142 114 32MB
German Pages 321 Year 1975
RUDOLF REISCHAUER
Der Entlastungsbeweis des Schuldners (§ 1298 ABGB)
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 25
Der Entlastungsbeweis des Schuldners (§ 1298 ABGB) Ein Beitrag zum Recht der Leistungsstörung mit rechtsvergleichenden Bezügen
Von
Dr. Rudolf Reisehauer
DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
IC> 1975 Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 19'75 bel Buchdruckerei Bruno Luck, Berlln 65 Prlnted in Germany ISBN 3 428 03478 3
lsolde gewidmet
Vorwort Die vorliegende Schrift geht auf eine dankenswerte Anregung Prof. Rudolf Strassers zurück, die Beweislastverteilung bei Schädigungen durch Arbeitnehmer zu ergründen. Bald schon zeigte sich, daß die Lösung des Problems nur aus einer umfassenderen Betrachtung auch anderer Vertragstypen unter Einbeziehung von Grundfragen des Obligationenrechts zu finden ist. So wurde aus dem arbeitsrechtlichen Ansatz notwendigerweise eine umfassende schuldrechtliche Darstellung, in der die arbeitsrechtliche Seite nur mehr als Teilaspekt erscheint. Ein Befund der Rechtsprechung zu § 1298 ABGB leitet die Betrachtungen ein: Er hat das Bestreben, die innere Widersprüchlichkeit der Judikatur anzudeuten. Der zweite Teil versucht nach einer Analyse der Wurzeln der Rechtsprechung, die theoretische Grundlage für die Problemlösung zu liefern. Der dritte Teil über die Beweislastverteilung bei einzelnen Vertragstypen zielt vor allem darauf ab, dem Praktiker eine schnelle Hilfe zur Lösung konkreter Fragen zu geben. Die Johannes-Kepler-Universität zu Linz hat die gegenständliche Arbeit im Wintersemester 1974/75 als Habilitationsschrift angenommen. Literatur und Judikatur sind grundsätzlich nur bis Juli 1974 berücksichtigt. Auf spätere Veröffentlichungen konnte nur mehr ausnahmsweise eingegangen werden. Prof. Peter Rummel hat mich bei der Durchführung der Untersuchung auf optimale Weise unterstützt. Ihm gebührt mein herzlicher Dank. Auch mit Prof. Karl Spielbüchler führte ich fruchtbare Diskussionen, wofür ich gerne danken möchte. Meinen Eltern Rudolf und Margarete Reisehauer sage ich großen Dank für alles Gegebene. Herr Senator h . c. Dr. Johannes Broermann war so liebenswürdig, die Schrift in sein Verlagsprogramm aufzunehmen.
Inhaltsverzeichnis Erster Teil
Rerhtsprerhung zu § 1298 ABGB und Rerhtsprechungskritik Rechtsprechung zu § 1298 ABGB und Rechtsprechungskritik ............................
19
A. übersieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kaufverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Werkverträge (ohne Beförderungsverträge) . . . . . . . . . . . . . . III. Personenbeförderungsverträge .. ... ..... ..... . . . .. .. . .. ... IV. Mietverträge und ähnliche Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . V. Freie Dienstverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Arbeitsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gesetzliche Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19 20 21 22 23 23 24 24
§ 1. Die Rechtsprechung zu § 1298 ABGB
B. Der scheinbar gemeinsame Nenner der herrschenden Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 § 2. Kritik der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
A. Kauf- und Werkverträge (ohne Beförderungsverträge) . . . . . . . . . .
Die Berufung auf die Materialien zur 3. Teilnovelle . . . . . . Die Berufung auf Wolff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Berufung auf Pisko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Berufung auf Wahle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Berufung auf Gschnitzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26 27 31 35 43 49
B. Mietverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
C. Personenbeförderungsverträge ....... .... .....................
51
I. II. III. IV. V.
D. Arbeitsverträge
53
E. Zwischenergebnis
53 Zweiter Teil
Ratio und Anwendungsbereich des § 1298 ABGB § 3. Osterreichische Aussagen zu § 1298 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
A. Die Beratungsprotokolle zum ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
Inhaltsverzeichnis
10 B. Zeiller
56
C. Armin Ehrenzweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
D. Albert A. Ehrenzweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
E. Hanausek, Wolff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
F. Pfaff, Schey, Randa
61
G. Krasnopolski, Hasenöhrl, Swoboda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
H. Weiser, Bydlinski, Koziol
63
J. Pisko, Wahle
65
K. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
§ 4. Deutsche Auffassungen zu Bewe-islastfragen im Schadenersatzrecht
67
A. Heinrich Stoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
B. Hans Stoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .
72
C. Raape
74
D. Prölss
87
E. Zusammenfassung und Ausblick
95
§ 5. Einzetfälle einer Beweislastumkehr außerhalb einer vertraglichen
oder gesetzlichen Sonderverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
A. Gebäude- und Tierhalterhaftung (§§ 836, 833 BGB; §§ 1319, 1320 ABGB) ................................................ .. .... 97
B. Die Haftung für Besorgungs-(Verrichtungs-)Gehilfen (§ 1315 ABGB; anders: § 831 BGB) .......................... .. ...... 102 C. Die Haftung des Aufsichtspfli'chtigen (§ 832 BGB; anders: § 1309 ABGB) ...................................................... 105 D. Die Haftung des Kfz-Halters (§ 7 dStvG; § 9 EKHG) ...... . . .. 109 E. Fälle der Haftung für atomare Schädigungen (§ 26 dAtomG; § 28 öAtomHG) ............. . .............................. .. ....... 110 F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 § 6. Allgemeine Betrachtungen über Gründe einer Beweislastverschie-
bung ... ..... . ...... . .... .. ... . ... . ... . ....... . .... .. . .. ......... 112
§ 7. § 1298 ABGB und die
Rechtswidrigkeit?)
Rechtswidrigkeit (Beweislastumkehr für ..... .. ................. ... ................... 116
A. Allgemeines zum "reinen Verhaltensunrecht" . .. .... . ... . .. .... 117
B. Rechtswidrigkeit und Verschulden i. S . des ABGB . . . . . . . . . . . . . . 123 C. Ergebnis für § 1298 ABGB; die Regelungen ausländischer Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Inhaltsverzeichnis § 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
A. Die Gründe für die Beweislast des Schuldners in rechtsverglei-
chender Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. BGB ...................................................... II. Schweizerisches Obligationenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anglo-amerikanischer Rechtskreis ........................ V. Das einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Lösung der Beweislastfrage aus der Struktur der Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erfüllung und Nichterfüllung als Zentralfragen des Schuldverhältnisses .............................................. II. Lösung der Beweislastfrage aus dem Umfang der Obligation 1. Die Erfolgsverbindlichkeiten als Anwendungsbereich des § 1298 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfolgsverbindlichkeit - Erfolgshaftung . . . . . . . . . . . . . . b) Der mögliche Beweisnotstand des Gläubigers ist nicht ratio des § 1298 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sorgfaltsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbindlichkeiten zur Leistung ...................... b) Schutzpflichten ...................................... aa) Allgemeines und Erfüllungsgehilfenhaftung .... bb) Nichtige Verträge ....... . ...................... c) § 1298 ABGB und die subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
134 134 134 140 142 143 145 147 147 154 154 154 167 171 171 171 173 173 176 178
§ 9. § 1298 ABGB im außervertraglichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
A. § 1298 ABGB und das Deliktsrecht ............................ 180 B. Gesetzliche Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB . . . . . . . . . . I. Erfolgsverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 1298 ABGB bezieht sich nicht auf culpa in contrahendo . . III. Garantiehaftung bei fehlerhaftem Vertragsschluß . .. . ... ...
189 189 190 191
§ 10. Die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 § 11. Die§§ 1297 und 1299 ABGB und das Verhältnis der §§ 1296 bis 1299 ABGB .......................................................... 198
A. § 1297 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I. Die Vermutung der subjektiven Fähigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Die Widerlegbarkeit der Vermutung des§ 1297 ABGB ...... 201 B. § 1299 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 C. Das Verhältnis der §§ 1297 und 1299 ABGB . . ................ 206 D. Systematik der §§ 1296 bis 1299 ABGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
12
Inhaltsverzeichnis
§ 12. Der Beweis der Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit
208
A. Ersatzanspruch wegen Ausbleibens der Leistung . . . . . . . . . . . . . . 209
B. Die Mangelhaftigkeit als Ausbleiben der geschuldeten Qualität (Erfüllungs- und Ersatzansprüche wegen des Minderwerts der Sache) ............. ..... ................. .. ............. .. ... . 213 C. Die Mangelhaftigkeit als Ursache von Mangelfolgeschäden ...... 218 Dritter TeU
Die Beweislastverteilung bei einzelnen Vertragstypen § 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
A. Rückblick auf gewonnene Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
B. Folgeschäden durch Hingabe einer fehlerhaften Gattung . . . . . . 223 C. Folgeschäden durch Hingabe einer fehlerhaften Spezies . . . . . . . . I. Behebbarer Mangel einer Spezies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anfänglicher unbehebbarer Mangel einer Spezies . . . . . . . . . . 1. Allgemeines ... . . . ................................. . .... 2. Anspru'ch auf das positive Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ersatzansprüche wegen Mangelfolgeschäden . . . . . . . . . . . .
231 232 233 233 235 241
III. Nachträglicher unbehebbarer Mangel einer Spezies ..... .. . 245 IV. Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 D. Skizzen zur Produzentenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
E. Schädigung durch eine gefährliche vertragsgemäße Eigenschaft 255 § 14. Werkvertrag (ohne Beförderungsvertrag) ................ .. ...... 257
Leistung eines mangelhaften Werks ..... .. . . ...... .. ............. 257 § 15. Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262
A. Schädigung durch eine mangelhafte Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . 262 B. Die Störung des bedungenen Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 C. Die Anzeigepflicht des Mieters und ihr Verhältnis zur Verbindlichkeit des Vermieters, die Sache zu erhalten .. . ............ .. . 265 D. Die Beschädigung der Mietsa·c he . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 § 16. Verwahrung
269
A. Beschädigung des verwahrten Gutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 B. Schädigung durch die verwahrte Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 § 17. Güterbeförderung
271
Beschädigung des Transportgutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
Inhaltsverzeichnis
13 273
§ 18. Personenbeförderung
A. Ohne Mitwirkung des Beförderten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 B. Bei Mitwirkung des Beförderten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 284
§ 19. Arbeitsvertrag
A. Schlechtleistung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. Schlechtleistung der Arbeit im allgemeinen ............. . .. 284 II. Die Mankohaftung des Arbeitnehmers im besonderen . . . . . . 288 III. Beschädigung von übergebenen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 IV. Beweislastverteilung und Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DNHG) ........ ... .............. . . .. ............... . .. . .. 294 B. Die Anwesenheit am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 C. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 § 20. Freie Dienstverträge
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 B. Rechtsanwälte, Steuerberater u. ä. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 C. Arzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Anhang
Beweislast -
materielles oder formelles Recht?
307
Literaturverzeichnis
309
Entscheidungsregister
316
Abkürzungsverzeichnis a. a.A. aaO ABGB Abs. AcP ADSp. a.E. a.F. AGB AHGB AktG a.M. ALR AN anf.
AnfG AnfO AngG
Anm.
AÖSp. AP Arb. ArbG arg. AR-Blattei Art. ASVG AtomG AtomHG AuR BAG BB Bd. BGB BGBl.
BGB-Motive
auch anderer Ansicht, am Anfang am angeführten Ort Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen amEnde alte(r) Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Handelsgesetzbuch RGBl. 1863/1 Aktiengesetz anderer Meinung Preußisches Allgemeines Landrecht Arbeitnehmer anfänglicher Anfechtungsgesetz RGBl. 1879, 277 Anfechtungsordnung RGBl. 1914/337 Angestelltengesetz BGBI. 1921/292 Anmerkung Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen Arbeitsrechtliche Praxis Sammlungen von arbeitsrechtlichen Entscheidungen der Gerichte und Einigungsämter, hrsg. vom Bundesministerium für Justiz, Wien Arbeitsgericht argurnenturn Arbeitsrecht-Blattei Artikel Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. 1955/189 Atomgesetz, BGBl. 1959 I 814 Atomhaftpflichtgesetz BGBl. 19641117. Arbeit und Recht Bundesarbeitsgericht Der Betriebsberater Band Bürgerliches Gesetzbuch österreichisches Bundesgesetzblatt - zitiert: Jahrgang/ Nummer (z. B.: BGBl. 1974/81); deutsches Bundesgesetzblatt - zitiert: Jahrgang, Band, Seite (z. B.: BGBI. 1970 I 1565). Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Amtliche Ausgabe
Abkürzungsverzeichnis BGB-Protokolle BGB-RGRK BGE BGH BGHZ BinnSchG Bl. Blg. BlgAH BlgNR BRD BrJZ BStG bzw. cic. CIM
CIV
CMR
CTh. d
DDR ders. d.h. Diss. DJT DNHG dRdA
E
EB EFSlg. EKG
EKHG
EO
15
Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Amtliche Ausgabe Reichsgerichtsrätekommentar zum BGB Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (deutscher) Bundesgerichtshof Entscheidungen des (deutschen) Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Binnenschiffahrtsgesetz RGBl. 1898, 868 Blatt Beilage, -n Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats Bundesrepublik Deutschland Brünner Juristenzeitung für das Gebiet der Tschechoslowakischen Republik Bundesstraßengesetz BGBl. 1971/286 beziehungsweise culpa in contrahendo Convention Internationale concernant le transport des marchandises par ehernins de fer (Internationales übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr) BGBl. 1964/266 Convention Internationale concernant le transport des voyageurs et des bagages par ehernins de fer (Internationales übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und Gepäcksverkehr) BGBl. 1964/267 Convention relative au cantrat de transport international des marchandises par route (übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr) BGBl. 1961/138 Codex Theresianus (zitiert: Teil, Hauptstück, Z.) deutsch (nur vor einer anderen Abkürzung) Deutsche Demokratische Republik derselbe das heißt Dissertation Deutscher Juristentag Dienstnehmerhaftpflichtgesetz BGBl. 1965/80 (deutsches) Recht der Arbeit Entscheidung, -en Erläuternde Bemerkungen Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen, hrsg. von HZuze I Litzljellner
Einheitliches Kaufgesetz (Haager übereinkommen zur Einführung eines einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen, RabelsZ 1965, 166 ff.; BGB1.1973 I 856, BGBl. 1973 II 885) Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz BGBl. 1959/48 Exekutionsordnung RGBI. 1896/79.
16 Entw. etc. EvBl. EVHGB EVO
f.
ff. FamRZ FN frz. FS
G.
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Halbs. HGB HHK h.L. h.M. hrsg. HS i. d. g. F. i. d. R. i. e. S.
Ind.
insb. i. s.
i. s. v. i. V.m.
i.w. S. JA JBl. JherJB JMVBl. JuS JW JZ
Abkürzungsverzeichnis Entwurf et cetera Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (seit 1945 Beilage der OJZ) Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschrüten im Lande Osterreich Eisenbahnverkehrsordnung und der (die) folgende und die folgenden Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote(n) französisch Festschrift Gesetz Gedächtnisschrift, Gedenkschrift Gewerbeordnung Sammlung von zivilrechtliehen Entscheidungen des kk. Obersten Gerichtshofes, hrsg. von Glaser und Unger, fortgeführt von Walther, Pfaff, Schey und Krupsky Sammlung von zivilrechtliehen Entscheidungen des kk. Obersten Gerichtshofes, Neue Folge; begonnen von Glaser und Unger, fortgeführt von Pfaff, Schey, Krupsky, Schrutka von Rechtenstamm und Stepan Gesetzgebungsperiode Osterreichische Allgemeine Gerichtszeitung Heft Entwurf Horten (zitiert: Teil, Hauptstück, §) Halbsatz Handelsgesetzbuch Herrenhauskommission herrschende Lehre herrschende Meinung herausgegeben Handelsrechtliche Entscheidungen, hrsg. von StanzZ I
Friedl
in der gegenwärtigen Fassung in der Regel im engeren Sinne Sonderbeilage Sozialpolitik und Arbeitsrecht der Zeitschrift "Die Industrie" insbesondere im Sinne im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Justizausschuß Juristische Blätter Jherings Jahrbücher Verordnungsblatt des kaiserlich-königlichen Justizministeriums Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
Abkürzungsverzeichnis KaisVO Kfz KG kk. KollVG KO LG LGZ lit. LM LKW LuftVG
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m.E. MietSlg. NJW Nr. NR ö ÖBB OG OGH ÖJZ OLG OR öRdA PlB PS RabelsZ RegieBAG RdA RG RGBl.
RGZ RheinZ RHG Rsp. RÜG RZ RV
s.
s. s. a. 2 Reisehauer
17
Kaiserliche Verordnung Kraftfahrzeug Kreisgericht kaiserlich-königlich Kollektivvertragsgesetz BGBI. 1947/76 Konkursordnung Landesgericht Landesgericht für Zivilrechtssachen litera Nachschlagewerk des (deutschen) Bundesgerichtshofes, hrsg. von Lindenmaier, Mähring u. a. Lastkraftwagen Luftverkehrsgesetz Entwurf Martini (zitiert: Teil, Hauptstück, §) mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht meines Erachtens Mietrechtliche Entscheidungen, hrsg. von Heller I Radi, jetzt Heller I Jensik I Ladislav Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nationalrat österreichisch, -e, -er, -es (nur vor einer anderen Abkürzung) Österreichische Bundesbahnen Oberstes Gericht (Brünn) Oberster Gerichtshof der Republik Österreich. Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht Schweizerisches Obligationenrecht Das Recht der Arbeit, Wien Pienarbeschluß Pferdestärke Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Regiebauten-Arbeitergesetz RGBl. 1902/156 s. öRdA und dRdA Reichsgericht österreichisches Reichsgesetzblatt zitiert: Jahrgang/ Nummer; deutsches Reichsgesetzblatt - zitiert: Jahrgang, Band, Seite. Entscheidungen des Reichsgerichtes in Zivilsachen Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht Reichshaftpflichtgesetz, RGBl. 1871, 207 Rechtsprechung, hrsg. vom Verband österreichischer Banken und Bankiers Hechts-Überleitungsgesetz StGBl. 1945/6 Österreichische Richterzeitung Regierungsvorlage Seite siehe siehe auch
18 sec. Sess. SeuffArch SlgOG s.o. sog. SozM SpR StG StGB StGBl. StVG StVO s. u.
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ZAS z.B. ZBl. ZGB ZPO ZStW ZStaatsW ZVR
Abkürzungsverzeichnis section Session Seufferts Archiv für die Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Entscheidungen des Obersten Gerichts (der CSR) in Brünn in Zivilsachen siehe oben sogenannt Sozialrechtliche Mitteilungen der Arbeiterkammer Wien Spruchrepertoriwn des OGH Strafgesetz Strafgesetzbuch Staatsgesetzblatt für die Republik Osterreich Straßenverkehrsgesetz, BGBl. 1952 I 837 Straßenverkehrsordnung BGBl. 1960/159 siehe unten Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen Teilnovelle zwn ABGB (1., 2., 3.) Materialien zur ... Teilnovelle des ABGB und unter anderem, und andere(s) und ähnliches unseres Erachtens und so weiter unter Umständen Verhandlungen Versicherungsrecht Die Versicherungsrundschau Versicherungsvertragsgesetz 1958 BGBl. 1959/2 vergleiche Verordnung Westgalizisches Gesetzbuch (zitiert: Teil, Hauptstück, §) Ziffer Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht zum Beispiel Zentralblatt für juristische Praxis Zivilgesetzbuch Zivilprozeßordnung Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für Verkehrsrecht
Erster Teil
Rechtsprechung zu § 1298 ABGB und Rechtsprechungskritik § l. Die Rechtsprechung zu§ 1298 ABGB A. Übersicht
"Wer vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sei, dem liegt der Beweis ob" (§ 1298 ABGB). Dieser scheinbar so einfache Rechtssatz legt die Annahme nahe, daß sich der Schuldner bei jeder Verletzung einer auf Vertrag oder Gesetz beruhenden Verbindlichkeit zu entlasten habe, um einem Schadenersatzbegehren seines Widerparts zu entgehen. Anders als im Deliktsrecht - so läßt der erste Blick ahnen - liegt die Beweislast für das Verschulden1 beim Belangten und nicht beim Geschädigten. So problemlos, wie der unbefangene Leser meinen könnte, liegt die angeschnittene Rechtsfrage leider nicht. Da bis heute eine grundlegende Untersuchung zu§ 1298 ABGB fehlt, kann es nicht verwundern, daß die bis jetzt dogmatisch nicht bewältigten Fragen dieser Norm der Rechtsprechung größte Schwierigkeiten bereiten. Die vorliegende Abhandlung willratiound Anwendungsbereich dieser ganz und gar nicht peripheren Gesetzesstelle des Österreichischen Schadenersatzrechts erhellen. Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet hierbei der juristische Alltag: die Judikatur zu § 1298 ABGB. In nahezu ständiger Rechtsprechung lehnt der OGH bei Kaufverträgen und den meisten Werkverträgen die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB ab, wenn eine mangelhafte Leistung den Gläubiger an seinen Gütern, insbesondere am Vermögen schädigt. In diesen Fällen soll der Geschädigte das Verschulden des Schädigers beweisen müssen. Die Rechtsprechung zu einem speziellen Fall des Werkvertrages, nämlich dem Beförderungsvertrag, zeigt dagegen ein anderes Bild: Dem verletzten Fahrgast nimmt das Höchstgericht die Beweislast für das 1 Zum Verschuldensbegriff des ABGB s. u. § 7: Er umfaßt die objektive Sorgfaltswidrigkeit und das Verschulden im subjektiven Sinn.
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§ 1. Rechtsprechung zu§ 1298 ABGB
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Verschulden des Beförderers ab. Aber nicht nur in diesem Sonderfall eines Werkvertrages, auch bei Miet- und Arbeitsverträgen soll der Schuldner die Beweislast tragen. Ein Überblick möge die Rechtsprechung des OGH - im Arbeitsrecht auch der Untergerichte - veranschaulichen. Beispiele der Rechtsprechung zu den gesetzlichen Verbindlichkeiten, wie diese sie im Sinne des § 1298 ABGB versteht, sollen die Darstellung abrunden und den Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung bei mangelhafter Leistung in Kauf- und Werkvertrag andeuten. I. Kaufverträge%
Soweit ersichtlich, wandte der OGH bei diesem Vertragstyp nach fehlerhafter Leistung § 1298 ABGB ein einziges Mal an: Die zu niedrige PS-Zahl einer Wasserturbine verursachte- aus der Entscheidungsveröffentlichung nicht ersichtliche - Schäden (TurbinenfaU)3. Alle übrigen Fälle einer Schädigung durch Schlechtleistung behandelte der OGH hingegen nicht nach § 1298 ABGB. Es ging dabei um
folgende Sachverhalte:
Das gekaufte Pferd steckte andere Pferde des Käufers an (AnstekkungsfaU)''.
Der Gläubiger hob wegen Lieferung einer mangelhaften Gradiermaschine den Vertrag auf. Zwischen Zahlung und Rückzahlung des Kaufpreises stürzte die Österreichische Krone im Kurs enorm. Der Kläger hatte für 150 000 Österreichische Kronen 7962 tschechische aufgewendet und begehrte wegen Vertragsverletzung den Ersatz des Kursverlustes5 (Kronenfall)6 • Eine fehlerhafte, serienmäßig hergestellte Spinnereiware verursachte -aus der Entscheidungsveröffentlichung nicht ersichtliche- Schäden (Spinnereiwarenfall)1.
