kraftfahrzeuge215 von Bedeutung sind, die aber auch von Forsthoff selbst nie der Daseinsvorsorge zugerechnet wurden. Schließlich erscheint es auch fraglich, ob allein aus der gemeinsamen Zweckrichtung bestimmter Tätigkeiten oder Unternehmen auf eine einheitliche juristische Behandlung geschlossen werden kann,216 zumal diese überaus heterogen sind.217 So aber U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 28. H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 75. 211 J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 100 (102); W. Löwer, Energieversorgung, S. 120. 212 H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (312). 213 P. Badura, DÖV 1966, 624 (626); H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (312); ders., DÖV 1960, 41; H. Hill, BB 1997, 425 (427); Th. Maunz, VerwArch 50 (1959), S. 315 (319); H. Matzerath, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 3 (4); H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 9 ff.; H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 80; kritisch zu dieser Vorstellung M. Ronellenfitsch, VVDStRL 62 (2003), S. 337 (358). 214 D. Scheidemann, Der Begriff Daseinsvorsorge, S. 232. 215 V. Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, S. 60; H.-J. Krieger, Schranken, S. 12; Th. Maunz, VerwArch 50 (1959), S. 315 (319). 216 Th. Maunz, VerwArch 50 (1959), S. 315 (319). 217 H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 76. 209 210

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Das Hauptproblem des Daseinsvorsorgebegriffs ist jedoch seine begriffliche Weite,218 welche die Frage nach seiner Eignung als Rechtsbegriff aufwirft.219 Ein solcher muss als klar erkennbarer Anknüpfungspunkt für genau bestimmte Rechtsfolgen dienen können. Vereinzelt wird vertreten, der Daseinsvorsorgeauftrag stelle zumindest Anforderungen organisatorischer Art insofern, als der Staat zur Schaffung eines Rahmens verpflichtet sei. Dies wiederum genüge, um ihn als Rechtsbegriff anzuerkennen.220 Dagegen wird der Daseinsvorsorgebegriff von den meisten Stimmen in der Literatur als „pauschalisierende Grobformel“221 und damit als zu konturlos222, unscharf und überdies irreführend223 angesehen, um ihn als Rechtsbegriff im technischen Sinne ansehen und aus ihm Rechtsfolgen abgeleiten zu können.224 Dies ist insofern richtig, als er sich tatsächlich wegen seiner Offenheit,225 die eines seiner Wesensmerkmale ist, nicht dazu eignet, eine scharfe Abgrenzung zu anderen Bereichen vorzunehmen. 218 P. Badura, DÖV 1966, 624 (627); V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 99; M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 19; A. Köttgen, Gemeindliche Daseinsvorsorge, S. 8; F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (558); dieses Problem erkennt auch E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, S. 77, an, wobei er aber darauf verweist, dass die Daseinsvorsorge historisch bedingt ohnehin nicht im Begriffssystem der rechtsstaatliche Verfassung unterzubringen sei. Dagegen hält R. Herzog, Staat und Recht im Wandel, S. 86, den Begriff der Daseinsvorsorge für zu eng für die moderne Staatlichkeit. 219 F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (560). 220 R. Maaß, Wettbewerb, S. 56 f. Ähnlich wohl auch U. Brandl, BayBgm 2002, 52, der den Begriff der Daseinsvorsorge sowohl als unbestimmten Rechtsbegriff als auch als „Gegenstand gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen“ ansieht. Für eine Anerkennung als Rechtsbegriff auch G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 95, unter Verweis auf die Übernahme des Begriffs in die Gesetzessprache im Zuge von Post- und Bahnreform; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (294); ders., VVDStRL 62 (2003), S. 357 (358); ders., in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (73). V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (17), spricht von einem „Rechtsinstitut“. 221 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 353. 222 S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (81); J. Gerke, Jura 1985, 349 (352); W. Löwer, DVBl. 1991, 132 (136); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 368; ähnlich Chr. Koenig / J. Kühling, DÖV 2001, 881 (882); P.J. Tettinger, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 23 (26); ausführlich zur fehlenden präzisen Begriffs- und Bereichsbestimmung bei Forsthoff siehe W. Löwer, Energieversorgung, S. 113 f. 223 J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 100 (101); G. Püttner, Unternehmen, S. 31. B. Börner, BayVBl. 1971, 406, spricht gar vom „Unbegriff Daseinsvorsorge“. 224 M. Dreher, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 33 (34); H. Fischerhof, DÖV 1960, 41 (46); E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 155; H. Hill, BB 1997, 425 (427); J. Hellermann, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (88); H.-J. Krieger, Schranken, S. 13; F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (564); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 394; H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 11 f.; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 109; anders M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89, unter Verweis auf § 1 Abs. 1 BRegG; wohl auch W. Zitscher, Daseinsvorsorge, S. 53. 225 U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 41 f.; D. Scheidemann, Der Begriff Daseinsvorsorge, S. 166; J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (338).

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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Gleichwohl kann er aber durchaus als deskriptiver226 Sammelbegriff für von der öffentlichen Hand durchgeführte oder veranlasste Tätigkeiten herangezogen werden,227 die der Befriedigung von Bedürfnissen breiter Bevölkerungsmassen hinsichtlich ihrer sozialen Einbindung in die Gesamtgesellschaft und ihrer Versorgung mit bestimmten, für eine zeitgemäße Lebensführung unerlässlichen Gütern und Leistungen dienen und auf die diese mangels eigener Erschaffungsmöglichkeit angewiesen sind.228 In diesem Sinne wird der Begriff auch im Folgenden verwandt.

III. Daseinsvorsorge heute Die Daseinsvorsorge ist heute ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil von Recht und Wirklichkeit, wenn auch der inhaltliche Bezug zur Konzeption Forsthoffs nur noch in Ansätzen erkennbar ist. Ihre Entwicklung ist bis heute nicht zum Stillstand gekommen und erlebt aktuell, nicht zuletzt durch EG-rechtlich bedingte Reformen,229 einen erneuten Aufschwung.

1. Verständnis Übereinstimmung darüber, was unter dem heute mit Selbstverständlichkeit benutzten Begriff der Daseinsvorsorge zu verstehen ist, konnte bislang nicht in allen Punkten erzielt werden. Bis heute fehlt es an einer stimmigen rechtlichen Dogmatik der Daseinsvorsorge.230 Das ihr zugrunde liegende Konzept kann durchaus als „strukturell diffus“231 bezeichnet werden. Teilweise wird der Terminus in einem weiteren, auch die innere und äußere Sicherheit232 sowie die individuelle Nothilfe 226 So auch M. Eumann, Organisationsrechtliche Probleme, S. 54; H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (17); G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 119; W. Löwer, DVBl. 1991, 132 (137); H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 12; P.J. Tettinger, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 28 Abs. 2 Rn. 207; ders., in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 23 (26). 227 Ausdrücklich gegen die Verwerfung des Begriffs „Daseinsvorsorge“ auch M. Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 255 (258); ders., in: FS W. Brohm, S. 35 (36); Chr. Heinze, BayVBl. 2004, 33 (36); dafür aber G. Kühne, in: J.F. Baur, Regulierter Wettbewerb, S. 65; G. Püttner, DÖV 2002, 731 (733 f.); R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 (247). 228 Ähnlich F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (560); K. Schäfer / F. Gercke / D. Galonske / S. Losch, Daseinsvorsorge im ländlichen Raum, S. 5. 229 Den insoweit bestehenden Zusamenhang betont auch F. La Roche-Thomé, in: R. Pitschas / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 27. 230 G. Püttner, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 45 (48); ders., in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 32 (35 f.), unter Hinweis auf die weitgehend fehlende Aufnahme insbesondere in der verwaltungsrechtlichen Lehrbuchliteratur. 231 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 81. 232 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 291.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

als Teil der sozialen Sicherheit233 umfassenden Sinn gebraucht und von der hier allein interessierenden „Daseinsvorsorge im engeren Sinn“ unterschieden.234 Der Begriff wird jedoch stets auf jene Bereiche bezogen, welche die Versorgung mit Leistungen und Gütern betreffen, die für den Einzelnen sowie die Gesamtheit existenznotwendig sind, dafür gehalten werden235 oder auch nur nützlich sind236, und der Leistungsverwaltung zugerechnet.237 Er umschreibt öffentliche Dienstleistungen, Dienstleistungen im Allgemeininteresse oder im öffentlichen Interesse.238 Stets ist somit eine Gemeinwohlorientiertheit gegeben.239 Ziel ist die Befriedigung standardisierter Bedürfnisse für jedermann,240 wobei die Ermöglichung und Sicherung eines Daseins, das auf „personaler Existenz, persönlichem Selbstbewusstsein, eigenständiger Seinsgestaltung“241 beruht, im Vordergrund steht. Die Daseinsvorsorge ist somit „Vorsorge zur optimalen Freiheitsverwirklichung“242. Sie umfasst zumindest diejenigen Dienstleistungen und Güter, die „für die tatsächliche Gebrauchmachung des grundrechtlich abgesicherten Freiheitsbereichs unerlässlich sind.“243 Daher fällt auch die Schaffung von Möglichkeiten zur sozialen Teilnahme am Gemeinwesen und der Selbstverwirklichung in der Gemeinschaft darunter.244 Nicht entscheidend ist aber die Dringlichkeit für den Einzelnen,245 wenn auch der Begriff „Daseinsvorsorge“ zum Ausdruck bringt, dass im jeweiligen Bereich ein Anspruch auf Bereitstellung des elementaren lebenswichtigen Bedarfs besteht, aus dem dann ein staatlicher Sicherstellungsauftrag folgt.246 Wichtig ist vielmehr der 233 U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 36; ebenso nur wenige Jahre nach der Einführung des Daseinsvorsorgebegriffs A. Köttgen, Deutsche Verwaltung, S. 173 ff.; noch weitergehend unter Einschluss der Verhaltenssteuerung Dritter im Interesse bestimmter Personengruppen U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (167). 234 Vgl. dazu W. Rüfner, HdStR III, § 80 Rn. 6 ff.; zustimmend W. Löwer, Energieversorgung, S. 114 f. 235 B. v. Maydell, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 41 (42); H.-J. Vogel, BayVBl. 2000, 673 (676); H.F. Zacher, HdStR I, § 25 Rn. 58. 236 M. Eumann, Organisationsrechtliche Probleme, S. 53. 237 P. Badura, DÖV 1966, 624 (628); E. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 10; U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 32; W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 159 (162); F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (560). 238 H. Cox, Organisation, S. 2. Zur Begriffsverwendung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung siehe H.-J. Papier, DVBl. 2003, 868. 239 R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427; ders., in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (12); J. Hellermann, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (79); G. Kühne, in: J.F. Baur, Regulierter Wettbewerb, S. 65. 240 A. Köttgen, Gemeindliche Daseinsvorsorge, S. 71. 241 E.R. Huber, in: FS E. Forsthoff, S. 139 (163). 242 U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 41. 243 G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 119. 244 H. Hill, BB 1997, 425 (427). 245 H.-J. Krieger, Schranken, S. 13; F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (561 f., 656). 246 H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 49 (50).

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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Gedanke der Versorgung.247 Letztlich geht es also um die Minderung sozialer Risiken für den Einzelnen.248 So fällt nach heutigem Verständnis zwar das Angebot einer Busverbindung, nicht aber die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln unter den Daseinsvorsorgebegriff, als dessen prägendes Element im Übrigen der Austausch von Leistungen anzusehen ist.249 Die Frage, welche Aufgaben im Einzelnen zur Daseinsvorsorge gehören, ist grundsätzlich zeitbezogen politisch250 zu beantworten, wobei stets auf den fiktiven Normalbürger abstellen ist.251 Daher birgt der Daseinsvorsorgebegriff die Gefahr in sich, ein „Einfallstor für die Politik ins Recht“252 zu sein. Grundsätzlich erfasst der Begriff der Daseinsvorsorge jedoch nur marktbezogene Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden und von Behörden mit spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden.253 Dennoch erscheint es denkbar, die Daseinsvorsorge abhängig von regionalen Bedingungen zu bestimmen. Im ländlichen Raum könnte so eine weitere Fassung des Begriffs erfolgen, so dass dort etwa auch die Sicherung lebenswichtiger handwerklicher oder ärztlicher Dienste, sowie Arbeitsplatzschaffung und -erhaltung darunter fallen könnten.254 Dagegen spricht allerdings die in diesen Fällen fehlende Zweiseitigkeit und Entgeltlichkeit.255 Die Aufgabe dieser Kriterien würde den Begriff der Daseinsvorsorge allerdings endgültig unbrauchbar machen, da dann eine Abgrenzung etwa zu reinen Fürsorgeleistungen nicht mehr möglich ist. Auch ließen sich die entsprechenden Leistungen kaum noch eingrenzen, wie besonders das Beispiel der „lebenswichtigen“ handwerklichen Dienste zeigt, das sich jeglicher näheren Bestimmung entzieht, zumal auf das jeweilig erreichte Lebensniveau abzustellen ist. 247 H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 9; dahingehend auch R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225. 248 S. Leibfried, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 158. 249 Vgl. H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 9; G. Püttner, Unternehmen, S. 240; G.F. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 97. 250 J. Hellermann, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (81); ähnlich W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (120 f.). Die Zeitbezogenheit zeigt sich etwa bei K. Schäfer / F. Gercke / D. Galonske / S. Losch, Daseinsvorsorge im ländlichen Raum, S. 6, die auch die Bauleitplanung und die Bodenvorratswirtschaft zur Daseinsvorsorge rechneten. Nach H.-J. Papier, DVBl. 2003, 868, spiegele das jeweilige Begriffsverständnis nicht zuletzt den Zeitgeist wieder. 251 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 73. 252 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 80. 253 E. Röper, Der Staat 37 (1998), S. 249; ebenso EG-Kommission, KOM(2000) 580 endg., S. 42. Anders P. Eichhorn, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 15 (18), der sich an der Terminologie einiger Gemeindeordnungen orientiert und daher Daseinsvorsorge mit fehlender Marktbezogenheit gleichsetzt. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Gemeindeordnungen die „Nichtwirtschaftlichkeit“ zumeist nur fingieren, vgl. dazu unten C.V.2. 254 K. Schäfer / F. Gercke / D. Galonske / S. Losch, Daseinsvorsorge im ländlichen Raum, S. 6; vgl. auch Europäisches Parlament, Entschließung, Erwägung N. 255 Vgl. H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 9.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Zu den Leistungen der Daseinsvorsorge, welche dies im Einzelfall auch sein mögen, müssen jedem Einzelnen Zugang und Leistungsgewährung gleichermaßen eröffnet sein.256 Daher ist es notwendig, ohne Rücksicht auf Sonderfälle und Wirtschaftlichkeitserwägungen Versorgungssicherheit, Kontinuität, flächendeckende Erbringung und erschwingliche Preise bei gleichzeitiger Sicherstellung einer bestimmten Qualität und der Berücksichtigung als wichtig eingestufter Belange sicherzustellen.257 Für den Erbringer ist damit eine Erledigungspflicht verbunden.258 Als Nebenfolge der Daseinsvorsorge kann es zu einer Entschärfung des sozialen Gefälles kommen. Grundsätzlich ist es aber nicht deren Aufgabe, einen Ausgleich sozialer Disparitäten herzustellen oder Umverteilungen vorzunehmen.259 Allenfalls in Bezug auf Sozialtarife und eine kostenunabhängige Stadt-LandGleichheit lässt sich die Daseinsvorsorge als Mittel der Umverteilung verstehen.260 Dies ist jedoch gleichsam nur sozial(staatlich) motivierte Nebenfolge. Im Mittelpunkt steht die Erbringung der Leistung überhaupt.261 Auf überindividuellem Niveau kann die Daseinsvorsorge jedoch als Teil der Infrastrukturpolitik durchaus zur Verbesserung der gesellschaftlichen Situation beitragen.262 Allein durch das Angebot der Leistung an sich wird für zahlreiche Bürger die Möglichkeit geschaffen, Energien anderweitig nutzbringend einzusetzen. Die Lebenserleichterung für den Einzelnen wird so zur Entwicklungsvoraussetzung für das gesamte Gemeinwesen. Die von der Daseinsvorsorge erfassten Tätigkeiten können sowohl wirtschaftlicher als auch nichtwirtschaftlicher Art sein.263 Insbesondere im Hinblick auf die erstgenannte Gruppe stellt sich daher die Frage, ob diese Aufgaben ausschließlich durch die leistende Verwaltung erbracht werden dürfen. Dies ist aber nicht der Fall. Die Daseinsvorsorge kann auch durch Private264 innerhalb eines staatlich gesetzten 256 F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (572); H.F. Zacher, HdStR I, § 25 Rn. 58. Dies zeigt auch ein Vergleich mit normierten Daseinsvorsorgeaufgaben, z. B. § 22 PBefG. 257 R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427; ders., in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (12 f.). 258 U. Brandl, BayBgm 2002, 52 (53). 259 F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (578); H.F. Zacher, HdStR I, § 25 Rn. 57 ff. 260 G. Haverkate / S. Huster, Europäisches Sozialrecht, Rn. 477; S. Leibfried, in: SchaderStiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 158 (159); vgl. dahingehend auch Europäisches Parlament, Entschließung, Rn. 1. 261 H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 180. 262 R. Herzog, in: MDH, Grundgesetz, Art. 20 VIII Rn. 13. 263 R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427; ders., in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (12). 264 H. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld, S. 106; U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 37; W. Rüfner, HdStR III, § 80 Rn. 28; J. Schwarze, in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (11); K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20 Abs. 1 Rn. 111; W. Zitscher, Daseinsvorsorge, S. 68.

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Ordnungsrahmens265 unter der Aufsicht der öffentlichen Hand266 erfolgen, wie bereits die historische Entwicklung des Bereichs aufzeigt. Die Intensität der Regelung und Beaufsichtigung können dabei variieren. Aus der Einbeziehung Privater in den Kreis der Leistungserbringer folgt zugleich zwingend, dass die Daseinsvorsorge nur teilweise dem öffentlichem Recht unterfällt.267 Nicht richtig ist es auch, von Daseinsvorsorgeeinrichtungen nur dann zu sprechen, wenn diese zwar für gesellschaftlich notwendig gehalten werden, sie privatwirtschaftlich aber nicht erreichbar sind,268 zumal auch bei der Erbringung durch die Verwaltung eine Kostendeckung grundsätzlich anzustreben ist.269 Die negative Beantwortung der Kostenfrage ist zur Bestimmung von Daseinsvorsorgeleistungen nicht geeignet. Zwar werden die entsprechenden Leistungen häufig unter Hinnahme von Verlusten erbracht. Zwingend ist dies allerdings nicht. Theoretisch ist es möglich, sämtliche Daseinsvorsorgeleistungen kostendeckend zu erbringen. Dass damit allerdings wäre damit eine deutliche Verschlechterung der Angebotslage für weite Teile der Bevölkerung verbunden wäre, deren finanzielle Möglichkeiten eine Inanspruchnahme nicht erlauben würden, soll nicht in Abrede gestellt werden. Überdies würde eine entsprechende Einstufung im Umkehrschluss bedeuten, dass sämtliche, bislang allgemein zur Daseinsvorsorge gerechneten nichtdefizitären Leistungen, wie etwa die Energieversorgung, aus dem Daseinsvorsorgebereich herausfallen würden. Als noch problematischer wären Leistungen anzusehen, die je nach den gegebenen Umständen sowohl profitabel als auch defizitär angeboten werden können. Für den Bürger als Leistungsempfänger macht es letztlich keinen Unterschied, ob die Leistung, auf die er angewiesen ist, kostendeckend angeboten werden kann. Vielmehr wäre eine Herausnahme profitabler Leistungen aus der Daseinsvorsorge möglicherweise sogar mit Nachteilen verbunden, wenn damit zugleich der Verzicht auf ihre stetige Verfügbarkeit verbunden wäre. Daseinsvorsorge und Eigenwirtschaftlichkeit schließen sich nicht gegenseitig aus.270 Trotz dieser Überlegungen wird die Daseinsvorsorge typischerweise mit dem Staat bzw. der Verwaltung gleichgesetzt.271 Als kennzeichnend für die LeistungsW. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7 (9); R. Maaß, Wettbewerb, S. 54. S. Schulte-Beckenhausen, Der Städtetag 1996, 761. 267 F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (565). 268 So aber K. Schäfer / F. Gercke / D. Galonske / S. Losch, Daseinsvorsorge im ländlichen Raum, S. 6. 269 H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 14; W. Rüfner, HdStR III, § 80 Rn. 20. 270 H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 49 (51). Nach M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (298), sind Daseinsvorsorgeauftrag und Gewinnmaximierung jedoch unvereinbar. Dies ist zutreffend, führt jedoch nicht zu einem Ausschluss von Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten. 271 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 109; A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 2; Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 28; C. Jennert, WRP 2003, 459 (460); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 43; M. Otto, Die öffentliche Finanzierung 265 266

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

erbringung wird die Zuordnung zu einem kommunalen Träger angeführt.272 Zudem bedeute die Zurechnung eines Bereichs zur Daseinsvorsorge zumindest faktisch die Zuordnung des betroffenen Lebensbereichs zum Staat.273 Zwar ist dies auch wegen der Möglichkeit der Einbindung Privater nicht überzeugend. Die staatliche Einflussnahme in den entsprechenden Bereichen, nicht zuletzt zur Sicherstellung eines als adäquat angesehenen Leistungsangebots ist jedoch kennzeichnend. Es ist durchaus berechtigt, die die Daseinsvorsorge kennzeichnenden öffentlich-rechtlichen Bindungen zur Wahrung des Gemeinwohls als ihr bestimmendes Wesensmerkmal anzusehen.274 Dies bedeutet zugleich, dass es sich bei der Daseinsvorsorge zumindest um einen Zwischenbereich zwischen reiner Staatstätigkeit und freier Wirtschaft handelt.275 Daseinsvorsorge ist aber begrifflich keinesfalls mit Staatswirtschaft übereinstimmend.276 Festzuhalten ist schließlich aber auch, dass der Rückgriff auf den Daseinsvorsorgebegriff in der Betrachtung eines konkreten Problems regelmäßig überflüssig ist, da aus ihm keine unmittelbaren Rechtsfolgen erwachsen können.277 Mangels seiner Eigenschaft als Rechtsbegriff sind die betroffenen Gebiete spezialgesetzlich auszugestalten. Die dort getroffenen Regelungen können überdies – trotz gewisser Gemeinsamkeiten – so stark voneinander abweichen, dass auch innerhalb dieser Bestimmungen die Argumentation mit dem Begriff der Daseinsvorsorge als mögund die Genehmigung des ÖPNV, S. 109; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 19; ders., in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 33 (39); Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (15); W. Spiess, Öffentliche Verwaltung im neuen Jahrtausend, S. 12; S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 115; J. Werner / Chr. Schaaffkamp, in: J. Libbe / S. Tomerius / J.H. Trapp, Liberalisierung und Privatisierung kommunaler Aufgabenerfüllung, S. 127 (128); K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 260; ansatzweise dahingehend im Jahre 1940 schon A. Köttgen, Deutsche Verwaltung, S. 172; dies als spezifisch deutschen Ansatz kennzeichnend H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (17 f.); J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041. P. Badura, DÖV 1966, 624 (630), bezeichnet die Daseinsvorsorge als Zweck der leistenden Verwaltung. 272 M. Burgi, in: H.-G. Henneke, Verantwortungsteilung, S. 90 (105); ähnlich H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 10, der den Daseinsvorsorgebegriff an die Leistungserbringung durch Träger der allgemeinen Verwaltung oder von diesen errichtete Organisationen binden will. 273 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 80; ähnlich H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (14). 274 M. Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705 (709); ders., in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (92). 275 B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 7; ähnlich K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 22. 276 H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 49 (51). 277 Ebenso hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Unternehmen der Daseinsvorsorge H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 178. Weitergehend V. Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, S. 60 f., der das gesamte Daseinsvorsorgekonzept für entbehrlich hält, da sein Hauptaugenmerk, die Sicherung des Zugangs, spezialgesetzlich sichergestellt sei.

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licherweise bereichsumspannenden Modellbegriff fehl gehen muss, zumal die dort getroffenen Regelungen in sich bereits umfassend sind. Häufig wird der Begriff jedoch auch zur Abgrenzung gegenüber der Erwerbswirtschaft verwandt.278 Dies ist zur Kennzeichnung des gemeinwohlbestimmten, leistenden Bereichs der Verwaltung sinnvoll. Außerhalb der staatlichen Sphäre ist eine entsprechende Unterscheidung jedoch fragwürdig, da auch die gemeinwohlorientierte Leistungsbereitstellung durch Private im Regelfall deren Erwerbstätigkeit zuzurechnen ist.

2. Ausgestaltung in der Rechtswirklichkeit Der Umfang gemeinwohlorientierter Dienstleistungen ist „unvermeidlich Gegenstand politischer Entscheidung“279. So ist auch und gerade im Bereich der Daseinsvorsorge im Laufe der Jahrzehnte des Bestehens der Bundesrepublik ein gewisser Wandel erkennbar. Dabei lassen sich zwei Phasen der Entwicklung unterscheiden. Der zunächst eher staats- bzw. kommunalwirtschaftlich geprägten Ausbauphase folgte eine bis heute andauernde und von der Privatisierungsdiskussion geprägte Phase, deren Charakterisierung wegen ihrer inneren Widersprüchlichkeit schwer fällt und zu deren wissenschaftlicher Durchdringung nicht zuletzt die vorliegende Arbeit dienen soll. a) Ausbau der Daseinsvorsorge Insbesondere nach 1970 bildete sich in der Bundesrepublik das Bild vom leistenden bzw. produzierenden Staat heraus, der als Gegensatz zum Ordnungs- und Hoheitsstaat der Anfangsjahre angesehen wurde.280 Vor allem die Kommunen übernahmen im Rahmen der Leistungsverwaltung eine kaum überschaubare Zahl an Aufgaben und Tätigkeiten,281 die typischerweise der Daseinsvorsorge zuzurechnen sind. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Aus praktischer Sicht mag zunächst der Gedanke der Versorgung der Bevölkerung mit den verschiedensten Leistungen und Diensten entscheidend gewesen sein. Die (bis heute zunehmende und im Ansatz auch schon von Forsthoff erkannte) Abhängigkeit des Menschen von Wohlstandsgesellschaft und Wohlfahrtsstaat282 W. Löwer, Energieversorgung, S. 132. J. Hellermann, Der Landkreis 2001, 434. 280 Chr. Reichard, VuF 27 (1999), S. 117 (120). 281 A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 178, mit zahlreichen Beispielen. 282 G. Ambrosius, GS Th. Thiemeyer, S. 199 (211); G. Dürig, JZ 1953, 193 (194); Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 54; A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 108; R. Herzog, Staat und Recht im Wandel, S. 82; H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 6; H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 6. 278 279

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

bei gleichzeitiger Verfeinerung seiner Bedürfnisse und Erweiterung des Existenzminimums283 wurde erkannt und sollte einer Lösung zugeführt werden. Dass diese nicht in erster Linie der Privatwirtschaft überlassen wurde, dürfte nicht zuletzt an der zunächst günstigen finanziellen Situation der öffentlichen Hand gelegen haben. Wirtschaftliche Überlegungen waren jedoch ebenfalls ausschlaggebend für den Ausbau der Leistungsverwaltung, zumindest insoweit, als diese durch öffentliche, vor allem kommunale Unternehmen erfolgen konnte. So lassen sich seit 1950 ständig steigende Einnahmen aus der kommunalen Wirtschaftstätigkeit verzeichnen.284 Noch bezeichnender ist insoweit aber, dass die Einnahmen aus der sich ausdehnenden Wirtschaftstätigkeit der Gemeinden und auch der Gemeindeverbände stärker wuchsen, als deren Einnahmen insgesamt.285 Dass dennoch ein Zusammenhang mit Daseinsvorsorgetätigkeiten bestehen muss, folgt bereits aus den Nachfolgebestimmungen zu § 67 DGO286, die sämtlich einen öffentlichen Zweck für die Gemeindewirtschaft fordern, der nach allgemeiner Ansicht nicht allein in der bloßen Gewinnerzielung liegen kann, sondern in Allgemeinwohlbelangen, etwa der Daseinsvorsorge, zu suchen ist. Neben diesen eher den praktischen Bedürfnissen und Möglichkeiten zuzuordnenden Gesichtspunkten, spielten aber auch rechtliche und theoretische Überlegungen eine Rolle. Der Sozialstaat wurde zunehmend als rechtsverbindlich und nicht nur politisch wünschenswert begriffen. Die Ausweitung des daseinsvorsorgerischen Leistungsangebots von Bund, Ländern und Gemeinden ist nicht zuletzt als Teil des allgemeinen Ausbaus des Sozialstaats anzusehen.287 Ob insoweit tatsächlich ein zwingender Zusammenhang zwischen Sozialstaatsprinzip und dem Umfang daseinsvorsorgerischer Leistungen durch die öffentliche Hand besteht, soll an dieser Stelle noch offen bleiben. Für die tatsächliche Entwicklung ist letztlich entscheidend gewesen, dass er zumindest angeführt wurde, wenn auch sicherlich in weiten Teilen politische Überlegungen dominierten. Daneben führte aber auch die Lehre von der Daseinsvorsorge selbst zu einem starken Anstieg der leistenden Staatstätigkeit, da die Daseinsvorsorge als Staatsaufgabe angesehen wurde.288 Obwohl in der Wissenschaft überaus kritisch betrachtet, entfaltete das Forsthoffsche Konzept in der Praxis enorme Wirkungen. Der Terminus „Daseinsvorsorge“ diente als Begründungsersatz für die Aufnahme verschiedenster Tätigkeiten durch die öffentliche Hand. Auf Grundlage dieser Gesichtspunkte bildete sich die, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, weitgehend aber auch in der Realität, durch öffentliche Unternehmen geprägte Daseinsvorsorge heraus. Damit führte die Ausformung der 283 284 285 286 287 288

R. Herzog, Staat und Recht im Wandel, S. 83. R. Grawert, in: Chr. Reichard, Kommunen am Markt, S. 8. W. Fuest / R. Kroker / K.-W. Schatz, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, S. 4. Siehe dazu unten C.V.2. R. Scholz, in: FS H.F. Zacher, S. 987 (992). M. Gädeke, Staatliche und private Entsorgungsverantwortung, S. 200.

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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sozialstaatlichen Demokratie zu einem „hochkomplexen Leistungsstaat“ zugleich zu einer großen Ausweitung staatlicher Aktivitäten und Interventionen in den gesellschaftlichen Bereich hinein.289 Wie vor der liberalen Epoche, hat der Staat heute wieder eine umfassende Verantwortung für die soziale und kulturelle Wohlfahrt der Gesellschaft übernommen,290 der er nicht zuletzt durch die Daseinsvorsorge nachkommt. b) Veränderungen Wie schon zu Beginn der wissenschaftlichen Durchdringung des Bereichs der Daseinsvorsorge, ist auch in neuerer Zeit wieder ein Vorauseilen der Praxis vor dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu verzeichnen. Dabei setzten die Veränderungen teilweise schon nahezu zeitgleich mit dem Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge ein. So kam es auf kommunaler Ebene bereits seit den 1970er Jahren wieder zu Aufgabenverlagerungen in den Privatsektor.291 Fanden dann zwar im Rahmen der Privatisierungswelle in den 1990er Jahren nur Privatisierungen in vergleichsweise begrenztem Umfang statt,292 wurden dennoch auch auf kommunaler Ebene weiterhin vielfältige Aufgaben auf Private übertragen.293 Dabei handelte es sich vor allem um Aufgaben der Daseinsvorsorge und Annexaufgaben.294 Die Privatisierungen erfolgten dabei häufig nicht geregelt und geplant, sondern waren Teil eines eher von faktischen Zwängen bestimmten Prozesses. Der dafür gefundene Begriff der „schleichenden Privatisierung“295 kennzeichnet treffend eine Entwicklung, deren Ende noch nicht abzusehen ist, da es nach wie vor an wirkkräftigen Problemlösungen fehlt. 289 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 13. U. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, S. 101, spricht vom „Wachstum öffentlicher Gewalt in die Fläche der Gesellschaft“. 290 D. Grimm, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 27 (45); ähnlich ders., in: ders., Staatsaufgaben, S. 613 (623); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 14. 291 K. König, in: H. Siedentopf, Europäische Integration / Modernisierung des Staates, S. 113 (115 f.); V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 25. Dabei ist jedoch eine sektoral uneinheitliche Entwicklung feststellbar, M. Holoubek, VVDStRL 60 (2001), S. 513 (575); R. Sturm / M.M. Müller, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 107 (110). 292 G. Püttner, ZÖR 56 (2001), S. 227 (230); ders., DÖV 2002, 731; ablehnend gegenüber dem Begriff „Privatisierungswelle“ aber U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 31. 293 U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 33; W. Leisner, Die undefinierbare Verwaltung, S. 132; H. Schulze-Fielitz, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 95 (100 f.). 294 K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (17); D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 146; R. Voigt, in: ders., Abschied vom Staat, S. 9 (13). 295 S. v. Bandemer / B. Blanke / J. Hilbert / J. Schmid, in: F. Behrens u. a., Den Staat neu denken, S. 41 (42 f.). W. Leisner, Die undefinierbare Verwaltung, S. 147, konstatiert für den Bereich der Daseinsvorsorge fehlende Verwaltungsförmigkeit in der Praxis, auch soweit die Aufgaben noch als Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Ein Grund für diese Entwicklung ist neben den internen Problemen der öffentlichen Hand die (soweit rechtlich zulässig und faktisch möglich) zunehmende Konkurrenz durch Private.296 Diese wollen mehr Aufgaben der Daseinsvorsorge übernehmen.297 Insbesondere für die Kommunen stellt diese Entwicklung eine große politische Herausforderung dar. Ein Rückzug aus der Daseinsvorsorge würde einen deutlichen Einschnitt für ihre Gestaltungsmöglichkeiten bedeuten. Nur wenige Aufgaben, die über den bloßen Verwaltungsvollzug hinausgehen, würden ihnen verbleiben, so dass nur wenig Raum für bürgerschaftliches Engagement und eigenständige kommunalpolitische Gestaltung bliebe.298 Zugleich durchleben die kommunalen Unternehmen wegen der zunehmenden Fähigkeiten der Privatwirtschaft und deren Willen, diese auf den entmonopolisierten Märkten der Daseinsvorsorge auch einzusetzen, eine Sinnkrise.299 Die langjährige Selbstverständlichkeit der Leistungserbringung durch die öffentliche Hand wird zunehmend angezweifelt. Aufgrund dieser Herausforderungen wurden vor allem auf kommunaler Ebene Reformansätze entwickelt300 und umgesetzt. Trotz der schon allein durch die große Zahl der Kommunen bedingten hohen Zahl von Versuchen und ihrer Unterschiedlichkeit, lassen sich, in Übereinstimmung mit Entwicklungen auf Landesund Bundesebene, bestimmte Richtungen erkennen. Zum einen ist zeitgleich mit den Privatisierungen in vielen Bereichen eine sowohl sachliche als auch territoriale Ausdehnung staatlicher, insbesondere kommunaler Wirtschaft feststellbar.301 Zu296 U. Brandl, BayBgm 2002, 52; G. Britz, NVwZ 2001, 380; F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 25; G. Schwarting, ZögU 24 (2001), S. 286 (291). 297 R. Bocklet, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (14); J. Schwarze, EuZW 2001, 334. Zugleich wird jedoch die Gefahr des freiwilligen Rückzugs privater Unternehmen aus defizitären Bereichen insbesondere im sozialem Sektor gesehen, vgl. J. Burmeister, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 623 (626). 298 J. Hellermann, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (94); ders., in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 19 (20); A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438 (440); H.-J. Vogel, BayVBl. 2000, 673 (676). Ähnlich H.-J. Duppré, Der Landkreis 2001, 3 (4); M. Wohltmann, Der Landkreis 2001, 430 (432) in Bezug auf Europäisierungstendenzen. 299 G. Püttner, ZÖR 56 (2001), S. 227 (239 f.); ders., DÖV 2002, 731 (732); U. Steckert, DfK 41 (2002), S. 61 (64); ders., Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, S. 17. 300 Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 10; V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 60. 301 A. Gern, NJW 2002, 2593; R. Grawert, in: FS W. Blümel, S. 119 (120); H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (6); K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (320); J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1251); O. Wittig, VR 2002, 90 (94); nicht nur auf staatliche Wirtschaftstätigkeit bezogen Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 92. P. Badura, in: FS Th. Oppermann, S. 571 (574), konstatiert Rückgänge der wirtschaftlichen Betätigung bei Bund und Ländern, während zugleich die Kommunalwirtschaft expandiere; W. Berg, WiVerw 2000, 141 (145), spricht von einem „Kommunalisierungsboom“. Seitens der Kommunen wird dies nicht zuletzt mit „wachsenden Anforderungen der Bürger und der Wirtschaft vor Ort“ begründet, D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56; ähnlich M. Burgi, in: FS W. Brohm, S. 35 (35 f.).

A. Daseinsvorsorge: Staat und Kommunen als Leistungserbringer

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nehmend treten neben das Engagement im Bereich der Daseinsvorsorge Betätigungen, deren „öffentlicher Zweck“ zumindest fraglich ist. Die öffentliche Hand dringt in Wirtschaftsgebiete ein, die bislang als typisch privatwirtschaftlich angesehen wurden. Zunehmend werden auch die Gerichte mit dieser Problematik befasst.302 Trotz der „Privatisierungsbegeisterung“ ist somit kein grundlegender Abbau von Inhalten und Umfang staatlicher Tätigkeit erkennbar.303 Überdies ist bereits seit Jahren eine Verselbständigung kommunaler Unternehmen zu beobachten, der häufig ein Rechtsformwandel zugrunde liegt oder der mit dieser einhergeht. Vermehrt kooperieren öffentliche Unternehmen auch miteinander oder schließen sich zusammen.304 Kooperative Vorgehensweisen beschränken sich aber nicht auf öffentliche Unternehmen untereinander. Staat und Verwaltung kooperieren zunehmend mit Privaten.305 In den allgemeinen Trend zu „Private-Public-Partnership“306 fügt sich in neuerer Zeit ein kooperatives staatlich-privates Zusammenspiel im Daseinsvorsorgebereich ein.307 An die Stelle des Gegensatzes von privater oder staatlicher bzw. kommunaler Leistungserbringung tritt in der Praxis häufig ein gemeinschaftliches Engagement.308 Dessen Formen sind in der Praxis vielfältig und von zahlreichen Gegebenheiten abhängig. Neben rechtlichen Zwängen spielen dabei politische und insbesondere auch finanzielle Überlegungen eine Rolle, so dass sich eine idealtypische Erscheinungsform auf allen Gebieten der Daseinsvorsorge nicht erkennen lässt. Die Kooperationsformen reichen daher von der bloßen Hilfstätigkeit Privater bis hin zu weitgehender Privatisierung. In einigen Städten ist bereits eine prinzipielle Trennung zwischen öffentlicher Gewährleistung und privater Produktion erkennbar.309 Trotz zahlreicher Unterschiede im Detail lässt sich jedoch im Daseins302 Vgl. OLG Düsseldorf, NWVBl. 1997, 353; OLG Hamm, DVBl. 1998, 792; sowie als bedeutende Grundsatzentscheidung BGH, VR 2003, 30 ff.; dazu ausführlich M. Knauff / F. Nolte, VR 2003, 3 ff. 303 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 19. K. Hardrath, SächsVBl. 2003, 53, sieht unter Verweis auf die Entwicklung in anderen EU-Mitgliedstaaten nach wie vor ein hohes Privatisierungspotential. 304 Chr. Reichard, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (19). 305 W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (435); K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (46); M. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (162). 306 H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (8); Chr. Reichard, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (19); G.F. Schuppert, in: J. Ipsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (18). Kritisch zum Begriff J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 56 ff. 307 J. Burmeister, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 623 (627); J. Hellermann, Der Landkreis 2001, 434 (435). 308 Ohne Bezug zur Daseinsvorsorge bezeichnet dies C. Franzius, Der Staat 42 (2003), S. 493 (500), als bereits als „Normalfall“. 309 Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (344); dies implizit bereits als „Normalfall“ einstufend M. Burgi, in: FS W. Brohm, S. 35 (37).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

vorsorgebereich in neuerer Zeit faktisch ein Paradigmenwechsel feststellen. Die rein staatliche bzw. kommunale, nichtwettbewerbliche Versorgung weicht der gemischt-, wenn nicht sogar privatwirtschaftlichen. Dabei herrschen zumindest tendenziell Markt- und Wettbewerbsbedingungen. Dass dennoch die Beachtung des Allgemeininteresses sichergestellt ist, erfolgt durch entsprechende Verpflichtungen.310 Es kann somit festgehalten werden, dass sich die Daseinsvorsorge in der Praxis weit von der ihr zugrunde liegenden Konzeption entfernt hat. Ihre Bereiche werden weitgehend nicht mehr als öffentliche Verwaltung, sondern als Teile des Wirtschaftslebens behandelt, die allenfalls Sonderregelungen unterliegen. Dieses Verständnis gilt es im Folgenden anhand des zur wissenschaftlichen Bewältigung des Phänomens entwickelten Modells des „Gewährleistungsstaats“ zu untersuchen und darüber hinaus rechtlich einzuordnen.

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H. Cox, Organisation, S. 5 f.

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf Das Modell der Daseinsvorsorge im Forsthoffschen Sinne kann als von der Realität überholt gelten. Dies gilt jedoch nicht zugleich für seine Grundlagen. Die von Forsthoff beschriebene Situation der Abhängigkeit des Einzelnen von Leistungen Dritter besteht fort. Dabei hat die „soziale Bedürftigkeit“ seitdem aufgrund der technischen, wirtschaftlichen und auch sozialen Entwicklung eher noch zugenommen. Die Versorgung mit Wasser, Energie und Verkehrsleistungen sind wichtige Bedingungen eines als menschengerecht empfundenen Lebens geblieben. Hinzu treten aber zahlreiche neue Gesichtspunkte. So ist heute aus dem Alltag der Sprachtelefondienst nicht mehr wegzudenken. Neue Techniken, wie das Internet, gestalten die Funktionsweisen der Gesellschaft um und werden unentbehrlich, so dass auch sie in zunehmendem Maße zum Lebensnotwendigen gerechnet werden müssen. Die Problemstellung hat sich somit nicht grundlegend geändert. Jedoch sind neue Antworten zu suchen. Dabei kann die Wissenschaft nicht gleichsam beziehungs- und schwerelos im Raum agieren, will sie zu Systematisierung und Problemlösung beitragen. Sie hat zum einen die Entwicklungen in der Rechtswirklichkeit, zum anderen aber auch die „politische Großwetterlage“ zu berücksichtigen. Andernfalls ist es ihr allenfalls möglich, Alternativen aufzuzeigen. Unter Beachtung dieser Richtlinien ist nun das Modell des „Gewährleistungsstaats“ entwickelt und in die Diskussion eingeführt worden. In Großbritannien wurde es bereits weitgehend in die Realität umgesetzt.1 Zwar soll es sich dabei nicht nur um den „Nachfolger“ des Staates der Daseinsvorsorge handeln.2 Insbesondere in diesem Bereich zeitigt es jedoch in Verbindung mit der Privatisierungsdiskussion die größten Wirkungen. Nur insoweit ist es vorliegend auch von Interesse. Seine Konturen werden zwar zunehmend deutlicher erkennbar. Noch immer fehlt es ihm jedoch an Detailschärfe. Im Folgenden soll das Modell zunächst unter Berücksichtigung seiner Grundlagen dargestellt und aufgearbeitet werden. Zu messen ist es im Anschluss jedoch an den rechtlichen Erfordernissen. Nur wenn diese ihm nicht im Wege stehen, kann es in der Praxis von Nutzen sein.

V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 35. Vgl. diesbezüglich allein den Zusammenhang mit der Justiz bei W. Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz, S. 36. 1 2

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

I. Ausgangspunkt Das Modell des Gewährleistungsstaats lässt sich neben den neuen Gegebenheiten in der Verwaltungswirklichkeit auf zwei Entwicklungslinien zurückführen. Neben den für die praktische Umsetzung letztlich ausschlaggebenden Überlegungen auf politischer Ebene hat insbesondere die Verwaltungswissenschaft zu seiner Entstehung beigetragen. 1. Ideologisch-politische Grundlagen In der politischen Diskussion besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass eine „Perestroika“3 der Verwaltung notwendig sei. Weltweit4 und parteiübergreifend5 sind Modernisierungsbestrebungen erkennbar. Dabei wird der Schwerpunkt nicht mehr auf die bloße Reduzierung der Staatstätigkeit gelegt, wenn auch dieses Ziel seine Bedeutung noch nicht völlig verloren hat. Problematisiert wird auch weiterhin die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Bereich. Diese Bereiche seien vielfach historisch-zufällig entstanden,6 so dass die Trennlinie zwischen ihnen nicht für alle Zeiten abstrakt bestimmbar sei.7 Staatliche und private Leistungen seien zudem häufig durch den jeweils anderen Sektor substituierbar.8 Überdies führe die Informationstechnologie zu größerer Durchschaubarkeit der Märkte durch den Einzelnen,9 so dass der Staat in immer geringerem Maße gefordert sei. Nötig sei mehr Markt und weniger Staat.10 Zu diesem Zwecke müsse eine „Re3 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 32. M. Fehling, DÖV 2002, 793 (795), spricht denn auch von einer „Zeit der allgemeinen Reform traditionell staatlicher Daseinsvorsorge Forsthoffscher Prägung.“ W. Leisner, Die undefinierbare Verwaltung, S. 132, stellt gar das Bestehen einer „Antiverwaltungsbewegung“ fest. 4 P. Bußjäger, Die Verwaltung 35 (2002), S. 223 (223 f.); G. Hammerschmid, New Public Management, S. 33; D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56; K. König, DVBl. 1997, 239 (240); ders., in: H. Siedentopf, Europäische Integration / Modernisierung des Staates, S. 113 (114); F. La Roche-Thomé, in: R. Pitschas / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 27 (28 f.); D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 259 ff.; Chr. Reichard, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (17). 5 J.-D. Delley, in: P. Hablützel u. a., Umbruch in Politik und Verwaltung, S. 439 (440); K. König / N. Füchtner, „Schlanker Staat“, S. 374; H. Lackner, Gewährleistungsverwaltung und Verkehrsverwaltung, S. 23 f. 6 W. Berg, WiVerw 2000, 141 (142); H.P. Bull, in: K. König / H. Siedentopf, Öffentliche Verwaltung in Deutschland, S. 343; Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 83; R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (221); J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1251). 7 S. Cassese, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 31. 8 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 46 f. 9 So D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 230, am Beispiel der höheren Bildung in den USA. 10 R. Sturm / M.M. Müller, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 107 (108). Dieses theoretische Bekenntnis findet jedoch in der Staatspraxis unmittelbar regel-

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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privatisierung“11, worunter im engeren Sinne eine Wiederholung bereits rückgängig gemachter Privatisierungsmaßnahmen, im weiteren die Rückgängigmachung einer Verstaatlichung zu verstehen ist,12 erfolgen. Nicht zu Unrecht lässt sich insoweit von einer „Grundtendenz gegen alles Öffentliche“13 sprechen. Die neuere Diskussion geht jedoch darüber hinaus. Zwar waren der Wegfall des Systemwettbewerbs mit dem Ostblock,14 dessen Untergang das Scheitern sozialistischer, d. h. plan- und staatswirtschaftlicher Systeme aufzeigte,15 wie auch die nachfolgenden Privatisierungen in den Neuen Ländern zunächst Initialzündungen16 im Hinblick auf eine „Entstaatlichung“, wenn auch Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung bereits seit den 1970 / 80er Jahren vorangetrieben wurden,17 die nahezu zwangsläufig, zumindest aber typischerweise miteinander einhergingen.18 Auch die ordnungspolitischen Leitvorstellungen blieben davon nicht unbeeinflusst. Der Neoliberalismus, der zudem durch die Tätigkeit der EG gefördert wird und auch dem aktuellen Zeitgeist weitestgehend entspricht, setzte sich, nicht zuletzt auch in der Wissenschaft,19 durch.20 Das Leitbild des Staates bzw. des öffentlichen Sektors als „Hüter und Priester des Gemeinwohls“ wurde zunehmend mäßig nur einen eingeschränkten Niederschlag, vgl. kritisch J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 4. 11 Vgl. A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 41; B. Tiemann, BayVBl. 1976, 261 (262); dahingehend auch W. Leisner, Die undefinierbare Verwaltung, S. 148. 12 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 56. 13 M. v. Creveld, Aufstieg und Untergang des Staates, S. 451. 14 D. Budäus, in: ders., Organisationswandel, S. 99 (101); M. v. Creveld, Aufstieg und Untergang des Staates, S. 409, 413 f.; K. König, DVBl. 1997, 239 (241). 15 A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 13. 16 J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), S. 315 (315 f.). 17 R. Batzill, in: BOU, Zukunft, S. 29; A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 6; S. Leibfried, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 158 (160); J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 11; R. Maaß, Wettbewerb, S. 116; G. Schwarting, ZögU 24 (2001), S. 286 (291). 18 K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (21 ff.). F.-J. Peine, DÖV 1997, 353 (355), weist jedoch zutreffend darauf hin, dass eine unmittelbare Verbindung von Privatisierung und Deregulierung nicht besteht. 19 K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (38 ff.); unter besonderer Hervorhebung der Volkswirtschaftslehre G. Püttner, ZÖR 56 (2001), S. 227 (231). 20 Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (339 f.); W. Leisner, Die undefinierbare Verwaltung, S. 144; Chr. Reichard, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 121; ders., in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (15 f.); K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 13; U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 5; M. Schöneich, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 143 (144); G.W. Wittkämper, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 25 (27). Auf die besondere Bedeutung ordungspolitischer Vorstellungen bei der Bestimmung staatlicher Aufgaben und der Erfüllungszuständigkeit weist explizit Chr. Corte, Die Übernahme kommunaler Aufgaben, S. 11, hin.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

als nicht mehr politikfähig angesehen.21 Dennoch wird der Staat nicht mehr als überflüssiges Relikt aus vergangenen Tagen angesehen. Erneut erfolgte in den letzten Jahren ein Leitbildwandel. An die Stelle des (nur theoretisch) schlanken trat der aktivierende Staat,22 wie er nicht zuletzt von der Regierung Schröder propagiert wurde.23 Das erneut geänderte Staatsverständnis24 begreift sich selbst dabei als pragmatisch.25 Die Vorstellung von der Allzuständigkeit des Staates sei ebenso überholt wie der bloße Rückzug von der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Privatisierung als Allheilmittel. 26 Es müsse eine Neudefinition der Rollen von Staat und Wirtschaft erfolgen.27 Der allgemeine Trend zu weniger Steuerung und mehr gesellschaftlicher Selbstregulierung28 ist dabei zu berücksichtigen. Die staatliche Zweckgewährleistung sei häufig ausreichend.29 Um eine ausreichende und angemessene Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten genüge es, wenn Staat und Kommunen sich auf Lenkung oder Kontrolle des privaten Angebots zurückziehen.30 Staat und Bürger seien überdies gleichberechtigte Partner bei der Gemeinwohlaufgabenwahrnehmung.31 Die Aufgabenübertragung auf Private soll zudem deren Sachverstand einbeziehen und damit die Aufgabenerfüllung effizienter und rationaler gestalten sowie den Handlungsspielraum des Staates bzw. der Verwaltung sichern und erweitern.32 Ein Einsparungseffekt für die öffentliche Hand steht jedoch insoweit trotz knapper Kassen nicht zwingend im Vordergrund und ist im Übrigen auch nicht unbedingt erreichbar.33 Schließlich spielt, insbesonF. Naschold, in: ders. / J. Bogumil, Modernisierung des Staates, S. 33. Chr. Reichard, VuF 27 (1999), S. 117 (120). 23 Bundesregierung, Moderner Staat – Moderne Verwaltung, S. 1. Kritisch in Bezug auf die (fehlende) Umsetzung V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 70 f. 24 Bundesregierung, Moderner Staat – Moderne Verwaltung, S. 1; F. La Roche-Thomé, in: R. Pitschas / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 27 (30); G.F. Schuppert, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 87. 25 D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56 (57); Chr. Reichard, VuF 27 (1999), S. 117 (120); K. Schedler, in: Ph. Mastronardi / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 5. 26 B. Zypries, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 177. 27 Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337; D. Greiling, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 235; M. Kurth, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 133; R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210; R. Sturm / M.M. Müller, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 107 (108). 28 M. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (194). 29 BVerfGE 22, 180 (204); 83, 363 (384 f.); R. Scholz, in: FS H.F. Zacher, S. 987 (1005); G.F. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 281. 30 R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 362. 31 Bundesregierung, Moderner Staat – Moderne Verwaltung, S. 2. 32 K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (27). 33 So für das extreme britische Beispiel während der Ära Thatcher C. Offe, in: D. Grimm, Staatsaufgaben, S. 317 (327); ähnlich Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsauf21 22

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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dere hinsichtlich der Deregulierung in Bezug auf Gesetze aus den 1930er Jahren, der Gedanke der wirtschaftspolitischen Vergangenheitsbewältigung34 eine Rolle. Auch besteht keine Grundüberzeugung, dass die weiterhin für notwendig gehaltenen Leistungen der Daseinsvorsorge durch die Marktkräfte nur schlechter erbracht werden könnten als durch staatlich organisierte oder kontrollierte Sektoren.35 Die gleichzeitige Anerkennung von Daseinsvorsorge- und Privatisierungsgedanken in der politischen „Ursuppe“ des Gewährleistungsstaats weist bereits auf seine Wurzeln hin. Diese liegen sowohl im Neoliberalismus, als auch im Sozialstaat.36

2. Wissenschaftliche Grundlagen In der Wissenschaft sind bereits seit längerem Überlegungen zur Reform des öffentlichen Sektors zu verzeichnen. Neben der angestrebten internen Umgestaltung der Verwaltung wird auch, weitgehend in Übereinstimmung mit der politischen Hauptstoßrichtung, das Verhältnis von Staat und Privaten37 im Daseinsvorsorgebereich problematisiert. Ausgangspunkt ist zunächst die Erkenntnis, dass der Staat zwar potentiell allaber nicht alleinzuständig ist.38 Zugleich ist schon aus der Rechtswirklichkeit erkennbar, dass die staatliche Verantwortung in unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich intensiv ausgestaltet sein kann.39 Für die Daseinsvorsorge bedeutet dies, dass sie sowohl durch den „lenkenden Staat“ durch Setzung normativer Rahmenbedingungen gestaltet oder durch „leistenden Staat“ selbst erbracht werden kann.40 Im Grundsatz sind Daseinsvorsorge und Wettbewerb auch nicht als Widerspruch gaben, S. 179; H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (35); zur fehlenden Haushaltsentlastung durch die Bahnreform M. Fehling, DÖV 2002, 793; sowie bei der Postreform A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (85). Zu den überdies bestehenden Schwierigkeiten des Kostenvergleichs zwischen öffentlicher und privater Leistungserstellung vgl. zusammenfassend U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 56 ff. 34 So J. Basedow, StWissStPrax 2 (1991), S. 151 (155). 35 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 292. 36 K. Schedler, in: Ph. Mastronardi / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 5; die Anwendbarkeit innerhalb beider Grundkonzeptionen hebt D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56 (57), hervor. 37 F. La Roche-Thomé, in: R. Pitschas / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 27 (29), bezeichnet diesen Bereich als „Staatsmodernisierung“ in Abgrenzung zur bloß internen „Verwaltungsmodernisierung“. Dieser Einteilung soll trotz ihrer grundsätzlichen Berechtigung im Folgenden nicht gefolgt werden, da sich klare Trennungen schon wegen wechselseitiger Rückwirkungen nicht vornehmen lassen. 38 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 51; K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (63); H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (30). 39 G.F. Schuppert, DÖV 1995, 761 (768). 40 R. Maaß, Wettbewerb, S. 54.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

zu begreifen.41 Der entscheidende Gegensatz besteht nicht in der öffentlichen oder privaten Leistungserstellung, sondern vielmehr in derjenigen in Monopol oder Wettbewerb.42 Schließlich kann der Staat, um seine Ziele zu ereichen im Regelfall auf marktkonformere Methoden als den Einsatz öffentlicher Unternehmen, insbesondere bei gleichzeitigem Ausschluss der Privatwirtschaft in den entsprechenden Bereichen, zurückgreifen.43 Der Staat müsse daher überhaupt44 oder jedenfalls nach der Liberalisierung, also der Öffnung von Märkten durch Monopolabbau,45 nicht selbst tätig werden, sondern nur gewährleisten, dass das als notwendig Angesehene geschieht.46 Daher müsse die Frage nach der „staatlichen Leistungstiefe“47, also die Bestimmung des staatlichen Engagements, neu beantwortet werden. Ziel dabei ist die Aufteilung von Teilaufgaben derart, dass das (politisch vorgegebene) Endprodukt als Ergebnis einer Leistungskette qualitativ möglichst hochwertig und effizient zustande kommt.48 Im Regelfall genügten für die Sicherstellung erwünschter Leistungen Aufsicht und Auftragsvergabe durch den Staat.49 Dieser müsse vor allem „wirkungsorientiert“50 handeln. Diese Überlegungen stammen nicht zuletzt aus den Bestrebungen hin zum „New Public Management“.51 Dieses Konzept wird zwar wegen seiner durch seine Her41 H. Cox, Organisation, S. 4; W. Frenz, DÖV 2002, 1028; R. Maaß, Wettbewerb, S. 58; K.-J. Meyer, Der Nahverkehr 5 / 1997, 14 (18); B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 9; M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (92); ders., in: Chr. Parak / D. Unfried, Personennahverkehr, Nr. 14 S. 1 (7); dies als Ausgangspunkt des Europarechts kennzeichnend M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (52). 42 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 73 dahingehend auch A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 8; Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 46. 43 V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 78. 44 A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 41; W. Pällmann, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 6. 45 W. Schroeder, EWS 2002, 174 (176). 46 H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (11); dahingehend auch M. Gädeke, Staatliche und private Entsorgungsverantwortung, S. 200. 47 L. Kißler, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 57 (60); Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 43; K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 33; N. Thom / A. Ritz, Public Management, S. 205. Als Gegenbegriff für das „Ob“ einer Aufgabenwahrnehmung bietet sich der Begriff der „Leistungsbreite“ an, vgl. D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56 (57 f.). 48 F. Naschold u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 43 f.; V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 33; ähnlich W. Hoffmann-Riem, in: FS K. Vogel, S. 47 (52). 49 J. Hellermann, Der Landkreis 2001, 434 (435); U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 30; J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (335). 50 So der diskussionsprägende Begriff der Verwaltungsreform in der Schweiz, vgl. K. Schedler, in: Ph. Mastronardi / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 2. 51 D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56 (57). Dieses Konzept ist jedoch selbst erst durch die Entwicklungen in der Praxis angeregt worden, G. Hammerschmid, New Public Management, S. 31 f.

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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kunft aus dem angelsächsischen Raum bedingten Ausgestaltung und fehlenden Übertragbarkeit als staatskonzeptionell „unausgegoren“52 kritisiert. Dennoch ist es hinsichtlich der Reform der Verwaltung in Wissenschaft und Praxis diskussionsbestimmend. Obwohl es vor allem den internen Bereich der Verwaltung zu reformieren versucht, gibt es aber auch darüber hinausgehende Anstöße. Beruhend auf mehreren wirtschaftswissenschaftlichen Theorien,53 verfolgt es mehrere Ziele. Unter Verzicht auf Inputsteuerung soll eine höhere Wirkungsorientierung erreicht werden. Ziele werden vorgegeben, Wirkungskontrollen durchgeführt. Es soll eine höhere Kunden- und Produktorientierung erreicht werden. Auch die Kosten sollen durch eine Koppelung von Leistungs- und Budgetverantwortung weiter in den Blick rücken. Zur Erreichung dieser Ziele sollen Regeln und Anordnungen durch Aufträge und Vereinbarungen ersetzt, strategische und operative Kompetenzen getrennt, Verantwortung „an die Front“ delegiert werden. Die Verwaltung selbst soll wie ein Konzern aufgebaut sein. Durch Leistungsaufträge und Globalbudget, Anreizsysteme und Wettbewerbselemente sollen Energien freigesetzt und Kosten eingespart werden.54 Diese Gedanken lassen sich auch über den internen Bereich der Verwaltung hinaus verwenden. Zudem sei feststellbar, dass sich der Staat in einer Gegenbewegung zu der immer umfassenderen Staatstätigkeit während der letzten Jahrzehnte,55 vom Leistungs- zunehmend zum Führungsfunktionen wahrnehmenden Steuerungs-56 und damit auch Gewährleistungsstaat57 wandle. In der Rechtsund sogar Verfassungswirklichkeit werden dies insbesondere an den Bahn- und Postreformen sichtbar.58 Dieser graduelle59 Wandel von Staatlichkeit60 werde zum 52 So für die Schweiz K. Schedler, in: Ph. Mastronardi / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 3. 53 Zu nennen sind insbesondere Public-Choice-Theorie, „Managerialismus“, Transaktionskostenlehre und Principal-Agent-Theorie, vgl. K. König / N. Füchtner, „Schlanker Staat“, S. 15; Ph. Mastronardi, in: ders. / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 55 f.; N. Thom / A. Ritz, Public Management, S. 24 ff.; weiterführend auch G. Hammerschmid, New Public Management, S. 60 ff. 54 Vgl. zum Ganzen Ph. Mastronardi, in: ders. / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 49 f. 55 M. Kurth, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 133 (133 f.); sowie im OECD-Vergleich F. Naschold, in: ders. / J. Bogumil, Modernisierung des Staates, S. 28 ff. 56 E. Grande, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 37 (46); J. Hellermann, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (89); G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 155; J. Hesse, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 151 (166, 168 f.). Zur Frage der politischen Effektivität der Steuerung im Vergleich zur eigenen Leistungserbringung durch den Staat siehe D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 38 ff. 57 H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (11). 58 G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 336. 59 W. Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz, S. 25. 60 M. Burgi, Funktionale Privaisierung und Verwaltungshilfe, S. 5; J.-D. Delley, in: P. Hablützel u. a., Umbruch in Politik und Verwaltung, S. 439 (447 f.); M.M. Müller / R. Sturm, StWissStPrax 9 (1999), S. 507 (510).

5 Knauff

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

einen durch neue Wahrnehmungsform staatlicher Aufgaben61 und eine größere Marktnähe62 sichtbar. Zum anderen erfolge eine Konzentration des Staates auf das Gewaltmonopol63 und seine Kernaufgaben64, wenn hinsichtlich der letzteren eine Bestimmbarkeit auch kaum möglich ist.65

II. Begriff Ansatzpunkt des Modells ist die Erkenntnis, dass hinsichtlich jeder Aufgabe grundsätzlich zwischen ihrer Erfüllung überhaupt („ob“) und deren Modalitäten („wie“) unterschieden werden kann.66 Das Gewährleistungsstaatsmodell versucht vor allem, eine Lösung für das „wie“ der Aufgabenerfüllung anzubieten. Ausgehend von diesen Grundlagen, lässt sich nun eine erste Bestimmung des Begriffs „Gewährleistungsstaat“67 treffen. Dieser ist gekennzeichnet durch eine Privatisierung der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen bei gleichzeitiger Vorbehaltung staatlicher Ingerenzmöglichkeiten.68 Bildlich gesprochen, wird nur die Durchführung einer Aufgabe, nicht aber die Verantwortung für diese auf Private verlagert.69 Seiner grundsätzlichen Gewährleistungsverantwortung70 kommt J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1048). M.M. Müller / R. Sturm, StWissStPrax 9 (1999), S. 507 (512). 63 G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 154. 64 L. Kißler, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 57 (69); M. Kurth, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 133; Ph. Mastronardi, in: ders. / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 54; N. Thom / A. Ritz, Public Management, S. 205; dahingehend auch C. Böhret / G. Konzendorf, in: F. Behrens u. a., Den Staat neu denken, S. 17 (31), die aber den problematischen Begriff der „Kernaufgaben“ durch „vordringliche Aufgaben“ ersetzen. 65 F. Naschold, in: ders. / J. Bogumil, Modernisierung des Staates, S. 66 f. 66 Vgl. schon H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 59 f.; in etwas anderem Zusammenhang auch K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (324 f.); kritisch zur Unterscheidung mit Blick auf die kommunale Ebene R. Pitschas, in: J. Merchel / Chr. Schrapper, Neue Steuerung, S. 107 (115). 67 H. Cox, Organisation, S. 6; U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 29; Chr. Reichard, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (22); K. Schedler, in: Ph. Mastronardi / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 8; ders. / I. Proeller, New Public Management, S. 33; G.F. Schuppert, in: FS H. Wollmann, S. 399. 68 P. Bußjäger, Die Verwaltung 35 (2002), S. 223. „Die Nabelschnur zum öffentlichen oder kommunalen Aufgabenträger wird ( . . . ) nicht endgültig durchschnitten.“, J. Berkemann, SächsVBl. 2002, 279 (280), dort allerdings bezogen auf Privatisierung im Allgemeinen. 69 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 49; dies als Kennzeichen der funktionalen Privatisierung besonders hervorhebend W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (309); Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 32. 70 P. Badura, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 25 (27); G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 337; M. Ruffert, AöR 124 (1999), S. 237 (247); G.F. Schuppert, 61 62

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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der Staat durch eine die Leistungsverwaltung ersetzende oder diese zumindest bereichsspezifisch ergänzende Gewährleistungsverwaltung nach.71 Gegenüber dem überkommenen Wohlfahrtsstaat weist der Gewährleistungsstaat eine eingeschränkte Leistungstiefe auf.72 An die Stelle staatlicher oder kommunaler Leistungserstellung tritt prinzipiell eine Öffnung des jeweiligen Marktes, die grundsätzlich ein Nebeneinander von öffentlichen und privaten Akteuren erlaubt.73 Beachtenswert insofern ist insbesondere, dass die Beteiligung der öffentlichen Hand am Leistungsangebot zwar nicht per se ausgeschlossen ist. Sie verliert jedoch ihre bevorzugte Stellung und wird zum „normalen“ Marktteilnehmer. Insbesondere wird aber diese Betätigung zur bloßen Nebenrolle. Wichtig ist vor allem die Verstärkung der strategischen Rolle des Staates.74 Er ist vor allem für die Bestimmung der Aufgaben und die Sicherstellung ihrer Erbringung zuständig. Diese Sicherstellung wiederum erfolgt nicht mehr durch die direkte Leistungserbringung, sondern wird ersetzt durch die Aufsicht über die privaten – oder ggf. auch öffentlichen – Leistungserbringer.75 Der Staat wandelt sich damit zurück zum in erster Linie eingreifenden Staat,76 da er durch die Aufsicht gegenüber den Leistungserbringern mit hoheitlichen Mitteln für eine flächendeckende Versorgung mit angemessenen Leistungen sorgt.77 Der Gewährleistungsstaat ist damit nicht als ein Zurückdrängen politischen Einflusses, sondern als neues Regulierungsmodell zu begreifen.78 Sein Ideal ist die gesellschaftliche Selbstregulierung,

Verwaltungswissenschaft, S. 404 ff., 996; ders., in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 72 (81); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 191. Kritisch zum Begriff J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 434. 71 L. Kißler, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 57 (69); Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 42; M. Ruffert, AöR 124 (1999), S. 237 (247). Auf kommunaler Ebene wird bereits von „Gewährleistungsstädten“ gesprochen, vgl. E. Grömig / J. Günther, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 21. 72 K. Schedler, in: Ph. Mastronardi / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 8; kritisch insoweit Arthur Benz, Der moderne Staat, S. 103. 73 K. König, DVBl. 1997, 239 (247). 74 J.-D. Delley, in: P. Hablützel u. a., Umbruch in Politik und Verwaltung, S. 439 (449); vgl. auch W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 192. 75 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 182; K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (35); G.F. Schuppert, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 41 (49 ff.); dahingehend schon H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 428. 76 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 451; dahingehend, unter Betonung des „wiederbelebten und aktualisierten staatlichen Gewaltmonopols“ auch W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 300; kritisch dazu H. Lecheler, Grenzen für den Abbau von Staatsleistungen, S. 57. 77 J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), S. 315 (332), in Bezug auf Postleistungen. 78 So bezogen auf den ÖPNV U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 69. Zu weiteren, allerdings nicht kennzeichnenden Aspekten vgl. M. Fromont, VVDStRL 62 (2003), S. 341. 5*

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

die durch ihn soweit nötig veranlasst und beeinflusst wird.79 Verwaltung erscheint damit weitgehend als „Hilfe zur Selbsthilfe“80.

III. Abgrenzung Neben dem Modell des Gewährleistungsstaats existieren zahlreiche weitere Vorstellungen von veränderter, im Idealfall verbesserter Staatlichkeit. Diese haben gemeinsam, dass sie bestimmte Aufgaben oder Instrumente und Methoden zu deren Erfüllung betonen sollen.81 Klare Abgrenzungen sind kaum möglich, zumal insbesondere in der Praxis Überschneidungen und begriffliche Vermischungen häufig sind. Dennoch soll im Folgenden überblicksartig auf einige „Konkurrenzmodelle“ eingegangen werden, nicht zuletzt, um die Konturen des Gewährleistungsstaates durch den Vergleich deutlicher hervortreten zu lassen. Diese Modelle ergänzen dasjenige des Gewährleistungsstaates teilweise, teilweise sind sie mit ihm aber auch weitgehend unvereinbar. Außer Betracht bleiben sollen jedoch wegen der fehlenden Relevanz für den hier interessierenden Themenkreis nur staats- und verwaltungsintern wirkende Modelle, die nicht einmal zwingend einen Organisationswechsel nach sich ziehen, auch wenn diese häufig mit den hier aufgeführten in Berührung treten. Gleiches gilt für „Übermodelle“, die aus mehreren aufgabenspezifischen Modellen bestehen.82

1. „Schlanker Staat“ Der lange Jahre die Diskussion beherrschende „schlanke Staat“ blieb weitgehend eine bloße politische Metapher.83 Sein Leitbild ist der konzentrierte Staat mit einem auf das Wesentliche reduziertem Aufgabenspektrum.84 Unklar bleibt allerdings, was als wesentlich anzusehen sei.85 79 Vgl. H.-H. Trute, DVBl. 1996, 950 (954); einschränkend W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 192. 80 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 29. 81 A. Voßkuhle, Der Staat 40 (2001), S. 495 (508). 82 Vgl. etwa das kritisch bei A. Voßkuhle, Der Staat 40 (2001), S. 495 (511 ff.), erläuterte Modell des „Dienstleistungsstaates“, das letztlich dem New Public Management entspricht. Ein solches Beispiel stellt auch der in der neueren Diskussion häufig angeführte „Steuerungsstaat“ dar, der das Modell des Gewährleistungsstaats umfasst, daneben aber auch etwa auf die Verhaltenslenkung Privater durch Anreize etc. abstellt. 83 K. König / N. Füchtner, „Schlanker Staat“, S. 327. A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (85), spricht von einer „politischen Illusion“; P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 13, bezeichnet die dahinter stehende Idee als „tiefe Ratlosigkeit“ überdeckende „Propaganda“. 84 F. La Roche-Thomé, in: R. Pitschas / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 27 (41); ähnlich W. Spiess, Öffentliche Verwaltung im neuen Jahrtausend, S. 14.

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Gekennzeichnet wird er durch die Abschaffung von Normen86 und somit Deregulierung, die Beschränkung auf bloße staatliche Rahmensetzung, den Abbau von Personal im Staatsdienst87 sowie das Streben nach der Senkung der Staatsquote. Der Weg zu ihm ist durch zahlreiche materielle Privatisierungen, d. h. die vollständige oder teilweise Entlassung staatlicher und kommunaler Agenden öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Organisationsformen in die Verantwortung nichtstaatlicher Rechtssubjekte, gekennzeichnet. 88 Die betroffenen Tätigkeiten werden dem Wettbewerb privater Anbieter im Markt überlassen.89 In der Bundesrepublik kam es insbesondere nach der Wiedervereinigung zu einer Akzentverschiebung von der bis dahin ausschließlich vermögens- zur aufgabenbezogenen Privatisierung.90 In den Wirtschaftswissenschaften wird dieses Modell als „Minimalstaat“ zunehmend als Alternative zum subsidiären Sozialstaat propagiert.91 Der „schlanke Staat“ bietet jedoch keinerlei Lösungsansätze, wie Leistungen sichergestellt werden können. Die von ihm vorausgesetzte Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Marktes kann aber im Einzelfall nicht ausreichend sein. Die Modelle des schlanken und des Gewährleistungsstaates sind zwar nicht grundsätzlich, aber doch in weiten Bereichen entgegengesetzt.92 Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist die im Gewährleistungsstaat auch im Falle von Privatisierungen grundsätzlich fortbestehende staatliche Verantwortung. In Bereichen, in denen eine weiter bestehende staatliche Verantwortung etwa wegen des Bestehens eines funktionierenden Marktes und fehlender Lebensnotwendigkeit der in Frage stehenden Leistungen jedoch nicht für erforderlich gehalten wird, sind auch die für den „schlanken Staat“ kennzeichnenden materiellen Privatisierungen möglich, so dass auch ein „schlanker Gewährleistungsstaat“ denkbar ist.93

Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 18. W. Hoffmann-Riem, in: FS K. Vogel, S. 47 (51); K. König / N. Füchtner, „Schlanker Staat“, S. 328 f. 87 K. König / N. Füchtner, „Schlanker Staat“, S. 327. 88 A. Gern, Privatisierung in der Kommunalverwaltung, S. 8; W. Hoffmann-Riem, in: FS K. Vogel, S. 47 (51). 89 J. Endler, NZBau 2002, 125; Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 29; V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 31. Zutreffend spricht J. Berkemann, SächsVBl. 2002, 279 (285), daher von „aufgabenbeendender Prvatisierung“. 90 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 79. 91 H. Lampert, in: S. Lamnek / J. Luedtke, Sozialstaat, S. 51 (62 f.). 92 Anders H. Lackner, Gewährleistungsverwaltung und Verkehrsverwaltung, S. 28 f., der eine Gleichsetzung beider Modelle für möglich hält. 93 Der Gewährleistungsstaat lässt sich daher auch als Weiterentwicklung des schlanken Staats verstehen, vgl. F. La Roche-Thomé, in: R. Pitschas / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 27 (42). 85 86

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

2. Formalprivatisierter Leistungsstaat Nicht als theoretisches Modell im eigentlichen Sinne, aber als eine in der Rechtswirklichkeit auch im Bereich der Daseinsvorsorge häufig auftretende Erscheinung, ist der in privatrechtlicher Rechtsform Leistungen erbringende Staat anzusehen. Die dabei auftretende formelle Privatisierung ist kein Unterfall der Privatisierung im eigentlichen Sinne,94 wenn diese zutreffenderweise als Abgabe bestimmter Funktionen bzw. von Rechtsmacht allgemein an Private verstanden wird.95 Es handelt sich insoweit um eine bloße Änderung der Rechts- und Organisationsform des Staates.96 Diese erfolgt zumeist mit dem Ziel der Erreichung höherer Wirtschaftlichkeit97 sowie, insbesondere auf der kommunalen Ebene, der Lockerung haushaltsrechtlicher Bindungen, der Haftungsbeschränkung, der Möglichkeit einfacherer Kreditbeschaffung, zur Verflachung der verwaltungsinternen Hierarchie und auch zur Mitnahme von Steuervorteilen.98 Die Staatsquote bleibt unverändert.99 Der Gewährleistungsstaat und formale Privatisierungen schließen sich gegenseitig nicht grundsätzlich aus. Allerdings sind die formalprivatisierten Einheiten Bestandteile des althergebrachten Leistungsstaates, zu dessen Überwindung das Modell des Gewährleistungsstaats dient. Insoweit besteht immerhin ein Spannungsverhältnis. Im Rahmen des Gewährleistungsstaats sind formale Privatisierungen daher als möglicher Bestandteil bei Aufgaben anzusehen, die nicht dem Privatsektor zur Erfüllung überlassen werden.

3. Präventionsstaat Das Konzept des Präventionsstaates beschäftigt sich vordergründig nicht mit den Zuständigkeiten des staatlichen oder privaten Sektors bei der Bereitstellung von Leistungen. Vielmehr zielt es darauf ab, Gefahren bereits im Vorfeld zu erkennen und zu verhindern, statt sie erst nachträglich zu bekämpfen.100 Hinsichtlich der Vorsorge gegen teilweise unbekannte Risiken wird der zeitliche Ansatzpunkt Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 110. So Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 90; J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 36; J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1044); ders., Privatisierung, S. 37. 96 A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 44; Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 31 f.; S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 36; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 30. 97 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 111; ausdifferenzierend K. Böhmann, Privatisierungsdruck des Europarechts, S. 26 f. 98 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 81 m. w. N. 99 D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 15; V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 31; Chr. Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 19. 100 G.F. Schuppert, Die Verwaltung Beih. 4 (2001), S. 210 (210). 94 95

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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rechtlicher Steuerung vorverlegt.101 Diese Steuerung, die sich vor allem im Wege der Rechtssetzung vollzieht, soll nicht zuletzt aber auch das unschädliche Zusammenspiel der Eigendynamik verschiedener sozialer Systeme gewährleisten. Steuerung stellt sich damit vor allem als politische Gestaltungsaufgabe dar.102 Mit dieser Einordnung wird zugleich deutlich, dass weitreichende Ausfüllungsspielräume bestehen. Problematisch an diesem Modell ist vor allem, dass einerseits die Gefahr der Bekämpfung von „Scheingefahren“ besteht und andererseits die Verrechtlichung sämtlicher Lebensbereiche zu befürchten steht. Mag sich auf den ersten Blick der Zusammenhang mit dem Modell des Gewährleistungsstaats noch nicht erschließen, so bestehen dennoch Überschneidungen. Zunächst ist das Modell des Präventionsstaats stark staatsbezogen. Über die Rechtssetzung hinausgehend kann es dazu führen, privates Engagement zugunsten weitergehender Staatstätigkeit zurückzudrängen. Insbesondere im sozialen, der Daseinsvorsorge zugeordneten Bereich sind insoweit Konflikte mit dem Modell des Gewährleistungsstaates denkbar, da die Vorbeugung gegen dort vermutete bzw. dort vorzubeugenden Gefahren nicht zuletzt auch durch unmittelbare staatliche Leistungserbringung geschehen kann, zumal Gefahren auch solche für die „soziale Sicherheit“ sein können. Zugleich können beide Modelle insoweit aber auch ineinander greifen. Die Mittel des Gewährleistungsstaats können ohne weiteres im Präventionsstaat eingesetzt werden.

4. Kooperationsstaat Der Kooperationsstaat, der – wie auch Forsthoffs „Daseinsvorsorge“ – als das „Ergebnis einer Realanalyse“103 in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt wurde, spielt in dieser noch immer eine wichtige Rolle. Er zeichnet sich durch eine enge Verzahnung zwischen öffentlichem und privatem Sektor aus.104 In ihm leben Staat und Gesellschaft „im Zustand gegenseitiger Durchdringung und Verschränkung“105. Die Handlungs- und Entscheidungsmacht des Staates teilt dieser mit Interesseverbänden und anderen, etwa dem Dritten Sektor.106 Sofern Gruppen oder Interessen eine ausreichende Größe oder Durchsetzungskraft aufweisen, erhalten sie Zugang zu staatlichen Entscheidungsprozessen.107 Wegen deren Vielzahl und Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 97. F.-X. Kaufmann, in: D. Grimm, Staatsaufgaben, S. 15 (32). 103 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (409); kritisch insoweit wegen der Schwierigkeiten empirischen Nachweises Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, S. 41. 104 G.F. Schuppert, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 (565). 105 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (409). Negativ ausgedrückt handelt es sich um gegenseitige Abhängigkeit, vgl. Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, S. 306. 106 R. Voigt, in: ders., Abschied vom Staat, S. 9 (13). 107 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (408). 101 102

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Gegenläufigkeit agieren Politik und Verwaltung in erster Linie als Moderatoren und versuchen, Lösungen anzustoßen.108 Es entsteht eine Vielzahl von Kooperationsmodellen, in denen Verantwortung zur gesamten Hand ausgeübt wird.109 Die Mitwirkung Privater ist dabei institutionell und organisatorisch abgesichert.110 Die Bedeutung des Rechts im kooperativen Staat geht deutlich zurück. Einerseits wird die staatliche zunehmend durch private Rechtsetzung beeinflusst und ergänzt.111 Andererseits tritt informales an die Stelle rechtlich geregelten Verwaltungshandelns,112 wobei unterschiedlich intensive rechtliche Bindungen der Beteiligten zu verzeichnen sind.113 Das Recht verliert gegenüber anderen Methoden, etwa Anreiz, Werbung, oder moralischer Inpflichtnahme, an Bedeutung.114 Indirekte Lenkungsmittel werden vermehrt von Seiten des Staates eingesetzt.115 Die „scharfen Grenzen von rechtlicher Steuerung und moralischer Selbstbestimmung“ lösen sich auf.116 Recht verliert überdies seine Ausgestaltung als eindeutige Handlungsanweisung und enthält Ausfüllungsspielräume für seine Adressaten.117 In seiner überkommenen Form dient es vor allem als Lenkungsmittel gegenüber Unorganisierten oder Kooperationsunwilligen.118 Als rechtliche Kennzeichen des Kooperationsstaats lassen sich damit zusammenfassend bezeichnen die Existenz zwei- oder mehrseitig vereinbarten und überdies „weichen“ Rechts, der Einsatz von Überzeugung statt Zwang sowie bloße Teil- statt rechtlicher Vollsteuerung. 108 Th. Vesting, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 101 (118). 109 Th. Würtenberger, in: E.-J. Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, S. 308 (320); ähnlich Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, S. 321; kritisch unter Verweis auf Rechtsstaats- und Demokratieprinzip O. Depenheuer, in: P.M. Huber, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 17 (33). Zu Erscheinungsformen vgl. zusammenfassend H. Schulze-Fielitz, DVBl. 1994, 657 (657 f.), daran anschießend G.F. Schuppert, Die Verwaltung Beih. 4 (2001), S. 210 (215 ff.). 110 H. Schulze-Fielitz, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 95 (106); ausführlich dazu Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, S. 335 ff. 111 H. Schulze-Fielitz, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 95 (105). 112 E.-H. Ritter, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (74); H. Schulze-Fielitz, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 95 (101 f.); R. Voigt, in: ders., Abschied vom Staat, S. 9 (13); ebenso mit Bezug zur Rechtsetzung L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 220 f. 113 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 101; E.-H. Ritter, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (75 f.). 114 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (409). 115 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (393). 116 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 100. 117 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (397). 118 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (410); Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, S. 309; H. Schulze-Fielitz, DVBl. 1994, 657 (659). Kritisch insoweit O. Depenheuer, in: P.M. Huber, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 17 (19 f.), der die Gefahr des „Kooperationstotalitarismus“ sieht, der es vorzubeugen gilt; Arthur Benz, ebd., S. 307, verweist auf das Erfordernis der Existenz „kooperationsbereite(r) Adressaten“.

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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Hinzu kommen die zeitliche Begrenzung des Rechts sowie seine imperfekte Anwendung.119 Damit einher geht eine Abschwächung von Staatlichkeit.120 Staat und Private befinden sich in einem Zustand „gegenseitige(r) Gefangenschaft“, wobei einerseits der Staat wegen seiner rechtlichen Gebundenheit und politischen Verantwortung tendenziell benachteiligt ist.121 Andererseits stellen sich auf Seiten der privaten Kooperationsteilnehmer insbesondere die Probleme der „erzwungenen Kooperation“122 sowie der Erreichung ausreichender Größe und Gewichtigkeit.123 Wichtigste Kritikpunkte des Kooperationsstaates sind jedoch das ihm inhärente Problem der unklaren Verantwortlichkeiten124 und die Gefahr der Vernachlässigung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze.125 Überdies wird der Staat weitgehend als „normaler“ Marktakteur behandelt. Das Verhältnis von Kooperationsstaat und Gewährleistungsstaat ist nicht unproblematisch. Die im Folgenden darzulegende notwendige Formalität des Gewährleistungsstaats setzt eine Unterscheidbarkeit der Sphären von Staat und Privaten ebenso voraus, wie den Einsatz von „hartem“ Recht. Dennoch sind kooperationsstaatliche Elemente im Gewährleistungsstaat nicht vollständig ausgeschlossen, so lange dessen Grundkonzeption nicht berührt wird.126 E.-H. Ritter, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (82 f.). Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 101; ähnlich Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, S. 305 f. 121 V. Wright, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 155 (169 f.); G.F. Schuppert, in: FS H. Wollmann, S. 399 (404), betont die Angewiesenheit des Staates auf die Kooperation nicht-staatlicher Akteure in einer steigenden Anzahl von Politikbereichen. Im Hinblick auf PPP verweist U. Steckert, DfK 41 (2002), S. 61 (78), darauf, dass die privaten Partner „grundsätzlich aus nacktem Gewinninteresse“ handelten. 122 O. Depenheuer, in: P.M. Huber, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 17 (26 f.). 123 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (403 ff.); zu diesem Problem auch mit anderer Zielrichtung L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 219 f. O. Depenheuer, in: P.M. Huber, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 17 (27), weist zutreffend darauf hin, dass der Staat nicht mit 80 Millionen Bürgern kooperieren kann. 124 H.-H. Trute, DVBl. 1996, 950 (955); treffend O. Depenheuer, in: P.M. Huber, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 17 (33): „Von der Verantwortungsteilung zur Verantwortungslosigkeit ist es ein sehr kurzer Weg.“; ähnlich W. Hoffmann-Riem, in: FS K. Vogel, S. 47 (59). Arthur Benz, Kooperative Verwaltung, S. 320, leitet daraus die Forderung nach der Schaffung klarer Verantwortlichkeiten für einzelne Aufgaben und Kooperationsprozesse ab. 125 H. Schulze-Fielitz, DVBl. 1994, 657 (659 f.). Arthur Benz, Der moderne Staat, S. 267 ff., fordert daher die Entwicklung einer neuen Demokratiekonzeption. 126 Siehe insoweit auch W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 297 f., der unter Verwendung eines weiteren Kooperationsbegriffs beide Modelle in Gleichklang bringt. Kooperation umfasst danach auch „Verantwortungsteilung“ (vgl. dazu sogleich B.IV.1.) im Sinne des Gewährleistungsstaatsmodells. Auch wenn ein solches Verständnis nicht völlig fern liegt, ist es im Interesse der Unterscheidbarkeit der Konzeptionen vorliegend nicht weiter zu verfolgen. Einen engen Zusammenhang stellen auch Arthur Benz, Der moderne Staat, S. 237, 119 120

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

IV. Konzeption Hinausgehend über die bereits oben vorgenommene Begriffsbestimmung soll im Folgenden das Modell des Gewährleistungsstaats in seine Einzelbestandteile aufgespaltet und untersucht werden.

1. Rollenverteilung Der Gewährleistungsstaat ist gekennzeichnet durch ein Zusammenwirken von Staat und Privaten bei der Aufgabenerfüllung. Zwar kann dieses im Einzelfall unterschiedliche Formen annehmen. Typischerweise erfolgt jedoch eine Funktionenteilung in der oben beschriebenen Weise. Diese ist sowohl verwaltungswissenschaftlich darstellbar, als auch rechtlich fassbar.

a) Modell der „Verantwortungsstufen“ In den Verwaltungswissenschaften wurde zur Erfassung der Problematik das Modell der Verantwortungsstufen entwickelt.127 Dieses analysiert und typisiert aus empirischer Sicht128 das Engagement und die Zuständigkeitsverteilung von Staat und Privaten im Hinblick auf bestimmte Aufgaben oder – allgemeiner gesprochen – Tätigkeiten. Je nach Aufgabe kommt der Verwaltung eine unterschiedliche Rolle zu.129 Das Modell der Verantwortungsstufen ist nicht allein auf den Gewährleistungsstaat bezogen, wenn es auch aufgrund seiner zeitlich parallelen Entstehung und seiner Verwendung vor allem zur Veranschaulichung des Gewährleistungsstaatsmodells gewisse, vor allem terminologische Verwandtschaft mit diesem aufweist. Völlige Übereinstimmung hinsichtlich seiner Bestandteile und deren Verhältnis zueinander konnte noch nicht erreicht werden. Im Folgenden sollen daher die verschiedenen Ansätze im Grundriss aufgezeigt und gewürdigt werden. Allen Ansätzen gemeinsam ist der Begriff der „Gewährleistungsverantwortung“. In seinem weitesten Verständnis stellt er den Oberbegriff für die ErscheinungsK.-H. Ladeur / T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), S. 141 (150), und G.F. Schuppert, in: FS H. Wollmann, S. 399 (406), her. 127 Grundlegend insoweit E. Schmidt-Aßmann, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann / G.F. Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (43 f.). 128 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 14. M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (226), betont daher den nicht rechtlichen, ordnenden Charakter der Einteilungen. 129 K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 36. Ein überaus ausdifferenziertes Konzept der Verantwortungsstufen findet sich bei G.F. Schuppert, in: J. Ipsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (29); ders., in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 72 (79 f.).

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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formen der Erfüllungs- oder auch Ergebnisverantwortung130 sowie der Auffangverantwortung dar.131 Unter Erfüllungsverantwortung ist dabei (in Übereinstimmung mit der Verwendung in anderen Klassifizierungen) die Leistungserstellung durch den Staat selbst, in erster Linie unter Einsatz öffentlicher Unternehmen zu verstehen.132 Die Auffangverantwortung beschränkt den Staat dagegen auf eine subsidiäre Zuständigkeit und die Regelsetzung. Die Zuordnung der Gewährleistungsverantwortung trifft insoweit noch keine Aussage über die Art der Aufgabenerfüllung.133 Sie deutet allein darauf hin, dass eine von ihr umfasste Aufgabe nicht ausschließlich dem Privatsektor zuzuordnen ist. Diese Vorstellung ist jedoch zu wenig ausdifferenziert. Insbesondere die Kategorie der Auffangverantwortung muss gleichsam als Auffangbecken für alle sonst nicht fassbaren Erscheinungen in der Rechtswirklichkeit dienen. Nach anderer Ansicht sind die Begriffe gleichstufig.134 In diesem Fall gewinnt die „Gewährleistungsverantwortung“ eine weitergehende eigenständige Aussage. Sie beschreibt dann als getrennt zu betrachtende Verantwortungsstufe die Zuständigkeit des Staates für Rechtssetzung und rechtlich gestaltete Überwachung135 und damit für die Gewährleistung und Sicherstellung öffentlicher Aufgaben.136 Sie umfasst die Aufgaben laufender Marktüberwachung und, soweit notwendig, Regulierung.137 Kennzeichnend für die Gewährleistungsverantwortung ist damit zugleich die Leistungserbringung durch selbständige Dritte.138 Neben der so verstandenen Gewährleistungsverantwortung ist für eine neben diese tretende „Auffangverantwortung“ kein Raum mehr, sofern dieser kein über die allgemeine staatliche Gemeinwohlverantwortung hinausgehender Begriffsinhalt zukommen soll. Diese kann jedoch vorliegend vernachlässigt werden, da daraus keine weiterführenden Erkenntnisse erwachsen. Stattdessen bietet sich eine Dreiteilung dahingehend an, dass zwischen Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung die Finanzierungsverantwortung tritt. In deren Wahrnehmung ist es Aufgabe der Verwaltung, die

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W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (442); ders., in: FS K. Vogel, S. 47 (53). G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 338. M. Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 255 (259); W. Hoffmann-Riem, in: FS K. Vogel, S. 47

(53). 133 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 84; H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (268 ff.); G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 337 f. 134 G.F. Schuppert, Die Verwaltung 31 (1998), S. 415 (423); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 193; implizit so auch W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (441 f.). 135 W. Hoffmann-Riem, DVBl. 1999, 125 (126); ders., in: FS K. Vogel, S. 47 (53 f.). 136 W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 293. J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (7), weist jedoch unter Ablehnung der Begrifflichkeit zutreffend darauf hin, dass der Staat nie Ergebnisse gesellschaftlicher Entwicklungen garantieren kann. 137 W. Hoffmann-Riem, DVBl. 1999, 125 (126 f.). Mit G.F. Schuppert, Die Verwaltung 31 (1998), S. 415 (424 ff.), ist es auch möglich, in diesen Aufgaben Unterverantwortungsstufen zu sehen. Inhaltlich ergeben sich insoweit keine Abweichungen. 138 W. Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz, S. 27.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Erbringung von Leistungen finanziell sicherzustellen, ohne jedoch die Leistung selbst anzubieten. Zwar kann die Finanzierungsverantwortung in einem relativ weiten Verständnis der Gewährleistungsverantwortung zugeordnet werden, allerdings erfolgte dann wieder eine Aufweichung dieses Begriffs. Um eine Abgrenzbarkeit und gewisse Bestimmtheit der Begriffe sicherzustellen, ist die Aufnahme der Finanzierungsverantwortung als eigenständige Verantwortungsstufe ebenso geboten, wie die Begrenzung der Gewährleistungsverantwortung dahingehend, dass sie über die oben genannten Eigenschaften hinausgehend die Gewährleistung der zielgerichteten Leistungserbringung umfasst.139 Die damit gegenüber der bloßen Rahmensetzung und Aufsicht etwas gesteigerte Verantwortung der Verwaltung140 ist jedoch nicht so gravierend, dass sie die Einführung einer weiteren Verantwortungsstufe rechtfertigt, zumal die Grenzen insoweit als fließend anzusehen sind. Die zu starke Eingrenzung des Begriffs der Gewährleistungsverantwortung würde zudem keinen Erkenntnisgewinn im Hinblick auf eine über eine allgemeine staatliche „Grundverantwortung“ für das Gemeinwesen hinausgehende Stufe enthalten. Voraussetzung der Anwendung des Modells ist jedoch gerade, dass eine erhöhte staatliche Verantwortung überhaupt besteht. Welche Bereiche davon betroffen sein sollen, ist eine politische Frage, über die staatliche Instanzen im dafür vorgesehenen Verfahren entscheiden müssen.141 Wird eine Aufgabe schließlich einer Verantwortungsstufe zugeordnet, bedeutet dies jedoch nicht zugleich, dass insoweit eine Sperrwirkung besteht. Vielmehr lassen sich häufig Erstellungsphasen unterscheiden, die unterschiedlich wahrgenommen werden können.142

b) Umsetzung Kennzeichnend für das Modell des Gewährleistungsstaats ist einerseits die Beschränkung des Staates auf die Gewährleistungsverantwortung, andererseits aber auch die Betonung dieser. Diese folgt aus der Abhängigkeit des Einzelnen von bestimmten Leistungen, insbesondere auch im Bereich der Daseinsvorsorge.143 Es bildet sich eine differenzierte Verantwortungs- oder auch „Funktionen-“144 bzw. Arbeitsteilung145 zwischen Staat und Gesellschaft mit fließenden 139 F. Naschold u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 102; Chr. Reichard, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 121 (124); K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 35; ähnlich M. Holoubek, VVDStRL 60 (2001), S. 513 (579). 140 Kritisch daher W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (441), der unter „Gewährleistungsverantwortung“ die bloße Rahmensetzung versteht. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 160, spricht insoweit von „Leitungsverantwortung“. 141 K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 33. 142 F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (974). 143 Dahingehend schon B. Tiemann, BayVBl. 1976, 261 (266). 144 M. Bullinger, in: FS H.F. Zacher, S. 85 (88). 145 G.F. Schuppert, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 (542); ders., in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 41 (42).

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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Übergängen146 heraus, an der die sich verändernde Rollenverteilung zwischen Staat, Markt und Drittem Sektor147 deutlich wird. Angestrebt wird eine Partnerschaft zwischen Staat und Privaten.148 Dem dabei auftretenden Problem der alleinigen Verpflichtung des Staates auf das öffentliche Interesse,149 wird durch die ihm verbleibende Gewährleistungsverantwortung begegnet. Die Erfüllungsverantwortung für öffentliche Zwecke wird jedoch auf Private verlagert. Der Staat zieht sich insoweit zurück.150 Es erfolgt damit eine organisierte Leistungserbringung am Markt, an welcher der Staat ein Interesse aufweist und daher auch auf den Erbringer einwirkt. Deutlich wird diese Konstruktion etwa an § 22 I KrW- / AbfG.151 Den Idealzustand bildet eine weitgehende gesellschaftliche Selbstregulierung, in deren Rahmen Private im öffentlichen Interesse unter Veranlassung, Aufsicht und Förderung sowie ggf. Konkurrenz des Staates tätig werden.152 Der Staat wird so zur „Entwicklungsagentur“ der Gesellschaft.153 In den Vordergrund tritt seine Bewirkungsfunktion,154 die sich insbesondere an der vor allem moderierenden, anstoßenden Rolle der Verwaltung zeigt.155 Der Funktionswandel von Staat und Verwaltung156 146 Chr. Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (332); K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 34; B. Zypries, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 177 (178); dahingehend auch Bundesregierung, Moderner Staat – Moderne Verwaltung, S. 2. 147 G.F. Schuppert, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 87 (88); ähnlich K.-H. Ladeur / T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), S. 141 (154). Nach M. Fromont, VVDStRL 62 (2003), S. 341, werde im Gewährleistungsstaat die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft sogar obsolet. Zum Dritten Sektor in diesem Zusammenhang siehe insbesondere die Beiträge in P. Herrmann, European Services of General Interest. 148 Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (348); K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 33. R. Pitschas, in: ders. / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 13 (14), spricht dann auch von einer „Verantwortungspartnerschaft“. Zum Begriff des „Privaten“ siehe M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (231 f.). 149 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 298; M. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (166); ebenso in anderen Zusammenhängen O. Depenheuer, in: P.M. Huber, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 17 (35); Th. Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 125. 150 W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 292. Mit Bezug auf das „Regulierungsverwaltungsrecht“ spricht J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (5), von einer „Grundentscheidung zum Wettbewerb“. 151 U. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (241). 152 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 89. 153 S. v. Bandemer / B. Blanke / J. Hilbert / J. Schmid, in: F. Behrens u. a., Den Staat neu denken, S. 41 (58); ähnlich auch Chr. Reichard, VuF 27 (1999), S. 117 (121), der vom „Schmiermittel für die Gesellschaft“ spricht. 154 G.F. Schuppert, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 19 (26). 155 F.-L. Knemeyer, DVBl. 2000, 876 (878). 156 E. Grande, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 576 (586); H. Schulze-Fielitz, ZG 15 (2000), S. 295 (301); G.F. Schuppert, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 19 (24); ders., DÖV 1995, 761 (766).

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beinhaltet somit zugleich ein neues Aufgabenverständnis.157 Der Staat ist grundsätzlich nicht mehr unmittelbar an der Leistungserstellung beteiligt. Dennoch muss er für diese Sorge tragen. Die Aufgaben der Verwaltung sind daher insbesondere in der Kommunikation mit den gesellschaftlichen Akteuren, der Initiierung, Aktivierung und gegebenenfalls auch Schaffung der notwendigen Voraussetzungen, z. B. der Infrastruktur, der Schaffung und Moderation institutioneller Arrangements sowie der Förderung und Koordination gesellschaftlicher Eigenaktivitäten und Kooperation mit Bürgern, Assoziationen und Unternehmen zu sehen.158 Daneben tritt die Kontrolle der leistungserbringenden Unternehmen anstelle der Leistungserbringung selbst.159 Die Rechtssetzung wendet sich daher an den leistungserbringenden Dritten, nicht an Begünstigten. Der Gewährleistungsstaat ist daher durch eine Mehrstufigkeit wohlfahrtsstaatlicher Abläufe gekennzeichnet.160 Inwieweit diese Grundsätze zum Tragen kommen, ist abhängig von den politischen Gegebenheiten. Die Entscheidung darüber, welche Aufgabe staatlich gewährleistet oder selbst produziert oder finanziert werden soll, ist eine politische,161 bei der rechtliche Anforderungen162 zu beachten sind. Soweit diese jedoch indifferent bleiben, ist aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht jedoch eine rationale Leistungstiefenpolitik nötig.163 Soll der Gewährleistungsstaat nicht nur ein Etikett für den überkommenen Leistungsstaat sein, kann seine „Umsetzung“ nicht allein darin bestehen, die Entscheidung zu treffen, alle Leistungen weiterhin unmittelbar durch die öffentliche Hand anzubieten.164 Zuständig für diese Entscheidung ist grundsätzlich der Gesetzgeber, soweit, wie bei einigen Daseinsvorsorgeaufgaben der Fall, diese als gesetzliche Pflichtaufgaben ausgestaltet sind. Andernfalls liegt die Umsetzungskompetenz im Rahmen der Ermächtigung bei dem jeweiligen Verwaltungsträger,165 der dabei an seine binnenorganisatorische Zuständigkeitsverteilung gebunden ist. Im Falle der Kommunen handelt daher grundsätzlich der Gemeinderat.166

G.F. Schuppert, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 19 (25). Chr. Reichard, VuF 27 (1999), S. 117 (124). 159 F. Zeiß, DÖV 1958, 201 (202). 160 Vgl. E.-H. Ritter, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 69 (72). 161 Chr. Reichard, VuF 27 (1999), S. 117 (123). 162 Zu diesen unten C. 163 Chr. Reichard, VuF 27 (1999), S. 117 (124); V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 33; ähnlich U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 19. 164 Siehe insoweit das Negativbeispiel des Entwurfs zur Postuniversaldienstleistungsverordnung, dazu im Einzelnen M. Herdegen, ZRP 1999, 63 ff. 165 Vgl. L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (222 f.). 166 E. Grömig / J. Günther, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 21. 157 158

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c) Insbesondere: „Funktionale Privatisierung“ Soweit Tätigkeiten im Bereich der Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand durchgeführt wurden, ist für den Gewährleistungsstaat deren Überlassung an private Leistungserbringer kennzeichnend. Es findet damit eine „Privatisierung“ statt. Über diesen Oberbegriff hinausgehend herrscht Unklarheit über die einzelnen Privatisierungsbegriffe,167 die, ähnlich dem Daseinsvorsorgebegriff, nur eine Typisierung, nicht aber eine Definition der Erscheinung vornehmen.168 Wegen des Weiterbestehens der staatlichen Verantwortung169 für die Erfüllung bestimmter Aufgaben unter Gemeinwohlgesichtspunkten170 in der Gewährleistungsstaatskonzeption ist eine vollständige materielle Privatisierung dieser Bereiche grundsätzlich unzulässig.171 Bei dieser Privatisierungsform verbleibt kein dauerhafter Verantwortungsrest des Staates. Staatliche Steuerung wird vielmehr durch Privatautonomie und staatliche Leistungserbringung durch Marktmechanismen ersetzt.172 Im Bereich der kommunalen Pflichtaufgaben ist die materielle Privatisierung daher regelmäßig nicht möglich. Allenfalls im Rahmen einer Beleihung können Ausnahmen zugelassen werden.173 Als bereits in der Privatisierungswirklichkeit,174 insbesondere auf kommunaler Ebene175 weit verbreitete Alternative bietet sich als minus zur materiellen Privatisierung, jedoch bei Einbeziehung Privater in die Leistungserstellung, die funk167 Ähnlich J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 17; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 28; U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 8. A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (59), kennzeichnet den Begriff „Privatisierung“ als „stark simplifizierende(s) Schlagwort“; ähnlich J. Berkemann, SächsVBl. 2002, 279. 168 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 28; B. Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, S. 191; ähnlich K. Böhmann, Privatisierungsdruck des Europarechts, S. 25. 169 Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (347); H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (277); K. Schedler, in: Ph. Mastronardi / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 8; ders. / I. Proeller, New Public Management, S. 43; U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 86; G.F. Schuppert, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 41 (45). 170 U. Penski, DÖV 1999, 85 (95). 171 Vgl. H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (12). 172 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 108. 173 H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (7); vgl. aber auch F. Zeiß, DÖV 1958, 201 (202), nach dem Gemeinden bei Pflichtaufgaben die aus diesen resultierenden Leistungen nur „notfalls . . . selbst übernehmen (müssten) . . . , wenn kein Dritter dazu bereit, aber ein Bedürfnis vorhanden ist . . .“. 174 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 109. 175 M. Burgi, NVwZ 2001, 601 (603); G.F. Schuppert, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 (544).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

tionale176 bzw. funktionelle Privatisierung177 an. Gerade die Liberalisierung klassischer Daseinsvorsorgebereiche ist häufig durch diese auch als unechte Aufgabenprivatisierung178 oder Fremdvergabe bzw. contracting-out179 bezeichnete Form der Privatisierung geprägt,180 da sie im Gegensatz zur materiellen Privatisierung auch bei kommunalen Pflichtaufgaben zulässig ist.181 Unzweifelhaft kennzeichnend für diese Privatisierungsform ist, dass die Übertragung der entsprechenden Leistungen nicht einmalig, sondern in wiederkehrenden Abständen erfolgt.182 Trotz der fortbestehenden Ergebnisverantwortung der Verwaltung183 wird die funktionale Privatisierung teilweise vollständig der materiellen Privatisierung zugerechnet.184 Dies kann jedoch nicht überzeugen. Insbesondere wird in diesem Fall 176 K. Böhmann, Privatisierungsdruck des Europarechts, S. 28; M. Dreher, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 33 (35); Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 109; Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 32; H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (12); S.R. Laskowski, ZUR 2003, 1 (2). 177 Siehe dazu Chr. Reichard, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (20); F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (963); G.F. Schuppert, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 19 (23 f.), sowie mit gleichem Begriffsverständnis S. Enzian, DVBl. 2002, 235 (237). Anders Chr. Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen, S. 50; sowie ihr folgend W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 38 ff., die unter dem Begriff eine Privatisierung nicht nur der Leistungserstellung, sondern auch der Verantwortlichkeit verstehen und die hier interessierende Variante als organisatorische Privatisierung bezeichnen. Letzterem Verständnis soll vorliegend jedoch nicht gefolgt werden. F.-J. Peine, DÖV 1997, 353 (355) setzt formelle und funktionale Privatisierung gleich. 178 A. Krölls, GewArch 1995, 129 (131). Dagegen nimmt D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 165 f., eine Abgrenzung zur funktionalen Privatisierung anhand der verbleibenden rechtlich definierten und mit Regulierungsbefugnissen versehenen staatlichen Garantenstellung vor, allerdings soll auch bei jener eine Aufgabenverantwortung der öffentlichen Hand verbleiben. Ein Unterschied in der Sache ist damit kaum erkennbar. In den abschließenden Ausführungen, Rn. 175, fehlt denn auch eine nochmalige Unterscheidung. 179 V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 31; zum Konzept des contracting-out mit Bezug zum insoweit voranschreitenden Großbritannien K. Ascher, The Politics of Privatisation, S. 7 ff. 180 S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 59. 181 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (271); M. Burgi, NVwZ 2001, 601 (603); R. Hofmann, VBlBW 1994, 121 (122); A. Krölls, GewArch 1995, 129 (131); G.F. Schuppert, DÖV 1995, 761 (767); ders., in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 41 (45); D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 168. S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 35, weist jedoch auf die jenseits kommunaler Pflichtaufgaben häufig bestehende Möglichkeit zur materiellen Privatisierung im Daseinsvorsorgebereich hin. 182 V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 32. 183 H.-H. Trute, DVBl. 1996, 950 (952); ähnlich M. Gädeke, Staatliche und private Entsorgungsverantwortung, S. 203. 184 A. Krölls, GewArch 1995, 129 (131); M. Ruffert, AöR 124 (1999), S. 237 (248); W. Schroeder, EWS 2002, 174; Chr. Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 18;

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nicht deutlich, weshalb hinsichtlich bestimmter materiell – nämlich funktional – privatisierter Aufgaben eine staatliche Verantwortung bestehen bleibt. Typisch für die materielle Privatisierung sind jedoch gerade die vollständige Aufgabe des staatlichen Engagements und die umfassende Verlagerung der Tätigkeit in den Privatsektor ohne über allgemeine gesetzliche Regelungen hinausgehende Auflagen. Dauernde Kontrollen der Leistungserbringung sind bei der materiellen Privatisierung weder zu gewährleisten185 noch systemimmanent. Daraus folgt zugleich, dass auch die völlige Einstellung der Leistungserbringung erfolgen kann. Gerade dies soll im Rahmen der funktionalen Privatisierung aber verhindert werden. Eine Zuordnung der funktionalen zur materiellen Privatisierung erscheint allenfalls insoweit sinnvoll, als auf die Leistungserbringung durch materiell Private hingewiesen werden soll. Um die dennoch auftretenden Unterschiede in den Erbringungsformen bei der „echten“ und der „unechten“ Aufgabenprivatisierung erfassen zu können, wäre jedoch eine weitergehende Unterteilung der dann als Oberbegriff fungierenden materiellen Privatisierung in die aufgeführten Kategorien erforderlich. Aufgrund der angeführten Schwierigkeiten und der Gefahr der Aufweichung des mittlerweile weitgehend anerkannten und im oben verwendeten Sinne verstandenen Begriffs der materiellen Privatisierung ist dieser Ansatz somit abzulehnen. Aus empirischer Sicht weiterführender erscheint der Ansatz, die funktionelle als materielle Teilprivatisierung anzusehen. Dies ist möglich, indem eine im Allgemeinen als Einheit angesehene Aufgabe in mehrere (Teil-)Aufgaben aufgespaltet wird, die dann teilweise materiell privatisiert werden.186 Im Ergebnis stehen sich dann innerhalb einer Gesamtaufgabe ein rein hoheitlicher und ein rein privater Bereich gegenüber. In den hoheitlichen Bereich fällt dabei insbesondere die Verpflichtung, die Leistungserbringung zu den gewünschten Konditionen sicherzustellen. Obwohl diese Vorstellung zunächst wegen ihrer Einfachheit gut handhabbar erscheint, zumal sie weitere Ausdifferenzierungen von Privatisierungsarten vermeidet, ist sie letztlich doch abzulehnen. Zum einen erscheint die Aufgabenaufspaltung nicht überzeugend. Als Einheit wahrgenommene Sachverhalte werden künstlich getrennt. Zum anderen besteht die Einfachheit nur scheinbar. Durch die Aufspaltung entstehen zahlreiche Koordinationsschwierigkeiten. Zwar ist dies auch bei anderen Gestaltungen der Fall. Vor allem wird aber eine Problemverlagerung bewirkt, da auch hier die materiellen Privatisierungen keiner einheitimplizit auch M. Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705 (708); wohl auch J. Berkemann, SächsVBl. 2002, 279 (286); unter der Bezeichnung als „organisatorische Privatisierung“ ebenso W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 38. Dagegen sieht W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 38 f., die funktionelle als formelle Privatisierung an, geht dabei aber zum einen von einem abweichenden Begriffsverständnis aus und folgt zum anderen einem materiellen Staatsaufgabenkonzept; mit gleicher Zuordnung aber ohne nähere Begründung K. Böhmann, Privatisierungsdruck des Europarechts, S. 28. 185 A. Gern, Privatisierung in der Kommunalverwaltung, S. 12. 186 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 39 f.; A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 19; im Ergebnis so wohl auch die Konzeption von W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 32 (insbes. Anm. 140), 42 f. 6 Knauff

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

lichen Behandlung unterfallen können, da die Gesamtaufgabenerfüllung gesichert bleiben muss und zu diesem Zweck weitreichende staatliche Ingerenzmöglichkeiten eröffnet werden müssen. Zutreffend erscheint es daher, die funktionelle Privatisierung als eigenständigen Privatisierungsgrad anzusehen. Doch auch insoweit herrscht keine Klarheit über ihren Umfang. Nach einer Ansicht umfasst die funktionale Privatisierung nur Gestaltungen, bei denen der Leistungserbringer keine Rechtsbeziehungen mit dem Leistungsempfänger, sondern nur mit der Verwaltung unterhält.187 Der Private wird als Verwaltungshelfer eingesetzt.188 Als solcher ist er grundsätzlich weisungsgebunden.189 Bildlich gesprochen tritt er als „Werkzeug der Verwaltung“ auf.190 Die insoweit vorgenommenen Tätigkeiten sind regelmäßig Hilfstätigkeiten technischer oder rein tatsächlicher Art ohne eigenen Entscheidungsspielraum.191 Zwingend ist dies jedoch nicht. Im Rahmen einer selbständigen Verwaltungshilfe192 kann der Private, etwa in der Ausgestaltung als Betreibermodell, weitgehend unbeeinflusst handeln.193 Auch in diesem Fall tritt er dem Bürger als typischem Leistungsempfänger nicht unmittelbar rechtlich gegenüber. Seine Funktion ist eine bloße Dienstfunktion für die Verwaltung, die nach außen weiterhin als Leistungserbringer auftritt. Nicht erfasst von der funktionalen Privatisierung werden in diesem Fall andere Möglichkeiten des Einsatzes Privater bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, bei denen über die allgemeine gesetzliche Regelunterworfenheit bestehende Einwirkungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand bestehen. So wäre dann etwa die (echte) Konzession194 im Bereich zumindest auch gemeinwohlorientierter Leistungen, bei welcher der Leistungserbringer dem Bürger unmittelbar gegenübertritt, als eigenständiger Privatisierungsgrad anzusehen.195 Diese kann als Übertragung eines F.-J. Peine, DÖV 1997, 353 (357). G.F. Schuppert, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 41 (45); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 36. D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 171, sieht darin eine materielle Privatisierung der Aufgabenerledigung. 189 F.-J. Peine, DÖV 1997, 353 (357). 190 Kritisch dazu M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 327; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 448 f. 191 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 174. Ein Problem insoweit stellt jedoch die Abgrenzung von Entscheidungsvorbereitung und Entscheidung dar, vgl. D. Ehlers, DVBl. 1998, 497 (506). 192 U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 107. 193 M. Gädeke, Staatliche und private Entsorgungsverantwortung, S. 203. Zu den verschiedenen Betreibermodellen vgl. etwa Chr. Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 52 ff. 194 Kritisch zum Begriff und seiner Verwendung neben Beleihung, Verwaltungshilfe und Indienstnahme Privater J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 458 ff. 195 So Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 152. M. Burgi, NVwZ 2001, 601 (603); S. Enzian, DVBl. 2002, 235 (237), rechnen sie dagegen der materiellen Privatisierung zu. 187 188

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Monopols der öffentlichen Hand auf Private und somit als Monopoldurchbrechung verstanden werden.196 Sie ist ein Handlungsmittel der Verwaltung in Knappheitssituationen, durch das den Bürgern Möglichkeiten für freie unternehmerische Tätigkeit eröffnet werden,197 wobei die Konzessionierung hinsichtlich bloßer Tathandlungen nur die Wiederherstellung der Individualfreiheit bedeutet.198 Durch die Konzession erfolgt, im Gegensatz zur auch organisatorisch anders gestalteten Beleihung199 oder auch der Indienstnahme privater Wirtschaftseinheiten,200 keine Vermittlung öffentlich-rechtlicher Kompetenzen und keine Delegation öffentlicher Aufgaben von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts auf private Unternehmen.201 Die Einwirkungsmöglichkeit des Staates ist durch vertragliche Regelungen gegeben.202 Inwieweit diese Ausgestaltung es rechtfertigt, eine gesonderte privatisierungstheoretische Einordnung vorzunehmen, erscheint jedoch fraglich, zumal weitere Gestaltungsmöglichkeiten der Einbindung Privater gegeben sind. Einerseits würde dies zu einer enormen Unübersichtlichkeit des Bereichs zwischen formeller, materieller und eng verstandener funktionaler Privatisierung führen. Anderseits werden die Gemeinsamkeiten der Hinzuziehung Privater nicht ausreichend beachtet. Feststellbar ist stets eine Verantwortungsverschiebung im Hinblick auf die Erbringung einer bestimmten Staatsaufgabe203 bei gleichzeitiger zumindest in Ansätzen gegebener „Restverantwortung“ der öffentlichen Hand, wenn diese auch unterschiedlich ausgestaltet und im Einzelfall sogar praktisch inexistent sein kann. Die funktionale Privatisierung ist daher als Zwischenform204 von materieller und formeller Privatisierung zu verstehen und bildet zugleich den Oberbegriff für verschiedene Varianten der Einbindung Privater in die Leistungserbringung bei fortbestehender „Gewährleistungsverantwortung“ der öffentlichen Hand.205 Diese A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 43. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 282. 198 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 459. 199 Vgl. H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, S. 249; A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 25. 200 R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (211 f.). 201 G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 208. 202 A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 25. 203 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 161, sieht dies als zentrales Kennzeichen der funktionalen Privatisierung an, wobei er jedoch die oben dargestellte engere Ansicht vertritt. 204 D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 166; ebenfalls dahingehend aber zu eng J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 42 f., der die funktionale Privatisierung als Mischform von formeller, materieller und Vermögensprivatisierung und damit als Private Public Partnership begreift; ebenso Chr. Koenig / J. Kühling, DÖV 2001, 881 (885); wohl auch J. Endler, NZBau 2002, 125. 205 Für eine entsprechende Zusammenfassung auch W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (309 f.); V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 31 f.; Chr. Zeiss, Privatfinanzierung 196 197

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kann im Einzelfall auch in der Übernahme der Erfüllungsverantwortung wahrgenommen werden, sofern der Einsatz des Privaten nur als Verwaltungshelfer erfolgt. In diesem Fall steht dem Bürger sogar gegebenenfalls unmittelbar gegenüber der Verwaltung ein Anspruch auf Leistungserbringung zu. Andernfalls bleibt der Einwirkungsanspruch. Diese Unterschiede rechtfertigen jedoch keine andere Betrachtungsweise, zumal eine klare Abgrenzbarkeit der Bereiche nicht besteht. In diesem Sinne ist die funktionale Privatisierung tatsächlich als typische Erscheinung des Gewährleistungsstaates anzusehen. Private Leistungserbringung und staatliche Leistungsgarantie treten nebeneinander.

2. Folgerecht Der Gewährleistungsstaat ist nicht der deregulierte Staat. Vielmehr zeichnet er sich durch eine Vielzahl rechtlicher Regelungen aus. Diese dienen nicht zuletzt dazu, private Leistungserbringung und öffentliche Verantwortung zu koordinieren. Gesichtspunkte der Diskussion um ein „Privatisierungsfolgenrecht“ spielen insoweit eine Rolle.206 Auch ein funktionierender Wettbewerb kann nicht alle gesellschaftlich, d. h. politisch erwünschten Leistungen hervorbringen.207 Daher kann sich der Staat bei Wahrnehmung seiner Gewährleistungsverantwortung im Regelfall nicht auf eine bloße Marktbeobachtung zurückziehen. Stattdessen muss er steuernd, koordinierend und eingreifend tätig werden. Als Rechtsstaat bedarf er dazu einer gesetzlichen Grundlage.208 Diese muss insbesondere auch die Grenzen staatlicher Befugnisse enthalten. Insbesondere zwei Bereiche bedürfen der rechtlichen Ausgestaltung. Zunächst ist die Auswahl des privaten Leistungserbringers dem Recht zu unterstellen, da insoweit typischerweise eine Konkurrenzsituation besteht. Die Schaffung von Freiheitsräumen im Gewährleistungsstaat hat insoweit mit deren Zugängigmachung staatlicher Infrastruktur, S. 21; implizit auch S.R. Laskowski, ZUR 2003, 1 (2); wohl mit Einschränkungen D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 15 f. 206 C. Franzius, Der Staat 42 (2003), S. 493 (510); A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (305), betonen sogar die Notwendigkeit eines eigenständigen Gewährleistungsverwaltungsrechts; ablehnend dazu aber Chr. Engel, VVDStRL 62 (2003), S. 342 (343); auf allgemein wettbewerbspolitischer Ebene hebt auch J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 4 (15), die Notwendigkeit eines Deregulierungsrechts hervor; kritisch zur Besonderheit des Bereichs J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (1 f.). 207 H. Cox, in: ders., Öffentliche Dienstleistungen in der Europäischen Union, S. 13 (14 f.); A. Héritier, The Politics of Public Services, S. 3. 208 M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 18, spricht insoweit von der Notwendigkeit der Präzisierung der Steuerungsziele und -instrumente. Im Ergebnis ebenso wegen der faktischen Auswirkungen auf das verfassungsrechtliche Verantwortungsgefüge A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (296).

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einherzugehen. Soweit (auch entgeltliche) Inpflichtnahmen Privater ermöglicht werden sollen, müssen auch diese als Eingriffe rechtlich vorgesehen sein. Darüber hinaus ist die schwierige Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Einflussnahme des Staates auf die Modalitäten der privaten Leistungserbringung durch Recht vorzunehmen. Auch dieses dient nicht zuletzt zur Freiheitssicherung.

a) Vertragsvergabe Die Heranziehung Privater zur Erstellung staatlich gewünschter Leistungen ist keine Erfindung des Gewährleistungsstaats. In den OECD-Staaten besteht eine jahrzehnte- bis jahrhundertelange Tradition des contracting-out.209 Erst im Gewährleistungsstaat wird diese Form der Leistungserbringung jedoch zur kennzeichnenden. Bei den privat zu erbringenden gemeinwohlorientierten Leistungen können zwei Arten unterschieden werden. Die erste Gruppe von Leistungen wird durch privatwirtschaftlich rentable Tätigkeiten geprägt. Bei diesen ist eine staatliche Anregung im Regelfall nicht erforderlich. Ihre Erbringung ist schon durch die der Gewerbefreiheit unterfallende Privatinitiative gesichert. Aufgabe des Staates im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung ist es insoweit vor allem, dafür Sorge zu tragen, dass einerseits keine Marktzementierung eintritt, durch die dann andererseits auch die Gemeinwohlorientierung gefährdet werden könnte. Vorrangiges Mittel dazu ist das Kartellrecht. Sofern dieses aber aus Gründen etwa des Vorliegens eines natürlichen Monopols nicht zu rein marktlicher Leistungserstellung führen kann, sind weitergehende Regelungen notwendig. Ein mögliches Mittel ist etwa die Vergabe einer Konzession. Von größerem Interesse jedoch, da bei zahlreichen gemeinwohlorientierten Leistungen der Fall, sind die politisch gewünschten aber im Falle ihrer marktmäßigen Erbringung unrentablen Leistungen. Um eine Erstellung überhaupt sicherzustellen, sind diese regelmäßig von der öffentlichen Hand finanziell zu unterstützen. Welche Leistungen im Einzelnen zu dieser oder der erstgenannten Gruppe gehören, ist abhängig von der Höhe der politisch festgelegten Mindeststandards.210 Die Initiative zur Erbringung dieser Leistungen muss der Staat ergreifen. Dies kann auf mehrere Arten geschehen. Zum einen ist ein Gutscheinsystem denkbar. Dabei erfolgt eine Verteilung von Leistungsgutscheinen durch die Verwaltung an Einzelne. Diese Gutscheine, durch die der Leistungserbringer bei ihrem Einsatz einen Zahlungsanspruch gegen den Aussteller und damit die öffentliche Hand erhält, bewirken eine Quasirentabilität 209 J. Boston, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 281 (313). Zu dessen römisch-rechtlichen Wurzeln vgl. P.E. Pieler, in: FS H. Krejci, S. 1479 ff. 210 Vgl. zum ganzen H. Cox, in: ders., Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 73 (74 f.).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

auf dem Markt. Die Wirkungen dieses Systems sind jedoch eher indirekter Art. Insbesondere führt es nicht zwangsläufig zu einem entsprechenden Leistungsangebot. Daher findet es in der Praxis kaum Verwendung211 und kann daher im Folgenden außer Acht gelassen werden. Weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten sind das Submissions- und das Konzessionssystem. Beide Spielarten wurden bereits oben im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur funktionalen Privatisierung angesprochen.212 Beim Submissionssystem erbringt der Private die Leistung an den Bürger gegen eine Zahlung des Hoheitsträgers. Beim Konzessionssystem, das auch bei rentablen Leistungen eingesetzt werden kann, leistet er an den Bürger unmittelbar gegen ein von diesem zu zahlendes Entgelt.213 Mischformen sind dabei denkbar. Sowohl die Konzession als auch der Bezug im Rahmen einer Submission erfolgen im Wege des Vertragsschlusses, sofern nicht ausnahmsweise eine Indienstnahme erforderlich und zulässig ist. Die Vergabe dieses Vertrages kann auf mehrere Arten erfolgen. Aus (wirtschafts)theoretischer Sicht erscheinen folgende Verfahren praktikabel: die Lotterie, die Einzelgenehmigung, die freihändige Vergabe, die öffentliche Versteigerung oder die öffentliche Ausschreibung. Beurteilungskriterien bei der Wahl der Vergabeart sollen die Leistungsfähigkeit des Anbieters, die Minimierung der erforderlichen Subventionen, die Vermeidung der Diskriminierung von Anbietern, die Verhinderung von Submissionskartellen und Politisierung sein.214 Im Regelfall wird die öffentliche Ausschreibung die zielführendste Variante sein, wie nicht zuletzt die Ausgestaltung des europäischen und des europäisierten deutschen Vergaberechts215 zeigt. Dabei handelt es sich um ein förmliches Verfahren organisierter Konkurrenz zur Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen, das zu einem Preiswettbewerb führt.216 Durch die Ausschreibung wird die vergebende Behörde überdies gezwungen, eigene Tätigkeiten (wirtschaftlich) zu bewerten und auf ihre Effektivität hinsichtlich der Erreichung ihrer politischen Ziele zu untersuchen.217 Die Vergabe der entsprechenden Verträge erfolgt daher im Rahmen regelmäßiger öffentlicher Bieterwettbewerbe.218 An diesen Ein Beispiel aus der Praxis ist das Wohngeld. B.IV.1. c). 213 Zum Ganzen F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (974), im Anschluss an die Monopolkommission. M. Burgi, DVBl. 2003, 949 (950 ff.), sieht das Konzessionssystem ohne Ausgleichszahlungen der öffentlichen Hand als wegweisend an. 214 H. Cox, in: ders., Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 73 (82 ff.). 215 Vgl. dazu M. Knauff, VR 2000, 397 ff. Von einer „Ausschreibungsverwaltung“ spricht daher M. Burgi, DVBl. 2003, 949 ff. 216 R. Maaß, Wettbewerb, S. 208, 214. Problematisch ist insoweit, dass sich in der Praxis ein kollusives Zusammenwirken von Bietern nicht völlig ausschließen lässt, J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 171 f. 217 J. Boston, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 281 (315). 218 H. Cox, in: ders., Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 73 (82).; U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 72. Mit Blick auf 211 212

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können sich grundsätzlich auch bestehende Kommunalunternehmen bzw. Dienstleistungseinheiten beteiligen.219 Eine Privilegierung besteht insoweit jedoch nicht. Die im überkommenen Vergaberecht mit Ausnahme des Dienstleistungsbereichs nicht geregelte Frage der in-house-Vergabe220 ist im Gewährleistungsstaat prinzipiell dahingehend zu beantworten, dass auch diese nicht mehr frei möglich ist. Wegen der Vielzahl der in Frage kommenden Aufgaben und ihrer jeweiligen Einzigartigkeit kann eine gesetzliche und damit abstrakte Bestimmung des Verhältnisses von leistungserbringendem Privaten und gewährleistender Verwaltung nicht erfolgen. Dem dies regelnden Vertrag kommt daher eine Schlüsselstellung zu. Durch ihn muss, neben etwa der Festschreibung der finanziellen Aspekte, die politische Zielvorstellung und seine Sicherstellung übertragen werden.221 Die abstrakt nicht mögliche inhaltliche Steuerung wird jedoch durch die formal-prozedurale Regelung des Zustandekommens ersetzt.222 Kennzeichnend im Gewährleistungsstaat ist somit die grundsätzliche Trennung von Besteller und Ersteller.223 Während Politik und Verwaltung die Leitlinien bestimmen, wird durch die im Rahmen der Verwaltungsorganisation deutlich an Gewichtigkeit zunehmende Vergabeabteilung der zuvor politisch festgelegte Auftrag ausgeschrieben. Dessen Durchführung obliegt schließlich unter den durch das Vergabeverfahren ermittelten Konditionen dem besten Bieter.224 Tendenziell geht damit eine Ausweitung der Anwendung des GWB-Vergaberechts bei der funktionalen Privatisierung einher.225 Möglich ist aber innerhalb der vor allem durch die Entwicklung in der Kommunalwirtschaft kritisiert U. Steckert, Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, S. 31, der „Ausschreibungswahn verhindert immer häufiger konstruktive Lösungen.“ 219 M. Burgi, DVBl. 2003, 949 (950); E. Grömig / J. Günther, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 21 (22); D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 41; Chr. Reichard, in: P. Eichhorn /Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (23); V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 35; ablehnend W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 436 f.; zur dabei bestehenden Gefahr von Interessenkollisionen seitens der Kommunen vgl. am Beispiel des ÖPNV M. Winnes, NZBau 2002, 371 ff. 220 Zusammenfassend Th. Noelle / J. Rogmans, Öffentliches Auftragswesen, S. 59 f.; zuletzt dazu unter Bezugnahme auf das europäische und das nationale Recht M. Böckel, Der Landkreis 2003, 518 ff. 221 Chr. Corte, Die Übernahme kommunaler Aufgaben, S. 18; ähnlich G.F. Schuppert, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 41 (71), der insoweit vom „Regulierungsvertrag“ spricht. 222 M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 19. 223 K. Schedler, in: Ph. Mastronardi / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 17; V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 35. 224 Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 43; ähnlich C. Jennert, WRP 2003, 459 (460). 225 M. Burgi, NVwZ 2001, 601 (604). A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (315), spricht diesem eine „Schlüsselrolle“ zu. Zur Anwendbarkeit der Vergaberechts auch im Falle der Beleihung siehe Chr. Zeiss, DVBl. 2003, 435 ff.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

das EG-Recht vorgegebenen Grenzen die Schaffung von „Sondervergaberechten“ für bestimmte Bereiche. b) Regulierung Die staatliche Verantwortung für die Leistungserbringung erlischt nicht nach der Beauftragung oder anderweitigen Einsetzung des Privaten in den Prozess der Leistungserstellung. Wie auch Privatisierung als Prozess zu verstehen ist,226 der nicht mit dem Übergang der in Frage stehenden Rechtsmacht abgeschlossen wird, so haftet dem Gewährleistungsstaat insgesamt die Dauerhaftigkeit staatlicher Verantwortung an. Allein deren Erfüllungsmodalitäten ändern sich. Ohne dass es notwendigerweise zu einer Minimierung staatlicher Leistungserwartungen käme, tritt an die Stelle der unmittelbaren Leistungserbringung die Regulierung.227 Darunter ist, ohne eine abschließende Definition des umstrittenen und inhaltlich allenfalls in Ansätzen geklärten Begriffs vornehmen zu wollen, eine steuernde Einflussnahme des Staates auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse zu verstehen.228 Die Regulierung wird zur spezifischen staatlichen Funktion und zum zentralen Instrument, um der verbleibenden Auffang- oder Gewährleistungsverantwortung nachzukommen.229 Wegen dieser besteht ein „Zwang zur Regulierung“.230 Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht besteht ein solcher überdies stets bei natürlichen Monopolen bei fehlendem Wettbewerbsdruck.231 Gerade die Bereiche der Daseinsvorsorge zeichnen sich häufig durch entsprechende Konstellationen aus. Auch Privatisierung232 und Deregulierung233 erfordern letztlich (erneute) Regulierung zur H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (254); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 85. Arthur Benz, Der moderne Staat, S. 236; E. Grande, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 576 (584); ähnlich ders., in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 37 (44); M. Fehling, DÖV 2002, 793 (795); V. Mehde, ZögU 25 (2002), S. 421 (428); P. Kirchhof, in: FS W. Schmitt Glaeser, S. 3 (6). 228 M. Ruffert, AöR 124 (1999), S. 237 (242); ähnlich K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 350; ausführlich zur Regulierungstheorie etwa M.M. Müller, The new regulatory state in Germany, S. 7 ff.; zusammenfassend zur rechtlichen Bedeutsamkeit des Regulierungsbegriffs mit besonderem Bezug zur Liberalisierung der Telekommunikation M. Bullinger, DVBl. 2003, 1355 (1356 ff.). 229 G.F. Schuppert, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 72 (92 f.); ähnlich Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 179; W. Hoffmann-Riem, DVBl. 1999, 125 (126); M. Ruffert, AöR 124 (1999), S. 237 (248). 230 J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1050); dahingehend auch M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 19; A. Héritier, The Politics of Public Services, S. 3; K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 351. 231 J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 157; kritisch daher im Hinblick auf die Privatisierung natürlicher Monopole am Beispiel des Eisenbahnschienennetzes V. Mehde, ZögU 25 (2002), S. 421 (430). 232 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 494. 233 M. Ronellenfitsch, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 118 (129). 226 227

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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Sicherstellung der Stellung der davon betroffenen Nutzer. Deren Rechtspositionen sind mit denen der ebenfalls privaten Leistungserbringer in Ausgleich zu bringen.234 Soweit sich entsprechende Gruppen nicht organisieren können, werden diese dabei durch den Staat vertreten.235 Die Regulierung wird daher aus verschiedenen, aber miteinander zusammenhängenden Gesichtspunkten gleichsam zur „zentrale(n) Staatsaufgabe“236. Der Gewährleistungsstaat ist somit zugleich Regulierungsstaat.237 Regulierung kann auf verschiedene Art und Weise geschehen. Die sich insoweit stellenden Fragen sind nicht neu. Vielmehr kann an eine lange, durch das Rechtsstaatsprinzip beherrschte Regulierungstradition angeknüpft werden.238 Entscheidend ist, dass durch das Regulierungsmittel Steuerungsimpulse im jeweiligen Bereich derartig beschaffen sind, dass eine hinreichende Gemeinwohlorientierung bei der Leistungserstellung sichergestellt wird.239 Entscheidend für die Wahl des Regulierungsmittels ist somit das zu erreichende Ergebnis. Es ist daher zunächst die Frage zu beantworten, ob eine über allgemeine gesetzliche Anforderungen hinausgehende Regulierung überhaupt nötig ist. Dies ist anhand ihres Gegenstandes und der verfolgten Ziele zu klären. Erst wenn insoweit eine positive Entscheidung getroffen wurde, muss bestimmt werden, wie die Regulierung vonstatten gehen soll,240 insbesondere hinsichtlich des Umfangs, und wer in welcher Organisationsform die Regulierungsaufgabe wahrzunehmen hat. Die Beantwortung dieser Fragen erfolgt im politischen Prozess,241 bei dem etwaige rechtliche Vorgaben selbstverständlich zu berücksichtigen sind. Grundsätzlich besteht jedoch hinsichtlich der Bestimmung der Art der Regulierung ein weiter Beurteilungsspielraum des Staates.242 In der Rechtswirklichkeit ist eine Beschränkung auf bloße staatliche Rahmensetzung durch Vorschriften aber selten, zumal vielfältige AusgestaltungsmöJ.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 88. C. Böhret / G. Konzendorf, in: F. Behrens u. a., Den Staat neu denken, S. 17 (25). 236 So G.F. Schuppert, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 41 (60). 237 E. Grande, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 371 (389); G.F. Schuppert, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 19 (46); ders., in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 (559); ders., Die Verwaltung Beih. 4 (2001), S. 210 (221); die Prozesshaftigkeit der Regulierung betont auch K. Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, S. 70. Die Bedeutung des Rechts bei der Regulierung hebt C. Franzius, Der Staat 42 (2003), S. 493 (511), hervor. 238 K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (45 ff.); die historische Einbindung hebt auch M.M. Müller, The new regulatory state in Germany, S. 3, hervor. 239 W. Hoffmann-Riem, DVBl. 1999, 125 (126). Insoweit bestehen durchaus gewisse Ähnlichkeiten zum klassischen Ordnungsrecht, J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (5). 240 G.F. Schuppert, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 (561 ff.). 241 E. Grande, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 576 (586). 242 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 494. 234 235

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

glichkeiten243 und Aufsichtsintensitäten244 denkbar sind.245 Ein Ende der Regulierung kann erst dann eintreten, wenn sich der spezifische Markt zu einem sich selbst stabilisierenden, sozial verträglichen System entwickelt hat. Dieser Fall dürfte jedoch selten eintreten.246 Die Regulierung erscheint so als markanteste Ausprägung staatlicher Gewährleistung247 und wird in erster Linie durch die regulierende (Kommunal-)Verwaltung als prägendes Element des Gewährleistungsstaats248 wahrgenommen. Regulierung durch Verwaltung bedeutet zunächst und vor allem das Bestehen von Beobachtungspflichten und Begleitkontrollen, insbesondere bei zuvor ausschließlich vom öffentlichen Sektor wahrgenommenen Aufgaben.249 Zwar ist es in gewissem Maße dabei möglich, andere, wiederum kontrollierte Private zur Durchführung der Kontrollaufgaben heranzuziehen. Insgesamt stellt sich jedoch die Überwachung privater Leistungserbringung als neuartige Verwaltungsaufgabe dar. Die dabei ebenso wie bei der Vertragsgestaltung bei der Auftragsvergabe auftretenden erhöhten Anforderungen an das Personal250 erfordern dessen höhere Qualifikation, zumal die mit der Regulierung verbundene Ausdehnung von Staatsaufsicht im weitesten Sinne nicht dazu führen darf, dass durch die Aufsicht die Verlagerung der Aufgabenerfüllung auf Private rückgängig gemacht wird.251 Die Schaffung der Voraussetzungen für das Funktionieren des Systems kann jedoch nicht nur Aufgabe der Regulierungspraxis sein. Vielmehr ist ein Regulierungsverwaltungsrecht mit 243 So führt Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (347), etwa die Vergabe von Konzessionen und Private-Public-Partnerships mit privater Operationshoheit als Beispiele an. 244 R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (212). 245 K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (35). 246 H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (335); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 88; ähnlich E. Grande, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 371 (382 f.); vgl. auch J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (6): Regulierung sei „zwar der Idee nach nur vorübergehend, . . .“. 247 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 423. 248 M. Burgi, NVwZ 2001, 601 (603); M. Ruffert, AöR 124 (1999), S. 237 (244); J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), S. 315 (332). 249 U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 204; M. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (172 f.); dahingehend auch Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 179. Damit verbunden ist nicht zuletzt die aktive Schaffung und Organisation von Wettbewerb, J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (6). 250 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 79. Kritisch zur momentanen Kompetenz des Verwaltungspersonals in diesem Bereich V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 65. 251 G.F. Schuppert, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 (549 f.); H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (34); vgl. zur Gefahr der Aushöhlung von Selbständigkeit duch Kontrolle auch H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, S. 289 f. Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, die Vorzüge sowohl staatlicher als auch privater Organisation zu optimieren, schwächer A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (307).

B. Gewährleistungsstaat als moderner Gegenentwurf

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Schwerpunkten in Informations-, Evaluations- und Kontrollbefugnissen notwendig.252 Dieses ist, zumindest in den Grundzügen, sowohl als allgemeine Regelung, etwa eingebunden in die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder, oder, wie in der Rechtspraxis üblich, im Rahmen von Spezialbestimmungen für die betroffenen Bereiche vorstellbar.

3. „Daseinsvorsorge“ im Gewährleistungsstaat Mag es auch zu weit gehen, den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge wegen der Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse als von Verfassungs wegen gewährleistet zu betrachten,253 so ist doch die Bedeutung der erfassten Leistungen unverkennbar. Der Gewährleistungsstaat erkennt dies an und trägt für die Leistungserbringung in diesem Bereich Sorge. Durch Regulierung wird das Monopol der Leistungsverwaltung im Daseinsvorsorgebereich überflüssig254 und kann durch private Initiative und Konkurrenz ersetzt werden. Insoweit findet eine Rückkehr zur Situation bei Beginn der öffentlichen Versorgungswirtschaft im 19. Jahrhundert statt.255 In Anbetracht dieser Entwicklung wurde – wieder einmal – vorgeschlagen, den Begriff der Daseinsvorsorge aus der Rechtssprache zu entfernen und durch „Öffentliche Dienstleistung“ als neuen Rechtsbegriff zu ersetzen. Das Adjektiv „öffentlich“ sei dabei auf die Funktion der Leistungen bezogen, nicht auf Erbringer und Organisationsform.256 Wenn sich darin auch deutlich das Bemühen der rechtlichen Rezeption der vor allem verwaltungswissenschaftlich behandelten neuen Staatswirklichkeit zeigt, so ist dieser Vorstoß dennoch abzulehnen, da er ebenso wenig wie der Daseinsvorsorgebegriff geeignet ist, konkrete Wirkungen auszulösen. Insoweit mag er als moderne, europarechtlich beeinflusste Version des Begriffs „Daseinsvorsorge“ erscheinen. Damit ist er jedoch zugleich überflüssig. Der wie hier verstandene Daseinsvorsorgebegriff hat daher auch im Gewährleistungsstaat eine Berechtigung als Sammelbegriff für Wirtschaftsbereiche, die sich zumindest durch eine Orientierung am Gemeinwohl bei gleichzeitiger Angewiesenheit des Einzelnen auf die entsprechenden Leistungen für eine allgemein als zeitgemäß empfundene Lebensführung auszeichnen.

252 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 493 f.; H.-H. Trute, DVBl. 1996, 950 (954). Zur Notwendigkeit der Kontrolle bereits H.-U. Gallwas, VVDStRL 29 (1971), S. 211 (229 f.); K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 246 ff. 253 So aber H. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld, S. 493. 254 S. Storr, DÖV 2002, 357 (364). 255 G. Ambrosius, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 15 (25). 256 F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 40, 44.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen Um eine Bewertung der Daseinsvorsorge in ihrer heutigen Ausgestaltung und die Möglichkeiten ihrer Veränderung, insbesondere dem Übergang zum Gewährleistungsstaat, vornehmen zu können, ist es erforderlich, die rechtliche Verankerung des Aufgabengebietes zu untersuchen. Zwar liegt es in der Natur des Rechts, abänderbar zu sein. Insbesondere bei höherrangigem Recht ist dies jedoch allenfalls ein theoretischer Einwand. Dieses dient der Schaffung von Rahmenbedingungen. Es ist – trotz seines stetigen Wandels – grundsätzlich auf Dauer angelegt und kann nicht alle neuen gesellschaftlich-politischen Entwicklungen explizit in sich aufnehmen. Somit ist das Recht als gegeben hinzunehmen. Es bildet damit einen Prüfungsmaßstab. Zu untersuchen ist daher im Folgenden, ob der rechtliche Rahmen, insbesondere der nicht leicht abänderbare, bereits eine Entscheidung oder Gewichtung hinsichtlich eines der Konzepte enthält oder ob es sich insoweit neutral verhält. Im letzteren Fall bedeutete dies zugleich, dass die Entscheidung für den daseinsvorsorgenden Leistungsstaat oder den Gewährleistungsstaat allein unter politischen Gesichtspunkten zu treffen wäre. Insbesondere ein Wechsel von der einen zur anderen Form wäre dann relativ unproblematisch möglich. Vordringlich zu untersuchen im Hinblick auf ihren Gehalt bezüglich des Daseinsvorsorgebereichs sind diejenigen Regelungen, die nicht ohne weiteres, also im Wege einfacher Gesetzgebung oder gar durch die Exekutive geändert werden können. Dies sind das Völker- und – mit zunehmender Bedeutsamkeit – das Europarecht sowie das nationale Verfassungsrecht. Hinsichtlich des Letzteren ergeben sich jedoch Überschneidungen mit der inzwischen seit Jahrzehnten andauernden Privatisierungsdiskussion, so dass eine Auseinandersetzung mit diesem in der eigentlich gebotenen Ausführlichkeit unterbleiben kann. Dennoch sollen alle relevanten Regelungen zumindest kurz angesprochen werden, wobei die „Ergebnisse“ der Privatisierungsdiskussion im Einzelfall in Frage zu stellen sind. Einzugehen ist zudem auf die verfassungsrechtlichen Bestandteile von Post- und Bahnreform. Diese klassische Bereiche der Daseinsvorsorge betreffenden Normen könnten eine Neubewertung des gesamten verfassungsrechtlichen Rahmens nach sich ziehen. Abschließend sollen wichtige allgemeine unterverfassungsrechtliche Bestimmungen aufgezeigt werden, die für den Daseinsvorsorgebereich von Bedeutung sind. Aus diesen können sich einerseits bereits getroffene Entscheidungen ergeben. Andererseits können Änderungen erforderlich sein.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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I. Völkerrecht Daseinsvorsorge findet typischerweise auf regionaler Ebene statt. Es kann daher nicht verwundern, dass das Völkerrecht kaum bereichsspezifische Regelungen enthält. Dies gilt insbesondere für globale völkervertragliche Vereinbarungen, aber weitgehend auch für die Ebene des Europarats. Unmittelbar und explizit die Daseinsvorsorge betreffende Regelungen existieren nicht. Allerdings kann der Bereich der Daseinsvorsorge mittelbar betroffen sein, soweit zumindest auch in ihm erbrachte Leistungen oder die Rechtsstellung potentieller Leistungserbringer einer Regelung zugeführt werden. 1. Globale Ebene: WTO Das globale Wirtschaftsvölkerrecht und damit vor allem das Recht der WTO befasst sich (naturgemäß) nicht unmittelbar mit Leistungen von nur regionalem Interesse. Allerdings lassen sich Bestrebungen zur Öffnung der Märkte feststellen.1 Von diesen ist auch der Daseinsvorsorgebereich betroffen, der nicht von den Öffnungsbestrebungen ausgenommen wird. Durch seine grundsätzliche Gleichbehandlung mit anderen Wirtschaftsbereichen wenden sich die WTO-Bestimmungen zumindest tendenziell gegen eine Abschottung des Bereichs gegen jegliche nichtstaatliche Leistungserbringung. Die Grundsätze der Meistbegünstigung, der Transparenz, der Inländerbehandlung und der nichtdiskriminierenden Rechtsanwendung gegenüber ausländischen Dienstleistungserbringern sowie des Marktzugangs2 gelten auch insoweit. Zudem weisen etwa die Bestimmungen des im Anhang 1B zum WTO-Abkommen enthaltenen Art. VIII (2), (3) GATS eine „gewisse antimonopolistische Grundstimmung“3 auf, wenn auch Monopole nicht per se verboten sind. Insbesondere soweit staatliche Leistungserbringungsmonopole im Daseinsvorsorgebereich vorhanden sind, können daher vom Wirtschaftsvölkerrecht Impulse zu Liberalisierung und Deregulierung ausgehen. Dies gilt umso mehr, als die betreffenden WTO-Regelungen gemäß Art. II (2) WTO-Abkommen vollständig von den Mitgliedstaaten angenommen werden müssen.4 Allerdings können die WTOMitglieder Tätigkeiten weiterhin regulieren5 und die Erreichung von Gemeinwohl1 J. Basedow, StWissStPrax 2 (1991), S. 151 (157); dahingehend auch D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 20; WTO Secretariat, Guide to the GATS, S. 4; deutlich zurückhaltender OECD, GATS, S. 59, 65; politisch ablehnend mit Bezug zur Daseinsvorsorge Europäisches Parlament, Entschließung, Rn. 32. 2 Siehe dazu EG-Kommission, GATS 2000, S. 30 ff.; F. Moos, Die Bindung der Telekommunikationsregulierung durch das GATS-Abkommen, S. 141 f.; OECD, GATS, S. 57 ff.; R. Senti, WTO, Rn. 1225 ff. 3 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 151. 4 Allerdings bestehen innerhalb des GATS weitgehende Wahlmöglichkeiten und Ausnahmeregelungen, vgl. dazu R. Senti, WTO, Rn. 1249 ff. 5 Allgemein WTO Secretariat, Guide to the GATS, S. 5 f.; ausführlicher dazu OECD, GATS, S. 65 ff.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

zielen auch durch Monopole sicherstellen, solange daraus nicht unzumutbare Handelsbeschränkungen resultieren. Gänzlich aus dem Anwendungsbereich des GATS herausgenommen sind schließlich Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden, wobei dies wiederum die Erbringung nicht zu kommerziellen Zwecken und nicht im Wettbewerb meint, Art. I (3) lit. b, c GATS. Letztlich verbleibt die Bestimmung über zu liberalisierende oder zu deregulierende Bereiche damit weitgehend den einzelnen WTO-Mitgliedern.6 Insbesondere enthält das GATS auch keine Bestimmungen über Privatisierungen.7 Insgesamt sind die vom globalen Wirtschaftsvölkerrecht ausgehenden Wirkungen im Daseinsvorsorgebereich jedoch als sehr schwach anzusehen, soweit nicht bereichsspezifische Sonderregeln vorgesehen sind.8 Als zwischen im Innern überaus verschiedenartig organisierten Staaten vereinbartes Recht kann es keine bestimmte Art der Leistungserbringung bezüglich der nur einen relativ kleinen Teilbereich des Dienstleistungssektors umfassenden Daseinsvorsorge regeln.

2. Ebene des Europarats: Charta der kommunalen Selbstverwaltung Von größerer Bedeutung für die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen in Deutschland könnten Abkommen auf der Ebene des Europarats sein. Auch insoweit gibt es jedoch keine bereichsspezifischen Regelungen. Allerdings befasst sich die am 1. 9. 1988 in Kraft getretene Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung (EKC) vom 15. 10. 19859 mit der Stellung und den Rechten der Gemeinden. Da diese wiederum eine Vielzahl an Daseinsvorsorgeleistungen erbringen, könnte die Charta mittelbar zugleich Aussagen über den betreffenden Bereich treffen. Insbesondere Art. 4 II EKC, nach dem die kommunalen Gebietskörperschaften im Rahmen der Gesetze das Recht haben, sich mit allen Angelegenheiten zu befassen, die nicht von ihrer Zuständigkeit ausgeschlossen oder einer anderen Stelle übertragen sind, könnte in Verbindung mit dem im folgenden Absatz enthaltenen innerstaatlichen Subsidiaritätsprinzip insoweit für eine weitgehende Verankerung der Daseinsvorsorge auf kommunaler Ebene sprechen. Allerdings handelt es sich bei den angesprochenen Aufgaben nur um öffentliche, wie sich insbesondere aus dem systematischen Zusammenhang und der grundsätzlichen Stel6 OECD, GATS, S. 81; kritisch zur Liberalisierungstauglichkeit des GATS auch R. Senti, WTO, Rn. 1292. 7 EG-Kommission, GATS 2000, S. 28; dies., KOM(2003) 270 final, S. 30. 8 Dahingehend auch OECD, GATS, S. 68. Zum Sonderbereich der Telekommunikation ausführlich F. Moos, Die Bindung der Telekommunikationsregulierung durch das GATS-Abkommen, S. 145 ff. 9 BGBl. 1987 II S. 66 ff.; zur Entstehung siehe F.-L. Knemeyer, DÖV 1988, 997 (998 ff.); sowie ausführlich B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 31 ff.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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lung der Kommunen als faktischer Bestandteil des Staatsaufbaus und der daraus folgenden Gemeinwohlorientierung ergibt.10 Sich neu entwickelnde öffentliche Aufgaben fallen wegen Art. 4 II EKC grundsätzlich zunächst in den Aufgabenbereich der Kommunen.11 Ziel der Charta ist es, die Gemeinden in alle Geschehnisse einzubeziehen, die sich auf oder mit Bezug zu ihrem Gebiet abspielen.12 Ihnen wird des Recht zugestanden, einen Teil der öffentlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung zugunsten ihrer Bevölkerung regeln,13 vgl. Art. 3 I EKC. Insoweit ist auch ein Bezug zur Daseinsvorsorge gegeben, zumindest soweit nicht überörtliche Aufgaben betroffen sind. Allerdings gelten die Regelungen nur im Verhältnis zwischen Staat und Kommunen.14 Gegenüber Privaten soll die Rechtsstellung der Gemeinden dagegen nicht erweitert werden.15 Die Wirkung der Charta ist jedoch stark begrenzt. Wegen des ihr zugrunde liegenden „á-la-carte-Systems“ gilt sie nicht einmal einheitlich in den Mitgliedstaaten der EG.16 Überdies sieht sie kein Kontrollverfahren vor,17 so dass Verstöße folgenlos bleiben. Bezogen auf den Bereich der Daseinsvorsorge lässt sich der Charta daher allenfalls entnehmen, dass die Kommunen bei lokalen Daseinsvorsorgeaufgaben nicht völlig übergangen werden dürfen. Keinesfalls wird ihnen jedoch trotz der „umfassenden Allzuständigkeit“18 eine ausschließliche Regelungs- oder Erbringungskompetenz verliehen. Sie bleibt daher, wie auch hinsichtlich ihres eigentlichen Regelungsgegenstandes, ein mehr als zahnloser Tiger.

10 B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 327. 11 B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 329. 12 J. Spautz, in: F.-L. Knemeyer, Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 11 (17). 13 J. Spautz, in: F.-L. Knemeyer, Die Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 11 (15). 14 F.-L. Knemeyer, DÖV 1988, 997. 15 B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 327. 16 A. Faber, DVBl. 1991, 1126 (1128); J. Kaltenborn, Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, S. 57, 62; F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und Europa, S. 11 (29). 17 F.-L. Knemeyer, DÖV 1988, 997 (1001); ders., BayVBl. 2000, 449 (452); B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 113; Th.I. Schmidt, EuR 2003, 936 (939). 18 B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 328.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

II. Europarecht Das Recht der Europäischen Gemeinschaft ist für den Bereich der Daseinsvorsorge dagegen anders als das Völkerrecht von größter Bedeutung. Nachdem dieser zunächst kaum als eigenständiger Bereich wahrgenommen wurde, erfreut er sich in neuerer Zeit zunehmenden Interesses. Dies äußert sich sowohl in der politischen und wissenschaftlichen Befassung mit dem Themenkreis als auch in der Setzung neuen Rechts. Neben einzelaufgabenbezogenem Sekundärrecht, das zumeist Liberalisierung und Deregulierung zum Ziel hat, wurde auch im Bereich des Primärrechts die Daseinsvorsorge neu normiert. Der bereits im ursprünglichen EGV enthaltene Art. 86 wurde durch den im Vertrag von Amsterdam eingeführten Art. 16 EGV ergänzt. Noch rechtlich unverbindlich, aber dennoch zukünftig von Bedeutung ist schließlich Art. 36 EuGRC. Diese und weitere Bestimmungen sollen nach einem vorangestellten Überblick über die sich aus Sicht der EG stellende Problematik im Folgenden untersucht werden. 1. Daseinsvorsorge in der EG Nachdem lange Zeit das Ziel der Verwirklichung des Binnenmarkts die Politik der EG beherrschte, setzt sich, wie insbesondere die beiden Kommissionsmitteilungen aus den Jahren 1996 und 2000, der Bericht für den Europäischen Rat in Laeken sowie das Grünbuch aus dem Jahre 2003 zeigen, zunehmend auch auf dieser Ebene die Einsicht durch, dass allein durch Wettbewerb und Marktöffnung bestimmte, politisch für notwendig gehaltene Leistungen nicht in vollem Umfang garantiert werden können. Für die EG bieten sich zwei Möglichkeiten an. Zum einen kann sie sich passiv verhalten und den Mitgliedstaaten weitgehende Autonomie in den entsprechenden Bereichen zubilligen. Zum anderen kann sie aktiv im Rahmen ihrer Befugnisse tätig werden. Beide Wege werden von der EG im Ergebnis gegangen, da es nur so möglich ist, sowohl die Besonderheiten und Erfahrungen in den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen als auch die Verwirklichung der Binnenmarktziele sicherzustellen. a) Mitgliedstaatliche Situationsvielfalt In den Mitgliedstaaten zeigt sich im Daseinsvorsorgebereich ein uneinheitliches Bild. Die EG-Kommission spricht daher zu Recht von einer „Situationsvielfalt“19. 19 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 5, siehe zu dieser Mitteilung und den folgenden Äußerungen der Kommission H.-J. Duppré, Der Landkreis 2001, 3 (6 ff.); M. Knauff, EuZW 2003, 453 ff.; K. Oettle, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 57 ff.; S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 41 ff.; A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438 f.; deren Charakter als rein politisches Dokument heben insbesondere S. Albin, DÖV 2001, 890 (891); R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 402, hervor. J.-Chr. Pielow, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusam-

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Zwar ist die Daseinsvorsorge in allen europäischen Rechtsordnungen anerkannt, allerdings ist sie sehr unterschiedlich ausgestaltet.20 Die insoweit gebildeten Begriffe sind daher nicht deckungsgleich. So sind die Begriffe des „service public“ bzw. der „services of general interest“ enger als Daseinsvorsorgebegriff. In der Regel umfassen sie nur die Versorgung mit Wasser, Strom und Postdiensten.21 Unterschiede bestehen auch in der rechtlichen Durchdringung des Bereichs. Während etwa der „service public“ in Frankreich eine Säule des Verwaltungsrechts darstellt und (zumindest theoretisch) klaren Definitionen unterliegt, ist der Daseinsvorsorgebegriff in Deutschland nie über eine beschreibende Funktion hinausgekommen. Schließlich gibt es große Unterschiede bei der Organisation der Erbringung der entsprechenden Leistungen. Während in einigen Ländern, nicht zuletzt Frankreich und Deutschland, die Erbringung durch die Verwaltung oder dieser zugeordnete öffentliche Unternehmen der Regelfall oder zumindest prägend ist, überwiegt andernorts die Leistungserbringung durch Private. Insbesondere das Großbritannien nach den Reformen der Regierung Thatcher kann insoweit als Beispiel dienen.22 Gemeinschaftsweit kennzeichnend für die traditionellen Daseinsvorsorgebereiche ist jedoch das häufige Fehlen von Wettbewerb.23 Festhalten ist damit, dass es keine einheitliche Konzeption der Daseinsvorsorge im Sinne einer europäischen Rechtstradition gibt.24 Allerdings besteht eine gemeineuropäische Tradition der Existenz gemeinwohlorientierter Leistungen. Diese Erkenntnis muss beachtet werden, wenn versucht wird, ein „europäisches Sozialmodell“ unter Einschluss der Daseinsvorsorge25 zu begründen oder bereits als menwachsenden Europa, S. 33 (44), spricht hinsichtlich der organisatorischen Ausgestaltung der Daseinsvorsorge von „ausgesprochen inhomogen gelagerten Ordnungsstrukturen“. 20 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 3; R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 290; J. Hellermann, Der Landkreis 2001, 434; ders., in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (80 ff.); Th. Kapp, in: B. Fabry / U. Augsten, Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, S. 141; B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 7; S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 15, 18; J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (336); ders., in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (12). Dagegen hebt M. Gegner, Der Städtetag 6 / 2003, 27, eine weitgehende Parallelität in der Praxis hervor. 21 K. v. Wogau, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 111. 22 Ausführlich dazu K. Ascher, The Politics of Privatisation, S. 22 ff. Diese Reformen sind durch die Regierung Blair jedoch teilweise wieder zurückgenommen worden. Insbesondere die gesetzliche Verpflichtung zur Leistungsausschreibung durch die Kommunen ist wieder entfallen. Anzumerken ist insoweit zudem, dass sich die bestehenden kommunalen Unternehmen auch im Ausschreibungswettbewerb regelmäßig durchsetzen konnten, D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56 (57). In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion spielen die betreffenden Dienstleistungen in den auch insoweit privatwirtschaftlich geprägten Ländern keine herausgehobene Rolle, H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (334). 23 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (53). 24 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 398, bezogen auf den französischen „service public“ und die deutsche Daseinsvorsorge. 25 Europäisches Parlament, Entschließung, Erwägung A; ähnlich EG-Kommission, KOM(2003) 270 final, S. 3; vgl. zur Diskussion M. Wohltmann, Der Landkreis 2001, 430; zu 7 Knauff

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Begründung für bestimmte Maßnahmen heranzuziehen. Dieses kann sich dann allein auf das Bestehen entsprechender Leistungen überhaupt beziehen, nicht aber auf deren konkrete Ausgestaltung. So geht seine Charakterisierung als Wohlfahrtsstaatlichkeit unter Einsatz öffentlicher Unternehmen fehl.26 Ob insoweit jedoch große Unterschiede zu den Systemen anderer hoch entwickelter Staaten bestehen, darf jedoch bezweifelt werden.

b) Politischer Konflikt und Stellenwert Die unterschiedliche Ausgestaltung der Daseinsvorsorge in den Mitgliedstaaten, das dort oftmals herrschende Interesse an einer Bewahrung der überkommenen Strukturen und das überdies bestehende Interesse der EG, insbesondere der Kommission, an eigener Einflussnahme führt notwendigerweise zu einem politischen Konflikt in diesem Bereich, der nicht zuletzt auf der Ebene des Rechts Wirkungen zeitigt. Als konkurrierende Leitbilder stehen sich zum einen die Betonung des Wettbewerbs und zum anderen die Betonung des öffentlichen Interesses gegenüber. In beiden Fällen soll ein gerechtes Gleichgewicht zwischen öffentlicher und privater Wirtschaft gefunden werden.27 Es geht somit letztlich um die Frage des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft. Daneben ist die Frage der Regelungsebene umstritten. So zielt die Kommission tendenziell auf eine EG-rechtliche Regelung ab, was zugleich die verstärkte Anwendung der vorhandenen Vertragsvorschriften, insbesondere des Art. 86 EGV bedeutet. Dagegen wollen einige Mitgliedstaaten, vor allem Frankreich, die Daseinsvorsorge weiterhin als nationale Angelegenheit behandeln und streben eine Abschirmung des Bereichs vor dem europäischen Wettbewerb an.28 Dahin zielten auch die französischen Bestrebungen zur Verankerung eines „service public européen“ in 1990er Jahren.29 Mit diesem sollte die Herausnahme der öffentlichen Unternehmen („public services“) aus Art. 86 EGV und damit dem gesamten europäischen Wettbewerbsrecht verbunden sein.30 Waren diese Bemühungen auch nicht von Erfolg gekrönt, so haben sie doch zusammen mit denjenigen des Europäischen Zentralverbands der Öffentlichen Wirtschaft (CEEP) zur Einfügung des Art. 16 EGV geführt.31 Unterstützt wurden sie aber diesem Modell siehe – allerdings vornehmlich aus (partei-)politischer Perspektive – B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 18 ff.; kritisch H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (332). 26 So aber B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 20. 27 F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 61. 28 Vgl. Ch.B. Blankart, WuW 2002, 340 (340 f.). 29 F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 207 ff. 30 M. Ross, ELRev. 2000, 22 (30 Anm. 34). 31 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 96; G. Püttner, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 32 (36); zur Vorgeschichte siehe auch M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 176 ff.; A. Héritier, The Politics of Public Services, S. 12 ff.