Rechtsprechungskritik s. u. § 2. A.; Lösung s. u. § 13. OGH 23. 12. 1931, 1 Ob 914/31, Rsp. 1932/34.- S. a. § 2 FN 107. 4 OGH 28. 1. 1908, Rv I 10/8, GlUNF 4.104. 5 Hier interessiert nicht, ob derartige Schäden als Mangelfolgeschäden zu ersetzen sind. Von Bedeutung ist der KronentaU für uns, weil in ihm der OGH in erstmaliger Auseinandersetzung mit der Neufassung des § 932 Abs. 112 ABGB durch die 3. TN (ausdrückliche Erwähnung des Verschuldens für den Schadenersatz) die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB ablehnte und damit die ständige Rechtsprechung einleitete. - s. u. § 2. A. I. 8 OGH 2. 5. 1923, Ob II 279/23, SZ 5/107. 7 OGH 18. 12. 1936, 1 Ob 1140/36, Rsp. 1937/27. 2
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A. Obersicht
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Wasserflecken in den Mauern des verkauften Hauses führten zu Zinsen tgang (W asserflecken fall)8 . An verunreinigter Weizenkleie verendeten Jungschweine (Weizenkleiefall)9. Wegen fehlerhafter biologischer Zusammensetzung eines "Alleinfutters" gingen Küken ein (Alleinfutterfall) 10. Der Verkäufer von Karboplandichtungen versicherte dem Käufer auf ausdrückliches Befragen fälschlich die Eignung derartiger Dichtungen zum Einbau in Ammoniakpumpen. Dem Käufer entstanden unter anderem Kosten für den Ausbau der alten und den Einbau neuer, tauglicher Dichtungen (Karboplandichtungsfall) 11 • Ein gebrauchter, mangelhafter Kfz-Ersatzteil rief - aus der Entscheidungsveröffentlichung nicht ersichtliche - Schäden hervor (Ersatzteilfall)12. Verwässertes Heizöl legte die Heizanlage eines Betriebes lahm und machte deren Reparatur notwendig. Außerdem stand (wegen des Nichtfunktionierens der Heizung?) die Produktion vorübergehend still (Heizölfall) 18• 14• D. Werkverträge (ohne Beförderungsverträge)11 Wie beim Kaufvertrag zog der OGH auch hier bei mangelhafter Leistung§ 1298 ABGB nur einmal heran: Eine gebrauchsuntüchtige Dampfmaschine machte unter anderem Aufwendungen zur Abwehr eines Betriebsstillstandes nötig (Dampfmaschinenfall)18. Bei folgenden Sachverhalten lehnte der OGH dagegen die Beweislastumkehr nach§ 1298 ABGB ab: Der Kläger begehrte die Kosten der Entfernung einer mangelhaften Goldbrücke (Dentistenfall)11. RG 15. 6. 1939, VIII 64, EvBI. 1939/532. OGH 21. 10. 1954, 2 Ob 578, EvBl. 1955/22 = HS 1.846. to OGH 17. 2.1960, 1 Ob 383/59, HS 247/68. 11 OGH 21. 11. 1956, 7 Ob 479, SZ 29/76 = EvBI. 1957/63. Der OGH sah hier jedoch das Verschulden als erwiesen an. 12 OGH 22. 6. 1960, 6 Ob 228/60, JBl. 1961, 228. 13 OGH 22. 4. 1964, 7 Ob 115/64, HS 4.322/42. 14 Einmal begründete der OGH die Anwendung des § 1298 ABGB bei Lieferungsverspätung (!) mit der (angeblichen) Unanwendbarkeit dieser Gesetzesstelle auf mangelhafte Leistungen. - OGH 26. 9. 1956, 7 Ob 356, EvBl. 1957/259. 15 Rechtsprechungskritik s. u. § 2. A.; Lösung s. u. § 14. 18 OGH 16. 12. 1903, 7085, GlUNF 2.520. 17 OGH 31. 3. 1948, 1 Ob 102/48, JBI. 1948, 346. Der OGH setzte sich hier 8
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§ 1. Rechtsprechung zu§ 1298 ABGB
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Der Besteller gab für einen Kalenderdruck Kartons und Farben bei. Der Unternehmer führte (angeblich)l8 den Druck derart mangelhaft aus, daß die Ware unbrauchbar war (Kalenderfall) 19 . - Welche Schäden der Besteller liquidieren wollte, kann der Entscheidungsveröffentlichung nicht entnommen werden. Ein Geometer hat im Zusammenhang mit einer Grenzstreitigkeit (angeblich)20 die Grenze von Waldgrundstücken falsch vermessen. Ein Anrainer begehrte den Wert des verlorenen Holzes (Geometerfall)21 • Ein Unternehmer hat bei der Reparatur eines Kompressors einen (wahrscheinlich) vorhandenen Mangel des Kolbenlagers nicht entdeckt. Dieser Fehler zerstörte den Kompressor (Kompressorfall) 22, 23. ßl. Personenbeförderungsverträge24 Der OGH zog in folgenden Fällen§ 1298 ABGB heran :
Eine Kesselexplosion beschädigte einen Schiffspassagier (Explosions-
fall)2s.
Ein Taxiinsasse erlitt Kopfverletzungen, weil er infolge einer Straßenunebenheit gegen das Fahrzeugdach geschleudert wurde (Taxifall) 28• Ein im Anhänger eines öffentlichen Verkehrsmittels befindlicher Fahrgast wurde bei einem Verkehrsunfall verletzt (Anhängerfall)21 . Anders entschied der OGH lange vor dem zuletzt genannten Fall, als ein Anprall einen Omnibusbenützer verletzte (Omnibusfall) 28• Ein Schiffspassagier stürzte wegen fehlender Beleuchtung über eine Treppe (Treppenfall)29 • Eine zugeschlagene Autobustüre zerquetschte einen Finger (Fingerfall)3o. nicht ausdrücklich mit § 1298 ABGB auseinander, meinte jedoch, der Kläger trage die Beweislast nach § 1299 ABGB. - Zum Verhältnis der§§ 1298 und 1299 ABGB s. u. § 11. D. 18 s. § 2 FN 49. 19 OGH 13. 4. 1955, 1 Ob 190/55, HS 1.847173- s. § 2 FN 49. 20 s. § 2 FN 49. 21 OGH 11. 9. 1957, 7 Ob 398/57, JBl. 1958, 72 = EvBl. 1957/400. 22 14. 12. 1960, 6 Ob 217/60, SZ 33/139 = HS 282/ 102. 23 Die gleichfalls die Anwendung des § 1298 ABGB ablehnende E HS 1.832 - OGH 28. 1. 1953, 3 Ob 41/53 - läßt jegliche Sachverhaltsangabe vermissen. 24 Rechtsprechungskritik s. u . § 2. C.; Lösungs. u. § 18. 25 OGH 19. 2. 1901, 1438, GlUNF 1.291. 28 OGH 6. 5. 1930, 2 Ob 393, ZBl. 1932/299. 27 OGH 30. 3. 1955, 2 Ob 170/55, SZ 28/87 = JBl. 1955, 624. 28 OGH 4. 6. 1912, Rv I 452/12, GlUNF 5.953. 29 OGH 19. 3. 1907, 3110, GlUNF 3.726. ao OGH 24. 3. 1961, 2 Ob 102/61, SZ 34/50.
A. Obersicht
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Ein die Lifttrasse querender Schifahrer lädierte eine Schischleppliftbenutzerin. Diese begehrte vom Liftunternehmer Ersatz (Schleppliftfall)st.
IV. Mietverträge und ähnliche Rechtsgeschäfte31 Der OGH wandte zulasten des Vermieters§ 1298 ABGB bei folgenden Sachverhalten an:
Eine Zimmerdecke stürzte ein, zerstörte Fahrnisse des Mieters und verursachte Reinigungskosten. Überdies begehrte der Geschädigte die Kosten eines Hotelaufenthaltes wegen Unbenutzbarkeit der Mietwohnung (Deckeneinsturzfall) 33• Ein Flugzeug sank am Rollfeld ein. Die Bodenberührung beschädigte den Propeller (Propellerfall)3 4 • Der mit Genehmigung des Vermieters umbauende Mieter A störte den Mieter B im bedungenen Gebrauch. B begehrte vom Vermieter Ersatz (Umbaufall)ss. Ein Rohrbruch verursachte dem Mieter Schaden (Rohrbruchfall) 36• V. Freie Dienstverträge37
Der OGH bürdete dem Chirurgen den Entlastungsbeweis auf, als feststand, daß in der Bauchhöhle der Klägerin eine Kompresse zurückblieb (Operationsfall) 38• Als ein Klient Steuerbegünstigungen verlor und Steuerzuschläge zu bezahlen hatte, weil ihn sein Steuerberater nicht auf die Pflicht zur Führung eines Wareneingangsbuches hinwies, wandte der OGH § 1298 ABGB an (Steuerberaterfall) 3P. Gegen einen Rechtsanwaltssubstituten, der im Ausgleichsverfahren Aus- und Absonderungsrechte des Klienten aufgab, kehrte der OGH die 31 OGH 18. 10. 1968, 2 Ob 265/68, SZ 41/137 = JBl. 1970, 36. Die JBl. geben die Ausführungen des OLG Innsbruck über § 1298 ABGB nicht wieder. Auch SZ 41/137 ist kein ausdrücklicher Bezug des OGH auf § 1298 ABGB zu entnehmen, doch läßt die Diktion des OGH diesbezüglich eine Obereinstimmung mit dem OLG Innsbruck annehmen. 12 Rechtsprechungskritik s. u. § 2. B.; Lösung s. u. § 15. aa OGH 3. 12. 1912, Rv I 1072/12, GlUNF 6.157. 34 OGH 14. 6.1963, 5 Ob 83/63, SZ 36/84 = MietSlg. 15.077/20. as OGH 24. 6. 1965, 1 Ob 25/65, MietSlg. 17.144. 1e OGH 20. 2. 1968, 8 Ob 39/68, MietSlg. 20.204. 11 Lösung s. u. § 20. as OGH 13. 9. 1938, 1 Ob 539, EvBl. 1938/446. au OGH 30. 1. 1957, 7 Ob 6, EvBl. 1957/171.
§ 1. Rechtsprechung zu § 1298 ABGB
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Beweislast nicht um, weil der Klient nach Ansicht des Höchstgerichts in keinem Vertragsverhältnis zum Substituten stand (Substitutcnfall) 40 • VI. Arbeitsverträge41
Die Rechtsprechung des OGH42 und der Untergerichtete43 sah im Vorliegen eines Mankos die Nichterfüllung einer vertraglichen Verbindlichkeit und beschwerte daher die Arbeitnehmer mit dem Entlastungsbeweis. Auf die Sachverhaltswiedergabe der einzelnen Fälle der Mankohaftung kann hier verzichtet werden, weil sie einander im wesentlichen ähnlich sind. Die Darstellung von Einzelheiten erfolgt erst bei der Lösung der Probleme der Mankohaftung43 a. In diesem Zusammenhang ist noch hervorzuheben, daß sich die Rechtsprechung zur Haftung des Arbeitnehmers fast nur mit Mankos auseinandersetzte. Vereinzelt ist etwa eine Entscheidung des ArbG Linz, das die Haftung eines KfzLenkers für einen Motordefekt zu prüfen hatte, weil ein Motor, den der Arbeitnehmer nicht abzustellen vermochte, schweren Schaden erlitt (Motorschadensfall) 44 • Das Arbeitsgericht meinte, den Lenker träfe die Beweislast nach § 1298 ABGB, wenn nicht an Stelle schuldrechtlicher, arbeitsrechtliche Gesichtspunkte zu treten hätten. Die Möglichkeit des Eintrittes von Betriebsschäden am Kraftfahrzeug und die weitere Möglichkeit, die "Nichterfüllung der Beweislast" seien typische Betriebsrisiken, und es sei daher nur recht und billig, daß diese nicht der wirtschaftlich schwächere Bedienstete, sondern der Unternehmer trage. VB. Gesetzliche Verbindlichkeitenu
Zu den gesetzlichen Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB zählt der OGH die Gehsteigsreinigungs- bzw. Streupflicht48 , die AufsichtsOGH 12. 12. 1962, 6 Ob 299/62, SZ 35/130 = EvBl. 1963/164. Rechtsprechungskritik s. u. § 2. D.; Lösung s. u. § 19. 4! OGH 20. 1. 1953, 4 Ob 162/52, Arb. 5.720 = SozM I Ale, 27. OGH 15. 5. 1956, 3 Ob 242/56, Arb. 6.444 = SZ 29/41. OGH 16. 1. 1962, 4 Ob 129/61, Arb. 7.500 = ZVR 1962/217. OGH 28.1.1969, 4 Ob 1169, Arb. 8.590. OGH 28. 4. 1970, 4 Ob 27/70, Arb. 8.762 = Ind. 1971, 3/4, 4. OGH 18. 5. 1971, 4 Ob 24/71, Arb. 8.871. 43 LG Feldkirch 20. 9. 1957, Cga 1/57, Arb. 6.705. LGZ Wien 13. 4. 1961, 44 Cg 43/61, Arb. 7.344. ArbG Linz 31. 1. 1962, 1 Cr 7/62, Arb. 7.530. LGZ Wien 16. 9. 1963, 44 Cg 204/63, Arb. 7.808. ArbG Linz 29. 3. 1967, 1 Cr 351/65, Arb. 8.387. LG Linz 24. 9. 1969, 8 Cg 16/69, Arb. 8.713 = ZAS 1971, 1. LG Linz 5. 11. 1969, 8 Cg 23/69, Arb. 8.828. KG Wels 8. 2. 1973, 17 Cg 13/72, Arb. 9.095. 43a s. u. § 19. A. II. 44 ArbG Linz 16. 10. 1956, 2 Cr 40/56, Arb. 6.517. 45 Zum Wesen der gesetzlichen Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 s. u. 40 41
§ 9.B.
48 OGH 12. 4. 1911, Rv III, 88/11, GIUNF 6.193 1971, 2 Ob 197, 180171, JBI. 1972, 324.
= JBI. 1913, 57 ; OGH 9. 12.
B. Scheinbarer gemeinsamer Nenner
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pflichtder Eltern (etc.) nach § 1309 ABGB 47 und die Pflicht zur Absicherung einer Baugrube nach den Straßenverkehrsgesetzen48 • Als ein Kfz-Lenker infolge eines Bremsmanövers gegen die Straßenmitte getragen wurde, sah der OGH das Rechtsfahrgebot als verletzt an und kehrte wegen Übertretung dieser (!) Vorschrift die Beweislast um•o, 110.
B. Der scheinbar gemeinsame Nenner der herrschenden Rechtsprechung Wenn der OGH die Anwendung des § 1298 ABGB ablehnt, kehrt der Satz immer wieder: § 1298 ABGB gelte nur, wenn Nichterfüllung einen Schaden verursache, nicht jedoch, wenn der Schuldner durch Schlechterfüllung oder anläßlich einer Schulderfüllung Schaden verursache. Nichterfüllung einer Haupt- und einer Nebenverbindlichkeit behandelt die Judikatur dabei - zumindest beim Beförderungsvertrag gleich. In der Lieferung einer mangelhaften, schadenstiftenden Sache sieht die Rechtsprechung jedoch keine Verletzung einer Nebenverbindlichkeit. Bei Mietverträgen hält sie die Schlechterfüllung der Hauptverbindlichkeit für schwer bzw. denkunmöglich, weil der Vermieter den bedungenen Gebrauch schulde und den Mieter nicht im Genuß stören dürfe (§ 1096 ABGB)51 • Den Dienstvertrag zersplittert die Rechtsprechung in einzelne Verbindlichkeiten, deren Nichterfüllung sie mit § 1298 ABGB sanktioniert. Bei der Heranziehung des § 1298 ABGB im Deliktsrecht ist überhaupt schwer zu ermitteln, nach welchen Kriterien der OGH die "Auswahl" der gesetzlichen Verbindlichkeiten vornimmtu. Daß eine konkreter gefaßte Schadensverhütungsvorschrift im Gegensatz zur allgemeinen, ebenfalls gesetzlichen (d. h . auf Gesetz beruhenden) Verbindlichkeit zur Schadensvermeidung zur Beweislastumkehr führen sollte, könnte nicht überzeugen. Dies insbesondere schon deshalb nicht, weil es vielfach vom Zufall abhängt, ob und wieweit der Gesetzgeber Gesetze zur Schadensverhütung konkretisiert. Die materiell in ihren Wertungen sehr widersprüchliche Rechtsprechung ist überprüfungsbedürftig. Daher sind zunächst die von der Judikatur selbst angegebenen Gründe auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen. 47 OGH 17. 12. 1929, 3 Ob 663/29, JBI. 1930, 343; OGH 6. 10. 1961, 2 Ob 209/61, JBI. 1962, 263 = EvBI. 1962/5 = SZ 34/137 = EFSig. 1932; OGH 2. 12. 1965, 2 Ob 371/65, EFSlg. 4.695. 48 OGH 26. 2. 1960, 2 Ob 36/60, ZVR 1960/195. 49 OGH 5. 3. 1970, 2 Ob 25/70, ZVR 1970/232 = EvBI. 1970/310 = RZ 1970, 168. 50 All diese Fälle haben jedoch mit § 1298 ABGB nichts zu tun (s. u. § 9. A.). 51 s. u. § 2. B. 52 Vgl. auch die kritischen Bemerkungen Spielbüchlers gegenüber Meinhart I Herzog, die§ 1298 ABGB im Zusammenhang mit der Übertretung von Schutzgesetzen anwenden wollen, ÖJZ 1973, 278.
§ 2. Kritik der Rechtsprechung A. Kauf und Werkverträge (ohne Beförderungsverträge)1 Die Rechtsprechung, die eine Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB ablehnte, hatte es durchwegs mit Fällen zu tun, die in ihrer Art die Grundlage für eine Gewährleistung geben. Nicht strittig war jedoch die vom Verschulden gänzlich unabhängige Gewährleistung, sondern der Ersatz der Schäden (§ 932 Abs. 1/2 ABGB), welche die Mängel verursachten. Die Judikatur stützte ihre ablehnende Haltung auf die Materialien zur 3. Teilnovelle2 , auf Pisko3 , Wolff', Wahle 5 und indirekt auf Neustadtl8 • Die folgende Durchleuchtung der bezogenen Stellen wird zeigen, daß die Materialien, Wolff und Pisko Auffassungen vertreten, die denen des OGH widersprechen. Neustadtl kommt das "Verdienst" zu, diese als erster falsch gedeutet zu haben. Neustadtls Meinung wird daher bei der Überprüfung der einzelnen Quellen mitbehandelt. Seine Auffassung ist insoferne von besonderer Bedeutung, als sich im Jahre 1932 Wahle auf ihn bei der Besprechung des Turbinenfalles5 bezog8 • 7 und es vor Wahles ablehnender Besprechung dieses Falles durchaus offen war, welchen Weg die Judikatur in der Deutung des Verhältnisses des § 932 Abs. 1/2 zu § 1298 ABGB einschlagen werde. Nach Inkrafttreten der 3. Teilnovelle hatte der OGH nur im Kronenfall und in einer von Wahle zitierten, nicht veröffentlichten Entscheidung7a die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB abgelehnt. Der Turbinenfall ist die erste und, soweit ersichtlich, auch die letzte Entscheidung seit der 3. Teilnovelle, welche die Beweislast den Schuldner tragen läßt. Möglicherweise hätte ohne Wahles Kritik diese Entscheidung der späteren Judikatur die Richtung gegeben8 • Rechtsprechungsübersicht s.o. § 1. A. I. u. II.; Lösung s. u. §§ 13 u. 14. 3. TN-Materialien 42 u. 296. 3 Klang I Pisko 1 1112, 570. 4 Klang I Wolffl VI 47 u. Klang I Wolff 1 IV 46 f. s Wahle, Bemerkung zu Rsp. 1932134 (Turbinen/all-s. o.§ 1 vor FN 3). 8 Dr. E. N. = Neustadtl (Den Namen erfahren wir bei Wahle- s. FN 5), 1
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BrJZ 1929, 143. 7 Fälschlicherweise bezieht sich Wahle zur Begründung seiner Aussage auch direkt auf Wolff. Zu dessen Meinung siehe die Ausführungen unter li. 7a OGH 2. 5. 1931, 2 Ob 323131. 8 Auf Wahle beruft sich der OGH u. a. im Kalenderfall (s.o. § 1 vor FN 19), im Karboplandichtungsfall (s. o. § 1 vor FN 11), im Ersatzteilfall (s. o. § 1 vor FN 13) sowie in EvBI. 19571259 (s. § 1 FN 14).
A. Kauf- und Werkverträge I I. Berufung auf die 3. TN-Materialien
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I. Die Berufung auf die Materialien zur 3. Teilnovelle
Im Kronenfall 9 hielt das OLG Wien fest, daß § 932 Abs. 1/2 ABGB bei Verschulden des Übergebers einen Schadenersatzanspruch gewährt, "der, wie aus dem Berichte der HHK zum § 932 hervorgeht, nicht die Natur eines Gewährleistungsanspruches besitzt, vielmehr nur den nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen10 (§§ 1295 und 1324) . . . zustehenden Ersatz darstellen soll" 11 . Daraus schloß das OLG Wien auf die Beweislast des Käufers. Der OGH bürdete ohne Auseinandersetzung mit § 1298 ABGB, ja ohne Erwähnung dieser Norm, aber offenbar dem OLG folgend, ebenfalls dem Käufer den Verschuldeosbeweis auf. Unter Berufung auf die Materialien bzw. im Anschluß an den Kronenfall meinte das Höchstgericht später12, daß mit Schadenersatzansprüchen unter allgemeinen Voraussetzungen, insbesondere der Verschuldensvoraussetzung, eine Beweislastumkehr unvereinbar sei. Besonders deutlich zeigen diese Meinung zusätzlich zwei Entscheidungen, die sich weder auf die Materialien noch auf den Kronenfall stützen: der Karboplandichtungsfall und der Kfz-Ersatzteilfall18• In der letztgenannten Entscheidung steht wörtlich: "Der Schadenersatzanspruch, den § 932 (I), 2. Satz dem Übernehmer vorbehält . . ., setzt ein rechtswidriges, schuldhaftesVerhalten des Veräußerers voraus. Daher10 haben grundsätzlich die allgemeinen Beweislastregeln des § 1296 zu gelten, wonach der Geschädigte nicht nur zu behaupten und zu beweisen hat, daß ein Schaden vorliegt, und durch den anderen Vertragsteil verursacht worden ist, sondern auch, daß den letzteren daran ein Verschulden trifft. Hingegen kommt die in § 1298 statuierte Umkehr der Beweislast nur dann zur Anwendung, wenn durch Nichterfüllung14, nicht aber dann, wenn ein Kontrahent anläßlich einer Schulderfüllung durch Schlechterfüllung geschädigt14 worden ist." Fast wörtlich gleichlautende Wendungen finden sich im Karboplandichtungsfazzt 11• HS 1.832 bezieht sich auf die amtliche Begründung zur 3. Teilnovelle in einer Weise, die glauben läßt, es sei dort ausdrücklich die Verschuldensbeweislast des Geschädigten festgehalten. Dies trifft aber nicht zu18 • Die endgültige Fassung des § 932 Abs. 1/2 ABGB erwähnt im Un9
to 11
s. o. § 1 vor FN 6.
Im Original nicht hervorgehoben.
s. 3.
TN~Materialien
296.
Weizenkleiefall- s.o. § 1 vor FN 9; Kalenderfall- s.o. § 1 vor FN 19, HS 1832 - s. § 1 FN 23. u s. o. § 1 vor FN 11 und 12; vgl. auch das Berufungsgericht im Spinnereiwaren/all-s.o.§ 1 vor FN 7. 14 Im Original nicht hervorgehoben. 15 s. o. § 1 vor FN 11. u Die bezogene Stelle (3. TN-Materialien 42) lautet: "Es schien jedoch, tz
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
terschied zum Entwurf der Herrenhauskommission das Verschulden ausdrücklich. Amtliche Begründung wie Kommissionsbericht sind sich aber das Verschuldenselement einig. Die endgültige Fassung des § 932 Abs. 1/2 ABGB soll auch im Gesetzestext ausdrücklich klarstellen, daß der Schadenersatzanspruch keine Gewährleistungsfolge ist. Dasselbe gilt vom Kommissionsbericht, auf den der Hinweis auf die altgemeinen Grundsätze zurückgeht: Ausgehend vom ungeklärten Problem, ob der Schadenersatzanspruch nach § 932 a. F. ABGB auf Gewährleistung beruhe oder nicht, fragt der Kommissionsbericht zum Schlußsatz des§ 932 a. F. ABGB wie folgt1 7 : "Ist damit unter allen Umständen neben den anderen aus dem Titel der Gewährleistung und lediglich von den Voraussetzungen der Gewährleistungspflicht abhängig ein dritter Anspruch gegeben, der sich nur bei dolus (bis zur vollen Genugtuung) steigert - oder nur die gegebenenfalls, abgesehen von der Gewährleistungspflicht nach allgemeinen Grundsätzen14 der Haftung für Verschulden (§§ 1295, 1324) begründete Entschädigungsklage gemeint? Ersteres würde eine legislatorisch wenig begründete Verschärfung der vom Verschulden unabhängigen Gewährleistungspflicht14 bedeuten, und deshalb beantwortet der Entwurf die Frage, . . . im letzteren Sinne, in dem er (paralleP 4 der neuen Fassung des § 921 14 •••) den Schlußsatz des § 932 lauten läßt: ,In allen Fällen bleibt der Schadenersatz vorbehalten'18." Der Kommissionsbericht stellt also zunächst einmal klar, daß der Schadenersatzanspruch des § 932 Abs. 1/2 ABGB kein Gewährleistungsanspruch ist und daher das Verschulden Bedeutung hat. Wäre er ein Gewährleistungsanspruch, so würde der Leistende selbst dann haften, wenn ihn nachweislich keine Schuld träfe; also auch in jenen Fällen, in denen er seine Unschuld unwiderleglich beweisen könnte. Bezüglich des Verschuldens wäre unter solchen Umständen ein Beweislastproblem undenkbar. Der Verweis auf die Schadenersatzhaftung nach allgemeinen Grundsätzen bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß nach § 932 Abs. 1/2 ABGB Schadenersatz nicht unter dem Titel der Gewährleistung zusteht. Eine andere Frage ist, wen die Beweislast für das Verschulden19 trifft. um Schikanen zu verhüten, vorsichtig auszusprechen, daß eine unerhebliche Minderung des Werts nicht in Betracht kommt und auch im Gesetzestexte selbst klarzustellen, daß neben dem Gewährleistungsanspruch der Anspruch auf Schadenersatz nur besteht, wenn der Schaden vom Übergeber verschuldet ist." 17 3. TN-Materiatien 296. 18 Erst die endgültige Fassung der 3. TN hält die Erheblichkeit des Verschuldens ausdrücklich fest, um durch den Gesetzestext selbst unwiderlegbar klarzustellen, daß § 932 Abs. 1/2 ABGB keine Gewährleistungsfolge statuiert. 19 Zum Verschuldensbegriff des ABGB s. u. § 7.
A. Kauf- und Werkverträge I I. Berufung auf die 3. TN-Materialien
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Darüber hinaus ergeben die Materialien, daß die Beweislastverteilung des § 1298 ABGB zu den allgemeinen Grundsätzen gezählt werden kann: Wie dem obigen Zitat zu entnehmen ist, sieht die Herrenhauskommission in § 932 Abs. 1/2 ABGB eine Parallele zu § 921 ABGB. Der erste Satz dieser Paragraphen lautet: "Der Rücktritt vom Vertrag läßt den Anspruch des durch die verschuldete Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt20." Zu § 921 ABGB lesen wir im Kommissionsbericht21: "Auch bei Rücktritt vom Vertrag, sowohl im Fall des § 918 wie in dem des § 920, bleibt dem Zurücktretenden, wenn die Verzögerung oder Vereitelung durch den Verpflichteten verschuldet war, der nach allgemeinen Grundsätzen14 begründete Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung unberührt." Beide Male, in seinen Ausführungen zu § 921 und zu § 932 Abs. 1/2 ABGB, erklärt der Kommissionsbericht, daß es sich um eine Schadenersatzhaftung nach allgemeinen Grundsätzen handelt22 • Darin liegt die von der Kommission bei§ 932 Abs. 1/2 ABGB angesprochene Parallelität der zwei Gesetzesstellen. Wäre die Beweislastregel des § 1298 ABGB mit den allgemeinen Grundsätzen des Österreichischen Schadenersatzrechts unvereinbar - wie der OGH in ständiger Rechtsprechung unter Berufung auf die Materialien behauptet (s. o.) - , so dürfte § 1298 ABGB auch im Zusammenhang mit den §§ 918 bis 921 ABGB nicht herangezogen werden. Wo sollte aber nach Ansicht der Gesetzesverfasser § 1298 ABGB überhaupt eingreifen, wenn nicht zu allererst im Gefolge der§§ 918 bis 921 ABGB? Bei Nichterfüllung vertraglicher Verbindlichkeiten wäre ein Entlastungsbeweis völlig ausgeschlossen, soferne die Begründung jener Rechtsprechung richtig wäre, die § 1298 ABGB bei fehlerhafter Leistung wegen der angeblichen Unvereinbarkeit mit der Schadenersatzhaftung nach allgemeinen Grundsätzen ausschließt. Daß § 1298 ABGB das Ausbleiben der Leistung erfaßt, bedarf keiner Diskussion. Ist dort ein Entlastungsbeweis mit der Haftung nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 918 - 921 ABGB) zu vereinbaren, dann eben so bei fehlerhafter Leistung. Dies umsomehr, als die Materialien die §§ 921 und 932 ABGB als parallele Regelungen betrachten. Während die Materialien bei beiden Normen nichts zu § 1298 ABGB ausführen, sondern eben nur von allgemeinen Grundsätzen sprechen, finden sich an einem anderen Ort aufschlußreiche Darlegungen23 • Als mit§ 1157 ABGB die Fürsorgepflicht des Dienstgebers geregelt werden
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2 Kommissionsberichtsfassung des § 932 Abs. 1/2 ABGB (3. TN-Materialien 99): "In allen Fällen bleibt dem Übernehmer der Schadenersatz vorbehalten"
- Endgültige Fassung: "In allen Fällen haftet der übergeber für den verschuldeten Schaden." 21 3. TN-Materialien 288 f. 22 3. TN-Materialien 288 f. u. 296.
zs 3. TN-Materialien 346 f.
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
sollte, wollten manche in diese Norm einen Entlastungsbeweis einbauen: Der Dienstgeber sollte sich entlasten, wenn Arbeitsräume, Gerätschaften (§ 1157 Abs. 1 ABGB); Wohn- oder Schlafräume oder die Verpflegung (§ 1157 Abs. 2 ABGB) den Dienstnehmer schädigen. Die Herrenhauskommission lehnte eine derartige Sonderregelung ausdrücklich als überflüssig ab. Bei kulposer Vernachlässigung der Fürsorgepflichten habe der Dienstnehmer einen Schadenersatzanspruch nach § 1295 ABGB. Da § 1157 ABGB eine Vertragspflicht begründe, somit ohnehin die Beweislast nach § 1298 ABGB den Dienstgeber treffe, sei es nicht nötig, "diese allgemein gültigen Sätze hier zu wiederholen"24. § 1295 und§ 1298 ABGB nennt der Bericht in einem Atemzug als "allgemein gültige Sätze". Die Schadenersatzhaftung wegen Vertragsverletzung auf der Grundlage der §§ 1295 und 1298 ABGB betrachtet der Bericht offenkundig als allgemeinen Grundsatz. Man vergleiche den Wortlaut der §§ 921, 932 Abs. 112 und § 1295 Abs. 1 ABGB. Alle drei Normen erwähnen das Verschulden. § 1295 ABGB spricht von der schuldhaften Übertretung einer Vertragspflicht und die Herrenhauskommission sieht diesen Passus des § 1295 ABGB nicht im Widerspruch zu § 1298 ABGB, sondern im Einklang mit ihm. § 932 Abs. 112 ABGB versteht die Kommission als Folge einer Vertragsverletzung26. Seine Kommunikation mit § 1295 ABGB verdeutlicht sie ebenfalls26. Nach all dem Ausgeführten kann es keinen Zweifel geben, daß die Herrenhauskommission § 1298 ABGB auch in den Fällen des § 932 Abs. 1/2 ABGB angewendet wissen wollte. Bei den allgemeinen Ausführungen zur Leistungsstörung können wir demnach auch lesen, daß negative Vertragsverletzungen und positive Vertragsverletzungen (insbesondere schädigende fehlerhafte Leistungen27) grundsätzlich dieselben Rechtsfolgen haben sollen28 • - Eine dieser Rechtsfolgen ist eben die Beweislastverteilung nach§ 1298 ABGB. Wie eingangs erwähnt29, mißdeutete nicht nur der OGH die Materialien, sondern auch N eustadtl. Seine Auffassung war im Ergebnis insoferne von erheblicher Bedeutung, als ihm Wahle folgte. Die Ursache von Neustadtls Fehldeutung liegt im Folgenden: Nachdem die Materiau 3. TN-Materialien 347.
25 Vgl. 3. TN-Materialien 296, letzter Abs.: "Für sonstige Rechtsfolgen der Vertragsverletzung .. .". 2s 3. TN-Materialien 296. 27 Die 3. TN-Materialien verwenden den Ausdruck im Sinne von Staub. Sie beziehen sich ausdrücklich auf ihn (vgl. 285). s. a. Staub, Die positiven
Vertragsverletzungen (1904) 5: " . .. die zahlreichen Fälle, in denen jemand eine Verbindlichkeit durch positives Tun verletzt, in denen jemand tut, was er unterlassen soll, oder die Leistung zwar bewirkt, aber fehlerhaft". 2s 3. TN-Materialien 286. u s. o. nach FN 1.
A. Kauf- und Werkverträge I II. Berufung auf Wolff
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lien festgehalten haben, daß der Entwurf "parallel der neuen Fassung des § 921 ... den Schlußsatz des § 932 lauten läßt: ,In allen Fällen bleibt ... der Schadenersatz vorbehalten' ... " führen sie weiter aus: "Für sonstige30 Rechtsfolgen der Vertragsverletzung 30 , wie sie künftig die §§ 918 oder 920 statuieren, bleibt, wenn sich der Übernehmer einmal auf den Standpunkt der Gewährleistung stellt, kein Raum, deshalb wurde die überflüssige Häufung (Wellspacher II, 21 ff.)31 in § 182 des Entwurfes I. Lesung wieder eliminiert." § 182 des Entwurfes I. Lesung hatte dem Gläubiger im Zusammenhang mit § 932 ABGB den Schadenersatz sowie alle anderen Rechte wegen Nichterfüllung des Vertrages (§§ 918-921 ABGB} vorbehalten. Dagegen wandte sich WeHspacher32, um eine Konkurrenz von Rücktritt auf der einen und Wandlung bzw. Minderung, Verbesserung und Nachtrag des Fehlenden auf der anderen Seite auszuschalten. Bezüglich der Schadensregelung erhob W eHspacher keine Kritik. Dies übersieht Neustadtl gänzlich bei seiner Berufung33 auf WeUspacher. Die Herrenhauskommission eliminierte auf WeHspachers Kritik die anderen Rechte wegen Nichterfüllung, nicht aber das auf Schadenersatz. Nur für die sonstigen Rechtsfolgen der §§ 918 oder 920 ABGB sollte kein Raum sein, für den Schadenersatz wegen Vertragsverletzung34 schon. Neustadtl reißt die oben zitierten Ausführungen der Kommission aus dem Zusammenhang und übersieht dabei die einen Satz vorher ausgesprochene Gleichwertigkeit der Schadenersatzregelungen der §§ 921 und 932 Abs. 1/2 ABGB und die Betonung, daß für sonstige Rechtsfolgen der Nichterfüllung - also solche, die nicht im Schadenersatz bestehen,- kein Platz mehr sei, wenn sich der Gläubiger einmal auf den Standpunkt der Gewährleistung gestellt hat. Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Rechtsprechung und Neustadtl berufen sich für die Ablehnung der Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB bei Schädigung durch fehlerhafte Leistung völlig zu Unrecht auf die Materialien zur 3. Teilnovelle. Diese sprechen vielmehr sehr deutlich für das Gegenteil. II. Die Berufung auf Wolff
Wie geschildert35, beruft sich der OGH außer auf die Materialien zur 3. Teilnovelle auch auf Karl Wolff. Auch diese Berufung erfolgt, wie noch zu zeigen sein wird, zu Unrecht. Im Original nicht hervorgehoben. Gemeint ist: Wellspacher, Der Entwurf der Zivilgesetznovelle im Herrenhause (Schluß), GZ 1909, 377, s. 3. TN-Materialien 124 FN *. 32 GZ 1909, 377. u BrJZ 1929, 144. u s. FN 25. aa s. a. nach FN 1. 3o
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
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§ 1298 ABGB gilt nach Wolff "für alle Fälle, in denen ein bestimmtes Verhalten Rechtspflicht ist, also wenn unterlassen wurde, wo Handeln Pflicht war, oder getan wurde, was zu unterlassen war; denn das Gesetz spricht eindeutig von der Erfüllung der Verbindlichkeit ... " 36• "§ 1298 ABGB kommt nur dann zur Anwendung, wenn durch die Nichterfüllung der Verbindlichkeit37 ein Schaden entstanden ist. Ist jemand anläßlich einer Schulderfüllung geschädigt31 worden, so muß er das Verschulden des Schädigers beweisen38." Auf die letzten zwei Sätze stützt der OGH die Ablehnung der Beweislastumkehr bei Schädigung durch eine fehlerhafte Leistung. Offenkundig setzt er "Schlechterfüllung" und "Schädigung anläßlich der Erfüllung" gleich39•
Was versteht Wolff unter Schädigung anläßlich der Erfüllung? Darüber informiert er nicht in seiner Kommentierung des § 1298 ABGB. Erst seine Argumente zu § 1313 a ABGB geben diesbezüglich - in Auseinandersetzung mit Schlesinger40, Armin Ehrenzweig41 und Max Wilburg42 -entsprechenden Aufschluß43 • Bei § 1313 a ABGB fragt Wolff, ob ein Geschäftsherr für seinen Gehilfen auch haftet, wenn dieser "anläßlich 31 der Erfüllung" schädigt, "ob also z. B. der Inhaber eines elektrotechnischen Büros haftet, wenn sein Monteur anläßlich einer elektrotechnischen Arbeit in einer Wohnung etwas stiehlt". Schlesinger, Armin Ehrenzweig und Max Wilburg hatten eine Haftung für Schädigungen gelegentlich (anläßlich) der Erfüllung verneint und waren sich der Schwierigkeiten der Abgrenzung zur Schädigung durch Erfüllungshandlungen durchaus bewußt44 • Max Wilburg versuchte die Abgrenzung folgendermaßen: Schädigung bei Gelegenheit (anläßlich) der Erfüllung "besteht darin, daß ... nur ein äußerer, mechanischer, lediglich durch Zeit und Ort begründeter Zusammenhang31 zwischen der schädigenden Handlung und der Vertragserfüllung, dem Vertragszweck vorliegt" 46 • Dies sei beim Monteurdiebstahl der Fall. Wolff hält von der Einschränkung, daß nur für Schäden, "die durch31 Erfüllung (oder Nichterfüllung) erfolgen" nach § 1313 a ABGB zu haften sei, nichts und stellt auf den Klang I Wolffl IV 45 u. Klang I Wolf/2 VI 45. Im Original nicht hervorgehoben. 38 Klang I Wolffl IV 46 f. und Klang I Wolf/2 VI 47. 39 Vgl. oben vor FN 24. 40 Schlesinger, ZBI. 1926, 748. Zitat: Klang I Wolff 1 IV 86 FN 10 u. Klang I Wolf/2 VI 88 FN 19. 41 Armin Ehrenzweig, System2 II/1, 296. Zitat: Klang I Wolffl IV 87 FN 11, 14, 15 u. Klang I WoZ!f2 VI 89 FN 20, 23, 24. 42 Max Wilburg, ZBI. 1930, 660. Zitat: Klang I Wolff2 VI 89 FN 23. 43 Klang I Wolff1 IV 86 f. u. Klang I Wolff2 VI 88 f. 44 Vgl. Armin Ehrenzweig, System2 III1, 296; Max Wilburg, ZBI. 1930, 661. - Schlesinger, ZBI. 1926, 748, streift das gesamte Problem nur am Rande. 4& ZBI. 1930, 660. 38
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A. Kauf- und Werkverträge I II. Berufung auf Wolff
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Rechtswidrigkeitszusammenhang ab. Dieser fehle, wenn der Kutscher das zu befördernde Mädchen vergewaltige. Erfüllungsgehilfe sei hingegen auch derjenige, der die nötigen Vorbereitungen zur Leistung trifft, der das dazu nötige Handwerkzeug reinigt und der nach der eigentlichen Arbeit aufräumt und dadurch schädigt.- Hier ist nicht zu untersuchen, wieweit W olffs Meinung zur Erfüllungsgehilfenhaftung von den anderen erwähnten Autoren abweicht. Für uns ist von Bedeutung, daß W olff die Schädigung "durch die Erfüllung" von der Schädigung "anläßlich der Erfüllung" unterscheidet. § 1298 ABGB soll nur im letzten Fall nicht anzuwenden sein46 • In allen Fällen, in denen sich der OGH auf W olff zur Ablehnung der Anwendung des § 1298 ABGB beruft, ist der Gläubiger nie im Sinne Wolffs anläßlich der Erfüllung beeinträchtigt worden, immer war die Verletzung durch eine mangelhafte Erfüllung47 Gegenstand des Streits48 • 49 • Ein einziges Mal berief sich der OGH bei Leistung eines fehlerhaften Kaufgegenstandes richtigerweise auf W olff, nämlich im Turbinenfall50, in dem er § 1298 ABGB anwandte; richtig war auch der Bezug auf Wolff im Taxifall51 (fehlerhafte Beförderung verletzte den Gast). Die Übereinstimmung dieser Entscheidung mit seiner Meinung bestätigte Wolff ausdrücklich52 im Klang-Kommentar. Auf die beiden 48 Damit konnte geklärt werden, was Wolff bei seinen Ausführungen zu § 1298 ABGB unter Schädigung "anläßlich der Erfüllung" versteht. Daß er die Unterscheidung bei den Erfüllungsgehilfen erläutert, für die sich der Geschäftsherr, nach einer irrigen Meinung Wolffs, nicht zu entlasten habe (vgl. Klang I Wolff2 VI 90), ändert daran nichts. - Wolff meint, § 1298 "legt dem Beklagten ... nur den Beweis auf, daß er ohne Verschulden sei, nicht etwa, daß ein Dritter - der Erfüllungsgehilfe - schuldlos sei". Dieser Buchstabeninterpretation, bar jeden Sinnes, sind Lehre und Praxis völlig zu Recht nicht gefolgt. 47 Mangelhafte Erfüllung ist in Wahrheit Nichterfüllung- s. u. § 8. B. I. 48 Karboplandichtungsfalt s. o. § 1 vor FN 11; Ersatzteilfalt s. o. § 1 vor FN 12; Heizölfalt s.o.§ 1 vor FN 13. 49 Im Geometerfalt (s. o. § 1 vor FN 21) wurde ordnungsgemäß erfüllt. Auseinandersetzungen mit § 1298 ABGB waren daher überflüssig. - Die Entscheidung beruft sich auf Wolff nicht ausdrücklich, verwendet aber den von ihm geprägten Ausdruck "anläßlich einer Schulderfüllung". Dasselbe gilt für den Steuerberaterfall (s.o. § 1 vor FN 39), in dem der OGH aber Nichterfüllung - im Gegensatz zur Schlechterfüllung - annahm. In EvBl. 19571259 begründet der OGH aus der angeblichen Unanwendbarkeit des § 1298 ABGB auf Schlechtleistungen, dessen Anwendbarkeit auf Lieferungsverspätungen. Im Kalenderfall (s. o. § 1 vor FN 19) wäre zu klären gewesen, ob überhaupt mangelhaft erfüllt wurde, oder ob der Schaden erst dadurch entstand, daß der Besteller gegen den Willen des Unternehmers die noch druckfeuchten Kartons herausverlangte. Auch im Heizölfall (s.o. § 1 vor FN 13) wäre zunächst festzustellen gewesen, ob überhaupt verwässertes Öl geliefert wurde. 5o s. o. § 1 vor FN 3. 51 s. o. § 1 vor FN 26. 52 Klang I Wolff2 VI 46 FN 12.
3 Reisehauer
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
in die Zwischenkriegszeit fallenden Entscheidungen, die ohne Bezug auf ihn eine Beweislast des Schuldners ablehnen (Spinnereiwarenfall, Wasserfleckenfall) 58, geht Wolf! leider ebensowenig ein wie auf den Turbinenfall, bei dessen ablehnender Besprechung sich Wahle 64 zu Unrecht auf Wolff beruft. Während Wolff bei § 1313 a ABGB der Schädigung "anläßlich der Erfüllung" die Schädigung "durch Erfüllung" gegenüberstellt, worunter er offenkundig die Schädigung durch eine fehlerhafte "Erfüllung"47 versteht, gebraucht er in allen Auflagen55 seines "Grundrisses des Österreichischen bürgerlichen Rechts" den Ausdruck "Schädigung anläßlich der Leistung" im Sinne von Schädigung durch fehlerhafte Leistung und nicht im Sinne von Schädigung "anläßlich der Erfüllung" wie im Klang-Kommentar in der Auseinandersetzung mit Schlesinger, Armin Ehrenzweig und Max Wilburg. Dies läßt sich auch leicht belegen. Unter der Überschrift: "Positive Schuldverletzung" 56 schreibt Wolff: " . .. wer zwar den Schuldgegenstand leistet, aber anläßlich der Leistung den Gläubiger schädigt (Ansteckung von Pferden desselben durch das gelieferte an Rotz erkrankte), dem fällt positive Schuldverletzung zur Last. Die besonderen Vorschriften für die schuldhafte Leistungsvereitelung gelten auch hier". Unmittelbar vorher schreibt W olff zur Unmöglichkeit der Leistung, also der Leistungsvereitelung, der Schuldner müsse seine Schuldlosigkeit nach § 1298 ABGB beweisen57 • Der Verweis vom einen auf das andere ist eindeutig. Es kann keinen Zweifel geben: bei fehlerhafter Leistung soll nach W olff § 1298 ABGB angewendet werden; betrifft er doch nach Wolff die "Verletzung individueller, insbesondere rechtsgeschäftlicher Pflichten" 58• Haben die Ausführungen zu den Materialien bereits gezeigt, daß sich auf sie der OGH nicht stützen kann, so gilt dasselbe von Wolffs Interpretation des § 1298 ABGB: Soweit sich das Höchstgericht in seiner ständigen Rechtsprechung auf ihn bezieht, handelt es sich um Fehlzitate. Gleiches gilt für die Berufungen Neustadtls59 und Wahles auf Wolff, die auf den OGH nicht ohne Einfluß blieben. Im übrigen ist zu bemerken, daß sich W olff keineswegs um die Klärung der ratio des n s. o. § 1 vor FN 7 u. 8. 54 Bemerkung zu Rsp. 1932/34. 55 Grundrißt 102, Grundriß 2 • 4 130. 58 Grundriß2 - 4 130. In der ersten Auflage des Grundrisses (102) spricht Wolff nur von einem Pferd, das nach Vertragsschluß an Rotz erkrankt. Bezüglich eines Pferdes, das bereits vorher erkrankt ist (bei Vertragsschluß bestehender Mangel), schweigt sich Wom in der 1. Auflage aus. In den folgenden Auflagen bezieht sich seine Aussage auf beide Fälle. 57 Grundrißt 101; Grundriß2 • 4 128. 58 Grundrißt 50; Grundriß2 • 4 67. se BrJZ 1929, 144. - s.o. nach FN 1.