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auch durch mehrere in diese Richtung zielende Entschließungen des Europäischen Parlaments.32 Von der dortigen SPE-Fraktion geht auch der Vorschlag zur Schaffung einer Rahmenrichtlinie zur Daseinsvorsorge33 aus. Auch wenn fraglich ist, ob die EG, nicht zuletzt wegen des Subsidiaritätsprinzips, über eine entsprechende Kompetenz verfügt,34 so zeigt dies doch, dass die Daseinsvorsorge zunehmend als EG-Aufgabe angesehen wird,35 wenn auch die Abgrenzung der Zuständigkeiten weiterhin als politisch umstritten gelten muss. Der bislang erfolgreichere Diskussionsteilnehmer war, wie nicht zuletzt die insoweit seit dem Vertrag von Amsterdam unveränderte Gestalt des EGV zeigt, die Kommission. Diese betrachtet Daseinsvorsorgeleistungen als Kern des europäischen Gesellschaftsmodells.36 Die Leistungen dienten der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse und wiesen neben ihrem materiellen auch kulturellen Charakter auf, indem sie das Zugehörigkeitsgefühl der Nutzer zu einem Gemeinwesen verstärkten.37 Zudem seien sie für wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie ökonomische Effizienz entscheidend.38 Daseinsvorsorgeeinrichtungen werden somit zu einem Schlüsselelement europäischer Wertvorstellungen.39 Allerdings bedeutet dies nicht eine Zementierung des Status quo in den Mitgliedstaaten oder die Angleichung an das höchste Niveau. Auch genießt die Daseinsvorsorge keinen Vorrang vor anderen rechtlichen und politischen Zielen. Vielmehr strebe die EG ein „dynamisches Gleichgewicht“ zwischen Gemeinwohlzielen, Wettbewerb, den Erfordernissen des Binnenmarktes sowie wirtschaftlicher Effizienz und Dynamik an. Dies fügt sich ein in die Qualifizierung von Solidarität und Gleichbehandlung in einer offenen und dynamischen Marktwirtschaft als grundlegende Ziele der EG. Überdies seien die veränderten Rahmenbedingungen für die Zuletzt ABl. 1997 C 33 / 66. Europäisches Parlament, Entschließung, Rn. 6; B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 38; vgl. dazu im Ergebnis offen, allerdings skeptisch hinsichtlich des materiell-rechtlich wirksamen Regelungsgehalts EG-Kommission, KOM(2001) 598, S. 22; dies., KOM(2003) 270 final, S. 13 f. Ein entsprechendes Rahmengesetz zur Daseinsvorsorge schwebte auch bereits E. Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, S. 49 f. = Rechtsfragen, S. 46, vor; ablehnend dazu aber B. Börner, BayVBl. 1971, 406 (407 f.); J.-Chr. Pielow, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 33 (65 ff.). 34 Vgl. S. Storr, DÖV 2002, 357 (362). 35 So schon G. Meier, BB 1972, 901. Zur historischen Entwicklung des Verhältnisses von Wettbewerbs- und Daseinsvorsorgeorientierung siehe ausführlich F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 125 ff. 36 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 1b; dies., KOM(2000) 580 endg., S. 3; ähnlich dies., KOM(2001) 598, S. 3; dies., KOM(2003) 270 final, S. 3; B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 7; dahingehend auch M. Ross, ELRev. 2000, 22 (37). Kritisch H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (332); B.-O. Kuper, in: P. Herrmann, European Services of General Interest, S. 35, sowie allgemein zur Bezugnahme auf Werte U. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, S. 71 f. 37 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 3. 38 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 13; dies., KOM(2000) 580 endg., S. 7. 39 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 15. 32 33

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen zu beachten. Durch leichtere private Finanzierbarkeit und neue Technologien bieten sich in zahlreichen Bereichen der Daseinsvorsorge Alternativen zur Leistungserbringung im Monopol. Zugleich wüchsen die Verbraucheransprüche hinsichtlich Preis und Qualität der Leistungen, so dass sowohl eine größere Verbraucherorientierung als auch niedrigere Tarife anzustreben seien.40 Soweit die Binnenmarkt- und Wettbewerbsregeln anwendbar sind, fragt die Kommission daher, ob Leistungen in wettbewerblicheren Formen nicht mindestens qualitativ ebenbürtig erbracht werden können,41 da die durch diesen bewirkten Effizienzgewinne die besten Anreize für Preissenkungen und Angebotserweiterungen darstellten42. Im Einzelfall ist daher zu klären, wie zugleich der Schutz gefährdeter Leistungen sichergestellt und missbräuchliche öffentliche Wirtschaftsbetätigung unter dem Deckmantel der Daseinsvorsorge beseitigt werden kann.43 Wie auch andere Bereiche, sieht die Kommission die Daseinsvorsorge schließlich als „Labor“ zur Gewinnung weltweiter Konkurrenzfähigkeit der europäischen Wirtschaft an. Dieser auf nationaler Ebene weitgehend vernachlässigte Aspekt gewinnt damit auf europäischer Ebene an Bedeutung. Wird damit auch die Daseinsvorsorge als hochwichtiger Bereich eingestuft, so wird ihm dennoch keine grundsätzliche rechtliche Sonderstellung in nationaler Verantwortung unter Wettbewerbsausschluss zugebilligt. Vielmehr deuten die Ausführungen der Kommission darauf hin, dass auch und gerade er Gegenstand von in Richtung verstärktem Wettbewerb weisenden Veränderungen ist. Tatsächlich verfolgt die Kommission eine konsequente Deregulierungs- und Entmonopolisierungspolitik.44 Teilweise, etwa im Telekommunikationsbereich, ist diese Entwicklung schon weit vorangeschritten. Andere Bereiche, wie derjenige des unten ausführlich zu untersuchenden Personennahverkehrs, liegen noch zurück, weisen aber zugleich neue Ansätze auf.

c) Universaldienstkonzept Nach Vorstellung der Kommission fördert die EG die Modernisierung und Verbesserung der Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen durch den Wettbewerb im Binnenmarkt.45 Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Heranziehung der Marktkräfte eine bessere Ressourcenallokation und eine effizientere Leistungserbringung gewährleistet als andere Wirtschaftsformen. Allerdings ergebe sich EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 3 ff. R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (62). 42 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 6; Bezug nehmend auf die Entwicklung in den Mitgliedstaaten dies., KOM(2003) 270 final, S. 3 f. 43 J. Schwarze, in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (22). 44 U. Brandl, BayBgm 2002, 52 (53); H. Cox, Organisation, S. 6. 45 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 4. 40 41

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gleichwohl ein Problem. So ist in einem rein wettbewerblich geprägten System der Ausschluss von Bevölkerungsteilen von wichtigen Leistungen möglich. Damit einher geht nach Ansicht der Kommission die Behinderung der Festigung des sozialen und territorialen Zusammenhalts. Eine solche Entwicklung ist jedoch weder für die Mitgliedstaaten noch für die EG hinnehmbar. Ein Staatseingriff wird daher als erforderlich angesehen.46 Wie sich ein solcher in möglichst wettbewerbskonformer Weise ausgestalten lässt, hat die Kommission beispielhaft im Rahmen des Telekommunikationsrechts entwickelt. Das dort verwirklichte Konzept des Universaldienstes kann zumindest in seinen Grundzügen durchaus als Modell für zahlreiche andere Bereiche der Daseinsvorsorge herangezogen werden.47 Insoweit kann es auch über seinen unmittelbaren Regelungsbereich hinausreichende Rückwirkungen auch im Hinblick auf nationalstaatliche Konzeptionen erzeugen, da diese auf die Vereinbarkeit mit europäischen Regelungen achten müssen. Das Universaldienstkonzept findet seine aktuelle normative Grundlage in der Universaldienstleistungsrichtlinie, 48 deren Vorgängerregelung durch § 17 TKG und die darauf bezogene Telekommunikations-Universaldienstverordnung49 in das deutsche Recht umgesetzt wurde.50 Universaldienste sind grundsätzlich Grundversorgungsleistungen. Zu diesen ist der Zugang bei einem kontinuierlichen Angebot für alle Bürger diskriminierungsfrei gegen ein vertretbares Entgelt zu ermöglichen. Außerdem sollen die entsprechenden Leistungen qualitativ hochwertig dargeboten werden.51 Um tatsächlich allen Bürgern die Leistungen zugänglich zu machen, sind diese insbesondere auch flächendeckend zu erbringen.52 Dennoch soll die Leistungserbringung grundsätzlich im Rahmen von Wettbewerbsmärkten erfolgen. Eine Monopolisierung, durch die die strukturbildenden Prinzipien ebenfalls gewährleistet werden könnten, ist mit dem Universaldienstkonzept gerade nicht verbunden. Vielmehr soll dieses die Grundlage für eine Öffnung der Märkte bilden. Die Universaldienstkonzeption im EG-Telekommunikationsrecht erkennt damit als Grundlage EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 5; dies., KOM(2003) 270 final, S. 7 f. Dies setzt das Europäische Parlament, Entschließung, Rn. 36, voraus; dahingehend jetzt auch EG-Kommission, KOM(2003) 270 final, S. 16; kritisch mit Bezug zum Universaldienstbegriff B.-O. Kuper, in: P. Herrmann, European Services of General Interest, S. 35. 48 RL 2002 / 22 / EG, ABl. 2002 L 108 / 51. Ursprünglich war das Konzept in Art. 2 I lit. g RL 97 / 33 / EG, ABl. 1997 L 199 / 32, sowie Art. 2 II lit. f RL 98 / 10 / EG, ABl. 1998 L 101 / 24, enthalten. 49 BGBl. (1997) I, S. 141. 50 Siehe dazu ausführlich M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 87 ff.; F. Moos, Die Bindung der Telekommunikationsregulierung durch das GATS-Abkommen, S. 102 ff., 284 ff. 51 H. Cox, Organisation, S. 2 f.; EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 3, 6; dies., KOM(2000) 580 endg., S. 42; dies., KOM(2003) 270 final, S. 16; ausführlich dazu im Bereich der Telekommunikation P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 96 ff.; K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 175 ff.; kritisch zum Begriff des Universaldienstes U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 109. 52 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 293. 46 47

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

die Gewährleistungsfunktion des Staates und der EG im Interesse einer flächendeckenden Grundversorgung zu erschwinglichen Preisen an. Ergänzt und ausgefüllt wird diese jedoch durch den Wettbewerb.53 Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, von wem letztlich öffentliche Dienstleistungen erbracht werden, solange in den betroffenen Bereichen nicht Marktmechanismen, sondern die Prinzipien der Gleichheit und Universalität Grundlage ihrer Erbringung sind.54 Für die Durchführung von Universaldiensten bedeutet dies, dass der Staat diese zwar sicherstellen, nicht aber selbst erbringen muss und soll. Stattdessen kommt eine Vergabe entsprechender Dienstleistungsaufträge oder die hoheitliche Verpflichtung von Unternehmen zur Durchführung der Tätigkeiten in Betracht.55 Um den Universaldienst dauerhaft zu gewährleisten, werden auf nationaler Ebene unabhängige Regulierungsbehörden installiert.56 Obwohl Begriff und Konzeption des Universaldienstes deutlich konkreter als diejenigen der Daseinsvorsorge oder auch der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ im EGV ist,57 folgt aus ihm keine Totalharmonisierung mit dem Ziel eines optimalen Versorgungsniveaus in allen Mitgliedstaaten. Es wird allein ein Mindeststandard festgelegt.58 Über diesen hinausgehend haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, höhere Anforderungen zu stellen. Diese sind allerdings materieller Natur und bleiben ohne Einfluss auf die Grundkonzeption. Auch im EG-Postrecht59 hat das Universaldienstkonzept bereits Einzug gehalten, wenn auch in modifizierter Form. So haben bei bestimmten Postdiensten die Mitgliedstaaten und die EG ebenfalls die entsprechenden Leistungen zu gewährleisten. Allerdings verzichtet die Postbinnenmarktrichtlinie auf die Verpflichtung zum Wettbewerb. Stattdessen wird den Mitgliedstaaten die Kompetenz eingeräumt, über die Organisation des Sektors zu entscheiden. Insoweit gilt das Subsidiaritätsprinzip.60 Im Bereich der Energieversorgung wurde das Universaldienstkonzept jedoch bislang nicht vom Sekundärrecht aufgegriffen.61 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 277 f. H. Cox, in: ders., Öffentliche Dienstleistungen in der Europäischen Union, S. 13 (19). J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (27), kennzeichnet die angestrebte Preisgleichheit dagegen als „sozialstaatliche Umverteilung“ und lehnt dieses Kriterium ab. 55 E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (515). 56 F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 203. 57 S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 114 f. 58 K. Cannivé, Infrastrukturgewährleistung in der Kommunikation, S. 87; P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 94; K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 171. 59 RL 97 / 67 / EG, ABl. 1998 L 15 / 14; siehe dazu und zu Änderungsbestrebungen P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 118 ff. 60 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 308. 61 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 357. Nichtsdestotrotz wird das Universaldienstkonzept als „zukunftsweisend“ angesehen, A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (287). Der Kommissionsvorschlag zu einer Änderungsrichtlinie enthält das Universaldienstkonzept, vgl. KOM(2001) 125 endg. 53 54

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2. Daseinsvorsorge im EGV Die Daseinsvorsorge wird durch zahlreiche Bestimmungen des EGV berührt. Die Grundfreiheiten, das allgemeine Wettbewerbs- und Beihilfenrecht wie auch sozialrechtliche Vorschriften wirken sich in ihrem Bereich aus. Von vorrangigem Interesse auf dieser Ebene der Untersuchung sind jedoch insbesondere diejenigen Vorschriften und Grundsätze des Primärrechts, die sich explizit mit der Daseinsvorsorge und ihrer Ausgestaltung befassen oder zumindest von besonderer Bedeutung dafür sein können. Zu untersuchen sind daher im Folgenden die Art. 16 und 86 EGV, insbesondere Absatz 2 des letzteren, und Art. 36 EuGRC als unmittelbar maßgebliche Normen. Darüber hinausgehend ist Art. 6 III EUV daraufhin zu untersuchen, ob durch ihn eine mitgliedstaatliche Ausgestaltungspriorität gegeben ist. Wegen der Bedeutung der Gemeinden bei der Erbringung der entsprechenden Leistungen ist schließlich zu fragen, ob ein europarechtliches Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung existiert, aus dem sich daseinsvorsorgespezifische Elemente herauskristallisieren ließen. Wegen der Bedeutung des Bereichs für den Einzelnen läge zudem die Untersuchung eines allgemeinen „EG-Sozialstaatsprinzips“ auf entsprechende Inhalte nahe. Ein solches existiert jedoch nicht. Auch wenn sich dieses Ergebnis möglicherweise aufgrund der neueren Rechtsentwicklungen auf europäischer Ebene zumindest im Ansatz erfolgreich in Frage stellen ließe,62 soll dies hier nicht geschehen. Zum einen würde dies den Rahmen der Untersuchung sprengen, zum anderen verspricht ein europarechtliches Sozialstaatsprinzip gegenüber den bereits angeführten ausdrücklichen Regelungen des EGV, die diesem als lex specialis vorgehen und dieses ausgestalten würden, keinen Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die sich in Bezug auf die Daseinsvorsorge stellende Problematik. An dieser Stelle ebenfalls nicht behandelt werden soll das bereichsspezifische Sekundärrecht. Für eine Betrachtung der gesamten Problematik der Daseinsvorsorge ist dieses zu speziell, zu unterschiedlich in der jeweiligen Ausformung und überdies nicht ausreichend änderungsfest. Die Grundlagen der normativen Entscheidungen auf europäischer Ebene sind daher allein im Primärrecht zu suchen.

a) Art. 16 EGV Als Ansatzpunkt für die Untersuchung des Verhältnisses des EGV zur Daseinsvorsorge bietet sich der im mit „Grundsätze“ überschriebenen Ersten Teil des EGV verankerte Art. 16 EGV an. Diese erst mit der Amsterdamer Vertragsrevision geschaffene Bestimmung ist bislang wissenschaftlich nur unzureichend erschlossen und noch nicht hinreichend in den Blickpunkt der (Fach-)Öffentlichkeit gerückt. In 62 Vgl. allein die Aufnahme von sozialen Grundrechten in die EuGRC, die Einführung sozialstaatlich motivierter Regelungen in den EGV durch den Vertrag von Amsterdam, die nunmehr einheitliche Geltung der Europäischen Sozialcharta und die ausdifferenzierten Regelungen auf Ebene des Sekundärrechts. Auch J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041, spricht von einer „zunehmenden sozialstaatliche Tönung von Dienstleistungsmärkten“.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

den europarechtlichen Lehrbüchern und Kommentaren wird sie häufig gar nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang behandelt. Angesichts der zumindest potentiell großen Bedeutung der Vorschrift für die Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen verwundert dies. Sie lautet: „Unbeschadet der Art. 73, 86 und 87 und in Anbetracht des Stellenwerts, den Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union einnehmen, sowie ihre Bedeutung bei der Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse im Anwendungsbereich dieses Vertrages dafür Sorge, dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren dieser Dienste so gestaltet sind, dass sie ihren Aufgaben nachkommen können.“

aa) „Gemeinschaftszielbestimmung“ Die Einschätzung des Art. 16 EGV in der Literatur variiert sehr stark. Während die Bestimmung für einige zu den „Grundpfeilern des Primärrechts“63 zählt, billigen ihr andere nur einen geringen normativen Mehrwert zu.64 Unabhängig davon bedeutet die Einfügung des Art. 16 EGV jedoch in jedem Falle eine Zäsur in der Entwicklung des EG-Rechts. Zwar mag die Aussage etwas zu weit gehen, dass die Aufnahme der Bestimmung den Abschluss der Liberalisierungs- und den Übergang in eine Regulierungsphase versinnbildliche.65 Sicherlich ist die gemeinschaftliche Liberalisierungstätigkeit in einigen Bereichen, etwa der Telekommunikation, schon weit fortgeschritten und möglicherweise sogar bereits weitgehend abgeschlossen. In anderen, etwa der Wasserwirtschaft, aber auch des ÖPNV, steht diese jedoch noch am Beginn.66 Von einem Ende der Liberalisierung zu sprechen ist daher deutlich verfrüht. Dagegen trifft der Befund des Übergangs in eine Regulierungsphase zumindest hinsichtlich der bereits liberalisierten Bereiche zu. So steht im postmonopolistischen Binnenmarkt weniger die Zulässigkeit von ausschließlichen oder besonderen Rechten im Vordergrund, als vielmehr die Regelung des Ausgleichs von Nachteilen für Lasten, die im Wettbewerb stehende Unternehmen im Gemeininteresse zu tragen haben.67 Art. 16 EGV verdeutlicht damit jedenfalls eine neue Problemstellung. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass durch ihn erstmals außerhalb des Wettbewerbsrechts die Existenz von Allgemeininteressen anerkannt wird, die nicht oder zumindest nicht allein durch Markt63 So R. Stober, NJW 2002, 2357 (2361); ähnlich P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 63. 64 J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1043); R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 (238). Nach S. Albin, DÖV 2001, 890 (891), soll Art. 16 EGV „vorrangig Symbolcharakter“ zukommen. 65 So aber J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1045). 66 Vgl. zur aktuellen Entwicklung in der Wasserwirtschaft A. Geiger / A. Freund, EuZW 2003, 490 ff.; S.R. Laskowski, ZUR 2003, 1 ff.; zum ÖPNV siehe H.II. 67 J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041.

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mechanismen befriedigt werden können.68 Dies ist der eigentliche Neuigkeitswert des Art. 16 EGV. Die rechtliche Qualifikation der Vorschrift ist nicht unproblematisch möglich. Aufgrund ihrer systematischen Stellung ist sie als Vertragsgrundsatz anzusehen.69 Als solcher wäre sie anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gleichgeordnet. Insbesondere dem aus Art. 3 I lit. g EGV folgenden Wettbewerbsgrundsatz stünde sie demnach gleichberechtigt gegenüber.70 Dies legt auch die systematische Stellung des Art. 16 EGV nach der Binnenmarktausnahmemöglichkeit des Art. 15 EGV nahe.71 Dass sich aus Art. 16 EGV allerdings im Zweifel ein Vorrang der Daseinsvorsorge ergeben soll,72 kann unabhängig davon, ob die Vorschrift die „Daseinsvorsorge“ nach der herkömmlichen deutschen Terminologie schützt, auch bei einer Gleichordnung mit dem Wettbewerbsprinzip nicht angenommen werden. Dies würde die Überordnung des Regelungsgehalts des Art. 16 EGV über das Wettbewerbsprinzip voraussetzen. Weder die Norm selbst noch ihre systematische Einbindung enthalten jedoch insoweit Anhaltspunkte. Selbst bei ihrer Qualifikation als Vertragsgrundsatz kann damit allenfalls von einer Gleichordnung mit anderen Grundsätzen des Primärrechts ausgegangen werden. Als Vertragsgrundsatz müsste Art. 16 EGV Spezialbestimmungen dagegen hinsichtlich ihrer Wirkkraft vorgehen. Genau dies wird jedoch durch ihren Wortlaut im Hinblick auf die insoweit relevanten Vorschriften ausgeschlossen. Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem auf den unten näher zu untersuchenden Art. 86 EGV hinzuweisen, der „unbeschadet“ bleibt. Es erscheint daher nicht abwegig, Art. 16 EGV trotz seiner systematischen Stellung ebenso wie Art. 86 I EGV als bloßen Rechtfertigungstatbestand anzusehen.73 Sein Zweck wäre dann die Erleichterung der Begründung von Ausnahmen vom Wettbewerb, nicht aber die Aufhebung des Regel-AusnahmeVerhältnisses.74 In diesem Fall bliebe das Wettbewerbssystem unangetastet.75 Beide Ansätze schließen sich gegenseitig aus. Art. 16 EGV kann nicht zugleich Grundsatzbestimmung und Rechtfertigungstatbestand sein. Um eine Zuordnung vornehmen zu können, ist daher zum einen auf die Gründe seiner Einfügung, zum 68 A. Héritier, The Politics of Public Services, S. 5; J. Lattmann, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 17 (18). 69 EG-Kommission, KOM(2000) 580 endg., S. 5. 70 Th. v. Danwitz, NWVBl. 2002, 132 (136). 71 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 403. 72 So M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (92); ders., VerwArch 92 (2001), S. 293 (298); ders., in: Chr. Parak / D. Unfried, Personennahverkehr, Nr. 14 S. 1 (7). 73 So ebenfalls Th. v. Danwitz, NWVBl. 2002, 132 (134), vgl. aber oben Fußn. 70. 74 M. Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 255 (266); ders., in: FS W. Brohm, S. 35 (45 Anm. 42); J.-Chr. Pielow, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 33 (43); W. Weiß, EuR 2003, 165 (186). 75 U. Brandl, BayBgm 2002, 52 (53); W. Frenz, EuR 2000, 901 (903); M. Schöneich, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 143 (153).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

anderen auf seine innere Zielrichtung abzustellen. Auch diese Herangehensweise ist jedoch nur in eingeschränktem Maße Erfolg versprechend, da Art. 16 EGV einen (Formel-)Kompromiss darstellt.76 Ein gemeinsamer, über den Wortlaut der Bestimmung hinausgehender Wille der Beteiligten ist nicht feststellbar. Von Bedeutung ist jedoch, dass eine Einigung zur Einführung eines Art. 3 lit. u EGV, nach dem es zu den Zielen der Gemeinschaft gehören sollte, „einen Beitrag zur Förderung der gemeinwohlorientierten Leistungen“ zu leisten, nicht zustande kam.77 Nach Ansicht der Kommission wird durch Art. 16 EGV nur der bereits zuvor erreichte Stellenwert der entsprechenden Dienste bestätigt.78 Damit enthält die Bestimmung keine Einschränkung oder Veränderung gegenüber der vorherigen Rechtslage für die EG.79 Vor diesem historischen Hintergrund betrachtet, lässt sich Art. 16 EGV nur schwer als neues Vertragsprinzip begreifen. Andererseits existierten bereits zuvor auf EG-Ebene zahlreiche Bestrebungen zur rechtlichen Stärkung der entsprechenden Dienste.80 Zudem erscheint die Einfügung des Art. 16 EGV unsinnig, wenn tatsächlich gegenüber der zuvor bestehenden Rechtslage nichts geändert werden sollte. Ließe sich diese zwar noch mit Verweis auf den Kompromisscharakter der Vorschrift erklären, so fällt doch auf, dass im Gegensatz zu Art. 86 II EGV eine positive Formulierung gewählt wurde. Diese lässt erkennen, dass, unspezifisch ausgedrückt, die Daseinsvorsorge nicht nur einen rechtfertigungsbedürftigen Ausnahmefall darstellt,81 sondern im Rahmen des EGV eigenständige Bedeutung erlangt.82 Insbesondere der letztgenannte Aspekt spricht deutlich für das der systematischen Stellung entsprechende Verständnis des Art. 16 EGV als Vertragsgrundsatz. Hätte dieses ausgeschlossen werden sollen, wäre auch die Einfügung einer negativ formulierten Bestimmung möglich gewesen. Festzuhalten ist damit, dass Art. 16 EGV einen Vertragsgrundsatz enthält. 76 H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (332); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 98; M. Ross, ELRev. 2000, 22 (29); H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 394. 77 P.J. Tettinger, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 97 (104 f.). 78 EG-Kommission, KOM(2000) 580 endg., S. 3; ebenso R. Stober, NJW 2002, 2357 (2367). 79 M. Ross, ELRev. 2000, 22 (30); ähnlich R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 407; S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 21; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 407. 80 Vgl. C.O. Lenz, in: ders., EG-Vertrag, Art. 16 Rn. 2 f. m. w. N. 81 B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 12; J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1042); Chr.-E. Palmer, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 9 (11); M. Ronellenfitsch, in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (90); J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (336 f.); ders., in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (13 f.); H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 402; S. Storr, DÖV 2002, 357 (361). 82 R. Geiger, EUV / EGV, Art. 16 EGV Rn. 4; A. Hatje, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 16 Rn. 2; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 16 EGV Rn. 9; F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 306 ff.; K. v. Wogau, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 111 (112).

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Wegen der in Art. 16 EGV enthaltenen Einschränkungen erscheint es jedoch denkbar, die Vorschrift als „Vertragsgrundsatz zweiter Klasse“ anzusehen. Für eine entsprechende Bewertung könnte auch die Dominanz wettbewerbsbezogener Bestimmungen im EGV sprechen. Art. 16 EGV wäre damit letztlich doch nicht diesen gegenüber gleichrangig.83 Zugleich käme ihm eher politische als rechtliche Bedeutung zu.84 Dies überzeugt jedoch nicht.85 Zwar liegt dem EGV eine wirtschaftliche und insoweit vor allem wettbewerbsbezogene Grundkonzeption zugrunde. Diese besteht jedoch zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr ausschließlich. Die EG entwickelt sich zunehmend zu einer nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen Einheit, wie sich aktuell eindrucksvoll an dem Bemühen der Schaffung einer Europäischen Verfassung zeigt,86 wie aber auch schon zuvor etwa durch die Einführung der Unionsbürgerschaft, Art. 17 ff. EGV, deutlich wurde. Die Dominanz des reinen Wirtschaftsrechts wird damit zunehmend zurückgedrängt. Ein insgesamt (noch) bestehender quantitativer Vorrang des Wettbewerbs im Recht der Gemeinschaft vor anderen Belangen kann daher nicht erfolgreich gegen die Interpretation des Art. 16 EGV als „Voll-“vertragsgrundsatz angeführt werden. Damit ist Art. 16 EGV als echtes neues Gemeinschaftsstrukturprinzip,87 in Parallelität zur deutschen staatsrechtlichen Terminologie, als „Gemeinschaftszielbestimmung“ anzusehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die gemeinwirtschaftliche Leistungserbringung nunmehr aus Rechtsgründen zum Regelfall werden soll. Die Systementscheidung des EGV für den Wettbewerb bleibt grundsätzlich erhalten.88 Zum einen ist mit der Einfügung des Art. 16 EGV keine Beseitigung wettbewerbsbezogener Vorschriften verbunden gewesen. Insbesondere Art. 4 I EGV, der die EG auf eine offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb festlegt, spricht insoweit eine deutliche Sprache. Zum anderen wird dies auch durch den in Art. 16 EGV enthaltenen Verweis auf Art. 86 und 87 EGV bekräftigt. In Verbindung mit diesen Bestimmungen kann daher als normativer Kern von Art. 16 EGV die Schaffung und Sicherung eines Gleichgewichts zwischen Wettbewerbsregeln und der Erfüllung 83 Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 16 EGV Rn. 12; dahingehend auch W. Kluth, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 68 (71); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 406 f.; ders., EuR 2003, 165 (186). 84 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (64 f.); H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (16); Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 16 EGV Rn. 13; M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (50 f.); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 98; R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 (239); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 408. 85 Ebenso Th. v. Danwitz, NWVBl. 2002, 132 (136). 86 Vgl. dazu E. Pache, EuR 2002, 767 ff. 87 Chr.-E. Palmer, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 9 (11); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 100; R. Stober, NJW 2002, 2357 (2361). 88 K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 101; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 103.

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öffentlicher Versorgungsaufgaben gesehen werden.89 Im Vergleich zur vorherigen Rechtslage wird also die Bedeutung des Wettbewerbs durch die Ausgestaltung des Art. 16 EGV und seiner systematischen Verankerung im Grundsatzteil des EGV zugunsten gemeinwohlorientierter Dienste relativiert.90 Als Gemeinschaftszielbestimmung hat Art. 16 EGV damit zentrale Bedeutung91 und kann in sämtliche Politikbereiche hineinwirken.92

bb) Adressaten In seinem Wortlaut spricht Art. 16 EGV sowohl die Gemeinschaft als auch die Mitgliedstaaten an. Es liegt daher nahe, die Daseinsvorsorge als konkurrierende Gemeinschaftszuständigkeit anzusehen.93 Dies stellt eine bedeutende Neuerung gegenüber dem Verständnis vor dem Amsterdamer Vertrag dar. Bis dahin waren die entsprechenden Dienste rechtlich eindeutig allein den Mitgliedstaaten zugeordnet. Allerdings enthält Art. 16 EGV die Einschränkung, dass die EG und die Mitgliedstaates jeweils nur im Rahmen ihrer Befugnisse für das Funktionieren der angesprochenen Dienste Sorge zu tragen haben. Diese Einschränkung ist besonders hervorzuheben, da sie in anderen Regelungen, die konkurrierende Zuständigkeiten enthalten, nicht aufgeführt ist. Ihre Formulierung ist rechtstechnisch fragwürdig. Das Abstellen auf die Befugnisse der Mitgliedstaaten und der EG erweckt den Eindruck des Gegenüberstehens zweier rechtlich gleichgeordneter Ebenen. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Während für die Gemeinschaft nach wie vor der Grundsatz der beschränkten Einzelermächtigung, Art. 5 I EGV, gilt, kompetenzgemäßes Gemeinschaftsrecht jedoch Vorrang vor dem nationalen Recht beansprucht, sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich allzuständig. Insoweit von ihren „Befugnissen“ zu sprechen, ist daher irreführend, zumal eine Änderung dieses Ver89 I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 52; Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 36; ders., JZ 2002, 819 (823); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 114; ders., DÖV 2002, 357 (358). 90 Dahingehend auch S. Storr, DÖV 2002, 357 (361). 91 W. Frenz, EuR 2000, 901 (913); A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (289). M. Burgi, in: Henneke, Verantwortungsteilung, S. 90 (112), spricht sogar von einer „Schutznorm“. 92 W. Frenz, EuR 2000, 901 (915); F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 304; B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 12. Die Querschnittswirkung betont, allerdings ohne Anerkennung einer Gemeinschaftszielbestimmung, auch W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 408; ähnlich J.A. Kämmerer, NVwZ 2004, 28 (29). 93 Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 16 EGV Rn. 10; J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1044); C.O. Lenz, in: ders., EG-Vertrag, Art. 16 Rn. 13; F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 304; wohl auch Europäisches Parlament, Entschließung, Rn. 18.

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hältnisses durch Art. 16 EGV keinesfalls beabsichtigt war. Treffender wäre eine Formulierung gewesen, durch die die bestehende Zuständigkeit der Mitgliedstaaten betont und der EG im Rahmen der bestehenden Ermächtigungen die Aufgabe zugewiesen würde, erstere durch eine entsprechende Ausgestaltung ihrer Politiken bei der Erfüllung zu unterstützen. Inhaltlich entspräche eine solche Formulierung eher der Intention der Vorschrift und ihrer Schöpfer. Allerdings wäre der sachliche Neuigkeitswert einer solchen Bestimmung gleich Null, da damit nur Selbstverständliches ausgedrückt würde. Ergibt sich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ohne weitere Erwähnung bereits aus der grundsätzlichen Allzuständigkeit in nicht vergemeinschafteten Bereichen, folgt eine Unterstützungspflicht der EG aus dem auch für sie geltenden Grundsatz der Gemeinschaftstreue, Art. 10 EGV, der insoweit umgekehrt wirkt.94 Letztlich erscheint der Verweis auf die Kompetenzen der EG und der Mitgliedstaaten daher schlicht überflüssig. Die gewählte Formulierung legt vielmehr eine Stärkung der Rolle der EG bei der Erbringung der angesprochenen Dienste nahe. Zwar steht einem Verständnis dahingehend, dass der Gemeinschaft durch Art. 16 EGV Kompetenzen übertragen werden sollten, der Wortlaut entgegen. Eine gemeinschaftliche Kompetenzerweiterung folgt daher aus Art. 16 EGV unzweifelhaft nicht.95 Denkbar erscheint es jedoch, aus Art. 16 EGV einen Gestaltungsauftrag für den EG-Gesetzgeber zu entnehmen.96 Ein solcher, der dann auch parallel wegen des Wortlauts der Bestimmung im Hinblick auf die Mitgliedstaaten bestehen müsste, hätte den Inhalt, in den betroffenen Diensten eine möglichst aufgabengetreue Erbringung sicherzustellen.97 Während den Mitgliedstaaten zuständigkeitshalber dabei die Aufgabe der genauen Benennung und Ausgestaltung der Dienste zukäme, wäre die Gemeinschaft vor allem darauf verpflichtet, günstige Rahmenbedingungen sicherzustellen. Dazu gehörte neben aktiven Maßnahmen nicht zuletzt auch eine Pflicht zur Rücksichtnahme.98 Nach anderer Auffassung enthält Art. 16 EGV jedoch keinen Gestaltungsauftrag für die EG.99 Funktion des Art. 16 EGV, wie im Übrigen auch des Art. 36 EuGRC sei vielmehr die Hervorhebung der mitgliedstaatlichen ZuständigVgl. C.O. Lenz, in: ders., EG-Vertrag, Art. 10 Rn. 9. EG-Kommission, KOM(2003) 270 final, S. 9; M. Burgi, in: Henneke, Verantwortungsteilung, S. 90 (116); W. Frenz, EuR 2000, 901 (918); F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 304; H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 400; R. Stober, NJW 2002, 2357 (2364); S. Storr, DÖV 2002, 357 (361). 96 M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 188; W. Frenz, EuR 2000, 901 (903); ders., DÖV 2002, 1028 (1030); H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (20); F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 304; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 408. Deutlich insoweit auch Art. III-6 des EUVerfassungsentwurfs, nach dessen Satz 2 die Grundsätze und Bedingungen für das wirtschaftliche und finanzielle Funktionieren der angesprochenen Dienste durch Europäische Gesetze festgelegt werden. 97 Ähnlich auch W. Frenz, EuR 2000, 901 (903). 98 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 401. 99 J. Harms, in: H. Brede, Wettbewerb in Europa, S. 25 (27). 94 95

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keit für die Daseinsvorsorge.100 Letztlich bedeutet dies ein Verständnis des Art. 16 EGV als „negative Gemeinschaftszielbestimmung“. Dies kann aber nicht überzeugen. Zwar erscheint die Aufnahme einer solchen in den EGV, selbst in seinen Grundsatzteil, vor dem Hintergrund der aktuellen Renationalisierungsbestrebungen101 durchaus denkbar. Der Wortlaut des Art. 16 EGV spricht jedoch deutlich dagegen. Trotz seiner Kompromisshaftigkeit lässt sich ihm ein klares Bekenntnis zu einer positiven Rolle der EG entnehmen. Dafür spricht zum einen deren explizite Inpflichtnahme, zum anderen aber auch, dass insbesondere die Art. 86 und 87 EGV unberührt bleiben. Gerade in diesen Vorschriften wird der EG und ihrem Recht ein grundsätzlicher Vorrang vor bestimmten mitgliedstaatlichen Verhaltensweisen eingeräumt. Dass diese Bestimmungen zugleich mitgliedstaatsfreundliche Ausnahmeregelungen enthalten, steht dem nicht entgegen, da insoweit das RegelAusnahme-Prinzip zu beachten ist. Art. 16 EGV enthält somit ein „Bekenntnis zur Bedeutung der Daseinsvorsorge“, ohne dass diese deshalb zu einer Tätigkeit vorrangig der Gemeinschaft würde. Die Grundlage für deren Tätigwerden bilden weiterhin die einzelnen Kompetenzvorschriften.102 Allerdings erfolgt durch Art. 16 EGV die Verankerung einer Schutzpflicht auch für die Gemeinschaft im Hinblick auf die Erfüllbarkeit der entsprechenden Dienstleistungen. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu dem reinen Abwehr- und Ausnahmecharakter des den Bereich bis zum Amsterdamer Vertrag allein regelnden Art. 86 II EGV.103 Art. 16 EGV spricht damit in positiver Weise sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Gemeinschaft an. Obwohl die „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ weiterhin in erster Linie in die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten fallen, wird auch die EG für deren Funktionieren in die Verantwortung genommen. Um dieser nachkommen zu können, ist sie durch Art. 16 EGV dazu aufgerufen, im Rahmen der ihr zustehenden Kompetenzen aktiv tätig zu werden.

cc) Wirkungsweise Als Gemeinschaftszielbestimmung mit überdies unbestimmten Formulierungen104 ist Art. 16 EGV nicht unmittelbar anwendbar105 und vermittelt keine subCh.B. Blankart, WuW 2002, 340 (341). Vgl. E. Pache, EuR 2002, 767 (779). 102 S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (84); ähnlich W. Kluth, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 68 (72); S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 182. 103 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 100. 104 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 395; ähnlich W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 406; ders., AöR 128 (2003), S. 91 (129). 105 W. Frenz, EuR 2000, 901 (918); ders., DÖV 2002, 1028 (1031); A. Hatje, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 16 Rn. 7; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 408. 100 101

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jektiven Rechte.106 Nichtsdestotrotz ist er als Rechtsnorm justitiabel.107 Welche Wirkungen im Einzelnen von der Bestimmung ausgehen, ist im Folgenden zu untersuchen. Anzusetzen ist zuvörderst an ihrem Wortlaut. Regelungsgegenstand des Art. 16 EGV sind „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“. Diese werden jedoch nicht definiert,108 so dass sich ihr Inhalt nicht gleichsam von allein erschließen lässt. Allerdings ist die Bezeichnung „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ in Art. 86 II EGV enthalten. Die Frage, ob insoweit ein inhaltlicher Unterschied besteht, lässt sich mit Blick auf die anderen Sprachfassungen verneinen. So spricht etwa der französische Text einheitlich in beiden Bestimmungen von „services d’intérêt économique général“. Obwohl diese Fassung nicht über größere Verbindlichkeit als die deutsche verfügt, muss davon ausgegangen werden, dass ein Unterschied in der Sache nicht beabsichtigt ist und die Begriffe gleichbedeutend sind.109 Weder aus der Entstehungsgeschichte des Art. 16 EGV, noch aus dem letztlich verwendeten und allein abweichenden Wort „Dienste“ lässt sich eine von Art. 86 II EGV abweichende Bedeutung ableiten. Was im einzelnen unter den betroffenen Dienst-(leistung)en zu verstehen ist, muss an dieser Stelle noch nicht abschließend geklärt werden, zumal Art. 16 EGV die Vorschrift des Art. 86 II EGV ausdrücklich „unbeschadet“ lässt und damit eine Modifikation des Begriffs vermeidet. Im Einklang mit der historischen und wissenschaftlichen Entwicklung soll eine detaillierte Begriffsklärung daher im Rahmen der Betrachtung des Art. 86 II EGV vorgenommen werden.110 Für die Bestimmung der Wirkungsweise des Art. 16 EGV genügt es, die Dienste als gemeinwohlorientiert zu umschreiben. Nach Art. 16 EGV soll das Funktionieren dieser Dienste sichergestellt sein. Ziel der Vorschrift ist die aufgabengemäße Erfüllung. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass Art. 16 EGV ein funktional-rechtlicher Ansatz zugrunde liegt.111 Durch die Bestimmung wird die Notwendigkeit der Förderung bestimmter Dienste an106 M. Burgi, in: Henneke, Verantwortungsteilung, S. 90 (115); Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 16 EGV Rn. 11; J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1043); F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 308; M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (51); R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 (238); J. Schwarze, in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (14). 107 M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 190; F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 308 f. 108 W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (317); M. Ross, ELRev. 2000, 22 (32). 109 M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 187; W. Frenz, EuR 2000, 901 (905); H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (16); U. Hösch, DÖV 2000, 393 (404); Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 16 EGV Rn. 8; J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1042); C.O. Lenz, in: ders., EG-Vertrag, Art. 16 Rn. 11; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 99. 110 Unten C.II.2. b)cc)(2) (a). 111 H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (17); F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 305; M. Ross, ELRev. 2000, 22 (32).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

erkannt, ohne dass diese zwingend dem Staat zugeordnet werden.112 Entscheidend ist vielmehr, dass die betreffenden Dienste allgemein zugänglich und flächendeckend angeboten werden.113 Die 13. Erklärung zum Amsterdamer Vertrag stellt klar, dass die Grundsätze der Qualität, der Dauerhaftigkeit und der Gleichbehandlung entscheidend sein sollen. Damit wird zugleich deutlich, dass Art. 16 EGV nicht dem Schutz kommunaler Interessen dient.114 Insbesondere kann dem Abstellen auf die betreffenden Dienste statt auf die Dienstleister nicht entnommen werden, dass öffentliche Unternehmen grundsätzlich privilegiert oder als unentbehrlich angesehen werden sollen.115 Dies folgt auch nicht aus der geradezu lyrischen Einkleidung der die Dienste betreffenden Textpassage, die an Sekundärrechtsakten vorstehende Erwägungsgründe erinnert. Die Hervorhebung der Bedeutung der Dienste für den sozialen und territorialen Zusammenhalt enthält keinen Freibrief für öffentliche Unternehmen.116 Dass dieser Zusammenhalt, von dem im Übrigen unklar ist, ob er sich nur auf die Mitgliedstaaten oder auch die Gemeinschaft bezieht, nur von öffentlichen Unternehmen garantiert werden kann, lässt sich weder aus Art. 16 EGV selbst, noch aus den in den Mitgliedstaaten gemachten, überaus unterschiedlichen Erfahrungen entnehmen. Hinzu kommt, dass Art. 16 EGV auf die „Grundsätze und Bedingungen“ der Diensteerbringung Einfluss nehmen will. Diese Formulierung spricht im Zusammenhang mit der neutralen Bezeichnung der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ gerade gegen eine Bevorzugung einer bestimmten Art der Leistungserbringung und für eine Vielzahl zulässiger Varianten. Öffentliche Unternehmen sind sicherlich eine mögliche und in einigen Bereichen auch im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung effektive Art der Durchführung, keinesfalls aber die einzig zulässige. Nicht einmal ein Bestandsschutz für bestehende öffentliche Unternehmen lässt sich aus Art. 16 EGV entnehmen. Ebenso wenig enthält die Vorschrift eine Verpflichtung, öffentlichen Unternehmen ebenso freies Wirtschaften wie Privatunternehmen zu gestatten.117 Andererseits kann ihr auch nicht entnommen werden, dass sich öffentliche Unternehmen auf ihre als Daseinsvorsorge definierte Kernaufgabe zurückziehen sol112 M. Ross, ELRev. 2000, 22 (35); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 407; ders., AöR 128 (2003), S. 91 (130); ders., EuR 2003, 165 (166). 113 S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (83 f.); EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 3; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 82. 114 E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (514). 115 So aber R. Stober, NJW 2002, 2357 (2359). Th. v. Danwitz, NWVBl. 2002, 132 (133) versteht den Begriff „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ als nicht politisch neutral. In diesem aktualisiere sich ein ordnungspolitisches Vorverständnis von der Notwendigkeit staatlicher Wirtschaftstätigkeit. 116 W. Kluth, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 68 (75), will daraus aber eine Stärkung der Rolle der Kommunen entnehmen. 117 D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 42; Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (435). W. Kluth, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 68 (73), weist zutreffend darauf hin, dass Art. 16 EGV nicht der Festschreibung der derzeitigen Organisationsstrukturen in den Mitgliedstaaten dient.

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len.118 Dahingehende Aussagen verkennen den funktionalen Ansatz des Art. 16 EGV und vermengen die Tatsache des vor allem in wohlfahrtsstaatlich geprägten Mitgliedstaaten häufigen bis nahezu ausschließlichen Einsatzes öffentlicher Unternehmen für die Erreichung bestimmter Gemeinwohlziele mit den insoweit neutralen gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, in die gleichsam die mitgliedstaatliche Situation zunächst hineininterpretiert wird, um dieser daraufhin normative Kraft im Kleid des Art. 16 EGV zu verleihen. Eine solche Herangehensweise steht jedoch weder im Einklang mit den Regeln der juristischen Methodik, noch berücksichtigt er die mitgliedstaatliche Situationenvielfalt. Für ein Verständnis des Art. 16 EGV als Vorschrift mit Bezug zu öffentlichen Unternehmen oder gar zu deren Schutz lassen sowohl der Wortlaut wie auch die Entstehungsgeschichte keinen Raum. Art. 16 EGV steht damit einer Umstrukturierung der Leistungserbringung nicht entgegen. Zu untersuchen ist des Weiteren, ob durch Art. 16 EGV ein Aufgabenkanon festgelegt wird und ihm damit eine materielle Aussage entnommen werden kann. Teilweise wird vertreten, die Vorschrift lege den Bestand eines nicht näher definierten entzugsfesten Diensteminimums fest.119 Dies ist jedoch als zu unbestimmt und vor allem wegen der fehlenden Verankerung im Wortlaut des Art. 16 EGV abzulehnen. Letztlich würde dies zudem eine Generalermächtigung des EuGH zur Rechtsfortbildung bedeuten.120 Allein diesem käme die Bestimmung der betreffenden Dienste zu, die anhand der traditionellen Auslegungsmethoden aus Art. 16 EGV nicht entnommen werden könnten. Anhaltspunkte dafür, dass die Mitgliedstaaten dem EuGH eine solch weitgehende und tief in die Bestimmung konkreter Staatlichkeit hineinreichende Aufgabe übertragen wollten, sind jedoch nicht ersichtlich. Vorstellbar wäre weiterhin, dass durch Art. 16 EGV die französische „service public“-Doktrin einschließlich des entsprechenden materiellen Aufgabengehalts in das Gemeinschaftsrecht übernommen werden sollte. Unzweifelhaft ist Art. 16 EGV durch das französische Verständnis vom „service public“ beeinflusst.121 Die Übernahme des Instituts folgt daraus jedoch nicht.122 Gegen eine solche sprechen mehrere Gründe. Zum einen ist die vollständige Übernahme eines mitgliedstaatlichen Rechtsinstituts in das Gemeinschaftsrecht überaus ungewöhnlich. Unabhängig von sachlichen Gründen verhindern insoweit bereits nationale Rivalitäten eine entsprechende Einigung. Zum anderen bestanden im Falle der Einführung des So aber R. Stober, NJW 2002, 2357 (2361). W. Frenz, EuR 2000, 901 (920). 120 Vgl. dazu M. Knauff, JA 2002, 719 ff. 121 F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 305. Zur Entstehungsgeschichte in diesem Zusammenhang siehe H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 380 ff. M. Ronellenfitsch, in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (87), sieht demgegenüber die deutsche Konzeption der Daseinsvorsorge als Vorbild der aktuellen gemeinschaftsrechtlichen Entwicklungen an. 122 S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 324 f.; ebenso unter Bezugnahme auf Art. 86 II EGV S. Albin, DÖV 2001, 890 (891). 118 119

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Art. 16 EGV jedoch auch Differenzen in der Sache zwischen den Mitgliedstaaten. Gerade in diesem Fall haben die unterschiedlichen Vorstellungen123 dazu geführt, dass allein ein formelhafter Kompromiss zustande kommen konnte. In diesem jedoch eine Übernahme des französischen „service public“ zu sehen, bedeutete die Negierung der Kompromisshaftigkeit. Gerade die französische Position war eine der Extrempositionen, die sich nicht durchsetzen konnte. Scheitert jedoch bereits die Übernahme des Rechtsinstituts in das Gemeinschaftsrecht, so muss umso mehr die Übernahme eines konkreten, auf mitgliedstaatlicher Ebene entwickelten Aufgabenbestands scheitern. Gegen eine solche sprechen schließlich auch die unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten, aus denen nicht zuletzt unterschiedliche Bedürfnisse seitens der Bürger resultieren. Eine Einigung auf das französische Verständnis des Umfangs gemeinwohlorientierter Dienstleistungen ist mit Art. 16 EGV somit nicht verbunden. Auch eine neue Konzeption für gemeinwohlorientierte wirtschaftliche Tätigkeit enthält die Vorschrift nicht.124 Denkbar erscheint es jedoch, Art. 16 EGV ein Verschlechterungsverbot zu entnehmen.125 Ein solches könnte mangels eines einheitlichen Standards in der Gemeinschaft allein für die einzelnen Mitgliedstaaten angenommen werden. Diese und die Gemeinschaft wären im Rahmen ihrer jeweiligen Regelungszuständigkeiten für die Aufrechterhaltung des zum Zeitpunkt der Schaffung des Art. 16 EGV erreichten Niveaus verpflichtet. Für die Annahme eines Verschlechterungsverbotes könnten die Tatsache der Einführung des Art. 16 EGV und seine positive Formulierung sprechen. Zudem könnte auch der Bezug auf den Stellenwert und die Bedeutung der Dienste im Text des Art. 16 EGV für eine entsprechende Auslegung sprechen. Gemeint können insoweit nur die bereits bestehenden Dienste sein. Deren Hervorhebung als höchst bedeutsam legt nahe, dass eine Verschlechterung zumindest zu vermeiden ist. Nichtsdestotrotz kann Art. 16 EGV kein Verschlechterungsverbot entnommen werden. Ein solches würde eine Zementierung des status quo und damit eine deutliche Beschränkung staatlicher Gestaltungsmöglichkeiten bedeuten. Insbesondere für Reformen in stark wohlfahrtsstaatlich geprägten Mitgliedstaaten würde ein in Art. 16 EGV verankertes Verschlechterungsverbot eine große Belastung bedeuten. Dies kann mit der Einfügung der Vorschrift jedoch nicht beabsichtigt gewesen sein. Überdies würde die Annahme eines Verschlechterungsverbotes der Durchsetzung anderweitig gemeinschaftsrechtlich geforderter Marktöffnungen im Einzelfall entgegenstehen können. Gerade dabei kann es zuSiehe oben C.II.1. J. Keller, Service public und Art. 86 Abs. 2 EGV, S. 191. 125 Dahingehend unter Bezugnahme auf den Stand der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 86 II EGV G. Kühne, in: J.F. Baur, Regulierter Wettbewerb, S. 65 (69). Weniger weit gehend W. Frenz, DÖV 2002, 1028 (1032), der zu Recht betont, dass Voraussetzung für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse deren Existenz überhaupt ist; ähnlich K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 101. R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 (239), nimmt eine Bestandsgarantie für die entsprechenden Dienste an. 123 124

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mindest vorübergehend auch zu Verschlechterungen kommen. Ließe sich dies zwar noch als hinzunehmende Folge einer Gemeinschaftszielbestimmung mit entsprechenden Inhalt rechtfertigen, so spricht doch deutlich gegen ein Verschlechterungsverbot, dass auch gemeinschaftsrechtliche Angleichungsbemühungen in Bereichen mit Gemeinwohlbezug ins Leere laufen müssten, sofern diese nicht auf dem höchsten mitgliedstaatlichen Niveau erfolgten. Dies wird jedoch durch das Binnenmarktziel gerade nicht gefordert. Das Gemeinschaftsniveau ist in nahezu allen angeglichenen Bereichen weder das niedrigste noch das höchste mitgliedstaatliche Niveau, sondern bestimmt sich autonom nach den Bedürfnissen und Vorstellungen der Gemeinschaft. Dass daran durch Art. 16 EGV für den Bereich gemeinwohlorientierter Leistungen etwas geändert werden sollte, ist nicht ersichtlich. Letztlich sprechen sowohl die Entstehungsvoraussetzungen als auch Gründe der Flexibilität und Praktikabilität gegen ein Verständnis des Art. 16 EGV als Verschlechterungsverbot. Als Gemeinschaftszielbestimmung wirkt Art. 16 EGV jedoch als Auslegungsdirektive.126 Die gilt, obwohl Art. 16 EGV nach seinem Wortlaut die Art. 73, 86 und 87 EGV unberührt lässt, auch hinsichtlich dieser Bestimmungen, wenn auch in geringerem Maße. So wird Art. 16 EGV zwar einerseits durch diese hinsichtlich seiner Wirksamkeit begrenzt,127 gleichwohl wirkt er auf diese zurück.128 Dies folgt aus der Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des gesamten EGV. Würden die von Art. 16 EGV explizit „unbeschadet“ gelassenen Vorschriften tatsächlich nicht von diesem beeinflusst, würde sich auch eine Auslegung anderer Vertragsbestimmung in dessen Lichte praktisch erübrigen. Gemeinwohlorientierte Dienste zeichnen sich häufig gerade dadurch aus, dass sie subventioniert werden oder bei ihrer Erbringung besondere Vorteile in Anspruch nehmen. Wollte man eine Rückwirkung völlig ausschließen, bedeutete dies zugleich, dass Art. 16 EGV trotz der von ihm zunächst ausgehenden Wirkungen letztlich doch weitgehend wirkungslos bliebe. Dies würde jedoch, ebenso wie das oben abgelehnte Verständnis der Vor126 P. Badura, in: FS Th. Oppermann, S. 571 (578); Th. v. Danwitz, NWVBl. 2002, 132 (136); K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 100; G. Kühne, in: J.F. Baur, Regulierter Wettbewerb, S. 65 (69); dahingehend auch D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 53; J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1043); eingeschränkt M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (50). 127 Für Art. 86 EGV A. Hatje, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 16 Rn. 9; J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (336); ders., in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (14). 128 S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (83); P. Badura, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 25 (31); M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 190; K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 102; W. Frenz, EuR 2000, 901 (915 f.); ders., DÖV 2002, 1028 (1033); R. Geiger, EUV / EGV, Art. 16 EGV Rn. 5; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 112; J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1043); C.O. Lenz, in: ders., EG-Vertrag, Art. 16 Rn. 10; J. Kühling, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 138 (141); unter Bezugnahme auf die neuere EuGH-Rechtsprechung M. Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 255 (265 f.); implizit auch G. Kühne, in: J.F. Baur, Regulierter Wettbewerb, S. 65 (69).

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schrift als Übernahme des französischen „service public“-Konzepts, ihren Kompromisscharakter negieren und der privatwirtschaftlichen Extremposition den Vorrang geben. Zwar kann Art. 16 EGV unzweifelhaft entnommen werden, dass das bisherige ordnungspolitische System des EGV nicht grundsätzlich geändert werden sollte. Dass dennoch für den von Art. 16 EGV betroffenen Bereich eine Modifikation vorgenommen wurde, folgt bereits aus der Einführung der Bestimmung als Vertragsgrundsatz und ihrer positiven Formulierung. Dies ist jedoch auch bei der Auslegung der von Art. 16 EGV nach dem Wortlaut unberührt bleibenden Vorschriften zu beachten. Die entsprechende Formulierung in Art. 16 EGV ist damit so zu lesen, dass die genannten Vorschriften „im Grundsatz unberührt“ bleiben. Durch ein entsprechendes Verständnis wird zum einen verhindert, dass Inhalt und Bedeutung der in Art. 16 EGV genannten Bestimmungen, die sämtlich selbst keine Vertragsgrundsätze sind, sondern sich allenfalls auf solche zurückführen lassen, tief greifenden Änderungen unterzogen werden. Zum anderen ermöglicht es die praktische Wirksamkeit des Art. 16 EGV. Eine solche Auslegung steht sowohl mit der Entstehungsgeschichte der Norm, insbesondere ihrem Kompromisscharakter, und ihrer Eigenschaft als Gemeinschaftszielbestimmung in Einklang, als auch berücksichtigt sie die durch den Wortlaut vorgegebenen Grenzen. Art. 16 EGV bewirkt damit im Bereich des gesamten EGV die Verpflichtung zu einer Auslegung in dem Sinne, dass gemeinwohlorientierte Dienstleistungen zumindest als wichtiger Abwägungsbelang zu beachten sind. Dies gilt auch bei der Auslegung der Art. 73, 86 und 87 EGV, wenn auch in geringerem Maße. Festzuhalten ist damit, dass Art. 16 EGV zwar gegenüber der vorherigen Rechtslage keine substanziellen Veränderungen verursacht,129 jedoch die Existenz von Bereichen nichthoheitlicher Leistungserstellung einräumt, die nicht dem marktwirtschaftlichem Steuerungssystem unterfallen.130 Diese werden erstmals nicht als bloße Ausnahme begriffen. Indem Art. 16 EGV als Auslegungsdirektive wirkt, erfolgt, wenn auch in beschränktem Rahmen, eine Stärkung gemeinwohlorientierter Wirtschaftsformen,131 ohne allerdings im Hinblick auf diese einer Leistungserbrin129 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 407; W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 416 (451); M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (50); E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (515). W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 405, bezeichnet Art. 16 EGV daher auch als „nur . . . sehr zaghafte(n) Versuch des Gegensteuerns gegen gemeinschaftsrechtlichen Privatisierungsdruck“. 130 J. Harms, in: H. Brede, Wettbewerb in Europa, S. 25 (27). Plastisch M. Burgi, in: FS W. Brohm, S. 35 (45): „Art. 16 (bietet) der Daseinsvorsorge in Europa eine eigene materiellrechtliche Heimat“. 131 P. Badura, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 25 (30); H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (332); U. Cronauge, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 161 (162); H. Eberlein, Internationales Verkehrswesen 2000, 321 (322); W. Frenz, EuR 2000, 901 (905); Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (421); V. Götz, in: FS H. Maurer, S. 921 (925); A. Hatje, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 16 Rn. 1; H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (16); Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 16 EGV Rn. 7;

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gung durch öffentliche Stellen den Vorzug zu geben. Vielmehr bleibt – jedenfalls allein unter den Prämissen des Art. 16 EGV – die konkrete Ausgestaltung der Leistungen und ihrer Darbietung den Mitgliedstaates überlassen. In Verbindung mit dem Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 II EGV, ist darin die Anerkennung der Verschiedenartigkeit der mitgliedstaatlichen Leistungsstrukturen verbunden.132 Allerdings ist die Effektivität der Dienste hinsichtlich der Erreichung ihres Gemeinwohlziels sicherzustellen. Eine Aussage zugunsten der traditionellen Konzeption der Daseinsvorsorge oder des Modells des Gewährleistungsstaats kann ihm, einzeln betrachtet, wegen seiner funktionalen Ausrichtung nicht entnommen werden. Aufgabe der Gemeinschaft ist es, unterstützend tätig zu werden. Dies kann insbesondere durch eine stärkere Gewichtung gemeinwohlorientierter Belange bei der Schaffung und, insoweit sind auch die Mitgliedstaaten betroffen, Anwendung des Gemeinschaftsrechts geschehen. Art. 16 EGV steht jedoch weiteren Liberalisierungsbemühungen durch die Gemeinschaft zur Erreichung anderer Vertragsziele grundsätzlich nicht entgegen. Insoweit kann ihm jedoch im Interesse der Sicherstellung der Diensteerbringung durchaus das Gebot entnommen werden, den Übergang in eine insgesamt stärker wettbewerblich geprägte Ordnung schrittweise und unter Berücksichtigung mitgliedstaatlicher Anpassungsschwierigkeiten vorzunehmen.133 Hervorzuheben ist dabei aber nochmals, dass auch insoweit nicht der Schutz der Mitgliedsaaten und ihrer Unternehmen, sondern der Leistungen und ihrer Nutzer beabsichtigt ist.

b) Art. 86 EGV Wichtigste und zugleich älteste Vorschrift mit Bezug auf die Daseinsvorsorge im EGV ist Art. 86 EGV, dem bereits „revolutionäre Wirkung“134 zugesprochen wurde. Die drei Absätze der Bestimmung befassen sich mit unterschiedlichen Sachverhalten. Während Art. 86 I EGV auf die Nichtprivilegierung öffentlicher, und damit auch mit der Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen befassten staatlichen und kommunalen Unternehmen abzielt, sieht Art. 86 II EGV die Möglichkeit von Ausnahmen von der Anwendung von Vertragsvorschriften bei denjenigen Unternehmen vor, die „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ erbringen. Insbesondere diese Bestimmung ist für den Bereich der Daseinsvorsorge von Bedeutung. Art. 86 III EGV enthält schließlich eine Handlungsermächtigung für die Kommission. Im Folgenden soll zunächst eine Einordnung des Art. 86 EGV in das Regelungsgeflecht des EGV vorgenommen werden. Auf der so erS.R. Laskowski, ZUR 2003, 1 (9); B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 12; R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 (226). 132 J. Harms, in: H. Brede, Wettbewerb in Europa, S. 25 (27). 133 Dahingehend M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (51). 134 So G. Haverkate / S. Huster, Europäisches Sozialrecht, Rn. 467.

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reichten Grundlage sollen daraufhin die Absätze im Einzelnen auf ihren daseinsvorsorgespezifischen Regelungsinhalt untersucht werden. aa) Art. 86 EGV im Regelungsgeflecht des EGV Die Einordnung des Art. 86 EGV in das System des EGV ist ohne einen Rückgriff auf das Zustandekommen der Norm nicht sinnvoll möglich, da die damals bestehenden Konflikte im Grundsatz noch heute existieren. Bei der Gründung der EG war der heutige Art. 86 EGV bei den Vertragsverhandlungen eine der umstrittensten Vorschriften.135 Letztlich ist er das Ergebnis eines Kompromisses zwischen Mitgliedstaaten mit einem hohen Staatsanteil, etwa Frankreich oder Italien, und solchen mit einem niedrigen, insbesondere den Benelux-Staaten.136 Während erstere die öffentliche Wirtschaft möglichst ganz aus dem Anwendungsbereich des EGV herausnehmen wollten, sahen letztere ohne eine Begrenzung jener ihre eigenen, privatwirtschaftlich-wettbewerblich geprägten Wirtschaften in Gefahr, von übermächtigen ausländischen Staatswirtschaften überrannt zu werden. Diese Positionen ließen sich letztlich nicht sinnvoll miteinander vereinbaren. Der insoweit bestehende Widerspruch durchzieht die gesamte Konzeption des EGV und zeigt sich besonders deutlich am Formelkompromiss137 des Art. 86 EGV, dessen Formulierung bewusst unklar vorgenommen wurde.138 Die widerstreitenden Ansätze zeigen sich auch in den ersten beiden Absätzen der Vorschrift. Während Art. 86 I EGV versucht, die Sonderstellung öffentlicher Unternehmen einzugrenzen, öffnet Art. 86 II EGV diese Eingrenzung wieder. Der dabei entscheidende Bezug zu den Aufgaben, nicht aber zu den Aufgabenträgern ist zumindest teilweise als falsa demonstratio anzusehen, da es auf zahlreichen Gebieten typischerweise gerade öffentliche Unternehmen sind, welche die entsprechenden Aufgaben wahrnehmen.139 A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 53. J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 87; ders., Der Landkreis 2001, 434 (435); H.P. Ipsen / G. Nicolaysen, NJW 1964, 2336 (2337); P.J. Tettinger, DVBl. 1997, 341 (345); A. Zahn, Kommunale Dienstleistungsmonopole, S. 154 f.; zur Ausgestaltung der wirtschaftlichen Staatstätigkeit in den einzelnen EG-Gründungsmitgliedern siehe V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 44 ff.; zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift vgl. F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 125 ff. 137 J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 29; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 51. J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1042), spricht gar von einem „Negativkompromiss“; ebenso H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (16). 138 A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 54; H.-G. Henneke, Der Landkreis 2003, 15 (16); F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 128; J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1042). Positiv bezeichnet Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 30, die Gestaltung des Art. 86 EGV als „oszillierende Tatbestandsstruktur“. 139 Dahingehend auch P. Kent, Law of the European Union, S. 293; G. Püttner, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 32 (36). 135 136

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Nach der ordnungspolitischen Konzeption des EGV ist die EG auf Wirtschaftsfreiheit, Marktwirtschaft und unverfälschten Wettbewerb festgelegt.140 Als Strukturmerkmale der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Bestimmungen des EGV erscheinen Wettbewerb, Deregulierung und Beihilfenverbot.141 Dies zeigt sich besonders deutlich an den Grundsatzvorschriften der Art. 3 I lit. g, 4 I EGV, die den freien Wettbewerb bei der Erbringung von Leistungen jeglicher Art als Regelfall bestimmen. Diese sind zudem in engem Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot, Art. 12 EGV, zu sehen,142 nach dem kein Unionsangehöriger wegen seiner Staatsangehörigkeit benachteiligt werden darf. Das Wettbewerbsprinzip dominiert damit in der Binnenmarktkonzeption,143 so dass der EGV insgesamt als marktwirtschaftliche Verfassung144 (im materiellen Sinn145) erscheint. Obwohl es mehr als zweifelhaft erscheint, das ebenfalls normative Ziel des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, Art. 2 EGV, unter das Binnenmarktziel zu stellen,146 so kann doch eine auf wirtschaftliche Freiheit ausgerichtete Konzeption des EGV insoweit schwerlich geleugnet werden. Art. 86 EGV wiederum erscheint so zumindest auch als Instrument zu deren Durchsetzung. Andererseits ist der EGV hinsichtlich der mitgliedstaatlichen Wirtschaftsverfassungen nach herrschender Auffassung neutral.147 Zwar wird dies vereinzelt als mit der heute geltenden Fassung des Primärrechts als nicht vereinbar angesehen148 oder gar als „Chimäre“149 gebrandmarkt. Nichtsdestotrotz ist der erstgenannten Ansicht zuzustimmen. Der EGV enthält neben den wettbewerbsbejahenden Vorschriften auch interventionistische Bestimmungen, etwa den die Industriepolitik betreffenden Art. 157 EGV.150 Lassen sich diese zwar möglicherweise noch als bloße bereichsspezifische Ausnahmen begreifen,151 so ist dies bei Art. 295 EGV nicht der Fall. Danach lässt der EGV die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten unangetastet. 140 P. Badura, ZGR 26 (1997), S. 291 (294); K. Böhmann, Privatisierungsdruck des Europarechts, S. 53; ähnlich Chr.C. Pöhn, Wirtschaftslenkung, S. 72; ausführlich dazu auch K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 102 ff. 141 H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (46). 142 M. Fehling, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 195 (196); G. Schwarting, ZögU 24 (2001), S. 286 (292). 143 H. Cox, in: ders., Öffentliche Dienstleistungen in der Europäischen Union, S. 13. 144 R. Schmidt, in: FS K. Vogel, S. 21 (22 f.); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 260. 145 Vgl. E. Pache, EuR 2002, 767 (775). 146 So aber M. Wohltmann, Der Landkreis 2001, 430 (431). 147 Vgl. etwa EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 5; K. Hailbronner, NJW 1991, 593 (598 f.); H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (46). 148 A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 30. 149 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 92. 150 Darauf weist J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 43, hin und zieht daraus den Schluss der Nichtexistenz eines wirtschaftsverfassungsrechtlichen Gesamtkonzepts des EGV. 151 P. Badura, ZGR 26 (1997), S. 291 (294); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 261.

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Bedeutung und Tragweite des Art. 295 EGV sind umstritten. Teilweise wird er im Spannungsverhältnis zu den Marktvorschriften und -freiheiten sowie zu den Wettbewerbsregeln gesehen.152 Damit wird ihm eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundentscheidung zugesprochen. Begründet wird dies nicht zuletzt mit der Entstehungsgeschichte der Norm, die ebenfalls auf den oben dargestellten Konflikt zurückzuführen ist.153 Danach soll diese auch eine Aussage über die unternehmerische Betätigung der Mitgliedstaaten treffen.154 Nach anderer, wohl herrschender Ansicht, vermittelt Art. 295 EGV allein die eigentumsrechtliche Neutralität des EGV, nicht aber die wirtschaftsverfassungsrechtliche. Daher greifen diese und die wettbewerbsbezogenen Bestimmungen des EGV ineinander.155 Bedeutung erlangt das unterschiedliche Verständnis bei der Bewertung der mitgliedstaatlichen Freiheit zur Gestaltung von Wirtschaftssektoren und damit bei der Frage der Zulässigkeit von unmittelbar oder mittelbar EG-bedingten Privatisierungen. Damit im Zusammenhang steht die Frage, inwieweit der Anwendungsbereich des Art. 86 EGV durch die EG beeinflusst werden kann. Als nach beiden Ansichten sicher kann gelten, dass Art. 295 EGV einer Privatisierungspflicht entgegensteht.156 Häufig folgt ein Privatisierungsdruck aber oft effektiv wegen der Binnenmarktgrundregeln Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung, die etwa eine wettbewerbliche Beihilfenvergabe erfordern.157 Ihnen kommt damit eine privatisierungsfördernde Wirkung zu.158 Ein mittelbares Privatisierungsgebot wird überdies 152 J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1045); bezogen auf öffentliche Unternehmen W. Weiß, DVBl. 2003, 564 (569); ders., EuR 2003, 165 (176); implizit auch R. Schmidt, in: FS K. Vogel, S. 21 (30), der von einer Überlagerung des Art. 295 EGV ausgeht; ebenso K. Böhmann, Privatisierungsdruck des Europarechts, S. 99. 153 Vgl. dazu M. Ruffert, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 10 (12 f.). 154 A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 191; dahingehend auch W. Weiß, DVBl. 2003, 564 (569); Chr. Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 138. 155 K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 265 f.; J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 131 f.; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 96; dahingehend auch P. Badura, ZGR 26 (1997), S. 291 (294); Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 84 f.; M. Ruffert, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 10 (14 f.); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 301. 156 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (54); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 81; M. Ruffert, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 10 (15); J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (336); ders., in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (14 f.); W. Weiß, AöR 128 (2003), S. 91 (94). 157 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (260 f.); H. Cox, Organisation, S. 9; M. Dreher, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 33 (38); E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (515); mit besonderem Bezug zum Wettbewers- und Beihilfenrecht ausführlich W. Weiß, AöR 128 (2003), S. 91 (98 ff.). 158 D. Ehlers, DVBl. 1998, 497 (507); ders., Gutachten E zum 64. DJT, S. 64 f.; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 89 f.; W. Schroeder, EWS 2002, 174 (175); J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 79 Anm. 459; ähnlich H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (337); M. Ruffert, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 10 (16); R. Schmidt, in: FS K. Vogel, S. 21 (25 f., 30); R. Stober, NJW 2002, 2357 (2361).

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teilweise aus Art. 86 II EGV entnommen, sofern bei einem öffentlichen Unternehmen der Privilegierungsgrund nicht (mehr) gegeben ist.159 Aus praktischer Sicht folgt die Notwendigkeit von Privatisierungen bei einer Wettbewerbssituation aus der (überlebens)notwendigen Zuführung privaten Kapitals.160 Betroffen von der Privatisierung ist jedoch stets die Organisation der Erbringung von Leistungen auf mitgliedstaatlicher Ebene. Nach der zuerst angeführten Auffassung, nach der Art. 295 EGV auch wirtschaftsverfassungsrechtliche Bedeutung hat, ist damit ein Verstoß gegen diese Vorschrift zumindest dann gegeben, wenn ein mittelbares Privatisierungsgebot oder die faktische Notwendigkeit zur Privatisierung und damit Umorganisation nicht als bloßer Reflex angesehen wird. Überzeugender ist jedoch die gegenteilige Ansicht. Zwar kann die Entstehungsgeschichte des Art. 295 EGV durchaus zu dessen Interpretation herangezogen werden. Allerdings hat sich das Recht seitdem deutlich fortentwickelt. Insbesondere ist das Verhältnis von europäischem und mitgliedstaatlichem Recht durch den EuGH geklärt und die von ihm gefundene Lösung allgemein akzeptiert worden. Das Europarecht genießt danach Vorrang vor dem nationalen Recht.161 Dies gilt auch in Bezug auf mitgliedstaatliche Regelungen bezüglich der Art und Weise der Leistungserbringung. Soweit die EG daher die Kompetenz zur Regelung von Bereichen hat und diese auch nutzt, geht diese Bestimmung nationalstaatlichen Konzeptionen vor. Ausgangspunkt der Auslegung des Art. 295 EGV kann daher nur dessen Wortlaut sein, dem sich jedoch allein die eigentumsrechtliche Neutralität entnehmen lässt. Es liegen damit zwei Rechtsebenen vor, die deutlich voneinander unterschieden werden und keineswegs im Detail übereinstimmen müssen.162 Die EG als solche ist damit auf eine Wettbewerbswirtschaft festgelegt. Soweit sich im Rahmen dieser Auswirkungen auf die wirtschaftsverfassungsrechtlichen Konzeptionen der Mitgliedstaaten ergeben, geht die EG-rechtliche Konzeption vor. Soweit dies nicht der Fall ist, sind die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Wirtschaftsordnung frei. Dies folgt jedoch nicht aus Art. 295 EGV. Dieser steht einer privatisierenden Liberalisierung durch Marktöffnung seitens der EG nicht entgegen.163 Aus dem Gesamtzusammenhang kann sich daher keine staatswirtschaftliche Konzeption des Art. 86 EGV ableiten lassen. Vielmehr fügt sich die Vorschrift A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 128 f. G. Haverkate / S. Huster, Europäisches Sozialrecht, Rn. 476; W. Weiß, AöR 128 (2003), S. 91 (109). 161 Grundlegend EuGH Slg. 1964, 1251 – Costa / E.N.E.L.; 1970, 1125 – Internationale Handelsgesellschaft. 162 Dahingehend mit Bezug zu staatlichem Wirtschaften und Art. 86 II EGV W. Weiß, AöR 128 (2003), S. 91 (105). Grundlegende Fragen der Wirtschaftsordnung bleiben vorliegend insoweit außer Betracht, vgl. Art. 98 EGV. 163 S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 302; implizit auch W. Schroeder, EWS 2002, 174 (176 f.); W. Weiß, AöR 128 (2003), S. 91 (94). M. Ruffert, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 10 (24 ff.), will der Vorschrift jedoch eine gewisse stabilisierende Wirkung für die Daseinsvorsorge durch öffentliche Unternehmen entnehmen. 159 160

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in die marktwirtschaftliche Konzeption des EGV ein und ist in diesem Lichte zu sehen. bb) Der Grundsatz der Nichtprivilegierung (Art. 86 I EGV) Nach Art. 86 I EGV treffen die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine Maßnahmen, die den Bestimmungen des EGV widersprechen. Der Begriff „Maßnahme“ ist dabei weit auszulegen.164 Besonders hervorgehoben werden das Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, Art. 12 EGV, und das Wettbewerbs- und Beihilfenrecht, Art. 81 ff. EGV. Von besonderer Bedeutung, wenn auch nicht explizit in Art. 86 I EGV aufgeführt, sind darüber hinaus die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit. Damit sind die aufgeführten Unternehmen dem EG-Wirtschaftsrecht zunächst grundsätzlich unterworfen.165 Adressaten der Vorschrift, die als lex specialis zu Art. 10 II EGV anzusehen ist, sind nach dem eindeutigen Wortlaut in erster Linie die Mitgliedstaaten.166 Sie verdeutlicht, dass das EG-Recht identische staatliche Rahmenbedingungen für öffentliche und private Unternehmen anstrebt.167 Zugleich erkennt Art. 86 I EGV ebenso wie Art. 295 EGV aber auch den Einsatz öffentlicher Unternehmen als legitimes Mittel zur Erreichung staatlich bestimmter Ziele an.168 Ansatzpunkt des Art. 86 I EGV ist der Begriff des Unternehmens. Insoweit gilt nach ganz h.M. wie im gesamten EG-Wettbewerbsrecht ein weiter, funktioneller Unternehmensbegriff.169 Als Unternehmen gilt danach jede Einheit, unabhängig 164 K. Böhmann, Privatisierungsdruck des Europarechts, S. 105; G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 10; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 38; W. Weiß, EuR 2003, 165 (169); implizit auch A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 172. 165 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (46). 166 EuGH Slg. 1991, I-1979 (2017) – Höfner und Elser; G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 2; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 1; Th. Kapp, in: B. Fabry / U. Augsten, Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, S. 140; J. Schwarze, EuZW 2000, 613 (623); W. Weiß, EuR 2003, 165 (169). 167 M. Fehling, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 195 (197); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 82; H.P. Ipsen / G. Nicolaysen, NJW 1964, 2336 (2338); J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1252); W. Weiß, AöR 128 (2003), S. 91 (94). Verhindert werden soll jedoch in erster Linie eine Besserstellung öffentlicher Unternehmen, W. Weiß, DVBl. 2003, 564 (566 f.). 168 Th. Mann, JZ 2002, 819 (820); J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1253); darüber hinausgehend U. Steckert, Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, S. 19. Dagegen will Chr.C. Pöhn, Wirtschaftslenkung, S. 83, dem EGV entnehmen, „dass jede Form von staatlicher Wirtschaftstätigkeit auf ein Minimum zu reduzieren ist.“ Diese Aussage ist jedoch angesichts der angeführten Regelungen nicht haltbar. 169 S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (107); Th. v. Danwitz, NWVBl. 2002, 132 (133); R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (50); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 96 f.; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommen-

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von ihrer Rechtsform und Finanzierung, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.170 Entscheidend ist damit der Aspekt der wirtschaftlichen Betätigung. Einrichtungen, die Tätigkeiten nichtwirtschaftlicher Natur durchführen, fallen nicht unter den Unternehmensbegriff und sind daher auch nicht über Art. 86 I EGV an die Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln gebunden.171 Damit wird bereits eine in der Praxis wichtige Problemstellung sichtbar, nämlich diejenige der Abgrenzung nichtwirtschaftlicher von wirtschaftlichen Tätigkeiten.172 Diese ist von größter Bedeutung, sind ihre Auswirkungen doch enorm. Eine abstrakte Abgrenzung insoweit ist kaum möglich. Der nahe liegende Gedanke, eine Einrichtung dann als wirtschaftlich tätig anzusehen, wenn ein Markt (unter Teilnahme von Privaten) besteht, andernfalls aber als nichtwirtschaftlich,173 greift zu kurz. Zum einen kann es, gerade auf Gebieten mit rasant fortschreitender technischer Entwicklung, vom Zufall abhängen, ob sich bereits ein Markt etabliert hat. Zum anderen ermöglicht eine solche Bestimmung die hoheitliche Schaffung lukrativer „nichtwirtschaftlicher“ Bereiche seitens des Staates. Letzteres würde zudem eine Rechtszersplitterung in der EG nach sich ziehen, da kaum eine parallele Bereichsbestimmung in allen Mitgliedstaaten vorgenommen würde. Mangels eines Negativkatalogs, wie er in einigen Gemeindeordnungen der deutschen Bundesländer vorhanden ist,174 ist daher zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit darauf abzustellen, ob für die betreffende Tätigkeit unter wirklichkeitsnaher Betrachtung zumindest potentiell ein Markt besteht. Dies ist bei rein hoheitlichen, kulturellen oder sozialen Zwecksetzungen nicht der Fall. Die Mitgliedstaaten haben damit keine Definitionsmacht, was öffentliche Verwaltung bzw. Unternehmung ist.175 Wann ein Unternehmen ein öffentliches ist, ist in Art. 86 I EGV nicht definiert. Dennoch handelt es sich dabei um einen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbegriff.176 Zu seiner Bestimmung kann auf die Transparenzrichtlinie 177 zurücktar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 4; Chr. Koenig / J. Kühling / N. Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 77; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 47 f.; Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 7; S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 76 f.; R. Schmidt, Die Verwaltung 28 (1995), S. 281 (298 f.); W. Schroeder, EWS 2002, 174 (176). 170 EuGH Slg. 1991, I-1979 (2016) – Höfner und Elser; ausführlich zur Begriffsbestimmung K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 35 ff. 171 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (44); EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 5. 172 Ch.B. Blankart, WuW 2002, 340 (344 Anm. 24); J. Lattmann, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 17 (18). 173 M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (53 f.). 174 Dazu unten C.V.2. 175 G. Haverkate / S. Huster, Europäisches Sozialrecht, Rn. 466; dahingehend auch A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 73 f. 176 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 21; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 6;

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gegriffen werden. Zwar kann der primärrechtliche Begriff schon wegen der Normenhierarchie nicht durch die sekundärrechtliche Ausgestaltung abschließend definiert werden. Jedoch erfasst der primärrechtliche Begriff des öffentlichen Unternehmens zumindest auch sämtliche von der Transparenzrichtlinie umfassten Unternehmen.178 Zudem knüpft der in der Transparenzrichtlinie positivierte Begriff seinerseits am Verständnis des Primärrechts an.179 Ein öffentliches Unternehmen ist nach Art. 2 I der Transparenzrichtlinie „jedes Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.“ Entscheidend für die Qualifikation eines Unternehmens als öffentlich sind damit die staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten, die über die allgemeine Verpflichtung zur Beachtung der Gesetze hinausgehen.180 Als ausreichend ist daher die Möglichkeit der Steuerung des Unternehmens ohne Rückgriff auf hoheitliche Maßnahmen durch die öffentliche Hand anzusehen.181 Ebenfalls von Art. 86 I EGV umfasst sind Unternehmen, denen durch den betreffenden Mitgliedstaat besondere oder ausschließliche Rechte eingeräumt wurden. Diese Unternehmen können sowohl öffentliche als auch private sein.182 Eigenständige Bedeutung hat diese Alternative des Art. 86 I EGV nur hinsichtlich privater Unternehmen, da öffentliche ohnehin und unabhängig vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen von der ersten Alternative erfasst sind. Besondere und ausschließliche Rechte betreffen die Befugnis zu bestimmten Tätigkeiten im Rahmen eines Monopols oder Oligopols kraft typisch staatlicher Hoheitsbefugnisse.183 Nicht ausreichend ist das bloß faktische Bestehen eines Monopols oder Oligopols oder dessen Begründung aufgrund allgemeingültiger Rechte, wie dies etwa bei Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 86 EGV Rn. 12; Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 7. 177 RL 80 / 723 / EWG, ABl. 1980 L 195 / 35.; zuletzt geändert durch RL 2000 / 52 / EG, ABl. 2000 L 193 / 75; vgl. zu dieser I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 109 ff.; P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 68 ff. 178 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 26; ähnlich D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 31; Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 8 f.; W. Weiß, EuR 2003, 165 (168). 179 K. Böhmann, Privatisierungsdruck des Europarechts, S. 69, m. w. N. aus der älteren Literatur. 180 G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 5; J. Schwarze, EuZW 2000, 613 (623). 181 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 23; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 7; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 86 EGV Rn. 13. 182 G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 6; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 16. 183 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 39 f.

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gewerblichen Schutzrechten der Fall ist.184 Grund für die Aufnahme dieser privilegierten Unternehmen in die Vorschrift und zugleich entscheidendes Kriterium für deren Identifikation ist ihre besondere Rechtsbeziehung zum Staat.185 Ausschließliche Rechte lassen sich unproblematisch bestimmen. Mit ihnen ist stets die Schaffung eines Monopols verbunden. Besteht dies auf nationaler Ebene, fällt die Subsumtion leicht. Probleme ergeben sich jedoch bei der Einräumung nur auf regionaler Ebene oder darunter. Insoweit fällt die Abgrenzung zum besonderen Recht schwer. Allerdings ist wegen der gleichen Folgen eine genaue Abgrenzung auch nicht erforderlich. Was jedoch unter besonderen Rechten im Allgemeinen zu verstehen ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Unzweifelhaft ist immerhin, dass darunter keine Rechte fallen, auf deren Erteilung bei Erfüllung bestimmter, gesetzlich festgelegter Anforderungen ein Anspruch besteht, wie dies etwa bei unechten Konzessionen der Fall ist.186 Besteht jedoch seitens des Staates ein Ermessen, ob das Recht zu gewähren ist oder sind mit dessen Verleihung besondere Vorrechte gegenüber Dritten verbunden, kann wohl vom Vorliegen eines besonderen Rechts ausgegangen werden. So ist eine echte Konzession jedenfalls ein besonderes Recht im Sinn von Art. 86 I EGV,187 wenn nicht sogar, wegen der mit ihr verbundenen Sperrwirkungen für Dritte, ein ausschließliches. Trotz ihrer Erwähnung und gleichzeitiger grundsätzlicher Akzeptanz in Art. 86 I EGV, ist die Schaffung eines Monopols durch Gewährung ausschließlicher Rechte nach herrschender Auffassung bereits an sich zumindest bedenklich. Ein Verstoß wird bereits dann angenommen, wenn durch die Gewährung der ausschließlichen Rechte eine Lage geschaffen wird, in der das jeweilige Monopolunternehmen seine marktbeherrschende Stellung zwangsläufig missbrauchen wird oder jedenfalls missbrauchen könnte. Ausreichend sei dabei, dass staatliche Privilegien die Chancengleichheit gegenüber anderen Unternehmen derart beeinträchtigen, dass ein Monopolmissbrauch nahe liegt.188 Damit wird Art. 86 I EGV eine Rechtswidrigkeitsvermutung zu Lasten staatlicher Monopole189 entnommen. Auch wenn dieses Verständnis wegen des Wortlauts der Bestimmung nicht völlig überzeugt, gerade weil dieser von der Zulässigkeit entsprechender Gestaltungen ausgeht, ist ihm im G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 8. J. Schwarze, EuZW 2000, 613 (624). 186 G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 9; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 16. 187 G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 96; D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 245. 188 G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 12 ff.; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 86 EGV Rn. 27, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 189 A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 29; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 73, dahingehend auch B. Nagel, Gemeindeordnung als Hürde?, S. 36 f.; G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 16; M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (44), letztere mit Verweis auf die Entscheidungspraxis des EuGH. 184 185

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Ergebnis jedoch zuzustimmen. Indem Art. 86 I EGV die entsprechenden Gestaltungen den Wettbewerbsregeln und auch den deregulierend wirkenden Grundfreiheiten190 unterwirft, können insbesondere Monopole nur in sehr geringem Umfang Bestand haben. Dies folgt jedoch weniger aus Art. 86 I EGV, als aus den dort in Bezug genommenen Vorschriften des EGV. Für den Bereich der Daseinsvorsorge führt Art. 86 I EGV dazu, dass die meisten in ihm tätigen Unternehmen zunächst explizit den Vorschriften des EGV unterworfen werden.191 Sofern diese nicht ohnehin öffentliche Unternehmen sind, stehen ihnen häufig ausschließliche oder besondere Rechte zu. Die Mitgliedstaaten haben daher grundsätzlich keine Möglichkeit, ihnen über die verliehenen Rechte hinausgehende Privilegien einzuräumen oder im Falle von öffentlichen Unternehmen, diesen eine allgemeine Sonderstellung zu gewähren. Eine solche kann sich ausschließlich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben. Insbesondere der nun zu behandelnde Art. 86 II EGV ist insoweit von Bedeutung.

cc) Daseinsvorsorge als Privilegierungsgrund (Art. 86 II EGV) Nach Art. 86 II EGV gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind sowie für Finanzmonopole die Vorschriften des EGV nur insoweit, als deren Anwendung die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich nicht verhindert. Allerdings darf der gemeinschaftliche Handelsverkehr nicht in einem dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufenden Maße beeinträchtigt werden. Die Vorschrift dient sowohl als Ansatzpunkt rechtspolitischer Kritik, als auch geradezu revolutionärer Konzepte. So wird sie einerseits als zentrale Einbruchstelle für versorgungswirtschaftsbezogene Sonderregime in den Mitgliedstaaten192 und durch Rechtsangleichung unüberwindbarer „Souveränitätsvorbehalt“ angesehen,193 andererseits als Verankerung eines eigenständigen europarechtlichen service public-Begriffs.194 Unabhängig davon ist in Art. 86 II EGV jedoch eine „Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe“195 feststellbar. Vor allem dies macht den Umgang mit der Bestimmung schwierig und lässt Raum für unterschiedlichste AuslegungsJ. Basedow, StWissStPrax 2 (1991), S. 151 (164). Für andere Unternehmen gelten die entsprechenden Bestimmungen des EGV ohnehin, so dass eine gesonderte Betrachtung vorliegend nicht von Interesse ist. 192 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 76. 193 K. Hailbronner, NJW 1991, 593 (600); etwas schwächer J. Hellermann, in: SchaderStiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (92). 194 J. Keller, Service public und Art. 86 Abs. 2 EGV, S. 30, zu dessen Elementen zusammenfassend S. 103. 195 A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 4; ähnlich A. Rinne, Die Energiewirtschaft zwischen Wettbewerb und öffentlicher Aufgabe, S. 51; S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 325. 190 191

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ansätze sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in ihren einzelnen Bestandteilen. In jedem Fall ist sie jedoch die zentrale Vorschrift für den Bereich der Daseinsvorsorge im EGV. Dies verdeutlicht nicht zuletzt Art. 16 EGV, der „unbeschadet“ des Art. 86 EGV einschließlich dessen Absatz 2 gilt. Im Folgenden gilt es zunächst, Klarheit über die Bedeutung der Vorschrift und die anzuwendenden Auslegungsgrundsätze zu gewinnen, um im Anschluss ihre Voraussetzungen im Einzelnen zu untersuchen. (1) Bedeutung und Auslegungsgrundsätze Art. 86 II EGV kommt eine Scharnierfunktion zu. Die Vorschrift dient dem Ausgleich zwischen dem Interesse der Gemeinschaft an der Befolgung des EGV auch durch öffentliche oder privilegierte Unternehmen und „dem anerkannten legitimen Interesse der Mitgliedstaaten an gemeinwirtschaftlicher Aufgabenerfüllung“196. Sie dient damit als „zentrale(s) Instrument der Konfliktlösung und Konfliktvermeidung“197. Insoweit erfolgt im Rahmen des Art. 86 II EGV eine Überprüfung, ob ein Zusammenhang zwischen der wettbewerblichen Privilegierung der Unternehmen und dem öffentlichen Interesse gegeben ist.198 Schon aus dieser Zielsetzung wird deutlich, dass Art. 86 II EGV keine Bereichsausnahme zugunsten der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringenden Unternehmen und ihren Tätigkeitsbereichen sein kann.199 Erhärtet wird dieser Befund auch durch weitere Gesichtspunkte. Gesetzessystematisch ist Art. 86 II EGV als Ausnahme zu Art. 86 I EGV konzipiert. Nach den Regeln der juristischen Methodik ist die Bestimmung daher eng auszulegen200 und überdies restriktiv anzuwenden.201 Erscheint dies zunächst auch 196 H.P. Ipsen / G. Nicolaysen, NJW 1964, 2336 (2338); ähnlich R. Bocklet, in: SchaderStiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (14). 197 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (57); sinngemäß auch J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 194; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 110; S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 20. 198 Vgl. E.-J. Mestmäcker, in: FS H.F. Zacher, S. 635 (648); ähnlich W. Weiß, AöR 128 (2003), S. 91 (96). 199 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 181; E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526 (534); anders Th. Lübbig / A. Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 63; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 86 EGV Rn. 34; ebenso P. Badura, in: FS Th. Oppermann, S. 571 (578); W. Weiß, EuR 2003, 165 (184). 200 EuGH Slg. 1974, 313 (318) – BRT II; 1997, I-5815 (5834) – EDF / GDF; S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (75); S. Albin, DÖV 2001, 890 (894); R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 5; ders., in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (57); D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 53; Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 124; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 46; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 86 EGV Rn. 35; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 121; ders., NVwZ 2004, 28 (31); Th. Kapp, in: B. Fabry / U. Augsten, Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, S. 142; E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526 (563); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher

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überzeugend, so ergeben sich bei näherer Betrachtung jedoch Zweifel an dieser Einschätzung. Zum einen besteht eine Divergenz hinsichtlich des Regelungsbereichs der beiden Absätze des Art. 86 EGV. So unterfallen von Art. 86 II EGV erfasste Unternehmen nicht zwingend auch Art. 86 I EGV.202 Es fehlt also in systematischer Hinsicht an der Regel-Ausnahme-Konstellation, wenn es auch durchaus nicht geringe Überschneidungen in Teilmengen gibt,203 da öffentliche Unternehmen typischerweise gemeinwohlorientierte Tätigkeiten wahrnehmen. Allerdings ist es insoweit auch möglich, Art. 86 II EGV nicht nur als Ausnahme zu Art. 86 I EGV anzusehen. Stattdessen kann Art. 86 II EGV auch als systematisch teilweise fehlplatzierte Gesamtausnahme betrachtet werden. Dieses Verständnis erscheint nicht nur bezüglich der von Art. 86 I EGV nicht erfassten Unternehmen vorzugswürdig, sondern steht auch im Einklang mit der Zielrichtung dieser Vorschrift, da diese für öffentliche und privilegierte Unternehmen auf den gesamten Vertrag verweist. Dagegen spricht schließlich nicht Art. 86 III EGV. Die in diesem enthaltene Verweisung auf beide vorstehende Absätze zwingt nicht zu einem formalen Verständnis, sondern lässt sich auch inhaltlich betrachten. Die Zusammenfassung der drei Absätze in einer Vorschrift lässt sich damit als gesetzestechnische Vereinfachung ansehen. An der grundsätzlichen Einschätzung des Art. 86 II EGV als Ausnahmevorschrift ändert dies jedoch nichts. Allerdings könnte Art. 16 EGV gegen eine enge Auslegung des Art. 86 II EGV sprechen.204 Das Verhältnis zwischen beiden Vorschriften ist bislang nicht abschließend geklärt.205 Auf Grundlage der bei der Untersuchung des Art. 16 EGV Versorgung, S. 78; P.J. Tettinger, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 97 (100). 201 S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (75); Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 35. Als „ultima ratio“ bezeichnet J.A. Kämmerer, NVwZ 2004, 28 (31), die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Art. 86 II EGV. F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 56 f., sieht darin eine vor allem vom traditionellen deutschen Vorverständnis geprägte Herangehensweise. 202 EuGH Slg. 1977, 163 (182) – Benedetti / Murani; G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 21; anders soweit ersichtlich nur implizit Th. Lübbig / A. Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 488 f., die ohne weitere Begründung von der fehlerhaften Prämisse ausgehen, dass die von Art. 86 II EGV erfassten öffentliche Unternehmen sein müssten. 203 Darauf weisen insbesondere I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 46; Th. Mann, Die öffentlichrechtliche Gesellschaft, S. 33 f.; ders., JZ 2002, 819 (822), hin; ähnlich H. Eberlein, Internationales Verkehrswesen 2000, 321. J.-Chr. Pielow, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 33 (57), hält Überschneidungen für nahezu stets gegeben, da auch im Falle des Einsatzes privater Unternehmen diese regelmäßig besondere oder ausschließliche Rechte erhielten. 204 W. Frenz, DÖV 2002, 1028 (1033); K. Hailbronner, NJW 1991, 593 (600); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 112; H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 409. 205 J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 100 (107); Th. v. Danwitz, NWVBl. 2002, 132 (136). Siehe dazu aber auch W. Kluth, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 68 (73 ff.).

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gewonnenen Erkenntnisse206 soll im Folgenden versucht werden, das Zusammenspiel beider Bestimmungen aufzuzeigen. Da Art. 16 EGV „unbeschadet“ des Art. 86 EGV, und damit auch seines zweiten Absatzes, gilt, ist unabhängig von der Ausstrahlungswirkung des Art. 16 EGV zunächst Art. 86 II EGV nach den herkömmlichen Methoden auszulegen. Daraus folgt das soeben gefundene Ergebnis, dass Art. 86 II EGV als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen ist. Erst in einem zweiten Schritt ist Art. 16 EGV zu berücksichtigen. Das traditionell gewonnene Auslegungsergebnis ist – im Hinblick sowohl auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale als auch der Norm als Ganzes – daraufhin zu hinterfragen, ob es die Funktionsfähigkeit der betroffenen gemeinwohlorientierten Dienstleistungen in ausreichendem Maße berücksichtigt.207 Art. 16 EGV bewirkt somit letztlich eine Ergebniskontrolle. Dass diese nicht zuletzt auf Wertungsgesichtspunkten beruht, schadet gerade im Falle des ebenfalls von Wertungsfragen geprägten Art. 86 II EGV nicht. Zudem handelt es sich nicht um eine freie, sondern eine normativ durch Art. 16 EGV geprägte Wertung. Für politisch-willkürliche Erwägungen ist insoweit kein Raum. Zwar entspricht eine solche zweistufige Auslegung nicht der überkommenen Methodik. Allein durch sie kann jedoch Wortlaut und Funktion des Art. 16 EGV Rechnung getragen werden. Für Art. 86 II EGV folgt daraus keine grundsätzlich weitere Auslegung. Im Einzelfall kann eine solche jedoch geboten sein. Entscheidend sind insoweit die Umstände des Einzelfalls. Insbesondere verliert Art. 86 II EGV jedoch nicht seinen Charakter als Ausnahmevorschrift.208 Die hier vorgeschlagene Lösung vermeidet zudem methodische Brüche, die zum einen durch eine weite Auslegung einer weiterhin als Ausnahmebestimmung betrachteten Vorschrift, zum anderen durch die Missachtung entweder des gesamten Art. 16 EGV oder der in ihm enthaltenen Einschränkung des bezüglich des Art. 86 EGV auftreten würden. Schließlich ermöglicht sie eine flexible, von sachlichen Notwendigkeiten geprägte Handhabung des Art. 86 II EGV. Damit greift Art. 86 II EGV als Ausnahmevorschrift nur ein, wenn die Berücksichtigung von Wettbewerbselementen bei der Leistungserbringung nicht möglich ist,209 allerdings unter der Voraussetzung, dass der Erfolg der Dienste nicht gefährdet ist. Nach seinem Wortlaut wendet sich Art. 86 II EGV an die Unternehmen. Darüber hinaus spricht er jedoch auch die Mitgliedstaaten an.210 Dies kann zum einen aus Oben C.II.2. a). Letztlich bedeutet dies eine Übertragung der vom BVerfG für Art. 5 GG entwickelten Wechselwirkungslehre, vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.). Anders als im Rahmen der Grundrechtsprüfung, ergibt sie sich vorliegend jedoch unmittelbar aus dem hier vertretenen Verständnis des Art. 16 EGV. 208 Ebenso J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 114; S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 161; Wissenschaftlicher Beirat, „Daseinsvorsorge“ im europäischen Binnenmarkt, S. 2, die aber von einer insgesamt weiteren Auslegung ausgehen. 209 J. Kühling, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 138 (142). 210 U. Ehricke, EuZW 1998, 741 (744). 206 207

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dem systematischen Zusammenhang mit dem ersten Absatz der Vorschrift entnommen werden. Soweit Überschneidungen zwischen den beiden Absätzen bestehen, wäre es andernfalls nicht erklärbar, weshalb die Mitgliedstaaten einerseits keine Sonderrechte, die mit den Bestimmungen des EGV in Konflikt geraten könnten, verleihen dürften, sofern dies dennoch geschehen ist, die betroffenen Unternehmen sich auf Ausnahmen berufen dürften. Wird der systematische Zusammenhang jedoch wie hier letztlich nicht als entscheidend für die Auslegung des Art. 86 II EGV angesehen, folgt dies auch unmittelbar aus der Vorschrift selbst. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Ausnahme ist die Betrauung der Unternehmen. Unabhängig von deren Gestaltung im Einzelfall ist diese jedenfalls ein mitgliedstaatlicher Akt.211 Wie dargelegt, wäre es jedoch widersinnig, den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung gemeinwohlorientierter Dienste engere Fesseln anzulegen, als den Unternehmen bei ihrer Durchführung. Damit können sowohl die Unternehmen als auch die Mitgliedstaaten selbst die Ausnahme des Art. 86 II EGV in Anspruch nehmen. Nach neuerer Rechtsprechung des EuGH und der deutlich überwiegenden Auffassung in der Literatur ist Art. 86 II EGV unmittelbar anwendbar.212 Vereinzelt wird jedoch vertreten, dass die allein für Art. 86 II 1 EGV, nicht aber daneben für Art. 86 II 2 EGV gelte.213 Danach könnten mitgliedstaatliche Gerichte zwar eine Freistellung von Vorschriften des EGV bestimmen, diese jedoch nicht anhand ihrer Wirkungen auf den gemeinschaftlichen Handelsverkehr messen, wie von Art. 86 II 2 EGV gefordert. Damit werden jedoch Sinn und Zweck der Vorschrift ad absurdum geführt. Der zu erstrebende Ausgleich wiche einer einseitigen Bevorzugung des Ausnahmetatbestands. Um dies zu verhindern, muss Art. 86 II EGV als Ganzes betrachtet und im Hinblick auf seine unmittelbare Anwendbarkeit beurteilt werden. Voraussetzung für diese ist eine hinreichende Bestimmtheit und die Verleihung von Rechten oder Pflichten.214 Diese Voraussetzungen sind nach Art. 86 II 1 EGV erfüllt. Auch die von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägte Formulierung steht Im Einzelnen dazu unten C.II.2. b)cc)(2) (b). EuGH Slg. 1989, 803 (853) – Ahmed Saeed; 1994, I-1477 (1521) – Almelo; 1995, I-3319 (3354) – Rendo II; anders noch EuGH Slg. 1971, 723 (730) – Hafen von Mertert; 1983, 555 (567) – Interoil. A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 101; R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 351; D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 52; A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 178 Anm. 482; V. Götz, in: FS H. Maurer, S. 921 (926 f.); G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 29; A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 72; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 119; W. Kluth, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 68 (79); B. Nagel, Gemeindeordnung als Hürde?, S. 43; A. Rinne, Die Energiewirtschaft zwischen Wettbewerb und öffentlicher Aufgabe, S. 179 ff.; S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 173; J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 164; ablehnend aber M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 150; K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 353 f. 213 Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 86 EGV Rn. 9. 214 EuGH Slg. 1963, 5 (25) – van Gend & Loos. 211 212

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dem nicht entgegen. Da Art. 86 II 2 EGV jedoch insoweit nur eine Einschränkung, nicht aber einen völlig neuen, unabhängigen Regelungsgehalt enthält, ist er notwendigerweise ebenfalls unmittelbar anwendbar. Einer Erfüllung der genannten Merkmale bedarf es gerade nicht nochmals. Zuzugeben ist der Gegenansicht aber, dass Art. 86 II 2 EGV für sich allein betrachtet die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit nicht erfüllt. Darauf kommt es jedoch nicht an. In der Rechtspraxis hat die Bedeutung des Art. 86 II EGV während der letzten Jahre deutlich zugenommen. Mit der Liberalisierung zahlreicher Bereiche mit Gemeinwohlbezug durch die Gemeinschaft ist die Vorschrift zunehmend ins Zentrum des Interesses gerückt. Selbst wenn einige Autoren noch immer auf eine geringe Kommissionspraxis verweisen,215 so ist festzuhalten, dass Art. 86 II EGV inzwischen eine große praktische Bedeutung erlangt hat.216 Dass sich dieses (noch) nicht in der Menge von Kommissions- und EuGH-Entscheidungen niedergeschlagen hat, ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Bestimmung gerade erst „wieder entdeckt“ wurde. Die Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der Vorschrift erfolgte in zwei Phasen. Den Wendepunkt stellte 1993 das Urteil „Corbeau“217 dar, das teilweise in der Literatur als „Paradigmenwechsel“218 bezeichnet wird. Erfolgte zuvor eine integrationsbetonte und damit überaus restriktive Interpretation des Art. 86 II EGV, so nahm der EuGH zu diesem Zeitpunkt eine Akzentverschiebung zugunsten öffentlicher Dienstleistungen vor,219 womit zugleich ein stärkerer Schutz nationaler Souveränitätsansprüche verbunden war.220 Die Bewertung der Corbeau-Rechtsprechung weicht stark voneinander ab. Während einige ihr vorwerfen, sie beinhalte eher eine Privilegierung öffentlicher Unternehmen und Interessen als konkreter Versorgungsaufgaben,221 attestieren ihr andere die erstmalige vertragsangemessene Anwendung des Art. 86 II EGV.222 Bereits daran wird deutlich, dass auch in der wissenChr. Koenig, EuZW 2001, 481; E.-J. Mestmäcker, in: FS H.F. Zacher, S. 635 (642). H. Lecheler, BayVBl. 1994, 555 (557). 217 EuGH Slg. 1993, I-2533 – Corbeau; daran anschließend EuGH Slg. 1994, I-1477 – Almelo; 1997, I-5815 – EDF / GDF. 218 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 102; ähnlich S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 153. 219 F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 197; ähnlich M. Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 255 (265); G. Kühne, in: J.F. Baur, Regulierter Wettbewerb, S. 65 (67 ff.), dort auch eine übersichtliche Zusammenfassung der Rechtsprechungsentwicklung; ausführlich zu dieser H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 97 ff. 220 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 326, sieht daher die (nicht beabsichtigte) Gefahr der Instrumentalisierung des Corbeau-Urteils gegen Liberalisierungsbestrebungen in traditionell monopolisierten bzw. oligopolisierten Märkten. 221 Vgl. P. Badura, in: FS Th. Oppermann, S. 571 (573); H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 124. 222 J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1042). P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 35 ff., betont den Zusammen215 216

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schaftlichen Betrachtung Art. 86 II EGV – zumal angesichts des Art. 16 EGV – noch nicht hinreichend erschlossen ist. Die folgenden Ausführungen sollen diesbezüglich einen Beitrag leisten, wenn auch der Themenstellung der Arbeit entsprechend keine umfassende, sondern nur eine bereichsspezifische Betrachtung erfolgen kann. (2) Tatbestandsmerkmale Die Ausnahmevorschrift des Art. 86 II 1 EGV enthält neben dem bereits oben223 erläuterten Begriff des Unternehmens drei entscheidende Begriffe. Dies sind „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“, „betraut“ und „verhindert“. Für die Rückausnahme des Art. 86 II 2 EGV ist insbesondere von Bedeutung, wonach sich das „Interesse der Gemeinschaft“ bestimmt. Bereits bei der bloßen Aufzählung fällt die große Unbestimmtheit der verwendeten Begriffe auf. Ihre Auslegung kann jedoch über die Zulässigkeit ganzer Wirtschaftssysteme entscheiden. Um so mehr sind sie bei der Beurteilung des Standpunktes des Gemeinschaftsrechts gegenüber traditioneller Daseinsvorsorge und alternativem Gewährleistungsstaat von Bedeutung. (a) Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Der Begriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ in Art. 86 II EGV wird häufig kritisiert. Er sei unklar und konturlos,224 führe in den Mitgliedstaaten je nach Rechtstradition zu einem unterschiedlichen Verständnis225 und vermittle so kaum ein „Gefühl der Interpretationssicherheit“ 226. Entsprechend vielfältig sind die Interpretationsversuche, die jedoch teilweise die Grenze des Wortlauts überschreiten. So wird vorgeschlagen, darunter eine wirtschaftliche Dienstleistung von allgemeinem Interesse bzw. eine Daseinsvorsorgeleistung wirtschaftlicher Natur zu verstehen.227 Eine etwas andere Schwerpunkthang der neueren Rechtsprechung des EuGH zu Art. 86 II EGV zur Weiterentwicklung des Binnenmarkts und damit der umfassenderen Anwendung der Wettbewerbsvorschriften. 223 C.II.2. b)bb). 224 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 25; S. Storr, DÖV 2002, 357 (359). 225 F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 56; ähnlich auch G. Ambrosius, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 15 (26). 226 P.J. Tettinger, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 97 (98); ähnlich M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 105; J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 29; U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (182); mit Bezug zur EuGH-Rechtsprechung Th. Lübbig / A. Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 491. 227 R. Bocklet, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (14); R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 289; ders., in: J. Schwarze, Daseinsvor-

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setzung ist der Begriffsbestimmung als sämtliche wirtschaftliche Aktivitäten zur Sicherung von Infrastruktur und Daseinsvorsorge228 zu entnehmen. Nach vollständig anderer Ansicht ist insbesondere der Begriff „wirtschaftlich“ anders zu verstehen. Es komme insoweit nicht auf die wirtschaftliche Natur der Leistung an, da eine Unterscheidung wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten zum einen schwierig und zum anderen Art. 86 II EGV im Verhältnis zu Art. 86 I EGV dann weitgehend funktionslos wäre. Gemeint sei daher ein allgemeines Interesse an wirtschaftlicher Erbringung der Dienstleistung.229 Bereits dieser Überblick zeigt, dass bis zu einer einheitlichen Auslegung des Begriffs der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ noch ein weiter Weg zurückzulegen ist. Einem einheitlichen Verständnis steht neben dem tatsächlich nicht sehr aussagekräftigen Wortlaut vor allem das Bestehen gegenläufiger Interessen entgegen. Nichtsdestotrotz haben diese in der rechtlichen Auseinandersetzung mit der Vorschrift zurückzustehen. Ansatzpunkt muss zunächst der in Art. 86 II EGV verwendete Begriff in seinem Wortlaut sein. Darüber hinausgehend sind die sonstigen anerkannten Auslegungskriterien heranzuziehen, einschließlich europarechtlicher Besonderheiten wie des „effet utile“.230 Einigkeit hinsichtlich des Begriffsverständnisses besteht momentan allenfalls insoweit, dass der Dienstleistungsbegriff des Art. 86 II EGV nicht identisch mit demjenigen in Art. 49 EGV ist.231 Er ist weiter auslegen und überdies unabhängig von der Einordnung des „Dienstleisters“ als Unternehmen im EG-wettbewerbsrechtlichen Sinn.232 Insbesondere umfasst er auch die Bereitstellung von Waren. Weitgehende Übereinstimmung besteht auch noch dahingehend, dass aus der normativen Hervorhebung der Dienste und nicht ihrer Erbringer wie auch bei Art. 16 EGV ein funktionales Verständnis des Art. 86 II und seiner Tatbestandsmerkmale geboten ist. Die vereinzelte Einschätzung als lange nicht benötigter sorge, S. 41 (58); ähnlich V. Götz, in: FS H. Maurer, S. 921 (923); Ph. Jacobi, Third-PartyAccess, S. 37; W. Weiß, EuR 2003, 165 (183). 228 H.D. Jarass, Kommunale Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb, S. 42; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 86 EGV Rn. 36. 229 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 113 f. 230 Vgl. zusammenfassend M. Knauff, JA 2002, 719 (720). 231 S. Albin, DÖV 2001, 890 (891); A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 27; M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 106 ff.; A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 176; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 112; Ph. Jacobi, Third-Party-Access, S. 37; A. Rinne, Die Energiewirtschaft zwischen Wettbewerb und öffentlicher Aufgabe, S. 59; S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 187; J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 167. Dies zeigt auch der Vergleich mit der französischen Fassung, vgl. I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 49; J. Keller, Service public und Art. 86 Abs. 2 EGV, S. 112. 232 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 112; P.J. Tettinger, DVBl. 1997, 341 (344).

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„Rettungsanker“ für öffentliche Unternehmen233 mag zwar faktisch zutreffen, rechtlich ist sie jedoch unzutreffend. Das EG-Recht knüpft ausdrücklich an der Funktion von Unternehmen, nicht aber an ihrer Trägerschaft an. Die Verfolgung politischer Ziele durch öffentliche Unternehmen wird damit in den Hintergrund gerückt.234 Entscheidend ist allein das Vorliegen von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse als Anknüpfungspunkt für das EG-Wettbewerbsrecht und seine Ausnahmen.235 Damit betrifft Art. 86 II EGV sowohl öffentliche als auch private Unternehmen, sofern die Voraussetzungen gegeben sind.236 Wann dies der Fall ist, hängt damit insbesondere davon ab, wie die Begriffe „allgemein“ und „wirtschaftlich“ zu bestimmen sind. Der Begriff des „allgemeinen Interesses“ ist zwar schon wegen des effet utile237 ein gemeinschaftsrechtlich einheitlich auszulegender Rechtsbegriff.238 Er ist jedoch nicht vollständig aus sich selbst heraus verständlich. Bereits nach seinem herkömmlichen Wortsinn macht er allerdings deutlich, dass jedenfalls eine Abgrenzung von gemeinwohlorientierten und individual- bzw. gruppeninteressen-orientierten Tätigkeiten erforderlich ist.239 Ein rein auf das Wohl Einzelner gerichtetes Interesse genügt nicht. Schwieriger ist dagegen die Beantwortung der Frage, wer für die Festlegung allgemeiner Interessen zuständig ist. Als Bestimmung des EGV liegt es zunächst nahe, der Gemeinschaft insoweit die Definitionshoheit zuzuerkennen. Dafür spricht auch die dann gegebene Einheitlichkeit, durch die schwierige Rechtsfragen vermieden werden könnten. Richtigerweise und nach ganz herrschender Auffassung ist das Vorliegen eines allgemeinen Interesses jedoch zumindest grundsätzlich nicht 233 234 235

G. Püttner, ZÖR 56 (2001), S. 227 (231 f.). M. Burgi, in: H.-G. Henneke, Verantwortungsteilung, S. 90 (114). W. Fuest / R. Kroker / K.-W. Schatz, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen,

S. 31. 236 EG-Kommission, KOM(2000) 580 endg., S. 11; dies., KOM(2003) 270 final, S. 7; A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 176. 237 S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 323. 238 A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 37; V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 454; J. Keller, Service public und Art. 86 Abs. 2 EGV, S. 115; E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526 (564 f.); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 80; ders., in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 33 (56); S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 189; R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225; S. Storr, DÖV 2002, 357 (359). 239 S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (87); M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 131; H. Eberlein, Internationales Verkehrswesen 2000, 321 (322); K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 273; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 113; Th. Kapp, in: B. Fabry / U. Augsten, Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, S. 140 f.; P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 42; R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 (232).

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europäisch, sondern auf Ebene der Mitgliedstaaten, wenn nicht sogar der Regionen und Kommunen zu bestimmen.240 Dies folgt aus mehreren Gründen. Entscheidend ist in erster Linie die Konzeption des Art. 86 II EGV als Ausnahmevorschrift zugunsten mitgliedstaatlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich gemeinwohlorientierter Dienstleistungen. Funktion der Vorschrift ist es insoweit gerade, die marktöffnenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu umgehen. Ziel der Mitgliedstaaten bei der Schaffung des Art. 86 II EGV war es, ihre spezifischen Gestaltungen im Bereich von „Daseinsvorsorge“, „service public“ etc. aufrechterhalten zu können. Dies würde konterkariert, wenn ihnen die Möglichkeit der Bestimmung des „allgemeinen Interesses“ zugunsten einer Bestimmung durch die EG vorenthalten würde. Diese würde im Gegenteil vielmehr zu einer Angleichung der Situation in den Mitgliedstaaten führen. Außerdem stünde die Definitionshoheit der EG im Widerspruch zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, Art. 5 I EGV. Dieser sollte durch Art. 86 II EGV keineswegs die Kompetenz zur Regelung des Bereichs gemeinwohlorientierter Dienste übertragen werden. Deutlich wird dies auch aus einem Vergleich mit Art. 16 EGV, welcher der Gemeinschaft immerhin ausdrücklich eine unterstützende Aufgabe zuweist.241 Überdies würde Art. 86 II EGV durch eine Definitionsbefugnis des „allgemeinen Interesses“ indirekt zu einem Instrument der Rechtsangleichung. Im Einzelfall ist theoretisch jedoch auch denkbar, auf ein gesamtgemeinschaftliches Interesse abzustellen.242 Ein solches kann zwangsläufig nur durch die EG selbst bestimmt werden. Nach dem jetzigen Stand der Integration sind entsprechende Konstellationen allerdings kaum vorstellbar. Es bleibt demnach bei der grundsätzlichen Definitionshoheit der Mitgliedstaaten. Die Definitionsgewalt der Mitgliedstaaten hinsichtlich des allgemeinen Interesses kann jedoch nicht schrankenlos bestehen, soll Art. 86 II EGV nicht zu einem Freibrief für diese werden, die Anwendung des Gemeinschaftsrechts außer Kraft zu setzen. Obwohl das allgemeine Interesse zunächst grundsätzlich politisch zu bestimmen ist, ist damit nicht die Gestattung von Willkürentscheidungen verbunden.243 Die mitgliedstaatliche Definition unterliegt daher einer gemeinschaftsrechtlichen „Vertretbarkeitskontrolle“244. Diese ist nicht zuletzt deshalb notwen240 F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 116; G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 23; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 115; I.F. Hochbaum, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, Art. 86 Rn. 51; Chr. Koenig / J. Kühling / N. Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 31; E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526 (564); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 83; J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 168. 241 Siehe oben C.II.2. a)bb). 242 So implizit A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 176; unter Verweis auf Art. 16 EGV auch K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 258. 243 Vgl. H. Cox, in: ders., Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 73 (77); ders., ZögU 25 (2002), S. 331 (333). 244 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 81, bezüglich des Gesamtbegriffs „allgemeines wirtschaftliches Interesse“.

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dig, um die Gefahr desintegrativer Tendenzen bei zu starker Betonung mitgliedstaatlicher Freiräume zu bannen.245 Nach dem EuGH muss eine Tätigkeit im allgemeinen Interesse gegenüber anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens spezifische, im Allgemeininteresse liegende Merkmale aufweisen.246 Diese Definition ist nur wenig weiterführend. Zu weit dürfte es jedoch gehen, die Anknüpfung an den Interessen eines Mitgliedstaates als nicht ausreichend zu erachten und stattdessen allein auf das Interesse an der Darbietung bestimmter, als wesentlich angesehener Güter durch dessen Einwohner als Verbraucher abzustellen, letztlich also auf die Nachfrage.247 Dafür spricht zwar die im Einklang mit der Zwecksetzung des EGV stehende ökonomische Zielrichtung. Damit verbunden wäre auch keine Unterordnung mitgliedstaatlicher unter gemeinschaftliche Einschätzungen. Die gerade durch Art. 86 II EGV abzusichernden mitgliedstaatlichen Spielräume wären nichtsdestotrotz verloren. Für sich allein betrachtet darf das Merkmal des allgemeinen Interesses nicht dazu dienen, mitgliedstaatliche Politikmöglichkeiten einzuengen. Allein Missbrauchstatbestände sind auszuschließen, nicht aber die Entwicklung mehr oder weniger wohlfahrtsstaatlicher Staatskonzeptionen. Zudem setzt ein entsprechendes Verständnis eine ständige Marktbeobachtung und -bewertung voraus und ist damit rechtlich nur schwer handhabbar. Vorzugswürdig erscheint es daher, für die Bestimmung des allgemeinen Interesses auf den Gemeinwohlbezug der entsprechenden Dienstleistungen abzustellen. Unter Gemeinwohl ist dabei das gesamtgesellschaftliche Wohlergehen zu verstehen. Dieser Bezug kann sich sowohl aus der tatsächlichen Nachfrage als auch aus politischen Zielsetzungen der Mitgliedstaaten ergeben, wobei jedoch etwa ein bloßes Interesse an Monopolisierung nicht genügt. Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Auch muss die Dienstleistung unmittelbar dem Gemeinwohl dienen. Andernfalls besteht die Gefahr des Missbrauchs. Letztlich ist eine abstrakte Bestimmung „allgemeiner Interessen“ nicht abschließend möglich. Allerdings ist zumindest erforderlich, dass sie sich im Einklang mit den Wertungen des EG-Rechts befinden und sich gleichsam aus sich selbst heraus dem Rechtsanwender erschließen. Zweites Merkmal ist der Begriff „wirtschaftlich“. Dieser dient dazu, Tätigkeiten rein hoheitlicher, sozialer oder kultureller Natur von Art. 86 II EGV und damit von der grundsätzlichen Anwendung der Vertragsvorschriften auszunehmen. Zu unterscheiden ist somit zwischen markt- und nichtmarktbezogenen Tätigkeiten.248 245

Vgl. Wissenschaftlicher Beirat, „Daseinsvorsorge“ im europäischen Binnenmarkt, S. 7,

23. 246 EuGH Slg. 1991, I-5889 (5931) – Hafen von Genua; 1997, I-4449 (4469) – GT-Link; 1998, I-3949 (3996 f.) – Corsica Ferries; ähnlich A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 180. 247 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 181. Die betroffenen Güter sollen durch eine geringe Preiselastizität der Nachfrage erkennbar sein, vgl. ebd. S. 190. 248 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 5; dies., KOM(2003) 270 final, S. 14; M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 110; J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (335); vgl. auch oben C.II.2. b)bb).

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Allerdings genügt es für die Anwendbarkeit der Bestimmung, dass zumindest auch wirtschaftliche Interessen verfolgt werden. Deren Ausschließlichkeit ist nicht erforderlich. Teilweise wird das Merkmal allerdings für unbedeutend,249 gar für obsolet250 gehalten. Neben dem ebenfalls in Art. 86 II EGV enthaltenen Begriff des Unternehmens könne es keine eigenständige Bedeutung haben, da andernfalls ein Wertungswiderspruch die notwendige Folge sei. Tatsächlich lassen sich beide Begriffe inhaltlich kaum voneinander trennen. Üblicherweise wird von einer wirtschaftlichen Tätigkeit immer dann ausgegangen, wenn diese industrieller, handwerklicher oder kommerzieller Art sind und darauf gerichtet, Güter oder Dienstleistungen am Markt anzubieten.251 Eine solche ist jedoch gerade konstitutives Merkmal für den Begriff des Unternehmens.252 Indem somit in beiden Fällen auf den Charakter der in Frage stehenden Tätigkeit abgestellt wird, kann dem Begriff „wirtschaftlich“ im Rahmen des Art. 86 II EGV neben demjenigen des „Unternehmens“ keine eigenständige Bedeutung zukommen253. Dies ist jedoch auch nicht notwendig. Da die Begriffspaare wirtschaftlich – nichtwirtschaftlich bzw. marktbezogen – nicht marktbezogen nicht legaldefiniert sind und insbesondere auch nicht mit den gleichlautenden Begriffen in den Gemeindeordnungen der deutschen Bundesländer übereinstimmen,254 bleibt auch insoweit das Problem der Abgrenzung.255 Diese kann jedoch nicht nach rein ökonomischen Kriterien vorgenommen werden. Sie bleibt damit letztlich eine politische und rechtliche Entscheidung.256 Der EuGH geht davon aus, dass eine Tätigkeit nicht marktbezogen ist entweder bei der Ausübung von hoheitlichen Eingriffsbefugnissen257 oder der Erbringung von Leistungen mit ausschließlich sozialem Charakter.258 Unterschiede oder auch nur Eigenheiten im Verhältnis zum Unternehmensbegriff sind nicht erkennbar. Damit ist der Begriff „wirtschaftlich“ in Art. 86 II EGV für sich allein betrachtet als A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 178 f. J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 127. 251 EuGH Slg. 1987, 2599 (2623) – Kommission / Italien; R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (46). 252 Vgl. oben C.II.2. b)bb); zum Zusammenhang der Begrifflichkeiten siehe auch C. Jennert, WuW 2004, 37 (45 f.). 253 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 99; ähnlich K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 275 f. 254 A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438 (440). 255 EG-Kommission, KOM(2001) 598, S. 11; R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427 (428); ders., in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (13); H. Cox, Organisation, S. 3; R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (46); S. Leibfried, in: SchaderStiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 158 (163 f.); B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 14. 256 H. Cox, Organisation, S. 3. 257 EuGH Slg. 1994, I-43 (63 f.) – Eurocontrol; C. Jennert, WuW 2004, 37 (44). 258 EuGH Slg. 1993, I-637 (670) – Poucet. Ausführlich zur Rechtsprechung des EuGH zum Merkmal der Wirtschaftlichkeit M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 112 ff. 249 250

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deklaratorisches Füllwort anzusehen, das nochmals den besonderen Charakter der erfassten Tätigkeiten und ihre Abgrenzung zu andersartigen hervorheben soll. Aus historischer Perspektive erscheint eine entsprechende Gestaltung des Textes auch sinnvoll. Zum einen war bei Schaffung des Art. 86 II EGV die Entwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensbegriffs nicht vorhersehbar, zum anderen kam so der Wille der Gründungsmitglieder am deutlichsten zum Vorschein. An der Einschätzung der heute fehlenden Bedeutung des Merkmals bei der Prüfung des Tatbestands des Art. 86 II EGV ändert dies nichts. Eher noch ist der historische Aspekt unter dem Gesichtspunkt der Zielerreichung geeignet, diese zu untermauern. Nach Klärung der Bedeutung der einzelnen Bestandteile des Begriffs „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ stellt sich nunmehr die Frage, ob und inwieweit diesem als Ganzes weitergehende Aussagen entnommen werden können. Von Interesse ist dabei vor allem das Verhältnis zum Bereich der „Daseinsvorsorge“. Die folgenden Ausführungen betreffen zugleich Art. 16 EGV, werden aber auch durch diesen beeinflusst. Eine klare Trennung ist wegen der gleichlautenden Fassung unmöglich. Allerdings stellt sich im Rahmen des Art. 86 II EGV die Problematik der Einwirkung des in Art. 16 EGV verankerten Vertragsgrundsatzes. Es erscheint zunächst nicht abwegig, die „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ als weitgehend gleichbedeutend mit dem Begriff des Universaldienstes anzusehen.259 Dafür spricht insbesondere, dass der Universaldienst gerade die sichere und allgemeine Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen wirtschaftlicher Natur zum Gegenstand hat. Nichtsdestotrotz greift dieser Ansatz zu kurz. Er berücksichtigt nicht, dass es sich bei diesem um ein Konzept der Gemeinschaft handelt, welches grundsätzlich Wettbewerbsmärkte vorsieht, innerhalb derer die Erbringung bestimmter Leistungen zu bestimmten Konditionen für jedermann zu gewährleisten ist. Mit einem entsprechenden Verständnis würde das Modell des Universaldienstes über den bislang sekundärrechtlich erfassten Bereich hinaus den Mitgliedstaaten gleichsam übergestülpt. Damit verbunden wäre ein entsprechender Liberalisierungsdruck. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Funktion des Art. 86 II EGV als Ausnahmevorschrift zugunsten mitgliedstaatlicher Leistungssysteme. Die Gleichsetzung der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ mit dem Universaldienstkonzept verbietet sich daher. Vielmehr sind gemeinschaftsrechtlich geregelte Universaldienste nur ein Teilbereich jener, wenn auch von großer und wohl noch zunehmender Bedeutung. Teilweise werden die „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ mit „Daseinsvorsorge“ gleichgesetzt, indem ihnen ein Aufgabenkatalog entnommen wird, der etwa dem herkömmlichen Aufgabenbereich der Daseinsvorsorge, wie er etwa in Art. 83 I BayVerf oder Art. 57 I BayGO zum Ausdruck kommt, ent259 Dahingehend G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 21. Zum Universaldienstkonzept siehe oben C.II.1. c).

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spricht.260 Dieser Ansatz kann nicht überzeugen. Zum einen negiert er die fehlende Bestimmtheit des Begriffs „Daseinsvorsorge“,261 zum anderen missachtet er den Vorrang des Gemeinschaftsrechts. Es ist methodisch nicht statthaft, Rechtsbegriffe des EG-Rechts allein aufgrund mitgliedstaatlicher Konzeptionen zu definieren. Dies stünde im Widerspruch sowohl zur Notwendigkeit der einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts als auch zu dessen Charakter als supranationales Recht. Erforderlich ist vielmehr, trotz der mitgliedstaatlichen Freiräume bei seiner Ausfüllung, eine Auslegung des Begriffs allein im Lichte des Gemeinschaftsrechts vorzunehmen. Der Ansatzpunkt der aus der nationalen Rechtswirklichkeit bekannten „Daseinsvorsorge“ ist dennoch wegen seiner, wenn auch eingeschränkten, Plastizität viel versprechend. Er ermöglicht eine vergleichende Darstellung. Materiell umfassen die „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ nach Ansicht der Kommission insbesondere Verkehrs-, Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienste.262 Diese Aufzählung ist zwar nicht abschließend, sie verdeutlicht aber, welchen Bereichen in allen Mitgliedstaaten in Bezug auf das Gemeinwohl eine besondere Rolle zugebilligt wird. Daran kann auch die vergleichende Auslegung ansetzen. Der Begriff der in Art. 16 und 86 II EGV enthaltenen Dienste umfasst daher nur einen Teilbereich der „Daseinsvorsorge“263 und ist damit enger als jener.264 Daraus jedoch zu schließen, ein allgemeines wirtschaftliches Interesse liege bereits dann nicht vor, wenn Leistungen auf geographisch getrennten Märkten bei gleicher Qualität im Wettbewerb erbracht werden,265 ist verfehlt, da insoweit der mitgliedstaatliche Gestaltungsspielraum missachtet wird. Dagegen spricht überdies Art. 16 EGV. Zwar kann der Vorschrift nicht entnommen dass der hier zu untersuchende Begriff weit auszulegen ist.266 Sie spricht jedoch zumindest für das Bestehen mitgliedstaatlicher Erbringungsalternativen und damit gegen die extrem enge Ansicht. Vermittelt durch den Begriff der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ wird somit, rein funktional betrachtet, die Daseinsvorsorge zumindest teilweise aufgewertet. Auch wenn Art. 86 II EGV für sich allein betrachtet keinerlei unterstützende Momente für die angesprochenen Dienste als Wert an sich enthält,267 werden diese und damit auch der Grundgedanke der Daseinsvorsorge durch 260 So U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 40; ders., WiVerw 2000, 159 (182); dahingehend auch U. Brandl, BayBgm 2002, 52 (53); W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (126). 261 Vgl. oben A.II.3. b). 262 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 2. 263 J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1042); ähnlich Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 16 EGV Rn. 2. 264 J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (338). 265 So Wissenschaftlicher Beirat, „Daseinsvorsorge“ im europäischen Binnenmarkt, S. 17. 266 So aber P.J. Tettinger, DVBl. 1997, 341 (344). 267 M. Ross, ELRev. 2000, 22 (24).

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Art. 16 EGV zum Vertragsprinzip268 und gewinnen insbesondere bei der Abwägung mit anderen Interessen an Bedeutung.269 Durch die Zielrichtung des Art. 16 EGV wird zudem einer sehr engen Auslegung des Begriffs der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ vorgebeugt und mitgliedstaatliche Gestaltungsfreiräume aufgezeigt und hervorgehoben. Allerdings führt auch Art. 16 EGV nicht zu einer der Situation vor seiner Einführung vollständig entgegengesetzten Bewertung. Der Ausnahmecharakter des Art. 86 II EGV auch in Bezug auf die entsprechenden Dienste bleibt erhalten. In der Gesamtbetrachtung ist jedoch der neuere, positive Ansatz auch bei deren Bestimmung zu berücksichtigen. In der Praxis dürfte dies allerdings allein bei bisher als Zweifelsfällen angesehenen Konstellationen von Bedeutung sein. Keinesfalls, dies gilt es nochmals unter Verweis auf den Wortlaut des Art. 16 EGV zu betonen, darf durch dessen „Einfluss“ auf die Auslegung des Art. 86 II EGV dessen grundsätzlicher Regelungsinhalt in Frage gestellt werden. (b) Betrauung Liegt eine Tätigkeit vor, die als „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ zu qualifizieren ist, bedeutet dies noch nicht automatisch das Eingreifen der Ausnahmevorschrift des Art. 86 II EGV. Als weitere positive Voraussetzung sieht dieser die Betrauung des dienstleistenden Unternehmens mit ebendieser Tätigkeit vor. Diese stellt ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal dar. Eine Aussage dahingehend, dass jegliche gemeinwohlorientierte Tätigkeit den Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln schon wegen ihrer Zielrichtung nicht unterfalle, kann auch unter Berücksichtigung des Art. 16 EGV nicht getroffen werden. Durch diese Bestimmung wird das Merkmal der Betrauung nicht obsolet. Allerdings wird Art. 16 EGV im Rahmen von dessen abschließender Gesamtbetrachtung dahingehend zu berücksichtigen sein, dass extrem strenge Anforderungen an die „Betrauung“ nicht zu stellen sind. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Vorschrift selbst allein auf die Dienste und ihr Funktionieren abstellt, nicht aber auf die Art ihrer formalen Gestaltung. Ob Art. 16 EGV aber tatsächlich Wirkungen im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs „Betrauung“ zeitigt, hängt, entsprechend der hier vorgeschlagenen Wirkungsweise der Bestimmung im Hinblick auf die nach ihrem Wortlaut „unbeschadet“ bleibenden Vorschriften, zunächst vom herkömmlichen Verständnis ab. Nur wenn dieses die Aussage des Art. 16 EGV nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt, ist eine Modifikation geboten. An dieser Stelle soll daher nur festgehalten werden, dass auch unter Berücksichtigung des Art. 16 EGV das Merkmal der „Betrauung“ seine Berechti268 W. Frenz, EuR 2000, 901 (916 f.); F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 304; J. Schwarze, in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (22); anders M. Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 255 (266); Chr. Koenig, EuZW 2001, 481. Dazu auch oben C.II.2. a)aa). 269 Vgl. W. Frenz, EuR 2000, 901 (925).

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gung und Funktion behält. Zugleich kann bereits vorweggenommen werden, dass Art. 16 EGV einer sehr stark einengenden Auslegung des Merkmals im Ergebnis entgegensteht. Die Arten der Organisation der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen in den Mitgliedstaaten variieren stark.270 Entsprechend vielfältig sind die Gestaltungen, durch welche den leistungserbringenden Einheiten die Wahrnehmung der spezifischen Aufgaben zugewiesen wird. Bei der Auslegung des Merkmals der „Betrauung“ in Art. 86 II EGV ist dieser Situationenvielfalt Rechnung zu tragen. Andernfalls käme es zu einer Ungleichbehandlung der Mitgliedstaaten durch das Gemeinschaftsrecht. Nichtsdestotrotz kann das Merkmal nicht mit Rücksicht auf die bestehenden Unterschiede in der praktischen Ausgestaltung der Dienstezuweisung je nach betroffener Rechtsordnung gesondert ausgelegt werden. Als europarechtlicher Rechtsbegriff und auch im Interesse der Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts ist das Vorliegen einer „Betrauung“ allein nach autonom zu bestimmenden gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu bestimmen. Das Vorliegen einer Betrauung lässt sich entweder nach formellen oder nach materiellen Kriterien bestimmen. Der EuGH vertritt in seiner neueren Rechtsprechung einen weiteren, materiellen Betrauungsbegriff.271 Von Extrempositionen abgesehen, gleichen sich jedoch zumeist die aus formeller oder materieller Sichtweise vorgenommenen Bewertungen. Ansatzpunkt für die Beantwortung der Frage, ob eine Betrauung vorliegt, sollte daher wegen der leichteren Bestimmbarkeit stets die formelle Sichtweise sein. Nur sofern diese zu keinem positiven Ergebnis führt, ist, soweit zulässig, auf materielle Kriterien abzustellen. Nach der formellen Sichtweise stellt sich die Betrauung als eindeutige hoheitliche Verpflichtung272 eines bestimmten Unternehmens zur Erbringung bestimmter Leistungen273 dar. Der Betrauungsakt lässt sich damit seitens des Staates als politische Entscheidung verstehen, Verantwortung für die Versorgung der Bevölkerung mit einer spezifischen Dienstleistung zu übernehmen.274 Als solcher ist jede rechtsbegründende öffentlich-rechtliche Gestattung anzusehen.275 Notwendig ist

Siehe oben C.II.1. a). J. Keller, Service public und Art. 86 Abs. 2 EGV, S. 143; F. Löwenberg, Service public und öffentliche Dienstleistungen in Europa, S. 198. 272 EuGH Slg. 1989, 803 (853) – Ahmed Saeed; 1994, I-1477 (1521) – Almelo; C.D. Classen, in: M. Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 85 (96); W. Frenz, EuR 2000, 901 (906); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 117; H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 103; A. v. Ysendyck, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, nach Art. 87 (Dienstleistungen) Rn. 25. 273 A. Rinne, Die Energiewirtschaft zwischen Wettbewerb und öffentlicher Aufgabe, S. 73. A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 180, sprechen von einer „individuellen staatlichen Zwecksetzung“. 274 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 103. 275 P. Badura, in: FS Th. Oppermann, S. 571 (580). 270 271

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die Benennung eines konkreten Unternehmens276. Bloße gesetzliche Genehmigungserfordernisse bzw. allgemeine Anschluss- und Versorgungspflichten sind damit nicht ausreichend.277 Eine Betrauung kann somit etwa erfolgen durch (echte) Konzession.278 Verwaltungsakt, aber auch, sofern die Voraussetzungen gegeben sind, durch Normen.279 Begründet wird das Erfordernis eines formellen und hoheitlichen Betrauungsakts mit der Notwendigkeit von Transparenz und politischer Legitimation280 sowie, damit in engem Zusammenhang, dem Vorliegen von Rechtssicherheit und einem eindeutigen Anknüpfungspunkt.281 Für eine solche Auslegung spricht zudem der Normzweck des Art. 86 II EGV. Als Ausnahmevorschrift zielt er darauf ab, einem eng begrenzten Kreis von Unternehmen Begünstigungen zu ermöglichen. Dessen Erkennbarkeit wird durch eine rein formale Bestimmung des Begriffs „betrauen“ erleichtert. Insbesondere wird dadurch sichergestellt, dass tatsächlich nur von den – an den Grundsatz der Gemeinschaftstreue gebundenen – Mitgliedstaaten für konkret unerlässlich erachtete Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Erbringer privilegiert werden. Problematisch ist der streng formelle Betrauungsbegriff aber hinsichtlich der Verschiedenheit der Formen der Sicherstellung für notwendig gehaltener Leistungen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Die unterschiedlichen Ausgestaltungen führen im Ergebnis dazu, dass dieselbe gemeinwohlorientierte Leistung wegen der unterschiedlichen Organisation in einem Mitgliedstaat von der Ausnahmeregelung des Art. 86 II EGV erfasst wird, in einem anderen jedoch nicht. Dies allein als „spezifisches Risiko“ der Mitgliedstaaten aufzufassen und ihnen gegebenenfalls eine diesbezügliche Änderung nahe zu legen, überzeugt, insbesondere auch vor dem Hintergrund des Art. 16 EGV, nicht. Sofern eine Betrauung nach formellen Aspekten nicht bejaht werden kann, ist nach materiellen Gesichtspunkten zu fragen, aus denen eine solche folgen könnte. Der materielle Betrauungsbegriff ist jedoch deutlich weniger konturenscharf als der formelle und birgt die Gefahr der Instrumentalisierung in sich. Notwendig ist EuGH Slg. 1983, 483 (504) – GVL; 1989, 803 (853) – Ahmed Saeed. R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 301; so auch schon E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526 (563). 278 A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 57; R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 300; Ph. Jacobi, Third-Party-Access, S. 40; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 86 EGV Rn. 39; S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 322; fraglich aber bei Konzessionsverträgen auf privatrechtlicher Basis, vgl. U. Ehricke, EuZW 1998, 741 (744); weitergehend unter Einschluss unechter Konzessionen bzw. Gewerbeerlaubnisse wegen der fehlenden Erforderlichkeit besonderer Staatsnähe V. Götz, in: FS H. Maurer, S. 921 (932 f.). 279 A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 56 f.; Chr. Zeiss, DVBl. 2003, 435 (439). 280 H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 104; ähnlich Th. Mann, JZ 2002, 819 (822 f.); die Notwendigkeit der Schaffung von Transparenz besonders hervorhebend R. Schmidt, Der Staat 42 (2003), S. 225 (235). 281 U. Ehricke, EuZW 1998, 741 (745); Ph. Jacobi, Third-Party-Access, S. 41. 276 277

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daher auch insoweit, dass im Ergebnis eine spezifische Aufgabe einem Unternehmen durch einen Träger öffentlicher Gewalt überantwortet wurde.282 Als ausreichend für die Annahme einer Betrauung wird insbesondere eine eindeutige Aufgabenzuweisung aus dem Gesamtzusammenhang angesehen.283 Eine Betrauung sei vor allem dann gegeben, wenn die Übertragung von Sonderpflichten nicht von einem Unternehmen, sondern dem Mitgliedstaat ausgehe284 oder Versorgungspflichten jenseits der Rentabilität bestünden.285 Damit wird die Betrauung anhand des Maßnahmeinhalts und der wirtschaftlichen Folgen bestimmt.286 Das Erfordernis der Transparenz bei der Betrauung wird ebenfalls gesehen. Allerdings könne diese auch anders als durch formellen Hoheitsakt erreicht werden.287 So ist auch eine Betrauung durch Vertrag zulässig,288 wenn sie auch „normalerweise durch Gesetz“289 erfolgen soll. Für eine Bestimmung der Betrauung nach materiellen Kriterien sprechen vor allem die in den Mitgliedstaaten bestehenden Unterschiede, die durch Art. 86 II EGV im Grundsatz nicht beseitigt werden sollten. Zudem ermöglicht diese Herangehensweise eine flexiblere und praxisgerechtere Handhabung des Art. 86 II EGV. Wie bereits angedeutet, liegt genau darin jedoch auch die Schwachstelle des Ansatzes. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Aufrechterhaltung des Charakters des Art. 86 II EGV als Ausnahmevorschrift erscheint es daher auch bei Heranziehung des materiellen Betrauungsbegriffs zwingend, sowohl die Benennung bzw. eindeutige Identifizierung konkreter Unternehmen als auch konkreter, seitens eines Hoheitsträgers auferlegter Pflichten zu fordern. Dies lässt ausreichend Raum für mitgliedstaatliche Alternativmodelle und sichert zugleich die einheitliche und zweckentsprechende Anwendung des Art. 86 II EGV. Unabhängig vom Vorgehen nach dem formellen oder materiellen Betrauungsbegriff ist jedoch, insbesondere im Hinblick auf den Bereich der Daseinsvorsorge, darauf hinzuweisen, dass eine Betrauung auch bei öffentlichen Unternehmen nötig 282 J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 171. 283 G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 24; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 85. Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 34, hält dagegen die Existenz einer aktiven Handlung schon nach dem Wortsinn für unerlässlich. 284 S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 215. 285 A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 54; F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 116; J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 207; Ph. Jacobi, Third-Party-Access, S. 38. Nach J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 203; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 82 f., kann dieser Aspekt zugleich zur Bestimmung des Merkmals „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse herangezogen werden. 286 J. Fesenmair, Öffentliche Dienstleistungsmonopole, S. 206. 287 A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 52. 288 EG-Kommission, KOM(2000) 580 endg., S. 11; M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (53). 289 G. Püttner, DÖV 2002, 731 (732).

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ist.290 Allein aus ihrer Trägerschaft ergibt sich nicht zugleich die Betrauung. Gleiches gilt auch für die jeweilige Aufgabe. Es erscheint jedoch denkbar, für die Betrauung den Errichtungsakt als genügend zu begreifen, wenn das Unternehmen durch diesen auf die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe explizit festgelegt wird. Wie aber auch in allen anderen Fällen, ist eine klare Definition des Dienstleistungsauftrags erforderlich, um ein Eingreifen des Art. 86 II EGV zu ermöglichen.291 Sofern sich eine derart eindeutige Zuweisung nicht aus dem Errichtungsakt des öffentlichen Unternehmens ergibt, ist eine spätere „Betrauung“ erforderlich. Die Auslegung des Begriffs „betraut“ in Art. 86 II EGV steht, sofern nicht am streng formellen Betrauungsbegriff festgehalten wird, sondern im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des EuGH auf materielle Kriterien abgestellt wird, der Funktionsfähigkeit der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ in den Mitgliedstaaten nicht entgegen. Eine Modifikation dieses Ergebnisses wegen Art. 16 EGV ist daher nicht erforderlich. (c) Verhinderung Für die Bejahung einer Ausnahme nach § 86 II EGV genügt es nicht, dass ein Unternehmen mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut ist. Notwendig ist darüber hinaus, dass die Erfüllung der Aufgabe durch die Anwendung des Gemeinschaftsrechts rechtlich oder tatsächlich verhindert würde. Insoweit stellen sich zwei Fragen, von deren Beantwortung die praktische Bedeutsamkeit des Art. 86 II EGV in erheblichem Maße abhängt. Zum einen ist von essentieller Bedeutung, was unter einer Verhinderung zu verstehen ist, zum anderen, wer die Beweislast für das Vorliegen einer solchen trägt. Nach dem bei der Auslegung von Rechtsbegriffen zuvörderst heranzuziehenden gewöhnlichen Wortsinn ist unter „verhindern“ die Herbeiführung der Unmöglichkeit der Aufgabenerfüllung zu verstehen. Bei einem entsprechenden Verständnis wäre der dem Art. 86 II EGV verbleibende Bereich überaus gering und stünde damit in Übereinstimmung mit seinem Charakter als Ausnahmevorschrift. Bedenklich erscheint eine solche Auslegung jedoch vor dem Hintergrund des Art. 16 EGV. Die dort getroffene positive Entscheidung für gemeinwohlorientierte Dienste und ihr Funktionieren würde durch eine so enge Auslegung des Begriffs konterkariert. Auch eine erhebliche Behinderung der Diensteerbringung würde eine Befreiung von den Vertragsvorschriften nicht nach sich ziehen. Bei dem Vorliegen einer solchen kann jedoch nicht mehr sinnvoll vom „Funktionieren“ der entsprechenden Dienste gesprochen werden. Die Auslegung des EGV ist jedoch so vorzunehmen, 290 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 303; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 84. 291 M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (53).

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dass innere Widersprüche vermieden werden. Da die streng am Wortlaut des Art. 16 EGV orientierte Variante, dass Art. 86 II EGV „unbeschadet“ bleibt und damit in keinerlei Hinsicht durch jenen betroffen wird, aus systematischen, teleologischen, historischen und grammatikalischen Erwägungen heraus abgelehnt wurde,292 ist von einer Rückwirkung auszugehen. Trotz des scheinbar eindeutigen Wortlauts kann der Begriff „verhindern“ nicht ausschließlich im Sinne der Unmöglichmachung ausgelegt werden. Es ist daher nach einem weiteren Begriffsinhalt zu suchen, der sowohl in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des Art. 16 EGV steht, als auch den Ausnahmecharakter des Art. 86 II EGV berücksichtigt. Bereits vor der Einfügung des Art. 16 EGV ist – methodisch fragwürdig und wohl nicht zuletzt aufgrund politischer Notwendigkeit – nach einer weiteren Auslegungsmöglichkeit des Begriffs gesucht worden. Nicht zuletzt in der Rechtsprechung des EuGH ist ein deutliches Abweichen des Verständnisses vom ursprünglichen Wortsinn feststellbar. Zur Bejahung des Merkmals der Verhinderung sollte eine – erhebliche293 – Gefährdung genügen. Eine solche sei schon dann gegeben, wenn andernfalls eine Leistungserbringung zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen nicht möglich wäre. Nicht erforderlich sei insbesondere, dass das Überleben des Unternehmens bei Anwendung der Vertragsvorschriften bedroht wäre.294 Letztlich wird damit das mitgliedstaatliche Eigenwirtschaftlichkeitsprinzip als Teil der gemeinschaftsrechtlich zu privilegierenden Aufgabe anerkannt.295 Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Hervorhebung der „wirtschaftlich tragbaren Bedingungen“ nur auf einen Universaldienst bei gleichzeitigem unternehmensinternen Bedarf zum Gewinn- und Verlustausgleich innerhalb dessen erfolgte.296 Der Begriff der Verhinderung verliert damit seine begrenzende Funktion. Da sich, zumal aus mitgliedstaatlicher Sicht, stets eine bloße Gefährdung der Aufgabendurchführung hinsichtlich eines „Basisdienstes“ bei der uneingeschränkten Anwendung des Gemeinschaftsrechts aufzeigen lässt, führt die Bejahung der anderen Merkmale des Art. 86 II 1 EGV damit grundsätzlich zum Eingreifen der Vorschrift. Eine derart weite Auslegung steht zwar im Einklang mit der Zielrichtung des Art. 16 EGV.297 Der Ausnahmecharakter des Art. 86 II EGV geht jedoch verloren. Daher sind höhere Anforderungen an das Vorliegen einer Verhinderung zu stellen.298 Die einschränkungslose Anwendung der Vorschriften des EGV muss 292 293 294 295 296

Siehe oben C.II.2. a)cc). U. Ehricke, EuZW 1998, 741 (745). EuGH Slg. 1997, I-5815 (5835) – EDF / GDF; 2000, I-825 (876 ff.) – Deutsche Post. H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 117. R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 328, hinsichtlich des Corbeau-Ur-

teils. 297 Würde sie aber mit diesem gerechtfertigt, verstieße dies gegen die ausdrückliche Anordnung der Unberührteit des Art. 86 EGV. Eine so weite Auslegung ist, sofern überhaupt, allein im Rahmen des Art. 86 II EGV selbst vorzunehmen. 298 Ebenso G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 27.

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– unter Berücksichtigung des Art. 16 EGV – auch im Bereich gemeinwohlorientierter Dienstleistungen der Regelfall sein. Es ist daher ein dem natürlichen Wortsinn des „Verhinderns“ nahe liegendes Verständnis zu entwickeln, das zugleich nicht zu einer einseitigen Benachteiligung der entsprechenden Dienste führt. Sprachlich lässt sich eine Verhinderung als stärkste Erscheinungsform der Behinderung begreifen. Eine solche ist daher in jedem Fall notwendig. Dies geht bereits über das vom EuGH vertretene Erfordernis einer Gefährdung hinaus, da eine tatsächliche Beeinträchtigung gegeben sein muss. Unabhängig von der semantischen Nähe der Behinderung zur Verhinderung spricht für die Notwendigkeit einer nicht nur potentiellen Einschränkung die grammatikalische Fassung des Art. 86 II EGV. Der dort gewählte Indikativ („verhindert“) zeigt unabhängig vom Wortsinn an, dass eine bloß mögliche negative Betroffenheit nicht genügt. Damit muss die uneingeschränkte und unmodifizierte Anwendung des Gemeinschaftsrechts frei von vernünftigen Zweifeln zu einer Behinderung der Aufgabenerfüllung führen. Nicht ausreichend ist jedoch das Vorliegen einer beliebigen Behinderung. Erforderlich ist vielmehr wegen der notwendigen graduellen Nähe zur im Normtext enthaltenen Verhinderung eine gewisse Intensität der Behinderung. Diese ist abstrakt jedoch nur schwer bestimmbar. Insbesondere sind keine materiellen Kriterien etwa für die Bestimmung einer „schweren“ bzw. „mittleren“ Behinderung ersichtlich. Solche könnten sich erst aus ergänzendem Sekundärrecht ergeben, dessen Erlass immerhin nach Art. 86 III EGV möglich wäre. In Ermangelung dessen bliebe allein der Rückgriff auf Wertungsgesichtspunkte, die allerdings zwangsläufig subjektiv geprägt sind und so zumindest für eine Übergangszeit der Rechtssicherheit abträglich wären. Sinnvoller erscheint es daher, auf bereits im Gemeinschaftsrecht vorhandene Kriterien abzustellen. Insoweit bietet sich vor allem das vom EuGH299 zu Art. 81 EGV entwickelte Spürbarkeitserfordernis300 an, das insoweit mit umgekehrter Zielrichtung herangezogen werden könnte. Dient es im EG-Wettbewerbsrecht dazu, Kartelle, die sich nicht nachhaltig auf den Gemeinsamen Markt auswirken, von der gemeinschaftsrechtlichen Kontrolle auszunehmen, kann es im Rahmen des Art. 86 II EGV dazu genutzt werden, die Anwendung des EG-Rechts sicherzustellen, sofern nicht dadurch die zweckentsprechende Erbringung gemeinwohlorientierter Dienste durch die damit betrauten Unternehmen deutlich erschwert wird. Zwar bestehen auch insoweit Wertungsspielräume. Diese lassen sich jedoch durch den Rückgriff auf das im Wettbewerbsrecht entwickelte Modell unter Berücksichtigung der Besonderheiten des betroffenen Bereichs zumindest einengen. Damit ist der Begriff „verhindert“ in Art. 86 II EGV im Sinne von „spürbar beeinträchtigt“ zu verstehen. Damit ist sowohl dem Normcharakter dieser Bestimmung, als auch Art. 16 EGV Rechnung getragen. Die zweite, vor allem in der Praxis wichtige Frage bei der Auslegung des Begriffs betrifft die Beweislastverteilung. Diese stellt sich zwar auch bei den anderen 299 300

EuGH Slg. 1966, 281 (303 f.) – Maschinenbau Ulm. Siehe dazu auch die Bekanntmachung der Kommission ABl. 1997 C 372 / 13.

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Tatbestandsmerkmalen des Art. 86 II EGV, ist aber bezüglich der Verhinderung der Aufgabenerfüllung von besonderer Bedeutung. Nach den Regeln der juristischen Methodik hat grundsätzlich derjenige, der sich auf ein Recht beruft, dessen Bestehen nachzuweisen. Übertragen auf Art. 86 II EGV bedeutet dies, dass wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift derjenige, der sich die Ausnahme zunutze machen will, deren Voraussetzungen nachweisen muss. Die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen, insbesondere auch für die Verhinderung der zweckentsprechenden Aufgabenerfüllung, liegt somit bei den Trägern öffentlicher Dienstleistungen301 bzw. dem jeweiligen Mitgliedstaat.302 Erscheint dies auch zunächst überzeugend, so gehen damit in der Praxis erhebliche Probleme einher. So müssen nicht nur im Einzelnen die sich aus der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ergebenden Behinderungen und ihre konkreten Auswirkungen auf die Leistungserbringung dargelegt werden. Darüber hinaus ist im Zweifel auch aufzuzeigen, weshalb eine alternative, im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehende Ausgestaltung nicht möglich und eine Ausnahme damit erforderlich ist. Ein solcher Nachweis ist jedoch angesichts der inzwischen erreichten Dichte des Gemeinschaftsrechts und der Vielzahl an Alternativgestaltungen nur schwer lückenlos zu führen. Es erscheint daher insbesondere auch vor dem Hintergrund des Art. 16 EGV denkbar, die Beweislastverteilung zu modifizieren. So wird vorgeschlagen, der Gemeinschaft, letztlich also der Kommission weitergehende Nachweispflichten aufzuerlegen und damit die Mitgliedstaaten zu entlasten. Jene müsse zunächst Anhaltspunkte für die fehlende Notwendigkeit einer Ausnahme liefern sowie gegebenenfalls den Gegenbeweis zur Erforderlichkeit des Vertragsverstoßes antreten. Sofern bestritten, kommt ihr darüber hinaus die Nachweisführung für eine gegen das Gemeinschaftsinteresse verstoßende Entwicklung nach Art. 86 II 2 EGV zu.303 Im Ergebnis bedeutet dies eine weitgehende Beweislastumkehr. Eine solche wird jedoch auch durch Art. 16 EGV nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist im Grundsatz an der methodisch richtigen Beweislastverteilung festzuhalten. Angesichts der bestehenden Schwierigkeiten und den Wertungen des Art. 16 EGV ist die Nachweisdichte für die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Ausnahme jedoch zu verringern. In jedem Fall bleibt jedoch eine in sich schlüssige und die Wertungen des Gemeinschaftsrechts ausreichend berücksichtigende Darstellung erforderlich. Im Ergebnis bedeutet dies eine Stärkung der mitgliedstaatlichen Autonomie im Bereich gemeinwohlorientierter Leistungen ohne eine grundlegende Schwächung des Gemeinschaftsrechts.

301 L. Monnier, in: H. Cox, Öffentliche Dienstleistungen in der Europäischen Union, S. 41 (46); P.J. Tettinger, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 97 (101 f.). 302 EuGH Slg. 1997, I-5699 (5782) – Kommission / Niederlande; I-5815 (5843) – EDF / GDF; 1998 I-4075 (4132) – Dusseldorp; Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 84. 303 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 89 f.

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(d) Rückausnahme / Verhältnismäßigkeit Nach Art. 86 II 2 EGV darf die Entwicklung des Handels durch Ausnahmen nach Art. 86 II 1 EGV nicht in einem dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufendem Maße beeinträchtigt werden. Die Vorschrift begründet damit den Vorrang des Gemeinschaftsinteresses für den Fall eines anders nicht lösbaren Konflikts mit mitgliedstaatlichen Interessen304 und ist als Beschränkung der Ausnahme in Satz 1 grundsätzlich und unter Beachtung der Wertungen des Art. 16 EGV weit auszulegen.305 Selbst wenn eine Aufgabe nicht anders erfüllt werden kann und das Gemeinschaftsrecht nach Art. 86 II 1 EGV zurücktreten muss, darf der europäische Wettbewerb nicht über Gebühr eingeschränkt werden.306 Normsystematisch stellt sich jedoch die Frage, ob Art. 86 II 2 EGV – in Parallelität zur grundrechtlichen Terminologie – als, hier allerdings prüfungsabschließende, Schranken-Schranke307 aufzufassen ist oder Teil der nach herrschender Auffassung auch bei Art. 86 II EGV vorzunehmenden308 Verhältnismäßigkeitsprüfung darstellt. Im Ergebnis dürften sich allerdings kaum Unterschiede ergeben. Ziel ist in jedem Fall die „optimale Verknüpfung von Markteffizienz mit gemeinwohlrelevanten Erfordernissen“309. Soweit Sekundärrecht besteht, kann zudem davon ausgegangen werden, dass die dort vorgesehenen Wettbewerbsausnahmen erforderlich sind310 und nicht gegen Gemeinschaftsinteressen verstoßen. Wegen der allein theoretischen Bedeutung der Beantwortung der Frage, soll hier nur kurz Stellung genommen werden. Die Tatbestandsstruktur des Art. 86 EGV entspricht insgesamt etwa einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.311 Art. 86 II 2 EGV selbst macht unmittelbar eine „am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Abwägung“ erforderlich.312 Daher ist für eine gesonderte Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), S. 526 (570). R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 368; anders D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 55. 306 E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (514), mit Bezug zum EG-Beihilfenrecht. 307 So M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 147; U. Ehricke, EuZW 1998, 741 (746); K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 334; P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 49. 308 EG-Kommission, KOM(2000) 580 endg., S. 11 f.; A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 91; R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 5; G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 97; A. Rinne, Die Energiewirtschaft zwischen Wettbewerb und öffentlicher Aufgabe, S. 174 f. 309 EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 6; Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (100). 310 V. Götz, in: FS H. Maurer, S. 921 (925). 311 Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 37; ders., JZ 2002, 819 (823); ähnlich M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 147; K. Erhardt, Beihilfen für öffentliche Dienstleistungen, S. 321. 312 G. Grill, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 86 Rn. 28; ähnlich S. Albin, DÖV 2001, 890 (897). 304 305

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Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf Art. 86 II EGV kein Raum. Ein Verständnis dahingehend, dass Art. 86 II 2 EGV eine explizite Normierung dessen ist, überzeugt angesichts des Art. 5 III EGV jedoch nicht. Bei der Prüfung des Art. 86 II EGV ist das dort ausdrücklich enthaltene „Programm“ damit als abschließend anzusehen. Materiell erfolgt nichtsdestotrotz eine der Verhältnismäßigkeitsprüfung gleichende Abwägung.

dd) Die Befugnisse der Kommission (Art. 86 III EGV) Um die praktische Wirksamkeit der Art. 86 I und II EGV zu gewährleisten, bestimmt Art. 86 III EGV, dass die Kommission auf die Anwendung dieser Bestimmungen achtet und gegebenenfalls rechtsetzend tätig wird. Durch diesen expliziten Handlungsauftrag wird der Kommission damit primärrechtlich eine sehr starke Stellung eingeräumt. Sie kann somit unmittelbar auf den Bereich der Daseinsvorsorge Einfluss nehmen. Dabei ist es ihr im Rahmen der Erfüllung ihrer „Überwachungsaufgabe“313 möglich, eigene politische Vorstellungen durchzusetzen. Dies ist umso mehr der Fall, als sie nicht auf Verletzungen der Art. 86 I und II EGV zu warten hat, sondern auch präventiv tätig werden kann.314 Zudem verfügt die Kommission bei der Anwendung des Art. 86 III EGV in jeder Hinsicht über ein weites Ermessen.315 Erstmalig angewendet wurde Art. 86 III EGV im Jahre 1980 mit dem Erlass der Transparenzrichtlinie 316. In neuerer Zeit diente die Vorschrift als Grundlage für Liberalisierungsrichtlinien im Telekommunikations-, Elektrizitäts- und Gasbereich.317 Insbesondere der erstgenannte Bereich ist in vorliegendem Zusammenhang von besonderem Interesse, da in diesem das Konzept des Universaldienstes als normative Leitlinie entwickelt wurde.318 Da die Kommission davon ausgeht, dass durch die Einfügung des Art. 16 EGV eine Änderung der Rechtslage nicht F. v. Burchard, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 86 EGV Rn. 79. P. Kent, Law of the European Union, S. 295. Nicht möglich ist allerdings die Begründung völlig neuer Pflichten, nur im Grundsatz bereits bestehende, im primären Gemeinschaftsrecht wurzelnde Pflichten können konkretisiert und präzisiert werden, EuGH Slg. 1991, I-1223 (1263) – Telekommunikationsendgeräterichtlinie; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 103. Eine tatsächliche Begrenzung der Kommissionszuständigkeiten ist mit diesen Anforderungen jedoch nicht verbunden. 315 Ausführlicher F. v. Burchard, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 86 EGV Rn. 81. Dagegen will J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 104, Art. 86 III EGV nur eine deutlich eingeschränkte Regelungsbefugnis entnehmen, sofern Art. 86 II EGV einschlägig ist. 316 RL 80 / 723 / EWG, ABl. 1980 L 195 / 35. 317 Vgl. S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 16 f. m. w. N. J.-Chr. Pielow, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 33 (34), hält auch den baldigen Erlass einer Richtlinie in den Bereichen Wasserver- und -entsorgung auf Grundlage des Art. 86 III EGV für „keineswegs ausgeschlossen“. 318 Siehe dazu oben C.II.1. c). 313 314

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

erfolgen sollte,319 ist zu erwarten, dass sie auch zukünftig auf Grundlage des Art. 86 III EGV eine liberalisierende Politik betreiben wird. Allein eine geänderte Rechtsprechung des EuGH kann daher in der Praxis die hier vorgeschlagenen Änderungen des Verständnisses des Art. 86 EGV vor dem Hintergrund des Art. 16 EGV umsetzen. Die Kommission sollte aber bereits jetzt die aus Art. 16 EGV folgenden neuen Wertungen berücksichtigen.

ee) Zusammenfassung Bereits durch den Umfang der vorstehenden Ausführungen wird die besondere Bedeutung des Art. 86 EGV auch und gerade für den Bereich der Daseinsvorsorge und seiner Organisation deutlich. Nochmals klar hervorzuheben ist, dass wegen Art. 86 I EGV selbst staatliche Daseinsvorsorge den Regelungen des EGV unterfällt und damit grundsätzlich dem Wettbewerb unterworfen ist. Für nichtsstaatliche Leistungserbringer gilt dies ebenfalls, allerdings ohne den Rückgriff auf die explizite Anordnung des Art. 86 I EGV, sofern nicht ausschließliche oder besondere Rechte in Anspruch genommen werden. Es gelten damit insbesondere die Grundfreiheiten, Art. 23 ff., 39 ff., 43 ff., 49 ff., 56 ff. EGV, die Bestimmungen des Kartell-, Art. 81 ff. EGV, und des Beihilfenrechts, Art. 87 ff. EGV.320 Dieser Ansatz wird durch die sprachliche Fassung des Art. 86 II EGV nochmals betont. Das Primat des EG-Rechts gilt auch in nationalen wirtschaftspolitischen Sonderbereichen.321 Soweit Art. 86 II EGV Ausnahmen zulässt, sind diese nicht vor allem unternehmens- sondern markt- und interessenbezogen. Sie dienen nicht der Sicherung von Unternehmen. Im Vordergrund steht vielmehr die Garantie der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen.322 Wann solche in Frage stehen, ist zwar grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, die jedoch einer gemeinschaftsrechtlichen Kontrolle unterliegen und damit keine völlige Definitionsfreiheit haben. Dreh- und Angelpunkt ist insoweit der gemeinschaftsrechtliche Rechtsbegriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“. Die Mitgliedstaaten können im Rahmen des Art. 86 EGV damit vor allem eigenständig festlegen, ob und welche Unternehmen mit Daseinsvorsorgeaufgaben betraut werden, nicht aber, welche Tätigkeiten im Einzelnen in den privilegierten, gemeinwohlorientierten Bereich fallen und was für deren effiziente Erfüllung nötig ist.323 Insbesondere im Zusammenspiel mit Art. 16 EGV garantiert Art. 86 II EGV jedoch zugunsten der Bürger ein gutes und sicheres Funktionieren von DaseinsvorKOM(2000) 580 endg., S. 3. Dies entspricht der im Beihilfenrecht umstrittenen sog. „Rechtfertigungslösung“. Zu dieser und der konkurrierenden „Tatbestandslösung“ vgl. ausführlich und zutreffend Th. Lübbig / A. Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 477 ff. 321 S. Rumpff, Das Ende der öffentlichen Dienstleistungen, S. 25. 322 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 318. 323 P. Badura, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 25 (30). 319 320

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sorgediensten.324 Allerdings darf auch die gemeinwohlbedingte Anerkennung von Ausnahmen nicht zu Störungen des gemeinschaftsrechtlichen Systems führen.325 Dies ist insbesondere insoweit von Bedeutung, als auch die Summe der im Einzelnen begründeten und gerechtfertigten Ausnahmen letztlich nicht zu einer Aushebelung des wettbewerblich verfassten Binnenmarkts führen darf. Wächterin und Hüterin des Systems ist die Kommission, die jedoch gleichsam unter der Aufsicht des EuGH agiert. c) Subsidiarität und nationale Identität (Art. 5 II EGV / Art. 6 III EUV) Als zweifelsfrei geltendes Recht ist es für den Bereich der Daseinsvorsorge nicht undenkbar, eine stärkere Stellung der Mitgliedstaaten aus Art. 6 III EUV, durch den der Union aufgegeben wird, die nationale Identität der Mitgliedstaaten zu beachten, und dem in Art. 5 II EGV enthaltenen Subsidiaritätsprinzip herzuleiten. Insbesondere letzteres wird häufig angeführt, um eine grundsätzliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zu begründen.326 Zwischen beiden Bestimmungen besteht trotz ihrer Verankerung in unterschiedlichen Vertragswerken und den daraus folgenden unterschiedlichen Adressaten ein so enger Zusammenhang,327 dass eine gemeinsame Behandlung gerechtfertigt erscheint. Allerdings können sie nicht zu materiellen Aussagen in Bezug auf die Gestaltung der Daseinsvorsorge führen. Sie können allein zu Erkenntnissen hinsichtlich der Zuständigkeiten von Union bzw. Gemeinschaft und Mitgliedstaaten führen. Die materielle Ausgestaltung obliegt dem jeweils Zuständigen. Aus diesem Grunde soll im Folgenden nicht mehr als ein Überblick erfolgen, der den Rahmen erkennen lässt. Die durch Art. 6 III EUV geschützte „nationale Identität“328 eines Mitgliedstaates wird, zumindest im Verhältnis zu seinen Bürgern, nicht zuletzt dadurch geprägt, R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (62). Es wird daher teilweise auch bezweifelt, dass Art. 86 II EGV zu einem Ausschluss der Grundfreiheiten führt, W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (316). Obwohl sich dies gesetzessystematisch begründen lässt, ist jedoch sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift davon auszugehen, dass sich die Ausnahme auf den gesamten Vertrag bezieht. Andernfalls wäre die durch Art. 86 II EGV zu erreichende Erleichterung nicht sichergestellt. 326 Vgl. etwa W. Frenz, EuR 2000, 901 (923); R. Geiger, EUV / EGV, Art. 16 EGV Rn. 6; C.O. Lenz, in: ders., EG-Vertrag, Art. 16 Rn. 13. Der dagegen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht vorgebrachte Einwand, das Subsidiaritätsprinzip fordere nicht die nationale Zuständigkeit für die Daseinsvorsorge, da diese bedeute, dass Staat für seine Bürger entscheidet, woher diese ihre Leistungen beziehen, und nicht diese selbst, vgl. Ch.B. Blankart, WuW 2002, 340 (341 Anm. 6), verkennt die spezifisch rechtliche Ausgestaltung des Subsidiaritätsprinzips in Art. 5 II EGV (dazu sogleich im Text) und soll daher trotz seiner grundsätzlichen Berechtigung nicht weiter verfolgt werden. 327 C. Stumpf, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 6 EUV Rn. 42. 328 Auf eine Auseinandersetzung mit dem schwierigen und rechtlich wenig greifbaren Begriff der „Identität“ muss an dieser Stelle verzichtet werden. Andernfalls droht eine Spren324 325

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wie er die Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen organisiert. Deren „Achtung“ bringt es daher notwendigerweise mit sich, bereichsspezifische mitgliedstaatliche Konzeptionen zumindest nicht willkürlich zugunsten einer einheitlichen Gestaltung zu beseitigen. Unabhängig von der Reichweite des Begriffs „nationale Identität“ in diesem Zusammenhang, zeigt aber die Verwendung eines eher schwachen Ausdrucks („achtet“) in Art. 6 III EUV bei der Beschreibung der Handlungsanweisung an die Union, zugleich auch an die Gemeinschaft,329 dass der Schutz der mitgliedstaatlichen Identität letztlich nur so weit gehen kann, wie er mit den Zielen von Union und Gemeinschaft in Einklang steht. Eine im konkreten Fall unüberwindbare Hürde wird sich der Vorschrift daher kaum je entnehmen lassen. Trotz der Kennzeichnung des Art. 6 EUV als „zentrale materielle Norm des allgemeinen Unionsrechts“330 bleibt Art. 6 III EUV vor allem Programmsatz.331 Gehaltvoller erscheint dagegen im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung das Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 II EGV. Danach wird die Gemeinschaft bei konkurrierenden Zuständigkeiten nur dann tätig, wenn die Mitgliedstaaten ein Ziel nicht in ausreichendem Maße erreichen können, die Gemeinschaft dazu aber besser in der Lage ist. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein.332 Zu bestehenden Rechtsunterschieden in den Mitgliedstaaten müssen also weitere Aspekte hinzutreten, um eine Angleichung zu rechtfertigen.333 Die zu erreichenden Ziele werden jedoch von der Gemeinschaft definiert. Als Vertragsgrundsatz steht das Subsidiaritätsprinzip auf einer Stufe mit Art. 16 EGV und damit der Anerkennung der Bedeutung gemeinwohlorientierter Dienste durch die Gemeinschaft als konkurrierende Gemeinschaftsaufgabe. Insoweit ist der Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips eröffnet. Im Rahmen des Primärrechts gehen von Art. 5 II EGV jedoch keine unmittelbaren Wirkungen aus. Der Vorschrift können daher nur, dies aber in jedem Fall, Wirkungen bei der Auslegung anderer Vertragsvorschriften zukommen.334 Somit ist das Subsidiaritätsprinzip zwar bei der Auslegung und Anwendung des Art. 16 EGV und der mit gung des Rahmens ohne themenbezogenen Erkenntnisgewinn. Vgl. aber A. Bleckmann, JZ 1997, 265 (265 f.); K. Doehring, in: FS U. Everling, S. 263 ff.; M. Hilf, in: GS E. Grabitz, S. 157 ff.; E. Pache, DVBl. 2002, 1154 ff. 329 M. Hilf, in: GS E. Grabitz, S. 157 (162). 330 C. Stumpf, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 6 EUV Rn. 1; ähnlich A. Bleckmann, JZ 1997, 265 (266). K. Doehring, in: FS U. Everling, S. 263 ff., will ihr sogar weitgehende Aussagen über die Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten sowie aus Verletzungen folgenden Konsequenzen entnehmen. 331 Dahingehend in anderem Zusammenhang auch Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 279. 332 Chr. Jung, TranspR 1999, 129 (131 f.); G. Langguth, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 5 Rn. 15; G. Lienbacher, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 5 Rn. 17; ausführlich zum gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip etwa S. Pieper, Subsidiarität, S. 173 ff. 333 H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (47). 334 G. Langguth, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 5 Rn. 17; dahingehend auch Chr. Jung, TranspR 1999, 129 (130).