A. Kauf- und Werkverträge I III. Berufung auf Pisko
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§ 1298 ABGB bemüht und seine Meinung daher im Grunde weder die eine noch die andere Lösung tragen kann59a. 111. Die Berufung auf Pisko
Nach dem bisher Ausgeführten (I. u. II.) bleibt zu prüfen, ob der OGH sich wenigstens zu Recht auf Pisko beruft60• Dieser führt zu § 932 Abs. 1/2 ABGB aus61 : "Der Beweis des Verschuldeos obliegt dem Erwerber. § 1298 findet keine Anwendung, da es sich ja um keinen Anspruch62 auf Schadenersatz wegen62 Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung handelt62 . " - Bei mangelhafter Erfüllung ist also nach Pisko § 1298 ABGB heranzuziehen. Schon dies hätte den OGH stutzig machen müssen. Versteht das Höchstgericht doch unter Schlechterfüllung nichts anderes als die mangelhafte Erfüllung. Dafür will nun aber gerade Pisko § 1298 ABGB anwenden. Es scheint heillose Verwirrung zu bestehen. Ist der Knoten zu lösen? Die Aussage Piskos ist nur in Zusammenhang mit der ihm eigentümlichen Lehre von der Gewährleistung zu verstehen63 • In der Erstveröffentlichung64 seiner Monographie zur Gewährleistung lesen wir65 : "Da jedoch der Verkäufer gattungsmäßig62 bestimmter Ware, der mangelhafte Stücke liefert, hiedurch seine Vertragspflicht verletzt, so ist ersoferne er nicht nachweist62 , daß die Schlechterfüllung auf einem von ihm nicht zu vertretenden Ereignisse beruht - zum Ersatz des dem Käufer zugefügten Schadens verpflichtet." Als Beispiel bringt er die Erkrankung des Viehs durch Leistung ungesunden Futters (vgl. den W eizenkleiefall)66 und das Verderben von Rohstoffen infolge eines Konstruktionsfehlers der gelieferten Maschine67. - In der zweiten Auf-
s. u. § 3. E. So z. B. im: Spinne-reiwa-renfall (s.o. § 1 vor FN 7); Weizenkleiefall (s.o. § 1 vor FN 9); Kalende-rfall (s. o. § 1 vor FN 19). et Klang I Pisko1 III2, 570. Pisko erwähnt hier auch (FN 137) unter Bezug auf die 3. TN-Materialien (42) das Verschuldenselement, leitet da-raus aber nichts für die Beweislastverteilung ab. Eine derartige Ableitung wäre auch verfehlt - s. o. II. 02 Im Original nicht hervorgehoben. 83 Klang I Pisko1 III2, 512 ff.; Pisko, Gewährleistungs-, Nichterfüllungsund Irrtumsfolgen bei Lieferung mangelhafter Ware2• Zuerst veröffentlicht in: ZBl. 1920, 593 und ZBl. 1921, 4, 65. 8' Die erste Buchauflage ist ein unveränderter Nachdruck der Veröffentlichung in ZBl. 1920, 593 ff. und ZBl. 1921, 4 ff., 65 ff. 85 ZBl. 1921, 75 f. 88 s. o. § 1 vor FN 9 In dieser Entscheidung beruft sich der OGH auf Pisko ausdrücklich zur Ablehnung der Beweislastumkehr nach§ 1298! 87 ZBl. 1921, 75 f. Dieselben Beispiele kehren in Klang I Pisko1 III2, 457 als Nichterfüllung der Erhaltungspflicht wieder. - Ahnliehe Beispiele, jedoch auf ursprüngliche Speziesmängel bezogen, auf 571. - Im letzten Fall 59a
80
§ 2. Kritik der Rechtsprechung
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Iage der Gewährleistungsmonographie fehlt dieser Passus68 • Warum?Pisko ging im Gegensatz zu den Materialien 69 davon aus, daß § 918 ABGB nur Fälle nicht rechtzeitiger Erfüllung erfasse. Liefere der Verkäufer mangelhafte Ware zur Fälligkeit, so sei er im Verzug, weil mangelfreie Ware ausblieb. Keine Verletzung der Verbindlichkeit70 sei die Lieferung mangelhafter Ware als solche. Darin sah er ursprünglich eine durch § 1295 ABGB gedeckte positive Forderungsverletzung71 • Nachdem Pisko, bedingt durch Schlesingers12 Lehre von der positiven Vertragsverletzung, erkannte, daß § 1295 ABGB nicht aussagt, wann Vertragsverletzungen vorliegen73, fehlte seiner Ansicht die Grundlage. Schlesingers Meinung zur positiven Vertragsverletzung konnte Pisko nicht mehr berücksichtigen, weil die Neuauflage der Gewährleistungsmonographie fast vollständig gedruckt war, als Schlesinger seine Abhandlung noch nicht einmal veröffentlicht hatte. Pisko kannte nur Teile des Manuskripts74• Er läßt so die Frage offen, ob Schäden, die inhaltlich - nicht bloß dem Umfang nach - von denen bei Ausbleiben der Leistung verschieden sind (s. die obigen Beispiele) ex contractu zu ersetzen seien, was zutreffe, "wenn es gelingt, neben der Hauptpflicht des Schuldners, der Pflicht zur ordnungsgemäßen Bewirkung der das Schuldverhältnis individualisierenden Leistung, eine - in diese Pflicht noch nicht eingeschlossene - Nebenpflicht aufzudecken, deren Verletzung für den gegenständlichen Schaden kausal ist" 76• Ob demgemäß etwa eine Mangelanzeigepflicht bei Erfüllung; eine Pflicht, den Gläubiger durch eine Erfüllungshandlung nicht zu schädigen oder jede ungehörige Erfüllungshandlung zu unterlassen78 , besteliegt nach Pisko weder Nicht- noch mangelhafte Erfüllung vor (570), weil der Verkäufer nur die Sache in ihrem tatsächlichen Zustand zum Vertragsschluß schulde (s. u.). es Vgl. ZBl. 1921 75 - 77 mit Gewährleistung2 67. 89
7°
457.
285 f.
JBI. 1920, 241; ZBI. 1921, 20 f.; Gewährleistung2 50; Klang I P isko1 III2,
JBI. 1920, 241 FN 28; ZBI. 1921, 75 FN 33. ZBI. 1926, 407. 73 Gewährleistung2 4 (Vorwort) u. 52 FN 27.- Verfehlt ist Piskos Vorwurf, die Materialien hätten geirrt. Die Materialien sehen § 1295 als Folge der an anderen Stellen normierten Vertragsverletzungen an (§§ 919 a. F ., 912, 918, 920 ABGB). Es geht nicht a n, die Begründung der Materialien zu verwerfen, ihr Ergebnis als Begründung hinzustellen (so insb. JBI. 1920, 241 FN 28) und dann bezüglich des als Begründung hingestellten Ergebnisses den Materialien den eigenen Irrtum vorzuwerfen - so geschehen in: Klang I Pisko1 II/2, 456 FN 26. 14 Gewährleistung2 4 (Vorwort). 76 Gewährleistung2 50 f. 78 In Gewährleistung2 51, steht statt "unterlassen" "unternehmen" ein offenkundiges Versehen. 71
72
A. Kauf- und Werkverträge I III. Berufung auf Pisko
37
hen könnte, läßt er hier noch dahingestellt75 • Schließlich folgt Pisko im Kommentar dann - abgesehen vom Sonderfall anfänglich mangelhafter Spezies (s. u .) - Schlesingers Meinung, daß jede Vertragsverletzung Nichterfüllung einer Haupt- oder Nebenverbindlichkeit sei, daß jede Erfüllung dieser Verbindlichkeiten nur verzögert oder vereitelt werden könne, daher immer nur vorläufige oder endgültige Nichterfüllung denkbar sei und der Schuldner, der durch eine Erfüllungshandlung den Gläubiger schädige, die Erhaltungspflicht nicht erfülle. Der Scnuldner sei verpflichtet, die Erfüllungshandlung so einzurichten, daß der Gläubiger durch sie an seiner Person und seinem Vermögen keinen Schaden erleide77• Das Erwähnte deutet bereits an, daß Pisko bei fehlerhafter Leistung sehr wohl § 1298 ABGB heranziehen will, doch wurden weder Grundlagen noch Grenzen der Anschauung Piskos aufgezeigt. Auf welche Fälle ist § 1298 ABGB nicht anzuwenden, weil weder Nichterfüllung noch mangelhafte Erfüllung vorliegen soll?§ 932 Abs. 1/2 ABGB betrifft in Piskos Sicht nämlich nur solche Fälle. Die Gewährleistungsvorschriften regeln Piskos Auffassung nach nur Speziesschulden. Der Käufer einer Spezies sei aufgrund des § 1047 ABGB nur verpflichtet78 , die Sache in dem Zustand, d. h. in der rechtlichen und tatsächlichen Beschaffenheit zu liefern, in dem sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses befunden habe79• Die Zusicherung günstiger Eigenschaften sei- entgegen dem Wort "bedungen" in§ 923 ABGB - nur eine Wissenserklärung; sie könne zur Kenntnis genommen, aber im Gegensatz zu einer Willenserklärung nicht angenommen werden, und daher auch keinen Vertragsbestandteil bilden80• Sie könne richtig oder unrichtig sein, aber weder erfüllt noch nicht erfüllt werden. Unheilbare, schon zur Zeit des Vertragsabschlusses vorhandene Mängel der angeführten Art seien bloße Gewährleistungs-, aber keine Erfüllungsmängel81. Bei behebbaren, zur Zeit des Vertragsabschlusses bestehenden Mängeln, sei der Verbesserungsanspruch ein Erfüllungsanspruch; der Verbesserung Begehrende erweitere82 durch sein entsprechendes Verlangen Klang I Piskot III2, 452- 457. Klang I Piskot III2, 520, 539; Pisko, Gewährleistung2 58 ff.; s. a. ZBl. 1921, 66ff. 79 Klang I Piskot III2, 539; Pisko, Gewährleistung! 16 ff.; s. a. ZBl. 1920, 603 ff. so Klang I Piskot III2, 533 ff.; s. a. Pisko, Gewährleistung: 20 ff. u. ZBl. 1920, 607 ff. st Klang I Piskot III2, 539. s: Klang I Piskot III2, 540. - Ursprünglich meinte Pisko (ZBl. 1920, 615 f., aber auch noch: Gewährleistung2 28 f.), wenn das Gesetz einen Verbesse77 78
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
die Erfüllungspflicht des Veräußerers gegenüber § 1047 ABGB (ex tune?); es träten nunmehr alle Rechtsfolgen einer qualitativ unvollständigen Erfüllung ein. Habe sich der Erwerber jedoch für Minderung entschieden, komme der Mangel als Erfüllungsmangel nicht weiter in Betracht83• Ist ein Fehler hingegen nach Vertragsabschluß entstanden, so liegt nach Pisko kein Gewährleistungs-, sondern ein Erfüllungsmangel vor, und es treten die Rechtsfolgen qualitativer Teilunmöglichkeit bzw. des qualitativen Teilverzuges ein84• Diese Fälle sind für Pisko mangelhafte Erfüllung der Hauptverbindlichkeit85• Die Lieferung mangelhafter Gattung sei - im Gegensatz zur Lieferung mangelhafter Spezies - Nichterfüllung der Hauptverbindlichkeit. Die Annahme der mangelhaften Gattung in Unkenntnis des Mangels bewirke keine Erfüllung. Die gegenteilige Auffassung widerspreche § 1412 ABGB- der Pflicht zur Leistung des Geschuldeten- und lasse sich auch nicht aus § 1414 ABGB ableiten, fehle doch der Wille zur Annahme an Zahlungs Statt. Erfüllung liege nur bei vorbehaltsloser Annahme der Leistung in Kenntnis des Mangels vor, dann habe aber der Gläubiger auch keine Gewährleistungsansprüche88• Die Hingabe einer mangelhaften schadenstiftenden Gattung sei Nichterfüllung einer N ebenverbindlichkeit, nämlich der Erhaltungspflicht87 • Das alles soll uneingeschränkt nur für den Kauf gelten. Die Gewährleistungsregeln bei Werkverträgen seien im allgemeinen keine Ieges speciales zu den §§ 922 ff. ABGB. Ein Mangel des Werks, der in einem Fehler des Materials besteht, das im Vertrag überhaupt nicht näher oder nur gattungsmäßig bestimmt war oder ein Mangel, der in der Art rungsanspruch gewähre, so sei der Veräußerer von vornherein verpflichtet, eine mangelfreie Sache zu liefern, denn der Erwerber könne doch nicht durch das Verbesserungsbegehren einseitig die Erfüllungspflicht des Veräußerers erweitern. Vielmehr erweitere § 932 ABGB die Verpflichtung nach § 1047 ABGB. Der Gewährleistungsmangel sei hier gleichzeitig Erfüllungsmangel (vgl. auch ZBl. 1921, 21 u. Gewährleistung! 48 ff.). - Diese ursprüngliche Meinung Piskos war treffend. Warum sollte man einem Käufer, der einen Vertrag über eine mangelfreie Sache schließen wollte, einen Anspruch auf die Leistung einer solchen Sache unmittelbar aus dem Vertrag versagen, ihm gleichzeitig aber ein einseitiges Gestaltungsrecht einräumen, damit er zu dem gelangt, was er beim Vertragsschluß schon erreichen wollte.- Zum Problems. a. Klang I Bydlinski2 IVI2, 150 ff. 8a Klang I Piskot III2, 541. 8' Klang I Piskot III2, 469, 541; s. a. Pisko, Gewährleistung2 33 ff. u. ZBI. 1921, 4ff. 8 5 Klang I Piskot III2, 469, 541; Gewährleistung2 49; ZBI. 1921, 21. 88 Klang I Piskot III2, 467; s. a. Gewährleistung! 46 ff. u. ZBI. 1921, 17 ff., 21 ff., 65 ff. 87 Klang I Piskot II/2, 452-457.
A. Kauf- und Werkverträge I 1!1. Berufung auf Pisko
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der geleisteten Arbeit besteht, begründe den Tatbestand mangelhafter Erfüllungss, 81• Die von Pisko im Klang-Kommentar vertretene Auffassung von der Gewährleistung und damit von der Schadenersatzregelung des § 932 Abs. 1/2 ABGB bedeutet also: Weder Nichterfüllung noch mangelhafte Erfüllung liege vor bei unbehebbaren, zur Zeit des Vertragsabschlusses bestehenden Qualitätsmängeln einer Spezies. Hier erfülle der Schuldner voll, wenn er sie mit den Eigenschaften, die sie zu dieser Zeit hat, leistet. § 1298 ABGB sei deshalb und nur deshalb auf Schäden, die aus der Lieferung einer derart mangelhaften Sache entstehen, nicht anwendbar. Bei behebbaren, anfänglichen Mängeln einer Spezies sei voll erfüllt, wenn (solange?) nicht Verbesserung begehrt werde90 • Nur in den übrigen Fällen der Speziesschuld, also bei Entstehung des Mangels zwischen Vertrag und Lieferung81 liege mangelhafte, bei allen Gattungsgeschäften Nichterfüllung einer Haupt- oder Nebenverbindlichkeit vor. § 1298 ABGB ist in diesen Fällen nach Pisko aber unbedenklich anzuwenden81
·e•.
Eine Berufung auf Pisko zur Begründung der Nichtanwendung des § 1298 ABGB wäre also nur zulässig in jenen Fällen, die Pisko allein der Gewährleistung, nicht aber der Nichterfüllung zurechnet, und nur dann, wenn man sich dieser Prämisse anschlösse. Gerade das tut der OGH aber mit Recht nicht. Immer wenn sich der OGH auf Pisko beruft, ist nach Piskos Ansicht kein Fall des § 932 Abs. 1/2 ABGB gegeben. Die Bezugnahme im Spinnereiwaren-83, Weizenkleie- 84 und Kalenderfal!86 geht ins Leere. Der OGH findet in Pisko keine Stütze. Kein 88
Klang I Pisko1 !112, 522; s. a. Gewährleistung2 29, 91 u. ZBl. 1920, 616
u. ZBI. 1921, 101.
89 Bei Fehlern eines Werks, die in physischen Mängeln des vom Besteller (sollte wohl heißen: Unternehmer) gelieferten und im Vertrag individuell bestimmten Stoff bestehen, würden nach Pisko die §§ 922 ff. allerdings unmittelbar anzuwenden sein, gäbe es nicht die Verweisung des § 1167 ABGB auf sie. - Klang I Pisko1 !112, 522. 80 s. FN 131. 91 Klang I Pisko1 !112, 570. - s. a. oben nach FN 61. 92 Die hier nicht näher interessierenden Quantitätsmängel sind für Pisko ErfüllungsmängeL Nur wenn eine Spezies bei Vertragsabschluß nicht das angegebene Ausmaß hat, sei dies Gewährleistungs- und nicht Erfüllungsmangel (Klang I Pisko1 !112, 572; Gewährleistung2 87, ZBl. 1922, 96). Bezüglich beim Vertragsabschluß bestehender Rechtsmängel einer verkauften Spezies behauptete Pisko zunächst, sie seien Erfüllungsmängel (Gewährleistung1 27, ZBl. 1920, 614), dann wieder, sie seien Gewährleistungsmängel, weil der Veräußerer Eigentumsübertragung nicht schulde. Nur wenn der Mangel behebbar sei und der Erwerber Verbesserung begehre, werde der Gewährleistungs- zum Erfüllungsmangel (Klang I Pisko1 !112, 542; vgl. auch 513 f.). ua s.o. § 1 vor FN 7. " s. o. § 1 vor FN 9. u1 s. o. § 1 vor FN 19.
§ 2. Kritik der Rechtsprechung
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Wunder: Wenn der OGH und Pisko von der Gewährleistung reden, sprechen sie von Grundverschiedenem.
Neustadtl 96 zitiert aus Piskos Gewährleistungsmonographie verstümmelt und sinnentstellt den hier richtig wiedergegebenen Satz, "daß einerseits Lieferung einer mit einem Gewährleistungsmangel behafteten Ware sich nicht als eine gesetz- oder vertragswidrige Erfüllung darstellt, daß andererseits die Beschaffenheit der Ware, die ihre Lieferung als eine Vertragsverletzung erscheinen läßt, keinen die Gewährleistung begründenden Mangel bildet, daß also - von einer Ausnahme abgesehen Erfüllungsmangel und Gewährleistungsmangel nicht zusammenfallen97 • Die Parenthese "von einer Ausnahme abgesehen" unterschlägt Neustadtl. Wäre er ihr nachgegangen, hätte er entdecken müssen, daß Pisko in dieser früheren Arbeit anfängliche, behebbare Mängel noch für Gewährleistungsmängel hielt, die gleichzeitig von vornherein, d. h. ohne ein Verbesserungsbegehren98, Erfüllungsmängel seien. Nur wenn der Käufer Minderung statt Verbesserung wähle, gelte der Vertrag als erfüllt99 • Bloßer Gewährleistungsmangel, aber kein Erfüllungsmangel liege hingegen nur vor, wenn der Verkäufer eine mit einem unbehebbaren ursprünglichen Mangel behaftete Spezies liefert100 (hier ist eben nach Pisko voll erfüllt und daher keine Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB vorzunehmen). In allen anderen Fällen - abgesehen von der erwähnten Ausnahme - würden bei mangelhafter Lieferung hingegen bloße Erfüllungs- und keine Gewährleistungsmängel vorliegen. Dies alles ignoriert Neustadtl, ja er versteigt sich sogar zur Behauptung10\ die Materialien zur 3. Teilnovelle sprächen dieselbe Meinung aus wie Pisko! Leider wird die Lage dadurch noch verworrener, daß später Pisko Neustadtl so zitiert102, als stimme dessen Auffassung mit seiner Meinung überein. - Der von Neustadtl besprochenen Entscheidung des Brünner OG103 ist nicht zu entnehmen, ob eine Gattung oder Spezies geschuldet war und ob, falls das letztere zutrifft, der Mangel bereits bei Vertragsschluß bestanden hat. - Fast unmittelbar nachdem Neustadtl diese Entscheidung kurz referiert hat, zitiert er Pisko104• Aus BrJZ 1929, 144. Gewährleistung2 15 = ZBI. 1920, 602. es s. FN 82 u. vor FN 82. 99 Gewährleistung2 31 = ZBI. 1920, 618. 100 Gewährleistung2 16 ff. u . ZBl. 1920, 603 ff. 101 BrJZ 1929, 144- Dies obwohl das ganze Anliegen der Piskoseben Arbeit darin besteht, die Gewährleistungsregeln nur auf Speziessachen anzuwenden, was den Gesetzesverfassern gänzlich fern lag. 1o2 Klang I Pisko1 II/2, 570 FN 137a. 1oa 15. 6. 1929, Rv I 1668/28-2. 104 BrJZ 1929, 144. 98
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A. Kauf- und Werkverträge I III. Berufung auf Pisko
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diesem Zitat dürfte Pisko die Meinungsgleichheit abgeleitet haben. Daß die Ausführungen Neustadtls nunmehr Pisko mißverstanden hat, zeigt die Fußnote105, in der er Neustadtl erwähnt. In einem Atemzug mit dem Zitat N eustadtls billigte Pisko die Beweislastumkehr des OGH im Turbinenfall 108 • 107. Für Pisko ist eben § 1298 ABGB nur dann unanwendbar, wenn der Ersatz eines Schadens begehrt wird, der seine Ursache in einem anfänglichen unbehebbaren Mangel einer gekauften Spezies hat108. Selbst wenn man Piskos Meinung teilen würde, daß der Verkäufer einer Spezies diese nur in dem Zustand schulde, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befindet, so wäre daraus noch nicht abzuleiten, daß mit der Hingabe in diesem Zustand nicht die Nichterfüllung einer Nebenverbindlichkeit vorliegen könne. Bei Richtigkeit109 der Annahme einer Erhaltungspflicht - so Pisko selbst im Anschluß an Schlesinger - gibt es keinen Grund, diese auf Gattungskäufe zu beschränken. Eine Pflicht, die Erfüllungshandlung so einzurichten, daß der Gläubiger durch sie nicht geschädigt werde, müßte hier bedeuten, daß der Schuldner potentiell schadenstiftende Mängel spätestens bei Übergabe anzeigen müßte110• 111; 112. Wie Bydlinski113 gegen Pisko und Zitelmann im Anschluß an Flume 114 und im Einklang mit der vor allem auf Rabel115 zurückgehenden herrto5 Klang I Pisko1 1112, 570 FN 137a. 108 s. o. § 1 vor FN 3. 107 Wahle beruft sich in seiner ablehnenden Besprechung (Rsp. 1932134) der Entscheidung des Turbinenfalles auf Neustadtl und damit indirekt auf Piskos Gewährleistungsmonographie. Im Klang-Kommentar1 1112, 570 FN 137a wurde er durch Pisko selbst berichtigt. - Aus dem im Turbinenfall wiedergegebenen Sachverhalt geht nicht hervor, ob die gelieferte Turbine mangelhafte Gattung oder eine mit einem Mangel behaftete Spezies war, der in Piskos Sinn Erfüllungsmangel ist. Daß ein Kaufvertrag vorlag, ist aber anzunehmen, weil der OGH von Kaufpreiszahlung spricht. Daher wurde oben bei der Übersicht der Rechtsprechung der Fall auch unter der Darstellung der Kaufverträge gebracht. Läge ein Werkvertrag vor, so wäre die Parallele zum nachträglichen Speziesmangel gegeben und insoferne der Aussage Piskos aaO gleiche Bedeutung beizumessen. Vielleicht nahm Pisko das Vorliegen eines Werkvertrages an? 108 Vgl. auch Staub I Pisko I Löbl3 II 108. 109 Zur Kritik dieses Begriffs § 8 bei FN 211. 110 Vgl. Gewährleistung2 51 FN 23, wo Pisko aus § 932 Abs. 1/2 eine Pflicht zur Mängelanzeige beim Vertragsabschluß über eine Spezies erschließt. 111 Pisko ist hier, wie so oft, Opfer seiner Begriffsjuristischen Verfangenheit- treffend Kramer, JBl. 1972, 404. 112 Vgl. auch Staub I Pisko I Löbls li 108. 113 Klang I Bydlinski 2 IV/2, 152 ff. 114 Flume, Eigenschaftsirrtum 11 ff. 115 Rabel, ABGB-FS II 821, 826 ff. = Gesammelte Aufsätze I 79, 82 ff. -
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
schenden118 Österreichischen Lehre festhält, sind darüber hinaus nicht die wirklichen, sondern die von den Parteien vorgestellten Eigenschaften Schuldinhalt eines Spezieskaufes. Der Verkäufer erfüllt auch hier keineswegs die Hauptverbindlichkeit, wenn er die Sache in dem Zustand leistet, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befindet. Die Gewährleistungsvorschriften erklären sich "(allgemein, also auch für den Stückkauf) aus dem Zurückbleiben der als Erfüllung hingegebenen Leistung ,gegenüber dem geschuldeten quantum oder quale'; also aus (qualitativ teilweiser) Nichterfüllung (Schlechterfüllung)". Diese Thesen Bydlinskis könnte man noch zusätzlich erhärten. Ginge man (mit der abzulehnenden These Piskos) davon aus, daß sich der Schuldner nur zu dem verpflichten könne, was im Seinsbereich ist, so käme man in den Fällen der anfänglichen, nach feststehender Meinung nicht zur Nichtigkeit führenden gänzlichen Unmöglichkeit (e contrario e § 878/1 ABGB) 117 zum Ergebnis, daß - welch Widerspruch in sich - eine Schuld ohne Schuldinhalt entsteht, und daher keine Nichterfüllung vorliegen könne. - Die Verbindlichkeit ist in Wahrheit im Umfang der vereinbarten Leistung entstanden, bloß ihre Erfüllung ist unmöglich. Für die Nichterfüllung hat der Schuldner bei fehlender Entlastung einzustehen; es ist ein weiteres Problem, ob für positives oder negatives Interesse11s. Abschließend sei nochmals betont, daß sich der OGH auf Pisko nicht zu Recht berief, weil in den entscheidenden Fällen (bei gleichen Ergebnissen} die Prämissen völlig verschieden; bei gleichen Prämissen (insb. bei der Gattungsschuld} aber die Ergebnisse geradezu entgegengesetzt sind.