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diesem zusammenhängenden Bestimmungen zu beachten, ihm kommt jedoch keine Vorrangstellung zu. Eine grundlegende und ausschließliche Zuweisung der „Daseinsvorsorge“ an die Mitgliedstaaten aus dem Subsidiaritätsprinzip ist schon deshalb ausgeschlossen. Zudem befreit das Subsidiaritätsprinzip die Mitgliedstaaten nicht von der Erfüllung gemeinschaftsrechtlich vorgegebener Pflichten.335 Da es insbesondere nicht zu einem modifizierten Verständnis des Art. 86 EGV zwingt, sind seine Wirkungen damit als gering zu veranschlagen. Eine gewisse Bedeutung gewinnt es allerdings im Rahmen des Art. 86 III EGV, da es von der Kommission zu beachten ist. Diese statuierte auch folgerichtig, dass wegen des Subsidiaritätsprinzips die Mitgliedstaaten für gesellschaftspolitische Entscheidungen zuständig seien. Zu diesen gehöre auch die Ausgestaltung des Daseinsvorsorgebereichs. Diese Entscheidungen müssten jedoch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein.336 Der Verweis auf das Gemeinschaftsrecht ist insbesondere auf Art. 86 I EGV zu beziehen. Sehr „eigenwilligen“ Gestaltungen der Mitgliedstaaten ist damit wirkungsvoll vorgebeugt. Dem Subsidiaritätsprinzip lässt sich somit nur entnehmen, dass die Mitgliedstaaten im durch den EGV vorgegebenen Rahmen für die „Daseinsvorsorge“ und ihre Organisation vorrangig zuständig sind. Angleichungsbestrebungen, die auf die Verwirklichung von Vertragsvorschriften zielen, etwa den Grundfreiheiten, und deshalb zu einer weitgehenden Vereinheitlichung führen, steht das Subsidiaritätsprinzip im Grundsatz nicht entgegen. Es ist zwar bei der sekundärrechtlichen Ausgestaltung zu beachten, seine Wirkung ist jedoch begrenzt. Eine echte Sperre bildet es erst gegenüber Vereinheitlichungsansätzen, die zwar auf Gemeinschaftskompetenzen beruhen, im Ergebnis aber nicht einer besseren Verwirklichung primären Gemeinschaftsrechts dienen und damit gleichsam um ihrer selbst willen verfolgt werden. Solche sind derzeit auf Gemeinschaftsebene jedoch nicht erkennbar. Auch das Universaldienstkonzept dient nicht in erster Linie der Durchsetzung einer bestimmten Vorstellung von der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen, sondern will die primärrechtlichen Ziele des Wettbewerbs und der Versorgungssicherheit jeweils bestmöglich verwirklichen. Damit ist auch das Subsidiaritätsprinzip nicht geeignet, der Gemeinschaft wirksame Schranken im Hinblick auf den Bereich der Daseinsvorsorge zu ziehen.

d) Gemeinschaftsrechtliches Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung? Oben337 wurde festgestellt, dass sich der Charta der kommunalen Selbstverwaltung kaum Aussagen über den Bereich der Daseinsvorsorge entnehmen lassen. Angesichts der Bedeutung der kommunalen Ebene bei der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen stellt sich jedoch auch bezüglich des Gemeinschaftsrechts 335 336 337

EuGH Slg. 1996, I-4115 (4168 f.) – Kommission / Belgien. EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 5. C.I.2.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

die Frage, ob ein diesbezüglicher Schutz besteht. Anknüpfungspunkt könnte insoweit allein eine Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sein. Mangels einer expliziten Verbürgung mit entsprechenden Aufgaben,338 kommt allein deren Ableitung aus anderen Vertragsbestimmungen oder die Annahme eines allgemeinen Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts in Betracht.339 Sofern dies möglich ist, stellt sich daran anschließend die Frage nach deren Reichweite in Bezug auf die hier interessierende Themenstellung. Der kommunalen Selbstverwaltung hinsichtlich des Regelungsgegenstandes am nächsten kommen die Bestimmungen über den Ausschuss der Regionen, Art. 263 ff. EGV. Trotz ihrer vor allem organisatorischen Funktion im Hinblick auf die Vertretung der Interessen der untermitgliedstaatlichen Ebene in der Gemeinschaft erscheint es prinzipiell nicht unmöglich, ihnen auch materielle Aussagen zu entnehmen. Durch sie wird zumindest deutlich, dass die Gemeinschaft eine unterhalb der Mitgliedstaaten bestehende staatsorganisatorische Ebene anerkennt und dieser auch eine eigenständige Bedeutung zumisst. Allerdings wird durch den Ausschuss der Regionen keine gemeinschaftsrechtliche dritte Kompetenzebene errichtet.340 Dies wird nicht zuletzt an seiner Zusammensetzung und seinen Aufgaben deutlich. Art. 263 I EGV spricht unspezifisch von „Vertretern der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften“. Deren Bestimmung bleibt den nach Art. 263 III EGV zwar nicht ernennungs- aber auswahlbefugten Mitgliedstaaten überlassen. Inwieweit dabei kommunale Vertreter berücksichtigt werden,341 liegt nicht im Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft. Überdies kommt dem Ausschuss nur eine beratende Funktion zu, die er zudem gemäß Art. 263 IV EGV zum Wohle der Gemeinschaft, nicht der von ihm Repräsentierten, wahrzunehmen hat. Eine wie auch immer geartete Garantie der kommunalen Selbstverwaltung kann den Bestimmungen über den Ausschuss der Regionen daher nicht entnommen werden.342 338 M. Burgi, in: H.-G. Henneke, Verantwortungsteilung, S. 90 (95); W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (320); Chr. Koch, in: ders. / R. Pitschas, Staatsmodernisierung, S. 123 (137); P.J. Tettinger, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 145 (145 f.); Th.I. Schmidt, EuR 2003, 936 (937); J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 118; auch nicht in der EuGRC, Chr. Koch, in: ders. / R. Pitschas, Staatsmodernisierung, S. 123 (148); M. Nettesheim, Integration 2002, 35 (39). 339 Diese Herangehensweise entspricht der insbesondere vom EuGH praktizierten Methodik, vgl. dazu M. Knauff, JA 2002, 719 (720 f.). Instruktiv ist insoweit insbesondere die Entwicklung von Gemeinschaftsgrundrechten durch den EuGH, vgl. EuGH Slg. 1969, 419 – Stauder; 1970, 1125 – Internationale Handelsgesellschaft; 1974, 491 – Nold. 340 W. Kaufmann-Bühler, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 263 Rn. 3. 341 So sind die 24 deutschen Vertreter im Ausschuss der Regionen, vgl. Art. 263 II EGV, nur teilweise Vertreter der Kommunen. Auch die immerhin mit Staatsqualität ausgestatteten Bundesländer sind im Ausschuss vertreten. Gemeinschaftsweit zeigt sich ein uneinheitliches Bild nicht zuletzt auch wegen der unterschiedlichen Größe und inneren Organisation der Mitgliedstaaten. 342 W. Kaufmann-Bühler, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 263 Rn. 4; Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 262 f.; F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und

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Als weiterer Anknüpfungspunkt könnte das bereits in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bereich der Daseinsvorsorge soeben behandelte Subsidiaritätsprinzip dienen. Teilweise wird diesem ein zumindest indirekter Schutz der kommunalen Selbstverwaltung entnommen.343 Wie bereits festgestellt, ist es jedoch zu allgemein, um ihm konkrete materielle Anordnungen zu entnehmen. Indem es zudem keine Aussage über die innerstaatliche Aufgabenverteilung trifft,344 kann es auch nicht die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung durch kommunale Untergliederungen garantieren.345 Gleiches gilt auch für den ebenfalls in anderem Zusammenhang schon behandelten Art. 6 III EUV.346 Auch diesem fehlt es am kommunalspezifischen Gehalt.347 Unergiebig sind schließlich in Bezug auf die kommunale Selbstverwaltung der Grundsatz der Gemeinschaftstreue348 sowie das „Postulat der Bürgernähe“ in Art. 1 II EUV,349 das diesbezüglich zu unbestimmt ist. Nicht möglich ist eine Verankerung auch im gemeinschaftsrechtlichen Demokratieprinzip.350 Wie nicht zuletzt die unterschiedliche Ausgestaltung in den Mitgliedstaaten zeigt, ist Demokratie auch ohne kommunale Selbstverwaltung denkbar.351 Dem gemeinschaftsrechtlichen Demokratieprinzip einen kommunalspeziEuropa, S. 11 (30 f.); J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 122; trotz einer insgesamt recht positiven Bewertung wohl auch K. Stern, in: FS K.H. Friauf, S. 75 (88 ff.). 343 B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 22; dahingehend auch M. Nierhaus, in: M. Sachs, GG, Art. 28 Rn. 32c; K. Stern, in: FS K.H. Friauf, S. 75 (87); zweifelnd H.-J. Blanke, DVBl. 1993, 819 (828); F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und Europa, S. 11 (28): „Allenfalls. . .“; B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 589: „faktisch begünstigender Normreflex“. 344 G. Püttner, in: H. Brede, Wettbewerb in Europa, S. 47 (52); B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 588; P.J. Tettinger, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 145 (157). 345 F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und Europa, S. 11 (27). 346 Chr. Koch, in: ders. / R. Pitschas, Staatsmodernisierung, S. 123 (144); F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und Europa, S. 11 (25). 347 F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und Europa, S. 11 (28). Dies ist insbesondere auch deshalb der Fall, als die kommunale Selbstverwaltung selbst nach deutschem Verfassungsrecht nicht zum änderungsfesten Kernbereich gehört, P.J. Tettinger, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 145 (159 f.). 348 H.-J. Blanke, DVBl. 1993, 819 (826); A. Martini, Gemeinden in Europa, S. 141 f.; B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 593. 349 P.J. Tettinger, in: H. Cox, Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 97 (111); ders., in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 145 (158); anders Chr. Koch, in: ders. / R. Pitschas, Staatsmodernisierung, S. 123 (144); M. Nierhaus, in: M. Sachs, GG, Art. 28 Rn. 32c. Dieses weist gewisse systematische Parallelen zum Subsidiaritätsprinzip auf, J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 137. 350 Vgl. EuGH Slg. 1980, 3333 (3360) – Roquette Frères; A. Martini, Gemeinden in Europa, S. 173. 351 H.-J. Blanke, DVBl. 1993, 819 (825); Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 265 f.; F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und Europa, S. 11 (25);

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fischen Inhalt entnehmen zu wollen, stünde nicht im Einklang mit dessen Zielrichtung und würde die Grenzen der zulässigen Rechtsfortbildung überschreiten. In Betracht kommt schließlich ein allgemeiner Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung, der dem Primärrecht als gleichrangig352 anzusehen wäre. In der neueren Literatur wird die Existenz eines solchen zunehmend unter Verweis auf eine gemeinsame Rechtsüberzeugung bejaht.353 Methodische Voraussetzung für die Annahme der Existenz eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes ist zunächst das Vorliegen einer wesentlichen Lücke im Gemeinschaftsrecht. Dieses müsste zudem in seiner Anwendbarkeit ohne Rückgriff auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz erheblich gestört werden. Schließlich muss in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten tatsächlich ein entsprechender Grundsatz vorhanden sein.354 Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes ist in Übereinstimmung mit der Herangehensweise des EuGH nicht der mitgliedstaatliche Minimalstandard zu übernehmen, sondern im Rahmen einer wertenden Rechtsvergleichung ein an den Bedürfnissen der Gemeinschaft ausgerichtetes Niveau festzulegen. Das Bestehen einer Lücke hinsichtlich der kommunalen Selbstverwaltung im geschriebenen Gemeinschaftsrecht wurde bereits festgestellt. Auch die Störung der Anwendung des Gemeinschaftsrechts kann, da diese Voraussetzung nicht überaus restriktiv zu handhaben ist, aufgrund der Zahl und Bedeutung der Gemeinden in der Gemeinschaft angenommen werden. Problematisch ist jedoch die tatsächliche Existenz einer entsprechenden gemeinsamen Grundüberzeugung in den Mitgliedstaaten. Deren Begründung wäre aus zwei Erkenntnisquellen möglich. Diese könnten grundsätzlich jede für sich allein oder in ihrem Zusammenwirken herangezogen werden. Als Anknüpfungspunkte können zum einen unmittelbar die nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten und zum anderen die bereits oben behandelte355 Charta der kommunalen Selbstverwaltung des Europarats, analog zur für die Entwicklung der Gemeinschaftsgrundrechte durch den EuGH bedeutsamen EMRK, dienen. Eine gemeinsame Grundüberzeugung der Mitgliedstaaten bezüglich der kommunalen Selbstverwaltung ist nicht erkennbar.356 Die nationalen KonP.J. Tettinger, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 145 (155 f.). 352 Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 488. 353 A. Martini, Gemeinden in Europa, S. 215; B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 640; wohl auch Chr. Koch, in: ders. / R. Pitschas, Staatsmodernisierung, S. 123 (137). 354 Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 483. 355 C.I.2. 356 H.-J. Blanke, DVBl. 1993, 819 (825); A. Faber, DVBl. 1991, 1126 (1132); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 128; Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 272; F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und Europa, S. 11 (29); K. Stern, in: FS K.H. Friauf, S. 75 (91); P.J. Tettinger, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 145 (151); J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 125.

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zeptionen differieren deutlich voneinander. Aus der bloßen Existenz von Gemeinden in allen Mitgliedstaaten kann nicht auf gleichgerichtete rechtliche Überzeugungen geschlossen werden.357 Damit bleibt nur die EKC als Erkenntnisquelle. Zwar ist die Gemeinschaft ebenso wenig wie an die EMRK unmittelbar an die EKC gebunden.358 Dies steht der Annahme eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Gemeinschaftsrechts jedoch nicht entgegen. Die EKC wird aber als „zur europäischen politischen Kultur gehörig“359 betrachtet. Weiterhin wird von den Befürwortern eines entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen allgemeinen Rechtsgrundsatzes darauf verwiesen, dass fast alle EG-Mitgliedstaaten die EKC mit nicht sehr großen Unterschieden ratifiziert hätten.360 In dieser Argumentation wird jedoch bereits die Problematik sichtbar, an der die Begründung eines entsprechenden Grundsatzes scheitern muss. Zum einen haben nicht alle Mitgliedstaaten die EKC unterzeichnet.361 Zum anderen bestehen auch bei den Unterzeichnerstaaten inhaltliche Differenzen. Beides ist hinsichtlich der EMRK nicht der Fall. An diese sind alle EG-Mitgliedstaaten unterschiedslos gebunden, so dass sie eine tragfähige Grundlage für gemeinschaftsrechtliche Rechtsfortbildung bilden kann. Die insoweit bestehende Schwäche liegt bereits in der Konzeption der EKC begründet. Selbst wenn alle EG-Mitgliedstaaten diese unterzeichnet hätten, würde sie wegen ihres „á-la-carte-Systems“, das durch die einzelnen Staaten unabhängig voneinander in Anspruch genommen wurde, nicht gemeinschaftsweit einheitlich gelten.362 Die Ableitung eines gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der kommunalen Selbstverwaltung aus dieser Grundlage ist daher, insbesondere auch vor dem Hintergrund der voneinander abweichenden nationalen Konzeptionen, nicht möglich.363 Die „Kommunalblindheit“ des EG-Rechts364 lässt sich damit nicht mit Hilfe der EKC heilen. Vgl. im Überblick Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 26 ff. J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 126; J. Kaltenborn, Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, S. 58; B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 607; Th.I. Schmidt, EuR 2003, 936 (939). 359 F.-L. Knemeyer, BayVBl. 2000, 449 (451). 360 B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 620 ff. 361 Insbesondere Großbritannien lehnt einen Beitritt wegen seiner Überzeugung von der ausschließlichen Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers ab, K. Stern, in: FS K.H. Friauf, S. 75 (90); zur Situation bezüglich anderer Mitgliedstaaten vgl. Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 271. 362 A. Faber, DVBl. 1991, 1126 (1128); J. Kaltenborn, Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, S. 57, 62; F. Schoch, in: H.-G. Henneke, Kommunen und Europa, S. 11 (29); ähnlich auch K. Stern, in: FS K.H. Friauf, S. 75 (91). P.J. Tettinger, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 145 (154), verweist zutreffend darauf, dass dies allenfalls zu einem den Kommunen kaum nützlichen Minimalkonsens führen würde. 363 So auch Th.I. Schmidt, EuR 2003, 936 (945). 364 A. Faber, DVBl. 1991, 1126 (1132); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 46; Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 262; K. Stern, in: FS K.H. Friauf, S. 75 (78). Allerdings sind die Kommunen von zahlreichen Regelungen betroffen, vgl. im 357 358

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Doch selbst wenn aus den bestehenden geringen Gemeinsamkeiten der nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten und hinsichtlich der EKC ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts abgeleitet werden könnte, enthielte dieser wegen seiner wenig weitreichenden Grundlagen keine konkreten, möglicherweise sogar ausschließlichen Aufgabenbereiche für die Kommunen. Allenfalls dem Bereich der politischen „Kommunalverfassung“ angehörige Aspekte könnten in diesen einfließen. Für die „Daseinsvorsorge“ wäre auch die Existenz eines so gearteten Grundsatzes unerheblich. Es bleibt daher insoweit bei der Erkenntnis, dass sich kommunale Spielräume unmittelbar aus dem EGV ergeben müssen.365 Eine Zuweisung der Daseinsvorsorge an die Kommunen kraft Gemeinschaftsrechts ist damit nicht gegeben.

e) Daseinsvorsorgegrundrecht (Art. 36 EuGRC) „Die Union anerkennt und achtet den Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, wie er durch die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten im Einklang mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft geregelt ist, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der Union zu fördern.“ Mit diesen Worten beschreibt der in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bislang weitgehend unbeachtet gebliebene Art. 36 EuGRC das Verhältnis der Gemeinschaft zum grundrechtlichen Bezug gemeinwohlorientierter Dienste. Nachdem ein französischer Vorschlag zur Einfügung eines ein Recht der Unionsbürger auf gutes Funktionieren der services publics enthaltenden Art. 8c EGV in den Amsterdamer Vertrag im Zusammenhang mit den Regelungen der Unionsbürgerschaft gescheitert war,366 beinhaltet Art. 36 EuGRC erstmals einen bürgerbezogenen Ansatz hinsichtlich der „Daseinsvorsorge“ auf Gemeinschaftsebene. Zwar wird dieser nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmung deutlich. Er folgt aber unzweifelhaft aus deren Einbettung in die vorläufig367 noch rechtlich unverbindliche Europäische Grundrechtecharta. Systematisch ist Art. 36 EuGRC Teil des „Solidarität“ überschriebenen IV. Kapitels. Die Vorschrift steht damit im unmittelbaren Zusammenhang neben Bestimmungen über arbeitsbezogene Rechte, Art. 27 – 32, 33 II EuGRC, Familien-, Gesundheits-, Umweltund Verbraucherschutz, Art. 33 I, 35, 37, 38 EuGRC, sowie der sozialen Sicherheit, Art. 34 EuGRC. Sie erscheint daher zunächst als klassisches soziales Grundrecht. Überblick B. Schaffarzik, Handbuch der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung, S. 566 ff.; sowie nochmals K. Stern, in: FS K.H. Friauf, S. 75 (78 ff.), und sehr ausführlich Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 31 ff. 365 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 87. 366 J. Keller, Service public und Art. 86 Abs. 2 EGV, S. 191 m. w. N. 367 So auch die Einschätzung von U. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, S. 74. Mit der zu erwartenden Aufnahme der EuGRC in die Europäische Verfassung steht die rechtliche Verbindlichkeit der Bestimmung außer Frage.

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Dennoch erscheint zweifelhaft, ob durch Art. 36 EuGRC tatsächlich ein „Grundrecht auf Daseinsvorsorge“ geschaffen werden sollte. Nach dem Auftrag der Regierungen der Mitgliedstaaten sollte der zur Erarbeitung der EuGRC einberufene Konvent den Stand des erreichten Grundrechtsniveaus in einem Dokument festhalten.368 Über diesen ging der Konvent jedoch, letztlich mit Billigung der Mitgliedstaaten, hinaus. Wie nicht zuletzt die Aufnahme völlig neuer, auf moderne Herausforderungen abgestimmter Rechte, wie etwa Art. 41 EuGRC, das Recht auf gute Verwaltung, zeigt, lässt die EuGRC die Beschränkungen europäischer Grundrechtstradition hinter sich. Dies gilt auch für die Aufnahme sozialer Rechte. Zwar werden diese als für die europäische Grundrechtsidentität nachdrücklich prägend angesehen,369 ihre Aufnahme in die EuGRC war aber alles andere als selbstverständlich, da einige mitgliedstaatliche Verfassungen, etwa das deutsche Grundgesetz, soziale Grundrechte nicht kennen. Die Annahme, dass die Aufnahme sozialer Rechte in die EuGRC wohl nur wegen der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit möglich war,370 liegt daher nahe. Allerdings kennen auch diejenigen Mitgliedstaaten, deren Verfassungen keine sozialen Grundrechte vorsehen, eine Vielzahl sozialer Rechte. Die Normierung solcher in der EuGRC, die den Charakter der Union als Wertegemeinschaft verdeutlichen soll,371 erscheint aus dieser Perspektive heraus wiederum folgerichtig. Das Bestehen sozialer Ansprüche ist für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen kennzeichnend, wenn auch im Detail Unterschiede bestehen. Die EuGRC geht jedoch auch insoweit über die vorgefundene Rechtslage hinaus, als dass soziale Grundrechte noch nicht in der Rechtsprechung des EuGH entwickelt worden waren. Dieser folgte vielmehr dem Verständnis der Grundrechte in erster Linie als Abwehrrechte, wie auch die von ihm als Rechtserkenntnisquelle herangezogene EMRK nahe legt. Keinesfalls beabsichtigt ist schließlich die Schaffung einheitlicher sozial(rechtlich)er Standards in der Gemeinschaft durch die Aufnahme sozialer Grundrechte in die EuGRC.372 Mit der Verankerung des Art. 36 EuGRC in der Charta ist somit zumindest die Grundrechtsbezogenheit anerkannt worden. Ob daraus tatsächlich ein „Grundrecht auf Daseinsvorsorge“ folgt, ist damit jedoch noch nicht gesagt. Die Einbindung der Vorschrift spricht zumindest nicht gegen ein solches. Adressaten der EuGRC sind nach Art. 51 I EuGRC die Organe und Einrichtungen der EU und die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von EG-Recht. Eine 368 Ausführlich zur Entstehung der Charta N. Philippi, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, S. 13 ff. m. zahlreichen w.N. 369 E. Pache, EuR 2001, 475 (479). 370 N. Philippi, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, S. 29. Zur Entstehungsgeschichte der Norm im Konvent vgl. E. Riedel, in: J. Meyer, EuGRC-Kommentar, Art. 36 Rn. 3 ff. 371 G. Hirsch, in: M. Blank, Soziale Grundrechte in der Europäischen Grundrechtscharta, S. 11 (14); J. Meyer / M. Engels, ZRP 2000, 368 (370); M. Nettesheim, Integration 2002, 35 (42 f.); E. Pache, EuR 2001, 475 (478); Ch. Schütz, RuP 2001, 138. 372 E. Pache, EuR 2001, 475 (482).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

unmittelbare Bindung, dies ist nochmals zu betonen, besteht zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht. Bislang ist die EuGRC allein eine „Feierliche Proklamation“. Sie ist mithin kein Recht, sondern eine bloße politische Erklärung. Dies wird auch an der fehlenden Verweisung auf sie in Art. 6 II EUV deutlich. Eine Auseinandersetzung mit ihren Regelungen ist dennoch nach juristischen Kriterien notwendig. Die EuGRC ist „Recht im Wartestand“, zumindest aber angehende Rechtserkenntnisquelle. Soweit ihre Bindungswirkung reicht, ist fraglich, wer inwieweit von ihr betroffen ist. Die Formulierung des Art. 51 I EuGRC ist insoweit wenig glücklich.373 So wird vertreten, die EuGRC könne nicht bei der Gesetzgebung durch den EGGesetzgeber oder hinsichtlich der nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung von EG-Recht gelten.374 Richtigerweise ist jedoch von einer umfassenden Bindung von Union und Gemeinschaft auszugehen. Nur diese entspricht dem in der Präambel zum Ausdruck kommenden Ziel der EuGRC, einen umfassenden Grundrechtsbezug europäischen Handelns zu gewährleisten. Entsprechend ist auch der Begriff der „Durchführung“ im Hinblick auf die Mitgliedstaaten auszulegen. Grundrechtliche Schutzlücken sind nur dann zu vermeiden, wenn er sich sowohl auf die Anwendung als auch die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht bezieht.375 Die rechtliche Wirksamkeit der EuGRC unterstellt, wäre vor allem die Union Verpflichtete sozialer Grundrechte und somit auch eines etwaigen „Grundrechts auf Daseinsvorsorge“. Am Wortlaut des Art. 36 EuGRC fällt zunächst seine Nähe zu Art. 86 II EGV, vor allem aber zu Art. 16 EGV auf. Der dort verwendete Terminus der „Dienst(leistung)e(n) von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ erscheint erneut. Eine hinsichtlich des Art. 16 EGV zumindest theoretisch möglich erscheinende von Art. 86 II EGV abweichende Auslegung des insoweit leicht veränderten Begriffs ist im Rahmen des Art. 36 EuGRC nicht praktikabel. Zwar könnte eine „chartaautonome“ Auslegung aus methodischer Sicht grundsätzlich vorgenommen werden. Der Zusammenhang mit den genannten Bestimmungen des EGV ist jedoch offensichtlich. Hätten der Konvent oder die proklamierenden Organe von Union und Gemeinschaft dem Regelungsgegenstand des Art. 36 EuGRC einen von den Bestimmungen des EGV abweichenden Inhalt geben wollen, wäre dies unzweifelhaft in dessen Wortlaut zum Ausdruck gekommen. Für ein gleichgelagertes Verständnis spricht auch der dem Konvent ursprünglich gegebene Auftrag. Neuschaffungen sollten danach grundsätzlich nicht vorgenommen werden. War bislang ein unmittelbarer Grundrechtsbezug der in Art. 16 und 86 II EGV angesprochenen gemeinwohlorientierten Leistungen nicht anerkannt, so waren diese immerhin bereits mehrfach und durchaus auch an prominenter Stelle im EGV normiert und in ihrer Wichtigkeit anerkannt. Eine echte Neuschaffung war somit zumindest hinsichtlich des Regelungsgegenstandes nicht notwendig. Ein Rückgriff auf bereits VorhandeKritisch auch N. Philippi, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, S. 36. M. Nettesheim, Integration 2002, 35 (38). 375 Mit gleichem Verständnis Ch. Schütz, RuP 2001, 138; für eine weite Auslegung auch M. Borowsky, in: J. Meyer, EuGRC-Kommentar, Art. 51 Rn. 16 ff. 373 374

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nes war damit möglich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Konvent insoweit von seinem eng gefassten Auftrag abweichen wollte. Der Begriff der „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ ist daher in Art. 36 EuGRC ebenso wie in Art. 16 und 86 II EGV zu verstehen.376 Durch die Herstellung dieses regelwerkübergreifenden Zusammenhangs verliert Art. 36 EuGRC zumindest insofern an Brisanz, als dass sein Regelungsgegenstand trotz fehlender expliziter Definition sichtbar wird. Trotz der zahlreichen Schwierigkeiten der Begriffsbestimmung auch im Rahmen von Art. 16, 86 II EGV, ist so zumindest im Grundsatz eine Bestimmbarkeit gegeben. Raum für, zumal im grundrechtlichen Zusammenhang folgenschwere, Neuinterpretationen besteht daher nicht. Die Formulierung des Art. 36 EuGRC steht jedoch im Widerspruch zur herkömmlichen Ausgestaltung sozialer Grundrechte. Ausgangspunkt ist zunächst nicht der Einzelne, der Grundrechtsberechtigte, sondern die Union als Grundrechtsverpflichtete. Ausgehend von Regelungsgegenstand und grundrechtlicher Einbindung erscheint dies zumindest ungewöhnlich. Verstärkt wird der „grundrechtsfremde“ Eindruck durch die weitere Formulierung. Diese betont zunächst die mitgliedstaatliche Zuständigkeit für den Bereich, die sich nicht nur in rechtlichen Regelungen, sondern auch in „Gepflogenheiten“ niederschlägt. Eingeschränkt wird diese jedoch wieder durch den Verweis auf die Bestimmungen des EGV und die Hervorhebung des sozialen und territorialen Zusammenhalts der Union, den es zu fördern gelte. Ohne dies offen zu legen, enthält Art. 36 EuGRC somit einen Verweis auf die Art. 16 und 86 EGV. Die „Verpflichtung“ der Union wird als „anerkennt und achtet den Zugang zu“ den entsprechenden Dienstleistungen umschrieben. Ein an die Union gerichtetes „echtes“ soziales Recht lässt sich dieser Formulierung nicht entnehmen. Ein solches würde jedoch auch an fehlenden Gemeinschaftskompetenzen scheitern, da die EuGRC selbst nicht kompetenzbegründend oder -erweiternd wirken soll,377 wie Art. 51 II EuGRC verdeutlicht. Insgesamt erscheint die Formulierung nicht nur wie auch diejenige anderer sozialer Grundrechte zurückhaltend378 und unverbindlich379, sondern geradezu kryptisch. Weder wird die Reichweite der Verpflichtung der Union deutlich, noch erfolgt eine auf Anhieb und ohne Hintergrundwissen zur Entwicklung des Bereichs im EGV vom Unionsbürger nachvollziehbare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Union und Mitgliedstaaten. Die Möglichkeit des Verständnisses der in der EuGRC enthaltenen Grundrechte durch die Berechtigten ist jedoch für die Akzeptanz der Charta zwingend erforderlich. Insoweit besteht dringender, zumindest sprachlicher Nachbesserungsbedarf. Inhaltlich erscheint Art. 36 EuGRC aufgrund seiner Formulierung weniger als Grundrecht, denn als Gemeinschaftszielbestimmung wie 376 Vgl. oben C.II.2. b)cc)(2) (a); dahingehend auch E. Riedel, in: J. Meyer, EuGRC-Kommentar, Art. 36 Rn. 10. 377 P. Altmaier, ZG 16 (2001), S. 195 (202); J. Meyer / M. Engels, ZRP 2000, 368 (370); N. Philippi, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, S. 31 ff. 378 P. Altmaier, ZG 16 (2001), S. 195 (200); Th. Schmitz, JZ 2001, 833 (841). 379 N. Philippi, Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, S. 30.

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auch Art. 16 EGV.380 Die Aufnahme einer solchen kann jedoch, zumal nach heutigem Verständnis der Grundrechte als nicht bloße Programmsätze, in der EuGRC nicht beabsichtigt gewesen sein. Ungewöhnlich für die Wirkungsweise sozialer Grundrechte, kann Art. 36 EuGRC aber möglicherweise als Abwehrgrundrecht wirken. Die Formulierung spricht für ein solches Verständnis.381 Anders als andere Rechte der Charta enthält Art. 36 EuGRC jedoch weder die Begriffe „Person“ oder „Unionsbürger“. Die geschützten Rechte werden gleichsam entindividualisiert. Dass der „Zugang zu“ gemeinwohlorientierten Diensten geschützt wird, kann diese Lücke nicht überdecken. Insoweit ist auch ein Verständnis dahingehend möglich, dass eine Blockade der Anbieterseite nicht erfolgen darf, letztlich also die jeweiligen „Daseinsvorsorger“ geschützt werden. Im Zusammenhang mit der tatsächlichen Ausgestaltung des Bereichs, die zumindest in einigen Mitgliedstaaten durch eine staatliche Anbieterstruktur gekennzeichnet ist, würde dann letztlich ein Schutz der jeweiligen Mitgliedstaaten gegen die Union aus Art. 36 EuGRC erwachsen. Von einem Grundrecht könnte nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr würde es sich bei Art. 36 EuGRC um eine klassische „Mogelpackung“ handeln. Dies kann jedoch trotz der in diese Richtung zielenden Vorstöße vor allem Frankreichs in den letzten Jahren nicht angenommen werden. Obwohl der Wortlaut eine entsprechende Interpretation zulässt, kann dieser nicht gefolgt werden. Zum einen sprechen die unterschiedlichen Traditionen der Mitgliedstaaten gegen eine solche. Weder sollte die Übernahme des französischen Modells durch Art. 36 EuGRC erfolgen, noch sollte dieses besonderen Schutz erfahren. Als Begünstigter ist daher trotz der misslungenen und zu (absichtlichen) Missverständnissen verleitenden Formulierung der Bürger anzusehen. Diesem wird zwar unmittelbar kein Recht auf Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gegenüber der Union eingeräumt. Vielmehr sind zu dessen Schaffung ausweislich des Wortlauts des Art. 36 EuGRC grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig. Die Union „anerkennt und achtet“ den einmal eröffneten Zugang zu den in Frage stehenden Leistungen jedoch. Durch die gewählte Formulierung wird deutlich, dass national garantierte Rechte „auf dem Umweg über die Charta durchaus eine Abwehrfunktion gegenüber dem Gemeinschaftshandeln haben können.“382 Letztlich ist allein die – europarechtskonforme,383 nicht aber europäisierte – nationale Regelung entscheidend. Gegenüber der Union enthält Art. 36 EuGRC somit einen Bestandsschutz für nationale Sozialstandards.384 Dieser erfolgt jedoch nicht abstrakt, sondern mit Bezug zu den Begünstigten. In seiner Eigenschaft als Grundrecht begründet Art. 36 EuGRC auch subjektive Rechte.385 Sehr weitreichend sind diese jedoch 380 381 382 383 384

Dahingehend E. Riedel, in: J. Meyer, EuGRC-Kommentar, Art. 36 Rn. 13. J. Meyer / M. Engels, ZRP 2000, 368 (371); Ch. Schütz, RuP 2001, 138 (140). P. Altmaier, ZG 16 (2001), S. 195 (200). Dies hebt insbesondere W. Frenz, DÖV 2002, 1028 (1030), hervor. J. Meyer / M. Engels, ZRP 2000, 368 (371); Ch. Schütz, RuP 2001, 138 (140).

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nicht, so dass die praktische Bedeutung des Art. 36 EuGRC selbst bei unterstellter Rechtsverbindlichkeit gering ist.386 Der Nachweis, dass die Union die Möglichkeiten des Einzelnen zur Inanspruchnahme gemeinwohlorientierter Dienstleistungen verhindere, dürfte kaum je zu führen sein, zumal das nationale Recht in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht stehen muss. Damit schützt Art. 36 EuGRC letztlich nur vor europarechtswidrigen Eingriffen der EU. Die Mitgliedstaaten selbst sind ohnehin nicht an die Vorschrift gebunden. Ihnen stehen daher aus Sicht der EuGRC auch beliebige Einschränkungsmöglichkeiten offen. Hinsichtlich der Rolle der EU bleibt Art. 36 EuGRC hinter Art. 16 EGV zurück. Während letzterer der Gemeinschaft im Rahmen ihrer Kompetenzen eine Gestaltungsaufgabe verleiht, beschränkt sich Art. 36 EuGRC auf die Abwehr europäischer Eingriffe. Er steht insoweit dem älteren Art. 86 II EGV näher, welcher der Gemeinschaft ebenfalls keine positive Rolle in Bezug auf gemeinwohlorientierte Dienste zukommen lässt. Ein bei zahlreichen anderen in der EuGRC enthaltenen Rechten auftretendes Problem stellt sich daher insoweit nicht: Widersprüche zu Kompetenzregelungen des EGV bestehen nicht. Zu erwartende Rückwirkungen der Charta auf das bestehende Gemeinschaftsrecht insbesondere durch die Rechtsprechung und Rechtsfortbildung des EuGH387 werden im Hinblick auf Art. 36 EuGRC nicht zu einer Stärkung der Stellung der Gemeinschaft führen. Eine bei anderen sozialen Grundrechten der EuGRC wegen Art. 51 II EuGRC gebotene Einschränkung sozialstaatlich gefärbter Auslegung388 ist bei Art. 36 EuGRC nicht notwendig. Die Vorschrift ist eher geeignet, gemeinschaftlichen Regelungsbestrebungen entgegenzutreten. Dies gilt nach ihrer Formulierung offensichtlich insoweit, als diese zumindest potentiell zugangserschwerend wirken können. Doch auch gemeinschaftsrechtliche Verbesserungsmaßnahmen zugunsten des Bürgers sind nach Art. 36 EuGRC grundsätzlich nicht vorgesehen. Eine Kompetenzerweiterung für die EU ist mit Art. 36 EuGRC daher keinesfalls verbunden. Ist Art. 36 EuGRC nun als Grundrecht wirkungslos? Aus dem Gesagten folgt unzweifelhaft, dass die Bestimmung kein klassisches soziales Grundrecht ist. Ein umfassendes „Grundrecht auf Daseinsvorsorge“ kann sie nicht vermitteln. Stattdessen ist ihr ein vergleichsweise schwacher Abwehrcharakter gegen Eingriffe der Union in den grundsätzlich mitgliedstaatlich zu regelnden Bereich gemeinwohlorientierter Leistungen zu eigen. Die Möglichkeit, diese wie nach mitgliedstaatlichem Recht vorgesehen in Anspruch zu nehmen, darf durch die Union nicht vereitelt 385 Ebenso Th. Schmitz, JZ 2001, 833 (841); anders M. Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 255 (273); M. Nettesheim, Integration 2002, 35 (40); ders., in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (51). 386 So auch M. Nettesheim, Integration 2002, 35 (40), allerdings wegen des völligen Fehlens subjektiver Rechte. 387 M. Nettesheim, Integration 2002, 35 (38, 41). Dieser weist zudem auf den Machtzuwachs des EuGH bei einer etwaigen Herstellung der Rechtsverbindlichkeit der EuGRC hin. Allgemein zur Rechtsfortbildung durch den EuGH vgl. M. Knauff, JA 2002, 719 ff. 388 M. Nettesheim, Integration 2002, 35 (38).

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werden. Dennoch stellt die Regelung auch aus grundrechtlicher Sicht eine Weiterentwicklung389 dar. Durch sie wird die Grundrechtsrelevanz des betreffenden Bereichs verdeutlicht und rechtlich explizit anerkannt. Dies gilt, trotz der einengenden Formulierung, auch und gerade für die Union. Durch den nach der Bezugnahme auf das mitgliedstaatliche Recht enthaltenen Verweis auf den EGV wird insbesondere auch Art. 16 EGV angesprochen. Dessen positiver Ansatz gegenüber gemeinwohlorientierten Leistungen ist daher auch im Rahmen des Art. 36 EuGRC zu beachten. In ihrem Zusammenwirken führen beide Bestimmungen dazu, dass ein autonomer vollständiger mitgliedstaatlicher „Ausstieg“ aus diesem Bereich aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht unzulässig ist.390 In diesem überaus unwahrscheinlichen Extremfall wäre aus Art. 36 EuGRC auch ein unmittelbarer Anspruch des Einzelnen auf Einschreiten der Gemeinschaft gegenüber dem Mitgliedstaat zu entnehmen. Ein Leistungsanspruch gegen diese bestünde aber auch dann mangels Zuständigkeit nicht. Somit trägt die Vorschrift zumindest ansatzweise doch ein soziales Grundrecht in sich, das aber im Regelfall hinter dem Abwehrcharakter verborgen bleibt und zudem hinsichtlich seiner Wirkungsweise von derjenigen klassischer sozialer Grundrechte abweicht. Nicht verhindert werden sollen aber mitgliedstaatliche Reformen im Bereich gemeinwohlorientierter Leistungen, auch wenn diese zu einem Leistungsabbau und zu Zugangserschwerungen für den Einzelnen führen. Dieser Möglichkeit stehen weder Art. 16 EGV noch Art. 36 EuGRC entgegen. 3. Resümee Aus dem Vorstehenden wird deutlich, dass sich das Verhältnis der EG und ihres Rechts zum Bereich der Daseinsvorsorge nicht als einfaches Für oder Wider begreifen lässt. Vielmehr ist eine differenzierte Betrachtungsweise vonnöten. Eindeutig und im Gegensatz zur Rechtslage vor der Einführung des Art. 16 EGV ist der Bereich nunmehr positiver Befassungsgegenstand des Gemeinschaftsrechts. Dies erscheint nicht zuletzt als logische und notwendige Liberalisierungsfolge.391 Auch dient dies der Umsetzung der Erkenntnis, dass der Bereich gemeinwohlorientierter Leistungen für das weitere Zusammenwachsen der Gemeinschaft von größter Bedeutung ist.392 Im Einklang mit dem Postulat vom „Europa der Bürger“ wird die 389 Am rechtspolitischen Sinn einer solchen Bestimmung mögen zwar Zweifel aufkommen. Diese dürfen sich jedoch nicht in der Bewertung der nunmehr bestehenden Regelung auswirken. Eine so begründete „Weginterpretation“ entspricht nicht den Regeln juristischer Methodik. 390 So auch G. Hirsch, in: M. Blank, Soziale Grundrechte in der Europäischen Grundrechtscharta, S. 11 (17); ebenfalls dahingehend E. Riedel, in: J. Meyer, EuGRC-Kommentar, Art. 36 Rn. 12. 391 J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1045). 392 Vgl. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 323; aus historischer Perspektive G. Ambrosius, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 15 (27 f.). Diese gebrauchen jedoch einen weit verstandenen Begriff der „Infrastruktur“.

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„Daseinsvorsorge“ nicht unter dem Aspekt der Bestandssicherung öffentlicher, insbesondere also kommunaler Unternehmen, sondern aus der Bürgerperspektive betrachtet.393 Für die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten sind vor allem zwei Fragen relevant. Entscheidend ist zum einen, welche Rolle ihnen in Abgrenzung zur Gemeinschaft zukommt, zum anderen (dabei handelt es sich zugleich um eine Teilproblematik der ersten Frage die aber auch für sich genommen von enormer Wichtigkeit ist), welche Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht dem Wettbewerb im Daseinsvorsorgebereich einzuräumen ist. Durch Art. 16 EGV wird die Daseinsvorsorge zur konkurrierenden Zuständigkeit. Sie wird damit Aufgabe sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Gemeinschaft, soweit diese über eine spezielle Ermächtigung verfügt.394 Nichtsdestotrotz sind im Regelfall die Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung des Bereichs im Rahmen des allgemeinen Europarechts berufen. Wenn auch kein unüberprüfbares mitgliedstaatliches Zuständigkeitsreservat für den öffentlichen Sektor besteht395 und dieser schrittweise in den Binnenmarkt eingeordnet wird,396 so besteht nach wie vor eine weitgehende politische Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten im Daseinsvorsorgebereich.397 Die in einigen Teilbereichen auftretende gemeinschaftsrechtliche Liberalisierung und Deregulierung,398 die auch eine Aufgaben(teil)privatisierungspflicht beinhalten kann,399 lässt grundsätzlich mitgliedstaatliche Regelungsspielräume bestehen.400 Soweit Sekundärrecht erlassen wird, durch das die eigentlich mitgliedstaatliche Definitionsgewalt konkretisiert und damit eingeschränkt wird, sind in der Regel die entsprechenden Bestimmungen weit gefasst und orientieren sich am Interesse der Mitgliedstaaten.401 Auch ist ein Engagement der Gemeinschaft in der Daseinsvorsorge nur möglich, wenn der betreffende Bereich transnationale Aspekte aufweist, mitgliedstaatliche Maßnahmen gegen Vertragsanforderungen verstießen und deutliche Vorteile von Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene bestehen.402 Die Kompetenzvorschriften des EGV ermächtigen die Gemeinschaft nicht zu einer umfassenden Neuordnung der nationalen Daseinsvorsorgemärkte.403 393 Europäisches Parlament, Entschließung, Erwägung B; H.-J. Duppré, Der Landkreis 2001, 3 (6); A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438. 394 J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (337). 395 P. Badura, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 25 (32); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 86; E.-J. Mestmäcker, in: FS H.F. Zacher, S. 635 (643); anders K. Hailbronner, NJW 1991, 593 (601). 396 E.-J. Mestmäcker, in: FS H.F. Zacher, S. 635 (643). 397 S. Alber, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 73 (107); R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (58). 398 G. Britz, NVwZ 2001, 380; E.-J. Mestmäcker, in: FS H.F. Zacher, S. 635 (645 f.). 399 Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 117. 400 E.-J. Mestmäcker, in: FS H.F. Zacher, S. 635 (647). 401 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (60), mit Beispielen. 402 S. Storr, DÖV 2002, 357 (361 f.). 403 J. Hellermann, Der Landkreis 2001, 434 (436).

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Zwar ist die jeweilige Zuständigkeit grundsätzlich für jeden Einzelfall gesondert festzustellen.404 Die Bestimmung darüber, was im Einzelnen der Daseinsvorsorge zuzuordnen ist, obliegt jedoch den Mitgliedstaaten.405 Diesen kommt insoweit auch eine Einschätzungsprärogative zu.406 Letztlich stellt sich das Gemeinschaftsrecht als „Bestandsgarantie“ mit „Ausübungskontrolle“ dar.407 Das Gemeinschaftsrecht gibt grundsätzlich nur einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten den Bereich der Daseinsvorsorge frei gestalten können. Die Behauptung, der EGV erweise der Staatlichkeit im Allgemeinen, insbesondere aber der Daseinsvorsorge, keine ausreichende Reverenz,408 ist damit zurückzuweisen. Vielmehr bestehen nach der Konzeption des EGV, aber auch der EuGRC, keine Zweifel daran, dass die Gemeinschaft sowohl die Daseinsvorsorge als notwendigen Bereich anerkennt, als auch dessen Regelung zumindest im Grundsatz den Mitgliedstaaten überlässt. Praxiswichtiger als der grundsätzliche Bezug des EGV zur Regelung gemeinwohlorientierten Leistungen ist für die Zulässigkeit konkreter bereichsspezifischer Ausgestaltungen vor allem die Frage, inwieweit wettbewerbliche Elemente in diesen enthalten sein müssen. Gerade angesichts der rechtlichen und / oder faktischen Staatsbezogenheit der Daseinsvorsorge in einigen Mitgliedstaaten ist diese von grundlegender Bedeutung. Die Grundannahme des EGV, dass Leistungen am besten durch offene, wettbewerbliche Märkte erbracht werden, gilt prinzipiell auch für die Daseinsvorsorge.409 Dies wird vor allem an Art. 86 I EGV deutlich. Allerdings zwingt das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten nicht, Daseinsvorsorgeleistungen völlig dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu überlassen,410 wie die Möglichkeit von Ausnahmen nach Art. 86 II EGV zeigt. Ein unbedingter Vorrang des Wettbewerbsprinzips besteht nicht,411 Wettbewerb ist kein Selbstzweck.412 Allerdings setzt der Gebrauch von Ausnahmen das Vorliegen von in der Praxis oft nur schwer erfüllbaren Bedingungen voraus.413 Die dabei auftretenden Konflikte vor J. Schwarze, in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (16). EG-Kommission, KOM(96) 443 endg., S. 5. 406 R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427 (428); ders., in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (17). 407 J. Schwarze, EuZW 2001, 334 (338). Die Bestandsgarantie bezieht sich jedoch nicht auf die öffentlichen Unternehmen, A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (291). 408 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 142. 409 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (57); R. Schmidt, Die Verwaltung 28 (1995), S. 281 (288 ff.). 410 P. Badura, ZGR 26 (1997), S. 291 (300). 411 S. Schulte-Beckenhausen, Der Städtetag 1996, 761 (765); H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (48). B. Nagel, Gemeindeordnung als Hürde?, S. 45, betont, dass das Wettbewerbsprinzip rechtlich nur eines neben anderen sei. 412 F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 2; H. Eberlein, Internationales Verkehrswesen 2000, 321 (324); M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (92); ders., VerwArch 92 (2001), S. 293 (299); ders., in: Chr. Parak / D. Unfried, Personennahverkehr, Nr. 14 S. 1 (2). 404 405

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allem mit den Beihilferegeln,414 lassen Art. 86 EGV als „Geburtshelfer“ mitgliedstaatlicher Privatisierungen wirksam werden.415 Keinesfalls lässt sich dem EGV jedoch eine Aussage dahingehend entnehmen, dass die Daseinsvorsorge grundsätzlich durch die Privatwirtschaft erfolgen solle.416 Dieser verfolgt vielmehr einen funktionalen, leistungsbezogenen Ansatz. Nicht die staatliche Leistungserbringung, sondern diejenige im Monopol erscheint zumindest bedenklich,417 da von dieser die Gefahr der Einschränkung der Binnenmarktfreiheiten ausgeht.418 Diese sind jedoch wichtige Grundpfeiler der Gemeinschaft und der Daseinsvorsorge zumindest gleichwertig.419 Wenig weiterführend ist auch der häufig vorgetragene Einwand, die Daseinsvorsorge werde durch die EG-Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln bereits nicht erfasst, da diese bei nicht grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht einschlägig seien420 und außerdem die de-minimis-Regel zu beachten sei.421 Zwar ist dies grundsätzlich richtig. Tatsächlich nicht grenzüberschreitende Sachverhalte gibt es jedoch beim momentan erreichten Stand der Integration kaum noch,422 da – nicht zuletzt im zumindest potentiell lukrativen Daseinsvorsorgebereich – eine gemeinschaftsweite Konkurrenz um regionale Märkte zu verzeichnen ist.423 Zudem ist auch bei tatsächlich nicht grenzüberschreitenden Sachverhalten die vom EuGH424 zu Art. 81 413 Vgl. E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (514), unter Bezugnehme auf das Beihilferecht. H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (334), spricht von einer „nach wie vor untergeordnete(n) Rolle der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und der öffentlichen Unternehmen im Europäischen Gemeinschaftsvertrag.“ 414 R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427. 415 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 141. 416 So aber U. Brandl, BayBgm 2002, 52 (53). Die Neutralität des Gemeinschaftsrechts hebt deutlich das Europäische Parlament, Entschließung, Rn. 20, hervor. 417 Weitergehend J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 141, 186. 418 R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427. 419 Dahingehend auch Wissenschaftlicher Beirat, „Daseinsvorsorge“ im europäischen Binnenmarkt, S. 4. 420 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (45, 48 f.); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 83; ders., Der Landkreis 2001, 434 (436); A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438 (439). 421 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (50 f.); H.-J. Duppré, Der Landkreis 2001, 3 (7); Chr.-E. Palmer, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 9 (12, 14); M. Wohltmann, Der Landkreis 2001, 430 (432); vgl. dazu VO 69 / 2001 / EG, ABl. 2001 L 10 / 30. 422 Dahingehend auch C.D. Classen, in: M. Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 85 (91); R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (50); Th. Kapp, in: B. Fabry / U. Augsten, Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, S. 150 f. 423 M. Fehling, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 195 (200); mit Bezug zum Verkehrsmarkt J.-Chr. Pielow, in: H.-G. Henneke, Kommunale Perspektiven im zusammenwachsenden Europa, S. 33 (54). 424 EuGH Slg. 1967, 543 (556) – Brasserie de Haecht; 1991, I-935 (984) – Delimitis; 1994, I-1477 (1519) – Almelo.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

EGV entwickelte „Bündeltheorie“ zu beachten.425 Danach verstoßen auch für sich gesehen nicht bedenkliche Marktabschottungen gegen das EG-Wettbewerbsrecht, wenn sie in ihrer Gesamtheit den Marktzutritt von Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft faktisch verhindern. Schließlich interpretiert die Kommission die de-minimis-Regel in der Praxis sehr eng.426 Damit unterfällt der Bereich der Daseinsvorsorge grundsätzlich dem EG-Wettbewerbsrecht, wie auch den Grundfreiheiten. Der erforderliche Auslandsbezug ist auch bei rein ortsbezogenen Tätigkeiten nahezu stets gegeben. Inwieweit der Bereich der Daseinsvorsorge letztlich aber tatsächlich dem EGWettbewerbsrecht unterstellt wird, liegt nicht zuletzt an den Mitgliedstaaten selbst. In deren Verantwortungsbereich ist die Möglichkeit verankert, im Einklang mit Art. 86 II EGV stehende Konzeptionen zu „erfinden“. Nur wenn sie diesbezüglich scheitern, ist tatsächlich ein Vorrang des Wettbewerbsprinzips kraft Gemeinschaftsrechts gegeben. Unter Berücksichtigung dieser Ausnahmemöglichkeit besteht jedoch kraft Gemeinschaftsrechts kein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen Daseinsvorsorge auf der einen und Wettbewerb auf der anderen Seite. Vielmehr versucht das Gemeinschaftsrecht beide Aspekte miteinander zu vereinbaren. Die dafür in der Literatur gefundenen Sprachregelungen weichen zwar im Detail auch inhaltlich voneinander ab. Ob aber von der Herstellung praktischer Konkordanz427 gesprochen wird oder von der Optimierung der Daseinsvorsorge durch Wettbewerb,428 deutlich wird stets das Zusammenwirken beider Gesichtspunkte. Allerdings wird durch den sich im Begriff „Dienst(leistung)e(n) von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ zeigenden Leistungsbezug des Gemeinschaftsrechts deutlich, dass die Einrichtung eines ausschließlichen „Staatssektors“ bei der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen nur schwer mit der grundsätzlichen Vorstellung des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist. Aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive ist selbst unter Beschränkung auf eine bloße Missbrauchskontrolle durch die Kommission429 425 R. Dohms, Die Bedeutung des Art. 86 n.F. EGV, Rn. 43; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 83 f. 426 E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (515). 427 M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 192; J. Schwarze, in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (22); in ähnlichem Zusammenhang auch R. Schmidt, Die Verwaltung 28 (1995), S. 281 (313); ablehnend dazu M. Ronellenfitsch, in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (94). 428 Chr. Koenig, EuZW 2001, 481; W. Weiß, EuR 2003, 165 (189); dahingehend auch J. Kühling, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 138 (140 f.); kritisch aber S. Broß, JZ 2003, 874 (875). 429 EG-Kommission, KOM(2000) 580 endg., S. 3, 11; S. Albin, DÖV 2001, 890 (895); R. Bocklet, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (16); J. Kühling, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 138 (141); Chr.-E. Palmer, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 9 (11 f.); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 328. Kritisch unter Verweis auf die Aufgabe der Kommission aber Wissenschaftlicher Beirat, „Daseinsvorsorge“ im europäischen Binnenmarkt, S. 16.

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kaum ersichtlich, weshalb ein grundsätzlicher Ausschluss der Grundfreiheiten und des Wettbewerbsrechts bei gemeinwohlorientierten Leistungen erfolgen sollte. Allerdings handelt es sich dabei bereits um über den Wortlaut des Gemeinschaftsrechts hinausgehende Schlüsse. Im Grundsatz ist dieses, nicht zuletzt wegen Art. 295 EGV, im Hinblick auf staatliche Eigenerbringung oder eine bloße Gewährleistung neutral.430 In seinen praktischen Auswirkungen zeigt es jedoch eine deutlich Tendenz zulasten traditioneller, leistungserbringerbezogener Daseinsvorsorge und damit zugunsten einer Beschränkung der Staatstätigkeit in diesem Bereich auf die nur konkurrierende Leistungserbringung. Letztlich bedeutet dies wegen der häufig damit verbundenen Schwierigkeiten in der nicht zuletzt durch nationales Recht eingeschränkten Praxis431 eine Zurückdrängung des Staates auf die gemeinschaftsrechtskonforme Definition zu erbringender Leistungen mit Gemeinwohlbezug und deren Gewährleistung. Der künftige politische Ansatz der Gemeinschaft in Bezug auf die Daseinsvorsorge, der zumal für die Praxis von ebensolcher Bedeutung wie die rechtliche Regelung ist, ist vor allem aus den Äußerungen der Kommission zur Daseinsvorsorge ersichtlich. Diese zeichnen sich, obwohl die zweite Kommissionsmitteilung vom 20. 9. 2000 stark durch die deutschen Bundesländer beeinflusst ist, durch einen wettbewerbs-, innovations-, offenmarktfreundlichen Kontext aus.432 Weitere Liberalisierungstendenzen sind absehbar,433 zumal die Liberalisierungen im Stromund Telekommunikationsbereich zu sowohl qualitativen als auch preislichen Verbesserungen für die Verbraucher und zu Effizienzsteigerungen geführt haben.434 Der ordnungspolitisch überwachte Wettbewerb wird im Daseinsvorsorgebereich zum Regelfall.435 Insoweit lässt sich auch durchaus von einem gestalterisch-politischen Zugriff der EG auf die Daseinsvorsorge436 sprechen. Für die Mitgliedstaaten bedeutet dies zum einen, dass einige von ihnen angebotene Leistungen in der über430 M. Nettesheim, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 39 (52, insbes. Anm. 53). 431 Dazu am Beispiel des Zusammenwirkens von EG-ÖPNV- und Gemeindewirtschaftsrecht unten H.III.3. 432 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (42). G.F. Schuppert, in: FS H. Wollmann, S. 399 (410), hält daher den Gewährleistungsstaat wohl zutreffend für das der Kommission vorschwebende Staatsbild. 433 R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427; H.-J. Duppré, Der Landkreis 2001, 3. M. Moraing, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 41 (44), sieht sogar einen zunehmenden faktischen Vorrang des Wettbewerbsprinzips; dahingehend auch Th. Kapp, in: B. Fabry / U. Augsten, Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, S. 141. 434 R. Bocklet, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (17); R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (52); A. Möhlenkamp, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 155 (158); R. Schmidt, in: FS K. Vogel, S. 21 (44); J. Schwarze, in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (23); K. v. Wogau, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 111 (112); ohne sektorale Einschränkungen EG-Kommission, KOM(2001) 598, S. 19. 435 Vgl. R. Maaß, Wettbewerb, S. 147. 436 So M. Burgi, in: H.-G. Henneke, Verantwortungsteilung, S. 90 (115).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

kommenen Form nicht mehr als gemeinschaftsrechtskonform betrachtet werden.437 Zum anderen könnte durch die Aktivitäten der Gemeinschaft ein Funktionswandel der Mitgliedstaaten folgen. Statt der Möglichkeit von Vorsorge und eigener wirtschaftlicher Betätigung könnten diese faktisch weitgehend auf „Nachsorge“ und Kontrolle festgelegt werden.438 Durch den nach den bislang vorliegenden Erfahrungen in jedem Fall mit einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung verbundenen Gewinn an Transparenz, gerät auch das in einigen Bereichen bestehende „Biotop des gegenseitigen Gebens und Nehmens in der Daseinsvorsorge“ in Gefahr.439 Zumindest insoweit dürfte sich eine einheitliche positive Bewertung durchsetzen.

III. Nationales Recht 1: traditionelle verfassungsrechtliche Aspekte Aus dem vorhergehenden Abschnitt wurde deutlich, dass das Europarecht keine bindende Entscheidung über die Art der Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen trifft. Zwar lässt sich zumindest faktisch eine gewisse Bevorzugung des Modells des Gewährleistungsstaats gegenüber demjenigen traditioneller, also im Zweifel staatlicher Daseinsvorsorge erkennen. Deutlich wird dies insbesondere auch an der sekundärrechtlichen Ausgestaltung des Telekommunikationsbereichs, der grundsätzlich als Markt begriffen wird. Beachten die Mitgliedstaaten jedoch die Anforderungen des EGV und nehmen sie die gegebenen Ausnahmemöglichkeiten in Anspruch, besteht eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Wie diese auszufüllen ist, richtet sich nach dem jeweiligen nationalen Recht. Wie sich dieses in der Bundesrepublik Deutschland darstellt, ist im Folgenden zu untersuchen. Die Betrachtung der rechtlichen Regelung des Daseinsvorsorgebereichs weist zwei Besonderheiten auf. Zum einen lässt der problematische und allein deskriptive Begriff der Daseinsvorsorge eine klare rechtliche Fassbarkeit nicht zu. Die Vielzahl der Aufgaben lässt sich einer Vielzahl von Regelungen zuordnen, die im Einzelnen voneinander abweichen. Es ist daher bezogen auf den gesamten Bereich nur eine relativ undifferenzierte Betrachtung möglich. Diese ist dennoch nicht sinnlos. Vielmehr ist der allen der Daseinsvorsorge zugeordneten Aufgaben inhärente rechtliche Kern herauszustellen. Es gilt also, den „Allgemeinen Teil“ der Regelung des Daseinsvorsorgebereichs aufzuzeigen. Zum anderen muss eine Anknüpfung an der seit Jahrzehnten mit unterschiedlicher Intensität in Wissenschaft und Praxis geführten Privatisierungsdiskussion erfolgen. Der Übergang von traditioneller Daseinsvorsorge zum Gewährleistungsstaat ist notwendigerweise durch 437 R. Dohms, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 41 (50); A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438. 438 J. Schwarze, in: ders., Daseinsvorsorge, S. 9 (21 f.). 439 Ch.B. Blankart, WuW 2002, 340 (351).

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Privatisierungen geprägt. Es sind daher die insoweit angestellten allgemeinen Erwägungen auf den Bereich der Daseinsvorsorge zu übertragen. Die dankbare Aufgabe der Übernahme und gegebenenfalls bereichsspezifische Anpassung von Ergebnissen stellt sich dabei nicht. „Ergebnisse“ liegen zumeist jeweils nur aus Sicht der einzelnen Diskussionsteilnehmer vor.440 Von einer Übereinstimmung in der Sache kann nicht gesprochen werden. Vielmehr befindet sich derzeit vieles erneut im Fluss, das in früheren Diskussionsstadien als geklärt betrachtet worden war. Es ist daher zwingend, im Folgenden Fragestellungen der Privatisierungsdiskussion aufzunehmen und zu ihnen Stellung zu beziehen. Dennoch soll kein neuer Beitrag unter dem Titel „Privatisierung“441 verfasst werden. Auf allgemeine einführende Ausführungen zu einzelnen Problembereichen wird daher soweit möglich verzichtet und insgesamt eine möglichst knappe Darstellung bevorzugt. Insoweit ist auf die zahlreiche und in den Anmerkungen angeführte Literatur zu verweisen. Ziel ist es vor allem, den „Daseinsvorsorgegehalt“ der einzelnen Bestimmungen und ihre Aussage über die Organisation des Bereichs herauszufinden. Kaum für die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen in der Praxis, durchaus aber für die Frage der rechtlichen Möglichkeit des Übergangs zum Gewährleistungsstaat von Bedeutung ist das Verfassungsrecht. Indem es eine bestimmte Vorstellung von Staatlichkeit festschreibt, ist es in letzter Instanz auch maßgeblich für die Organisation der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen. Es bildet daher den Schwerpunkt der folgenden Untersuchungen. Daneben ist auf einige allgemeine Bestimmungen des sonstigen Bundes- und Landesrechts einzugehen. Deren Bedeutung ist im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung wegen ihrer leichteren Abänderbarkeit und der Abhängigkeit von der verfassungsrechtlichen Entscheidung jedoch deutlich geringer. Einführend ist jedoch danach zu fragen, ob unabhängig von den rechtlichen Regelungen eine „Staatsaufgabe Daseinsvorsorge“ besteht. 1. „Staatsaufgabe“ Die Vorstellung von zumindest weitgehend rechtsunabhängigen Staatsaufgaben als gleichsam normative Kategorie ist erst in neuerer Zeit wieder aus der juristischen Vergessenheit hervorgeholt worden.442 Damit wurde eine in der Privatisierungsdiskussion bereits seit längerem für beantwortet erachtete Frage erneut gestellt. Diese lautet zum einen, ob es Aufgaben gibt, deren Erfüllung wesensmäßig nur oder zumindest vor allem dem Staat obliegen kann, zum anderen, sofern dies bejaht wird, um welche Aufgaben es sich dabei handelt. Von besonderem Interesse 440 Vgl. etwa den Überblick bei A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (63 f.). 441 So der Titel der umfassenden Habilitationsschrift von J.A. Kämmerer. 442 Vgl. insbesondere Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2001; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben: Privatisierungsentscheidungen im Lichte einer grundrechtlichen Staatsaufgabenlehre unter dem Grundgesetz, 2002.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

ist dabei gemäß der hier behandelten Themenstellung, ob die Daseinsvorsorge eine solche sein kann oder auch muss.

a) Begriffsbestimmung Ein überzeugender und vor allem feststehender Begriff der Staatsaufgabe ist nicht vorhanden.443 Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit soll er aber die Sachzuständigkeiten des Gemeinwesens Staat444 in Abgrenzung445 zu öffentlichen Aufgaben bezeichnen, die auch durch gesellschaftliche Gruppen und Verbände erfüllt werden können.446 Zwar ist auch der Begriff der „Öffentlichen Aufgabe“ unscharf.447 Während er in einem weiteren Verständnis auch den Oberbegriff zur „Staatsaufgabe“ bilden kann und insofern aufgabenträgerneutral ist, meint er im engeren Sinne die Zuständigkeit der Gesellschaft für die Vornahme bestimmter Tätigkeiten.448 Für eine Negativabgrenzung ist er jedoch in seinem engeren Verständnis durchaus geeignet. Allerdings setzt die Unterscheidung von Staatsauf443 Vgl. schon H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11. Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 31, bemängelt daher die Unschärfe des Begriffs Staatsaufgabe. 444 Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 317; R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (30). 445 Kritisch dazu J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 33 ff.; A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 28 f. Auf die fehlende klare Abgrenzung von öffentlichen und Staatsaufgaben weist auch H.H. Klein, DÖV 1965, 755 (756 f.), mit einigen eindrucksvollen Beispielen aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hin. 446 H.H. Klein, DÖV 1965, 755 (758); R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (220); K.-P. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 365. Zum Verhältnis der Begriffe in Rechtsprechung und Literatur vgl. statt vieler zusammenfassend G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 108 f. 447 Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 319 ff.; A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (273); ablehnend zu seiner Verwendung Chr. Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 14; allgemein zum Aufgabenbegriff A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 6; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 29; E. Mäding, Die Verwaltung 6 (1973), S. 257 (257 ff.). Problematisch ist auch, dass der Aufgabenbegriff auf die Erreichung von Zielen gerichtet ist, vgl. H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 44; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 30; G. Gaentzsch, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 12 f.; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 31, so dass auch eine Pflichtengebundenheit nahe liegt, so G. Gaentzsch, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 12; M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (228); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 26. Eine eigenständige Pflichtengebundenheit der Gesellschaft zur Erreichung bestimmter Ziele ist jedoch nicht begründbar. Zur Parallelproblematik im Hinblick auf den Verantwortungsbegriff siehe unten D.II.1. b). Darüber hinaus besteht zumindest in der politischen Diskussion das Problem, dass die bloße Bezeichnung als öffentliche oder staatliche Aufgabe geeignet ist, eine inhaltliche Begründung zu ersetzen, so schon H.H. Klein, DÖV 1965, 755. 448 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 303; ähnlich W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 25. Zur Unterscheidung auch M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (227 ff.).

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gaben und öffentlichen Aufgaben im engeren Sinne die Unterscheidbarkeit von Staat und Gesellschaft voraus. Zwar wird diese heute vielfach geleugnet.449 Als Ansatzpunkt für die Begründung einer Staatsaufgabenlehre ist sie jedoch unerlässlich. Gemeinsam ist beiden Aufgabentypen, dass ein öffentliches Interesse an ihrer Erfüllung gegeben ist, letztlich also das Gemeinwohl in Frage steht.450 Es werden daher häufig zwei Arten von Staatsaufgaben unterschieden. So soll es zum einen allein dem Staat zugeordnete Aufgaben geben, zum anderen konkurrierende Aufgaben, deren Erfüllung auch durch die Gesellschaft geschehen kann.451 Diese Unterscheidung wird jedoch erst dann relevant, wenn überhaupt vom Vorliegen einer Staatsaufgabe gesprochen werden kann. Weiterhin ist die Kategorie der Staatsaufgabe von derjenigen des Staatszwecks abzugrenzen. Letztere ist die Lehre von der Rechtfertigung bzw. Legitimation des Staates.452 Verdeutlicht werden soll insoweit der Grund der Staatlichkeit. Indem sich aus dem Staatszweck konkrete Staatsaufgaben im Idealfall ableiten lassen, ist der Begriff des Staatszwecks zugleich umfassender als derjenige der Staatsaufgabe. Mit dem Aufkommen des modernen Verfassungsstaats hat der Staatszweckgedanke jedoch nahezu jegliche Bedeutung verloren. Auch in den neueren Versuchen der Begründung einer Staatsaufgabenlehre hat er nahezu keinerlei Bedeutung. Einen zumindest sprachlichen Bezug weist der Begriff der Staatsaufgabe auch zu demjenigen des Staatsziels auf. Dabei handelt es sich um eine erst im Hinblick auf verfassungsrechtliche Anforderungen entwickelte Kategorie. Im verfassungsrechtlichen Rahmen gelingt auch eine Verknüpfung von Staatszielen und Staatsaufgaben mühelos. Staatszielbestimmungen lassen sich Hinweise für Staatsaufgaben entnehmen.453 Typischerweise sind danach Staatsziele verfassungsrechtlich, Staatsaufgaben dagegen einfachgesetzlich normiert. Staatsaufgaben konkretisieren nach dieser Konzeption Staatsziele.454 Eine eigenständige Bedeutung Vgl. ausführlicher dazu unten D.I. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 43 f. Der Schluss vom öffentlichen Interesse an der Erfüllung einer Aufgabe auf die staatliche Zuordnung ist daher verfehlt, vgl. B. Börner, BayVBl. 1971, 406 (408); ähnlich W. Löwer, Energieversorgung, S. 173 f. 451 Kritisch zu dieser Unterscheidung W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 27. 452 Vgl. statt vieler H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (12); ebenso Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 51, 53, der aber auf die Zusammenhänge zwischen Staatszwecken und -aufgaben hinweist, die einer klaren begrifflichen Abgrenzung letztlich im Wege stehen. Der in der Politikwissenschaft bevorzugte Begriff der „Staatsfunktion“, vgl. Arthur Benz, Der moderne Staat, S. 97, bleibt vorliegend außer Betracht. Er entspricht nicht völlig dem Staatszweckbegriff, steht diesem jedoch näher als demjenigen der Staatsaufgabe. 453 G. Gaentzsch, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 62 f.; J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 37; R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (40); ähnlich H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 44 f.; P. Häberle, AöR 111 (1986), S. 585 (602), mit Hinweis auf neuere ausländische Verfassungen. 454 Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 193; kritisch W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 81 f. 449 450

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kommt dem Begriff der Staatsaufgabe somit grundsätzlich nicht zu. Die Charakterisierung einer Tätigkeit als „Staatsaufgabe“ ist somit rein deklaratorisch. Damit kann sich jedoch eine von rechtlichen Regelungen weitgehend unabhängige Staatsaufgabenlehre nicht abfinden. Nach dieser müssen verfassungsrechtliche Staatsziele und Staatsaufgaben grundsätzlich nebeneinander stehen. Eine klare Abgrenzung ist kaum möglich.

b) Begründung Forsthoff betrachtete die Daseinsvorsorge als staatliche Komplementärfunktion zur Ergänzung der gesellschaftlichen Daseinsstabilisierung.455 Er begriff sie somit als feststehende Staatsaufgabe, die unabhängig von der jeweiligen Verfasstheit des Staates von diesem zu bewältigen sei. Dies steht in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit: Bestimmte Arten von Aufgaben werden in allen Staaten unabhängig von Verfassung und politischem System wahrgenommen. Darunter fällt auch die Bereitstellung eines Mindestmaßes an Versorgungsleistungen oder zumindest deren Sicherstellung bezüglich elementarer Lebensbedürfnisse und der Verkehrswege.456 Faktisch war und ist stets eine staatliche Bedürfnisvorsorge gegeben.457 Mit Recht lassen sich soziale Ausrichtung und Vorsorge als „Wesenselement(e) des modernen westeuropäischen Staates“458 bezeichnen. Dennoch wird die Daseinsvorsorge nicht zum Kernbereich „genuiner Staatsaufgaben“459 gerechnet,460 auch wenn das Bestehen eines solchen angenommen wird. Dieser werde vielmehr durch Landesverteidigung, Auswärtige Gewalt, Polizei, Finanzverwaltung, aber auch die Währungshoheit461 sowie durch Gesetzgebung und Justiz462 gebildet. Sämtliche dieser Aufgaben seien unmittelbar in der staatE. Forsthoff, Rechtsfragen, S. 21. Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 40; ähnlich auch schon H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 102. 457 R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 115. 458 G. Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 56 (102). 459 Ähnlich Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 53, der von einem „Kern an ,notwendigen‘ oder ,originären‘ Aufgaben“ des Staates spricht, die unmittelbar aus der Staatlichkeit folgen sollen; dahingehend ohne nähere Konkretisierung auch M. Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705 (708); kritisch aber H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (30). 460 Ähnlich H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 3: keine klassische Staatsaufgabe. 461 J. Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 163 (174); kritisch zu letzterem H. Siekmann, in: FS K. Stern, S. 341 (356). 462 A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 38, mit weiteren Nachweisen von als Kernaufgaben angesehener Staatstätigkeit; konzeptionell ebenso mit etwas anderer Schwerpunktsetzung auch K. Stern, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 5 (16); D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 154. 455 456

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lichen Souveränität angelegt.463 Die Nichterwähnung der Daseinsvorsorge in diesem Zusammenhang steht jedoch einem Verständnis dieser als Staatsaufgabe nicht entgegen,464 wenn sie möglicherweise auch nicht eine solche ersten Ranges darstellt. Dies wird durch die Betrachtung der übergeordneten Staatszwecke des freiheitlichen Verfassungsstaats der Neuzeit nach dessen eigenem Selbstverständnis deutlich. Diese sind vor allem die Verpflichtung auf das Gemeinwohl, die Sicherung des Friedens, die Herstellung von Wohlfahrt im weitesten Sinn sowie die Gewährleistung der Freiheit des Einzelnen.465 Als oberster Zweck aller Gemeinschaften, insbesondere aber des Staates, wird damit die Förderung des Wohls der Mitglieder bzw. Einwohner deutlich.466 Zu diesen Zielen, mit Einschränkungen im Hinblick auf die Friedenssicherung, die insofern nur als Aufrechterhaltung des inneren Friedens betroffen sein kann, weist die Daseinsvorsorge Bezugspunkte auf. Betrachtet man es zudem als staatliche Aufgabe, durch geeignetes Tätigwerden kritische Lagen zu verhindern, um ein andernfalls notwendiges repressives, möglicherweise dann nicht mehr mögliches Eingreifen zu verhindern und erstreckt diese Überlegungen auch auf den Bereich der Wohlfahrtspflege, so ist der Schluss, der Staat müsse ein Mindestmaß an Versorgung von Existenzwichtigkeiten sicherstellen,467 durchaus berechtigt und kann auch die Daseinsvorsorge umfassen. Gleiches gilt für die, im Hinblick auf die Formulierung zwar heute etwas veraltet klingende, hinsichtlich der zugrunde liegenden Problematik jedoch gleich gebliebene Einschätzung, Staatsaufgaben seien die Schaffung der Voraussetzungen und die Lösung der Folgeprobleme der kapitalistischer Wirtschaftsordnung.468 Für die Einordnung als Staatsaufgabe spricht schließlich auch die Annahme einer kollektiven und politischen Daseinsverantwortung, die einen Handlungsauftrag an Verwaltung und Gesetzgebung enthält, zur Abhilfe der individuell nicht zu überwindenden sozialen Bedürftigkeit,469 wobei sich die staatliche Verantwortung insbesondere aus einer Sicherstellungsunfähigkeit der Gesellschaft ergeben könnte, wie dies am offensichtlichsten bei Hoheitsaufgaben der Fall ist.470 Auf Grundlage dieser Erwägungen liegt es nahe, die Daseins- wie auch die Wachstums- und FortschrittsK. Stern, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 5 (23). Dagegen geht H.H. Klein, DÖV 1965, 755 (758), davon aus, dass wegen des Gewaltmonopols des Staates einzig obrigkeitliche Maßnahmen originäre Staatsaufgaben sein könnten; kritisch zum staatlichen Gewaltmonopol aber Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 275 ff.; für den Einschluss von Leistungsaufgaben M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (91).; ders., VerwArch 92 (2001), S. 293 (295). 465 H.-Chr. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 (18); vgl. ähnlich aus politikwissenschaftlicher Perspektive Arthur Benz, Der moderne Staat, S. 97 ff. 466 H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 40. 467 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 770. 468 So W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 45. 469 G.F. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 96. 470 P. Badura, DÖV 1966, 624 (630); R. Scholz, in: FS H.F. Zacher, S. 987 (994). 463 464

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

vorsorge als genuin staatliche Aufgaben zu betrachten,471 sie mithin als Staatspflichtaufgabe472 anzusehen. Letztendlich soll auch die Ideengeschichte für ein solches Verständnis sprechen.473 Die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen ist damit zwingend dem Staat als Staatsaufgabe zugeordnet. Weniger weitgehend und damit offener für Reformen ist eine Ansicht, nach der grundsätzlich nur die Gewährleistung dafür, dass eine öffentliche Aufgabe erfüllt wird, Staatsaufgabe ist.474 Selbst als notwendig betrachtete Staatsaufgaben müssten nicht zwingend zu einem staatlichen Monopol führen475 bzw. überhaupt durch Staat selbst erbracht werden.476 Unabhängig von den damit verbundenen Definitions- und Zuordnungsproblemen ermöglicht sie ein flexibles Engagement des Staates auf unterschiedlichen „Verantwortungsstufen“,477 das rechtlich eingebunden und gesteuert werden kann. Damit verbunden ist allerdings eine Entmaterialisierung des nicht nur nachvollziehenden Staatsaufgabenbegriffs.

c) Problematik Letztlich handelt es sich bei der Betrachtung der Daseinsvorsorge als feststehende Staatsaufgabe jedoch um einen Fehlschluss, der auf naturrechtlichen Vorstellungen basiert478 und zudem vom jeweiligen Staats(vor)verständnis geprägt ist.479 Problematisch ist dabei weniger der konkrete Bereich. Insoweit sind die vorgebrachten Argumente durchaus nachvollziehbar, teilweise sogar überzeugend. Ansatzpunkt der Kritik ist vielmehr die Annahme eines feststehenden, allgemein471 R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 144; ähnlich M. Ronellenfitsch, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 118 (119); ders., VerwArch 92 (2001), S. 293 (295). 472 J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 38. 473 E. Mäding, Die Verwaltung 6 (1973), S. 257 (263); dahingehend implizit auch Arthur Benz, Der moderne Staat, S. 101, der aber hervorhebt, dass mit der Qualifikation als Staatsaufgabe bzw. -funktion noch „kein Niveau wohfahrtsstaatlicher Leistungen definiert“ sei. 474 W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 291. Dahin tendiert auch, allerdings ohne expliziten Bezug zu einer Staatsaufgabenlehre, R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (31), wonach sich auch aus der Bezeichnung einer Aufgabe als Staatsaufgabe nicht Art und Grad der Erfüllung ergäben. 475 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 29; G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 113. 476 M. Gädeke, Staatliche und private Entsorgungsverantwortung, S. 200; ähnlich H. Lecheler, BayVBl. 1994, 555 (558); U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 53; entsprechend für die kommunale Ebene M. Scholl, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 85 (96); dahingehend wohl auch M. Ronellenfitsch, in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (74 ff.). 477 Siehe dazu oben B.IV.1. a). 478 H.-Chr. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 (11). 479 F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (152); ähnlich M. Gädeke, Staatliche und private Entsorgungsverantwortung, S. 200.

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gültigen Katalogs von Staatsaufgaben. Einen solchen gibt es nicht und kann es angesichts der Verschiedenheit der durch die unterschiedliche Einordnung der jeweiligen Staatssituation in historischer, politischer und kultureller Hinsicht sowie des gesellschaftlichen Entwicklungsstandes ebenso wenig geben, wie eine unwandelbare Vorstellung vom Staat selbst und den von ihm ausgehenden Wirkungen.480 Vielmehr ergeben sich die Aufgaben eines Staates von Einzelfall zu Einzelfall, wobei neben der aktuellen wirtschaftlichen, sozialen oder gesellschaftlichen Lage und den daraus folgenden Bedürfnissen,481 die ein staatliches Tätigwerden im Extremfall zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens erfordern kann, eine starke Abhängigkeit von der philosophisch-politischen Grundkonstellation482 und den darauf beruhenden, insbesondere in der Verfassung zum Ausdruck gebrachten positiven und negativen Wertungen483 besteht. Im Verfassungsstaat setzt die Verfassung den Rahmen für die Bestimmung der Aufgaben des Staates.484 Die Existenz „originärer“ Staatsaufgaben außerhalb der Verfassung wird daher im Gegensatz zu notwendigerweise der Verfassung vorgelagerten Staatszwecken485 verbreitet für „undenkbar“486 gehalten. Die Unmöglichkeit einer abstrakten Staatsaufgabenlehre 487 folgt zwingend aus der andernfalls eintretenden Gefahr einer „doppelten Verfassungsordnung“, innerhalb derer die Staatsaufgaben notwendigerweise als „Superverfassungsrecht“ anzusehen wären, die überdies in Konflikt mit den verfassungsrechtlichen Bestimmungen treten488 480 F.-X. Kaufmann, in: D. Grimm, Staatsaufgaben, S. 15 (16); K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (53); ebenso in Bezug auf Staatszwecke H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (13). 481 P. Badura, DÖV 1968, 446; J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 36. 482 G. Hesse, Staatsaufgaben, S. 409; E. Rosenthal, Der Wandel der Staatsaufgaben, S. 4; K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 13; W. Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 167. 483 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 9; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 34; M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 49; J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 37; P. Häberle, AöR 111 (1986), S. 585 (600 f.); G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 110; J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1045); S. Pieper, Subsidiarität, S. 116; H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (16); zur historischen Einbettung siehe H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 18 f. Auch die Verfassung kann jedoch je nach ihrer Konzeption als freiheits- oder gemeinwohlorientierte oder hinsichtlich ihres sachlichen Regelungsumfangs hinsichtlich bestimmter Fragen „ratlos“ sein, vgl. punktuell etwa in Bezug auf die Funktionsausweitung des Wohlfahrtsstaats D. Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, S. 613 (636). Zu weit dürfte es jedoch gehen, die staatliche Kompetenz-Kompetenz in Art. 1 III GG zu verankern, so aber M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 52 ff. 484 G. Gaentzsch, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 10. 485 Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 193. 486 Vgl. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 34; ähnlich G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 114. 487 G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 44 f.; M. Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 49 ff. 488 W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 64.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

und sich gegenüber diesen durchsetzen könnten. Für die Bestimmung von Staatsaufgaben ist somit vor allem auf die Bestimmungen des Grundgesetzes abzustellen.489 Insoweit stellt sich jedoch ein weiteres Problem. Das Grundgesetz enthält kaum ausdrückliche Staatsaufgabennormen.490 Ebenso fehlt es an Vorschriften, denen unmittelbar zu entnehmen ist, unter welchen Voraussetzungen eine Aufgabe als Staatsaufgabe anzusehen ist.491 Zwar werden „staatliche Aufgaben“ mehrfach erwähnt,492 ein Verfassungsvorbehalt für Staatsaufgaben existiert jedoch nicht.493 Vielmehr ist der staatliche Aufgabenbestand verfassungsrechtlich offen.494 Anhaltspunkte für die Erkennung bzw. Erfindung von Staatsaufgaben bieten jedoch etwa die Präambel, die Grundrechte oder die Staatszielbestimmungen. 495 Umstritten ist darüber hinaus, inwieweit die Kompetenznormen der Art. 70 ff.496 und 83 ff.497 GG eine Aussage über Staatsaufgaben treffen. Diese lassen jedoch zumindest erkennen, dass staatliches Tätigwerden und somit die Formulierung einer Staatsaufgabe in den betreffenden Bereichen vom Grundgesetz als legitim erachtet wird.498 489 Vgl. W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 53 ff., der sich gleichwohl um die Entwicklung einer Staatsaufgabelehre bemüht. 490 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 9; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 31; Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 41; R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (32). 491 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 31. 492 Art. 24 Ia, 30, 87 III 2, 87e I 2, 87 f. II 2, 91a I, 104a I, 33 IV GG. 493 R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (35); ebenso Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 48. 494 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 75; S.R. Laskowski, ZUR 2003, 1 (3); H. Lecheler, BayVBl. 1994, 555 (558); L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (207); Chr. Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 8. 495 Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (355); H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (20 f.). 496 So wird einerseits angeführt, dass diesen nur eine Aussage über die bundesstaatliche Zuständigkeit aber nichts über Staatsaufgaben allgemein entnommen werden könnte. Zudem seien sie in sich sehr heterogen, vgl. Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 66. Dagegen wird vorgetragen, dass jedenfalls einige Bestimmungen in Art. 74 GG so formuliert seien, dass sie „staatliche Aktivität zumindest erwarten lassen“, so K. Stern, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 5 (16). 497 Diese weisen auf die Aufgabenerfüllung mit Mitteln staatlicher Verwaltung hin, vgl. Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (356). Ob ihnen allerdings eine Verpflichtung entnommen werden kann, die betreffenden Bereiche nicht der Privatwirtschaft zu überlassen, so Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 54; G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 125, erscheint jedoch zweifelhaft. Nach R. Hofmann, VBlBW 1994, 121 (123); F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (163); F.-J. Peine, DÖV 1997, 353 (356); F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (969); K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 237, fehlt es an einer Aussage hinsichtlich der Modalitäten der Aufgabenerfüllung. 498 H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (21); ähnlich H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 152 ff.; G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 124. H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 52, weist jedoch zutreffend darauf hin, dass keine Gleichsetzung von Kompetenzen und

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Diese verfassungsrechtliche Offenheit scheint entgegen den obigen Ausführungen darauf hinzudeuten, dass die Verfassung zwar ein wichtiger, nicht aber der einzige Bezugsrahmen für Staatsaufgaben sein könnte.499 Möglich erscheint sogar ein Verständnis dahingehend, dass das Grundgesetz bewusst Raum für andere Grundlagen für Staatsaufgaben außerhalb des gesetzten Rechts lässt. Die Ableitung von Staatsaufgaben könnte dann auch aus der vorverfassungsrechtlichen bzw. einer verfassungsunabhängigen Sphäre erfolgen.500 Dies ist jedoch abzulehnen. Ohne explizite Öffnungsklauseln im Verfassungstext ist ein solcher Schluss nicht möglich. Zudem verkennt er die Funktion des Grundgesetzes als rechtliche Grundordnung des deutschen Gemeinwesens. Schließlich ist unbestritten, dass für Staatsaufgaben bei ihrer Wahrnehmung die Grundrechtsgeltung kennzeichnend ist.501 Bei Annahme eines „Überverfassungsrechts der Staatsaufgaben“ wäre dies dogmatisch jedoch nahezu unbegründbar, es sei denn, diesem ließe sich insoweit die Anordnung eines Geltungsvorrangs der Grundrechte entnehmen bzw. diese würden ebenfalls auf die überverfassungsrechtliche Ebene gehoben. Beide Ansätze überzeugen allerdings nicht. Während der erste Ansatz an seiner Unbestimmtheit und Beliebigkeit scheitern muss, kann der zweite zusätzlich zu Problemen insoweit führen, als dass durchaus Spannungen zwischen den „überverfassungsrechtlichen“ und den grundgesetzlichen Grundrechten auftreten könnten, die zur Aufrechterhaltung des Systems zulasten der geschriebenen gelöst werden müssten. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Konzeption des Grundgesetzes.502 Es bleibt daher bei dem, wenn auch im Hinblick auf die Möglichkeit der theoretischen Konstruktion einer in sich geschlossenen Staatsaufgabenlehre unbefriedigenden aber hinzunehmenden Ergebnis, dass die Begründung von Staatsaufgaben außerhalb des Rechts nicht erfolgen kann. Die Entscheidung über Staatsaufgaben ist vielmehr eine politische503 EntAufgaben erfolgen darf. Zu unterscheiden ist insoweit auch zwischen der Aufgabe der staatlichen Leistungserbringung und derjenigen der Regelformulierung, vgl. W. Löwer, DVBl. 1991, 132 (136). 499 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 75. 500 So Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 81. Dieser entwickelt zur Bestimmung von Staatsaufgaben außerhalb der Verfassung eine „Theorie notwendiger Staatsaufgaben“, die eine Staatsaufgabe immer dann bejaht, wenn „öffentliche Güter im juristischen Sinn“ gegeben sind, die sich in mehrere Sektoren mit unterschiedlicher Gewichtigkeit einteilen lassen. Leitlinien für eine staatliche Einstandspflicht sind eine kollektiv als unerträglich bewertete Mangelsituation, die wegen seiner rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten theoretisch überlegene Effektivität der Güterbereitstellung für alle durch den Staat, die Verpflichtung auf gerechte, d. h. grundrechtskonforme, Zugangsregulierung, sowie die Erhaltung und Anpassung der Güterversorgung im Gesamtsystem staatlicher Güterbereitstellung, vgl. S. 190 ff., zusammenfassend S. 335 ff. 501 Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 317. 502 H.H. v. Arnim, Staatslehre, S. 471, lehnt vor allem wegen der anthropozentrischen Ausrichtung des Grundgesetzes die Möglichkeit von Staatsaufgaben „an sich“ ab. 503 M. Scholl, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 85 (91), stellt dies klar in Bezug auf die Definition des öffentlichen Interesses und des öffentlichen Zwecks heraus; ebenso aus politikwissenschaftlicher Perspektive Arthur Benz, Der moderne Staat, 12*

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

scheidung der zuständigen politischen Organe innerhalb der Grenzen504 der Verfassung.505 Der Staat bestimmt damit letztlich selbst, was Staatsaufgaben sind.506 Im Rahmen der Verfassung darf sich Staat daher auch wieder von einmal übernommenen Aufgaben trennen.507 Aufgabenkritik508 bzw. -reform509 sind daher grundsätzlich möglich und zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des Staates auch notwendig. Dass dabei in der Praxis häufig Probleme auftreten,510 rechtfertigt S. 192. Dagegen lässt sich auch nicht die faktische Parallelsituation in modernen Staaten anführen, aus der sich „selbstverständliche“ und „unwahrscheinliche“ Staatsaufgaben ableiten ließen, so aber C. Offe, in: D. Grimm, Staatsaufgaben, S. 317 (319 f.); ähnlich A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 103; und M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 38, der von „typischen“ Staatsaufgaben spricht, für die der Staat kompetent sein muss (Hervorhebung im Original); dahingehend wohl auch R. Hofmann, VBlBW 1994, 121 (122). Dabei handelt es sich allein um parallele politische Entscheidungen, die auf gleichartigen Problemstellungen basieren. Dass dabei im Einzelnen aber durchaus unterschiedliche Lösungen verfolgt werden können, hat nicht zuletzt der bereichsspezifische Überblick zur Daseinsvorsorge in den EG-Mitgliedstaaten (oben C.II.1. a) gezeigt. 504 Deren Bedeutung heben besonders J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 317, und K. Stern, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 5 (12), hervor. 505 Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (356); J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 37; F.-X. Kaufmann, in: D. Grimm, Staatsaufgaben, S. 15 (19); E. Mäding, Die Verwaltung 6 (1973), S. 257 (266); ders. / H. Tigges / H. Hack, Entwicklung der öffentlichen Aufgaben, S. 1; Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 318; F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (153); H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (29); kritisch dazu aus österreichischer Perspektive in Bezug auf die Verwaltung J. Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 163 (172 f.), der als Verwaltungsaufgaben nur diejenigen ansehen will, die dieser gesetzlich explizit oder sinngemäß übertragen wurden. Zum Prozess der Aufgabenentstehung vgl. etwa G. Gaentzsch, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 37 ff. 506 Th. v. Danwitz, Verfassungsfragen, S. 17; U. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (240); M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (228); R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (220 f.); U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 52. 507 S.R. Laskowski, ZUR 2003, 1 (3); E. Mäding / H. Tigges / H. Hack, Entwicklung der öffentlichen Aufgaben, S. 20a; L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (208); R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (211); F. Schoch, DVBl. 1994, 962. Weitergehend H. Lecheler, BayVBl. 1994, 555 (558), der auch auf die Möglichkeit von Verfassungsänderungen verweist. 508 Vgl. H.P. Bull, in: K. König / H. Siedentopf, Öffentliche Verwaltung in Deutschland, S. 343 (349 ff.); F. La Roche-Thomé, in: R. Pitschas / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 27 (39); E. Mäding, Die Verwaltung 6 (1973), S. 257 (274 ff.); K. Stern, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 5 (19); ausführlich dazu G. Gaentzsch, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 320 ff. 509 P. Bußjäger, Die Verwaltung 35 (2002), S. 223 (226 ff.), unter Skizzierung der Situation in Österreich. 510 H.P. Bull, in: K. König / H. Siedentopf, Öffentliche Verwaltung in Deutschland, S. 343 (344); Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 19; A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 40; Th. Würtenberger, in: E.-J. Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, S. 308 (317). Als Gründe werden insbesondere das Besitzstandsdenken auf Seiten des Staates und der privaten Profiteure sowie politische Interessen angeführt, vgl. D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 232. Insbesondere den letzten Punkt heben

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keine andere rechtliche Bewertung. Tatsächlich ist, nicht zuletzt im Bereich der historisch betrachtet noch immer relativ „jungen“ Daseinsvorsorge,511 in der Staatswirklichkeit ein stetiger Aufgabenwandel feststellbar.512 Der Begriff der Staatsaufgabe ist damit letztlich rein deskriptiv und bezeichnet verfassungs- oder einfachgesetzlich begründete und begrenzte Handlungskompetenzen des Staates.513 Der eine Vielzahl von Einzelaufgaben umfassende514 und zudem außerrechtliche Begriff der Daseinsvorsorge ist somit nicht geeignet, staatliche Kompetenzen aus sich selbst heraus zu begründen.515 Die Bezeichnung als „Staatsaufgabe“ knüpft zumindest in ihrem traditionellen Verständnis insoweit allein an der herkömmlichen Ausgestaltung der Daseinsvorsorge in der Rechtswirklichkeit an. Normative Kraft kommt diesem Verständnis jedoch nicht zu. Entscheidend ist allein die rechtliche, insbesondere die verfassungsrechtliche Ausgestaltung, die im Folgenden zu untersuchen ist.

2. Verfassungsrecht Der Begriff „Daseinsvorsorge“ wird im Grundgesetz ebenso wenig verwendet wie derjenige des „Gewährleistungsstaats“. Auch gibt es keine Norm, die explizit bereichsübergreifend die Rolle des Staates bei der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen beschreibt. Zurückzugreifen ist daher auf die allgemeinen Regelungen. Diese sind, wie im Rahmen der Privatisierungsdiskussion häufig, wenn auch nicht unter staatskonzeptionellen Gesichtspunkten, geschehen, auf ihre diesbezüglichen Aussagen zu hinterfragen. Unabhängig vom gefundenen Ergebnis ist jedoch bereits an dieser Stelle zu betonen, dass sich die konkrete Organisation bestimmter Aufgaben der Daseinsvorsorge vor allem nach den jeweils einschlägigen S. v. Bandemer / B. Blanke / J. Hilbert / J. Schmid, in: F. Behrens u. a., Den Staat neu denken, S. 41 (57), unter der plakativen Aussage „Abschied von der Allzuständigkeit . . . der Politik“ als besonders bedeutsam hervor. In größerem Umfang erscheinen aufgabenspezifische Veränderungen daher nur in Krisenzeiten machbar, G. Gaentzsch, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 325. 511 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 160. 512 G. Gaentzsch, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, S. 8; Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (424); E. Mäding, Die Verwaltung 6 (1973), S. 257 (269); Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 21. Gleiches gilt auch bezogen auf längere Zeiträume für Staatszwecke, vgl. H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (13); siehe auch G. Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 56 (69), der das Beispiel der Machterweiterung als noch im 19. Jahrhundert klassischem Staatszweck anführt; zur historischen Entwicklung zusammenfassend W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 57 ff. 513 L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (222). 514 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 62, spricht insoweit zutreffend von einem „Aufgabenfeld“. Dies entspricht auch dem hier vertretenen Verständnis als deskriptiver Sammelbegriff, vgl. oben A.II.3. b). 515 Ähnlich W. Löwer, DVBl. 1991, 132 (136).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Bestimmungen des Besonderen Verwaltungsrechts richtet. Diese müssen sich jedoch im Einklang mit den Vorgaben des Grundgesetzes befinden. Keinesfalls soll durch die folgenden Ausführungen der Eindruck erweckt werden, entscheidend für die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen sei allein und abschließend das Verfassungsrecht. Nur diesem als rechtliche Grundordnung des Staates kann aber eine Aussage über zulässige und unzulässige Konzeptionen für den Bereich der Daseinsvorsorge entnommen werden. Ausschließlich darauf bezieht sich die folgende Untersuchung. a) Grundrechte Als Ansatzpunkt für eine verfassungsrechtliche Verankerung der Daseinsvorsorge bieten sich zunächst die Grundrechte an. Nach Art. 1 III GG binden diese den Staat unabhängig von der Erscheinungsform seines Tätigwerdens. Indem sie über ihre ursprüngliche Abwehrdimension hinausgewachsen sind und auch objektive Wertentscheidungen enthalten,516 sind sie geeignet, grundlegende Aussagen über das Verhältnis von staatlicher und privater Erbringung von Leistungen zu treffen, die ihrerseits für die Grundrechtsverwirklichung von großer Bedeutung sind. Die insoweit auftretenden divergierenden Gefährdungs- und Interessenlagen machen es notwendig, die einzelnen Dimensionen der Grundrechte zunächst gesondert zu betrachten. Nicht von Interesse sind dabei die Gleichheitsgrundrechte. Der Anspruch auf Gleichbehandlung bei einer bestehenden staatlichen Leistung ist zwar ebenfalls grundrechtlich bedingt, führt aber im Hinblick auf die hier zu beantwortende Frage nach der Zulässigkeit oder Notwendigkeit des Bestehens staatlicher Leistungen nicht weiter. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher grundsätzlich nur auf Freiheitsgrundrechte.

aa) Abwehrrechtliche Dimension Die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte steht noch immer im Vordergrund. In erster Linie berechtigen diese den Einzelnen, vom Staat ein Unterlassen zu verlangen. Im Hinblick auf diese wichtigste Funktion erfolgte auch die Formulierung der einzelnen Grundrechte. Als Abwehrrechte gelten die Grundechte bei jeglicher staatlicher Betätigung, also auch im Bereich traditioneller staatlicher Daseinsvorsorge, unabhängig davon, ob diese verwaltungsförmig oder mittels öffentlicher Unternehmen erbracht wird. Die idealtypische Konfliktlage eines gezielten hoheitlichen Eingriffs in Rechte Privater stellt sich insoweit nicht. Nach außen stellt sich staatliche Daseinsvorsorge als wirtschaftliche Betätigung dar. Zunehmend und nicht immer frei von außerrechtlichen Interessen wird diese als mittel516 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rn. 3; R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (42); anders für die Rechtslage in Österreich M. Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 96.

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barer Eingriff in die als „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“517 charakterisierte Berufsfreiheit der in den jeweiligen Bereichen tätigen oder zumindest potentiell tätigen Unternehmer angesehen.518 Unbestritten ist, dass die Grundrechte auch Schutz vor faktischen, mittelbaren Eingriffen, die etwa bei staatlicher Leistungsverwaltung auftreten, bieten.519 Ob der Schutz der Berufsfreiheit jedoch tatsächlich soweit reicht, dass jegliche staatliche Wirtschaftstätigkeit einschließlich der Daseinsvorsorge als Grundrechtseingriff erscheint, ist fraglich. Auch nach h.M. ist eine Betroffenheit individueller Grundrechtspositionen bei staatlicher Wirtschaftstätigkeit gegeben,520 unabhängig davon, ob diese als erwerbswirtschaftlich oder gemeinwohlorientiert zu qualifizieren ist. Ein Eingriff wird in Übereinstimmung mit der zu Art. 12 GG entwickelten Dogmatik erst dann angenommen, wenn eine objektiv berufsregelnde Tendenz feststellbar ist. Das bloße Hinzutreten eines weiteren Konkurrenten genügt nicht.521 Die Grundrechte bieten demnach grundsätzlich keinen Schutz vor Wettbewerb, auch nicht durch die öffentliche Hand.522 Erforderlich sei vielmehr eine entweder qualitative, durch die Instrumentalisierung öffentlicher Unternehmen zur mittelbaren Steuerung Privater, und quantitative Relevanz, insbesondere durch die Verdrängung Privater,523 oder die Bevorzugung öffentlicher Unternehmen.524 Dies wird in der neueren Literatur häufig kritisiert. Es wird vorgetragen, die von der h.M. geforderten Voraussetzungen seien zu eng, da quasi nie einschlä-

P.J. Tettinger, DVBl. 1999, 679 (687). So etwa A. Krölls, GewArch 1992, 281 (283 f.); P.J. Tettinger, NJW 1998, 3473 (3474). 519 H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (277); U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (179); Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 24; P.J. Tettinger, DVBl. 1999, 679 (685). 520 M. Eumann, Organisationsrechtliche Probleme, S. 55; H.D. Jarass, Kommunale Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb, S. 18; W. Kluth, in: R. Stober / H. Vogel, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, S. 23 (28); Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 95; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 498 ff.; P. Selmer, in: R. Stober / H. Vogel, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, S. 75 (80); dahingehend auch H.-J. Papier, DVBl. 2003, 868 (689). 521 RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801 (802); J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1255); dahingehend auch B. Pieroth / B.J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (426); kritisch J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 511 ff. 522 BVerwGE 39, 329 (336 f.); 71, 183 (193); BVerwG, BayVBl. 1973, 49 (50); BayVGH, JZ 1976, 641 (642); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 222; J.F. Lindner, DÖV 2003, 185 (192); M. Moraing, WiVerw 1998, 233 (243); O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 156 f.; B. Pieroth / B.J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (427); S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 103. D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 40, bezeichnet diese Aussage dagegen als „ebenso einprägsam wie unzutreffend.“ 523 Vgl. BVerwGE 71, 183 (191); VGH BW, VBlBW 1995, 99. 524 J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1255 f.); ähnlich J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 223; J.F. Lindner, DÖV 2003, 185 (192); O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 158. 517 518

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

gig.525 Es erfolge eine unstatthafte Gleichstellung des aufgrund von Kompetenzen handelnden526 Staates mit privaten Grundrechtsträgern. Zudem widerspreche die h.M. sich selbst, da sie für den Fall des unter Privaten üblichen Verdrängungswettbewerbs Ausnahmen zulässt.527 Schließlich sei den Wirtschaftsgrundrechten eine Kompetenzverteilungsregelung im Verhältnis von Staat und Privaten zu entnehmen.528 Nach dieser sind grundsätzlich Private zu wirtschaftlichem Tätigwerden berufen, nicht aber der Staat.529 Da aber auch die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen sich funktional betrachtet als Wirtschaftsbetätigung darstellt, muss nach dieser Ansicht auch insoweit zumindest ein Vorrang Privater gegeben sein. Staatliche Daseinsvorsorge ist demnach stets als Eingriff in die Berufsfreiheit zu werten.530 Weniger weitgehend ist eine Ansicht, die den Schutzbereich nur dann als eröffnet ansieht, wenn die wirtschaftlich tätig werdende öffentliche Hand auf nicht marktkonformes Verhalten zurückgreift, insbesondere Privaten nicht zugängliche Konstellationen ausnutzt.531 Im Bereich der Daseinsvorsorge spielt insoweit etwa der Anschluss- und Benutzungszwang in der Wasserver- und -entsorgung eine Rolle, durch den private Anbieter faktisch von einem Parallelangebot abgehalten werden. Dieser wird jedoch auch von der h.M. als, im Regelfall allerdings gerechtfertigter, Grundrechtseingriff betrachtet.532 Auch wenn in der Rechtswirklichkeit durchaus Probleme in den betreffenden Bereichen im Hinblick auf die Konkurrenzsituation zwischen öffentlicher Hand und Privaten bestehen,533 darf dies nicht zu einer interessengeleiteten Uminterpretation der Verfassung führen. Die Freiheit zum Wettbewerb darf nicht in eine Freiheit von Wettbewerb umgedeutet werden. Die dagegen vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Dass der Staat allein aufgrund von Kompetenzen zum Handeln 525 D. Ehlers, DVBl. 1998, 497 (502); ders., Gutachten E zum 64. DJT, S. 41; U. Hösch, DÖV 2000, 393 (399); P.J. Tettinger, NJW 1998, 3473 (3474). 526 D. Ehlers, Der Landkreis 2003, 22 (23); P. Selmer, in: R. Stober / H. Vogel, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, S. 75 (81). 527 A. Krölls, GewArch 1992, 281 (283); ders., Grundgesetz und kapitalistische Marktwirtschaft, S. 185 f.; dahingehend auch U. Hösch, DÖV 2000, 393 (398); Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (456); R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht AT, S. 524. 528 Vgl. insoweit, bezogen auf die Grundrechte insgesamt, die Staatsaufgabenkonzeption bei W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 97 ff., zusammenfassend S. 294 f. 529 U. Hösch, DÖV 2000, 393 (398); A. Krölls, GewArch 1992, 281 (283). 530 Vgl. allgemein A. Krölls, GewArch 1992, 281 (284); dahingehend auch W. Cremer, DÖV 2003, 921 (929); R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht AT, S. 525. Dagegen will H.D. Jarass, Kommunale Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb, S. 18 ff.; ders., DÖV 2002, 489 (492 ff.), zwar den Schutzbereich der Berufsfreiheit bei staatlicher Wirtschaftsbetätigung eröffnet sehen, verneint aber für den Regelfall den Eingriff; ähnlich J. Oebbecke, in: M. Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 13 (20); eher einen Eingriff bejahend R. Grawert, in: FS W. Blümel, S. 119 (135). 531 W. Kluth, WiVerw 2000, 184 (201). 532 Vgl. H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 61. 533 Siehe oben A.III.2. b); dazu auch M. Knauff / F. Nolte, VR 2003, 3 (8 f.).

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berechtigt ist, führt auf Seiten des Privaten nicht zu einer Andersartigkeit der Wettbewerbssituation. Erst dann, wenn der Staat nur ihm eigene Vorteile in Anspruch nimmt, etwa hoheitlich einen Wettbewerbsausschluss durch einen Anschluss- und Benutzungszwang verfügt, ist eine andere Beurteilung geboten. Grundsätzlich ist die staatliche Wirtschaftstätigkeit grundrechtlich jedoch unerheblich, da nicht die Freiheit von bestimmtem Wettbewerb geschützt ist.534 Allerdings bewirken die Grundrechte als das Gemeinwohl konkretisierende objektive Wertentscheidungen, dass eine Verdrängung der Grundrechtsträger nicht erfolgen darf.535 Insoweit ist auch die von der h.M. vorgesehene Ausnahme konsequent. In besonders schwerwiegenden Fällen muss sich die objektive Wertentscheidung des Grundrechts der Berufsfreiheit nicht zuletzt auch wegen der verfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 IV GG, in ein unmittelbares subjektives Abwehrrecht gegen die dann einen faktischen Eingriff darstellende wirtschaftliche Tätigkeit des Staates umwandeln. Dies folgt jedoch nicht wegen des Vorliegens von Wettbewerb durch die öffentliche Hand überhaupt, sondern wegen der besonderen Gefährdungslage in Bezug auf die Möglichkeit des Grundrechtsträgers zum Gebrauch des Grundrechts. Nur insoweit kann es eine Rolle spielen, dass der Wettbewerber anders als ebenfalls private Konkurrenten grundrechtsverpflichtet und damit auch an deren objektiven Wertentscheidungen gebunden ist. Damit steht die Berufsfreiheit der Privatunternehmer im Daseinsvorsorgebereich einem staatlichen Angebot grundsätzlich nicht entgegen. Eine Beschränkung auf staatliche Gewährleistung ist insoweit nicht rechtlich geboten. Allerdings ist auch die Möglichkeit eines privaten Angebots zu ermöglichen. Staatliche Monopole sind daher grundsätzlich zu vermeiden. Gegen diese können die Grundrechte auch als Abwehrrechte angeführt werden. Auch bei Einschlägigkeit des Schutzbereichs ist jedoch eine Rechtfertigung der Ausschließlichkeit staatlicher Betätigung im Grundsatz möglich. bb) Leistungsrechtliche Dimension Dass die Grundrechte nicht nur als Abwehrrechte angesehen werden können, steht seit langem fest und folgt nicht zuletzt aus deren objektiv-rechtlichen Gehalt.536 Für die vorliegende Fragestellung nicht von Interesse ist die Situation einer Teilhabeerzwingung bei bestehender staatlicher Daseinsvorsorge. Bei dieser besteht unproblematisch eine Leistungspflicht unabhängig von einer leistungsrecht534 D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 40; B. Pieroth / B.J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (426); M. Moraing, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 41 (50 f.). 535 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 284. 536 Vgl. statt vieler H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rn. 6 ff.; ein diesbezüglicher historischer Abriss findet sich bei K. Stern, in: FG K. Korinek, S. 1 (5). Nach K. Stern, ebd., S. 1 (3), lässt sich die abwehrrechtliche Dimension bildhaft als „historisch älteste Schicht der Grundrechte“ ansehen.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

lichen Dimension der Freiheitsrechte zumindest wegen des Gleichheitssatzes.537 Fraglich ist vielmehr, ob die Grundrechte als solche eine „Daseinsvorsorge“ mittels eines entsprechenden Anspruchs seitens des Bürgers bedingen, obwohl eine Art. 36 EuGRC538 vergleichbare Bestimmung im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes fehlt. Es ist anerkannt, dass die Grundrechte grundsätzlich keine originären Leistungsansprüche vermitteln.539 Dieses Ergebnis soll hier auch nicht in Frage gestellt werden. Etwas anderes kann sich aber ergeben, wenn andernfalls eine Grundrechtsausübung nicht möglich wäre. Dann wäre es die aus den Grundrechten folgende Aufgabe des Staates, die Voraussetzungen für deren Gebrauch zu schaffen.540 Dies wird zwar zum Teil bestritten,541 folgt aber zwingend aus der insoweit bestehenden Gefährdungslage in der modernen Gesellschaft. Die schon von Forsthoff festgestellte starke Verflechtung mit und die Angewiesenheit des Einzelnen auf seine soziale Umgebung einschließlich des Staates bringt es mit sich, dass die Schaffung der Voraussetzungen des Grundrechtsgebrauchs sich gleichsam aus der Sphäre des Einzelnen heraus bewegt hat. Sollen die Grundrechte aber nicht jedenfalls teilweise leer laufen, was im Widerspruch zu ihrem insbesondere in Art. 1 III GG deutlich werdenden umfassenden Anspruch und der ihnen inhärenten objektiven Wertentscheidung stünde, ist eine staatliche „Grundrechtsermöglichungspflicht“ notwendig. Diese geht jedoch nicht soweit, für die jeweilige individuell ideale Gebrauchsmöglichkeit zu sorgen. Allein der Zugang zum Grundrechtsgebrauch ist erfasst. Da die Daseinsvorsorgeleistungen in vielen Fällen häufig erst ein zeitangemessenes Leben ermöglichen, erscheint auch die Daseinsvorsorge als Frei537 K.H. Friauf, DVBl. 1971, 674 (678); H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 77; M. Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 354 f.; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 456; P. Oberndorfer, in: FS H. Eichler, S. 433 (438); W. Rüfner, HdStR III, § 80 Rn. 52; vgl. allgemein zu Teilhabeansprüchen K. Hesse, in: E. Benda / W. Maihofer / H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 140 Rn. 29. Die bedeutende teilhabe- und leistungsrechtliche Dimension des Gleichheitssatzes hebt auch K. Stern, in: FG K. Korinek, S. 1 (12), hervor. 538 Siehe dazu oben C.II.2. e). 539 J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 77; M. Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 49; sowie H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rn. 8, mit Hinweisen auf anerkannte Ausnahmen; ausführlich zu diesen aus neuerer Zeit M. Borowski, JöR NF 50 (2002), S. 301 ff. 540 K. Hesse, in: E. Benda / W. Maihofer / H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 139 Rn. 25; R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (42 f.); eingrenzend auf ein dringendes Erfordernis der faktischen Freiheit und weitgehende Beeinträchtigungsfreiheit von Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip und gegenläufiger materieller Prinzipien R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 466. 541 So G. Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 56 (72), unter zusätzlichem Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip; S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 45 ff., der aber nichtsdestotrotz eine Verpflichtung des Staates zur Grundversorgung bezüglich des öffentlichen Wegenetzes und des Rundfunks zur Ermöglichung von Kommunikation annimmt, ebd. S. 64. Zu den im Streit vorgetragenen Argumenten siehe zusammenfassend R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 458 ff.

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heitsvoraussetzung542, deren Sicherstellung dem Staat obliegt. Nicht damit verbunden ist aber zwingend ein entsprechendes konkretes subjektives Recht.543 Ein solches scheitert im Regelfall an den verschiedenen zulässigen Ausgestaltungsvarianten, deren Auswahl dem parlamentarischen Gesetzgeber zukommt, sowie, soweit finanzielle Belastungen entstehen würden, am Budgetrecht des Parlaments.544 Verstärkt werden könnten die Überlegungen bezüglich einer grundrechtlichen Bedingtheit der Daseinsvorsorge durch die Menschenwürdegarantie, Art. 1 I GG. Aus dieser wird abgeleitet, dass der Staat darüber wachen muss, dass jeder die faktischen Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben erhält und es zu diesem Zwecke Aufgabe des Staates ist, Chancen auszugleichen und zu verschaffen.545 Abzustellen ist schließlich auch auf die „ökonomische Bedingtheit der Menschenwürde“546. Menschenwürdiges Leben ist in der modernen Gesellschaft ohne einen materiellen Mindeststandard nicht möglich.547 Sieht man zudem die Daseinsvorsorge als „Kernstück der menschlichen Würde und der personellen Existenz“548 an, erscheint deren Grundrechtsbedingtheit zwingend. Dem kann jedoch in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zwar mag es für einzelne Daseinsvorsorgeaufgaben, wie z. B. die Verfügbarkeit von Trinkwasser, durchaus zutreffend sein, sie als Voraussetzung für eine menschenwürdige Existenz zu betrachten. Für andere, etwa die nächtliche Straßenbeleuchtung, erscheint diese Überlegung jedoch geradezu abwegig und führt zu einer Überdehnung des Menschenwürdebegriffs. Insbesondere das zweite Beispiel zeigt, dass nicht einmal ein Bezug zu einem speziellen Grundrecht stets gegeben ist. Die Anknüpfung an der allgemeinen Handlungsfreiheit kann insoweit nicht genügen, da diese als Auffanggrundrecht andernfalls die Wertungen des Grundgesetzes auf den Kopf stellen würde und sich mit ihr letztlich doch ein „allgemeines Leistungsrecht“ konstruieren ließe. Bereits aus der allgemeinen Grundrechtsdogmatik folgt daher, dass die Grundrechte, auch in Verbindung mit der Menschenwürde, grundsätzlich kein unspezifisches „Recht auf Daseinsvorsorge“ vermitteln. Doch selbst in den wenigen Fällen, in denen dies wegen der besonderen Bedeutung der Aufgabe für die menschliche Existenz in der modernen Gesellschaft als Dahingehend schon L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 44. P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (112). Dies gilt jedoch nicht für klar definierbare „Minimalrechte“, R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 470; zum Meinungsstand siehe auch (mit letzlich abweichendem Ergebnis) M. Borowski, JöR NF 50 (2002), S. 301 (310 f.). 544 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rn. 8; S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 49. 545 K.H. Friauf, DVBl. 1971, 674 (676 f.); U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 28 f. 546 H.-Chr. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 (35). 547 Vgl. BVerfG 82, 346 (348). 548 H.-J. Vogel, BayVBl. 2000, 673 (676); dahin tendierend auch S. Broß, JZ 2003, 874 (875). 542 543

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

möglich erscheint, können die Grundrechte keinen Hinweis darauf geben, welcherart die in Frage stehenden Leistungen der Daseinsvorsorge zu erfolgen haben. Selbst in diesem Fall vermitteln sie nicht mehr als den Anspruch gegenüber dem Staat, für die Verfügbarkeit einer entsprechenden Leistung zu sorgen. Keinesfalls erfasst ist aber die Bestimmung der Art und Weise der Erbringung, so lange der Erfolg erreicht wird.549 Insbesondere besteht etwa kein grundrechtlicher Anspruch auf Ver- und Entsorgung durch die öffentliche Hand.550

cc) Schutzpflichtdimension Die Vorstellung, dass Grundrechte neben Abwehr- und eventuellen Leistungsrechten staatliche Schutzpflichten vermitteln, geht auf die Rechtsprechung des BVerfG zurück.551 Ansatzpunkt ist auch insoweit die objektive Wertentscheidung. Zwar gewinnt diese Dimension der Grundrechte vor allem im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen an Bedeutung.552 Eine Beschränkung darauf findet jedoch nicht statt. Insbesondere auch bei der Gesetzgebung ist eine diesbezügliche Bindung gegeben. Dies gilt nicht zuletzt im Hinblick auf die Organisation der Darbietung gemeinwohlorientierter Leistungen, mithin bei der Entscheidung über staatliche Daseinsvorsorge oder bloßer Gewährleistung der entsprechenden Leistungen. Allerdings besteht ein großer Spielraum des Gesetzgebers,553 so dass berechtigterweise von einem „wenig konturscharfe(n) Gestaltungsauftrag“554 gesprochen werden kann. Die Schutzpflichtdimension ist deutlich weniger präzise hinsichtlich der Anforderungen als gerade die „klassische“ Abwehrdimension. Eine Eindeutigkeit der zu erreichenden Ergebnisse besteht nicht. 549 Anders mit dem Hinweis auf einen „allgemeinen sozialstaatlichen Vertrauens- und Bestandsschutz“ bei Privatisierungen J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 77 f.; einschränkend auch D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 234. 550 F.-J. Peine, DÖV 1997, 353 (356). 551 BVerfGE 39, 1 (41 ff.); 46, 160 (164 ff.); 49, 89 (140 ff.); 56, 54 (73 ff.); 88, 203 (251 ff.); vgl. dazu zusammenfassend R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 411 ff.; P. Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 29 ff.; ausführlich zum staats- und verfassungstheoretischen Hintergrund J. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 17 ff. K. Stern, in: FG K. Korinek, S. 1 (13), bezeichnet die schutzrechtliche Dimension der Grundrechte trotz daran geäußerter Kritik auch in neuerer Zeit als anerkannte rechtsdogmatische Figur, im Grundsatz ebenso F. Ossenbühl, NuR 1996, 53 (56). Teilweise wird darin ein Unterfall der leistungsrechtlichen Dimension gesehen, vgl. M. Borowski, JöR NF 50 (2002), S. 301 (305) m. w. N. 552 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 78. 553 M. Eggstein, VBlBW 1995, 161 (164); Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 71; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Vorb. vor Art. 1 Rn. 6; F. Ossenbühl, NuR 1996, 53 (57); M. Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 35; K. Stern, in: FG K. Korinek, S. 1 (17); A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (66); nicht nur auf den Gesetzgeber bezogen R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 421. 554 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 78.

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Die Grundrechte als Schutzpflichten legen vielmehr einen Korridor fest, innerhalb dessen zahlreiche zulässige Ausgestaltungsmöglichkeiten bestehen. Erst dessen Überschreitung führt zu einer Verletzung. Entsprechend dieser fehlenden Genauigkeit kann diese Dimension grundsätzlich keine subjektiven Rechte auf die Schaffung eines bestimmten Zustandes vermitteln. Materiell zielen die Grundrechte als Schutzpflichten in zwei Richtungen. Zum einen wenden sie sich, gleichsam im Vorfeld der Abwehrdimension,555 gegen staatliche Maßnahmen, die zwar noch keine Grundrechtseingriffe darstellen, aber den Gehalt der Grundrechte nicht ausreichend berücksichtigen. Zum anderen aber verpflichten sie den Staat, den Bürger vor Verletzung seiner Rechtssphäre durch Dritte schützen und Rechtsgutsverletzungen zu vermeiden.556 Da aber auch der Dritte im Regelfall bei seiner grundrechtsbelastenden Tätigkeit selbst von Grundrechten Gebrauch macht, verlangt die grundrechtliche Schutzpflichtdimension letztlich die Schaffung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den betroffenen Rechtspositionen, nach Möglichkeit durch die Herstellung praktischer Konkordanz.557 Der Staat wird damit zum „,Helfer und Beschützer‘ individueller Freiheit“558 und somit entgegen der ursprünglichen Konzeption der Grundrechte als Abwehrrechte zum „Komplizen“ der Grundrechtsberechtigten. Welche Folgerungen sind daraus für den Bereich der Daseinsvorsorge zu ziehen? Bezüglich des Verhältnisses zwischen Staat und Grundrechtsträgern wurde vorgeschlagen, die Wesentlichkeitstheorie auf staatliche bzw. kommunale Betätigung anzuwenden, sofern durch diese private Grundrechtsinitiative verdrängt wird, sich also die Grenzlinie zwischen staatlicher und privater Aufgabenerfüllung verschiebt.559 In diesen Fällen sei demnach eine gesetzliche Ermächtigung notwendig. Dieser Ansatz überzeugt nur teilweise. Soweit Monopole der öffentlichen Hand rechtlich verbindlich geschaffen werden, besteht tatsächlich ein so enger Grundrechtsbezug, dass das Tätigwerden eines demokratisch legitimierten Gesetzgebers auf Bundes- oder Landesebene erforderlich ist. Diese Forderung folgt nicht nur aus dem Demokratieprinzip, das Grundlage der Wesentlichkeitstheorie ist, sondern auch aus der Schutzpflichtdimension der Grundrechte. Der parlamentarische Ge555 Zur Nähe von Abwehr- und Schutzpflichtdimension siehe R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 414, 415 ff.; kritisch J. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 35 ff. 556 M. Borowski, JöR NF 50 (2002), S. 301 (306); H. Dreier, Dimensionen der Grundrechte, S. 47; M. Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 244; F. Ossenbühl, NuR 1996, 53 (56); M. Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 37; P. Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 20 f. Damit einher geht zumindest eine Beobachtungspflicht, H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (38). Nach K. Stern, in: FG K. Korinek, S. 1 (16), sind staatliche Schutzpflichten somit zugleich „Teil der dem Staat pinzipiell auferlegten Friedensordnung“. 557 K. Windthorst, CR 2002, 118 (119). 558 H. Dreier, Dimensionen der Grundrechte, S. 48. 559 W. Löwer, Energieversorgung, S. 143.

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setzgeber ist wegen des ihm eigenen Binnenpluralismus besser als die Exekutive in der Lage, grundrechtliche Gefährdungslagen herauszuarbeiten und zu berücksichtigen. Parlamentarische Gesetzgebung stellt sich insoweit als „Grundrechtsschutz durch Verfahren“ dar. Soweit Monopole rechtlich im Daseinsvorsorgebereich vorgesehen sind, sind diese in formellen Gesetzen verankert. Zu weit geht der Vorschlag aus grundrechtlicher Sicht aber, sofern nur eine Konkurrenzsituation entsteht. Diese stellt grundsätzlich keinen Grundrechtseingriff dar. Dass die öffentliche Hand faktisch dadurch die Verdrängung von Grundrechtsträgern bewirken kann, genügt nicht.560 Eine andere Bewertung würde sowohl im Widerspruch zu dem oben gefundenen Ergebnis der fehlenden Eingriffsqualität öffentlicher Wirtschaftstätigkeit stehen und zum anderen auf einen umfassenden Gesetzesvorbehalt in der gesamten Leistungsverwaltung hinauslaufen. Von besonderem Interesse für die rechtliche Beurteilung staatlicher Daseinsvorsorge oder bloßer Gewährleistung ist die zweite angesprochene materielle Zielrichtung grundrechtlicher Schutzpflichten. Es stellt sich die Frage, wie ein Ausgleich der betroffenen Grundrechtspositionen erreicht werden kann. Auf Seiten der Grundrechtsträger stehen sich die im Rahmen der abwehr- und der leistungsrechtlichen Dimensionen aufgezeigten Grundrechtspositionen gegenüber. Einerseits ist die Berufsfreiheit der Unternehmer im Daseinsvorsorgebereich zu beachten, andererseits sind die Voraussetzungen für den Grundrechtsgebrauch durch die auf die Leistungen Angewiesenen zu schaffen. Bei traditioneller staatlicher Daseinsvorsorge steht der zweite Aspekt deutlich im Vordergrund, im Modell des Gewährleistungsstaats wird auch der erste berücksichtigt. Wenn auch quantitativ ein deutliches Überwiegen des zweiten Aspekts feststellbar ist und schon deshalb die Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen durch die öffentliche Hand angesichts der weiten Entscheidungsfreiräume nicht (grund-)rechtsfehlerhaft ist, zumal auch ein qualitativer Unterschied insoweit feststellbar ist, als dass die Träger der Berufsfreiheit gegebenenfalls auf andere Wirtschaftsbereiche ausweichen können, die auf die Leistungen Angewiesenen jedoch keine Alternative haben, so erscheint eine Gestaltung, die beide Positionen berücksichtigt aus grundrechtlicher Sicht dennoch vorzugswürdiger. Unzweifelhaft folgt aus Schutzpflicht der Grundrechte der Leistungsnutzer die staatliche Gewährleistungsverantwortung.561 Aus der grundrecht560 Hier ist nur die faktische Möglichkeit der Verdrängung gemeint. Die zielgerichtete stellt durchaus einen Grundrechtseingriff dar. Insoweit stellt sich aber kein Problem mit Bezug zur Schutzpflichtdimension der Grundrechte, da die zielgerichtete Verdängung Privater im Wettbewerb nicht rechtlich bestimmt ist. 561 M. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (172); dahingehend auch U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (165); ders., GewArch 2001, 223 (227); H. Schulze-Fielitz, ZG 15 (2000), S. 295 (304). Eine Beschränkung auf diese wegen des in den Grundrechten zum Ausdruck kommenden Prinzips der Eigenverantwortlichkeit, so W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 125, ist aber abzulehnen. Ebensowenig wie ein Grundrecht auf staatliche Versorgung besteht kein Recht auf ein ausschließlich privates Leistungsangebot. Außerdem ist diese Ansicht in sich widersprüchlich, da ein so verstandener Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit kaum eine staatliche Gewährleistungsverantwortung zu begründen in der Lage ist. Ins-

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lichen Verpflichtung des Staates, die bezüglich der Schutzpflicht- weitergehender ist als bei der leistungsrechtlichen Dimension, folgt die staatliche Verantwortung für die Sicherstellung der Existenz eines zur Grundrechtsverwirklichung notwendigen Leistungsangebots. Zugleich muss der Staat gegenüber den privaten Leistungserbringern die Grundrechte der Leistungsempfänger garantieren.562 So darf es insbesondere nicht zu einem willkürlichen Ausschluss Einzelner von den entsprechenden Leistungen kommen. Die effektivste Möglichkeit der Sicherstellung dieses Erfolgs wäre die unmittelbare Grundrechtsbindung der privaten Leistungserbringer, jedenfalls dann, wenn ihnen eine staatliche Vormachtstellung übertragen wird.563 Eine solche Lösung stößt jedoch auf Schwierigkeiten. Zum einen steht sie nicht mit der Vorstellung des Grundgesetzes in Übereinstimmung, dass ausschließlich die öffentliche Hand grundrechtsverpflichtet ist, wie Art. 1 III GG zeigt. Zum anderen besteht das Problem der Abgrenzbarkeit von Tätigkeitsfeldern, in denen eine unmittelbare Grundrechtsbindung bestehen soll, zu anderen Bereichen. Insoweit wäre eine gewisse, rechtsstaatlich überaus bedenkliche Willkür kaum zu vermeiden. Außerdem könnte eine unmittelbare Grundrechtsbindung weder eine eigenständige Bedeutung gegenüber der staatlichen Schutzpflicht erlangen, noch wäre ein höherer Schutzstandard als durch diese erreichbar.564 Beides folgt daraus, dass auch dann die Leistungserbringung selbst Grundrechtsverwirklichung ist und somit das Grundrecht der Berufsfreiheit ein Gegengewicht zu den Grundrechten der Leistungsempfänger bildet. Sinnvoller erscheint daher eine entsprechende gesetzliche oder vertragliche Verpflichtung des Privaten zur Beachtung der Grundrechte der Nutzer.565 Unabhängig von der Gestaltung kommt es jedoch im Gewährleistungsstaat zu mehrpoligen Grundrechtsbeziehungen.566 Der Weg zur Durchsetzung von Ansprüchen des Bürgers wird verlängert und unsicherer.567 Zugleich erfolgt eine Verflachung besondere ein pauschaler Verweis auf die Menschenwürde geht angesichts der bestehenden Augabenvielfalt fehl. Einen Zusammenhang zwischen dem Daseinsvorsorgebereich und grundrechtlichen Schutzpflichten dagegen gänzlich ablehnend M. Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 245. M. Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 37, betont allgemein den Zusammenhang zwischen Privatisierung und gundrechtlichen Schutzpflichten. 562 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 449. 563 So W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 126 f.; J. Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 163 (192); Ph. Mastronardi, in: ders. / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 77 f.; ansatzweise auch H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (42). 564 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 463; ablehnend auch P. Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 67 ff.; A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (295 f.). 565 So auch B. Tiemann, BayVBl. 1976, 261 (266). 566 U. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (255); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 449; ähnlich mit Bezug allgemein zur Privatisierung P. Kirchhof, in: FS W. Schmitt Glaeser, S. 3 (5). 567 U. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (256); ähnlich J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1050); bezogen allgemein auf Privatisierungen J. Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995),

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

des Grundrechtsschutzes der Leistungsempfänger insbesondere in Bezug auf deren Leistungsansprüche. Diese beruht sowohl auf den entgegenstehenden und zum Ausgleich zu bringenden Grundrechten des Leistungserbringers als auch auf fehlenden strengen Vorgaben für den Gesetzgeber als Schutzverpflichteten.568 Solange die Grundrechte der Leistungsempfänger aber beachtet werden, ist eine Neuorganisation des Daseinsvorsorgebereichs zulässig. Der oben angesprochene Korridor zulässiger Gestaltungen wird durch die Konzeption des Gewährleistungsstaats nicht verlassen. Die grundrechtliche Schutzpflicht bedingt eben gerade nicht die Schaffung optimaler Voraussetzungen für eine bestimmte Grundrechtsposition. Das Modell des Gewährleistungsstaats beinhaltet insoweit eine Verschiebung der Schwerpunkte in Richtung einer stärkeren Berücksichtigung der Unternehmergrundrechte. Die dabei erfolgenden Einbußen auf Seiten der Leistungsempfänger sind grundsätzlich rechtlich zulässig. Allerdings sollten sie durch geeignete Gestaltungen möglichst gering gehalten werden.

b) Sozialstaatsprinzip In Betracht kommt weiterhin die Verankerung der Daseinsvorsorge im Sozialstaatsprinzip. Dieses ist als Staatszielbestimmung auf ein gemeinwohlorientiertes Staatssystem569 gerichtet, in dem durch soziale Sicherheit und sozialen Ausgleich bzw. soziale Gerechtigkeit570 die Sicherung der sozialen Existenzbedingungen571 erreicht werden soll. Es verpflichtet zu einem planenden, lenkenden, leistenden, verteilenden sowie individuelles und soziales Leben ermöglichenden Gemeinwesen,572 so dass anstelle des bloßen rechtsstaatlichen Nebeneinanders von Staat und von diesem garantierter privatautonom funktionierender Gesellschaft der Staat ordnend und beeinflussend auf die Gesellschaft einwirkt.573 Als Inhalt des Sozialstaatsprinzips lässt sich mithin der materielle Rechtsstaat bezeichnen.574 Allerdings ist es so allgemein, dass sich grundsätzlich keine konkreten Aufgaben abS. 163 (184 ff.); instruktiv das Negativbeispiel bei H.H. Rupp, VVDStRL 62 (2003), S. 355 (356); eine Überforderung der Grundrechte stellt C. Franzius, Der Staat 42 (2003), S. 493 (502), fest. 568 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 453 f. 569 E.R. Huber, in: E. Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 589 (590). 570 P. Badura, DÖV 1968, 446; E. Benda, in: ders. / W. Maihofer / H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 781 Rn. 156; K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20 Rn. 98; ders., Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 172. 571 R. Gröschner, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 54. 572 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 73. 573 F.-X. Kaufmann, in: D. Grimm, Staatsaufgaben, S. 15 (26). 574 K.H. Friauf, DVBl. 1971, 674; U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 32; H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 7.

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leiten lassen.575 Einzig ein sich gleichsam aufdrängender, selbst erklärender unantastbarer Kernbereich hinsichtlich der Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums erscheint theoretisch denkbar.576 Praktisch ergeben sich aber auch insoweit Schwierigkeiten bei der Bereichbestimmung. Keinesfalls entspricht der Sozialstaat jedoch dem totalen Wohlfahrts- und Versorgungsstaat577 oder zielt auf „staatlich verordnetes Glück“578. Auch enthält das Sozialstaatsprinzip weder eine Handlungsermächtigung für die Verwaltung,579 noch automatische Grundrechtseinschränkungen.580 Sozialstaatlichkeit ersetzt somit das Rechtfertigungserfordernis staatlicher Kompetenzentfaltung nicht und schafft aus eigener Kraft keine Legitimität von Staatsakten.581 Seine konkrete Ausgestaltung ist Sache des Gesetzgebers582 und somit eine originär politische Entscheidung.583 Unmittelbare Ansprüche des Einzelnen kann es somit grundsätzlich nicht vermitteln.584 Durchaus treffend lässt sich der Sozialstaat jedoch als Staat der sozialen Intervention585 bezeichnen. Als solcher garantiert er die Chancengleichheit 586 durch die Angleichung der tatsächlichen Voraussetzungen zum Erweb materieller und immaterieller Güter, verbessert somit die Voraussetzungen der Freiheitsbetäti-

575 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 28 f.; K.H. Friauf, DVBl. 1971, 674 (677); G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 159. 576 E. Benda, in: ders. / W. Maihofer / H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 776 Rn. 139; K.-P. Sommermann, in: H v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20 Rn. 114. 577 E. Benda, in: ders. / W. Maihofer / H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 777 Rn. 140; K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20 Rn. 106. 578 K.H. Friauf, in: W.-Raymond-Stiftung, Sozialstaat, S. 63 (71). 579 Bezogen auf die Gerichte BVerfGE 65, 182 (193); anders wohl H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 8, der die Verwaltung als Hauptadressaten und -träger der Sozialstaatlichkeit ansieht. 580 BVerfGE 59, 231 (262 f.). 581 W. Löwer, DVBl. 1991, 132 (138). 582 BVerfGE 1, 97 (105); 65, 182 (193); 75, 348 (359 f.); M. Antoni, in: K.-H. Seifert / D. Hömig, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 4; K.H. Friauf, in: W.-Raymond-Stiftung, Sozialstaat, S. 63 (69); U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (165); K.-P. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 427; J. Wege, Positives Recht und sozialer Wandel, S. 200. 583 P. Badura, DÖV1989, 491 (494); K.H. Friauf, DVBl. 1971, 674 (677); S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 31. 584 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 103. Zur einzig denkbaren, aber nicht aktuellen Ausnahme des – nicht zuletzt durch die Menschenwürde vermittelten – Anspruchs auf Überlebenssicherung siehe BVerwGE 1, 159 (161 f.); weitergehend J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 61. 585 E.R. Huber, in: E. Forsthoff, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 589 (599); ähnlich P. Badura, DÖV 1968, 446 (447). 586 E. Benda, in: ders. / W. Maihofer / H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 783 Rn. 162; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 107; L. Kißler, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 57 (61).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

gung587 und eröffnet den Bürgern Handlungsmöglichkeiten für die Wahrnehmung ihrer Selbstbestimmung.588 aa) Daseinsvorsorgeleistungen: Teil der Sozialstaatlichkeit Dies geschieht unter anderem durch die Leistungen der Daseinsvorsorge,589 durch die sich der moderne Sozialstaat der vielfältigen sozialen Voraussetzungen der gesellschaftlichen Daseinssicherung annimmt.590 Die Daseinsvorsorge erscheint somit als ein Akt ausgleichender, sichernder und fördernder Gerechtigkeit591 und damit zugleich als wohlfahrtsstaatlicher Zug des Sozialstaats.592 Mittels der Daseinsvorsorge kommt der Leistungsstaat seiner Verpflichtung zur „Grundrechtsvorsorge“593 und seiner nicht zuletzt daraus resultierenden Pflicht zur Bereitstellung von Infrastrukturen im weitesten Sinne nach.594 Dazu ist materiell ein Leistungsminimum in Gestalt „flächendeckender Grundversorgung“ bei gleichzeitiger Erschwinglichkeit für den Einzelnen erforderlich.595 Derart gewährleistet der Sozialstaat das Funktionieren des Gemeinwesens und schafft die Voraussetzungen zu seiner weiteren Entwicklung.596 An dieser Zukunftsgewandtheit zeigt sich zugleich deutlich die Daseinsvorsorge als dynamische Aufgabe des Sozialstaats,597 die ein statisches Leistungsverständnis verbietet. Dennoch ist fraglich, ob die Daseinsvorsorge nicht doch eher als politisches Ziel, denn als zumindest im Ansatz rechtlich fassbares Begriffsmerkmal des Sozialstaats angesehen werden kann.598 Dass ein Anspruch des Einzelnen aus dem 587 BVerfGE 33, 303 (331 f.); H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 107; K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20 Rn. 106; ähnlich M. Eggstein, VBlBW 1995, 161 (162 f.). 588 U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (165). 589 K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20 Abs. 1 Rn. 106; R. Scholz, in: FS H. Steinberger, S. 611 (618). 590 R. Scholz, in: FS H.F. Zacher, S. 987 (993). 591 E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 341. 592 R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 361 f. 593 Siehe oben C.III.2. a)cc), sowie P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (100). 594 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 73; dies., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 46; H. Dürr, in; ders. u. a., Verwaltung, S. 48 (57); zum Zusammenhang von Sozialstaatsprinzip und infrastruktureller Daseinsvorsorge ausführlich H. Melchior, Fachplanung im Sozialstaat, S. 159 ff. 595 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 430; ablehnend S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 31. 596 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 72. 597 R. Gröschner, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 54. 598 So M. Antoni, in: K.-H. Seifert / D. Hömig, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 4. Nach R. Scholz, in: FS H. Steinberger, S. 611 (618), ist das Sozialstaatsprinzip außerhalb des Bereichs der Sicherung von Existenzminima „vor allem (. . . ) gesellschaftspolitischer Auftrag“.

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Sozialstaatsprinzip auf Daseinsvorsorge nicht besteht,599 steht der Zuordnung zum Sozialstaatsprinzip nicht entgegen, da dies eben gerade ein Merkmal der Staatszielbestimmung ist. Die Daseinsvorsorge erscheint aber als „Phänomen innerhalb des Sozialstaatsprinzips“600 und lässt sich als Konkretisierung des Sozialstaatsauftrags verstehen.601 Diese Konkretisierung kann – aufgabenbezogen – aus Gesetzen folgen. Sie kann sich aber auch durch die Betrachtung der Daseinsvorsorge als notwendiges Instrument zur Erreichung der Ziele des Sozialstaats ergeben. Ohne deren vielfältige Spielarten wäre in der modernen Gesellschaft eine sozial adäquate Existenz nicht möglich, so dass eine Zuordnung der Daseinsvorsorge insgesamt zum Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt ist.602

bb) Organisationsrechtliche Aussagen? Fraglich ist aber, ob dem Sozialstaatsprinzip eine Pflicht des Staates zur Eigenerbringung der Daseinsvorsorge603 zu entnehmen ist. Eine solche kann sich keinesfalls aus der (politischen) Überlegung ergeben, dass die öffentlichen Daseinsvorsorgeunternehmen selbst ein wichtiges Instrument für das soziale Netz seien.604 Einem solchen Verständnis steht schon die dienende Funktion des Sozialstaats605 entgegen. Dieser existiert nicht um seiner selbst willen, sondern zur Verbesserung der Lebenssituation wie auch der Grundrechtsverwirklichungsmöglichkeiten der Bürger. Gegen eine umfassende Pflicht des Staates zur Daseinsvorsorge spricht jedoch auch die Weite des Sozialstaatsprinzips. Ist bereits diese nicht geeignet, unmittelbar konkrete Aufgaben deutlich werden zu lassen, so gilt dies umso mehr im ZuW. Rüfner, HdStR III, § 80 Rn. 47; M. Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 50. G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 121. 601 P. Badura, DÖV 1966, 624 (631); U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 36; ders., WiVerw 2000, 159 (166 f.); J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 195; D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 226. U. Battis, in: M. Sachs, GG, Art. 33 Rn. 47, spricht gar vom „daseinsvorsorgebetreibenden Sozialstaat“. 602 P. Badura, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 25 (26); R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427; R. Gröschner, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 54; U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 31; R. Maaß, Wettbewerb, S. 53; G. Püttner, Unternehmen, S. 181 Anm. 14; S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 28; K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20 Rn. 106; K. Stern, Staatsrecht I, S. 897; V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (17); A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (67); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 109; dahingehend auch BVerfGE 9, 124 (133). 603 So K.H. Friauf, DVBl. 1971, 674 (676). Eine vorsichtigere Formulierung wählt J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), S. 315 (318), der nur von einer staatlichen Verantwortung spricht. 604 Vgl. aber B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 9. 605 K.H. Friauf, in: W.-Raymond-Stiftung, Sozialstaat, S. 63 (71). 599 600

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

sammenhang mit dem unscharfen Daseinsvorsorgebegriff. Eine andere Bewertung würde letztlich doch zur Zulässigkeit totaler Wohlfahrtsstaatlichkeit führen. Eine Rechtspflicht seitens des Staates zur Erbringung bestimmter Leistungen besteht jedoch, wenn sonst unerträgliche Zustände eintreten würden.606 So wäre etwa eine sozialstaatliche Pflicht zu staatlicher Bereitstellung einer Grundversorgung im Falle des Fehlens privater Alternativen bei nationalem Notstand anzunehmen.607 Von einer solchen Extremsituation abgesehen, lässt sich dem Sozialstaatsprinzip keine weitergehende Verpflichtung für die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen entnehmen. Allerdings verdeutlichen diese Überlegungen zugleich, dass sich aus dem Sozialstaatsprinzip ebenso wie aus den Grundrechten eine staatliche Gewährleistungsverantwortung für den betreffenden Bereich ergibt.608 Etwas anderes würde auch nicht aus dem mit gewisser Regelmäßigkeit in die Diskussion eingeführten und ebenso oft von der Mehrheit abgelehnten Verständnis des Sozialstaatsprinzips als soziales Rückschrittsverbot609 folgen. Abgesehen von dessen inhaltlicher Unklarheit610 würde es selbst bei seiner Anerkennung eine umfassende staatliche Daseinsvorsorge nicht erfordern. Allenfalls könnte ihm leistungsbezogen die Verpflichtung entnommen werden, das jeweils Notwendige zu tun,611 nicht aber eine Aussage hinsichtlich der Leistungsträgerschaft. Trotz möglicher „sozialstaatsdesintegrative(r) Tendenzen“612 lässt sich dem Sozialstaatsprinzip daher auch kein generelles Verbot materieller,613 geschweige denn funktionaler Privatisierun606 W. Rüfner, HdStR III, § 80 Rn. 46; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 109; mit Verweis auf Art. 1 I GG und das zu garantierende Existenzminimum S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 32 f. 607 Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 57. 608 U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (165); einschränkend aber S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 29 ff. wegen der Unbestimmtheit des zu gewährleistenden Bereichs. 609 J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 66; J. Wege, Positives Recht und sozialer Wandel, S. 201; weniger weitgehend G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 234; dagegen W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 120 ff.; A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 157 f.; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 178 f.; R. Scholz, in: FS H. Steinberger, S. 611 (616 f.); Chr. Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen, S. 70. 610 So ist zweifelhaft, ob sich ein Rückschrittsverbot gesamtgesellschaftlich oder individuell bestimmen lassen müsste. Während im ersten Fall wegen ständiger leistungsbezogener Veränderungen eine Messbarkeit kaum gegeben wäre, wäre im zweiten die Rundumverorgung des Einzelnen ein nicht auszuschließendes und zudem erheblichen Verwaltungs- und Finanzaufwand erforderndes Ergebnis. Neben dem Ansatzpunkt ist jedoch auch unklar, wie die finanziellen Grundlagen des Staates und die Budgethoheit des Parlaments aufrecht erhalten werden sollten, wenn ein Leistungsabbau ausgeschlossen wäre. Zudem bezweckt das Sozialstaatsprinzip weder eine Versteinerung sozialer Besitzstände, noch soll es eine „sozialpolitische Einbahnstraße“ sein, vgl. K.H. Friauf, in: W.-Raymond-Stiftung, Sozialstaat, S. 63 (64). 611 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 29; E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 104. 612 B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 147. 613 A. Gern, Privatisierung in der Kommunalverwaltung, S. 10.

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gen entnehmen und somit auch keine zwingende Zuordnung der Leistungserbringung im Bereich der Daseinsvorsorge zum Staat. Staatliche Aufgabe ist somit die Sicherstellung der Existenz von Daseinsvorsorgeleistungen. Der Sozialstaat hat eine qualitative und quantitative Unterversorgung mit „daseinssichernden“ Leistungen zu verhindern.614 Dies bedingen nicht zuletzt auch die Grundrechte, die in ihren Bedeutungsgehalten auf die Anwendung des Sozialstaatsprinzips Einfluss nehmen.615 Dieser Aufgabe kann er jedoch auch durch die bloße Gewährleistung privater Leistungserbringung erfüllen. Als Instrumente dienen insoweit etwa Regelung, Aufsicht und Überwachung der privaten Leistungserbringung.616 Die staatliche Gewährleistungspflicht ist das sozialstaatlich geforderte Minimum staatlichen Engagements im Bereich der öffentlichen Versorgung, insbesondere auch der Daseinsvorsorge.617 Letztlich zeigt die Zuordnung der Daseinsvorsorge zum Sozialstaatsprinzip somit nicht mehr, als dass der Staat Träger der Verantwortung für die Existenz der Daseinsvorsorge ist. Das Sozialstaatsprinzip trifft jedoch grundsätzlich weder eine Aussage darüber, wie intensiv Sozialstaatlichkeit auszugestalten ist,618 noch, wie sich der Staat der Aufgabe der Daseinsvorsorgegarantie anzunehmen hat.619 Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Aufgabe gleichmäßig erfüllt wird.620 Erst dann, wenn eine private Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen, die grundrechtsbedingt oder aufgrund politischen Willens notwendig erscheint, nicht zweckgerecht geschieht, erfordert das Sozialstaatsprinzip ein staatliches Engagement. Dessen Ausprägung ist wiederum solange frei, als das Ziel wirksam erreicht wird. Staatliche Daseinsvorsorge ist damit die intensivste Form staatlicher Einflussnahme auf die Leistungserbringung, keinesfalls aber unter sozialstaatlichem Gesichtspunkt die einzig zulässige.

614 Zutreffend Chr. Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen, S. 68, die daraus jedoch ein mögliches Privatisierungsverbot entnehmen will. Kritisch aber S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 28 ff., der darin die Gefahr der Schaffung grundgesetzlich nicht vorgesehener Leistungspflichten sieht. 615 K.H. Friauf, in: W.-Raymond-Stiftung, Sozialstaat, S. 63 (74). 616 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 179. 617 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 485 f. 618 E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 74. 619 So deutlich auch Chr. Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (332); J. Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 163 (187); R. Hofmann, VBlBW 1994, 121 (124); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 179; E. Pappermann, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 103 (110); F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (970); W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 29; sowie J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 193, mit Verweis auf BVerfGE 22, 180 (204). 620 D. Görgmaier, DÖV 1977, 356 (359).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

c) Kommunale Selbstverwaltung Angesichts der Tatsache, dass zahlreiche Daseinsvorsorgeaufgaben von den Gemeinden und ihren Unternehmen wahrgenommen werden und auch der Bedarf an entsprechenden Leistungen zumeist auf Gemeindeebene auftritt, liegt die Überlegung nahe, die Daseinsvorsorge grundsätzlich als kommunale Verwaltungstätigkeit zu verstehen621 und in der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu verankern.622 Nicht zuletzt durch die Vertreter kommunaler Interessen wird dies immer wieder hervorgehoben. Anders als auf völker- oder europarechtlicher Ebene ist zumindest der normative Ansatzpunkt insoweit unzweifelhaft vorhanden, wenn auch die Auslegung des Art. 28 II 1 GG im Einzelnen umstritten ist.623 Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Entscheidend sind somit drei Elemente, die auch im Hinblick auf die Daseinsvorsorge von größter Bedeutung sind. Dies sind die Allzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit betreffend die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und die Gesetzesbindung. Die Auslegung des Begriffs der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ als sachlicher Anknüpfungspunkt der kommunalen Selbstverwaltung ist nicht unumstritten. Die h.M., insbesondere das BVerfG, versteht darunter Angelegenheiten, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln bzw. einen spezifischen Bezug zu dieser haben und von dieser eigenverantwortlich wahrgenommen werden können.624 Entscheidend ist also vor allem der räumliche Bezug,625 der wegen des Bezugs zur örtlichen Gemeinschaft aber unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zu bestimmen ist.626 Auch nach anderer Ansicht betreffen die „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ das Zusammenleben der Gemeindeeinwohner. Dies könne für die Begriffsbestimmung jedoch nicht genügen. Berücksichtigt werden müsse darüber hinaus die geschichtliche Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung. 621 B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 129; A. Köttgen, Gemeindliche Daseinsvorsorge, S. 8; W. Zitscher, Daseinsvorsorge, S. 198. 622 P. Badura, in: FS Th. Oppermann, S. 571 (576); B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 129 f.; J. Hellermann, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 19 (23); ders. / J. Wieland, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 117 (128); Th. Karst, DÖV 2002, 809 (811); K. Rennert, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 28 II Rn. 116; R. Scholz, in: FS H.F. Zacher, S. 987 (1006). 623 Im Folgenden wird nur eine problemspezifische Auslegung vorgenommen, die daher notwendig unvollständig ist. Allgemeine Fragen werden daher nur insoweit erörtert, als dies für die Frage der Verankerung der Daseinsvorsorge ggf. in einer bestimmten Form von Interesse ist. Für daüber hinausgehende Problemstellungen sei insbesondere auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen. 624 BVerfGE 8, 122 (134); 52, 95 (120). 625 K. Rennert, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 28 II Rn. 114; P.J. Tettinger, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 23. 626 M. Eumann, Organisationsrechtliche Probleme, S. 31.