Vgl. schon vor Rabel: Pfersche, Die Irrtumslehre des Österreichischen Privatrechts (1891) 197 ff. 111 Widersprüchlich sind Gschnitzers Aussagen zum Problem. Einerseits folgt er Rabels Auffassung von der anfänglichen Unmöglichkeit (Klang I Gschnitzer2 IV/1, 161), andererseits meint er mit Pisko, die Ansicht, daß nicht vorhandene Eigenschaften Vertragsinhalt werden, gehe von einer denkunmöglichen Vorstellung aus (508). Dieser Ansicht fügt er dann aber wieder gegen Pisko bei, daß der durch eine Wissenerklärung ausgelöste Vorstellungsinhalt Vertragsbestandteil werden könne (509). - In Wahrheit gehören die von den Parteien vorgestellten Eigenschaften zum Verkaufsinhalt (s. u. § 13. C. II.).- Treffend bezeichnen Koziol/ Welser, die ausdrücklichen oder konkludenten Zusicherungen als Willenserklärungen (Grundriß3 I 187). Sie betonen daher auch folgerichtig, daß der mangelhaft liefemde Verkäufer nicht erfüllt (aaO 195 vor FN 36). Stillschweigend bedungen (§ 923 ABGB) sind die gewöhnlich vorausgesetzten (§ 922 ABGB) Eigenschaften (vgl. dazu auch Krasnopolski, Obligationenrecht 135 und Zeiller, Commentar III/1, 122), wenn nicht ausdrücklich anderes vereinbart ist. 111 Anders § 306 BGB. 118 s. u. § 13.
A. Kauf- und Werkverträge I IV. Berufung auf Wahle
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IV. Die Berufung auf Wahle
Das Bisherige versuchte zu zeigen, daß die vom OGH bezogenen Aussagen dessen Meinung nicht decken. Auf Wahle 119 bezieht sich der OGH hingegen insofern zu Recht, als dieser als einziger in der Tat die vom OGH ausgesprochene Meinung vertritt. W ahle dürfte wohl den entscheidenden Einfluß auf die Entstehung der ständigen Rechtsprechung120 ausgeübt haben. Wahles Ausführungen (zum Turbinenfall) 119 können jedoch nicht überzeugen. Der Autor begründet seine Meinung kaum, er stützt sich vielmehr in erster Linie auf N eustadtlm. Daß sich Neustadtl fälschlich auf die Materialien zur 3. Teilnovelle, Wolff und Pisko beruft, zeigt das voher1218 Ausgeführte122• Außer den falschen Bezügen bringt Neustadtl keine Argumente, welche die Ablehnung einer Beweislastumkehr tragen könnten. Daß ein Schadenersatzkläger rechtswidriges Schuldhaftes Verhalten beweisen muß123, ist für unsere Frage der typische Fall einer petitio principii. Ebenso unbegründet ist die Behauptung, § 1298 ABGB sei nur auf die Unmöglichkeit (der Hauptleistung) zu beziehenm. Überdies soll nach Neustadtl der Lieferant einer Ware nicht die "probatio diabolica seiner Schuldlosigkeit auf sich nehmen" müssen125. - Warum man dem Verkäufer diesen angeblich teuflischen Beweis nicht auflasten dürfe, dem Käufer aber den in Wahrheit noch schwierigeren Verschuldeosbeweis aufbürden solle, bleibt unerfindlich. Nicht angebracht ist auch das Argument, der Käufer wäre nach der 3. Teilnovelle ebenso oder noch schlechter gestellt als vorher125. Die 3. Teilnovelle wollte nur klar stellen, daß für den Anspruch des § 932 Abs. 1/2 ABGB das Verschuldenselement von Bedeutung ist, daß also Schadenersatz nicht aufgrund der Gewährleistungsnormen verlangt werden kann125&. § 1298 ABGB ermöglicht dem Schuldner die Entlastung. Dieser Weg bliebe ihm verschlossen, genügte der Titel der Gewährleistung für den Ersatzanspruch.
N eustadtl glaubt, mit der Übernahme der Leistung sei erfüllt und daher eine Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB ausgeschlossen128. OfBemerkung zu Rsp. 1932/34 (Turbinenfall s. o. § 1 vor FN 3). nach FN 1. 121 BrJZ 1929, 143 f. 121 & s. o. I. - III. 1!! Zu Neustadtls Fehldeutung der Materialien s. insb. oben nach FN 29; zu Neustadtls Fehldeutung von Pisko s. insb. oben nach FN 96. 12a BrJZ 1929, 144, Z. 2. tu BrJZ 1929, 144, Z. 3. m BrJZ 1929, 144, Z. 2. - Zum Beweisnotstandsargument, das ansonsten zu gunsten des Geschädigten verwendet wird, s. u. B., § 4. C. D., §§ 5, 6, 8. B. II. 1. b. 125a s.o. I. t!l BrJZ 1929, 144, Z. 1: "Weil § 1298 a. b. G.- B. nur die ,Nichterfüllung' 119
120 s. o.
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
fenkundig vermengt er Piskos Gedanken127, daß Gewährleistungsmängel (anfängliche unbehebbare Mängel einer Spezies) und Erfüllungsmängel (insb. alle Mängel einer Gattung) miteinander nichts zu tun haben (Ausnahme: anfänglicher behebbarer Mangel einer Spezies) mit der Auffassung, die Entgegennahme einer mangelhaften Leistung bewirke Erfüllung und es bestehen ab diesem Zeitpunkt nur mehr Ansprüche aus Gewährleistung128• Auf das Problem der "Annahme" als Erfüllung wird noch einzugehen sein. Zunächst ist festzuhalten, daß N eustadtl überhaupt keine Begründung gibt, welche die Ablehnung einer Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB im Zusammenhang mit § 932 Abs. 1/2 ABGB tragen könnte. Seine Ausführungen sind ein Konglomerat von Fehlzitaten und haltlosen Behauptungen. Soweit Wahle sich auf Neustadt! stützt, baut er auf Sand. Wahles unmittelbare Berufung auf Wolffist aus denselben Gründen unrichtig, wie die Neustadtls und des OGH zur Ablehnung der Beweislastumkehr. Wahles Behauptung, bis zum TurbinenfaW 29 habe es als allgemeine Meinung gegolten, daß der Verschuldensnachweis bei Ansprüchen nach § 932 Abs. 1/2 ABGB dem Beschädigten obliege, ist unbewiesen und soweit ersichtlich- auch unbeweisbar130• An Rechtsprechung für diese angeblich allgemeine Auffassung weiß Wahle nur eine nicht veröffentlichte Entscheidung des OGH131 zu nennen sowie mehrere von ihm nicht näher erläuterte Erkenntnisse des Brünner OG132• Dieses Gericht ging jedoch in einer späteren Entscheidung, nämlich in der von N eustadtl kritisierten, wieder von jener Ansicht ab. Wie sich seine Rechtsprechung weiter entwickelte, ist mir verschlossen. In Österreich gab es seit Inkrafttreten der 3. Teilnovelle13s, der § 932 Abs. 1/2 ABGB seine gelvon Verträgen (sei es dermalen, sei es schlechthin) betrifft, nicht aber die Folge eines Gewährleistungsmangels, der geradezu die ,Erfüllung• voraussetzt." 117 s.o. I. ns s. o. nach FN 96. 12u s. o. § 1 vor FN 3. 180 Piskos Auffassung zu § 932 Abs. 112 ABGB (s.o. III.) alles andere als allgemeine Meinung - betrifft nur den anfänglichen Mangel einer Spezies. Auf diesen Sonderfall beschränkt sich Wahle nicht. Gerade im Turbinenfall steht Wahle im Gegensatz zu Pisko (s. FN 107). 131 OGH 20. 5. 1931, 2 Ob 323/31 Diese Entscheidung stand dem Verfasser der gegenständlichen Arbeit nicht zur Verfügung. 132 Brünner OG 23. 4.1924, SlgOG IV, 3.759; 27. 1.1925, SlgOG VII, 4.610; 17. 8.1926, SlgOG VIII, 6.207 u. 24. 3.1927, SlgOG IX, 6.930. -Diese Zitate habe ich von Wahte (Rsp. 1932/34) ohne Überprüfungsmöglichkeit übernommen. 133 Vorher war ja die Frage strittig, ob überhaupt das Verschuldenselement für den Ersatzanspruch nach § 932 a. F. von Bedeutung sei. - Im Anstekkungsfatl (s. o. vor FN 4) verlangte der OGH den Verschuldensbeweis, im Dampfmaschinenfall (s. o. vor FN 16) kehrte er die Beweislast um.
A. Kauf- und Werkverträge I IV. Berufung auf Wahle
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tende Fassung verdankt, an veröffentlichten Entscheidungen zur Ablehnung der Beweislastumkehr wohl nur den Kronenfazzt 34, den Wahle nicht einmal erwähnt.
Wahles Aussage, § 932 Abs. 1/2 ABGB erfordere ein besonderes Verschulden135, geht in die Leere. Hier wie beim Ausbleiben der Leistung sind die üblichen Verschuldensgrade Beweisthema. Meint aber Wahle mit der Erwähnung des besonderen Verschuldens die Abgrenzung zur Gewährleistung, so sagt er Selbstverständliches, nicht aber für die Beweislastverteilung Ergiebiges. Der sachliche Kern von Wahles Auffassung dürfte die Lehre von der "Annahme als Erfüllung" sein. Diese Theorie hebt er zwar in seiner kurzen Besprechung des Turbinenfalles nicht ausdrücklich hervor; sie klingt aber in unübersehbarer Weise bei Neustadt! anm, sodaß, da Wahle diese Lehre auch sonst vertritt137, kaum ein Zweifel bestehen kann, daß er auch insoferne mit N eustadti konform geht136• tas, auf dessen "lichtvolle Ausführungen" er "im übrigen" verweist135 • Die Lehre und Rechtsprechung von der "Annahme als Erfüllung" 139, dient der Abgrenzung (§§ 918- 921 ABGB) einerseits und den Gewährleistungsregeln der §§ 922 ff. ABGB andererseits. Mit der Entgegennahme einer Ware durch den Empfänger verliere dieser das Rücktrittsrecht und habe nur mehr ein Recht auf Ausübung der Gewährleistungsbehelfe, falls sich die Sache nachträglich als mangelhaft erweist. Die Entgegennahme der Leistung wurde unglücklicher- und unzutreffenderweise (s. u.) als "Annahme als Erfüllung" qualifiziert1 40 , als Erfüllung demgemäß auch die Entgegennahme der Leistung in Unkenntnis s. o. § 1 vor FN 6 und § 2 nach FN 9. Bemerkung zu Rsp. 1932134. 136 s. o. bei FN 126 u. in FN 126. 137 Vgl. Klang I W ahle2 IV12, 86 f. 138 Daß Wahles Meinung auf der Lehre von der erfüllungsweisen Annahme beruht, vertritt auch Staub I Pisko I LöbP li 108. 18 9 Vgl. Armin Ehrenzweig, System II/1, 210, 215, 217. Außer Wahle (s. FN 137) ist in der Lehre Armin Ehrenzweig niemand gefolgt. Die erdrückende und unwiderlegbare Mehrheit der Österreichischen Autoren spricht sich dagegen aus (s. u.). Vom Standpunkt Armin Ehrenzweigs ist die Frage für die Beweislastumkehr ohne Bedeutung, weil sich nach seiner Meinung die Beweislast für das Verschulden immer umkehrt (System2 III1, 75) - s. a. unten § 3. B. 140 Vgl. dazu den Wortlaut von § 363 BGB: "Hat der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen, so trifft ihn die Beweislast, wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung sei." - Hier ist bloß eine Beweislastregel gegeben. Die Entgegennahme der Leistung gilt als "Annahme als Erfüllung" solange nicht bewiesen ist, daß die Leistung nicht vertragsgemäß war. Vgl. BGB-Protokolle I 637 u. BGB-RGRK-Löscher11 § 363 Anm. 3 - 5 sowie Soergel I Schmidt10 § 363 Anm. 1. 13'
1ss
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
des Mangels angesehen. Von hier aus ist der begriffsjuristische Schritt: es liege im nachhinein keine Nichterfüllung vor, daher komme auch keine Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB in Frage, nur mehr sehr klein- er wird auch getan. Prüft man die Entstehungsgeschichte der Neufassung des§ 932 ABGB, so sollten ursprünglich dem Gläubiger außer dem Schadenersatz alle anderen Rechte wegen Nichterfüllung vorbehalten werden. "Alle anderen Rechte" wurden aus§ 932 ABGB eliminiert, nur mehr der Schadenersatz wegen Nichterfüllung141 sollte neben den Gewährleistungsfolgen bestehen bleiben. Dieser Ursache verdankt § 932 Abs. 1/2 ABGB seine geltende Fassung142• Unterstellt man trotzdem- rein hypothetisch- die Auffassung als richtig, daß mit Übernahme der Sache der Vertrag als erfüllt anzusehen seil42 a, so wäre immer noch - ist man nicht hoffnungslos der Begriffsjurisprudenz verfallen- zu fragen, ob der Sinn des§ 1298 ABGB nicht auch Folgeschäden von Gewährleistungsmängeln erfaßt. Die Gleichheit der Interessenlage zeigt folgendes Beispiel: Weist der Gläubiger die Leistung als mangelhaft zurück (§ 1413 ABGB), so besteht auch für die Vertreter der Lehre von der "Annahme als Erfüllung" kein Zweifel an der Anwendbarkeit der §§ 918 ff. ABGB143 : Eine Produktionsmaschine ist mangelhaft, der Verkäufer weist sie zurück, zunächst fällt die Produktion aus, Arbeitnehmer können nicht beschäftigt werden, später sind Überstunden zu leisten; die Verhinderung eines weiteren Produktionsausfalles verursacht zusätzliche Aufwendungen. Der Verkäufer hat nicht erfüllt, § 1298 ABGB ist heranzuziehen. Sollte ausgerechnet die Beweislast für das Verschulden144 anders zu verteilen sein, wenn der Käufer die Ware in Unkenntnis des Mangels "annimmt" und dieselben Schäden entstehen145, 140? Zur Widerlegung Wahles sei schließlich Wahle 141 selbst herangezogen. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages(§ 1052 ABGB), so schreibt er 141 Zum Nichterfüllungsbegriff des ABGB s. u. § 8 B. I. m s. o. nach FN 29. t42a Zur richtigen h. L. s. u. 148 Ehrenzweig, System2 III1, 215, 217; Klang I Wahle 2 IVI2, 87. 144 Zum Verschuldeosbegriff des ABGB s. u. § 7. B. 145 Vgl. den Dampfmaschinenfall - s. o. § 1 vor FN 16. 1" Eine Verschiedenheit der Beweislast für das Verschulden kann auch nicht davon abhängen, ob der Gläubiger bei Prüfung der Ware vor Obernahme oder bei Prüfung nach Übernahme einen Schaden erleidet, der von dem beim gänzlichen Ausbleiben der Leistung verschieden ist. Es muß also für diese Beweislast gleich sein, ob der Gläubiger bei Prüfung des Elektrogeräts vor Obernahme oder nach Obernahme durch einen Stromschlag stirbt. 147 Klang I W ahle2 IV12, 87.
A. Kauf- und Werkverträge I IV. Berufung auf Wahle
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an anderer Stelle, erlösche mit der Annahme der Leistung als Erfüllung; sie gelte als solche nicht für Gewährleistungsfälle. Hat der Käufer (in Unkenntnis des Mangels) die Sache übernommen, so könnte er dem Verkäufer § 1052 ABGB bei der Klage auf den Kaufpreis nicht entgegenhalten. Diese Lücke- so meint Wahle- sei im Geist des § 7 ABGB zu füllen. Die ratio des § 1052 ABGB bestehe darin, den Vertragspartner durch Druck zur Erfüllung zu bewegen und solange die Gegenleistung nicht erbracht bzw. angeboten worden sei, dürfe der Zug-um-Zug-Leistungsverpflichtete nicht um dieses Druckmittel gebracht werden. Die Schutzbedürftigkeit des Vertragspartners ende aber nicht mit der Annahme als Erfüllung, er dürfe nicht schutzlos bleiben, wenn sich die Mangelhaftigkeit der Leistung nach diesem Zeitpunkt herausstelle oder er die Leistung bei Kenntnis der Mängel vorbehaltlich der Gewährleistungsansprüche übernommen habe. Das wäre eine krasse Unbilligkeit. Diesen Ausführungen Wahles ist - immer unter der Voraussetzung, der Ausgangspunkt von der "Annahme als Erfüllung" sei richtig148 - für§ 1052 ABGB nichts hinzuzufügen. Sollte § 1298 ABGB nur irgendeine ratio haben, so kann auch die Beweislastverteilung bezüglich des Verschuldens vor oder nach Übernahme der Sache nicht verschieden sein.
Wahles Auffassung von der "Annahme als Erfüllung" könnte also, selbst wenn sie richtig wäre, die Verneinung der Beweislastumkehr nicht tragen. Aber wie schon Schlesinger149, Pisko 150 , Wolff 161 , Gschnitzer152 und jüngst wiederum Kramer153 und Bydlinski154 dargelegt haben, ist diese Lehre falsch. Folglich taugt sie schon im Ansatz nicht, die ab148 Interessant ist die Methode: Man stellt zuerst den Satz von der "Annahme als Erfüllung" auf, um ein Teilproblem, die Abgrenzung der §§ 918 ff. u. 922 ff. ABGB, zu lösen. Alsbald muß sich dies im Gesetzessystem mit anderen Gesetzesstellen als unvereinbar erweisen. Um aber den falschen Satz als richtig aufrecht zu erhalten, werden Lücken konstruiert, die ohne die falsche Behauptung gar nicht bestünden, und die "Erfüllung" dann gleich der Nichterfüllung aufgrund der natürlichen Rechtsgrundsätze behandelt. Pisko wickelt hingegen- innerhalb seines ganz anderen Gewährleistungsverständnisses - rein begriffsjuristisch ab: Bei anfänglichen unbehebbaren Speziesmängeln, sei mit Hingabe voll erfüllt, daher § 1052 ABGB unanwendbar (Klang I Pisko 1 1112, 540). Bei behebbaren anfänglichen Speziesmängeln könne die Einrede des nichterfüllten Vertrages nur nach dem Verbesserungsbegehren erhoben werden, weil dann die Gewährleistungs- zu Erfüllungsmängeln geworden seien (Klang I Pisko 1 11/2, 540, 565). - Alle anderen Mängel sind bei Pisko Erfüllungsmängel - s. o. Ill. 149 ZBl. 1920, 257 ff. uo Klang I Pisko1 1112, 467 f. - s.o. vor FN 135; Gewährleistung2 46 ff.; ZBl. 1921, 17 ff., 21 ff., 65 ff. m Grundriß2 - ' 136. t52 Klang I Gschnitzer 2 IVI1, 517 f. ; Schuldrecht Allgemeiner Teil 89 f. tsa JBl. 1972, 404 f. tu Klang I BydZinski2 IVI2, 156 ff., insb. 158, 160.
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
lehnende Rechtsprechung des OGH zu § 1298 ABGB zu stützen. Die unhaltbare Auffassung von der "Annahme als Erfüllung" dürfte nun denn auch in der Rechtsprechung in den letzten Zügen liegen. Vor kurzem hat der OGH in einer diesbezüglich beifallswerten Entscheidung im Anschluß an Bydlinski155 für die Gattungsschuld festgehalten, daß ein Verbesserungsanspruch auf Nachlieferung qualitativ einwandfreier Stücke aus der Gattung besteht, der inhaltsgleich mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch ist156 • -Woraus sollte denn auch der Verbesserungsanspruch resultieren, wenn nicht ein ursprünglicher Anspruch auf eine bestimmte Qualität bestünde, der mit der Entgegennahme der Leistung nicht untergeht? Es wäre doch verwerfliche Begriffsspielerei, den Erfüllungsanspruch mit Übernahme der Sache untergehen zu lassen und dann (auf welcher rational erklärbarer Basis eigentlich?) durch ein einseitiges Gestaltungsrecht "Verbesserung" einwandfreie Gattung oder Qualitätsverbesserung der Spezies157 zu gewähren. Endlich seien noch W ahles Ausführungen zur Mankohaftung des Dienstnehmers erwähnt: "Nach österreichischem Recht haftet der Angestellte für jedes Manko, wenn er nicht nachweisen kann, daß ihn kein Verschulden trifft158." Wie soll sich diese unbewiesene Behauptung mit den sonstigen Ausführungen W ahles zur Beweislastumkehr vertragen? Ein Manko besagt zunächst noch nicht, daß der Arbeitnehmer auch nur irgendeine arbeitsvertragliche Pflicht nicht erfüllt hat (natürlicher 155 Klang I Bydlinski IVI2, 161 f. vgl. Klang I Bydlinski2 IVI2, 160- 162: Ausgehend von der Erkenntnis, daß einerseits die kurzen Gewährleistungsiristen sinnlos wären, könnte man sich die ganze Verjährungszeit auf die §§ 918 ff. ABGB stützen, und daß andererseits Verbesserungs- sowie Nachtragsansprüche nichts anderes als die im Gewährleistungsgewande fortbestehenden Erfüllungsansprüche sind, ergibt sich die Lösung der Abgrenzung der§§ 918ff. zu den§§ 922ff. : Nach Obergabe der Sache kann der Käufer nur innerhalb der Fristen des § 933 ABGB Erfüllung, d. h. Nachtrag des Fehlenden bzw. Verbesserung, begehren. Gerät der Veräußerer damit in Verzug, steht wiederum§ 918 ABGB zur Verfügung.- Bei Gattungsgeschäften ist Verbesserung grundsätzlich immer möglich: Lieferung einwandfreier Gattung gegen Rücknahme der mangelhaften. Das Recht des Käufers zur Minderung, das der einseitigen Vertragsänderung, ist der spezifische Beitrag des Gewährleistungsrechts zum Gattungskauf. Bei Spezieskäufen will Bydlinski die §§ 922 ff. ABGB als leges speciales primär statt der §§ 918 ff. ABGB als Rechtsfolgen der qualitativen (Teil-)Nichterfüllung anwenden. - Auch Kramers auf dem Gedanken der Konkurrenz aufbauender Lösungsversuch schaltet die Konkurrenz weitgehend aus. Nur bei unbehebbaren Mängeln vertritt er ein unbeschränktes Wahlrecht zwischen Minderung bzw. Wandlung einerseits und Rücktritt andererseits. Bei Behebbaren Mängeln könne der Käufer nur zurücktreten, wenn eine angemessene Nachfrist zur Verbesserung erfolglos verstrichen sei. Auch Minderung will Kramer hier nur nach Nachfristsetzung zulassen (JBl. 1972, 405 ff.). 15& OGH 28. 2. 1973, 7 Ob 16173, JBl. 1973, 616 (617). 157 Vgl. Klang I Bydlinski2 IVI2, 158, 161. 158 ÖJZ 1959, 250.