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Die betreffenden Angelegenheiten müssten ihrer Art nach der Erledigung durch die Gemeinden zugänglich sein, als Staatsaufgaben wahrgenommen werden dürfen und verfassungsrechtlich nicht anderweitig zugewiesen sein.627 Für die Leistungen der Daseinsvorsorge, zumindest soweit sich diese allein auf das Gebiet einer Gemeinde beschränken, folgt aus den abweichenden Definitionsansätzen kein Unterschied. Diese sind in beiden Fällen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und damit grundsätzlich geeignet als Schutzgut der kommunalen Selbstverwaltung. Ob und gegebenenfalls inwieweit die gemeindliche Daseinsvorsorge jedoch durch Art. 28 II 1 GG geschützt und damit als Organisationsform der Erbringung gemeinwohlorientierter Leistungen auf kommunaler Ebene festgeschrieben wird, ist im Folgenden zu klären. aa) Wirkungsrichtung Bevor im Einzelnen auf die Verankerung der Daseinsvorsorge in der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung einzugehen ist, gilt es, Klarheit über deren Wirkungsrichtung zu gewinnen. Unbestritten entfaltet diese eine Wirkung gegenüber dem Staat in der Weise, dass dieser der Gemeinde den Bereich der Aufgaben von örtlicher Bedeutung zu überlassen hat. Insoweit enthält es auch die Freiheit der Gemeinden, über die Art und Weise der Lösung der sich auf örtlicher Ebene stellenden Probleme zu entscheiden, so dass auch die zu diesem Zweck erfolgende wirtschaftliche Tätigkeit – auch durch kommunale Unternehmen – der Gemeinde erfasst ist.628 Für die Praxis im Daseinsvorsorgebereich von mindestens ebenso großer Bedeutung ist jedoch die Frage, inwieweit Art. 28 GG auch gegenüber Privaten wirkt. Nach deutlich überwiegender Meinung enthält Art. 28 II 1 GG weder eine Eingriffsermächtigung gegenüber Privaten,629 noch bietet die Vorschrift den Kommunen Schutz vor privater Konkurrenz,630 sofern nicht ausnahmsweise eine D. Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1305). BVerwGE 98, 273 (275); S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 81; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 145, 153; H.D. Jarass, DÖV 2002, 489 (497); S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 92 f. 629 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 77; D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 48; H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (282); U. Hösch, DÖV 2000, 393 (395); K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (346); B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 28 Rn. 10; P.J. Tettinger, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 23 (33); J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 27. 630 D. Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1305 f.); V. Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, S. 25; J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 90; J. Hellermann, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 19 (24); ders. / J. Wieland, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 117 (129); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 185; M. Ruffert, NVwZ 2000, 763 (764); D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 176; S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 224; P.J. Tettinger, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 28 Abs. 2 Rn. 215; O. Wittig, VR 2002, 90 (93). 627 628

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

gesetzliche Monopolisierungsermächtigung besteht.631 Teilweise wird aber auch eine „Drittwirkung“ der Bestimmung angenommen.632 Rechtfertigen ließe sich dies vor allem mit der bestehenden Gefahrenlage für die Kommunen. Diese sind zumindest potentiell durch die Tätigkeit Privater ebenso wie durch Maßnahmen des Staates in ihren verfassungsrechtlich geforderten Entfaltungsmöglichkeiten gehindert und damit schutzbedürftig. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Unabhängig von der damit verbundenen überaus fragwürdigen Folge der kommunalwirtschaftlichen Monopolisierung der entsprechenden Bereiche von Verfassungs wegen633 spricht die Norm selbst gegen ein solches Verständnis. Diese ist in den staatsorganisatorischen Teil des GG eingegliedert634 und somit staatsgerichtet. 635 Auch wenn die kommunale Selbstverwaltung heute wegen der zahlreichen Bindungen der mittelbaren Staatsverwaltung zugerechnet werden muss,636 beruht sie auf genossenschaftlichen Traditionen. Beide Aspekte sprechen gegen eine Drittwirkung. Weder erscheint der verfassungsrechtliche Schutz einer Ebene im Staatsaufbau vor den Bürgern im grundrechtsgebundenen, diesen dienenden Verfassungsstaat systemkonform oder gar notwendig, noch gilt dies für den Schutz einer genossenschaftlichen Verbindung vor ihren Mitgliedern. Auch das vorrangige Ziel des Art. 28 II 1 GG, die Sicherstellung bürgerschaftlicher Teilhabe an der Verwaltung und somit insbesondere auch an der Wahrnehmung anderweitig zulässigerweise begründeten Staatsaufgaben,637 spricht gegen einen Drittschutz. Die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie gilt somit einschließlich ihrer Bestandteile nur im Verhältnis zum Staat, nicht aber gegenüber den Bürgern.638 Mangels einer entsprechenden SchutzrichP.J. Tettinger, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 23 (28). Dahin tendierend M. Moraing, WiVerw 1998, 233 (247); M. Pagenkopf, GewArch 2000, 177 (178); deutlich K. Stern, AfK 3 (1964), S. 81 (91 ff.). 633 V. Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, S. 24. 634 D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 48; U. Hösch, DÖV 2000, 393 (394); H. Peters, AfK 6 (1967), S. 5 (18); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 689. A. Schink, NVwZ 2002, 129 (133), spricht insoweit von einem „staatsorganisationsrechtliche(n) Prinzip“. 635 H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (282); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 224; dahingehend auch S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 93. Der daneben bestehende binnenkommunale Ansatz in Bezug auf die demokratische Organisation, vgl. K. Rennert, JZ 2003, 385 (387), ist insoweit nicht von Bedeutung. 636 H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (4); W. Löwer, Energieversorgung, S. 145 f.; ähnlich R. Voigt, in: ders., Abschied vom Staat, S. 9 (10); kritisch und wohl eher einer Einordnung als unmittelbarer Staatsverwaltung zuneigend J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 691; ebenso S.R. Laskowski, ZUR 2003, 1 (3): „ein Stück Staat“; R. Grawert, in: FS W. Blümel, S. 119 (122 f.), spricht von einer Einbeziehung der Kommunen in den Staat durch das Grundgesetz. 637 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 691. 638 P. Badura, DÖV 1998, 818 (823); W. Berg, WiVerw 2000, 141 (148); M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 301; V. Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, S. 24; W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (319); F. Hoffmann-Klein / 631 632

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tung ist ein „Eingriff“ in die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung durch Private somit nicht möglich.639 Ebenso wenig kann die Gemeinde jedoch ohne Ermächtigung beliebige Tätigkeiten Privaten entziehen.

bb) Allzuständigkeit Nach Art. 28 II 1 GG sind die Gemeinden für alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuständig. Aus dieser Formulierung ergibt sich das zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zählende640 Prinzip der Allzuständigkeit. Dieses beinhaltet nicht zuletzt eine Kompetenz-Kompetenz auf lokaler Ebene.641 Entsprechend der Wirkungsrichtung der Selbstverwaltungsgarantie bezieht sich diese jedoch nur auf potentiell öffentliche Aufgaben,642 so dass die Allzuständigkeit damit nur als besondere Verwaltungsbefugnis, nämlich die Zuständigkeit für alle Verwaltungsaufgaben der Ortsstufe,643 erscheint. Allzuständigkeit bedeutet daher nicht, dass Kommunen aus jeder örtlichen eine Verwaltungsaufgabe machen können.644 Vielmehr gilt das Erfordernis des legitimen Aufgabenzugriffs auch insoweit.645 Insbesondere ist wegen der Gesetzesbezogenheit der Selbstverwaltungsgarantie646 ein Aufgabenzugriff gegen ausdrückliche gesetzgeberische Wertungen nicht möglich.647 Doch auch darüber hinaus sind, zumindest soweit Grundrechte durch die Gebrauchmachung des aus der Allzuständigkeit folgenden Aufgabenzugriffsrechts betroffen werden, weitergehende Kompetenzen notwendig, da die zudem in Richtung des Staates zielende kommunale R. Noch, DÖV 2002, 422 (426); U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 74; W. Kluth, in: R. Stober / H. Vogel, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, S. 23 (28); W. Löwer, Energieversorgung, S. 218; ders., DVBl. 1991, 132 (140); M. Nierhaus, in: M. Sachs, GG, Art. 28 Rn. 42a; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 689; K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (326); A. Schink, NVwZ 2002, 129 (133). 639 Vgl. B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 28 Rn. 18. 640 RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801 (802); M. Nierhaus, in: M. Sachs, GG, Art. 28 Rn. 42; ähnlich J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 182, mit dem zutreffenden Hinweis, dass dies aber nicht auch für die auf dessen Grundlage ergriffenen Aufgaben gilt. 641 J. Oebbecke, in: M. Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 13 (18); K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (322). 642 RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801 (802); dahingehend auch W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 416 (424); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 688 f. Zu Recht verweist H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (314), daher darauf, dass die Allzuständigkeit keine Generalermächtigung zu wirtschaftlicher Tätigkeit enthalte. 643 W. Löwer, Energieversorgung, S. 223; dahingehend auch BVerfGE 78, 344 (348). 644 U. Hösch, DÖV 2000, 393 (395); ders., WiVerw 2000, 159 (175 f.); anders aber wohl K. Rennert, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 28 II Rn. 135. 645 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 688. 646 Dazu sogleich unter C.III.2. c)dd). 647 H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (282).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Allzuständigkeit für örtliche Aufgaben den Anforderungen an einen Gesetzesvorbehalt nicht genügt.648 Die Aufgaben der Daseinsvorsorge sind, soweit sie nicht über das Gebiet einer Gemeinde hinausreichen, zulässige Befassungsgegenstände der Kommunen. Diese sind ebenso wie der Staat auf die Erreichung der durch die Verfassung vorgegebenen Ziele verpflichtet und somit auch an die daseinsvorsorgespezifischen Vorgaben der Grundrechte und des Sozialstaatsprinzips gebunden. Das Prinzip der Allzuständigkeit räumt ihnen insoweit gegenüber dem Staat ein grundsätzliches Ausgestaltungs- und Zugriffsrecht ein. Eine „exklusive Befassungskompetenz“ besteht jedoch auch insoweit nicht.649 Zuallererst ist die Allzuständigkeit eine Potenz der Gemeinden, durch die weder im Hinblick auf den Staat, noch gar auf Private, ein unbedingter Vorrang begründet wird.650 Wie diese Kompetenz ausgefüllt wird, haben die Gemeinden im Rahmen der bestehenden Rechtslage eigenverantwortlich und damit in Ermessens-, Weisungs- und Gestaltungsfreiheit651 zu entscheiden. Dabei können sie auch entscheiden, ob Aufgaben durch gemeindliche Einrichtungen, unter Einbeziehung Privater oder ausschließlich durch Private, gegebenenfalls unter gemeindlicher Kontrolle, erfüllt werden sollen.652 Insbesondere ist auch die Möglichkeit der funktionalen Privatisierung ein Ausdruck der eigenverantwortlichen Ausfüllung der Selbstverwaltungsgarantie.653 Auch die materielle Privatisierung ist jedoch eine durch Allzuständigkeit und Eigenverantwortung geschützte Handlungsoption der Gemeinden. In diesem Fall verbleibt aber eine latente gemeindliche Entscheidungskompetenz,654 welche die Möglichkeit des WiederSchwächer K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (322 f.). J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 187. 650 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 189, im Hinblick auf Private; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 51, bezogen auf staatliches Tätigwerden. 651 B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 28 Rn. 16. Bezüglich der Eigenverantwortlichkeit ist grundsätzlich zwischen pflichtigen und freiwilligen Aufgaben zu unterscheiden. Nur bei letzteren besteht ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich des „ob“ der Aufgabenerfüllung, vgl. P.J. Tettinger, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 23 (25). 652 Dahingehend K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (325); ähnlich Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (432); F. Zeiß, DÖV 1958, 201 (203); W. Zitscher, Daseinsvorsorge, S. 47. Eine Grenze für Privatisierungen bildet jedoch die Funktionsfähigkeit der Selbstverwaltung, vgl. U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 99 ff. Nach H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (14 f.), ist die Gemeinde bei der Entscheidung in ihrem Ermessen nicht frei, sondern hat eine Abwägung der Vor- und Nachteile vorzunehmen. Auch wenn dies rechtlich angesichts des Wortlauts des Art. 28 II 1 GG fraglich erscheint, so ist es zumindest kommunalpolitisch zwingend. Allerdings sind die in die Abwägung einzustellenden Aspekte so vielfältig, dass kaum einmal eine Entscheidung als fehlerhaft angesehen werden kann, solange der Abwägungsprozess durchgeführt wurde. 653 W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (319). 654 U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 51. Die ebd. S. 49 f. vertretene Auffassung, nach der aus der verfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung nicht 648 649

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ansichziehens beinhaltet. Kennzeichnend für die Wirklichkeit im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge ist die Leistungserstellung durch kommunale Unternehmen. Faktisch erscheint Daseinsvorsorge daher häufig als Wirtschaftstätigkeit.655 Auch diese ist den Gemeinden in Art. 28 II 1 GG durch Eigenverantwortlichkeit656 und Allzuständigkeit garantiert.657 Dies ist nicht zuletzt durch die Formenwahlfreiheit der Verwaltung bedingt.658 Kommunale Unternehmen können somit als Instrumente zum Erreichen zulässiger Ziele der Gemeinde eingesetzt werden.659 Eine grundsätzliche Subsidiarität der kommunalen Daseinsvorsorge gegenüber der Privatwirtschaft besteht – jedenfalls im Hinblick auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung – dabei nicht.660 Damit besteht aus Sicht des Art. 28 II 1 GG die Möglichkeit eines Nebeneinanders kommunaler und privater Betätigung im Daseinsvorsorgebereich. Allzuständigkeit und Eigenverantwortung beinhalten im Grundsatz somit auch die autonome Entscheidung, in erster Linie „Daseinsvorsorge-“ oder „Gewährleistungskommune“ zu sein.

nur die Entscheidung über das „ob“ einer wie auch immer gearteten gemeindlichen Aufgabenwahrnehmung folgt, sondern der Gemeinde auch im Falle einer materiellen Privatisierung der Einstellung der Tätigkeit durch den Privaten eine darauf bezogene Entscheidungskompetenz zukommt, ist als zu weitgehend zurückzuweisen. Die Einstellung einer Tätigkeit ist gerade das in Kauf zu nehmende Risiko im Falle einer materiellen Privatisierung. 655 Daran ändert auch die begriffsjuristische Konstruktion nichts, nach der Daseinsvorsorge keine Wirtschaftstätigkeit sei, so BayVerfGH, DÖV 1958, 216 (218). In der Praxis wird zudem gerade die kommunale Wirtschaftstätigkeit als vitaler Kern von Eigeninitiative und -verantwortlichkeit bei der Erfüllung des kommunalen Gemeinwohlauftrags angesehen, vgl. J. Burmeister, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 623. 656 Diesen Ansatz bevorzugt M. Ruffert, NVwZ 2000, 763. 657 So die heute ganz h.M., vgl. nicht zuletzt unter Verweis auf die historische Entwicklung J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 90 f.; M. Moraing, WiVerw 1998, 233 (248 f.); O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 167; J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 21 ff. Gerade wegen des geschichtlichen Bezugs sieht W. Berg, WiVerw 2000, 141 (143), jedoch die Notwendigkeit der Überprüfung der wahrgenommenen Aufgaben. B. Nagel, Gemeindeordnung als Hürde?, S. 23, betrachtet die kommunale Wirtschaftstätigkeit dagegen vor allem als Annex zur in erster Linie durch Art. 28 II 1 GG gewährleisteten politischen Selbstverwaltung. Ablehnend aber H. Fischerhof, DÖV 1960, 41 (46). Für einen verfassungsrechtlichen Schutz kommunaler Wirtschaftstätigkeit jedenfalls im Daseinsvorsorgebereich wird zudem auf Art. 28 II 3 GG verwiesen, vgl. RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801; J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 90; R. Grawert, in: Chr. Reichard, Kommunen am Markt, S. 8 (11); J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 25. 658 A. Schink, NVwZ 2002, 129 (133). 659 Vgl. H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 41 (46). 660 B. Merk, in: ders. / G. v. Kortzfleisch, Gemeindliche Daseinsvorsorge, S. 6 (11).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

cc) Verpflichtung zu kommunaler Daseinsvorsorge? Nicht geklärt ist dadurch jedoch, ob die Kommunen zur Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen verpflichtet sind. In der Rechtswirklichkeit bildet den Schwerpunkt der öffentlichen Angelegenheiten der Gemeinden tatsächlich die örtliche Daseinsvorsorge.661 Teilweise wird dem Selbstverwaltungsrecht sogar eine Versorgungspflicht entnommen und beide Aspekte gleichgesetzt.662 Art. 28 II 1 GG spricht jedoch nur von einem entsprechenden Recht der Gemeinden. Aus dieser Vorschrift kann somit unmittelbar keine objektive Rechtspflicht für die Kommunen folgen, eine Daseinsvorsorge-Grundversorgung sicherzustellen. Allerdings enthält die Vorschrift die Pflicht der Gemeinden, die allgemeine Staats- und Verwaltungszwecke des sozialen Rechtsstaats als jetzigem Staatstyp zu beachten und zu fördern. Aus Art. 28 II 1 GG folgt daher in Verbindung mit der Schutzpflichtdimension der Grundrechte und dem Sozialstaatsprinzip eine gemeindliche Garantiepflicht zur Sicherstellung lokaler existenzieller Bedürfnisbefriedigung.663 Damit ist jedoch keine Verpflichtung zum Einsatz kommunaler Unternehmen verbunden.664 Dennoch handelt es sich bei der Aufgabenwahl vor allem um eigenverantwortliche Entscheidungen der Gemeinden.665 Allenfalls aus den in der Normenhierarchie auf niedrigerer Stufe stehenden landesrechtlichen Regelungen kann sich etwas anderes ergeben.666 Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die gemeindliche Daseinsvorsorge die kommunale Selbstverwaltung präge, sie typusbestimmend sei und somit deren funktionellen Kern bilde,667 da dieser Einwand allein gegen ein Verbot gemeindlicher Daseinsvorsorge spricht. Nicht überzeugend 661 J. Burmeister, in: FS G.Chr.v. Unruh, S. 623 (626); F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 45; P.M. Mombaur, in: FS G.Chr.v. Unruh, S. 503; R. Scholz, DÖV 1976, 441(442); P.J. Tettinger, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 28 Abs. 2 Rn. 207. 662 So G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 247; E. Röper, Der Staat 37 (1998), S. 249 (253). 663 H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 40 f. 664 So schon F. Zeiß, DÖV 1958, 201 (202), in Bezug auf kommunale Pflichtaufgaben. 665 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 48 f.; S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 89; S. Tomerius / T. Breitkreuz, DVBl. 2003, 426 (433); anders B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 129, mit dem Hinweis auf die historische Entwicklung sowie U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 49 f., die sich sinngemäß auf die Natur der Sache beziehen. 666 J. Hellermann, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 19 (27). Bei freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben ist dies jedoch nicht weiterführend. Insoweit ist auch die Möglichkeit des Rückzugs von einer Aufgabe möglich, vgl. J. Ipsen, DVBl. 1998, 801 (802); E. Pappermann, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 103 (113). 667 BayVerfGH, DÖV 1958, 216 (217); RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801; P. Badura, DÖV 1998, 818 (820); S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 80; R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427; U. Cronauge, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 161 (162); M. Eumann, Organisationsrechtliche Probleme, S. 56; M. Moraing, WiVerw 1998, 233 (249); A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438 (439); R. Scholz, DÖV 1976, 441 (442).

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ist auch das Vorbringen, dass die Gemeinden für das Wohl ihrer Einwohner im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit sorgen sollen.668 Zum einen ergibt sich dieses nämlich explizit erst aus den Gemeindeordnungen der Länder. Zum anderen aber bedeutet der Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit zugleich, dass bei deren Fehlen auch auf eine gemeindliche Daseinsvorsorge verzichtet werden kann und sogar muss. Somit findet die (gemeindliche) Daseinsvorsorge zwar Grundlage und Rahmen in der kommunalen Selbstverwaltung.669 Keinesfalls folgt aber aus der Selbstverwaltungsgarantie eine umfassende Verpflichtung zur Daseinsvorsorge.

dd) Staatliche Einwirkungsmöglichkeiten Eine gesamtstaatliche Konzeption kann um ihrer Wirksamkeit willen nicht die kommunale Ebene völlig ausklammern. Es stellt sich daher die Frage, welche Möglichkeiten Bund und Länder haben, ihre Vorstellungen von der Gestaltung des Daseinsvorsorgebereichs trotz verfassungsrechtlich gewährleisteter Allzuständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden durchzusetzen. Ansatzpunkt ist insoweit der Wortlaut des Art. 28 II GG, nach dem die kommunale Selbstverwaltung insgesamt nur „im Rahmen der Gesetze“ garantiert ist. Es handelt sich somit bei dieser insgesamt, aber auch speziell mit Bezug auf die kommunale Daseinsvorsorge, um eine gesetzesgeformte Institution.670 Bevor im Folgenden auf die Möglichkeiten der staatlichen Einflussnahme durch Gesetze eingegangen wird, sollen jedoch die möglicherweise bestehenden Hindernisse vorangestellt werden. Diese ergeben sich aus dem trotz der Gesetzesgeformtheit gegebenen Verfassungsrang der kommunale Selbstverwaltung und ihrer Inhalte. Den weitestgehenden Schutz für die Kommunen und die von ihnen wahrgenommenen Aufgaben würde das Verständnis des Art. 28 II 1 GG als grundrechtsgleiches Recht vermitteln.671 Dies ist insoweit nahe liegend, als dass durchaus eine strukturelle Grundrechtsähnlichkeit des Art. 28 II 1 GG besteht.672 Demnach wäre die kommunale Daseinsvorsorge als Quasi-Grundrechtsausübung gegenüber Bund und Land grundsätzlich in ihrer jeweils bestehenden Form geschützt. Staatlich veranlasste Veränderungen wären nur in sehr begrenztem Maße und zudem im Ergebnis nur einzelfallbezogen möglich. Eine entsprechende Interpretation des Art. 28 II 668 P.M. Mombaur, in: FS G.Chr.v. Unruh, S. 503 (505); U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 50. 669 W. Zitscher, Daseinsvorsorge, S. 6. 670 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 681; dahingehend auch W. Berg, WiVerw 2000, 141 (148); V. Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, S. 16. Der Gesetzesvorbehalt bezieht sich trotz seiner grammatikalischen Stellung sowohl auf die Allzuständigkeit als auch auf die Eigenverantwortlichkeit, vgl. BVerfGE 56, 298 (312); 79, 127 (143). 671 E. Röper, Der Staat 37 (1998), S. 249 (253); J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 84; implizit wohl auch RhPfVerfGH, NVwZ 2000, 801 ff. 672 B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 28 Rn. 11.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

1 GG ist aber abzulehnen.673 Einerseits befinden sich die Gemeinden grundsätzlich nicht in einer dem Bürger vergleichbaren Situation im Verhältnis zum Staat. Andererseits sind sie selbst in den Staatsaufbau eingebunden, was sich nicht zuletzt an den zahlreichen von ihnen wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben zeigt. Schließlich würde die Zuerkennung eines entsprechenden grundrechtsgleichen Rechts dazu führen, dass sich die mit Hoheitsgewalt ausgestattete Gemeinde gegenüber dem Bürger im Konfliktfall darauf zumindest indirekt berufen könnte, was jedoch in krassem Widerspruch zu ihrer sonst fehlenden Grundrechtsfähigkeit stünde. Ein auf Art. 28 II 1 GG beruhendes gemeindliches „Grundrecht auf Daseinsvorsorge“, das zudem die sachliche Zielrichtung der Daseinsvorsorge umkehren würde, scheidet somit aus.674 Weitgehend anerkannt ist dagegen, dass Art. 28 II 1 GG den Kommunen einen unantastbaren Kernbereich garantiert.675 Eingriffe in diesen sind nicht zulässig. Es wird vertreten, dass sowohl „ob“ als auch „wie“ der kommunalen Daseinsvorsorge in diesem Kernbereich verankert seien.676 Noch spezieller werden sogar einzelne Teilbereiche im Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie verortet. So sollen etwa die kommunalen Verkehrsunternehmen von diesem umfasst sein.677 In diesem Fall wären gesamtstaatliche, die Ebene der Gemeinden einbeziehende Strukturreformen und somit auch der Übergang zum Gewährleistungsstaat insoweit nicht durchsetzbar. Ein derartiges Verständnis des Kernbereichs bedarf jedoch der Überprüfung. Die Bestimmung des Kernbereichs erweist sich als abstrakt sehr schwierig bis unmöglich. Das BVerfG stellt dementsprechend regelmäßig auf die historische Entwicklung ab.678 Nach anderer Auffassung gehören alle Bereiche, in denen die Gemeinden noch echte Entscheidungsfreiheit haben, zum Kernbereich 673 So ausdrücklich auch U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (174); H. Melchior, Fachplanung im Sozialstaat, S. 146; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 680; K. Rennert, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 28 II Rn. 76; Th. Schäfer, Die deutsche kommunale Selbstverwaltung, S. 15; S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 221. 674 Im Ergebnis, allerdings nur bezogen auf kommunale Wirtschaftstätigkeit, so auch J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 134. 675 BVerfGE 1, 167 (174 f.); 56, 298 (312); 79, 127 (146); 91, 228 (238). 676 So U. Brandl, BayBgm 2002, 52 (53); M. Eumann, Organisationsrechtliche Probleme, S. 55 f.; wohl auch R. Grawert, in: Chr. Reichard, Kommunen am Markt, S. 8 (13); B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 219. Nicht aufgabenspezifisch einschränkend im Hinblick auf das „wie“ J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 185. Angemerkt sei hier zur Klarstellung, dass sich Begriffspaar Kernbereich-Randbereich nur auf staatliche Eingriffe bezieht, nicht aber auf eine etwaige Pflicht der Kommunen, bestimmte Leistungen selbst zu erstellen. Insoweit ist der Unterscheidung „keinerlei eigenständiger Aussagegehalt“ zu entnehmen, vgl. A. Gern, Privatisierung in der Kommunalverwaltung, S. 13. 677 A. Zahn, Kommunale Dienstleistungsmonopole, S. 46; entsprechend für die kommunale Energieversorgung K. Stern, in: FS J.F. Baur, S. 351 (362 f.). Vor dem Hintergrund der Unschärfe und rechtlichen Unverbindlichkeit des Daseinsvorsorgebegriffs, vgl. oben A.II.3. b), erscheint das Abstellen auf Einzelaufgaben stimmiger, dahingehend auch J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 91. 678 Vgl. BVerfGE 11, 266 (274 f.); 76, 107 (118); 79, 127 (146 f.); 91, 228 (238).

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oder sind nahe daran zu verorten. Begründet wird dies mit dem nachlassenden Umfang des entsprechenden Bereichs.679 An dieser Stelle soll nicht die in der Kommunalrechtswissenschaft geführte Diskussion über die theoretische Bestimmbarkeit des Kernbereichs680 aufgenommen werden. Dies würde den Rahmen der Untersuchung sprengen. Es genügt daher, diejenigen Aspekte aufzugreifen, die im Hinblick auf die Daseinsvorsorge von unmittelbarem Interesse sind. Insoweit ist zunächst auf die oben681 dargestellte historische Entwicklung der Daseinsvorsorge in Deutschland zu verweisen. Der darin zutage tretende Wandel spricht gegen eine Verankerung der Daseinsvorsorge im Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung.682 Neben dem gewichtigen historischen Argument sprechen weitere Gründe gegen ein entsprechendes Verständnis. Zum einen bestehen grundsätzliche Bedenken gegen die Verortung konkreter Aufgaben im Kernbereich. Abgesehen von deren stetiger Änderung und regionaler Unterschiede, besteht in diesem Fall außerdem die Gefahr der Erstarrung und Verlagerung kommunalpolitischer Entscheidungen auf die Gerichte.683 Es kann jedoch keinesfalls Ziel des Art. 28 II 1 GG sein, eine zu einem willkürlich festgelegten Zeitpunkt vorgefundene Situation in allen Einzelheiten verfassungsrechtlich festzuschreiben. Dies gilt insbesondere für wirtschaftlich relevante Bereiche und damit auch für die Daseinsvorsorge. Diese bilden nicht zuletzt einen wichtigen Teil der Gesamtwirtschaft.684 Verallgemeinert lässt sich insoweit die These aufstellen, dass das Bestehen zumindest faktischer Konkurrenz durch Private gegen die Einordnung einer Aufgabe in Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie spricht.685 Dieser Gedanke ist zudem erweiterbar auf das Bestehen potentieller Konkurrenz im Falle „künstlicher“, also unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen von Rechts wegen bestehender kommunaler Monopole. Für ein solches Verständnis spricht insbesondere die rein staatsbezogene Wirkungsrichtung der kommunalen Selbstverwaltung. Damit lässt sich die Daseinsvorsorge in der jeweils bestehenden Form nicht im unantastbaren Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verankern.686 Allerdings sind die AufW. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 101. Vgl. zusammenfassend dazu K. Rennert, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 28 II Rn. 121 ff. 681 A.I.2. und A.III.2. 682 V. Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, S. 21; H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (280); anders bezüglich der kommunalen Energieversorgung K. Stern, in: FS J.F. Baur, S. 351 (363), mit dem Argument, die kommunale Selbstverwaltung hätte ohne diese „eine andere Entwicklung genommen“. 683 A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 195; kritisch auch J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 683; K. Rennert, JZ 2003, 385 (387). 684 H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (315), bezogen auf die Energiewirtschaft; ähnlich V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 100. 685 So J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 185. 686 Weitergehend noch K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (338), wonach die Selbstverwaltungsgarantie überhaupt weder einen konkreten Aufgabenbestand noch konkrete Wahrnehmungsrechte schütze. 679 680

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

gaben der Daseinsvorsorge ein wichtiger Teilbereich der örtlichen Angelegenheiten. Ein vollständiger Entzug hätte für die Gemeinden schwerwiegende Folgen. Dies spricht dafür, zwar nicht die Daseinsvorsorge an sich, wohl aber die Möglichkeit, überhaupt daseinsvorsorgerelevante Entscheidungen zu treffen, im Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zu verorten.687 Der insoweit vermittelte Schutz ist jedoch minimal. Eine Einflussnahme des Gesetzgebers ist somit grundsätzlich möglich. Mangels Zuordnung zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ist die kommunale Daseinsvorsorge somit durch Art. 28 II 1 GG nicht absolut geschützt. Einschränkungen können daher zum einen durch sonstiges Verfassungsrecht gerechtfertigt werden.688 Von Bedeutung sind insoweit vor allem die Grundrechte.689 Zum anderen sind jedoch auch gesetzliche Vorgaben und Beschränkungen möglich. Diese sind jedoch wiederum grundsätzlich nicht schrankenlos, sondern nur unter Beachtung des Verfassungsrangs der Selbstverwaltungsgarantie zulässig. Da die in dieser enthaltenen Allzuständigkeit aber nur im Verhältnis zum Staat zum Tragen kommt, stellt sich die Frage, inwieweit sie im Hinblick auf gesetzliche Aufgabenverlagerungen auf Private, also die in erster Linie dem „schlanken“ aber auch dem Gewährleistungsstaat in eingeschränktem Maß eigene „Entstaatlichung“, Wirkungen entfaltet. Nach einer Ansicht soll das Aufgabenverteilungsprinzip des Art. 28 II 1 GG bei gesetzlichen „Wegzonungen“ an die Privatwirtschaft grundsätzlich nicht gelten.690 Die Gegenauffassung betont dagegen die kommunale Organisationshoheit. Die gesetzliche Verlagerung gemeindlicher Aufgaben auf den Privatsektor müsse von überwiegenden Gemeinwohlinteressen bedingt sein.691 Unabhängig von der schwierigen Frage, wie weit die Organisationshoheit der Gemeinden in Bezug auf einzelne Bereiche und Aufgaben reicht,692 sind jedoch 687 Ähnlich J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 35. Insoweit spielt es auch eine Rolle, dass die kommunale Daseinsvorsorge einen wesentlichen Teil der Legitimation der Gemeinden ausmacht, vgl. E. Pappermann, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 103 (117). Dementsprechend wäre etwa ein totaler Gesetzesvorbehalt im Daseinsvorsorgebereich (dafür im Ergebnis H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 [314]) als Eingriff in den Kernbereich unzulässig. Siehe dazu nochmals, allerdings bezogen auf den weiteren Bereich kommunaler wirtschaftlicher Betätigung, J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 32; ähnlich Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (434); sowie D. Ehlers, DVBl. 2000, 1301 (1307), der aber die Kern- und Randbereichsvorstellung ablehnt. 688 B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 28 Rn. 20. 689 U. Hösch, DÖV 2000, 393 (399); ders., WiVerw 2000, 159 (179); Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (457). 690 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 692 f. 691 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 179 f. 692 So soll eine Aufgabenvollzugshoheit („make or buy“-Entscheidung) nach P. Eichhorn, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 15 (17), nicht bestehen. Auch sei die Aufgabenverteilungsstruktur innerhalb eines Aufgabenfeldes (und damit Frage nach der „Verantwortung“) nicht von der kommunalen Organisationshoheit als Teil der Eigenverantwortlichkeit erfasst, da jene nur die Organisationsstruktur bei der Wahrnehmung einer

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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richtigerweise zwei Konstellationen voneinander zu unterscheiden. Ein gesetzlich angeordnetes Betätigungsverbot für die Gemeinden ist klar von einer bloßen allgemeinen Marktöffnung abzugrenzen. Zumindest rechtlich grundsätzlich nicht belastend für die Kommunen ist die zweite Alternative. Eine gesetzliche Marktöffnung bzw. Liberalisierung führt nicht zu Schmälerungen der Rechtsstellung der Gemeinden. Negative Folgen, vor allem die mögliche Verdrängung kommunaler Unternehmen, stellen sich nur faktisch aufgrund der neuen Konkurrenzsituation ein, vor der die Selbstverwaltungsgarantie jedoch gerade keinen Schutz bietet.693 Diese enthält weder eine Bestands- noch eine Wertgarantie für kommunale Unternehmen.694 Art. 28 II 1 GG ist damit kein Liberalisierungshindernis. Die entsprechende Entscheidung liegt uneingeschränkt beim Gesetzgeber.695 Allerdings bedeutet die Entscheidung für eine Liberalisierung nicht zugleich den gesetzlich vorgegebenen Übergang zum Gewährleistungsstaatsmodell. Abgeschafft wird zunächst ausschließlich die Marktabschottung und damit die Monopolisierung, wodurch die Stellung privater Leistungserbringer grundsätzlich gestärkt wird.696 Theoretisch können Marktöffnung und modifizierte traditionelle Daseinsvorsorge aber nebeneinander stehen. Der vom Auftreten neuer Konkurrenten ausgehende faktische Druck auf die Organisation kommunaler Leistungserbringung dürfte zwar im Regelfall groß genug sein, um Reformen zu bewirken. Ob diese jedoch in die vom Gesetzgeber mittelbar bezweckte Richtung gehen, ist durch diesen nicht steuerbar.

bestimmten Aufgabe umfasse, vgl. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 304; dahingehend auch J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 678, 693. 693 W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (319); dahingehend im Ergebnis auch K. Stern, in: FS J.F. Baur, S. 351 (365). Probleme können sich allenfalls im Hinblick auf eine etwaige gesetzliche Verpflichtung, kommunale Infrastruktur kostenlos zur Verfügung zu stellen, ergeben, vgl. W. Frenz, ebd. S. 320, bezogen auf (Wasser-)Leitungsnetze. K. Rennert, JZ 2003, 385 (389), sieht zudem eine Betroffenheit der Selbstverwaltungsgarantie, wenn das Monopoldurch ein Subventionsverbot ergänzt wird. Nach BayVerfGH, DÖV 1958, 216 (218), darf die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen den Gemeinden jedoch ohne weitere Differenzierung nicht unmöglich gemacht werden, zustimmend F. Zeiß, DÖV 1958, 201 (203); ähnlich mit Bezug zum ÖPNV H. Melchior, Fachplanung im Sozialstaat, S. 144. 694 K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (330). 695 M. Dreher, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 33 (36); D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 69; ders., Der Landkreis 2003, 22 (24); J. Hellermann, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 19 (24); W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 416 (436); J. Oebbecke, in: M. Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 13 (19); implizit K. Rennert, JZ 2003, 385 (388). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass dies erst recht bezüglich gemeinschaftsrechtlicher Liberalisierungsbestrebungen gilt, vgl. W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (320); allgemein H.-J. Blanke, DVBl. 1993, 819 (819 f.). 696 Soweit damit ein privates „Rosinenpicken“ ermöglicht wird, so dass allein die schlechten Risiken den Kommunen verbleiben, wirft dies nach K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (330), und JZ 2003, 385 (389), keine Fragen nach der deren Sachkompetenz, sondern nach der Finanzausstattung der Gemeinden auf. 14 Knauff

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Zielgenauer ist dagegen die gesetzgeberische Privatisierungsentscheidung in Bezug auf die Leistungserbringung. Teilweise wird vertreten, dass Privatisierungen den Kommunen grundsätzlich durch Gesetz vorgeschrieben werden können.697 Einschränkungen bestünden allenfalls im äußersten Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie.698 Danach wäre die gesetzliche Festschreibung des Gewährleistungsstaatsmodells699 auch für den Bereich freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben unproblematisch möglich. Dies kann jedoch nicht überzeugen. In dieser Konstellation ist die Organisationshoheit der Gemeinden zu beachten. Zwar belässt die funktionale Privatisierung die betreffenden Aufgaben im kommunalen Bereich.700 Das „ob“ einer Aufgabe bleibt damit unangetastet. Hinsichtlich des „wie“ wird der Spielraum der Kommunen jedoch auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen der funktionalen Privatisierung beschränkt701 und damit praktisch auf Null reduziert. Die von Art. 28 II 1 GG garantierte und nicht zu „verunmöglichende“ eigenständige organisatorische Gestaltungsfreiheit der Kommunen702 steht zumindest im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben, zu denen die meisten Daseinsvorsorgetätigkeiten zählen, einer gesetzlichen Ausgestaltung, die ein zwingendes Verbot der Eigenerbringung enthielte, im Wege. Insoweit wäre, wie oben gezeigt, zudem der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie betroffen.703 Dagegen sind weniger einschneidende Gestaltungen zulässig. Insbesondere ist die gesetzliche Anordnung der Berücksichtigung privater Angebote im Sinne einer sparsamen Haushaltsführung möglich.

ee) Ergebnis Art. 28 II 1 GG enthält ein Recht der Kommunen, ortsbezogene Daseinsvorsorgeleistungen zu erbringen.704 Dieses besteht jedoch nicht als Selbstzweck.705 697 K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (326). Als Kompetenzgrundlage des Bundesgesetzgebers ließe sich insoweit Art. 74 Nr. 11 GG anführen, vgl. dazu (kritisch) S. Tomerius / T. Breitkreuz, DVBl. 2003, 426 (433 f.). 698 H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (283). 699 Die darüber hinausgehende Frage nach der Zulässigkeit materieller Privatisierungsentscheidungen hinsichtlich kommunal verankerter Aufgaben durch den Gesetzgeber kann hier offen bleiben. 700 W. Frenz, ZHR 166 (2002), S. 307 (319), am Beispiel der Wasserver- und Abwasserentsorgung. 701 Vgl. oben B.IV.1. c). 702 BVerfGE 91, 228 (239); B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 28 Rn. 21. 703 Entsprechend für die Einführung einer umfassenden Ausschreibungspflicht M. Burgi, DVBl. 2003, 949 (956 f.). 704 B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 222 ff.; J. Hellermann, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 78 (89). 705 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 52.

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Vielmehr sind die Kommunen an gesamtstaatlich zu erreichende Verfassungsziele gebunden. Im Vordergrund steht daher die Sinnhaftigkeit der Leistung für den Bürger. Dementsprechend wird Art. 28 II 1 GG vor allem auch durch die kommunale Daseinsvorsorge ausgefüllt.706 In welchem Umfang und in welcher Weise die Gemeinden Daseinsvorsorgeleistungen selbst erbringen oder erbringen lassen, ist durch Art. 28 II 1 GG nicht festgelegt. Allerdings ist auch die kommunale Daseinsvorsorge im Grundsatz „gelenkte Betätigung“707. Gesetzgeberische Einflussnahmen, die das eingangs genannte Recht der Kommunen prinzipiell unberührt lassen, sind zulässig. Insbesondere steht die Selbstverwaltungsgarantie dem Übergang zum „Gewährleistungsstaat“ so lange nicht entgegen, als kommunale Leistungserbringung nicht per se für unzulässig erklärt wird.

d) Beamtenvorbehalt Nicht der Verankerung traditioneller Daseinsvorsorge als Aufgabengebiet, wohl aber als dem Gewährleistungsstaatsmodell entgegenstehend könnte sich der in der Privatisierungsdiskussion immer wieder angeführte Art. 33 IV GG erweisen, nach dem die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe im Regelfall Beamten übertragen sein soll. Als Organisationsnorm708 betrifft die Bestimmung nicht nur die Möglichkeit des Einsatzes von Beamten oder Arbeitern bzw. Angestellten im Öffentlichen Dienst, sondern sie trifft mittelbar auch eine grundsätzliche Aussage über die Aufgabenwahrnehmung durch Beamte und Private.709 Obwohl dem Berufsbeamtentum ein substantiell bedeutsamer Tätigkeitsbereich erhalten bleiben muss,710 regelt Art. 33 IV GG jedoch nur den Fall, dass eine Staatsaufgabe wahrgenommen wird. Entsprechend ihrer Zielrichtung kann die Vorschrift aber keine Entscheidung über die Bestimmung staatlicher Aufgaben treffen.711 K. Stern, Staatsrecht I, S. 412. So O. Ehrensberger, DÖV 1956, 129 (131), bezogen allgemein auf kommunale Wirtschaftstätigkeit. 708 U. Battis, in: M. Sachs, GG, Art. 33 Rn. 45; F.-W. Dollinger / D.C.Umbach, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 33 Rn. 74; B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 33 Rn. 30. 709 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 56 f.; Th. Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 206. 710 Th. Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 205. 711 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 42; Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (356); Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 43; Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 55; G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 241; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 215; U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 160; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 487; R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (222). 706 707

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Bereits heute wird kritisiert, dass die Verwaltungswirklichkeit Art. 33 IV GG nicht ausreichend Rechnung trage.712 Dies muss insbesondere auch auf den Bereich der Daseinsvorsorge bezogen werden, wo schon jetzt vergleichsweise wenige Beamte tätig sind.713 Der Übergang zum Gewährleistungsstaat, der die „Staatlichkeit“ bestimmter Aufgaben unangetastet ließe, würde dazu führen, dass ein Einsatz von Beamten bei der Leistungserbringung völlig entfiele. Allerdings ist nicht unumstritten, inwieweit Art. 33 IV GG überhaupt auf die Leistungsverwaltung anwendbar ist.714 Während die Bestimmung nach einer Ansicht nicht auf staatliche Wirtschaftstätigkeit,715 zumindest aber nicht auf die reine Leistungsverwaltung in Form der Daseinsvorsorge716 anwendbar sein soll, da es insoweit an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse fehle, ist sie nach anderer Auffassung auch in diesen Bereichen einschlägig.717 Begründet wird dies zum einen mit dem insoweit gegebenen öffentlichen Zweck, durch den eine Zurechnung zum hoheitlichen Aufgabenbereich erfolge,718 zum anderen erfolge durch den Einsatz Beamter eine personelle Absicherung des Rechtsstaatsprinzips.719 Einigkeit besteht jedoch darin, dass eine dynamische Auslegung des Art. 33 IV GG geboten ist.720 Die Vorschrift soll nicht zu einer Erstarrung staatlicher Aufgabenwahrnehmung führen, sondern zu deren sachgemäßer Erfüllung. Der dafür notwendigen Flexibilität bei gleichzeitiger Beachtung der Sonderstellung der Beamten trägt eine Auffassung Rechnung, die auf die Beantwortung der allein anhand 712 Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 52; B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 33 Rn. 31. 713 Vgl. bereits historisch G. Dürig, JZ 1953, 193 (Anm. 12). 714 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 47. Zum Meinungsstand vgl. mit zahlreichen Nachweisen Th. Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 62 f. 715 R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (222). 716 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 58; dahingehend auch V. Haug, NVwZ 1999, 816 (818); D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 179. 717 G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 242; Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 50 f.; implizit H. Lecheler, Grenzen für den Abbau von Staatsleistungen, S. 64 f.; eingeschränkt für den Fall öffentlich-rechtlicher Entscheidungstätigkeit in der grundrechtsrelevanten Leistungsverwaltung mit Ausnahme bloßer Hilfsdienste F.-W. Dollinger / D.C.Umbach, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 33 Rn. 79 f.; B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 33 Rn. 30; ähnlich U. Battis, in: M. Sachs, GG, Art. 33 Rn. 57. 718 H. Lecheler, Grenzen für den Abbau von Staatsleistungen, S. 65. 719 Th. Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 104. Entsprechend soll nach B. Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, S. 441, entscheidend für die Notwendigkeit des Einsatzes von Beamten sein, ob die Wahrnehmung der jeweiligen Zuständigkeiten durch das Treffen eigenständiger Verwaltungsentscheidungen anhand von Rechtsnormen geprägt ist. 720 G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 242; J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1047).

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des Normtexts kaum eindeutig zu klärenden Frage nach der grundsätzlichen Anwendbarkeit auf die Leistungserbringung verzichtet und stattdessen auf die Grundrechtsrelevanz bzw. die Klassifizierung einer Aufgabe als essentiell notwendig abstellt.721 Auch wenn, wie die Untersuchung der „Staatsaufgaben“ als Grundlage für die Daseinsvorsorge gezeigt hat, die zweite Kategorie als wenig weiterführend erscheint, ist die Heranziehung wesentlicher Grundrechtsrelevanz als Bestimmungsmerkmal vor allem auch im Zusammenhang mit der grundrechtsbetonten Konzeption des Grundgesetzes sinnvoll. Dagegen können auch nicht etwaige Loyalitätsprobleme privater Leistungserbringer, die vordinglich an ihrem Gewinn als am Gemeinwohl interessiert seien,722 angeführt werden. Ein derartiges Verständnis missversteht den Gehalt des Art. 33 IV GG und führt in letzter Konsequenz zwangsläufig zu einer „Totalverbeamtung“ sämtlicher Lebensbereiche. Zudem verfügt die Heranziehung Privater über eine lange Traditionslinie im deutschen Verwaltungsrecht. Hätte diese abgebrochen werden sollen, hätte das Grundgesetz dies ausdrücklich klarstellen müssen.723 Das Abstellen auf die Grundrechtswesentlichkeit der jeweiligen Tätigkeit lässt dagegen genügend Raum für alternative Modelle, ohne aber das verfassungsrechtliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Für den Bereich der Daseinsvorsorge bedeutet dies, dass in der Leistungserbringung selbst auf den Einsatz Beamter weitgehend verzichtet werden kann. Insoweit fehlt es an einer besonderen Grundrechtsrelevanz. Die staatliche Leistungsgarantie dagegen, die Ausübung der „Gewährleistungsverantwortung“ muss dagegen durch Beamte wahrgenommen werden, da mit dieser zum einen Eingriffe in Grundrechte privater Leistungserbringer verbunden sein können, zum anderen wegen der Grundrechtsbedingtheit der Existenz gleichmäßiger und allgemein erschwinglicher Daseinsvorsorgeleistungen. Art. 33 IV GG steht damit dem Gewährleistungsstaatsmodell nicht im Wege.

e) Rechtsstaatsprinzip Das in Art. 20 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip trifft, ebenso wie das im Anschluss zu besprechende Demokratieprinzip, keine materielle Aussage im Hinblick auf den Bereich der Daseinsvorsorge. Allenfalls kann ihm ein Verbot des totalen Wohlfahrts- und Versorgungsstaates entnommen werden.724 Ob aus seinem Unterprinzip der Verhältnismäßigkeit zudem eine mögliche Schranke für materielle Pri721 U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 159; F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (161); Chr. Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen, S. 80; für eine Heranziehung der Wesentlichkeitstheorie auch V. Haug, NVwZ 1999, 816 (818). 722 W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 74; dahingehend auch Th. Strauß, Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, S. 203. 723 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 39, in Bezug auf die Möglichkeit der Heranziehung Sachverständiger. 724 H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 15.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

vatisierungen725 oder staatliche Leistungen726 bzw. die wirtschaftliche Betätigung des Staates727 erwachsen kann, erscheint ebenso zweifelhaft, wie seine Verallgemeinerung und die Bezugnahme auf allgemeine Zwecke und Werte statt auf Individualpositionen,728 muss jedoch im vorliegen Zusammenhang nicht entschieden werden. Der Bereich der Daseinsvorsorge in seiner Gesamtheit ist trotz seiner Bedeutung hinsichtlich dieser Vorschläge kein geeigneter Untersuchungsgegenstand, zumal jene mangels Anknüpfungs- und Vergleichspunkten von gleichsam offensichtlichen Fällen abgesehen, kaum handhabbar erscheinen. Als umfassendes Staatsstrukturprinzip greift das Rechtsstaatsprinzip jedoch ein, sobald staatliches Handeln erfolgt. Damit findet es Anwendung sowohl im notwendig Verwaltungsstaat seienden729 daseinsvorsorgenden Wohlfahrtsstaat als auch im Gewährleistungsstaat. Im Bereich traditioneller Daseinsvorsorge liegt der Schwerpunkt unmittelbar in der Organisation gleichmäßiger und gesetzeskonformer Leistungserbringung. Daneben bewirkt es bei der Monopolisierung von Leistungen die Notwendigkeit der Existenz eines diese gestattenden, seinerseits verfassungsgemäßen Gesetzes. Weniger klar stellen sich die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips im Gewährleistungsstaat dar. Ein Problem ergibt sich vor allem daraus, dass die in Frage stehenden Tätigkeiten zwar staatlich gewährleistet, aber von privaten und damit nicht unmittelbar an das Rechtsstaatsprinzip gebundenen Leistungserbringern vorgenommen werden. Letztlich bedeutet dies, dass wegen der verbleibenden Eingebundenheit des Staates die entsprechenden Leistungen den Bürgern als Empfängern rechtsstaatskonform und damit insbesondere frei von der Möglichkeit privatautonomer Willkür und entsprechend den jeweiligen Zielen anzubieten sind. Das Rechtsstaatsprinzip erfordert somit, dass der Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben auch dort, wo er nicht durch eigene Organe tätig wird, die Einhaltung des Gesetzmäßigkeitsprinzips sicherstellt. Dies bedeutet insbesondere eine effektiv zu gestaltende Rechtskontrolle Privater und die Möglichkeit zur Einwirkung auf diese.730 Da sich diese wiederum gegenüber den Leistungserbringern als Eingriff erweist, muss dafür eine hinreichend bestimmte und verhältnismäßige gesetzliche Regelung bestehen. Insbesondere müssen die Befugnisse der Verwaltung klar umrissen sein. Schließlich ist ein hinreichend wirksamer Rechtsschutz sowohl im Hinblick auf die Leistungserbringer als auch die Leistungsempfänger ebenso wie eine transparente Staatsorganisation731 sicherzustellen. A. Gern, Privatisierung in der Kommunalverwaltung, S. 12. H.H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 54; H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (34). 727 A. Krölls, Grundgesetz und kapitalistische Marktwirtschaft, S. 193; P.J. Tettinger, DVBl. 1999, 679 (686). 728 So H.H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 54. 729 P. Badura, DÖV 1968, 446 (450). 730 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 47; ähnlich, allerdings bezogen auf die materielle Privatisierung. U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 152 ff. 731 H.-H. Trute, DVBl. 1996, 950 (957); A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (298). 725 726

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Noch nicht abschließend geklärt ist, ob im Fall der den Gewährleistungsstaat kennzeichnenden funktionalen Privatisierung ein Gesetzesvorbehalt besteht. Diese Frage stellt sich vor allem im Hinblick auf bisher durch die Verwaltung vorgenommene Tätigkeiten. Insbesondere soweit ein Abbau staatlicher Monopolstellungen in Frage steht, erscheint die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung denkbar. Begründet wird dies sowohl mit der Betrachtung der Privatisierungsentscheidung als actus contrarius zur bis dahin bestehenden Grundrechtsbeschränkung, als auch mit den Grundrechten der Leistungsempfänger.732 Eine andere Argumentation stellt auf den demokratisch-institutionellen Gesetzesvorbehalt ab, nach dem prinzipiell ein Gesetz zur Übertragung der Erfüllung staatlicher Verwaltungsaufgaben auf Private erforderlich ist.733 Die Verweise auf die Erfordernisse des Demokratieprinzips und die Grundrechte der Leistungsempfänger sind zutreffend. Allerdings ist zu beachten, dass sich die funktionale Privatisierung gerade durch eine weiterhin bestehende Verantwortung des Staates auszeichnet. Einschränkungen sind daher möglich. Insbesondere soweit der Private nur als „technischer Erfüllungsgehilfe“ ohne einen weiten eigenen Entscheidungsspielraum eingesetzt wird, ist die Notwendigkeit eines Gesetzes für dessen Einbindung nicht gegeben. Darüber hinausgehend bietet die Wesentlichkeitstheorie einen weiterführenden Ansatzpunkt.734 Die dogmatische Schwierigkeit dieser Frage ist jedoch kaum geeignet, sich in der Praxis auszuwirken. Die bereits angesprochenen notwendigen Eingriffsbefugnisse der Verwaltung gegenüber den privaten Leistungserbringern erfordern in jedem Fall eine gesetzliche Regelung. Diese enthält zumindest implizit die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Aufgabe funktionell zu privatisieren. Trotz der Wurzeln des Gewährleistungsstaatsmodells im „New Public Management“, das auch von seinen Verfechtern tendenziell im Konflikt mit Rechtsstaatsund Demokratieprinzip gesehen wird,735 ist eine Unvereinbarkeit des Gewährleistungsstaats mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht gegeben. Vielmehr ist dessen rechtsstaatliche Ausgestaltung sowohl möglich als auch verfassungsrechtlich erforderlich. Damit steht das Rechtsstaatsprinzip einem entsprechenden staatskonzeptionellen Wandel nicht entgegen.

J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 206. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 287; dahingehend im Hinblick auf die Verfahrensprivatisierung B. Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren, S. 201 ff. Im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung besteht jedoch insoweit kein Handlungsbedarf, da diesbezüglich die verfassungsrechtlich gewährleistete Organisationshoheit der Gemeinden genügt, F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (174); sowie W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 95 f., dieser allerdings ohne die Einschränkung auf kommunaler Ebene, stattdessen bei Bagatellfällen. 734 F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (970); ähnlich H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (267); zur möglichen Weiterentwicklung der Wesentlichkeittheorie durch die Aufnahme prozeduraler Elemente K.-H. Ladeur / T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), S. 141 (163). 735 Ph. Mastronardi, in: ders. / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 64 f. 732 733

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

f) Demokratieprinzip Als letztes „sicheres Terrain“ in diesem Teil der verfassungsrechtlichen Untersuchung gilt es nun, das in Art. 20 I, II 1, 28 GG enthaltene Demokratieprinzip auf seine Anforderungen an den Bereich der Daseinsvorsorge zu hinterfragen. Auch insoweit stellt sich allein die Frage nach der formalen Ausgestaltung des Bereichs, nicht aber nach dessen inhaltlicher Festlegung.736 Das Demokratieprinzip fordert, dass die Ausübung öffentlicher Gewalt sachlich und personell mittels einer ununterbrochenen Legitimationskette auf das Volk als Souverän zurückführbar sein muss. Wenn auch die Bestimmung „öffentlicher Gewalt“ im Einzelfall nicht unproblematisch möglich sein mag,737 so herrscht doch Übereinstimmung darin, dass die Ausübung von Verwaltungstätigkeiten in jedem Fall unter diesen Begriff fällt.738 Soweit jedoch Leistungen in Frage stehen, genügt ein geringeres demokratisches Legitimationsniveau als bei Eingriffen.739 Überdies genügt nach neuerer Auffassung auch ein „anderweitige(r) Legitimationszuwachs“, der sich z. B. aus Entscheidungsakzeptanz durch Entscheidungsrichtigkeit ergeben kann.740 Sofern eine Aufgabe der Daseinsvorsorge als Verwaltungsaufgabe wahrgenommen wird, steht das Demokratieprinzip einer Beteiligung Privater nicht entgegen, solange durch die Verwaltung eine ausreichende Kontrolle vorgenommen wird.741 Dieser, vor allem auf die traditionelle Daseinsvorsorge bezogene Überlegung lässt sich grundsätzlich auch für den Gewährleistungsstaat fruchtbar machen.742 Das Demokratieprinzip steht der funktionalen ebenso wenig wie der materiellen Privatisierung743 ent736 Dagegen will S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 37 ff. m. w. N., dem Demokratieprinzip im Ausnahmfall eine inhaltliche Festlegung im Hinblick auf die Schaffung seiner Voraussetzungen bezüglich der Kommunikation entnehmen. Dabei handelt es sich jedenfalls nur um eine (teil-)bereichsspezifische Fragestellung, der im vorliegenden Kontext nicht nachgegangen werden muss. 737 U. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (264), mit dem zutreffenden Hinweis, dass „öffentliche Gewalt“ und „öffentliche Aufgaben“ keinesfalls gleichbedeutend sind. 738 Vgl. H. Dreier, in: ders., Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20 (Demokratie) Rn. 79 ff.; Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 58 f.; mit Bezug zur Daseinsvorsorge D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 199. 739 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 194. Das nichtsdestotrotz bestehende Legitimationserfordernis wird nicht zuletzt mit der Abhängigkeit des Einzelnen von bestimmten Leistungen des Staates begründet, vgl. W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 77 f. Allgemein zu unterschiedlichen Legitimationsniveaus M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (230 f.). 740 W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (438); dahingehend auch G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 171; unter Hervorhebung besonderer Sachkunde U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, S. 270. Eine vollständige Substitution ist jedoch nicht möglich, Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 67. 741 F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (159 f.); A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 47 ff.; D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 202. 742 Vgl. ähnlich U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 134, allerdings inkonsequent bezogen auf die materielle Privatisierung.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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gegen,744 sofern die Privatisierungsentscheidung selbst demokratisch legitimiert ist.745 Allerdings unterscheiden sich materielle und funktionale Privatisierung durch den bei letzterer verbleibenden Verantwortungsrest der öffentlichen Hand.746 Unzweifelhaft ist daher eine demokratische Legitimation und Verantwortlichkeit der Gewährleistungsverwaltung notwendig.747 Eine relativ weitgehende, möglicherweise fachlich bedingte gesetzliche Autonomie der Regulierungsbehörden748 ist daher nicht unproblematisch, wenn auch nicht zwingend demokratiewidrig. Eine demokratische Legitimation der privaten Leistungserbringer ist dagegen im Gewährleistungsstaat nicht zu erreichen, zumal diese keine „Staatsgewalt“ ausüben, sondern im grundrechtlich geschützten Bereich tätig werden. Zum einen wäre die Erstreckung des Demokratieprinzips auf diese systemwidrig, zum anderen fehlt es schon wegen deren Grundrechte an einer zumindest weisungsähnlichen Unterworfenheit gegenüber der gewährleistenden Verwaltung.749 Um aber zu verhindern, dass letztlich die Rechtsprechung seitens der Leistungsempfänger entgegen den Wertungen des Demokratieprinzips als Hauptentscheidungsträger aktiviert wird,750 ist die Stellung der Gewährleistungsverwaltung gegenüber den Leistungserbringern gesetzlich so stark auszubauen, dass diese ihrem Auftrag und damit auch ihrer eigenen demokratischen Verantwortlichkeit effektiv nachkommen kann.751 Wenn somit das Demokratieprinzip an die „Feinabstimmung“ des Gewährleistungsstaats hohe Anforderungen stellt, so steht es diesem jedoch nicht entgegen. Seine Anforderungen sind allerdings leichter sowohl im Rahmen traditioneller Daseinsvorsorge als auch, wegen seiner dann hinsichtlich der Leistungserbringung nicht mehr gegebenen Geltung, bezüglich einer materiell privatisierten Daseinsvorsorge zu erfüllen. F.-L. Knemeyer, WuV 1978, 65 (71); U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 134. Anders aber B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 161 ff.; vgl. zur Frage von demokratischer Verantwortlichkeit und Kontrolle im New Public Management allgemein P. Aucoin / R. Heintzman, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 244 (260 ff.). 745 A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 83. 746 Bei einer vollständigen materiellen Privatisierung handelt es sich bei der betroffenen Aufgabe nicht mehr um eine staatliche, so dass das Demokratieprinzip keine Anwendung findet, H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 34 f.; Chr. Gusy, ZRP 1998, 265 (268); Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 56; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 191; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 334. 747 Vgl. Chr. Gusy, ZRP 1998, 265 (268 f.); J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 425. 748 Siehe dazu M.M. Müller / R. Sturm, StWissStPrax 9 (1999), S. 507 (520); sowie ausführlich bezogen auf den Bereich Telekommunikation und Post K. Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, S. 104 ff. 749 Plastisch Chr. Gusy, ZRP 1998, 265 (269): „Wo das Privatunternehmen anfängt, hört die parlamentarische Kontrolle auf.“ Diesbezüglich besteht ein bedeutsamer Unterschied gegenüber dem Einsatz privatrechtlicher kommunaler Unternehmen, vgl. dazu S. Tomerius / T. Breitkreuz, DVBl. 2003, 426 (431). 750 Diese Gefahr sieht H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (34). 751 G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 170. 743 744

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g) „Steuerstaat“ Die Gegner staatlicher Wirtschaftsbetätigung haben im Rahmen der Privatisierungsdiskussion immer wieder auf die Festlegung der Bundesrepublik als „Steuerstaat“752 verwiesen und daraus das Gebot einer nahezu uneingeschränkt privaten Wirtschaft abgeleitet. Ansatzpunkt sind dabei die staatlichen Einnahmen. Nach der Konzeption des Steuerstaates sollen diese durch Abgaben erzielt werden. Die wirtschaftliche Betätigung sei dagegen grundsätzlich Privaten vorbehalten, von deren Erträgen der Staat partizipiert.753 Zwar betrifft der Gesichtspunkt der Einnahmeerzielung vor allem die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand. Auch der Daseinsvorsorgebereich ist jedoch zumindest potentiell betroffen.754 Trotz des heute in diesem eindeutig im Vordergrund stehenden Gemeinwohlbezugs, der sich häufig nicht zuletzt in der Hinnahme von Verlusten zeigt, sind Daseinsvorsorgeleistungen im Grundsatz und vereinzelt auch tatsächlich zur Erzielung von Einnahmen geeignet. Ob das Grundgesetz jedoch tatsächlich ein Steuerstaatsprinzip enthält, ist umstritten. Eine explizite Aussage lässt sich ihm insoweit nicht entnehmen. Während insbesondere die Finanzverfassung nach Ansicht einiger keine Aussage über die Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand treffe,755 diese aber, wie sich an den Art. 86e / f, 105 I, 110 I, 134 II, 135 II, VI, 143a / b zeige,756 vom Grundgesetz als selbstverständlich vorausgesetzt werde,757 gehen andere von dessen Existenz aus.758 Trotz fehlender expliziter Erwähnung ließe sich dieses aus der Finanzverfassung und den Wirtschaftsgrundrechten ableiten.759 Insbesondere im Hinblick auf letztere diene es der Sicherung individueller Freiheit.760 Zudem würde der Staat ohne die Konzeption als Steuerstaat über kein Abgabenerhebungsrecht verfügen.761 Vgl. BVerfGE 93, 319 (342). U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (170 Anm. 70); W. Kluth, in: R. Stober / H. Vogel, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, S. 23 (27). 754 Siehe insoweit zur historischen Entwicklung insbesondere A.I.2. b)bb). 755 H.D. Jarass, DÖV 2002, 489 (490); O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 153 f.; J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1255); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 127 f. 756 A. Gern, NJW 2002, 2593; H.D. Jarass, Kommunale Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb, S. 12 f., 15; Th. Mann, JZ 2002, 819 (820). 757 H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (282); O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 152; ähnlich M. Moraing, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 41 (48). 758 H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 41 (47 f.); ebenso mit Blick auf das Subsidiaritätsprinzip Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 170. 759 W. Kluth, in: R. Stober / H. Vogel, Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, S. 23 (27). 760 U. Hösch, DÖV 2000, 393 (397). 761 R. Stober, NJW 2002, 2357 (2362). 752 753

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit braucht der Streit nicht abschließend entschieden zu werden. Es genügt insoweit die Erkenntnis, dass der historische Gesetzgeber des Grundgesetzes wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand zur Befriedigung von Daseinsvorsorgebedürfnissen vorgefunden und sich nicht explizit gegen diese ausgesprochen hat. Vielmehr deutet Art. 87 GG a.F. darauf hin, dass er jedenfalls in diesem Bereich von einem legitimen Tätigwerden des Staates ausging. Zudem wäre es widersprüchlich, den Grundrechten und dem Sozialstaatsprinzip einen verfassungsrechtlichen Auftrag zur Sicherstellung gemeinwohlorientierter Leistungen zu entnehmen, zugleich aber unabhängig von einem privaten Angebot die Erbringung durch wirtschaftende Einheiten zu verbieten. Im Zusammenhang mit dem Gebot sparsamer Haushaltsführung, vgl. § 6 HGrG, erscheint auch ein bloßes Einnahmeerzielungsverbot, das die Leistungserbringung unberührt ließe, überaus fragwürdig und zudem unpraktikabel. Wegen des Gemeinwohlbezugs der in Frage stehenden Leistungen könnte somit auch ein existentes „Steuerstaatskonzept“ einer staatlichen Erbringung und somit der traditionellen Daseinsvorsorge nicht entgegenstehen.

h) Wirtschaftlichkeits- und Gemeinwohlgebot Vor allem v. Arnim hat in der Privatisierungsdiskussion auf Grundlage der von ihm im Verfassungsrecht verankerten Gebote von Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohl versucht, der Möglichkeit wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand entgegenzuwirken, auch im gemeinwohlbezogenen Bereich der Daseinsvorsorge. Tatsächlich würde die Existenz der Gebote mit dem von ihm angenommenen Inhalt der traditionellen Daseinsvorsorgekonzeption prinzipiell im Wege stehen und eine stärker an privater Leistungserbringung orientierte Organisation der Leistungserstellung nahe legen, wie sie nicht zuletzt für den Gewährleistungsstaat kennzeichnend ist. Der „Verfassungsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit“ soll sich aus einer Zusammenschau verschiedener Bestimmungen des Grundgesetzes ergeben.762 Von Bedeutung seien insbesondere Art. 14 GG, die sich aus Art. 1 und 20 GG ergebende Dienstfunktion des Staats,763 die Bindung Staatsgewalt an Gemeinwohl und Rationalität764 sowie Art. 114 GG. Die Wirkung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes sei dabei nicht auf staatsinterne Vorgänge beschränkt. Vielmehr habe er zudem Aus762 Methodisch ist dies nicht zu beanstanden. Nicht zuletzt das BVerfG hat zahlreiche Rechte aus dem Grundgesetz abgeleitet, die dessen Wortlaut nicht zu entnehmen sind, so etwa das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, vgl. BVerfGE 65, 1 (43). Nach R. Pitschas, in: J. Merchel / Chr. Schrapper, Neue Steuerung, S. 107 (120), ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip ein allgemeiner Verfassungsgrundsatz. 763 Siehe dazu H.H. v. Arnim, Staatslehre, S. 128 ff. 764 H.H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 72 ff.; ders., Rechtsfragen der Privatisierung, S. 97 ff.; zustimmend H.-Chr. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 (41).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

wirkungen auf die vom Staat selbst zu erfüllenden Aufgaben insoweit, als dass staatliches Tätigwerden bei gesellschaftlicher Selbstregulierung unwirtschaftlich sei.765 Die Zielerreichung müsse stets unter Optimierung der betroffenen Werte erfolgen.766 Durch den ihm inhärenten Teilgrundsatz der Sparsamkeit sei zudem gefordert, dass der öffentliche Aufwand zur Erreichung eines vorgegebenen Ziels so gering wie möglich zu halten ist. Im Zweifel werde staatliches Tätigwerden so zurückgedrängt,767 gegebenenfalls seien Private auch von Seiten des Staates zur Leistungserbringung heranzuziehen. 768 Da der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip ein Rechtsverstoß sei,769 wäre die dennoch erfolgende staatliche Eigenerstellung rechtswidrig.770 Die Bestimmung der in Frage stehenden Aufgaben unterfalle dem Wirtschaftlichkeitsprinzip nicht, sondern habe – nicht zuletzt bedingt durch das Demokratieprinzip771 – politisch zu erfolgen.772 Insoweit besteht eine strukturelle Ähnlichkeit mit der Konzeption des Gewährleistungsstaats. Während die Aufgabenbestimmung stets dem Staat obliegt, ist dies bezüglich der gesondert zu betrachtenden Aufgabenerfüllung nicht der Fall. Die Existenz eines verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit kann nicht in Zweifel gezogen werden. Indem die Wirtschaftlichkeit in Art. 114 II GG von Verfassungs wegen zum Prüfungsmaßstab773 des Bundesrechnungshofs erklärt wird, kann sie nicht zum bloßen Programmsatz im Hinblick auf das zu Prüfende erklärt werden.774 Zudem stünde eine entsprechende Auslegung im Widerspruch mit dem Verzicht des Grundgesetzes auf unverbindliche Programmnormen. In Art. 114 II GG wird vielmehr deutlich, dass der Verfassungsgeber die Wirtschaftlichkeit staatlichen Handelns als so wichtig erachtet hat, dass er eigens für 765 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 103; dahingehend auch Chr. Corte, Die Übernahme kommunaler Aufgaben, S. 34; F. Naschold u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 94. 766 H.H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 36. 767 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 300. 768 F. Naschold u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 94. 769 H.H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 93. 770 Chr. Völmicke, Privatisierung öffentlicher Leistungen, S. 105; gegen ein wie auch immer geartetes verfassungsrechtliches Privatisierungsgebot als „kaum zu bestreitende Tatsache“ G. Püttner, ZÖR 56 (2001), S. 227 (231). 771 Vgl. F. Naschold u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 94. 772 H.H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 38; S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 125. 773 W. Heun, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 114 Rn. 27 ff.; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 114 Rn. 7. 774 So aber Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 176; ähnlich H. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld, S. 437. Wie hier Chr. Gröpl, VerwArch 93 (2002), S. 459 (474); H. Lackner, Gewährleistungsverwaltung und Verkehrsverwaltung, S. 82; S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 124; implizit auch S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 121; Chr. Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 116.

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deren Überwachung eine unabhängige Kontrollinstanz geschaffen hat. Darüber hinaus ist eine Verankerung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes jedenfalls in den Grundrechten möglich, da die Finanzierung des Staates in erster Linie durch Zugriff auf die Mittel der Grundrechtsberechtigten erfolgt. Dieser wiederum muss verhältnismäßig sein. Dafür ist erforderlich, dass eine Beschränkung auf die zwingend notwendige Höhe erfolgt.775 Zwingend notwendig ist jedoch nur der Mindestbetrag, zu dem die verfassungskonform bestimmten Ziele erreicht werden können.776 Allerdings führt auch die Anerkennung des verfassungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprinzips777 in seiner Anwendung nicht zu den oben aufgezeigten Folgen. Es fehlt zumindest zum jetzigen Zeitpunkt an einer klaren inhaltlicher Bestimmtheit,778 so dass es dem Anwender weite Ausfüllungsspielräume lässt. Sowohl in sachlicher779 als auch in zeitlicher 780 Hinsicht bestehen große Schwierigkeiten, deren Bewältigung im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht erforderlich ist. Wichtig ist dagegen die Erkenntnis, dass auch das verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsprinzip nicht zu einer einzig richtigen Lösung führt.781 Zudem ist es weder ein „Überverfassungsprinzip“, noch steht es für sich allein. Stattdessen ist es mit anderen Verfassungsgütern im jeweiligen Einzelfall abzuwägen und zum Ausgleich zu bringen.782 Bis auf Fälle offensichtlich unwirtschaftlicher und nicht gerechtfertigter staatlicher Betätigung kann es einer solchen daher nicht im Wege 775 Vgl. insoweit auch Art. 106 III Nr. 2 GG. Chr. Zeiss, Privatfinanzierung staatlicher Infrastruktur, S. 116, sieht auch in dieser Bestimmung eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprinzips. 776 Dahingehend auch H. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld, S. 471, 473, der auf die grundrechtliche Forderung nach Eingriffsvorbeugung abstellt und das Wirtschaftlichkeitsprinzip als Bestandteil der abgabenrelevanten Grundrechte in ihrer objektivrechtlichen Ausprägung als Organisations- und Verfahrensgarantien ansieht. Zudem sei es bezüglich staatsinterner Organisationsfehler im Untermaßverbot verankert. 777 Ausdrücklich ist nochmals hervorzuheben, dass es sich bei diesem um ein Rechtsprinzip, nicht eine unmittelbar und eindeutig anwendbare Rechtsregel handelt, vgl. Chr. Gröpl, VerwArch 93 (2002), S. 459 (475 f.). Zum Unterschied zwischen Regeln und Prinzipien vgl. ausführlich R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 72 ff. 778 Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 176; W. Heun, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 114 Rn. 29. Vgl. insbesondere die Kennzeichnung bei H. Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (255), als „formales, inhalts- und konturenarmes, offenes Gebot zur Optimierung einer Relation von Mittel und Zweck.“ 779 So ist denkbar, neben wirtschaftlichen auch Zweckverwirklichungskriterien einzubinden, vgl. Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (358); ähnlich H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (265); A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 174. 780 Nach U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 223, sollen etwa auch im Falle einer Privatisierung später möglicherweise auftretende Folgekosten einschließlich einer etwaigen Aufgabenrückholung in die Berechnung einbezogen werden. 781 So auch H.H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 45 f.; ohne Bezeichnung als Verfassungsprinzip H. Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 (1996), S. 231 (256). 782 Vgl. W. Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 (437); L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (221).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

stehen. Für den Bereich der Daseinsvorsorge bedeutet dies keine Bevorzugung des Gewährleistungsstaatsmodells gegenüber traditioneller Daseinsvorsorge. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip kann dagegen sogar gegen eine Heranziehung Privater bei der Leistungserbringung sprechen, wenn diese durch die öffentliche Hand selbst unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte wirtschaftlicher ist. Noch weniger aussagekräftig in Bezug auf die hier interessierende Thematik ist das – verfassungsrechtlich gegebenenfalls in der aus Art. 1 und 20 GG folgenden Dienstfunktion des Staates, dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 14 III 1 GG zu verankernde783 – auf das allgemeine Beste zielende784 Gemeinwohlgebot,785 das zudem nach heutiger Auffassung den Legitimationsgrund des Staats bildet.786 Aus diesem wird der Schluss gezogen, dass auch bei Vorliegen eines öffentlichen Zwecks der Staat nur dann selbst tätig wird, wenn dies gegenüber der Privatwirtschaft verhältnismäßig ist,787 da die Ausrichtung des Staates am in erster Linie individualschützenden788 Gemeinwohl eine zumindest mittelbare Berücksichtigung der Interessen der privaten Konkurrenz erfordere.789 Dies kann jedoch schon im Ansatz nicht überzeugen. Anders als derjenige der Wirtschaftlichkeit ist der Begriff des Gemeinwohls nicht abstrakt bestimmbar, sondern muss stets neu790 unter der Einhaltung der dafür vorgesehenen demokratischen Spielregeln formuliert werden.791 Damit ist das „Gemeinwohl . . . nicht vorgegeben, sondern aufgegeJ.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 293 f. L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 235. 785 Zweifelnd diesbezüglich aber ohne nähere Begründung D. Budäus, in: ders., Organisationswandel, S. 99 (104). Für eine umfassende Annäherung an das „Gemeinwohl“, seine Funktionen, Elemente und Schwierigkeiten vgl. die Beiträge in W. Brugger / S. Kirste / M. Anderheiden, Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt. 786 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 26; A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 16; H.-Chr. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 (19); Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 80; ders., JZ 2002, 819 (820); K.-P. Sommermann, Staatsziele und Staatszielbestimmungen, S. 199. 787 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 72 f.; ähnlich G. Dürig, JZ 1953, 193 (199); ablehnend W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 416 (429 f.). 788 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 295. 789 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 209 f. 790 Die Notwendigkeit der ständigen Neubestimmung folgt nicht zuletzt daraus, dass autonome gesellschaftliche Teilsysteme an die Stelle einer einheitlichen Gesellschaft mit entsprechenden Gemeinwohlvorstellungen getreten sind, vgl. Th. Vesting, in: W. HoffmannRiem / E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 101 (116). Dies führt zugleich dazu, dass keine klare Grenze zwischen Gemeinwohl und Partikularinteressen mehr zu ziehen ist, D. Grimm, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 27 (49). 791 H.-Chr. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 (25); W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 416 (427); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 69. Zur Problematik einer Begriffsbestimmung siehe M. Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 69 ff., der schließlich zum wenig weiterführenden Ergebnis kommt, das Gemeinwohl wäre, „was der Staat auf die von Verfassungs wegen gebotene Weise zum allgemeinen Besten erklären darf“, so dass das Gemeinwohl stets bei rechtmäßigem Staatshandeln realisiert würde, ebd. S. 78. 783 784

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ben“792. Diese Unsicherheit steht der unmittelbaren Ableitung konkreter Folgerungen zwingend entgegen.793 Es bleibt somit bei der allgemeinen, von einer etwaigen verfassungsrechtlichen Verankerung unabhängigen Erkenntnis, dass zwar kein Gemeinwohlherstellungsmonopol des Staates besteht,794 die Organisation der Erreichung von Gemeinwohlzielen, also auch der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge, durch andere Regeln bestimmt wird.

i) Wirtschaftsordnung? Eine Beschränkung der Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand könnte aus einer verfassungsrechtlichen Entscheidung für eine privatwirtschaftliche Elemente betonende Wirtschaftsordnung folgen. Zwar wird seit Jahrzehnten die These von der wirtschaftspolitischen Neutralität795 bzw. Offenheit796 mit Vehemenz vorgetragen. Ebenso lange wird jedoch versucht, eine grundgesetzliche797 Richtungsentscheidung für die soziale Marktwirtschaft798 zu begründen.799 Herangezogen 792 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 51; W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 69; ähnlich L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 235. 793 Jede inhaltliche Festlegung bedeutet im Widerspruch zum gerade Gesagten die Verfechtung einer bestimmten Gemeinwohlkonzeption und hat daher zu unterbleiben. Die Bestimmung „des“ Gemeinwohls erfolgt prozedural, W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 70. 794 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 26; M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (237); Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 54; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 297; G.F. Schuppert, in: FS H. Wollmann, S. 399 (400); W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 22; im Ergebnis so auch Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 319 f. 795 Aus der fehlenden Aufnahme einer bestimmten Wirtschaftsverfassung in das Grundgesetz wird teilweise sogar eine Sperrwirkung hinsichtlich der staatlichen Durchsetzung einer bestimmten, faktischen Wirtschaftsordnung gefolgert, H. Krüger, DVBl. 1951, 361 (363); ähnlich W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 67; ablehnend U. Karpen, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 41. 796 W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 66; H. Krüger, DVBl. 1951, 361 (363); R. Schmidt, in: FS K. Vogel, S. 21; H.D. Jarass, Kommunale Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb, S. 15, spricht vom Fehlen einer „Systementscheidung“; sehr kritisch dazu H.H. Rupp, Grundgesetz und „Wirtschaftsverfassung“, S. 5 ff.; R. Zuck, NJW 1967, 1301 (1303). 797 In einigen Landesverfassungen ist die soziale Marktwirtschaft bereits verankert, vgl. Art. 51 S. 1 RhPfVerf. und Art. 42 II 1 BrbgVerf. Sofern es jedoch an einer entsprechenden grundgesetzlichen Festlegung fehlen würde, ergäben sich Probleme im Hinblick auf das Homogenitätsprinzip, vgl. H. Krüger, DVBl. 1951, 361 (368). Etwaige Spannungen sind jedoch mit Hilfe des Art. 31 GG zu lösen, Chr.C. Pöhn, Wirtschaftslenkung, S. 58 f. 798 Dabei handelt es sich vor allem um eine ordnungspolitische Idee, die auf Basis der Wettbewerbswirtschaft die freie Initiative mit einem gerade durch die marktwirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt verbindet, H. Lampert, in: S. Lamnek / J. Luedtke, Sozialstaat, S. 51 (55). Angestrebt wird somit die Verbindung wirtschaftlicher Freiheit mit

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

werden als „Bausteine“ die Art. 2 I, 11, 12 I, 14, 9 III 1, 88 GG sowie das Sozialstaatsprinzip.800 Darüber hinaus wird Art. 1 III 1 Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. 5. 1990801, der gemäß Art. 40 I Einigungsvertrag802 fortgilt, teilweise eine „verfassungsgestaltende Entscheidung über die Wirtschaftsordnung“803 entnommen.804 Schließlich wird auf die Einwirkung EGsozialem Ausgleich, K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (68); B. Kruse / M. Schmidt, in: S. Lamnek / J. Luedtke, Sozialstaat, S. 129 (131). Zu den geschichtlichen Wurzeln der Idee der sozialen Marktwirtschaft, nicht zuletzt während der NS-Zeit, siehe W. Abelshauser, in: D. Grimm, Staatsaufgaben, S. 199 (217 ff.). Ihre Konzeption zeichnet sich durch das Prinzip des freien Wettbewerbs in der Wirtschaft aus. Staatseingriffe unterliegen nicht nur einem Gesetzes- sondern einem (strengem) Verfassungsvorbehalt. Aus dem Sozialstaatsprinzip folgen unmittelbare Freiheitsbegrenzungen im Interesse des sozialen Ausgleichs. Zugleich ist es Maßstab für staatliche Wirtschaftseingriffe. Der Wettbewerb garantiert als Ordnungsprinzip im Interesse der Verbraucher angemessene und stabile Preise, vgl. H.C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 19. Dem Staat kommt insgesamt nur eine begrenzte Rolle im Wirtschaftprozess zu, H.-E. Folz, Soziale Marktwirtschaft, S. 15. Die soziale Marktwirtschaft ist dem ökonomischen Subsidiaritätsprinzip verpflichtet, S. Pieper, Subsidiarität, S. 131. 799 H.C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 21; R. Herzog in: MDH, Grundgesetz, Art. 20 VIII Rn. 60, H. Sodan, DÖV 2000, 361 (366); A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (63). Nach E.R. Huber, Bewahrung und Wandlung, S. 226, existiert eine wirtschaftsverfassungsrechtliche Entscheidung dagegen für eine „gemischte Wirtschaftsverfassung“, die duch ein Neben- und Ineinander der gegenläufigen Prinzipien Sozialstaatlichkeit und wirtschaftlicher Freiheit des Einzelnen gekennzeichnet sei. 800 H.-E. Folz, Soziale Marktwirtschaft, S. 69 ff.; M. Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, 236 (239 f.); ähnlich J. Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, S. 21 ff. Nach anderer Auffassung wird dabei jedoch nur ein „grober Ordnungsrahmen“ sichtbar, vgl. H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (277); ähnlich P. Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 19. Ebenfalls explizit gegen die verfassungsrechtliche Verankerung der Marktwirtschaft Th. v. Danwitz, Verfassungsfragen, S. 111; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20 Rn. 110. R. Zuck, NJW 1967, 1301, sieht durch Art. 109 GG i.V.m. dem Stabilitätsgesetz die Wirtschaftsverfassung der „globalgesteuerten Marktwirtschaft“ verbürgt, zum Begriff siehe ebd. 801 BGBl. II S. 537. Dort heißt es: „Grundlage der Wirtschaftsunion ist die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung beider Vertragsparteien.“ Erstmalig wurde die soziale Marktwirtschaft damit ausdrücklich zu einer Rechtsnorm bzw. einem -begriff erhoben, M. Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, 236 (237); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 102. 802 BGBl. (1990) II S. 889. 803 P. Badura, in: E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 219 (237 Rn. 21); ähnlich ders., in: FS K. Stern, S. 409 (420): „Verfassungsvertrag“. 804 Dieser Ansatz kann jedoch aus mehreren Gründen nicht überzeugen. Wegen Art. 79 I 1 und 59 II GG enthält der StV trotz ausreichender Mehrheiten keine Verfassungsänderung, A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 28 f.; R. Schmidt, in: FS K. Vogel, S. 21; S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 102. Wegen des Untergangs der DDR besteht auch keine völkerrechtliche Bindung, so dass eine Änderung durch einfaches Gesetz möglich ist. Eine authentische Interpretation ist ebenfalls wegen der Normhierarchie ausgeschlossen, M. Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, 236 (238); zustimmend A. Krölls, Grundgesetz und kapi-

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rechtlicher Vorstellungen über Art. 23 GG auch hinsichtlich der Wirtschaftsordnung805 und den Anwendungsvorrang des EG-Rechts verwiesen. Die Marktwirtschaft sei EG-rechtlich vorgegeben.806 Letztlich ist der Streit aber unergiebig, da die soziale Marktwirtschaft kein vorgegebenes geschlossenes System, sondern ein offenes Leitbild der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik und damit interpretierbar ist.807 Ihre etwaige verfassungsrechtliche Verankerung führt nicht zu weitergehenden Erkenntnissen, da sie wegen ihrer Unbestimmtheit keinen Mehrwert gegenüber den sie tragenden Bestimmungen hätte. Sinnvoller erscheint daher ein nochmaliger Verweis auf die zumindest auch zu ihrer Begründung herangezogenen Grundrechte.808 Diese begrenzen als „negative Aufgabennormen“809 und „objektive Grundsatznormen von höchstem Rang“810 die staatlichen Befugnisse der Wirtschaftsgestaltung.811 Insbesondere Art. 12 und 14 GG ist eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine privatwirtschaftliche Ordnung der Wirtschaft zu entnehmen.812 Tendenziell führen sie daher – unabhängig von der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Bezeichnung etwa talistische Marktwirtschaft, S. 13; Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 28; L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 255; Chr.C. Pöhn, Wirtschaftslenkung, S. 61; anders aber P. Badura, in: FS K. Stern, S. 409 (420). 805 H. Sodan, DÖV 2000, 361 (367 f.); P.J. Tettinger, DVBl. 1999, 679 (680). 806 H.-E. Folz, Soziale Marktwirtschaft, S. 58; A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 29 f.; Chr.C. Pöhn, Wirtschaftslenkung, S. 86 f.; M. Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, 236 (245); S. Pieper, Subsidiarität, S. 138 f.; dahingehend auch W. Weiß, AöR 128 (2003), S. 91 (93). Auf Grundlage dieses Arguments wird auch die grundgesetzbezogene Diskussion als erledigt betrachtet, vgl. P. Badura, ZGR 26 (1997), S. 291 (293). Diesbezüglich ist jedoch zugleich auf die „sozialstaatliche Überformung“ hinzuweisen, vgl. oben C.II.2. 807 H.-E. Folz, Soziale Marktwirtschaft, S. 14; B. Kruse / M. Schmidt, in: S. Lamnek / J. Luedtke, Sozialstaat, S. 129 (134 f.); dahingehend auch A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 29; F. Niebuhr, Die Wettbewerbsteilnahme gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, S. 35. U. Karpen, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 43, verweist auf die Existenz unterschiedlicher Formen der sozialen Marktwirtschaft, die sämtlich mit den grundgesetzlichen Wertungen im Einklang stehen. 808 Siehe dazu schon unter anderen Gesichtspunkten oben C.III.2. a). 809 R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (36); entsprechend unter Verwendung des Kompetenzbegriffs R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 223. 810 H.H. Rupp, Grundgesetz und „Wirtschaftsverfassung“, S. 11. 811 BVerfGE 4, 7 (18); 7, 377 (400); 50, 290 (338); H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 28; S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 76; H.-Chr. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7 (40); R. Maaß, Wettbewerb, S. 36 f. Sie sind damit mehr als ein bloßer „Aufruf . . . zu staatlicher Selbstbeschränkung“, so K. Stern, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 5 (22). Weitergehend H.C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 22, 39, 56 ff., der in den Grundrechten in ihrer Gesamtheit sowie in Art. 2 I GG (Wettbewerbsfreiheit) wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundentscheidungen verankert sieht, die letztlich im Zusammenspiel mit dem Sozialstaatsprinzip die soziale Marktwirtschaft garantieren sollen. 812 A. Krölls, Grundgesetz und kapitalistische Marktwirtschaft, S. 181; dahingehend auch W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 5. 15 Knauff

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als „Marktwirtschaft“813 – zu einer wettbewerbswirtschaftlichen Ausrichtung.814 Allerdings sind die Grundrechte zumeist sowohl gesetzlich beschränkbar,815 als auch mit anderen Verfassungszielen in Ausgleich zu bringen.816 Auch im Hinblick auf eine verfassungsrechtliche Wirtschaftsordnung können den Grundrechten somit keine über die obigen hinausgehenden Erkenntnisse entnommen werden. Der theoretische Vorrang für die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung im Grundgesetz817 führt in der praktischen Anwendung nicht weiter. In dieser besteht kein Vorrang der privaten vor der öffentlichen Wirtschaft.818 Insbesondere ist ein (sozial-)wirtschaftliches Tätigwerden von Hoheitsträgern möglich.819 Ebenso wenig wie dieses beschränkt wird, wird es aber auch verfassungsrechtlich gewährleistet.820 Die Gesamtschau der Verfassung und des inkorporierten EG-Rechts ergibt letztlich eine Entscheidung für eine freiheitlich-soziale Wirtschaftsordnung.821 Insoweit ist die These von der wirtschaftspolitischen Neutralität nicht zutreffend. Ebenso wenig ist jedoch ein bestimmtes wirtschaftstheoretisches Modell verfassungsrechtlich verankert. Allenfalls lässt sich eine besondere Nähe der sozialen 813 Zutreffend ist daher die Aussage, das Grundgesetz schreibe eine dezentrale Wirtschaftsordnung ohne nähere Konkretisierung vor, so R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (39); ähnlich A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 29; Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 161. Das Abstellen auf Begrifflichkeiten ist dagegen nicht weiterführend. So ist letztlich dasselbe gemeint, wenn bezüglich der Wirtschaftsordnung auf die zwischen Plan- und freier Marktwirtschaft freie politische Entscheidung, V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 105 f.; H.-G. Henneke, NdsVBl. 1998, 272 (277); S. Pieper, Subsidiarität, S. 134; S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 97, oder eine begrifflich weitgefasste soziale Marktwirtschaft verwiesen wird, H.-E. Folz, Soziale Marktwirtschaft, S. 76 f. 814 S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 93; ebenso nur für die Berufsfreiheit W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (122); dahingehend auch M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (299). 815 Darauf weisen J. Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, S. 25; W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (122); S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 94, hin. 816 So steht insbesondere das Sozialstaatsprinzip „unsozialen“ Wirtschaftsordnungen entgegen, H. Krüger, DVBl. 1951, 361 (366). 817 R. Schmidt, in: S. Biernat / R. Hendler / F. Schoch / A. Wasilewski, Grundfragen, S. 210 (221). 818 E. Rehn / U. Cronauge, in: dies. / H.G. v. Linnep, Gemeindeordnung für NordrheinWestfalen, § 107 S. 14. 819 Bezogen auf die soziale Marktwirtschaft K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (68); M. Ruffert, NVwZ 2000, 763 (764). 820 V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 87, 93. 821 U. Karpen, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 43; M. Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, 236 (247); H. Sodan, DÖV 2000, 361 (368); dahingehend wohl auch J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 472. M. Gegner, Der Städtetag 6 / 2003, 27, entnimmt dem Grundgesetz dagegen das Bekenntnis zu einer „sozialen, dem Allgemeinwohl verflichteten Wirtschaftsform.“

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Marktwirtschaft zum Grundgesetz statuieren.822 Gerade für den gemeinwohlorientierten Bereich der Daseinsvorsorge lassen sich so jedoch keine verbindlichen organisatorischen Gestaltungsanweisungen treffen.

j) Subsidiaritätsprinzip? Einen Ansatzpunkt für die Ausgestaltung des Daseinsvorsorgebereichs könnte schließlich das Subsidiaritätsprinzip bieten. Obwohl dieses häufig als „politisches Schlagwort“823 gebraucht wird, ist eine allgemeine Renaissance des Subsidiaritätsgedankens feststellbar.824 Anders als im europäischen Gemeinschaftsrecht, wo ihm nur die Abgrenzung mitgliedstaatlicher und gemeinschaftlicher Regelungszuständigkeiten obliegt,825 könnte es auf nationaler Ebene materielle Aussagen treffen. Insbesondere die Daseinsvorsorge wird als mögliches Anwendungsfeld des Subsidiaritätsprinzips angesehen.826 Die Anerkennung des Subsidiaritätsprinzips durch das Grundgesetz wäre ein gewichtiges Argument für die Umsetzung des Gewährleistungsstaatsmodells. An die Stelle der Leistungserbringung hätte eine Garantiepflicht der öffentlichen Hand827 im Sinne der subsidiären Verantwortung des Staates gegenüber der Gesellschaft828 zu treten.

822 K.-P. Sommermann, in: H. v. Mangoldt / F. Klein / Chr. Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20 Rn. 128. 823 S. Pieper, Subsidiarität, S. 78; inhaltlich übereinstimmend H. Peters, AfK 6 (1967), S. 5. 824 Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 171 m. w. N.; vgl. auch W. Moersch, Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips, S. 17 ff.; nach F. Niebuhr, Die Wettbewerbsteilnahme gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, S. 44, soll sich das Subsidiaritätsprinzip nach 1945 gar „zur Allzweckwaffe gegen die Macht des Staates entwickelt“ haben. Bezüglich der EG haben sich nicht zuletzt die deutschen Bundesländer für die Aufnahme des Subsidiaritätsprinzips in den EGV eingesetzt. 825 Siehe dazu oben C.II.2. c). 826 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 122; implizit auch U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (171 f.). 827 F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (565). 828 E. Benda, in: ders. / W. Maihofer / H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 776 Rn. 139; ders., Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 177; U. Hösch, Kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 42 f.; E.R. Huber, Bewahrung und Wandelung, S. 268; Th. Maunz, VerwArch 50 (1959), S. 315 (322 f.); F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (562); H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 20; R. Scholz, in: FS H.F. Zacher, S. 987 (996 ff., 1003); R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 367; zweifelnd hinsichtlich dieser Annahme J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 164; sie ausdrücklich als Forderung der Privatwirtschaft hervorhebend H. Hagemann, in: J. Bellers / R. Frey / C. Rosenthal, Kommunalpolitik, S. 213 (217).

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aa) Herkunft und Inhalt Nach seiner Herkunft gehört das Subsidiaritätsprinzip zu den Grundsätzen der Staatsethik.829 Gleichsam klassisch ist es in der katholischen Soziallehre in der Enzyklika „Quadragesimo anno“ vom 15. Mai 1931 Nr. 79 von Papst Pius XI. verankert.830 Dort heißt es: „Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaft zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gesellschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung.“ Ihm kommt insoweit Naturrechtscharakter zu.831 Einen weiteren Entwicklungsstrang bildet die liberale Staatslehre.832 Nach dieser ist Staatlichkeit nur legitim, wenn sie subsidiär ist. Das Subsidiaritätsprinzip wird vor allem als Freiheitsnorm gegen den Staat, statt in ihm begriffen.833 Beide Entwicklungslinien betonten den Vorrang der privaten Zuständigkeit. Dieser zugrunde liegt ein Menschenbild einer autonomen, sozial verantwortungsvoll handelnden Persönlichkeit.834 Gemeinsam mit dem Prinzip der Solidarität bildet das Subsidiaritätsprinzip die Grundlage des Aufbaus der Rechts- und Gesellschaftsordnung.835 Ethisch fundiert, zielt das Subsidiaritätsprinzip auf eine basisnahe und effektive Politik und will staatliches Handeln wo möglich durch privates ersetzen.836 Dabei sieht es keine starre Aufgabenverteilung zwischen Einzelnem und Gesellschaft sowie zwischen Gesellschaft und Staat vor, sondern zielt als elastisches Prinzip837 auf die Erreichung der mit Bezug auf die Aufgabenerfüllung Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 168. Zu früheren kirchlichen Ansätzen und zur Entstehung siehe S. Pieper, Subsidiarität, S. 34, 36. 831 H. Kalkbrenner, in: FS G. Küchenhoff, S. 515 (525); H. Peters, AfK 6 (1967), S. 5 (12); Th.A. Schmitt, Subsidiaritätsprinzip, S. 40; R. Zuck, Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, S. 8; zu den Hintergründen des Subsidiaritätsbegriffs der Enzyklika siehe ausführlich J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 18 ff. 832 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 44; S. Pieper, Subsidiarität, S. 50; J. Schütz, Der Grundsatz der Subsidiarität im Grundgesetz, S. 8 ff.; Th. Würtenberger, StWissStPrax 4 (1993), S. 621. Deren Bedeutung hebt besonders W. Moersch, Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips, S. 25, hervor. L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 266, führt daneben den deutschen Idealismus an. 833 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 45 f. 834 Th. Würtenberger, StWissStPrax 4 (1993), S. 621; kritisch zur Annahme eines dem Subsidiaritätsprinzip zugrunde liegenden einheitlichen Menschenbildes W. Moersch, Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips, S. 95. 835 Th.A. Schmitt, Subsidiaritätsprinzip, S. 15. 836 H. Hagemann, in: J. Bellers / R. Frey / C. Rosenthal, Kommunalpolitik, S. 213 (214). 837 H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 75; ders., Staatslehre, S. 474; M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 234; Th.M. Helm, Rechtspflicht 829 830

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jeweils günstigsten Gestaltungsalternative unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen unteren Ebene.838 Dem Staat kommt so vor allem eine Rahmenfunktion zu. Seine Aufgaben sind insbesondere die Ermöglichung, Anregung und Koordinierung der Tätigkeit der Individuen und gesellschaftlichen Gruppen. Diese stellen zugleich die Grenze für seine Betätigung dar.839

bb) Verfassungsrechtliche Verankerung? Von Art. 23 I 1 GG abgesehen, wird das Subsidiaritätsprinzip im Grundgesetz nicht ausdrücklich angeführt. Bei den Beratungen der verfassungsgebenden Versammlung wurde seine explizite Aufnahme abgelehnt.840 Wegen des Kompromisscharakters des Grundgesetzes zwischen bürgerlich-kapitalistischen und sozialstaatlich-sozialistischen Gruppen841 musste dies jedoch nicht eine Ablehnung in der Sache bedeuten. Vielmehr konnte die Entscheidung so offen gehalten werden.842 Zudem war das Subsidiaritätsprinzip in Art. 1 I HChE unterschwellig enthalten, der durch Art. 1 I GG trotz einer abweichenden Formulierung keine inhaltliche Änderung erfuhr.843 Für eine direkte Herleitung aus dieser Bestimmung ist die zur Privatisierung, S. 167. Dies ist zugleich Ansatzpunkt von Kritik, vgl. R. Zuck, Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, S. 59: „Verschwommenheit und Leere des Satzes“; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 476: „konturlos“. 838 Insoweit stellen sich jedoch schwierige Probleme, die an dieser Stelle nur angedeutet werden können. Zunächst stellt sich die Frage der Aufgabendefinition, R. Herzog, Der Staat 2 (1963), S. 399 (407 f.). Durch diese kann goßer Einfluss auf die Bestimmung der jeweils geeigneten Ebene genommen werden, weshalb dem Subsidiaritätsprinzip auch der Vorwurf der Manipulierbarkeit gemacht wurde, A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 169. Auch ist die abstrakte Bestimmung der Möglichkeit der Aufgabenerfüllung durch die untergeordnete Gemeinschaft kaum möglich, R. Zuck, Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, S. 11. Zudem stellt sich – insbesondere in der modernen, pluralistischen Gesellschaft, insgesamt kritisch daher H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (36) – das Problem der grundsätzliche Homogenität voraussetzenden Abgrenzung von größer und kleiner, R. Herzog, ebd., S. 401 ff.; weitergehend unter Verweis auf die Notwendigkeit hierarchischer Strukturen O. Höffe, in: Th. Oppermann / K.W. Nörr, Subsidiarität: Idee und Wirklichkeit, S. 49 (55). Insoweit lässt sich jedoch mit M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 235, auf die größere Nähe der Gesellschaft zum Einzelnen und der außerdem gegebenen Überordnung der Staatsgewalt über die Gesellschaft verweisen. Teilweise wid das Subsidiaritätsprinzip wegen der angedeuteten Probleme als im Verhältnis von Staat und Gesellschaft nicht handhabbar angesehen, so K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (56); ähnlich A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 32. 839 Th.A. Schmitt, Subsidiaritätsprinzip, S. 68. 840 Vgl. J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 96; R. Herzog, Der Staat 2 (1963), S. 399 (412); J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 9, 143 ff.; W. Moersch, Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips, S. 159. 841 W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 66. 842 BVerwGE 23, 304 (306 f.). 843 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 146 f.

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Menschenwürde jedoch zu abstrakt,844 so dass nach anderen Anknüpfungspunkten zu suchen ist. Nach Oppermann ist ein solcher nunmehr mit Art. 23 I 1 GG eindeutig vorhanden. Weder ist eine weitergehende Suche notwendig, noch lässt sich insbesondere aus der historischen Ablehnung etwas anderes entnehmen, da diese nunmehr vom modernen verfassungsändernden Gesetzgeber überwunden sei.845 Nach dieser Bestimmung hat die Europäische Union dem Grundsatz der Subsidiarität zu entsprechen. In Bezug auf die Bundesrepublik wirke Art. 23 I 1 GG als „umgekehrtes Homogenitätsgebot“846. Die an die EU gestellten Anforderungen müssten auch auf nationaler Ebene erfüllt werden. Auch wenn eine derartige Konzeption durchaus in sich schlüssig und für die Umsetzung in der Staatswirklichkeit geeignet wäre, kann sie nicht überzeugen. Hätte der verfassungsändernde Gesetzgeber eine entsprechende Homogenität herstellen wollen, hätte auch eine Änderung des Art. 28 I 1 GG nahe gelegen. Eine solche ist jedoch nicht erfolgt. Vielmehr fehlt das Subsidiaritätsprinzip in der Aufzählung der für die Länder verbindlichen Grundsätze nach wie vor.847 Zudem spricht die hinter Art. 23 I 1 GG stehende Interessenlage gegen die Verankerung eines allgemeingültigen verfassungsrechtlichen Subsidiaritätsgrundsatzes in dieser Norm. Diese dient in erster Linie der Abwehr des Zugriffs der EU auf beliebige Aufgabenfelder. Ihr Schutzobjekt ist damit die nationale Zuständigkeit. Eine auch nach innen gerichtete Wirkung würde dem zuwiderlaufen. Mit der Stärkung der nationalen Position gegenüber der EU ginge dann zugleich deren deutliche Schwächung gegenüber den unteren Ebenen im Staatsaufbau, aber auch gegenüber Privaten einher. Dies steht jedoch nicht im Einklang mit der Zielrichtung der Bestimmung. Art. 23 I 1 GG kann nicht als verfassungsrechtliche Grundlage eines allgemeinen Subsidiaritätsprinzips angesehen werden. Eine über ihren Wortlaut hinausgehende Regelung kann ihr insoweit nicht entnommen werden.848 Immerhin wird an ihr jedoch deutlich, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber das Subsidiaritätsprinzip anerkennt und ihm jedenfalls in Teilbereichen explizit eine bedeutende Rolle849 zubilligt. 844 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 222; dahingehend auch R. Zuck, Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, S. 82. Für eine Verankerung in Art. 1 I GG dagegen H. Peters, AfK 6 (1967), S. 5 (10 f.); S. Pieper, Subsidiarität, S. 127. Zudem besteht die Gefahr des Bekenntnisses zu einer bestimmten Ideologie, was jedoch der Entstehungsgeschichte zuwiderliefe, vgl. J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 97; anders H. Peters, Entwicklung und Grundfragen, S. 234, der die katholische Gesellschaftsauffassung als Leitbild des Grundgesetzes ansieht. 845 Th. Oppermann, JuS 1996, 569 (572). 846 Th. Oppermann, JuS 1996, 569 (573). 847 O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 150. 848 So auch Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 25; W. Moersch, Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips, S. 85 Anm. 2; M. Moraing, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 41 (47); O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 149 f.; implizit Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (422).

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Für eine Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im Grundgesetz trotz fehlender anderweitiger Erwähnung existieren zahlreiche Erklärungsansätze, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen. Während eine Richtung eher naturrechtlich argumentiert, bemüht sich die andere um eine um eine normative Anbindung des Subsidiaritäts-prinzips. Nach der ersten Argumentationslinie ist das Subsidiaritätsprinzip ein vorstaatlicher, überpositiver Rechtssatz, der durch die Bindung der Staatsgewalt an Gesetz „und Recht“ in Art. 20 III GG zur Geltung gelangt.850 Zudem folge aus dem Umstand, dass nach der Konzeption des Grundgesetzes der Staat für Menschen existiere und nicht umgekehrt, dass der Staat nur subsidiär tätig werden solle.851 Das Subsidiaritätsprinzip wird somit als ungeschriebenes Strukturprinzip des Grundgesetzes852 begriffen und darüber hinausgehend als identisch mit dem Gemeinwohl angesehen.853 Die zweite Argumentationslinie bemüht sich dagegen mit verschiedenen Begründungen um eine Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im Verfassungstext. Jenes soll zum einen aus einer Zusammenschau verschiedener Bestimmungen des Grundgesetzes folgen. Genannt werden insoweit die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 II GG, das aus Art. 20 und 79 GG folgende Prinzip des Föderalismus sowie die Art. 1, 6, 9,854 23 und 72 GG.855 Zum anderen werden Einzelbestimmungen und -prinzipien angeführt. So enthalte das Rechtsstaatsprinzip die Grundentscheidung für eine freiheitliche Ordnung, die den Vorrang des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen vor staatlicher Lenkung und damit auch das Subsidiaritätsprinzip enthalte.856 Im Sinne eines „Vorrangs der Privatheit“857 sei das Subsidiaritätsprinzip ein aus den Grundrechten abzuleitender Verfassungsgrundsatz. Staatliches Tätigwerden sei daher nur und solange notwendig zulässig.858 Mit spezifischem Bezug auf die öffentliche Wirtschaft, und daher vorliegend von besonderem Interesse, wird schließlich eine Begründung des Subsidiaritätsprinzips im Spannungsverhältnis von Demokratieprinzip und Wirtschaftlich849 Dies wird vor allem an den sonstigen in Art. 23 I 1 GG angesprochenen Prinzipien deutlich, die jedenfalls in ihrem Kernbereich, bezüglich der Grundrechte nur hinsichtlich des Menschenwürdegehalts, sämtlich nach Art. 79 III GG der Verfassungsänderung entzogen sind. 850 H. Kalkbrenner, in: FS G. Küchenhoff, S. 515 (527 ff.). 851 H. Peters, Entwicklung und Grundfragen, S. 234. 852 Th. Oppermann, JuS 1996, 569 (570). 853 Th.A. Schmitt, Subsidiaritätsprinzip, S. 16. 854 G. Dürig, JZ 1953, 193 (198). 855 Th. Oppermann, JuS 1996, 569 (571). 856 J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 270 ff. 857 So die eingängige Formulierung von H. Sodan, DÖV 2000, 361. 858 H. Sodan, DÖV 2000, 361 (369). An den Grundrechten als negativen Kompetenznormen anknüpfend U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (172), allerdings mit der Einschränkung, dass ein so verankertes Subsidiaritätsprinzip keine weitergehenden Wirkungen entfalte.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

keitsprinzip vertreten. Da die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand in jedem Fall eines der Prinzipien verletze, sei sie nur dann zulässig, wenn die Erledigung einer von der Verfassung vorgegebenen Aufgabe durch Dritte nicht hinreichend sichergestellt ist.859 Überzeugen können diese Begründungsversuche jedoch nicht. Zwar gehen auch die von der herrschenden Ansicht gegen die Existenz des Subsidiaritätsprinzips vorgebrachten Einwände häufig fehl. Dies gilt insbesondere für den Verweis auf die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes.860 Zum einen ist das Grundgesetz nicht völlig neutral hinsichtlich der Wirtschaftsordnung.861 Zum anderen sind auch die marktwirtschaftliche Ordnung und das Subsidiaritätsprinzip nicht deckungsgleich, sondern vielmehr voneinander unabhängig.862 Gegen die Anerkennung eines allgemeinen verfassungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips wird auch Art. 15 (i.V.m. Art. 74 I Nr. 15) GG angeführt.863 Dies ist jedoch nicht weiterführend, da es sich bei der Möglichkeit der Vergesellschaftung nur um eine verfassungsrechtlich verliehene Potenz des Gesetzgebers handelt, die auch neben einem auf gleicher Stufe stehenden Subsidiaritätsprinzip bestehen könnte. Überzeugender erscheint dagegen zunächst der Einwand, dass die verfassungsrechtliche Anerkennung des Subsidiaritätsprinzips zur Handlungsunfähigkeit des Staates führen würde,864 da dieses eine Einschränkung der Souveränität des Staates bedeutete.865 Allerdings greift auch dieser letztlich nicht durch. Verfassungspolitisch inspiriert vor allem durch das Ideal der leichten Handhabbarkeit der Verfassung übersieht er, dass eine grundsätzlich möglich erscheinende Entscheidung des Verfassungsgebers auch im Falle eingeschränkter Praktikabilität zu beachten H. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld, S. 490. BVerfGE 4, 7 (17); 50, 290 (338); BVerwGE 39, 329 (336); H.H. v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, S. 27; U. Cronauge, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 161 (163); M. Eumann, Organisationsrechtliche Probleme, S. 55; Th. Giegerich, in: FS H. Steinberger, S. 419 (421 f.); M. Gottschalk, ThürVBl. 2003, 25 (26); B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 122; H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 41 (47); G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 240; H.-J. Krieger, Schranken, S. 60; R. Maaß, Wettbewerb, S. 40; M. Moraing, WiVerw 1998, 233 (243); ders., in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 41 (46); J.-P. Schneider, DVBl. 2000, 1250 (1255); J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 79; J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 42. 861 Vgl. oben C.III.2. i). 862 F. Niebuhr, Die Wettbewerbsteilnahme gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, S. 52 f.; ähnlich implizit schon J. Schütz, Der Grundsatz der Subsidiarität im Grundgesetz, S. 88. 863 J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 476 f. 864 V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 109. Dies erscheint in dieser extremen Formulierung jedoch zweifelhaft, da der Staat kraft seiner nach wie vor bestehenden Kompetenz-Kompetenz zur Konkretisierung des Subsidiaritätsprinzips berufen wäre, H. Kalkbrenner, in: FS G. Küchenhoff, S. 515 (533). 865 R. Herzog, Der Staat 2 (1963), S. 399 (417); ders., Allgemeine Staatslehre, S. 148; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 775; O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 146. 859 860

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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wäre.866 Die mit der Anerkennung des Subsidiaritätsprinzips verbundene restriktive Interpretation des Sozialstaatsprinzips867 wäre ebenso hinzunehmen, wie der von ihm ausgehende grundsätzliche Privatisierungszwang.868 Zugleich würde es allerdings selbst auch durch andere Verfassungsbestimmungen relativiert.869 Eine „überverfassungsrechtliche“ Begründung des Subsidiaritätsprinzips stößt auf grundsätzliche Bedenken. Konzeptionell steht das Grundgesetz auf höchster normativer Stufe.870 Der damit verbundene Anspruch der grundlegenden rechtlichen Regelung würde durch die Anerkennung höherrangiger naturrechtlicher oder naturrechtsähnlicher Rechtssätze unterlaufen.871 Deren häufige existentielle und zudem inhaltliche Unbestimmtheit, die sich gerade auch am Subsidiaritätsprinzip zeigt,872 würde zu einer großen rechtlichen Beliebigkeit und damit Unsicherheit führen. Nicht zuletzt deshalb ist auch die Existenz eines entsprechenden ungeschriebenen Verfassungsrechtssatzes abzulehnen.873 Zwar kann es durchaus vereinzelt ungeschriebenes Verfassungsgewohnheitsrecht geben. Dieses betrifft jedoch keine Bereiche von staatskonzeptioneller Bedeutung und muss sich überdies in Übereinstimmung mit den grundgesetzlichen Bestimmungen finden.874 Stattdessen wird nicht zuletzt an Art. 79 I 1 GG deutlich, dass der Verfassungsgeber den Text des Grundgesetzes prinzipiell für abschließend hielt und damit die Existenz anderweitiger, nicht textgebundener Regelungen von Verfassungsrang ablehnte.875 An diese Entscheidung ist der Rechtsanwender gebunden. 866 Vgl. J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 182, der darin einen unzulässigen Schluss von der Kompetenz-Kompetenz auf das Fehlen einer KompetenzOrdnung sieht und M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 234, sowie J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 315, die auf die fehlende Ungebundenheit der staatlichen Allzuständigkeit hinweisen. Kritisch auch O. Höffe, in: Th. Oppermann / K.W. Nörr, Subsidiarität: Idee und Wirklichkeit, S. 49 (61), der jedoch vor allem auf die (angeblich) fehlende rechtsmoralische Legitimität subsidiaritätswidriger Mehrheitsentscheidungen abstellt. 867 J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 92. J. Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 275, formuliert dies positiv als Ausgleich zwischen Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip. 868 W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 85. 869 Th. Würtenberger, StWissStPrax 4 (1993), S. 621 (624). Zudem ist es für sch betrachtet nicht geeignet, widersprüchliche Ziele des Grundgesetzes zum Ausgleich zu bringen, Angelika Benz, Die Verwaltung 28 (1995), S. 337 (357). 870 Die europarechtlich bedingten Besonderheiten sollen vorliegend außer Betracht bleiben. Zu einer inhaltlich abweichenden Bewertung würden auch sie nicht führen. 871 Vgl. dazu ausführlicher die Ausführungen zur Parallelproblematik bezüglich der Bestimmung von Staatsaufgaben oben C.III.1. c); im Ergebnis wie hier auch Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 27. 872 So besteht keine umfassende „weltweite Anerkennung“ des Subsidiaritätsprinzips, R. Zuck, Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, S. 25. 873 A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 32. 874 Siehe zusammenfassend R. Rubel, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 2, Art. 79 Rn. 18; M. Sachs, in: ders., GG, Einführung Rn. 11 f.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Auch die Herleitung des Subsidiaritätsprinzips aus den Bestimmungen des Grundgesetzes kann jedoch nicht gelingen. Die den föderalen Aufbau der Bundesrepublik betreffenden Bestimmungen sind insoweit ungeeignet, da sie zum einen die Folge einer konkreten historischen Entwicklung sind,876 zum anderen, da ihre Aussage ausschließlich auf einen rein staatsorganisatorischen Sachverhalt bezogen ist. Insoweit gilt das zu Art. 23 I 1 GG Ausgeführte entsprechend. Das Rechtsstaatsprinzip ist als Anknüpfungspunkt ungeeignet, da seine Hauptzielrichtung nicht im materiell-rechtlichen Bereich liegt und zudem auch eine freiheitliche Ordnung ohne Subsidiarität denkbar ist. Die Grundrechte wiederum sind zwar zur Abgrenzung von staatlichem und privatem Bereich geeignet, jedoch nur im Rahmen ihres jeweiligen Geltungsbereichs.877 Auch sind sie, trotz ihrer Hauptfunktion als Abwehrrechte gegen den Staat, wegen ihrer anderen Funktionen nicht zur Begründung eines umfassenden Subsidiaritätsgrundsatzes geeignet. Gerade die Schutzpflichtdimension kann ein subsidiaritätswidriges staatliches Tätigwerden im Einzelfall bedingen. Schließlich findet die „negative Freiheit“ der Grundrechte im Subsidiaritätsprinzip keine Entsprechung, da nach diesem Aufgaben dem Einzelnem oder der Gemeinschaft auch gegen den jeweiligen Willen übertragen werden können.878 Die unterschiedliche Zielrichtung der einzelnen Bestimmungen spricht auch gegen die Ableitung eines Gesamtgehalts im Sinne des Subsidiaritätsprinzips.879 Allenfalls wird daran, wie auch an Art. 23 I 1 GG, deutlich, dass sich der Verfassungsgeber bereichsspezifisch, allerdings aus unterschiedlichen Gründen, am Subsidiaritätsprinzip orientiert hat.880 Ein unmittelbar geltendes bereichsspezifisches Subsidiaritätsprinzip bezüglich öffentlicher Wirtschaftstätigkeit besteht jedoch nicht. Das zu seiner Begründung herangezogene Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip besteht zwar. Allerdings wird es auch durch andere Verfassungsgüter beeinflusst. Zudem geht es von der überaus fraglichen Prämisse aus, dass öffentliche Wirtschaftstätigkeit per se unwirtschaftlich sein müsse. Fehlt es auch aus den genannten Gründen an einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Subsidiaritätsprinzips, so ist es dennoch nicht völlig unbedeutend. Zum einen bildet es angesichts seiner Traditionslinien jedenfalls einen Teil des bei 875 Die Annahme auf mehreren Vorschriften basierender Verfassungsprinzipien ist damit jedoch nicht ausgeschlossen, da diese dann nicht gleichsam „frei schwebend“ sind. 876 J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 96. 877 G.F. Schuppert, VerwArch 71 (1980), S. 309 (334); ähnlich J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 478. 878 W. Moersch, Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips, S. 98. 879 H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 210; Th. v. Danwitz, Verfassungsfragen, S. 17; R. Herzog, Der Staat 2 (1963), S. 399 (412); W. Moersch, Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips, S. 210; B. Pieroth / B.J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (427); J. Schütz, Der Grundsatz der Subsidiarität im Grundgesetz, S. 248. 880 Dahingehend Th. Würtenberger, StWissStPrax 4 (1993), S. 621 (623); wohl auch P. Häberle, AöR 111 (1986), S. 585 (604).

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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der Auslegung zu beachtenden Verfassungshintergrundes,881 zum anderen kann es sich außerhalb des Rechts aus der jeweils betriebenen (Wirtschafts-)Politik ergeben.882 Insoweit kann es, bezogen auf die Zielerreichung,883 als Teil politischer Vernunft884 bzw. „wirkmächtiges sozialethisches Prinzip“885 angesehen werden. Unmittelbar zur Beantwortung der Frage nach klassischer staatlicher Daseinsvorsorge oder bloßer staatlicher Gewährleistung privat zu erbringender Leistungen kann es unter normativen Gesichtspunkten jedoch nicht beitragen.

IV. Nationales Recht 2: Verfassungswandel? Die an dieser Stelle auf Grundlage der bisher gefundenen Ergebnisse zu konstatierende grundsätzliche Offenheit des Grundgesetzes gegenüber den Organisationsformen der Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen ist jedoch möglicherweise auf Grundlage der 1993 und 1994 eingefügten Art. 87e und f GG zu modifizieren. Diese „neuartige(n) Normen“886, selbst nicht zuletzt Produkte der Privatisierungsdiskussion, erscheinen ob ihres Verfassungsrangs geeignet, im Falle ihrer Verallgemeinerungsfähigkeit auf diese und damit auf die Frage der staatlichen oder privaten Leistungserbringung zurückzuwirken. Ihnen könnte insbesondere eine Entscheidung zugunsten des Gewährleistungsstaatsmodells entnommen werden.887 Ob ein solcher, über den unmittelbaren Geltungsbereich der Bestimmungen hinausgehender allgemeiner Verfassungswandel zu verzeichnen ist, ist im Folgenden zu 881 H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 191; F. Niebuhr, Die Wettbewerbsteilnahme gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, S. 45, 61 f. 882 R. Maaß, Wettbewerb, S. 40, mit Verweis auf die praktizierte soziale Marktwirtschaft. 883 J.-D. Delley, in: P. Hablützel u. a., Umbruch in Politik und Verwaltung, S. 439 (446), in Abgrenzung zur Zielbenennung. 884 A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 171; R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 151; W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 416 (431 f.); G.F. Schuppert, VerwArch 71 (1980), S. 309 (333 f.); dahingehend auch S. v. Bandemer / B. Blanke / J. Hilbert / J. Schmid, in: F. Behrens u. a., Den Staat neu denken, S. 41 (52 f.); O. Höffe, in: Th. Oppermann / K.W. Nörr, Subsidiarität: Idee und Wirklichkeit, S. 49 (61); für die kommunale Ebene F.-L. Knemeyer, DVBl. 2000, 876 (879). 885 H. Schulze-Fielitz, in: D. Grimm, Wachsende Staatsaufgaben, S. 11 (36). 886 S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 165. 887 Die verfassungspolitische Frage, ob die Verankerung eines Modells im Grundgesetz angesichts der Funktion der Verfassung als grundsätzlich zeitlich unbegrenzt geltende Rahmenordnung sinnvoll ist, muss an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Änderungsnotwendigkeit mit zunehmender Detailgenauigkeit steigt. Zugleich kann die Verfassung ihre Funktion als (materielle) Grundordnung des Gemeinwesens nur erfüllen, wenn sie hinreichend genaue Handlungsanweisungen enthält. Dabei sollte dies nicht nur für gesamtgesellschaftlich relativ unbedeutende Bereiche gelten, vgl. etwa M. Kloepfer / M. Rossi, JZ 1998, 369 (373), die bezüglich der verfassungsrechtlichen Verankerung des Tierschutzes insoweit von einem „Unverständnis für verfassungsrechtliche Proportionen“ sprechen; kritisch dazu auch M. Knauff, SächsVBl. 2003, 101 (104).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

untersuchen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, sich ihnen zunächst getrennt zu nähern, um im Anschluss daran einen etwaigen, allein verallgemeinerungsfähigen Gesamtgehalt herauszuarbeiten. Erst in einem dritten Schritt ist schließlich die Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Fragestellung möglich.

1. Die Neufassung der Art. 87e und f GG In enger zeitlicher Folge eingefügt, verankern die Art. 87e und f GG888 für die Bereiche des Eisenbahn(fern)verkehrs sowie Post und Telekommunikation ein „Gewährleistungsparadigma“ 889. Sie ersetzen die bis dahin in Art. 87 I 1 GG enthaltene Regelung, nach der diese Bereiche vollständig der bundeseigenen Verwaltung zugeordnet waren. Die Änderungen beruhen sowohl auf dem Willen zur Privatisierung seitens des verfassungsändernden Gesetzgebers als auch auf europarechtlichen Vorgaben. Aufgabenbezogen gehören beiden Bereiche zur überregionalen Daseinsvorsorge. Vorliegend von besonderem Interesse sind die gewährleistungsbezogenen Bestimmungen in Art. 87e IV 1 und 87f I GG, die das Gegengewicht zu den vorgesehenen Privatisierungen bilden.

a) Art. 87e IV GG Nach Art. 87e IV 1 GG gewährleistet der Bund, „dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes, sowie deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.“ Diese von wenig sprachlichem Feingefühl des verfassungsändernden Gesetzgebers zeugende Formulierung ist im Zusammenhang mit dem vorstehenden Absatz zu lesen. Dieser bestimmt in Satz 1, dass die Eisenbahnen des Bundes in privatrechtlicher Form als Wirtschaftsunternehmen geführt werden und ordnet somit zumindest deren formelle Privatisierung an. Darüber hinausgehend wird eine (teilweise) „materielle“ Privatisierung890 im Grundsatz ermöglicht. Nach Satz 2 und 3 hat der Bund bei Unternehmen, die „den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen“ zum Gegenstand haben, zumindest die Mehrheit der Anteile zu halten. Eine Veräußerung unterliegt insoweit zudem einem Gesetzesvorbehalt. Im Umkehrschluss bedeutet dies zugleich, dass 888 Die sie ergänzenden Übergangsvorschriften Art. 143a und b GG bleiben vorliegend außer Betracht. Ihnen kommt keine grundsätzliche Bedeutung für die hier zu beantwortende Fragestellung zu. 889 A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (291 f.), der insoweit bereits allgemein von netzbasierter Daseinsvorsorge spricht. 890 Ob es sich im technischen Sinne um eine solche oder eine funktionale im hier verwendeten Sinne, vgl. oben B.IV.1. c), handelt, kann an dieser Stelle offen bleiben.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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Unternehmen, deren Tätigkeitsfeld nicht auf dem Gebiet der Eisenbahninfrastruktur, sondern dem Fahrdienst liegt, an Private veräußert werden können. Von den in Art. 87e III GG angesprochenen Unternehmen ist wiederum die zwingend hoheitliche Eisenbahnverkehrsverwaltung für die Eisenbahnen des Bundes nach Art. 87e I GG891 zu unterscheiden. Diese umfasst nicht den Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen,892 sondern nimmt im weitesten Sinne Aufsichtsfunktionen wahr.893 Ob und inwieweit die Eisenbahnverkehrsverwaltung nach Art. 87e I GG in die Aufgabe der Gewährleistung nach Art. 87e IV GG eingebunden wird, ist verfassungsrechtlich nicht vorbestimmt.894 Eine nähere Untersuchung der Rolle der Eisenbahnverkehrsverwaltung ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht von Nutzen und kann daher unterbleiben.895 Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass Art. 87e GG eine Trennung zwischen staatlicher Verantwortung und unternehmerischer Tätigkeit vorschreibt.896 Dies allein enthält jedoch noch nicht das Bekenntnis des verfassungsändernden Gesetzgebers zum Modell des Gewährleistungsstaats für den Bereich der Eisenbahn. Zwar will Art. 87e III 1 GG durch die Kennzeichnung der Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen eine marktmäßige Leistungserbringung erreichen,897 ein Gebot zur mehr als nur formellen Privatisierung ist Art. 87e GG jedoch nicht zu entnehmen.898 Im Gegenteil ist nochmals auf die, allerdings für Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht einschlägigen, Privatisierungsschranken in Art. 87e III 3 GG899 zu verweisen. Eine „echte“ Gewährleistungsstaatlichkeit unter Einbindung materiell Privater ist somit für den Bereich der Eisenbahninfrastruktur nicht zulässig. Allerdings ist dieser nicht unmittelbar der Daseinsvorsorge zuzurechnen. Vielmehr ist er vor allem Voraussetzung für die Möglichkeit der eigentlichen Daseinsvorsorgeleistung, dem schienengebundenen Personenfernverkehr. Für die891 U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 64; D.C. Umbach, in: ders. / Th. Clemens, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 16; K. Windthorst, in: M. Sachs, GG, Art. 87e Rn. 16. 892 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 39 f.; B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 87e Rn. 1. 893 Vgl. insoweit U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 64, der zudem eine Beschränkung auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle annimmt. 894 Es liegt allerdings sachlich nahe, der Eisenbahnverkehrsverwaltung die Erfüllung der Gewährleistungspflicht gemäß Art. 87e IV GG zu übertragen, vgl. K. Windthorst, in: M. Sachs, GG, Art. 87e Rn. 13. 895 Gleiches gilt für die in Art. 87e GG angesprochenen Kompetenzfragen und die einfachgesetzliche Ausgestaltung auf Grundlage der Gesetzesvorbehalte. Siehe insoweit die in den Fußnoten zitierte Literatur. 896 E. Schmidt-Aßmann / H.Chr. Röhl, DÖV 1994, 577 (578). 897 Auf eine Festschreibung zu erreichender Eigenwirtschaftlichkeit oder zumindest Kostendeckung wurde allerdings verzichtet, Chr. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (269). 898 J. Wieland, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 87e Rn. 13; ähnlich H. Delbanco, in: Chr. R. Foos, Eisenbahnrecht und Bahnreform, S. 21 (41 f.); anders K. Windthorst, in: M. Sachs, GG, Art. 87e Rn. 40. 899 F. Brosius-Gersdorf, DVBl. 2002, 275 (279).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

sen bestehen nach dem Wortlaut des Art. 87e GG jedoch keine Einschränkungen hinsichtlich der Einbeziehung Privater. Von besonderem Interesse ist die Gewährleistungsklausel des Art. 87e IV GG. Auch wenn diese zunächst als „Bekenntnis zum Daseinsvorsorgeauftrag“900 erscheint, so ist ihre Wirkungsweise nach wie vor ungeklärt.901 Schon bezogen auf den Gegenstand der Gewährleistung lässt sich kaum eine Aussage treffen. Art. 87e IV GG beschränkt sich auf eine Verpflichtung des Bundes, dem Gemeinwohl, konkretisiert durch die Verkehrsbedürfnisse, bei den näher spezifizierten Sachverhalten Rechnung zu tragen. Dies wirft zwei Fragen auf. Zum einen erscheint zweifelhaft, ob aus dieser Formulierung eine – wie auch immer gestaltete – konkrete rechtliche Verpflichtung des Bundes entnommen werden kann, zum anderen, ob in materieller Hinsicht ein bestimmtes Leistungsniveau gesichert wird. Nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers sollte der Gewährleistungsklausel kein rechtlicher, sondern allein ein politischer Gehalt zukommen.902 Nach anderer Ansicht unterstreicht Art. 87e IV GG nur die allgemeine rechtliche Verantwortung des Bundes bezüglich der Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der Allgemeinheit.903 Ein rechtlicher „Eigengehalt“ der Vorschrift besteht dementsprechend nicht, allerdings liegen ihre Wirkungen nicht allein im politischen Bereich. Eine dritte Ansicht hält die Gewährleistung in Art. 87e IV GG für eine rechtliche Verpflichtung.904 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Auch wenn nach den Regeln der juristischen Methodik der Wille des Normgebers grundsätzlich zu berücksichtigen ist, besitzt er keinen Vorrang gegenüber den anderen Auslegungsarten. Dies gilt auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Norm noch relativ „neu“ ist, so dass die vom Normgeber verfolgten Absichten noch in einer Beziehung zur aktuellen Rechtswirklichkeit stehen. Der Schutz der demokratisch legitimierten Entscheidung kann sich nur auf den Normtext, nicht aber auf in diesem nicht zum Ausdruck kommende Erwägungen beziehen. Der Normgeber trägt insoweit das Risiko der Fehlformulierung. Hinsichtlich Art. 87e IV GG führen weder die grammatikalische, noch die teleologische oder systematische Auslegung zum Verständnis des verfassungsändernden Gesetzgebers. Zwar ist der Auftrag des Rechnung-Tragens wenig konkret, entscheidend ist jedoch die eindeutige Formulierung der Handlungsanweisung „gewährleistet“. Hätte der Bund insoweit nur eine politische 900 M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (93). Dagegen sieht H. Delbanco, in: Chr. R. Foos, Eisenbahnrecht und Bahnreform, S. 21 (42), darin in erster Linie eine „Beschränkung des freien Unternehmertums“. 901 Für die Praxis ist dies derzeit nicht schädlich, da die DB AG nach wie vor im Eigentum des Bundes steht. 902 Vgl. BT-Drucks. 12 / 6280 S. 8. 903 K. Cannivé, Infrastrukturgewährleistung in der Kommunikation, S. 53. 904 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 43; B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 87e Rn. 5; S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 68; K. Windthorst, in: M. Sachs, GG, Art. 87e Rn. 50.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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Verpflichtung übernehmen sollen, hätte die Formulierung als Soll-Vorschrift nahe gelegen. Dies gilt umso mehr, als dass das Grundgesetz ansonsten auf bloße Programmvorschriften grundsätzlich verzichtet. Die insoweit bestehende „innere“ Einheit der Verfassung sollte nicht ohne eindeutigen Texthinweis aufgegeben werden, zumal die Textklarheit selbst ein hohes Verfassungsgut ist, wie der Rechtsgedanke des Art. 79 I 1 GG zeigt. Auch im Sinne der Effektivität des angestrebten Gemeinwohlschutzes genügt eine nur politische Verpflichtung, auch eine solche mit Verfassungsrang, nicht. Damit ist der Bund rechtlich gebunden und zur Gewährleistung der in Art. 87e IV GG aufgeführten Aspekte verfassungsrechtlich verpflichtet, über die es nun Klarheit zu gewinnen gilt. Die Gewährleistungsverpflichtung des Bundes bezieht sich zunächst darauf, dass „dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, . . . Rechnung getragen wird.“ Ohne bereits an dieser Stelle auf den materiellen Anwendungsbereich eingehen zu müssen, beeindruckt die Schwammigkeit der Formulierung. Einziger konkreter Anhaltspunkt sind die Verkehrsbedürfnisse als besonders hervorgehobener Teilbereich des Allgemeinwohls. Auch wenn deren Bestimmung nicht einfach ist,905 so wird damit immerhin eine Zielrichtung erkennbar. Besonders zu berücksichtigen ist somit das Interesse am dauerhaften und regelmäßigen Bestehen von Fernverbindungen zu für die Mehrheit zumindest tragbaren Preisen. Insoweit lässt sich durchaus von einer „Grundversorgung“906 sprechen. Allerdings hat der Bund nach dem Wortlaut des Art. 87e IV GG nicht unmittelbar diese selbst zu gewährleisten, sondern nur, dass dieser wie auch anderen Allgemeinwohlbelangen,907 etwa der Sicherheit oder dem Umweltschutz, wenn auch vorrangig, „Rechnung getragen wird“. Diese Formulierung kann ihrem Wortlaut nach nur bedeuten, dass diese Belange mit besonderer Gewichtigkeit in einen Abwägungsprozess einzustellen sind. Dessen Ergebnis ist aber im Einzelfall offen, zumal das Gegengewicht die ebenfalls, durch Art. 87e III 1 GG, durch die Bezeichnung der Bahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen vorgegebene Wirtschaftlichkeit bildet, durch die die Interessen des Unternehmens an einer rentablen Leistungserbringung in den Mittelpunkt gestellt wird. Immerhin wird jedoch durch Art. 87e IV GG deren Überwiegen Einhalt geboten, da die Bestimmung gerade der Einschränkung rein wirtschaftlichen Denkens dient.908 Mittelbar führt Art. 87e IV GG dennoch zu einer Leistungsgewährleistungspflicht des Bundes. Diese ergibt sich jedoch allein aus dem sachlichen Regelungsbereich des Art. 87e IV GG in Verbindung mit Art. 87e III 2 GG.

Vgl. unten G.II.2. b)cc)(2) (b) (aa) zum PBefG. D.C. Umbach, in: ders. / Th. Clemens, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 25; K. Windthorst, in: M. Sachs, GG, Art. 87e Rn. 48; sowie Chr. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (269), mit darüber hinausgehendem Bedeutungsinhalt. 907 Siehe zu den dabei auftretenden Schwierigkeiten der Bestimmung nochmals die Parallelproblematik oben C.III.2. h) a.E. 908 S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 71. 905 906

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Nach Art. 87e IV GG greift die Gewährleistungspflicht des Bundes „beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes, sowie deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz“ in Bezug auf den Fernverkehr ein.909 Sie besteht demnach nicht für materiell private Eisenbahnverkehrs- und, diese sind zumindest aus Sicht der Verfassung neben denen des Bundes vorstellbar, -infrastrukturunternehmen. Diese werden nicht als gemeinwohlverpflichtete Daseinsvorsorgeträger angesehen910 und unterliegen keiner speziellen gemeinwohlorientierten staatlichen Einwirkung. Bezüglich der Eisenbahnen des Bundes ist jedoch nach Art. 87e III GG zwischen Eisenbahnverkehrs- und -infrastrukturunternehmen zu unterscheiden. Die dort im Hinblick auf Möglichkeiten und Voraussetzungen der Privatisierung erfolgte Trennung wirkt sich auch auf die staatliche Gewährleistungspflicht aus. Hinsichtlich der Eisenbahninfrastrukturunternehmen besteht unzweifelhaft eine dauerhafte, zeitlich unbegrenzte Verpflichtung zur Beachtung von Allgemeinwohlbelangen. Wegen deren fehlender materieller Privatisierbarkeit gemäß Art. 87e III 2, 3 GG bleiben diese stets „Eisenbahnen des Bundes“. Als solche und damit als öffentliches, allenfalls von der öffentlichen Hand dominiertes gemischt-wirtschaftliches Unternehmen, ist eine Gemeinwohlbindung allerdings auch unabhängig von Art. 87e IV GG gegeben. Daran ändert auch die Bezeichnung als „Wirtschaftsunternehmen“ in Art. 87e III 1 GG nichts. Einer expliziten Gewährleistungsverpflichtung für den Bund als (Mehrheitsanteils-)Eigner hätte es daher nicht zwingend bedurft. Als Klarstellung ist sie jedoch zu begrüßen.911 Schwieriger – und demgemäß in der Literatur umstritten – ist dagegen die Lage bezüglich der Eisenbahnverkehrsunternehmen zu beurteilen. Insoweit stellt sich die Frage, ob die Gewährleistungsverpflichtung ebenfalls zeitlich unbegrenzt besteht. Teilweise wird dies undifferenziert unter Verweis auf das in Art. 87e III 3 GG enthaltene teilweise (materielle) Privatisierungsverbot angenommen.912 Dies überzeugt jedoch angesichts des Wortlauts der beiden betreffenden Absätze nicht. Hinsichtlich der privatisierbaren Eisenbahnverkehrsunternehmen ist vielmehr eine „degressive Tendenz“913 der Gewährleistungsklausel feststellbar. Die Gewährleistungsverpflichtung besteht nur bezüglich der Verkehrsangebote der Eisenbahnen Hervohebungen durch den Verfasser. U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 71. 911 Allenfalls mit „verfassungskosmetischen“ Gründen ließe sich eine andere Einschätzung begründen. Das europarechtliche Verbot der staatlichen Einflussnahme auf Eisenbahnverkehrsunternehmen nach Art. 4 und 5 der RL 91 / 440 / EWG, ABl. 1991 L 237 / 25, steht der unmittelbaren Gemeinwohlbindung ebenfalls nicht entgegen; diese ablehnend aber Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 20; K. Windthorst, in: M. Sachs, GG, Art. 87e Rn. 41. 912 U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 77; J. Wieland, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 87e Rn. 15; im Ergebnis auch E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 52; D.C. Umbach, in: ders. / Th. Clemens, GG, Bd. 2, Art. 87e Rn. 25; implizit Chr. Herr / D. Lehmkuhl, Die Verwaltung 30 (1997), S. 396 (401); V. Mehde, ZögU 25 (2002), S. 421 (432). 913 E. Schmidt-Aßmann / H.Chr. Röhl, DÖV 1994, 577 (584). 909 910

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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des Bundes auf dem (notwendigerweise) diesem mittels seiner Eisenbahninfrastrukturunternehmen zuzuordnenden Schienennetz. Im Falle des vollständigen Übergangs der Fahrleistungserbringung auf materiell Private könnte eine Gewährleistungspflicht des Bundes für deren Leistungen nur dann angenommen werden, wenn diese unter den Begriff der „Eisenbahnen des Bundes“ fallen würden. Möglich wäre ein solches Verständnis, da Art. 87e III GG diese in Satz 1 allgemein als privat-rechtliche Wirtschaftsunternehmen bezeichnet und in Satz 2 das Eigentum (nur) der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zwingend dem Bund zuweist. Dies ist jedoch abzulehnen. Auch wenn Art. 87e IV GG keinen Verweis auf das Eigentum des Bundes enthält, wäre eine Auslegung im Sinne von „bundesweit bzw. länderübergreifend agierenden Eisenbahnen“ oder „Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bahn in (ursprünglich) öffentlicher Hand“ zumindest lebensfremd, unpraktikabel und stünde überdies im Widerspruch zu der in Art. 73 Nr. 6a GG vorgenommenen Legaldefinition. Während im ersten Fall die Gewährleistungspflicht des Bundes allein von der Geschäftspolitik der privaten Eisenbahnunternehmen abhinge, käme es im zweiten zu Ungleichbehandlungen zwischen neuen und Nachfolgeunternehmen. Überdies wäre die mehrfache Bezugnahme auf den Begriff in Art. 87e IV GG, die mangels Ländereisenbahnen im Fernverkehr nur der Abgrenzung gegenüber Privaten dienen kann, widersinnig. Entsprechendes gilt auch für Art. 87e II GG, der mit Bezug auf die Eisenbahnverkehrsverwaltung von der (potentiellen) Existenz von anderen als bundeseigenen Eisenbahnen ausgeht. Der Gewährleistungsauftrag des Bundes aus Art. 87e IV GG kommt daher nur dann zum Tragen, wenn dieser (Mehrheits-)Eigentümer der Eisenbahnverkehrsunternehmen ist.914 Es besteht kein sachlicher Grund, die Legaldefinition des Art. 73 Nr. 6a GG nicht auch auf Art. 87e GG anzuwenden.915 Dies bedeutet zugleich, dass der Gewährleistungsauftrag bei einer (materiellen) Privatisierung ersatzlos erlischt. Die in der Literatur diskutierte Frage, ob für die Erfüllung der Gewährleistungspflicht ein verbleibender staatlicher Anteil an Eisenbahnverkehrsunternehmen erforderlich ist916 oder nicht917, entbehrt daher der normativen Grundlage. Ob Art. 87e GG einen grundlegenden Systemwechsel von staatlicher zu gesellschaftlicher Leistungsbereitstellung enthält,918 erscheint angesichts der staatlichen 914 F. Brosius-Gersdorf, DVBl. 2002, 275 (280); U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 77; anders S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 81; J. Wieland, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 87e Rn. 15. Zutreffend ist daher die Formulierung bei Chr.C. Pöhn, Wirtschaftslenkung, S. 117, der von einer dauerhaften Verflichtung des Bundes allein hinsichtlich der Existenz eines flächendeckenden Schienennetzes ausgeht. Zur Begriffsbestimmung der „Eisenbahnen des Bundes“ im vorliegenden Sinne vgl. auch den ebenfalls der Bahnstrukturreform zuzurechnenden § 2 VI AEG. 915 K. Windthorst, in: M. Sachs, GG, Art. 87e Rn. 8. 916 J. Wieland, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 87e Rn. 14. 917 E. Schmidt-Aßmann / H.Chr. Röhl, DÖV 1994, 577 (582). 918 So E. Schmidt-Aßmann / H.Chr. Röhl, DÖV 1994, 577 (578); zustimmend E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 39; G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (150).

16 Knauff

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Reservate hinsichtlich der Eisenbahninfrastrukturunternehmen zweifelhaft, muss jedoch nicht abschließend beurteilt werden. Bezüglich des Gewährleistungsstaatsmodells fällt die Bilanz jedoch relativ dürftig aus. Dessen Elemente finden sich nur in sehr eingeschränktem Maße wieder. Insbesondere ist die Möglichkeit der funktionalen Privatisierung nicht vorgesehen. Verfassungsrechtlich erscheint der Bereich der Eisenbahn als modern eingekleidete, traditionelle staatliche Daseinsvorsorge mit einer vollständigen Ausstiegsmöglichkeit des Bundes aus der über allgemeine gesetzliche Regelungen hinausgehenden Beeinflussung der Fahrleistungserbringung. Die Einbindung Privater erfolgt entweder im Rahmen der Schaffung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen, bezüglich der Eisenbahnverkehrsleistungen auch der materiellen Privatisierung der im Eigentum des Bundes stehenden Bahnen, oder durch private Konkurrenzunternehmen. Einer einfachgesetzlichen „gewährleistungsstaatlichen“ Regelung für den Bereich der Eisenbahn steht Art. 87e GG allerdings ebenso wenig entgegen, wie sich der Vorschrift ein klares und uneingeschränktes Bekenntnis zu dieser entnehmen lässt.

b) Art. 87f I GG Verglichen mit Art. 87e GG ist die den Bereich Post und Telekommunikation betreffende Bestimmung des Art. 87f GG von deutlich größerer normativer Klarheit. Danach „gewährleistet der Bund“ nach Maßgabe eines zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzes in diesen Bereichen „flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen“, Absatz 1, die gemäß Absatz 2 Satz 1 „als privatwirtschaftliche Tätigkeiten“ durch die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost, also Deutsche Post AG und Deutsche Telekom AG, „und durch andere private Anbieter erbracht“ werden. Hoheitsaufgaben werden in bundeseigener Verwaltung, durch Gesetz bestimmte spezielle Aufgaben durch eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts wahrgenommen, Art. 87f II 2, III GG. Ziel der Einfügung des Art. 87f GG ist nach herrschender Ansicht eine (materielle) Entstaatlichung der Leistungserbringung.919 Allerdings ist nach dem Wortlaut des Art. 87f II 1 GG zweifelhaft, ob damit ein zwingender Rückzug des Bundes und somit eine materielle Privatisierung der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost verbunden ist. Dafür könnten die Bezeichnung der Leistungs919 F. Brosius-Gersdorf, DVBl. 2002, 275 (277); M. Bullinger, in: FS H.F. Zacher, S. 85 (88); M. Fehling, DÖV 2002, 793 (800, insbes. Anm. 63); Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 183 f.; R. Müller-Terpitz, NWVBl. 1999, 292 (294); B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 87f Rn. 3; S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 111; K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 192. Dies bedeutet zugleich das Vorliegen eines Ausnahmefalls in der Staatswirklichkeit, Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 176; ähnlich implizit J. Kühling, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 138 (144): „Bemerkenswert . . .“.

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erbringung als privatwirtschaftlich sowie die Bezugnahme auf „andere private Anbieter“ sprechen. Insbesondere die letztgenannte Formulierung impliziert möglicherweise, dass die entsprechenden Nachfolgeunternehmen von Verfassungs wegen der Privatwirtschaft zuzuordnen sind. Dagegen spricht jedoch zum einen die besondere Hervorhebung dieser Unternehmen, zum anderen aber auch Art. 143b II 2, 3 GG, nach dem eine materielle Privatisierung des Postbereichs erst nach einer Übergangszeit und zudem nur auf Grundlage eines zustimmungspflichtigen Bundesgesetzes zulässig ist. Wenn es sich dabei auch nur um eine Übergangsbestimmung handelt, so wird daraus zumindest deutlich, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber eine materielle Privatisierung nicht für unbedingt erforderlich hielt und für den Postbereich, der in Art. 87f II 1 GG nicht vom Telekommunikationsbereich unterschieden wird, sogar eine diesbezügliche Erschwerung für notwendig erachtete. Damit kann Art. 87f II 1 GG bezüglich der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost kein Gebot zur materiellen Privatisierung entnommen werden.920 Allerdings entfaltet die Vorschrift gegenüber anderen öffentlichen Unternehmen eine Sperrwirkung. Insbesondere verbietet sie auch den Kommunen ein Tätigwerden in den betreffenden Bereichen.921 Die Gegenauffassung922 verkennt, dass Art. 87f II 1 GG zwar die Tätigkeiten als privatwirtschaftlich und somit als marktmäßig zu erbringen kennzeichnet, was auch etwa durch kommunale Unternehmen geschehen kann, zugleich aber anders als im nur wenig älteren Art. 87e III 1 GG nicht auf die privatrechtliche Form, sondern auf „private Anbieter“ abstellt. Die ausdrückliche Hervorhebung von deren Privatheit kann im Sinnzusammenhang der Vorschrift nichts anders als die Beschränkung auf materiell Private bedeuten. Insbesondere erscheint es wenig sinnvoll, für eine – anders als im Falle der Eisenbahnen des Bundes in Art. 87e III 1 GG – unbestimmte und potentiell hohe Anzahl zum Zeitpunkt der Schaffung des Art. 87f GG wegen des bis dahin bestehenden Monopols der Deutschen Bundespost noch nicht einmal existenten öffentlichen Unternehmen eine bestimmte Form der rechtlichen Organisation verfassungsrechtlich vorzuschreiben. Auch die Absicht des verfassungsändernden Gesetzgebers, die jeweiligen Märkte insbesondere für Private zu öffnen923, würde andernfalls konterkariert. Damit ist ein kennzeichnendes Element des Gewährleistungsstaates, die Leistungserbringung, grundsätzlich durch Private, in Art. 87f I GG enthalten, wenn auch wegen des fehlenden materiellen Privatisierungsgebots bezüglich der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost nicht in „Reinform“. 920 Ebenso D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 34; P. Lerche, in: MDH, Grundgesetz, Art. 87f Rn. 54; implizit auch Th. Mann, Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft, S. 21. 921 R. Müller-Terpitz, NWVBl. 1999, 292 (295); K. Rennert, JZ 2003, 385 (388); ebenso implizit M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (30). 922 E. Rehn / U. Cronauge, in: dies. / H.G. v. Linnep, Gemeindeordnung für NordrheinWestfalen, § 107 S. 22; J. Widtmann / W. Grasser / E. Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 87 Rn. 8. 923 BT-Drucks. 12 / 7269, S. 5.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Im Hinblick auf die in Art. 87f II 1 GG Bezug genommenen Leistungen weist Art. 87f I GG einen hohen Konkretisierungsgrad auf.924 Zwar ist im Einzelnen umstritten, ob die von der Vorschrift durch den Begriff „angemessene und ausreichende Dienstleistungen“ unumstritten anvisierte (bloße) Grundversorgung925 als „Minimal-“926 oder Mindestversorgung927 zu erfolgen hat. Dies kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch offen bleiben, da Art. 87f I GG insoweit nach herrschender Ansicht jedenfalls dynamisch zu verstehen928 und ein hohes Leistungsniveau929 anzustreben ist, wobei aber ein großer Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers besteht.930 Durch die Bezugnahme auf ein flächendeckendes Leistungsangebot fixiert Art. 87f I GG zugleich ein raumpolitisches Daseinsvorsorgeziel.931 Diese Leistungen sind nach Art. 87f I GG vom Bund zu gewährleisten. Auch wenn die Einführung dieses Infrastrukturgewährleistungsauftrags nur als Reaktion auf das in der Vorschrift enthaltene Privatisierungsgebot erfolgte932 und einen „politisch konservierte(n) Rest der ursprünglichen Erfüllungsverantwortung“933 darstellt, darf dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden. Nach Art. 87f I GG soll der Bund verbindlich und dauerhaft eine Garantenstellung für ein bestimmtes Versorgungsniveau erhalten.934 Auch wenn diese bereits im Grundsatz aus dem Sozialstaatsprinzip folgt,935 so dass die Notwendigkeit der verfassungsrechtlichen

924 M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 55. Die Festlegung auf ein bestimmtes Regulierungsmodell ist damit jedoch nicht verbunden, F. Moos, Die Bindung der Telekommunikationsregulierung durch das GATS-Abkommen, S. 103. 925 P. Lerche, in: MDH, Grundgesetz, Art. 87f Rn. 79; K. Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, S. 67; B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 87f Rn. 4. 926 M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 194. 927 K. Windthorst, CR 2002, 118 (122); ders., in: M. Sachs, GG, Art. 87f Rn. 14; ebenso D.C. Umbach, in: ders. / Th. Clemens, GG, Bd. 2, Art. 87f Rn. 20. 928 K. Windthorst, CR 2002, 118 (122); vgl. auch P. Badura, in: BK, Art. 87f Rn. 29; S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 101. 929 M. Herdegen, ZRP 1999, 63 (64). 930 B. Pieroth, in: H.D. Jarass / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 87f Rn. 4. 931 J. Kühling, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 138 (144). 932 M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 36 933 M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 26; ähnlich K. Oertel, Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, S. 67; Th. Mayen, DÖV 2001, 110 (112), spricht von „Reservate(n) staatlicher Verantwortung“. 934 K. Cannivé, Infrastrukturgewährleistung in der Kommunikation, S. 51; ebd. S. 52: „verbindliche Infrastrukturgarantie“. J.A. Kämmerer, NVwZ 2004, 28 (30), bezeichnet den Gewährleistungsumfang als „Kern der Daseinsvorsorge“. 935 Dementsprechend dient die Gewährleistungsverpflichtung zumindest auch der Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips, J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung,

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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Einführung zum Teil bezweifelt wird,936 wird durch Art. 87f I, II 2 GG ein explizites Verbot der Nichtwahrnehmung und auch der Privatisierung der (telekommunikationsspezifischen) Gewährleistungspflicht des Bundes begründet.937 Diese ist dabei anders als in Art. 87e IV GG keine leistungserbringerspezifische Beschränkung gegeben. Auch die zur Grundversorgung zählenden Leistungen materiell Privater werden erfasst. Die Gewährleistung ist zwingend und als hoheitliche Aufgabe wahrzunehmen.938 Allerdings greift diese nur ergänzend ein.939 Sie bildet allein eine Rahmengarantie für eine angemessene privatwirtschaftliche Versorgung mit Telekommunikationsleistungen. 940 Die Art und Weise der Erfüllung der staatlichen Gewährleistungspflicht ist nicht verfassungsrechtlich vorgegeben.941 Wegen der in Art. 87f GG deutlich werdenden prinzipiellen Gleichrangigkeit von Privatisierung und Gewährleistung müssen allerdings beide in Einklang gebracht werden. Dies bedeutet vor allem, dass marktkompatible Gewährleistungsmechanismen eingesetzt werden.942 Das insoweit gegebene „Spannungsverhältnis zwischen Marktund Staatsgesetzen“943 darf nicht zulasten einer der verfassungsrechtlich vorgegebenen Grundentscheidungen gelöst werden. Entsprechend der Richtungsentscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers darf insbesondere das Modell der Leistungserbringung am Markt nicht durch staatliche Infrastruktursicherungsmaßnahmen ausgehöhlt werden.944 Auch wenn zur Wirksamkeit der Gewährleistung945 im Regelfall eine ex ante-Regulierung erforderlich ist,946 so genügt zumindest im Grundsatz bei einer ausreichenden Versorgung durch den Markt eine bloße Beobachtung.947 S. 546 f.; J. Wieland, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 87e Rn. 11; ebenso K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 258, bezüglich Art. 87f I GG; mit Verweis auf die Grundrechte U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (165 Anm. 35). Bereichsspezifisch darüber hinausgehend unter Verweis auf die Nähe zum Demokratieprinzip S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 96; vgl. auch unten C.IV.1. c). 936 M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 54 ff. 937 M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 50; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 555. 938 F. Brosius-Gersdorf, DVBl. 2002, 275 (277). 939 K. Windthorst, CR 2002, 118 (123). 940 M. Bullinger, in: FS H.F. Zacher, S. 85 (88). 941 Th. v. Danwitz, Verfassungsfragen, S. 28 f.; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 505. 942 M. Eifert, Grundversorgung mit Telekommunikationsleistungen im Gewährleistungsstaat, S. 206. 943 J. Wieland, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 87e Rn. 16. 944 M. Herdegen, ZRP 1999, 63 (64). 945 J. Wieland, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 87e Rn. 8, weist jedoch zutreffend auf die dabei bestehenden Schwierigkeiten wegen der Beschränkung auf regulative Mittel hin. 946 K. Windthorst, CR 2002, 118 (122). 947 Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 184; zu sonstigen Regulierungsmöglichkeiten vgl. K. Windthorst, in: M. Sachs, GG, Art. 87f Rn. 17 f.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Art. 87f GG beinhaltet somit eine relativ detailgenaue Umsetzung des Gewährleistungsstaatsmodells für den Bereich von Telekommunikation und Post. Vorgesehen sind sowohl die grundsätzlich private Leistungserbringung als auch die staatliche Gewährleistung für ein bestimmtes Versorgungsniveau. Im Ansatz enthält die Vorschrift auch schon eine Regelung über die Wahrnehmung der Gewährleistungspflicht des Staates durch die zu errichtende bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts. c) Normvergleich Der vorstehende Überblick über Art. 87e und f GG hat aufgezeigt, dass zwischen beiden Vorschriften sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede bestehen. Obwohl sie in einem „gemeinsamen Verfassungsboden“948 wurzeln, werden im Detail verschiedene Lösungen verfolgt. Dennoch werden bei einem Vergleich zahlreiche Parallelen deutlich, die für die hier vorliegende Fragestellung von Bedeutung sind. Beide Bestimmungen sind insbesondere im Hinblick auf die Rolle des Bundes bewusst parallel formuliert; dieser wird ausdrücklich zum Gewährleister spezifischer Leistungen der Daseinsvorsorge.949 Zumindest soweit die Gewährleistungspflicht jeweils reicht, ist ihr normativer Gehalt in Art. 87e IV und 87f I GG identisch.950 Entgegen der herrschenden Ansicht951 handelt es sich bei dieser nicht nur um ein Staatsziel. Auch wenn in keiner der Vorschriften explizit aufgeführt ist, wie der Bund seiner Gewährleistungspflicht nachzukommen hat und welches Leistungsniveau im Einzelnen jeweils zu sichern ist, handelt es sich bei dem staatlichen Handlungsauftrag nichtsdestotrotz um eine durch die Festlegung auf eine Zielerreichung gekennzeichnete unmittelbar eingreifende rechtliche Verpflichtung.952 Zwar bedarf diese in beiden Fällen einer weitergehenden Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber. Dieser ist trotz bestehender Spielräume von Verfassungs wegen sowohl zeitlich als auch sachlich auf die 948

P. Lerche, in: FS K.H. Friauf, S. 251 (251 f.); F. Brosius-Gersdorf, DVBl. 2002, 275

(282). S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 95. Ohne Einschränkungen K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 306. 951 P. Badura, in: BK, Art. 87f Rn. 26; K. Cannivé, Infrastrukturgewährleistung in der Kommunikation, S. 59; Th. v. Danwitz, Verfassungsfragen, S. 27; Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 62 f.; M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 40; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 496; U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 76; P. Lerche, in: MDH, Grundgesetz, Art. 87f Rn. 80; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 554; K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 343. 952 Im Ergebnis so auch S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 92, 132, allerdings unter der Verwendung des in diesem Zusammehang unglücklichen Begriffs „Leistungspflicht“. Insbesondere bleibt die Grundverantwortung des Staates für Organisation und Steuerung eines angemessenen Interessenausgleichs bestehen, vgl. E. Schmidt-Aßmann / H.Chr. Röhl, DÖV 1994, 577 (582), bezogen auf Art. 87e GG. 949 950

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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dem verfassungsändernden Gesetzgeber vorschwebende spezifische Modellvorstellung festgelegt. Dies kommt besonders deutlich in Art. 87f I GG zum Ausdruck, wo das Objekt der staatlichen Gewährleistungsverpflichtung eindeutig beschrieben ist, aber auch in Art. 87e IV GG. Die bereichsspezifische Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips erfolgt somit nicht durch eine weitere Staatszielbestimmung, sondern durch eine in der Detailgenauigkeit darüber hinausgehende explizite, wenn auch ausfüllungsbedürftige Handlungsanweisung, die im Zusammenhang mit den jeweils angeordneten Privatisierungsmaßnahmen steht. Auch im Hinblick auf diese besteht eine gewisse „strukturelle Vergleichbarkeit“953 beider Normen. Zwar ist diese nicht auf Art und Reichweite der Privatisierungen bezogen, wohl aber auch die jeweiligen Dienstleistungen, die einen privatwirtschaftlichen Charakter erhalten.954 Auch insoweit befinden sich auch beide Bestimmungen in Übereinstimmung mit dem Gewährleistungsstaatsmodell, das damit in beiden Bestimmungen, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, nicht nur grammatikalisch sondern auch normativ anklingt. 2. Rückwirkung der Regelungen auf das gesamte Grundgesetz? Zum Abschluss der verfassungsrechtlichen Untersuchung stellt sich nunmehr die Frage, ob den Art. 87e und f GG bezüglich ihres gemeinsamen Gehalts als spezielle Ausformungen eines allgemeinen Gewährleistungsgebots955 verfassungsrechtlichen Modellcharakter für den Bereich der Daseinsvorsorge zukommt oder ob es sich bei diesen um nicht verallgemeinerungsfähige Sondervorschriften mit über direktem Inhalt hinausgehender Aussage956 handelt. Die Offenheit der übrigen einschlägigen Regelungen des Grundgesetzes957 lässt eine Grundsatzentscheidung der Verfassung zugunsten eines (wenn auch nur rudimentär ausgeprägten) Gewährleistungsstaats an dieser Stelle möglich erscheinen. Die sich dabei stellende Problematik ist vor allem methodischer Art. Insbesondere ist eine metaverfassungsrechtliche Begründung verfassungsrechtlicher Rechtsbeziehungen nicht zulässig.958 Erschwerend kommt hinzu, dass andere Bereiche der Daseinsvorsorge J. Wieland, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 87e Rn. 20. P. Lerche, in: MDH, Grundgesetz, Art. 87f Rn. 2. 955 So J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1048); wohl auch H.P. Bull, in: K. König / H. Siedentopf, Öffentliche Verwaltung in Deutschland, S. 343 (351); M. Bullinger, in: FS H.F. Zacher, S. 85 (88); Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 43; J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (7); M. Ronellenfitsch, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 118 (127). 956 Dahingehend J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 429; E. Schmidt-Aßmann / H.Chr. Röhl, DÖV 1994, 577 (584); A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (292); in allgemeinerem Kontext M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (222). 957 Siehe im einzelnen oben C.III. 958 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 429. 953 954

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

im Grundgesetz nicht erwähnt werden,959 so dass der Rückgriff auf eine breite normative Grundlage nicht möglich ist. Die Verankerung eines allgemeinen Grundsatzes ließe sich neben den in Art. 87e und f GG enthaltenen Gemeinsamkeiten vor allem aus der Entwicklung in der Verfassungswirklichkeit heraus begründen. Die dort auftretenden Umwälzungen960 haben gerade auch auf die Verfassung selbst eingewirkt und sie verändert. Insbesondere Art. 87f I GG dokumentiert eine für das Recht der Privatisierung typische Entwicklung.961 Aus dieser Perspektive erscheinen die Art. 87f I GG sowie in geringerem Maße Art. 87e IV GG vor allem als „prominente Beispiel(e)“962 für den Staat als bloßem Gewährleister. Konstatiert wird zudem eine umfassend veränderte verfassungsrechtliche Atmosphäre, nämlich eine solche grundsätzlicher Privatwirtschaftlichkeit.963 Dass diese nicht zuletzt auf gemeinschaftsrechtliche Einflüsse zurückgeht, spricht angesichts der dort vorherrschenden grundlegenden Wertungen und Vorstellungen964 eher für eine über die unmittelbar betroffenen Bereiche hinausgehende Regelung. Gegen ein auf Art. 87e und f GG beruhendes neues verfassungsrechtliches „Gewährleistungsstaatsprinzip“ spricht jedoch die trotz der vergleichbaren Substanz vorhandene deutlich unterschiedliche Intensität der Vorschriften.965 Zwar spricht allein die „verfassungssystematische Besonderheit“966 der in Art. 87e und f GG ausdrücklich statuierten Gewährleistungsverantwortung nicht gegen die Anerkennung eines solchen Prinzips. Entscheidend sind jedoch die bei dieser und der mit ihr korrespondierenden Privatisierung im Detail bestehenden Unterschiede. Der dauerhaften leistungsbezogenen Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 87f GG steht die nur erbringerbezogene und damit für den wichtigen Teilbereich der Eisenbahnverkehrsleistungen zugleich zeitlich prinzipiell begrenzte staatliche Gewährleistungspflicht aus Art. 87e GG gegenüber. Eine über die sozialstaatlichen Anforderungen hinausgehende normative Konzeptgleichheit besteht gerade nicht. Diese wäre aber zumindest im Grundsatz für die Anerkennung eines allgemeinen „Gewährleistungsstaatsprinzips“ notwendig. Ein Bekenntnis des verfassungsändernden Gesetzgebers und damit des Grundgesetzes zu einer grundsätzlich gewährleistungsstaatlich geprägten Leistungs959 Vgl. P. Lerche, in: FS K.H. Friauf, S. 251 (258). S. Sommer, Staatliche Gewährleistung, S. 167, befürwortet wegen dieser Ausnahmestellung die Aufnahme weiterer Gewährleistungsbestimmungen, da diese zugleich einen Vorrang der Regelungsinhalte von Art. 87e, f GG vor anderen sozialstaatlich motivierten Zielen beinhaltet. 960 Siehe oben A.III.2. b). 961 K. Cannivé, Infrastrukturgewährleistung in der Kommunikation, S. 50. 962 W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 293. 963 P. Lerche, in: FS K.H. Friauf, S. 251 (252 f.). 964 Oben C.II.1. c), C.II.2. 965 P. Lerche, in: FS K.H. Friauf, S. 251 (258). 966 U. Kramer, Das Recht der Eisenbahninfrastruktur, S. 85.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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erbringung im Daseinsvorsorgebereich ist somit nicht erkennbar. Art. 87e und f GG entfalten über ihren unmittelbaren Regelungsbereich keine normativen Wirkungen. Immerhin wird an ihnen, insbesondere am jüngeren Art. 87f GG, jedoch deutlich, dass der moderne verfassungsändernde Gesetzgeber das Modell des Gewährleistungsstaats als Möglichkeit der Ausgestaltung des Daseinsvorsorgebereichs anerkennt und im Grundsatz befürwortet. Eine „Rückwirkung“ lässt sich daher zumindest insoweit bejahen, als dass die Gewährleistungsstaatlichkeit aus Sicht des Verfassungsrechts explizit eine zulässige Option der Organisation des Daseinsvorsorgebereichs ist.

V. Nationales Recht 3: unterverfassungsrechtliche Ebene Wegen der leichteren Abänderbarkeit von geringerer theoretischer, wenn auch von immenser praktischer Bedeutung, ist die unterverfassungsrechtliche Ebene. Diesbezüglich ist zum einen zu trennen zwischen Bundes- und Landesrecht. Zum anderen bestehen auch insoweit allgemeine und spezielle Normkomplexe. Im Folgenden soll nur ein kurzer Überblick über bestehende allgemeine Regelungen mit Bezug zum Daseinsvorsorgebereich erfolgen. Sonderbestimmungen für spezielle Aufgaben bleiben weitgehend außer Betracht. Zwar richtet sich die Organisation der jeweiligen Leistungserbringung in erster Linie nach diesen, sie sind aber zugleich wichtigster Ansatzpunkt für die Verwirklichung von Reformbestrebungen und können daher allenfalls eine Momentaufnahme wiedergeben. Überdies bestehen gerade aus diesem Grund große strukturelle Unterschiede.

1. Bundesrecht Das daseinsvorsorgebezogene Bundesrecht umfasst vor allem eine Anzahl von Spezialgesetzen. Diesen fehlt es zum jetzigen Zeitpunkt an einer einheitlichen theoretischen Grundkonzeption. Unterscheidungen lassen sich aber etwa danach treffen, ob der jeweilige Daseinsvorsorgebereich sicherheitsrechtlich relevant ist. Für den Fall des zulässigen Einsatzes Privater bei der Leistungserstellung ordnen diese im Regelfall eine Staatsaufsicht an.967 Die für einige Bereiche der Daseinsvorsorge vorgesehenen Bereichsausnahmen von der Anwendung des GWB968 sind weitgehend für eng begrenzte Ausnahmefälle in die jeweiligen Spezialgesetze transferiert worden. Nur für die öffentliche So schon K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 45. Diese waren jedoch nicht umfassend, sondern aufgabenbezogen. So galt die Freistellung vom Kartellverbot in § 99 GWB nur insoweit, als im Verkehrsrecht begründete staatliche Wettbewerbsbeschränkungen fehlten, R. Maaß, Wettbewerb, S. 99; ausführlich dazu J. Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, S. 7 ff. 967 968

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Wasserversorgung verweist § 131 VIII GWB auf einige Bestimmungen der zuvor geltenden Gesetzesfassung. Öffentliche Unternehmen unterfallen nach § 130 I 1 GWB uneingeschränkt den dem Anwendungsbereich des Gesetzes, so dass auch in den Bereichen der Daseinsvorsorge Wettbewerbsbeschränkungen nach §§ 1 bis 47 GWB verboten sind. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht damit kein Sonderbereich der Daseinsvorsorge. Die Begründung faktischer Sonderregime ist damit grundsätzlich nicht möglich. Keinen unmittelbaren Bezug zur Daseinsvorsorge, allerdings zur gesamten Staatstätigkeit und damit mittelbar auch zu jener, weist das Haushaltsrecht des Bundes auf. Dieses konkretisiert das verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsprinzip und gießt es gleichsam in eine anwendungsfähige Form.969 § 6 I HGrG, der nach § 1 HGrG für Bund und Länder verpflichtend ist, bestimmt, dass bei der Haushaltsplanung die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind. Für den Bereich des Bundes wird dies durch § 7 BHO aufgenommen. Nach § 7 I 2 BHO wird eine Verpflichtung zur Prüfung der Privatisierungsmöglichkeit bei wirtschaftlichen Tätigkeiten festgeschrieben.970 Damit wird sowohl die Privatisierung als ordnungspolitisches Ziel deutlich, als auch eine gesetzliche Institutionalisierung von Aufgabenkritik vorgenommen. Allerdings enthält § 7 I 2 BHO keine Privatisierungspflicht, sondern nur ein Privatisierungsprüfungsgebot.971 Auch wenn der Bund nur in wenigen, allerdings bedeutsamen Bereichen der Daseinsvorsorge tätig ist, ist dieser Regelung trotz ihres fehlenden Privatisierungszwangs und ihres insoweit beschränkten Anwendungsbereichs eine Grundsatzentscheidung gegen das traditionelle Modell der Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand zu entnehmen. Eine Entscheidung für den Gewährleistungsstaat enthält sie allerdings nicht, da sie die Frage nach dem Bestehen und der Organisation einer staatlichen Gewährleistung nicht regelt. Angesichts ihrer Verankerung im Haushaltsrecht kann sie eine solche Aussage jedoch auch nicht treffen, da diese systematisch vor allem in den Bereich der Staats- und Verwaltungsorganisation fällt. Immerhin lässt sich ihr jedoch auch keine Entscheidung gegen diesen entnehmen. Vielmehr spricht der textliche Zusammenhang mit der ebenfalls in § 7 I 2 BHO enthaltenen Möglichkeit der bloßen Ausgliederung für eine implizite Anerkennung der kennzeichnenden funktionalen Privatisierung als Mittelweg zwischen formeller und materieller Privatisierung. 2. Landesrecht Neben den auch auf Landesebene vorhandenen daseinsvorsorgebereichsspezifischen Gesetzen sind vor allem die Gemeindeordnungen der Länder für die OrgaChr. Gröpl, VerwArch 93 (2002), S. 459 (475). Kritisch dazu J. Berkemann, SächsVBl. 2002, 279 (279 f.). 971 Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 251 f.; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 89; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 527; U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 22. 969 970

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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nisation der Daseinsvorsorge von Bedeutung. Diese konkretisieren die grundgesetzliche Selbstverwaltungsgarantie und gestalten sie aus.972 Für den vorliegenden Zusammenhang sind insoweit weniger die Bestimmungen über den Zugang zu kommunalen Einrichtungen973 von Bedeutung, als vielmehr das Gemeindewirtschaftsrecht. Dessen Regelungen dienen als Kompetenz(rahmen)bestimmungen für die kommunale Wirtschaftstätigkeit im Verhältnis zu Privaten.974 Trotz ihrer gemeinsamen Grundlage in den §§ 67 ff. DGO weichen die landesrechtlichen Vorschriften im Detail zunehmend voneinander ab. Eine getrennte Untersuchung ist wegen der noch immer bestehenden grundlegenden Gemeinsamkeiten jedoch für den hier verfolgten Zweck nicht erforderlich. Das Gemeindewirtschaftsrecht nahezu aller Länder sieht die Daseinsvorsorge als Gegensatz zur kommunalen Erwerbswirtschaft an975 und unterwirft sie einer von dieser abweichenden, privilegierenden Regelung. Die dazu verwendeten Konstruktionen setzen an unterschiedlichen Stellen an. Die Mehrzahl der Gemeindeordnungen unterscheidet zwischen „wirtschaftlichen“ und „nichtwirtschaftlichen“ Unternehmen. Mittels einer Aufzählung bestimmter „nichtwirtschaftlicher“ Aufgaben, erfolgt im Regelfall die Herausnahme von Daseinsvorsorgeunternehmen aus dem Begriff „wirtschaftliche Unternehmen“.976 Auch wenn diese Trennung häufig als willkürlich kritisiert wurde und wird,977 führt sie in der Praxis zum Verzicht auf die für wirtschaftliche kommunale Unternehmen bestehenden besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für gemeindliche Daseinsvorsorgeunternehmen. Gleiches gilt für Unternehmen, die von Gesetzes wegen oder zur Erfüllung gesetzlich vorgesehener Aufgaben vorgesehen sind.978 Für den Daseinsvorsorgebereich ist diese Alternative jedoch von geringerer Bedeutung, da die Daseinsvorsorgetätigkeiten in der Regel freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben sind. Vgl. H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 52. § 10 GO BW; Art. 21 I, III ff. BayGO; § 14 BrbgGO; § 20 HessGO; § 14 II, III KV MV; § 22 NdsGO; § 8 II ff. GO NW; § 14 II ff. GO RP; § 19 SaarlKSG; § 10 II f., V SächsGO; § 22 GO LSA; § 18 GO SH; § 14 ThürKO. 974 W. Löwer, Energieversorgung, S. 148. 975 B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 71. 976 § 102 III GO BW; § 101 II Nr. 2 BrbgGO; § 121 II 1 Nr. 2 HessGO; § 68 II 1 Nr. 2 KV MV; § 108 III Nr. 2 NdsGO; sehr umfassend und detailliert § 107 II 1 Nr. 2 – 4 GO NW; § 85 III 1 GO RP; § 108 II Nr. 1 SaarlKSG; § 101 II 1 Nr. 2 GO SH; ebenso BayVerfGH, DÖV 1958, 216 (218). 977 H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (314); Chr. Reichard, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (18); S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 33 f.; kritisch zur Unterscheidung auch D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 135 f.: ders., Der Landkreis 2003, 22 (25); U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (168); G. Püttner, DÖV 2002, 731 (734); U. Steckert, DfK 41 (2002), S. 61 (83); ders., Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, S. 57 ff. 978 Unternehmensbezogen § 121 II 1 Nr. 1 HessGO; § 68 II 1 Nr. 1 KV MV; § 108 III Nr. 1 NdsGO; § 107 II 1 Nr. 1 GO NW; § 97 II Nr. 1 SächsGO; § 101 II 1 Nr. 1 GO SH; aufgabenbezogen § 101 II Nr. 1 BrbgGO. 972 973

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Doch auch soweit ein expliziter Ausschluss der Daseinsvorsorge von den beschränkenden Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts nicht vorgesehen ist, ist die kommunale Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen möglich, häufig unter gegenüber anderen Bereichen vereinfachten Voraussetzungen. Alle Gemeindeordnungen setzen für die Zulässigkeit kommunaler Wirtschaftstätigkeit unabhängig von der Rechtsform das Vorliegen eines öffentlichen Zwecks voraus.979 Darunter wird eine gemeinwohlorientierte, im unmittelbaren öffentlichen Interesse der Einwohner liegende Zielsetzung verstanden.980 Ausgeschlossen werden zugleich – aber faktisch auch ausschließlich981 – Tätigkeiten, deren einziger Zweck die Gewinnerzielung ist.982 Wenn auch die Begriffe „Daseinsvorsorge“ und „öffentlicher Zweck“ unabhängig voneinander sind983 und der letztere weiter ist,984 ist die Daseinsvorsorge jedenfalls ein „öffentlicher Zweck“ im Sinne des Gemeindewirtschaftsrechts.985 Teilweise werden bestimmte Daseinsvorsorgebereiche landesverfassungsrechtlich986 oder einfachgesetzlich 987 besonders als öffentlicher Zweck hervorgehoben. In den meisten988 Gemeindeordnungen ist darüber hinaus eine ein-

979 § 102 I Nr. 1 GO BW; Art. 87 I 1 Nr. 1 BayGO; § 100 II Nr. 1 BrbgGO; § 121 I Nr. 1 HessGO; § 68 I Nr. 1 KV MV; § 108 I Nr. 1 NdsGO; § 107 I Nr. 1 GO NW; § 85 I Nr. 1 GO RP; § 108 I Nr. 1 SaarlKSG; § 97 I 1 Nr. 1 SächsGO; § 116 I 1 Nr. 1 GO LSA; § 101 I Nr. 1 GO SH; § 71 I Nr. 1 ThürKO. 980 Vgl. statt vieler E. Rehn / U. Cronauge, in: dies. / H.G. v. Linnep, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, § 107 S. 12; ähnlich M. Moraing, WiVerw 1998, 233 (252). Nach einer Minderheitsansicht soll jedoch auch die mittelbare Verfolgung öffentlicher Zwecke genügen, vgl. aus der neueren Literatur nur F. Hoffmann-Klein / R. Noch, DÖV 2002, 422 (425 f.). 981 Das Erfordernis des Vorliegens eines öffentlichen Zwecks wirkt daher kaum restriktiv, vgl. J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 100 (101); B. Pieroth / B.J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428). 982 VerfGHRhPf, NVwZ 2000, 801; D. Ehlers, Der Landkreis 2003, 22 (24); H.-J. Papier, DVBl. 2003, 868 (688 f.); B. Pieroth / B.J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428); E. Rehn / U. Cronauge, in: dies. / H.G. v. Linnep, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, § 107 S. 13; K. Rennert, JZ 2003, 385 (390); S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 137; J. Widtmann / W. Grasser / E. Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 87 Rdnr. 12; O. Wittig, VR 2002, 90 (91); ausdrücklich auch Art. 87 I 2 BayGO; § 116 I 2 GO LSA; ablehnend aber unter Bezugnahme auf verfassungsrechtliche Gesichtspunkte W. Cremer, DÖV 2003, 921 (922 ff.). 983 J. Gerke, Jura 1985, 349 (352). 984 E. Rehn / U. Cronauge, in: dies. / H.G. v. Linnep, Gemeindeordnung für NordrheinWestfalen, § 107 S. 12; unzutreffend daher die Gleichsetzung bei P. Badura, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 25 (36); vgl. auch BVerwGE 39, 329 (333). 985 M. Fehling, in: J. Schwarze, Daseinsvorsorge, S. 195 (198 f.); B. Pieroth / B.J. Hartmann, DVBl. 2002, 421 (428); J. Widtmann / W. Grasser / E. Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 87 Rn. 12. 986 Vgl. Art. 87 I 1 Nr. 1 BayGO. 987 § 116 II 1 GO LSA. 988 Keine Subsidiaritätsklausel ist in der HessGO enthalten, eine nur extrem eingeschränkte in § 100 III BrbgGO.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

253

fache989 oder qualifizierte990 Subsidiaritätsklausel für kommunale wirtschaftliche Betätigung enthalten. Danach ist eine solche nur dann zulässig, wenn die Aufgabe nicht ebenso gut oder besser von der Privatwirtschaft erfüllt werden kann. Für den Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge sind jedoch explizite Ausnahmen vorgesehen.991 Damit wird deutlich, dass die Gemeindeordnungen trotz relativ häufiger Reformen in den letzten Jahren gerade im Bereich des kommunalen Wirtschaftsrechts von der traditionellen Daseinsvorsorgekonzeption ausgehen. Dieses Ergebnis wird durch weitere Umstände erhärtet. Nur die schleswig-holsteinische Gemeindeordnung räumt den Gemeinden ausdrücklich eine Kompetenz zur Einschaltung Privater in die kommunale Aufgabenerfüllung ein992 und erkennt damit zugleich die Möglichkeit der funktionalen Privatisierung unmittelbar an. Stattdessen dient der Begriff der „öffentlichen Einrichtungen“ als Grundlage für kommunale Daseinsvorsorge.993 Besonders deutlich wird dies an Bestimmungen,994 durch welche die Gemeinden grundsätzlich zur Vorhaltung bestimmter öffentlicher Einrichtungen verpflichtet werden.995 Zusätzlich besteht – zur Verhinderung der Aufgabenbeeinträchtigung – ein grundsätzliches Veräußerungsverbot für kommunale Unternehmen.996 Auch wenn weder hinsichtlich des Zugangs zu den öffentlichen Einrichtungen noch bezüglich der in allen Gemeindeordnungen vorgesehenen Möglichkeit 989 § 102 I Nr. 3 GO BW; § 68 I Nr. 3 KV MV; § 108 I Nr. 3 NdsGO; § 107 I Nr. 3 GO NW; § 108 I Nr. 3 SaarlKSG; § 97 I 1 Nr. 3 SächsGO; § 101 I Nr. 3 GO SH. 990 Art. 87 I 1 Nr. 4 BayGO; § 85 I Nr. 3 GO RP; § 71 I Nr. 4 ThürKO. M. Moraing, WiVerw 1998, 233 (249 ff.); ders., in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 41 (61), sieht darin einen Verstoß gegen Art. 28 II GG. 991 § 102 I Nr. 3 GO BW; Art. 87 I 1 Nr. 4 BayGO; § 71 I Nr. 4 ThürKO; bereichsbezogen § 107 I 1 Nr. 3 GO NW. 992 §§ 2 I 2 f.; 101 III GO SH. § 3 II BrbgGO; § 2 II KV MV; § 2 II ThürKO sehen bezüglich des örtlichen ÖPNV ausdrücklich die Aufgabe der Gewährleistung als eine solche des eigenen Wirkungskreises an. 993 Vgl. F.-L. Knemeyer, Die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden, S. 11, der darauf verweist, dass anstelle einer Legaldefinition in den Gemeindeordnungen zumeist auf die Daseinsvorsorge Bezug genommen wird. 994 § 10 I 2 GO BW; Art. 57 I, II BayGO; § 19 I HessGO; § 2 I 2 NdsGO; § 8 I GO NW; § 2 I SächsGO; § 2 I 2 GO LSA; sehr unspezifisch § 5 I, II SaarlKSG; im Grundsatz so auch § 17 I GO SH, vgl. aber die zugunsten Privater bestehenden Einschränkungen in §§ 2 I 2 f.; 101 III GO SH. 995 F.-L. Knemeyer, Die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden, S. 10. Die Kennzeichnung als freiwillige, wenn auch vorrangige Aufgaben, vgl. E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 104; U. Hösch, GewArch 2001, 223 (228), ändert daran nichts, vgl. etwa D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 272. Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (13), weist mit Bezug zum ÖPNV jedoch zutreffend darauf hin, dass die angesprochene kommunale Ebene nicht zwingend und in erster Linie die kreisangehörigen Gemeinden betrifft. Auch die Aufgabenzuweisung an kreisfreie Städte und Landkreise im Einzelfall ändert in der Sache jedoch nichts. 996 § 124 I 2 HessGO; § 103 I 2 GO SH; § 106 I BrbgGO; § 74 I KV MV; § 113 SaarlKSG; § 100 SächsGO; § 122 I GO LSA; unspezifisch § 106 GO BW.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

eines Anschluss- und Benutzungszwangs an bestimmte Einrichtungen, insbesondere auch der Daseinsvorsorge, durch kommunale Satzung997 auf die gemeindliche Trägerschaft abgestellt wird, folgt aus den weitaus meisten Gemeindeordnungen bei einer Gesamtbetrachtung eine klare normative Entscheidung für die herkömmliche Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen unmittelbar durch die Kommunen. Neben den praktisch weitaus wichtigeren Bestimmungen in den Gemeindeordnungen können Regelungen der Landesverfassungen für die Daseinsvorsorge von Bedeutung sein. Soweit diese zu den grundgesetzlichen Regelungen inhaltlich parallel sind, ergeben sich keine Unterschiede.998 Nur in Bayern ist die Daseinsvorsorge mit Bezug zu den Kommunen unmittelbar angesprochen und diesen zugewiesen.999 Dabei handelt es sich aber allein um eine Verwaltungs-, nicht um eine Erfüllungszuständigkeit.1000 Zudem wirken die den Gemeinden insoweit eingeräumten Kompetenzen1001 ebenso wie Art. 28 II 1 GG1002 nur in Abgrenzung zum Staat.1003 Keinesfalls ist damit jedoch eine Relativierung der – für den Daseinsvorsorgebereich ohnehin in den meisten Gemeindeordnungen nicht gegebenen – Bevorzugung Privater durch das Gemeindewirtschaftsrecht verbunden.1004 Auf Landesverfassungsebene ist daher eine grundsätzliche Neutralität hinsichtlich der Organisation der Leistungserbringung festzustellen.

VI. Ergebnis Die Betrachtung der den Daseinsvorsorgebereich betreffenden rechtlichen Regelungen führt nicht zu einer klaren und unzweifelhaften Entscheidung für oder gegen die traditionelle deutsche Daseinsvorsorgekonzeption oder die gewährleis997 § 11 I, II GO BW; Art. 24 I Nr. 2 BayGO; § 15 I BrbgGO; § 19 II HessGO; § 8 Nr. 2 NdsGO; § 9 GO NW; § 26 GO RP; § 22 SaarlKSG; § 14 SächsGO; § 8 Nr. 2 GO LSA; § 17 II f. GO SH; § 20 II 1 Nr. 2 ThürKO; eingeschränkt § 15 I KV MV, nach dessen Satz 2 allein die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit einer Einrichtung kein dringendes öffentliches Bedürfnis zur Schaffung eines Anschluss- und Benutzungszwangs ist. Zur Verfassungsmäßigkeit siehe F.-L. Knemeyer, Die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden, S. 38 ff., mit zahlreichen Beispielen aus der (älteren) Rechtsprechung. 998 Auch die landesverfassungsrechtliche Verankerung der sozialen Marktwirtschaft, Art. 51 S. 1 RhPfVerf., Art. 42 II 1 BrbgVerf, führt wegen deren insoweit bestehender Unbestimmtheit, vgl. oben C.III.2. i), nicht zu abweichenden Ergebnissen. 999 Art. 83 I BayVerf. 1000 H. Fischerhof, DÖV 1957, 305 (315); U. Hösch, DÖV 2000, 393 (401). 1001 B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 80; H.Chr. Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten, S. 47. 1002 Vgl. oben C.III.2. c)aa). 1003 U. Hösch, DÖV 2000, 393 (401); J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 689. 1004 So aber B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 76.

C. Aktueller rechtlicher Rahmen

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tungsstaatliche Organisation des Bereichs. Diese im Grundsatz bestehende Unentschiedenheit darf jedoch nicht über die bestehenden Unterschiede hinwegtäuschen. Der größte Gegensatz besteht insoweit zwischen den kommunale Daseinsvorsorgeleistungen in den Mittelpunkt stellenden Gemeindeordnungen der Länder und dem grundsätzlich wettbewerbs- und privatwirtschaftsfreundlichen Ansatz des europäischen Gemeinschaftsrechts, der bereichsbezogen insbesondere in Art. 86 I EGV deutlich wird. Nichtmarktgerechte Leistungserbringung erscheint insoweit als grundsätzlich rechtfertigungsbedürftiger Ausnahmefall, wenn auch durch die Einführung des Art. 16 EGV gewisse Einschränkungen zu machen sind. Der allgemeine Vorrang des EG-Rechts beinhaltet zugleich den Vorrang der ihm zugrunde liegenden Konzeption. Damit verbunden ist eine leichte Tendenz des Rechts zugunsten des Gewährleistungsstaatsmodells wegen dessen wettbewerblicher Elemente. Allerdings erzwingt das Gemeinschaftsrecht nicht die Reduzierung des Staates im Bereich gemeinwohlorientierter Leistungen auf eine bloße Gewährleistungsfunktion. Es erfordert aber grundsätzlich den Verzicht auf staatliche Monopole.1005 Das Grundgesetz erkennt das Gewährleistungsstaatsmodell ebenfalls explizit an, allerdings nur in Bezug auf die europarechtlich determinierten Aufgaben von Telekommunikation und Post, Art. 87f GG, sowie eingeschränkt für den Bereich der Bundeseisenbahnen, Art. 87e GG. Im Übrigen ist es im Grundsatz neutral.1006 Für die Zulässigkeit beider Modelle1007 lassen sich normative Anhaltspunkte anführen. Anders als das Gemeinschaftsrecht, jedoch nicht im Widerspruch zu diesem, verpflichtet das Grundgesetz den Staat jedoch zwingend auf die Sicherung daseinsvorsorgerischer Mindeststandards. Ein „schlanker“ Gewährleistungsstaat ist daher als verfassungsrechtlich gefordertes Mindestengagement des Staates im Hinblick auf die Bereitstellung gemeinwohlorientierter Leistungen. Ebenso wenig wie die Daseinsvorsorge eine dem Staat zur zwingenden und ausschließlichen Eigenerledigung aufgegebene Staatsaufgabe1008 und damit per se privatisierungsfest ist,1009 besteht ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Beteiligung Privater an der Leistungserbringung. Allein der Staat selbst bestimmt daher von Verfassungs wegen H. Schweitzer, Daseinsvorsorge, „service public“, Universaldienst, S. 226. J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 74; entsprechend allgemein bezüglich der Privatisierungsproblematik H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (263). Zumindest aus Sicht des Verfassungsrechts trifft die Aussage, Wettbewerb sei von der deutschen Rechtsordnung als Mittel der Versorgungssicherheit gewollt, so R. Maaß, Wettbewerb, S. 41; dahingehend auch Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 57, nicht zu. Auch auf einfachgesetzlicher Ebene sind insoweit Bedenken angebracht. 1007 Explizit in Bezug auf die Daseinsvorsorge durch Staat und Kommunen W. Rüfner, HdStR III, § 80 Rn. 45. 1008 W. Löwer, Energieversorgung, S. 114; allgemeiner H.P. Bull, in: K. König / H. Siedentopf, Öffentliche Verwaltung in Deutschland, S. 343 (351); K. Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 66. 1009 Th. Mayen, DÖV 2001, 110 (112); dahingehend auch U. Hösch, WiVerw 2000, 159 (168). 1005 1006

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

die Wahrnehmungsintensität1010 ebenso wie die wahrzunehmenden Aufgaben. Dabei ist er an (verfassungs)rechtliche Grenzen, nicht aber an vorgegebene Konzeptionen oder Modellvorstellungen gebunden. Innerhalb dieser Grenzen steht es ihm jedoch frei, sich an jenen zu orientieren. Allerdings darf die Entscheidung nicht in Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Grundentscheidungen treten. Zumindest eine Monopole der öffentlichen Hand zwingend rechtlich vorsehende Ausgestaltung des Daseinsvorsorgebereichs ist daher nicht (mehr) zulässig.

1010 W. Spiess, Öffentliche Verwaltung im neuen Jahrtausend, S. 12. Nicht zutreffend ist daher die Aussage, die rechtliche Offenheit der Leistungserbringung dürfe nicht faktisch durch öffentliche Monopole unterlaufen werden, so aber W. Löwer, Energieversorgung, S. 144 f., am Beispiel des EnWG.

D. Bewertung der Modelle Die innerhalb der aufgezeigten Grenzen bestehende grundsätzliche Neutralität des höherrangigen Rechts bezüglich der Organisation der Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen führt dazu, dass die Entscheidung darüber in erster Linie politisch zu treffen ist.1 Soll eine rechtsstaatswidrige Willkürentscheidung insoweit vermieden werden, ist es notwendig, die Auswirkungen der Modelle traditioneller Daseinsvorsorge und des Gewährleistungsstaats zu untersuchen. Diese sind überaus vielfältig. Von vorrangigem Interesse sind vorliegend rechtlich relevante Aspekte, einschließlich der Funktionsfähigkeit in der Rechtswirklichkeit, wobei sich Überschneidungen mit anderen Gesichtspunkten jedoch nicht vermeiden lassen. Eine am Recht orientierte Untersuchung hat sowohl die tatsächlichen Auswirkungen auf das vorhandene Recht, als auch Notwendigkeit und Ausgestaltung rechtlicher Regelungen zur Umsetzung des jeweiligen Modells zu berücksichtigen. Die letztgenannte Problematik stellt sich naturgemäß vor allem in Bezug auf das im Werden begriffene neue Gewährleistungsstaatsmodell. Im Folgenden soll zunächst die herkömmliche Daseinsvorsorgekonzeption untersucht werden, um daraufhin das Gewährleistungsstaatsmodell einer detaillierten Analyse im Hinblick auf seine Umsetzung und die dabei auftretenden Schwierigkeiten zu unterziehen.

I. Der Staat der Daseinsvorsorge: Kritik der aktuellen Situation Die für und vor allem gegen die Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen durch die öffentliche Hand bestehenden Argumente sind – nicht zuletzt im Rahmen der Privatisierungsdiskussion – bereits vielfach vorgetragen worden. Im Folgenden sollen sie daher nur skizziert werden, um gleichsam als Grundlage für die Bewertung des Gewährleistungsstaatsmodells dienen zu können. Der in der Rechtswirklichkeit insoweit zu beobachtende Wandel zunächst hin zu einem starken Engagement der öffentlichen Hand und dann dessen Nachlassen und die zunehmende Einbindung Privater2 geht auf zahlreiche Gründe zurück. Sowohl ideologische, als auch wirtschaftliche, technische und organisatorische Aspekte spielen eine Rolle. Für sich allein betrachtet sind diese häufig nicht von großer Wirkkraft. In ihrem Zusammenwirken können sie jedoch zur Notwendigkeit von Veränderungen führen. 1 M. Holoubek, VVDStRL 60 (2001), S. 513 (574). Den stark politischen Charakter einer entsprechenden Aufgabenzuweisungsentscheidung betont auch G.F. Schuppert, in: J. Ipsen, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (24). 2 Siehe dazu oben A.I.2. , A.III.2.

17 Knauff

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Der eindeutige Vorteil der traditionellen Daseinsvorsorgekonzeption liegt vor allem in seiner Klarheit begründet. Demokratische Legitimation, rechtsstaatliche Verfahren und die Beachtung der Grundrechte der Nutzer bei der Erbringung der sozialstaatlich begründeten Leistungen werfen keine spezifischen Probleme auf. Die Steuerung der leistungserbringenden Einheiten ist jedenfalls im Grundsatz durch den jeweiligen Aufgabenverpflichteten ohne weiteres möglich.3 Dabei besteht insbesondere die Möglichkeit eines unmittelbaren Durchgriffs der politischen Leitungsorgane, so dass die Umsetzung von entweder politisch gewünschten oder durch vor allem situationsspezifisch auch rechtlich notwendigen Leistungsanpassungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht in zeitlich engem Zusammenhang ohne über faktische Grenzen hinausgehende Risiken ermöglicht wird. Die Durchsetzung von nichtmarktbezogenen Innovationen, etwa der Einhaltung von Umweltstandards, kann so ohne Verzögerung und Unsicherheiten erfolgen. Zugleich ist, vom Eingreifen höherer Gewalt abgesehen, die gleichmäßige und dauerhafte Leistungserbringung entsprechend den mit ihr verbundenen nichtwirtschaftlichen Zielen sichergestellt. Als Nebenfolge, aber auch zielgerichtet, kann es zumindest in Bereichen, in denen auch private Anbieter tätig sind, zu einer Beeinflussung des Marktes in Bezug auf Preise und Qualität kommen. Neben der eigentlichen Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen lassen sich die dafür zuständigen Verwaltungseinheiten oder öffentlichen Unternehmen somit zugleich zur Verfolgung anderer Zwecke instrumentalisieren, etwa durch eine entsprechende Personalpolitik der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.4 Die Konzeption der Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand stellt dieser daher zugleich eine Vielzahl von einsetzbaren Einheiten zur Verfügung, so dass damit zugleich eine Ausweitung von deren Möglichkeiten zur Beeinflussung gesellschaftlicher Vorgänge über die bloße Regelsetzung hinaus erfolgt.5 Diesen Vorteilen steht jedoch eine Vielzahl von Nachteilen gegenüber. Diese betreffen zum einen das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, zum anderen staatsinterne Funktionszusammenhänge. Beide Argumentationsstränge ergänzen und überschneiden sich zwar teilweise, zeigen aber deutlich die jeweils bestehenden Hauptschwächen auf. Die erste Argumentationsrichtung bemängelt vor allem, dass sich das Verhältnis von staatlicher und gesellschaftlicher 6 Verantwortung zu Lasten letzterer verscho3 Die Problematik der gesellschaftsrechtlich zulässigen Einwirkung auf formell und ggf. materiell teilprivatisierte Einheiten kann insoweit außer Betracht beiben, vgl. dazu zusammenfassend mit Bezug auf die AG M. Knauff, VR 2001, 9 (13). 4 P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (64). 5 Zu Recht kann daher von einer „politischen Funktion“ öffentlicher Unternehmen gesprochen werden, vgl. nur M. Burgi, in: FS W. Brohm, S. 35 (39). 6 Zwar wird vielfach vorgetragen, die Trennung von Staat und Gesellschaft sei nicht mehr strikt möglich, E. Benda, in: ders. / W. Maihofer / H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 776 Rn. 139; J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 15; K.-H. Ladeur / T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), S. 141 (153); W. Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 201; Th. Würten-

D. Bewertung der Modelle

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ben habe.7 Daseinsvorsorge diene als pauschale Rechtfertigung für staatliches Tätigwerden,8 zumal im Hinblick auf erwerbswirtschaftliches Tätigwerden ein Abgrenzungsproblem bestehe.9 Gerade im Daseinsvorsorgebereich sei ein nur geringer materiell sozialer Charakter staatlicher Vorhaltungen gegeben.10 Die „soziale“ Staatstätigkeit sei bereits weit über die Lösung der „Sozialen Frage“ im 19. Jahrhundert hinausgegangen.11 Eine zu starke Ausweitung des Sozial- und Leistungsstaates führe jedoch zu negativen Rückwirkungen.12 In der Gesamtbetrachtung der berger, in: E.-J. Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, S. 308 (319). Sie wird jedoch vom Grundgesetz vorausgesetzt (wenn auch in bestimmten Bereichen zugleich wieder in Frage gestellt), Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 299, und ist zumindest eine nützliche Fiktion, V. Wright, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 155 (163); implizit auch G. Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, S. 107 f.; ähnlich D. Ehlers, Gutachten E zum 64. DJT, S. 31; E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), S. 389 (409); und hinsichtlich des Staatsbegriffs als solchem Th. Vesting, in: W. Hoffmann-Riem / E. SchmidtAßmann, Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 101 (114); weitergehend M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 22 ff.; die Unterscheidung als heute (ab Wiederentdeckung der „Gesellschaft“ in den 1990er Jahren, vgl. M. Albrow, in: OECD, Governance im 21. Jahrhundert, S. 179 [180]) wieder weitgehend unangefochten bezeichnend M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (235); L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 248, die wegen der Kompetenzbezogenheit des Staates und der Grundrechtsberechtigung Privater auch notwendig ist, vgl. J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 339; ähnlich O. Depenheuer, in: P.M. Huber, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 17 (22); zum Ganzen auch P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 162 ff. 7 D. Görgmaier, DÖV 1977, 356; R. Scholz, in: FS H.F. Zacher, S. 987 (1003). 8 S. Storr, DÖV 2002, 357. 9 F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (571); ähnlich in historischem Kontext W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 159. Die insoweit sowohl gesetzlich, vgl. die Bestimmungen der Gemeindeordnungen, oben C.V.2., als auch theoretisch, E. Forsthoff, Lehrbuch, S. 371; P. Oberndorfer, in: FS H. Eichler, S. 433 (441); zweifelnd aber F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (565), gegebene Trennung beider Bereiche ist in der Praxis nur schwer zu bewerkstelligen. Der BGH stellt daher bezüglich der Daseinsvorsorge auf eine „unmittelbare Erfüllung von Verwaltungsaufgaben“ ab, BGHZ 29, 76 (80); 33, 230 (233); in der Literatur wird auf das Bestehen eines öffentlichen Bedürfnisses verwiesen, das sich aus einer gegebenenfalls ungedeckten Mangellage an lebenswichtigen Gütern ergebe, W. Zitscher, Daseinsvorsorge, S. 59. Letztlich resultiert die Problematik aus der Unschärfe des Daseinsvorsorgebegriffs und seiner häufigen Verwendung als „Pseudorechtsbegriff“. Übersehen wird zudem, dass die Einordnung einer Tätigkeit als solche der Daseinsvorsorge in erster Linie ein bloßer Abwägungsbelang ist, R. Maaß, Wettbewerb, S. 58. 10 H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 177. 11 D. Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, S. 613 (623); hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Verankerung staatlicher Betätigungen, deren sozialer Bezug zumindest fraglich erscheint auch G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, S. 38; kritisch bereits hinsichtlich der „Sozialen Frage“ an sich G. Habermann, Der Wohlfahrtsstaat, S. 125 ff., unter Hinweis auf zeitgenössische Statistiken und Überlegungen; auf deren Lösung nicht zuletzt (auch) durch die Industrialisierung hinweisend R. Walter, Wirtschaftsgeschichte, S. 94 f. 12 P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (65); H. Lampert, in: S. Lamnek / J. Luedtke, Sozialstaat, S. 51 (59); F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (967); dahingehend auch P. Badura, DÖV1989, 491 (493); R. Pitschas, in: ders. / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 13 (14). 17*

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Rechtswirklichkeit gebe es keine dem staatlichen Einfluss vollständig entzogenen Lebens- und Sozialbereiche mehr, sondern allein graduelle Abstufungen des staatlichen Engagements bei der Sozialgestaltung.13 Damit greife der soziale Rechtstaat in Erfüllung seiner Sozialverantwortung in das private System der Bedarfsdeckung durch seine Leistungserbringung ein.14 Der Grad wirtschaftlich gewährter Freiheit in Deutschland sei im internationalen Vergleich rückläufig.15 Von ihrem ordnungspolitischen Leitbild der Marktwirtschaft sei die Staats- und Wirtschaftsordnung in der Bundesrepublik bereits weit entfernt.16 Es bestehe die Gefahr der Ausdehnung staatlicher daseinsvorsorgender Tätigkeit in den Kernbereich personaler Freiheit hinein.17 Indem der Leistungsstaat Grundrechtsverwirklichungschancen schaffe, gefährde er die Grundrechte zugleich.18 Freiheit erscheine zunehmend als staatlich vermittelte, nicht natürliche Freiheit. Der Einzelne gerate auch und gerade hinsichtlich der Grundrechtsbetätigung in Abhängigkeit vom Staat.19 Zugleich gefährde die über eine notwendige Daseinsvorsorge hinausgehende wirtschaftliche Tätigkeiten der Kommunen mittelständische Strukturen und somit Wachstum und Beschäftigung.20 Bezogen auf das Angebot erschweren Marktzugangsschranken für Private zudem dessen Anpassung an eine veränderte Nachfrage.21 Soweit diese nicht bestehen, wird auf häufig faktisch bestehende Wettbewerbsvorteile öffentlicher Unternehmen verwiesen.22 Der zweite Argumentationsstrang bezieht sich demgegenüber auf vor allem staatsintern wirkende Probleme. An erster Stelle steht dabei das offensichtliche Problem der Finanzierbarkeit staatlichen Tätigwerdens.23 Durch vielfältige24 Ab13 Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 13; D. Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, S. 613 (624 f.); J. Ipsen, DVBl. 1998, 801 (803); anschaulich die internationalen Beispiele bei M. v. Creveld, Aufstieg und Untergang des Staates, S. 452. 14 P. Badura, DÖV 1966, 624 (630). 15 P.J. Tettinger, DVBl. 1999, 679 (684). 16 J. Basedow, StWissStPrax 2 (1991), S. 151 (154). Die derzeitige Staatsquote liegt nach K. Hardrath, SächsVBl. 2003, 53 (55), bei 48 %. 17 So bereits E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 104. 18 P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (56). Dies bedeutet jedoch nicht unbedingt einen Grundrechtseingriff, vgl. oben C.III.2. a)aa). 19 D. Grimm, in: ders., Staatsaufgaben, S. 613 (625); dahingehend auch P. Badura, DÖV 1968, 446 (455); W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 77 f. 20 H. Hill, BB 1997, 425 (427); A. Möhlenkamp, in: M. Oldiges, Daseinsvorsorge durch Privatisierung, S. 155 (156 f.); kritisch dazu B. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 11. 21 J. Basedow, StWissStPrax 2 (1991), S. 151 (154). 22 V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S. 81 ff.; W. Fuest / R. Kroker / K.-W. Schatz, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, S. 4 f.; R. Grawert, in: Chr. Reichard, Kommunen am Markt, S. 8 (10); instruktive Beispiele bei O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 262 ff. Dagegen wird das Bestehen von Sonderbelastungen, insbesondere aus dem Gemeindewirtschafts- und Vergaberecht, vorgetragen, Chr. Reichard, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 15 (18).

D. Bewertung der Modelle

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leitung von Staatsaufgaben aus den Staatszielbestimmungen, insbesondere dem Sozialstaatsprinzip, komme es bei der gleichzeitigen Unmöglichkeit der signifikanten Erhöhung der Einnahmen zu einer Überforderung des Staates.25 Soweit dieser in Form traditioneller Verwaltung handele, erfolge eine solche auch durch die Aufgabenvielfalt und -spezialität.26 Bisherige Optimierungsversuche in und bezüglich der Verwaltung seien permanent gescheitert.27 Zugleich habe die technischwissenschaftliche Entwicklung28 dazu geführt, dass viele vormalig staatlich bedingte Leistungen nunmehr von der Privatwirtschaft angeboten werden können,29 so dass eine Notwendigkeit der Leistungserbringung durch die öffentliche Hand nicht mehr gegeben ist. Stattdessen wird als Gegensatz zum staatliches Tätigwerden legitimierenden Marktversagen ein Staatsversagen bei der Wahrnehmung 23 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 7; R. Herzog, Staat und Recht im Wandel, S. 262; K. König, in: H. Siedentopf, Europäische Integration / Modernisierung des Staates, S. 113 (114); W. Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 200. Verstärkt wurde dieser Gesichtspunkt durch die Kosten der Wiedervereinigung, vgl. Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 63; K. König / Angelika Benz, in: dies., Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 13 (37). Aktuell kommen die konjunkturell und steuerpolitisch bedingten Steuermindereinnahmen bei gleichzeitiger Bindung an die Maastricht-Kriterien hinzu. Ausführlich zur Finanzkrise der Bundesrepublik H. Lackner, Gewährleistungsverwaltung und Verkehrsverwaltung, S. 15 ff. 24 Vgl. P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (57): „Der Leistungsstaat ist vor allem Staat der wachsenden Aufgaben.“ 25 Chr. Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (330 f.); F. La RocheThomé, in: R. Pitschas / Chr. Koch, Staatsmodernisierung, S. 27 (29); K. Schedler / I. Proeller, New Public Management, S. 13; R. Wahl, in: Th. Ellwein / J.J. Hesse, Staatswissenschaften, S. 29 (41); die Überforderung als Dauerzustand kennzeichnend A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (268). 26 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 6; J.-D. Delley, in: P. Hablützel u. a., Umbruch in Politik und Verwaltung, S. 439 (444); W. Hoffmann-Riem, in: FS K. Vogel, S. 47 (59); F. Naschold u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 20; F. Naschold, in: ders. / J. Bogumil, Modernisierung des Staates, S. 86; F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (968); N. Thom / A. Ritz, Public Management, S. 22; R. Voigt, in: ders., Abschied vom Staat, S. 9 (14). M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (236), spricht auch von einer „Professionalitätskrise“ des Berufsbeamtentums. Entsprechend stellt sich ein Problem im Hinblick auf die Gewinnung qualifizierten Personals, E. Grömig / J. Günther, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 21. 27 F.-J. Peine, DÖV 1997, 353. 28 Vgl. zu deren Bedeutung im Hinblick auf Staatsaufgaben in historischer Perspektive D. Grimm, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 27 (44); als Privatisierungsgrund S. Cassese, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 31 (33); Th.M. Helm, Rechtspflicht zur Privatisierung, S. 73 f.; mit Bezug zur Regulierung M.M. Müller, The new regulatory state in Germany, S. 33. 29 L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (219); K. Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (320); ders., JZ 2003, 385; M. Scholl, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 85 (91); vgl. auch den (wenn auch nicht mehr ganz aktuellen) Überblick bei E. Grande, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 371 (373 ff.), in Bezug auf die Entwicklung im Telekommunikationsbereich; entsprechend für die Abgrenzung von markt- und nicht marktbezogenen Tätigkeiten EG-Kommission, KOM(2003) 270 final, S. 14 f.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

staatlicher Aufgaben zunehmend für möglich erachtet.30 Diagnostiziert werden staatliche Steuerungsschwächen aufgrund geänderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen31 und der Globalisierung32 sowie wegen Zielkonflikten durch die übernommene Aufgabenvielfalt und den durch großen Verwaltungsumfang bedingten hohen Koordinationsbedarf.33 Gerade in der kommunalen Praxis, bezüglich derer schon eine teilweise Dominanz der Kommunalwirtschaft über Kommunalverwaltung konstatiert wird,34 sind Steuerungsdefizite im Hinblick auf kommunale Unternehmen, also nicht zuletzt im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, erkennbar.35 Zu diesen nur internen Steuerungsproblemen gesellen sich, auch bedingt durch die Einschränkung der Möglichkeiten der Instrumentalisierung öffentlicher Unternehmen zur Erreichung von Politikzwecken durch das EG-Recht Probleme bezüglich der Einflussnahme auf die Gesellschaft. Der daseinsvorsorgende Staat sieht sich damit zugleich „zunehmende(n) Ohnmachtserfahrungen“36 und einer auf der Kluft zwischen Zielen und Resultaten beruhenden „Vertrauenskrise“37 ausgesetzt. Sind die gegen das traditionelle Modell der Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand vorgebrachten Argumente auch im Einzelnen durchaus ihrerseits kritikwürdig, so zeigt ihre Gesamtheit jedoch, dass es diesem heute jedenfalls an einer breiten Akzeptanz fehlt. Darüber hinausgehend wird deutlich, dass das Modell zunehmend an seine Grenzen stößt. Insbesondere durch die Verselbständigung der leistungserbringenden Einheiten geht eine Vielzahl seiner Vorteile verloren. Durch ein zu starkes Engagement der öffentlichen Hand in der Leistungserbringung werden sowohl im grundrechtlichen Freiraum verankerte private Initiative zurückgedrängt, als auch staatliche Ressourcen in großem Umfang gebunden. Der Gleichklang zwischen konzeptioneller Vorstellung und der Umsetzung in der Rechtswirklichkeit ist nicht mehr gegeben. Die Suche nach einer alternativen Gestaltungsmöglichkeit des Daseinsvorsorgebereichs ist daher berechtigt und notwendig.

30 So etwa mit Verweis auf gruppeninteressenbedingte Umverteilungen D. Budäus, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 12 (21 ff.). 31 Zum Wertewandel vgl. B. Kruse / M. Schmidt, in: S. Lamnek / J. Luedtke, Sozialstaat, S. 129 (137). 32 P. Bußjäger, Die Verwaltung 35 (2002), S. 223; H.-H. Trute, DVBl. 1996, 950. 33 D. Grimm, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 27 (45 f.). 34 K. König, in: H. Siedentopf, Europäische Integration / Modernisierung des Staates, S. 113. Kritisch zur Unterscheidung von „Wirtschaften“ und „Verwalten“ wegen funktionaler Überschneidungen S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 41 ff. 35 Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 15. 36 O. Depenheuer, in: P.M. Huber, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 17 (21). 37 J.-D. Delley, in: P. Hablützel u. a., Umbruch in Politik und Verwaltung, S. 439 (443); ähnlich M. v. Creveld, Aufstieg und Untergang des Staates, S. 459; für die kommunale Ebene O. Otting, Neues Steuerungsmodell und rechtliche Betätigungsspielräume der Kommunen, S. 8.

D. Bewertung der Modelle

263

II. Gewährleistungsstaat: begriffliche und praktische Schwierigkeiten Hinsichtlich der Bewertung des Gewährleistungsstaatsmodells stellt sich das Problem, dass umfassende praktische Erfahrungen mit diesem noch weitgehend fehlen. Nur in den wenigen bereits gewährleistungsstaatlich organisierten Bereichen, vor allem dem Telekommunikationssektor, lassen sich erste Tendenzen erkennen, die jedoch zumindest teilweise einer Verallgemeinerung wegen der bereichsspezifischen Besonderheiten nicht zugängig sind. Die folgenden Ausführungen stehen daher notwendigerweise unter dem Vorbehalt der Ergänzung und Verifizierung durch die Praxis. Auch auf theoretischer Ebene wird jedoch eine Vielzahl von Aspekten deutlich, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Die mit dem Gewährleistungsstaatsmodell verbundenen Ziele und seine grundlegende Ausgestaltung38 lassen sich nicht ohne weiteres in die Rechtswirklichkeit übertragen und bergen zahlreiche Problemstellungen. Diese betreffen sowohl die mit dem Konzept verbundenen Begrifflichkeiten als auch seine Umsetzung.

1. Begrifflichkeit Obwohl sich Recht heute nicht mehr als ein Netz aufeinander bezogener Begrifflichkeiten darstellt, ist die Existenz klar definierter Ansatzpunkte notwendig, um seine Operabilität sicherzustellen. Zwar ist die definitorische Eindeutigkeit vor allem bei unmittelbar eingreifenden Rechtsbegriffen von Bedeutung, auch im Rahmen von Recht vorgehenden Modellvorstellungen sollte jedoch schon wegen der möglich erscheinenden Übernahme der Begrifflichkeiten in die Gesetzessprache oder zumindest in die Rechtswirklichkeit begriffliche Klarheit anzustreben sein. Werden insbesondere bedeutsame Schlüsselbegriffe inhaltlich nicht hinreichend spezifiziert, führen sie entgegen ihrer Intention eher zu Missverständnissen, als dass sie die Kommunikation erleichtern und damit der Lösungsfindung dienen. Inwieweit sich begriffliche Unschärfe auswirken kann, zeigt nicht zuletzt der Daseinsvorsorgebegriff. Wie auch bei diesem bestehen im Hinblick auf die Begrifflichkeit des Gewährleistungsstaatsmodells Bedenken, die sich entweder durch eine sprachlich präzisere Fassung oder durch eine möglichst eindeutige Begriffsbestimmung entkräften lassen. Soweit ersteres nicht möglich ist, etwa wegen der inzwischen erfolgten Rezeption der jeweiligen Begriffe, ist eine möglichst umfassende, jedenfalls aber modellspezifisch einheitliche Definition vorzunehmen. Die Problematik der Arbeit mit Modellvorstellungen39 stellt sich somit auch in Bezug auf deren begriffliche Grundlagen.

38 39

Siehe dazu nochmals oben B.I., B.IV. Vgl. oben Einleitung.

264

1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

a) Staatlichkeit als Anknüpfungspunkt Fraglich erscheint im Zeitalter von Pluralisierung und Globalisierung die Angemessenheit des Ansatzes gerade einer staatlichen Verantwortung und Gewährleistung.40 Die gleichzeitige Existenz weitgehend voneinander getrennter Teilgesellschaften mit unterschiedlichen Erwartungen und Interessen sowie multinationaler Verflechtungen auf wirtschaftlicher und politischer Ebene lassen den Staat als zumindest fragwürdigen Adressaten einer weitreichenden Gewährleistungsverpflichtung erscheinen. In der Tat macht es keinen Sinn, die Überforderung des Leistungsstaates durch diejenige des Gewährleistungsstaates zu ersetzen. Dennoch ist dieser Einwand letztlich nicht stichhaltig. Zum einen ist der klassische Nationalstaat noch immer ein real existierender Bezugspunkt. Auch als „nicht-souveräner“ Staat existiert er weiterhin und steht dem Bürger in erster Linie gegenüber.41 Trotz innerer Differenzierung und der Eingebundenheit in welt- oder zumindest kontinent(teil)umspannende Systeme ist der staatlichen Verfassung zumindesten eine überragende Hinweiswirkung in Bezug auf die innerstaatliche Ordnung und Organisation zuzubilligen.42 Zum anderen kann „Staat“ im Sinne einer Modellvorstellung auch etwa eine supranationale Gemeinschaft wie die EG sein.43 Im „Mehrebenenstaat“ 44, mag dieser im Zusammenhang mit anderen Faktoren auch zum Verlust der „subjektiven Einheit des Staates“45 führen, kann grundsätzlich jede Ebene unabhängig von ihrer konkreten Staatlichkeit als Anknüpfungspunkt für staatskonzeptionelle Vorstellungen dienen. Entscheidend ist allein die Abgrenzung des öffentlichen, grundsätzlich mit Hoheitsmacht ausgestatteten, zum privaten Sektor und die Zuständigkeitsverteilung zwischen ihnen.46 Als widersprüchlich erscheint weiterhin, Leistungen als staatlich begründet zu regeln und diese dann grundsätzlich marktmäßig durch Private zu erbringen.47 40 Th. Vesting, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 101 (113); kritisch bezüglich der Begrifflichkeit auch C. Franzius, Der Staat 42 (2003), S. 493 (517). Allgemein zum Niedergang von Staatlichkeit anhand der Drei-Elemente-Lehre H. Steiger, Der Staat 41 (2002), S. 331 ff. 41 H. Steiger, Der Staat 41 (2002), S. 331 (347, 349 f.); im Ergebnis ebenso A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (272); aus Sicht des Bürgers R. Schmidt, in: FS W. Brohm, S. 535 (542 f.). M. Albrow, in: OECD, Governance im 21. Jahrhundert, S. 179 (189), stellt eine bloße „Minderung des nationalen Inhalts des Staats“ fest. 42 Dahingehend ansetzend an der „Souveränität“ bezogen auf das Verhältnis der EG und ihrer Mitgliedstaaten R. Schmidt, in: FS W. Brohm, S. 535 (537 f.). 43 Vgl. U. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, S. 30. 44 Arthur Benz, Der moderne Staat, S. 285 ff.; dahingehend auch M. Albrow, in: OECD, Governance im 21. Jahrhundert, S. 179 (190); zu dessen verfassungsrechtlicher Zulässigkeit vgl. H. Siekmann, in: FS K. Stern, S. 341 (359). 45 S. Cassese, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 31 (39). 46 Dahingehend auch W. Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz, S. 24. Insoweit ist jedoch auch eine klare begriffliche Abgrenzung beide Sphären notwendig, K. König / N. Füchtner, „Schlanker Staat“, S. 378.

D. Bewertung der Modelle

265

Jedenfalls soweit der Markt von allein die gewünschten Ergebnisse erzielt, ist die begriffliche Anknüpfung an der Staatlichkeit allenfalls geeignet, ein scheinbares Engagement des Staates aufzuzeigen. Dies beinhaltet jedoch die Gefahr des Rufs nach staatlicher Einflussnahme bei jedweder Verschlechterung der Marktsituation. Im Zusammenhang mit den beiden sogleich zu untersuchenden Begriffen „Verantwortung“ und „Gewährleistung“ ist daher die Bezugnahme auf den Staat in der Modellvorstellung geeignet, anders als beabsichtigt, keine Reduzierung der Staatstätigkeit, sondern deren Ausweitung zu bewirken. Die Verwendung eines Alternativbegriffs bietet sich dennoch nicht an. Zum einen hat sich der Begriff des Gewährleistungsstaats in der einschlägigen Literatur bereits durchgesetzt. Zum anderen handelt es sich gerade um ein Modell, das die Rolle der öffentlichen Hand im Verhältnis zur Gesellschaft mit Bezug auf die Erbringung von Leistungen beschreiben will. Jene tritt jedoch typischerweise als „Staat“, dessen Untergliederung48 oder zunehmend auch im Gewand überstaatlicher, jedoch staatsbedingter Gebilde auf. Eine begrifflich deutlichere Hervorhebung der anvisierten stärkeren gesellschaftlichen Beteiligung49 ist zwar ergänzend sinnvoll, kann den Begriff „Gewährleistungsstaat“ jedoch nicht ersetzen, da dann die besonderen Bindungen der öffentlichen Hand nicht ausreichend zur Geltung kämen. Die Staatlichkeit erscheint daher in einem weiten Sinn trotz der insoweit bestehenden Schwierigkeiten als Anknüpfungspunkt des Modells geeignet. b) Verantwortungsbegriff Problematischer stellt sich die Situation in Bezug auf den Begriff der „Verantwortung“ dar. Zwar ist dieser nicht unmittelbar Bestandteil des Gewährleistungsstaatsmodells. Er bildet jedoch eine seiner wesentlichen Grundlagen.50 Ohne ihn ist Gewährleistungsstaatlichkeit nur schwer beschreib- und begründbar. Obwohl aktuell ein verbreiteter Ruf nach „Verantwortung“, nicht zuletzt als Reaktion auf Risiken, feststellbar ist,51 existiert ein feststehender Verantwortungsbegriff nicht.52 Dies gilt auch, soweit er in die Gesetzessprache Eingang gefunden Vgl. U. Penski, DÖV 1999, 85 (88), bezogen auf verwaltungsinterne Maßnahmen. Insoweit ist auch eine Zuordnung zum Staatsbegriff nicht unüblich. 49 Zu denken ist insoweit insbesondere an Begriffe wie „regulierte Selbstregulierung“ etc. 50 Vgl. B.IV.1. a). 51 F.-X. Kaufmann, Der Ruf nach Verantwortung, S. 9; ders., in: K. Bayertz, Verantwortung, S. 72 (75). 52 J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 435; D. Merten, VVDStRL 55 (1996), S. 7 (15); Th. Vesting, in: W. Hoffmann-Riem / E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 101 (121); A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (53); ders., VVDStRL 62 (2003), S. 266 (270); kritisch auch C. Franzius, Der Staat 42 (2003), S. 493 (505 ff.); Chr. Möllers, Staat als Argument, S. 295; 47 48

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

hat.53 Trotz seiner Einschätzung als für die Rechtsordnung wesentlicher Schlüsselbegriff54 ist er kein eigentlicher juristischer Begriff.55 Eher ist er der ethischphilosophischen Sphäre zuzurechnen.56 Dabei ist ihm eine moralische Bewertung inhärent.57 Schon dies deutet auf die bei der zumindest normativ eingefärbten Verwendung des Verantwortungsbegriffs auftretenden Probleme hin. Verstärkt werden diese durch die Schwierigkeiten seiner inhaltlichen Bestimmbarkeit. In historischer Perspektive wird dabei eine Veränderung deutlich. Stand der Verantwortungsbegriff zunächst allein für das Einstehenmüssen für negative Folgen,58 wird er zunehmend für die Schaffung positiver Zustände herangezogen.59 In beiden Fällen ist Verantwortung das Ergebnis einer sozialen Konstruktion.60 Sinn und Zweck des bereits aus früherer Zeit W. Weischedel, Das Wesen der Verantwortung, S. 9; mit Beispielen R. Zippelius, in: E.-J. Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, S. 257 ff.; mit spezifischem Bezug zum Verwaltungsrecht H.Chr. Röhl, Die Verwaltung Beih. 2 (1999), S. 33 (35); mit Selbstverständlichkeit und ohne näherer Erläuterung wird der Begriff dagegen etwa bei M. Albrow, in: OECD, Governance im 21. Jahrhundert, S. 179 (194); K. Stern, in: FG K. Korinek, S. 1 ff.; Th. Würtenberger, in: E.-J. Lampe, Verantwortlichkeit und Recht, S. 308 ff., verwandt. 53 D. Wilke, DÖV 1975, 509 (511); P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 26 f.; vgl. H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20a Rn. 33, zur Verwendung in Art. 20a GG: „Der Begriff der Verantwortung entzieht sich einer konkreten Präzisierung.“ 54 P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 14; R. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 240; H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (14). L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 294, spricht von einer „normative(n) Kategorie“. Dagegen hebt H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 222, hervor, dass der Verantwortungsbegriff „keine ausdrückliche Rolle in den überlieferten Moraltheorien spielt“. Zwar besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Recht und Moral, von einer völligen Unabhängigkeit voneinander kann jedoch gerade im freiheitlichen Verfassungsstaat ebenfalls nicht ausgegangen werden, so dass diese Aussage wohl zu relativieren ist. 55 P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 26; U. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, S. 105. 56 H.Chr. Röhl, Die Verwaltung Beih. 2 (1999), S. 33 (35); P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 19 ff.; vgl. insoweit grundlegend den Ansatz von H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 8, 172 ff. 57 Vgl. K. Bayertz, in: ders., Verantwortung, S. 3 ff.; D. Merten, VVDStRL 55 (1996), S. 7 (15); kritisch insoweit U. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, S. 102 f. F.-X. Kaufmann, Der Ruf nach Verantwortung, S. 11, spricht von einem „Knäuel von Pathos, Furcht und Moral“. 58 Vgl. instruktiv W. Weischedel, Das Wesen der Verantwortung, S. 27 ff., dort, S. 33, auch Betonung der „Verantwortung vor dem Staat“. Dahingehend auch noch D. Merten, VVDStRL 55 (1996), S. 7 (13 ff.); R. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 240 f. 59 K. Bayertz, in: ders., Verantwortung, S. 3 (32); H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 174 f.; H.Chr. Röhl, Die Verwaltung Beih. 2 (1999), S. 33 (35 f.). Zu möglichen Bedeutungen des Verantwortungsbegriffs vgl. insoweit D. Wilke, DÖV 1975, 509 (511 ff.). 60 K. Bayertz, in: ders., Verantwortung, S. 3 (21); alternativ kommt eine Selbstverpflichtung in Betracht, F.-X. Kaufmann, Der Ruf nach Verantwortung, S. 41. Allerdings ist auch

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Verantwortungsbegriffs besteht insbesondere in der Herstellung einer Beziehung zwischen Subjekten und Objekten.61 Als tragende Elemente des Verantwortungsbegriffs wurden in der Literatur mehrere Aspekte herausgearbeitet. Notwendig ist ein handlungsfähiges Subjekt, das aufgrund eines bestimmten Zurechnungstatbestandes für etwas vor einer anderen Instanz einstehen muss, was wiederum nur zumutbar ist, wenn Handlungsspielräume und ein Orientierungsmaßstab bestehen.62 Soweit Verantwortung für einen positiven Zustand konstruiert werden soll, setzt dies insbesondere einen kausalen Einfluss auf die entsprechende Sache, also die faktische Möglichkeit der Erfüllung einer Aufgabe, bei gleichzeitigem darauf gerichteten Sollen voraus.63 Dieses Sollen beschränkt sich jedoch nicht auf eine klar definierte Pflicht. Wegen der möglichen Komplexität der in Frage stehenden Aufgaben ist der Verantwortungsbegriff weiter als derjenige der Pflicht. Im Unterschied zu diesem kann er keine genauen Handlungsanweisungen vermitteln.64 Ein „Element der Pflichtigkeit“ ist nichtsdestotrotz gegeben, wenn es ihm auch an definitorischer Klarheit fehlt. Insoweit besteht auf den Staat bezogen eine strukturelle Vergleichbarkeit mit der normativen Kategorie der Staatszielbestimmungen. Auch diese sind auf die Erreichung von Zuständen gerichtet, grundsätzlich ohne den Staat als Adressaten auf konkrete Ergebnisse oder Vorgehensweisen festzulegen. Eine Gleichsetzung ist jedoch nicht möglich. Während Staatsziele auf der Ebene des Verfassungsrechts normiert sind, folgt Verantwortung zum einen aus diesen, zum anderen aber auch aus anderen Aufgabenstellungen. Zudem ist der Verantwortungsbegriff nicht ausschließlich, sogar nicht in erster Linie auf den Staat bezogen. Gerade seine Verwendung in Bezug auf Individuen erschwert ein klares, auf den Staat bezogenes Verständnis. Wegen der grundsätzlichen, mit Ausnahme von Verboten bestehenden rechtlichen Allzugriffsmöglichkeit des Einzelnen auf Handlungsalternativen zur Verfolgung von „Verantwortung“, birgt bezogen auf den vielfältig gebundenen Staat jedenfalls ein normatives Verständnis des Begriffs wegen des Elements der Pflichtigkeit die Gefahr der Herleitung von Kompetenzen und Eingriffsbefugnissen entgegen rechtlichen, insbesondere ver-

diese dem Verantwortungsträger „zugeschrieben“, wenn auch von diesem selbst. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ergeben sich aus den verschiedenen Möglichkeiten keine bedeutsamen Unterschiede. 61 K. Bayertz, in: ders., Verantwortung, S. 3 (64). 62 A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (54 f.); ders., VVDStRL 62 (2003), S. 266 (270 Anm. 9); ähnlich F.-X. Kaufmann, Der Ruf nach Verantwortung, S. 24; ders., in: K. Bayertz, Verantwortung, S. 72 (82 Anm. 2); U. Di Fabio, Der Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, S. 106 ff. Dennoch bleibt die Zurechnung von Verantwortung stets mit einem Werturteil verknüpft, vgl. K. Bayertz, in: ders., Verantwortung, S. 3 (13). 63 K. Bayertz, in: ders., Verantwortung, S. 3 (33); ähnlich H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 172, 230 ff. 64 K. Bayertz, in: ders., Verantwortung, S. 3 (34); F.-X. Kaufmann, Der Ruf nach Verantwortung, S. 45; ähnlich R. Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, S. 243 f.; weiterführend P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 33 f.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

fassungsrechtlichen Zuweisungen in sich.65 Bezogen auf den Staat ist schließlich auch problematisch, vor welcher Instanz dieser „sich verantworten“ muss. Während der Einzelne insoweit entweder anderen Individuen oder einer, staatlich oder anders organisierten Gruppe gegenübersteht und somit die Beachtung des Pflichtigkeitselements jedenfalls im Grundsatz effektiv sichergestellt ist, ist die Existenz einer solchen Instanz bezüglich des Staates fraglich. Zwar besteht eine Bindung an die Verfassung. Diese kann als Regelwerk jedoch allein nicht seine Befolgung sicherstellen und bedarf der Durchsetzung durch die Gerichtsbarkeit. Gerade bezüglich der „Verantwortung“ muss diese Instanz jedoch wegen der großen Spielräume versagen. Verantwortung ist allenfalls begrenzt justitiabel und erfordert eine klare Ausgestaltung, die jedoch gerade bezüglich der Verantwortung für positive Zustände kaum erreichbar ist. Entsprechend gilt dies auch für das Staatsvolk.66 Neben der vergleichsweise ineffektiven Einschaltung der Gerichtsbarkeit hat dieses zwar die Möglichkeit, die politischen „Verantwortungsträger“67 abzuwählen. Allerdings spielt insoweit eine Vielzahl von Aspekten eine Rolle. Ob dabei jedoch bestimmten, eng umgrenzten „Verantwortlichkeiten“ ein entscheidendes Gewicht zukommt, erscheint mehr als fraglich. Der wenig klare und im Einzelnen diffuse Begriff der Verantwortung führt im Zusammenhang mit anderen Begrifflichkeiten zu weiteren Schwierigkeiten. Vorliegend betrifft dies vor allem die „Verantwortungsteilung“, die im kooperativen, aber auch im Gewährleistungsstaat praktiziert werden soll. Die insoweit bestehenden Einwände sind sowohl begrifflicher als auch praktischer Natur. In der Rechtspraxis wird „Verantwortungsteilung“ in einigen „Randgebieten“, z. B. dem Sozial- oder Wissenschaftsrecht, seit langem praktiziert.68 Als problematisch wird vor allem der Verlust an Distanz angesehen, der die Gefahr einer „interessennahe(n) Entscheidungspraxis“ in sich berge.69 Durch entsprechende rechtliche Gestaltungen lässt sich dieser jedoch entgegenwirken. 65 H.Chr. Röhl, Die Verwaltung Beih. 2 (1999), S. 33 (49). Zur kompetenzrechtlichen Bedeutung des Verantwortungsbegriffs vgl. D. Wilke, DÖV 1975, 509 (511 ff.). 66 Optimistischer insoweit P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 77, der staatliche Verantwortung als „Vergemeinschaftung von je persönlicher Verantwortung“ und damit den Staat als nur besondere, mit Verantwortung betraute Gruppierung ansieht, die den Bürgern gleichberechtigt, insbesondere aber nicht übergeordnet, gegenübersteht. Im Hinblick auf seine Praxistauglichkeit erscheint dieser Ansatz jedoch wegen seiner Prämissen überaus fraglich. 67 Allgemein zur „Verantwortung des Politikers“ vgl. H. Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 180 ff. 68 H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (14 f.). Auch als wissenschaftliches Thema ist die „Verantwortungsteilung“ unter anderen Überschriften parallel zur Privatisierungsdiskussion schon vor geraumer Zeit entdeckt worden, vgl. A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (56 m. w. N.). 69 H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (36).

D. Bewertung der Modelle

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Schwieriger stellen sich begriffliche Probleme dar, die ihrerseits auf die Operabilität zurückwirken. Diese ergeben sich einerseits aus dem soeben untersuchten Verantwortungsbegriff selbst, andererseits auch aus der angestrebten „Teilung“ der Verantwortung. Soll die Gefahr des Verwischens der Verantwortlichkeiten70 vermieden werden, ist eine „Parzellierung von Verantwortungsbereichen“ notwendig.71 Verantwortungsteilung kann demnach nicht die gemeinsame Erfüllung einer Verantwortung bedeuten, sondern muss zur voneinander weitgehend unabhängigen Verfolgung mehrerer in sich geschlossener, aber aufeinander bezogener Teilverantwortungen führen. Damit verbunden ist jedoch die Aufsplittung der zu verantwortenden Aufgabe. Kommt jedoch einem Verantwortungsträger, im hier interessierenden Aufgabenkreis also regelmäßig dem Staat wegen dessen umfassenden, seine Gemeinwohlbindung konkretisierenden rechtlichen Verpflichtungen eine über seinen Teilbereich hinausgehende „Gesamtverantwortung“ zu, ist die Verwendung des Begriffs „Verantwortungsteilung“ nicht sinnvoll, da dieser eine Gleichberechtigung und -verpflichtung nahe legt. Vorzugswürdig ist es in diesem Fall, und damit auch bezogen auf das Gewährleistungsstaatsmodell, von einer „Verantwortungshierarchie“ zu sprechen. Soweit diese auf Staat und Private bezogen ist, lässt sich diese aufgabenbezogen als öffentlich-privat kennzeichnen. Zur Übernahme in Gewährleistungsstaatlichkeit ausgestaltende gesetzliche Regelungen ist der Verantwortungsbegriff allein oder in Kombination mit anderen Begrifflichkeiten wegen seiner aufgezeigten Schwächen nicht geeignet. Indem er als Oberbegriff zur finalen Bündelung verschiedenartiger Handlungsformen und Ressourcen bezüglich bestimmter Aufgaben72 allein deskriptiv wirkt,73 sollte die mit ihm verbundene Vorstellung durch andere, weniger unklare und durch unterschiedliche Vorstellungen belastete Begriffe ersetzt oder umschrieben werden. Sofern sich eine unmittelbare Bezugnahme nicht vermeiden lässt, bietet sich bezogen auf den Staat eine Ersetzung durch „Aufgabe“ oder „Zuständigkeit“ an. Der Beitrag Privater lässt sich dagegen nur als Grundrechtsausübung oder Pflicht bezeichnen. Eine Normierung des Verantwortungsstufenmodells verbietet sich daher.

70 M. Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 220 (233); G.F. Schuppert, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 72 (110); V. Wright, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 155 (168); sehr kritisch auch J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 342. 71 A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (86). P. Saladin, Verantwortung als Staatsprinzip, S. 36, hält dies nicht für zwingend, verweist aber auf die konkrete Ausgestaltung. L. Michael, Rechtsetzende Gewalt im kooperativen Verfassungsstaat, S. 314, will dem Problem der Verantwortungsteilung mit einer passgenauen Verfassungs- und Kartellrechtsdogmatik beikommen. 72 H. Schulze-Fielitz, in: FS K. Vogel, S. 311 (315), bezogen auf die Verwaltung. 73 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 15, zur „Gewährleistungsverantwortung“.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

c) Gewährleistung Nicht im eigentlichen Sinne problematisch, aber dennoch klärungsbedürftig74 wegen seiner großen Bedeutung im Rahmen der Modellvorstellung ist schließlich der Begriff „Gewährleistung“. Grundsätzlich bezeichnet er in der Rechtssprache ein Einstehenmüssen. Insoweit besteht eine gewisse Nähe zum Verantwortungsbegriff. Wie auch dieser ist der Gewährleistungsbegriff jedoch mit unterschiedlichen Zielrichtungen einsetzbar. Zum einen kann er sanktionsrechtlich wie im Mängelgewährleistungsrecht des BGB verwendet werden.75 Wegen eines Fehlers ergeben sich Rechtspflichten des für diesen „Verantwortlichen“ gegenüber dem nicht ordnungsgemäß Behandelten. Zukunftsbezogen wirkt dieser Gewährleistungsbegriff allenfalls faktisch durch den Wunsch des Leistenden, nicht den entsprechenden Ansprüchen ausgesetzt zu sein und sein demgemäßes Handeln. Zum anderen kann dem Begriff eine umfassendere Wirkung zukommen. Dies geschieht insbesondere in den Vorschriften des öffentlichen Rechts. Insoweit sind jedoch hinsichtlich der Intensität der Gewährleistung große Unterschiede feststellbar. Insbesondere ist allein aus der Verwendung des Gewährleistungsbegriffs nicht klar erkennbar, ob und in welchem Maße Aktivitäten der öffentlichen Hand erforderlich sind. Eine diese beschränkende Funktion kommt dem Gewährleistungsbegriff jedenfalls nicht durchgängig zu.76 Vielmehr ermöglicht er teilweise gerade das unmittelbare Tätigwerden der öffentlichen Hand. Die Bezeichnungen „Gewährleistungsstaat“ und „Gewährleistungsverantwortung“ sind daher auch bezüglich des Bestandteils „Gewährleistung“ weniger eindeutig, als auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Auch wenn sich eine Neubenennung der damit umschriebenen Sachverhalte wegen der inzwischen erfolgten Durchsetzung der Terminologie nicht anbietet, so ist hervorzuheben, dass es sich bei dem dabei verwendeten um einen spezifischen Gewährleistungsbegriff handelt. Dieser beinhaltet bezogen auf die öffentliche Hand die bloße Sicherstellung der jeweiligen Aufgabe, dies jedoch zeitlich umfassend und sachlich entsprechend dem politisch im Rahmen der Verfassung festgelegten Umfang. Anders als der Verantwortungsbegriff ist der Gewährleistungsbegriff für die Übernahme in die Gesetzessprache des „Gewährleistungsstaats“ nicht völlig ungeeignet. Um Missverständnisse und Fehlinterpretationen zu vermeiden, sollte er dabei aber nicht allein, sondern, wie in Art. 87f GG, stets im Zusammenhang mit der Darstellung der Organisation der Leistungserbringung verwandt werden.

So auch C. Franzius, Der Staat 42 (2003), S. 493 (496 f.). Vgl. §§ 365, 524 II 3, 2182 f. BGB. 76 Vgl. die unterschiedlichen Verwendungen etwa in Art. 4 II, 5 I 2, 7 IV 1, 9 III 1 GG, § 3 II Nr. 2 AtG, § 51 II 2 KrW- / AbfG, § 13 SchKG. 74 75

D. Bewertung der Modelle

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2. Umsetzung Die Verwirklichung des Gewährleistungsstaatskonzepts ist mit einer nicht geringen Anzahl von Herausforderungen und Problemen verbunden.77 Diese beziehen sich sowohl auf die rechtliche Ausgestaltung, als auch auf deren Durchsetzung in der Praxis. Angesichts der – von Teilbereichen abgesehen – noch fehlenden Normierung eines „Gewährleistungsverwaltungsrechts“ und den dementsprechend nicht vorhandenen Erfahrungen, bietet es sich an, im Folgenden beide Bereiche wegen ihres engen Zusammenhangs gemeinsam zu behandeln. Bereits jetzt erkennbare Vollzugsschwierigkeiten können und müssen bei der Formulierung rechtlicher Regelungen ebenso Beachtung finden, wie essentielle Normen bei ihrer Anwendung durch die Verwaltung nicht faktisch inhaltlichen Änderungen unterworfen werden dürfen. Zu diesem Zwecke ist eine ausgiebige Folge- und Transformationsgesetzgebung nötig,78 die überdies die verfassungsrechtlichen Vorgaben79 für den Daseinsvorsorgebereich zu beachten hat. Dabei gilt es jedoch, der Gefahr einer rechtlichen Über- bzw. Fehlregulierung80 entgegenzuwirken. Im Folgenden sollen, anknüpfend an die obige einführende Übersicht,81 die einzelnen Phasen bei einer gewährleistungsstaatlichen Aufgabenwahrnehmung untersucht werden. In ihrer Gesamtheit zeigen sie die bei dieser bestehenden Probleme auf. Bereichsspezifische Besonderheiten bleiben dabei außer Betracht.82

a) Aufgabendefinition Die Frage, welche Aufgaben gewährleistungsstaatlich wahrgenommen werden sollen, ist in erster Linie eine politische, die im Rahmen des übergeordneten Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts zu beantworten ist.83 Bezogen auf Einzelaufgaben ist dieses jedoch wenig ergiebig. In den Verwaltungswissenschaften sind verschiedene Versuche unternommen worden, Regeln für die Aufgabenbestimmung zu entwickeln. Obwohl diesen keine normative Wirkung zukommt, sind sie an dieser Stelle von Bedeutung. Zum einen erscheint es aus Gründen der 77 Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 11, sieht in der Umsetzung des Modells das Hauptproblem. 78 W. Hoffmann-Riem, DVBl. 1999, 125 (127). 79 Siehe oben C.III.2. 80 Siehe dazu hinsichtlich des Entwurfs zur Postuniversaldienstleistungsverordnung M. Herdegen, ZRP 1999, 63 ff.; bezogen auf das Verständnis von Art. 87f I GG P. Lerche, in: FS K.H. Friauf, S. 251 (254). 81 B.IV.2. 82 M.M. Müller, The new regulatory state in Germany, S. 213, weist anhand der von ihm untersuchten Sektoren Telekommunikation, Rundfunk und Bankwesen zutreffend darauf hin, dass die bereichsspezifische Umsetzung deutliche Unterschiede aufweist, bejaht aber dennoch das Bestehen grundlegender Gemeinsamkeiten, ebd. S. 228. 83 Siehe schon oben B.IV.1. b).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Transparenz84 sinnvoll, Entscheidungen bereits in dieser Phase vorhersehbar zu machen. Zum anderen erfordert das Modell des Gewährleistungsstaates für seine Wirksamkeit und die Erreichung der mit ihm verbundenen Ziele einen weitgehenden Verzicht der öffentlichen Hand auf die eigene Leistungserbringung. Insoweit sind Leitlinien für die Bestimmung der funktional zu privatisierenden Aufgaben jedoch im Sinne einheitlicher Wertungen unerlässlich. Auch kann ein „Gewährleistungsverwaltungsrecht“, soll es über die Regelung von Spezialaufgaben hinausgehen und zumindest in seinen Grundsätzen Teil des Allgemeinen Verwaltungsrechts werden, nicht auf eine gewisse Situationsähnlichkeit als faktische Grundlage verzichten. Schließlich bietet sich, zumal Gewährleistungsstaatlichkeit nicht nur auf höchster politischer, sondern auch und vor allem auf kommunaler und damit auf Verwaltungsebene verwirklicht werden muss, die Herstellung von Rechtseinheit zumindest faktisch im Wege der Verwendung von Verwaltungsvorschriften an. Zu deren Formulierung sind die formale Klarheit des Aufgabenbestimmungsprozesses und die dabei heranzuziehenden Kriterien jedoch unerlässlich. Erster Ansatzpunkt ist die konkrete und trennscharfe Definition der zu erbringenden Leistungen, die für sich betrachtet noch keine Entscheidung über den Einsatz Privater enthält. Die genaue Aufgabenbeschreibung ist Voraussetzung für eine rationale Entscheidung für oder gegen bereichsspezifische Gewährleistungsstaatlichkeit und dient überdies während des gesamten Verfahrens der Rechtssicherheit. Um Passgenauigkeit und Erfüllbarkeit der Aufgaben sicherzustellen, liegt die Beteiligung potentieller Leistungserbringer bei der „Produktdefinition“ nahe.85 Dieser Ansatz ist trotz seiner Abstimmung auf die Bedürfnisse und Schwierigkeiten der Praxis in diesem Verfahrensschritt nicht überzeugend. Indem bestimmten Leistungserbringern die Möglichkeit eingeräumt wird, auf die Aufgabendefinition einzuwirken, besteht die Gefahr der Reduzierung der Verwaltung auf eine bloße Notarfunktion.86 Wegen des jedenfalls nicht auszuschließenden leistungsbezogenen Spezialwissens auf Seiten der Leistungserbringer kann die Verwaltungsentscheidung in deren Sinne beeinflusst und damit sowohl zu Lasten der Verwaltung als auch etwaiger Konkurrenten gestaltet werden. Zwar ist die Beteiligung Privater bei der Entscheidungsvorbereitung grundsätzlich möglich, sofern die Entscheidung selbst den Anforderungen von insbesondere Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip entspricht. Es ist dennoch bedenklich, später möglicherweise von der Entscheidung Profitierende an deren Zustandekommen zu beteiligen.87 Andernfalls besteht die Gefahr, dass staatliche Tätigkeitsbereiche zu „Selbstbedienungsläden“ für interessierte Unternehmer mit politischem Einfluss werden. Dies ist explizit rechtlich auszuschließen, etwa in der Weise, dass an der Entscheidungsvorbereitung beteiligte 84 Zum Problemfeld Öffentlichkeit und kommunale Privatisierungen siehe M. Faber, NVwZ 2003, 1317 ff. 85 A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (312). 86 U. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235 (251). 87 Dahingehend auch mit Bezug auf das Verhältnis von Kommunalpolitik und -verwaltung die Ausführungen von D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56 (60 f.)

D. Bewertung der Modelle

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Unternehmen sich im Falle der funktionalen Privatisierung nicht um die dann zu vergebenden Aufträge bewerben dürften. Zwar besteht auch dann noch die Möglichkeit des Missbrauchs, insbesondere zugunsten Dritter. Diese lässt sich jedoch ebenso wie das Korruptionsproblem durch eine geeignete Systemausgestaltung umgehen.88 Insbesondere lässt sich ihr mit Mitteln eines gegebenenfalls spezifisch zu erweiternden Kartell- und Strafrechts begegnen. Die rechtsstaatlich notwendige Transparenz des Verfahrens muss bereits in diesem frühen Stadium sichergestellt sein. Ist die in Frage stehende Leistung klar definiert, schließt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach der privaten oder staatlichen Leistungserbringung an. Ein schon in der Vergangenheit zur Bestimmung von staatlichen Aufgaben herangezogener wirtschaftswissenschaftlicher Ansatz stellt auf die Existenz eines Marktversagens ab.89 Ein solches liegt vor, wenn sich Angebot und Nachfrage nicht durch einen Preis in Übereinstimmung bringen lassen, so dass eine effiziente Allokation der entsprechenden Güter oder Leistungen nicht möglich ist.90 Marktfähige Güter sollten grundsätzlich durch den Markt angeboten werden. Soweit für nötig gehalten, kann der Staat hierbei Rahmenbedingungen setzen.91 Dagegen wird eine intensivere staatliche Einflussnahme als erforderlich angesehen, wenn keine ausreichende Menge der jeweiligen Güter vorhanden ist, ein Ausschluss Dritter auf privatrechtlichem Weg aber nicht möglich ist.92 Die Heranziehung der Theorie des Marktversagens bezogen auf die Staatstätigkeit lässt sich somit als wirtschaftlich formuliertes Subsidiaritätsprinzip verstehen.93 Allerdings ist sie im vorliegenden Zusammenhang nicht weiterführend. Marktversagen ist ebenso wie die damit eng zusammenhängenden Begrifflichkeiten natürliche Monopole, externe Effekte und öffentliche Güter94 kein objektives, sondern ein zumindest auch politisch definiertes Kriterium.95 Außerdem unterliegen aufgrund der technischen Entwicklung die Bereiche, in denen ein staatliches Engagement auf Grundlage der Feststellung eines Marktversagens für erforderlich gehalten wird, einem ständigen Wandel.96 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 80. Vgl. statt vieler G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 158. 90 Siehe dazu und zu den Ursachen ausführlich M. Fritsch / Th. Wein / H.-J. Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 96 ff. 91 M. Kurth, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 133 (136). 92 H. Grossekettler, Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, S. 8 f. 93 G.F. Schuppert, VerwArch 71 (1980), S. 309 (328). 94 Zu weiteren Elementen siehe zusammenfassend W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 46 ff. 95 G. Ambrosius, GS Th. Thiemeyer, S. 199 (203 f.); J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 4 (11); H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (334); A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 25 f.; jedenfalls besteht keine dauerhaft gleich bleibende Bewertung, H. Siekmann, in: FS K. Stern, S. 341 (354). Nicht zuletzt werden politische Bewertungen rechtlich umgesetzt, vgl. dazu mit Beispielen H. Zuck, Auswahl- und Verteilungsentscheidungen beim Bewerberüberhang, S. 10 f. 96 H. Grossekettler, Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, S. 2; ähnlich auch H. Cox, in: ders., Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 73 (79). 88 89

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Insbesondere durch Innovationen erfolgt ein Abbau natürlicher Monopole,97 die überdies teilweise auch nicht „natürlich“, sondern durch rechtliche Gestaltungen bedingt sind. So waren etwa im Verkehrs- und Energieversorgungsbereich als zwingend empfundene Monopolstellungen nicht ursprünglich vorhanden, sondern wurden zunächst durch Ausschließlichkeitsklauseln in den jeweiligen Konzessionsverträgen von den Kommunen geschaffen.98 Neben diese sich bereits bei der Begründung eines Marktversagens stellenden Probleme treten Anwendungsschwierigkeiten hinzu. Die bloße Feststellung eines Marktversagens sagt nichts darüber aus, auf welche Art und Weise der Staat tätig werden soll, insbesondere, ob er nur regulierend oder durch eigene Aufgabenwahrnehmung in das Marktgeschehen eingreifen sollte.99 Die wegen des Marktversagens sicherzustellende Grundversorgung100 kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Ob der Staat stets die für einen sozialen Mindeststandard notwendigen Einrichtungen selbst zur Verfügung stellen soll, wenn die Privatwirtschaft dazu nicht sozialverträglich in der Lage ist101 oder ob er die Erfüllung von Aufgaben nur dann selbst übernehmen soll, wenn Dritte dazu überhaupt nicht in der Lage sind,102 lässt sich nicht allein mit dem Vorliegen eines Marktversagens begründen. Dieses kann allein dazu herangezogen werden, die Aufgaben zu bestimmen, in denen der Staat ein über die bloße Setzung von Rahmenbedingungen durch allgemeine Regelungen hinausgehendes Engagement an den Tag legen muss, nicht aber, wie dieses zu gestalten ist. Ein anderer Vorschlag setzt bei der Spezifizität und strategischen Bedeutsamkeit von Leistungen an und bestimmt danach den Grad des staatlichen Engagements. Die Entscheidung des „Ob“ und des „Wie“ staatlicher Beteiligung fallen dabei zusammen. Unspezifische, strategisch unbedeutsame Leistungen sollten vom Markt, spezifische, strategisch bedeutsame Leistungen vom Staat erbracht werden. Wenig spezifische, strategisch aber wichtige Leistungen, seien in einem staatlich regulierten Markt zu erbringen.103 Der Bereich der Daseinsvorsorge wäre dabei grundsätzlich der letztgenannten Erbringungsform zuzuordnen, so dass bei einer Normierung dieser Vorstellung in jenem keine Leistungserbringung durch die öffentliche 97 H. Cox, in: ders., Öffentliche Dienstleistungen in der Europäischen Union, S. 13 (17); M. Freund, Infrastrukturgewährleistung, S. 2. Natürliche Monopole zeichnen sich dadurch aus, dass die Nachfrage am kostengünsigsten durch einen einzigen Anbieter befriedigt werden kann, C. Lehmann / H. Rodi, Marktwirtschaft, S. 3. 98 V. Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, S. 58 f. 99 D. Budäus, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 12 (20); W. Fuest / R. Kroker / K.-W. Schatz, Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, S. 24. 100 E.-J. Mestmäcker, in: FS H.F. Zacher, S. 635 (646 f.). 101 J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 62. 102 B. Zypries, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 177 (179). 103 L. Kißler, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 57 (62); ebenso F. Naschold u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 76; Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 44; N. Thom / A. Ritz, Public Management, S. 221.

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Hand zulässig wäre. Allerdings wären die Leistungen jeweils einzeln zu untersuchen und einzustufen. Auch bezüglich dieses Ansatzes bestehen jedoch Probleme. So treten schon bei der Bestimmung des Bestandteils der strategischen Relevanz deutliche Unterschiede auf. Darin kann sowohl die langfristige politische Steuerbarkeit,104 als auch die Gefahr der Gefährdung des Staates in seinem Bestehen oder der Akzeptanz bei seinen Bürgern im Falle der Nichtübernahme der jeweiligen Aufgabe105 gesehen werden. Zudem zeigt die Rechtswirklichkeit, dass nicht einmal für die Gemeinschaft strategisch relevante Leistungen zwingend staatlich erfolgen müssen. Als Beispiele lassen sich insoweit etwa der private Waffenbau oder die TÜV-Überwachung von Atomkraftwerken anführen.106 Daran wird deutlich, dass die Zuweisung von Aufgaben auf Grundlage einer entsprechenden Einteilung zwar theoretisch relativ klar, aber nur begrenzt praxistauglich ist, zumal die Klassifizierung einzelner Leistungen in den relativ groben Rastern nicht unproblematisch möglich ist. Insoweit fehlt es zum jetzigen Zeitpunkt an einem hinreichend genauen und verbindlichen Maßstab. In jedem Fall bedürfte das Modell einer weiteren Verfeinerung und kann daher zumindest zum aktuellen Stand seiner Entwicklung nicht sinnvoll zur Begründung gewährleistungsstaatlich oder im Rahmen der traditionellen Daseinsvorsorgekonzeption zu erbringender Leistungen herangezogen werden. Denkbar erscheint es jedoch, auf seiner Grundlage Leistungen im Rahmen von Verwaltungsvorschriften zu klassifizieren, um eine zumindest landesweise einheitliche Bewertung auf allen Verwaltungsebenen sicherzustellen. Bei einer solchen Klassifizierung werden sich in der Praxis wissenschaftsfremde, also ausschließlich von politischen Erwägungen getragene Überlegungen nicht ausschließen lassen, da die verwendeten Grundbegriffe leicht beeinflussbar sind. Ein, zumal im Zeitalter schlecht gefüllter öffentlicher Kassen, nahe liegendes Kriterium zur Bestimmung staatlich wahrzunehmender und damit spiegelbildlich auch (funktional) zu privatisierender Aufgaben sind schließlich deren Kosten.107 Ein wirtschaftliches Tätigwerden des Staates ist bei dessen Heranziehung nur dann gerechtfertigt, wenn die dabei auftretenden Kosten geringer sind als die bei einem „Leistungseinkauf“ entstehenden.108 Auch wenn dieses Kriterium im Einzelfall Chr. Reichard, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 121 (141). F. Naschold, in: ders. / J. Bogumil, Modernisierung des Staates, S. 71. 106 F. Naschold u. a., Leistungstiefe im öffentlichen Sektor, S. 46 f.; ähnlich A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (275). 107 Chr. Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (334); ähnlich unter Bezugnahme auf gute und schlechte Risiken W. Löwer, VVDStRL 60 (2001), S. 416 (436). 108 H. Grossekettler, Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, S. 11 ff. Die Kosten setzen sich zusammen aus Transformationskosten, die bei der Verwandlung der Vor- in Endprodukte auftreten, Transaktionskosten, worunter sämtliche Nebenkosten fallen, vgl. im Einzelnen dazu mit Beispielen aus dem Verwaltungsrecht G.F. Schuppert, in: P. Eichhorn / Chr. Reichard / G.F. Schuppert, Kommunale Wirtschaft im Wandel, S. 87 (93 ff.), sowie Verfahrenspräferenzkosten, die durch die wegen der anderweitigen Gefahr des Machtmissbrauchs notwendigen Beachtung von bestimmten Regelungen entstehen. 104 105

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durchaus Schwierigkeiten aufwerfen kann,109 erscheint es als Leitlinie grundsätzlich geeignet, zumal es im verfassungsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprinzip sowie im Haushaltsrecht des Bundes und der Länder eine normative Grundlage findet. Diese bietet sich zugleich zur Ausarbeitung an. Zu beachten ist jedoch, dass das Kostenprinzip nur dann sinnvoll zur Bestimmung (nur) zu gewährleistender Aufgaben eingesetzt werden kann, wenn auch die mit den jeweiligen Leistungen verfolgten Nebenzwecke in der Berechnung berücksichtigt werden. Gleiches gilt für besondere Anforderungen an die Art der Leistungserbringung, etwa die Leistungssicherheit. Unbedingt in die Kosten einzurechnen sind auch die entstehenden Folgekosten bei einer Entscheidung für die gewährleistungsstaatliche Erbringung. Dies sind insbesondere die Kosten der Ausschreibung110 und Regulierung. Die so formulierte Kostenfrage stellt sich daher im Grundsatz vor jeder aufgabenbezogenen Entscheidung, in der Praxis also insbesondere vor Neuausschreibungen, wobei die darin enthaltenen Faktoren variieren.111 Das Kostenkriterium muss jedoch nicht allein entscheidend sein. Insbesondere bietet sich auch eine Kombination mit den Kriterien Spezifizität und strategische Relevanz an. Unabhängig von den theoretischen Schwierigkeiten der Bestimmung von zu gewährleistenden Aufgaben ergeben sich in diesem Zusammenhang weitere Probleme. So ist mit der aufgrund der Organisationskompetenz der Verwaltung grundsätzlich bestehenden Möglichkeit zum Rückzug in eine Garantenstellung112 insbesondere auf kommunaler Ebene tendenziell ein Verlust an Gestaltungsmacht verbunden.113 Dieser kann allerdings durch entsprechende Einflussnahmemöglichkeiten begrenzt werden. Nichtsdestotrotz ist dieser Aspekt bei der Aufgabenfindung zu berücksichtigen. Insgesamt stellt sich die Bestimmung gewährleistungsstaatlich zu erbringender Leistungen als schwierig dar. Wenn auch das Recht dabei nur im Ausnahmefall unmittelbar von Nutzen sein kann, so kann es doch zumindest die formalen Modalitäten der Aufgabenfindung festlegen und so einen Orien109 Vgl. die Parallelproblematik im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsprinzip oben C.III.2. h). Hinzu kommt bei Leistungen, für die ein Markt zum entscheidenden Zeitpunkt noch nicht besteht, dass die tatsächlich bei der Beauftragung Privater entstehenden Kosten nicht sicher vorhersagbar sind. 110 Diese verlieren an Gewicht, je höher der Wert des zu vergebenden Auftrags ist, R. Maaß, Wettbewerb, S. 215. 111 So ist bei der Erstausschreibung etwa der neue Regulierungsauwand ein wichtiger Bestandteil, wenn dieser besondere organisatorische und kostenintensive Vorkehrungen, etwa die Errichtung eine neuen Behörde, erfordert. Auch stellt sich die Frage der Bewertung bestehender Unternehmen der öffentlichen Hand. Sind diese etwa nur auf kommunaler Ebene für eine Aufgabe tätig und wird diese funktional privatisiert, wird das Unternehmen einschließlich seiner Sachmittel überflüssig. Bei der Auflösung entstehen Kosten. Andererseits ist bei Folgeentscheidungen der finanzielle Aufwand zur Errichtung eines entsprechenden öffentlichen Unternehmens in Betracht zu ziehen. Welche Faktoren im Einzelnen zu berücksichtigen sind, kann hier nicht abschließend aufgeführt werden. Insoweit bedarf es einer wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchung des jeweiligen Einzelfalls. 112 F. Schoch, DVBl. 1994, 962 (974). 113 M. Burgi, NVwZ 2001, 601 (601 f.).

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tierungsrahmen für die dennoch in hohem Maße politische Entscheidung vorgeben. Ohne eine solche rechtliche Bindung besteht jedoch die Gefahr nur „theoretischer Gewährleistungsstaatlichkeit“.

b) Vertragsvergabe Gewährleistungsstaatlichkeit setzt die Vergabe von Verträgen über die jeweils in Frage stehenden Leistungen an Private im Rahmen eines Vergabeverfahrens voraus.114 Damit verbunden sind zahlreiche Schwierigkeiten, die bereits aus der Entwicklung des Vergaberechts während des letzten Jahrzehnts deutlich werden. Insbesondere mit Bezug auf die haushaltsrechtliche Lösung der Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien 115 in das deutsche Recht wurden die mit einem ausdifferenzierten Vergaberecht verbundenen Probleme thematisiert.116 Zwar konnten sich diese Bedenken schon wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht normativ durchsetzen. Wegen der Vielzahl staatlich bzw. kommunal zu gewährleistender Leistungen stellen sich die bei dem „Einkauf“ des Staates auftretenden Probleme erneut und in größerem Umfang. Qualitative Änderungen sind zumindest insoweit nicht zu erwarten, als finanzielle Belastungen der öffentlichen Hand in Frage stehen, wie dies bei zahlreichen gemeinwohlorientierten Leistungen der Fall ist. Insoweit besteht ein rechtlich begründetes Interesse an einer Minimierung der entstehenden Kosten, das regelmäßig eine öffentliche Ausschreibung der Leistung erfordert. Für die stets erforderliche Sicherstellung von Transparenz117 gilt dies im Grundsatz auch bei der Vergabe von Konzessionen, wenn keine finanziellen Mittel der öffentlichen Hand für die Leistungserbringung notwendig sind. Auch dabei ist zur Monopolvermeidung zumindest erwägenswert, Verträge mit mehreren Privaten abzuschließen.118 Dies ist jedoch nur nach zuvor erfolgter allgemeiner Bekanntgabe der Möglichkeit eines Vertragsschlusses willkürfrei denkbar. Eine starke Formalisierung ist insoweit zwingend Kennzeichen des Gewährleistungsstaats. 114 Siehe oben B.IV.2. a). Wie dieses im Einzelnen ausgestaltet ist, insbesondere ob es nach der aktuellen Konzeption des GWB grundsätzlich ein- oder aber alternativ zweistufig, vgl. W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 429 ff., ausgestaltet ist, wirft im vorliegenden Zusammenhang keine spezifischen Probleme auf. 115 RL 93 / 37 / EWG (Baukoordinierungsrichtlinie), ABl. 1993 L 199 / 54; RL 93 / 36 / EWG (Lieferkoordinierungsrichtlinie), ABl. 1993 L 199 / 1; RL 92 / 50 / EWG (Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie), ABl. 1992, 207 / 1; RL 89 / 665 / EWG (Rechtsmittelrichtlinie), ABl. 1989 L 295 / 33; RL 93 / 38 / EWG (Sektorenkoordinierungsrichtlinie), ABl. 1993 L 199 / 84; RL 92 / 13 / EWG (Sektorenrechtsmittelrichtlinie), ABl. 1992 L 76 / 14. 116 Siehe dazu im historischen Kontext mit Nachweisen aus der Literatur M. Knauff, VR 2000, 397 (400 ff.) 117 H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (37); dazu auch M. Faber, NVwZ 2003, 1317 (1318 ff.). 118 E. Pappermann, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 103 (116); dafür auch wegen der damit verbundenen leichter zu erfüllenden Anforderungen durch die Unternehmen W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 451.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

aa) Vertrag und Gesetz Erster und zudem spezifisch gewährleistungsstaatlicher Kritikpunkt ist der kaum zu umgehende Einsatz von Verträgen119 als Regelinstrument bezüglich der in Frage stehenden Leistungen. Obwohl durch die Verwendung von Standardverträgen bei standardisierten Leistungen die Gefahr einer weiteren Aufgabe der Einheitlichkeit des Verwaltungsvollzugs120 und der Einheit der (Kommunal-)Verwaltung121 nach einer Übergangsphase nur in relativ geringem Maße in der Praxis gegeben sein wird,122 bestehen grundsätzliche Bedenken gegen eine vertragliche und damit zumindest theoretisch aushandelbare Regelung über die Pflichten der Privaten und die Eingriffsrechte des Gemeinwesens im Rahmen einer umfassenden Staatskonzeption. Potentiell lässt die Detailschärfe staatlicher Steuerung nach, womit das Recht zugleich an Berechenbarkeit, Vorhersehbarkeit und Sicherheit einbüßt.123 Einer umfassenden Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 I GG steht die Vielzahl der beteiligten, voneinander unabhängigen Verwaltungsträger insbesondere auf kommunaler Ebene entgegen. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Rechtsklarheit und -vorhersehbarkeit kann allein durch den Verträgen zugrunde liegenden allgemeine Regelungen des Gesetzgebers erfüllt werden. Soweit Eingriffsbefugnisse der Verwaltung eröffnet werden sollen,124 folgt dies auch aus den Anforderungen des Demokratieprinzips. Insbesondere ist die sicherzustellende leistungsbezogene Gemeinwohlbindung Privater125 bereits auf dieser Ebene zu verankern. Ob dies durch die Schaffung spezifischer Verwaltungsvertragsarten durch Gesetz mit spezifischen Pflichtenregimes erfolgt,126 was zur Folge hätte, 119 U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 202, sieht dies als einzig mögliche Alternative an; die Bedeutung von Verträgen im Gewährleistungsstaat hervorhebend auch H. Lackner, Gewährleistungsverwaltung und Verkehrsverwaltung, S. 147. Tatsächlich stellt sich das Problem der Schaffung geeigneter konkreter Instrumente zur Erreichung des Konzepts, Ph. Mastronardi, in: ders. / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 58. 120 P. Aucoin / R. Heintzman, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 244 (249 f.). 121 A. Krölls, GewArch 1995, 129 (142). 122 Schon jetzt sind Binnenpluralisierung und Ausdifferenzierung der Verwaltungsorganisation in der Rechtswirklichkeit feststellbar, H. Schulze-Fielitz, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 95 (104); zusammenfassend dazu H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, S. 296 ff., so dass die angesprochenen Aspekte verbreitet schon als Mythos angesehen werden, vgl. H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (18); H. Schulze-Fielitz, ebd, S. 118; ähnlich R. Voigt, in: ders., Abschied vom Staat, S. 9 (10); W. Leisner, Die undefinierbare Verwaltung, S. 197 f.; mit Bezug zur (bloßen) Organisationsprivatisierung S. Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung, S. 82. 123 Ohne Einschränkung Chr. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, S. 183. 124 Dies ist insbesondere in der Regulierungsphase erforderlich, im Einzelnen dazu sogleich unten D.II.2. c). 125 H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (24).

D. Bewertung der Modelle

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dass die Verträge stets als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren wären,127 oder durch andere gesetzliche Regelungen im Rahmen eines „Allgemeinen Gewährleistungsverwaltungsrechts“, ist insoweit unerheblich. Notwendig ist jedoch, dass die zu vergebenden Verträge auf einer normativen Grundlage beruhen, welche nur noch der vertraglichen Ausfüllung im Hinblick auf die konkrete Leistung bedarf. Das Gesetz muss gleichsam „Allgemeine Geschäftsbedingung“ der leistungsvergebenden Verwaltung sein. Zuzugeben ist jedoch, dass die Formulierung eines solchen Regelwerks auf abstrakter Ebene wegen der Vielzahl an unterschiedlichen Aufgaben überaus schwierig und darüber hinaus ergänzungsbedürftig durch dem Besonderen Verwaltungsrecht angehörige bereichspezifische Konkretisierungen ist. Dennoch führt daran bei einer umfassenden Umsetzung des Gewährleistungsstaatsmodells kein Weg vorbei.

bb) Sicherstellung der Leistungserbringung Angesichts der Bedeutung der in Frage stehenden Leistungen sowohl für den Einzelnen als auch für die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt ist es von großer Wichtigkeit, dass Daseinsvorsorgebetriebe ihre Leistungen stetig und krisenfest anbieten.128 Dies muss sowohl durch die Regelungen des Gewährleistungsverwaltungsrechts als auch der zu vergebenden Verträge sichergestellt werden. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Frage nach den Folgen eines Scheiterns der privaten Leistungserbringung, etwa wegen Insolvenz des Unternehmens.129 Besondere Brisanz kommt dieser dann zu, wenn sich die öffentliche Hand faktisch der Möglichkeit zur Eigenleistung begeben hat.130

126 A. Voßkuhle, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 47 (88). 127 Die Angemessenheit dieses Ansatzes erscheint hinsichtlich des „Einkaufs“ vieler Leistungen fraglich, da die Verwaltungsgerichtsbarkeit dann mit zahlreichen eigentlich zivilrechtlichen Streitigkeiten belastet würde. Sinnvoller erscheint es, im Sinne der Zweistufentheorie nur die Vergabeentscheidung dem öffentlichen Recht zuzurechnen, den Vertrag jedoch je nach Gegenstand entweder öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich auszugestalten. 128 BayVerfGH, DÖV 1958, 216 (217); D. Görgmaier, DÖV 1977, 356 (358); B. Rapkay, Im Mittelpunkt der Mensch, S. 7, 9; M. Scholl, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 85 (88); F. Zeiß, DÖV 1958, 201. 129 M. Burgi, VerwArch 93 (2002), S. 255 (260). Diese Gefahr lässt sich zwar in einem ersten Schritt durch geeignete subjektive Anforderungen bezüglich Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit mildern, wie dies bereits regelmäßig gesetzlich vorgesehen ist. Diese dürfen jedoch nicht zu einer Marktzutrittsschranke werden, W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 450. Vollständig lässt sie sich jedoch nicht ausschließen, wie das von S. Michaels / S. Kühschelm, EuZW 2003, 520 (523) angeführte Beispiel eines in einer wettbewerblichen Auftragsvergabe in Göteborg siegreichen schwedischen Busunternehmens zeigt. 130 Dieses Problem klingt auch bei W. Hoffmann-Riem, DVBl. 1999, 125 (126), an, der zur Lösung auf die Beschaffung anderweitigen Ersatzes ohne nähere Konkretisierung verweist.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Es wird daher vertreten, dass eine kommunalwirtschaftliche Betätigung in den entsprechenden Bereichen nach wie vor zwingend nötig ist, ein vollständiger Rückzug der öffentlichen Hand aus der Leistungserbringung also auch im Gewährleistungsstaat nicht erfolgen dürfe. Neben der in diesem Falle gegebenen Möglichkeit des Einspringens im Krisenfall sichere dies nicht zuletzt auch das zur Kontrolle der privaten Leistungserbringer notwendige Wissen.131 Andernfalls sei eine effektive Gewährleistung unmöglich.132 Dieser Vorschlag stößt jedoch auf Bedenken sowohl theoretischer als auch praktischer Natur. Zum einen ist er kaum mit der Grundvorstellung des Gewährleistungsstaatsmodells im Einklang.133 Zum anderen lässt er sich jedoch nur umsetzen, wenn eine „Reservierung“ von Teilleistungen für öffentliche Unternehmen134 erfolgt.135 Damit verbunden ist in der Gesamtbetrachtung jedoch eine Abtrennung eines bedeutenden Marktteiles, der die Attraktivität des „Daseinsvorsorgemarktes“ schmälert und zu einem geringeren Engagement Privater führen kann. Finanziell wirkt sich dies in doppelter Hinsicht negativ für die öffentliche Hand aus. Neben den „Gewährleistungsstaatlichkeitskosten“, die etwa Ausschreibungs-, Regulierungs- und Unterstützungskosten enthalten, treten Kosten für die Aufrechterhaltung der in ihrem Tätigkeitsbereich eng beschränkten öffentlichen Unternehmen des Daseinsvorsorgebereichs auf. Aus Sicht des Wirtschaftlichkeitsprinzips ist das notwendig aufrechtzuerhaltende 136 öffentliche Engagement in der Leistungserbringung daher überaus problematisch.137 Überdies ist fraglich, ob eine solche Konzeption tatsächlich in allen Bereichen der Daseinsvorsorge faktisch möglich wäre. Dies kann jedoch nur anhand der jeweiligen Marktsituation beurteilt werden.138 Noch nicht beantwortet ist damit 131 H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 41 (46); D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 80. Als Frage formuliert dies auch Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 50. 132 G. Püttner, DÖV 2002, 731. 133 Dies ist jedoch letztlich nicht entscheidend, da die Modellvorstellung in erster Linie nur eine Hilfestellung zur besseren Organisation des Daseinsvorsorgebereichs vermitteln soll, vgl. oben B.II. Notwendigen Modifikationen steht sie nicht entgegen. 134 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 80; E. Pappermann, in: Bitburger Gespräche Jahrbuch 1984, S. 103 (116); V. Voigt, Betriebsübergang bei Fremdvergabe, S. 17 Anm. 3. 135 Völlig unpraktikabel ist schließlich die bloße Aufrechterhaltung von „Reservekapazitäten“ der öffentlichen Hand, H.H. Rupp, VVDStRL 62 (2003), S. 355. 136 Soweit Leistungen auch unter der herkömmlichen Daseinsvorsorgekonzeption ausschließlich durch Private erbracht wurden, bedingt dies entgegen der Zielrichtung des Gewährleistungsstaatsmodells sogar einen Ausbau der Tätigkeit der öffentlichen Hand bei der Leistungserbringung! 137 Zuspitzend Chr. Engel, VVDStRL 62 (2003), S. 342: „blanker wirtschaftlicher Unsinn“. 138 So erscheint es durchaus denkbar, die Konzessionen für 10% innerstädtischer Buslinien dem örtlichen kommunalen Unternehmen vorzubehalten. Wegen des deutlich höheren technischen Aufwands ist eine entsprechende Regelung bezüglich der Trinkwasserversorgung dagegen lebensfremd.

D. Bewertung der Modelle

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zudem die Frage, in welchem Umfang gemessen am Gesamtmarkt ein solches Engagement der öffentlichen Hand bei der Leistungserbringung jeweils notwendig ist. Auch dies ist eine nur schwer zu beantwortende Frage, die Raum für willkürliche Entscheidungen bietet. Der Vorschlag ist daher abzulehnen. Gleiches gilt für den Gedanken einer finanziellen Beteiligung des Daseinsvorsorgeträgers an den Erbringungsunternehmen,139 jedenfalls soweit diese zwingend zu erfolgen hat. Zwar wird dadurch neben der unmittelbaren Einflussnahme auf die Modalitäten der Leistungserbringung durch gesellschaftsrechtliche Mittel auch der Zugang zum leistungsbezogenen Unternehmenswissen gesichert. Allerdings verstößt eine solche, nicht auf freiwilliger Basis beruhende Gestaltung sowohl gegen Berufs- und Eigentumsfreiheit der Privaten, als auch das gegen Recht der kommunalen Selbstverwaltung, soweit, wie zumeist, Gemeinden betroffen sind. Als Alternative wird die Aufnahme einer „Heimfallklausel“ in den Vertrag erwogen, nach der bei Insolvenz oder Schlechterfüllung140 das zur Leistungserstellung notwendige Material an den zuständigen Verwaltungsträger fällt.141 Zulässigkeit und Voraussetzungen für eine solche „Zugriffsoption“ müssten durch den zuständigen Gesetzgeber festgelegt sein.142 Auch diese auf den ersten Blick überzeugende Gestaltungsalternative unterliegt jedoch Bedenken. Sofern die Übernahme unentgeltlich erfolgen soll, liegt darin ein Verstoß gegen Art. 14 GG. Wird der bisherige private Leistungsersteller jedoch entschädigt, können seitens der öffentlichen Hand je nach Bereich hohe finanzielle Belastungen nicht ausgeschlossen werden, die ein faktisches Übernahmehindernis darstellen könnten. Für den Privaten ist diese Gestaltungsmöglichkeit eine Belastung dahingehend, als dass ihm wegen der vorrangigen Zugriffsmöglichkeit der öffentlichen Hand potentielle Kreditsicherheiten genommen würden. Eine diesen Nachteil ausgleichende Bürgschaft des jeweiligen Daseinsvorsorgeträgers, der damit weiteren möglichen finanziellen Belastungen ausgesetzt wäre, kann jedoch mit dem EG-Beihilfenrecht in Konflikt treten, auch wenn Art. 86 II EGV insoweit bei Erfüllung seiner Voraussetzungen privilegierend wirken kann.143 Geringere Schwierigkeiten sind mit der Erlangung A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (326). Eine Gleichstellung mit dem Fall der Insolvenz rechtfertigt jedoch allein eine bedeutsame und fortgesetzte Schlechterfüllung. Eine nur vorübergehende und nicht schwerwiegende Leistungsstörung als Voraussetzung genügt nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 141 H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (276); Chr. Corte, Die Übernahme kommunaler Aufgaben, S. 38; W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 93; D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 334; A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (326). G.F. Schuppert, in: FS H. Wollmann, S. 399 (411), zählt die Rückholoption (allerdings ohne nähere Konkretisierung) sogar zum notwendigen Mindestmaß an „Ereignisbeherrschung“. Diese Alternative entspricht grundsätzlich dem Gedanken einer staatlichen Einstandsverantwortung, die eine Eigenleistung durch die öffentliche Hand nur und ausschließlich in Notfällen zulässt, W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 338. 142 M. Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), S. 160 (174); anders implizit D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 334. 139 140

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

des zur Leistungserbringung notwendigen Wissens verbunden. Selbst wenn das verantwortliche Personal des Privaten den Wechsel des Arbeitgebers wegen Betriebsübergangs nach § 613a BGB ablehnt, so dürfte Expertenwissen jedenfalls durch die Heranziehung externer Fachleute relativ schnell und unproblematisch zu erlangen sein. Nach anderer Ansicht sollte grundsätzlich keine auch nur vorübergehende Rückkehr zur Eigenerstellung der Leistung durch die öffentliche Hand erfolgen. Krisen sollten vielmehr die Überprüfung der staatlichen Instrumente auf Wirksamkeit und Zielgenauigkeit und gegebenenfalls Nachbesserungen zur Folge haben.144 Damit ist zwar die „reine Lehre“ des Gewährleistungsstaatsmodells gewahrt, kurzfristige Abhilfe kann jedoch nicht geschaffen werden. Es ist jedoch zu bedenken, dass eine Rekommunalisierung finanziell sehr aufwendig ist,145 auch wenn sie nicht von Dauer sein soll. Die insoweit vorgeschlagene Schaffung von beizubringenden Haftpflichtversicherungen146 oder Sicherungsfonds147 kann jedoch allein die finanziellen Belastungen mindern. Eine Sicherung der Leistung selbst ist damit nicht verbunden. Anders ist dies jedoch, wenn eine Leistung oder vergleichbare Leistungsteile an mehrere Unternehmen vergeben wird. In diesem Fall können die dem insolventen Unternehmen zukommenden Anteile vorübergehend auf dessen „Mitstreiter“ übertragen werden,148 sofern nicht spezialisierte „Notfallunternehmen“ bestehen, auf die im Krisenfall zurückgegriffen werden kann.149 Es bleibt daher die Erkenntnis, dass eine vollständige Leistungssicherheit nicht zu erlangen ist. Angesichts der mit den vorgebrachten Lösungsvorschlägen verbundenen Problemen erscheint es vorzugswürdig, eine möglichst schnelle Neuvergabe anzustreben.150 Dies könnte durch vereinfachte Vergaberegeln bei gleichzeitigen Fristverkürzungen geschehen. Um jedoch die Gefahr der „Notvergabe“ als Regelfall und den damit verbundenen größeren Unsicherheiten zu unterbinden, wäre es denkbar, die Vertragslaufzeiten in jeweils angemessenem Umfang zu kürzen. Bis 143 Ausschließen ließen sich diese Probleme allein dann, wenn das zur Leistungserstellung notwendige Material von dem jeweiligen Daseinsvorsorgeträger zur Verfügung gestellt würde. Damit gingen jedoch viele mit dem Gewährleistungsstaatsmodell verbundene wirtschaftliche Vorteile verloren. 144 W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 337. 145 U.G. Kund, Nachwirkende Pflichten, S. 198. 146 W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 452. 147 J. Lattmann, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 17 (20). Ob diese Möglickeit in allen Daseinsvorsorgebereichen funktionieren würde, bedürfte zudem weiterer Untersuchungen. 148 Vgl. W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 451. 149 Ein hinsichtlich seiner Übertragbarkeit auf andere Bereiche der Daseinsvorsorge zu überprüfender Gedanke wäre insoweit die Bereithaltung von „Reservematerial und -personal“ durch einzelne private oder ggf. auch öffentliche Unternehmen zum Zwecke der Zurverfügungstellung an Dritte im Bedarfsfall, vgl. mit Bezug zum Eisenbahnmarkt E. Albrecht / Th. Berndt, Internationales Verkehrswesen 2000, 373 ff. 150 Ebenso W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 538.

D. Bewertung der Modelle

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zur Neuvergabe wäre die Leistung durch den bisherigen Leistungserbringer, soweit zu einer sachgerechten Ausgestaltung nötig unter unmittelbarem Einfluss des Daseinsvorsorgeträgers oder von ihm benannter Dritter, sicherzustellen. Wie dies im Einzelnen zu geschehen hat, muss im Rahmen des Gewährleistungsverwaltungsrechts eine rechtliche Grundlage finden, wobei nicht zuletzt insolvenzrechtliche und leistungsstörungsrechtliche151 Vorschriften zu modifizieren sind.

cc) Einzelaspekte der Vertragsgestaltung Weitere Schwierigkeiten betreffen die Vertragsgestaltungen. Auch wenn die Verträge in ein Gewährleistungsverwaltungsrecht eingebunden sind und nach den formalen Bestimmungen des Vergaberechts152 ausgeschrieben werden, ist ihre Funktionalität nicht sichergestellt. Entsprechend der großen Bedeutung der vertraglichen Regelungen sind in Anbetracht der vielfältigen Leistungen und die mit diesen verbundenen finanziellen und sachlichen Besonderheiten für ein funktionierendes Gewährleistungsmodell sehr komplizierte Verträge nötig.153 Gerade Aufgaben der Daseinsvorsorge weisen nahezu zwangsläufig eine hohe Zielkomplexität auf.154 Neben das Hauptziel der Bereitstellung lebenswichtiger Leistungen treten auch im Gewährleistungsstaat zahlreiche Nebenziele. Diese unterschiedlichen Ziele sind überdies teilweise widersprüchlich.155 Es stellt sich daher, zumal Vertragslücken zu vermeiden sind,156 das Problem der Leistungsbeschreibung bei den Ausschreibungen.157 Da neben der Zielorientierung auch technische Fragen der Leistungserbringung im Einzelfall Schwierigkeiten beinhalten, stellt sich dieses Problem gleichsam doppelt. Allerdings ist es nicht für die Ausschreibungsphase spezifisch. Vielmehr tritt es bereits bei der Bestimmung der gewährleistungsstaat151 Insbesondere diese können auch als Grundlage für das zu Recht etwa von J. Lege, VVDStRL 62 (2003), S. 346, geforderte Sanktionenregime dienen. V. Mehde, ZögU 25 (2002), S. 421 (428 f.), weist jedoch zutreffend darauf hin, dass bei einem Unternehmen mit Finanzschwierigkeiten Strafzahlungen nicht zur Verbesserung der Leistungen führen würden. 152 Diesbezüglich stellt sich überdies die Frage, ob dessen Zweiteilung in ihrer herkömmlichen Form noch gerechtfertigt ist. Zwar ist die europaweite Ausschreibung jeglicher zu vergebender Leistungen unabhängig von ihrer finanziellen Relevanz nicht sinnvoll. Allerdings sollte aus rechtsstaatlichen Gründen auch unterhalb der momentan bestehenden Schwellenwerte eine rechtliche Verbindlichkeit gegeben sein. 153 Chr. Corte, Die Übernahme kommunaler Aufgaben, S. 38. 154 P. Eichhorn, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 15 (19). 155 M. Fehling, DÖV 2002, 793 (800 f.), unter Hinweis vor allem auf die Bahnreform. 156 H. Cox, in: ders., Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 73 (88). Th. Noelle / J. Rogmans, Öffentliches Auftragswesen, S. 74: „Idealerweise soll . . . eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung erstellt werden.“ 157 M. Burgi, DVBl. 2003, 949 (957); Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 50; allgemeiner E. Grömig / J. Günther, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 21; L. Monnier, in: H. Cox, Öffentliche Dienstleistungen in der Europäischen Union, S. 41 (54); G. Püttner, DÖV 2002, 731 (735).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

lich zu erbringenden Leistungen auf.158 Bei der Ausschreibung ist es jedoch von besonderem Gewicht, da Fehler bei der Formulierung der zu vergebenden Leistung entweder zu einem nicht völlig zielentsprechenden Vertragsschluss159 oder im Falle der nachträglichen Aufhebung des Vergabeverfahrens zu Schadensersatzforderungen160 und somit in jedem Falle zu Nachteilen der ausschreibenden öffentlichen Stelle führen können. Soweit öffentliche Nebenzwecke, etwa die Beeinflussung eines örtlichen Arbeitsmarktes, sich einer Beschreibbarkeit in den Vergabeunterlagen faktisch oder von Rechts wegen entziehen,161 gehen diese verloren. Verbunden damit ist ein kaum vermeidbarer Verlust an Gestaltungsmacht der öffentlichen Hand.162 Diese hat zudem eine Folgenabschätzung bezüglich der Vertragsklauseln vorzunehmen, um die mit diesen zu erreichenden Ziele sicherzustellen. Diese Aspekte führen zusammengenommen letztendlich zu sehr detaillierten vertraglichen Vorgaben,163 auf die der private Vertragspartner keinen Einfluss hat. Es besteht daher in Verbindung mit den rechtlichen Rahmenreglungen die Gefahr, dass entgegen der dem Gewährleistungsstaatsmodell zugrunde liegenden Vorstellung nur ein geringer eigenverantwortlicher Spielraum des Privaten verbleibt.164 Diesen auch unter Verzicht auf Sekundärziele möglichst groß zu halten, muss den ausschreibenden Stellen daher zwingend rechtlich vorgegeben werden. Andernfalls drohen sowohl eine Bürokratisierung der privaten Leistungserbringung als auch die Überforderung der Verwaltung bereits bei der Formulierung der Ausschreibungsunterlagen. Die Laufzeit der Verträge ist ebenfalls eine in der Praxis nicht leicht zu beantwortende Frage.165 Wenn diese zu kurz angesetzt wird, besteht ein zu großes RiVgl. soeben oben D.II.2. a). Kritisch bezüglich der Notwendigkeit der vorherigen genauen Ergebnisbestimmung seitens der ausschreibenden Behörde unter Bezugnahme auf die österreichische Rechtslage H. Gölles, in: FS H. Krejci, S. 1395 (1398). 160 EuGH Slg. 2002, I-5553 (5595) – Hospital Ingenieure. 161 So stellt sich zum einen das Problem der Bestimmtheit, zum anderen ist Raum für Wirtschaftlichkeitsüberlegungen des Leistungserbringers zu lassen. Schließlich ist im Interesse der Funktionsfähigkeit des Gewährleistungsstaatsmodells auf die Risikoabgrenzung zwischen öffentlicher Hand und Privaten zu achten. 162 J. Lattmann, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 17 (20); vgl. auch R. Pitschas, in: J. Merchel / Chr. Schrapper, Neue Steuerung, S. 107 (122), bezogen auf den „schlanke(n) Staat“ und die „schlanke Verwaltung“: „Es droht der Verzicht auf Politik.“ 163 H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (336); ablehnend W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 443: „Entscheidender Nachteil detaillierter Vorgaben ist (. . . ), daß das kreative Potential der Privatwirtschaft verlorengeht.“ 164 Zum Problem vgl. auch A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 202; mit Bezug zum ÖPNV U. Balzuweit / H. Brümmer, Nahverkehrspraxis 10 / 2002, 16 (17); A. Freitag / A. Saxinger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2002, 25 (29). Nach M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (40), weist das Vergabeverfahren daher „nahezu planwirtschaftliche Züge“ auf. 165 Ausführlich W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 476 ff., dort auch zu eventuellen Übergaberegelungen bei Nichtwiedererteilung des Auftrages. 158 159

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siko für den Leistungserbringer. Die Attraktivität eines Vertragsschlusses ist für Private daher gering, sofern nicht zugleich anderweitige Absicherungen seitens der öffentlichen Hand angeboten werden. Wird die Vertragsdauer jedoch zu lang angesetzt, besteht die Gefahr der Leistungsverteuerung während Laufzeit, da bei einem für lange Zeit geschlossenen Vertrag kaum auf Anpassungsklauseln verzichtet werden kann,166 wenn nicht das Risiko des „Verschleißens“ der leistungserbringenden privaten Unternehmen eingegangen werden soll. Die Festlegung der Vertragsdauer ist daher eine in ihrer Schwierigkeit nicht zu unterschätzende Aufgabe, zumal leistungsspezifische Besonderheiten einzubeziehen sind, die an die Qualifikation des an der Ausschreibung beteiligten Personals hohe Anforderungen stellen. Wie auch bei der Aufgabenfindung und der sonstigen Erstellung der Ausschreibungsunterlagen stellt sich auch hier gerade wegen des dort vorhandenen Wissensvorsprungs das Problem der Einbeziehung kommunaler Unternehmen. Diese haben, sofern sie sich an Ausschreibungen beteiligen ohnehin in ihrer Kommune faktische Vorteile wegen ihrer Nähe zum Auftraggeber.167 Diese dürfen durch die sachlich an sich durchaus begründete Einbeziehung in die Festlegung von Vertragsinhalten nicht noch vergrößert werden. Der für die Aufgabenfindung statuierte Grundsatz der strengen Trennung zwischen Ausschreibenden und Bewerbern muss auch insoweit gelten. dd) Verwaltungsorganisatorische Anforderungen Gerade der notwendige Verzicht der ausschreibenden Stelle auf den Rückgriff auf die personellen Ressourcen und die Kenntnisse der entsprechenden kommunalen Unternehmen, sollen diese an der jeweiligen Ausschreibung teilnehmen können, erfordert ebenso wie die Vielzahl der Ausschreibungen schließlich die Bereitstellung einer bestimmten verwaltungsorganisatorischen Struktur, die gerade kleinere Kommunen vor Probleme stellen kann. Zentraler und grundsätzlich unverzichtbarer Bestandteil einer jeden ausschreibenden Verwaltungseinheit wird angesichts der Schwierigkeiten und der Formalisierung des Vergabeverfahrens eine Vergabeabteilung. Sofern sich die Einrichtung einer solchen oder auch nur einer entsprechenden Planstelle mit diesem Aufgabenbereich wegen zu seltener Auftragsvergaben nicht anbietet, ist sicherzustellen, dass die notwendigen Kenntnisse zur Verfügung stehen. Dies kann entweder durch die Beauftragung spezialisierter Privater geschehen168 oder im Wege der Amtshilfe. Beide Möglichkeiten sollten jedoch im ersten Fall zur Verhinderung von Korruption und Missbrauch sowie im zweiten aus Gründen verwaltungsorganisatorischer Transparenz und gesicherter 166 H. Cox, in: ders., Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 73 (90 f.); W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 508 ff. 167 Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 48; ebenso W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 436, der die Gefahr auch bei anderen „Altunterehmern“ sieht. 168 Dies ist gängige Verwaltungspraxis, W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 453, dort bezogen auf die Bewertung eingehender Angebote.

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Zuständigkeiten normativ näher bestimmt werden.169 Für die zweite Alternative bietet sich insbesondere die bei entsprechendem Bedarf der Kommunen zwingende Einrichtung einer vergaberechtlichen „Einsatzgruppe“ bei den Landratsämtern an. Die Rolle der Vergabeabteilung bedarf ebenfalls der Konkretisierung. Wenn die Vergabeabteilung zentral Leistungen ausschreibt, stellt sich die Frage, wie deren Sachgemäßheit garantiert wird, da das für diese notwendige Fachwissen nicht für alle Aufgaben vorliegen kann. Dies kann letztlich allein durch die jeweiligen Verwaltungsfachbereiche sichergestellt werden. Müssen diese jedoch selbst eine vollständige Leistungsbeschreibung erstellen, besteht einerseits die Gefahr der Fehlerhaftigkeit hinsichtlich der vergaberechtstechnischen Ausgestaltung. Dieser lässt sich allerdings durch eine enge Zusammenarbeit beider Verwaltungsbereiche begegnen.170 Andererseits führt die Einbeziehung jedenfalls formal „ausschreibungsfremder“, aber mit überlegenem (Fach-)Wissen ausgestatteter Einheiten zu einer größeren Anfälligkeit des Vergabeverfahrens im Hinblick auf Manipulationen bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen. Diesen vorzubeugen und sie gegebenenfalls zu ahnden muss explizit Aufgabe der Aufsichtsbehörden sein. Der Vergabeabteilung selbst kommt demnach vor allem die Funktion zu, die Vorstellungen der materiell mit der Aufgabendefinition zu beauftragenden Verwaltungsfachbereiche vergaberechtlich „umzusetzen“ und den eigentlichen Vergabeprozess, soweit dieser kein besonderes Fachwissen verlangt,171 durchzuführen.

c) Regulierung Die im Gewährleistungsstaat notwendige und diesen kennzeichnende Regulierung172 wirft vielfältige Schwierigkeiten auf.173 Mag die Heranziehung Privater auch in gewissem Umfang der Entpolitisierung der in Frage stehenden Leistungen dienen174 und kann durch die nicht nur organisatorische, sondern auch materielle 169 Verhindern lassen sich durch eine entsprechende Gestaltungen auch Interessenkollisionen, die entstehen, wenn etwa ein ausschreibender Fachabteilungsvorstand zugleich die Interessen der Kommune in einem gemeindlichen Unternehmen vertritt, vgl. dazu M. Winnes, NZBau 2002, 371 (374). 170 Alternativ wird eine dauerhafte Umsetzung fachlich kompetenten Vewaltungspersonals unmittelbar in die Vergabeabteilung vorgeschlagen, D. Hille, in: DST, Verwaltungsmodernisierung, S. 56 (61). Gerade bei kleineren Kommunen mit relativ wenigen Bediensteten dürfte diese Gestaltungsmöglichkeit jedoch bald an faktische Grenzen stoßen. 171 Andernfalls ist auch hierbei der jeweilige Verwaltungsfachbereich hinzuzuziehen. 172 Siehe oben B.IV.2. b); bezogen auf die nationale Universaldienstgewährleistung K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 145. 173 E. Grande, in: Chr. Gusy, Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 37 (47 ff.); aus rechtshistorischer Perspektive P.E. Pieler, in: FS H. Krejci, S. 1479 (1495); kritisch zum bereits bestehenden Regulierungsverwaltungsrecht in den Bereichen Eisenbahn, Strom, Post und Telekommunikation J. Masing, Die Verwaltung 36 (2003), S. 1 (8 ff.). 174 S. Cassese, in: M. Nettesheim / P. Schiera, Der integrierte Staat, S. 31 (33).

D. Bewertung der Modelle

287

Trennung von Unternehmer und Kontrolleur die Gefahr der „Verfilzung“ verringert werden,175 so sollten die zu bewältigenden Probleme nicht unterschätzt werden. Diese treten in verschiedenen Bereichen auf. Bei der Konzeption der Regulierung spielen vor allem aus dem wirtschaftswissenschaftlichen Bereich stammende Aspekte eine Rolle. Rechtliche und steuerungstheoretische Gesichtspunkte betreffen in erster Linie das Verhältnis von Regulierer und Reguliertem, die ebenfalls bereits in die Regulierungskonzeption einfließen müssen. In engem Zusammenhang damit treten schließlich verwaltungsorganisatorische Fragen auf. Im Folgenden kann und soll keine umfassende Problemanalyse vorgenommen und eine Ideallösung, sofern es eine solche auf allgemeiner Ebene überhaupt geben kann, entwickelt werden. Dies ist Aufgabe der ökonomischen Regulierungstheorie.176 Vielmehr ist neben einem allgemeinen Überblick vor allem auf rechtliche Probleme, einschließlich bei der Rechtssetzung auftretender, einzugehen.

aa) Grundlegende Regulierungsanforderungen Für die Ausgestaltung eines Regulierungsverwaltungsrechts ist es unerlässlich, neben den mit der Regulierung verbundenen Zielen Klarheit über die Situation der privaten Leistungserbringer zu gewinnen. Während erstere im Rahmen der Aufgabenbestimmung herausgearbeitet werden, wird letztere erst an dieser Stelle relevant. Die Bedeutsamkeit der Frage ergibt sich daraus, dass die Heranziehung Privater zur Erfüllung öffentlich bestimmter und zu gewährleistender Aufgaben nur dann sinnvoll ist, wenn auch deren Handlungsrationalitäten zum Zuge kommen.177 Eine zu starke Reglementierung beinhaltet die Gefahr der Lähmung der privaten Leistungserbringer.178 Zugleich gilt es jedoch, die auch in einem funktionierenden Markt auftretenden Möglichkeiten der Oligopolisierung179 und Monopolisierung180 auszuschließen. Allein die Privatisierung führt nicht zu Markt und Wettbewerb.181 Diese Aspekte sind für die Formulierung der normativen Grundlagen der Regulierung von entscheidender Bedeutung. Daneben bedarf es eines Ausgleichs des bei den Leistungserbringern nahezu zwangsläufig auftretenden Zielkonflikts. Diese unterliegen aufgabenbedingt besonderen Gemeinwohlbindungen, 175 A. Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 16; ähnlich A. v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, S. 150 f. 176 Ausführlich dazu J. Borrmann / J. Finsinger, Markt und Regulierung, 1999. 177 H.-H. Trute, in: G.F. Schuppert, Jenseits von Privatisierung und „schlankem“ Staat, S. 13 (23), bezogen auf „Verantwortungsteilung“. 178 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 310; J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 28. 179 M. Schöneich, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 143 (146). 180 D. Osborne / T. Gaebler, Der innovative Staat, S. 80; W. Spiess, Öffentliche Verwaltung im neuen Jahrtausend, S. 18. 181 L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (210).

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

zugleich sollen und müssen sie jedoch Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten eine hohe Priorität einräumen. Auch wenn das Versagen eines Privaten bei Berücksichtigung beider Aspekte jedenfalls durch die Nichterteilung des Folgeauftrags geahndet werden könnte, genügt diese Sanktionsmöglichkeit im Interesse sowohl der zielentsprechenden Leistungserbringung als auch der finanziellen Entlastung der öffentlichen Hand nicht. Vielmehr ist eine regulierende „Begleitung“ des Privaten notwendig, die ihrerseits rechtlicher Regelung bedarf. Da der Marktmechanismus jedoch umso mehr zurücktritt, je effektiver die Regulierungsziele durchgesetzt werden,182 je detaillierter also die Vorgaben der öffentlichen Hand und je größer deren Einflussnahmemöglichkeiten sind, müssen sich rechtliche Regelungen um eine Erstickung privater Eigenverantwortung und Initiative zu verhindern, aber auch um ihrer Wirksamkeit willen an Marktstrukturen orientieren. Dabei können sie jedoch weder deren Funktionsfähigkeit unterstellen, noch dürfen sie diese verhindern. Dies ist eine schwierige Aufgabe für den jeweiligen Regelungsgeber.183 Zu beachten ist schließlich, dass sich die private Leistungserbringung als Grundrechtsausübung darstellt. Deren Bürokratisierung ist auch deshalb ausgeschlossen. Eine einseitige Belastung des Privaten mit dem wirtschaftlichen Risiko184 bei gleichzeitiger starker staatlicher Einflussnahme auf die Leistungserbringung führt letztlich auch zu abnehmender Attraktivität der seitens der öffentlichen Hand zu vergebenden gemeinwohlorientierten Leistungen.185 Aus Sicht der Privaten sollten Vorgaben und Einflussnahme der öffentlichen Hand bezüglich der Leistungserbringung daher möglichst gering sein. Nur dann ist ein qualitativer und finanzieller „Privatisierungsgewinn“ gegenüber der Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand zu erreichen.

bb) Regulierungspraxis Auch wenn sich die Regulierung somit auf grundlegende Aspekte beschränken sollte, kann ihre Notwendigkeit wegen des Gemeinwohlbezugs der in Frage stehenden Aufgaben zumindest solange nicht bezweifelt werden, als sich noch kein spezifischer Markt etabliert hat, in dem die Kontrolle der privaten Leistungserbringer durch das Konsumverhalten der Nutzer gewährleistet ist.186 Allerdings stößt auch die derart eingegrenzte Regulierung auf Schwierigkeiten, die rechtlicher Bewältigung bedürfen. J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), S. 315 (333). H. Schulze-Fielitz, ZG 15 (2000), S. 295 (304). 184 Ebenso zu vermeiden ist eine tendenzielle Privatisierung der Gewinne bei gleichzeitiger Sozialisierung oder Minimierung der Risiken, vgl. zu dieser Gefahr Chr. Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (342). 185 Dazu aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 427 f. 186 E. Röper, Der Staat 37 (1998), S. 249. 182 183

D. Bewertung der Modelle

289

Das Hauptproblem betrifft dabei die Steuerungsfähigkeit. Diese fehlt der nichtleistenden Verwaltung in nicht unerheblichem Maße wegen ihres fehlenden Aufgabenbezugs und mangelnden Informationen.187 Zwar tritt dieses Problem auch in anderen Gestaltungsformen auf, etwa bei der formalen Privatisierung öffentlicher Unternehmen in Bezug auf die für die Überwachung zuständige Verwaltung,188 oder in anderem Zusammenhang bei der Politikvorbereitung durch die Verwaltung.189 Allerdings gewinnt es wegen des umfassenden Ansatzes des Gewährleistungsstaatsmodells vorliegend an Brisanz. Grundlage der Steuerungsverluste der Verwaltung sind Kontrollprobleme, die aus einem fehlenden Einblick in die tatsächlichen Betriebsabläufe resultieren.190 Dieses Defizit ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Mit dem Kontrollverlust geht zugleich eine Beschränkung der Reaktionsfähigkeit der Verwaltung einher. Angesichts der divergierenden Ziele von privaten Leistungserbringern und öffentlicher Hand191 und der Gefahr, dass sich erstere mehr um staatliches Wohlgefallen als um die Zufriedenheit der Leistungsempfänger bemühen,192 führt fehlende effektive Kontrolle letztlich nahezu zwangsläufig zu einer Fehlsteuerung bzw. einem Vollzugsdefizit.193 Es besteht die Gefahr der Instrumentalisierung der Verwaltung durch die jeweiligen Leistungserbringer,194 nicht zuletzt durch deren selektive Information. Verstärkt wird diese 187 Chr. Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (347 f.); L. Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (235 f.); dahingehend auch K.-H. Ladeur / T. Gostomzyk, Die Verwaltung 36 (2003), S. 141 (152); A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (321); entsprechend für das Parallelproblem der strikten Trennung zwischen Politik und Verwaltung im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells Chr. Reichard, Umdenken im Rathaus, S. 84; plastisch für den Bereich des ÖPNV G. Fredrich, Der Nahverkehr 11 / 2000, 14 (17). V. Mehde, ZögU 25 (2002), S. 421 (429), konstatiert einen „dauerhaften Steuerungsverlust“ im Falle von Privatisierungen ohne die Möglichkeit gesellschaftsrechtlicher Einflussnahme; S. Tomerius / T. Breitkreuz, DVBl. 2003, 426 (433), sehen die Gefahr eines schleichenden Verlusts des kommunalen Letztentscheidungsrechts. 188 Vgl. H. Hill, in: ders., Kommunalwirtschaft, S. 3 (15 f.). 189 Ph. Mastronardi, in: ders. / K. Schedler, New Public Management in Staat und Recht, S. 116; dahingehend auch P. Aucoin / R. Heintzman, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 244 (256). 190 Chr. Corte, Die Übernahme kommunaler Aufgaben, S. 20; H. Cox, in: ders., Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen, S. 73 (90). Ähnlich in anderem Zusammenhang W. Hoffmann-Riem, in: FS K. Vogel, S. 47 (50). Damit verbunden sind zugleich Kontrollverluste für Parlament und Öffentlichkeit, M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 313. Zur Problemstellung in der Praxis bezüglich der Datengrundlagen für die Erstellung von Nahverkehrsplänen S.-A. Küpper / B. Molly / Chr. Holz-Rau / W. Unbehaun, Der Nahverkehr 4 / 2003, 48 (54). 191 Zusammenfassend dazu M. Scholl, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 85 (92 ff.). 192 V. Wright, in: B.G. Peters / D.J. Savoie, Governance in the Twenty-first Century, S. 155 (166). 193 Chr. Engel, VVDStRL 62 (2003), S. 342 (343). 194 E. Grande, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 576 (587). Insbesondere kann „fehlgeleitete Regulierung“ zu Diskriminierung, Wett-

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

Gefahr durch die während der Vertragslaufzeit faktisch gegebene Abhängigkeit der Verwaltung vom jeweiligen Leistungserbringer,195 die zu systemfremder Rücksichtnahme seitens der Verwaltung führen kann. Effektive Kontrolle als Voraussetzung effektiver Regulierung erfordert somit die Kooperation des Regulierten.196 Da dieser jedoch wegen dessen in erster Linie nicht gemeinwohl-, sondern betriebswohlorientiert handeln will197 und muss und eine „freiwillige Einweihung“ der Verwaltung daher gerade bezüglich auftretender Probleme nicht zu erwarten ist, ist die Zusammenarbeit jedenfalls in ihren Grundzügen zu normieren. Die Schaffung geeigneter und auch durchsetzbarer Informations- und Kommunikationsregeln ist daher unumgänglich.198 Als Teil des Gewährleistungsverwaltungsrechts wären sie, gegebenenfalls ergänzt um bereichsspezifische Spezialregelungen, für sämtliche gewährleistungsstaatlich erbrachten Leistungen verbindlich. Inhaltlich müssten sie wiederkehrende Berichtspflichten des Leistungserbringers an die zuständige Gewährleistungsverwaltung unter Beifügung aller relevanten Unterlagen enthalten. Für Fälle besonderer Umstände, welche die Modalitäten oder die Finanzierung der Leistungen betreffen, ist die Normierung gegenseitiger Informationspflichten notwendig. Schließlich sind ergänzend explizit Festlegungen über Kontrollrechte der Verwaltung zu treffen, die sowohl auf die Leistung selbst, etwa ihre Qualität, Regelmäßigkeit der Erbringung sowie die Einhaltung von Sicherheitsstandards, als auch auf wirtschaftliche Vorgänge im Zusammenhang mit dieser, insbesondere die Verwendung öffentlicher Mittel, bezogen sind. Korrespondierend mit der so hergestellten Unternehmenstransparenz ist zwingend die Vertraulichkeit der durch die Verwaltung erlangten Kenntnisse sicherzustellen. Dies kann nicht zuletzt durch eine individuelle Sanktionierung von Verstößen geschehen. Weitere Regelungen sind jedoch weder notwendig noch sinnvoll, da andernfalls eine zu starke Einengung der privaten Initiabewerbsverzerrung und Defiziten beim Verbraucherschutz führen, K. Windthorst, Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation, S. 145. 195 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 172; U. Scheele, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 85. Zu den im Falle der Nichtwahrnehmung der Aufgabe durch diesen eintretenden Schwierigkeiten vgl. nochmals oben D.II.2. b)bb). 196 E. Grande, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 576 (588); W. Hoffmann-Riem, in: FS K. Vogel, S. 47 (50); G.F. Schuppert, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 539 (575); allgemein auf das Verhältnis von Staat und Gesellschaft bezogen auch D. Grimm, in: R. Voigt, Abschied vom Staat, S. 27 (47). 197 W. Spiess, Öffentliche Verwaltung im neuen Jahrtausend, S. 18. 198 Ebenso A. Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (308). Das fehlende Wissen der Verwaltung stellt eine große Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gewährleistungsstaates dar, der zwingend vorzubeugen ist, vgl. zur Problematik eindringlich J. Lege, VVDStRL 62 (2003), S. 346 (347). Allerdings ist die Bereitstellung von Informationen seitens der Wirtschaft als Voraussetzung für bestimmte Möglichkeiten keine neue Thematik mehr, vgl. etwa mit Beispielen insbesondere aus dem Gebiet des Kapitalmarktrechts J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 4 (17 f.).

D. Bewertung der Modelle

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tive erfolgen würde.199 Insbesondere ist von der Festschreibung von Weisungsrechten der Verwaltung im Hinblick auf die Leistungserbringung grundsätzlich abzusehen. Allein dann, wenn diese andernfalls nicht sichergestellt ist, ist eine Einflussnahme unter im Einzelnen festgelegten Voraussetzungen zu ermöglichen. Ein solches Regime führt zwar nicht zu einer echten, auf beiderseitiger Überzeugung zur Zusammenarbeit beruhenden Kooperation, es legt jedoch eine klare Rollenverteilung fest und sorgt somit sowohl für Leistungs- als auch für Rechtssicherheit. Auch bei gegebener Kontrollmöglichkeit bleibt die mittels Regulierung zu erreichende Steuerung der Leistungserbringer im Gewährleistungsstaat hinter derjenigen traditioneller Daseinsvorsorge zurück. Bei der bloßen Gewährleistung der Aufgabenerfüllung stehen der öffentlichen Hand deutlich geringere Einwirkungsmöglichkeiten zur Zielerreichung zur Verfügung als bei der Eigendurchführung.200 Die allein mögliche Rechtsaufsicht ist deutlich weniger intensiv als eine direkte Steuerung.201 Zudem besteht keine Sicherheit für den Eintritt des seitens der öffentlichen Hand angestrebten Steuerungserfolges.202 Dies ist jedoch als systembedingt hinzunehmen. Begrenzen lassen sich diese Schwierigkeiten allein durch eine bezogen auf das zu erreichende Ergebnis möglichst klare und detaillierte Ausgestaltung des Vertrages.203

cc) Verwaltungsorganisatorische Anforderungen Auch und gerade die Regulierung stellt besondere Anforderungen an die Verwaltungsorganisation. So ist zwingend die Einrichtung spezialisierter Regulierungsverwaltungseinheiten notwendig.204 Diese sind, um angesichts des relativ engen Kontakts zwischen Regulierer und Reguliertem die Gefahr von InteressenDiese ist ohnehin bedroht, H.H. Rupp, VVDStRL 62 (2003), S. 355 (355 f.). M. Burgi, DVBl. 2003, 949 (955); H.-U. Gallwas, VVDStRL 29 (1971), S. 211 (220); D. Greiling, in: D. Budäus, Organisationswandel, S. 235 (249). 201 H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, S. 289. 202 W. Hoffmann-Riem, Modernisierung von Recht und Justiz, S. 27. 203 Zu den dabei auftretenden Schwierigkeiten siehe oben D.II.2. b)cc). 204 Vgl. mit Bezug zur Nahverkehrsplanung A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 49. E. Grömig / J. Günther, Der Städtetag 7 – 8 / 2002, 21 (22), verweisen auf die Notwendigkeit der Schaffung von Steuerungs- und Controllingeinheiten. Nicht erforderlich und wegen der andernfalls bestehenden Zentralisierungsgefahr, vgl. Chr. Gusy, in: ders., Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 330 (343); N. Thom / A. Ritz, Public Management, S. 23; ebenso unter besonderer Betonung der Europäisierung E. Grande, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 576 (590); bezogen auf die österreichischen Erfahrungen und Pläne P. Bußjäger, Die Verwaltung 35 (2002), S. 223 (228 ff.), erscheint dagegen die aufgabenunabhängige Forderung nach einem speziellen Regulierungsbehördenapparat, so aber J.A. Kämmerer, Privatisierung, S. 88, und H. Cox, ZögU 25 (2002), S. 331 (336 f.), der zur Begründung auf den Unterschied zwischen bloßer Wettbewerbs- und umfassender Aufgabenregulierung verweist; wohl auch M. Bullinger, DVBl. 2003, 1355 (1361), welcher der Regulierungsbehörde „zentrale Bedeutung“ zuweist. 199 200

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1. Teil: Daseinsvorsorge und Gewährleistungsstaatlichkeit

konflikten zu vermeiden, von den Vergabeabteilungen organisatorisch und personell zu trennen. Überschneidungen mit den jeweiligen Verwaltungsfachbereichen sind dagegen eher möglich. Allerdings bestehen auch insoweit Bedenken, da diese an der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen ebenfalls beteiligt werden können. In jedem Fall muss die Regulierungseinheit auf vielfältig qualifiziertes Personal zurückgreifen können, um ihrer Aufgabe effektiv nachkommen zu können. Gerade kleinere Kommunen werden durch diese Aspekte vor große Herausforderungen gestellt. Insoweit bietet sich daher ebenso wie bezüglich der Vergabeabteilungen die Aufstellung von entsprechenden „Unterstützungseinheiten“ bei den Landratsämtern an, wenn im jeweiligen Landkreis ein entsprechender Bedarf besteht. Auch bei der Regulierung ist eine Heranziehung Privater zu unterstützenden Tätigkeiten möglich. Wegen der bei dieser gegebenen Möglichkeit des Grundrechtseingriffs ist eine vollständige Aufgabendelegation jedoch nicht möglich, so dass die Einrichtung von Regulierungsverwaltungseinheiten in nennenswertem Umfang unumgänglich ist. Nicht zuletzt durch die potentiell dauerhafte, teure und personalintensive Regulierung205 hält sich die Entlastung der öffentlichen Hand in Grenzen.206 Zu verhindern ist schließlich, dass die Regulierung ein „Eigenleben“ entwickelt.207 Ist die Verwaltung auch nach Art. 20 III GG an bestehende gesetzliche Regelungen gebunden, so erfordert dies jedenfalls das Vorliegen dieser. Erforderlich ist eine möglichst präzise und vor allem widerspruchsfreie Formulierung der Zielvorgaben für die mit Regulierungsaufgaben befassten Verwaltungseinheiten sowie deren Kompetenzausstattung und Kontrolle.208

205 J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 193; J.A. Kämmerer, JZ 1996, 1042 (1050); R. Sturm / M.M. Müller, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 107 (115 f.). 206 Aus historischer Perspektive G. Ambrosius, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 15 (24); zum Beispiel der Bahnreform M. Fehling, DÖV 2002, 793. 207 Vgl. J. Basedow, in: ders., Mehr Freiheit wagen, S. 4 (6); A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole, S. 24. 208 E. Grande, in: K. König / Angelika Benz, Privatisierung und staatliche Regulierung, S. 576 (588 f.).

Zweiter Teil

Ausprägung im ÖPNV E. ÖPNV Der Wandel des Staates vom Daseinsvorsorge- zum Gewährleistungsstaat lässt sich auf zahlreichen Sachgebieten beobachten. Während die wissenschaftliche Durchdringung etwa des Energie- oder des Telekommunikations- und Postbereichs nicht zuletzt unter diesem Aspekt bereits weit fortgeschritten ist, fehlt es daran bislang auf dem Gebiet des ÖPNV. Die bereichsbezogenen Darstellungen beschränken sich zumeist auf die in sich abgeschlossene Charakterisierung als Teilgebiet des Besonderen Verwaltungsrechts. An darüber hinaus weisenden tiefergehenden Bezügen fehlt es trotz der nunmehr seit einigen Jahren gesetzlichen Bezeichnung des ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge jedoch. Dies dürfte auf mehrere Faktoren zurückzuführen sein. Obwohl der Einzelne nahezu täglich ÖPNV-Leistungen in Anspruch nimmt oder dies zumindest tun kann, haben diese allenfalls regionale Bedeutung. Auch ist der Bereich durch eine im Vergleich zu anderen europäischen Ländern extreme Anbietervielzahl gekennzeichnet. Für die Untermauerung eines gesamtstaatliche Veränderungen kennzeichnenden Bildes erscheint der Bereich, der im Übrigen normativ durch ein komplexes Regelungsgeflecht gekennzeichnet ist,1 wegen seiner daraus resultierenden Unzugänglichkeit zunächst ungeeignet. Bei näherer Betrachtung erweist er sich jedoch gerade wegen dieser Schwierigkeiten als sinnvolles Referenzgebiet für den Wandel von Staatlichkeit auf den unteren Ebenen. Gerade dort stehen Konzepte wie dasjenige des Gewährleistungsstaats vor ihrer größten Bewährungsprobe. Die zahlreichen involvierten Interessen, die nicht zuletzt auch in rechtlichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden haben, sind miteinander in Ausgleich zu bringen. Der erst vor einigen Jahren reformierte Bereich des ÖPNV, dessen erneute Umwälzung absehbar ist, erscheint insoweit als ideales Beispiel. Zu diesem Zweck ist es auch bereits von Forsthoff herangezogen worden. Dieser ordnete den Verkehr einschließlich des ÖPNV der Daseinsvorsorge zu2 und implizierte damit eine besondere staatliche Einflussnahme, nachdem der Bereich bereits zuvor als Verwaltungsaufgabe3 gekennzeichnet wurde. Diese Einschätzung hat sich 1 2 3

R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12. E. Forsthoff, Verwaltung, S. 7, 36 f. = Rechtsfragen, S. 21, 38 f. L. v. Stein, Verwaltungslehre II, S. 56.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

bis heute erhalten. Der ÖPNV sei kein Markt wie jeder andere,4 vielmehr sei er durch Marktversagen5 geprägt und Teil der staatlichen bzw. öffentlichen Infrastruktur6 sowie der kommunalen Verkehrspolitik7. Indem die Mobilität zur zentralen Daseinsfunktion moderner Gemeinwesen8 geworden sei, müsse Versorgungssicherheit das kennzeichnende Prinzip im ÖPNV sein.9 Dennoch ist es bis heute nicht zu einer vollständigen und gesetzlich abgesicherten Verstaatlichung oder Kommunalisierung des Bereichs gekommen. Obwohl sich inzwischen auch die EG seiner unter Daseinsvorsorgegesichtspunkten annimmt,10 ist er nach wie vor Teil der gewerblichen Wirtschaft, wenn auch mit besonderer Grundversorgungsorientierung.11 Nach der herkömmlichen und noch immer fortgeltenden Konzeption des in erster Linie maßgeblichen PBefG ist er dies noch heute. Auch öffentliche Verkehrsbetriebe sind danach nicht leistende Verwaltungseinheiten, sondern Wirtschaftsunternehmen,12 welche die gewerberechtlichen Anforderungen erfüllen müssen und – soweit gesetzlich zugelassen – in den Wettbewerb mit anderen Unternehmen treten. Im Folgenden soll zunächst als Grundlage für die darauf folgenden rechtlichen Ausführungen mit Daseinsvorsorgebezug eine inhaltliche Annäherung an den Sachbereich des ÖPNV sowie die mit ihm verbundenen Ziele vorgenommen werden. Daraufhin ist kurz auf verfassungsrechtliche Bezüge einzugehen. Die im Anschluss angerissene historische Entwicklung des Bereichs von einer privatnützigen Tätigkeit hin zu einer Aufgabe der Daseinsvorsorge ist nicht zuletzt für das Verständnis der vor allem daseinsvorsorgerisch, in Ansätzen aber bereits gewährleistungsstaatlich geprägten aktuellen Rechtslage von Bedeutung. Dies gilt auch für die zuletzt zu behandelnde gewährleistungsstaatliche und damit konzeptionelle Reform des ÖPNV durch die EG und die damit verbundenen tief greifenden rechtlichen Änderungsnotwendigkeiten.

M. Janik, Der Landkreis 2001, 508. A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438 (441); dahingehend auch R. Bocklet, Der Landkreis 2001, 427. 6 P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51; W. Pällmann, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 6. 7 C. Rosenthal, in: J. Bellers / R. Frey / C. Rosenthal, Kommunalpolitik, S. 235 (239 f.). 8 M. Löw, Regionalisierung, S. 237. 9 P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (53); W. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7 (8). 10 Vgl. Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 71 (79), sowie ausführlich unten G.I., H.II. 11 R. Maaß, Wettbewerb, S. 34, 59. 12 F. Ossenbühl, Daseinsvorsorge, S. 555 (577). 4 5

E. ÖPNV

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I. Begriffsbestimmung Der Begriff ÖPNV ist trotz seiner selbstverständlichen Verwendung in der Alltagssprache sowie der Aufnahme in die Gesetzessprache etwa in § 8 I PBefG nicht aus sich selbst heraus verständlich und bedarf zur Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes näherer Bestimmung. Dabei ist zwischen beiden Sprachsphären zu unterscheiden, da die Definitionen beider im Detail voneinander abweichen. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit sind jedoch beide Ansätze von Interesse, da die Zuordnung des ÖPNV zur Daseinsvorsorge, zumal auf europäischer Ebene, nicht an bundesgesetzliche Begriffsbestimmungen gebunden ist. Die terminologische Ungenauigkeit des Begriffs rührt vor allem daher, dass dieser sowohl als Oberbegriff, als auch als Abgrenzung zum in § 2 V 1 AEG legaldefinierten SPNV gebraucht wird.13 Die neuere Gesetzgebung, die der zweiten Alternative folgt, hat insoweit eher für eine Festschreibung der Unstimmigkeiten gesorgt. Übereinstimmung besteht jedoch insoweit, als keine Anknüpfung an den Eigentumsverhältnissen erfolgt.14 1. Funktionale Bestimmung Eine funktionale Bestimmung des ÖPNV hat an dessen begrifflichen Einzelmerkmalen anzusetzen. Diese beziehen sich auf die öffentliche, also jedermann zugängliche15 und damit kollektive Personenbeförderung im Nahverkehr. ÖPNV ist danach innerhalb eines kleinräumigen Gebietes, das „an die Allgemeinheit gerichtete Angebot, sich von einem Ausgangsort zu einem Zielort befördern zu lassen“16. Während die Abgrenzung zum Güterverkehr, der den Transport von über begleitendes Reisegepäck hinausgehenden Gegenständen umfasst,17 keine Schwierigkeiten aufwirft, ist die Abgrenzung von Nah- und Fernverkehr insbesondere in ländlichen Regionen schwierig.18 Auch der früher übliche Begriff des Orts- und Nachbarortsverkehrs19 ist nur in begrenztem Maße hilfreich. Er vermag allein in Ballungsgebieten eine Abgrenzung zu ermöglichen. Es erscheint daher denkbar, eine Bestimmung nach dem Fahrtenzweck vorzunehmen. Fahrten etwa zum 13 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 6; ders., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 2. 14 W. Grafberger, Der Öffentliche Personennahverkehr, S. 9; U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 15; J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 4, 7. 15 U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 15; J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 4. 16 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 34. 17 P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (52); J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 6. 18 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 7. 19 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 4.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Zwecke der Ausbildung, zur Arbeit, zu Besorgungen oder ähnlichen, typischerweise lokal verankerten Tätigkeiten wären demnach prägend für den ÖPNV.20 So zutreffend diese Beobachtung auch ist, ist sie doch nicht geeignet, eine Begriffsbestimmung mit rechtlichen Konsequenzen vorzunehmen. Der Zweck der Inanspruchnahme einer Verkehrsleistung bestimmt sich subjektiv und ohne Bekanntgabe der Gründe durch die Nutzer. Der Zweck einer Beförderung kann daher für die Zuordnung zum ÖPNV keine Rolle spielen.21 In diesem Aspekt liegt die größte Schwäche des funktionalen ÖPNV-Begriffs. Indem er konsequent auf das „Ergebnis“ der Beförderungsleistung abstellt, trifft er keine Aussage über die technische Art und Weise seiner Erbringung. Er bildet damit einen Oberbegriff sowohl für den Nahverkehr auf gesonderten Schienenwegen (SPNV) als auch auf der Straße (ÖSPV / enger ÖPNV-Begriff). Obwohl der Linienverkehr diesbezüglich die typische Erscheinungsform darstellt, erfasst der funktionale ÖPNV-Begriff daneben eine Vielzahl alternativer Erbringungsformen.

2. Gesetzliche Bestimmung Im Detail voneinander abweichende Legaldefinitionen des ÖPNV finden sich in § 2 BRegG und § 8 I PBefG. Die Bestimmung des BRegG ist dabei weiter und dem funktionalen Begriffsverständnis angenähert. Danach ist ÖPNV „die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.“ § 8 I 1 PBefG ersetzt die neutrale Bezeichnung der Verkehrsmittel durch die Aufzählung bestimmter Verkehrsmittel und nimmt damit eine technikorientierte Bestimmung vor. ÖPNV wird danach mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen22 durchgeführt, wobei nach § 8 II PBefG auch diesen ersetzender, ergänzender oder verdichtender Verkehr mit Taxen oder Mietwagen dem ÖPNV unterfällt. Rechtlich davon zu trennen ist der SPNV, der in § 2 V AEG im Übrigen gleichlautend als entsprechende Beförderung in Zügen legaldefiniert ist.23 W. Grafberger, Der Öffentliche Personennahverkehr, S. 10. G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBefG Rn. 2. 22 Von Bedeutung ist insoweit nur der Busverkehr, der regelmäßig Zubringerdienste und Querverbindungen für Bahnen herstellt und ergänzende Verbindungen zwischen Randbereich und Zentrum anbietet, VDV, Mobilität, S. 90. 23 Darunter fallen insbesondere die in zahlreichen Städten das Rückgrat des Nahverkehrs bildenden eisenbahnähnlichen S-Bahnen, die im kreuzungsfreien Schnell-Vorortverkehr anfangs die Gleise der Fernverkehrsstrecken mitbenutzten, heute aber zumeist über eigene, vom Fernverkehr getrennte Trassen verfügen, VDV, Mobilität, S. 42, 134. 20 21

E. ÖPNV

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Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber selbst zwei ÖPNV-Begriffe verwendet. Im engeren, personenbeförderungsrechtlichen Sinne umfasst der ÖPNV allein den ÖSPV, in einem weiteren, dem BRegG zugrunde liegenden Verständnis wird auch der SPNV erfasst, sowie darüber hinausgehend liniengebundene Sonderformen, wie etwa Bahnen besonderer Bauart sowie Fähren,24 soweit sich diese nicht nach § 4 I, II PBefG unter den weit gefassten und damit an Trennschärfe einbüßenden Begriff der „Straßenbahnen“ subsumieren lassen.25 In jedem Falle ist jedoch, wenn auch in § 2 V AEG nicht ausdrücklich erwähnt, sondern wohl technisch vorausgesetzt, die Erbringung der Verkehrsleistungen im Linienverkehr wesentliches Element des ÖPNV-Begriffs. Als Linienverkehr wird gemäß § 42 S. 1 PBefG „eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen einund aussteigen können“, bezeichnet. Diese Bestimmung kann Schwierigkeiten in Bezug auf die rechtliche Einordnung alternativer kollektiver Nahverkehrsmittel bereiten, die auch keine besonderen Formen des Linienverkehrs nach § 43 PBefG darstellen.26 Sie ist jedoch geeignet, in erster Linie auf individuellen Fahrwünschen beruhende Verkehre im Nahverkehr, etwa den nicht unter § 8 II PBefG 24 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 13; H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105. 25 Als Straßenbahnen werden herkömmlich nur grundsätzlich in den allgemeinen lokalen Straßenverkehr integrierte, gegenüber der Eisenbahn leichtere Ausführungen des Schienenverkehrs bezeichnet, N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (135); H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 32 f.; VDV, Mobilität, S. 76, vgl. auch § 4 I Nr. 1 PBefG. Gleichgestellt sind dieser nach § 4 I Nr. 2 PBefG unstrittig die daraus hervorgegangenen Stadtbahnen, die mit größeren Haltestellenabständen teilweise auf abgetrennten Gleiskörpern der Stadt-Umland-Verbindung dienen, VDV, ebd., S. 68, und damit je nach konkreter Ausführung gewisse Ähnlichkeit zu den Regelungen des AEG unterfallenden S-Bahnen aufweisen. Darunter fallen nach § 4 II PBefG auch sonstige im Orts- oder Nachbarschaftsbereich fahrende Bahnen mit Ausnahme von Berg- und Seilbahnen, insbesondere auch U-Bahnen, die in einigen Ballungszentren (z.Zt. in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München und Nürnberg) auf einem unabhängigen kreuzungsfreien Bahnkörper dem Massenverkehr dienen, VDV, Mobilität, S. 28, 134. 26 Zu nennen sind insoweit insbesondere die professionell betriebenen Konzepte AnrufBus (Tür zu Tür-Beförderung nach Anruf), Anruflinienbus (Bedarfslinienbetrieb mit festen Haltestellen nach Anmeldung), Anrufsammelbus (Richtungsbandbetrieb, d. h. Abweichung von direkter Linie bei gleich bleibender Grundrichtung auf Wunsch möglich, mit festen Haltestellen), vgl. zu diesen ausführlicher Chr. Mehlert, AnrufBus, S. 31 ff.; Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 112, sowie „ÖPNVNEU“ (bedarfsorientiert auf Grundlage von Telekommunikation einer Zentrale mit den Nutzern und computerisierter interner Abstimmung, flächenartiger Tür zu Tür-Personentransport im Stadt-Land-Verbund), dazu J. Pingel, ÖPNVNEU, S. 14. Daneben ist insbesondere das ehrenamtlich betriebene und an Haltestellen gebundene Bürgerbussystem, das sich zunehmender Beliebtheit erfreut, Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 111, von Bedeutung. Unproblematisch ist dagegen diesbezüglich das trotz seiner Einschätzung als Ergänzung zum ÖPNV, so P. Hoffmann, in: A. Pastowski / R. Petersen, Wege aus dem Stau, S. 85 (89); T. Perner / P. Schöne / H. Brosig, Dresdner Modell, S. 41 ff.; J. Schwarz, in: A. Pastowski / R. Petersen, Wege aus dem Stau, S. 65 (74), zum MIV zu rechnende Car-sharing, siehe dazu im Einzelnen T. Perner / P. Schöne / H. Brosig, ebd., S. 14 ff.; J. Schwarz, ebd., S. 65 (66 ff.).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

fallenden Taxenverkehr, der nach §§ 46 I, II Nr. 1, 47 PBefG dem Gelegenheitsverkehr zuzurechnen ist, schon begrifflich aus dem ÖPNV-Regime herauszunehmen und so die sachlich gebotene Ungleichbehandlung beider Verkehrssysteme zu gewährleisten. Vorteilhaft gegenüber der funktionalen Bestimmung des ÖPNV-Begriffs erscheint schließlich die klare räumliche Eingrenzung, die anders als bei jener auch den Regionalverkehr umfasst.27 Allerdings führt diese Erweiterung zugleich zu einer Erschwerung der Abgrenzung zum Fernverkehr. Insbesondere die in den gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene zeitliche Grenze von einer Stunde führt angesichts der Schnelligkeit moderner Massenverkehrsmittel dazu, dass ganze Flächenstaaten zum „Nahbereich“ zentral gelegener Orte gehören.28 Dies steht zugleich im Widerspruch zu der Tatsache, dass der ÖPNV regelmäßig eine den Kommunen zugeordnete Aufgabe ist.29 Negativ fällt zudem auf, dass die Begriffsbestimmung verkehrsmittelspezifisch modifiziert wird. So stellt § 4 I, II PBefG mit Bezug zur Definition der Straßenbahn und der dieser rechtlich gleichgestellten Bahnen auf einen Verkehrsmitteleinsatz zur Personenbeförderung im „Orts- oder Nachbarschaftsbereich“ ab, worunter jedoch nicht nur unmittelbar benachbarte Orte fallen.30 Sinnvoll wäre eine solche begriffliche Abweichung allein zur Ermöglichung einer klaren Abgrenzung gegenüber dem SPNV nach § 2 V AEG. Gerade diese wird jedoch nicht erreicht, da sich auch der S-Bahn-Betrieb in dem entsprechenden Bereich abspielt. Die in §§ 10 PBefG, 2 VII AEG vorgesehenen behördlichen Zuordnungsbefugnisse können diesen Missstand nicht aufwiegen. Vielmehr sind die insoweit vorgesehenen Einzelentscheidungen geeignet, die Begriffsverwirrung noch zu vergrößern. Insgesamt ist die gesetzliche Begriffsbestimmung des ÖPNV nicht befriedigend gelungen. Sofern im Folgenden der Begriff mit Bezug zum PBefG angesprochen wird, ist allein dessen Begriffsbestimmung maßgebend. Im Übrigen soll er im oben dargestellten funktionalen Sinn, ergänzt um die Verkehrserbringung im Linienverkehr, verwandt werden, da allein eine solche Bestimmung der Problematik der Beförderung im Nahverkehr sachlich gerecht wird. In letzterem Sinne ist der ÖPNV auch als Aufgabe der Daseinsvorsorge anzusehen. Als solche unterliegt sie jedoch gerade der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber.

27 G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 1; Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 8 Rn. 3. 28 So sind etwa von Stuttgart aus die Landesgrenzen Baden-Württembergs stets innerhalb dieser Zeit erreichbar, H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 49 (52). 29 Kritisch daher H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105. Dagegen hebt Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 103, hervor, dass die Regionen der eigentlich relevante Bereich kommunaler Verkehrsplanungen seien. 30 G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 4 PBefG Rn. 1.

E. ÖPNV

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II. ÖPNV in Zahlen Die Bedeutung des ÖPNV kann in vielfacher Hinsicht kaum überschätzt werden. Obwohl sich Personenbeförderung im Nahverkehr nur als räumlich eng begrenzte Aufgabe darstellt und der wirtschaftliche Ertrag einer einzelnen Beförderung marginal ist, ist der Bereich in seiner Gesamtheit eine nicht zu vernachlässigende Größe mit bemerkenswertem Wachstumspotential.31 Etwa 95 % des Personenverkehrsaufkommens in Deutschland entfällt auf den Nahverkehr32 und bildet damit das Potential für die Entwicklung des ÖPNV. Dessen Anteil ist jedoch vergleichsweise gering. Zwar wird der ÖPNV täglich von über 26 Mio. Menschen genutzt,33 wodurch etwa 18,5 Mio. täglicher Pkw-Fahrten eingespart werden.34 Insgesamt verfügt der ÖPNV wegen seiner tatsächlichen und subjektiv empfundenen Mängel nur über eine geringe Akzeptanz bei den Verkehrsteilnehmern.35 Zwischenzeitliche Verbesserungen36 sind inzwischen wieder rückläufigen Fahrgastzahlen und einem geringeren Anteil am modal split gewichen.37 Der private Pkw ist die heute mit Abstand wichtigste Verkehrsform in Deutschland.38 So fuhren im Jahr 2000 64 % der Erwerbstätigen mit dem Auto zur Arbeit, nach 57 % 1991. Nur 5 % davon nahmen als Mitfahrer daran teil. Eine noch deutlichere Spreche zu Lasten des ÖPNV sprechen die Zahlen für die Fahrten zum Arbeitsplatz, wenn dieser über 10 km vom Wohnort entfernt ist. Die Gewichtung des MIV betrug 2000 82 %, nach 76 % im Jahre 1991. Der dabei deutlich werdende Anstieg des MIV ist insbesondere auf die von automobilem Nachholbedarf geprägte Entwicklung in Ostdeutschland zurückzuführen.39 Insgesamt beträgt der Anteil des ÖPNV in Deutschland am Verkehrsaufkommen 18 %, an der VerkehrsÄhnlich mit besonderem Bezug zum Regionalverkehr VDV, Mobilität, S. 20. S. Rommerskirchen, in: BayStMinWV, Umweltfreundlicher Verkehr, S. 35 (41). 33 VDV, VDV-Statistik 2001, S. 12. Dies sind insgesamt etwa 9,5 Mrd. Nahverkehrsfahrgäste im Jahr 2001 durch alle (funktionalen) ÖPNV-Anbieter. Der Anteil der DB Regio AG davon betrug davon etwa 1,5 Mrd. Fahrgäste, vgl. ebd. Gegenüber 1995 (8,5 Mrd. Beförderungen im ÖPNV, davon etwa 1,2 Mrd. durch die DB AG, vgl. VDV, Mobilität, S. 20) stellt dies absolut gesehen einen deutlichen Zuwachs dar. 34 K. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491. 35 J. Pingel, ÖPNV NEU, S. 56; U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 18; ähnlich J. Sumpf, Internationales Verkehrswesen 2002, 539. 36 D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (77); Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 95. 37 U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 13. 38 J. Pingel, ÖPNV NEU, S. 45. Auch europaweit ist eine „deutliche Verlagerung zugunsten des privaten Pkw“ nicht zuletzt im Nahverkehr festzustellen: 1970 wurden 65 %, 1997 bereits 74 % der Fahrten mit dem Auto vorgenommen. 50 % der dabei zurückgelegten Wege betrugen unter 6 km, 10 % unter 1 km. Der Pkw-Bestand stieg seit 1970 um 150 % und nimmt teilweise noch rapide zu, Europäische Umweltagentur, Indikatoren, S. 16. 39 J. Heyer, Der Landkreis 2001, 528. Zu Ausgangslage und Entwicklung in der ehemaligen DDR siehe plastisch M. Hesse, Verkehrswende S. 57 f. 31 32

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

leistung etwa 9%.40 Eine vollständig Verdrängung des MIV im Nahverkehr ist selbstverständlich illusorisch, zumal der Umstieg vom ÖPNV auf den Privat-Pkw wirtschaftlich und psychologisch deutlich einfacher ist als umgekehrt41 und der ÖPNV auch nicht stets den individuellen Verkehrsbedürfnissen entsprechende Verkehrsleistungen anbieten kann. Immerhin wird das realistische „Anwerbungspotential“ auf ca. 17% geschätzt, wobei angenommen wird, dass heute nur die Hälfte potentieller, also in ihren Verkehrsbedürfnissen durch das Angebot zufrieden zu stellender ÖPNV-Nutzer diesen tatsächlich in Anspruch nimmt.42 Wirtschaftlich zeigt der ÖPNV ein gespaltenes Bild. Obwohl er in seiner Gesamtheit etwa 1 % der Bruttowertschöpfung in der Bundesrepublik ausmacht43 und damit ein bedeutender Marktfaktor ist,44 ist er bezüglich der Einzelleistungen durch hohe Defizite geprägt.45 Nur in Ausnahmefällen, vor allem im regionalen Busverkehr,46 können ÖPNV-Leistungen kostendeckend erbracht werden.47 Der derzeitig erreichte Kostendeckungsgrad wird bundesweit von 30 – 40 %48 bis zu 70 % mit steigender Tendenz49 angegeben.50 / 51 Statt Traumrenditen werden 40 H. Nöthe, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 3 (8). Im Ruhrgebiet liegen die Zahlen etwas höher, vgl. A. Welge, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 35. 41 J. Sumpf, Internationales Verkehrswesen 2002, 539. 42 J. Heyer, Der Landkreis 2001, 528 (529). 43 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131. E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 25, weist jedoch darauf hin, dass eine klare Bestimmung der volkswirtschaftlichen Bedeutung des ÖPNV nicht möglich ist. 44 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 33; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 13 (17); VDV, Mobilität, S. 22. 45 C. Lehmann / H. Rodi, Marktwirtschaft, S. 20, 27. 46 J. Hoffstadt, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 83 (95). 47 J. Heyer, Der Landkreis 2001, 528 (529); H.-U. Mann, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 18; G. Püttner, in: ders., Der regionalisierte Nahverkehr, S. 89 (90); U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 56; H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105 (109). 48 G. Hickmann, Der Landkreis 2001, 542. Im SPNV liegt der Kostendeckungsgrad mit teilweise 20 – 30% noch darunter, vgl. H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105 (109); ders., in: M. Sachs, GG, Art. 106a Rn. 1. 49 So bezüglich der zumeist kommunalen, im VDV organisierten Unternehmen für den Zeitraum 2000 / 2001 J. Kahmann, Der Landkreis 2001, 531; einige Prozentpunkte darunter für das Jahr 2000 VDV, VDV-Statistik 2001, S. 21; ähnlich A. Bühner, in: B. Fabry / U. Augsten, Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, S. 609. O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81 (82); G. Hickmann, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 43 (58); W. Räpple, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 135 (141), verweisen auf erfolgreiche Anstrengungen bezüglich der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. 50 In jedem Fall ist diesbezüglich eine Verbesserung eingetreten. So verbesserte sich der Kostendeckungsgrad der VDV-Unternehmen in den alten Bundesländern und Berlin von 1990 bis 1995 von 61,3 auf 67%, O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81 (86); H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105 (109), in den neuen Bundesländern im selben Zeitraum von 26,7 auf 58,5%, H. Siekmann, ebd.