B. Mietverträge
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Schwund im Warenlager; jemand entnimmt mit einem Nachschlüssel der Kasse Geld u. ä.). Vielfach mag ein Manko freilich einen Schluß auf mangelhafte Arbeitsleistung erlauben. Mangelhafte Arbeitsleistung, die ein Manko zeitigt, ist aber sicher i. d. R. keine Nichterfüllung der Hauptverbindlichkeit i. e. S. (Ausbleiben der Leistung), sondern Schlechterfüllung, besser: Schlechtleistung, so daß Wahle, wäre er konsequent, auch hier schon deswegen die Beweislastumkehr ablehnen müßte, sagt er doch ausdrücklich, § 1298 ABGB sei nur auf Nichterfüllung, nicht auf Schlechterfüllung anzuwendents&. Nach Wahle trifft den Verkäufer oder Werkunternehmer, der nach dem Gesetz unzweifelhaft einen bestimmten, auch qualitativ umschriebenen Erfolg schuldet, kein Entlastungsbeweis, wenn er schlecht leistet, den Dienstnehmer hingegen, der ebenso unzweifelhaft keinen Erfolg schuldet, sondern bloße Bemühung, hingegen doch. Wahles Argument, wie der Dienstgeber dem inkassierenden Dienstnehmer, dem angeblich am Heimweg Geldscheine abhanden gekommen sind, das Verschulden beweisen solle, hat manches für sich. Steht aber der Käufer, dessen Schweine am verunreinigt gelieferten Futter eingingen, besser? Gerade in den Mankofällen dürften auch der Indizien- bzw. prima-facie-Beweis eine wesentliche Hilfe zur Vermeidung eines Beweisnotstandes bedeuten. Wahle gibt also ebenfalls keine Begründung für die Verneinung der Beweislastumkehr bei Schlechtleistung. Hat sich der OGH zu Recht auf Gschnitzer berufen? V. Die Berufung auf Gsdmitzer
Selbst eine Äußerung Gschnitzers160, in der dieser ausdrücklich bezweifelt, daß § 1298 ABGB auf die Fälle des § 932 ABGB nicht anzuwenden sei, zitiert der OGH für seine Judikatur161 • Dies ist das vorerst letzte Zitat in der langen Reihe der Fehlzitate. B. Mietverträge162 Während der OGH in den Entscheidungen zu Kauf- und Werkverträgen, wie wir gesehen haben, ohne sachliche Begründung bei 159 Bemerkung zu Rsp. 1932/34. Aus der Vermischung von "Schädigung anläßlich der Erfüllung" und Wahles "Schädigung Schlechterfüllung" (nach der "Annahme als Erfüllung") dürfte die Rechtsprechung auftauchende Formel: "Wenn jemand anläßlich der lung durch Schlechterfüllung geschädigt wird" entstanden sein. 18o Klang I Gschnitzer2 IV/1, 545 FN 151. 181 Alleinfutterfall- s.o. § 1 vor FN 10; vgl. auch EvBl. 1957/259. 182 Rechtsprechungsübersicht s.o.§ 1 A. IV.; Lösungs. u. § 15.
4 Reisehauer
Wolffs durch in der Erfül-
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
Schlechterfüllung die Anwendung des § 1298 ABGB ablehnt, beschreitet er bei Mietverträgen einen anderen Weg. Sein neues Argument, um der eigenen Regel zu entkommen: Bei Bestandverträgen sei im Gegensatz zu Kauf- und Werkverträgen Schlechterfüllung begrifflich nicht bzw. kaum denkbar 163 , da der Bestandgeber gemäߧ 1096 ABGB den bedungenen Gebrauch zu verschaffen habe. Bedungen sei demnach - so muß man wohl schließen - nur mangelfreie, den Mieter nicht schädigende Leistung. Daneben bringt der OGH auch den Gedanken des Beweisnotstandes ins Spiel: Es sei nicht zu rechtfertigen, dem geschädigten Bestandnehmer den häufig kaum möglichen Verschuldensbeweis bezüglich der Erfüllungsgehilfen des Bestandgebers aufzuerlegen164. Auf dieses Argument, das in der allgemeinen Beweislastdiskussion eine große Rolle spielt, ist später noch ausführlich einzugehen165. Am Rande: es müßte für Kauf- und Werkverträge gleichermaßen gelten. Vorher aber zu jenem Begriffsargument: Der OGH übersieht, daß bei Kauf- und Werkverträgen Schlechterfüllung im Gegensatz zur Nichterfüllung genausosehr oder genausowenig "denkunmöglich" sein muß wie bei Mietverträgen, denn jede Schlechterfüllung ist Nichterfüllung166, da nicht auf die bedungene Weise geleistet wird(§§ 912,918, 1412, 1413 ABGB). Bei Gattungsschulden ist das völlig unbestreitbar, nicht anders ist dies aber für das Österreichische Recht bei Spezieskäufen167. Für die Gattung hat der OGH kürzlich auch treffend ausgeführt, daß das Verbesserungsrecht nichts anderes als der mit dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch inhaltsgleiche Anspruch auf Nachlieferung einwandfreier Stücke aus der Gattung ist. Dieser Anspruch kann aber nur zustehen, weil bei Hingabe fehlerhafter Gattung nicht erfüllt wurde168. Daß die Hingabe einer fehlerhaften Gattung nicht nur im Hinblick auf das Ausbleiben der geschuldeten Leistung als Nichterfüllung zu betrachten ist, sondern die mangelhafte (potentiell schadenstiftende) "Leistung" als solche, ist noch eingehend darzulegen169. Hier sei nur auf die Wertungswidersprüche in den Entscheidungen des OGH hingewiesen. 183 Propellerfalt s. o. § 1 vor FN 34; Rohrbruchfalt s. § 1 vor FN 34. Im Umbaufall (s.o. § 1 vor FN 35) wird auf die Begründung im Propellerfall verwiesen. Der Deckeneinsturzfall (s. o. § 1 vor FN 33) liegt vor der 3. TN und
damit vor der Rechtsprechung, die im Zusammenhang mit "Schlechterfüllung" bei Kauf- und Werkverträgen eine Beweislastumkehr ablehnt. 184 Rohrbruchfall - s. o. § 1 vor FN 34. 185 s. § 4. C. D., §§ 5, 6, 8. B. li. 1. b. - Vgl. auch schon oben vor FN 125. 168 Zum Erfüllungs- bzw. Nichterfüllungsbegriff nach ABGB s. u. § 8. B. I. 101 s. o. nach FN 113. 188 OGH 28. 2. 1973, 7 Ob 16173, JBI. 1973, 616 (617) s. auch oben A. IV. zur Frage der "Annahme als Erfüllung". 18t s. u. § 8 B. li. 1. a.
C. Personenbeförderungsverträge
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Die höchstgerichtliche Rechtsprechung führt zu den folgenden paradoxen Ergebnissen, die zeigen mögen, daß hier wie stets mit Begriffsjurisprudenz nichts gewonnen ist: Ruiniert dem Käufer eines Hauses (Spezies) ein Wasserrohrbruch die Möbel, greift § 1298 ABGB nicht ein: hätte er dasselbe Haus gemietet, wäre die Norm anzuwenden. Eine gekaufte Maschine explodiert - kein Entlastungsbeweis; eine gemietete explodiert- Entlastungsbeweis! Die Verschiedenheit der Rechtsverhältnisse Miete- Kauf bzw. Werkvertrag kann das Ergebnis nicht tragen. Freilich gibt es Unterschiede: Der Verkäufer erfüllt nur dann nicht, wenn die Sache bei Übergabe oder innerhalb einer Garantiefrist Mängel aufweist, der Bestandgeber hat das Bestandstück im brauchbaren Zustand zu übergeben, zu erhalten und darf den bedungenen Gebrauch oder Genuß nicht stören (§ 1096 ABGB). Das betrifft aber nur Zeitpunkt bzw. Dauer der Verbindlichkeit. Steht einmal die Nichterfüllung fest, so gibt es keinen rationellen Grund, die Beweislastverteilungbei Mietverträgen anders als bei Kauf- oder Werkverträgen vorzunehmen170• Bezüglich des § 1157 Abs. 2 ABGB unterscheiden übrigens die Materialien zur 3. Teilnovelle171 auch nicht, ob die Verpflegung (kaufähnlich) oder ob die Wohn- und Schlafräume des Arbeitnehmers (mietähnlich), mangelhaft waren. In beiden Fällen ist ihrer Ansicht nach § 1298 ABGB anzuwenden; ein Zeichen, daß für jene Unterscheidung des OGH auch nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers keine Wertungen auffindbar waren. C. Personenbeförderungsverträge172
Die oben (B.) vorgefundene Inkonsequenz der Rechtsprechung kehrt auch beim Personenbeförderungsvertrag wieder. Diese Rechtsprechung zeigt zwei Schichten. Die ältere, zum Teil vor der großen Novellierung des ABGB liegende Judikatur begründet die Beweislastverteilung mit dem Beweisnotstandsargument, die jüngere mit einer Nebenverbindlichkeit, das körperliche Wohlbefinden des Fahrgastes nicht zu beeinträchtigen. Im Explosionsfall113 führt der OGH für die Beweislastumkehr an, daß der Schiffspassagier nicht in der Lage sei, sich vor der Abfahrt zu überzeugen, ob die Maschine ordnungsgemäß funktioniere, die Mannschaft geeignet sei und ob sie die Vorschriften beachten würde. Dem 170 Hat der Mieter die Sache schon lange in seinem Gebrauch, so stellte sich - verteilte man die Beweislast nach Einsichtsbereichen - die Frage, ob der Mieter nicht die gesamte Beweislast tragen solle. - Zum Beweisnotstandsargument s. § 4. C. D., §§ 5, 6, 8. B. II.l. b.; zur Lösungs. u. § 15. m 3. TN-Materialien 347. 172 Rechtsprechungsübersicht s. o. § 1 A. III.; Lösung s. u. § 18. m s. o. § 1 vor FN 25.
••
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
Passagier fehlten einerseits die Kenntnisse, andererseits könne ihm diese Prüfung nicht gestattet werden, er müsse sich in allen diesen Richtungen auf den Unternehmer verlassen können. Gleichermaßen argumentiert das Gericht im Treppenfall 114, kehrt jedoch die vertragliche Verpflichtung zu sicherer Beförderung hervor. Das Beweisnotstandsargument findet sich auch im Taxifall 115 • Über 30 Jahre später- im AnhängerfalP16 - wandte der Beförderer ein, es könne sich bei Schädigung eines Fahrgastes durch einen Verkehrsunfall lediglich um Schlechterfüllung, niemals aber um Nichterfüllung handeln, § 1298 ABGB sei demnach nicht anzuwenden. Aus der selbst gelegten Schlinge glaubte sich der OGH zu ziehen, in dem er replizierte, es bestehe eine vertragliche Nebenverpflichtung, das körperliche Wohlbefinden des Vertragspartners nicht zu verletzen. Im Fingerfalzt 11 behauptete er, es bestehe eine Nebenpflicht, dafür zu sorgen, "daß die zu befördernde Person unversehrt am Bestimmungsort ankommt". Im Schleppliftfall118 nahm er eine Verpflichtung des Unternehmers an, gefährliche Teile einer Lifttrasse für die Abfahrt wenigstens durch Warntafeln zu verbieten. Einmal unterstellt, es gibt eine Verbindlichkeit, den Fahrgast unverletzt an den Bestimmungsort zu bringen, so läßt sich diese Verbindlichkeit auf zweierlei Art formulieren: Der Unternehmer schuldet eine nicht gesundheitsschädliche Beförderung an den Bestimmungsort als Hauptleistung oder: Hauptleistung ist nur die Beförderung an den Bestimmungsort (der Fahrgast mag als Leiche ankommen) und Nebenverbindlichkeit die Nichtbeeinträchtigung der Gesundheit. Verletzung des Fahrgastes bedeutete nach der Terminologie des OGH im ersten Fall Schlechterfüllung der Hauptleistung, im zweiten Nichterfüllung einer Nebenverbindlichkeit. Derartige Formulierungskunstgriffe können die Beweislastverteilung - das kann jetzt s~on gesagt werden wohl nicht entscheiden. - Wenn ein Transportgut beschädigt am Bestimmungsort ankommt, ist dann die Hauptleistung voll erfüllt, aber eine Nebenpflicht verletzt oder die Hauptverbindlichkeit schlecht erfüllt und eine Nebenverbindlichkeit nicht erfüllt? - Ist die Lieferung von schädlichem Viehfutter im Sinne dieser Auffassung Nichterfüllung einer Nebenverbindlichkeit oder Schlechterfüllung; ist das anders bei Verletzung eines Fahrgastes oder eines Transportgutes179? Eine begrüns. o. § 1 vor FN 29. s. o. § 1 vor FN 26. 11e s.o.§ 1 vor FN 27. m s. o. § 1 vor FN 30. 11s s. o. § 1 vor FN 31. 11s Vgl. § 429 Abs. 1 HGB.
174 176
E. Zwischenergebnis
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dete Differenzierung ist nicht ersichtlich, eine Begründung wohl auch nicht möglich. Das Beweisnotstandsargument der älteren Rechtsprechung müßte bei Richtigkeit für Kauf- und Werkverträge gleichermaßen gelten180 •
D. Arbeitsverträgetat Ähnlich ungereimt wie das Verhältnis der Rechtsprechung zu Beförderungs- (s.o. C.) und Mietverträgen (s.o. B .) einerseits zu der Judikatur zu Kauf- und Werkverträgen (auf Sachleistung i. e. S.) andererseits (s.o. A.), ist das der Judikatur zur Mankohaftung des Dienstnehmers, verglichen mit der zu Kauf- und Werkverträgen. Die bei Wahle182 angemerkte Kritik trifft auch hier. Einzelnachweise folgen später (§ 19).
E. Zwischenergebnis Wie die Analyse der Rechtsprechung zeigt, kann sich der OGH in dem einen Entlastungsbeweis ablehnenden Teil seiner Rechtsprechung weder auf die Materialien noch auf Pisko noch auf Wolff mit Recht berufen. Neustadtls Ausführungen sind eine Sammlung von Fehldeutungen dieser Autoren bzw. der Materialien. Wahle baut ohne Begründung auf Neustadtl und kann schon deshalb nicht überzeugen. Der hinter beider Ausführungen stehende Gedanke der "Annahme als Erfüllung" würde selbst bei Richtigkeit Wahles Auffassung zur Beweislastumkehr nicht tragen, er tut es umsoweniger, als er als widerlegt gelten kann. Im übrigen sei auf die Inkonsequenzen der Wahleschen Meinung nochmals verwiesen. Die Materialien zur 3. Teilnovelle, W olff und Pisko sprechen sich für die Anwendung des § 1298 ABGB bei Schlechterfüllung aus. Soweit Pisko im Zusammenhang mit Spezieskäufen - in einem sehr engen Bereich - ausnahmsweise § 1298 ABGB nicht anwenden will, weil weder Nichterfüllung noch mangelhafte Erfüllung vorliegen soll, ist er bezüglich des Schuldinhaltes bei Spezieskäufen spätestens durch die Ausführungen Bydlinskis widerlegt. Die sonstige Rechtsprechung ist gemessen an der zu Miet-, Beförderungs- und Arbeitsverträgen inkonsequent. Das bisher Dargestellte entzieht der ablehnenden Rechtsprechung zu § 1298 ABGB die Begründung, ja es weist geradezu in die entgegengesetzte Richtung. Mangelnde oder fehlerhafte Begründung besagt aber tso 181
t8z
s. § 4. D., §§ 5, 6, 8. B. II. 1. b. - Vgl. auch schon oben vor FN 125. u. 165. Rechtsprechungsübersicht s.o. § 1 A. VI.; Lösungs. u. § 19. s.o. nach FN 157.
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§ 2. Kritik der Rechtsprechung
noch nicht unbedingt, daß das Ergebnis der ablehnenden Rechtsprechung falsch ist. Bei ihrer Richtigkeit wäre freilich die Rechtsprechung zu Miet- und Beförderungsverträgen höchst überprüfungsbedürftig. Aufgabe einer unvoreingenommenen, also insbesondere von den Fesseln einer mitgeschleppten (Fehl-)Zitatenkette befreiten Dogmatik kann nur sein, die ratio des § 1298 ABGB zu ergründen, seine Wertungen aufzudecken und daraus seinen Anwendungsbereich abzustecken.
Zweiter Teil
Ratio und Anwendungsbereich des§ 1298 ABGB § 3. Österreichische Aussagen zu § 1288 ABG B Wie oben gezeigtt, bezweckte die Neuregelung der Gewährleistung durch die 3. Teilnovelle keinesfalls die Beweislastregel des § 1298 ABGB zu berühren. Der Gesetzgeber wollte nur klarstellen, daß der Schadenersatzanspruch kein Gewährleistungsanspruch ist und daß der Schadenersatz wegen Vertragsverletzung (Nichterfüllung) vorbehalten werden sollte. Die Parallele des § 932 Abs. 1/2 zu § 921 ABGB betonen die Materialien zur 3. Teilnovelle ausdrücklich. § 921 ABGB läßt aber die Beweislastumkehr unzweifelhaft zum Tragen kommen. Zu § 1157 ABGB halten sie die Beweislastumkehr bei Vertragsverletzungen als allgemeingültigen Satz nachdrücklich fest. Anders als die geltenden Gewährleistungsvorschriften entstammt § 1298 ABGB der alten Masse des ABGB. Schon daher mußte es bedenklich erscheinen, eine so im Zentrum des § 1298 ABGB liegende Frage damit lösen zu wollen, daß § 932 Abs. 1/2 ABGB das Verschulden erwähnt. Dazu hätte es eines gezielten Eingriffs des Gesetzgebers in die Beweislastregeln bedurft. § 921 ABGB spricht nicht weniger als § 932 Abs. 1/2 ABGB von verschuldeter Schadenszufügung. Schon daraus hätte man schließen müssen, daß derartige Formulierungen des ABGB noch keinen Ausschluß der Beweislastumkehr anzeigen. Im Versuch der Ergründung der ratio des § 1298 ABGB ist zunächst dessen Entstehungsgeschichte nachzuspüren. § 1298 ABGB müßte also schon ursprünglich Differenzierungen erlaubt haben, wie sie der OGH heute unter Berufung auf die 3. Teilnovelle vornimmt.
A. Die Beratungsprotokolle zum ABGB Den Vorentwürfen zum ABGB, vom Codex Theresianus bis zum westgaUzischen Gesetzbuchta, fehlte eine dem § 1298 ABGB ähnliche 1
§ 2. A. I.
Zu Unrecht sieht Albert A. Ehrenzweig (Schuldhaftung 66) im III, 13, § 435 des Urentwurfes einen Vorgänger des § 1298 ABGB. § 435 lautet: "Ob 1a
bei Erfüllung eines Vertrages ein Versehen begangen worden sey oder nicht,
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§ 3. Osterreichische Aussagen zu § 1298 ABGB
Bestimmung. In der Sitzung der Beratungskommission vom 3. Dezember 1807 führte Zeiller als Referent aus2 : Man dürfe die in § 427 ABGB Urentwurf (= § 1296 ABGB) aufgestellte Vermutung, daß im Zweifel ein Schaden ohne Verschulden eines anderen entstanden sei, nicht gegen den wahren Sinn zu weit ausdehnen und schlug folgende Einschränkung vor: "Wenn also Jemand eine fremde Sache in seiner Gewalt hat, und dieselbe bei ihm beschädigt oder verloren wird, so liegt ihm der Beweis ob, daß der Schade oder Verlust der Sache ohne ein solches Versehen oder durch bloßen Zufall erfolgt ist." Lakonisch bemerken die Protokolle, daß man übereinkam, anstatt des von Zeiller vorgeschlagenen Paragraphen "mehr im allgemeinen" den Text des heutigen§ 1298 ABGB zu beschließen2 • Die Protokolle zum ABGB bringen also wenig Hilfe. Auch verweisen sie nicht auf Vorbilder der anderen großen Kodifikationen aus dem Geiste des Naturrechts. Das ALR hat keine analoge Bestimmung; dem Art. 1147 Code civil gleicht hingegen§ 1298 ABGB sehr3 • Die einschlägige Bestimmung des napoleonischen Gesetzbuches wird eine rechtsvergleichende Betrachtung noch besonders behandeln33• Vorerst kann sie beiseite gelassen werden. Es sei zunächst untersucht, welche ratio und welchen Anwendungsbereich Österreichische Autoren § 1298 ABGB beimessen.
B. Zeiller Zeiller, dessen ursprünglicher Antrag nicht Gesetz wurde4, schreibt in seinem Kommentar: § 1297 ABGB beziehe sich hauptsächlich auf positive Handlungen, § 1298 ABGB hingegen mehr auf Unterlassungen5• Diese Auffassung hat einen richtigen Kern: Deliktisches Verhalten ist meist positives Tun, also Zuwiderhandeln gegen Unterlassungspflichten, verbindet uns das Recht gegenüber jedermann doch grundsätzlich nur zum Unterlassen. Forderungsverletzungen hingegen bestehen sehr häufig im Ausbleiben der geschuldeten positiven Leistung8 • Diese Unmuß aus dem Inhalte desselben beurtheilt werden. Wer sich verbindlich gemacht hat eine ganze Nacht zu wachen, hat ein Versehen begangen, wenn er auch nur eine Viertelstunde geschlafen hat: Wer die Wache nur auf eine Stunde zugesagt hat, kann ohne Verantwortung die übrige Zeit schlafen." 2 Ofner, Protokolle II 439. 3 Art. 1147 Code civil lautet: "Le debiteur est condamne, s'il y a lieu, au payement de dommages et interets, soit a raison de l'inexecution de l'obligation, soit a raison du retard dans l'execution, toutes les fois qu'il ne justifie pas que l'inexecution provient d'une cause etrangere qui ne peut lui etre imputee, encore qu'il n'y ait aucune mauvaise foi de sa part." 3 & s. § 8. A. III. ' Wer § 1298 ABGB formulierte, ist den Protokollen nicht zu entnehmen. s Commentar III/2, 709 f. 8 Vgl. dazu auch Pfaff, Gutachten 119 f.
C. Armin Ehrenzweig
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terscheidung läßt aber nicht erkennen, warum sie Einfluß auf die Beweislast hat. Über die ratio des Gesetzes gibt ZeiHers Ansicht letztlich keine Auskunft.
C. Armin Ehrenzweig Entschiedener als Zeiller meint Armin Ehrenzweig1 , § 1298 ABGB sei auf Schadenszufügungen durch Unterlassen anzuwenden und § 1297 ABGB bei Verletzung durch eine Handlung (vgl. Zeiller: mehr bzw. hauptsächlich). Unter Handlung versteht hier Armin Ehrenzweig offenkundig nicht das steuerbare menschliche Verhalten, sondern allein schon die Kausalität eines Menschen im naturwissenschaftlichen Sinne: Fällt A in die Auslagenscheibe des B, so soll nach Armin Ehrenzweig A z. B. beweisen, daß ihm C hinterrücks einen Stoß versetzte. Der Geschädigte müßte demnach nur den Schaden und die Kausalität des Schädigers dartun, der Rest der Beweislast läge beim Verursacher. § 1297 ABGB, so glaubt Armin Ehrenzweig, verkehre § 1296 ABGB in sein Gegenteil, weshalb diese Norm im tschechoslowakischen Entwurf auch zu Recht gestrichen worden sei. Armin Ehrenzweigs Auslegung der §§ 1297 und 1298 nimmt § 1296 ABGB jede Bedeutung. Dies widerspricht grundlegenden Interpretationsregeln8. Dem Gesetzgeber darf prinzipiell nicht zugesonnen werden, daß er Regeln aufstellt, die keinen Anwendungsbereich haben. Zwar können auch solche Fehler manchmal passieren. § 1296 ABGB ist aber seinem Wortlaut und seiner Anlage nach eine grundsätzliche Aussage, der sich die folgenden unterordnen müssen. Es ist der gesamten Entstehungsgeschichte nicht zu entnehmen, daß man etwa eine früher vorgesehene Regelung, die man später zu streichen gedachte, irrtümlich im Gesetzestext belassen hätte. Eine derartige Annahme verbietet überdies schon die unmittelbare Aufeinanderfolge der fraglichen Gesetzesstellen. Würden die §§ 1297 und 1298 ABGB die Beweislast zu Lasten des Beschädigers immer umkehren, warum benötigte der Gesetzgeber dann die §§ 1296 - 1298 ABGB, um dies in dunkler und widersprüchlicher Weise zu sagen. Am einfachsten wäre es doch gewesen, § 1296 ABGB so zu formulieren: "Im Zweifel gilt die Vermutung, daß ein Schade durch (statt: ohne) Verschulden eines anderen entstanden sei." § 1297 ABGB hat nicht den weiten Anwendungsbereich, den ihm Armin Ehrenzweig zugesteht. Die Norm vermutet nur die subjektiven Fähigkeiten des Täters zur Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt. Den Beweis eines Sorgfaltsverstoßes nimmt dieser Paragraph dem Be7 8
System' II/1, 75. Ebenso: Koziol, Haftpflichtrecht I 263.
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§ 3. Österreichische Aussagen zu § 1298 ABGB
schädigten jedoch nicht ab (s. u. § 11. A.). Daß § 1298 wiederum nur bei Unterlassungen anzuwenden sei, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Eine ratio dafür zeigt Armin Ehrenzweig nicht, wie er überhaupt nicht nach dem Grunde der Beweislastumkehr fragt.