E. ÖPNV

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gleichsam Alpträume erwirtschaftet.52 Darin liegt ein deutlicher Unterschied zu anderen, bereits weitergehend liberalisierten Bereichen der Daseinsvorsorge, etwa der Telekommunikation oder der Energieversorgung, in denen zuvor Monopolrenten anfielen.53 Der Ausgleich der Defizite erfolgt durch Zahlungen der öffentlichen Hand, die bezogen auf den Umsatz durchschnittlich 55 % ausmachen, bei den Einzelunternehmen jedoch zwischen 10 und 80 % schwanken.54 Entsprechend entfielen auf den jährlichen Gesamtumsatz 2000 / 2001 von ca. 40 Mrd. DM55 etwa 22 Mrd. DM auf öffentliche Mittel.56 Das jährliche Investitionsvolumen im ÖPNV betrug dabei ca. 13 Mrd. DM.57 Als größte Kostenverursacher treten im Busverkehr die Personalkosten, im schienengebundenen Verkehr diejenigen der Infrastrukturbewirtschaftung auf.58 Die Unternehmensstruktur im ÖPNV ist von einer „Atomisierung der Branche“ durch Klein- und Kleinstunternehmen geprägt. So haben ca. 90 % der Unternehmen nicht mehr als 20 Busse.59 Diese kleinen Unternehmen sind zumeist in privater Hand. Allerdings befördern die insgesamt etwa 4000 privaten Busunterneh51 Die angegeben Zahlen variieren teilweise deutlich voneinander. Neben den sich auch hier auswirkenden Schwierigkeiten der Begriffsbestimmung besteht wegen des regionalen Charakters des ÖPNV und der Nichtexistenz eines bundesweit einheitlichen ÖPNV-Verbandes das Problem des Fehlens umfassender Statistiken. Zudem werden zugeführte Mittel unterschiedlich klassifiziert. Die hier angegebenen Werte erheben daher nicht den Anspruch auf vollständige Genauigkeit. Sie sind aber geeignet, einen Überblick zu ermöglichen und als Hintergrund für die folgenden juristischen Ausführungen zu dienen. 52 So O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81 (82). Dies ist jedoch auch heute nicht zwingend. Sofern die Rahmenbedingungen des gesamten Nahverkehrs einschließlich des MIV stimmig gestaltet werden, ist der ÖPNV keineswegs notwendigerweise defizitär, vgl. insoweit das Beispiel Singapur, dazu W. Völkening, Nahverkehrspraxis 1993, 284 ff. 53 G. Fredrich, Der Nahverkehr 11 / 2000, 14. 54 H.-J. Ewers / G. Ilgmann, Wettbewerb im ÖPNV, S. 4. 55 G. Hickmann, Der Landkreis 2001, 542; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131; bereits zuvor als Kennzahl A. Bühner / G. Augsburg, Nahverkehrspraxis 11 / 2000, 23; H.-J. Ewers / G. Ilgmann, Wettbewerb im ÖPNV, S. 2. Für 1996 gibt der VDV einen Gesamumsatz von 36 Mrd. DM an, wovon 14 Mrd. DM, einschließlich 3,4 Mrd. DM für die DB AG, auf Fahrgeldeinnahmen entfielen, VDV, Mobilität, S. 20. Drei Jahre zuvor betrugen die Fahrgeldeinnahmen noch 13 Mrd. DM bei Finanzleistungen der öffentlichen Hand von insgesamt 32,4 Mrd. DM an den ÖPNV, O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81 (82). 56 H.-J. Ewers / G. Ilgmann, Wettbewerb im ÖPNV, S. 3; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131. G. Hickmann, Der Landkreis 2001, 542; ders., in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 43 (46), geht sogar von staatlichen und kommunalen Förderungen und Zuschüssen in Höhe von 25 Mrd. DM aus und folgert daraus, dass der ÖPNV deshalb eine öffentliche Aufgabe geworden sei. 57 H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105 (107). 58 J. Werner, WiVerw 2001, 89 (91). 59 A.W.T. Dostal, Internationales Verkehrswesen 2000, 86 (88). Die privaten Verkehrsunternehmen beschäftigen durchschnittlich acht, die öffentlichen 400 Mitarbeiter, E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 39.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

men nur 6 % der Nahverkehrsfahrgäste.60 Die 365 öffentlichen, vor allem kommunalen Verkehrsunternehmen haben dagegen einen Marktanteil von 75 %.61 Diese Marktanteile stehen jedoch nicht im Einklang mit der jeweiligen Linienlänge. Die Gesamtlinienlänge wird je etwa zur Hälfte von privaten und öffentlichen Unternehmen betrieben.62 Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass der ÖPNV in den Städten zumeist von kommunalen Unternehmen erbracht wird, während in den durch deutlich längere Strecken geprägten ländlichen Regionen private und daneben auch bundeseigene Unternehmen die Verkehrsleistungen anbieten.63 Gerade in diesen Gebieten stellt auch die nach § 45a PBefG mit Ausgleichszahlungen aus öffentlichen Mitteln von einer Gesamthöhe von jährlich etwa 1 Mrd. A geförderte64 Schülerbeförderung als das den sonstigen ÖPNV in gewissem Rahmen ermöglichende Rückgrat dar.65 Festzuhalten ist damit, dass der Bereich des ÖPNV, obwohl von immenser gesamtwirtschaftlicher Bedeutung und damit grundsätzlich wirtschaftlicher Attraktivität, von defizitären Strukturen geprägt ist. Zugleich verfügt die öffentliche Hand über eine umfassende Vormachtstellung im Markt. Soweit diese nicht durch eigene Unternehmen verwirklicht wird, bestehen zumindest durch die finanzielle Abhängigkeit der privaten Unternehmen von deren Zahlungen faktisch große Einflussnahmemöglichkeiten. Die aufgewendeten Haushaltsmittel übersteigen deutlich die Einnahmen durch den Verkauf von Fahrausweisen und damit die Gegenleistungen der Nutzer. Der Gebrauch des ÖPNV durch die Verkehrsteilnehmer bleibt dabei deutlich hinter den realistisch erreichbaren Möglichkeiten zurück. Insgesamt stellt sich der Bereich damit als gewaltiges Zuschussgeschäft der öffentlichen Hand dar, ohne dass eine Einbindung in ein in sich stimmiges Gesamtverkehrskonzept erfolgt wäre und damit ohne erreichbare Erfolge tatsächlich zu erreichen.

60 2500 Unternehmen ohne Subunternehmer öffentlicher Verkehrsbetriebe, Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 71 (71 f.); M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (132). E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 39, spricht von 6000 Unternehmen, die in den alten Bundesländern einen Anteil an den Beförderungsleistungen von etwa 16 % haben. 61 Die heutige DB Regio AG hat zudem einen Marktanteil von etwa 15 %. Die restlichen, im eigentlichen Sinne nicht mehr dem ÖPNV zuzurechnenden Beförderungen werden vor allem mit Taxen vorgenommen, zum Ganzen VDV, Mobilität, S. 24. Bezogen auf die Anzahl der beförderten Personen liegt der Gesamtmarktanteil öffentlicher Unternehmen, zu denen hier auch gemischwirtschaftliche Unternehmen zu rechnen sind, demnach bei 90 %, vgl. auch E. Frenz, ZUR 1997, 1 (2); H.D. Jarass, Kommunale Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb, S. 1. Der schienengebundene Nahverkehr erfolgt ebenfalls fast ausschließlich durch die öffentliche Hand, H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 49 (51), wenn auch die Bahnreform zu einem gewissen Wettbewerb im regionalen SPNV geführt hat, VDV, Mobilität, S. 220, 222. 62 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 71. 63 H. Krämer, Der Nahverkehr 4 / 1995, 6 (7). 64 O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81 (85); A. Welge, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 35 (41): 2 Mrd. DM. 65 VDV, Mobilität, S. 100; ähnlich H. Krämer, Nahverkehrspraxis 1 – 2 / 2003, 27.

E. ÖPNV

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III. Ziele des ÖPNV Die mit dem ÖPNV verfolgten Ziele sind vielfältig,66 sich überschneidend und überdies teilweise divergierend.67 Aufgrund dieser im vorrechtlichen Bereich liegenden Schwierigkeiten gestaltet sich auch die rechtliche Ausgestaltung des Bereichs als problematisch. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis von zur Zielerreichung notwendiger staatlicher Einflussnahme und unternehmerischer Freiheit. Auch insoweit ist der ÖPNV eine typische Aufgabe der Daseinsvorsorge. Um jedoch Klarheit darüber gewinnen zu können, ob und inwieweit eine gewährleistungsstaatliche Organisation des Bereichs möglich ist, ist es unerlässlich, die mit dem ÖPNV verbundenen Ziele zu analysieren. Zwar sind auch diese veränderbar. Eine solche Veränderung unterliegt jedoch, soweit nicht verfassungsrechtliche Gesichtspunkte eingreifen,68 nicht rechtlichen, sondern allein politischen Entscheidungen und soll daher außer Betracht bleiben.

1. Beförderungsleistung Nach wie vor ist der Transport von Personen die unumstrittene zentrale und in erster Linie kennzeichnende Aufgabe des ÖPNV.69 Die räumliche Beweglichkeit ist eine Grundbedingung der menschlichen Existenz in der modernen arbeitsteiligen Gesellschaft und ermöglicht diese zugleich.70 Wegen der auch im Nahbereich immer größeren zurückzulegenden Entfernungen ist zumindest in Ballungsgebieten heute die Aufrechterhaltung der städtischen Mobilität ohne ein ÖPNV-Angebot praktisch unmöglich.71 Verkehr dient als Mittel der Bewältigung von privat oder geschäftlich motivierten Aktivitäten,72 verbessert insbesondere die Mobilität des Faktors Arbeit und erleichtert den Zugang zu Verwaltungen und Geschäften.73 Das große und noch immer74 steigende Mobilitätsbedürfnis von Bevölkerung und Wirt66 M. Scholl, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 85 (88), spricht von Mehrdimensionalität. 67 G. Hammerschmid, New Public Management, S. 135. 68 Dazu sogleich unter E.IV. 69 P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (52). 70 U. Häusler / D. Haase / G. Lange, Schienen statt Straßen?, S. 24 f.; R. Maaß, Wettbewerb, S. 42; H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 2; Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (11); A. Schink / M. Kuhn / Chr. Rühl, Der Landkreis 2001, 438 (441). 71 P. Kistner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 163; D. Ludwig, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 3 (4). 72 EG-Kommission, KOM(95) 691 endg., S. 1; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 9. 73 U. Häusler / D. Haase / G. Lange, Schienen statt Straßen?, S. 24 f.; R. Maaß, Wettbewerb, S. 43; H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105 (108); vgl. zu den Schwierigkeiten, denen sich Radfahrer und Fußgänger ausgesetzt sehen S. Feldhaus, Verantwortbare Wege, S. 145.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

schaft75 soll durch den allen Bürgern gleichermaßen und in gleicher Qualität zur Verfügung stehenden ÖPNV sichergestellt werden.76 Dazu erforderlich ist eine sowohl flächendeckende77 als auch sichere und für den Einzelnen preiswerte78 Verkehrsbedienung. Als Idealfall erscheint eine flächendeckende Verkehrsbedienung zu möglichst allen Zeiten auf möglichst kundenfreundliche Art und Weise. Am besten läst sich diese Vorgabe durch ein einheitliches Netz mit zugehörigem einheitlichen Fahrplan, Tarif und Fahrschein verwirklichen.79

2. Soziale Verantwortung Eng mit der Sicherstellung von Mobilität hängt die häufig mit dem ÖPNV verbundene soziale Funktion80 zusammen. Zwar ist diese wie im gesamten Daseinsvorsorgebereich81 nicht unumstritten.82 Indem der ÖPNV jedoch nicht zuletzt auch der Sicherung der Mobilitätschance der auch in der modernen, durch einen hohen Grad individueller Motorisierung geprägten Gesellschaft keineswegs unbedeutenden Gruppe83 autoloser Bürger dient,84 lässt sich eine soziale Komponente zumin74 Schon während der letzten Jahrzehnte ist die Verkehrsnachfrage erheblich gestiegen, vgl. S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 35. 75 O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81. 76 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 35; P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (53); G. Girnau, Der Nahverkehr 4 / 1991, 10; M. Janik, Der Landkreis 2001, 508; H. Schad / H. Riedle / M. Höffken / F. Bihn, Der Nahverkehr 6 / 2000, 21. 77 P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (53); D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (4). 78 M. Moraing / G. Püttner, in: G. Püttner, Bewegung, S. 45 (50). Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 119, bezeichnet es jedoch als „offensichtlich utopisch“, dass „jedermann jederzeit und überall ein preiswertes Beförderungsangebot im ÖPNV vorfindet.“ 79 G. Girnau, Der Nahverkehr 4 / 1991, 10. 80 Vgl. U. Häusler / D. Haase / G. Lange, Schienen statt Straßen?, S. 41; D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (4). 81 Siehe oben A.III.1. 82 Plastisch H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105 (121): Verkehrspolitik habe nicht die Aufgabe der „Beförderung sozialer Gerechtigkeit“; ähnlich Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 127. 83 Wichtigste Teilgruppen sind insoweit die ca. 15 Mio. Schüler und Jugendliche unter 18 Jahren, derzeit etwa 6 Mio. Senioren und 6 – 9 Mio. sozial Schwache, K. Haefner / G. Marte, Der schlanke Verkehr, S. 34. U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 18, sprechen hinsichtlich dieser Zwangskunden bildhaft von den sechs großen A: Alte, Auszubildende, Ausländer, Alleinerziehende, Arbeitslose und Arme. Insgesamt machen diese über 30% der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus, K. Haefner / G. Marte, ebd.; D. Ludwig, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 3 (4); Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 20. U. Häusler / D. Haase / G. Lange, Schienen statt Straßen?, S. 40, gehen sogar davon aus, dass 2 / 3 der Bevölkerung zumindest zeitweise nicht auf ein eigenes Fahrzeug zurückgreifen

E. ÖPNV

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dest insoweit kaum leugnen. Indem die Verbesserung individueller Mobilität mit der Verbesserung der persönlichen und geschäftlichen Aktionsradien einhergeht,85 verleiht die durch den ÖPNV vermittelte Mobilität einen höheren sozialen Status86 und hat damit zugleich gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Weitgehend durch die Verbreitung des MIV verloren gegangen ist dagegen die früher wichtige, sozial geprägte Funktion der Ermöglichung gesunder Wohnverhältnisse durch dezentralisiertes Wohnen.87 Neben diesen in erster Linie mit individuellen Wirkungen ausgestatteten, lassen sich mit dem ÖPNV weitergehende soziale Wirkungen verfolgen. So spielen die ÖPNV-Unternehmen eine gewichtige, wenn auch abnehmende Rolle im Arbeitsmarkt.88 Darüber hinaus entfaltet der Bereich Beschäftigungswirkungen über den eigentlichen ÖPNV-Betrieb hinaus, die von der Fahrzeugindustrie bis hin zu Beratungsfirmen reichen.89 Ferner übernahmen kommunale Verkehrsunternehmen Sonderlasten im Interesse lokaler Beschäftigungspolitik90 und zur Erfüllung sonstiger wirtschafts- und sozialpolitischer Aufgaben91 und dienten so als Instrumente der Kommunalpolitik. Nicht zuletzt dadurch traten jedoch eine Verminderung der Rentabilität und eine Nachfragekrise ein,92 so dass diese Zielsetzungen zunehmend in den Hintergrund treten.

können. Die Anzahl der autolosen Haushalte beträgt etwa 1 / 4, vgl. (mit allerdings inzwischen etwas veralteten Zahlen) M. Hesse, Verkehrswende S. 139; K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 73. Nach VDV, VDV-Statistik 2001, S. 10, entfielen im Jahr 2001 531,2 Pkw auf 1000 Einwohner. Beinahe jedem zweiten Einwohner in Deutschland stand damit kein eigener Pkw zur Verfügung. Dabei muss zudem von einer ungleichmäßigen Verteilung des Pkw-Bestandes ausgegangen werden. Darüber hinaus soll der ÖPNV, wie die §§ 145 III, 148 SGB IX zeigen, auch der Sicherung der Mobilität Schwerbehinderter dienen. Dies scheitert derzeit jedoch teilweise noch an der für Rollstuhlfahrer bauartbedingten schweren Zugänglichkeit von Bussen und Bahnen, A. Röthel, Grundrechte, S. 185, durch den zunehmenden Einsatz von Niederflurfahrzeugen wird dieses Problem jedoch bewältigt. 84 H.-U. Mann, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 18 (19); D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (8). 85 U. Häusler / D. Haase / G. Lange, Schienen statt Straßen?, S. 38. 86 J. Pingel, ÖPNV NEU, S. 11. 87 H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 244 ff. 88 Bei den im VDV (ohne die heutige DB Regio AG) organisierten Unternehmen waren 1980 265.947 Mitarbeiter beschäftigt, 1996 128.549 und 2001 noch 115.664, vgl. H. Schmidt-Kohlhaas, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 149 (151 ff.); VDV, VDV-Statistik 2001, S. 16. 89 H. Schmidt-Kohlhaas, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 149 (152). 90 D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (5). 91 R. Maaß, Wettbewerb, S. 60; A. Zahn, Kommunale Dienstleistungsmonopole, S. 7. Zu nennen sind etwa Jugendpolitik und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, so A. v. Mutius, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 227 (239), sowie Mittelstandsförderung, G. Mörl, Der Landkreis 2001, 533. 92 U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 18. 20 Knauff

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

3. Umweltschutz Als spezifische Aufgabe des ÖPNV wird schließlich der Umweltschutz angesehen.93 Er soll, insbesondere im „Umweltverbund“ mit Fahrrad- und Fußgängerverkehr,94 einen Beitrag zu „nachhaltiger Mobilität“ leisten95 und zugleich zur Verbesserung der städtischen Lebensbedingungen beitragen.96 Der ÖPNV erscheint insoweit als Instrument notwendiger97 kommunaler Umweltpolitik.98 Allerdings kann der ÖPNV zur Erreichung von Umweltzielen nur die zweitbeste Alternative sein. Das Hauptaugenmerk sollte auf die Vermeidung von Verkehr gelegt werden.99 Soweit dies jedoch nicht geschehen kann und möglicherweise aus sozialen Gründen auch nicht geschehen soll, ist der ÖPNV jedoch verglichen mit dem MIV eine ressourcenschonende Verkehrsabwicklungsmöglichkeit.100 Dieser wird als einer der Hauptverursacher der Umweltzerstörung angesehen.101 Seine Reduktion ist daher umweltpolitisch wünschenswert.102 Wird der weniger umweltschädliche ÖPNV als Alternative zum MIV eingesetzt,103

93 M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (35); O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81; ders., in: BOU, Finanzen, S. 89; G. Girnau, Der Nahverkehr 4 / 1991, 10; M. Janik, Der Landkreis 2001, 508; R. Maaß, Wettbewerb, S. 61; D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (4); VDV, Mobilität, S. 18; J. Vogl, in: BayStMinWV, Umweltfreundlicher Verkehr, S. 109 (121); J. Werner / Chr. Schaaffkamp, in: J. Libbe / S. Tomerius / J.H. Trapp, Liberalisierung und Privatisierung kommunaler Aufgabenerfüllung, S. 127 (128); W. Will, Der Nahverkehr 1 – 2 / 2001, 28. 94 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 36. 95 K. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491; zu diesem Konzept ausführlich, wenn auch nicht mit besonderem Bezug zum ÖPNV, U.J. Becker, Der Nahverkehr 1 – 2 / 2002, 12 ff. 96 G. Girnau, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 48 (50). Nach Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (16), wären dichtbesiedelte Innenstädte unter Umweltgesichtspunkten ohne ÖPNV „schon heute nicht mehr lebensfähig“. 97 H. Hagemann, in: J. Bellers / R. Frey / C. Rosenthal, Kommunalpolitik, S. 213 (215 ff.); P.M. Mombaur, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 503 (522), weisen zutreffend darauf hin, dass Umweltschutz eine (auch) den Gemeinden zukommende Aufgabe ist. 98 U. Hösch, GewArch 2001, 223 (228). 99 U.J. Becker, Der Nahverkehr 1 – 2 / 2002, 12 (14); M. Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (8); Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (11). 100 K. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491; W. Krug, in: BayStMinWV, Umweltfreundlicher Verkehr, S. 133. 101 S. Feldhaus, Verantwortbare Wege, S. 100; Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 24 ff.; einschränkend M. Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (8). 102 R. Petersen, in: A. Pastowski / R. Petersen, Wege aus dem Stau, S. 13 (14 ff.), führt daneben auch wirtschaftliche Gründe an. 103 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 36, 75; K. Haefner / G. Marte, Der schlanke Verkehr, S. 67; H. Nöthe, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 3 (7); J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 106. Dies ist in ländlichen Regionen regelmäßig wegen der nicht gleich gerichteten Verkehrsbedürfnisse nicht der Fall, Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (16).

E. ÖPNV

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kann er tatsächlich eine umweltbezogene Entlastungsfunktion wahrnehmen,104 da er verglichen mit diesem eine deutlich bessere Umweltbilanz aufweisen kann.105 Insbesondere durch die Abgasreduktion dient der ÖPNV damit mittelbar auch dem Gesundheitsschutz bei Menschen, Tieren und Pflanzen, sowie der Denkmal- und sonstigen Stofferhaltung.106 Festzuhalten bleibt jedoch, dass der ÖPNV allenfalls helfen kann, Umwelteinwirkungen zu minimieren. Sein Einsatz dient aber nicht direkt dem Umweltschutz, da er, um dieses Ziel zu erreichen, von der Bevölkerung als Alternative zur Benutzung des eigenen Pkw angenommen werden muss.107

4. Weitere Ziele Neben diesen Hauptzielen wird eine Vielzahl weiterer Aspekte mit dem ÖPNV verknüpft. Über den Umweltschutz hinaus dient der ÖPNV der Attraktivitätssteigerung der Stadt,108 gar der Aufrechterhaltung und Gestaltung der Lebens104 B. Nagel, Gemeindeordnung als Hürde?, S. 17; S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 50; H. Schad / H. Riedle / M. Höffken / F. Bihn, Der Nahverkehr 6 / 2000, 21. Der dagegen vorgebrachte Einwand, dies würde nur so lange gelten, wie Autos noch umweltschädlich seien, was mit dem vermehrten Einsatz kleinerer Fahrzeuge mit alternativen Antiebsquellen, etwa dem Wasserstoffantrieb, nicht mehr der Fall sei, so H.-J. Ewers / G. Ilgmann, Wettbewerb im ÖPNV, S. 32 f., kann nicht überzeugen, da zumindest der mit dem MIV verbundene Flächenverbrauch nicht drastisch zurückgehen würde. M. Hesse, Verkehrswende S. 53, spricht treffend von einer Raumvernichtung durch Verkehr. 105 So ist der Energieverbrauch pro Person im ÖPNV deutlich geringer als im MIV, S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 75; G. Girnau, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 48 (50); P. Kistner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 163; A.R. Lang, in: BayStMinWV, Umweltfreundlicher Verkehr, S. 23 (27). In Sitzplatzkilometern ist dieser im Auto um den Faktor 13 höher, S. Feldhaus, Verantwortbare Wege, S. 113. Auch der Flächenverbrauch ist mit ca. 1:10 – 20 pro Person deutlich geringer als im MIV, S. Feldhaus, ebd., S. 100 ff.; R. Neuefeind, Verkehrspolitik und Umweltschutz, S. 31; C. Rosenthal, in: J. Bellers / R. Frey / C. Rosenthal, Kommunalpolitik, S. 235 (236); Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 29 f. Schließlich produziert der ÖPNV auch weniger Lärm und Abgase als der MIV, G. Girnau, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 48 (56); Th. Schaller, ebd., S. 24; H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105 (108). Zur Lärmbelastung siehe sehr ausführlich, wenn auch nicht mehr auf dem neuesten Stand R. Neumann, Ökologie und Verkehr, S. 36 ff., 41 ff. und zu Luftverunreinigungen durch verschiedene Verkehrsmittel ebd. S. 65 ff.; sowie EG-Kommission, KOM(95) 691 endg., S. 31 ff. 106 Vgl. S. Feldhaus, Verantwortbare Wege, S. 118, zu diesen negativen Verkehrsfolgen. 107 D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (11 f.), zieht daraus den Schluss, dass, da die Menschen jedoch nicht auf das Auto verzichten würden, der Umweltschutz kein Ziel für den ÖPNV-Ausbau sein könne. 108 K. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491; Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 128; C. Rosenthal, in: J. Bellers / R. Frey / C. Rosenthal, Kommunalpolitik, S. 235 (240); H. Schad / H. Riedle / M. Höffken / F. Bihn, Der Nahverkehr 6 / 2000, 21; H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (59).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

fähigkeit der Innenstädte,109 zumal zumindest in den Innenbereichen der Metropolen die Grenzen der Verkehrsdichte durch den MIV erreicht sind.110 Damit einher geht ein Mehr an Verkehrssicherheit111 und eine Steigerung der allgemeinen Lebensqualität durch Stauvermeidung bzw. -reduzierung.112 Mit der Entlastung des Straßennetzes und des Parkraumes sind zugleich Impulse für die Wirtschaft und damit indirekt auch für den Arbeitsmarkt verbunden.113 Damit ist die Existenz eines leistungsfähigen ÖPNV zugleich ein „Standortfaktor von Rang“114, der große Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraumes hat.115 Schließlich kann dieser auch die politisch vielerorts gewünschte Schaffung der ausgedehnten „autofreien Innenstadt“ ermöglichen.116 Daneben spielt der ÖPNV eine bedeutende Rolle bei der Stadt- und Siedlungsentwicklung.117 Indem er der Flächenerschließung118 und der Landesentwicklung119 unter Berücksichtigung bildungs- und strukturpolitische Zwecke120 dient, 109 H.-U. Mann, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 18; ähnlich W. Will, Der Nahverkehr 1 – 2 / 2001, 28. Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 9, konstatiert, dass Autos „weite Teile der Städte und Gemeinden schier unbewohnbar“ machen. 110 J. Pingel, ÖPNV NEU, S. 46. 111 K. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491; O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81; G. Girnau, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 48 (50); sowie H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (45), unter besonderer Hervorhebung sicherer Schulwege. Zur Unfallproblematik im Straßenverkehr siehe K. Haefner / G. Marte, Der schlanke Verkehr, S. 54 ff.; Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 22; J. Vogl, in: BayStMinWV, Umweltfreundlicher Verkehr, S. 109 (117). 112 H. Eberlein, Internationales Verkehrswesen 2000, 321 (324); U. Häusler / D. Haase / G. Lange, Schienen statt Straßen?, S. 43 f. 113 H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (45, 59); G. Girnau, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 48 (50). Ders., Der Nahverkehr 4 / 1991, 10, sieht im ÖPNV zugleich ein Instrument der Wirtschaftsförderung. 114 H. Siekmann, in: G. Püttner, Bewegung, S. 105 (108); ähnlich K. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491; M. Janik, Der Landkreis 2001, 508; ausführlich dazu H. Schad / H. Riedle / M. Höffken / F. Bihn, Der Nahverkehr 6 / 2000, 21 ff. 115 D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (9); so auch schon K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 41; ähnlich G. Fredrich, Der Nahverkehr 11 / 2000, 14. 116 Vgl. A. Röthel, Mobilität, S. 187. 117 G. Girnau, Der Nahverkehr 4 / 1991, 10; J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 165; W. Grafberger, Der Öffentliche Personennahverkehr, S. 17; D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (4, 10). 118 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 35; dies., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 29; Chr. Mayer / M. Haller, in: SRL, Chance und Risiko, S. 57 (58); J. Werner / Chr. Schaaffkamp, in: J. Libbe / S. Tomerius / J.H. Trapp, Liberalisierung und Privatisierung kommunaler Aufgabenerfüllung, S. 127 (128). 119 P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (54); O. Finkenbeiner, in: BOU, Finanzen, S. 89. 120 O. Finkenbeiner, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 81 (82).

E. ÖPNV

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ist er ein wirkungsvolles Instrument der Regionalplanung.121 Er ist insoweit geeignet, durch die Zugangsvermittlung zu wichtigen Einrichtungen, z. B. Schulen und Krankenhäusern, sowie zu den wegen der zunehmenden Zentralisierung im Einzelhandel nicht mehr überall vorhandenen Grundversorgungsgeschäften,122 bei der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in Stadt und Land mitzuwirken.123 Die damit verbundene verkehrstechnische Erschließung ländlicher Räume und der Bedienung verkehrsarmer Gegenden124 ist jedoch nicht unumstritten.125 Daneben dient er vielfach der Anbindung des Umlandes an die Ballungszentren.126 Als „völlig utopisch und irreal“127 ist demgegenüber wohl das ideologische Ziel der Schaffung einer Gesellschaft unter Einsatz des ÖPNV zu bezeichnen, die Massenverkehrsmittel gegenüber dem Pkw präferiert.128 Auch ein ideales ÖPNVAngebot würde es wohl kaum erreichen, das Auto als „Lustobjekt“129 und Statussymbol130 zu verdrängen und die Autobenutzung als eingeübtes Verhaltensmuster131 zu beseitigen. An diesem Beispiel wird jedoch deutlich, dass die mit dem ÖPNV in Verbindung gebrachten Ziele umfassend sind und weit über das G. Girnau, Der Nahverkehr 4 / 1991, 10. G. Meier, BB 1972, 901 (902). 123 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 35; K. Bodewig, Der Landkreis 2001, 491; vgl. allgemein dazu K. Schäfer / F. Gercke / D. Galonske / S. Losch, Daseinsvorsorge im ländlichen Raum, S. 7, 12. 124 R. Maaß, Wettbewerb, S. 61; so auch schon G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 18 ff. 125 Es wird daher vorgeschlagen, ein allgemeines ÖPNV-Angebot in diesen Regionen wegen nicht gegebener Finanzierbarkeit, W. Krug, in: BayStMinWV, Umweltfreundlicher Verkehr, S. 133 (135), bzw. wegen des nicht in ausreichendem Maße gegebenen Bedarfs, vgl. mit Bezug zum Schülerverkehr D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (9), einzustellen und stattdessen bedarfsorientierte Verkehrsangebote einzusetzen, C. Rosenthal, in: J. Bellers / R. Frey / C. Rosenthal, Kommunalpolitik, S. 235 (242); Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 111. Auch diese werden jedoch für nicht funktionsfähig gehalten, P. Hoffmann, in: A. Pastowski / R. Petersen, Wege aus dem Stau, S. 85 (88). Tatsächlich lassen sich ohne privates Kfz die notwendigen täglichen Aktivitäten kaum noch durchführen. Die Rede ist diesbezüglich schon von einer „Zwangsmotorisierung“, die zu wirtschaftlicher und geistig-kultureller Verarmung führe, Th. Schaller, ebd., S. 23. 126 P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (54). Insoweit besteht jedoch das Problem, dass er damit zugleich zur Expansion der Städte beiträgt, J. Sumpf, Internationales Verkehrswesen 2002, 539. 127 D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (10); ähnlich K. Haefner / G. Marte, Der schlanke Verkehr, S. 37; R. Neumann, Ökologie und Verkehr, S. 390, der einen Verzicht auf das eigene Auto nur im Falle der – aus Verteilungsgesichtspunkten nicht wünschenswerten – prohibitiven Verteuerung für möglich hält. 128 Vgl. D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (4). 129 Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 14. Auf den Aspekt der emotionalen Bindung weist auch R. Neumann, Ökologie und Verkehr, S. 390, hin. 130 U. Häusler / D. Haase / G. Lange, Schienen statt Straßen?, S. 38; R. Neuefeind, Verkehrspolitik und Umweltschutz, S. 47. 131 W. Krug, in: BayStMinWV, Umweltfreundlicher Verkehr, S. 133 (134); R. Neumann, Ökologie und Verkehr, S. 394. 121 122

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Hauptziel der bloßen Ermöglichung der Beförderung des Einzelnen zwischen zwei Orten im Nahbereich hinausgehen. Wie die Vielzahl der Ziele schließlich gewichtet und miteinander in Beziehung gesetzt wird, ist Aufgabe des Rechts.

IV. ÖPNV und Verfassungsrecht Zu untersuchen ist nunmehr, inwieweit dem ÖPNV und den mit im verfolgten Zielen Verfassungsrang zukommt sowie welche sonstigen bereichsbezogenen Aussagen sich dem Grundgesetz entnehmen lassen. Dabei stellt sich einerseits die Frage, ob eine verfassungsunmittelbare Verankerung feststellbar ist, andererseits, insbesondere sofern dies nicht der Fall ist, ob und inwieweit allgemeine Verfassungsnormen zu einer verfassungsrechtlichen Absicherung des ÖPNV beitragen.

1. Explizite Verankerung? Eine unmittelbare Erwähnung findet sich allein in dem im Zuge der Bahnstrukturreform eingefügten finanzverfassungsrechtlichen Art. 106a GG,132 nach dessen Satz 1 den Ländern für den ÖPNV ein näher zu bestimmender Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zusteht. Daneben ist der nach funktionalem Verständnis ebenfalls dem ÖPNV zuzuordnende SPNV in Art. 87e GG genannt. Materielle Regelungen werden in beiden Vorschriften nicht getroffen. Sie zeigen jedoch, dass es sich um einen verfassungsrechtlich anerkannten Bereich handelt. Art. 106a GG geht dabei insoweit über Art. 87e GG hinaus, als er sich positiv mit dem ÖPNV befasst und nicht nur eine negative Abgrenzung wie Art. 87e IV GG vornimmt oder eine Verfahrensregel wie dessen Absatz 5 aufstellt. Allerdings ist auch mit Art. 106a GG keine umfassende verfassungsrechtliche Garantie des ÖPNV verbunden. Der Vorschrift ist dessen zwingende Existenz nicht zu entnehmen. Allerdings sind die Mittel zweckgebunden bezüglich der Verwendung für den ÖPNV im weitesten Sinne.133 Die Nichtexistenz eines ÖPNV in einem Bundesland würde jedoch mit Bezug zu Art. 106a GG nicht zur Verfassungswidrigkeit der gegebenen Situation führen, sondern allein zum Wegfall der zweckgebundenen Zahlungen seitens des Bundes bzw. zur Verfassungswidrigkeit der Mittelverwendung.134 Einer Inter132 Ausführlich dazu J.W. Hidien, DVBl. 1997, 595 ff. Bei der Vorschrift handelt es sich zudem um die erstmalige Erwähnung des ÖPNV im Grundgesetz, Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (76). 133 W. Heun, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 3, Art. 106a Rn. 5; J.W. Hidien, DVBl. 1997, 595 (601). Trotz des Zusammenhangs mit der Bahnstrukturreform sind die Mittel insbesondere nicht ausschließlich für den SPNV zu verwenden, L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 50. 134 G.F. Schuppert, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 2, Art. 106a Rn. 10; H. Siekmann, in: M. Sachs, GG, Art. 106a Rn. 6.

E. ÖPNV

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pretation des Art. 106a GG dahingehend, dass die finanzbezogene Regelung zugleich eine Aussage über die Aufgabe selbst treffen sollte, steht der diesbezüglich keine Hinweise vermittelnde Wortlaut und die systematische Einbindung der Vorschrift entgegen.135 Zudem befände sie sich damit im Widerspruch zu der föderalen Zuständigkeitsverteilung der Art. 30, 70 ff. GG. Zwar geht diese den Spezialvorschriften nicht vor. Abweichungen müssen jedoch hinreichend deutlich zutage treten, was vorliegend nicht der Fall ist. Damit existiert eine spezielle Verankerung des ÖPNV als zwingend wahrzunehmende Aufgabe auf Verfassungsebene nicht. Zu fragen ist somit, ob dieser nicht von allgemeinen Vorschriften umfasst und damit von diesen verfassungsrechtlich garantiert wird. Als Aufgabe der Daseinsvorsorge spielen wiederum die oben136 erläuterten Aspekte eine Rolle. Diese werden jedoch bereichspezifische Gesichtspunkte ergänzt, die sich aus der besonderen Eigenarten und Funktionen des ÖPNV ergeben. Allein letztere sollen im Folgenden Berücksichtigung finden.

2. Grundrechte Mobilität ist eine tatsächliche Voraussetzung für die Grundrechtsentfaltung.137 Eine ausreichende Mobilität wird für das Leben in der modernen Gesellschaft sogar als unverzichtbar für eine menschenwürdige Lebensgestaltung angesehen.138 Tatsächlich weisen zahlreiche Grundrechte einen Mobilitätsgehalt auf bzw. setzen die Mobilität des Grundrechtsträgers voraus. Von Bedeutung sind etwa Art. 8 GG bezogen auf die Anreise zur Versammlung,139 Art. 12 GG insoweit, als die Möglichkeit, räumlich zur Arbeit zu kommen dem Berufszugang und Erreichbarkeit von Kunden der Berufsausübung zuzuordnen ist,140 Art. 14 GG für die Nutzung des entfernt gelegenen Eigentums sowie auch Art. 2 I GG hinsichtlich der Freizeitgestaltung.141 Doch selbst dem Anschein nach „mobilitätsferne“ Grundrechte wie die Religionsfreiheit, Art. 4 I, II GG, sind von Bedeutung, sofern zur Religionsausübung das Aufsuchen bestimmter Orte, etwa Kirchen, gehört. Offensichtlich ist 135 Dementsprechend trifft Art. 106a GG auch keine Aussage über die Organisation des Bereichs, vgl. J.W. Hidien, DVBl. 1997, 595 (601). 136 C.III.2. 137 M. Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (322); ders., VerwArch 92 (2001), S. 293 (296); ders., in: W. Blümel, Ernst Forsthoff, S. 53 (105); ähnlich M. Eggstein, VBlBW 1995, 161 (162). 138 R. Maaß, Wettbewerb, S. 49; vgl. auch oben E.III.2. 139 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 47; A. Röthel, Mobilität, S. 192; M. Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323). 140 R. Maaß, Wettbewerb, S. 45 f.; A. Röthel, Mobilität, S. 192; M. Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323). 141 R. Maaß, Wettbewerb, S. 46; M. Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

dagegen wiederum der Mobilitätsbezug der Freizügigkeit, Art. 11 GG.142 Diese Aufzählung könnte ohne weiteres um andere Grundrechte ergänzt werden. Ob daneben noch ein eigenständiges, aus der Gesamtschau grundrechtlicher Mobilitätsgehalte abstrahiertes „Grundrecht auf Mobilität“ tritt143 oder die Mobilität insgesamt der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG, zuzuordnen ist,144 ist für die Zwecke der vorliegenden Arbeit letztlich nicht entscheidend. Festzuhalten ist jedoch, dass eine grundrechtliche Mobilitätsverbürgung existiert. Damit ist jedoch noch keine Aussage über die etwaige grundrechtliche Bedingtheit des ÖPNV getroffen. Zunächst wird allein die Erreichbarkeit überhaupt, also unabhängig von speziellen Verkehrsformen garantiert.145 Allerdings darf die Mobilitätsgarantie nicht losgelöst von der Wirklichkeit betrachtet werden. Vielmehr muss die Grundrechtsverwirklichung effektiv möglich sein. Dies ist bedingt durch den technischen Fortschritt und immer größere zu überwindende Räume146 allein durch die Möglichkeit von Fußgängerverkehr heute nicht mehr möglich. Auch im Nahbereich ist die grundrechtsbezogene Mobilität kaum mehr ohne motorisierte Verkehrsmittel zu verwirklichen. Denkbar ist daher sowohl das vor allem im Hinblick auf seine Begründung umstrittene, inhaltlich im Hinblick auf seinen Mobilitätsgehalt aber weitgehend anerkannte147 „Grundrecht auf Autofahren“148 bzw., unspezifisch in der Terminologie der verkehrsbezogenen Wissenschaften gefasst, auf MIV wie auch eine grundrechtliche Verankerung des ÖPNV. Hinsichtlich des Letzteren ergibt sich aber das Problem, dass dessen Existenz und damit die individuelle Zugreifbarkeit auf diesen nicht ins Belieben des Einzelnen gestellt ist. Ein leistungsrechtlicher Anspruch des Einzelnen auf Schaffung eines seinen Mobilitätsbedürfnissen entsprechenden ÖPNV ist jedoch in Übereinstimmung mit der allgemeinen Grundrechtsdogmatik abzulehnen.149 Subjektivrechtlich besteht allein 142 Weitergehend W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 239, der schon aus Art. 11 GG eine staatliche Gewährleistungsverantwortung für den Nahverkehr auf Schiene und Straße folgert. 143 M. Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (322 f.); ders., DAR 1994, 7 (9); R. Maaß, Wettbewerb, S. 44; kritisch M. Eggstein, VBlBW 1995, 161 (163); H. Sendler, NJW 1995, 1468 f. 144 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 47; J. Sumpf, Internationales Verkehrswesen 2002, 539 (540). 145 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 73; M. Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (9). 146 R. Maaß, Wettbewerb, S. 46 f. 147 Siehe dazu etwa F. Ossenbühl, NuR 1996, 53 (54 f.). 148 Vgl. M. Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (12). Dieses soll jedoch erst bei einem nicht einschlägigen Hinweis auf alternative Verkehrsmittel, also im Nahbereich insbesondere auf den ÖPNV, eingreifen, A. Röthel, Mobilität, S. 192; M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (91). 149 Vgl. oben C.III.2. a)bb); allgemein zur Ausgestaltung des Verkehrsnetzes F. Ossenbühl, NuR 1996, 53 (55); auch das „Grundrecht auf Autofahren“ hat keinen originär leistungsrechtlichen Einschlag, sondern vermittelt ein Abwehrrecht gegen die hoheitliche Untersagung der Gebrauchmachung vom eigenen Pkw und das Recht auf Teilhabe hinsichtlich der

E. ÖPNV

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ein Teilhabeanspruch bezüglich der Nutzung vorhandener Einrichtungen.150 Nichtsdestotrotz ist der ÖPNV für die Verwirklichung der Mobilitätsgrundrechte unverzichtbar,151 zumal die Teilnahme am MIV nicht jedem Grundrechtsträger möglich ist. Die objektivrechtliche Dimension der Grundrechte erfordert daher nicht zuletzt auch zur Gewährleistung der Chancengleichheit für Nichtautofahrer die Existenz eines damit gleichsam institutionell gewährleisteten leistungsfähigen ÖPNV zur Sicherstellung der grundrechtlichen Mobilitätsgehalte. Wie dieser jedoch organisiert ist, ist insoweit nicht vorgegeben. Vielmehr ist diesbezüglich zu beachten, dass auch die gewerbliche Personenbeförderung selbst Grundrechtsausübung ist.152 3. Umweltstaatsprinzip Aufgrund der mit dem ÖPNV verfolgten umweltpolitischen Zielsetzungen und dessen vergleichsweise guter Umweltbilanz stellt sich die Frage, ob dieser – bei gegebenem Mobilitätsbedürfnis – nicht auch dem Umweltstaatsprinzip des Art. 20a GG zuzuordnen ist. „Bezüge“ des ÖPNV zu diesem sind in der Literatur zutreffend bereits bejaht worden.153 Als Staatszielbestimmung enthält dieses eine bindende verfassungsrechtliche Zielsetzung und ist daher unmittelbar geltendes Recht.154 Obwohl es sich an alle Gewalten gleichermaßen wendet, enthält es vor allem einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber, bei dessen Ausfüllung dieser jedoch über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt.155 Wegen seiner Unbestimmtheit bedarf das Umweltstaatsprinzip somit zwar regelmäßig und vorrangig der Konkretisierung durch den vorhandenen Infrastruktur, vgl. M. Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (321 f.); ders., DAR 1994, 7 (12 f.). 150 Allgemein bezogen auf Infrastruktur S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 73; F. Ossenbühl, NuR 1996, 53 (55). 151 M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (91). Ders., DAR 1992, 321 (324), weist im Grundsatz zutreffend darauf hin, dass zur Aufrechterhaltung der Mobilität an sich eine Einschränkung des MIV mit einem Ausbau des ÖPNV einhergehen muss. 152 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 73 f.; W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (121); R. Maaß, Wettbewerb, S. 58. 153 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 50; G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 229. 154 M. Antoni, in: K.-H. Seifert / D. Hömig, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 2; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 1; A. Uhle, JuS 1996, 96 (97). R. Wolf, KritV 80 (1997), S. 280 (284), bezeichnet Art. 20a GG als „verfassungsrechtliche Fundamentalnorm“. 155 N. Bernsdorff, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a Rn. 27 ff.; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 12 ff.; M. Kloepfer, DVBl. 1996, 73 (75); A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 82; K. Waechter, NuR 1996, 321 (322 f.).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Gesetzgeber.156 Dessen Nichthandeln führt jedoch nicht zur Undurchsetzbarkeit des Umweltschutzes. Die sich aus Art. 20a GG ergebenden Pflichten stehen nicht unter Gesetzesvorbehalt.157 Gleichzeitig kann ein Handeln des Gesetzgebers im Einzelfall gegen Art. 20a GG verstoßen, wenn Umweltbelange nicht ausreichend berücksichtigt werden. Keinesfalls lassen sich Art. 20a GG jedoch subjektive Rechte entnehmen.158 Weder ist es dem Einzelnen auf Grundlage des Art. 20a GG möglich, bestimmte Umweltentscheidungen einzuklagen, noch können aus der Vorschrift konkrete Leistungsansprüche abgeleitet werden.159 Allerdings kann das Umweltstaatsprinzip grundrechtliche Gewährleistungen verstärken.160 Aus Art. 20a GG folgt in materieller Hinsicht die Verpflichtung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen. Dabei handelt es sich um die gesamte natürliche Umwelt des Menschen.161 Der erforderlich Schutz ist zu bewerkstelligen durch die Unterlassung staatlicher Eingriffe in die Umwelt, die Abwehr von Eingriffen Dritter durch den Staat und die Ergreifung von Maßnahmen durch diesen zur Erhaltung und Wiederherstellung der natürlichen Umwelt.162 Nicht zuletzt durch die in Art. 20a GG enthaltene Bezugnahme auf die zukünftigen Generationen163 werden der Bestimmung verschiedene Teilprinzipien entnommen. Weitgehend unstrittig sind insoweit die Prinzipien der Vorsorge, also der Vorbeugung des Entstehens von Umweltbelastungen,164 und der im Einzelnen schwierig zu bestimmenden 156 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 1; dahingehend auch M. Kloepfer, DVBl. 1996, 73 (75). 157 D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 20a Rn. 60. 158 BVerwG, NVwZ 1998, 1080 (1081); N. Bernsdorff, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a Rn. 13; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 1; D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 20a Rn. 73; H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20a Rn. 21; A. Uhle, JuS 1996, 96 (97). 159 M. Antoni, in: K.-H. Seifert / D. Hömig, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 3; M. Kloepfer, DVBl. 1996, 73 (74). 160 M. Antoni, in: K.-H. Seifert / D. Hömig, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 7; N. Bernsdorff, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a Rn. 13; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 11; M. Kloepfer, DVBl. 1996, 73 (78); K. Waechter, NuR 1996, 321 (321 f.); H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20a Rn. 75; R. Wolf, KritV 80 (1997), S. 280 (298); stark eingeschränkend A. Uhle, JuS 1996, 96 (100); ablehnend auch F. Ossenbühl, NuR 1996, 53 (58). 161 N. Bernsdorff, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a Rn. 22; H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 2; D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 20a Rn. 27 f.; H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20a Rn. 28; R. Wolf, KritV 80 (1997), S. 280 (285). 162 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 4; D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 20a Rn. 33; A. Schink, DÖV 1997, 221 (226). 163 Diese bezieht sich allein auf das Umweltstaats-, nicht auch auf das nunmehr ebenfalls in der Norm enthaltene Tierschutzprinzip, vgl. M. Knauff, SächsVBl. 2003, 101 (102). 164 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 5; H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20a Rn. 49; R. Wolf, KritV 80 (1997), S. 280 (294); ausführlich dazu N. Bernsdorff, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a Rn. 32 ff.

E. ÖPNV

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Nachhaltigkeit.165 Unklarheit herrscht dagegen noch darüber, ob sich Art. 20a GG auch ein Verschlechterungsverbot166 sowie das Verursacherprinzip167 entnehmen lassen. In jedem Fall lässt sich dem Umweltstaatsprinzip eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Ressourcenschonung entnehmen.168 Damit erfordert dieses zugleich die Wahl der umweltfreundlicheren Alternative bei gleicher Leistungsqualität bei mehreren zur Auswahl stehenden Varianten der Durchführung einer Aufgabe.169 Art. 20a GG begründet somit einen Schutzauftrag,170 dem sich aber nur grobe Rahmenvorgaben entnehmen lassen.171 Konkrete Pflichten insbesondere des Gesetzgebers lassen sich aus der Vorschrift nur ausnahmsweise ableiten.172 Bei der Regelung des ÖPNV ist das Umweltstaatsprinzip zunächst wie in jedem anderen Bereich durch den Staat als abwägungsrelevanter Belang zu beachten.173 Insoweit bestehen keine spezifischen Besonderheiten. Darüber hinausgehend erscheint es jedoch denkbar, die Existenz des ÖPNV unmittelbar in Art. 20a GG zu verankern. Um jedoch der weit gefassten Staatszielbestimmung gerecht zu werden, bedarf es für die Verortung eines derartigen Spezialauftrages weitergehender Anhaltspunkte. Nach diesen gilt es im Folgenden Ausschau zu halten. Unzweifelhaft fordert Art. 20a GG ein hohes Umweltschutzniveau. Dieses ist seitens des Staates grundsätzlich in allen Lebensbereichen sicherzustellen, damit auch im Verkehr einschließlich des Nahverkehrs. Zwar verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Spielraum im Hinblick auf die Frage, in welchen Bereichen umweltbezogene Maßnahmen ergriffen werden. Der Verkehr, als sowohl hinsichtlich der Luftverschmutzung als auch bezüglich des Verbrauchs von Fläche und Bodenschätzen stark umweltrelevanter Bereich und tatsächlich einer der wichtigsten Gründe für die Umweltschädigung, ist jedoch notwendiger Befassungsgegenstand 165 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 7; D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 20a Rn. 37 f.; H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20a Rn. 35 f. 166 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 7; D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 20a Rn. 44; im Grundsatz zustimmend H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20a Rn. 40; kritisch A. Schink, DÖV 1997, 221 (226 f.). 167 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 6; kritisch M. Kloepfer, DVBl. 1996, 73 (77); A. Schink, DÖV 1997, 221 (226); H. Schulze-Fielitz, in: H. Dreier, Grundgesetz Kommentar, Bd. 2, Art. 20a Rn. 47; R. Wolf, KritV 80 (1997), S. 280 (295). 168 A. Schink, DÖV 1997, 221 (226); K. Waechter, NuR 1996, 321 (326). 169 D. Murswiek, in: M. Sachs, GG, Art. 20a Rn. 47; ähnlich R. Wolf, KritV 80 (1997), S. 280 (295). 170 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 74; N. Bernsdorff, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a Rn. 27. 171 A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 82. 172 H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 12; ähnlich N. Bernsdorff, in: D.C. Umbach / Th. Clemens, GG, Bd. 1, Art. 20a Rn. 15; A. Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung, S. 82. 173 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 76 f., vgl. allgemein H.D. Jarass, in: ders. / B. Pieroth, Grundgesetz, Art. 20a Rn. 9.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

staatlichen Umweltschutzes. Ohne ein Engagement in diesem Bereich lässt sich effektiver Umweltschutz in Deutschland heute nicht bewerkstelligen.174 Geboten ist damit zugleich der Einsatz möglichst umweltfreundlicher Verkehrsmittel und -formen. Allerdings trifft Art. 20a GG keine explizite Bestimmung darüber, wie umweltgerechter Verkehr auszusehen hat.175 Aus dieser Erkenntnis heraus folgt jedoch nicht zwingend die Ablehnung einer umweltstaatlichen Verankerung des ÖPNV. Insbesondere kann diese nicht mit dem Argument abgelehnt werden, dass andernfalls die Festschreibung des status quo hinsichtlich einer bestimmten Staatsaufgabe erfolgen würde.176 Die etwaige Zuordnung des ÖPNV zum Umweltstaatsprinzip bedeutet gerade nicht die Qualifikation der derzeitigen Organisation des Bereichs als einzig verfassungsrechtlich zulässige. Vielmehr kann damit allein eine Aussage über die Notwendigkeit der Existenz eines leistungsfähigen ÖPNV verbunden sein. Allerdings gilt dies nur so lange, als dem ÖPNV tatsächlich umweltbezogene Vorteile gegenüber anderen Verkehrsformen zukommen. Damit ist jedoch eine „absolute“ Verankerung des ÖPNV im Umweltstaatsprinzip nicht möglich. Zwar fordert dies nicht den jeweils weitestgehenden Umweltschutz. Es ist jedoch kaum in Einklang mit dem Zweck des Art. 20a GG zu bringen, eine im Einzelfall umweltschädlichere Verkehrsform durch die Bestimmung einem besonderen Status und dem damit verbundenen Schutz zuzuführen. Die Verfassungsauslegung darf jedoch den Bezug zur Rechtswirklichkeit nicht verlieren.177 Zwar kann diese nicht die Verfassungsinhalte bestimmen. Nichtsdestotrotz ist sie bei deren rechtlicher Konkretisierung zu berücksichtigen. Gerade die Offenheit einer Staatszielbestimmung wie dem Umweltstaatsprinzip erfordert die Anknüpfung an der Realität, soll jenes nicht leer laufen. Soll die aus Art. 20a GG abgeleitete Forderung nach einem umweltfreundlichen Verkehr nicht zur bloßen Leerformel verkommen, ist eine nähere Konkretisierung unausweichlich. Im Bereich des Nahverkehrs ist der ÖPNV derzeit die umweltfreundlichste Verkehrsform, soweit Entfernungen überschritten werden, die sinnvoll vom Fußgänger- und Fahrradverkehr bewältigt werden können.178 Kann der ÖPNV auch nicht als abstrakte Forderung des Umweltstaatsprinzips angesehen werde, so erfährt er jedoch einen relativen Schutz durch dieses. Diese Relativität zeigt sich sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht. Zeitlich kann eine Verankerung des ÖPNV in Art. 20a G nur so lange gelingen, wie dieser tatsächlich weniger um174 Zu weiteren Ansatzpunkten vgl. zusammenfassend F. Ossenbühl, NuR 1996, 53 (58 ff.). 175 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 75. 176 So aber S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 88, mit zusätzlichem Verweis auf das Sozialstaatsprinzip. 177 Als mahnendes Beispiel soll insoweit nochmals auf die fehlende rechtswissenschaftliche Durchdringung des Bereichs der Leistungsverwaltung vor Forsthoff hingewiesen sein, vgl. oben A.I.1. d). 178 Vgl. oben E.III.3.

E. ÖPNV

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weltschädlich als konkurrierende Verkehrsarten bzw. so lange Verkehr an sich unumgänglich ist. In beiden Fällen ist eine grundlegende Änderung der momentanen Sachlage nicht zu erwarten. Die Relevanz der sachlich bedingten Einschränkungen ist weitaus bedeutsamer. ÖPNV ist nur dann eine umweltfreundliche Alternative zum MIV, wenn er mit diesem tatsächlich konkurriert und zu seinem Wegfall beitragen kann. Die Erzeugung von zusätzlichem Verkehr ist nicht nur durch das Umweltstaatsprinzip nicht geboten, sondern widerspricht diesem sogar. Weiterhin schützt dieses in keinem Fall eine bestimmte Organisationsform des ÖPNV oder konkrete Ausprägungen, etwa einzelne Linien. Ebenso wenig lässt sich die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG als eine Art „ÖPNV-Grundrecht“ interpretieren. Unter Beachtung dieser Einschränkungen ergibt die Auslegung des Art. 20a GG bezogen auf den ÖPNV somit, dass dessen Existenz als nach dem derzeitigen Stand der Technik umweltfreundlichste Verkehrsform zumindest in den Ballungsgebieten als Alternative zum MIV gefordert ist. Seine Ausgestaltung im Einzelnen ist verfassungsrechtlich zwar nicht vorherbestimmt, eine über eine bloße „AlibiFunktion“ hinausgehende Leistungsfähigkeit ist jedoch notwendig. Obwohl er in erster Linie ein Instrument zur Erreichung eines wegen Art. 20a GG zu erreichenden möglichst umweltschonenden Verkehrs ist, erscheint er damit als solches mangels derzeitiger realistischer Alternativen zur Zielerreichung selbst als Forderung des Umweltstaatsprinzips. Obwohl der Gesetzgeber bei dessen Konkretisierung weitgehend frei ist, folgt bezüglich des ÖPNV aus Art. 20a GG jedenfalls eine „Negativgrenze“. Zwar kann der Vorschrift keinesfalls eine verfassungsrechtliche Forderung zum Ausbau des ÖPNV entnommen werden. Dessen völliger Abschaffung durch den Gesetzgeber bei gleichzeitigem Weiterbestehen des MIV in der derzeitigen Form wäre aber als Verstoß gegen das Umweltstaatsprinzip zu werten. Diesem gleichzusetzen wäre der übergangslose Entzug jeglicher Förderung seitens der öffentlichen Hand, sofern nicht zugleich als Ausgleichsmaßnahme eine entsprechende Belastung des MIV erfolgen würde,179 da dies in seinen faktischen Auswirkungen einem Verbot gleich käme. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass dadurch eine Festschreibung der derzeitigen Situation im ÖPNV erfolgen würde. Dies ist gerade nicht der Fall. Allein die Existenz des ÖPNV überhaupt erfährt nach der hier vorgeschlagenen Auslegung des Art. 20a GG für den Nahverkehrsbereich eine verfassungsrechtliche Absicherung. Die konkrete Ausgestaltung obliegt nach wie vor dem Gesetzgeber. Selbst eine gewisse Verschlechterung der Situation für den ÖPNV ist möglich,180 wenn auch sicher nicht wünschenswert. Die durch Art. 20a GG für den ÖPNV als Verkehrsform vermittelte Verankerung 179 Eine solche könnte sowohl finanziell erfolgen, als auch technisch durch die Vorgabe von umweltrelevanten Werten, die deutlich über den heute geforderten liegen. 180 Dies ist unabhängig davon, ob Art. 20a GG ein Verschlechterungsverbot entnommen werden kann, da sich dieses nur auf die Umweltgesamtbilanz, ggf. hinsichtlich bestimmter Aspekte, etwa der Luftreinhaltung, nicht aber auf die Entwicklung in einzelnen Lebensbereichen beziehen kann.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

ist somit zwar in mehrfacher Hinsicht nur relativ und zudem nur schwach,181 aber durchaus vorhanden.

4. Sonstige Bestimmungen und Ergebnis Neben den grundrechtlichen Mobilitätsgehalten und dem Umweltstaatsprinzip wirken zahlreiche weitere Bestimmungen des GG in den Bereich des ÖPNV hinein. Zumeist haben diese aber keine über die allgemeine Regelung der Daseinsvorsorge hinausgehende spezifische Bedeutung. Dies gilt grundsätzlich auch für die kommunale Selbstverwaltung und das Sozialstaatsprinzip, denen teilweise aber eine besondere Nähe zum ÖPNV nachgesagt wird. So obliege der Verkehr als klassisches Daseinsvorsorgebeispiel182 den kommunalen Wirtschaftsunternehmen,183 die bereichsbezogen ihrerseits zum Kernbereich der Selbstverwaltung zu rechnen seien.184 Dabei handelt es sich jedoch um einen Fehlschluss, der auf aufgabenbezogener Ebene gegenüber der allgemeinen Einschätzung185 nicht an Überzeugungskraft gewinnt. Zutreffend, wenn auch wiederum ohne eigenständigen Erkenntnisgewinn, ist dagegen, dass die ÖPNV-Planung der gemeindlichen Planungshoheit zuzurechnen ist186 und auch die ÖPNV-Eigenproduktion mittels kommunaler Unternehmen grundsätzlich durch Art. 28 II GG geschützt wird.187 Wie bei allen Aufgaben der Daseinsvorsorge ist das „Wie“ der ÖPNV-Erbringung jedoch den Gemeinden überlassen.188 Ob und inwieweit die Existenz des ÖPNV aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet werden, ist nicht unumstritten. Nur die Mobilität als solche sei zu sichern,189 zudem sei der Verkehr in erster Linie Teil der marktwirtschaftlichen Ordnung.190 Dies ist zwar grundsätzlich zutreffend, schließt eine Verankerung des ÖPNV im Sozialstaatsprinzip vergleichbar derjenigen im Umweltstaatsprinzip aber nicht aus. Die sozialstaatlich geforderte Mobilitätschance auch derjenigen, die nicht aus eigenen Mitteln auf den MIV zurückgreifen können oder aus sonstigen Gründen 181 Insbesondere ist Art. 20a GG nach wie vor mit anderen Schutzgütern abzuwägen und der Vorbehalt des Möglichen besteht auch insoweit. 182 M. Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705 (710). 183 B. Merk, in: ders. / G. v. Kortzfleisch, Gemeindliche Daseinsvorsorge, S. 6 (11). 184 W. Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, S. 101 f.; J. Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 165; D. Sterzel, in: Th. Blanke / R. Trümner, Handbuch Privatisierung, Rn. 193; A. Zahn, Kommunale Dienstleistungsmonopole, S. 46. 185 Siehe oben C.III.2. c)dd). 186 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 82 f. 187 M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (44); G. Fromm, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 703; R. Metz, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 227 (231). 188 G. Fromm, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 703 (705). 189 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 88. 190 H. Dürr, in; ders. u. a., Verwaltung, S. 48 (56 ff.).

E. ÖPNV

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daran gehindert sind, erfordert objektiv die Existenz des ÖPNV und darüber hinaus seine „sozialgerechte“ Ausgestaltung, ohne jedoch weitere Konkretisierungen vorzunehmen. Ein funktionsfähiges Verkehrssystem wird heute zutreffend als Voraussetzung für den demokratischen Flächenstaat selbst angesehen.191 Dies gilt auch für den Nahbereich und jedenfalls so lange Verkehr unumgänglich ist. Ein solches Verkehrssystem muss jedoch grundsätzlich Elemente enthalten, die tatsächlich allgemein zugänglich sind. Zwar überzeugt es rechtstechnisch nicht, in der Gewährleistung eines leistungsfähigen ÖPNV nach nationalem Recht eine originäre Staatsaufgabe im Interesse des Gemeinwohls zu sehen.192 Materiell trifft diese Einschätzung jedoch zu. Verfassungsrechtlich existiert eine staatliche Verpflichtung hinsichtlich der Existenz für jeden möglicher und darüber hinaus umweltfreundlicher Mobilität aus den Grundrechten sowie den Umwelt- und Sozialstaatsprinzipien, ohne dass deren Ausgestaltung vorherbestimmt wäre. Zu den derzeitigen Gegebenheiten bedeutet dies jedoch, dass zumindest die ersatzlose Abschaffung des ÖPNV als Verkehrsform verfassungsrechtlich unzulässig wäre.

191 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 72; dies., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 45. 192 So R. Metz, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 227 (231).

F. Historische Entwicklung in Deutschland Menschliche Existenz und Verkehr zur Überwindung von Räumen sind untrennbar miteinander verbunden. Dies gilt auch und vor allem für den Nahbereich, in dem sich das außerhäusliche Leben vordringlich abspielt. Dennoch ist der ÖPNV geschichtlich relativ jung. Für Deutschland, dem diesbezüglich im internationalen Vergleich keinesfalls eine Vorreiterrolle zukommt, erscheint eine historische Untersuchung, die Erkenntnisse auch für die derzeitige und künftige Rechtslage hervorbringen soll, grundsätzlich erst ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts sinnvoll. Dies hat sowohl rechtliche als auch technische Gründe. Zum einen weist die Konzeption des absolutistischen Wohlfahrtsstaates1 nahezu keinerlei Bezug zur heutigen, grundrechtlich geprägten Staatskonzeption auf. Zum anderen, im vorliegenden Zusammenhang fast von noch größerer Bedeutung, führte die vorherige mittelalterliche Stadtkleinräumigkeit2 dazu, dass der innerstädtische Verkehr weitgehend zu Fuß erfolgen konnte. Es fehlte somit an einem entsprechenden Verkehrsbedürfnis. Dementsprechend waren auch die wenigen vorhandenen Verkehrsmittel für den innerörtlichen Einsatz nicht sehr bedeutsam. Zudem war auch die verkehrstechnische Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten, dass jene Verkehrsmittel umfassender rechtlicher Regelung bedurften. Es fehlte somit vor dem genannten Zeitpunkt weitgehend an der Vergleichbarkeit zur heutigen Situation.3 Die Entwicklung des ÖPNV seitdem verlief keineswegs gleichmäßig. Auch dies gilt sowohl in technisch-tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht. Obwohl im Hinblick auf die Bedeutsamkeit des ÖPNV in einer historischen Gesamtbetrachtung ab 1880 ein deutlicher Aufstieg und seit 1945 sein Niedergang zu konstatieren ist,4 die – erste (?) – Blüte des Bereich somit schon der Vergangenheit angehört, gestaltete sich die Entwicklung im Einzelnen erheblich komplizierter. Dabei griffen die technischen, gesamtgesellschaftlichen und rechtlichen Aspekte in vielfacher Hinsicht ineinander. Trotz der damit verbundenen Unübersichtlichkeit lassen sich aus juristischem Blickwinkel zwei Perioden unterscheiden. Die Grenze ist dabei im Jahr 1934 zu ziehen. Zu diesem Zeitpunkt wurde das bis heute im Grund1 Siehe dazu H. Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, S. 23 ff.; G. Habermann, Der Wohlfahrtsstaat, S. 15 ff. 2 H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 1. 3 So auch G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 262; zur vorherigen (internationalen) Entwicklung siehe N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (135 f.). 4 B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (8).

F. Historische Entwicklung in Deutschland

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satz kaum veränderte PBefG erlassen. Zuvor unterfiel der ÖPNV grundsätzlich dem allgemeinen Gewerberecht. Allein das preußische Kleinbahngesetz von 1892 ließ bereits die Zeichen der neuen Zeit erkennen. Innerhalb dieser ersten Periode erfolgten jedoch die sozialen und technischen Umwälzungen, die im Ergebnis sowohl zur Ausprägung des noch immer aktuellen äußeren Bildes des ÖPNVBereichs führten, als auch stets neue Gegebenheiten schufen. In diese Zeit fällt auch die Grundlage der Einschätzung des ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge.

I. Allgemein-gewerberechtliche Periode Die aus rechtlicher Sicht erste Periode der Entwicklung des ÖPNV zerfällt hinsichtlich der technischen Aspekte und den damit verbundenen Marktveränderungen in zwei Teilbereiche. An die nahezu ausschließlich durch marktmäßige Darbietung des durch private Pferdebahnen und -busse geprägten ÖPNV schloss sich die Zeit der elektrischen Straßenbahnen mit gleichzeitiger Kommunalisierung an. Das zeitlich parallele und hinsichtlich seines Anwendungsbereichs eng begrenzte preußische „Gesetz über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen“ sowie schließlich die Entwicklungen während der Weimarer Republik sind trotz der rechtlich im Grundsatz nach wie vor uneingeschränkten allgemeinen Gewerbefreiheit im ÖPNV bereits als Vorstufen des PBefG anzusehen.

1. Pferdebusse und -bahnen: private Initiative Den Beginn der Entwicklung des modernen ÖPNV bildete das Aufkommen von hinsichtlich des Fahrgeldes vergleichsweise billigen Pferdebussen5 in den deutschen Großstädten.6 In Berlin erfolgte ihr Einsatz ab 1825, wo 1840 ein fester 5 Zuvor gab es zwar bereits innerörtliche Verkehrsmittel. Diese sind jedoch im Hinblick auf ihre Zielsetzung eher als Voläufer des heutigen Taxenverkehrs anzusehen, R. Maaß, Wettbewerb, S. 69. Als erstes taxiähnliches öffentliches Verkehrsmittel können Sänften angesehen werden, die in vielen deutschen Großstädten (ab 1688 etwa in Berlin) eingesetzt wurden. Allerdings stand der Beförderungszweck nicht immer im Mittelpunkt. Das Sänftenwesen wurde nicht zuletzt als Mittel der Armutsbekämpfung angesehen, vgl. G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 7; H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 4 ff. Danach erfolgte die Entwicklung des – mancherorts noch heute für touristische Zwecke existenten – Fiaker- (in Berlin 1742 mit 15 Kutschen) und des Droschkenwesens (dort ab 1814) für den fahrplanunabhängigen Individualverkehr, H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (3, 11); F. Pampel, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 33 (39). Die Droschken waren Lohnfuhrwagen mit maximal 8 Sitzplätzen, R. Maaß, ebd., S. 68, und damit schon wegen ihrer geringen Beförderungsquantität nicht als Grundlage eines allgemeinen ÖPNV geeignet. Zur Entwicklung des Droschkenwesens vgl. H. Großmann, ebd., S. 6 ff. 6 G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 9; B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (9).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Fahrplan eingeführt wurde.7 1864 existierten dort bereits 34 Pferdebusunternehmen.8 Die Betreiber waren stets private Unternehmer.9 Dies wurde nicht zuletzt durch die Einführung der Gewerbefreiheit ermöglicht. Die preußische GewO von 184510 definierte in § 49 I den Personennahverkehr als Teil des Straßengewerbes und unterwarf ihn allein polizeilichen Ordnungs- und Kontrollkompetenzen, was allerdings auch die Festlegung von Taxen umfasste.11 Damit herrschte grundsätzlich Gewerbe- und Genehmigungsfreiheit für das Beförderungswesen im Nahverkehr.12 An diese Regelungen schloss sich auch die GewO des Norddeutschen Bundes von 186913 als Grundlage der RGewO an, die in den §§ 37, 40, 76 eine erstmalige Regelung hinsichtlich der Genehmigung der gewerblichen Personenbeförderung traf.14 Die zuständigen Ortspolizeibehörden konnten aber allein sicherheits- und verkehrspolizeiliche Regelungen treffen sowie – unterschreitbare15 – Taxen festlegen, nicht aber verkehrswirtschaftliche Entscheidungen treffen.16 Die bestehenden Regelungsspielräume wurden häufig durch den Erlass von Droschkenordnungen für den linien- und nicht-linienmäßig betriebenen Verkehr ausgefüllt.17 Aus rechtlicher Sicht bestand somit keine Sonderstellung des sich entwickelnden ÖPNV gegenüber anderen Märkten. Insbesondere fehlte jeglicher unmittelbarer Gemeinwohlbezug sowie gesetzlich vorgesehene Möglichkeiten der Einflussnahme durch die öffentliche Hand. Von einer Aufgabe der Daseinsvorsorge kann zu diesem Zeitpunkt somit noch in keinerlei Hinsicht gesprochen werden. 7 F. Pampel, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 33 (39). Andere Städte folgten mit zeitlichem Abstand, so etwa Dresden im Jahr 1838, H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 13; B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (17). 8 E. Bendikat, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 149 (165). 9 F.-W. Henning, Handbuch, S. 550. Dementsprechend wurde der Pferdebusbetrieb bei ausbleibenden Gewinnen auch wieder eingestellt, so etwa in Leipzig, M. Mitdank, in: Nahverkehr in Leipzig, S. 14. 10 GS S. 41. 11 Entsprechend für die prGewO von 1861 E. Bendikat, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 149 (166); M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (134); für die RGewO ebenso R. Maaß, Wettbewerb, S. 69; zur historischen Entstehung der Gewerbefreiheit siehe F.-W. Henning, Handbuch, S. 128 ff.; K. v. Rohrscheidt, Gewerbeordnung, S. 3 ff. 12 K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 28 f.; H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 46; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (134). 13 RGBl. S. 245. 14 W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 5. Die Umwandlung der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes in diejenige des Deutschen Reiches erfolgte durch Gesetz vom 16. 4. 1871, vgl. K. v. Rohrscheidt, Gewerbeordnung, S. 7. 15 K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 18. 16 R. Maaß, Wettbewerb, S. 69 f.; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (134). K. v. Rohrscheidt, Gewerbeordnung, S. 219, hebt das Fehlen der gesetzlichen Notwendigkeit einer Konzession hervor, betont aber zugleich die Möglichkeit von Regelungen durch Polizeiverordnungen. 17 R. Maaß, Wettbewerb, S. 70.

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Die Pferdebusse blieben bis in die 1870er Jahre im Einsatz,18 wurden aber zunehmend durch an Schienen gebundene Pferdestraßenbahnen abgelöst, wobei die Entwicklung sowohl zeitlich als auch räumlich stark differierte.19 Die erste Pferdestraßenbahn in Deutschland nahm 1865 in Berlin ihren Betrieb auf.20 Ab 1876 / 77 hatte sich das neue Verkehrsmittel allgemein durchgesetzt.21 Dabei lagen bis 1891 Eigentum und Betriebsführung nahezu ausschließlich in privater Hand,22 oft belgischer oder britischer Unternehmen.23 Ziel war insoweit allein die Erwirtschaftung von Profiten.24 Nur in wenigen Einzelfällen erfolgte die Errichtung einer Pferdestraßenbahn durch Gemeinden.25 Der Einfluss der Kommunen war allerdings gegenüber den Möglichkeiten beim Pferdebusbetrieb deutlich gewachsen, obwohl ihnen bei unveränderter Rechtslage nach wie vor keine hoheitlichen EingriffsF.-W. Henning, Handbuch, S. 550. H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (11). 20 E. Bendikat, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 149 (166); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 22; F.-W. Henning, Handbuch, S. 979; K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 15; B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (17). Die erste Konzession wurde jedoch bereits 1862 in Stuttgart erteilt. Wegen verschiedener Schwierigkeiten technischer und finanzieller Art aber auch wegen der Auflage, eine Strecke durch die Innenstadt zu errichten, verzögerte sich der Baubeginn jedoch, vgl. G. Bauer, in: Nahverkehr in Stuttgart, S. 14 (15). Nach 1866 in Hamburg erfolgte 1868 schließlich auch in Stuttgart die Aufnahme des Pferdestraßenbahnbetriebes, G. Bauer, ebd.; H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (9); N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131. Vorausgegangen waren mit deutlichem zeitlichen Vorsprung bereits die Inbetriebnahme von Pferdestraßenbahnen im Ausland, so etwa 1829 in London und 1832 in New York, F.-W. Henning, Handbuch, S. 550; J. Pingel, ÖPNVNEU, S. 55; zur internationalen Entwicklung des Straßenbahnwesens siehe D.K. Clark, Die Straßenbahnen, S. 2 ff. 21 N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131; vgl. auch D.K. Clark, Die Straßenbahnen, S. 61 ff., mit zahlreichen Beispielen. Teilweise verzögerte sich die Schaffung von Pferdestraßenbahnen so lange, dass diese eigentlich bereits bei Inbetriebnahme veraltet waren, vgl. Th. Naumann, Die Würzburger Straßenbahn, S. 13 ff. 22 K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 16; D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (72); zur Zusammensetzung vgl. N. Niederich, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 83 (87 ff.) 23 F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 2; D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (72); N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (134). Bezeichnenderweise ging auch die Gründung der Berliner Pferdestraßenbahn auf einen dänischen Ingenieur namens Moller zurück, G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 11. 24 F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 7; N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (137); W. Pällmann, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 6; B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (9). Neben den in erster Linie verkehrsleistungsbezogenen Unternehmen bestanden private „Terraingesellschaften“, deren Ziel die Erhöhung der Grundrente der von ihnen erschlossenen Gebiete war, B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (9 f.). 25 So in Köpenick, Mariendorf, Nixdorf und Wiesloch, nur im letztgenannten Fall erfolgte aber auch der Betrieb durch die Kommune sebst, K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 16. 18 19

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

befugnisse zustanden.26 Dies resultierte aus der Notwendigkeit der Verlegung von Schienen im öffentlichen Straßenraum, die wiederum nicht ohne kommunale Gestattung erfolgen konnte, auf die aber kein Anspruch bestand. Grundsätzlich wäre es daher auch schon zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen, den Straßenbahnverkehr in kommunale Hand zu nehmen. Dass dies nicht geschah,27 war vor allem auf die damit verbundenen finanziellen Voraussetzungen und Risiken28 und die zudem gegebene administrative Zersplitterung des verkehrsbezogenen Nahbereichs29 zurückzuführen. Die Notwendigkeit der Inanspruchnahme öffentlichen Straßenraums ermöglichte aber auch die Vergabe von Konzessionen, die von einer Vielzahl von Regelungen begleitet wurden.30 Die Kommunen erlangten so große Einflussmöglichkeiten auf Ausstattung, Tarife und Fahrpläne.31 Der Konzessionsvertrag wurde zu einem privatrechtlichen Instrument zur Durchsetzung öffentlicher Interessen.32 Der den Unternehmen verbleibende Handlungsspielraum blieb jedoch zunächst dennoch recht groß.33 Auch fand, obwohl die Tarife im Vergleich zu den vorherigen Beförderungsmöglichkeiten relativ niedrig waren,34 keineswegs ein Massen-, sondern vielmehr ein „Wohlhabendenverkehr“35 statt. Vielmehr konnten anfangs teilweise so hohe Gewinne erwirtschaftet werden, dass selbst unrentable Linien, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (40). Ablehnend auch zeitgenössisch K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 105: „Verkehrsvermittelung ist keine Gemeindeangelegenheit“, da diese lediglich auf Befriedigung der Bedürfnisse der Gemeindemitglieder abziele. 28 Vgl. zum Würzburger Beispiel Th. Naumann, Die Würzburger Straßenbahn, S. 14. 29 M. Gitermann, Konzessionierter oder kommunaler Betrieb, S. 315, am Beispiel Zürichs. 30 H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 40; B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (10). A. Köttgen, Gemeindliche Daseinsvorsorge, S. 25, spricht sogar vom Wegewesen als seit jeher bedeutendem „Machtmittel“ der Gemeinden. Zur Parallelsituation bei der Gas-Straßenbeleuchtung siehe ausführlich H.-D. Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert, S. 36 ff. Neben die Konzessionbestimmungen traten insbesondere baupolizeiliche Regelungen, G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 14. 31 N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (137); vgl. etwa den Vertrag zwischen der Stadt Bad Homburg v.d.H. und der Elektricitäts-Aktiengesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co, Frankfurt / Main über die Elektrische Kleinbahn Bad Homburg v.d.Höhe-Dornholzhausen-Gothisches Haus vom 15. 4. 1898, abgedruckt bei W. Söhnlein, Bad Homburg, S. 261 ff.; und die Dresdner Konzessionsbedingungen vom 23. 11. 1887, abgedruckt bei H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 75 f. 32 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (39); H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 37. 33 E. Bendikat, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 149 (166), am Beispiel des Zustimmungsvertrages zwischen dem Berliner Magistrat und der „Großen Berliner Pferde-Eisenbahn AG“, der Auflagen zur Betriebs-, Beförderungs-, Fahrplan und Tarifpflicht enthielt. 34 G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 11. 35 S. Fisch, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 51 (56 f.); J. Hoffstadt, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 83 (84). 26 27

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auf deren Einrichtung die Kommune im Rahmen der Konzessionierung bestanden hatte, etwa zur Ermöglichung von Städtewachstum,36 bedient werden konnten, ohne dass es insgesamt zu negativen Betriebsergebnissen kam.37 Wo dies dennoch geschah, konnte es aber auch zur gänzlichen Wiedereinstellung des Pferdestraßenbahnbetriebes kommen.38 Der soziale Aspekt des sich herausbildenden ÖPNV harrte jedoch nach wie vor seiner Entdeckung durch die Praxis. Zwar wurde teilweise durchaus schon eine soziale Verantwortung der (privaten) Straßenbahngesellschaften anerkannt. Diese sollte aber ihre Grenze in Wirtschaftlichkeitsüberlegungen finden.39 Das bis heute nicht befriedigend gelöste Zentralproblem des ÖPNV wurde damit erstmals deutlich sichtbar. Dabei hatte Lorenz v. Stein schon im Jahre 1870 eine abweichende Konzeption vorgeschlagen, die den ÖPNV grundsätzlich nicht einer marktmäßigen Organisation zugänglich machte. Er sah das Verkehrswesen insgesamt als Verwaltungsaufgabe an.40 Alle Verkehrsanstalten seien „als unzweifelhaft allgemeine Angelegenheiten Sache des Staats“41. Zwar sollten Privatunternehmungen im Verkehrsbereich nicht unzulässig sein, aber als öffentliche Anstalten gelten und damit dem öffentlichen Recht unterworfen werden, sowie schließlich nicht zuletzt zur Ermöglichung gleicher Verkehrschancen für jedermann in ihrer Privatautonomie beschränkt werden können.42 Diese Vorstellungen widersprachen jedoch der gesetzlich verankerten Vorstellung der Gewerbefreiheit und sollten erst später bei der faktischen Entdeckung des ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge teilweise wieder aufgenommen werden. Zur Erreichung besserer Verkehrsleistungen bestand jedoch seitens der Kommunen zunächst häufig ein Interesse an einer Konkurrenzsituation für die Betreiber,43 so dass teilweise mehrere Unternehmen Pferdestraßenbahnkonzessionen erhielten. Das Ziel wurde jedoch im Allgemeinen nicht erreicht, so dass dieses Modell in der Folgezeit bis auf wenige Aufnahmen aufgegeben wurde.44 Neben H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (3 f.). N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (159). 38 So etwa in Schwerin, K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 16. 39 K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 45 f.; vgl. auch das Beispiel der in Dresden tätigen Tramways Company bei H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 79. Ders., ebd., S. 210, verweist auf jedoch ein öffentliches Interesse an preiswertem Nahverkehr. 40 L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 173 ff. 41 L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 196. 42 L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, S. 197, 178. 43 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (25); M. Gitermann, Konzessionierter oder kommunaler Betrieb, S. 309; H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 74 f., 82 ff.; K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 55; zu gleich gerichteten Überlegungen hinsichtlich der Gaswirtschaft siehe H.-D. Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert, S. 153 ff. 44 So weist F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 15, im Jahre 1909 darauf hin, dass der Straßenbahnbetrieb monopolisiert erfolgen müsse. 36 37

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

den unmittelbar wettbewerbsbedingten Nachteilen45 nahmen neu gebaute Konkurrenzbahnen häufig keine bzw. nicht ausreichend Rücksicht auf lokale und regionale Besonderheiten. Ab Ende der 1870er Jahre setzte daher, zunächst noch zögerlich, eine Verstaatlichungspolitik ein,46 die ihren Höhepunkt Jahrzehnte später in der Kommunalisierung nahezu aller Straßenbahnunternehmen finden sollte und deren Ergebnisse erst in neuerer Zeit wieder in Frage gestellt werden.

2. Elektrische Straßenbahnen: Marktveränderungen Nachdem in Berlin 1872 die Ringbahn, eine ursprünglich für den Güterverkehr konzipierte Eisenbahn, eine wichtige Rolle im Personennahverkehr übernommen hatte,47 ließ auch die Weiterentwicklung der Straßenbahn nicht mehr lange auf sich warten. Auf der Gewerbeausstellung 1879 stellte die Firma Siemens die erste elektrische (Schmalspur-)Bahn vor,48 die Grundlage der sich zwischen 1890 und 1920 allgemein als innerstädtisches öffentliches Verkehrsmittel durchsetzenden elektrischen Straßenbahn wurde.49 Den eisenbahnähnlichen vereinzelt insbesondere zur Umlandanbindung eingesetzten50 Dampfstraßenbahnen, etwa ab 1880 in Berlin, blieb der Erfolg dagegen versagt.51 Ergänzt wurde der Straßenbahnverkehr jedoch 45 Besonders deutlich wurden diese und damit auch das historische Scheitern der wettbewerblichen Erbringung von Nahverkehrsleistungen in Stuttgart zwischen 1886 und 1889, wo die Situation nicht nur durch eine fehlende Tarifintegration, sondern zudem durch gegenseitige Behinderungen zweier Unternehmen gekennzeichnet war, vgl. dazu G. Bauer, in: Nahverkehr in Stuttgart, S. 14 (16); N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (137, 142); positiv zur Konkurrenzsituation in Dresden dagegen H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 110 f. 46 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (15). 47 Insbesondere nach Einführung der Vororttarife 1891, H.J. Schwippe, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 161 (163). 48 G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 22; F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 2; F. Pampel, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 33 (39). 49 Eine erste Versuchsstrecke wurde 1881 in Berlin eröffnet, Bremen folgte 1890, Stuttgart 1895, B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (17); N. Niederich, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 83 (87). Daneben gab es nach wie vor noch Pferdestraßenbahnen, zudem wurden erste Autobuslinien in Betrieb genommen, so in München 1863 / 69 und in Berlin 1905, B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (10, 17); S. Fisch, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 51 (56); F. Pampel, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 33 (39). Um 1900 war die Versorgung deutscher Städte mit Straßenbahnen weitgehend beendet, danach erfolgte vor allem der Ausbau und die Erweiterung der bestehenden Anlagen, nicht zuletzt deren Elektrifizierung, soweit nicht unmittelbar elektrische Straßenbahnen eingesetzt wurden, F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 28. 50 K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 15. 51 Diese waren zu laut, zu schmutzig und zu teuer, H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (11). So musste die innerstädtische Berliner Dampfstraßenbahn bereits nach drei Wochen wieder eingestellt werden. Entsprechend erfolglos stellte sich die Situation für Gasmotorwagen dar, G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 15.

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insbesondere nach 1900 durch den – allerdings bis 1930 in den Städten meist unrentablen – Omnibusverkehr, dem zumeist eine Zubringer- und Anschlussfunktion zukam.52 Nach 1910 kamen erste Obuslinien hinzu53 und es erfolgte die Einrichtung erster Verbundnetze.54 Schon zu diesem Zeitpunkt hatte sich die bis heute kaum veränderte Verkehrsmittelvielfalt im Nahverkehr herausgebildet.55 In den deutschen Groß- und Mittelstädten war die Straßenbahn jedoch das wichtigste Nahverkehrsmittel,56 das auch für den aufkommenden Freizeitverkehr57 von Bedeutung war. Dies war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass elektrische Straßenbahnen technisch bedingt billigere Tarife als die Pferdebahn anbieten konnten und attraktiver als diese waren.58 Zudem setzten sich schon vor der Jahrhundertwende zunehmend rabattierte Wochenkarten für bestimmte Gruppen von Vielnutzern durch.59 Obwohl es sich bei den Straßenbahngesellschaften zumindest anfangs um privatwirtschaftliche Unternehmungen handelte,60 füllten sie zu diesem Zeitpunkt bereits faktisch eine Daseinsvorsorgefunktion aus. 52 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (18, 42). Die erste Benzinomnibuslinie wurde 1895 auf der Strecke Netphen-Siegen-Deuz eingerichtet, F.-W. Henning, Handbuch, S. 981; 1905 wurde die erste motorisierte Stadtomnibuslinie in Berlin in Betrieb genommen, R. Maaß, Wettbewerb, S. 68 Anm. 211; E. Töpfer, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 1 (2). 53 R. Maaß, Wettbewerb, S. 69. Größere Bedeutung erlangte dieses Verkehrsmittel aber erst in den dreißiger Jahren, vgl. G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 58. So erfolgte die Einführung in Leipzig 1938, M. Mitdank, in: Nahverkehr in Leipzig, S. 14 (17). 54 H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (15). In Berlin bestanden bereits nach 1900 erste Überlegungen zur Gründung eines Verkehrsverbandes, F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 21. 55 Neben die Anfänge des Autoverkehrs traten insbesondere in Berlin die 1902 in Betrieb genommene U- und ein Jahr später die S-Bahn, H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (15); N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (135); B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (17). Auch insoweit lag die Entwicklung in Deutschland Jahrzehnte hinter derjenigen etwa Großbritanniens zurück, wo die erste europäische U-Bahn 1863 eröffent wurde, F.-W. Henning, Handbuch, S. 980. 56 H.J. Schwippe, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 161 (165). 57 H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 32; B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (11); vgl. auch W. Söhnlein, Bad Homburg, S. 31. 58 Sie war insbesondere schneller als die Pferdestraßenbahn und wies größere Tansportkapazitäten auf. Zudem war sie auch komfortabler, H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (13 f.). 59 Es gab vor allem Arbeiter- und Schülerwochenkarten für den innerstädtischen und Vorortverkehr, vgl. dazu W.A. Boelcke, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 23 (36); S. Fisch, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 51 (57 f.); H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 200 ff.; G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 86. 60 Zur Kommunalisierung siehe unten F.I.2. b). Anders als Pferde- und Dampfstraßenbahnen waren die elektrischen Straßenbahnen häufig mit deutschem Kapital finanziert worden und gehörten daher zu einheimischen Unternehmen, häufig Elektrizitätsgesellschaften, F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 2, 8 ff.; D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen,

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Dennoch wiesen die Straßenbahnunternehmen im Regelfall zumindest eine zufrieden stellende Rentabilität auf.61 Dementsprechend waren um 1900 80% des in Straßenbahnen investierten Kapitals wegen der erwarteten Beträge angelegt.62 Dabei waren kommunale Zahlungen an die Unternehmen zum Ausbau bestimmter unrentabler Strecken eine seltene Ausnahme,63 die Belastung durch teure Konzessionsbedingungen dagegen die Regel.64 Allerdings erfolgte teilweise mit dem Ausbau des Liniennetzes eine Verschlechterung der Einnahmen pro Wagenkilometer und damit der wirtschaftlichen Situation insgesamt, da die Zunahme des Personenverkehrs nicht immer mit der Verkehrsleistungssteigerung Schritt hielt.65 S. 71 (72); Th. Naumann, Die Würzburger Straßenbahn, S. 32; N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (137); B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (11); sowie exemplarisch W. Söhnlein, Bad Homburg, S. 37 f. Elektrizitätswerke jedoch wurden teilweise bereits von Anfang an von Kommunen als reine Erwerbsbetriebe betrieben, vgl. W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 117 (127). 61 Die in den ersten Jahren zumeist erreichte überdurchschnittliche Rentabilität, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (42); H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 187, wich jedoch bald Dividenden, die nur selten über 6% lagen, K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 17, 65 f. mit Beispielen. Nach 1900 lagen die Dividenden im Durchschnitt zwischen 5 und 10%, F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 59 ff., H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 37 f.; beide mit Einzelnachweisen. Dies lag unter den bei Fabrikationsbetrieben üblichen Erträgen und unter den Werten für mündelsichere Wertpapiere, Helm, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 496; F. Hermes, ebd., S. 26. Teilweise traten jedoch auch Verluste auf, so etwa in Würzburg im Geschäftsjahr 1902 / 03, was jedoch nicht zur Nichtzahlung von Dividenden an die Aktionäre führte, Th. Naumann, Die Würzburger Straßenbahn, S. 52. Wirtschaftlich deutlich angespannter war die Situation jedoch, soweit mehrere Unternehmen im Wettbewerb standen. So lieferten sich in Leipzig die ab 1896 zwei, ab 1910 drei private Gesellschaften, wobei eine jedoch eine Tochtergesellschaft eines der beiden Wettbewerber war, einen „erbitterte(n) Konkurrenzkampf“ bis zu ihrer kriegsbedingten Gesamtfusion 1916, F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 49; H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 36; M. Mitdank, in: Nahverkehr in Leipzig, S. 14 (15 f.). Vom wirtschaftlichen Standpunkt unbefriedigend war die Situation auch in Stuttgart, G. Bauer, in: Nahverkehr in Stuttgart, S. 14 (15). 62 F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. V. Angesichts von Umsatzrenditen von 24 bis deutlich über 30% und einem Kostendeckungsgrad von 130 – 150% kann das nicht überraschen, vgl. für Dortmund J. Hoffstadt, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 83 (85). 63 So wurden 1897 / 98 in Berlin städtische Subventionen zum Bau neuer, unrentabler Strecken zugesagt, E. Bendikat, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 149 (170). 64 F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 14. Diese konnten zu ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten für die Unternehmen führen, vgl. für Würzburg Th. Naumann, Die Würzburger Straßenbahn, S. 32. Verbreitet war neben Anforderungen an die Einrichtung bestimmter Linien insbesondere auch die Vereinbarung der Zahlung von gewinnbezogenen Abgaben durch die Unternehmen an die Kommunen. F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 15 f., spricht insoweit mit Bezug zu den Beispielen Bremen und Breslau von einer „zwangsweise(n) Gewinnbeteiligung“, verweist aber auch auf die durch den Straßenbahnbetrieb höheren Straßenunterhaltungskosten. 65 F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 51.

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a) Das preußische Kleinbahngesetz Insbesondere nach 1890 war neben die Straßenbahn mit der Kleinbahn ein weiteres schienengebundenes Nahverkehrsmittel getreten.66 Die Kleinbahnen nahmen dabei eine Zwischenstellung zwischen der Eisenbahn und der Straßenbahn ein. Zwar waren sie grundsätzlich eisenbahnähnlich, sie dienten aber ebenso wenig dem Fern- wie dem innerörtlichen Verkehr, sondern vielmehr der weiteren Umlandanbindung, -erschließung und -entwicklung.67 Zum Zwecke der Förderung des Baus und der Zulassung von Kleinbahnen wurde 1892 für Preußen ein Kleinbahngesetz68 erlassen, das deutliche Erleichterungen gegenüber dem preußischen Eisenbahngesetz von 1838 enthielt, ohne die Vorrangstellung der Staatsbahn anzutasten.69 Für den Bereich des ÖPNV war dieses Gesetz in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen erfasste sein Anwendungsbereich auch die zuvor dem preußischen Eisenbahngesetz nicht unterfallenden, sondern vielmehr dem allgemeinen Polizeirecht 70 zugehörigen Straßenbahnen, da diese unter die nähere Bestimmung der Kleinbahnen in § 1 II prKlBG als „Bahnen, welche nicht mit Lokomotiven betrieben werden“ fielen. Zum anderen wurde das prKlBG in seinen Grundzügen zum Modellgesetz für das PBefG. 66 Die Broelthalbahn am Rhein, die 1862 als erste Kleinbahn in Deutschland als Schleppbahn zur Beförderung von Werksteinen mit einer Länge von ca. 3 Meilen errichtet wurde, entwickelte sich alsbald zu einem rentablen öffentlichen Verkehrsmittel, G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 18. Der Höhepunkt des Kleinbahnbaus lag zwischen 1890 und dem Ausbruch des ersten Weltkrieges, danach erfolgten bereits wieder Stilllegungen, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (15). In wirtschaftlicher Hinsicht waren Kleinbahnen häufig kein Erfolg, so dass die Notwendigkeit der Subventionierung bei Bau und Betrieb bestand, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (41 f., 43 ff.); K. Kunow, Die Finanzierung von Kleinbahnen, S. 28 ff. Anders war dies vor allem dann, wenn eine Anpassung an bereits vorhandene Verkehrsbedürfnisse erfolgte, G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 29 f. Die Organisation der Kleinbahnen erfolgte zumeist als AG, wobei die Aktienmehrheiten im Einklang mit der Entwicklung im gesamten ÖPNV-Sektor zunehmend von Kreisen und Gemeinden gehalten wurden, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (35); kritisch zu dieser Entwicklung aus zeitgenössischer Perspektive G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 62. 67 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (20); H. Jerusalem, Kleinbahngesetz, S. 7 f. 68 GS S. 225 ff. 69 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (23); H. Jerusalem, Kleinbahngesetz, S. 8; H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 27. Auch wurde eine Angleichung des Kleinbahn- an das Eisenbahnregime für nicht empfehlenswert gehalten, vgl. G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 31. Durch die Unterscheidung gelang eine Abwälzung des Kostenrisikos der ggf. unrentablen Zubringerstrecken von der überaus rentablen preußischen Staatsbahn sowie deren Stärkung im Wettbewerb der Verkehrsmittel, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (19 f., 23 ff.). Der noch heute bestehende, im Nahverkehr sachlich nicht zu begründende und hinderliche Dualismus von AEG und PBefG, vgl. oben E.I.2., wurde somit bereits in diesem Stadium der Verkehrsentwicklung begründet. 70 G. Eger, Kleinbahngesetz, S. 9; H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 29.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Obwohl das prKlBG im historischen Rückblick zutreffend als „staatlicher Regulierungsansatz in milder Form“71 gekennzeichnet und ihm „ausgeprägte gewerberechtliche Züge“72 bescheinigt wurden, greift eine allein die freiheitlichen Elemente in den Vordergrund stellende Betrachtung zu kurz. Nicht umsonst wurde es in der zeitgenössischen Literatur, wenn auch ebenfalls überspitzt und von der zum Zeitpunkt des Erlasses noch nicht derart ausgeprägten Kommunalisierung beeinflusst, als wichtigstes Sondergesetz für öffentliche Unternehmungen73 bezeichnet. Die Wahrheit liegt – wie so oft – dazwischen. Zwar knüpfte das prKlBG hinsichtlich seiner Geltung nicht an der privaten oder öffentlichen Trägerschaft des Kleinbahnunternehmers an.74 Durch die Einführung einer Genehmigungspflicht in § 2 prKlBG und der Hervorhebung des örtlichen Verkehrs in § 1 prKlBG wurde jedoch ein öffentlicher Charakter der Kleinbahnen gesetzlich anerkannt.75 Zudem wurden in den §§ 6 III und 30 ff. prKlBG die Möglichkeiten der Kommunalisierung und Verstaatlichung explizit festgeschrieben. Damit hatte der ÖPNV auf gesetzlicher Ebene einen wichtigen, wenn nicht den entscheidenden Entwicklungsschritt hin zu einer Aufgabe der Daseinsvorsorge getan. Die Erteilung der nach § 13 S. 1 prKlBG befristeten oder unbefristeten Genehmigung oblag nach § 3 prKlBG staatlichen Stellen, deren Zuständigkeit im Einzelnen von den örtlichen Gegebenheiten abhing,76 nicht aber den Gemeinden. Diese hatten keine Einflussmöglichkeit auf den Konzessionsvertrag, die Fahrplangestaltung und die Tarife. Ihnen blieben allein die beschränkten Möglichkeiten der mittelbaren Einflussnahme. Sofern, wie zumindest bei Straßenbahnen im Regelfall, der Verkehr auf öffentlichen Wegen vorgenommen werden sollte, war jedoch nach § 6 prKlBG die Zustimmung der jeweiligen Gemeinde als Wegeunterhaltspflichtigem erforderlich, die sowohl an die Zahlung eines Entgelts als auch die an Möglichkeit der späteren Kommunalisierung gegen „angemessene Schadloshaltung des Unternehmers“ gebunden werden konnte. Hinsichtlich dieser Zustimmung bestand jedoch die Möglichkeit der Ersatzvornahme.77 Der Rechtscharakter der Genehmigung blieb während der gesamten Geltungsdauer des prKlBG umstritten. Vertreten wurden vor allem zwei Meinungen. Während die herrschende gewerberechtlich orientierte und am Gesetzeswortlaut ansetzende Ansicht von einer polizeirechtlichen Erlaubnis ausging,78 stellte die G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (23). M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (28). 73 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 508. 74 G. Eger, Kleinbahngesetz, S. 14. Die einzige Privilegierung öffentlicher Unternehmen bestand aus der in § 12 prKlBG vorgesehenen Ausnahme von der mehrfach vorgesehenen Notwendigkeit der Bereitstellung von Sicherheitsleistungen. 75 M. Lehmann, Kleinbahnkonzession, S. 3. 76 Siehe dazu im Einzelnen auch H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 29. Für Berlin bestand nach § 39 prKlBG das besondere Erfordernis einer königlichen Genehmigung. 77 H.J. Schwippe, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 161 (187 f.). 71 72

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Gegenmeinung die Rolle des Staates in den Mittelpunkt und ging in Übereinstimmung mit der Rechtslage in anderen deutschen Ländern79 von einem Konzessionscharakter aus.80 Ebenfalls umstritten war dementsprechend, zumal der Wortlaut des § 4 prKlBG insoweit nicht weiterführend war, ob der Unternehmer bei Erfüllung der sogleich näher zu untersuchenden Voraussetzungen einen Anspruch auf Genehmigungserteilung hatte.81 Die Wirkungsweise der Genehmigung war dagegen relativ klar. Diese verlieh ein ausschließliches Recht, so dass im Hinblick auf die Erbringung der Fahrleistung strecken- und betriebsmittelbezogene Konkurrenz nicht möglich war.82 Eine Ausnahme bestand nur im Hinblick auf Anschlussbahnen nach § 28 prKlBG.83 Der Wettbewerb mit anderen Verkehrsmitteln war dagegen grundsätzlich uneingeschränkt möglich.84 Die Genehmigungsvoraussetzungen waren abschließend in § 4 prKlBG geregelt.85 Danach hatte die Genehmigungsbehörde die Betriebssicherheit (S. 2 Nr. 1), den Schutz gegen von der Bahn ausgehende Gefahren (Nr. 2), die technische Befähigung und Zuverlässigkeit des Personals (Nr. 3) sowie „die Wahrung der Interessen des öffentlichen Verkehrs“ (Nr. 4) zu überprüfen. Während § 4 S. 2 Nr. 1 – 3 prKlBG die Erfüllung technischer Anforderungen ohne verkehrspolitische Bezüge voraussetzte, ermöglichte der letzte Prüfungspunkt eine Einbindung des Unternehmens in eine behördliche Verkehrspolitik.86 Insbesondere wurde so die Durch78 PrOVGE 31, 374 (381); 83, 381 (385 f.); W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 8; H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 29; G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 64; so auch der Entwurf zum prKlBG, vgl. M. Lehmann, Kleinbahnkonzession, S. 2, 4 f. m. w. N. 79 G. Eger, Kleinbahngesetz, S. 42; H. Glöggler, Die verwaltungsrechtliche Stellung des Straßenbahnunternehmers, S. 7 ff.; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (135) m. w. N. 80 G. Eger, Kleinbahngesetz, S. 37 ff.; M. Lehmann, Kleinbahnkonzession, S. 3, 6 ff.; O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 228; noch weitergehender W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 507, der wegen der mit der Genehmigung und Betriebsaufnahme verbundenen Fähigkeit, Gegenstände in amtlicher Verwahrung nach § 133 StGB zu haben, von einer Beleihung ausging. 81 Dafür H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 29; dagegen G. Eger, Kleinbahngesetz, S. 53 f. 82 G. Eger, Kleinbahngesetz, S. 54 f. 83 Anschlussbahnen lagen vor, wenn Strecken verschiedener Unternehmer miteinander verbunden wurden, was von diesen zu tolerieren war. Auch dann herrschte jedoch nach der gesetzlichen Konzeption keine freie Konkurrenz. 84 Zum Ganzen M. Lehmann, Kleinbahnkonzession, S. 41 f., mit weitergehenden Ausführungen. 85 H. Jerusalem, Kleinbahngesetz, S. 22; H.J. Schwippe, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 161 (187). G. Eger, Kleinbahngesetz, S. 89, 93, meint unter Verweis auf § 9 prKlBG dagegen, § 4 prKlBG beziehe sich nur auf die polizeiliche Prüfung, von der eine nicht polizeiliche zu trennen sei, in welcher auch weitere Gesichtspunkte, z. B. finanzielle Lage etc., einzubeziehen seien. 86 Dahingehend W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 509. Nicht verkehrspolitischer, sondern allein technischer Natur war dagegen die in § 17 prKlBG vorgesehene Planung.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

führung einer Bedürfnisprüfung möglich, wenn auch nach h.M. allein ein fehlendes Verkehrsbedürfnis nicht zu einer Genehmigungsversagung führen durfte.87 Die behördlich bestimmten öffentlichen Verkehrsinteressen konnten nach der Konzeption des prKlBG jedoch auch aktiv durch weitere Maßnahmen positiv im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gefördert werden. So bestand nach § 11 II prKlBG die Möglichkeit der Auferlegung einer Betriebspflicht88 und der Festsetzung einer Frist für die Inbetriebnahme. Von dieser wurde in der Regel Gebrauch gemacht.89 Zur Sanktionierung von Verstößen bestanden neben Strafzahlungen, § 11 III prKlBG, die Möglichkeiten des Erlöschens der Genehmigung bei nicht fristgemäß erfolgtem Bau- oder Betriebsbeginn, § 23 prKlBG, sowie der Genehmigungsrücknahme, § 24 prKlBG, wenn Bau oder Betrieb ohne genügenden Grund unterbrochen wurden oder sonstige Verstöße gegen die Genehmigungsbedingungen oder Pflichten nach dem prKlBG erfolgten. Hinsichtlich des Fahrplans und der Tarife einschließlich etwaiger Ermäßigungen, die nach § 21 II, III prKlBG hinsichtlich ihrer Höhe allgemeine Gültigkeit beanspruchten, waren die Einflussnahmemöglichkeiten der Genehmigungsbehörde zunächst gering. Nach Ablauf von mindestens fünf Betriebsjahren war jedoch die Festlegung von Höchsttarifen, die jedoch die wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu berücksichtigen hatten, möglich, § 14 III prKlBG.90 Auch die Fahrpläne unterlagen nach § 14 II prKlBG zunehmend dem Einfluss der Genehmigungsbehörde. War die Genehmigung zunächst befristet erteilt worden, bestand, wenn auch im prKlBG nicht explizit vorgesehen, bei gegebenem öffentlichen Interesse die Möglichkeit der Verlängerung.91 Grundsätzlich war jedoch ein Wettbewerb um die Genehmigungen erwünscht.92 Insgesamt führte das prKlBG im Rahmen seines Anwendungsbereichs zu einer ersten rechtlichen Strukturierung des ÖPNV. Neben das zuvor durch die Gewerbefreiheit allein rechtlich ausschlaggebende Interesse des Unternehmers trat in wenn auch begrenztem Umfang aber durchaus wirksam die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Gemeinwohlaspekten. Damit einher ging eine deutliche Stärkung der Stellung der öffentlichen Hand.

H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 30; G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 58. H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 30. Nach G. Eger, Kleinbahngesetz, S. 233 f., bestand die Betriebspflicht dagegen automatisch, § 11 prKlBG sollte dagegen nur die Sanktionsmöglichkeiten bei Verletzung regeln. 89 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (22). 90 Vgl. insoweit zeitgenössisch M. Lehmann, Kleinbahnkonzession, S. 45: Verkehrsunternehmen berühren „in tiefgehendster Weise durch die Grundsätze ihrer Preisgestaltung die Interessen des Gemeinwohls, welche der Staat zu wahren hat.“ 91 H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 31. 92 M. Lehmann, Kleinbahnkonzession, S. 21. 87 88

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b) Kommunalisierung Befanden sich im Jahre 1893 im gesamten Deutschen Reich erst drei Straßenbahnen in kommunalem Besitz,93 erfolgte insbesondere nach der Jahrhundertwende ein zunehmendes94 Engagement der Gemeinden im ÖPNV, entsprechend der damaligen Marktstruktur vor allem im Bereich der Straßenbahn. Dies geschah vereinzelt durch kommunale Straßenbahngründungen, wo vorher noch keine Pferdestraßenbahn bestand,95 zumeist aber im Wege der Kommunalisierung.96 Regelmäßig machten die Gemeinden von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Zustimmung zum Straßenbahnbau mit Übernahmeklauseln zu verbinden.97 Wie stets bei der Kommunalisierung, waren die Motive hierfür vielfältig. Im Folgenden sollen allein die verkehrsspezifischen Gesichtspunkte im Überblick aufgezeigt werden.98 Obwohl wegen der zunächst noch gegebenen Rentabilität der Straßenbahnen das Ziel der Einnahmeerzielung im Vordergrund stand,99 traten zunehmend gemeinwohlorientierte Aspekte hinzu. Die gegenseitige Abhängigkeit von Stadtentwicklung

In Halle, Köpenick und Düsseldorf, G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 48. Im Jahre 1900 befanden sich 15 %, nur zehn Jahre später bereits 45 % der Nahverkehsunternehmen in kommunaler Trägerschaft, N. Niederich, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 83 (96). 1913 war schließlich etwa die Hälfte der Straßenbahnen in Preußen in öffentlicher Hand, G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 48; G. Himmelmann, in: H. Brede / A. v. Loesch, Die Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft, S. 31 (40). 95 H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (14). 96 G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 42; H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (14); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 22; H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 10; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (135); sehr kritisch dazu aus zeitgenössischer Sicht K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 9 ff. 97 F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 18; vgl. z. B. § 11 des Vertrages zwischen der Stadt Bad Homburg v.d.H. und der Elektricitäts-Aktienesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co, Frankfurt / Main über die Elektrische Kleinbahn Bad Homburg v.d.Höhe-Dornholzhausen-Gothisches Haus vom 15. 4. 1898, abgedruckt bei W. Söhnlein, Bad Homburg, S. 262. Übernahmeklauseln waren auch bei anderen konzessionsabhängigen Tätigkeiten nicht unüblich, vgl. für die Gaswirtschaft H.-D. Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert, S. 50 ff.; W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 117 (122). 98 Die allgemeinen Kommunalisierungsziele, vgl. oben A.I.2. b)bb), wurden selbstverständlich auch im ÖPNV-Bereich verfolgt. 99 E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 16; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 23; K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 70, 105; H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 37; N. Niederich, in: H.L. Dienel / B. Schmucki, Mobilität für alle, S. 83 (97); ders., in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (137); für Österreich Chr. Dirninger, in: J. Schneider, S. 159 (169). Diesen Aspekt sah auch G.M. v. Unruh, Kleinbahnen, S. 75, als gefährlich für rentable private Kleinbahnen an, denen die Verstaatlichung drohen könnte. Entsprechend war auch die Situation hinsichtlich der Gaswerke, vgl. H.-D. Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert, S. 195, 209 f.; W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 117 (124). 93 94

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und Verkehrsausbau100 und die Bedeutung der Straßenbahn als Instrument der Stadtentwicklung und -erweiterung wurden erkannt.101 Gerade in den größeren Städten erzwang die fortschreitende Urbanisierung wegen der von der Bevölkerung immer größeren zu überwindenden Strecken den Anschluss entfernterer Stadtteile durch schnelle und billige Nahverkehrsmittel.102 Die privaten Straßenbahnunternehmer waren jedoch, zumal ohne einen finanziellen Ausgleich, nicht willens, eine gemeinwohlbezogene kommunale Verkehrspolitik umzusetzen. Die daraus resultierenden Konflikte trugen maßgeblich zu den Kommunalisierungen bei.103 Unmittelbar nach den Kommunalisierungen traten häufig leichte Verkehrsverbesserungen und Tariferhöhungen auf.104 Große Veränderungen im Hinblick auf die Verkehrsleistung erfolgten jedoch im Regelfall nicht. In organisatorischer Hinsicht erfolgte meist eine Umwandlung in gemeindliche Regiebetriebe.105 Zudem entwickelte sich ein Trend hin zu großen kommunalen Verkehrsunternehmen, die sowohl wirtschaftliche als auch sozialpolitische Motive verfolgten.106 Dieser setzte sich während der Weimarer Republik fort. Zunächst erlitten die Verkehrsunternehmen bedingt durch den ersten Weltkrieg jedoch einen „Aderlass“107.

100 H. Großmann, Die kommunale Bedeutung des Straßenbahnwesens, S. 223 ff.; ebenso aus neuerer Zeit S. Feldhaus, Verantwortbare Wege, S. 183. 101 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 22; W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 159 (165); F. Pampel, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 33 (40). 102 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (16); H.-D. Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert, S. 159; K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 41 ff.; D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (74); M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (135); Chr. Treffer, Der Staat 35 (1996), S. 251 (267); G.Chr. v. Unruh, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 43 (49); W. Zitscher, Daseinsvorsorge, S. 48. Zu dem häufig in den Außenbezirken vorhandenen Anbindungswunsch siehe am Beispiel Stuttgarts G. Bauer, in: Nahverkehr in Stuttgart, S. 14 (17). Plastisch aus zeitgenössischer Sicht etwa M. Lehmann, Kleinbahnkonzession, S. 15: „Straßenbahnen ermöglichen erst die Verwirklichung der Einheit des verfassungsmäßig eine solche bildenden Wohnbezirks und sichern die Lösung der sich durch die räumliche Größe der Verwaltungseinheit ergebenden ,besonderen‘ Verwaltungsaufgaben.“; ähnlich H. Marschner, Öffentliche Hand und Nahverkehr, S. 34. 103 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 24; W.R. Krabbe, in: H.H. Blotevogel, Kommunale Leistungsverwaltung, S. 159 (166); parallel für die Gaswirtschaft H.-D. Brunckhorst, Kommunalisierung im 19. Jahrhundert, S. 116 ff. Ausführlich zu den Konfliktsituationen und Lösungsversuchen am Beispiel der Züricher Gasversorgung und Straßenbahn M. Gitermann, Komzessionierter oder kommunaler Betrieb, S. 74 ff., 349 ff. 104 F. Hermes, Finanzierung und Rentabilität, S. 22. 105 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (35). 106 B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (12). 107 Helm, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 496 (497); am Beispiel Würzburgs Th. Naumann, Die Würzburger Straßenbahn, S. 53 ff. Dieser betraf natürlich auch, möglicherweise sogar in noch größerem Umfang die privaten Unternehmen.

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3. Weimarer Zeit: zunehmende rechtliche Regulierung Während der Weimarer Republik lag der Schwerpunkt der Entwicklung des ÖPNV im Ausbau der vorhandenen Straßenbahnnetze und deren planmäßiger Vervollständigung.108 Ab 1920 erfolgte zudem zunehmend die Einrichtung des flexibleren und auch steuerlich begünstigten Busverkehrs.109 Rechtlich unterfiel dieser dem allgemeinen Gewerberecht, sofern keine Überschreitung der Gemeindegrenzen erfolgte. Zur Aufnahme war eine Genehmigung nach § 37 RGewO i.V.m. der jeweiligen Polizeiverordnung durch die zuständige Ortspolizeibehörde erforderlich.110 Parallel dazu entwickelte sich das Auto zu einer ernsthaften Konkurrenz111. Vor allem in den 1930er Jahren war insgesamt eine starke Verkehrszunahme zu verzeichnen.112 In den 1920er Jahren befand sich bereits die Mehrzahl der Nahverkehrsbetriebe in kommunaler Hand.113 Daneben gab es erste gemischtwirtschaftliche Unternehmen.114 Auch die neuen Buslinien wurden vor allem und in zunehmendem Maße von öffentlichen Unternehmen betrieben, wobei auch insoweit die kommunalen Unternehmen überwogen.115 Bedingt durch Gemeinwohlverluste wegen bürokratisch-langsamer und unflexibler Entscheidungen der zuständigen kommunalen Stellen116 erfolgte jedoch verbreitet eine (Rück-)Umwandlung der öffentlichen 108 B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (12). G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 43 ff., weisen zutreffend darauf hin, dass dies jedoch durch die wirtschaftlichen Probleme gebremst wurde. 109 G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 45; H. Jäger, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 1 (17); N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (136); W. Söhnlein, Bad Homburg, S. 104. 110 J. Esser, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 39 (56); H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 41. Dies galt jedoch nicht für von der Deutschen Reichspost durchgeführte Busverkehre, im Übrigen aber unterschiedslos. 111 Zur rasanten Entwicklung des MIV während der Weimarer Republik siehe S. Feldhaus, Verantwortbare Wege, S. 54 ff. W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 6, führt mit Blick auf den Autoverkehr aus, dass dessen Zunahme zum „berüchtigte(n) Wettbewerb zwischen Straße und Schiene“ geführt habe. 112 G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 58. 113 G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 69. 1927 gab es 223 Straßenbahnunternehmen. Davon waren 120 in kommunaler, 67 in gemischtwirtschaftlicher mit überwiegend kommunalem Einfluss und nur 36 in privater Trägerschaft, ebd. S. 76. 114 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (40); H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 34; E. Töpfer, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 1 (7 f.); B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (12). 115 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (36); E. Töpfer, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 1 (7 f.). 1927 gab es insgesamt 140 Busunternehmen, wovon 31 von der Reichspost und 3 von der Reichsbahn betrieben wurden. 40 Unternehmen waren in privater, die restlichen in kommunaler Trägerschaft, G. Ambrosius, Der Staat als Unternehmer, S. 76. 116 Helm, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 496 (511 f.).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Regiebetriebe in eine privatrechtliche Rechtsform.117 Zu einer Entkommunalisierung bzw. Reprivatisierung kam es trotz nunmehr häufig fehlender Gewinne118 jedoch nicht. Vielmehr war der ÖPNV zu einer kommunalen Aufgabe geworden119 und zumindest faktisch nicht mehr in erster Linie Gegenstand freier wirtschaftlicher Betätigung durch Private. Zwischen dem Ende des ersten Weltkrieges und dem Erlass des PBefG 1934 schritt auch die normative Durchdringung des Bereichs voran. Neben das in Preußen für Straßenbahnen nach wie vor Geltung beanspruchende prKlBG trat 1919 für den gesamten Gemeindegrenzen überschreitenden Linienverkehr die Kraftfahrzeuglinienverordnung120 in Kraft. Deren § 1 sah die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung vor. Voraussetzung für den Erhalt solchen war nach § 2, dass die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebes sowohl durch die Persönlichkeit des Unternehmers als auch durch die Beschaffenheit des Unternehmens gesichert waren sowie dass „das Unternehmen den öffentlichen Interessen nicht zuwiderläuft.“ 1925 wurde die Verordnung durch das Kraftfahrzeugliniengesetz 121 ersetzt, ohne dass wesentliche Änderungen vorgenommen wurden. Dieses wurde 1928 durch eine ausführende und deutlich umfangreichere neue Kraftfahrzeuglinienverordnung122 ergänzt. Obwohl diese schon wegen ihrer Rechtsnatur keine von der formalgesetzlichen abweichende Regelung treffen konnte, insbesondere ihr Anwendungsbereich auf den Gemeindegrenzen überschreitenden Linienverkehr beschränkt war, enthielt sie einige Neuerungen, die dazu führten, dass der betroffene Bereich faktisch dem Wettbewerb entzogen und Marktmechanismen ausgeschaltet wurden. Es erfolgte eine deutliche normative Stellungnahme für die „gemeinnützigen Grundgedanken des allgemeinen Verkehrslebens“123. Zwar war nach § 12 I die Genehmigung nunmehr zwingend zu befristen. Ihre Erteilung setzte nach § 9 I 1 jedoch neben der Anhörung des Wegeunterhaltspflichtigen auch diejenige der vorhandenen Unternehmer voraus. Deren Stellung wurde auch durch eine nähere Bestimmung der bei der Genehmigung zu prüfenden öffentlichen Interessen gestärkt. Nach § 8 II Nr. 2 lief ein Unternehmen den öffent117 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (40); D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (74). 118 Vgl. die auch auf die vorangegangenen Jahre bezogene Meldung „Die Tarifgestaltung im Verkehrswesen“ in: Der Gemeindetag 1935, 492. 119 Zeitgenössisch Helm, in: H. Luther / P. Mitzlaff / E. Stein, Zukunftsaufgaben, S. 496 (510): „Wegen der Bedeutung der Nahverkehrsmittel für das gesamte wirtschaftliche und kulturelle Leben der Städte ist es selbstverständlich, dass sich die Stadtverwaltungen den gebührenden Einfluß auf die Verwaltung dieser Betriebe sichern.“ 120 RGBl. S. 97. Diese ging bereits auf einen Gesetzentwurf von 1917 zurück, H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 74. Nach § 6 war die Verordnung jedoch nicht auf die Postverwaltung anwendbar. 121 RGBl. I S. 319. 122 RGBl. I S. 380. 123 W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 6.

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lichen Interessen zuwider, „wenn es bereits vorhandenen Verkehrsunternehmen einen unbilligen Wettbewerb bereitet oder ihrer dem öffentlichen Bedürfnis mehr entsprechenden Ausgestaltung vorgreift, ohne doch das öffentliche Verkehrsbedürfnis zweckmäßiger oder nachhaltiger zu befriedigen oder die vorhandenen öffentlichen Verkehrsmittel vorteilhaft zu ergänzen.“ Wurde mit der hier erstmals verwendeten Formel des unbilligen Wettbewerbs angesichts des Regelungsbereichs der Verordnung vor allem der Schutz von Reichsbahn und Reichspost angestrebt,124 so wurde daran doch die inzwischen klar von einer marktlichen Erbringung abweichende Einstellung hinsichtlich des ÖP(N)V sichtbar. Im Einklang damit stehen auch die in den §§ 15 ff. vorgesehenen Möglichkeiten der Auferlegung von Fahrplan-, Tarif- und Betriebspflichten. 1931 wurden die Regelungen des Kraftfahrzeugliniengesetzes und der Kraftfahrzeuglinienverordnung ohne spektakuläre inhaltliche Änderungen durch eine Notverordnung des Reichspräsidenten125 ersetzt und in dieser zusammengeführt.126 Mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft und der damit einhergehenden Kfz-Förderungspolitik wurden zwar bis dahin bestehende Vergünstigungen für den ÖPNV teilweise abgeschafft.127 Wesentliche konzeptionelle Veränderungen erfolgten jedoch nicht. Damit war am Vorabend der Schaffung des PBefG der Bereich des ÖPNV durch eine Unsicherheit erzeugende128 Rechtszersplitterung gekennzeichnet. Während der innerörtliche Busverkehr zumindest rechtlich den Marktkräften überlassen wurde, unterlagen der Straßenbahnverkehr auf Landesund der überörtliche Busverkehr auf Reichsebene deutlichen, im Detail jedoch voneinander abweichenden Regulierungen. Zudem war der Bereich durch ein deutliches Überwiegen öffentlicher, vor allem kommunaler Unternehmen gekennzeichnet.129

124 J. Esser, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 39 (57 ff.); H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 47. 125 RGBl. I S. 558. 126 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (29), sieht darin die endgültige Beschreitung des Weges zur zentralstaatlichen Regulierung. Daneben enthielt die Verordnung auch Regelungen über den Güterfernverkehr. 127 So wurde 1934 die Steuerfreiheit öffentlich-rechtlicher Nahverkehrsbetriebe durch das Körperschaftssteuergesetz, RGBl. I S. 1031, aufgehoben und das allgemeine Vorfahrtsrecht der Straßenbahnen abgeschafft, 1936 wurde für Busse die von 1917 bis 1922 erhobene Beförderungssteuer wiedereingeführt. Für Straßenbahnen, die bis 1931 grundsätzlich beförderungssteuerpflichtig, zumeist aber davon freigestellt waren, galt dies jedoch nicht, siehe dazu J. Esser, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 39 (45, 51 f.); N. Niederich, in: H. Matzerath, Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, S. 131 (137). 128 Vgl. G. Hein, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 67; K. Hilse, Verstadtlichung der Straßenbahnen, S. 18. 129 Die These von der Entstehung des modernen dezentralisierten, deregulierten und wettbewerbsorientierten ÖPNV zwischen 1880 und 1930, so G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (135), hat daher nur in sehr begrenztem Umfang Bestand.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

II. Regelung durch das PBefG Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 30. 1. 1934130 gingen die Hoheitsrechte der Länder gemäß dessen Art. 2 I auf das Reich über. Damit erhielt dieses zugleich die Kompetenz zu einer einheitlichen Regelung der gewerblichen Personenbeförderung. Noch im selben Jahr wurde das in der Folge zwar regelmäßig, konzeptionell aber erst im Zuge der Bahnstrukturreform geänderte PBefG erlassen. Mit ihm wurden alle Landverkehrsmittel mit Ausnahme des Eisenbahnverkehrs, jedoch unter Einschluss des innerörtlichen Bus- sowie des Gelegenheitsverkehrs, im Hinblick auf die Durchführung der gewerblichen Personenbeförderung einer umfassenden und abschließenden Regelung unterworfen.131 Damit wurde der erkannten Notwendigkeit zur einheitlichen Entwicklung der gewerblichen Personenbeförderung Rechnung getragen und eine planmäßige Einordnung des gewerblichen Personenverkehrs in den Gesamtverkehr vorgenommen.132 Diese Erweiterung des Anwendungsbereichs und die damit verbundene Herstellung eines einheitlichen Rechtsrahmens für den gesamten ÖPNV ist die wichtigste Neuerung gegenüber der vorherigen Rechtslage. Zugleich erscheint das PBefG als Abschluss einer Entwicklung vom liberalen zum interventionistischen Denken, zu einem zentralstaatlichen Politikverständnis und zum Misstrauen in wettbewerblich geregelte Märkte.133 Anstelle des Marktes war die „staatliche Verwaltung . . . zum verantwortlichen Garanten der gerechten Verkehrsordnung geworden.“134 Völlig zu Recht konnte Forsthoff 1938 den Bereich des ÖPNV in Anknüpfung an die Rechtswirklichkeit als typische Aufgabe der Daseinsvorsorge kennzeichnen. In inhaltlicher Hinsicht war bezüglich des hier interessierenden Bereichs keine grundsätzliche Neuschöpfung erforderlich. Vielmehr bestand die Möglichkeit der Anknüpfung an den bereits existenten Regelungen. Von dieser wurde auch Gebrauch gemacht. So erfolgte die Übernahme bewährter Regelungen aus dem prKlBG im Hinblick auf den Straßenbahnverkehr135 sowie die Anknüpfung an RGBl. I S. 75. H. Glöggler, Die verwaltungsrechtliche Stellung des Straßenbahnunternehmers, S. 1; W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 10, 12; G. Hein, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 67 (70); H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 56. An die Stelle der Verkehrstechnik war somit die Verkehrsaufgabe als vorrangiger Anknüpfungspunkt des Rechts getreten, W. Gruenhagen, ebd., S. 9. Zugleich galten auch Straßenbahnen erstmals rechtlich nicht mehr als Kleinbahnen. Letztere wurden 1938 je nach Anlage, Verkehrsbedeutung und Betriebsweise in Straßen- oder Eisenbahnen umgewandelt, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (22, 32). 132 W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 5, 30. 133 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (33). 134 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 37; W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 14. 135 H. Glöggler, Die verwaltungsrechtliche Stellung des Straßenbahnunternehmers, S. 1; W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 9; G. Hein, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 67 (68). 130 131

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den Bestimmungen über den gemeindegrenzüberschreitenden Linienverkehr sowie deren Modifizierung. Diese „bekannten und bewährten“ Regelungen bestimmen bis heute maßgeblich die Organisation des ÖPNV in Deutschland und werden von interessierten Kreisen vehement verteidigt – neuerdings vor allem gegen die Liberalisierungsbestrebungen der EG. Bevor auf diese und ihre Folgen einzugehen ist,136 soll jedoch der eigenständige Regelungsgehalt des PBefG von 1934 und dessen Entwicklung in der Bundesrepublik aufgezeigt werden.

1. PBefG 1934 Den ideologischen Leitgedanken des PBefG vom 4. 12. 1934137 und der ergänzenden Durchführungsverordnung vom 26. 3. 1935138 entsprachen die zeitgenössischen Aussagen, dass der Verkehr eine der „obersten Staatsaufgaben“ im Interesse des Gemeinwohls139 und dementsprechend der „Betrieb eines Verkehrsunternehmens die Erfüllung einer Pflicht gegenüber der Volksgemeinschaft“140 sei. Die zuvor inhaltlich vorhandenen Regelungen wurden entsprechend ergänzt und modifiziert. Obwohl von einer gesetzlichen Bestimmung der Rechtsform der Beförderungsunternehmen im Interesse einer einheitlichen Verkehrsregelung als weitestgehender staatlicher Einflussnahme abgesehen wurde141 und auch keine Verstaatlichung vorgesehen war, sollte ein planvoller und damit staatlich gesteuerter Verkehrsaufbau ermöglicht werden.142 Dies geschah gesetzestechnisch durch die Einführung der Notwendigkeit eines positiven Bedürfnisses für die Einrichtung eines Verkehrs nach § 9 II PBefG und die Schaffung eines Systems von teilweise sehr weitgehenden Genehmigungspflichten143 und der Ermöglichung einer weit-

Dazu insbesondere unten G.I, H.II. RGBl. I S. 1217, geändert durch Gesetz vom 6. 12. 1937, RGBl. I, S. 1319. Die vorgenommenen Änderungen waren jedoch nicht konzeptioneller Natur und sollen daher außer Betracht bleiben. 138 RGBl. I S. 473. Hinzu kamen 1937 die BOStrab, RGBl. I S. 1247, sowie 1939 die Verordnung zur Einführung der allgemeinen Beförderungspflicht, RGBl. I S. 231, sowie die BOKraft, RGBl. I S. 231. 139 W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 26. 140 H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 52. 141 W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 13. Dies stand in Übereinstimmung mit der neuen Verwaltungsrechtsdogmatik, nach der nicht die Rechtsform, sondern der Gesetzeszweck im Vordergrund stehen sollte, ebd., S. 14. Insoweit bestand eine Parallele zum Enegiewirtschaftsgesetz, RGBl. (1935) I S. 1451. 142 H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 35. Nach W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 10, sollte insbeondere der Wettbewerb zwischen Straße und Schiene beendet werden. 143 E. Forsthoff, Verwaltung, S. 37. R. Maaß, Wettbewerb, S. 72, weist zutreffend darauf hin, dass die Genehmigungsvorschriften einen rigoros-planwirtschaftlichem Hintergrund hatten. Daneben führte deren Vereinheitlichung jedoch auch zu einer Wettbewerbsvereinheitlichung, ebd., S. 71; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (135). 136 137

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gehenden Einflussnahme der Genehmigungsbehörden.144 Der Genehmigungszwang wurde zum wichtigsten Mittel der staatlichen Verkehrsführung bzw. der Ermöglichung einer schöpferischen Verkehrspolitik, wobei jedoch Selbständigkeit und Selbstverantwortlichkeit der Einzelunternehmer aufrechterhalten wurden.145 Wichtigstes Instrument war die allgemeine Genehmigungspflicht gemäß § 2 PBefG konkretisierende und eine monopolähnliche Rechtsposition vermittelnde Liniengenehmigung nach § 9 PBefG.146 Obwohl mit dieser Bestimmung ein Schutz von Konkurrenzinteressen gegen den freien Wettbewerb nicht in erster Linie bezweckt war,147 spielte die Sicherung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit der vorhandenen Unternehmer zumindest im gesamtwirtschaftlichen Interesse insoweit eine Rolle.148 Die Genehmigung selbst wies in Übereinstimmung mit der gesamtverkehrsbezogenen Intention des PBefG von 1934 nunmehr eindeutig den Charakter einer Konzession auf,149 so dass der ÖPNV von Gesetzes wegen als Verwaltungsaufgabe150 angesehen wurde. Die Genehmigungsvoraussetzungen wichen dennoch textlich nur in geringem Maße von denen der Vorgängerregelungen ab. Nach § 9 I PBefG erforderlich wa144 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (30). G. Püttner, Unternehmen, S. 270, hebt zudem die Existenz einer strengen Kontrolle hervor. 145 H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 54 f. 146 R. Maaß, Wettbewerb, S. 74. H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 110, bezeichnete die Vorschrift aus zeitgenössischer Sicht als „Kern des PB(ef)G“. 147 H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 118; R. Maaß, Wettbewerb, S. 73. G. Hein, PBefG, S. 65, weist ausdrücklich darauf hin, dass mit der Genehmigung kein ausschließliches Recht zur Einrichtung des genehmigten Verkehrs begründet werde. Es überzeugt daher zumindest im Hinblick auf die Urfassung des PBefG nicht, dieses als im wesentlichen unternehmerorientiert anzusehen, so aber G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (33). 148 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 42. Faktisch erfolgte tatsächlich durch die Regelung ein weitgehender Wettbewerbsausschluss, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (34). 149 Unter Bezugnahme auf die Straßenbahnen und den insoweit unter der Geltung des prKlBG bestehenden Streit H. Glöggler, Die verwaltungsrechtliche Stellung des Straßenbahnunternehmers, S. 39 f.; G. Hein, PBefG, S. 63 f.; H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 36; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (135 f.). Zum Stand der Dogmatik betreffend die Abgrenzung von Konzession und Gewerbeerlaubnis bei Schaffung des PBefG vgl. ausführlich W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 18 ff.; zusammenfassend F. Fleiner, Institutionen, S. 346: eine Konzession beinhalte eine echte Erweiterung von Rechten, eine Gewerbeerlaubnis dagegen nur die Feststellung des Vorhandenseins des in Frage stehenden Rechts. 150 F. Fleiner, Institutionen, S. 348, betont, dass der Konzessionär in Wirklichkeit Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Weitergehend wurde der Genehmigungsinhaber daher teilweise als Beliehener angesehen, H. Glöggler, Die verwaltungsrechtliche Stellung des Straßenbahnunternehmers, S. 39 ff.; bzw. die Genehmigung trotz der Bejahung aller Beleihungsvoraussetzungen unter Verweis auf die neue Verwaltungsrechtsdogmatik als eigenständige „politisch orientierte Verwaltungsmaßnahme, durch die der Staat die Verkehrsführung ausübt“, angesehen, so W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 29.

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ren die Zuverlässigkeit des Antragstellers151 und die Gewährleistung der Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebs. Zudem hatte der beantragte Verkehr die Interessen des öffentlichen Verkehrs zu wahren. Gemäß § 9 II PBefG war die Genehmigung „zu versagen, wenn kein Verkehrsbedürfnis vorliegt.“ Daneben war nach § 15 PBefG im Hinblick auf Straßenbahnverkehre die Zustimmung des Wegeunterhaltspflichtigen erforderlich, die nach wie vor an die Zahlung eines Entgelts gebunden werden konnte und der Ersatzvornahme zugänglich war. Die DVO konkretisierte die im PBefG enthaltenen Genehmigungsanforderungen ebenfalls weitgehend in Übereinstimmung mit den überkommenen Bestimmungen. Nach § 9 I DVO bestanden Anhörungspflichten im Vorfeld der Genehmigungserteilung, die im ÖPNV-Bereich stets die vorhandenen Unternehmer einschloss. § 11 DVO bestimmte Näheres über die Prüfung der Interessen des öffentlichen Verkehrs. Neben dem Vorhandensein eines Verkehrsbedürfnisses und technischen Aspekten durfte das Unternehmen nach § 11 II Nr. 2 DVO nicht zuwiderlaufen, was der Fall war, „wenn es bereits vorhandenen Verkehrsunternehmen einen unbilligen Wettbewerb bereitet oder ihrer dem öffentlichen Bedürfnis mehr entsprechenden Ausgestaltung vorgreift.“ Damit war zwar keine grundsätzliche Zulassungssperre neuer und eine zwingende Privilegierung alter Unternehmen gegeben,152 letztlich wurde den vorhandenen Unternehmern jedoch mittelbar eine sehr starke Stellung eingeräumt. Vorrangiges Ziel war aber allein die Verhinderung „volkswirtschaftlich ungesunden“ Wettbewerbs.153 Indem zur Bestimmung der Interessen des öffentlichen Verkehrs insbesondere auf ein volkswirtschaftliches Verkehrsbedürfnis abgestellt wurde,154 waren die wirtschaftlichen Interessen des einzelnen Unternehmens an der Durchführung eines Verkehrs nicht von Bedeutung. Dies wird auch daran deutlich, dass durch § 12 DVO explizit ein Anspruch auf Genehmigungserteilung auch bei Vorliegen aller Voraussetzungen ausgeschlossen wurde. Zudem erlegte § 23 PBefG dem Unternehmer eine grundsätzliche Betriebspflicht auf.155 Eine erteilte Genehmigung, die grundsätzlich verlängerbar war,156 vermittelte dem Unternehmer zwar 151 Deutlich zeigt sich die nationalsozialistische Prägung des PBefG 1934 bei H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 110, der in Übereinstimmung mit der damaligen Weltanschauung die Zuverlässigkeit von Juden verneinte; ähnlich G. Hein, PBefG, S. 65, nach dem die Zuverlässigkeit u. a. nicht gegeben sei, wenn sich der Antragsteller mit seiner Lebensführung in Gegensatz zur nationalsozialistischen Weltanschauung setze. 152 W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 33; G. Hein, PBefG, S. 69. 153 W. Gruenhagen, Rechtsstellung, S. 33; H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 35; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (136). Es liegt aufgrund der tatsächlichen Situation im ÖPNV-Sektor zu dieser Zeit nahe, dass vor allem der Wettbewerb der öffentlichen Unternehmen untereinander verhindert werden sollte, so R. Maaß, Wettbewerb, S. 72. Dagegen spricht jedoch, dass die Unternehmer grundsätzlich natürliche Personen sein sollten, H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 111. 154 G. Hein, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 67 (75). 155 H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 155; G. Hein, PBefG, S. 113. M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (136), sieht diese gleichsam als Ausgleich für das Recht des Unternehmers auf die Verkehrsdurchführung an. 156 H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 37.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

grundsätzlich nach heutigem Verständnis ein subjektives öffentliches Recht.157 Entsprechend der Gesamtkonzeption der gewerblichen Personenbeförderung im NS-Staat158 wurde sie jedoch regelmäßig unter dem Vorbehalt der Plangenehmigung bzw. -änderung erteilt.159 Aus dem vorherigen Recht wurde in § 21 PBefG die Möglichkeit der Festsetzung einer Betriebseröffnungsfrist übernommen, nach deren Verstreichen die Genehmigung für erloschen erklärt werden konnte. Festgehalten wurde auch an der Zuständigkeit zentraler staatlicher Behörden für die Genehmigungserteilung160. Die Urfassung des PBefG ist damit, obwohl durchaus der Wirtschaftsaufsicht dienend,161 in erster Linie als verkehrswirtschaftliche Regelung anzusehen.162 Auch soweit private wirtschaftliche Unternehmen die Erbringung der Verkehrsleistungen übernahmen, erfolgte ihre Einbindung in eine von staatlichen Stellen vorherbestimmte „daseinsvorsorgerische“ Nahverkehrskonzeption. Die Komponente des ÖPNV als grundsätzlich der Gewerbefreiheit unterliegende Tätigkeit war damit völlig in den Hintergrund getreten.

2. ÖPNV in der Bundesrepublik In der Bundesrepublik163 galt das PBefG von 1934 weiter, wenn auch seine Verfassungskonformität nach 1949 im Einzelnen umstritten war.164 Wegen der weit157 G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (30). Ein Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung bestand demgegenüber gerade nicht, G. Hein, PBefG, S. 65. 158 Besonders deutlich wird diese in der Präambel des PBefG. Dort heißt es: „Im nationalsozialistischen Staat gehört die Führung des Verkehrs zu den Aufgaben des Staates. Die Verkehrsmittel können sich in öffentlicher oder privater Hand befinden. Alle müssen sich jedoch an Normen halten, die einheitlich für das ganze Reich erlassen werden. Jedem Beförderungszweige müssen diejenigen Aufgaben zugewiesen werden, die er im Rahmen des Gesamtverkehrs und der Wirtschaft am besten zu lösen vermag.“ 159 H. Röhl, Recht der Personenbeförderung, S. 36. 160 Vgl. § 1 DVO. 161 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 52; G. Püttner, in: ders., Der regionalisierte Nahverkehr, S. 89; ders., Unternehmen, S. 270; R. Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 93. R. Maaß, Wettbewerb, S. 59, hebt die Funktion der Missbrauchsaufsicht zur Verhinderung der Erwirtschaftung überzogener Gewinne hervor. 162 J. Esser, in: G. Strommenger, Der öffentliche Kraftomnibusverkehr, S. 39 (61); H. Gülde, Gewerblicher Landverkehr, S. 49 ff.; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (135); dahingehend auch G. Hein, PBefG, S. 64. 163 In der DDR verlief die Entwicklung des ÖPNV entsprechend der staatswirtschaftlichen Gesamtkonzeption in rechtlicher Hinsicht anders als im Westteil des geteilten Deutschland. Gewisse faktische Parallelen sind dennoch erkennbar. Nach dem Volksentscheid vom 30. 6. 1946 wurden in der SBZ zunächst alle Verkehrsbetriebe in Volkseigentum überführt. 1949 erfolgte ihre Eingliederung in die neugeschaffenen, sämtliche städtische Dienstleistungsbetriebe umfassenden Kommunalen Wirtschaftsunternehmen. Diese Modell versagte jedoch in der Praxis, so dass ab 1951 der ÖPNV durch organisatorisch eigenständige, den

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gehenden Offenheit des Gesetzestextes war dies im Grundsatz auch möglich. Erste Änderungen erfolgten, nachdem das BVerwG in § 9 II PBefG und § 12 DVO einen Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit gesehen hatte.165 1955166 wurde die bislang vorgesehene wirtschaftliche Bedürfnisprüfung durch eine Prüfung des Verkehrsbedürfnisses ersetzt.167 Nach dem geänderten § 9 II PBefG durfte die Genehmigung nunmehr „nicht erteilt werden, wenn der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden kann.“ In der Folgezeit kam es 1961 und 1990 neben zahlreichen Einzeländerungen zur zweimaligen Neubekanntmachung des PBefG.

a) PBefG 1961 und 1990 Die 1960 erfolgte Nichtigerklärung der Neuregelung des § 9 II PBefG wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG durch das BVerfG168 nahm der Bundesgesetzgeber zum Anlass, das PBefG mit Gesetz vom 21. 3. 1961169 zu novellieren. Die Grundstrukturen des PBefG von 1934 wurden dabei jedoch nicht angetastet.170 Allerdings wurden die Regelungsgegenstände der DVO von 1935 in die formalgesetzliche Regelung integriert. Auch die genehmigungsrechtlichen Bestimmungen hielten weitgehend am vorherigen Recht fest,171 wenn auch die verfassungsrechtlich geforderten Modifikationen vorgenommen wurden. Nach der noch immer Gültigkeit beanspruchenden Konzeption des PBefG von 1961 existiert ein numerus clausus der zulässigen gewerblichen BeförderungsGemeinden unterstellte Volkseigene Betriebe (VEB) durchgeführt wurde. 1984 wurden diese zusammen mit anderen verkehrsbezogenen Unternehmen in zentral gesteuerten Nahverkehrskombinaten zusammengefasst und bildeten so einen Teilbereich der öffentlichen Verwaltung. Trotz eines durch den Bau von Neubauvierteln und Industriezentren in Stadtrandlagen sowie durch die weitgehend fehlende individuelle Motorisierung bedingten steigenden Verkehrsaufkommens wurden wegen der politisch motivierten Fahrpreisstabilität auf niedrigem Niveau Verluste erwirtschaftet. Nach der politischen Wende 1989 und der darauf folgenden Wiedervereinigung Deutschlands erfolgte eine Auflösung der Kombinate. Die Nahverkehrsunternehmen wurden nunmehr – teilweise gegen Widerstände insbesondere der Kreise – kommunalisiert. Vgl. zum Ganzen G. Bauer u. a., Straßenbahnarchiv DDR, S. 72, 101 f.; G. Gottschalk / K. Gollmann, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 211 (214 ff., 232 f.); D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (75 f.). 164 L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 87. 165 BVerwGE 1, 92. 166 BGBl. I S. 573; zuvor war eine erste Änderung durch Gesetz vom 16. 1. 1952, BGBl. I S. 21, erfolgt, die jedoch keine substantiellen Neuerungen in konzeptioneller Hinsicht enthielt. 167 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (136). 168 BVerfGE 11, 168. 169 BGBl. I S. 241. 170 J. Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, S. 80. 171 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 44.

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arten.172 Dabei wird die Personenbeförderung als unternehmerische, nicht als Staatsaufgabe begriffen, die aber einer intensiven staatlichen Einflussnahme unterliegen sollte.173 Dementsprechend erfolgte auch eine eigentümer- bzw. verkehrsträgerneutrale und damit zugleich an Art. 12 GG ausgerichtete Fassung des PBefG.174 Die objektiven Marktzugangsbeschränkungen für den Linienverkehr wurden jedoch beibehalten.175 Auch wurde der Konzessionscharakter der Genehmigung nicht angetastet.176 Die grundsätzliche Genehmigungsbefristung wurde ebenfalls übernommen und verkehrsmittelspezifisch auf regelmäßig 25 Jahre bei Straßenbahnen und höchstens acht Jahre für Linienverkehre mit Kraftfahrzeugen festgelegt, §§ 16 II, 38, 44 PBefG. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist dies als klarer Fortschritt zu bewerten, da so die willkürliche Begründung von „Ewigkeitsrechten“ verhindert wurde. Zugleich war damit die Möglichkeit regelmäßigen Wettbewerbs um die Konzessionen im Grundsatz eröffnet. In der Praxis war dies jedoch nicht der Fall.177 Obwohl die Bedürfnisprüfung nach dem neuen Wortlaut des PBefG abgeschafft worden war, wurde sie inhaltlich aber bei der nach wie vor erforderlichen Prüfung der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen nach § 13 II Nr. 2 PBefG beibehalten.178 Statt der positiven Feststellung eines Verkehrsbedürfnisses bedurfte es nunmehr des Fehlens einer Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteres172 R. Maaß, Wettbewerb, S. 84; J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 44; kritisch im Hinblick auf den Gelegenheitsverkehr W. Labs, DÖV 1961, 818 (819). 173 R. Maaß, Wettbewerb, S. 82; J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 19; ähnlich Chr. Herr / D. Lehmkuhl, Die Verwaltung 30 (1997), S. 396 (406); implizit auch M. Ronellenfitsch, DÖV 1999, 705 (710). 174 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 44; G. Fromm, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 703 (705); R. Maaß, Wettbewerb, S. 81. Eine Privilegierung öffentlicher Unternehmen erfolgte allein in § 13 V PBefG, jedoch mit Ausnahme privatrechtlich organisierter öffentlicher Unternehmen, im Hinblick auf die erforderliche Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Unternehmers nach § 13 I PBefG. Diese Ausnahme ist jedoch bereits in der rechtlichen Besonderheit dieser Unternehmen begründet, G. Püttner, Unternehmen, S. 271. 175 R. Maaß, Wettbewerb, S. 78. 176 W. Labs, DÖV 1961, 818 (820), hebt ausdrücklich hervor, dass die Genehmigung ein rechtsverleihender Staatshoheitsakt (Verwaltungsakt – überdies mit Drittwirkung, P. Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 129) sei, nicht aber eine gewerbepolizeiliche Erlaubnis. 177 R. Maaß, Wettbewerb, S. 34, kennzeichnet das PBefG als „alles andere als wettbewerblich orientiert“; den Wettbewerb als nur theoretisch bestehend bezeichnend auch G. Hickmann, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 43 (47); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 13 (16); dagegen beruft sich G. Mörl, Der Landkreis 2001, 533, aus Sicht der privaten Verkehrsunternehmen auf „Wettbewerb seit Jahrzehnten“, wobei er sich jedoch vor allem auf die Sonder-, nicht aber die Linienverkehre bezieht. Nach K. Rennert, JZ 2003, 385 (386), „bewegten sich . . . die Städtischen Verkehrsbetriebe . . . in ruhigen Gewässern.“ 178 J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 18.

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sen.179 Nach der gesetzlichen Bestimmung lag eine Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen mit der Folge der Genehmigungsversagung insbesondere dann vor, wenn bereits eine befriedigende Bedienung vorhanden war, keine wesentliche Verbesserung der Verkehrsbedienung erfolgte sowie in dem Fall, dass die vorhandenen Unternehmer zu einer entsprechenden Ausgestaltung180 der von ihnen durchgeführten Verkehre bereit waren. Damit wurde den bereits vorhandenen Verkehrsunternehmen durch die Konzession gleichsam als Gegenleistung für die mit dieser verbundenen Betriebs- und Beförderungspflichten eine „relativ gut gesicherte Ausschließlichkeitsstellung gewährt“181. § 13 IV PBefG erweiterte deren Rechtsstellung zudem dahingehend, dass im Falle der Wiederbeantragung nach dem Auslaufen der Genehmigung eine den öffentlichen Verkehrsinteressen entsprechender jahrelanger Betrieb „angemessen zu berücksichtigen“ sei. Damit verbunden war die Einführung eines nahezu umfassenden Bestandsschutzes für die Genehmigungsinhaber182 und somit zwangsläufig die Beseitigung des ohnehin nur noch in Ansätzen existenten Wettbewerbsgedankens aus dem ÖPNV. Zu Recht sind daher die Monopolisierung und der Schutz der Marktinsider gegen Konkurrenz von außen als Leitgedanken der neuen gesetzlichen Regelung bezeichnet worden.183 Obwohl die Regelungen einen ruinösen und verkehrssicherheitsgefährdenden Wettbewerb zu vermeiden geeignet waren,184 standen sie der Bildung einheit179

G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13 PBefG

Rn. 5. 180 Bis zur 1996 in Kraft getretenen Reform enthielt die Bestimmung zudem ein spezifisches Ausgestaltungsvorrecht für Schienenersatz- und -parallelverkehre, wobei jedoch Abgrenzungsschwierigkeiten im Hinblick auf den Orts- und Nachbarortslinienverkehr bestanden, G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13 PBefG Rn. 12; W. Labs, DÖV 1961, 818 (819). 181 G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (149); W. Labs, DÖV 1961, 818 (820). Die Vergabe von sich überlagernden Konzessionen war bei fehlender Identität der Haltestellen aber möglich und wurde auch praktiziert, W. Pällmann, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 6 (7). Ein echter Wettbewerbsdruck war damit aber nich verbunden, zumal auch diese Konzessionen nur unter Berücksichigung der Interessen der vorhandenen Verkehrsunternehmer erteilt wurden. 182 Vgl. M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (136); W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 285; mit Bezug zum inhaltlich identischen § 13 III PBefG i.d.F. von 1996 Chr. Herr / D. Lehmkuhl, Die Verwaltung 30 (1997), S. 396 (406); R. Maaß, Wettbewerb, S. 90; anders H. Zuck, Auswahl- und Verteilungsentscheidungen beim Bewerberüberhang, S. 177, der wegen der gesetzlichen Befristung der Genehmigung nicht vom Vorliegen eines echten Bestandsschutzes ausgeht. Gerade die Befristung wird jedoch faktisch durch § 13 IV PBefG überwunden. W. Labs, DÖV 1961, 818 (820), rechtfertigt den Bestandsschutz dagegen mit Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes. Nach R. Maaß, ebd., S. 91, zielt die Bestimmung insbesondere auf die wirtschaftliche Existenzsicherung des Unternehmers und den Erhalt des wirtschaftlichen Wertes seines Betriebes. 183 J. Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, S. 80; R. Maaß, Wettbewerb, S. 78. H.W. Louis, Die Besteuerung der öffentlichen Unternehmen, S. 199, hebt hervor, dass der Wettbewerb durch die gesetzliche Ausgestaltung weitgehend ausgeschaltet wurde. 184 J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 19, hinsichtlich der Linienkonzessionen.

346

2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

licher Verkehrsnetze entgegen185 und verhinderten insgesamt eine Weiterentwicklung des ÖPNV. Obwohl die Zulassung von Wettbewerbern nach der Konzeption des § 13 PBefG sowohl von subjektiven als auch objektiven Voraussetzungen abhing, war das Gewicht der nach Art. 12 GG besonders streng zu handhabenden objektiven Aspekte tatsächlich von besonderer Bedeutung. Eine einmal existente Genehmigung war in der Praxis kaum mehr zu verlieren und diente zudem als Instrument zur Verhinderung unliebsamer Konkurrenz. Nach § 39 II PBefG sollten die Beförderungsentgelte neben den öffentlichen Verkehrsinteressen und dem Gemeinwohl auch den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers Rechnung tragen. Es galt damit der Grundsatz der Eigenwirtschaftlichkeit. Auferlegte Kostendeckungen waren deshalb seitens des Staates angemessen auszugleichen.186 In ihrer Gesamtheit erscheinen die Bestimmungen des PBefG von 1961 nur in geringem Maße grundrechtsfreundlicher als die aus dem Dritten Reich stammenden Vorgängerregelungen. Dies gilt umso mehr, als die Genehmigungen in der Mehrzahl von nicht grundrechtsfähigen kommunalen Unternehmen gehalten wurden, denen nunmehr zusätzlich durch § 13 II Nr. 2, IV PBefG die Abwehr von konkurrierenden Grundrechtsträgern erleichtert wurde. Eine gesetzliche Regelung mit dem Inhalt, dass die Durchführung des ÖPNV grundsätzlich Sache der Kommunen sowie anderer staatlicher Verkehrsunternehmen sei, zu der ausnahmsweise auch Private zugelassen werden können, wäre der Wirklichkeit, wenn auch wohl kaum den verfassungsrechtlichen Anforderungen, deutlich näher gekommen.187 Im Vergleich zur vorherigen Rechtslage fällt zudem auf, dass der Aspekt der Daseinsvorsorge, vermittelt durch die „Interessen des öffentlichen Verkehrs“, durch die vielfältige Bezugnahme auf die vorhandenen Unternehmer und deren Rechte, in den Hintergrund tritt. Diese, nicht die von ihnen erbrachten Leistungen, standen klar im Vordergrund der rechtlichen Bestimmungen. Dass der ÖPNV dennoch weiterhin aus Sicht des Gesetzgebers eine Daseinsvorsorgeaufgabe war, zeigt sich vor allem an der Gesamtkonzeption des PBefG von 1961, das die Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflichten sowie Gesichtspunkte des Gemeinwohls beibehielt und gegenüber der vorherigen Fassung teilweise sogar ausbaute.188 185 P. Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 128, mit Bezug zum Ausgestaltungsrecht. 186 R. Maaß, Wettbewerb, S. 96. 187 Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 123, weist zutreffend darauf hin, dass die durch massive staatliche Interventionen geprägte Rechtswirklichkeit anders aussähe, als Verfassung und PBefG erwarten ließen. 188 Vgl. in diesem Zusammenhang auch die fortgeltende VOAllgBefBed, BGBl. (1970) I S. 230, (1989) I S. 1273, (1993) I S. 2378, 2420. H. Zuck, Auswahl- und Verteilungsentscheidungen beim Bewerberüberhang, S. 82, weist darauf hin, dass das Genehmigungserfordernis insbesondere der Wirtschaftslenkung diente. Diese wiederum bestand jedoch im Interesse der „Aufgabe ÖPNV“.

F. Historische Entwicklung in Deutschland

347

Am 8. 8. 1990 wurde das PBefG nach zahlreichen Änderungen im Einzelnen neu bekannt gemacht.189 Konzeptionelle Veränderungen waren damit jedoch nicht verbunden. Insbesondere waren die Kommunen weiterhin, sofern sie nicht über eine eigene Verkehrsgesellschaft verfügten, rechtlich weitgehend einflusslos auf die Gestaltung des ÖPNV.190

b) Entwicklung in der Rechtswirklichkeit Da das PBefG an bereits existenten Regelungen anknüpfen konnte, führte es nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung des ÖPNV-Marktes. Vielmehr schrieb es faktisch die vor seinem Erlass bestehende Situation fest und verlieh ihr eine zusätzliche Legitimation. Private Verkehrsbetriebe als eigenständige ÖPNV-Betreiber verschwanden nahezu vollständig, zugleich stieg der Organisationsgrad der marktbestimmenden öffentlichen Unternehmen deutlich an.191 Obwohl diese nahezu ausschließlich gemeinwirtschaftliche Zielsetzungen verfolgten und eine Verschlechterung der Ertragslage eintrat, konnte die Erwirtschaftung von Verlusten noch weitgehend vermieden werden. In den 1950er und auch noch in den 1960er Jahren fielen, nachdem die kriegsbedingten Einschränkungen überwunden waren, im ÖPNV durch die hohe Zahl an Zwangskunden vor dem unaufhaltsamen Siegeszug des Autos bei gleichzeitig gegebenen Monopolstellungen Gewinne an.192 Dies änderte sich jedoch in der Folgezeit.193 Zunehmend wurden hohe Defizite erwirtschaftet,194 was nicht zuletzt aus der immer stärkeren Betonung von Gemeinwohlverpflichtungen resultierte.195 Neben der einsetzenden finanziellen UnterBGBl. I S. 1960. M. Löw, Regionalisierung, S. 45. 191 1957 befanden sich 76 % der Verkehrsunternehmen vollständig in kommunaler, nur 6 % in privater Hand. 18 % wurden gemischtwirtschaftlich betrieben. Diese verfügten über eine „faktische Vorzugsstellung“, so K. Rennert, JZ 2003, 385 (386), bezogen auf die parallele Situation im Hinblick auf die gemeindliche Energieversorgung. Bereits 1949 wurde in Deutschland der Verband Öffentlicher Verkehrsunternehmen (VÖV, später VDV) gegründet, auf europäischer Ebene war schon 1885 die Gründung des UITP erfolgt, B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (14). 192 G. Gottschalk / K. Gollmann, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 211 (212); D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (72); W. Pällmann, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 6; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 164; ders., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 20. 193 Dies führte wiederum dazu, dass noch in den Unternehmen verbliebenes privates Kapital zunehmend abwanderte, U. Steckert, Kommunalwirtschaft im Wettbewerb, S. 17; W. Will, Der Nahverkehr 1 – 2 / 2001, 28. 194 Vgl. zur aktuellen Situation oben E.II. 195 Dahingehend Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 124; ders., BayVBl. 2004, 33 (37), spricht insoweit von der Überführung „in eine Art Gemeinwirtschaft“. In die neuere Zeit fällt etwa die „Entdeckung“ des Umweltschutzes als ÖPNV-Aufgabe, B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (15). Verluste wurden auch durch die steigenden Kosten durch die Verbesserung der Lohn- und Sozialstandards der Mit189 190

348

2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

stützung durch den Bund auf Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG),196 das zur wichtigsten Grundlage von Verkehrsinvestitionen durch die Gemeinden werden sollte,197 wurde insbesondere der kommunale steuerliche Querverbund aus gewinn- und verlustträchtigen Sparten der gemeindlichen Unternehmungen geschaffen,198 durch den hohe Körperschaftssteuerzahlungen abgewendet werden konnten. Die so einbehaltenen Mittel aus Gewinnen, etwa aus der Energieversorgung, konnten zum Ausgleich für die Verluste im ÖPNV eingesetzt werden. Insgesamt wurde der ÖPNV immer mehr als Daseinsvorsorgeaufgabe und die ihn erbringenden Verkehrsbetriebe als Verwaltungsteile angesehen.199 Eine qualitative Verbesserung im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des ÖPNV als Massentransportmittel stellte schließlich die zunehmende Einführung von Verkehrsverbünden dar.200 In technischer Hinsicht war die Entwicklung, trotz einer gewissen „Renaissance der Straßenbahn“ nach 1980,201 von deren weitgehender Ablösung gekennzeichnet. Insbesondere zwischen 1950 und 1970 erfolgte zunächst in Klein-, danach auch in Großstädten eine Umstellung des ÖPNV vom Straßenbahn- auf den Busbetrieb.202 In der Folgezeit kam es in den Großstädten zudem zur Ersetzung der Straßenbahnen insbesondere durch S-Bahn-, vereinzelt auch durch U-Bahnverkehre.203 Zusätzlich erhielt die „klassische“ Straßenbahn Konkurrenz durch Stadtbahnen und andere neue Verkehrsmittel im Nahverkehr. Obwohl dem ÖPNV etwa seit den 1970er Jahren von der öffentlichen Meinung ein Eigenwert, geradezu eine „moralische Qualität“ zugebilligt wurde und ein gearbeiter, kostentreibende staatliche Detailregelungen und reglementierte Fahrpreise verursacht, J. Hoffstadt, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 83 (86). 196 BGBl. (1971) I S. 239, (1988) I S. 100, (1993) I S. 2378, 2417; siehe dazu ausführlich S. Vogt, in: W. Kolks, Verkehrswesen II, Rn. 361 ff. 197 K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 19. Ziel war insbesondere die Förderung des Baus und Ausbaus von Schnellbahnsystemen zur Lösung der innerstädtischen Verkehrsprobleme, Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9. 198 Siehe dazu E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 82 ff.; die Quersubventionierung zwischen einzelnen Linien war dagegen während der gesamten Entwicklung des ÖPNV üblich, D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (75). 199 D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (72). 200 B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (15). 201 J. Pingel, ÖPNV NEU, S. 55; Th. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 95 f.; B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (15); VDV, Mobilität, S. 78; A. Welge, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 35 (37). 202 D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (75); R. Maaß, Wettbewerb, S. 74 f.; J. Pingel, ÖPNVNEU, S. 55; B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (13). Schon 1929 wurde eine solche Umstellung erstmalig in Wiesbaden vorgenommen, G. Ambrosius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 11 (17). 203 B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (15); VDV, Mobilität, S. 78; exemplarisch für Bad Homburg im Zusammenwachsen mit Frankfurt / Main W. Söhnlein, Bad Homburg, S. 144.

F. Historische Entwicklung in Deutschland

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sellschaftlicher Grundkonsens dahingehend bestand, der ÖPNV sei „gut“, der MIV dagegen „schlecht“,204 waren im gleichen Zeitraum rückläufige Fahrgastzahlen zu verzeichnen.205 Es gelang nicht, die Bevorzugung des ÖPNV in der Theorie in die Praxis umzusetzen.206 Erst in den 1990er Jahren stiegen die Fahrgastzahlen wieder leicht an.207

D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (8). B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (15). 206 Über die Gründe soll hier nicht im Einzelnen spekuliert werden. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass neben der hohen Attraktivität des MIV die Unattraktivität des ÖPNV, die von den wettbewerbsausschließenden Reglungen des PBefG begünstigt wurde, eine Rolle spielte. 207 P. Laconte, Der Nahverkehr 5 / 1995, 8; D. Ludwig, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 71 (77); B. Schmucki / H.L. Dienel, in: dies., Mobilität für alle, S. 7 (16); A. Welge, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 35 (35 f.); vgl. auch VDV, VDV-Statistik 2001, S. 18, mit gleich gerichten Daten auch aus den Jahren nach der Umsetzung der Bahnreform. 204 205

G. Die Reform von 1996 Einen einschneidenden Wandel erfuhr die Rechtslage im ÖPNV im Zuge der Bahnstrukturreform. Das dabei erlassene und nunmehr die Rechtswirklichkeit bestimmende „Gesetzespaket mit Jahrhundert-Charakter“1 dürfte jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine geringe Lebensdauer haben. Auf europäischer Ebene wird bereits seit einigen Jahren eine erneute Novellierung des ÖPNV-Rechts erwogen. Obwohl der Rechtsetzungsprozess wegen politischer Unstimmigkeiten von einem Abschluss noch weit entfernt ist, erscheint es unwahrscheinlich, dass er letztlich scheitert. Dies gilt umso mehr, als schon jetzt zahlreiche Regelungen des Gemeinschaftsrechts auf den ÖPNV Einfluss nehmen. Dennoch ist die derzeit geltende Rechtslage für die Zwecke der vorliegenden Arbeit von großem Interesse, da sie bereichsspezifisch die Situation des Übergangs von der klassischen Daseinsvorsorge zur Gewährleistungsstaatlichkeit verdeutlicht. Zum einen wurde erstmals seit Erlass des PBefG in diesem eine konzeptionelle Änderung dahingehend vorgenommen, dass ein „Einkauf“ von ÖPNV-Leistungen durch die Kommunen auf deren Kosten ermöglicht wurde. Neben die ansonsten unveränderte Konzeption traten somit gewährleistungsstaatliche Elemente. Zum anderen wurde im BRegG der Daseinsvorsorgecharakter des ÖPNV erstmals gesetzlich hervorgehoben. Die so schon bei oberflächlicher Betrachtung zutage tretende Widersprüchlichkeit durchzieht, wie im Einzelnen zu zeigen sein wird, die gesamte rechtliche Regelung des ÖPNV und gibt Anlass zu zahlreichen Streitigkeiten und Unsicherheiten. Die insoweit vorgetragenen Positionen sind häufig weniger dogmatisch, als vielmehr interessenpolitisch begründet. Der Kampf zwischen überkommener Daseinsvorsorge- und moderner Gewährleistungsstaatskonzeption findet im ÖPNV nicht zuletzt bei der Auslegung der maßgeblichen Vorschriften statt. Im Folgenden soll, in Übereinstimmung mit der Normenhierarchie, zunächst auf die für den ÖPNV relevanten Bestimmungen des bestehenden Europarechts eingegangen werde, um im Anschluss daran die aktuelle nationale Rechtslage zu untersuchen. Auf das konzeptionell grundsätzlich neutrale Verfassungsrecht ist dabei nicht nochmals einzugehen.