D. Albert A. Ehrenzweig Wie Armin Ehrenzweig glaubt auch Albert A. Ehrenzweig, der Schädiger trage immer den Entlastungsbeweis. Anders als Armin Ehrenzweig sieht er diese Beweislastregelung nicht auf die§§ 1297 und 1298 ABGB verteilt, sondern allein in § 1298 ABGB verkörpert. Die germanistisch ausgerichtete Naturrechtslehre, der auch Zeiller anhing8e., habe die Erfolgshaftung vertreten•. Thomasius habe für den Fall der gesetzlichen Regelung der Schuldhaftung eine Verschuldensvermutung10 gefordert. Diese Verschuldensvermutung sei auch in das Österreichische Recht mit§ 1298 ABGB eingegangen11 •
Albert A. Ehrenzweigs Meinung ist mit § 1296 ABGB genausowenig zu vereinbaren wie die Meinung Armin Ehrenzweigs. Auf den Gedanken der Erfolgshaftung ist später näher einzugehen8 e..
E. Hanausek, WoHf Hanausek will § 1298 ABGB überall dort anwenden, wo der "Beklagte zu einer bestimmten Diligenz, sei es ex contractu, sei es ex lege verpflichtet war, und nun eine auf Vernachlässigung dieser Diligenz gegründete actio ex contractu oder ex delicto erhoben wird" 12. Wie Hanauseks Darstellung zeigt, soll jedoch der Geschädigte keinesfalls die Verletzung der Diligenz beweisen: Verletzt die Explosion einer Braupfanne den kontrollierenden Finanzbeamten, so habe sich die Brauerei zu entlasten12. Hanausek glaubt also, wo eine bestimmte Sorgfalt zur Schadensverhütung vorgeschrieben war und der Schaden auf Vernachlässigung dieser Sorgfalt zurückzuführen sein könnte, habe sich der zur Sorgfalt Verpflichtete zu entlasten. Hanauseks erklärtes Anliegen se. s. u. § 8. B. II.l. a. 8 Schuldhaftung 33. 10 Schuldhaftung 34, 34 FN 13. Albert A. Ehrenzweig bezieht sich auf "Larva legis Aquiliae detracta actioni de damno dato receptae in foris Germanorum ... praeside Thomasio ... exponitur Gajo Matthia Arend". Ehrenzweig zitiert aus einer Auflage aus 1743 (?) die Seiten 10 und 7. In der mir vorliegenden Auflage aus 1703, die auch Zeiller verwandte (vgl. Natürliches Privatrecht 247 FN ••), finden sich die angeführten Zitate auf den Seiten 8 und 9. - Vgl. zur Erfolgshaftung auch die Ausführungen Zeillers als Referent (Ofner, Protokolle II 182). 11 Schuldhaftung 34 FN 13. Vgl. auch Schuldhaftung 62 f. - s. dazu auch unten § 7 FN 61. 11 Hanausek, GZ 1911, 121.
E. Hanausek, Wolff
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war es, die Beweisregel des § 1296 ABGB, die die Geltendmachung des Schadenersatzes "außerordentlich erschwert", einzuschränken13. Deshalb empfahl er dem Gesetzgeber der 3. Teilnovelle13 auch die Streichung. Der Richter sollte nach Lage des Falles dem Kläger oder dem Beklagten die Beweislast aufbürden. Insbesondere sollte "der Richter durch eine derartige Verteilung der Beweislast dem Satz, daß der Unternehmer die Gefahren des Betriebes zu tragen habe, auch in jenen Fällen zum Durchbruche verhelfen, in welchen ein Spezialgesetz eine Erfolgshaftung nicht normiert". § 1298 ABGB sollte trotz Streichung des § 1296 ABGB bestehen bleiben. Dieses Ansinnen verwarfen die Materialien zur 3. Teilnovelle, weil sie es bedenklich fanden, daß der Richter in der Lage sein solle, "dem Beklagten den Beweis seiner Schuldlosigkeit" aufzuerlegen, "falls der Ersatzkläger den Beweis des Verschuldens des Gegners nicht erbringen könne". Es dürfe nicht der freien richterlichen Rechtsfindung überlassen werden, die Erfolgshaftung einzuführen, wo diese nicht durch besondere Gesetze geregelt ist. Das sei Aufgabe der Gesetzgebungu. Man beließ § 1296 ABGB und schuf die durch Entlastbarkeit gemilderte Gefährdungshaftung der §§ 1319 ABGB (Gebäudehalterhaftung) und 1320 ABGB (Tierhalterhaftung)1 4a. Ein deutliches Zeichen, daß § 1298 ABGB Schädigungen außerhalb eines Schuldverhältnisses nicht erfassen soll. Hanauseks Aussage bezüglich der Anwendung des § 1298 ABGB auf Fälle, in denen eine "bestimmte Diligenz" geschuldet ist, ist insoferne von Bedeutung, als Wolff dessen Gedanken aufnahm: "§ 1298 gilt für alle Fälle, in denen ein bestimmtes Verhalten Rechtspflicht ist ..." 111• Diese Aussage dürfte den OGH dazu verleitet haben, vereinzelt § 1298 ABGB anzuwenden, als die Verletzung von Schutzgesetzen, insbesondere solcher der Straßenverkehrsordnung zur Debatte stand18• Auch Moser17 scheint derartigen Ideen nicht abhold. Es kann jedoch für die ratio einer Beweislastumkehr nicht von Ausschlag sein, ob eine Verhaltenspflicht mehr oder weniger konkretisiert ist, ob also die Übertretung des allgemeinen Sorgfaltsgebots18 zur Schadensverhütung zu prüfen ist oder ein spezielleres, wie z. B. eine Geschwindigkeitsbeschränkung19• ta 14
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GZ 1911, 122.
3. TN-Materialien 377 f.
s. u. § 5. A. Klang I Wolff IV 45, Klang I WolfP VI 45. 18 s.o. § 1 A. VII. Daß all diese Fälle mit § 1298 ABGB nichts zu tun haben, wird unter § 9. A. gezeigt. 1
15
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ÖJZ 1967, 590.
Auf den Konkretisierungsgrad der zur Debatte stehenden Pflichten dürfte auch Staub I Pisko I Löbl3 II 107 abstellen. 1' Vgl. oben § 1. B.; s. a. unter § 9. A. 18
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§ 3. Österreichische Aussagen zu § 1298 ABGB
Während Hanausek die Beweisschwierigkeiten eines Geschädigten zwar nicht zurratiodes § 1298 ABGB erklärt, sie aber doch zur "Überwindung" des § 1296 ABGB argumentativ heranzieht - und diesbezüglich durch die Materialien zur 3. Teilnovelle eine klare Abfuhr erhält14 -,läßt Wolff jegliche Begründung aus derratiodes § 1298 ABGB vermissen. Auch bei Moser 11 fehlen Ansätze hierzu. Der Meinung Albert A. Ehrenzweigs, § 1298 ABGB kehre bei allen Schädigungen die Beweislast um (s.o. D.), entgegnet Wolff, § 1298 ABGB setze zum Unterschied von § 1296 ABGB eine bereits bestehende Verbindlichkeit voraus20 • Wollte Wolff § 1298 ABGB auf bereits bestehende Obligationen gegenüber bestimmten Personen beschränken, so wäre das vielleicht eine mögliche Grenzziehung21 • Wolff unterstellt aber auch Pflichten gegenüber der Allgemeinheit, wie die Aufsichtspflicht des § 1309 ABGB22 der Regel des § 1298 ABGB. Faßt man den Begriff der "bereits bestehenden Verbindlichkeiten" aber so weit, dann schwindet rücksichtlich dieses Kriteriums jede Grenze, weil letztlich jede Pflicht, auch die allgemeine, gehörige Sorgfalt gegenüber den Gütern jedermanns walten zu lassen, bereits besteht. Die Abgrenzung wird damit wertlos. Würde man sich diesem Einwand gegenüber auf den Konkretisierungsgrad einer Norm als das maßgebliche Abgrenzungselement zurückziehen, so wäre dies nichts anderes als das Eingeständnis, daß die Berufung auf "bereits bestehende Verbindlichkeiten" nicht ernstzunehmen ist. Nun konkretisiert aber auch § 1309 ABGB die Verbindlichkeit des Aufsichtspflichtigen nicht besonders, verpflichtet diesen zu keinem "bestimmten Verhalten". Zu Beaufsichtigende von Schädigungen abzuhalten ist rücksichtlich der einzelnen Akte zur Zielerreichung nicht mehr bestimmt, als andere durch eigene Handlungen nicht zu schädigen. Der Konkretisierungsgrad kann also diese Rolle nicht spielen. Sollte Wolff hingegen meinen, § 1298 ABGB erfasse Verbindlichkeiten, die nicht jedermann, sondern bloß bestimmten Personengruppen obliegen (z. B . Aufsichtspflichtigen), so wäre dies eine in den Gründen kaum zu durchschauende, willkürlich anmutende 2° Klang I WolffZ VI 47 vor FN 6. In FN 6 wendet sich Wolff gegen Albert A. Ehrenzweig Schuldhaftung 62 f. - s. dazu auch unten § 7 FN 61. 21 In diese Richtung weisen alle Auflagen des Wolffschen Grundrisses: Für die Verletzung individueller, insbesondere rechtsgeschäftlicher Pflichten soll § 1298 gelten (Grundriß1 50; Grundriß2 • 4 67). - Jede Pflicht, die auf einen einzelnen zukommt, ist aber eine individuelle. Sinnvoll könnte das Charakteristikum der "individuellen", zur Unterscheidung von der sonstigen Verbindlichkeit nur sein, wenn man damit ein zusätzliches Kriterium verbindet und z. B. die Sonderverbindlichkeit, sei sie eine gesetzliche oder vertragliche, darunter versteht.- Diesen Weg geht aber Wolff nicht-s.o.Zur Anwendung des § 1298 ABGB auf Sonderverbindlichkeiten s. a. F. - H. sowie §§ 8, 9. 22 Klang I Wolfj! VI 77.
F. Pfaff, Schey, Randa
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Differenzierung, die nicht nur den sonstigen Ausführungen Wolffs ("bestimmtes Verhalten") widerspräche, sondern auch in § 1298 ABGB keine wie immer geartete Stütze finden könnte.
F. Pfaff, Schey, Randa
Pfaff23 sieht die Abgrenzung der §§ 1296 und 1298 ABGB folgender-
maßen: Wer sich auf Schadenersatz aus Delikt berufe, behaupte die Entstehung einer neuen Forderung und müsse daher die Gründe ihrer Entstehung, insbesondere das Verschulden dartun, der Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung sei hingegen kein neues, selbständiges Forderungsrecht, sondern ein unmittelbar aus dem Vertrag resultierender Anspruch, daher habe sich der Schuldner zu entlasten. Auf Delikte will Pfaff § 1298 ABGB anwenden, "wenn es sich um die Verabsäumung einer dem Beklagten obliegenden gesetzlichen Verpflichtung zu einem positiven Thun handelt, z. B. §§ 1309, 1320 usw." 24 • Diese Ausnahme Pfaffs vom Prinzip der Anwendung des § 1298 ABGB auf Vertragsverletzungen ist dogmatisch nicht begründbar, wenn die grundsätzliche Aussage Pfaffs stimmt. Die Pflicht, Tiere (§ 1320 a. F. ABGB) oder bestimmte Personen (§ 1309 ABGB) zu beaufsichtigen, gibt als Verbindlichkeit gegenüber der Allgemeinheit dem einzelnen kein subjektives Recht. Von einem bereits vor der Schädigung bestehenden Anspruch kann daher genausowenig gesprochen werden wie bezüglich der Pflicht, Sorgfalt aufzuwenden, damit andere keinen Schaden erleiden. Überdies belastete § 1320 ABGB in seiner ursprünglichen Fassung - im Gegensatz zur Behauptung von Pfaff - den Geschädigten ausdrücklich mit der Beweislast25 • Im Gedanken, daß sich der Schuldner zu entlasten habe, weil der wegen einer Schuldverletzung Klagende Ansprüche aufgrund der schon als entstandenen bewiesenen Obligation erhebe26 , findet Pfaff Gefolgschaft bei Schey: "Wäre ... der ,Entschädigungsanspruch' eine selbständige Forderung aus dem Rechtsgrund der ,erlittenen Beschädigung' (§ 859 ABGB) auch im Falle der Vertragsverletzung, so wäre die Beweislastverteilung des § 1298 eine völlig willkürliche Ausnahme von der Regel des § 1296." Im Deliktsrecht zieht Schey - konsequenter als Pfaff nicht für Unterlassungen heran27 •
§ 1298 ABGB
Gutachten 120 f. Pfaff, Gutachten 120 FN 342. zs "Kann niemand eines Verschuldens dieser Art überwiesen werden; so wird die Beschädigung für einen Zufall gehalten." 26 Schey, Verjährung 35. 27 Vgl. Verjährung 25: "Als ,Entschädigungsklagen' ihrem Rechtsgrunde 2s
24
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§ 3. Osterreichische Aussagen zu § 1298 ABGB
Scheys Ansicht bedeutet insoferne nicht wenig, als er als Berichterstatter der Herrenhauskommission maßgeblichen Einfluß auf die Gestaltung der 3. Teilnovelle hatte. Daß § 1298 ABGB für Vertragsverletzungen gilt, halten die Materialien ausdrücklich fest28 • Aus § 1320 ABGB wurde nicht nur die im Einklang mit § 1296 ABGB stehende Beweislastregel des Geschädigten entfernt, sondern im Gegensatz zu § 1296 ABGB auch eine Beweislastumkehr vorgenommen29 • Diese neue Beweislastregel wäre bei Richtigkeit von Pfaffs Ansicht überflüssig gewesen, genauso die bei der Gebäudehalterhaftung eingeführte. Das einemal geht es um die Unterlassung der Instandhaltungspflicht, das anderemal um die Unterlassung der gehörigen Verwahrungs- bzw. Aufsichtspflicht des Tierhalters. In § 1309 ABGB, der sich mit der Aufsicht über Personen befaßt, wurde hingegen keine Beweislastumkehr eingebaut. Dies, obwohl das BGB, dessen Tierhalter- und Gebäudehalterhaftung (§§ 833, 836 BGB) dem ABGB als Vorbild dienten, auch hier eine Beweislastumkehr kennt(§ 832 BGB)3°. Sowie Schey, der § 1298 ABGB schlechthin für Schuldverletzungen, also auch für "Schlechterfüllungen" gelten lassen will31, betrachtet auch Randa die Schadenersatzpflicht als Modifikation der bestehenden Obligation, weshalb sich der Schuldner bloß durch einen Entlastungsbeweis befreien könne82 • Gegenüber dem verletzten Fahrgast treffe die Eisenbahn die Beweislast nach § 1298 ABGB, ein verletzter Dritter habe hingegen - unheselladet der speziellen Vorschriften über die Gefährdungshaftung- den Beweis nach§ 1296 ABGB zu führen33• Ja Randa war die Beweislastverteilung nach den von ihm aufgezeigten Grundsätzen so selbstverständlich, daß er die Streichung der §§ 1296 und 1298 ABGB wegen Überflüssigkeit empfahP4 • Die Herrenhauskommission lehnte dies abs6. nach erübrigen demgemäß nur die Ersatzansprüche der Fälle, wo zwischen Beschädigtem und Beschädiger ein konkretes Verpflichtungsverhältnis vorher überhaupt nicht bestand, ein solches vielmehr erst durch die Beschädigung entsteht, vor allem also die Klagen ex delicto". - Klagen wegen Schuldverletzung, sind für Schey solche ex contractu und damit keine eigentlichen Entschädigungsklagen. Auf S. 25 stellt Schey dies nur als mögliche Alternative dar, bekennt sich aber im weitem Verlaufe seiner Arbeit dazu: 27 ff. zs 3. TN-Materialien 347- s. a. oben§ 2. A. I. u. § 3. A. 2u s. u. § 9 nach FN 4. 30 s. u. § 5. c. 31 Vgl. Schey, Verjährung 13, 13 FN 27, 25 u. 35. az Schadenersatzpflicht3 26, 83. 33 Schadenersatzpflicht3 148 FN 91. 34 Vgl. den Entwurf Randas zur neuen Redaktion des 30. Hauptstückes des ABGB - Schadenersatzpflicht3 272: "§ 1296 entfällt als überflüssig ... § 1298 entfällt." u 3. TN-Materialien 377 unter Bezug auf Randa Schadenersatzpflicht2 •
H. Weiser, Bydlinski, Koziol
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G. Krasnopolski, Hasenöhrl, Swoboda Krasnopolski sieht die §§ 1296 und 1298 ABGB im selben Verhältnis wie Schey und Randa. Nur Entschädigungen "wegen Schuldverletzungen, also Entschädigungsansprüche wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung bestehender Verbindlichkeiten" sollten unter§ 1298 ABGB fallen86 • Von der Befreiung bestehender Ersatzpflicht spricht auch Hasenöhrl37. Beim Verzug schreibt Hasenöhrl, daß wie für jede Nichterfüllung einer vertragsmäßigen Verletzung auch hier der Satz gilt, daß sich der Schuldner, um der Verantwortung zu entgehen, entlasten muß38. Mangelfolgeschäden will Hasenöhrl aber nur vergüten, wenn der Verkäufer dolos gehandelt hat39• Diese Ansicht entbehrte schon nach § 932 a. F. ABGB jeglicher Grundlage. Zur Zeit der 3. Teilnovelle war strittig, ob beim Schadenersatzanspruch nach§ 932 a. F. ABGB überhaupt mangelndes Verschulden zu berücksichtigen sei. Randa z. B. hielt das Verschuldeoselement für wesentlich40, Krasnopolski hingegen nicht41 • Die Materialien klärten die Frage42. Auch Swoboda stellt für die Beweislastumkehr auf Nichterfüllung und nicht gehörige Erfüllung ab43 • Bei den "gesetzlichen Verbindlichkeiten" vermißt man einen Hinweis, was er darunter versteht. Swoboda nennt die Gehsteigreinigungspflicht und eine Verbindlichkeit, Schutzvorrichtungen gegen Herabfallen von Schneemassen anzubringen, begründet aber nicht, warum gerade diese Verbindlichkeiten für eine Beweislastumkehr von Relevanz sein sollen.
H. Weiser, Bydlinski, Koziol In jüngster Zeit haben W elser, Bydlinski und Koziol die Diskussion zu § 1298 ABGB neu entfacht. Damit war natürlich auch eine Untersuchung der ratio legis erforderlich. Welser 44 will diese Norm auf den vertraglichen und vorvertragliehen Bereich anwenden. Er stützt seine Argumentation auf Prölss45 , der die Beweislastvorschriften des deutso Krasnopolski, Obligationenrecht 213, 215. 87 Hasenöhrl, Obligationenrecht! li 335, 370. as Obligationenrecht2 li 335. 89 Obligationenrecht2 li 483 FN 84. 40 Schadenersatzpflichts 28 FN 13. 41 Krasnopolski, Obligationenrecht 137 s. a. § 8 FN 146. «2 3. TN-Materialien 296. 4S
Das Recht der Schuldverhältnisse2 98.
« Vertretung 267 f.
45 Vgl. Prölss, VersR 1964, 901 ff.; derselbe Beweiserleichterungen 65 ff. s.u. § 4.D.
§ 3. Österreichische Aussagen zu § 1298 ABGB
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sehen Schadenersatzrechts unter anderem auf die mangelnde Einsicht des Geschädigten in die Sphäre des Schädigers erklären möchte46 • Dabei macht es für Prölss keinen Unterschied, ob die Schädigung im vertraglichen oder deliktischen Bereich erfolgte. Weiser läßt offen, ob § 1298 ABGB auch diesbezüglich gilt: "§ 1298 hat als typischen - aber im Grundgedanken vielleicht verallgemeinerungsfähigen Fall eben doch die Verletzung von übernommenen Schuldpflichten vor Augen ••• " 47 • Überdies ist festzuhalten, daß Welser in § 1298 ABGB nicht nur eine Beweislastumkehr für das Verschulden, sondern auch eine für die Rechtswidrigkeit sieht48 •
Bydlinski49 folgt in gewissen Grenzen ebenfalls Pröiss, insbesondere aber Raape 50 , der dem Gläubiger die Beweislast für die "objektive Pflichtwidrigkeit" (objektiv vertragswidriges Verhalten) auflastet und dem Schuldner diejenige für das Fehlen der subjektiven. Nach Bydlinski ist das (objektiv) vertragswidrige Verhalten beim Verzug leicht festzustellen: Darin, daß bei Fälligkeit nicht geleistet wurde, liege die objektive Vertragswidrigkeit. Offenkundig setzt er hier das Ausbleiben der Leistung dem rechtswidrigen Verhalten gleich, obwohl ja mit ihrem Ausbleiben noch keineswegs feststeht, daß der Schuldner- ausgestattet mit den geforderten Fähigkeiten - hätte leisten können, also noch vollkommen offen ist, ob das Unterlassen einer Handlung, die hätte gesetzt werden können (Verhalten), hinter dem Ausbleiben des Erfolges steckt. Ein Naturereignis, das unvorhersehbare Ausfallen des Transportfahrzeuges etc. können Ursachen der Verspätung sein. Einen anderen Verhaltensbegriff verwendet Bydiinski offensichtlich bezüglich der Schutz- und Sorgfaltspflichten, zu denen er auch die gebotene Sorgfalt zählt, welche die Lieferung einer gefährlichen Ware verhindern soll. Dabei ergeben sich für ihn besondere Schwierigkeiten. Das geschuldete Verhalten sei hier nichts anderes als die gehörige Aufmerksamkeit gegenüber den Rechtsgütern des Partners, der Nichterfüllungsbeweis somit Sorgfaltsverletzungsbeweis. § 1298 ABGB kehre die Beweislast für die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten des Handelnden um. Den Sorgfaltsverletzungsbeweis will Bydiinski wiederum durch einen prima-facie-Beweis abschwächen, sodaß der Gläubiger nur zu beweisen habe, daß nach der Erfahrung ein objektiv fehlerhaftes Verhalten des Schuldners vorliege51 , die Schadensursache s. u. § 4. D. Vertretung 268. 48 s. u. § 7. 49 Klang I BydHnski2 IVI2, 172 ff. s. bei BydHnski FN 235 (zu Raape) und FN 236 (zu Prölss). so Vgl. Raape, AcP 147 (1942), 217 ff. - s. u. § 4. C. &1 Klang I BydHnski2 IV12, 173. 48
47
K. Zusammenfassung
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in der Sphäre des Schuldners, in seinem Herrschafts-, Verantwortungsund Interessenbereich als lokalisiert anzusehen sei. Bei Schäden, die aus gefahrbringenden Mängeln einer Kaufsache entstünden, könne in aller Regel angenommen werden, daß der betreffende Mangel durch einen - mindestens objektiven - Fehler bei Planung, Produktion oder Kontrolle der später verkauften Sache entstanden sei52• Damit läßt Bydlinski im Ergebnis den Beweis der Schädigung durch die geleistete Sache genügen. - Den Ausführungen Bydlinskis folgt Koziol für den vertraglichen wie für den vorvertragliehen Bereich53• Raape und Prölss werden noch eingehend zu behandeln sein54• Für Raape sei schon an diesem Orte festgehalten, daß für ihn objektive
Pflichtwidrigkeit zumindest in der Regel nichts mit Sorgfaltsverletzung zu tun hat: Mangelhaftigkeit eines Werks, verkehrswidriger Zustand eines Gastlokals usw. sind für ihn die objektive Vertragsverletzung. Raape bedient sich des prima-facie-Beweises nicht zur Ermittlung der Sorgfaltsverletzung, sondern zur Ermittlung der objektiven Vertragswidrigkeit im eben angedeuteten Sinn. Seine Beweislastverteilung setzt er vielmehr in Gegensatz zum prima-facie-Beweis55 • J. Pisko, Wahle Bei Pisko, der § 1298 ABGB auf Nichterfüllung und mangelhafte Erfüllung beziehen will56, fehlt jeglicher Bezug auf irgendeine ratio dieser Norm. Dasselbe gilt für Wahle, der ohne jede sachliche Begründung weis machen will, § 1298 ABGB gelte nicht für "Schlechterfüllung"s7.