1

H. Krämer, Der Nahverkehr 4 / 1995, 6.

G. Die Reform von 1996

351

I. Die Einwirkung des EG-Rechts Das europäische Gemeinschaftsrecht befasst sich sowohl auf primär- wie auch auf sekundärrechtlicher Ebene mit dem Verkehr. Diesem ist im EGV sogar ein eigener Titel gewidmet. Unmittelbar und in erster Linie auf den ÖPNV bezogene Regelungen sind jedoch die Ausnahme. Jener wird vielmehr als Teil des Gesamtverkehrs angesehen, zumal auch der örtlich eng begrenzte Charakter des ÖPNV eine Regelung auf EG-Ebene nicht zwingend nahe legt. Dementsprechend war die Reform des ÖPNV in Deutschland zwar europarechtlich geprägt, nicht aber europarechtlich veranlasst. Aus Sicht des EG-Rechts wäre eine Umgestaltung insbesondere des PBefG nicht unbedingt erforderlich gewesen. Darin liegt ein grundlegender Unterschied zur geplanten künftigen, zielgerichteten Regelung des ÖPNVMarktes durch Gemeinschaftsrecht. Anders als die Liberalisierung von ebenfalls der Daseinsvorsorge zuzuordnenden Bereichen wie Telekommunikation, Post und Eisenbahn, ging die zumindest teilweise gewährleistungsstaatliche Umgestaltung des ÖPNV vor allem vom deutschen Gesetzgeber aus,2 auch wenn dieser auf gemeinschaftsrechtliche Regelungen zurückgreifen konnte und selbstverständlich die Europarechtskonformität der neuen Regelungen sicherzustellen hatte. Ob und inwieweit ihm dieses gelungen ist, wird noch zu untersuchen sein. An dieser Stelle ist jedoch als Grundlage der dann folgenden Ausführungen der durch das EGRecht gesetzte Rechtsrahmen aufzuzeigen. Zu unterscheiden ist diesbezüglich zwischen Vorgaben des Primär- und des Sekundärrechts.

1. Primärrecht Der EGV enthält mehrere Bestimmungen mit unmittelbarem Bezug zum Verkehr. Art. 3 lit. f EGV legt die Gemeinschaft auf eine gemeinsame Verkehrspolitik fest. Wie diese zu gestalten ist, wird in den Art. 70 ff. EGV weiter ausgeführt. Obwohl der ÖPNV nicht direkt angesprochen wird, ist er, da nicht ausdrücklich ausgeklammert, grundsätzlich von den Regelungen erfasst und somit Bestandteil der gemeinsamen Verkehrspolitik. Daneben treten die allgemeinen Bestimmungen des EGV, soweit diese, wie das Beihilfenrecht, nicht explizit modifiziert oder, wie die Dienstleistungsfreiheit, verdrängt werden. So gilt der binnenmarktbedingte europaweite freie Marktzugang in allen Wirtschaftsbereichen grundsätzlich auch im ÖPNV.3 Für diesen regelmäßig nicht von Relevanz sind dagegen die Vorgaben des EGV über die Schaffung Transeuropäischer Netze, Art. 154 ff. EGV, die in ihrem infrastrukturbezogenen Anwendungsbereich hinsichtlich des Verkehrs dem Verkehrstitel vorgehen.4 Obwohl diese im Ausnahmefall durchaus Auswirkungen 2 Insbesondere die Bundesländer drangen auf eine Änderung des PBefG, H. Bidinger, NZV 1994, 209 (211); O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (80). 3 W. Ipsen, in: Münchner Expertenhearing, S. 6; ders., in: BOU, Finanzen, S. 101 (103).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

auf Planungen der kommunalen Verkehrsnetze haben können,5 sind sie für den ÖPNV zumeist bedeutungslos und sollen daher an dieser Stelle nicht behandelt werden. a) Verkehrstitel In den Art. 70 ff. EGV enthält das primäre Gemeinschaftsrecht eine Reihe von Sondervorschriften für den Verkehrsmarkt, deren Schaffung nicht zuletzt auf die besonders ausgeprägte staatliche Intervention in diesem Bereich zurückzuführen ist.6 aa) Grundsätze Die Bestimmungen des Verkehrstitels ergänzen die allgemeinen Vorschriften des EGV7 und geben die Vorgehensweise zur Erreichung der Ziele des Vertrages im Verkehrsbereich vor.8 Ziel ist die Schaffung eines Verkehrsbinnenmarktes.9 Nach Art. 80 I EGV gelten die Vorschriften des Verkehrstitels unmittelbar für Beförderungen jeglicher Art, also sowohl des Personen- als auch des Güterverkehrs, im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr. Der EGV verfolgt damit einen verkehrsmittelspezifischen, nicht einen funktional zwischen Nah- und Fernverkehr unterscheidenden Ansatz. Die Art. 70 ff. EGV umfassen somit grundsätzlich auch den regelmäßig dem Straßenverkehr zuzurechnenden ÖPNV.10 Dennoch führt dies nicht zu einer umfassenden Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Regelung des 4 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 26 f.; P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Vorbemerkungen zu Art. 70 ff. Rn. 5; Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 1475. 5 A. Zahn, Kommunale Dienstleistungsmonopole, S. 95. 6 Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 70 Rn. 1; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 31. 7 F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 4; M. Strohschneider, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, nach Art. 87 (Verkehrssektor) Rn. 29; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 31. 8 J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 14. 9 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 49; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 70 Rn. 2; P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 70 Rn. 7; ders., in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EGVerkehrsrecht, Grundzüge der gemeinsamen Verkehrspolitik, Rn. 3; R. Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 98; ähnlich A. Frohnmeyer, in: E. Grabitz / M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 70 EGV Rn. 10 f.; ausführlich zum Verhältnis von Binnenmarkt und ÖPNV M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 24 ff. 10 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (301); zum umfassenden Verkehrsbegriff des EGV siehe auch J. Basedow / M. Dolfen, in: M. Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, L Rn. 32.

G. Die Reform von 1996

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ÖPNV. Wie bei allen Bestimmungen des EGV ist vielmehr eine grenzüberschreitende Bedeutung des zu regelnden Sachverhalts erforderlich. Rein innerstaatliche Konstellationen werden vom EGV nicht erfasst. Diese Einschränkung ist gerade im Bereich des örtlich bis regional verankerten ÖPNV von Bedeutung. Dass dieser trotzdem grundsätzlich von den Art. 70 ff. EGV erfasst wird, folgt jedoch zwingend daraus, dass zum einen grenzüberschreitende ÖPNV-Leistungen vorstellbar sind und auch praktiziert werden und zum anderen Grenzüberschreitungen auch seitens der Leistungserbringer vorgenommen werden können. Allerdings können gerade im ÖPNV zahlreiche Fragen von rein innerstaatlicher Bedeutung auftreten. Dies betrifft vor allem Detailregelungen hinsichtlich der Leistungserbringung vor Ort. Insoweit besteht weder aus dem Verkehrstitel, noch aus den allgemeinen Vorschriften des EGV eine Regelungskompetenz der Gemeinschaft. Die Abgrenzung beider Bereiche im Einzelnen kann jedoch zu Schwierigkeiten führen. Inhaltlich sind die Art. 70 ff. EGV durch ein nicht unmittelbar zusammenhängendes Sammelsurium von verkehrsbezogenen Vorschriften mit zudem unbestimmten Vorgaben11 gekennzeichnet. Der EG-Gesetzgeber verfügt hinsichtlich deren Umsetzung über einen weiten Ermessenspielraum.12 Die gemeinsame Verkehrspolitik ist dabei nicht als eng umgrenzter Bereich anzusehen. Zu dieser gehören nicht nur die Regelung von Transportdienstleistungen, sondern vielmehr alle hoheitlichen Maßnahmen, die auf ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Verkehrs gerichtet sind.13 Eindeutige ordnungspolitische Vorgaben enthalten die Art. 70 ff. EGV nicht.14 Die Gesamtschau der Vorschriften ergibt eine Mischung aus marktwirtschaftlichen und staatlich lenkenden Maßnahmen.15 Durch die Geltung der allgemeinen Vorschriften erfolgt jedoch eine Einbettung auch des Verkehrsbereichs in das marktwirtschaftliche Leitbild des EGV, vgl. Art. 4 I, 2, 3 lit. f EGV. Von der Geltung der allgemeinen Bestimmungen im Verkehrsbereich ausgenommen ist nach Art. 51 I EGV allein die Dienstleistungsfreiheit.16 Deren 11 R. Maaß, Wettbewerb, S. 146; P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 70 Rn. 10. 12 EuGH Slg. 1985, 1513 (1596) – EP / Rat; 1997, I-4475 (4502 f.) – SAM; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 70 Rn. 15. Kritisch J. Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, S. 158, zur Grundsatzbestimmung des Art. 70 (74 a.F.) EGV: Dieser „statuiert vielmehr nur eine unbefristete Pflicht zu einer an sich völlig konturlosen gemeinsamen Verkehrspolitik.“ Zur Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik siehe ausführlich A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 81 ff.; A. Frohnmeyer, in: E. Grabitz / M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 70 EGV Rn. 17 ff.; Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 1436 ff. 13 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 70 Rn. 4. 14 J. Basedow, Wettbewerb auf den Verkehrsmärkten, S. 159; A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 51; dies., Verkehrsrecht in der EU, S. 57; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 70 Rn. 16. 15 Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 1424. 16 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 25; P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Vorbemerkungen zu Art. 70 ff. Rn. 4;

23 Knauff

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Grundsätze gelten nach heute unbestrittener Ansicht jedoch auch im Verkehrsbereich.17 Damit sind die Art. 70 ff. EGV leges speciales zur grundsätzlich aber zu erreichenden Dienstleistungsfreiheit. 18 Deren Durchsetzung bedingt jedoch insbesondere die Herstellung der Gleichheit der Voraussetzungen für die Durchführung eines Verkehrsgewerbes in den Mitgliedstaaten.19 Damit erscheint der Verkehrsbereich nur in relativ geringem Maße als tatsächlicher Sonderbereich des EGV. Die Vorschriften des Verkehrstitels sind vielmehr harmonisch in diesen eingebunden und im Zusammenhang mit den allgemeinen Bestimmungen zu sehen.

bb) Einzelregelungen Entsprechend der umfassenden Zielrichtung hinsichtlich der Verkehrsarten lässt sich nicht allen Bestimmungen der Art. 70 ff. EGV ein Bezug zum eben nur gleichsam implizit mitgeregelten ÖPNV entnehmen. Jene sollen im folgenden Überblick außer Betracht bleiben. Art. 71 I EGV ermächtigt die Gemeinschaft, zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik nach Art. 70 EGV Maßnahmen zu ergreifen. Diese sind nicht auf bestimmte Rechtsakte begrenzt und unterfallen grundsätzlich dem Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV. Nur für dort näher bestimmte, besonders bedeutsame Maßnahmen sieht Art. 71 II EGV die Durchführung eines Anhörungsverfahrens und die Notwendigkeit einer einstimmigen Ratsentscheidung vor. In jedem Fall haben die zu treffenden Maßnahmen jedoch die „Besonderheiten des Verkehrs“ zu berücksichtigen. Gemeint sind damit vor allem dessen Bedeutung für Lebenshaltung und Beschäftigung, das Bestehen von Koordinierungserfordernissen und die gemeinwirtschaftliche Funktion bestimmter Verkehrsleistungen.20 Diese Faktoren sind jedoch nicht vorrangig21 und rechtfertigen insbesondere keine marktordnungsTh. Oppermann, Europarecht, Rn. 1422 f.; G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 70 Rn. 2; vgl. auch EuGH Slg. 1974, 359 (370) – Kommission / Frankreich. 17 EuGH Slg. 1985, 1513 (1599) – EP / Rat; P. Mückenhausen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, Grundzüge der gemeinsamen Verkehrspolitik, Rn. 5; J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 14; dahingehend auch H. Bidinger, NZV 1993, 289. Inwieweit die Einschränkung des Art. 51 I EGV im Hinblick auf den Verkehr im Einzelnen gilt, ob sie etwa nur die sekundärrechtlichen Umsetzungsbestimmungen betrifft, so A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 101; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 70 Rn. 17, kann vorliegend offen bleiben. 18 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Vorbemerkungen zu Art. 70 ff. Rn. 2; dahingehend auch W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (124). 19 G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 70 Rn. 7. 20 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 71 Rn. 4. G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 71 Rn. 2, weist jedoch auf die historische und wirtschaftliche Bedingtheit der Einschränkung hin, die in der Rechtsetzungspraxis nicht zum Tragen kommt. 21 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 58, heben ausdrücklich hervor, dass es sich allein um eine Berücksichtigungspflicht handelt.

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rechtliche Sonderbehandlung des Verkehrssektors.22 Allerdings wird damit deutlich, dass der EGV den Verkehr nicht als beliebigen Wirtschaftszweig ansieht, sondern einen besonderen Schwerpunkt auf seine Funktionsfähigkeit im Interesse der Sicherstellung der mit ihm verfolgten Aufgaben legt. Indem eine nähere Bestimmung der „Besonderheiten des Verkehrs“ im Vertragstext jedoch nicht vorgenommen wird, bleibt der Begriff zugleich offen und schreibt nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt existente Verkehrskonzepte fest.23 Ein konzeptioneller Umbau des Verkehrsmarktes einschließlich des ÖPNV wird durch Art. 71 I EGV gerade nicht ausgeschlossen. Stattdessen ermöglichen dessen lit. a bis d weitgehende Regelungen auf Gemeinschaftsebene. Art. 71 I lit. a und b EGV erscheinen dabei als besondere Ausprägungen der Dienstleistungsfreiheit,24 wobei lit. a den internationalen Verkehr betrifft und lit. b die Abschaffung aller Hindernisse beabsichtigt, die der innerstaatlichen Beförderung durch Unternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten entgegenstehen.25 Daneben verleiht Art. 71 I lit. c EGV der Gemeinschaft eine Kompetenz zum Erlass von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. Eine „nahezu unbegrenzte Zuständigkeit“ der EG für die Binnenverkehrsträger26 enthält schließlich die General- und Auffangklausel27 des Art. 71 I lit. d EGV, nach dem die Gemeinschaft „alle sonstigen zweckdienlichen Vorschriften erlassen“ kann. Im Rahmen des primären Gemeinschaftsrechts wird dadurch ohne sachbezogene Einschränkungen eine autonome Verkehrspolitik der EG ermöglicht.28 22 Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 70 Rn. 13; A. Frohnmeyer, in: E. Grabitz / M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 71 EGV Rn. 23. 23 Wegen der Liberalisierung in Verkehrsbereich wird die Sonderstellung im Vergleich zu anderen Sektoren zunehmend relativiert, P. Nemitz, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 1107 / 70, Rn. 88. 24 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 31 f., 58; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 71 Rn. 1; G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 71 Rn. 7. 25 Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 71 Rn. 2. 26 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 71 Rn. 16. 27 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 50; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 71 Rn. 22; M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 49; G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 71 Rn. 17. 28 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 33. Bei Art. 71 I lit. d EGV handelt es sich jedoch, ebenso wie bei lit. c und anders als bei lit. a und b, nur um eine konkurrierende Gemeinschaftszuständigkeit, vgl. ebd. S. 46; A. Frohnmeyer, in: E. Grabitz / M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 71 EGV Rn. 1; kritisch diesbezüglich Chr. Jung, TranspR 1999, 129 (133, 138). Mitgliedstaatliche Verkehrspolitik ist daher weiterhin grundsätzlich möglich. Allerdings ist zu beachten, dass die Kompetenzen der Gemeinschaft durch das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Regelungssachverhalts heute kaum noch beschränkt werden. Es erscheint daher zweifelhaft, Art. 71 I lit. d EGV pauschal als Ermächtigungsgrundlage für die Regelung oder gar Abschaffung von mitgliedstaatlichen Konzessionsregelungen anzusehen, so aber H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (53), da auch diese wegen des Engagements ausländischer Unternehmen aufgrund der Marktöffnungen nicht mehr ausschließlich innerstaatlich wirken, W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (124).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Flankiert wird die Regelungsermächtigung des Art. 71 EGV von der „Stillhalteverpflichtung“ bzw. dem „Verschlechterungsverbot“ bezüglich der Betätigungsmöglichkeiten von Verkehrsunternehmern aus anderen Mitgliedstaaten29 des Art. 72 EGV, das zugleich eine besondere Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots gemäß Art. 12 EGV darstellt.30 Abzustellen ist insoweit auf eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung im Hinblick auf die betroffenen Unternehmen.31 Darüber hinausgehend verbietet Art. 76 EGV den Mitgliedstaaten die Ergreifung von Unterstützungsmaßnahmen für bestimmte Unternehmen. Das Spannungsfeld von Markt und Gemeinwirtschaftlichkeit im Verkehrsbereich zeigt sich schließlich besonders deutlich an Art. 74 EGV. Danach ist der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer bei Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik, soweit diese Beförderungsbedingungen und -entgelte betreffen, Rechnung zu tragen. Die Vorschrift intendiert die „Sicherung des Bestandes von Verkehrsunternehmen, die für die Gesamtwirtschaft eine Funktion zu erfüllen haben.“32 Sie dient zugleich dem Schutz der eigenwirtschaftlichen Stellung der Verkehrsunternehmer, ohne Eingriffe aber auszuschließen. Diese sind zulässig, solange die wirtschaftliche Existenz der Unternehmer nicht gefährdet wird.33 Sie steht zugleich in engem Zusammenhang mit der Möglichkeit der Gewährung von Ausgleichsbeihilfen nach Art. 73 Alt. 2 EGV.34 Obwohl Art. 74 EGV über eine bloße Berücksichtigungspflicht hinausgeht,35 ist die tatsächliche Schutzwirkung der Vorschrift wegen ihrer Unbestimmtheit, die auch ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit entgegensteht,36 relativ gering. Nur in Ausnahmefällen dürften gemeinwirtschaftliche Pflichten einen Verstoß gegen Art. 74 EGV beinhalten, zumal der Bestimmung kein wirtschaftliches Verschlechterungsverbot hinsichtlich der Verkehrsunternehmer entnommen werden kann.

29 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 108 ff.; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 72 Rn. 1, 3; P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 72 Rn. 1, 5; M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 50. 30 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 117. 31 EuGH Slg. 1992, I-3141 (3182 f.) – Schwerverkehrsabgabe; G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 72 Rn. 4; zustimmend A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 113 f. 32 G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 74 Rn. 1. 33 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 74 Rn. 1; dahingehend auch Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 1429. Für andere Wirtschaftszweige findet sich eine entsprechende Regelung im EGV nicht, vgl. G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 74 Rn. 1. 34 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 74 Rn. 2. Dazu sogleich ausführlicher unter G.I.1. a)cc). 35 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 61. 36 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 74 Rn. 3.

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cc) Insbesondere: beihilfenrechtliche Besonderheiten Von besonderer Bedeutung gerade für den defizitären ÖPNV ist Art. 73 EGV. Danach sind Beihilfen mit dem Vertrag vereinbar, die entweder „den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs oder der Abgeltung bestimmter, mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes zusammenhängender Leistungen entsprechen.“ Zwar nimmt die Vorschrift den Verkehrsbereich nicht vom Beihilfenrecht aus,37 sie stellt aber eine die Art. 87 EGV ergänzende Ausnahmevorschrift dar38 und erweitert die bereits dort in den Absätzen 2 und 3 vorgesehen Ausnahmen vom grundsätzlichen Beihilfenverbot des Absatz 1 um zwei verkehrsspezifische Aspekte. Unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des Art. 73 EGV ist damit das Vorliegen einer nach Art. 87 EGV unzulässigen Beihilfe.39 Problematisch ist jedoch, dass mangels einer Legaldefinition ein einheitlicher und unumstrittener Beihilfenbegriff nicht existiert.40 Einigkeit besteht zumindest dahingehend, dass der Beihilfenbegriff grundsätzlich weit zu verstehen sei.41 Nach h.M. zeichnet sich eine Beihilfe dadurch aus, dass das geförderte Unternehmen bzw. die geförderte Branche einen individuellen unentgeltlichen Vorteil mittelbar oder unmittelbar aus staatlichen Mitteln erlangt.42 Faktisch schwierig und hinsichtlich der rechtlichen Folgen umstritten ist jedoch die Abgrenzung zwischen dem Vorliegen einer Beihilfe und einer gemeinwohlbedingten Belastungskompensation.43 Unproblematisch sind in jedem Falle Überkompensationen für auferlegte Belastungen beihilferechtlich unzulässig.44 Hinsichtlich des Ausgleichs für aufSo aber O. Wittig, VR 2001, 84 (88). A. Frohnmeyer, in: E. Grabitz / M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 73 EGV Rn. 1; F. Hoffmann-Klein / R. Noch, DÖV 2002, 422 (423); Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 73 Rn. 1; P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 73 Rn. 1; Th. Muthesius, in: H. Brede, Wettbewerb in Europa, S. 119 (124); M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (303); G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 73 Rn. 1. 39 Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 73 Rn. 2; M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 52. 40 W. Will, ZögU 24 (2001), S. 92 (96). 41 Vgl. statt vieler EuGH Slg. 1970, 487 (494 ff.) – Frankreich / Kommission; 1988, 2855 (2871) – Griechenland / Kommission; W. Cremer, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 87 EGV Rn. 7; Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 1110. 42 B. Bär-Bouyssière, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 87 EGV Rn. 31 f.; Th. Oppermann, Europarecht, Rn. 1112; ähnlich J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (20); ausführlich zum Beihilfenbegriff auch C. Jennert, WRP 2003, 459 (461 ff.). Zur Frage, ob auch nicht unmittelbar staatsfinanzierte (Ausgleichs-)Leistungen Beihilfen sind vgl. einerseits EuGH Slg. 2001, I-2099 (2181 ff.) – PreussenElektra; J.A. Kämmerer, NVwZ 2002, 1041 (1044); andererseits M. Knauff, VR 2001, 357 (358 f.), jeweils m. w. N. 43 G. Britz, DVBl. 2000, 1641 (1644). 44 EuGH, VR 2004, 31 – Altmark Trans; EG-Kommission, KOM(2003) 270 final, S. 26; A. v. Ysendyck, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, nach Art. 87 (Dienstleistungen) Rn. 2. 37 38

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

erlegte Belastungen werden jedoch zahlreiche Meinungen vertreten. Nach Ansicht der Kommission vermitteln Ausgleichszahlungen seitens der öffentlichen Hand an die Erbringer von Daseinsvorsorgeleistungen wirtschaftliche Vorteile im Sinne von Art. 87 I EGV45 und sind damit als Beihilfen anzusehen. Das mit den Zahlungen verfolgte Ziel spielt erst bei der Frage nach der Rechtfertigung gemäß Art. 86 II EGVeine Rolle.46 Nach der extremen Gegenposition in der Literatur sind Abgeltungen für Verluste für auferlegte und vertraglich vereinbarte Leistungen im Daseinsvorsorgebereich nicht als Gegenleistung im Sinne des Beihilfenrechts konzipiert, sondern stellen ein einseitiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts dar.47 Abgelehnt wird die Einordnung einer entsprechenden Zahlung als Beihilfe in der Literatur weiterhin dann, wenn die Gegenleistung des Zahlungsempfängers an einen Dritten erbracht wird und der Staat dem Dritten gegenüber zur Leistung verpflichtet ist und für diese vergütet wird.48 Der EuGH hat nunmehr im Hinblick auf ÖPNV-Leistungen entschieden, dass die Beihilfeneigenschaft von der Beachtung bzw. Missachtung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig sei. Zur Beseitigung der Beihilfeneigenschaft einer Ausgleichszahlung der öffentlichen Hand an ein Unternehmen für die Durchführung auferlegter Belastungen sieht er zunächst das Vorliegen einer Betrauung mit klar definierten Verpflichtungen an. Weiterhin seien die zur Berechnung des Ausgleichs heranzuziehenden Parameter objektiv und transparent aufzustellen. Eine Überkompensation der Belastungen sei unter Einbeziehung der sonstigen Einnahmen unzulässig, allerdings sei ein angemessener Gewinn des Unternehmens zulässig. Erfolge schließlich die Auswahl des zu betrauenden Unternehmens nicht durch ein Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags, so sei die Ausgleichshöhe aufgrund „einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte.“49 Überzeugender, nicht zuletzt weil einfacher handhabbar, erscheint die Ansicht der Kommission. Insbesondere spricht auch Art. 73 EGV für eine solche Aus45 EG-Kommission, KOM(2001) 598, S. 6 f., unter Bezugnahme u. a. auf EuGH Slg. 1998, I-1303 – FFSA, sowie die Rechtsprechung des EuG, Slg. 1997, II-229 – FFSA; 2000, II-1225 – SIC. 46 G. Britz, DVBl. 2000, 1641 (1644); P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 77 f. Abzustellen wäre zudem auf das etwaige Vorliegen einer Ausnahme etwa nach Art. 73 EGV. 47 M. Strohschneider, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, nach Art. 87 (Verkehrssektor) Rn. 43. 48 Th. Lübbig / A. Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 469. C. Jennert, EuR 2003, 343 (347 ff.), nimmt eine Unterscheidung dahingehend vor, ob der Staat im Einzelfall hoheitlich oder privatrechtlich handelt. 49 EuGH, VR 2004, 31 – Altmark Trans; zu dieser Entscheidung vgl. aus der zahlreichen Literatur G. Elste / T. Wiedemann, WiVerw 2004, 9 ff.; J.A. Kämmerer, NVwZ 2004, 28 (31 ff.); M. Knauff, VR 2004, 34 f.; J. Kühling / L. Wachinger, NVwZ 2003, 1202 ff.; K-A. Sellmann, DVBl. 2003, 1211 ff.; M.J. Werner / Th. Köster, EuZW 2003, 503 f.

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legung, da die Vorschrift Ausgleichsleistungen für daseinsvorsorgebedingte Nachteile als Beihilfen ansieht.50 Maßgeblich für die Praxis ist jedoch die Rechtsprechung des EuGH. Ohne eine den Rahmen der Arbeit sprengende abschließende Bewertung vorzunehmen, soll daher im Folgenden davon ausgegangen werden, dass Ausgleichsleistungen der öffentlichen Hand für gemeinwohlbedingte Mindereinnahmen unter den Beihilfenbegriff fallen, wenn sie nicht die vom EuGH aufgestellten Kriterien erfüllen. Für das Eingreifen des Beihilfenverbots nach Art. 87 I EGV ist weiterhin erforderlich, dass durch die Zahlungen eine den gemeinschaftsweiten Handel beeinträchtigende Wettbewerbsverfälschung zumindest möglich ist. Wettbewerbsneutrale Beihilfen sind dagegen zulässig.51 Unter „Handel“ ist dabei der gesamte Wirtschaftsverkehr zu verstehen, so dass auch ÖPNV-Dienstleistungen erfasst sind.52 Hinsichtlich der Zahlungen der öffentlichen Hand für diese wird bereits an dieser Stelle das Vorliegen einer unzulässigen Beihilfe häufig abgelehnt, auch soweit die Beihilfeneigenschaft bejaht wird. Es fehle an einer Wettbewerbsverfälschung, zumal mit grenzüberschreitendem Charakter.53 Dies überzeugt jedoch nicht. Zumindest eine potentielle Beeinträchtigung des Wettbewerbs ist bei einem flächendeckenden System von Ausgleichszahlungen innerhalb eines Mitgliedstaates im Hinblick auf Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten, die in den Markt eintreten wollen, vorstellbar. Für eine solche Auslegung spricht auch, dass Art. 87 EGV die Sicherung einer relativen Marktoffenheit als Voraussetzung für das Entstehen neuer Konkurrenz erreichen will.54 Ein Ausgleich ist daher, soweit die Anforderungen des EuGH, die bereits auf Tatbestandsebene die Beihilfeneigenschaft entfallen lassen, nicht erfüllt sind, auf der Ebene der Ausnahmen und Rechtfertigungen zu suchen. Vorgeschlagen wird, in Ausgleichszahlungen zulässige Beihilfen nach Art. 87 II lit. a EGV zu sehen. Nach dieser Vorschrift sind im Hinblick auf die Herkunft der Waren diskriminierungsfreie „Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher“ mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Diese Ausnahmeregelung soll anwendbar sein, da die Zahlungen eigentlich nicht die Verkehrsunternehmen, sondern deren Fahrgäste begünstigten.55 Eine solche Auslegung überschreitet jedoch die Grenzen des Wortlauts und ist daher abzulehnen. 50 F. Hoffmann-Klein / R. Noch, DÖV 2002, 422 (423); P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 79. 51 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (304). 52 J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (21). 53 R. Metz, in: G. Püttner, Bewegung, S. 53 (57); ders., in: W. Kolks, Verkehrswesen II, Rn. 579; Th. Muthesius, in: H. Brede, Wettbewerb in Europa, S. 119 (125 ff.); M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (304); H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (57). 54 J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (20 f.). Im Ergebnis so jetzt auch EuGH, VR 2004, 31 (32 f.) – Altmark Trans; zustimmend J. Kühling / L. Wachinger, NVwZ 2003, 1202 (1204). 55 Dahingehend H. Eberlein, Internationales Verkehrswesen 2000, 321 (324).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Ist somit das Vorliegen einer nach Art. 87 EGV unzulässigen Beihilfe zu bejahen, ist nunmehr auf Art. 73 EGV abzustellen, dem somit im ÖPNV eine große Bedeutung zukommt. Innerhalb ihres Anwendungsbereichs geht diese Vorschrift als lex specialis dem andernfalls heranzuziehenden Art. 86 II EGV vor.56 Zulässig sind danach zum einen Koordinierungsbeihilfen, Art. 73 Alt. 1 EGV. Diese zielen auf die Sicherstellung einer sinnvollen Aufgabenteilung zwischen den einzelnen Verkehrsträgern.57 Innerhalb einer bestimmten Verkehrsform kommt diese Ausnahme jedoch nicht zum Tragen. Insofern ist auf Art. 73 Alt. 2 EGV abzustellen. Die dort erlaubten Abgeltungsbeihilfen betreffen Ausgleichsleistungen für die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, also von Leistungen, welche die Verkehrsunternehmen sonst nicht oder nicht so erbringen würden.58 Insoweit besteht eine gewisse Nähe zu Art. 86 II EGV, dessen Grundsätze daher zur Bestimmung der Tatbestandsmerkmale herangezogen werden können.59 Insbesondere besteht ein weitgehender Gleichklang zwischen den „mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes zusammenhängenden Leistungen“ in Art. 73 Alt. 2 EGV und den „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ in Art. 86 II EGV.60 Nichtsdestotrotz wird der Wortlaut des Art. 73 EGV als zu offen empfunden. Es bleibe unklar, wann eine Beihilfe den genannten Zielen „entspricht“ und wo eine Grenze für zulässige Beihilfen zu ziehen sei.61 Die Vorschrift bedürfe daher der sekundärrechtlichen Ausgestaltung.62 Diese ist auch erfolgt. Bevor jedoch darauf einzugehen ist, soll im Folgenden ein kurzer Überblick über das sonstige einschlägige primäre Gemeinschaftsrecht gegeben werden.

56 Vgl. EG-Kommission, KOM(2001) 598, S. 7; P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 166. 57 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 73 Rn. 2. Sie sind um so weniger zulässig, je mehr die Liberalisierung des Verkehrssektors voranschreitet, A. Frohnmeyer, in: E. Grabitz / M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 73 EGV Rn. 4; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 73 Rn. 3, m. w. N. aus der Kommissionspraxis. 58 P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 73 Rn. 3. Vgl. diesbezüglich auch die übereinstimmende Definition in verschiedenen Sekundärrechtsakten, etwa Art. 2 VO 1191 / 69. Keinesfalls lässt sich aus Art. 73 EGV entnehmen, dass die Beihilfen für Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes durch Leistungsaufträge ersetzt werden sollen, so aber G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 71 Rn. 19. Vielmehr ermöglicht die Bestimmung gerade entsprechende Zahlungen. 59 J. Basedow / M. Dolfen, in: M. Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, L Rn. 70. 60 P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 167. Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (100); M. Ronellenfitsch, in: Chr. Parak / D. Unfried, Personennahverkehr, Nr. 14 S. 1 (2), kennzeichnen ÖPNV-Verkehrsleistungen als Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse; vgl. bezüglich dieser oben C.II.2. b)cc)(2) (a). 61 Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 73 Rn. 4. 62 F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 73; J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (20).

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b) Allgemeine Bestimmungen Zwischen den Bestimmungen des Verkehrstitels und den allgemeinen Vorschriften des EGV besteht ein enger Zusammenhang.63 Eine Untersuchung der primärrechtlichen EG-Verkehrspolitik, gerade unter besonderer Berücksichtigung des von dieser nur „mitumfassten“ ÖPNV, muss daher notwendigerweise auch jene berücksichtigen. Zu unterscheiden sind insoweit einerseits Bestimmungen, die unmittelbar auf die Erbringung von ÖPNV-Leistungen und ihre Organisation Einfluss nehmen, und andererseits Regelungen, die vor allem bei der Schaffung von Sekundärrecht durch den Gemeinschaftsgesetzgeber zu berücksichtigen sind.

aa) Leistungserbringungsbezogene Aspekte Nicht ausführlich eingegangen werden muss an dieser Stelle nochmals auf den bereits oben dargestellten Art. 16 EGV, der auch den Verkehr erfasst.64 Dies gilt im Grundsatz auch für Art. 86 II EGV. Obwohl dieser für den Bereich der Beihilfen durch Art. 73 EGV verdrängt wird, kann ihm dennoch eine eigenständige Bedeutung insbesondere im Hinblick auf das grundsätzlich anwendbare Wettbewerbsrecht zukommen.65 Insoweit besteht kein Ausnahmenbereich für die Verkehrsunternehmen,66 die sich unternehmerisch im Sinne des EG-Wettbewerbsrechts betätigen.67 Allerdings setzt die Anwendbarkeit der Art. 81 ff. EGV einen Auslandsbezug voraus. Auch soweit dieser im Einzelfall bejaht werden kann,68 ist das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen erforderlich. Soweit, wie in Deutschland, der ÖPNV-Markt durch eine Vielzahl regional tätiger Verkehrsunternehmen bestritten wird, fehlt es zwar bezogen auf das gesamte Staatsgebiet regelmäßig bereits an einer für Art. 82 EGV erforderlichen marktbeherrschenden Stellung einzelner Unternehmen, die missbraucht werden könnte.69 Bezüglich der 63 Dies hebt ausdrücklich G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 70 Rn. 4, hervor. 64 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (301). Zu Art. 16 EGV siehe oben C.II.2. a). 65 Vgl. insoweit auch die kartellrechtliche Sonderregelung der VO 1017 / 68, ABl. 1968 L 175 / 1. Hinsichtlich der deutschen Rechtslage im ÖPNV stellt sich jedoch das Problem, ob Art. 86 II EGV eingreifen kann, da eine „Betrauung“ der Verkehrsunternehmen fraglich ist, S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 122. 66 A. Bala, Art. 90 Abs. 2 EGV im System unverfälschten Wettbewerbs, S. 76; F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 2; R. Maaß, Wettbewerb, S. 103; G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 71 Rn. 18. Dies gilt insbesondere auch beim Vorliegen öffentlicher Monopole, anders K. Hailbronner, NJW 1991, 593 (595), der darin einen tiefen Eingriff in die mitgliedstaatlichen Organisationsstrukturen sieht. 67 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 98. 68 Zweifelnd M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (303). 69 J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 99.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

maßgeblichen lokalen Märkte ergibt sich jedoch ein anderes Bild.70 Grundsätzlich sind die Regelungen der Art. 81 ff. EGV daher auch im ÖPNV von Bedeutung. Ausnahmen kommen nur auf Grundlage des Art. 86 II EGV in Betracht. Dies gilt auch im Hinblick auf die Grundfreiheiten. Diese wirken als „Hebel für die gegenseitige Marktdurchdringung und (zum) Abbau ungerechtfertigter Beschränkungen“71 und haben „zentrale Bedeutung für die Gemeinschaft und ihren Ausbau“72. Einen tatsächlichen Auslandsbezug im Einzelfall vorausgesetzt,73 wirken die Grundfreiheiten auch im Bereich des ÖPNV. Dies gilt neben der Niederlassungsfreiheit, Art. 43 ff. EGV, und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Art. 39 ff. EGV, insbesondere auch für die in ihren Grundsätzen trotz Art. 51 I EGV anwendbare Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 ff. EGV. Trotz der vorrangigen Delegation der Erreichung der Vertragsziele an die Verkehrspolitik nach Art. 70 EGV,74 entfaltet sich die deregulierende Wirkung der Dienstleistungsfreiheit75 auch im ÖPNV. Die in Art. 55 i.V.m. 45 I EGV vorgesehenen Ausnahmen für die Hoheitsverwaltung greifen im ÖPNV nicht ein.76 Sofern verhältnismäßig, kann jedoch die Aufrechterhaltung von Dienstleistungsmonopolen durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein.77 Insoweit ist auf die konkrete Ausgestaltung im Einzelfall abzustellen. Doch auch soweit die Grundfreiheiten als spezielle Diskriminierungsverbote78 nicht eingreifen, folgt zumindest aus Art. 12 I EGV ein grundsätzliches Verbot sämtlicher Diskriminierungen,79 das allerdings nur „unbeschadet besonderer Bestimmungen“ des EGV gilt. Bereits aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot folgt daher ein prinzipieller Zulassungsanspruch von Verkehrsunternehmen in den ÖPNV-Märkten anderer Mitgliedstaaten.80 Vgl. H. Baumeister / L. Wachinger, Der Nahverkehr 5 / 2003, 16 (16, 21 f.). F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 33. 72 B. v. Maydell, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 41 (48). 73 EuGH Slg. 1991, I-1979 (2020) – Höfner und Elser; F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 34; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 95. 74 J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (20). 75 EuGH Slg. 1991, I-4069 (4096) – Mediawet; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 94. Diese folgt vor allem aus der Verankerung eines Beschränkungsverbots in Art. 49 EGV, EuGH Slg. 1991, I-4221 (4243) – Säger; F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 43. 76 A. Zahn, Kommunale Dienstleistungsmonopole, S. 100. Dies gilt hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in Bezug auf Art. 39 IV EGV. 77 EuGH Slg. 1991, I-4069 (4093 f.) – Mediawet; J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 95 f. 78 Vgl. F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 39. 79 J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 14. 70 71

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bb) Rechtsetzungsbezogene Aspekte Hinsichtlich des Erlasses von Sekundärrechtsakten auf dem Gebiet des ÖPNV stellen sich vor allem Fragen der Zuständigkeit. Dies ist vor allem deshalb der Fall, weil die Leistungen des ÖPNV allein lokale Bedeutung haben81 und zugleich eine Kompetenz-Kompetenz der Gemeinschaft nicht besteht.82 Angesprochen sind insoweit die Prinzipien der Subsidiarität, Art. 5 II EGV, und der begrenzten Einzelermächtigung, Art. 5 I EGV. Daneben tritt zudem der nach Art. 5 III EGV zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.83 Diese Grundsätze sind auch bei der Rechtsetzung auf Grundlage des umfassenden Art. 71 I EGV zu berücksichtigen. Allerdings genügt auch der weitgefasste Art. 71 I lit. d EGV den Anforderungen des Art. 5 I EGV, so dass eine grundsätzliche Regelungsermächtigung für die Gemeinschaft hinsichtlich des ÖPNV gegeben ist.84 Diese besteht dennoch nicht unbegrenzt, sondern wird, soweit nicht eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit in Frage steht, durch das Subsidiaritätsprinzip begrenzt.85 Gerade hinsichtlich der Regelung des ÖPNV ist dieses von Bedeutung. Wenn es auch nach zutreffender Ansicht einer europäischen Regelung wegen der allein durch nationale Maßnahmen nicht erreichbaren Öffnung der Nahverkehrsmärkte für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht entgegensteht,86 lässt es einen umfassenden europaweit uniformen Ordnungsrahmen für den ÖPNV nicht zu.87 Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften haben sich 80 Mit Bezug zum deutschen ÖPNV-Markt W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (123). 81 H. Eberlein, Internationales Verkehrswesen 2000, 321 (323). 82 J. Wieland / J. Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen, S. 132 f. 83 R. Bocklet, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (20 f.); J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 101, 105. 84 Es kommt daher insbesondere nicht darauf an, ob und inwieweit die Binnenmarktkompetenz des Art. 95 EGV zu einer Regelung ermächtigt. Zweifelnd diesbezüglich im Hinblick auf die innere Ordnung nationaler Märkte J. Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge, S. 105. 85 Siehe dazu schon oben C.II.2. c). Daneben tritt, wenn auch ohne weiterreichende Wirkungen der auch für die EG gegenüber den Mitgliedstaaten geltende, EuGH Slg. 1981, 1045 (1070 / 1075) – Kommission / Großbritannien, Grundsatz der Gemeinschaftstreue aus Art. 10 EGV. Dieser verpflichtet die Gemeinschaft nicht zuletzt zu einer die Kompetenzen der Mitgliedstaaten schonenden Auslegung eigener Befugnisse, sofern die Gefahr der Überlagerung jener besteht, vgl. R. Bocklet, in: Schader-Stiftung, Die Zukunft der Daseinsvorsorge, S. 11 (21), mit im Übrigen zu starken Einschränkungen der EG-Kompetenzen zugunsten der Mitgliedstaaten. 86 R. Maaß, Wettbewerb, S. 149 f.; zweifelnd U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 15; ablehnend ein bei W. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7, zitiertes ÖTV-Gutachten von 1998. 87 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 71 (88); dahingehend auch P. Mückenhausen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, Grundzüge der gemeinsamen Verkehrspolitik, Rn. 61; auf die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips im Rahmen der

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

insoweit auf die Regelung von für die EG unerlässlichen Aspekten zu beschränken.88 Im Übrigen ist die Regelung des ÖPNV als lokale bzw. regionale Angelegenheit allein Sache der Mitgliedstaaten.89 Die theoretisch klare Abgrenzung beider Bereiche ist jedoch im Einzelfall nur schwer möglich. Nur selten dürfte die Unzuständigkeit der Gemeinschaft unzweifelhaft feststehen, zumal durch das zunehmende Engagement von Verkehrsunternehmen in anderen Mitgliedstaaten in der Rechtswirklichkeit ein tatsächlicher Auslandsbezug und damit ein gesteigertes Regelungsbedürfnis auf Gemeinschaftsebene gegeben ist. In der Praxis ist das Subsidiaritätsprinzip daher ebenso wie das im Bereich der Regelung des ÖPNV von den gleichen Gesichtspunkten gekennzeichnete Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht als wirksame Beschränkung gemeinschaftlicher Rechtsetzung geeignet. In materieller Hinsicht bezüglich des Erlasses von Sekundärrecht ist insbesondere die umweltpolitische Querschnittsklausel des Art. 174 EGV von Bedeutung.90 Nach Art. 3 I lit. l EGV gehört die Umweltpolitik zu den Tätigkeitsbereichen der EG. Nach Art. 174 II 1 EGV ist dabei grundsätzlich ein hohes Schutzniveau anzustreben. Dies gilt auch im Verkehrsbereich.91 Der EGV erfordert daher eine dauerhaft umweltgerechte Verkehrspolitik.92 Dies ist beim Erlass von verkehrsbezogenem Sekundärrecht zu beachten. Insbesondere besteht so eine primärrechtliche Verpflichtung der Gemeinschaft zur Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel. Eine aktive ÖPNV-Förderungspolitik der EG ist daher grundsätzlich möglich und im Rahmen der bestehenden Kompetenzen auch geboten.

2. Sekundärrecht Die Regelungen der Art. 70 ff. EGV werden durch eine Vielzahl sekundärrechtlicher Bestimmungen konkretisiert und näher ausgestaltet. Die dabei erfassten Sachverhalte sind vielfältig. Grundsätzlich lassen sich die Vorschriften jedoch in zwei Gruppen einteilen. Den im weitesten Sinne technischen Bestimmungen93 stehen marktordnende Regelungen gegenüber. Vorliegend sind allein letztere von gemeinsamen Verkehrspolitik weist eindringlich Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 70 Rn. 4 ff., hin. 88 Nicht darunter sollen etwa Organisation und Durchführung des ÖPNV, Details der Genehmigungssysteme oder Leistungs- und Qualitätsstandards fallen, O. Finkenbeiner, in: BOU, Finanzen, S. 89 (94); W. Ipsen, in: BOU, Finanzen, S. 101 (103); ders., Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7 (8). 89 W. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7. 90 Ausführlich dazu mit Bezug zum Verkehr A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 66 ff. 91 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 94; unter Bezugnahme auf den Grundsatz der Nachhaltigkeit auch Europäische Umweltagentur, Indikatoren, S. 3. 92 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrspolitik und Umweltpolitik in der Europäischen Union, S. 79. 93 Vgl. im Überblick G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 71 Rn. 36 ff.

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Interesse, soweit sie einen Bezug zum ÖPNV aufweisen. Im Folgenden wird stets auf die derzeit aktuelle Fassung der Vorschriften abgestellt. Grundlegende Abweichungen im Hinblick auf die vom deutschen Gesetzgeber der Bahnstrukturreform vorgefundene Rechtslage bestehen nicht.

a) VO 684 / 92 Den grenzüberschreitenden ÖPNV, soweit er mit Kraftomnibussen erfolgt, regelt die auf Art. 71 EGV gestützte VO 684 / 92.94 Diese enthält insoweit objektive Marktzugangsbedingungen,95 legt also eine Marktkonzeption fest. Erfasst ist nach Art. 1 I VO 684 / 92 die gewerbliche Personenbeförderung, sofern die eingesetzten Busse mehr als neun Personen befördern können. Das Merkmal der Gewerblichkeit ist dabei weit auszulegen,96 wie nicht zuletzt die Definition des ebenfalls erfassten und als Gegensatz zur gewerblichen Personenbeförderung angesehenen Werkverkehrs als „nichtkommerzielle(r) Verkehrsdienst ohne Erwerbszweck“ in Art. 2 Nr. 4 VO 684 / 92 verdeutlicht.97 Unter den gewerblichen Personenverkehr subsumiert die VO 684 / 92 insbesondere den Linien- und den Gelegenheitsverkehr, die in Art. 2 VO 684 / 92 legaldefiniert werden. Für beide Verkehrsarten legen die Art. 3 ff. VO 684 / 92 grundlegende Voraussetzungen fest. Nach Art. 3 I VO 684 / 92 besteht zur Durchsetzung der Dienstleistungsfreiheit, vgl. 3. Erwägungsgrund, ein grundsätzlicher Zulassungsanspruch unter besonderer Hervorhebung der Diskriminierungsfreiheit für die Verkehrsunternehmer auf Durchführung der erfassten Verkehrsdienste. Vorausgesetzt werden allein eine Genehmigung für die Personenbeförderung mit Kraftomnibussen für die entsprechenden Verkehrsarten nach dem Recht des Mitgliedstaates der Niederlassung, die Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen bezüglich des Zugangs zum Beruf des Personenkraftverkehrsunternehmers sowie der Rechtsvorschriften über die Sicherheit im Straßenverkehr für Fahrer und Fahrzeuge.98 Sind diese Voraussetzungen gegeben, hat der Unternehmer einen Anspruch auf Ausstellung einer nationale Genehmigungen ersetzenden Gemeinschaftslizenz nach Art. 3a VO 94 ABl. 1992 L 74 / 1; geändert durch VO (EG) 11 / 98, ABl. 1998 L 4 / 1; ausführlich zu dieser auch M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 215 ff.; zur Entwicklung vgl. W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 684 / 92 Rn. 5 ff. Betroffen ist insoweit allerdings auch ein entsprechend durchgeführter Fernverkehr. 95 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 213. 96 W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 684 / 92 Rn. 15. 97 Der in den Art. 13 VO 684 / 92 im Einzelnen geregelte Werkverkehr ist vorliegend nicht von Interesse. Eine eingehende Untersuchung kann daher unterbleiben. 98 Vgl. im Einzelnen dazu mit Verweis auf die einschlägigen Bestimmungen W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 684 / 92 Rn. 28 f.

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684 / 92. Diese wird von den zuständigen Behörden des Niederlassungsstaats auf den Namen des Verkehrsunternehmers ausgestellt. Sie ist, da ihre Erteilungsvoraussetzungen auf die Person des Unternehmers bezogen sind, nicht übertragbar. Ihre Gültigkeit ist auf fünf Jahre begrenzt. Es besteht jedoch die Möglichkeit der Verlängerung. Ihr Ziel ist nicht die Marktregulierung, sondern die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs hinsichtlich der Erfüllung sicherheitsrechtlicher und sozialer Standards. Dementsprechend ist die eine beglaubigte Abschrift der Lizenz bei der Verkehrsdurchführung nach Art. 3a VO 684 / 92 mitzuführen. Die Notwendigkeit weiterer Genehmigungen regelt Art. 4 VO 684 / 92. Dabei besteht mit Ausnahme des in Art. 2 Nr. 1.1. VO 684 / 92 legaldefinierten allgemeinen Linienverkehrs eine grundsätzliche Genehmigungsfreiheit.99 Als Linienverkehr gilt dabei „die regelmäßige Beförderung von Fahrgästen auf einer bestimmten Verkehrsverbindung, wobei Fahrgäste an vorher festgelegten Haltestellen aufgenommen und abgesetzt werden können. Linienverkehr ist ungeachtet einer etwaigen Verpflichtung zur Buchung für jedermann zugänglich.“ Die Einzelheiten der für den genehmigungspflichtigen grenzüberschreitenden Linienverkehr sind in den Art. 5 ff. VO 684 / 92 geregelt. Diese ist neben der Gemeinschaftslizenz erforderlich. Insbesondere ersetzt sie diese nicht, vgl. Art. 5 VI VO 684 / 92. Zuständig für die Erteilung der Genehmigung ist gemäß Art. 6 I VO 684 / 92 eine von diesem näher zu bestimmende Behörde des Mitgliedstaats, in dem sich der Ausgangsort des Linienverkehrs, also eine Endhaltestelle, befindet.100 Die höchstens für die Dauer von fünf Jahren erteilte Genehmigung ist nach Art. 5 VO 684 / 92 ebenso wie die Gemeinschaftslizenz auf den Namen des Verkehrsunternehmers ausgestellt und nicht übertragbar. Allerdings besteht sowohl die Möglichkeit der Ausstellung einer Genehmigung für mehrere zusammenarbeitende Unternehmen, als auch der Beauftragung von Subunternehmern für die Verkehrsdurchführung, wenn die für die Genehmigungserteilung zuständige Behörde zustimmt und diese den Anforderungen des Art. 3 I VO 684 / 92 genügen. In der Genehmigung sind die Art des Verkehrsdienstes, die Streckenführung, die Gültigkeitsdauer sowie Haltestellen und Fahrpläne festzulegen. Sie berechtigt den Inhaber zu Beförderungen in allen betroffenen Mitgliedstaaten im Rahmen des Linienverkehrs. Zugleich ist dieser nach Art. 10 VO 684 / 92 verpflichtet, den Verkehr in der genehmigten Art und Weise durchzuführen. Die Einstellung des Linienverkehrs vor Ablauf der Genehmigungsdauer ist unter den Voraussetzungen des Art. 9 VO 684 / 92 möglich. Danach ist gegenüber der Genehmigungsbehörde eine be99 Genehmigungspflichtig ist daneben die Durchführung von Sonderlinienverkehren, wenn es an einer vertraglichen Regelung zwischen dem Veranstalter und dem Verkehrsunternehmen fehlt. Zu den Sonderlinienverkehren zählen nach Art. 2 Nr. 1.2. insbesondere spezielle Berufsverkehre, Ausbildungsverkehre sowie Verkehre zur Beförderung von Angehörigen der Streitkräfte und ihrer Angehörigen zwischen Herkunftsland und Stationierungsort. 100 Deren notwendige Zusammenarbeit mit den Behörden anderer Mitgliedstaaten ist in Art. 7 I, II, IX VO 684 / 92 geregelt. Lässt sich ein Einvernehmen nicht erzielen, wird die Kommission nach Art. 7 V ff. VO 684 / 92 zuständig.

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gründete Mitteilung mit der Ankündigung der Einstellung zu machen. Diese Genehmigung mit all ihren Wirkungen entfällt daraufhin nach drei Monaten, im Falle eines fehlenden Verkehrsbedürfnisses nach einem Monat. Ebenfalls einen Monat vor der Einstellung des Verkehrs hat der Genehmigungsinhaber diese den Benutzern bekannt zu machen. Das Genehmigungsverfahren ist in Art. 7 VO 684 / 92 geregelt. Nach dessen Absatz 5 kommt eine Ablehnung der Genehmigung nur aus mit dieser Verordnung zu vereinbarenden Gründen in Betracht. Damit sind insbesondere allein im nationalen Recht vorgesehene Ablehnungsgründe ausgeschlossen. Die Ablehnung ist daher nicht ohne weiteres möglich.101 Die zulässigen Ablehnungsgründe sind in Absatz 4 Satz 1 aufgeführt. Nach dessen Formulierung besteht jedoch ein grundsätzlicher Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung.102 Diese darf nur versagt werden, wenn dem Verkehrsunternehmer nicht die zur Durchführung des Linienverkehrs erforderlichen Fahrzeuge unmittelbar zur Verfügung stehen, lit. a, der Antragsteller früher gegen einschlägige Vorschriften des Personenbeförderungs- und Verkehrsrechts verstoßen hat, lit. b, oder bei Beantragung einer Genehmigungserneuerung er hinsichtlich der ursprünglichen Genehmigung gegen deren Bedingungen verstoßen hat.103 Neben diesen in erster Linie sicherheitsrechtlichen können jedoch auch wirtschaftslenkende Aspekte zur Genehmigungsversagung führen.104 Dies ist nach lit. d der Fall, wenn nachgewiesen wird, „dass der betreffende Verkehrsdienst das Bestehen der bereits genehmigten Liniendienste unmittelbar gefährden würde;“ es sei denn, diese würden monopolartig durchgeführt. Auch wenn dies stark an die deutsche Regelung zum Schutz vorhandener Unternehmer erinnert, ist der Wettbewerbsschutz deutlich eingeschränkt.105 Der Nachweis der unmittelbaren Gefährdung dürfte kaum je gelingen. Art. 7 IV 1 lit. d VO 684 / 92 gibt daher den vorhandenen Verkehrsunternehmen nur eine sehr stumpfe Waffe zur Abwehr von Konkurrenten in die Hand. Auch können die nationalen Behörden auf Grundlage dieser Bestimmung keine versteckte Förderung bestimmter Verkehrsunternehmen betreiben. Nur das auch durch lit. e zu unterbindende „Rosinenpicken“ rechtfertigt letztlich einen gewissen Bestandsschutz der vorhandenen Unternehmer.106 Lit. f ermöglicht schließlich die Untersagung wegen einer andernfalls 101 H. Bidinger, NZV 1993, 289 (291); R. Maaß, Wettbewerb, S. 151, sprechen von einer deutlichen Erschwerung der Ablehnung. 102 F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 10. 103 Insoweit bestehen nach Art. 16 VO 684 / 92 auch bereits während der Laufzeit der Genehmigung Sanktionsmöglichkeiten. 104 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 36. 105 W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 684 / 92 Rn. 51. 106 F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 11; ähnlich W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 684 / 92 Rn. 55 f. Diese werden jedoch „tendenziell immer

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

eintretenden ernsthaften Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eines parallelen Eisenbahndienstes.107 Nach Art. 7 IV 4 VO 684 / 92 ausdrücklich kein Versagungsgrund sind dagegen die Durchführung des Linienverkehrs zu niedrigeren Preisen als bei anderen Unternehmen sowie das Bestehen eines entsprechenden Linienverkehrs.108 Innerhalb ihres Anwendungsbereichs ist mit der VO 684 / 92 eine deutliche Liberalisierung des Marktordnungssystems verbunden.109 Gerade im grenznahen Bereich wirkt sie durchaus wettbewerbsfördernd,110 wenn auch grenzüberschreitender ÖPNV im eigentlichen Sinne selten ist.111 Dabei stellt sie, wie Art. 18 VO 684 / 92 verdeutlicht, nach dem eine weitergehende Liberalisierung von den Mitgliedstaaten vereinbart werden kann, allein eine Mindestharmonisierungs- und -liberalisierungsregel dar. In Art. 20 VO 684 / 92 ist darüber hinaus die Möglichkeit des völligen Wegfalls der Genehmigungspflicht vorgesehen. Damit sieht die VO 684 / 92 die gewerbliche Personenbeförderung grundsätzlich als freie unternehmerische Tätigkeit an. Gemeinwohlbezogene Aspekte fließen allenfalls im Rahmen des Art. 10 VO 684 / 92 ein. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass der einen besonderen Gemeinwohlbezug aufweisende ÖPNV wegen des typischerweise dabei nicht gegebenen Erfordernisses der Grenzüberschreitung zwar erfasst ist, sofern die Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind, aber keineswegs den vorrangigen Regelungsgegenstand der VO 684 / 92 bildet. b) VO 12 / 98 Die auf Art. 71 EGV gestützte VO 12 / 98112 regelt ausweislich ihrer offiziellen Bezeichnung die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Personenkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, also die Karbotage. Dies ist jedoch insoweit unpräzise, als nur die entsprechende Personenbeförderung in Kraftomnibussen erfasst ist, vgl. Art. 2 Nr. 4 VO weniger geschützt“, W. Ipsen, ebd, Rn. 2; dagegen heben A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 215, die Genehmigungsversagungsmöglichkeit zum Schutz anderweitiger Liniendienste und der Eisenbahn besonders hervor. 107 Zum Schutz des Eisenbahnverkehrs sieht Art. 7 IV 3 VO 684 / 92 darüber hinaus sogar eine besondere Möglichkeit des Genehmigungsentzugs vor. 108 Dem steht der Eingang eines konkurrierenden Genehmigungsantrags grundsätzlich gleich, F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 12. 109 W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 684 / 92 Rn. 1. 110 R. Maaß, Wettbewerb, S. 151. 111 H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (50). 112 ABl. 1998 L 4 / 10.

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12 / 98. Sie entspricht inhaltlich der vom EuGH wegen Verfahrensfehlern für nichtig erklärten,113 hinsichtlich ihrer Regelungswirkungen jedoch aufrechterhaltenen VO 2454 / 92,114 so dass ihre Bestimmungen bereits für den Gesetzgeber der Bahnstrukturreform relevant waren. Die VO 12 / 98 ergänzt die VO 684 / 92115 und weist mit dieser zahlreiche Gemeinsamkeiten auf. Dies wird, neben etwa der gleichlautenden Legaldefinition des Linienverkehrs in Art. 2 Nr. 1 VO 12 / 98, bereits an der Grundsatzbestimmung des Art. 1 VO 12 / 98 deutlich. Danach kann unter Voraussetzung der Beachtung der speziellen Bestimmungen jeder gewerbliche Personenkraftverkehrsunternehmer, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz nach Art. 3a VO 684 / 92 ist, zeitweilig innerstaatliche Personenbeförderungen in einem anderen Mitgliedstaat durchführen, ohne dass er eines Unternehmenssitzes oder einer Niederlassung in diesem bedarf. Wie auch die VO 684 / 92 regelt die VO 12 / 98 somit objektive Marktzugangsbedingungen.116 Die mit ihr verbundene Marktöffnung bleibt jedoch deutlich hinter der erstgenannten Regelung zurück.117 Dies wird insbesondere an Art. 3 S. 1 VO 12 / 98 deutlich. Freigegeben ist danach die Karbotage für die in Art. 2 Nr. 2 VO 12 / 98 parallel zur Begriffsbestimmung in der VO 684 / 92 definierten Sonderformen des Linienverkehrs, sofern ein Vertrag zwischen dem Veranstalter und dem Verkehrsunternehmer besteht, Nr. 1, und für den Gelegenheitsverkehr. Nach Nr. 3 ist der Linienverkehr nur insoweit erfasst, als er grenzüberschreitend nach der VO 684 / 92 durchgeführt wird. Im Übrigen besteht hinsichtlich des ÖPNV eine Bereichsausnahme.118 Art. 3 S. 2 VO 12 / 98 stellt ausdrücklich klar, dass „die Karbotagebeförderung . . . nicht unabhängig von diesem grenzüberschreitenden Verkehrsdienst durchgeführt werden“ darf. Darüber hinausgehend klammert Art. 3 S. 3 VO 12 / 98 Stadt- und Vorortdienste vom Geltungsbereich des Art. 3 S. 1 Nr. 3 VO 12 / 98 aus. Unter diesen Verkehrsdiensten sind nach Satz 4 der Bestimmung solche zu verstehen, „die die Verkehrsbedürfnisse sowohl in einem Stadtgebiet oder einem Ballungsraum als auch zwischen einem Stadtgebiet und seinem Umland befriedigen.“ Nicht erfasst von der Einschränkung sind damit Regionalverkehre. Diese können im Rahmen internationaler Verkehre EuGH Slg. 1994, I-2081 – EP / Rat. ABl. 1992 L 251 / 1. 115 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 216; W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 12 / 98 Rn. 11. 116 W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 12 / 98 Rn. 8. Eine Bestimmung der Zeitweiligkeit der Betätigung ist bislang nicht gelungen. Das Merkmal ist in der Praxis daher obsolet, ebd., Rn. 16 f. 117 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 217. Das Ziel einer europaweiten Marktöffnung im ÖPNV, so W. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7 (8), kann mit der VO 12 / 98 daher nur schwerlich verbunden werden. 118 A. Epiney / R. Gruber, Verkehrsrecht in der EU, S. 217; ähnlich F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 20; W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 12 / 98 Rn. 3. 113 114

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mitbedient werden.119 Nur in Bezug auf diese ist mit der VO 12 / 98 eine Marktöffnung im nicht grenzüberschreitenden ÖPNV verbunden. Nach Maßgabe des Art. 9 VO 12 / 98 ist jedoch eine Einschränkung der Karbotage möglich. Dessen Absatz 1 bestimmt, dass „im Fall einer ernsten Marktstörung im innerstaatlichen Verkehr innerhalb eines geographischen Gebiets, die auf die Karbotage zurückzuführen ist oder durch sie verschärft wird,“ die Kommission auf Antrag des betroffenen Mitgliedstaates Schutzmaßnahmen ergreifen kann. Deren Dauer ist auf maximal zwei mal sechs Monate begrenzt, Absatz 3. Allerdings besteht nach Absatz 6 die Möglichkeit einer weiteren Verlängerung durch den Rat. Absatz 2 nimmt eine nähere Begriffsbestimmung vor. Voraussetzung für die Möglichkeit der Ergreifung von Schutzmaßnahmen ist danach „das Auftreten spezifischer Probleme auf diesem Markt, die zu einem möglicherweise anhaltenden deutlichen Angebotsüberhang führen können, der das finanzielle Gleichgewicht und das Überleben zahlreicher Unternehmen im Personenkraftverkehr gefährden würde.“ Die Formulierung ist als Ausgangspunkt jeglicher Marktöffnung entgegenwirkender und heimische Unternehmen privilegierender Maßnahmen geeignet. Die bloße Möglichkeit eines das finanzielle Gleichgewicht vorhandener Unternehmen gefährdenden Angebotsüberhangs dürfte vergleichsweise leicht aufzuzeigen sein.120 Ausgeglichen wird diese inhaltliche Problematik jedoch durch die bereits angesprochene Zuständigkeit der grundsätzlich auf Marktöffnung bedachten Kommission, nicht des betroffenen Mitgliedstaats, und die enge zeitliche Begrenzung. Unmittelbare und wirksame Einflussnahmemöglichkeiten der Mitgliedstaaten, nicht zuletzt zur Verfolgung gemeinwohlorientierter Ziele, bestehen bei den von Art. 3 S. 1 Nr. 3 VO 12 / 98 freigegebenen Linienverkehren aber nach Art. 4 II VO 12 / 98. Danach gelten die mitgliedstaatlichen Vorschriften über Genehmigungserteilung, Ausschreibungsverfahren, zu bedienende Verbindungen, hinsichtlich Regelmäßigkeit, Beständigkeit und Häufigkeit des Verkehrs sowie Streckenführung. Damit werden die Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten im Rahmen des von der VO 12 / 98 freigegebenen innerstaatlichen Linienverkehrs den inländischen Unternehmen gleichgestellt. 121 Letztlich werden allein willkürliche Diskriminierungen ausgeschlossen. Eine konzeptionelle Beeinflussung der mitgliedstaatlichen Regelungen erfolgt darüber hinaus nicht. Dementsprechend haben es die Mitgliedstaaten in der Hand, bereits die Entstehung der Voraussetzungen des Art. 9 VO 12 / 98 bezüglich der innerstaatlichen Beförderung im Rahmen grenzüberschreiten119 W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 12 / 98 Rn. 31. 120 Vgl. als Gegensatz nochmals die Formulierung in Art. 7 IV 1 lit. d VO 684 / 92. 121 Damit gelten in Deutschland sämtliche ÖPNV-bezogene Bestimmungen, insbesondere diejenigen des PBefG, für entsprechende Verkehrsunternehmer aus anderen EG-Mitgliedstaaten. Neben die damit verbundenen Einschränkungen treten aber auch etwa verkehrsverbundbedingte finanzielle Vorteile, vgl. W. Ipsen, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 12 / 98 Rn. 41.

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der Linienverkehre zu verhindern. Hinsichtlich des ÖPNV führt die VO 12 / 98 daher letztlich nur zu einer sehr geringen Liberalisierung und lässt die diesbezüglichen mitgliedstaatlichen Konzeptionen grundsätzlich unangetastet.

c) VO 1191 / 69 Die für den allgemeinen ÖPNV bedeutsamste sekundärrechtliche Regelung ist die VO 1191 / 69 in ihrer 1991 überarbeiteten Fassung,122 auf die unmittelbar in § 13a I 1 PBefG Bezug genommen wird. Diese gibt als Wettbewerbs- und Finanzierungsregelung123 den Rahmen für die Ausgestaltung des ÖPNV-Sektors vor, ohne dessen grundlegende Umgestaltung zu beabsichtigen.124

aa) Ziele, Anwendbarkeit und Grundaussagen Basierend auf Art. 71 und 89 EGV, ist die VO 1191 / 69 dem Beihilfenrecht zuzurechnen.125 Obwohl sie entgegen der grundlegenden Zielrichtung des Gemeinschaftsrechts die subventions- und wettbewerbsrechtlichen Voraussetzungen für die Subventionierung bestimmter Unternehmen schafft,126 diente insbesondere ihre ursprüngliche Fassung vor allem der Abgrenzung der Verkehrsunternehmen vom Staat und die Eindämmung von dessen Einfluss auf jene.127 Insoweit strebt die VO 1191 / 69 die Beseitigung der damit verbundenen Verfälschungen der Wettbewerbsbedingungen an:128 einerseits sollen Wettbewerbsnachteile durch die Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, andererseits Wettbewerbsverzerrungen durch unberechtigte Zahlungen an Unternehmen verhindert wer122 VO (EWG) 1191 / 69, ABl. 1969 L 156 / 1, geändert durch VO (EWG) 1893 / 91, ABl. 1991 L 169 / 1. 123 S.H. Vogt, Der Nahverkehr 4 / 1993, 9 (10); ähnlich W. Will, Der Nahverkehr 1 – 2 / 2001, 28 (30). R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 18, bezeichnen sie dagegen ausschließlich als Beihilfenregelung. M.J. Werner, ZEuS 6 (2003), S. 309 (316), sieht den Zweck der Regelung demgegenüber in der Marktöffnung. 124 M. Fey, NZV 1992, 476 (477). 125 W. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7 (8). Sie stellt sich damit als Ausfluss der generellen Regelungsbefugnis der Kommission hinsichtlich der Beihilfenmodalitäten dar, E. Recker, Der Landkreis 2001, 500. 126 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 59; ders., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 123; ähnlich W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (127 f.). 127 Deren Schutz vor staatlicher unentgeltlicher Verpflichtung zur Erbringung bestimmter Leistungen kann insoweit sogar als Hauptziel angesehen werden, Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (982); E. Recker, Der Landkreis 2001, 500; ähnlich auch W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 39; R. Maaß, Wettbewerb, S. 153; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (74). 128 R. Maaß, Wettbewerb, S. 153.

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den.129 Zugleich will sie die Minimierung öffentlicher Zuschüsse im ÖPNV erreichen.130 Die mit der VO 1191 / 69 verfolgten Zielsetzungen sind somit vielfältig. Dies zeigt sich auch an ihrer Ausgestaltung. Zum einen ist sie deutlich umfangreicher, als andere ÖPNV-relevante Sekundärrechtsakte. Zum anderen ist sie durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe gekennzeichnet.131 Der ÖPNV ist nicht der Hauptregelungsgegenstand der VO 1191 / 69. Dieser war in ihrer ursprünglichen Fassung nicht einmal enthalten. Erst durch die Reform im Jahre 1991 wurde ihr Anwendungsbereich auf den ÖPNV erstreckt, wenn auch nicht in zwingender Art und Weise. Nach Art. 1 I 2 VO 1191 / 69 haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Unternehmen, die Verkehrsdienste ausschließlich im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr erbringen, vom Anwendungsbereich der VO 1191 / 69 auszunehmen. Stadt- und Vorortdienste sind dabei in Art. 1 II VO 1191 / 69 entsprechend der Definition in Art. 3 S. 4 VO 12 / 98 legaldefiniert. Die darüber hinaus im Gegensatz zur letztgenannten Verordnung ebenfalls von der Möglichkeit einer Ausnahme erfassten Regionalverkehrsdienste werden ohne weitergehende Bestimmung und damit nur schwer abgrenzbar an gleicher Stelle als „Betrieb von Verkehrsdiensten, um die Verkehrsbedürfnisse in einer Region zu befriedigen“, definiert. Letztlich sind sie damit zum ÖPNV zu zählen.132 Indem die VO 1191 / 69 bezüglich der Ausnahmemöglichkeit nicht nach Verkehrsmitteln unterscheidet, liegt ihr ein funktionaler ÖPNV-Begriff zugrunde. Inwieweit von der Ausnahmemöglichkeit des Art. 1 I 2 VO 1191 / 69 Gebrauch gemacht wurde, ist an dieser Stelle nicht von Interesse. Dabei handelt es sich um eine Frage des nationalen Rechts.133 Im Folgenden soll untersucht werden, welche Auswirkungen die VO 1191 / 69 auf den ÖPNV hat, wenn das Gemeinschaftsrecht ohne Abstriche zur Anwendung gelangt. Nach der grundlegenden Bestimmung des Art. 1 III VO 1191 / 69, die im Bereich der Personenbeförderung zugunsten von im Interesse bestimmter sozialer Gruppen bestehender Beförderungsbedingungen und -tarife nach Art. 1 VI VO 1191 / 69 eingeschränkt werden kann,134 heben die Mitgliedstaaten die Verpflich129 W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 4; ähnlich H. Delbanco, in: Chr. R. Foos, Eisenbahnrecht und Bahnreform, S. 21 (33); H. Krämer, Der Nahverkehr 4 / 1995, 6 (7). 130 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 84. 131 W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 3. 132 H. Zuck, Das neue EG-Recht für den ÖPNV, S. 14. 133 Vgl. im Hinblick auf die deutsche Rechtslage unten G.II.4. b). 134 Derzeit einziger Anwendungsfall der Bestimmung in Deutschland ist der Schwerbehindertenverkehr nach §§ 145 III, 148 SGB IX. Der weitaus bedeutsamere Schülerverkehr nach § 45a PBefG fällt demgegenüber nicht darunter, W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 71 f. Die sozialen Belange nach Art. 1 IV VO 1191 / 69 gehen über damit über die allgemeine Mobilitätsgewährleistung als Daseinsvorsorge hinaus, indem insbesondere auf Belange einkommensschwache Bevölkerungskreise abzustellen ist, J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 93.

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tungen des öffentlichen Dienstes auf. Dies sind nach Art. 2 I VO 1191 / 69 „Verpflichtungen die das Verkehrsunternehmen im eigenen wirtschaftlichen Interesse nicht oder nicht im gleichen Umfang und nicht unter den gleichen Bedingungen übernehmen würde.“ Einseitig oktroyierte gemeinwirtschaftliche Leistungen sind somit grundsätzlich aufzuheben.135 Bei diesen handelt es sich um „die traditionelle(n) Universaldienstverpflichtungen“136 Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflicht, Art. 2 II VO 1191 / 69. Diese Pflichten werden in Art. 2 III-V VO 1191 / 69 im Einzelnen legaldefiniert. Losgelöst vom systematischen Zusammenhang stimmen sie im Wesentlichen mit den im deutschen PBefG enthaltenen entsprechenden Pflichten überein, wenn auch im Einzelnen deutliche Unterschiede zu verzeichnen sind.137 Diese Unterschiede beziehen sich vor allem auf soziale Aspekte, die anders als im PBefG in der VO 1191 / 69 unmittelbar im Text Berücksichtigung finden. Insbesondere zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Verkehrsbedienung „unter Berücksichtigung sozialer, umweltpolitischer und landesplanerischer Faktoren“ ermöglicht Art. 1 IV 1 VO 1191 / 69 den zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden138 jedoch den Abschluss von „Verträge(n) über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes“. Deutlich wird damit zugleich, dass sich die Anordnung des Art. 1 III VO 1191 / 69 nur auf gesetzliche bzw. anderweitig hoheitlich auferlegte wirtschaftlich nachteilige Verpflichtungen bezieht.139 Eine Auferlegung entsprechender Verpflichtungen durch Vertrag ist nach der Konzeption der VO 1191 / 69 nicht möglich, wenn auch eine Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann.140 Die Aufhebung der allgemeinen Tarif- und 135 R. Maaß, Wettbewerb, S. 156; ähnlich G. Fromm, in: BOU, Zukunft, S. 39 (40); H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (44). 136 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 21; ähnlich W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 26. Zugleich handelt es sich um mit Begriff des öffentlichen Dienstes zusammenhängender Leistungen i.S.v. Art. 73 Alt. 2 EGV, P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 73 Rn. 3. M.J. Werner, ZEuS 6 (2003), S. 309 (316), spricht dagegen insoweit von „Daseinsvorsorge“. 137 Die Betriebspflicht entspricht derjenigen in § 21 PBefG, Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (152); H. Zuck, Das neue EG-Recht für den ÖPNV, S. 18; die Tarifpflicht nach Art. 2 V VO 1191 / 69 ist dagegen etwas weiter gefasst als in § 39 PBefG und erfasst neben der Einheitlichkeit der Tarife die Akzeptanz von Sozialtarifen, Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 24; H. Zuck, ebd., S. 18. Auf die nicht gegebene völlige Übereinstimmung der Begrifflichkeiten der VO 1191 / 69 und des PBefG weisen insbesondere L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 36, hin. Unmittelbar bezieht sich die Definition des Art. 2 VO 1191 / 69 wegen deren Art. 1 I-III, 3 nur auf auferlegte Verpflichtungen, nicht auf vertragliche Vereinbarungen, R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (13). 138 F. Berschin, ZUR 1997, 4 (7), weist zu Recht darauf hin, dass dies auch der Gesetzgeber sein kann. 139 Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (981); R. Maaß, Wettbewerb, S. 158. Wegen der durch Verträge gekennzeichneten Praxis ist das Potential der Bestimmung in Deutschland vergleichsweise gering, R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (13). 140 Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 25. Die Notwendigkeit einer Antragstellung seitens des Unternehmens nach nationalem Recht verhindert die

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Beförderungspflicht erzwingt die VO 1191 / 69 insbesondere wegen ihres Art. 2 V 2 nicht.141 Für den ÖPNV ermöglicht Art. 1 V 1 VO 1191 / 69 im Gegensatz zu Absatz 3 der Bestimmung die Beibehaltung oder Auferlegung entsprechender Verpflichtungen. Auch insoweit wird die Sonderstellung des Bereichs und sein besonderer Gemeinwohlbezug deutlich.142 Allerdings besteht keine diesbezügliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten. Diese können auch im Bereich des ÖPNV auf den Abschluss von Verkehrsverträgen nach Art. 2 IV 1 VO 1191 / 69 zurückgreifen.143 Sowohl im Falle der Auferlegung als auch der Vertragsvergabe handelt es sich aber um gemeinwirtschaftliche Sachverhalte, also solche, in denen die Verkehrsleistungen nicht ohne (finanzielles) Engagement der öffentlichen Hand erbracht werden. Verkehre, die ohne ein solches als gewerbliche Tätigkeit durchgeführt werden, sind, wie Art. 14 IV-VI VO 1191 / 69 zeigen, auch wenn sie faktisch einen Gemeinwohlbezug aufweisen, nicht von den diesbezüglichen Regelungen umfasst. Damit unterscheidet die VO 1191 / 69 zwei Gruppen von Verkehren. Dies sind eigenwirtschaftliche und gemeinwirtschaftliche Verkehre. In besonderer Weise regelungsbedürftig sind vor allem letztere. Bei diesen, die wiederum in auferlegte und vereinbarte Verkehre zu unterteilen sind, liegt daher der Regelungsschwerpunkt der VO 1191 / 69.

bb) Auferlegung und Vertrag bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren Der Dualismus von Auferlegung und vertraglicher Regelung bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren durchzieht auch die übrigen Regelungen der VO 1191 / 69. In den Art. 3 ff. VO 1191 / 69 finden sich Bestimmungen über auferlegte Verkehrsleistungen und den damit einhergehenden finanziellen Ausgleich. Art. 14 VO 1191 / 69 befasst sich mit den Verkehrsverträgen. Auferlegung im Sinne der Verordnung jedoch nicht, H. Zuck, Das neue EG-Recht für den ÖPNV, S. 15. 141 W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 34. Art. 2 V 2 VO 1191 / 69 bezieht sich unmittelbar nur auf die Tarifpflicht. R. Maaß, Wettbewerb, S. 157, spricht sich jedoch dafür aus, die mit der Bestimmung verbundenen begrifflichen Einschränkungen auch auf die Betriebs- und Beförderungspflicht, Art. 2 III, IV VO 1191 / 69 erstrecken, um Bedienungspflichten im öffentlichen Verkehrsinteresse oder zum Schutz gegen Diskriminierungen durch Linienunternehmen nicht zu erfassen. Wenn dies angesichts des klaren Wortlauts auch problematisch ist, so kann angesichts der Zielrichtung der Vorschrift, die allgemein wirkende Maßnahmen unangetastet lassen will, eine entsprechende Anwendung im Einzelfall durchaus geboten sein. 142 Vgl. E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 21; Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 24, die die Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes mit dem service public gleichsetzen. 143 Darüber hinaus lässt sich der VO 1191 / 69 keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Auferlegung oder Vereinbarung gemeinwirtschaftlicher Leistungen und damit zur „Daseinsvorsorge“ entnehmen, R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (13).

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(1) Verhältnis von Auferlegung und Vertrag Das im Einzelnen umstrittene aber praxiswichtige Verhältnis beider Alternativen zueinander folgt bereits aus den grundlegenden Vorschriften des Art. 1 VO 1191 / 69. Da nach dessen Absatz 3 die Auferlegung von Verkehrsleistungen nicht mehr zulässig ist, sondern diese nach Absatz 4 vertraglich vereinbart werden sollen, ist eine klare normative Bevorzugung der vertraglichen Regelung zu erkennen. Für den Bereich des ÖPNV schränkt Absatz 5 diese Wertung jedoch deutlich ein. Nach dem nahezu gleichgefassten Wortlaut der Bestimmungen stehen insoweit beide Varianten gleichberechtigt nebeneinander. In der Systematik des Art. 1 VO 1191 / 69 erscheint die Regelung des Absatzes 5 Satz 1 dagegen als Unterausnahme zum grundsätzlichen Verbot der Auferlegung und der dieses hinsichtlich seiner praktischen Auswirkungen relativierenden Möglichkeit des Abschlusses entsprechender Verträge. Allerdings findet sich in den Art. 3 ff. VO 1191 / 69, auf die ausschließlich Art. 1 V 2 VO 1191 / 69 verweist und die damit allein für auferlegte Leistungen im ÖPNV gelten, ausführliche und detaillierte Regelungen über auferlegte Verkehrsleistungen, ihre Bestimmung und den damit verbundenen Ausgleich. Insbesondere sind diese quantitativ deutlich gewichtiger als der auf den Abschluss von Verträgen bezogene Art. 14 VO 1191 / 69. In der Gesamtsystematik der VO 1191 / 69 erscheint die Bevorzugung der vertraglichen Regelung für den Bereich des ÖPNV daher fraglich. Teleologisch lässt sich ebenfalls keine Bevorzugung einer Variante feststellen. Die mit der VO 1191 / 69 verfolgten Ziele lassen sich sowohl durch den Abschluss entsprechender Verkehrsverträge als auch durch Auferlegungen in der vorgesehenen Art und Weise erreichen. Schließlich ist auch die historische Auslegung nicht weiterführend. Zwar wurde das Instrument des gemeinwirtschaftlichen Vertrages bei der Überarbeitung der VO 1191 / 69 neu eingefügt,144 was für eine Bevorzugung der vertraglichen Regelung spräche. Damit einher ging jedoch die Schaffung einer expliziten, wen auch nicht verpflichtenden Ausnahme für den ÖPNV, so dass auch insoweit eine eindeutige Entscheidung nicht getroffen werden kann. Für den Bereich des ÖPNV folgt daraus ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Auferlegung nach Art. 1 V, 3 ff. VO 1191 / 69 und vertraglicher Leistungsvereinbarung nach Art. 1 IV, 14 VO 1191 / 69.145 Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Wahlrecht. Beide Instrumente sind daher im Folgenden von Interesse. Hinsichtlich des zu erreichenden Ziels bestehen keine grundsätzlichen Unterschiede. In beiden Fällen sind eine ausreichende Verkehrsbedienung bzw. O. Mietzsch, ZG 17 (2002), S. 59. So auch M. Fey, NZV 1992, 476 (477); für einen Vorrang der vertraglichen Regelung aber S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 141; F. Berschin, ZUR 1997, 4 (7); G. Fromm, BB 1994, 2366; W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EGVerkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 40; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 37; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 55; unter Bezugnahme auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip R. Metz, in: W. Kolks, Verkehrswesen II, Rn. 597. Eine Auferlegung soll danach im Falle einer Marktstörung möglich sein, etwa beim Bestehen regionaler Anbietermonopole, J. Werner, ebd., S. 56. 144 145

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ausreichende Verkehrsdienste sicherzustellen, Art. 3 I, 14 I 1 VO 1191 / 69. Die ausreichende, d. h. angemessene146 Bedienung bildet dabei zugleich die Obergrenze der legalen Finanzierung von Verkehrsdiensten durch öffentliche Hand,147 wobei jedoch ein weites behördliches Ermessen besteht.148 (2) Vertragliche Regelung Das von der VO 1191 / 69 grundsätzlich, wenn auch zumindest nicht explizit im ÖPNV, bevorzugte Instrument ist der Abschluss von „Verträge(n) über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes“, Art. 1 IV, 14 VO 1191 / 69. Dieses soll daher an erster Stelle untersucht werden. Nicht zuletzt wegen der eher fragmentarischen Regelung in nur drei Absätzen des Art. 14 VO 1191 / 69 weist das Instrument des gemeinwirtschaftlichen Verkehrsvertrages eine Anzahl von Schwierigkeiten auf. Diese bestehen nicht nur in der theoretischen europarechtlichen Betrachtung, sondern insbesondere im Hinblick auf die nationale Umsetzung. (a) Rechtliche Ausgestaltung Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes sind nach Art. 14 I VO 1191 / 69 Verträge, die zwischen Behörden und Unternehmen zur Sicherstellung ausreichender Verkehrsdienste für die Allgemeinheit abgeschlossen werden. Regelungsgegenstände sind nach dieser Vorschrift insbesondere Verkehrsdienste, die bestimmten Anforderungen an Kontinuität, Regelmäßigkeit, Leistungsfähigkeit und Qualität genügen; zusätzliche Verkehrsdienste; Verkehrsdienste zu besonderen Tarifen und Bedingungen, vor allem für bestimmte Personengruppen oder auf bestimmten Verkehrsbedingungen sowie eine Anpassung der Dienste an den tatsächlichen Bedarf. Damit können grundsätzlich alle Arten gemeinwohlorientierter Verkehrsdienste, insbesondere aber der Linienverkehr sowie besondere soziale Aspekte vertraglich geregelt werden. Für die in die vertragliche Regelung im Einzelnen aufzunehmenden Punkte enthält Art. 14 II VO 1191 / 69 eine nicht abschließende Aufzählung. Diese sind von 146 Unter Verweis auf die englische Textfassung S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 140; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 57; kritisch E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 63. 147 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 140; dies., in: dies. / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 32; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 56. Darüber hinausgehende Luxusverkehre sind vom Anwendungsbereich der VO 1191 / 69 nicht umfasst, R. Maaß, Wettbewerb, S. 192; Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (95). 148 EuGH Slg. 1998, I-5141 (5167 f.) – Kainuun Liikenne Oy. Letztlich entscheidend soll aber die Verkehrsnachfrage sein, R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (14), unter Verweis auf Art. 5 der Entscheidung 65 / 271 und die Zielsetzung der VO 1191 / 69.

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besonderer Bedeutung für die Gestaltung der Verkehre. Nach lit. a sollen die Einzelheiten des Verkehrsdienstes festgelegt werden, als die wiederum vor allem die Anforderungen an Kontinuität, Regelmäßigkeit, Leistungsfähigkeit und Qualität angesehen werden. Lit. b betrifft die finanziellen Aspekte, insbesondere den von der vertragschließenden Behörde zu entrichtenden Preis. In lit. a und b sind somit die wesentlichen Vertragsinhalte geregelt. Damit wird zugleich deutlich, dass nach der Konzeption der VO 1191 / 69 staatliche Zahlungen aufgrund der die Unternehmen zur Leistung verpflichtenden149 Verträge nach Art. 14 VO 1191 / 69 nicht als Subvention, sondern als Gegenleistung für eine vertraglich vereinbarte Leistung des Unternehmens angesehen werden sollen.150 Dies bedeutet zugleich, dass „Empfänger“ der Verkehrsleistungen auch, wenn nicht sogar je nach Höhe der Zahlungen in erster Linie, die öffentliche Hand ist. Zwar wäre auch die Einschätzung als Subventionsvertrag materiell grundsätzlich möglich. Dagegen sprechen jedoch sowohl der Wortlaut des Art. 14 II lit. b VO 1191 / 69, als auch der Vergleich mit den „Ausgleichsleistungen“ bei auferlegten Verkehrsleistungen nach Art. 6 III, 10 ff. VO 1191 / 69.151 Eher formaler Natur, wenn auch für die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung von größter Bedeutung, sind dem gegenüber die übrigen in Art. 14 II VO 1191 / 69 angesprochenen Sachverhalte. In die Verträge aufzunehmen sind danach zudem insbesondere die Möglichkeiten und Voraussetzungen von Vertragszusätzen und -änderungen, um auf unvorhergesehene Entwicklungen reagieren zu können, lit. c, die im Übrigen nicht näher bestimmte Geltungsdauer des Vertrages, lit. d, sowie Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung, lit. e. Die Hervorhebung dieser an sich selbstverständlichen Vertragsinhalte in der VO 1191 / 69 verdeutlicht in besonderer Weise den Gemeinwohlbezug der Verkehrsleistungen. Ihre ordnungsgemäße Erbringung zur Erreichung der anvisierten ausreichenden Verkehrsdienste für die Allgemeinheit ist auf vertraglicher Ebene mit weitreichenden Sicherungen zu versehen, da eine anderweitige unmittelbare Einflussnahme der Behörden auf die Unternehmen jenseits allgemeiner gesetzlicher Regelungen nicht vorgesehen ist. Die für die Durchführung vertraglich vereinbarter gemeinwirtschaftlicher Verkehrsdienstleistungen erforderlichen Sachmittel können nach Art. 14 III VO 1191 / 69 sowohl der Verfügungsbefugnis152 des Unternehmens unterfallen, als auch diesem zur Verfügung gestellt werden. Damit wird die Erbringung von VerkehrsChr. Heinze, DÖV 1996, 977 (982). M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (41); A. Frohnmeyer, in: E. Grabitz / M. Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 73 EGV Rn. 3; Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (157); dahingehend auch G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 73 Rn. 2; allgemein zur Abgrenzung mit gleichem Ergebnis C. Jennert, EuR 2003, 343 (353 ff.). 151 Dazu sogleich G.I.2. c)bb)(3). 152 Die Vorschrift spricht etwas unglücklich von „Besitz“. Gemeint ist jedoch gerade nicht der Besitz i.S.v. § 854 BGB, sondern die eigentums- bzw. vor allem nutzungsrechliche Zuordnung. 149 150

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leistungen durch beliebige vertraglich gebundene Unternehmen ermöglicht, die insbesondere auch auf Sachmittel der öffentlichen Hand zurückgreifen können. Mit dieser Bestimmung verbunden ist eine zumindest potentiell deutliche Steigerung des Wettbewerbs, da die interessierten Unternehmen den hohen und risikoreichen finanziellen Aufwand der Beschaffung von Betriebshöfen, möglicherweise andernorts nicht einsetzbaren Fahrzeugen etc. nicht schultern müssen. Inwieweit von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, hängt jedoch vor allem von den vertragsschließenden Behörden ab. (b) Bewerberauswahl Die Qualifikation des von den zuständigen Behörden für eine Verkehrsleistung zu entrichtenden Preises nicht als Subvention, sondern als Gegenleistung führt zu neuen Schwierigkeiten, da Art. 14 VO 1191 / 69 keine Aussage darüber trifft, wie die Auswahl der Unternehmen erfolgen soll. Damit ist zugleich der Regelungsbereich des Beihilfenrechts verlassen. Es stellt sich daher die Frage, ob, bei Überschreitung der entsprechenden Schwellenwerte, das EG-Vergaberecht heranzuziehen ist. In Betracht kommen insoweit die Regelungen der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie (DKRL)153 in Form ihrer jeweiligen nationalen Umsetzung. In diesem Fall hätte grundsätzlich eine wettbewerbliche Vertragsvergabe zu erfolgen.154 Nach einer Ansicht ist die VO 1191 / 69 eine lex specialis gegenüber den Vergaberichtlinien. 155 Diese wären dann nicht anwendbar. Dies ist jedoch insofern problematisch, als die VO 1191 / 69 gerade keine Aussage im Hinblick auf die Auswahl der Bewerber bei der Vergabe eines gemeinwirtschaftlichen Verkehrsvertrages trifft. Anders als im Falle der Auferlegung nach Art. 3 VO 1191 / 69 enthält Art. 14 VO 1191 / 69 jedoch nicht einmal eine Regelung hinsichtlich der seitens der öffentlichen Hand einzusetzenden Finanzmittel. Verkehrsverträge könnten somit unter Beachtung des primärrechtlichen Diskriminierungsverbots, Art. 12 EGV, frei ausgehandelt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass die vertragsschließenden Behörden rechtlich weitgehend ungebunden agieren könnten. Dies steht jedoch nicht im Einklang mit den Zielsetzungen der VO 1191 / 69. Zudem erscheint es hinsichtlich der gesetzgeberischen Konzeption überaus fraglich, zwar die Beschaffungsvorgänge der Verkehrsunternehmen einer detaillierten Regelung zu unterwerfen, deren bei gemeinwirtschaftlichen Verkehrsdiensten regelmäßig davor liegende wirtschaftlich überaus bedeutsame Beauftragung durch die öffentliche 153 Die vorrangige Sektorenkoordinierungsrichtlinie ist insoweit nicht einschlägig. Diese regelt die Beschaffungspolitik der Verkehrsunternehmen selbst, so zutreffend A. Zahn, Kommunale Dienstleistungsmonopole, S. 95; dazu auch H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 75 (78). Im Übrigen kommt der DKRL eine Auffangfunktion zu, J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (25). 154 So R. Maaß, Wettbewerb, S. 160. 155 H.-J. Prieß, NZBau 2002, 539 (540).

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Hand, deren Beschaffungsvorgänge im Übrigen ebenfalls gemeinschaftsrechtlich geregelt sind,156 dagegen dem freien Ermessen mitgliedstaatlicher Behörden zu überlassen. Eine Ablehnung der Anwendbarkeit der Regelungen der DKRL wegen des lex-specialis-Grundsatzes ist daher nicht überzeugend. Damit steht jedoch noch nicht fest, dass die Vertragsvergabe nach Art. 14 VO 1191 / 69 entsprechend den Bestimmungen der DKRL zu erfolgen hat. Voraussetzung dafür wäre, dass die fraglichen Verkehrsdienste Dienstleistungsaufträge nach Art. 1 lit. a DKRL, nicht aber dieser nicht unterfallende Dienstleistungskonzessionen157 wären. Die DKRL selbst definiert den Begriff der Dienstleistungskonzession nicht. Entsprechend der Definition der Baukonzession in Art. 1 lit. d Baukoordinierungsrichtlinie lassen sich Dienstleistungskonzessionen als Aufträge über Dienstleistungen zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmer beschreiben, bei denen die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung statt in einer Vergütung im Recht auf die wirtschaftliche Nutzung der Dienstleistung, gegebenenfalls zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Der Konzessionär übernimmt dabei das wirtschaftliche Risiko.158 Wäre der gemeinwirtschaftliche Verkehrsvertrag als Konzession anzusehen, unterfiele er somit nicht dem EG-Vergaberecht,159 so dass eine über primärrechtliche Bindungen160 und die insoweit offenen Bestimmungen der VO 1191 / 69 hinausgehende Bindung der vertragsschließenden Behörden nicht bestünde. Insbesondere bestünde eine Ausschreibungspflicht nicht.161 156 Maßgeblich sind insoweit vor allem die Baukoordinierungsrichtlinie, die Lieferkoordinierungsrichtlinie und die bereits angesprochene Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie. 157 Entgegen ursprünglicher Planungen klammert die DKRL Dienstleistungskonzessionen von ihrem Anwendungsbereich aus, H.-J. Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 85; J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (25). Im Zuge der anstehenden Überarbeitung besteht seit 1998 die Absicht, dies zu ändern, J. Endler, NZBau 2002, 125 (127); K.-J. Meyer, Der Nahverkehr 5 / 1997, 14 (18); ders., in: BOU, Mobilität, S. 105 (111). Im Falle der Angleichung stellt sich die hier diskutierte Frage nicht mehr. Die Vergabe eines gemeinwirtschaftlichen Verkehrsvertrages nach Art. 14 VO 1191 / 69 fiele dann unproblematisch unter die Regelungen der DKRL. 158 M. Berger, Der Nahverkehr 12 / 2000, 12 (13); S. Enzian, DVBl. 2002, 235 (236); J.-E. Jasper, Privatisierung und EG-Vergaberecht, S. 120 f.; R. Metz, in: G. Püttner, Zur Reform des Gemeindewirtschaftsrechts, S. 227 (233); H.-J. Prieß, NZBau 2002, 539 (545); Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (159); sowie J. Endler, NZBau 2002, 125 (127 f.), mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtspraxis. Nicht entscheidend, wenn auch in der Praxis regelmäßig der Fall, M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41, ist dagegen, ob die öffentliche Hand Abgaben für das nutzbare wirtschaftliche Recht erhält, vgl. aber dahingehend E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (503). Immerhin wäre dies jedoch ein starkes Indiz für eine Konzession. 159 Vgl. EuGH, EuZW 2001, 90 (92 f.) – Teleaustria; M. Burgi, NVwZ 2001, 601 (604). 160 Zu nennen sind insoweit neben dem Diskriminierungs- auch das Transparenzgebot und die Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit, EuGH, EuZW 2001, 90 (94) – Teleaustria; J. Endler, NZBau 2002, 125 (127); H.-J. Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 86. 161 H.-J. Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 86.

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Entscheidend für die Einordnung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsverträge ist somit möglicherweise die konkrete Ausgestaltung. Insbesondere bei Verträgen an der Grenze zur Eigenwirtschaftlichkeit, also mit nur einer prozentual sehr geringen Zuzahlung der öffentlichen Hand an das erbringende Unternehmen, liegt der Gedanke an eine Dienstleistungskonzession nahe. Grundsätzlich keine Probleme bestehen, wenn das Verkehrsunternehmen einen festen Betrag für die Leistungserbringung erhält, ohne dass ihm die Einnahmen zustünden (Bruttovertrag). In diesem Fall fehlt es völlig am wirtschaftlichen Risiko auf Seiten des Unternehmens. Es liegt ein Dienstleistungsauftrag vor, auf den die Bestimmungen der DKRL anzuwenden sind.162 Regelmäßig besteht jedoch bei gemeinwirtschaftlichen Verkehrsverträgen eine gemischte Finanzierung des Unternehmens. Dieses erhält sowohl Mittel der öffentlichen Hand als auch die Tarifeinnahmen. Da letztere hinsichtlich ihrer Höhe nicht zuletzt in Abhängigkeit von der Leistung des Unternehmens schwanken können, trägt das Unternehmen einen Teil des wirtschaftlichen Risikos. Dies spricht für die Qualifikation als Dienstleistungskonzession. Dagegen spricht jedoch, dass die DKRL grundsätzlich den gesamten Landverkehr und damit auch teilentgeltliche „Konzessionen“ erfasst, wie ihr Art. 8 i.V.m. Anhang I A zeigt.163 Der Regelungsgeber der DKRL hatte somit die Problematik erkannt und dahingehend normiert, dass Landverkehrsdienste, die aufgrund oder mithilfe einer Zahlung der öffentlichen Hand erbracht werden, als Dienstleistungsaufträge, nicht als Dienstleistungskonzessionen aufgefasst werden sollen. Insbesondere unterscheidet er nicht hinsichtlich der anteilsmäßigen Höhe des finanziellen Engagements. Angesichts der vorgefundenen Situation in der Rechtswirklichkeit im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs hätte es andernfalls eines klarstellenden Hinweises bedurft. Gemeinwirtschaftliche Verkehrsverträge nach Art. 14 VO 1191 / 69 sind daher Dienstleistungsaufträge im Sinne der DKRL und damit als öffentliche Aufträge grundsätzlich ausschreibungspflichtig.164 Voraussetzung ist jedoch, dass die öffentliche Hand tatsächlich einen Preis für die Erbringung der Verkehrsleistungen zu zahlen verpflichtet ist. Nach Art. 6 DKRL besteht eine AusM. Berger, Der Landkreis 2001, 539. M. Berger, Der Nahverkehr 12 / 2000, 12; H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 75 (77). Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (161 / 162 Anm. 81), verweisen daneben auf das WTO-Recht. 164 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 147; R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (14); F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 128; A. Freitag / A. Saxinger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2002, 25 (26); W. Ipsen, in: BOU, Finanzen, S. 101 (105); S. Meyer, DVBl. 1999, 1409 (1411); P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 178 Anm. 572; I. Port, in: G. Püttner, Bewegung, S. 91; U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 29; entsprechend unter Bezugnahme auch auf das nationale Recht E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (503); J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (25); ders., Nach der Regionalisierung, S. 21; das Vorliegen einer Dienstleistungskonzession bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren ablehnend M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41; implizit A. Freitag / A. Saxinger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2002, 25 (26). 162 163

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schreibungspflicht jedoch nicht im Falle der in-house-Vergabe. Diese ist ohne Einschränkungen zulässig. Wenn dies auch nicht unmittelbar offensichtlich ist,165 richtet sich die Auswahl des Vertragspartners der öffentlichen Hand bei einem Vertrag gemäß Art. 14 VO 1191 / 69 nach den Regelungen der DKRL, in der Praxis also nach ihren nationalen Umsetzungsvorschriften. Für diskretionäre Entscheidungen der mitgliedstaatlichen Behörden bleibt damit, soweit die Schwellenwerte überschritten werden, kein Raum. (3) Auferlegung Die nach Art. 1 V 1 VO 1191 / 69 im ÖPNV zulässige Alternative zur vertraglichen Vereinbarung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen ist deren Auferlegung. In den Art. 3 ff. VO 1191 / 69 ist diese vergleichsweise ausführlich, wenn auch nicht umfassend geregelt. Die Auferlegung wurde zudem von der ursprünglichen Fassung der VO 1191 / 69 als einzige und typische Möglichkeit der Bereitstellung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen angesehen. Verhindert werden sollte insoweit vor allem die entschädigungslose Auferlegung, also der Einsatz von Unternehmen unabhängig von ihrer rechtlichen Zuordnung zur für die öffentliche Hand kostenfreien Erreichung von politisch bestimmten Gemeinwohlzielen. Nach Art. 3 I VO 1191 / 69 ist im Falle der Auferlegung bei mehreren zur Wahl stehenden Varianten, durch die eine ausreichende Verkehrsbedienung sichergestellt werden kann, diejenige zu wählen, „welche die geringsten Kosten für die Allgemeinheit mit sich bringt.“ Indem die Bestimmung jedoch nur von „Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes“ spricht und damit auf Art. 2 VO 1191 / 69 verweist, unterscheidet sie insbesondere nicht zwischen der Auferlegung einzelner Verkehrsleistungen, etwa im Rahmen eines eigentlich eigenwirtschaftlich erbrachten Verkehrs, und ganzer Verkehre. Art. 3 II VO 1191 / 69 bestimmt, dass das Vorliegen einer ausreichenden Verkehrsbedienung sich danach bestimmt, ob es dem öffentlichen Interesse entspricht, lit. a, ob Alternativen hinsichtlich der Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, lit. b,166 sowie anhand der Beförderungsentgelte und -bedingungen. Weitere Vorgaben im Hinblick auf die Auferlegung selbst bestehen nicht. Damit ist insbesondere ebenso wie im Rahmen des Art. 14 VO 1191 / 69 nicht geklärt, wie die Auswahl der Verkehrsunternehmen zu erfolgen hat. Auch die Be165 E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (501), bemängelt die fehlende Abstimmung der VO 1191 / 69 mit der DKRL. 166 Insoweit wird auf die Gefahr hingewiesen, dass leistungsfähige Schienenstrecken zugunsten scheinbar billigerer Busverkehre stillgelegt werden, M. Löw, Regionalisierung, S. 41; G. Püttner, in: ders., Der regionalisierte Nahverkehr, S. 89 (100), für die deutsche Umsetzung. Nach R. Maaß, Wettbewerb, S. 160, ist dagegen insbesondere zu prüfen, ob andere Anbieter vorhanden sind. Letztlich müssen jedoch sowohl anbieter- als auch verkehrsmittelspezifische Aspekte einfließen.

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griffe der „ausreichenden Verkehrsbedienung“ und der „geringsten Kosten für die Allgemeinheit“ geben Anlass zu interpretatorischer Unsicherheit.167 Dies bedeutet jedoch zugleich, dass aus Sicht der VO 1191 / 69 verschiedene Ausgestaltungsalternativen rechtsfehlerfrei möglich sind, die Mitgliedstaaten also nicht an eine bestimmte Konzeption gebunden sind, wenn sie auch den von der VO 1191 / 69 gesetzten Rahmen nicht überschreiten dürfen. Für die nach Art. 5 VO 1191 / 69 zu bestimmenden wirtschaftlichen Nachteile durch auferlegte Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes sowie gemäß Art. 9 VO 1191 / 69 für Belastungen wegen besonderer sozialer Beförderungsbedingungen und -tarife erhalten die Unternehmen einen nach Art. 10 ff. zu berechnenden Ausgleich. Dessen Höhe ist nicht frei verhandelbar, sondern ergibt sich unmittelbar aus diesen Vorschriften. Anders als bei der vertraglichen Vereinbarung nach Art. 14 VO 1191 / 69, handelt es sich daher nicht um einen Preis, also eine echte Gegenleistung für die erbrachten gemeinwirtschaftlichen Verkehre, mit der das Unternehmen sowohl Gewinne als auch Verluste erwirtschaften kann, sondern um eine Zahlung zur Abdeckung der andernfalls entstehenden Verluste.168 Nach Ansicht der Kommission handelt es sich daher um eine Beihilfe,169 so dass die Auswahl der Unternehmen auf Grundlage der Bestimmungen der DKRL nicht in Betracht kommt. Gegen deren Anwendung spricht überdies, dass die Auferlegung hoheitlich, nicht auf Grundlage einer Vereinbarung erfolgt. Nach dem EuGH handelt es sich dagegen nicht um eine Beihilfe.170 Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der DKRL ändert dies jedoch nichts. Eine einseitige öffentlich-rechtliche Bestimmung zur Leistungserbringung ist vom Auftragsbegriff der DKRL nicht erfasst.171 Ob trotz der fehlenden Anwendbarkeit der DKRL eine Ausschreibung zu erfolgen hat, ist wegen der Bezugnahme auf die „geringsten Kosten für die Allgemeinheit“ denkbar, sofern der Begriff in erster Linie auf die Haushaltsbelastung bezogen wird, was aber nicht zwingend erscheint.172 Insoweit würde seitens der Unternehmen ein Wettbewerb um die „Opferrolle“ durchgeführt, der allerdings nach der Konzeption der VO 1191 / 69 wirtschaftlich für diese nicht sinnvoll wäre, da allein ein konkreter Verlustausgleich gewährt wird.

167 Ähnlich W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 50. 168 Dahingehend Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (74). 169 G.I.1. a)cc). Davon geht auch Art. 17 II VO 1191 / 69 aus, nach dem auf Ausgleichszahlungen das Beihilfennotifizierungsverfahren nach Art. 87 III EGV keine Anwendung finden soll. Würde es sich nicht um eine Beihilfe handeln, wäre die Vorschrift sinnentleert, da eine Nicht-Beihilfe ohnehin nicht anzuzeigen ist. 170 Vgl. EuGH, VR 2004, 31 (33) – Altmark Trans. 171 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 200. 172 Der Begriff kann auch über die Haushaltsbelastungen hinausgehende Kriterien, wie etwa Umweltauswirkungen erfassen, H. Zuck, Das neue EG-Recht für den ÖPNV, S. 19. Nach P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 178; H.-J. Prieß, NZBau 2002, 539 (541), indiziert er keine Ausschreibungspflicht.

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Bei bestehenden auferlegten Verkehrsleistungen räumt Art. 4 VO 1191 / 69 den Unternehmen im Falle wirtschaftlicher Nachteile die Möglichkeit der Stellung eines Aufhebungsantrags bei den mitgliedstaatlichen Behörden ein. Obwohl die Aufhebung auferlegter Verpflichtungen ein Grundanliegen der VO 1191 / 69 ist, dürfte gerade im ÖPNV diese Variante nicht von großer Bedeutung sein. Weitaus wichtiger sind die in Art. 6 II VO 1191 / 69 vorgesehenen und bereits oben angesprochenen Ausgleichszahlungen. Aus alledem folgt, dass die Auferlegung gegenüber der vertraglichen Regelung mit weitaus größeren Spielräumen für mitgliedstaatliche Entscheidungen verbunden ist. Allerdings bestehen auch insoweit die primärrechtlichen Anforderungen, so dass versteckte Förderungen bestimmter Unternehmen nicht zulässig sind. Dies zu verhindern ist nicht zuletzt auch Aufgabe der Ausgleichsberechnungsvorschriften der Art. 10 ff. VO 1191 / 69. Obwohl in Art. 3 I VO 1191 / 69 ausdrücklich auf die geringsten Kosten für die Allgemeinheit abgestellt wird, bietet ein dem Vertragsschluss nach Art. 14 VO 1191 / 69 zwingend vorgeschaltetes Vergabeverfahren jedoch eine größere Wahrscheinlichkeit der Kostenminimierung, da es zu einem Quasi-Marktpreis führt. Aus dieser Perspektive bietet es sich daher auch im Vorfeld einer Auferlegung an. Letztere bietet wegen des an den tatsächlichen Belastungen orientierten Ausgleichs gegenüber einer vertraglichen Regelung mit einem grundsätzlich feststehenden Preis eine größere Sicherheit hinsichtlich der Erfüllungssicherheit, enthält aber gegenüber jener größere Schwierigkeiten im Hinblick auf die notwendige Ermittlung der finanziellen Unternehmensinterna. Die Gefahr, dass Unternehmen die Ausgleichsleistungen entgegen deren Sinn und Zweck zu maximieren versuchen, ist insoweit gegeben, zumal unmittelbare Vergleichsmöglichkeiten fehlen. Die Zahlung von Beihilfen aber, die nicht bestimmte Verkehrsleistungen zum Gegenstand haben, die wiederum für eine ausreichende Verkehrsbedienung erforderlich sind, ist unzulässig.173 cc) Exkurs: Querverbund und VO 1191 / 69 Insbesondere für die Bewertung der deutschen Rechtslage von Interesse ist schließlich die Frage, ob Art. 1 V 3 VO 1191 / 69 ein Verbot des (kommunalen) Querverbundes enthält. Nach dieser Bestimmung hat ein Verkehrsunternehmen, das neben Verkehrsdiensten, für die Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes gelten, in anderen Bereichen tätig ist, jene in einem besonderen Unternehmensbereich zu erbringen, der die folgenden Anforderungen zu erfüllen hat. Zum einen hat eine getrennte Rechnungsführung mit den entsprechenden Zuordnungen der Einnahmen zu erfolgen, lit. a. Zum anderen muss der Ausgleich der Ausgaben durch die Betriebseinnahmen und durch Zahlungen der öffentlichen Hand ohne die Möglichkeit von Transfers von oder zu anderen Unternehmensbereichen vorgenommen werden, lit. b. Ob dies ein Verbot des kommunalen Querverbundes 173

F. Berschin, ZUR 1997, 4 (6); H. Zuck, DÖV 1994, 941 (946).

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bedeutet, ist nicht zuletzt wegen der derzeit noch enormen Praxisrelevanz heftig umstritten.174 Gegen ein Verbot des Querverbundes wird der Wortlaut des Art. 1 V 3 VO 1191 / 69 vorgebracht. Dieser bezieht sich ausschließlich auf Verkehrsunternehmen. Ein Querverbund mit Unternehmen, die keine Verkehrsdienstleistungen erbringen, sei nicht erfasst und damit nicht verboten.175 Sichergestellt werden müsse nur, dass Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden.176 Nach der entgegenstehenden Ansicht entspricht der Querverbund jedoch im Ergebnis einer unzulässigen Beihilfe.177 Der Wortlaut der Bestimmung sei nicht als absolute Grenze aufzufassen. Vielmehr sei insoweit nur der typische Fall, nämlich die Erbringung sowohl eigen- als auch gemeinwirtschaftlicher Verkehrsdienste durch ein Unternehmen, erfasst. Die darüber hinausgehende Verrechnung von Verlusten aus dem – grundsätzlich gemeinwirtschaftlichen – Verkehrsbereich und Gewinnen aus anderen Marktsegmenten, etwa der Energieversorgung, mit dem Ziel der Steuerersparnis sei ein organisatorischer Sonderfall, der vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht explizit geregelt wurde. Wenn aber schon innerhalb des Verkehrsbereichs ein Querverbund ausgeschlossen werden solle, müsse dies erst recht auch für einen solchen mit verkehrsfremden Marktsegmenten gelten.178 Daneben werden für ein Verbot des Querverbundes die Systematik der VO 1191 / 69 und der Gleichklang mit Art. 5 I 3 VO 1191 / 69 angeführt. Der letztgenannten Bestimmung, die sich nach ihrem Wortlaut auf die Ermittlung von Kosten durch Betriebs- und Beförderungspflichten bezieht, sei ein Verbot der internen Subventionierung zu entnehmen.179 174 Dafür H. Bidinger, NZV 1994, 209 (213); M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (46); G. Fromm, BB 1994, 2366 (2369); E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 98; Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 8 Rn. 9; S. Meyer, DVBl. 1999, 1409 (1410); bezogen allgemein auf Quersubventionierungen P. Ostendorf, Der Einfluss des Sekundärrechts auf Auslegung und Anwendung von Art. 86 II EGV, S. 179; dagegen S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 138; Chr. Heinze, Der Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen, S. 26; ders., DÖV 1996, 977 (984); W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 47; wohl auch H. Zuck, Das neue EGRecht für den ÖPNV, S. 16. 175 R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (14); Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (984); S.H. Vogt, Der Nahverkehr 4 / 1993, 9 (10); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 38. 176 F. Berschin, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A2 Rn. 104. Ders., ZUR 1997, 4 (10), schlägt daher vor, dass die Querfinanzierung als Beihilfe ausgewiesen werden müsse. Dagegen verweisen Th. Lübbig / A. Martín-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, Rn. 158, auf die grundsätzliche beihilfenrechtliche Neutralität der Quersubvention. 177 G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (160); im Ergebnis auch M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 137. 178 G. Fromm, BB 1994, 2366 (2369). 179 R. Maaß, Wettbewerb, S. 164 f., 159; implizit ablehnend zum zuletzt genannten Gesichtspunkt BVerwGE 69, 104 (107).

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Im Ergebnis ist der die Zulässigkeit des steuerlichen kommunalen Querverbundes ablehnenden Ansicht zuzustimmen. Dessen Verbot folgt aus Art. 1 V 3 lit. b VO 1191 / 69. Über die von lit. a der Bestimmung geforderte Transparenz hinausgehend, werden finanzielle Transfers von und zu anderen Unternehmensbereichen untersagt. Wie diese ermöglicht werden, ob Finanzmittel unmittelbar aus erwirtschafteten Gewinnen oder Steuerersparnissen stammen, ist unerheblich. Die Kostenstruktur gemeinwirtschaftlicher Verkehre darf nicht verändert werden. Deren Finanzierung hat allein durch Betriebseinnahmen und Zahlungen der öffentlichen Hand zu erfolgen. Auch wenn der Einsatz von Steuerersparnissen im Rahmen eines kommunalen Unternehmensverbundes durchaus in materieller Hinsicht als „Zahlungen der öffentlichen Hand“ angesehen werden können, trifft dies nach der Gesamtkonzeption der VO 1191 / 69 nicht zu. Diese Zahlungen können allein Ausgleichszahlungen nach Art. 6 II VO 1191 / 69 oder Preise entsprechend Art. 14 II lit. b VO 1191 / 69 sein. Ein anderweitiges finanzielles Engagement der öffentlichen Hand sieht die VO 1191 / 69 nicht vor. Es ist damit unzulässig, zumal andernfalls öffentliche gegenüber privaten Unternehmen privilegiert würden, was wiederum im Widerspruch zum insoweit neutralen Primärrecht stände.180 Ein Querverbund181 mit finanziellen Auswirkungen für gemeinwirtschaftliche Verkehrsdienste ist daher nicht zulässig. dd) Gesamtschau Die geltende Fassung der VO 1191 / 69 enthält trotz ihrer Zugehörigkeit zum Beihilfenrecht, sofern die Mitgliedstaaten nicht von der Ausnahmeklausel des Art. 1 I 2 VO 1191 / 69 Gebrauch machen, im Bereich des ÖPNV marktgestaltende Vorgaben. Grundsätzlich zu unterscheiden sind Verkehre, die im unternehmerischen Interesse ohne staatliche Finanzmittel erbracht werden, von behördeninitiierten Verkehren. Auf erstere haben die staatlichen Behörden nahezu keinen gestalterischen Einfluss. Auch wenn diese eigenwirtschaftlichen Verkehre durchaus nach der Zielrichtung der VO 1191 / 69 als Idealfall der Erbringung von ÖPNVLeistungen erscheinen mögen, besteht kein Vorrang der eigenwirtschaftlichen oder gemeinwirtschaftlichen Verkehrserbringung.182 Bei konsequenter Anwendung der 180 Demgegenüber will W. Frenz, DÖV 2002, 1028 (1034), Art. 16 EGV die Ermöglichung der Quersubventionierung entnehmen. Angesichts der oben, C.II.2. a)cc), aufgezeigten Wirkungsweise der Bestimmung ist dies aber abzulehnen. 181 Hinsichtlich der Unbeachtlichkeit der im Wortlaut der Art. 1 V 3 VO 1191 / 69 enthalteten Beschränkung auf Verkehrsdienste ist auf die obige Argumentation zu verweisen. In einem weiten Begriffsverständnis ist es zudem möglich, als Verkehrsunternehmen auch solche Unternehmen und Unternehmenszusammenschlüsse anzusehen, die zwar auch, aber nicht ausschließlich im Verkehr tätig sind. Dafür spricht insbesondere die konturlose Bezugnahme der Vorschrift auf Betätigungen „in anderen Bereichen“, die sich gerade nicht auf eigenwirtschaftliche Verkehrsdienste beschränken müssen, sondern andere Marktsegmente erfassen können. 182 E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (504).

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VO 1191 / 69 ergibt sich jedoch, dass die meisten Verkehrsleistungen gemeinwirtschaftlich erbracht werden.183 Dies bedeutet zugleich, dass ihre Regelungen in den weitaus meisten Fällen Anwendung finden.184 Ziel ist insoweit die Sicherstellung nicht eigenwirtschaftlich erbringbarer ausreichender Verkehrsleistungen.185 Diese Aufgabe obliegt den zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden, denen insoweit eine Gewährleistungsverantwortung zukommt.186 Mit der Novellierung der VO 1191 / 69 wurden durch die Möglichkeit des Abschlusses von nach der DKRL zu vergebenden Verträgen Wettbewerbselemente eingeführt.187 Die Entscheidung, ob von diesen jedoch Gebrauch gemacht wird, obliegt nach der Konzeption der VO 1191 / 69 den nationalen Behörden.188 Wenn damit auch durchaus eine Tendenz zur wettbewerblichen Auftragsvergabe bei gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen erkennbar ist, ist die Durchsetzung einer wettbewerblichen Marktordnung im ÖPNV nicht vorrangiges Ziel der VO 1191 / 69.189 In jedem Falle erhalten die mitgliedstaatlichen Behörden bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren einen Einfluss auf deren Ausgestaltung. Damit wird auch eine gewisse angebotsorientierte Nahverkehrsplanung ermöglicht.190 Wie diese im Einzelnen erfolgen kann, regelt die VO 1191 / 69 jedoch abgesehen von der Bezugnahme auf die Existenz einer ausreichenden Verkehrsbedienung nicht, so dass die Mitgliedstaaten insoweit über Gestaltungsspielräume verfügen.

d) VO 1107 / 70 Die VO 1191 / 69 wird ergänzt durch die auf Grundlage der Art. 71, 73, 89 EGV erlassene VO 1107 / 70.191 Grundsätzlich sollen diese Rechtsätze eine abschließende Regelung bezüglich der verkehrsspezifischen Beihilfeverbotsausnahmen treffen.192 Wegen der Normenhierarchie ist dies allerdings „rechtstechnisch nicht C.D. Hermanns / D. Hönig, LKV 2002, 206 (207). R. Maaß, Wettbewerb, S. 165. 185 H. Delbanco, in: Chr. R. Foos, Eisenbahnrecht und Bahnreform, S. 21 (33). 186 J. Werner, ZUR 1997, 12 (12 f.). 187 W. Ipsen, in: BOU, Finanzen, S. 101 (105). 188 Ähnlich R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (16). Die wettbewerbliche Ausschreibung von Verkehrsdienstleistungen ist daher weder Regelfall, so aber L. Nordstrand / J.A. Kraft, Nahverkehrspraxis 12 / 2000, 32 (35), noch Ausnahme, so H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (44). 189 Dahingehend R. Maaß, Wettbewerb, S. 154; weitergehend F. Berschin, ZUR 1997, 4 (6); S. Meyer, DVBl. 1999, 1409. E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 23, spricht von einem Spagat zwischen Privatisierung und Wettbewerbsgleichheit auf der einen und den Beförderungsnotwendigkeiten auf der anderen Seite. 190 M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (49). 191 ABl. 1970 L 130 / 1, seitdem mehrfach geändert; ausführlich dazu unter besonderer Berücksichtigung der Kommissionspraxis P. Nemitz, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 1107 / 70, Rn. 1 ff. 183 184

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ganz unproblematisch“ 193. Im Regelfall besteht jedoch keine Notwendigkeit, unmittelbar auf Art. 73 EGV zurückzugreifen.194 Vielmehr gestalten die Verordnungen die primärrechtliche Regelung in zulässiger Weise aus, ohne sie jedoch, anders als der nunmehr auch der EuGH annimmt,195 zu verdrängen. Gemäß ihrem Art. 1 findet die VO 1107 / 70 Anwendung auf Beihilfen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr, soweit diese speziell für die Verkehrstätigkeit gewährt werden. Anders als bei der VO 1191 / 69 ist eine Ausnahmemöglichkeit für den ÖPNV nicht vorgesehen. Die VO 1107 / 70 ist damit auch ohne weiteres auf Beihilfen im ÖPNV anwendbar. Art. 2 VO 1107 / 70 erklärt die Art. 87 bis 89 EGV ausdrücklich für anwendbar. Damit wird zum einen das grundsätzliche Beihilfenverbot nochmals hervorgehoben, zum anderen erfolgt, wie auch Art. 5 VO 1107 / 70 zeigt, eine Bezugnahme auf die allgemeinen beihilfenrechtlichen Verfahrensvorschriften. Kernstück der VO 1107 / 70 ist deren Art. 3. Dieser trifft die Bestimmung darüber, welche Beihilfen nicht dem Beihilfenverbot unterfallen. Die VO 1191 / 69 ist dabei nach den einleitenden Worten der Bestimmung vorrangig heranzuziehen.196 Art. 3 Nr. 1 VO 1107 / 70 erklärt, teilweise zeitlich begrenzt, bestimmte Arten von Koordinierungsbeihilfen, vgl. Art. 73 Alt. 1 EGV, für zulässig. Für den gesamten ÖPNV von Bedeutung sind insoweit allein lit. c und d. Zulässig sind danach Beihilfen für Forschung und Entwicklung bezüglich für die Allgemeinheit wirtschaftlicherer Verkehrsformen und -mittel, lit. c. Deren Zahlung hat sich jedoch auf die Entwicklungsphase zu beschränken. Damit kann die Entwicklung besserer Nahverkehrssysteme staatlich gefördert werden. Innovationen im ÖPNV lassen sich so aktiv seitens der öffentlichen Hand unterstützen. Bis zum Inkrafttreten gemeinschaftsrechtlicher Marktzugangsregelungen sind nach lit. d zudem Beihilfen zulässig, die „ausnahmsweise und vorübergehend“ dem planmäßigen Abbau von Überkapazitäten mit dem Ziel der Marktkonsolidierung dienen. Da die VO 1107 / 70 insoweit wenig konkret auf eine bessere Entsprechung der Erforder192 F. Berschin, ZUR 1997, 4 (5); W. Küpper, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EGVerkehrsrecht, VO 1191 / 69 Rn. 2; G. Spuller, LKV 2001, 25 (26); G. Stadler, in: J. Schwarze, EU-Kommentar, Art. 73 Rn. 4; J. Werner, WiVerw 2001, 89 (102). Ergänzend tritt die Harmonisierungsentscheidung des Rates 65 / 271, ABl. 1965, S. 1500, hinzu. 193 M. Strohschneider, in: H. Schröter / Th. Jakob / W. Mederer, Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht, nach Art. 87 (Verkehrssektor) Rn. 37; kritisch auch M.L. Bruhns, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, S. 87; Chr. Jung, in: Chr. Callies / M. Ruffert, EGV / EUV, Art. 73 Rn. 5; M.J. Werner, ZEuS 6 (2003), S. 309 (317). 194 Die Kommission kann Beihilfen aber auch unmittelbar auf Grundlage von Art. 73 EGV genehmigen. Dies geschieht mitunter auch, P. Mückenhausen, in: C.O. Lenz, EG-Vertrag, Art. 73 Rn. 4. 195 EuGH, VR 2004, 31 (33 f.) – Altmark Trans. 196 Betroffen sind insoweit nur die Regelungen über Ausgleichsbeihilfen bei auferlegten Verkehrsdiensten, da es sich bei den von der öffentlichen Hand gezahlten Preisen bei nach der Verordnung geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen nicht um Beihilfen handelt, vgl. oben G.I.2. c)bb)(2) (a).

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nisse des Verkehrsmarktes abstellt, können insbesondere auch im ÖPNV eine besondere Rolle spielende gemeinwohlbezogene Gesichtspunkte einbezogen werden.197 Für schienengebundene Nahverkehrsmittel, insbesondere also die Straßenbahnen, besteht zudem ebenfalls bis zum Inkrafttreten gemeinschaftseinheitlicher Regelungen nach lit. b die Möglichkeit der Zahlung von Beihilfen im Hinblick auf die von diesen zu tragenden Wegekosten. Art. 3 Nr. 2 VO 1107 / 70 ergänzt in materieller Hinsicht die Bestimmungen der VO 1191 / 69 über zulässige Ausgleichsbeihilfen und erweitert diese, ebenfalls begrenzt bis zum Erlass speziellen Gemeinschaftsrechts, um zwei Alternativen. Für seitens der öffentlichen Hand auferlegte gemeinwirtschaftliche Verkehrsdienste sind zum Ausgleich für damit verbundene Belastungen Beihilfen zulässig, wenn diese Belastungen entweder von Art. 2 V VO 1191 / 69 nicht erfasste Tarifpflichten sind oder Verkehrsleistungen bzw. Verkehrsunternehmen betreffen, die vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgeschlossen sind. Für den ÖPNV von Bedeutung ist die zweite Alternative vor allem, wenn dieser durch den jeweiligen Mitgliedstaat vom Anwendungsbereich der VO 1191 / 69 ausgenommen wurde.198 Insgesamt ist die Bedeutung der VO 1107 / 70 für den ÖPNV somit relativ gering. Anders als bei der VO 1191 / 69 handelt es sich jedoch ausschließlich um eine beihilfenrechtliche Regelung. Marktzugangsbezogene Elemente sind nicht vorhanden. 3. Gesamtwürdigung Als lokale bzw. regionale Tätigkeit ist der ÖPNV nicht Hauptregelungsgegenstand des EG-Verkehrsrechts. Er ist jedoch ebenso wenig von diesem grundsätzlich ausgenommen. Die wenigen einschlägigen Bestimmungen des Primärrechts sind insoweit wenig aussagekräftig. Von diesen gehen allenfalls schwache Liberalisierungsimpulse aus.199 Allerdings stehen sie einer weitgehenden sekundärrechtlichen Liberalisierung des Bereichs nicht im Wege. Die „Besonderheiten des Verkehrs“, die auch im ÖPNV bestehen, werden bereits auf dieser normenhierarchisch obersten Ebene anerkannt. Damit können insbesondere daseinsvorsorgerische Aspekte berücksichtigt werden, wenn eine diesbezügliche Pflicht sich auch nicht unmittelbar aus den Art. 70 ff. EGV ergibt, sondern allenfalls aus dem Zusammenwirken dieser Bestimmungen mit den Wertungen des Art. 16 EGV. So wenig wie das pri197 Gerade im ÖPNV dürfte die Bedeutung dieser Möglichkeit wegen regelmäßig nicht gegebener Überkapazitäten jedoch nur ausnahmsweise zum Tragen kommen. 198 Ob daneben die Zahlung von Beihilfen an Unternehmen erfasst ist, wenn marktinitiierte Verkehre einen Daseinsvorsorgebezug aufweisen, dahingehend M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 293 (307 f.), erscheint dagegen angesichts der Notwendigkeit der Auferlegung fraglich. Für diese ist nach P. Nemitz, in: A. Frohnmeyer / P. Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht, VO (EWG) 1107 / 70, Rn. 78, ein zu einer konkreten Dienstleistungspflicht führender Hoheitsakt erforderlich. 199 R. Maaß, Wettbewerb, S. 149.

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märe Gemeinschaftsrecht, entsprechend seiner supranationalen Ausrichtung, den ÖPNV der klassischen deutschen Daseinsvorsorgekonzeption unterstellt, erzwingt es auch weder eine vollständige Marktfreigabe noch eine gewährleistungsstaatliche Organisationsform. Das insbesondere in den 1990er Jahren erlassene bzw. novellierte Sekundärrecht geht über diese konzeptionelle Neutralität hinaus. Eine völlige Marktfreigabe besteht im grenzüberschreitenden Omnibusverkehr nach der VO 684 / 92. Deren Bedeutsamkeit für den ÖPNV in seiner Gesamtheit ist jedoch marginal, zumal nach der VO 12 / 98 die innerstaatliche Beförderung im grenzüberschreitenden Linienverkehr im Stadt- und Vorortverkehr davon ausgenommen ist. Erreicht wird eine Marktöffnung so, abgesehen vom hier nicht interessierenden Fernverkehr, allein für einige Regionalverkehre in grenznahen Regionen. Weitaus wichtiger ist die von der VO 1107 / 70 ergänzte VO 1191 / 69 in ihrer novellierten Fassung. Auch diese erzwingt jedoch keine Liberalisierung des ÖPNV, da dieser zeitlich unbegrenzt von ihrer Geltung ausgenommen werden kann. Den Mitgliedstaaten wird also explizit ermöglicht, überkommene Organisationsformen beizubehalten. Soweit dies nicht geschieht, wird ihnen insoweit entgegen der eigentlichen Zielrichtung die Möglichkeit der, allerdings ausgleichspflichtigen, Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verkehre an die Hand gegeben. Daneben sieht die VO 1191 / 69 in Verbindung mit der DKRL die wettbewerbliche Vergabe von Verträgen über gemeinwirtschaftliche Verkehre betreffende Dienstleistungsaufträge vor. Konzeptionell wird so eine gewährleistungsstaatliche Organisation zwar ermöglicht, allerdings nicht erzwungen. Obwohl der ÖPNV insoweit durchaus als Universaldienst angesehen werden kann,200 ist darauf hinzuweisen, dass neben den relativ ausführlich geregelten gemeinwirtschaftlichen Verkehren die Existenz eigenwirtschaftlicher, von Verkehrsunternehmen im eigenen wirtschaftlichen Interesse ohne staatliche Finanzmittel durchgeführter Verkehre ausdrücklich anerkannt ist. Auch der ÖPNV kann somit eine marktlich und in unmittelbarem Wettbewerb erbrachte Tätigkeit sein. Von wenigen Absätzen des Art. 14 VO 1191 / 69 abgesehen, die sich auf die Einstellung eigenwirtschaftlicher Verkehre beziehen, unterfallen diese jedoch keiner gemeinschaftsrechtlichen Reglung und richten sich daher nach dem jeweiligen nationalen Recht. Nach dem geltenden europäischen Gemeinschaftsrecht ist die Organisation des ÖPNV in den Mitgliedstaaten somit nicht in verpflichtender Art und Weise vorgegeben. Mitgliedstaatliche Spielräume gerade in konzeptioneller Hinsicht bestehen in weitem Umfang. Wenn die Mitgliedstaaten aber insbesondere keinen Gebrauch von der Anwendung der VO 1191 / 69 auf den ÖPNV machen, sind sie an deren Vorgaben gebunden. Der allgemeine Vorrang des Gemeinschaftsrechts besteht auch in diesem Fall. 200 So wohl E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (515); dahingehend auch M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (31), der jedoch darauf hinweist, dass die Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Leistungen anders als im Telekommunikations- oder Postbereich aus staatlichen Haushalten erfolgt.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

II. Die deutsche Rechtslage nach der Anpassung Das auf den ÖPNV bezogene geltende deutsche Recht setzt sich sowohl aus Bundes- als auch Landesrecht zusammen. Entstanden im Zuge der Bahnreform, ist es nicht in erster Linie geprägt durch das Bemühen der Schaffung einer mit dem Europarecht konformen Rechtslage, wenn auch eine Anpassung an die VO 1191 / 69 erfolgen sollte,201 sondern den Versuch, konzeptionell insgesamt die überkommene Gestaltung weitgehend zu erhalten.202 Die wichtigste Neuerung bezog sich dementsprechend nicht auf die tatsächliche (Wieder-)Öffnung des ÖPNV für den Wettbewerb, der immerhin als zentraler strategischer Ansatz der Bahnreform angesehen wurde,203 sondern im Interesse des Bundes auf die Zusammenführung der Aufgaben- und Finanzverantwortung auf kommunaler Ebene.204 Nur soweit damit eine Entlastung der öffentlichen Haushalte zu erreichen war,205 erfolgte eine Öffnung für den Wettbewerb. Ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel vom öffentlich subventionierten Verkehrsbetrieb zum erfolgreich am Bestellermarkt agierenden Verkehrsunternehmen206 fand gerade nicht statt. Ein uneingeschränktes Bekenntnis zum Wettbewerbsprinzip im ÖPNV blieb somit aus.207 Stattdessen wurde der Daseinsvorsorgeaspekt des ÖPNV mehrfach hervorgehoben. Wegen dessen Gemeinwohlorientierung sei eine staatliche Einflussnahme auf die Verkehrsunternehmen nach wie vor gerechtfertigt.208 Sichtbarstes Zeichen der Aufgabendelegation nach unten sind neben der Schaffung des Art. 106a GG das bundesrechtliche „Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs“ (BRegG) und die ÖPNV- und Regionalisierungsgesetze der Länder. Die entsprechenden Änderungen des PBefG fallen demgegenüber erst bei näherer Lektüre ins Auge, wenn auch ihre Bedeutsamkeit in konzeptioneller Hinsicht hoch ist. Inhaltlich greifen die Regelungen ineinander und bereiten die rechtliche Grundlage des ÖPNV in Deutschland. R. Maaß, Wettbewerb, S. 171; W. Will, ZögU 24 (2001), S. 92 (93). M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (132). 203 H.-J. Ewers / G. Ilgmann, Wettbewerb im ÖPNV, S. 1. 204 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 4; H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 41; E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (501); K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 67. 205 J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8. O. Finkenbeiner, in: BOU, Finanzen, S. 89 (91), weist darauf hin, dass die Daseinsvorsorge als ÖPNV-Zweck kein Freibrief für die Außerachtlassung von Kostenaspekten sein könne. 206 So J. Werner, in: BOU, Finanzen, S. 19 (30). 207 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (137); ähnlich R. Bauer, Nahverkehrspraxis 11 / 1999, 34 (35). 208 S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17. Völlig verfehlt ist daher die Aussage, der Charakter des ÖPNV wandele sich durch die Reformen auf der europäischen Ebene von einer Aufgabe des privaten Gewerbes zu einer solchen der Daseinsvorsorge, so aber A. Endlein / H.-H. Becker-Birck, Der Landkreis 2001, 489. 201 202

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1. BRegG Das nach seinem § 2 auf einem funktionalen ÖPNV-Begriff basierende BRegG209 gliedert sich nach seinem Reglungsgehalt, wenn auch nicht formal, in zwei Teile. Während die §§ 1 bis 4 BRegG konzeptionelle Aussagen treffen, befassen sich die §§ 5 bis 8 BRegG mit Fragen der Finanzierung des ÖPNV im Bundesstaat. Diese Zweiteilung spiegelt deutlich die teilweise gegenläufigen Interessen von Bund und Ländern im Gesetzgebungsverfahren wider. Obwohl die Länder von der Rückgewinnung von Zuständigkeiten im ÖPNV in kompetentieller Hinsicht profitierten, sollte die damit verbundene finanzielle Belastung begrenzt werden. Der Bund wiederum hätte sich ohne finanziellen Ausgleich nicht, wie daraufhin in Art. 87e IV 1 GG geschehen, von seiner Verantwortlichkeit für den SPNV lösen können,210 da die nach Art. 79 II GG erforderliche Zustimmung des Bundesrates für die Verfassungsänderung nicht zu erlangen gewesen wäre. Insoweit bedingen sich beide Teile des BRegG gegenseitig, ohne inhaltlich einen zwingenden Zusammenhang aufzuweisen. Die finanzierungsbezogenen Regelungen sind vorliegend nicht von Interesse. Hinzuweisen ist insofern allein auf § 7 BRegG, nach dem die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel insbesondere für den SPNV zu verwenden sind. Eine Verpflichtung zur ausschließlichen Verwendung für diesen besteht im Einklang mit Art. 106a GG211 jedoch nicht, so dass die Länder letztlich weitgehend eigenständig über den Einsatz der Mittel innerhalb des funktionalen ÖPNV bestimmen können. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit von weitaus größerer Bedeutung sind dagegen die Regelungen des ersten Teils des BRegG. Eine Schlüsselstellung nimmt § 1 I BRegG ein. Danach ist die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit ÖPNV-Leistungen eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Auch wenn diese Formulierung aus konzeptioneller Sicht überaus fragwürdig ist, so gibt sie die gesetzgeberische Wertung deutlich zu erkennen. Insbesondere stellt sie einen Fortschritt gegenüber den bis dahin geltenden Bestimmungen des PBefG dar, welche den ÖPNV allein als gewerbliche Tätigkeit einstuften und die tatsächlich gegebene Eigenschaft als Aufgabe der Daseinsvorsorge weitgehend ignorierten.212 Die besondere Bedeutung des ÖPNV für die Funktionsfähigkeit der modernen Gesellschaft wird somit explizit anerkannt. Zugleich wird die Aufgabe des 209 BGBl. (1993) I S. 2378, 2395, geändert durch Gesetz vom 26. 6. 2002, BGBl. I S. 2264; vgl. bezüglich der Begriffsbestimmung des ÖPNV oben E.I.2. 210 H. Lecheler, BayVBl. 1994, 555 (556), stellt die politische und finanzielle Entlastung des Bundes als wichtiges Ziel des BRegG heraus. So lange jedoch Regionalisierungsmittel fließen, dürfte der zweite Aspekt allenfalls in Ansätzen zu erreichen sein. 211 Siehe dazu oben E.IV.1. 212 L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 109 f., sprechen insoweit von einem gesellschaftlichen Fortschritt. Anders dagegen E. Recker, Der Landkreis 2001, 500, nach dem erst das BRegG den ÖPNV zu einer Daseinsvorsorgeaufgabe gemacht haben soll. Angesichts der oben, F., dargestellten historischen Entwicklung ist dies jedoch nicht vertretbar.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Staates, konkret der nunmehr nach Art. 30 GG,213 § 1 II BRegG zuständigen Länder und ihrer landesrechtlich zu bestimmenden Behörden, auf die Sicherstellung ausreichender Leistungen begrenzt. Indem eine Trennung zwischen öffentlicher Aufgabenträgerschaft als Sicherstellungsverantwortung und einer idealerweise privaten Dienstleistungserbringung214 und damit zwischen politischer und betrieblicher Ebene erfolgt,215 normiert § 1 I BRegG eine Gewährleistungsverantwortung der öffentlichen Hand.216 Regionalisierung ist daher nicht mit Kommunalisierung gleichzusetzen, 217 auch wenn die unteren staatlichen Ebenen gestärkt werden. Dies geschieht jedoch nicht gegenüber den leistungserbringenden Unternehmen, sondern innerhalb des föderalen Staatsaufbaus. Allein die politische und finanzielle „Verantwortung“ wird insoweit übertragen.218 § 1 I BRegG enthält nicht einmal eine subsidiäre „Einstandsverantwortung“ staatlicher Stellen.219 Dies wird auch an § 3 S. 1 BRegG deutlich, nach dem zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit im ÖPNV anzustreben ist, die Zuständigkeiten für Planung, Organisation und Finanzierung zusammenzuführen. Eine Zuständigkeit der öffentlichen Hand für die Erbringung von ÖPNV-Leistungen findet keinerlei Erwähnung.220 Stattdessen verweist § 4 S. 1 BRegG auf die Möglichkeit der Auferlegung221 oder vertraglichen Vereinbarung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen nach der VO 1191 / 69. Mit der damit verbundenen Normierung des Bestellerprinzips als Möglichkeit erfolgt eine Öffnung des ÖPNV für den Wettbewerb.222 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 3. G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 220; ähnlich H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 41. 215 S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17. 216 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 69; dies., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 30; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 85; ähnlich J.-Chr. Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. 548, der von einer Organisationsaufgabe spricht; dahingehend auch Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 13 (14); J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 168. 217 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 30; ebenso unter Bezugnahme auf das BayÖPNVG Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (22). 218 J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8. 219 W. Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 338. 220 Dagegen bezeichnet E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (13), auch die ortsnahe Durchführung des ÖPNV als Ziel der Regionalisierung. Kritisch zu § 3 BRegG Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (77), der die Bestimmung als bloßen Programmsatz mit weitem Ausfüllungsspielraum für die Länder bezeichnet. 221 Wie § 4 S. 2 BRegG zeigt, geht das BRegG davon aus, dass die Auferlegung als Auflage zu erfolgen hat. Dies bedeutet zugleich, dass Adressat der Auferlegung nur ein Verkehrsunternehmen sein kann, das bereits Verkehrsdienste im entsprechenden Bereich erbringt und dessen Genehmigung um die entsprechende Verpflichtung ergänzt wird. 222 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 6; dahingehend auch H. Melchior, Fachplanung im Sozialstaat, S. 143. 213 214

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Fraglich ist aber, welche Wirkungen nichtsdestotrotz von der Charakterisierung des ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge von § 1 I BRegG ausgehen. Dies ist entscheidend für die Erfüllung der Sicherstellungsaufgabe durch die zuständigen Stellen der Länder. In der Literatur schwankt die Einschätzung zwischen der Bezeichnung als bloßer Programmsatz,223 mit dem weder Eingriffsbefugnisse noch Aussagen über Art und Umfang der Aufgabenerfüllung verbunden wären,224 und der Qualifikation als rechtlich erheblicher Begriff, mit dem bestimmte qualitative Anforderungen an Art und Weise der Aufgabenerfüllung gestellt würden.225 So dürfe insbesondere die Qualität des ÖPNV nicht wesentlich hinter der des Individualverkehrs zurückbleiben.226 Entscheidender Ansatzpunkt kann letztlich wegen seiner Unbestimmtheit nicht der Begriff der Daseinsvorsorge sein. Indem § 1 I BRegG den ÖPNV als eine Aufgabe der Daseinsvorsorge bezeichnet, hebt er allein dessen Bedeutung für das Gemeinwohl hervor. Verstärkt wird dieser Gesichtspunkt durch Elemente der Definition des ÖPNV in § 2 BRegG. Darin werden die allgemeine Zugänglichkeit der Verkehrsleistungen für die Nutzer227 und die Befriedigung von deren Verkehrsnachfrage in einem räumlich näher bestimmten Bereich als tragende Bestandteile hervorgehoben. Damit ist jedoch noch keine Aussage über die nähere Ausgestaltung des ÖPNV in qualitativer Hinsicht verbunden. Eine solche folgt erst aus dem ebenfalls in § 1 I BRegG enthaltenen Verweis auf die zu erreichende ausreichende Verkehrsbedienung. Dabei handelt es sich anders als beim Daseinsvorsorgebegriff um einen unbestimmten und damit ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff.228 Ohne bereits an dieser Stelle auf seine Wirkungen im Einzelnen eingehen zu müssen, lässt sich aus ihm zumindest entnehmen, dass eine Grundversorgung mit ÖPNVLeistungen gegeben sein muss.229 Der daseinsvorsorgerische Gehalt des ÖPNV ist E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 6. S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 29. 225 M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89; implizit auch R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 11. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend zugleich, dass dem Begriff konstitutive Wirkungen zuerkannt werden. Nach L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 109, bestehe die in § 1 I BRegG enthaltene Rechtspflicht ohnehin. 226 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 91. 227 W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (121). 228 Entsprechend zu § 8 III PBefG R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (12); G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 12; J. Werner, ZUR 1997, 12 (14). 229 C.D. Hermanns / D. Hönig, LKV 2002, 206 (207), die weitergehend zu deren Bestimmung auf die bei einem mittleren Lebensstandard bestehenden Mobilitätsbedürfnisse abstellen wollen. Nach S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 30, ist dagegen ein bestimmtes Versorgungsniveau nicht vorgeschrieben. Dies ist zumindest insoweit zutreffend, als eine abstrakte Bestimmung einer ausreichenden Verkehrsversorgung der Bevölkerung nicht möglich ist. Im Einzelnen zum Begriff der „ausreichenden Verkehrsbedienung“ unten G.II.2. b)cc)(1). 223 224

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

damit ohne Bezugnahme auf den Daseinsvorsorgebegriff erfasst. Die normative Bezugnahme auf diesen war somit nicht erforderlich, zumal ihm wegen der gesetzlich vorgesehenen bloßen Sicherstellung auch keine konzeptionelle Bedeutung zukommt. Er hebt allein bildhaft hervor, dass der ÖPNV keine allein dem Markt zu überlassende Tätigkeit ist und vollzieht die Entwicklung in der Rechtswirklichkeit nach. Ob er damit zugleich zukunftstauglich ist, erscheint dagegen fraglich. Das BRegG ist ein gewährleistungsstaatlich geprägtes Regelwerk. Trotz der Bezugnahme auf die Daseinsvorsorge zeigt sich dies besonders deutlich an § 1 I BRegG, daneben an der durch § 4 S. 1 BRegG ermöglichten wettbewerblichen Vergabe von behördeninitiierten gemeinwirtschaftlichen Verkehren. Gesetzestechnisch bedeutet dies dennoch gegenüber der vorherigen Rechtslage eine Stärkung der Rolle der öffentlichen Hand im ÖPNV.230 Deren informaler Einfluss wird zumindest teilweise formalisiert. Durch ihre grundsätzliche Begrenzung auf die Sicherstellungsaufgabe wird jedoch zugleich Raum für privatwirtschaftliche Betätigung eröffnet, so dass auch im Bereich des ÖPNV berechtigterweise von einer gewissen privatwirtschaftlich-marktorientierten Neuordnung231 gesprochen werden kann, wenn deren Erzwingung auch nicht auf Grundlage des BRegG möglich ist.

2. PBefG Wie schon zuvor, hat auch das novellierte PBefG232 in erster Linie Wahl und Ausübung des Berufs „Straßenpersonenverkehrsunternehmer“ zum Gegenstand.233 Soweit jedoch der in § 8 I, II PBefG234 erstmalig im Rahmen des Personenbeförderungsrechts legaldefinierte ÖPNV235 betroffen ist, erfolgte eine Änderung der Konzeption des PBefG.236 Dieses verlor insoweit nicht nur seinen abschließenden

230 Dahingehend H. Krämer, Der Nahverkehr 4 / 1995, 6 (8). Ansetzend an den nunmehr gesetzlich verankerten hohen Finanzzuweisungen für den ÖPNV konstatiert auch Chr. Heinze, BayVBl. 1994, 266 (269), eher eine Verstaatlichung als eine Privatisierung. 231 So U. Steiner, in: Umwelt und Verkehr, S. 63 (64 f.), der das BRegG als Teil eines allgemeinen Rückzugs des Staates in Bezug auf die Erbringung von Verkehrsleistungen ansieht. 232 Die seitdem erfolgten Änderungen sind im Folgenden berücksichtigt. Diese sind jedoch nicht grundlegender, insbesondere nicht konzeptioneller Natur. Soweit auf die novellierte Fassung Bezug genommen wird, ist diejenige vom 27. 12. 1993 einschließlich der Folgeänderungen gemeint. 233 R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 3; V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (14). 234 Zu Recht bezeichnen H. Bidinger, NZV 1994, 209 (212); Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 8 Rn. 1; K.-A. Sellmann, NVwZ 1995, 1167 (1168), § 8 PBefG als „zentrale Vorschrift“ des reformierten PBefG. 235 R. Maaß, Wettbewerb, S. 173; E. Recker, Der Landkreis 2001, 500. Durch die in § 8 II PBefG erfolgte teilweise Einbeziehung des Taxi- und Mietwagenverkehrs in den Linienverkehr sollten eine Anpassung an die geänderten Verkehrsbedürfnisse erfolgen und flexible Bedienungsarten umfasst werden. 236 E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453 (455).

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und bundeseinheitlichen Charakter,237 sondern zudem einen Teil seiner gewerberechtlichen Prägung. Auch wenn das grundsätzliche Ziel nach wie vor die Verwirklichung der Gewerbefreiheit ist,238 wurde der Einfluss der öffentlichen Hand auf die Gestaltung des ÖPNV deutlich gegenüber der vorherigen Rechtslage erweitert. Vorrechte für öffentliche Unternehmen sind damit jedoch nicht verbunden.239 Insbesondere wurden erstmals planerische Elemente eingeführt. Vor allem die Möglichkeit der Aufstellung eines Nahverkehrsplans, vgl. § 8 III 2, 5 PBefG, ist insoweit von Bedeutung. Institutionell wurde das bislang existierende Zweierverhältnis von Verkehrsunternehmen und Genehmigungsbehörde um die Aufgabenträger erweitert.240 Wohl wichtigste Neuerung, nicht zuletzt in konzeptioneller Hinsicht, war jedoch die Einführung der Unterscheidung zwischen eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren.241 Zudem erfolgte die Verankerung einer Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen im Gesetzestext.242 Diese schaffen zwar für die praktische Handhabbarkeit notwendige Spielräume,243 führen jedoch zugleich zu einer größeren Rechtsunsicherheit für die davon Betroffenen. Als Teil der Bahnstrukturreform teilt die Novelle des PBefG deren grundlegende Ziele. So dient sie der Vorbereitung unverfälschten Wettbewerbs244 und der Stärkung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im ÖPNV.245 Letzteres steht in engem Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren.246 Zudem soll ein kostengünstiger und den Interessen der Bevölkerung entsprechender Nahverkehr sichergestellt werden.247 Zugleich zeigt jedoch insbesondere die überaus weite Definition der Eigenwirtschaftlichkeit in § 8 IV 2 PBefG, dass eine sofortige Herstellung echten Wettbewerbs nicht beabsichtigt war. Daher lässt sich die Novelle des PBefG in erster Linie als Recht des Übergangs ansehen.

R. Maaß, Wettbewerb, S. 173. O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (21); R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 3; ähnlich M. Fey, NZV 1996, 132 (135); E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 157. R. Maaß, Wettbewerb, S. 63, sieht im PBefG ein Instrument der Wirtschaftslenkung, das eng fixierte Ausnahmen von der Gewerbefreiheit enthält. Dagegen kennzeichnet G. Spuller, LKV 2001, 25, das PBefG als nur mehr ursprünglich aus dem Gewerberecht stammend. 239 Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (157); J. Werner, WiVerw 2001, 89 (98). 240 H. Krämer, Der Nahverkehr 4 / 1995, 6; K.-A. Sellmann, NVwZ 1995, 1167 (1168). 241 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (139). 242 R. Maaß, Wettbewerb, S. 173. 243 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 104, mit Bezug zu den Aufgabenträgern. 244 W. Ipsen, in: BOU, Finanzen, S. 101 (106); A. Welge, Der Städtetag 1996, 71 (72). 245 A. Welge, Der Städtetag 1996, 71 (72); J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8. 246 A. Welge, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 35 (46), entnimmt daraus ein Gebot wirtschaftlichen Handelns. 247 E. Recker, Der Landkreis 2001, 500. 237 238

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Im Folgenden sollen die in der Reform eingefügten Neuerungen untersucht und kritisch gewürdigt werden. Dabei ist besonders auf das Zusammenspiel der einzelnen Regelungen einzugehen. In diesem wird die Intention des Gesetzgebers in besonderer Weise deutlich. a) Beteiligte Akteure im ÖPNV sind nach der Konzeption der geltenden Fassung des PBefG die Verkehrsunternehmen, die Genehmigungsbehörden und die Aufgabenträger. Keinerlei unmittelbare institutionelle Verankerung im novellierten PBefG finden dagegen insbesondere die Nutzer des ÖPNV, auch wenn sie in handlungsfähigen Fahrgastvereinigungen zusammengeschlossen sind. Ihre Einflussnahme bleibt daher nach wie vor auf informelle Wege beschränkt.248 Zwischen den drei vom PBefG vorgesehenen Akteuren besteht keine rechtliche Identität, auch wenn in der Praxis die Kommunen als Aufgabenträger häufig zugleich Betreiber von Verkehrsdiensten und damit faktisch selbst auch Verkehrsunternehmer sind. Obwohl eine häufig auftretende Konstellation, wird sie von der gesetzlichen Regelung nicht berücksichtigt. Vielmehr überlässt das PBefG den Ländern die genaue Bestimmung der in § 8 III 1 PBefG erwähnten Aufgabenträger des ÖPNV ebenso wie diejenige der Genehmigungsbehörden, § 11 I PBefG. Theoretisch denkbar wäre somit sogar ein Zusammenfallen aller drei Akteure. Dies ist in der Rechtswirklichkeit jedoch nicht der Fall, so dass eine Vertiefung der Problematik unterbleiben kann. Eine Ungleichgewichtung im Hinblick auf die Konzeption des PBefG als Teil des Gewerberechts ergibt sich schließlich daraus, dass den – gesetzlich unterstellt – privaten Verkehrsunternehmen durch die Neuschaffung der Aufgabenträger eine zweite Behördenebene mit eigenen Befugnissen gegenübersteht.249 Institutionell kann daher durchaus von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses gesprochen werden. Geschaffen wurde so ein „Dreiecksverhältnis völlig neuen Charakters“250. Das Zusammenwirken dieser Akteure bei eigenwirtschaftlichen Verkehren richtet sich vor allem nach § 8 III PBefG.251 In dieser Bestimmung ist das Ineinander248 Nicht einmal eine zwingende Anhörung von Fahrgastverbänden und ähnlichen Organisationen ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vorgesehen. Zwar ist diese nach § 14 I Nr. 3 PBefG, der die Möglichkeit der Anhörung „weiterer Stellen“ vorsieht, nicht ausgeschlossen, allerdings auch nicht Voraussetzung für die Genehmigungserteilung. Als besondere Nutzergruppe werden in § 8 III 3, 4 PBefG Behinderte angesprochen. Deren Belange sind danach bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans zu berücksichtigen. Eine Institutionalisierung erfolgt insoweit, als bei jener – soweit vorhanden – Behindertenbeauftragte oder -beiräte anzuhören sind. 249 Vgl. M. Fey, NZV 1996, 132 (133); R. Maaß, Wettbewerb, S. 172. 250 E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453. 251 K.-A. Sellmann, NVwZ 1995, 1167 (1168), kennzeichnet die Vorschrift treffend als Grundnorm für die Aufgabenverteilung. Zu dieser umfangreichen und nicht sogleich überschaubaren Norm vgl. ausführlich unten G.II.2. b).

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greifen der Beiträge der drei Beteiligten detailliert dahingehend geregelt, dass Entscheidungen einseitig zu Lasten der Unternehmen oder der Aufgabenträger zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich gemacht werden. Für die Genehmigungsbehörden sind besondere Schutzmechanismen insoweit weder vorgesehen, noch mangels eigener Interessen erforderlich. Insgesamt sind die Regelungen über das Zusammenspiel jedoch „geradezu auf Konsensfindung angelegt“252. Anders ist dies aber bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren nach § 8 IV PBefG, bei denen zwar die gleichen Akteure beteiligt sind, allerdings mit deutlich veränderten Verantwortlichkeiten und einem geringeren Maß an konsensualer Zusammenarbeit.

aa) Genehmigungsbehörde Sowohl bei eigen- als auch bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren ist Voraussetzung für die rechtmäßige Durchführung eines Verkehrs die Existenz einer entsprechenden Genehmigung. Innerhalb des Dreiecksverhältnisses kommt der gemäß § 11 I PBefG durch Landesrecht zu bestimmende Genehmigungsbehörde daher eine besondere Bedeutung zu. Wenn auch das PBefG weitergehende verwaltungsorganisatorische Bestimmungen insoweit nicht enthält, legt es zumindest in § 11 II – IV PBefG die örtlichen Zuständigkeiten in ihren Grundsätzen fest. Die über die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nach §§ 13 ff. PBefG hinausgehenden Aufgaben der Genehmigungsbehörde im ÖPNV beschreibt § 8 III PBefG. Nach dessen Satz 1 hat diese im Zusammenwirken mit den Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmern im Interesse einer ausreichenden Verkehrsbedienung sowie einer wirtschaftlichen Verkehrsgestaltung für eine Integration der Nahverkehrsbedienung zu sorgen. Darunter fallen nach der gesetzlichen Regelung insbesondere Verkehrskooperationen, abgestimmte Fahrpläne sowie abgestimmte oder verbundene Beförderungsentgelte.253 Letztlich bedeutet dies, dass der Genehmigungsbehörde in großem Umfang die Zuständigkeit für attraktivitätssteigernde Maßnahmen im ÖPNV obliegt. Insoweit wurde die Genehmigungsbehörde gegenüber der vorherigen Rechtslage gestärkt.254 Dies gilt umso mehr, als die Bemühungen der Genehmigungsbehörde nach verbreiteter Ansicht über eine Förderung der 252 E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453 (455); anders R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 80 f. 253 L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 90, heben die unterschiedliche Intensität der Integration hervor. In der Praxis reichen die Integrationsstufen von der einfachen tariflichen Zusammenarbeit über Tarifgemeinschaft und Verkehrsgemeinschaft bis hin zum umfassenden Tarif- und Verkehrsverbund, vgl. dazu im Überblick H. Baumeister / L. Wachinger, Der Nahverkehr 5 / 2003, 16 (17 f.). Der Schwierigkeitsgrad der rechtlichen Fragestellungen nimmt mit zunehmendem Integrationsgrad ebenfalls zu. Kritisch hinsichtlich der fehlenden Institutionalisierung der diesbezüglichen Zusammenarbeit der Genehmigungsbehöden mit Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 4. 254 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (80).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

freiwilligen Zusammenarbeit der Verkehrsunternehmen hinausgehen sollen und diese aktiv ins Marktgeschehen eingreifen und die Durchsetzung von im Allgemeininteresse liegenden verkehrspolitischen Zielen fördern soll.255 Zugleich erfolgte jedoch auch eine Schwächung der Stellung der Genehmigungsbehörde.256 Unter den Voraussetzungen des § 8 III 2 PBefG hat sie bei Erteilung der Genehmigung einen vom jeweiligen Aufgabenträger beschlossenen Nahverkehrsplan zu berücksichtigen. Wenn auch im Einzelnen umstritten ist, was dies materiell bedeutet,257 so ist damit doch ein Verlust an eigenständiger Gestaltungsmacht verbunden. Zudem hat die Genehmigungsbehörde unter den Voraussetzungen des § 13a PBefG gemeinwirtschaftliche Verkehre ohne eigene gestalterische Entscheidungsbefugnisse zu genehmigen. Insoweit wird sie auf eine bloße notarielle Funktion beschränkt.258 Nicht zu verwechseln ist diese Beschränkung der gestalterischen Einflussnahme jedoch mit einer Verminderung der Aufgaben oder der im Genehmigungsverfahren zu überprüfenden Fragestellungen. Insoweit erfolgte vielmehr eine Erweiterung.259 Es ist daher nicht zutreffend, pauschal von einer Stärkung oder Schwächung der Genehmigungsbehörde zu sprechen. Vielmehr wurde ihr Auftrag neu festgelegt, wobei ihr Kompetenzen sowohl zu- als auch aberkannt bzw. nicht verliehen wurden.260 Obwohl die von ihr zu erteilende Genehmigung trotz der von dieser ausgehenden vielfältigen Wirkungen vor allem eine Kontrollerlaubnis ist,261 hat die Genehmigungsbehörde im Rahmen der Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre durchaus die Möglichkeit, verkehrswirtschaftliche Gesichtspunkte aktiv zu verfolgen. In erster Linie kommt ihr insoweit jedoch die Aufgabe eines Schiedsrichters zu, wenn die Interessen und Vorstellungen von Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen auseinander fallen.262 Unabhängig von der Art des Verkehrs ist die Genehmigungsbehörde zudem eine grundsätzlich neutrale staatliche ÖPNVAufsichtsbehörde,263 wenn auch die Neutralität wegen der im öffentlichen Inte255 R. Maaß, Wettbewerb, S. 177; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 90 f.; J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (9). 256 H. Bidinger, NZV 1994, 209 (214). 257 Siehe dazu ausführlich unten, insbesondere G.II.2. b)bb)(4). 258 Weitergehend E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453 (454), der in dieser die wichtigste Funktion der Genehmigungsbehörden sieht; ähnlich mit Bezug zu den bisherigen PBefGLandesbehörden, welche letztlich die Genehmigungsbehörden sind, Krämer, Der Nahverkehr 4 / 1995, 6 (7). 259 BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8; M. Fey, NZV 1996, 132 (135). 260 Dahingehend auch R. Maaß, Wettbewerb, S. 172, der aber insgesamt von einem erweiterten Gestaltungsauftrag ausgeht. 261 Noch zur alten Rechtslage G. Fromm, in: FS G.Chr. v. Unruh, S. 703 (705). 262 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (112); kritisch R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 73. 263 M. Fey, NZV 1996, 132 (135).

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resse bei eigenwirtschaftlichen Verkehren bestehenden Einflussmöglichkeiten nicht uneingeschränkt bejaht werden kann. bb) Aufgabenträger Der mit der Novellierung des PBefG neu eingeführte Aufgabenträger stellt nicht nur formal, sondern auch materiell eine bedeutende Veränderung der ÖPNV-Konzeption dar. Ohne dass dieser näher definiert wird, kommt ihm ein großer Einfluss auf die Gestaltung des ÖPNV zu.264 Aus dem System des § 8 III, IV PBefG lässt sich allein entnehmen, dass der Aufgabenträger kein materiell privates Rechtssubjekt, sondern Teil der öffentlichen Hand ist. Wichtigste, wenn auch nicht zwingende Aufgabe des Aufgabenträgers ist nach § 8 III 2, 5 PBefG die Aufstellung eines Nahverkehrsplans, der den Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV bildet. Zudem soll der Aufgabenträger auch nach § 8 IV 4 PBefG die zuständige Stelle nach der VO 1191 / 69 sein, also gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen ausschreiben oder auferlegen. Damit wird ihm, in der verwaltungswissenschaftlichen Terminologie, die Gewährleistungsverantwortung für den ÖPNV auferlegt.265 Zur konkreten Bestimmung verweist § 8 III 6 PBefG parallel zu § 1 BRegG auf das jeweilige Landesrecht. Eine automatische Gleichsetzung des Aufgabenträgers mit der Kommune, in der die ÖPNV-Leistungen erbracht werden, kann daher nicht erfolgen. Allerdings widerspräche eine landesgesetzliche Ausgestaltung, welche etwa Landeszentralbehörden als Aufgabenträger festlegen würde, zumindest dem mit der Schaffung der Aufgabenträger verfolgten Ziel der Formalisierung der Einflussnahmemöglichkeiten der Kommunen. Der Einfluss des Aufgabenträgers variiert, sofern nicht von der Regel des § 8 IV 4 PBefG landesrechtlich abgewichen wird, im Hinblick auf eigen- und gemeinwirtschaftliche Verkehre. Im ersten Fall erfolgt eine Einwirkung allein durch den von der Genehmigungsbehörde zu berücksichtigenden Nahverkehrsplan und ist somit eng begrenzt.266 Da dieser zudem unter Mitwirkung der vorhandenen Unternehmer zustande kommen muss und einzelne Unternehmen nicht diskriminieren darf, kommt dem Aufgabenträger eine Schiedsrichterfunktion im Hinblick auf die Interessen der in seinem Bereich tätigen verschiedenen Anbieter von Verkehrsleistungen zu.267 Bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren hat der Aufgabenträger dagegen eine Schlüsselstellung inne. Er vereinbart die Verkehrsleistungen mit den Verkehrsunternehmen oder erlegt sie diesen auf. Dementsprechend kann er detaillierte Vorgaben für die Ausgestaltung dieser machen und so verkehrspolitische Vorstellungen zur Schaffung einer ausreichenden Verkehrsbedienung grundsätzlich unbegrenzt durchsetzen. Anders als bei eigenwirtschaftlichen Verkehren ist er dabei 264 265 266 267

H. Bidinger, NZV 1994, 209 (212). U. Hösch, GewArch 2001, 223 (225). M. Fey, NZV 1996, 132 (135). G. Fredrich, Der Nahverkehr 11 / 2000, 14 (16).

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nicht einem, wenn auch seinerseits eingeschränkten, Gestaltungsprimat der Genehmigungsbehörde unterworfen. Eine wirksame Begrenzung aktiver ÖPNV-Politik des Aufgabenträgers stellen in der Rechtswirklichkeit allerdings die mit gemeinwirtschaftlichen Verkehren verbundenen Kosten dar. Sowohl bei eigen- als auch bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren sind die Aufgabenträger zugleich die geeignetsten Vertreter der Interessen der Nutzer des ÖPNV.268 Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzestext, ergibt sich jedoch aus der nicht zuletzt mit Hilfe des Nahverkehrsplans269 und der Veranlassung gemeinwirtschaftlicher Verkehre anzustrebenden ausreichenden Verkehrsbedienung. In beiden Fällen müssen nachfrageorientierte Aspekte einfließen. Soweit die Gemeinden nach den landesgesetzlichen Regelungen Aufgabenträger sind, besteht zudem auf kommunaler Ebene die Möglichkeit der Mitwirkung der Nutzer an den Entscheidungen im Rahmen der Kommunalpolitik.270 Eine gesetzliche Verpflichtung der Aufgabenträger zu einer entsprechenden Interessenvertretung besteht jedoch nicht. cc) Verkehrsunternehmen In § 8 III 1 PBefG an dritter Stelle genannt, für die Durchführung des ÖPNV aber letztlich von entscheidender Bedeutung, sind schließlich die Verkehrsunternehmen.271 Ebenso wie die Genehmigungsbehörde erfuhren diese eine grundsätzlich ambivalente Entwicklung. Unverändert ist die Durchführung des ÖPNV eine unternehmerische Aufgabe,272 die im Rahmen eines begrenzten Monopols erbracht wird. Nach wie vor trifft das PBefG auch keine grundsätzliche Unterscheidung zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen.273 Veränderungen erfuhr die Stellung der Verkehrsunternehmen im Hinblick auf die Gestaltung der einzelnen Verkehre. Stand den Verkehrsunternehmern bis zur Ähnlich K. Strang, Der Nahverkehr 3 / 1997, 9 (10). Dass bei eigenwirtschaftlichen Verkehren § 8 III 1 PBefG in erster Linie den Genehmigungsbehörden die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung zuweist, spricht nicht dagegen, da die Planung der Gesamtentwicklung des ÖPNV mittels des Nahverkehrsplans den Aufgabenträgern obliegt. 270 Soweit die Gemeinden nicht Aufgabenträger sind, können sie einen allerdings stark eingeschränkten Einfluss im Wege der Anhörung nach § 14 I Nr. 2 PBefG geltend machen. 271 Das Gesetz spricht insoweit von Unternehmern, vgl. etwa §§ 2 I, 3, 8 III PBefG, auch wenn es sich dabei, wie in der Praxis häufig, um juristische Personen handelt. Ein sachlicher Unterschied besteht insoweit nicht. Die Bezeichnung als Unternehmen verdeutlicht m.E. jedoch besser die Situation in der Rechtswirklichkeit. Zudem vermeidet sie ein mit dem Begriff des Unternehmers verbundenes notwendig grundrechtlich geprägtes und auf Einzelpersonen bezogenes Vorverständnis. 272 M. Fey, NZV 1996, 132 (135). 273 Allein die gesetzliche Unterstellung der notwendigen unternehmerbezogenen Voraussetzungen nach § 13 I PBefG nach Abs. 6 der Bestimmung bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist unverändert vorhanden. 268 269

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Novelle des PBefG das alleinige Initiativrecht für Linienverkehre zu,274 verloren sie dieses nunmehr durch die Einführung gemeinwirtschaftlicher und damit behördeninitiierter Verkehre in § 13a PBefG, bei denen ihnen im schlimmsten Fall die Rolle von bloßen „Lohnkutschern“ ohne eigenen Gestaltungsspielraum zukommt. Eine weitere Schwächung erfuhren sie durch die Regelung des § 13 IIa PBefG. Danach kann die Genehmigung eines beantragten eigenwirtschaftlichen Verkehrs versagt werden, wenn dieser mit den Regelungen eines Nahverkehrsplans nicht in Einklang steht. Damit verbunden ist eine Abschwächung des Besitzstandsschutzes, der bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren zudem nicht im Gesetzestext vorgesehen wurde. Ausgeglichen wird dies jedoch teilweise durch die zwingende Beteiligung der Verkehrsunternehmen bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans sowie die dabei notwendige Berücksichtigung ihrer Interessen.275 In kartellrechtlicher Hinsicht bestehen nach § 8 III 7 – 10 PBefG276 zudem Erleichterungen gegenüber den Bestimmungen des GWB, so dass den Verkehrsunternehmen auch insoweit eine privilegierende Sonderstellung zukommt. Kooperationen werden so jedenfalls bei eigenwirtschaftlichen Verkehren ermöglicht.277 Sachlich sind diese aber durch die in § 8 III 7 PBefG enthaltene Bezugnahme auf die Ziele des ersten Satzes der Vorschrift begrenzt. Bezüglich der kommunalen Verkehrsunternehmen ist auf Grundlage der Novellierung des PBefG bereits ein Funktionswandel von besonderen Daseinsvorsorgezu Wettbewerbsunternehmen konstatiert worden.278 Ob sich dies tatsächlich unmittelbar aus den Regelungen des PBefG entnehmen lässt, erscheint wegen der insoweit fehlenden besonderen Erwähnung zwar zweifelhaft. Der insbesondere durch die Einführung der Möglichkeit einer wettbewerblichen Vergabe gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen in Verbindung mit der schlechten Haushaltslage der Kommunen erzeugte faktische Druck zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung ist jedoch nicht zu leugnen. Insgesamt kann daher zwar nicht von einer ausgleichslosen Verschlechterung der Stellung der Verkehrsunternehmen gesprochen werden. Die unter der alten Rechtslage geschaffenen Privilegien, insbesondere die fast ausschließliche OrienM. Fey, NZV 1996, 132 (133). H. Krämer, Der Nahverkehr 4 / 1995, 6 (7), spricht insoweit von einer Aufwertung der Verkehrsunternehmen. 276 Diese Bestimmungen integrieren die früheren Bereichsausnahmen des GWB in das PBefG, G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 5. Vgl. daneben auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene VO (EWG) 1017 / 68, ABl. 1968 L 175 / 1; zu den diesbezüglich anstehenden Reformen siehe H. Baumeister / L. Wachinger, Der Nahverkehr 5 / 2003, 16 (17). 277 H. Baumeister / L. Wachinger, Der Nahverkehr 5 / 2003, 16 (18 f.); nur bezüglich freiwilliger Zusammenarbeit bei eigenwirtschaftlichen Verkehren G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 6; J. Werner, WiVerw 2001, 89 (113). Ders., ebd., S. 109, weist darauf hin, dass derzeit etwa 70% der Verkehrsleistungen in Verkehrsverbünden erbracht werden. 278 G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (153). 274 275

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tierung der gesetzlichen Regelung an den Interessen der Unternehmen, wurden jedoch beschnitten, ohne sie allerdings völlig oder auch nur in großem Umfang zu beseitigen.279 Soweit mit der Einführung gemeinwirtschaftlicher Verkehre tatsächlich eine Abwertung der Unternehmen vorgenommen wurde, erfolgte durch den Vorrang der eigenwirtschaftlichen Erbringung von Verkehren bei einer gleichzeitig sehr weiten Definition der Eigenwirtschaftlichkeit in § 8 IV 1, 2 PBefG jedoch eine faktische Nichtanwendungsanordnung. Damit sind die Unternehmen wie auch vor der Novellierung insgesamt mit einer starken Stellung in dem neuen „personenbeförderungsrechtlichen Dreibund“ vertreten. Schon aus europarechtlichen Gründen nicht möglich ist insbesondere die ausgleichslose Inpflichtnahme der Unternehmen zur Erbringung politisch gewünschter aber unwirtschaftlicher Verkehrsleistungen. b) Instrumente Die für die Gestaltung des ÖPNV nach dem PBefG zur Verfügung stehenden Instrumente wurden bereits im vorstehenden „institutionellen“ Überblick angesprochen. Im Folgenden sollen sie vertieft untersucht werden. Es handelt sich dabei um die Genehmigung, den Nahverkehrsplan sowie, eng mit beiden zusammenhängend, die zur Verfügung stehenden Verfahren zur Auswahl des Verkehrsunternehmens. Für die in § 8 III 1 PBefG angesprochene Integration der Nahverkehrsbedienung stehen keine besonderen personenbeförderungsrechtlichen Instrumente zur Verfügung. Allerdings bietet die Genehmigung zumindest bei eigenwirtschaftlichen Verkehren einen instrumentellen Ansatzpunkt für die Verfolgung entsprechender Aspekte. Im Übrigen ist grundsätzlich auf das Instrumentarium des Allgemeinen Verwaltungsrechts zurückzugreifen, wobei jedoch die Systematik des Personenbeförderungsrechts zu berücksichtigen ist.

aa) Genehmigung Unverändert Voraussetzung für die Erbringung von ÖPNV-Leistungen ist das Vorliegen einer auf den Verkehrsunternehmer bezogenen Genehmigung, §§ 2 I 1 Nr. 1 bis 3, II, 3 PBefG. Dieses Erfordernis besteht sowohl bei eigen- als auch bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren. Genehmigungsbedürftig ist nach § 2 I 1 Nr. 1 bis 3 PBefG sowohl die Personenbeförderung mit Straßenbahnen, Obussen sowie mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr als solche, als auch gemäß § 2 II PBefG jegliche Veränderungen, die sich auf einen genehmigten Verkehr beziehen.280 279 Nach G. Hickmann, Der Landkreis 2001, 542 (543), stehen die Verkehrsunternehmen, nicht aber die Nutzer des ÖPNV im Zentrum des Rechtsrahmens. 280 J. Werner, WiVerw 2001, 89 (100); beachte aber § 13 VII PBefG. Ausnahmen im Hinblick auf die Genehmigungspflichtigkeit durch Freistellung von den Vorschriften des PBefG enthält daneben die FreistellungsVO, BGBl. (1961) I S. 241, (1989) I S. 1273.

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Damit wirkt das Genehmigungserfordernis umfassend. Ein freier Wettbewerb im ÖPNV ist damit rechtlich nicht zulässig. Zentrale Vorschrift für die Genehmigung ist § 9 PBefG. Diese Vorschrift bestimmt den sachlichen Umfang der Genehmigung. Für den ÖPNV von Bedeutung sind insoweit § 9 I Nr. 1 bis 3, II PBefG. An den Bestimmungen des § 9 I PBefG wird dabei deutlich, dass das Gesetz von einer Einheitsgenehmigung ausgeht, auch wenn die Einzelaspekte Bau bzw. Einrichtung, Betrieb und Linienführung angesprochen werden. Insbesondere sind bei Straßenbahnen sowohl die Infrastruktur als auch der Betrieb in einer einzigen Genehmigung zusammengefasst.281 Die eisenbahnrechtliche Trennung beider Bereiche wird für den ÖPNV grundsätzlich nicht übernommen. Allerdings sieht § 3 III PBefG diesbezüglich die Möglichkeit der Aufspaltung der Genehmigung vor, so dass eine entsprechende Gestaltung zumindest nicht als unzulässig angesehen werden kann, wenn sie auch nicht Grundlage der gesetzlichen Konzeption bildet. Diese orientiert sich vielmehr an der Rechtswirklichkeit, die insoweit durch einheitliche kommunale Unternehmen geprägt ist. Obwohl neutral gefasst, lässt § 9 I PBefG einen planerischer Einschlag erkennen.282 Dieser kommt jedoch allein bei eigenwirtschaftlichen Verkehren zum Tragen.283 Er folgt vor allem aus der Notwendigkeit der Genehmigung für den Betrieb und die Linienführung. In beiden Fällen hat die Genehmigungsbehörde bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 13 II PBefG Spielräume. Der Antrag des Verkehrsunternehmens, vgl. § 12 PBefG, ist jedoch vorrangig. Eine aktive planende Einflussnahme der Genehmigungsbehörde ist daher nur in sehr begrenztem Maße gegen den Willen des Verkehrsunternehmens möglich. Allerdings kann die mögliche Versagung der Genehmigung faktisch als Druckmittel genutzt werden, um die Entstehung passgenauer eigenwirtschaftlicher Verkehre zu erreichen. Dass es sich bei der gewerblichen Personenbeförderung um eine grundrechtlich geschützte Tätigkeit handelt, auf deren Durchführbarkeit grundsätzlich ein Anspruch besteht, spricht wegen der unbestimmten Fassung wichtiger Genehmigungsvoraussetzungen, deren Verfassungsgemäßheit nicht bezweifelt wird, nicht dagegen. Neu eingeführt, und von deutlich größerer planerischer Relevanz als § 9 I PBefG, wurde die Möglichkeit der Linienbündelung nach § 9 II PBefG. Nach dieser Bestimmung können zur Erreichung der Ziele des § 8 PBefG Genehmigungen im ÖPNV verbunden werden. Damit erhält die Genehmigungsbehörde ein besonderes personenbeförderungsrechtliches Instrument, um ihrer aus § 8 III 1 PBefG folgenden Aufgabe der Integration der Nahverkehrsbedienung nachkommen zu können.284 L. Wachinger, Der Nahverkehr 12 / 2001, 45 (46). G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 9 PBefG Rn. 1, 3; L. Wachinger, Der Nahverkehr 12 / 2001, 45; siehe auch BVerwGE 82, 260 (265). 283 Bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren werden sämtliche planerischen Aspekte bereits vor der Genehmigung durch die „zuständige Stelle“, im Regelfall also durch den Aufgabenträger vorgegeben. 281 282

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Dessen Wirksamkeit ist jedoch aus verschiedenen Gründen begrenzt. Zunächst ist eine Bündelung von Genehmigungen nur möglich, wenn diese vom gleichen Unternehmer beantragt wurden.285 Nicht möglich ist es daher, ganze Netze ohne Bezug auf den Antragsteller, insbesondere einen weiterhin an der Verkehrsdurchführung interessierten bisherigen Genehmigungsinhaber, insgesamt zur Disposition zu stellen und für diese Gesamtangebote einzuholen.286 Notwendig ist also sowohl ein entsprechender Wille des Unternehmers als auch das Vorhandensein verbindbarer Linien. Während sich ersterer im Rahmen des Genehmigungsverfahrens durchaus von der Genehmigungsbehörde beeinflussen lässt, ist der zweite Aspekt deutlich schwieriger zu erfüllen. Eine beliebige Linienbündelung ist nicht möglich. Erforderlich ist neben der im Einzelfall unproblematisch zu begründenden sachlichen Notwendigkeit der Verbindung der Genehmigungen zur Erreichung der Ziele des § 8 PBefG sowohl ein räumlicher und betrieblich-funktioneller Zusammenhang, als auch die Identität von Beginn und Geltungsdauer.287 Die rechtlich bedingte jahrzehntelange Praxis der Genehmigung einzelner Linien hat trotz der im Grundsatz unverändert gebliebenen zeitlichen Begrenzung von maximal 25 Jahren für Straßenbahn- und Obusverkehre sowie von höchstens acht Jahren bei Omnibusverkehren, § 16 I, II PBefG, zu einem uneinheitlichen Auslaufen der Genehmigungen innerhalb der einzelnen ÖPNV-Räume geführt. Eine nach § 16 II 3 PBefG zu erreichende Angleichung kann nur im Zuge der Neugenehmigungen erfolgen. Über effektive Wirksamkeit wird § 9 II PBefG daher erst nach Ablauf einer lang zu bemessenen Übergangszeit verfügen. Eine weitere Grenze der Linienbündelung stellt die wirtschaftliche Zumutbarkeit für den Unternehmer dar.288 Dieser kann nicht auf Grundlage des § 9 II PBefG gezwungen werden, unrentable Linien ohne finanziellen Ausgleich zu betreiben. Angesichts der Bestimmungen der VO 1191 / 69, auf die § 13a PBefG verweist, und der unterschiedlichen Zuständigkeiten erscheint auch die Bündelung von eigen284 Dahingehend auch H. Bidinger, NZV 1994, 209 (213). J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 183, sieht die Linenbündelung sogar wegen § 8 III 1 PBefG als Regelfall an, da nur so ein einheitlicher Marktauftritt erreicht werden könne. Der Wortlaut des § 9 II PBefG liefert dafür jedoch keinen ausreichenden Anhaltspunkt. Hätte die Genehmigungsbehörde grundsätzlich eine Linienbündelung vorzunehmen, müsste die Bestimmung nicht als Kann-, sondern als Sollvorschrift formuliert worden sein. Kritisch aus ökonomischer Sicht Ch.B. Blankart, WuW 2002, 340 (350). 285 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 275; G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 9 PBefG Rn. 5; ähnlich unter Hinweis auf die Rollen von Aufgabenträger und Genehmigungsbehörde E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (505). 286 J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8, der zudem darauf hinweist, dass eine solche Gestaltung der im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich abgelehnten Gebietskonzession entspräche. 287 A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 43; W. Will, ZögU 24 (2001), S. 92 (94); ders., Der Nahverkehr 1 – 2 / 2001, 28 (30). 288 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 275; P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (62).

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und gemeinwirtschaftlichen Linien zweifelhaft.289 Selbst wenn durch die Einnahmen einer eigenwirtschaftlichen Linie die Verluste einer mit dieser über die Genehmigung verbundenen gemeinwirtschaftlichen ausgeglichen oder sogar übertroffen würden, so dass bei einer Gesamtbetrachtung Eigenwirtschaftlichkeit gegeben wäre und finanzielle Mittel der öffentlichen Hand somit nicht in Anspruch genommen werden müssten, kann die gemeinwirtschaftliche Linie nicht als eigenwirtschaftlich fingiert werden. Eine genehmigungsrechtliche Verbindung eigen- und gemeinwirtschaftlicher Linien wäre somit nur bei Beachtung der deutlich voneinander abweichenden rechtlichen Eigenheiten beider Verkehrsarten möglich. Daher erscheint es zwar als in der Praxis denkbar, dass die Genehmigungsbehörde bei der nach § 13a I 1 PBefG gebundenen Entscheidung der Erteilung einer Genehmigung für einen ordnungsgemäß vereinbarten oder auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verkehr den entsprechenden Unternehmer anregt, die Genehmigung für einen bestimmten, mit diesem zu verbindenden eigenwirtschaftlichen Verkehr zu beantragen.290 Dagegen kann die Genehmigungsbehörde nicht ohne die Mitwirkung des finanziell verantwortlichen Aufgabenträgers mit der Genehmigung eines beantragten eigenwirtschaftlichen Verkehrs eine solche für einen gemeinwirtschaftlichen verbinden. Insoweit läuft § 9 II PBefG weitgehend leer. Dies gilt auch für die Verbindung der Genehmigungen verschiedener gemeinwirtschaftlicher Verkehre. Insoweit fehlt es an den für die Erreichung der Ziele des § 8 PBefG erforderlichen Spielräumen der Genehmigungsbehörde. Da sämtliche verkehrsgestaltenden Entscheidungen bereits vom Aufgabenträger getroffen wurden, ist kein Raum für eine Verbindung rechtfertigende Aspekte. Die auch in diesem Fall anzustrebende Integration des ÖPNV ist durch andere Instrumente zu verfolgen. Damit greift § 9 II PBefG nahezu ausschließlich bei eigenwirtschaftlichen Verkehren ein. Wie aber § 8 IV 1, 2 PBefG zeigt, sollen diese den Regelfall darstellen. Damit gewinnt § 9 II PBefG auf längere Sicht bei einer unterstellten langjährigen Geltung zunehmend an Bedeutung. Dient die Genehmigung bei eigenwirtschaftlichen Verkehren nach § 13 PBefG vor allem der Prüfung der persönlichen und fachlichen Eignung des Unternehmers sowie der Beachtung der öffentlichen Verkehrsinteressen, entfällt der letztgenannte Aspekt bei beantragten gemeinwirtschaftlichen Verkehren. Er wird gemäß § 13a II PBefG ersetzt durch eine Haushalts- und Wettbewerbskontrolle.291 Die Genehmi289 Dagegen sieht J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 184, dies als Regelfall an. Ein Nebeneinander von eigen- und gemeinwirtschaftlichen Linien würde danach zu einer Wettbewerbsverfälschung zugunsten der eigenwirtschaftlichen Unternehmen führen. Wegen der Zubringerfunktion gemeinwirtschaftlicher „schwacher“ Linien würden jene gleichsam doppelt profitieren. Dem ist zwar mit Blick auf die Rechtswirklichkeit zuzustimmen. Entscheidend ist aber die dem grundsätzlich entgegenstehende gesetzliche Regelung in ihrer Gesamtheit. § 9 II PBefG kann nicht für sich allein betrachtet werden. 290 Voraussetzung ist jedoch insoweit, dass dieser „frei“ ist, also weder eine andere Genehmigung besteht, noch nach § 13 III PBefG privilegierte Bewerber vorhanden sind oder in die mit einer für einen anderen Linienverkehr bestehenden Genehmigung verbundenen Monopolrechte eingegriffen wird. 291 G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (158 f.).

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gungsbehörde hat danach zu prüfen, ob die Lösung mit den geringsten Kosten für die Allgemeinheit gewählt wurde und Diskriminierungen nicht erfolgten. Damit wird die Genehmigung gleichsam zum rechtsaufsichtlichen Instrument gegenüber dem Aufgabenträger. Dieser steht beim Auseinanderfallen von allgemeiner Rechtsaufsichts- und Genehmigungsbehörde zwei Kontrollinstanzen mit einem sachbezogen gleichen Auftrag gegenüber. Dass die Bestimmung dennoch und trotz ihrer Systemwidrigkeit berechtigt ist, folgt aus dem fehlenden Einfluss des Bundesgesetzgebers auf die dem Landesrecht unterfallende Regelung der Rechtsaufsicht. Nur in der in § 13a PBefG gewählten Form lässt sich sicherstellen, dass nicht eine fehlerhafte und damit rechtswidrige Genehmigung erteilt wird, die nicht nach § 44 LVwVfG nichtig wäre, sondern nur nach § 48 LVwVfG zurückgenommen oder durch einen Konkurrenten angefochten werden könnte. Deren eventueller späterer Wegfall könnte zu Versorgungsproblemen führen, die gerade bei den für notwendig gehaltenen und daher vom Aufgabenträger initiierten gemeinwirtschaftlichen Verkehren zu vermeiden sind. Im Übrigen erfuhren die auf die Genehmigung bezogenen Vorschriften des PBefG keine grundlegende Änderung. Vor ihrer Erteilung ist grundsätzlich stets eine Anhörung der in § 14 I PBefG Aufgeführten durchzuführen. Bei diesen handelt es sich vor allem um vorhandene Unternehmer, Nr. 1,292 von der Genehmigung betroffene Stellen der öffentlichen Hand, Nr. 2, sowie fachliche Organisationen, Nr. 3. Zu beachten ist jedoch, dass bei der Genehmigung gemeinwirtschaftlicher Verkehre sich auch die Anhörung zumindest hinsichtlich der Berücksichtigung der Stellungnahmen allein auf die gemäß § 13a PBefG zu prüfenden Punkte zu beschränken hat. Mit einer erteilten Genehmigung sind die überkommenen Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflichten verbunden, § 21 f., 39293 PBefG. Obwohl der genehmigte Verkehr grundsätzlich von dem Genehmigungsinhaber selbst durchzuführen ist, ist auch der Einsatz von Subunternehmern möglich, vgl. § 3 II PBefG. Die Möglichkeiten des Widerrufs und des Erlöschens der Genehmigung, § 25 f. PBefG, bestehen nach wie vor. Insgesamt hat das Instrument der Genehmigung durch die Reform trotz im Text des PBefG vergleichsweise geringer Modifikationen wesentliche Veränderungen erfahren. Der einheitliche Charakter als Abschluss einer unternehmer- und verkehrsbezogenen Prüfung ging durch die Aufnahme rechtsaufsichtlicher Elemente bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren verloren. Durch die Einführung der Möglichkeit der Linienbündelung wurde zudem der bereits zuvor in Ansätzen vorhandene Aspekt der aktiven Verkehrsplanung gestärkt.

292 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (141), will darin eine Verankerung des Wettbewerbsgedankens erkennen. Dies überzeugt jedoch nicht, da bei lebensnaher Betrachtung der Regelung die Stellungnahmen der vorhandenen Unternehmer tendenziell gegen die Zulassung neuer Konkurrenten gerichtet sein werden. 293 Beachte insoweit aber § 39 II 2 PBefG, der für den Fall der Nichtgenehmigung von Tarifen auf § 8 IV PBefG verweist.

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bb) Nahverkehrsplan Anders als die Genehmigung erfährt der neu geschaffene Nahverkehrsplan im PBefG nur eine fragmentarische Regelung. Erwähnung findet er allein in §§ 8 III, 13 IIa PBefG. In ihm „laufen zahlreiche verkehrspolitische Hoffnungen und Erwartungen zusammen“294. Dementsprechend umstritten ist er in nahezu all seinen Einzelheiten. Ziel seiner Einführung war, obwohl dies im Gesetzestext keinen unmittelbaren Niederschlag findet, die Institutionalisierung der Verknüpfung der kommunalen Nahverkehrsplanungen mit den Genehmigungsentscheidungen295 bei einer gleichzeitigen Relativierung der Rechtsstellung der Unternehmen.296 Dies bedeutet zugleich eine Stärkung der planerischen Befugnisse der Kommunen als regelmäßige Aufgabenträger.297 Obwohl ihm eine zentrale Bedeutung zuerkannt wird,298 existiert eine bundesrechtliche Pflicht zu seiner Aufstellung mangels einer entsprechenden Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers299 nicht.300 Der Bundesgesetzgeber konnte allein die Auswirkungen eines entsprechenden Plans auf die seiner Regelungskompetenz unterfallende Genehmigung bestimmen. Dementsprechend enthält das PBefG auch keine Rechtsgrundlage für die Aufstellung einer Nahverkehrsplans. Einschlägig ist insoweit das jeweilige Landesrecht.301 Indem die bundesrechtliche Regelung somit nicht abschließend ist,302 muss zugleich zwischen den von den Genehmigungsbehörden zu berücksichtigenden Nahverkehrsplänen nach dem PBefG und den landesrechtlich vorgesehenen weiteren Pla-

K. Strang, Der Nahverkehr 3 / 1997, 9. O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19; R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 1; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103; ähnlich M. Fey, NZV 1996, 132 (134); V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13. Insoweit ist der Nahverkehrsplan kein tatsächlich neu geschaffenes Planungsinstrument. Die Planung des ÖPNV war auch zuvor schon ein Recht der Kommunen, L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 117 f. 296 O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19. Dementsprechend konstatiert H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 52, ein „sich abzeichnende(s) Konfliktfeld zwischen kommunaler Planung und unternehmerischen Interessen“. 297 G. Spuller, LKV 2001, 25; ähnlich U. Hösch, GewArch 2001, 223 (227). 298 Explizit S. Pützenbacher, NZV 1998, 104. 299 Nach Art. 74 I Nr. 11 GG hat der Bundesgesetzgeber zwar die Kompetenz zur Regelung des Verkehrsgewerberechts als Teil des Rechts der Wirtschaft, nicht aber zu einer umfassenden Regelung des ÖPNV, U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 32. 300 M. Fey, NZV 1996, 132 (134); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (104); M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 120; K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 55; ders., Der Nahverkehr 3 / 1997, 9 (10); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (17). 301 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 141. Zu den landesrechtlichen Regelungen siehe unten G.II.3. c). 302 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 74. 294 295

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nungskompetenzen im ÖPNV unterschieden werden, auch wenn diese im jeweiligen Landesrecht nicht begrifflich unterschieden werden.303 Im Folgenden soll das neue Instrument des Nahverkehrsplans in seinen Einzelheiten untersucht werden. Von Interesse sind dabei insbesondere seine Rechtsnatur, sein Zustandekommen, die bundesrechtlich zulässigen und damit im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigenden Inhalte sowie seine sonstigen Wirkungen, soweit sich diese abstrakt darstellen lassen. (1) Rechtliche Qualifikation In der neueren Literatur wird die Rechtsnatur des Nahverkehrsplans als nach wie vor unklar bezeichnet.304 Aufgrund der wenig konkreten, allein auf das Zustandekommen des Nahverkehrsplans und seine Wirkungen im Genehmigungsverfahren bezogenen Regelungen ist eine positive Bestimmung seiner Rechtsnatur kaum möglich. Eine negative Eingrenzung ist dagegen Erfolg versprechender. Unproblematisch erfüllt er nicht die Voraussetzungen des § 35 VwVfG und ist somit kein Verwaltungsakt.305 Insbesondere fehlt es an der erforderlichen unmittelbaren Außenwirkung.306 Ausgeschlossen ist damit zugleich eine Qualifikation als Rechtsnorm.307 Zwar ist, wie das Beispiel des nach Art. 110 II 1 GG als formelles Gesetz zu erlassenden Haushaltsplans zeigt, auch die Existenz von Rechtsnormen ohne unmittelbare Außenwirkung denkbar. Dabei handelt es sich jedoch um eng begrenzte Ausnahmefälle. Da die Aufgabenträger im Regelfall nicht die Länder sind, kommt ein Erlass als formelles Gesetz ohnehin grundsätzlich nicht in Betracht. Anders als § 10 I BauGB für den Bebauungsplan sieht das PBefG nicht vor, dass der Nahverkehrsplan als Satzung308 erlassen wird, wie auch eine Verordnungsermächtigung bundesrechtlich nicht besteht. Dennoch ist der Nahverkehrsplan, wie §§ 8 III 2, 13 IIa PBefG zeigen, nicht rechtlich irrelevant. Unabhängig von der landesrechtlichen Ausgestaltung verfügt R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 2. C.D. Hermanns / D. Hönig, LKV 2002, 206 (208). 305 G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 7. Anders wäre dies, wenn ein Planfeststellungsbeschluss ergehen würde. Ein solcher ist jedoch gerade nicht vorgesehen. 306 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 78; H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 51. 307 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 81; dies. / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (20); G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 7; E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 75; H. Melchior, Fachplanung im Sozialstaat, S. 86; H. Zuck, ÖPNVG, S. 70. Eine Überprüfbarkeit nach § 47 VwGO ist demnach ausgeschlossen. 308 Dafür aber unter Bezugnahme auf die Praxis G. Lange, LKV 1997, 117 (118); wie hier M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 125; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 176. 303 304

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er im Genehmigungsverfahren in der im PBefG vorgesehenen Art und Weise, die trotz einer gewissen konzeptionellen Ähnlichkeit mit einem Bebauungsplan etwa mit derjenigen eines Flächennutzungsplans vergleichbar ist,309 über rechtliche Verbindlichkeit.310 Insoweit verfügen die Länder wegen der ausgeübten Regelungskompetenz des Bundes über keine weiteren Spielräume. Eine positive exakte normative Einordnung ist jedoch wegen des Fehlens einer anerkannten Dogmatik der Planung311 nicht möglich. Es bleibt daher allein eine wenig über den Gesetzestext weiterführende Einordnung anhand deskriptiver Merkmale. Der Nahverkehrsplan bildet nach § 8 III 5 PBefG den Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV und ist entsprechend §§ 8 III 2, 13 IIa PBefG im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen. Damit ist er im Hinblick auf eine bestimmte Sachmaterie sowohl auf die Zukunft gerichtet und somit als sektoraler Fachplan anzusehen,312 als auch ein influenzierender Plan.313 Rechtliche Folgen sind mit dieser Zuordnung jedoch nicht verbunden.314 Obwohl dieses Ergebnis dogmatisch kaum zu befriedigen vermag, ist es bis zur Schaffung rechtlich eindeutiger Plantypen hinzunehmen. Zu konstatieren ist, dass trotz jahrzehntelanger gesetzlich vorgesehener Planungstätigkeit der öffentlichen Hand ein deutlicher wissenschaftlicher Nachholbedarf besteht. Dieser kann vorliegend jedoch nicht verringert werden, da andernfalls der Rahmen der Arbeit gesprengt würde. Gerade im Gewährleistungsstaat ist und bleibt Planung jedoch von großer Wichtigkeit, um die notwendigen Koordinierungen vornehmen zu können. Die Entwicklung einer Dogmatik der Planung, die nicht zuletzt auch dem Gesetzgeber ein Gerüst bei der Schaffung von planungsermächtigenden Normen wie § 8 III PBefG an die Hand geben und so zahlreiche Streitfragen beseitigen könnte, ist daher notwendiger denn je. 309 S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (20); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 91, 118. 310 E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453 (455); A. Welge, Der Städtetag 1996, 681 (683); dahingehend unter Bezeichnung als Rechtsinstrument auch A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 16. 311 Vgl. M. Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 4 f.; W. Schmitt Glaeser / E. König, JA 1980, 321, sprechen von einem „Theoriedefizit“. 312 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 80; dies. / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (20); K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 88; A. Welge, NZV 1994, 385 (391). S. Barth, ebd., A3 Rn. 75, ordnet den Nahverkehrsplan darüber hinaus unter Verweis auf die Ähnlichkeit zur Schulentwicklungs- und Krankenhausbedarfsplanung den Entwicklungs- und Bedarfsplänen zu. Zur Definition des Fachplans M. Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 6; W. Schmitt Glaeser / E. König, JA 1980, 321 (323). 313 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 78; E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 154. Als imperativen Plan bezeichnen ihn dagegen L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 126. 314 Die planerische Typisierung steht somit auf gleicher Stufe wie der Daseinsvorsorgebegriff oder die „Verantwortungsstufen“ der Verwaltung.

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(2) Zustandekommen § 8 III 2, 4 PBefG enthält einige grundlegende Bestimmungen über die Aufstellung des Nahverkehrsplans, auch wenn deren Regelung im Einzelnen dem Landesrecht obliegt, § 8 III 6 PBefG. Danach hat der Aufgabenträger den Nahverkehrsplan unter Mitwirkung der vorhandenen Unternehmer aufzustellen und, soweit vorhanden, Behindertenbeauftragte oder -beiräte315 anzuhören. Weitere verfahrensrechtliche Vorgaben enthält das PBefG nicht. Schon daran wird jedoch deutlich, dass die unternehmerorientierte Konzeption des früheren PBefG durch die Novellierung nur in geringen Maßen angetastet werden sollte. Zu untersuchen ist zunächst, welche Anforderungen das PBefG für die Aufstellung des Nahverkehrsplans durch den Aufgabenträger aufstellt. Nach § 8 III 2 PBefG hat dieser den Plan zu beschließen. Formal ist er damit ordnungsgemäß, wenn die Planinhalte von der zuständigen Beschlusskörperschaft durch einen einfachen Beschluss verabschiedet wurden.316 Problematisch, und vom PBefG nur im Hinblick auf die Beteiligung der vorhandenen Unternehmer geregelt, ist jedoch vor allem die Vorbereitung des Beschlusses. Für die Erstellung des Nahverkehrsplans ist wegen der damit verbundenen sachlichen Schwierigkeiten regelmäßig der Rückgriff auf externen Sachverstand notwendig.317 Die Heranziehung von Dritten ist daher regelmäßig der Fall.318 Grundsätzlich bestehen insoweit auch keine rechtlichen Bedenken.319 Es besteht allerdings wie stets bei der Vorbereitung von Entscheidungen das Problem ausreichender Distanz und Kontrolle.320 Die Gefahr des faktischen Verlusts der Sachherrschaft ist trotz der formalen Letztentscheidungsbefugnis des Aufgabenträgers nicht von der Hand zu weisen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Verkehrsunternehmen wegen des vorhandenen Fachwissens zur Vorbereitung des Nahverkehrsplans herangezogen wird.321 Nach der bestehenden Regelung ist jedoch selbst eine solche, durch offensichtliche Interessenkollisionen gekennzeichnete Ausgestaltung möglich, sofern daraus nicht sichtbare inhaltliche Fehler resultieren, vgl. § 8 III 2 PBefG.322 315 Deren konkrete Bestimmbarkeit wirft in der Praxis Probleme auf, vgl. S.-A. Küpper / B. Molly / Chr. Holz-Rau / W. Unbehaun, Der Nahverkehr 4 / 2003, 48 (54). 316 S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (20); J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (9). 317 E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (15). 318 In NRW wurden 26 von 56 untersuchten Nahverkehrsplänen federführend durch Planungsbüros oder Verbundgesellschaften erarbeitet, auch in den restlichen Fällen wurden Dritte regelmäßig herangezogen, A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 14 f. 319 R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 6. 320 M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 172. 321 R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 6 f., wollen die gesamte Erarbeitung des Nahverkehrsplans den Unternehmen übertragen. Teilweise geschieht dies auch. Nach A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 15, wurden 8 von 56 untersuchten Nahverkehrsplänen in NRW federführend durch kommunale Verkehrsunternehmen erarbeitet.

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Unabhängig von der Frage, inwieweit Verkehrsunternehmen federführend an der Erstellung des Nahverkehrsplans beteiligt sein dürfen, legt § 8 III 2 PBefG fest, dass dieser unter Mitwirkung der vorhandenen Unternehmer entstehen soll. Damit wird ein „Konzept der kooperativen Erstellung des Nahverkehrsplans“323 normiert. Sinn und Zweck der Unternehmerbeteiligung ist die institutionalisierte Interessenvertretung.324 Zugleich sind die Aufgabenträger aus sachlichen Gründen regelmäßig auf die Mitwirkung der Verkehrsunternehmen angewiesen.325 Nach dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutig ist jedoch, welche Unternehmer beteiligt werden sollen und wie diese Beteiligung zu erfolgen hat. Die an der Erstellung des Nahverkehrsplans zu beteiligenden Unternehmen bezeichnet § 8 III 2 PBefG als die vorhandenen Unternehmer. Eine nähere Bestimmung erfolgt nicht. Es liegt nahe, als die vorhandenen Unternehmer diejenigen anzusehen, die im fraglichen Gebiet über eine Linienkonzession verfügen.326 Nach anderer Auffassung sind wegen sonst drohender Ungleichbehandlungen alle interessierten Unternehmer zu beteiligen.327 Auch wenn die letztgenannte Ansicht für mehr Transparenz sorgt und Diskriminierungen unwahrscheinlicher macht, ist sie im Ergebnis abzulehnen. Zum einen ergibt sich ein methodisches Problem. Die Ausweitung des Wortsinns der vorhandenen auf sämtliche interessierten Unternehmer stößt an die Grenze des Wortlauts. Diese gegebenenfalls dehnendes vorrangiges Recht der EG besteht nicht, so dass eine entsprechende Auslegung kaum vertretbar erscheint. Zum anderen wäre der Kreis zu beteiligenden Unternehmen nicht mehr abgrenzbar. Insbesondere wäre es auch erforderlich, die Absicht der Aufstellung eines Nahverkehrsplans im Extremfall europaweit bekannt zu machen, um alle möglicherweise interessierten Unternehmen zu erreichen. Angesichts der fehlenden unmittelbaren Wirkung des Nahverkehrsplans im Genehmigungsverfahren 322 Im Ergebnis so H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 61; anders S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 93, wonach der Plan im Zweifel bei der materiellen Erstellung durch betroffene Unternehmer fehlerhaft und unbeachtlich sein soll. 323 B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (314). K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 67, spricht von einer „Verhandlungssituation“. 324 R. Maaß, Wettbewerb, S. 197; R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 6; A. Welge, Der Städtetag 1996, 71 (73). Ob insoweit eine wirksame Einschränkung auf eine „ausreichende“ Interessenvertretung gemacht werden kann, so B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (314), erscheint fraglich. 325 A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 15. Nach H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 65, sei ein frühzeitiges Zusammenwirken zwischen dem jeweiligen Aufgabenträger und den Verkehrsunternehmen im Interesse guter Planung und wirksamer Maßnahmen „dringend zu empfehlen“. 326 R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 8; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (110); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (24). 327 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 92; ähnlich G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 9.

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und dem damit verbundenen Aufwand erscheint dies zudem nicht sachgerecht. Eine Erweiterung des Begriffs der vorhandenen Unternehmer ist jedoch insofern angebracht, als darunter auch örtliche interessierte Unternehmer, die nicht über eine Konzession verfügen, zu fassen sind. So können insbesondere auch Subunternehmer von Konzessionsinhabern an der Erstellung des Nahverkehrsplans beteiligt werden. Da diese ohnehin an der Erbringung des ÖPNV beteiligt sind, sollten auch ihre Erfahrungen und Interessen Berücksichtigung finden. Eine diesbezügliche Institutionalisierung ist auch geeignet, eine versteckte Zementierung des örtlichen ÖPNV-Marktes zu verhindern, da so zumindest ansatzweise auch die Interessen von Nichtgenehmigungsinhabern in die Nahverkehrsplanung einfließen. Zwar können Diskriminierungen gerade wegen der häufig bestehenden Abhängigkeit der Subunternehmer von den Genehmigungsinhabern durch deren Beteiligung nicht völlig ausgeschlossen werden. Eine Verminderung der dahingehenden Gefahr ist jedoch erreichbar, insbesondere wenn, wie hier vorgeschlagen, neben den Subunternehmern auch andere örtliche Nahverkehrsunternehmer zu beteiligen sind. Für ein solches Verständnis spricht auch, dass anders als in § 14 I Nr. 1 PBefG gerade nicht auf die verkehrsdurchführenden Unternehmer abgestellt wird, sondern eine allgemeinere Bezeichnung gewählt wurde.328 Schwierig zu bestimmen ist schließlich der Grad der Beteiligung. Das Gesetz spricht insoweit von einer Mitwirkung. Üblicherweise wird der Terminus in einem mehrstufigen Verwaltungsverfahren als Oberbegriff zu Einvernehmen und Benehmen herangezogen.329 Ein Einvernehmen mit den Verkehrsunternehmen kann jedoch von § 8 III 2 PBefG nicht angestrebt werden,330 da dies im Falle der Beteiligung einer Vielzahl von Unternehmen schon wegen der intern bestehenden Interessengegensätze kaum erreichbar ist. Zudem widerspräche dies der gesetzlichen Anordnung, dass der Nahverkehrsplan vom Aufgabenträger zu beschließen ist. Dass diesem Beschluss ausschließlich formelle Wirkung zukommen sollte, lässt der Gesetzeswortlaut jedoch nicht erkennen. Zudem würde dadurch das Ziel der Stärkung der planerischen Befugnisse der Aufgabenträger konterkariert. Anwendungsfälle für § 13 IIa PBefG wären von vornherein ausgeschlossen. Die Erstellung der Nahverkehrspläne unter gegenüber dem Aufgabenträger gleichberechtigter Mitwirkung der vorhandenen ÖPNV-Unternehmer ist somit gesetzlich nicht gefordert.331 Andererseits bedeutet Mitwirkung mehr als eine bloße Anhörung.332 Der Begriff der Anhörung wird in der Gesetzessprache häufig verwen328 Andererseits spricht jedoch in anderem Zusammenhang § 13 II Nr. 2 lit. 1 PBefG von den „vorhandenen Verkehrsmitteln“. Die sprachliche Ungenauigkeit des Gesetzgebers tritt auch im PBefG zutage. Im Ergebnis wie hier Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 8 Rn. 7. 329 L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 119. 330 B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (314 f.); O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (23); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (109). 331 So aber R. Klink, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 45 (47); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 91.

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det. Hätte der Gesetzgeber die Rolle der Verkehrsunternehmen auf eine Anhörung beschränken wollen, hätte er dies ebenso wie in § 14 PBefG zum Ausdruck bringen können. Dass dies nicht geschehen ist, deutet auf eine aktivere Rolle der Verkehrsunternehmen zur Unterstützung des Aufgabenträgers bei der Erstellung des Nahverkehrsplans hin.333 Letztlich ist der Begriff der Mitwirkung nicht konkret fassbar. Er impliziert jedoch einen tatsächlichen Einfluss der Verkehrsunternehmen auf die Gestaltung des Nahverkehrsplans. Zu diesem Zweck sind sie frühzeitig in die Planungen einzubeziehen. Zudem hat der Aufgabenträger mit ihnen einen ausführlichen Dialog zu führen.334 Insbesondere müssen die seitens der Unternehmer vorgebrachten Argumente Berücksichtigung bei der Planaufstellung finden, sei es auch nur in einer begründeten ablehnenden Stellungnahme des Aufgabenträgers. (3) Inhalte Die inhaltsbezogen wichtigste Aussage im Hinblick auf den Nahverkehrsplan trifft § 8 III 5 PBefG. Danach bildet der Nahverkehrsplan den Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV. Konkretere Vorgaben finden sich in § 8 III 2, 3 PBefG. Nach diesen Bestimmungen hat der Nahverkehrsplan vorhandene Verkehrsstrukturen zu beachten, er darf nicht zu Ungleichbehandlungen von Unternehmern führen und hat in sowohl sachlicher als auch zeitlicher Hinsicht die Belange von Behinderten zu berücksichtigen. Weitere Vorgaben enthält das PBefG in Bezug auf den Inhalt des Nahverkehrsplans nicht. Dies gibt Anlass zu zahlreichen Streitigkeiten. Umstritten sind insbesondere die Kompetenz der Länder, die inhaltlichen Vorgaben zu erweitern, die zulässige Detailgenauigkeit eines Nahverkehrsplans und, eng damit verbunden, die notwendigen Mindestinhalte. Die Frage, ob den Ländern eine inhaltsbezogene Regelungskompetenz hinsichtlich des Nahverkehrsplans zukommt, wird vor allem durch die Formulierung des § 8 III 6 PBefG aufgeworfen. Danach wird den Ländern die Regelungsbefugnis für die Aufstellung des Nahverkehrsplans zugeordnet. Was jedoch unter der Aufstellung zu verstehen sei, bleibt offen. Der Begriff lässt sich jedoch sowohl verfahrensals auch inhaltsbezogen verstehen. Dementsprechend wird einerseits vertreten, 332 B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (314); O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (23); Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 8 Rn. 5; R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 7; M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 124; R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (23); anders S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 278; dies., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 92. 333 So wiederum aber auch S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 92. Eine Mitwirkungspflicht der Verkehrsunternehmen besteht jedoch nicht, R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 39. 334 O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (23); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (109); dahingehend auch M. Fey, NZV 1996, 132 (134).

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dass der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht habe, so dass inhaltliche Spielräume der Länder nicht bestünden.335 Eine andere Ansicht hält dagegen die Länder für die Regelung des Inhalts von Nahverkehrsplänen für zuständig.336 Bundesrechtlich sei allein ein Mindestgehalt festgeschrieben.337 Dies folge nicht zuletzt auch daraus, dass der jeweilige Nahverkehrsplan im Genehmigungsverfahren nur gemäß § 8 III 2 PBefG zu berücksichtigen sei.338 Für diese Ansicht spricht im Übrigen auch die Zielsetzung des Nahverkehrsplans, der den Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV vorgeben soll. Allein auf Grundlage der inhaltlichen Vorgaben des Bundesrechts erscheint dies kaum möglich. Letztlich können jedoch beide Ansichten nicht überzeugen, da sie die Einbindung des Nahverkehrsplans in das Genehmigungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigen. Wie bereits oben339 aufgezeigt, hat der Bundesgesetzgeber allein die Kompetenz zur Regelung des Verkehrsgewerberechts, nicht aber des ÖPNV einschließlich seiner Planung insgesamt. Dies bedeutet zugleich, dass sich auch die inhaltlichen Vorgaben des PBefG für den Nahverkehrsplan allein auf die bei der Genehmigung zu berücksichtigenden Aspekte beziehen und insoweit allerdings auch abschließend sind. Damit können die Länder durchaus weitere Gesichtspunkte in die Nahverkehrsplanung einbeziehen, ohne dafür ein eigenständiges planerisches Instrument schaffen zu müssen. Diese finden jedoch im Genehmigungsverfahren keine Berücksichtigung.340 Unabhängig von der Frage der Regelungsbefugnis der Länder lassen sich jedoch auch die im Genehmigungsverfahren bundesrechtlich zu berücksichtigenden Inhalte des Nahverkehrsplans nicht unproblematisch identifizieren. Durch den in 335 O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (22); R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 5; V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (14 ff.); H. Zuck, ÖPNVG, S. 58 f. 336 R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 8 S. 2a; A. Welge, NZV 1994, 385 (387). 337 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 74. 338 S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (20); E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453 (455). 339 G.II.2. b)bb), insbesondere Fußn. 299. 340 Entsprechend für über eine ausreichende Verkehrsbedienung hinausgehende Vorgaben B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (314); M. Fey, NZV 1996, 132 (137 f.); O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (20); im Ergebnis dahingehend auch R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (11 f.), der zwar einerseits eine Kompetenz der Länder zur Erweiterung des zulässigen Inhalts des Nahverkehrsplans über die Vorgaben des § 8 III PBefG hinaus ablehnt, andererseits aber unter Verweis auf § 1 BRegG eine Planungskompetenz für gemeinwirtschaftliche Verkehre bejaht. S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 56, sieht dementsprechend die Nahverkehrsplanaufstellung als Gegenstand des Sicherstellungsauftrags aus § 1 BRegG an. Nicht der Regelung durch einen Nahverkehrsplan zugänglich sind jedoch die bundesrechtlich normierten Fahrzeugstandards, Allgemeine Beförderungsbedingungen und die betriebliche Sicherheit, R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 15; V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (16); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (20 f.).

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§ 8 III 2 PBefG enthaltenen Verweis auf die Beachtung der vorhandenen Verkehrsstrukturen lässt sich zumindest entnehmen, dass die Planungen nicht losgelöst von der realen Situation erfolgen dürfen. Zumindest eine völlige Veränderung des Gesamtangebots dürfte, sofern nicht aus sachlichen Gründen zwingend erforderlich, nicht zulässig sein341 bzw. keine Berücksichtigung im Genehmigungsverfahren finden. Gemäß § 8 III 5 PBefG als entwicklungsbezogener Rahmenplan342 konzipiert, ist der Nahverkehrsplan zugleich auf Ausfüllung angelegt.343 Dies impliziert die Existenz von nennenswerten Gestaltungsspielräumen für die Verkehrsunternehmen.344 Zugleich ist zur Sicherstellung seiner Vollziehbarkeit ein gewisser Detaillierungsgrad unerlässlich.345 Grundsätzlich sind die Vorgaben jedoch auf konzeptionelle Aspekte zu beschränken.346 Detailregelungen sind zu vermeiden.347 Indem der Nahverkehrsplan zukunftsgerichtet das nahverkehrspolitische Konzept des Aufgabenträgers festlegt,348 muss er zugleich entwicklungsoffen sein. Die insoweit zu berücksichtigenden Ziele sind vielfältig, wenn auch der Gesetzestext die Belange der Behinderten besonders hervorhebt.349 Eine „umfassende Planungsbefugnis“350 als Gegengewicht zur finanziellen Unterstützung der Verkehrsunter341 Ob sich dem jedoch zwingend die Sicherstellung des Überlebens bewährter Linien entnehmen lässt, so R. Maaß, Wettbewerb, S. 196 f., erscheint fraglich. 342 Kritisch wegen des Fehlens von Abgrenzungskriterien S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 82. 343 C.D. Hermanns / D. Hönig, LKV 2002, 206 (208); S. Pützenbacher, NZV 1998, 104; K.-A. Sellmann, NVwZ 1995, 1167 (1168); ähnlich M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (48). 344 R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 10; V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (16). 345 B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (316); O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (21); M. Löw, Regionalisierung, S. 53; E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (13 f.). 346 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (105); W. Räpple, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 135 (136); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (17); dahingehend auf Grundlage des Planungsbegriffs auch Th. Dünchheim, VR 1997, 17 (18); V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (17); allgemein zur Wirkungsweise von Plänen W. Schmitt Glaeser / E. König, JA 1980, 321 (325 f.). 347 R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (12); ders. / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 32 f.; M. Fey, NZV 1996, 132 (134); V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13; anders auf Grundlage eines Umkehrschlusses aus der Gesetzesbegründung zu § 8 PBefG S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 83. Zu genaue Vorgaben führen ohnehin dazu, dass die Unternehmen nicht mehr um die Zufriedenheit der Nutzer, sondern der öffentlichen Hand konkurrieren, W.-H. Snethlage, Privatisierung durch Ausschreibungsverfahren, S. 322. 348 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 71 (75). 349 Verfolgt werden können verkehrliche, soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele, insbesondere etwa Fragen der Gleichberechtigung und des Schutzes der Familie, K. Vorgang, Der Landkreis 2001, 536 (537); J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 94. Es empfiehlt sich insbesondere, spezifisch örtliche Probleme bereits bei der Erarbeitung des Nahverkehrs zu berücksichtigen, da diese andernfalls autonom von der im Regelfall ortsfremden Genehmigungsbehörde gelöst werden müssen, Th. Dünchheim, VR 1997, 17 (20). 350 So A. Welge, Der Städtetag 1996, 681 (683).

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nehmen durch die Kommunen351 verleiht das noch immer deutlich unternehmerorientierte PBefG jedoch gerade nicht. Insbesondere ist der Nahverkehrplan nicht Teil des „Bestellerprinzips“.352 Er soll vielmehr eine eigenwirtschaftliche Entwicklung des ÖPNV ermöglichen und leiten, vgl. § 8 IV 1 PBefG. Wegen der zumindest mittelbar gegebenen Grundrechtsrelevanz darf der Nahverkehrsplan insbesondere keine die unternehmerische Freiheit erdrosselnde Tendenz haben.353 In jedem Falle notwendig ist jedoch eine Abstimmung mit anderen Planungen, die auf den ÖPNV einwirken bzw. die von diesem beeinflusst werden können.354 Ist der mögliche Detaillierungsgrad schon abstrakt kaum zu bestimmen, so gilt dies umso mehr für die praxiswichtigen konkreten Einzelvorgaben. Insoweit besteht zudem das Problem der Bestimmung des notwendigen Mindestinhalts. Beide Fragen lassen sich nicht klar voneinander trennen. In der häufig interessengeleiteten spezifischen Literatur werden gleiche Vorgaben des Nahverkehrsplans je nach Standpunkt entweder als notwendiger Mindestinhalt oder als Überschreitung der Regelungskompetenz gekennzeichnet. Im Folgenden soll nicht versucht werden, im Hinblick auf die zahlreichen denkbaren Einzelvorgaben jeweils eine „richtige“ Lösung zu erarbeiten. Dies ist letztlich die Aufgabe von Verwaltung und Rechtsprechung und würde im Hinblick auf die hier verfolgten Zwecke nicht zu einem Erkenntnisgewinn führen. Zudem handelt es sich dabei zumindest teilweise wegen der fehlenden unmittelbaren Rechtsverbindlichkeit des Nahverkehrsplans um eine Diskussion mit derzeit nur begrenztem praktischen Wert.355 Anhand einiger wichtiger, regelmäßig in der einschlägigen Literatur behandelter Aspekte soll daher allein ein grundlegender Überblick gegeben werden. Ansatzpunkt muss auch insoweit die gesetzliche Wertung sein, nach der der Nahverkehrsplan den Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV darstellt. Nach einer Ansicht sind daher alle Angaben zulässig, die von der Genehmigungsbehörde zu prüfende Merkmale der Linienverkehre betreffen, soweit sie durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sind und der jeweilige Aufgabenträger gegebenenfalls zur 351 352

E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (12). Th. Dünchheim, VR 1997, 17 (20); ähnlich V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13

(17). 353 Th. Dünchheim, VR 1997, 17 (19 f.); weitergehend im Hinblick auf Detailvorgaben R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (12); V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (14 f.). Nach J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (10), soll sich eine Genehmigungsbehörde, die ihrer Entscheidung einen zu detaillierten und in Kernbereiche der unternehmerischen Eigenverantwortung eingreifenden Nahverkehrsplan zugrunde legt, Ansprüchen wegen enteignungsgleichen Eingriffs aussetzen. Dies ist allerdings nur in Extremfällen denkbar. 354 K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 82 ff., führt insoweit Raumordnungs-, Bebauungs- und verschiedene Fachpläne an. Zum allgemeinen planungsrechtlichen Abstimmungsgebot siehe M. Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 11 ff. 355 Drastisch S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (21): „Scheinproblem“. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass die Genehmigungsbehörde auf Grundlage bestimmter Vorgaben des Nahverkehrsplans die Genehmigung versagt. Insoweit ist es durchaus von Bedeutung, inwieweit diese zulässig sind.

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Finanzierung bereitsteht.356 Eine sachliche Begrenzung ist damit faktisch nicht gegeben. Häufiger wird vertreten, dass der Kreis der zulässigen Rahmenvorgaben begrenzt ist. Im Nahverkehrsplan geregelt werden können danach die allgemeine Netzstruktur, die Bestimmung der Bereiche für schienen- und nichtschienengebundene Bedienung,357 daneben bestimmte Verknüpfungspunkte, eine Verpflichtung zur Abstimmung der Fahrpläne und die Möglichkeit der Einführung von Taktverkehren.358 Diese Vorgaben werden teilweise sogar als Mindestinhalt des Nahverkehrsplans angesehen.359 Details im Hinblick auf Tarif-, Betriebs- und Beförderungspflichten sollen jedoch ebenso ausgeschlossen sein,360 wie bezüglich der Kooperation der Unternehmen im Nahverkehr.361 Einigkeit besteht darüber, dass betriebswirtschaftliche Kennzahlen, durch die die Unternehmenswirtschaftlichkeit bestimmt wird, dagegen trotz des Ziels einer höheren Wirtschaftlichkeit im ÖPNV kein tauglicher Regelungsgegenstand des Nahverkehrsplans sind.362 Heftig umstritten ist insbesondere jedoch die Frage, ob und inwieweit der Nahverkehrsplan Vorgaben für einzelne Linien enthalten kann oder muss. Dass schon wegen des Linienbezugs der Genehmigung überhaupt Aussagen zur Netzgestaltung enthalten sein müssen,363 dürfte zwar weitgehend unstrittig sein. Während nach einer Ansicht jedoch im Nahverkehrsplan keine Linienfestlegungen erfolgen 356 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 84. 357 Die Schienengebundenheit bezieht sich jedoch nicht auf den SPNV, der nicht von der Planungskompetenz der Aufgabenträger erfasst ist, vgl. § 8 III 5, I 1 PBefG; diese Begrenzung hervorhebend auch E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (12). 358 O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (21); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (109); V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13; R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (22 f.). Voraussetzungen sind insoweit zugleich eine ÖPNV-Bestandsaufnahme, eine Verkehrsanalyse sowie eine Verkehrsprognose, Th. Muthesius, ebd., S. 108 f. 359 A. Jacob, LKV 1996, 262 (264); E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (14), führen insoweit das ÖPNV-Netz einschließlich der Erschließungs- und Bedienungsqualität, Verkehrskooperation, und allgemeine Tarifsystem- und Fahrplananforderungen an. 360 R. Batzill, in: BOU, Zukunft, S. 29 (34); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (107). 361 O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (22); R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 14; V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (16). Eine Beitrittspflicht zu einem Verbundsystem wird weitgehend abgelehnt, M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (50); O. Finkenbeiner, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 17 (21); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (108); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (21). Insbesondere bei eigenwirtschaftlichen Verkehren dürfe eine Einführung von Verbund- oder Kooperationstarifen ebensowenig wie diejenige bindender technischer Standards erfolgen, O. Finkenbeiner, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 17 (21); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 122; zu Kooperationen und daran zu stellende Anforderungen vgl. J. Werner, WiVerw 2001, 89 (108 ff.). 362 R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 15; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (108); V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (16 f.). 363 Ausdrücklich A. Welge, Der Städtetag 1996, 71 (72).

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dürfen,364 zumindest wegen der andernfalls tangierten, gesetzlich geschützten unternehmerischen Gestaltungsfreiheit nicht im Detail,365 lässt sich nach anderer Auffassung auch die Planung der Linienführung unter den Begriff der Rahmenplanung fassen, sofern unternehmerische Freiräume verbleiben.366 Teilweise wird die Linienführung sogar ebenso wie sonstige überaus konkrete Rahmenvorgaben für das Leistungsangebot, wie Betriebszeiten, Fahrpläne, Tarife, Fahrzeug- und Bedienungsstandards, neben der Notwendigkeit einer Verkehrsstromanalyse und -prognose sowie einer Investitionsplanung und dem Finanzbedarf als Mindestinhalt des Nahverkehrsplans angesehen.367 Eine grundsätzliche Übereinstimmung im Hinblick auf die notwendigen und zulässigen Vorgaben des Nahverkehrsplans wird sich, wie der Überblick über einige wichtige Streitfragen gezeigt hat, auf Grundlage des § 8 III PBefG gezeigt hat, nicht erreichen lassen. Es ist jedoch hervorzuheben, dass nach der gesetzlichen Konzeption die konkrete Planung, Organisation und Durchführung des ÖPNV eine unternehmerische Aufgabe ist.368 Zugleich soll den Aufgabenträgern jedoch eine effektive, zukunftsbezogene ÖPNV-Rahmenplanung ermöglicht werden. Zusätzlich wird die Integration des Nahverkehrs, wenn auch nicht mit unmittelbarem Bezug zum Nahverkehrsplan, normativ als zu erreichendes Ziel angesehen. Auf Grundlage dieser Zielvorgaben ist auch der Detaillierungsgrad des Nahverkehrsplans im Hinblick auf konkrete Aspekte zu bestimmen. Als Instrument dazu bietet sich das Prinzip der praktischen Konkordanz an, das insoweit zu modifizieren ist, als dass wegen der grundsätzlich bestehenden Gewerbefreiheit die (nahezu) vollständige Verdrängung der unternehmerischen Spielräume in keinem Fall erfolgen darf.369 Abhängig von den örtlichen Besonderheiten ist es jedoch denkbar, dass notwendige sehr detaillierte Vorgaben im Hinblick auf bestimmte Gesichtspunkte, etwa bezüglich der Linienführung wegen geografischer Zwänge, in anderen relevanten Bereichen, beispielsweise der Fahrplangestaltung, ausgeglichen werden können. Im Regelfall sollten die Vorgaben des Nahverkehrsplans aber stets Raum 364 M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (48); R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 12; V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13 (16). 365 O. Finkenbeiner, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 17 (20); ders., Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (21); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (107); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 122. 366 Th. Dünchheim, VR 1997, 17 (19). 367 A. Welge, NZV 1994, 385 (392); ders., Der Städtetag 1996, 71 (73); ablehnend auch bezüglich der übrigen Vorgaben die Vertreter der zuerst angeführten Meinung, vgl. R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (12); R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 13, in Bezug auf Detailaussagen zum Fahrplan und den Beförderungsentgelten. 368 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (105); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (17 f.); J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (9). 369 Insoweit finden auch die allgemeinen Grundsätze des Planungsermessens und des Abwägungsgebots Berücksichtigung, vgl. zu diesen M. Ronellenfitsch, Einführung in das Planungsrecht, S. 7 ff.

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für Konkretisierungen, und damit auch für Verkehrsverbesserungen, durch die Unternehmen lassen. Dies kann für die Linienführung eine Beschränkung auf die nicht straßenbezogene Vorgabe von Hauptbedienungsachsen, für die Kooperation die Setzung von positiven oder negativen Anreizen bedeuten. Letztlich folgt daraus, dass eine abstrakte Bestimmung des im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigenden Inhalts des Nahverkehrsplans nicht möglich ist. Allein den unternehmerischen Spielraum vollständig beseitigende Vorgaben sind zweifelsfrei unzulässig. Im Übrigen kommt der Genehmigungsbehörde die schwierige Aufgabe der Gesamtbewertung des Nahverkehrsplans zu, die sich an den vorgeschlagenen Grundsätzen orientieren sollte. (4) Allgemeine Wirkungen Die in § 8 III PBefG vor allem geregelten Wirkungen des Nahverkehrsplans beziehen sich gemäß der Reichweite der Bundeskompetenz allein auf das Genehmigungsverfahren. Ein nicht den Anforderungen der Vorschrift entsprechender Nahverkehrsplan ist darin unbeachtlich.370 Dies gilt insbesondere auch für zu detaillierte inhaltliche Vorgaben.371 Obwohl der Nahverkehrsplan grundsätzlich die Planung sowohl eigen- als auch gemeinwirtschaftlicher Verkehre ermöglicht,372 unterscheidet sich seine Wirkungsweise im Hinblick auf die unterschiedlichen Verkehrsarten. Die in § 8 III 2 PBefG vorgesehene Einwirkung auf das Genehmigungsverfahren findet ausschließlich bei eigenwirtschaftlichen Verkehren nach § 13 PBefG statt, da § 13a PBefG für gemeinwirtschaftliche Verkehre nicht auf die Übereinstimmung des zu genehmigenden Verkehrs mit den Vorgaben des Nahverkehrsplans abstellt. Aufgrund des dort festgelegten abschließenden Prüfungsprogramms läuft § 8 III 2 PBefG insoweit leer. Eine einheitliche Wirkung des Nahverkehrsplans im Genehmigungsverfahren ist somit nicht gegeben. Eine abstrakte Betrachtung verbietet sich daher insoweit.373 Unabhängig von den konkreten Wirkungen im Genehmigungsverfahren ist mit dem Nahverkehrsplan in der im PBefG vorgesehenen Form eine Vielzahl von Folgen verbunden. Auch wenn bundesrechtlich kein Zwang zur Aufstellung des Nah370 Vgl. B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (315); J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (9), mit Bezug zur Wettbewerbsneutralität. 371 R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (13); O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (22); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (106); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (19). Nach K.-A. Sellmann, NdsVBl. 1996, 121 (127), soll dagegen im Falle eines zu hohen Detaillierungsgrads der Nahverkehrsplan im Genehmigungsverfahren insgesamt unbeachtlich sein. Dem kann schon wegen der Unklarheiten im Hinblick auf notwendige und zulässige Vorgaben nicht gefolgt werden. 372 S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (20 f.). 373 Zu den Wirkungen bei der Genehmigung eigen- und gemeinwirtschaftlicher Verkehre siehe unten G.II.2. b)cc).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

verkehrsplans besteht und die Bestimmung der Aufgabenträger den Ländern überlassen bleibt, zwingt der Nahverkehrsplan zumindest faktisch die Kommunen zur Beschäftigung mit dem ÖPNV.374 Zugleich ermöglicht er eine effektive Einflussnahme auf diesen.375 Ihm kommt daher eine grundlegende Bedeutung für die gesamte ÖPNV-Konzeption im Gebiet des jeweiligen Aufgabenträgers zu.376 Als planerischer Rahmen des ÖPNV legt er dessen grundsätzliche Entwicklung, insbesondere im Rahmen der gesetzlichen Spielräume auch die Wettbewerbsintensität fest.377 In ihm können die öffentlichen Verkehrsinteressen positiv konkretisiert werden.378 Obwohl der Nahverkehrsplan nur eine mittelbare Bindung der Verkehrsunternehmen bewirkt,379 bildet er für diese ebenso wie für die Bürger als Nutzer und die Verwaltung eine gesicherte Planungskonzeption380 und kann so als Basis für die Angebotsplanung der Unternehmen dienen.381 Eine vom Nahverkehrsplan abweichende Entscheidung der Genehmigungsbehörde kann daher im Extremfall sogar einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen.382 In keinem Fall ist der Nahverkehrsplan ein Instrument zur Durchsetzung von Angebotsverbesserungen auf Kosten der Verkehrsunternehmen.383 Vielmehr vermittelt er diesen eine Grundlage ihrer Geschäftstätigkeit und legt ihnen die Interessen der Aufgabenträger offen. Dient der Nahverkehrsplan somit nicht nur dazu, den politischen Vorstellungen des Aufgabenträgers Eingang in das Genehmigungsverfahren zu verschaffen,384 so stellt sich nicht zuletzt aus Sicht der Unternehmen die Frage nach dessen Bindungswirkung und -dauer. Das Gesetz äußert sich in Bezug auf beide Aspekte nicht explizit. Indem der Nahverkehrsplan jedoch zukunftsgerichtet ist, ist eine regelE. Frenz, ZUR 1997, 1 (4). A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 23 f.; A. Welge, NZV 1994, 385 (391); ders., Der Städtetag 1996, 71 (73). 376 S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (18); weitergehend A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 11, der darin die Grundlage der ÖPNV-Angebotsgestaltung verankert sieht. 377 R. Maaß, Wettbewerb, S. 194; E. Recker, Der Landkreis 2001, 500. 378 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 175; ders., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 116. 379 R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 24; R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 3. 380 A. Welge, Der Städtetag 1996, 681 (683). 381 K. Vorgang, Der Landkreis 2001, 536 (537). 382 Weitergehend J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 175. 383 R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (13); dahingehend auch L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 120. Problematisch ist jedoch, dass eine Verbesserung des ÖPNV-Angebots nach Erfahrungswerten zu überproportional steigenden Kosten führt, Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (12). 384 R. Maaß, Wettbewerb, S. 174; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (140); A. Welge, NZV 1994, 385 (391). 374 375

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mäßige Aktualisierung unumgänglich. Sinnvoll und systemgerecht erscheint eine Anknüpfung an der maximalen Genehmigungsdauer für Omnibusverkehre nach § 16 II PBefG von acht Jahren.385 Wird die maximale Genehmigungsdauer ausgeschöpft, erfolgt die Folgegenehmigung stets unter Berücksichtigung der neueren Entwicklungen. Ein nach Ablauf dieser Zeit nicht überarbeiteter Nahverkehrsplan kann nicht mehr als ausreichend aktuell für die Berücksichtigung im Genehmigungsverfahren angesehen werden. In diesem Fall verliert der Aufgabenträger seinen Einfluss auf die Gestaltung eigenwirtschaftlicher Verkehre. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, inwieweit eine Selbstbindung des Aufgabenträgers an die Inhalte des Nahverkehrsplans gegeben ist. Dass eine Bindung insoweit besteht, als der Aufgabenträger einen bestehenden Nahverkehrsplan nicht ohne weiteres vollständig umstrukturieren kann, folgt schon daraus, dass dieser nicht nur der Sicherung und Verbesserung des ÖPNV, sondern auch dem Interessenausgleich mit den Verkehrsunternehmen dient.386 Bei grundsätzlichen Änderungen sind diese daher ebenso wie bei der Aufstellung zu beteiligen. Nicht entschieden ist damit jedoch, inwieweit der Aufgabenträger verpflichtet ist, auf die Planverwirklichung hinzuwirken. Verbreitet wird diesbezüglich vertreten, dass etwa im Genehmigungsverfahren wegen zu hoher Konkretisierung unbeachtliche Vorgaben des Nahverkehrsplans eine Bindungswirkung für den Aufgabenträger entfalten.387 Dies bedeutet, dass dieser, sofern die Vorgaben nicht durch eigenwirtschaftliche Verkehre erfüllt werden können, diese gemeinwirtschaftlich organisieren und insbesondere finanzieren muss. Dies stößt jedoch zum einen an die Grenze der Erfüllbarkeit, zum anderen berücksichtigt es nicht ausreichend die Charakterisierung des Nahverkehrsplans als Rahmen für die Entwicklung des ÖPNV in § 8 III 5 PBefG. Diese gilt auch im Hinblick auf den jeweiligen Aufgabenträger. Eine strenge Selbstbindung ist daher abzulehnen.388 Allerdings soll der Aufgabenträger auf die Verwirklichung der Vorgaben hinwirken. Dies gilt insbesondere für die in § 8 III 3 PBefG aufgeführten Belange der Förderung der Mobilität Behinderter im ÖPNV. Durch die besondere Hervorhebung bei gleichzeitiger Anordnung der Aufnahme zeitlicher Vorgaben und erforderlicher Maßnahmen in den Nahverkehrsplan kommt diesen eine gesteigerte Bindungswirkung zu. 385 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 146, im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG, NZV 1992, 165 (166), zum Verhältnis von tatsächlichen Verkehrsbedürfnissen und öffentlichen Verkehrsprogrammen. 386 M. Löw, Regionalisierung, S. 51; K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 88; V. Wente, Der Nahverkehr 9 / 1995, 13; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 118. 387 R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (13); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (111); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (19); für eine Selbstbindung auch BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (11); E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 160; H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 53; S. Pützenbacher, NZV 1998, 104 (106 f.). 388 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 79.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Als zusätzliches Planungsinstrument tritt der Nahverkehrsplan neben sonstige Planungen im ÖPNV. Insbesondere ersetzt der Nahverkehrsplan nicht das für Straßenbahnen nach § 28 PBefG erforderliche Planfeststellungsverfahren. Zusammenfassend lassen sich als wichtigste wirkungsbezogene Funktionen folgende Elemente des Nahverkehrsplans herausstellen. Indem er das ÖPNV-Konzept des Aufgabenträgers beinhaltet, bewirkt er eine entsprechende Steuerung sämtlicher im PBefG vorgesehenen Hauptakteure. Zugleich koordiniert und integriert er trotz fehlender unmittelbarer Wirkungen den Nahverkehr.389 Unabhängig von den konkreten Wirkungen bei eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren ermöglicht der Nahverkehrsplan somit eine geordnete Entwicklung des ÖPNV unter Beachtung sowohl öffentlicher Interessen als auch derjenigen der Unternehmen. cc) Bewerberauswahl Drittes, wenn auch nicht eigenständiges Instrument ist die Auswahl des leistungserbringenden Verkehrsunternehmens. Dieses ist der Genehmigung vorgeschaltet. Seine Ausgestaltung unterscheidet sich deutlich bei eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren. Die Genehmigungsvoraussetzungen weichen insoweit signifikant voneinander ab. Je nach Verkehrsart unterscheiden sich auch die Genehmigungsinhalte in einigen, allerdings bedeutsamen Details. Unterschiede bestehen schließlich im Hinblick auf das Zusammenspiel der beteiligten Akteure und die ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Instrumente. Die insoweit überaus unübersichtliche Rechtslage ist gekennzeichnet durch ein „Spannungsverhältnis zwischen Besitzstandswahrung und Marktöffnung“390. Demgemäß werden die bereits im Hinblick auf die Rolle der einzelnen Akteure und die Instrumente der Genehmigung und des Nahverkehrsplans bestehenden Streitigkeiten potenziert. In struktureller Hinsicht sind die im Folgenden untersuchten Fragestellungen von besonderer Bedeutung, da sie über die Organisation des ÖPNV-Marktes in Deutschland entscheiden. Hier entscheidet sich, ob das Konzept der Daseinsvorsorge im ÖPNV fortgeführt oder durch eine gewährleistungsstaatliche Organisationsform ersetzt wird. (1) Ziel: „ausreichende Verkehrsbedienung“ Sowohl bei eigen- als auch bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren ist das Ziel die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung, § 8 III 1, IV 3 PBefG. Konnte eine genaue Bestimmung dieses Begriffs im Rahmen der diesen ebenfalls enthaltenden VO 1191 / 69 zunächst unterbleiben, so ist sie nunmehr unumgänglich, da von dieser die Möglichkeit eigenwirtschaftlicher Verkehre maßgeblich 389 Ähnlich aber mit Abweichungen im Detail K. Strang, Nahverkehrspläne im Spannungsfeld, S. 88; ansatzweise auch J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8. 390 F. Roth, NVwZ 2001, 616 (617).

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abhängt. Schon wegen des in § 8 IV 3 PBefG enthaltenen Verweises auf die VO 1191 / 69 muss die Begriffsbestimmung für das PBefG einen Gleichklang mit der Begrifflichkeit der europäischen Regelung anstreben.391 Wegen der Unbestimmtheit des insoweit maßgeblichen Art. 3 VO 1191 / 69 ist jedoch die Übertragung eines feststehenden Begriffsinhalts ausgeschlossen. Damit kann das Verständnis des europarechtlichen Begriffs allenfalls eine Grenze für extreme Auslegungen bieten. Obwohl die Bestimmungen der maßgeblichen §§ 8 III, IV, 13 f. PBefG überaus umfangreich sind, lässt sich ihnen keine Definition der „ausreichenden Verkehrsbedienung“ entnehmen.392 Probleme stellen sich insbesondere im Hinblick auf die Qualität einer solchen sowie, damit eng zusammenhängend, auf die dafür entscheidende Perspektive. Eine Abgrenzung der ausreichenden Verkehrsbedienung ist sowohl gegenüber einer nicht ausreichenden als auch gegenüber einer mehr als ausreichenden Bedienung erforderlich. Ist im ersten Fall seitens der öffentlichen Hand eine Verbesserung anzustreben, ist das Bestehen (eigenwirtschaftlicher) Verkehre, die über eine ausreichende Verkehrsbedienung hinausgehen, grundsätzlich nicht bedenklich, da damit eine Verbesserung für die Nutzer verbunden ist.393 Dass das Gesetz in § 13 II Nr. 2 lit. a PBefG demgegenüber von einer befriedigenden Verkehrsbedienung spricht, deren Existenz bei eigenwirtschaftlichen Verkehren zu einer Genehmigungsversagung führt, bedeutet nicht, dass eine mehr als ausreichende Bedienung im ÖPNV per se unzulässig ist.394 Es besteht allein ein Vorrang einer 391 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 159; dies., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 37; BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (12); G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 12; R. Metz, in: W. Kolks, Verkehrswesen II, Rn. 590 ff.; anders R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 45 ff. 392 BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (11 f.); G. Hickmann, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 43 (50); K.-A. Sellmann, NVwZ 1995, 1167 (1170); H. Zuck, DÖV 1994, 941 (944). 393 Eine Ausnahme ist jedoch insoweit anzunehmen, als eigenwirtschaftliche Luxusverkehre in Konkurrenz zu eine ausreichende Verkehrsbedienung bietende Linien treten. An deren Aufrechterhaltung besteht ein öffentliches Interesse, das selbst die Versagung der Genehmigung konkurrierender ausreichender Verkehre rechtfertigt, R. Maaß, Wettbewerb, S. 192 f. Gemeinwirtschaftliche Luxusverkehre sind schon wegen des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes ausgeschlossen, vgl. § 13a I 1 PBefG. 394 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 159; dies., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 39; M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 110 f.; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 92; ders., ZUR 1997, 12 (13); anders L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 90; H. Zuck, DÖV 1994, 941 (944), welche die Begriffsverwendung faktisch mit Schulnoten gleichsetzen und eine befriedigende Verkehrsbedienung als Obergrenze ansehen. Dies steht jedoch weder mit der Zielrichtung des PBefG im ÖPNV noch mit der grundsätzlich bestehenden unternehmerischen Freiheit in Einklang.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

insgesamt ausreichenden gegenüber einer punktuell mehr als ausreichenden Verkehrsbedienung. Keinesfalls soll das PBefG aber eine Angebotsverbesserung im gesamten ÖPNV verhindern oder gar eine Verschlechterung bewirken. Schwieriger und wegen der sonst grundsätzlich notwendigen gemeinwirtschaftlichen Verkehre von deutlich höherer Bedeutung ist die Frage der Abgrenzung gegenüber nicht mehr ausreichenden Verkehren, also gleichsam „nach unten“. Insoweit werden weitgehende Ansichten vertreten, bei deren Durchsetzung mehr als ausreichende Verkehre kaum noch denkbar sind. So soll das ÖPNV-Angebot nur dann als ausreichend angesehen werden können, wenn es flächendeckend eine gleichwertige Alternative zum MIV darstellt und so einen Beitrag zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse leistet. Dabei sei eine abstrakte Bestimmbarkeit nicht gegeben. Der insoweit notwendige Versorgungsgrad sei vielmehr abhängig vom jeweils aktuellen Versorgungsbedürfnis der Bevölkerung, das wiederum nach dem allgemeinen Lebensstandard zu bestimmen sei.395 In dieser Ansicht wird die Zuordnung des ÖPNV zur Daseinsvorsorge offensichtlich.396 Nach anderer Auffassung ist eine Verkehrsbedienung nicht ausreichend, wenn sie auf vielfache Weise optimierbar ist, dies der Umsetzung sozialer, umweltpolitischer, landesplanerischer Ziele dient und sich dabei in die Vorgaben des Art. 3 II VO 1191 / 69 einfügt.397 Eine Optimierbarkeit des ÖPNV dürfte jedoch nahezu stets zu begründen sein. Die zweite Voraussetzung dagegen verweist auf die überaus problematische Bestimmung der Sichtweise, die der Festlegung einer ausreichenden Verkehrsbedienung zu Grunde zu legen ist. Nach einer Ansicht zeichnet sich eine ausreichende Verkehrsbedienung durch eine Ausrichtung an den Verkehrsbedürfnissen der Bevölkerung aus.398 Entscheidend sei somit die Nachfrage, nicht der Nahverkehrsplan und sonstige verkehrspolitische Vorstellungen des Aufgabenträgers, wenn auch das Wirtschaftlichkeitsgebot Beachtung finden müsse.399 Insbesondere in Verkehrsrandbereichen und zu Schwachverkehrszeiten müsse eine Bedürfnisorientierung des Angebotes, etwa durch den Einsatz flexibler Bedienungsweisen sowie eine stärkere Marktöffnung bei der Genehmigungserteilung, erreicht werden.400 Ob eine ausreichende Verkehrsbedienung vorliege, sei daher uneingeschränkt gerichtlich nachprüfbar.401 395 M. Ronellenfitsch, in: R. Hrbek / M. Nettesheim, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S. 89 (94). 396 Vgl. nochmals die allgemeine Begriffsbestimmung oben A.III.1. 397 H. Zuck, DÖV 1994, 941 (944). 398 U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 35. 399 R. Batzill, in: BOU, Zukunft, S. 29 (32); M. Fey, NZV 1996, 132 (134); Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (980); R. Maaß, Wettbewerb, S. 191; Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (94); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 90; J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (10). 400 R. Maaß, Wettbewerb, S. 192. 401 K.-A. Sellmann, NVwZ 1995, 1167 (1170); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 97.

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Gegen diese Auffassung wird zutreffend vorgetragen, dass zum einen eine marktwirksame ÖPNV-Nachfrage nicht existiert und zum anderen landesplanerische Aspekte nicht einfließen können.402 Wie auch Umweltgesichtspunkte müssten diese jedoch neben wirtschaftlichen und sozialen Überlegungen Auswirkungen auf eine ausreichende Verkehrsbedienung haben.403 Die Notwendigkeit der Berücksichtigung entsprechender Zielsetzungen folgt aus dem nationalen Recht404 und wird in den Art. 1 IV, 3 II lit. a VO 1191 / 69 anerkannt. Die Festlegung der ausreichenden Verkehrsbedienung obliege daher dem Aufgabenträger insbesondere im Nahverkehrsplan und der Genehmigungsbehörde,405 die insoweit prognosebedingt über einen gerichtlich nur begrenzt überprüfbaren Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum verfügen.406 Keine der Ansichten vermag völlig zu überzeugen. Birgt eine angebotsorientierte Bestimmung der ausreichenden Verkehrsbedienung die Gefahr der politischen Überlastung in sich,407 ist ein Abstellen allein auf die Nachfrage faktisch unmöglich, da sich Angebot und Nachfrage im ÖPNV gegenseitig bedingen.408 Eine ausreichende Verkehrsbedienung kann daher nur anhand angebots- und nachfrageorientierter Elemente bestimmt werden.409 In der Praxis bedeutet dies, dass die Nachfrage aus Sicht insbesondere des Aufgabenträgers entscheidend ist.410 Soweit möglich sollte dabei die Nachfrageseite über ihre Präferenzen befragt werden. Die dabei erzielten Antworten müssen tatsächlich Eingang in die Nahverkehrsplanung als Grundlage der Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre bzw. der Vergabe oder Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verkehre finden. Sowohl aus Anbieter- als auch aus Nachfragersicht stellen jedoch Kontinuität, Regelmäßigkeit, 402 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 95 f.; wohl auch K. Druba, ÖPNVG, S. 10; diesen Einwand sieht auch J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (11), der daraus schlussfolgert, eine gewisse Angebotsleistung müsse deshalb schon vorhanden sein. 403 BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (12); A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 16; H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 50. 404 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 93, verweist etwa auf §§ 5 IV, 4 V ROG. 405 G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (154); E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453 (454); J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (11). 406 BVerwGE 79, 208 (213 f.); 82, 260 (265); S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 40; dies. / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (25). 407 J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (11), befürchtet eine beliebige Verschiebung der Grenze nach oben und eine damit verbundene Erschwerung eigenwirtschaftlicher Erbringung von Verkehren. L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 120, weisen zudem darauf hin, dass angebotsorientierte ÖPNV-Konzepte nicht geeignet seien, die Interessen der Unternehmen angemessen zu berücksichtigen. 408 J. Werner, ZUR 1997, 12 (15). 409 BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (12). 410 H. Zuck, DÖV 1994, 941 (944); ders., ÖPNVG, S. 36; ähnlich S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 166 f., die auf eine potentielle Nachfrage an Beförderungsleistungen abstellt; R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (12).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Leistungsfähigkeit und Qualität der Verkehrsbedienung Aspekte einer ausreichenden Bedienung dar.411 Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass eine ausreichende Verkehrsbedienung die vom PBefG geforderte Mindestbedienung im ÖPNV ist. Um sie zu erreichen, können eigenwirtschaftliche und, sofern dies nicht möglich ist, gemeinwirtschaftliche Verkehre eingesetzt werden. Über eine ausreichende Verkehrsbedienung hinausgehende Verkehre sind ergänzend zulässig, dürfen aber ihrerseits keine negativen Rückwirkungen auf die zur Erreichung einer ausreichenden Verkehrsbedienung erforderlichen Verkehre haben. Materiell richtet sich die ausreichende Verkehrsbedienung nach dem aktuellen Verkehrsbedürfnis der Gesamtheit der Nutzer, das jedoch mangels Alternativen vor allem von den Aufgabenträgern zu ermitteln ist, denen insoweit auch prognostische Spielräume zustehen. Daneben fließen in die ausreichende Verkehrsbedienung insbesondere landesplanerische und ökologische Aspekte ein. Damit wird sie im Einzelfall politisch auf Grundlage der tatsächlichen allgemeinen Verkehrsnachfrage bestimmt. Sicherzustellen ist somit nicht eine optimale, sondern eine Grundversorgung mit ÖPNV-Leistungen. (2) Eigenwirtschaftliche Verkehre Mit der Reform des PBefG wurde die Unterscheidung zwischen eigen- und gemeinwirtschaftlichen Verkehren eingeführt. Die Organisation beider Bereich weist deutliche Unterschiede auf. Während gemeinwirtschaftliche Verkehre in erster Linie durch das EG-Recht geregelt werden, trifft dies für eigenwirtschaftliche Verkehre nicht zu.412 Die insoweit bestehenden Vorschriften sind autonomes nationales Recht, das allein die primärrechtlichen Grundlagen beachten muss. Sie knüpfen deutlich erkennbar an der vorreformatorischen Fassung des PBefG an.413 Obwohl das PBefG beide Formen der Erbringung von Verkehrsleistungen vorsieht, präferiert es gemäß § 8 IV 1 PBefG klar die Eigenwirtschaftlichkeit. Obwohl „in offenem Widerspruch zur Realität“ 414, stellt die Eigenwirtschaftlichkeit im ÖPNV daher den Regelfall dar.415 Nach der Konzeption des Gesetzes obliegt die Entscheidung über die Eigen- oder Gemeinwirtschaftlichkeit zu genehmigender J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (11). M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (29). 413 So wurde der seitens der Kommunen bestehende Wunsch nach einer höheren Wettbewerbsintensität nicht verwirklicht, vgl. E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453 (454). 414 G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (149 Anm. 9); siehe auch oben E.II. 415 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 101; R. Batzill, in: BOU, Zukunft, S. 29; BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (12); Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (979); C.D. Hermanns / D. Hönig, LKV 2002, 206 (209); R. Maaß, Wettbewerb, S. 175; Th. Muthesius, in: H. Brede, Wettbewerb in Europa, S. 119 (122); S.H. Vogt, Der Nahverkehr 4 / 1993, 9 (10); J. Werner, ZUR 1997, 12; H. Zuck, DÖV 1994, 941 (942). 411 412

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Linien416 insbesondere dem Unternehmer, der sich entscheiden muss, ob er einen Antrag nach § 13 PBefG stellen oder eine Initiative des Aufgabenträgers abwarten will.417 Da § 8 IV 1 PBefG jedoch keinen Rechtsanspruch auf die Möglichkeit der eigenwirtschaftlichen Erbringung von ÖPNV-Leistungen beinhaltet418 und die Frage nach der Eigen- oder Gemeinwirtschaftlichkeit letztlich objektiv anhand finanzieller Kriterien zu beantworten ist, besteht dieses Wahlrecht nur theoretisch.419 Die Unterscheidung von Eigen- und Gemeinwirtschaftlichkeit ist jedoch wegen der unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltung von enormer Bedeutung. Insbesondere das hohe finanzielle Engagement der öffentlichen Hand im ÖPNV wird daher zur „zentralen Frage des öffentlichen Verkehrsrechts“420. Im Folgenden soll daher zunächst Klarheit über den Begriff der Eigenwirtschaftlichkeit als entscheidende Weichenstellung gewonnen werden, um im Anschluss auf die Voraussetzungen der Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre und ihre besonderen Folgen, die vor allem bei der Frage nach der Wiedererteilung zutage treten, einzugehen. (a) Der Begriff „Eigenwirtschaftlichkeit“ Nach der Legaldefinition des § 8 IV 2 PBefG sind Verkehrsleistungen eigenwirtschaftlich, „deren Aufwand gedeckt wird durch Beförderungserlöse, Erträge aus gesetzlichen Ausgleichs- und Erstattungsregelungen im Tarif- und Fahrplanbereich sowie sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne.“ Diese Definition des in diesem Zusammenhang neu in das PBefG aufgenommenen, im Übrigen relativ ungebräuchlichen Eigenwirtschaftlichkeitsbegriffs421 wird als deutlich von einem marktwirtschaftlich geprägten Begriffverständnis abweichend kritisiert422 416 J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 146; will dagegen auf Teilnetze abstellen. Eine Netzgenehmigung existiert im PBefG jedoch nicht. Auch die Linienbündelung nach § 9 II PBefG stellt keine solche dar, vgl. oben G.II.2. b)aa). 417 R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (14); M. Fey, NZV 1996, 132 (136); G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13 PBefG Rn. 1a; E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 162; H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 52; M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (140). Nach Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (96), muss eine wirtschaftlich begründete Überlegung des Unternehmers für die letztendliche Einstufung eines Verkehrs als eigen- oder gemeinwirtschaftlich entscheidend sein. 418 Dies hebt zutreffend Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (980), hervor. 419 F. Berschin, ZUR 1997, 4 (9), kennzeichnet es als vermeintliches Wahlrecht; ähnlich S. Karnop, DVBl. 2004, 160 (163). 420 K.-A. Sellmann / E. Sellmann, DVBl. 2003, 358 (362). 421 Der Begriff wurde zuvor nur im Rahmen von § 39 II PBefG verwendet, wo er mit Kostendeckung gleichzusetzen ist, die nach den Grundsätzen der Betriebsbuchhaltung zu ermitteln ist. In der Betriebswirtschaftslehre ist der Begrif der Eigenwirtschaftlichkeit nicht gebräuchlich, H. Zuck, DÖV 1994, 941 (943). 422 E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 97; Chr. Heinze, DÖV 1996, 977; U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 35; ähnlich H.-J. Ewers / G. Ilg-

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

und wirft Schwierigkeiten bei ihrer Auslegung auf.423 Ziel der weiten Fassung des § 8 IV 2 PBefG war zur Sicherung des Vorrangs vor der gemeinwirtschaftlichen Leistungserbringung424 die Schaffung eines großen Bereichs der Eigenwirtschaftlichkeit.425 Eigenwirtschaftlichkeit ist demnach gegeben, wenn sich der Verkehr selbst trägt, das Unternehmen also mit Gewinn abschließt.426 Wie dieser zustande kommt, ist nach der Begrifflichkeit des PBefG weitgehend unerheblich. Durch die an erster Stelle genannten Fahrgeldeinnahmen können Gewinne nur in seltenen Ausnahmefällen erzielt werden, da im Regelfall nicht einmal eine annähende Kostendeckung erreicht wird. Eigenwirtschaftlichkeit kann daher nur mit Hilfe erheblicher öffentlicher Fördermittel hergestellt werden,427 was in der Praxis auch geschieht.428 § 8 IV 2 PBefG nennt insoweit zuerst Erstattungs- und Ausgleichszahlungen im Tarif- und Fahrplanbereich. Diese werden mit Einnahmen gleichgesetzt. Erfasst sind davon insbesondere Zahlungen für die Durchführung des nicht kostendeckenden Schülerverkehrs nach § 45a PBefG sowie für die unentgeltliche Beförderung von Schwerbehinderten gemäß §§ 145 III, 148 SGB IX.429 Auch Zahlungen, die kooperationsbedingt erfolgen, führen nicht zur Gemeinwirtschaftlichkeit.430 Die „Wunderwaffe“ zur Herstellung der Eigenwirtschaftlichkeit und damit zugleich zur Aufrechterhaltung der überkommenen Organisation des ÖPNV ist jedoch die Bezugnahme auf „sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne“. Durch diese wollte der Gesetzgeber die „herkömmlichen Einnahmeformen mann, Wettbewerb im ÖPNV, S. 24 f.; M. Baltes / D. Bayer / P. Hofmann, Der Nahverkehr 11 / 1994, 18 (20); R. Maaß, Wettbewerb, S. 172, sprechen von einer Neudefinition. 423 Dies führt in der Praxis zu Rechtsstreitigkeiten, vgl. Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (98). 424 U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 35. 425 M. Baltes / D. Bayer / P. Hofmann, Der Nahverkehr 11 / 1994, 18 (20); R. Maaß, Wettbewerb, S. 183. 426 BVerfGE 42, 191 (204); R. Maaß, Wettbewerb, S. 180; J. Werner / Chr. Schaaffkamp, in: J. Libbe / S. Tomerius / J.H. Trapp, Liberalisierung und Privatisierung kommunaler Aufgabenerfüllung, S. 127 (137). 427 G. Hickmann, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 43 (47). 428 Gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen sind daher trotz der „eingefahrenen“ Verluste selten, M. Löw, Regionalisierung, S. 47; R. Maaß, Wettbewerb, S. 183. 429 E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 163; Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 8 Rn. 9; S. Meyer, DVBl. 1999, 1409 (1410); M. Otto, Die öffentliche Finanzierung und die Genehmigung des ÖPNV, S. 128; M.J. Werner, ZEuS 6 (2003), S. 309 (318). Da diese Zahlungen in der gesetzlich vorgegebenen Höhe allen zugute kommen, die entsprechende Vekehrsleistungen durchführen, bestehen gegen die Regelung aus wettbewerblicher Sicht keine Bedenken, F. Berschin, ZUR 1997, 4 (5); R. Maaß, Wettbewerb, S. 181. 430 BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (12). Dementsprechend ist insbesondere eine Ausschreibung nicht erforderlich, R. Bauer, Nahverkehrspraxis 11 / 1999, 34; H. Bidinger, NZV 1994, 209 (213).

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der Unternehmen“431 sicherstellen und ein „juristische(s) Schlupfloch“432 schaffen. Ziel war somit letztlich die Verhinderung gemeinwirtschaftlicher Verkehre, die dem wettbewerblich geprägten Europarecht zu unterwerfen wären. Nicht zu Unrecht ist die Bezeichnung als „kryptisch“433 gekennzeichnet worden. Dies gilt umso mehr, als der Verweis in das Handelsrecht wenig weiterführend ist. Zwar kennt dieses in den §§ 275 II Nr. 4, III Nr. 6, 277 III 2, IV HGB ähnliche Bezeichnungen.434 Die Vorschriften sind jedoch Teil des Bilanzrechts. Sie zielen daher allein auf die Herstellung der Bilanzwahrheit durch die Aufführung sämtlicher, auch ungewöhnlicher und sonst bilanztechnisch nicht zuzuordnender Einnahmen eines Unternehmens, treffen aber keinerlei Aussagen in materieller Hinsicht. Eine Übertragung auf das Personenbeförderungsrecht in Bezug auf die Frage der Eigen- oder Gemeinwirtschaftlichkeit ist daher nicht möglich.435 Der Begriff der sonstigen Unternehmenserträge in § 8 IV 2 PBefG ist daher eigenständig zu bestimmen. In Übereinstimmung mit dem Willen des Gesetzgebers nimmt die überwiegende Ansicht eine weite Auslegung vor.436 Erfasst sein sollen demnach etwa vertragliche Zahlungen, auch des Aufgabenträgers, vereinnahmte gesellschaftsrechtliche Einnahmen und sonstige Erträge aus Verlustübernahmen und verlustunabhängigen Zuschüssen sowie Querverbundsvorteile.437 Unabhängig von der Frage der Europarechtskonformität eines solchen Verständnisses,438 wird diese Auslegung im Einzelnen bestritten. Abgelehnt wird etwa eine Erstreckung des Begriffs der sonstigen Unternehmenserträge im Hinblick auf Verlustübernahmen und Restdefizitausgleiche 439 sowie Subventionen,440 da andernfalls eine Ab-

BT-Drucks. 12 / 6269 S. 143. G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (159). 433 G. Spuller, LKV 2001, 25 (26). 434 A. Bühner, in: B. Fabry / U. Augsten, Handbuch Unternehmen der öffentlichen Hand, S. 613; E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 85, weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass die in § 8 IV 2 PBefG enthaltene Begrifflichkeit dagegen nicht existiert. 435 Ähnlich Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (978). 436 BVerwG, DVBl. 2000, 1617 (1618 f.); M. Fey, NZV 1996, 132 (133); M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (143); ders., in: Chr. Parak / D. Unfried, Personennahverkehr, Nr. 14 S. 1 (1 f.). 437 Vgl. M. Baltes / D. Bayer / P. Hofmann, Der Nahverkehr 11 / 1994, 18 (20); R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (13); J. Hoffstadt, in: VDV, Busse+Bahnen, S. 83 (87); W. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7 (11); Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (94); ders., in: H. Brede, Wettbewerb in Europa, S. 119 (122); W. Will, ZögU 24 (2001), S. 92 (95). 438 Dazu unten G.II.4. b). 439 A. Freitag / A. Saxinger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2002, 25; Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (979), der jedoch, S. 982, darauf hinweist, dass der Gesellschaftsvertrag bei kommunalen Eigengesellschaften kein Vertrag über Verkehrsleistungen sei; ebenso für Ausgleichszahlungen aus anderen Unternehmensbereichen H. Zuck, DÖV 1994, 941 (945). 440 S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 341; M.J. Werner, ZEuS 6 (2003), S. 309 (319); ähnlich U. Hösch, GewArch 2001, 223 (225); bezogen auf vertragliche Betriebskosten- und sonstige öffentliche Zuschüsse H. Zuck, DÖV 1994, 941 (944). E. Recker, Der Landkreis 431 432

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grenzung zur Gemeinwirtschaftlichkeit nicht mehr möglich sei.441 Grundsätzlich führen Zahlungen aus der öffentlichen Hand zustehenden Mitteln jedoch nicht automatisch zur Gemeinwirtschaftlichkeit.442 Ob ein beantragter Verkehr tatsächlich eigenwirtschaftlich erbracht wird, hat die Genehmigungsbehörde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von Amts wegen zu prüfen, vgl. § 24 VwVfG.443 Auf Grundlage von § 8 IV 2 PBefG erscheint es jedoch kaum möglich, dass die Genehmigung für einen als eigenwirtschaftlich beantragten Verkehr wegen Gemeinwirtschaftlichkeit abgelehnt wird. Eine erhöhte finanzielle „Gefahr“ für die öffentliche Hand, dass die Forderung nach Eigenwirtschaftlichkeit in § 8 IV 1 PBefG die Verkehrsunternehmen veranlasst, unwirtschaftliche Teilbereiche als gemeinwirtschaftlich zu deklarieren,444 ist sowohl wegen des durch den weiten Eigenwirtschaftlichkeitsbegriff ermöglichten Andauerns des finanziellen Engagements dieser als auch wegen der damit verbundenen Verschlechterung der Position der Unternehmen ebenso von der Hand zu weisen. Die weite Definition der Eigenwirtschaftlichkeit im reformierten PBefG führt letztlich dazu, dass Veränderungen der Organisationsstruktur des ÖPNV zwar ermöglicht, nicht aber nicht zwingend erforderlich werden. (b) Genehmigungsvoraussetzungen und -folgen Die Voraussetzungen der Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung eines eigenwirtschaftlichen Verkehrs sind in § 13 PBefG geregelt. Sie entsprechen grundsätzlich den Genehmigungsvoraussetzungen nach der vorherigen Rechtslage. Unverändert ist zwischen der erstmaligen und einer Folgegenehmigung zu unterscheiden. Wegen ihres engen Zusammenhangs werden im Folgenden beide gemeinsam behandelt, wobei auf die bestehenden Unterschiede hingewiesen wird. Ein Schwerpunkt der folgenden Ausführungen ist jedoch auf die eingeführten Neuerungen zu legen. Diese betreffen insbesondere die Wirkungsweise des Nahverkehrsplans.

2001, 500 (506), spricht sich dafür aus, dass nur Fahrgeldersatzzahlungen in die Eigenwirtschaftlichkeitsbestimmung einfließen dürften. 441 Kritisch im Hinblick auf die Abgrenzbarkeit überhaupt A. Endlein / H.-H. Becker-Birck, Der Landkreis 2001, 489 (490). 442 Auch Zahlungen auf Grundlage des GVFG und sonstige Investitionsfördermittel sollen die Eigenwirtschaftlichkeit nicht berühren, H. Zuck, DÖV 1994, 941 (943). 443 Mit Bezug zum EG-Recht S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 242; W. Dippel / A. Wilhelm, WiVerw 2001, 120 (132); J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 65. 444 So D. Schade, in: M. Herrmann, ÖPNV: Luxus oder Sparmodell?, S. 3 (5).

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(aa) Objektive und subjektive Elemente Unverändert statuiert § 13 I PBefG, dass eine Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebs gewährleistet sind, der Antragsteller zuverlässig und fachlich geeignet ist,445 wobei diese Voraussetzungen bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 13 VI PBefG vorliegen.446 Nicht angetastet wurden auch die auf objektiven Umständen beruhenden und bereits als innovationsfeindlich kritisierten447 Versagungsgründe nach § 13 II PBefG. Neben der Versagung wegen ungeeigneter Verkehrswege, Nr. 1, ist nach wie vor eine Versagung wegen der Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsinteressen möglich, Nr. 2, welche insbesondere gegeben ist, wenn der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend448 bedient werden kann, lit. a, er nicht zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber bereits vorhandener Verkehre führt, lit. b, oder, lit. c, die vorhandenen Unternehmer oder Eisenbahnen zu einer Ausgestaltung ihrer ÖPNV-Verkehre449 unter den Voraussetzungen des § 8 III PBefG bereit sind. Der neu bei der Ausgestaltung eingeführte Verweis auf § 8 III will insbesondere eine Einbindung ausgestaltender Verkehre in Kooperationen und eine Abstimmung mit dem jeweiligen Nahverkehrsplan erreichen. Daneben 445 Die Sicherheit ist gegeben, wenn die Unternehmerperson erwarten lässt, dass Fahrzeuge und Betriebseinrichtungen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften vorgehalten und eingesetzt werden; mit Leistungsfähigkeit ist die finanzielle Leistungsfähigkeit gemeint. Nach dem Wortlaut des § 13 I Nr. 2 PBefG wird die Zuverlässigkeit des Unternehmers grundsätzlich unterstellt, L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 93 f.; ausführlich zu den subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 8 S. 4 ff.; Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 13 Rn. 3 ff.; vgl. dazu ergänzend ZugVO-PBefG, BGBl. (1991) I S. 896. Wie diese ergänzen auch die technischen Regelwerke BOStrab, BGBl. (1987) I S. 2648 / (1990) I S. 2106, und BOKraft, BGBl. (1989) I S. 1273 / BGBl. (1993) I S. 2378, 2420, nach wie vor die Regelungen des PBefG. 446 G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 1 PBZugV Rn. 6, § 2 PBZugV Rn. 9, sehen darin einen Verstoß gegen Art. 5 RL 96 / 26 / EG, ABl. 1996 L 124 / 1, i.d.F. RL 98 / 76 / EG, ABl. 1998 L 277 / 17. 447 D. Meyer, ZögU 24 (2001), S. 53 (64). 448 Auch wenn dies grundsätzlich objektiv zu beurteilen ist, L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 96, stellt sich die Frage nach der Perspektive, vgl. OVG Lüneburg, VRS 42, 457; G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13 PBefG Rn. 7, die auf die Sicht der Nachfrager abstellen. Insoweit stellt sich jedoch das gleiche Problem wie bei der Bestimmung der ausreichenden Verkehsbedienung, siehe oben G.II.2. b)cc)(1); ausführlich dazu R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 41 ff. 449 Davon zu unterscheiden ist die Umgestaltung, die eine wesentliche Veränderung des Liniennetzes beinhaltet, L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 97; J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 174; ders., in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 113; die Notwendigkeit der Unterscheidung hebt auch H. Zuck, Auswahl- und Verteilungsentscheidungen beim Bewerberüberhang, S. 90, hervor. Eine Ausgestaltung liegt jedoch auch dann vor, wenn die zusätzliche Leistung für den Unternehmer verlustbringend ist, sofern die Eigenwirtschaftlichkeit insgesamt nicht berührt wird, dahingehend H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (44); wohl auch E. Recker, Der Landkreis 2001, 500.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

spielt auch das Kriterium der Kostengünstigkeit eine Rolle.450 Neu hinzugekommen ist § 13 IIa PBefG, nach dem eine Versagung möglich ist, wenn der beantragte Verkehr nicht in Einklang mit einem Nahverkehrsplan steht. Obwohl das PBefG wegen des Grundsatzes der Gewerbefreiheit somit nur ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufstellt,451 sind die Hürden zur Erlangung einer Genehmigung zur Durchführung eines eigenwirtschaftlichen Verkehrs im ÖPNV hoch. Dies gilt jedoch nur für die erstmalige Genehmigungserteilung. Danach rückt der Unternehmer in eine gut abgesicherte Stellung ein. Diese betrifft sowohl die Frage der Erteilung einer Folgegenehmigung, als auch der Abwehr von Konkurrenten. Die schon nach überkommener Rechtslage wichtigste Genehmigungsvoraussetzung war neben der finanziellen Leistungsfähigkeit des Unternehmers die Nichtbeeinträchtigung öffentlicher Verkehrsinteressen.452 Dies ist von der Genehmigungsbehörde eigenständig zu prüfen.453 Deren Entscheidung ist gerichtlich nicht voll überprüfbar, da der Begriff der „öffentlichen Verkehrsinteressen“ ein unbestimmter Rechtsbegriff mit prognostischen und planerischen Elementen ist.454 Wie aus § 13 II Nr. 2 lit. a bis c deutlich wird, fallen insbesondere auch die Interessen der vorhandenen Genehmigungsinhaber darunter,455 die sich so als Marktzugangsschranken für neue Unternehmen auswirken können.456 Wer somit einen eigenwirtschaftlichen Verkehr auf Grundlage einer Genehmigung nach § 13 PBefG durchführt, unterliegt somit nur einem eingeschränkten Wettbewerb und erhält neben Ausgestaltungs- auch weitergehende Besitzstandsrechte.457 Diese zeigen sich insbesondere bei der Beantragung der Wiedererteilung der Genehmigung nach ihrem Ablauf. In diesem Fall greift § 13 III PBefG ein. Danach ist der Umstand, dass der Vgl. Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (983). J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 16, 34; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 71 (72). 452 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (141). Die Regelung knüpft begrifflich an § 9 I PBefG (1934) an, L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 96. 453 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 71 (73). Insbesondere erfolgt keine abschließende Beurteilung der öffentlichen Verkehrsinteressen durch einen Nahverkehrsplan, so aber S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (22). 454 BVerwGE 82, 260 (265); S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 46 f.; G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13 PBefG Rn. 5; R. Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 100. Kritisch im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 96. 455 So ausdrücklich E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (505). Eine völlige Zementierung des Marktes findet dennoch rechtlich nicht statt, da bei völlig neuen Verkehren, die eine Umgestaltung vorhandener Verkehre erforderlich machen würden, gerade kein Konkurrenzschutz besteht, BVerwGE 30, 257 (262); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 97. In der Rechtswirklichkeit ist die Einrichtung solcher Verkehre heute jedoch selten. 456 U. Steiner, in: Umwelt und Verkehr, S. 63 (79). 457 F. Berschin, ZUR 1997, 4 (8); Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93. Kritisch dagegen im Hinblick auf den durch Ausgestaltungsrechte vermittelten Besitzstand W. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7 (10). 450 451

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Unternehmer jahrelang458 den ÖPNV-Verkehr in einer dem öffentlichen Verkehrsinteresse entsprechenden Weise und unter Beachtung des § 8 III PBefG betrieben hat, angemessen zu berücksichtigen, auch im Rahmen des § 13 II Nr. 2 PBefG. Die an sich dem Investitionsschutz und als Lohn für ein frühes Erkennen eines Verkehrsbedürfnisses und der Aufrechterhaltung des Verkehrs auch unter schwierigen Bedingungen dienende Vorschrift459 führt letztlich dazu, dass ein öffentliches Interesse an der Weiterführung eines einmal genehmigten Verkehrs durch das spezifische Unternehmen regelmäßig geradezu von selbst entsteht. Wettbewerber können sich dagegen kaum durchsetzen.460 Letztlich hat der bisherige Genehmigungsinhaber quasi einen Anspruch auf Wiedererteilung.461 Der Marktzutritt im Bereich eigenwirtschaftlicher ÖPNV-Verkehre ist damit in zweierlei Hinsicht erschwert. Bei der Neueinrichtung einer Linie genießen die im fraglichen Gebiet vorhandenen Unternehmen zahlreiche Vorteile, die bei der Genehmigung zu berücksichtigen sind und die insbesondere auch zur Versagung dieser führen können. Soll dagegen nach Ablauf der Genehmigungsdauer eine Linie von dem bisherigen Betreiber übernommen werden, genießt dieser von Gesetzes wegen nahezu unausgleichbare Wettbewerbsvorteile. (bb) Auswirkungen des Nahverkehrsplans Sind die subjektiven Genehmigungsvoraussetzungen des § 13 I PBefG gegeben und liegt auch kein Versagungsgrund nach § 13 II PBefG vor, so ist nach § 13 IIa PBefG die Nichterteilung der Genehmigung möglich, wenn der beantragte Verkehr nicht mit einem Nahverkehrsplan in Einklang steht. Diesen hat die Genehmigungsbehörde zudem nach § 8 III 2 PBefG bei den ihr nach Satz 1 der Bestimmung zukommenden Aufgaben, also insbesondere bei der Sicherstellung einer ausrei458 Mindestens also zwei Jahre, G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13 PBefG Rn. 16. Angesichts der im Regelfall deutlich längeren Genehmigungsdauer stellt dieses Erfordernis aber kein Hindernis dar. 459 H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (51); weitergehend S. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 341, nach dem der Bestandsschutz dem bewährten Verkehrsunternehmer an sich zugute kommen soll. 460 Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (94), hebt dagegen die Existenz eines wenn auch eingeschränkten Wettbewerbs hervor. J. Werner, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A4 Rn. 121 f., betont die Grenzen des Bestandsschutzes und verweist darauf, dass dieser nur eingreift, wenn der ausgeübte Betrieb den öffentlichen Verkehrsinteressen entsprach und dies auch weiterhin gewährleistet ist. Obwohl § 13 PBefG nicht zwischen in- und ausländischen Unternehmen unterscheidet und damit eine formale Chancengleichheit gegeben ist, R. Maaß, Wettbewerb, S. 94; H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43 (51), führt gerade § 13 III PBefG dazu, dass ausländische Anbieter im Bereich der eigenwirtschaftlichen Verkehre ferngehalten werden, da ihnen mangels vorheriger Genehmigungen typischerweise kein Bestandsschutz zukommt. Dies lässt sich allein durch die Übernahme von Firmen umgehen, die über Genehmigungen verfügen. 461 Etwas einschränkend E. Recker, Der Landkreis 2001, 500.

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

chenden Verkehrsbedienung und der Nahverkehrsintegration, zu berücksichtigen. Beide Vorschriften hängen eng miteinander zusammen, zumal auch § 13 II Nr. 2 lit. c PBefG auf § 8 III PBefG verweist. Die Wirkung des Nahverkehrsplans auf die Entscheidung der Genehmigungsbehörde im Genehmigungsverfahren für eigenwirtschaftliche Verkehre des ÖPNV ist im Gesetzestext nicht ohne weiteres ersichtlich. Während der Nahverkehrsplan nach § 13 IIa PBefG ein Versagungsgrund sein „kann“, hat die Genehmigungsbehörde ihn im Rahmen es § 8 III PBefG „zu berücksichtigen“. Der Nahverkehrsplan vermittelt somit in erster Linie Impulse an die Genehmigungsbehörde462 und dient ihr so als Orientierungshilfe.463 Obwohl sich die Genehmigungsbehörde nicht über die kommunale Planungshoheit hinwegsetzen darf,464 die aber ihrerseits unter Gesetzesvorbehalt steht, Art. 28 II 1 GG, wird deutlich, dass eine strikte Bindung an die Vorgaben des Nahverkehrsplans nicht besteht. Dieser ist kann zwar durchaus als eine Entscheidungsgrundlage angesehen werden,465 letztlich ist der Nahverkehrsplan aber allein ein abwägungserheblicher Belang für die Genehmigungsbehörde.466 Als solcher ist er mit anderen Belangen auszugleichen.467 Die Genehmigungsbehörde hat insoweit nach pflichtgemäßer Ermessensausübung ohne vorgegebenes Ergebnis zu entscheiden.468 Dem Nahverkehrsplan kommt 462 E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (12), hinsichtlich der Integration der Nahverkehrsbedienung. 463 O. Finkenbeiner, Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (22); J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (9). 464 J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 175 f., der daraus eine Bindung der Genehmigungsbehörde an den Nahverkehrsplan herleiten und Abweichungen nur bei Planungsfehlern zulassen will. Zur Verankerung des Nahverkehrsplans in der durch Art. 28 II GG geschützten kommunalen Planungshoheit S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (21). 465 S. Pützenbacher, NZV 1998, 104 (106). 466 BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (10); B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (314); G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 8 PBefG Rn. 7; E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 143; R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 17; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (111); S. Pützenbacher, NZV 1998, 104; U. Steiner, in: Umwelt und Verkehr, S. 63 (81); K. Strang, Der Nahverkehr 3 / 1997, 9 (10); R. Wiemann, in: Universität Gh Kassel, Nahverkehrspläne, S. 15 (26). Bezüglich des Wortlauts von § 8 III PBefG hebt E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (502), hervor, dass berücksichtigen weniger bindend ist als zugrunde legen. 467 Unter Hinweis auf die Grundrechte E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 160 f.; H. Zuck, in: BOU, Finanzen, S. 43, betont, dass neben formalen und inhaltlichen Kriterien auch die wirtschaftliche Zumutbarkeit über die Berücksichtigung des Nahverkehrsplans entscheidet. 468 B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (314); S. Pützenbacher, NZV 1998, 104 (106); anders Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 103 (110), der von einem Vorrang der Planungshoheit ausgeht. Ein solcher ließe sich jedoch mangels Anhaltspunkten im PBefG allein aus Art. 28 II 1 GG herleiten. Die dort geschützte Planungshoheit genießt jedoch keinen Vorrang vor den ebenfalls zu berücksichtigenden Grundrechten der Unternehmer.

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insoweit ein geringerer Stellenwert als den Regelungen des 13 II PBefG zu.469 Auch ein nicht im Einklang mit dem Nahverkehrsplan stehender eigenwirtschaftlicher Verkehr kann daher genehmigt werden.470 Allerdings vermag ein „guter“ Nahverkehrsplan, der die Verkehrssituation unter Berücksichtigung der Unternehmer fortentwickelt, eine weitgehende Ermessensreduzierung bei der Genehmigungsbehörde herbeizuführen.471 Insbesondere können die darin enthaltenen Vorgaben zu einer Versagung wegen weitergehender Aspekte als möglicherweise entgegenstehenden öffentlichen Verkehrsinteressen nach § 13 II Nr. 2 PBefG führen.472 Somit ist der Nahverkehrsplan im Verfahren der Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre zwar kein unbedingt entscheidungserheblicher, in jedem Falle hinsichtlich seiner zulässigen Inhalte ein bedeutsamer Belang. Beantragte Verkehre, die ohne zwingenden sachlichen Grund von den Vorgaben eines „idealen“ Nahverkehrsplans abweichen, dürften daher im Regelfall nicht genehmigt werden. Schwieriger zu beurteilen und demgemäß umstritten ist die Wirkung des Nahverkehrsplans, wenn die Wiedererteilung einer Genehmigung beantragt wird, also dem beantragenden Unternehmer Bestandsschutz nach § 13 III PBefG zukommt. Eine explizite gesetzliche Regelung zur Klärung dieser Frage existiert nicht. Allein § 13 III PBefG verweist hinsichtlich der Entstehung des Besitzstandsschutzes ohne weitere Konkretisierung auf § 8 III PBefG und somit auch auf den Nahverkehrsplan. Dass dieser insoweit jedoch nicht in erster Linie angesprochen und das Entstehen des Bestandsschutzes damit nicht von der Übereinstimmung mit den Vorgaben des Nahverkehrsplans ist, folgt bereits aus der Existenz des § 13 IIa PBefG. Während nach einer Ansicht dem Nahverkehrsplan kein Vorrang vor dem Besitzstandsschutz zukommen soll, sondern dieser vorgeht,473 besteht nach anderer Auffassung wegen des Nahverkehrsplans eine Abhängigkeit des Besitzstandsschutzes vom Aufgabenträger.474 Die vermittelnde herrschende Meinung E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 144. J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (9). Die Genehmigungsbehörden nehmen somit eine eigenständige Bewertung hinsichtlich der ausreichenden Verkehrsbedienung vor, A. Endlein / H.-H. Becker-Birck, Der Landkreis 2001, 489. 471 E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (13); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 98; dahinghend auch BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (11); E. Meichsner, Der Landkreis 1995, 453 (454 f.). 472 H. Kaufmann, in: W. Kolks / J. Fiedler, Verkehrswesen I, Rn. 48; anders R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11 (13), nach dem die Berücksichtgung des Nahverkehrsplans durch die Genehmigungsbehörde nur im Rahmen des Auftrags aus § 8 III 1 PBefG erfolgen darf. Eine Genehmigungsversagung nach § 13 IIa PBefG könne daher nur bei nicht in Tarif- und Verkehrsverbund integrierten Unternehmen erfolgen. Dies ist jedoch abzulehnen, da, wie aus dem Wortlaut des § 8 III 1 PBefG hervorgeht, die Integration des Nahverkehrs nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung erfolgt, vgl. auch § 8 IV 1, 3 PBefG. 473 R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 18; H. Zuck, ÖPNVG, S. 58. 474 H. Bidinger, NZV 1994, 209 (213). 469 470

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

vertritt demgegenüber zutreffend, dass sich wegen § 13 IIa PBefG der durch § 13 III PBefG begründete Bestandsschutz bei Wiedererteilung der Genehmigung relativiert,475 wenn auch in der Praxis wegen der Anpassung des Nahverkehrsplans an die tatsächlichen Verhältnisse nur in geringem Maße.476 Dies folgt insbesondere aus der Formulierung des § 13 IIa PBefG, der keine Unterscheidung zwischen einer erstmaligen Genehmigung und einer Folgegenehmigung vorsieht. Relevant wird die Streitfrage etwa, wenn der Nahverkehrsplan in zulässiger Art und Weise Linienbündel nach § 9 II PBefG enthält.477 Im Übrigen ist der Besitzstandsschutz bei Vorliegen eines abweichenden Nahverkehrsplans nicht zuletzt von der Kooperationswilligkeit des antragstellenden Unternehmers mit anderen ÖPNV-Unternehmen abhängig, §§ 8 III, 13 III PBefG.478 Diese kann die fehlende Übereinstimmung des wiederbeantragten Verkehrs mit dem Nahverkehrsplan ausgleichen. Die Wirkungen des Nahverkehrsplans im Genehmigungsverfahren für eigenwirtschaftliche Verkehre unterscheiden sich somit in Abhängigkeit davon, ob eine erstmalige Genehmigung beantragt wird oder Bestandsschutz nach § 13 III PBefG besteht. Während die im Nahverkehrsplan enthaltenen Vorgaben im ersten Fall grundsätzlich zu beachten sind und eine wesentliche Abweichung daher regelmäßig zur Genehmigungsversagung führt, sofern der Nahverkehrsplan nicht fehlerbehaftet ist, besteht im Falle der Wiederbeantragung einer Genehmigung allein eine Relativierung des Bestandsschutzes, die nicht abstrakt bestimmbar ist. (cc) Anspruch auf Genehmigungserteilung? Stehen einem beantragten Verkehr weder Versagungsgründe, noch die Vorgaben eines Nahverkehrsplans entgegen, so stellt sich die Frage, ob dem Antragsteller ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Genehmigung zusteht.479 Während dies nach 475 S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (22); B.C. Biletzki, NZV 2000, 313 (314); O. Finkenbeiner, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 17; ders., Der Nahverkehr 9 / 1995, 19 (20); Chr. Herr / D. Lehmkuhl, Die Verwaltung 30 (1997), S. 396 (407); E. Trumpp, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 11 (12); R. Maaß, Wettbewerb, S. 177; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 102. 476 R. Maaß, Wettbewerb, S. 203 ff. Nach BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8, soll vor einer Versagung dem gemäß § 13 III PBefG grundsätzlich privilegierten Unternehmer die Möglichkeit der Anpassung gewährt werden. 477 Vgl. G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 9 PBefG Rn. 5. 478 J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (10). 479 Im Falle von konkurrierenden gleichwertigen Anträgen gilt das Prioritätsprinzip, BVerwG, Der Städtetag 1982, 42; G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13 PBefG Rn. 8. Analog § 13 II Nr. 2 lit. c PBefG soll der Erstantragsteller im Falle eines zeitlich nachfolgenden, qualitativ höherwertigen Antrags die Möglichkeit zur Nachbesserung haben, VG Arnsberg, DVBl. 2001, 588; H. Zuck, Auswahl- und Verteilungsentscheidungen beim Bewerberüberhang, S. 94 f.

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einer Ansicht grundrechtsbedingt der Fall ist,480 wird ein solcher Anspruch wegen des durch die Kombination objektiver und subjektiver lenkungs- und überwachungsrechtlicher Zulassungsbedingungen bedingten Doppelcharakters der Genehmigung abgelehnt.481 Obwohl der Wortlaut des § 13 PBefG einen Rechtsanspruch auf Genehmigungserteilung nicht nahe legt, ist er jedoch zumindest insoweit zu bejahen, als die Eigenwirtschaftlichkeit ohne finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand hergestellt wird. Erfüllt der Antragsteller sämtliche gesetzlichen Anforderungen und stehen nicht Rechte Dritter entgegen, so erfordert Art. 12 GG die Zulässigkeit der Grundrechtsausübung, auch wenn diese wirtschaftlich riskant ist. Der Unternehmer muss jedoch nicht vor sich selbst geschützt werden, zumal die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Interesse des Verkehrs im Genehmigungsverfahren nach § 13 I Nr. 1 PBefG zu prüfen ist. Für eine über die Vorgaben des PBefG hinausgehende und damit im Genehmigungsverfahren zu prüfende hoheitliche Verkehrsplanung und -lenkung lassen die Grundrechte jedoch keinen Raum. Art. 12 GG steht zwar unter Gesetzesvorbehalt, nicht aber unter dem Vorbehalt allgemeiner Erwägungen durch die öffentliche Hand. Anders ist dies zu beurteilen, wenn die Eigenwirtschaftlichkeit erst durch Zahlungen der öffentlichen Hand hergestellt werden muss, auf die kein Anspruch besteht. Auch wenn insoweit grundsätzlich keine Ausschreibung vorgesehen ist,482 sondern der regelmäßig zugrunde liegende Vertrag frei ausgehandelt wird,483 steht das öffentliche Interesse an einer möglichst wirtschaftlichen Verkehrsgestaltung, § 8 III 1 PBefG, einem Genehmigungsanspruch entgegen. Aus Art. 12 GG lässt sich keine Verpflichtung entnehmen, den Grundrechtsträger finanziell zu einer spezifischen Ausübung seiner Berufsfreiheit zu unterstützen. Daher besteht in diesem Fall kein Genehmigungsanspruch. Die Genehmigungsbehörde verfügt vielmehr über Ermessen, bei dessen Ausübung sie den Gehalt der Berufsfreiheit selbstverständlich zu würdigen hat. Im Falle der beantragten Wiedererteilung der Genehmigung führt die Wertung des § 13 III PBefG jedoch zu einem Quasi-Anspruch, sofern der Verkehr ohne wesentliche Änderungen des Engagements der öffentlichen Hand fortgeführt werden soll. 480 Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 13 Rn. 2; Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (983); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 71 (72); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 100. Trotz fehlender Grundrechtsträgerschaft wäre ein Anspruch auch bei Unternehmen der öffntlichen Hand zu bejahen. 481 R. Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 102. Nach BVerfGE 40, 196 (218 ff.), ist dies mit Art. 12 GG vereinbar. 482 R. Maaß, Wettbewerb, S. 201; Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (96); U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 38; den Unterschied der eigenwirtschaftlichen Konzession zum Dienstleistungsauftrag betonend K.-J. Meyer, Der Nahverkehr 5 / 1997, 14 (18); völlig anders unter Bezugnahme auf Sinn und Zweck des Vergaberechts Th. Noelle / J. Rogmans, Öffentliches Auftragswesen, S. 53, wonach die Einräumung der Ausschließlichkeitsstellung einer Entgeltzahlung gleichkommen soll. Auf Grundlage des geltenden Vergaberechts kann dem jedoch nicht gefolgt werden. 483 M. Baltes / D. Bayer / P. Hofmann, Der Nahverkehr 11 / 1994, 18 (19).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

Zusammenfassend lässt sich daher die Genehmigung nach § 13 PBefG als zeitlich begrenzte, öffentlich-rechtliche Genehmigung durch eine staatliche Stelle für Bau, Betrieb und Linienführung bei Straßenbahnen und Obussen bzw. für Einrichtung, Linienführung und Betrieb bei Bussen bezeichnen, mit der Beförderungs-, Tarif-, Betriebs-, und Fahrplanpflichten, aber auch durch die Einräumung einer beschränkten Monopolstellung der Schutz vor ruinöser Konkurrenz sowie Besitzstandsrechte verbunden sind.484 Die Bezeichnung als Konzession ist nach wie vor berechtigt. Indem der Marktzutritt trotz eines an sich grundrechtlich begründeten Anspruchs mit Schwierigkeiten verbunden wird, befinden sich die Genehmigungsinhaber sowohl hinsichtlich der Ausnutzung ihrer aktuellen Genehmigung als auch in Bezug auf die Wiedererteilung in einer komfortablen, insbesondere wettbewerbsarmen Situation. Wegen ihrer notwendigen Mitwirkung an der Erstellung des Nahverkehrsplans gemäß Art. 8 III 2 PBefG, der zudem die vorhandenen Verkehrsstrukturen beachten muss und die Genehmigungsbehörde nicht unmittelbar bindet, stellt auch dieses Instrument für die im Markt Befindlichen keine echte „Gefahr“ dar. (3) Gemeinwirtschaftliche Verkehre Entsprechend der Regelung des § 8 IV 1 PBefG stellen gemeinwirtschaftliche Verkehre nach der gesetzlichen Konzeption den Ausnahmefall dar. Dementsprechend stiefmütterlich erfolgte ihre Regelung. Im PBefG befassen sich allein die §§ 8 IV 3 bis 5, 13a PBefG mit dieser Verkehrsform, wobei die erstgenannte Bestimmung ebenso wie § 4 BRegG auf die jeweils aktuelle Fassung der VO 1191 / 69 verweist. Deren Vorschriften sind somit grundsätzlich im Falle von gemeinwirtschaftlichen Verkehren maßgeblich. Der daneben tretende § 13a PBefG hat vor allem die Aufgabe, das überkommene Instrument der Genehmigung mit dem Gemeinschaftsrecht in Übereinstimmung zu bringen485 und so eine gewisse formale Einheitlichkeit im Hinblick auf die rechtlichen Voraussetzungen des ÖPNV im Rahmen des PBefG zu schaffen. Trotz des Verweises auf die VO 1191 / 69 wirft die Regelung gemeinwirtschaftlicher Verkehre im PBefG eine Anzahl von Zweifelsfragen auf, die nur zum Teil auf die ausfüllungsbedürftigen Regelungen des Gemeinschaftsrechts zurückzuführen sind. Im Folgenden soll nach einer Bestimmung des Begriffs der Gemeinwirtschaftlichkeit nach dem PBefG das Auswahl- und Genehmigungsverfahren bei entsprechenden Verkehren untersucht werden. Dieses unterscheidet sich deutlich von dem Verfahren der Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre.

484 485

Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (99). G. Fromm, in: BOU, Zukunft, S. 39 (45).

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(a) Begriffsbestimmung Der Begriff der Gemeinwirtschaftlichkeit findet sich explizit weder in § 8 IV PBefG, noch in § 13a PBefG. Das Gesetz nimmt insoweit wenig eingängig eine negative Abgrenzung gegenüber eigenwirtschaftlichen Verkehren vor. Nach § 8 IV 3 PBefG greift die VO 1191 / 69 ein, wenn eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht entsprechend § 8 IV 1 PBefG möglich ist. Damit sind gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen solche, die zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsversorgung notwendig sind, aber nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden können.486 Dies bedeutet zugleich, dass, soweit eine ausreichende Verkehrsbedienung eigenwirtschaftlich gewährleistet ist, kein Handlungsbedarf für die zuständigen Stellen, im Regelfall also die Aufgabenträger, § 8 IV 4, III 6 PBefG, besteht.487 Daraus folgt auch, dass gemeinwirtschaftliche Verkehre stets behördeninitiiert sind488 und als Bestandteil der Daseinsvorsorge von dem zuständigen Teil der öffentlichen Hand gewünscht werden.489 Die negative Abgrenzung gegenüber dem weit gefassten Begriff der Eigenwirtschaftlichkeit, § 8 IV 2 PBefG, führt dazu, dass dem PBefG im Vergleich zur VO 1191 / 69 PBefG ein eigenständiges und von der europarechtlichen Regelung abweichendes Konzept der Gemeinwirtschaftlichkeit zugrunde liegt.490 Indem die VO 1191 / 69 die Pflicht eines finanziellen Ausgleichs für nicht rentable Verkehrsleistungen, die von der öffentlichen Hand veranlasst werden, statuiert und den Querverbund verbietet,491 lässt sie erkennen, dass Zahlungen der öffentlichen Hand nur bei gemeinwirtschaftlichen Verkehren erfolgen, eigenwirtschaftliche Verkehre also marktmäßig und kostendeckend erbracht werden. Nach der Regelung des § 8 IV 2 PBefG können jedoch Mittel der öffentlichen Hand in weitem Umfang zur Eigenwirtschaftlichkeit führen. Dies wirkt sich auch auf die Bestimmung des Bereichs der Gemeinwirtschaftlichkeit, der nach dem PBefG deutlich kleiner ist als nach der VO 1191 / 69. (b) Verfahrensgang Durch das Zusammenspiel der im Hinblick auf die Auswahl des Verkehrsunternehmers und die Folgen für die öffentliche Hand heranzuziehenden VO 1191 / 69 mit dem Genehmigungserfordernis ist das Verfahren anders als bei eigenwirt486 M. Baltes / D. Bayer / P. Hofmann, Der Nahverkehr 11 / 1994, 18 (20); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 13. 487 R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1995, 11. 488 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (142). 489 M. Löw, Regionalisierung, S. 47. 490 Unter Bezugnahme auf § 13a PBefG H. Zuck, DÖV 1994, 941 (946), der ebenso wie R. Batzill, Der Nahverkehr 7 – 8 / 1994, 12 (13), darauf hinweist, dass nicht eigenwirtschaftliche Verkehre nicht automatisch gemeinwirtschaftlich seien. 491 Siehe oben G.I.2. c)cc).

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2. Teil: Ausprägung im ÖPNV

schaftlichen Verkehren zweistufig, wobei die Genehmigung den Abschluss bildet.492 Beide Verfahrensstadien sind trotz ihres sachlichen Zusammenhangs deutlich voneinander zu trennen. Insbesondere erfolgt keine Ausschreibung oder Auferlegung der Konzessionen für gemeinwirtschaftliche Verkehre als solche, sondern allein der zugrunde liegenden Verkehrsleistungen.493 Während das erste Stadium vom europäischen Gemeinschaftsrecht dominiert wird und nationales Recht diesem nur ausfüllend zur Seite tritt, weist die Genehmigungsphase trotz der Bezugnahme des § 13a I 1 PBefG auf die VO 1191 / 69 eine stärkere Prägung durch das originär deutsche Recht auf. In beiden Verfahrensstadien weist dieses jedoch insofern spezifische Probleme auf, als es insbesondere hinsichtlich des Nahverkehrsplans ein gemeinschaftsrechtlich nicht vorgesehenes Instrument enthält, das hinsichtlich seiner Wirkungen in den Verfahrensablauf einzupassen ist. Der Gesetzgeber des PBefG hat sich dieser Aufgabe weitgehend entzogen. Die allgemeinen auf den Nahverkehrsplan bezogenen Regelungen des § 8 III PBefG sind vor allem auf eigenwirtschaftliche Verkehre und deren Genehmigung zugeschnitten. Insbesondere fehlt es an einer Abstimmung mit § 13a PBefG. (aa) Vertrag und Auferlegung Die Durchführung des ersten Verfahrensschrittes bei der Organisation gemeinwirtschaftlicher Verkehre obliegt gemäß § 8 IV 3, 4 PBefG der nach der VO 1191 / 69 zuständigen Stelle, regelmäßig dem Aufgabenträger. Diesem kommt die Bestimmung der zu erbringenden Verkehrsleistung und die Auswahl des Verkehrsunternehmens zu. Damit einher geht eine rechtliche Verankerung und bereichsspezifische Konkretisierung des Bestellerprinzips.494 Eine behördliche Verpflichtung zum Angebot bestimmter gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Falle einer nicht gegebenen ausreichenden Verkehrsbedienung lässt sich § 8 IV 3 PBefG i.V.m. der VO 1191 / 69 nicht unmittelbar entnehmen.495 Eine solche kann jedoch in Extremfällen wegen der Bedeutung des ÖPNV objektiv verfassungsrechtlich geboten sein, sofern ihre Bereitstellung der öffentlichen Hand finanziell möglich ist. Obwohl der Nahverkehrsplan nicht zu einer Bindung des Aufgabenträgers führt, kann und sollte dieser jedoch regelmäßig als Grundlage für die Bestimmung gemeinwirtschaftlicher Verkehre dienen,496 da nur so sichergestellt ist, dass ein bestimmter Verkehr tatsächlich nicht eigenwirtschaftlich durchgeführt werden kann. Die Beurteilung dieser Frage ist bei einer Abweichung 492 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (142); Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (158). 493 Th. Muthesius, in: BOU, Mobilität, S. 93 (100). 494 M. Löw, Regionalisierung, S. 45. 495 R. Batzill, in: BOU, Zukunft, S. 29 (32); ders. / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 60. 496 Dahingehend A. Derichs, Nahverkehrspläne im Zeichen der Liberalisierung, S. 57; G. Hermes, in: H.-J. Koch, Rechtliche Instrumente, S. 147 (155).

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von den Vorgaben des Nahverkehrsplans wegen § 13 IIa PBefG deutlich schwieriger zu beurteilen, da die Vorschrift die Beantragung von eigenwirtschaftlichen Verkehren, die nicht im Einklang mit dem Nahverkehrsplan stehen, unwahrscheinlich macht und überdies dieser als Planungsgrundlage für die Unternehmen dient. Ein Marktüberblick ist für die zuständige Behörde diesbezüglich nur unter erschwerten Voraussetzungen erreichbar. Zudem ist der Aufgabenträger bereits während der Aufstellung des Nahverkehrsplans gehalten, erforderliche Verkehre zu berücksichtigen und in diesen aufzunehmen. Dass eine strikte Bindung an die Vorgaben des Nahverkehrs bezüglich der Bestimmung gemeinwirtschaftlicher Verkehre dennoch abzulehnen ist, folgt neben der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand auch aus der Notwendigkeit, auf neue Verkehrsbedürfnisse zu reagieren, die weder Aufnahme in den Nahverkehrsplan gefunden haben noch eigenwirtschaftlich befriedigt werden können. Zudem ist ein Nahverkehrsplan ohne Detailvorgaben als Grundlage der Festlegung konkreter Verkehre nur eingeschränkt geeignet. Damit kann der Aufgabenträger für gemeinwirtschaftliche Verkehre Vorgaben machen, die nicht zwingend am Nahverkehrsplan auszurichten sind.497 Im Hinblick auf die Detailschärfe ist eine Abweichung sogar zur eindeutigen Beschreibung des Verkehrs zwingend notwendig, da die Leistungen möglichst abschließend beschrieben werden müssen.498 Letztlich obliegt dem Aufgabenträger damit die Definition des gemeinwirtschaftlich zu erbringenden Verkehrs grundsätzlich in vollem Umfang, wobei er keinen starren Bindungen unterliegt. Hat der Aufgabenträger eine Entscheidung über die Ausgestaltung des gemeinwirtschaftlich zu erbringenden Verkehrs getroffen, stellt sich die Frage, ob er diesen auferlegen oder vertraglich vereinbaren muss. Nach der VO 1191 / 69 stehen beide Möglichkeiten gleichberechtigt nebeneinander, wobei jedoch Raum für Konkretisierungen durch das nationale Recht besteht.499 Eine explizite Regelung enthält § 8 IV 5 PBefG, wonach § 21 III 1 PBefG von dem Verweis auf die VO 1191 / 69 unberührt bleibt. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Genehmigungsbehörde einem Unternehmer bei eigenwirtschaftlichen Verkehren500 auferlegen kann, seinen Betrieb zu erweitern oder zu ändern, wenn die öffentlichen Verkehrsinteressen es erfordern und dies wirtschaftlich zumutbar ist. Wegen des Vorrangs der VO 1191 / 69 vor den Regelungen des PBefG kann dies jedoch nur insoweit gelten, als keine (zusätzlichen) Zahlungen der öffentlichen Hand erfolgen. Bereits Ähnlich F.-W. Oellers / O. Mietzsch, Der Städtetag 4 / 2001, 30 (31). A. Freitag / A. Saxinger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2002, 25 (29 f.), unter besonderer Hervorhebung der Verkehrsverbünde. R. Maaß, Wettbewerb, S. 217, stellt zudem die grundrechtliche Relevanz der Leistungsbeschreibung heraus, die nicht zu Ungleichbehandlungen führen darf. Soweit möglich, sollte sich die Höhe der ggf. vorzugebenden Tarife an den Kosten orientieren, J. Zeiselmair, Der Nahverkehr 11 / 1995, 8 (9). 499 Siehe oben G.I.2. c)bb)(1); ablehnend R. Batzill / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht im Spannungsfeld, S. 71 f. 500 L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 90 f. 497 498

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nach dem Wortlaut der Bestimmung ist zudem die Auferlegung eines eigenständigen Verkehrs ausgeschlossen. Über diese Form der Auferlegung hinausgehend trifft das PBefG keine expliziten Aussagen über das Verhältnis von Auferlegung und Vertrag. § 13a I 1, 3 PBefG verweist im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahren vielmehr bezüglich beider auf die Lösung mit den „geringsten Kosten für die Allgemeinheit“.501 Zu deren Bestimmung wurde auf Grundlage des § 13a I 3 PBefG die Geringste Kosten-Verordnung (GKV) erlassen.502 § 1 I GKV definiert die geringsten Kosten für die Allgemeinheit in § 13a PBefG und Art. 3 I VO 1191 / 69 PBefG als „die Kosten einer gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistung, die zu der niedrigsten Haushaltsbelastung“ des Aufgabenträgers führt.503 An dieser Definition wird deutlich, dass externe Effekte, die nicht bereits bei der Bestimmung der ausreichenden Verkehrsbedienung berücksichtigt wurden, nicht erfasst sind.504 Nach § 1 II GKV sind die niedrigsten Kosten für die Allgemeinheit bei einer vertraglich vereinbarten gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistung grundsätzlich gegeben, wenn der Unternehmer wettbewerblich in einem Vergabeverfahren nach den Bestimmungen der VOL505 ermittelt wurde. Bei den diesbezüglichen Angeboten dürfen Zahlungen 501 Dementsprechend erfolgt auch in der Literatur häufig keine begriffliche Unterscheidung, vgl. etwa Chr. Heinze, DÖV 1996, 977 (983), der vom Eingreifen des § 13a PBefG bei auferlegten Verträgen spricht. Eine „Auferlegung“ wird entweder durch VA, G. Fromm, BB 1994, 2366 (2368), durch subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag, S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 144 f.; dies. / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (25); H.-J. Prieß, NZBau 2002, 539 (543); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 40, oder, in Übereinstimmung mit der herkömmlichen Einschätzung im deutschen Vergaberecht, durch privatrechtlichen Vertrag, J. Werner, Nach der Regionalisierung, S. 201, für möglich gehalten. 502 BGBl. (1995) I S. 1705. 503 So auch G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13a PBefG Rn. 3; Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (81); E. Recker, Der Landkreis 2001, 500. 504 S. Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, S. 257; E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (502); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 99 f.; ablehnend unter Einbeziehung etwa auch der Abgabenlast des Bürgers H. Zuck, DÖV 1994, 941 (949); ebenso E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 102. G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13a PBefG Rn. 3, weisen jedoch zutreffend darauf hin, dass eine weitere Auslegung des Begriffs § 13a PBefG jede praktische Bedeutung nähme. Qualitätsbezogene Kriterien wie die Verkehrssicherheit, sind daher bereits bei der Leistungsbeschreibung zu berücksichtigen, nicht aber bei der Entscheidung für einen Anbieter, so aber H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 75. Kritisch wegen des Verlusts der Entdeckungsfunktion des Wettbewerbs bei der Beschränkung auf das billigste Angebot M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (43). 505 § 1 II 1 GKV verweist unmittelbar nur auf Abschnitt 1 des Teils A der VOL in der Fassung von 1993. Eine europaweite Ausschreibung ist danach auch oberhalb der Schwellenwerte nicht vorgesehen, W. Ipsen, Kommunalwirtschaft 7 / 1999, 7 (10). E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (502, 504), kennzeichnet dies als europarechtswidrig. Allerdings erscheint auch gegen den Wortlaut eine europarechtskonforme Auslegung möglich, zumal die VOL inzwischen reformiert wurde. Die Ausschreibungspflicht oberhalb der Schwellenwerte folgt

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der öffentlichen Hand ebenso wie Querverbundserträge nicht eingerechnet werden. Bei der Auferlegung einer gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistung sind die geringsten Kosten für die Allgemeinheit demgegenüber nach § 1 III GKV im Zweifel gegeben, wenn die Durchführung eines Vergabeverfahrens entweder nicht sachgerecht war oder zu keinem Ergebnis geführt hat oder eine vertragliche Regelung aus anderen Gründen nicht zustande kam und die veranschlagten Kosten den Maßgaben der PreisVO506 entsprechen. Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass eine vertragliche Vereinbarung nach Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens vorzuziehen ist.507 Eine Vorherbestimmung des Vertragstyps ist damit nicht verbunden.508 Das Kriterium der niedrigsten Haushaltsbelastung geht dabei den allgemeinen vergaberechtlichen Zuschlagskriterien als lex specialis vor.509 Damit geht das deutsche Recht zugleich über Art. 14 VO 1191 / 69 i.V.m. der DKRL in nicht zu beanstandender Weise hinaus.510 Durch die wettbewerbsfreundliche Tendenz der Regelung511 macht sich die öffentliche Hand den Wettbewerb zur Kostenentlastung zunutze.512 Das Gebot der geringsten Kosten hindert den jeweiligen Aufgabenträger allerdings nicht daran, qualitativ hohe Anforderungen zu stellen,513 solange diese unter den zudem unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht, vgl. oben G.I.2. c)bb)(2) (b); im Ergebnis so auch H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 75 (80 f.). Unterhalb der Schwellenwerte ist eine deutschlandweite Ausschreibung erforderlich, A. Freitag / A. Saxinger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2002, 25. Zum Vergabeverfahren bei ÖPNV-Leistungen vgl. im Übrigen M. Berger, Der Landkreis 2001, 539 ff. 506 VO PR 30 / 53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. 11. 1953 (BAnz. Nr. 244 v. 18. 12. 1953), zuletzt geändert durch Art. 1 der VO vom 13. 6. 1989 (BGBl. I S. 1094). Siehe dazu Th. Noelle / J. Rogmans, Öffentliches Auftragswesen, S. 125 ff. 507 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Bewegung, S. 13 (14); E. Recker, Der Landkreis 2001, 500; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 100. Damit fordert § 13a PBefG zugleich indirekt zur Durchführung einer Ausschreibung und damit zum Abschluss eines Vertrages auf, M. Baltes / D. Bayer / P. Hofmann, Der Nahverkehr 11 / 1994, 18 (20); U. Hösch, GewArch 2001, 223 (226). Obwohl eine Auferlegung eine stichhaltige Begründung für die Nichtausschreibung voraussetzt, kann nach der weiten Fassung des § 1 III 1 GKG allerdings sogar der Wille des Aufgabenträgers, nicht auszuschreiben, sondern einem Unternehmen den gemeinwirtschaftlichen Verkehr aufzuerlegen, ein Hinderungsgrund für die Ausschreibung sein, E. Recker, Der Landkreis 2001, 500 (503); ablehnend zum Vorrang der Ausschreibung A. Welge, in: DVWG, Kommunaler Nutzen, S. 35 (46). 508 Vgl. zu Brutto-, Netto- und Anreizverträgen A. Freitag / A. Saxinger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2002, 25 (28 f.). Aus der Notwendigkeit der Entwicklungsoffenheit folgt zudem eine hohe Komplexität der Verkehrsverträge, Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (153). 509 M. Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 (43); parallel zum Verhältnis des GWBund des AEG-Vergaberechts H.-J. Prieß, NZBau 2002, 539. 510 G. Fromm, in: BOU, Zukunft, S. 39 (45); R. Maaß, Wettbewerb, S. 176, 213; M. Winnes, NZBau 2002, 371 (375). 511 Unter Bezugnahme auf § 13a PBefG R. Maaß, Wettbewerb, S. 224. 512 M. Ronellenfitsch, VVDStRL 62 (2003), S. 357 (358). 513 U. Hösch, GewArch 2001, 223 (225).

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Begriff der ausreichenden Verkehrsbedienung zu subsumieren sind. Allein diese sind jedoch „möglichst billig einzukaufen“. Die Frage, ob eine in-house-Vergabe ohne ein wettbewerbliches Vergabeverfahren möglich ist, wird durch die Regelungen des PBefG und der GKV nicht explizit beantwortet. Allerdings schreibt § 1 II 2 GKV bezüglich der Bewertung der Angebote vor, dass Vorteile aus dem kommunalen Querverbund nicht einzurechnen sind. Gemäß § 1 III 2 GKV gilt dies im Falle der Auferlegung von Verkehrsleistungen entsprechend. Der Aufgabenträger wird daher zumindest gezwungen, über die mit der Durchführung des ÖPNV durch ein eigenes Unternehmen verbundenen Kosten Klarheit zu erlangen. Angesichts der weitreichenden Auferlegungsmöglichkeiten lässt sich ein grundsätzliches Verbot der in-house-Vergabe in Übereinstimmung mit den Regeln des allgemeinen Vergaberechts jedoch nicht begründen. Nur in extremen Ausnahmefällen wird der Nachweis der Unwirtschaftlichkeit öffentlicher Unternehmen gelingen.514 Angesichts der problemlos möglichen Herstellung der Eigenwirtschaftlichkeit kommunaler Verkehrsunternehmen ist diese Frage jedoch letztlich rein akademischer Natur, zumal die meisten kommunalen Verkehrsunternehmen rechtsformbedingt nicht die Voraussetzungen für eine inhouse-Vergabe erfüllen.515 Während der ersten Phase im Hinblick auf die Schaffung gemeinwirtschaftlicher Verkehre hat der Aufgabenträger somit zunächst den konkreten Verkehr zu entwerfen,516 wobei er sich an den Vorgaben des Nahverkehrsplans orientieren sollte. 514 Nach Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (158 f.), soll die Möglichkeit der in-house-Vergabe dagegen nicht gegeben sein, da das PBefG den Markt öffne und Private und öffentliche Unternehmen gleich behandle. Wegen des umfassenden finanziellen Engagements der öffentlichen Hand bedeute die Zulässigkeit der in-house-Vergabe die Errichtung einer objektiven Marktzutrittschranke. Deren grundsätzliche Zulässigkeit kann jedoch nicht von der tatsächlichen Situation abhängig gemacht werden, so dass dieser Auffassung nicht gefolgt werden kann. Für die Zulässigkeit der in-house-Vergabe allein auf Grundlage des PBefG auch H. Zuck, in: BOU, Zukunft, S. 75 (82). 515 Nach EuGH Slg. 1999, I-8121 (8154) – Teckal, ist insoweit Voraussetzung, dass sämtliche Anteile des fraglichen Unternehmens in der Hand des Auftraggebers sind, dieser die Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausüben kann und das Unternehmen im wesentlichen für den Auftraggeber tätig ist. Damit fallen kommunale Aktiengesellschaften wie auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen mit einem nennenswerten privaten Anteil, die zudem regelmäßig durch divergierende Interessen gekennzeichnet sind, P. Eichhorn / D. Greiling, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 51 (56); M. Knauff, VR 2001, 9 (13), aus der Möglichkeit der in-house-Vergabe heraus, M. Berger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2000, 41 (42); ders., Der Landkreis 2001, 539 (540); J. Endler, NZBau 2002, 125 (131 f.); E. Recker, Der Landkreis 2001, 513 (516). 516 Als besondere Schwierigkeiten bei Verkehrsverträgen stellen Chr. Schaffkamp / D. Bayer, WiVerw 2001, 148 (153 f.), die Leistungsdefinition und etwaige Losunterteilungen, die Kompetenzabgrenzung zwischen Aufgabenträger und Betreiber, die Qualitätssicherung, die Verteilung der wirtschaftlichen Risiken, Preisanpassungsregelungen, die Festlegung der Vertragsdauer und der Kriterien für das wirtschaftlichste Angebot sowie die Frage nach dem Infrastrukturzugang heraus. Nach VÜA Baden-Württemberg, Beschluss v. 8. 4. 1999 – VÜ 5 / 99, sind jedenfalls Busverkehrsleistungen eindeutig und erschöpfend beschreibbar.

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Dieser Verkehr ist grundsätzlich wettbewerblich auszuschreiben. Die in der VO 1191 / 69 ebenfalls vorgesehene ausgleichspflichtige Auferlegung von Verkehren soll nach der gesetzlichen Konzeption nur in Ausnahmefällen erfolgen. Mit dem für die Erbringung der Verkehrsleistung heranzuziehenden Unternehmen hat der Aufgabenträger insbesondere auch die für die Durchführung erforderlichen Nebenabreden zu treffen.517 Erst wenn dies geschehen ist, also nach Durchführung der vorgesehenen Verfahren und wenn materiell keine offenen Fragen mehr bestehen, wird die Genehmigungsbehörde mit der Sache befasst. (bb) Genehmigung Anders als bei eigenwirtschaftlichen Verkehren kommt der Genehmigungsbehörde bei der Genehmigung gemeinwirtschaftlicher Verkehre nur ein relativ geringer Gestaltungsspielraum zu. Nach § 13a I 1 PBefG ist die Genehmigung zu erteilen, soweit diese für die Umsetzung einer nach der VO 1191 / 69 auferlegten oder vertraglich vereinbarten Verkehrsleistung erforderlich ist und dabei die Lösung mit den geringsten Kosten für die Allgemeinheit gewählt wurde. Ist letzteres nicht der Fall, ist die Genehmigung nach § 13a II PBefG zwingend zu versagen. Dies ist außerdem dann der Fall, wenn bei der Auferlegung oder Vereinbarung der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt wurde. Daneben wird die Geltung der § 13 I, II Nr. 1, 14 PBefG angeordnet. Damit verfügt die Genehmigungsbehörde allein über sicherheitsrechtliche und verfahrensbezogene Kontrollbefugnisse.518 Sind die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, besteht grundsätzlich eine Genehmigungspflicht.519 Dem Nahverkehrsplan kommt anders als bei der Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre keine eigenständige Bedeutung zu. Allein die – idealerweise auf ihm beruhenden – Vorgaben des Aufgabenträgers sind von Belang.520 Allerdings hat die Genehmigungsbehörde zu prüfen, ob der beantragte Verkehr zur Herstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung notwendig ist und er nicht eigenwirtschaftlich erbracht werden kann. Dabei ist dem finanziell verantwortlichen Aufgabenträger jedoch ein Beurteilungsspielraum einzuräumen.521 Die Genehmigungsbehörde hat sich insbesondere auf eine Rechtskontrolle zu beschränken. Eine aktive Gestaltung des Nahverkehrs im Gebiet des Aufgabenträgers gehört bei der Genehmigung gemeinwirtschaftlicher Verkehre nicht zu ihren Aufgaben. 517 Zu nennen sind insoweit insbesondere Fragen der Kontrolle, A. Freitag / A. Saxinger, Der Nahverkehr 7 – 8 / 2002, 25 (30). 518 J. Werner, WiVerw 2001, 89 (100). 519 M. Ronellenfitsch, VerwArch 92 (2001), S. 131 (142). 520 R. Metz / V. Wente, Nahverkehrspläne, S. 19; anders L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 98. 521 Dagegen erhält nach G. Püttner, in: ders., Der regionalisierte Nahverkehr, S. 89 (100), die Genehmigungsbehörde durch die Überprüfung, ob die kostengünstigste Alternative vom Aufgabenträger gewählt wurde, erheblichen Einfluss auf dessen Nahverkehrsplanung.

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Auch die Folgen der Genehmigung nach § 13a PBefG weichen von denen eigenwirtschaftlicher Verkehre ab. Indem § 13a I 2 PBefG allein auf § 13 I, II Nr. 1 PBefG verweist, wird zugleich klargestellt, dass ein Bestandsschutz für Genehmigungsinhaber nicht besteht.522 Auch ein Ausgestaltungsrecht ist nicht vorhanden.523 Dies folgt aus der fehlenden Verweisung auf § 13 II Nr. 2, IIa, III PBefG. Damit ist die Stellung des Inhabers einer Genehmigung für einen gemeinwirtschaftlich betriebenen Verkehr deutlich schwächer als im Falle der Eigenwirtschaftlichkeit. 3. Die ÖPNV-Gesetze der Länder Das Bundesrecht überlässt den Ländern die Regelung einer Reihe von wichtigen Vorgaben für den ÖPNV. Insbesondere obliegt ihnen die nähere Ausgestaltung des Nahverkehrsplans, insbesondere aber des konkreten Verfahrens seiner Aufstellung, sowie die Bestimmung der Aufgabenträger und Genehmigungsbehörden. Dieser Notwendigkeit zur Gesetzgebung im ÖPNV-Bereich524 sind alle Bundesländer außer Hamburg525 mit dem Erlass der Landes-ÖPNV- bzw. -regionalisierungsgesetze (LÖPNVG) nachgekommen. Entsprechend den bundesgesetzlichen Vorgaben und der sachlichen Notwendigkeiten enthalten alle landesgesetzliche Regelwerke Aussagen zu Begriffsbestimmungen, der Aufgabenträgerschaft, dem Aufgabencharakter, die Benennung der für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen zuständigen Behörden sowie Vorgaben für die Aufstellung des Nahverkehrsplans 522 BLFA Straßenpersonenverkehr, Der Nahverkehr 6 / 1997, 8 (9); S. Barth / H. Baumeister, ZUR 1997, 17 (19); R. Bidinger, Personenbeförderungsrecht, B § 13a S. 1; F. Berschin, ZUR 1997, 4 (10); M. Fey, NZV 1996, 132 (134); G. Fromm / M. Fey / K.-A. Sellmann / H. Zuck, Personenbeförderungsrecht, § 13a PBefG Rn. 1; E. Götz, Die Organisation des regionalisierten öffentlichen Personennahverkehrs, S. 170; H. Krämer, Der Nahverkehr 4 / 1995, 6 (8); S. Meyer, DVBl. 1999, 1409 (1413); Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (81); U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 37; K.-A. Sellmann, NVwZ 1995, 1167 (1170). Dagegen spricht M. Löw, Regionalisierung, S. 48, immerhin von einem eingeschränkten Bestandsschutz. 523 M. Fey, NZV 1996, 132 (134). 524 L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 106. 525 Th. Muthesius, in: G. Püttner, Der regionalisierte Nahverkehr, S. 71 (82); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 107. Stattdessen existiert eine Zuständigkeitsanordnung des Senats, vgl. Th. Grätz, Personenbeförderungsgesetz, PBefG § 8 Rn. 2; U. Scheele / D. Sterzel, Öffentlicher Personennahverkehr, S. 44. Das BayÖPNVG, GVBl. (1993) S. 1052, wurde bereits vor der Bahnreform erlassen. Ihm kam damit trotz der Notwendigkeit der Überarbeitung nach dieser eine Vorbildfunktion für Regelungen anderer Länder zu, L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 107. Vgl. insoweit ÖPNVG BW, GVBl. (1995) S. 417, 604; BerlÖPNVG, GVBl. (1995) S. 390; BrbgÖPNVG, GVBl. (1995) S. 249; BremÖPNVG, GBl. (1995) S. 317; HessÖPNVG, GVBl. (1993) S. 726; ÖPNVG MV, GVBl. (1995) S. 550; NdsNVG, GVBl. (1995) S. 180; RegG NW, GVBl. (1995) S. 196, (1996) S. 234; NVG RP, GVBl. (1995) S. 450; SaarlÖPNVG, ABl. (1996) S. 74; SächsÖPNVG, GVBl. (1995) S. 412, 449; ÖPNVG LSA, GVBl. (1995) S. 339; ÖPNVG SH, GVBl. (1995) S. 261; ThürÖPNVG, GVBl. (1995) S. 357.

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und der Finanzierung des ÖPNV.526 Innerhalb dieser „Schablone“ bestehen jedoch erhebliche Unterschiede,527 nicht zuletzt hinsichtlich der Regelungsdichte. Anders als vor der Bahnreform besteht eine einheitliche Rechtslage im ÖPNV nicht mehr. Allenfalls ansatzweise führen parallele Regelungen in den Ländern zu einer faktischen Rechtsgleichheit. Im Folgenden soll dennoch keine getrennte Untersuchung der einzelnen Landesgesetze erfolgen. Vielmehr sind die spezifischen Lösungen soweit möglich im Überblick aufzuzeigen, um nicht zuletzt abweichende konzeptionelle Ansätze sichtbar zu machen. a) Begriffsbestimmung und Zielsetzungen Begrifflich knüpfen die ÖPNV-Gesetze der Länder an der Begriffsbestimmung des BRegG an, die mit nur einer Ausnahme explizit in den Gesetzestext aufgenommen wird.528 Parallel zu § 2 BRegG wird insoweit ein funktioneller ÖPNV-Begriff zugrunde gelegt, der die herkömmliche Unterscheidung zwischen SPNV und ÖPNV nicht fortführt.529 Materiell erfolgt aber nichtsdestotrotz eine entsprechende Unterscheidung.530 Dem SPNV kommt grundsätzlich eine „Rückgratfunktion“531 zu,532 auf den der übrige ÖPNV abzustimmen ist.533 Wie auch das BRegG ordnen die LÖPNVG wiederum mit nur einer Ausnahme den ÖPNV ausdrücklich der Daseinsvorsorge zu, wobei die Formulierungen jedoch 526 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 110; A. Jacob, LKV 1996, 262. G. Lange, LKV 1997 117 (118), konstatiert zutreffend eine vergleichbare Struktur der landesrechtlichen Regelungen. 527 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 110; O. Finkenbeiner, in: BOU, ÖPNV gestalten, S. 17 (18). 528 § 2 ÖPNVG BW; Art. 1 BayÖPNVG; § 1 BerlÖPNVG; § 1 BrbgÖPNVG; § 1 BremÖPNVG; § 2 III HessÖPNVG; § 1 ÖPNVG MV; § 1 NdsNVG; § 1 II RegG NW; § 1 II NVG RP; § 1 II SaarlÖPNVG; § 1 SächsÖPNVG; § 2 II ÖPNVG LSA; § 1 II ThürÖPNG. Auch soweit die Definition des ÖPNV leicht abweichend vorgenommen wird, vgl. mit Bezug auf Art. 1 BayÖPNVG E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 8, sind wesentliche inhaltliche Abweichungen damit nicht verbunden, auch soweit dies kompetenzrechtlich möglich wäre. 529 A. Jacob, LKV 1996, 262 (263); L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 107; H. Zuck, ÖPNVG, S. 18. 530 Vgl. Art. 1 I 3 BayÖPNVG. § 3 HessÖPNVG unterscheidet daneben zwischen lokalem und regionalem ÖPNV. Entsprechend der Zielsetzung der Arbeit ist im Folgenden allein auf die Rechtslage bezüglich des ÖPNV im Sinne des PBefG einzugehen. Soweit notwendig, wird der Bezug zum SPNV hergestellt. 531 G. Lange, LKV 1997 117 (118). 532 § 4 V ÖPNVG BW, Art. 2 III 1 BayÖPNVG; § 2 VI 1 BrbgÖPNVG; § 1 V HessÖPNVG; § 3 I 2 NVG RP; § 2 III 2 ThürÖPNVG; dahingehend auch § 2 II RegG NW; auch sonstiger Schienenverkehr Art. 2 III 1, 3 BayÖPNVG; § 3 II BremÖPNVG; § 2 IV RegG NW; § 1 V ÖPNVG LSA; wohl auch § 2 IV SächsÖPNVG. 533 Art. 5 III 2 BayÖPNVG.

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im Einzelnen voneinander abweichen. Während einige LÖPNVG den ÖPNV selbst als Aufgabe der Daseinsvorsorge bezeichnen, stellen andere nur auf dessen Sicherstellung bzw. Gewährleistung ab.534 Ein unmittelbarer materiell-rechtlicher Unterschied folgt daraus jedoch nicht. Deutlich wird allein das Bestehen unterschiedlicher konzeptioneller Ansätze. Die besondere Bedeutung des ÖPNV für die Lebensführung in der modernen Gesellschaft wird in jedem Falle deutlich hervorgehoben und dient so implizit zur Rechtfertigung der teilweise starken Einflussnahme der öffentlichen Hand. Anzustreben ist in Übereinstimmung mit den bundesrechtlichen Vorgaben eine ausreichende Verkehrsbedienung,535 sofern eine vorrangig anzustrebende Verkehrvermeidung536 nicht erreichbar ist. Dabei soll der ÖPNV grundsätzlich eine vollwertige Alternative zum MIV darstellen537 und Vorrang vor diesem genießen.538 Dies soll neben planerischen Maßnahmen zum einen durch eine gesteigerte Attraktivität, nicht zuletzt durch seine Integration539 erreicht werden,540 wobei eine Vielzahl qualitativer Anforderungen aufgestellt wird,541 zum anderen aber auch durch 534 § 5 ÖPNVG BW; Art. 2 I 1 BayÖPNVG; § 2 I 1 BerlÖPNVG; § 2 I BrbgÖPNVG; § 2 I 1 BremÖPNVG; § 2 II HessÖPNVG; § 2 II NdsNVG; § 1 I RegG NW; § 4 I 1 NVG RP; § 2 I 1 SaarlÖPNVG; § 2 I 1 SächsÖPNVG; § 1 I 1 ÖPNVG LSA; § 1 I ÖPNVG SH; § 2 I 1 ThürÖPNVG. 535 Der Begriff selbst ist nur teilweise in den LÖPNVG enthalten, ergibt sich im Übrigen aber aus einer Zusammenschau, vgl. E.M. Gabler, Öffentlicher Nahverkehr in Bayern, S. 111 f. unter Bezugnahme auf Art. 1 I 1, 2 I 2, III 1, 5 I BayÖPNVG 536 Th. Scheder, in: J. Kormann, Kommunen und Verkehrsplanung, S. 9 (16); siehe insoweit Art. 2 II BayÖPNVG. 537 § 1 S. 1 ÖPNVG BW; Art. 2 I 2 BayÖPNVG; § 2 I 2 BerlÖPNVG; § 2 I 2 BremÖPNVG; § 1 II 1 HessÖPNVG; § 2 II ÖPNVG MV; schwächer § 2 II 2 BrbgÖPNVG; § 1 II 2 ÖPNVG SH; § 2 I 2 ThürÖPNVG: „attraktive Alternative“; nur von einer Alternative spricht § 2 I 3 SaarlÖPNVG. 538 § 3 III ÖPNVG BW; Art. 3 BayÖPNVG; § 2 VII BerlÖPNVG; § 2 IV BrbgÖPNVG; § 3 I 1 BremÖPNVG; § 1 IV HessÖPNVG; § 2 V ÖPNVG MV; § 2 III NdsNVG; § 2 I RegG NW; § 2 II NVG RP; § 3 SaarlÖPNVG; § 2 III 2 SächsÖPNVG; § 1 II 4 ÖPNVG SH; § 2 I 3 ThürÖPNVG. 539 S. Barth, in: S. Barth / H. Baumeister / F. Berschin / J. Werner, Recht des öffentlichen Personennahverkehrs, A3 Rn. 187; L. Wachinger / M. Wittemann, Regionalisierung, S. 116, sehen in der Kooperationsförderung die wesentliche Aufgabe der LÖPNVG. 540 Vgl. § 4 II-IV ÖPNVG BW; § 2 III 2 RegG NW; § 1 VI 1 ÖPNVG LSA