K. Zusammenfassung Die Protokolle zum ABGB lassen die ratio des § 1298 ABGB im Dunkeln. ZeiUer, dessen Antrag zur Beweislastverteilung nicht akzeptiert wurde, gibt über § 1298 ABGB ebenfalls keine aufschlußreiche Antwort. Armin und Albert A. Ehrenzweig kommen mit ihren Auffassungen von der Beweislastverteilung zu einer Ausschaltung des § 1296 ABGB. Ihre Meinung ist mit den allgemeinen Interpretationsgrundsätzen unvereinbar. Hanausek und Wolff stellen darauf ab, ob eine bestimmte Pflicht auferlegt ist. Eine Beweislastverteilung je nach dem Konkretis2 Klang I Bydlinski2 IV/2, 174. ss Haftpflichtrecht I 268 ff. u s. u. § 4. C. D.
n Vgl. AcP 147, 235, 236.
se s. o. § 2. A . III. 57
s. o. § 2. A. IV.
5 Reisehauer
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§
3. Österreichische Aussagen zu § 1298 ABGB
sierungsgrad einer Vorschrift müßte jedoch als willkürlich erscheinen. Dem ebenfalls von Wolffangeführten Gedanken, daߧ 1298 ABGB nur bereits bestehende Verbindlichkeiten betreffe, fehlt es an Konsequenz. Pfaff, Schey, Randa und Krasnopolski beziehen § 1298 ABGB auf Schuldverhältnisse. Sie sehen den Schadenersatzanspruch als Ausfluß der vertraglichen Haftung, der der Schuldner nur durch Entlastung entgehen kann. Diese Idee klingt auch bei Hasenöhrl an. Pfaffs Sondermeinung, daß § 1298 ABGB auch bei Delikten durch Unterlassung anzuwenden sei, findet in solchen Gedanken keine Deckung. Auch die jüngsten Ausführungen von Welser, Bydlinski und Koziol sehen den Anwendungsbereich des § 1298 ABGB im vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnis, d. h. in der obligatorischen Sonderbeziehung58• Welser läßt die Möglichkeit einer Ausdehnung auf das Deliktsrecht offen. Die letztgenannten Autoren beziehen ihre Auffassungen aus der Literatur zum BGB. Kann diese den Schlüssel zur Lösung der Probleme des § 1298 ABGB geben oder hielten ihn schon Pfaff, Schey und Randa in der Hand?
es Zur Frage, ob die Schädigung im vorvertragliehen Bereich als Ausfluß einer Obligationsverletzung betrachtet werden kann s. u. § 9. B. II.
§ 4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen im Schadenersatzrecht 1 Der Versuch neuerer österreichischer Arbeiten, den Sinn des § 1298 ABGB unter Bezug auf deutsche Arbeiten zu ergründen1a, gebietet geradezu eine Untersuchung der Auffassungen zum deutschen Recht. Das BGB kennt keine so allgemein formulierte Beweislastregel wie § 1298 ABGB. Nach den §§ 282 und 285 BGB hat der Schuldner zu beweisen, daß er die Unmöglichkeit bzw. den (objektiven) Verzug nicht zu vertreten hat. Beide Normen erfassen daher nach herrschender Lehre die Lieferung einer mangelhaften schadenstiftenden Sache nicht unmittelbar1b. Außer diesen BGB-Stellen verfügen noch andere, durchwegs von Österreich rezipierte Normen einen Entlastungsbeweis innerhalb vertraglicher Beziehungen2 • Die Gleichheit dieser Bestimmungen sowie das Faktum, daß § 1298 ABGB auch alle von den §§ 282 und 285 BGB unmittelbar erfaßten Fälle regelt, macht einen Vergleich sinnvoll. Außerdem ist natürlich die Tatsache, daß trotz der eng gefaßten §§ 282 und 285 BGB eine Diskussion über die Reichweite dieser Beweislastverteilung geführt wird, ein starkes Indiz für die Wertungsgleichheit, die im Bereich des BGB ja allenfalls in einer sehr weiten Auslegung jener Bestimmungen oder einer Analogie ihren Niederschlag finden kann, während das ABGB -soviel kann schon zweifellos gesagt werden- diese Tatbestände auch bei enger Wortinterpretation zu decken scheint. 1 Die vorliegende Arbeit nimmt nur zu grundsätzlichen Auseinandersetzungen mit Beweislastfragen im Schadenersatzrecht Stellung. Die in den verschiedenen deutschen Lehrbüchern, Systemen und Kommentaren vertretenen Auffassungen werden hier nicht im einzelnen wiedergegeben, weil sie zu den in diesem Paragraphen aufgezeigten Gedanken im allgemeinen nichts Neues hinzufügen. Auf die Deutung der §§ 282 und 285 BGB durch Larenz und Esser ist noch im Zusammenhang mit der Ergründung der ratio der Beweislastverteilung im Schuldverhältnis einzugehen (s. u. § 8. A. I.).
o. § 3. H. Himmelschein AcP 135 (1932), 257 ff. versteht entgegen der herrschen-
ta S. 1b
den Lehre den Unmöglichkeitsbegriff des BGB in einer Weite, die sämtliche Leistungsstörungen erfaßt. Zu diesem Ergebnis gelangt auch eine neuere Untersuchung, nämlich die Wollschlägers über "Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre".- Vgl. dort 179 f. 2 Vgl. §§ 390,407,417,429,606 HGB; §58 BinnSchG; § 29b öLuftVG (= § 45 dLuftvG); §§ 84 und 99 öAktG 1965 (= §§ 84 und 99 AktG 1937 = §§ 93 und 116 dAktG 1965).
§ 4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
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A. Heinrich Stoll Als Heinrich StolZ den "Abschied von der Lehre von der positiven Vertragsverletzung" forderte 3, behandelte er am Rande auch die Beweislastverteilung im Schuldverhältnis. Seine Unterscheidung von Erfüllungs- und Schutzpflichten, mit der er Staubs4 Lehre den Boden entziehen wollte, sollte auch das Kriterium für die Beweislastverteilung bilden. Schutzpflichten hätten ein negatives Ziel, nämlich die Gegenpartei vor Schaden zu bewahren, die sich aus der Sonderbeziehung und durch sie ergeben könnten; Erfüllungspflichten hingegen ein positives, sie dienten der Verwirklichung des Leistungsinteresses, der Herbeiführung des Leistungserfolges. Dabei könnten diese Erfüllungs(Leistungs-)pflichten Haupt- oder Nebenverbindlichkeiten sein6 • Der Zweck des Schuldverhältnisses sei die Befriedigung des Leistungsinteresses des Gläubigers durch ein Opfer des Schuldners6• Die Schutzinteressen verlangten hingegen vom Schuldner kein besonderes Opfer im Dienste der Güterbewegung: der Gläubiger könne diesbezüglich keine Vermehrung seiner Güter erwarten7 • Die §§ 282 und 285 BGB hätten nur das Leistungsinteresse unter dem Gesichtspunkt des Opfers des Schuldners und der Gläubigererwartung einer Gütervermehrung im Auge. Die Gesetzesstellen seien folglich bei Schutzpflichtverletzungen auch nicht analog anwendbar8• Daß die §§ 282 und 285 BGB in dem von der herrschenden Lehre verstandenen Sinn nur Hauptleistungen erfassen, ist nicht zu bezweifeln. Selbst die von Heinrich Stoll einbezogenen Nebenleistungen sind also nicht ganz problemlos. Zu erforschen gälte es aber dann, worin jene Beschränkung des Gesetzes ihren Sinn hat. Rein historisch gesehen, dürfte man nur die Hauptleistung bedacht haben9• Nicht von ungefähr -wenn auch zu Unrecht10 - sprach man im Zusammenhang mit den sogenannten positiven Foderungsverletzungen von einer "juristischen Entdeckung" 11 • Will man die Reichweite der §§ 282, 285 BGB prüfen, so bleibt also auch hier zunächst eine Untersuchung der ratio dieser Bestimmungen in ihrem Kernbereich die Aufgabe. Dabei scheint Heinrich Stalls Gesichtspunkt des Schuldneropfers hinsichtlich der Leistung eher zweiAcP 136 (1932), 257. Die positiven Vertragsverletzungen (1904). 5 AcP 136, 285 ff. e AcP 136, 287 u. 312. 7 AcP 136, 313. s AcP 136, 312 f. 9 Vgl. auch Wollschläger, Unmöglichkeitslehre 179 bei FN 65. to s. u. § 8. B. II. 1. a. u Dölle, Verb. 42. DJT, B. 15 f.
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A. Heinrich Stoll
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felhaft. Er kann m. E. schon für die Abgrenzung von Leistungs- und Schutzpflichten nicht taugen12 • Objektiv bedeutet die Erfüllung jeder Pflicht für den Schuldner ein Opfer; subjektiv muß sie zwar nicht immer als solches empfunden werden, doch hat das mit der Art der hier bezogenen Verbindlichkeiten nichts zu tun. Sind Schutzpflichten Unterlassungspflichten, so können sie ebensoviel Opfer verlangen wie eine Verbindlichkeit zur Leistung, die in einem Unterlassen besteht. Hat die eine oder andere Verbindlichkeit ein positives Tun zum Inhalt, so sind die Parallelen dieselben. Freichlich, eine bestimmte Leistungspflicht mag mehr Opfer fordern als eine Schutzpflicht, aber genauso sind umgekehrte Fälle denkbar. Das Opfer des Transporteurs, den Kasten so zu tragen, daß er nicht hinunterfällt, ist rücksichtlich der Integrität des Kastens, dessen heile Beförderung zweifellos zum Leistungsinteresse gehört, nicht größer als rücksichtlich des Parkettbodens, den der zu Boden polternde Kasten beschädigt. Stellt ein Gesellschafter eine zu günstige Bilanz auf, so ist nach Heinrich StolZ, je nachdem, ob infolgedessen die übrigen Gesellschafter über Gesellschafts- oder Privatvermögen fehlerhaft disponieren, das Leistungs- oder das Schutzinteresse betroffen13 . Welchen Einfluß die spätere Disposition des Gläubigers auf den Grad des "Opfers" der richtigen Bilanzierung haben soll, bleibt unerfindlich. Liefert der Verkäufer wurmstichige Äpfel, so soll das Leistungsinteresse insofern beeinträchtigt sein, als die Lieferung schlechter Äpfel keine genügende Leistung ist, das Schutzinteresse insoweit, als andere Bestände angesteckt werden14• - Die Lieferung einwandfreier Ware schließt aber hier wie dort das "Opfer" sorgfältiger Auswahl in sich. Sie mag dem Schuldner sogar im Einzelfall mehr Lasten auferlegen als die Übergabshandlung. Die Auswahl ist ein besonderes Opfer im Dienste der Güterverschiebung. Unter dem Gesichtspunkt des Opfers müßte sich bei allen vertraglichen Pflichten, womöglich aber auch bei deliktischen, die Beweislast umkehren. Sollte als Opfer nur die Güterverminderung auf Seiten des Schuldners durch Erbringung der Leistung zu verstehen sein, so wäre diese Differenzierung willkürlich und könnte außerdem die Beweislastumkehr bezüglich jener Hauptleistungen nicht erklären, die keine Güterverminderung nach sich ziehen z. B. manche Unterlassungen. Solche Hauptleistungen sind zweifellos direkt von den §§ 280 und 285 BGB erfaßt. Damit wird gleichzeitig ein weiterer Punkt der Argumentation Heinrich Stolls berührt: die Gläubigererwartung. Es gibt genügend Hauptleistungen, die keinerlei Gütervermehrung zum Gegenstand t!
Zu den Schutzpflichten s. u. § 8. B. II. 2. b.
AcP 136, 302 f. u AcP 136, 303.
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§
4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
haben, die vielmehr nur Güter bewahren sollen (z. B.: Bewachung, Verwahrung15). Nicht anders ist es auch insoweit bei den meisten Leistungen, die im Unterlassen bestehen16• 17 • Wie die obigen Beispiele gezeigt haben, überzeugt Heinrich Stolls Abgrenzung von Leistungs- und Schutzpflichten nicht, umso weniger kann eine auf der Basis einer nicht befriedigenden Abgrenzung vorgenommene unterschiedliche Beweislastverteilung für sich einnehmen.
Raape hat Heinrich StolZ entgegengehalten, es sei für die Beweislastverteilung einzig von Bedeutung, daß die verletzte Pflicht gegenüber der Allgemeinheit bestehe. Die Unterscheidung von Schutz- und Leistungspflichten sei in unserer Frage nicht durchzuhalten18• Diesem Einwand entgegnete Hans StolZ, Raape habe Heinrich StolZ falsch verstanden: sämtliche Fälle, die Raape in seiner Arbeit behandle, seien Verletzungen von Haupt- und Nebenleistungs-, nicht aber von Schutzpflichten i. S. Heinrich Stolls19• Damit hat Hans StolZ zwar teilweise recht, in den von Raape kritisierten Fällen jedoch gerade nicht. Raape bezieht seine Äußerung auf den Selterswasser- 20 und den Maisfall21 • Im ersten Fall verbrannte die anstelle des Mineralwassers gelieferte ätzende Flüssigkeit die Speiseröhre der Frau des Käufers, im zweiten Fall tötete mit giftigen Körnern vermischter Mais Pferde des Käufers. Beides sind Parallelen zum Befall gesunder Äpfel durch wurmstichige. Dies zählt Heinrich StolZ aber zur Beeinträchtigung der Schutzinteressen (s. o.). An anderer Stelle vermerkt derselbe Autor, daß "Schlechterfüllung meist Schutzinteressen verletze (verdorbenes Futter, ungenießbares Selterswasser)" 22 • Hans StolZ stützt sich auf eine Fußnote, in der sich Heinrich StolZ selbst widerspricht28 • Zerschneidet der Friseur beim Rasieren das Gesicht des Kunden, so soll das Leistungsinteresse verletzt sein. In Übereinstimmung mit dem Äpfelbeispiel müßte Heinrich StolZ sagen, das Leistungsinteresse ist verletzt, soweit der ästhetische Erfolg, ein glattrasiertes Gesicht ohne Narben ausbleibt, das u Heinrich Stoll zählt die Verwahrung naturgemäß zu den Leistungspflichten (AcP 136, 299 FN 89) - wo ist die Güterbewegung? 18 Man vgl. ein Konkurrenzverbot. 17 Jakobs, Unmöglichkeit 30 ff., versteht entgegen § 241/2 BGB unter Leistung im Sinne des § 280 BGB nur positive Akte. Die Unmöglichkeitsregeln des BGB würden sich nur darauf beziehen. - Die BGB-Motive1 II 49 sehen dies anders: "Die Vorschrift, daß der Schuldner nur im Falle einer von ihm zu vertretenden Unmöglichkeit der Erfüllung für das Interesse haftet, gilt auch für Schuldverhältnisse, deren Gegenstand ein Unterlassen ist." 18 Raape, AcP 147 (1942), 242. 19 Hans Stoll, Hippel-FS 523 f. zo RG 13. 2. 1908, VI 172/07, SeuffArch 63/201. 21 RG 9. 7. 1907, Rep II 115/07, RGZ 66, 289. 22 AcP 136, 312 FN 114. zs Hippel-FS 525 FN 42 beruft sich auf AcP 136, 299 FN 89.
A.
Heinrich Stoll
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Schutzinteresse, soweit der Gläubiger Schmerzen hat, infiziert wurde etc.24• Bei all den Bedenken an Heinrich Stolls Ausführungen darf sein Gedanke, die §§ 282, 285 BGB beträfen das Leistungsinteresse des Gläubigers, nicht ohne weiteres übergangen werden. Das Leistungsinteresse darf nur nicht zu eng verstanden werden. Beim gänzlichen Ausbleiben einer Leistung zu positivem Tun stellt sich im Unterschied zur vertragswidrigen Leistung aus der Sicht des Gläubigers nur die Frage, was er hätte, wenn das Erwartete geleistet, z. B. die versprochene Ware geliefert worden wäre. Zu eng wäre jedoch eine Betrachtungsweise, die das Leistungsinteresse des Gläubigers auf diesen Bereich beschränkte. Eine derartige Sicht der Dinge ließe zunächst alle jene Schuldtypen außer Betracht, die nicht die Leistung eines Gegenstandes zum Inhalt haben, an dessen künftigen Besitz der Gläubiger Erwartungen knüpft (so z. B. Lagerung, Verwahrung, Bewachung, einwandfreie Güterbeförderung). Und auch bei den Sachleistungen würde nur ein Teil der Leistungserwartungen des Gläubigers erfaßt: der Substanzwert der Sache, deren geschäftliche Weiterverwertung sowie der Nichteintritt von Folgeschäden wegen des gänzlichen Ausbleibens der Leistung (z. B. Betriebsstillstand wegen fehlender Zulieferung der nötigen Produktionsstoffe). Das Interesse des Gläubigers an der gefahrlosen Benützung des gelieferten Gegenstandes geriete aus dem Blickfeld. Daß die gefahrlose Benützung bzw. der nicht schädigende Verbrauch der Sache, zu den elementaren Leistungserwartungen bezüglich der Vertragsgemäßheit der Sache gehören24 a, würde negiert. Das Interesse an der Leistung nur im Substanzwert der Sache und ihrer Weiterverwertung zu sehen, muß als zu eng erscheinen. Die §§ 282 und 285 BGB mögen in erster Linie diese Fälle bedenken, sie erfassen dann aber nur einen Teil des Leistungsinteresses des Gläubigers unmittelbar. Baut ihre ratio auf dem Gläubigerinteresse auf, so ist ihre analoge Anwendung auf sonstige Beeinträchtigungen der Leistungserwartung der Gläubiger geboten, wenn dieser Erwartung eine entsprechende Schuldnerverbindlichkeit gegenüber steht.
Heinrich StolZ sieht das Leistungsinteresse des Gläubigers auch nicht so eng. Was versagt, ist seine Abgrenzung von Schutz- und Leistungsinteressen. 14 Die Pflicht des Arbeitgebers, einwandfrei beschaffene Arbeitsräume zur Verfügung zu stellen, zählt Heinrich Stolt (AcP 136, 299 FN 89) wie Raape (AcP 147, 253 f.), aber im Gegensatz zu Hans Stoll (Hippel-FS 555) zu den Schutzpflichten. Heinrich Stoll zitiert den in Österreich nicht eingeführten § 62 HGB (vgl. § 18 AngG), dem die § 618 BGB, § 1157 ABGB und § 18 AngG vergleichbar sind. - Die Verletzung eines Fahrgastes sieht er wiederum gegen das Leistungsinteresse gerichtet (AcP 136, 299 FN 89). Na s. u. § 8. B. II. 1. a.
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§ 4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
B. Hans Stoll Will Heinrich Stoll seine Gliederung in Schutz- und Leistungsinteressen auch der Beweislastumkehr nach den §§ 282 und 285 BGB zugrundelegen, so unterscheidet Hans Stoll25 in Anlehnung an dessen Gedanken Schutzpflichten und Leistungspflichten mit Schutzzweck. Von Schutzpflichten solle man nur sprechen, "wenn das Gebot, sich schädigender Eingriffe in den Rechtskreis des Partners zu enthalten oder ihn vor bestimmten Gefahren zu schützen, im Vertrag bei vernünftiger Auslegung keine Deckung mehr findet, sondern in Wahrheit dem sozialen Kontakt26 entspringt, der zum Zweck der Vertragsanbahnung und -durchführung zustandekommt27". Zu den Leistungspflichten mit Schutzzweck zählt Hans Stoll beispielsweise die Hauptverbindlichkeit des Verwahrers oder die Verbindlichkeit des Friseurs, die Kundschaft nicht durch Schnitte zu verletzen, auch anerkennt er eine vertragliche Verbindlichkeit des Verkäufers, den Gläubiger vor Mangelfolgeschäden zu bewahren. Falle hingegen dem Käufer bei Verlassen des Geschäfts ein Brett auf den Kopf, so habe dies mit dem Vertragsinhalt nichts mehr zu tun. Es handle sich vielmehr um eine Schutzpflicht aus sozialem Kontakt18• Der Verkäufer nehme das Vertrauen des Käufers dahin in Anspruch, daß das Aufsuchen der Verkaufsstelle gefahrlos sei, und dieses Vertrauen dürfe nicht enttäuscht werqen. Derartige Schutzpflichten" aus sozialem Kontakt seien in Deutschland aus dem Vertragsrecht entwickelt worden, um gewisse Schwächen des Deliktsrechts, insbesondere die Grenzen der Verrichtungsgehilfenhaftung (§ 831 BGB) zu korrigieren. Der genuine Charakter dieser im Deliktsrecht wurzelnden Pflichten trete trotz gewohnheitsrechtlicher Unterstellung der Schutzpflichten unter das Vertragsrecht immer wieder hervor. Es fehlten zureichende Gründe, bei der Verletzung schuldHans StolZ, Hippel-FS 523 ff. ze Im Original nicht hervorgehoben. !7 Hippe1-FS 526. te Ist die Brennstoffleitung eines Lastzuges zu reparieren und wird er mit abgesperrter Bremszylinderdruckluft zurückgegeben, sodaß er später verunglückt, so soll dies nach Hans StolZ (Hippel-FS 526) ebenfalls bloß die Verletzung einer Schutzpflicht sein. Anders sei es, wenn der Bremszylinder Gegenstand der Reparatur war.- M. E. muß der Werkunternehmer, ähnlich einem Verwahrer, die Sache- soweit sie nicht durch Reparatur zu verändern ist, in dem Zustand herausgeben, in dem er sie übernahm (vgl. für Osterreich § 961 ABGB). - In diesem Sinne auch OGH 12. 12. 1973, 7 Ob 215/73, JBI. 1974, 624. " Zum Problem schuldredltlicher Schutzpflichten vgl. Dölle, ZStaatsW 103 (1943), 67 ff.; Ba.llerstedt, AcP 151 (1950/51), 501 ff.; Larenz, MDR 1954, 515 ff.; Ca.na.ris, JZ 1965, 475 ff.; Thiele, JZ 1967, 649 ff.; Gerhardt, JZ 1970, 535 ff. und JuS 1970, 597 ff.; Welser, Vertretung 56- 122, 127 -149, 150-156 und ÖJZ 1973, 281 ff.; Frotz, Gschnitzer-GedS (1969) 163 ff. - s. a. § 8. B. II. 2.b. 15
B. Hans Stoll
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rechtlicher Schutzpflichten die Beweislast anders zu verteilen als bei einer Verletzung deliktischer Pflichtenso. Nachdem Hans StolZ so die Leistungspflichten mit Schutzzweck von den Schutzpflichten abgegrenzt hat, untersucht er in Anlehnung an das französische Recht90a, ob den Schuldner eine Verbindlichkeit zum Erfolg oder bloß eine Verbindlichkeit zur gehörigen Sorgfalt (z. B. Heilbehandlung) traf. In jenem Falle habe sich der Schuldner für den Mißerfolg zu entlasten, in diesem trage der Gläubiger die Beweislast für die Sorgfaltsverletzung31 • Der Schuldinhalt ist Ausgangspunkt der Ausführungen Hans Stolls, weil der Grundbegriff der Lehre von den Leistungsstörungen und damit auch der Lehre von der Beweislast bei Leistungsstörungen der Begriff der Leistung und deren Erfüllung ist. Der Begriff der Leistung sei weiter als der des Schuldnerverhaltens, weil sich die Leistung nicht notwendig in einem bestimmten Verhalten erschöpfe, sondern auch die Herbeiführung eines weitergehenden Erfolges umfassen könne. "Alle Umstände, welche für die Lösung des Schuldners - für seine Befreiung von der Schuld - erheblich sind, gehören grundsätzlich in den ,Gefahren- und Verantwortungsbereich' des Schuldnersll." Der von Hans StolZ nur so nebenbei ausgesprochene, durch eine Vielzahl von praktischen Beispielen in den Ausführungen zwar veranschaulichte, im Grunde jedoch nicht näher ausgeführte Gedanke der Beweislastverteilung aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses wird noch eingehend zu prüfen sein32a. Hans Stolls Überlegungen berühren sich hier durchaus mit denen von Pfaff, Schey und Randa32b, die für Schuldverletzungen den Schuldner aus dem Vertrag haften lassen wollen, wenn er sich wegen Verletzung der Verbindlichkeit nicht entlastet. Was rechtfertigt die Anknüpfung an die Verletzung der Verbindlichkeit? Sollte der Gläubiger nun wirklich anders gestellt werden, ob ihn ein Arzt schädigt, der nur sorgfältige Behandlung schuldet, oder ob ihn jemand beeinträchtigt, dem der geschuldete Erfolg mißlingt? Sollte nicht wegen mangelnder Einsicht des Gläubigers in die Sphäre des Schuldners92 e die Beweislast beidemal gleich zu verteilen sein? Dies alles ist noch gründlich zu erörtern. Zunächst sei auf Raape eingegangen. ao Hippel-FS 527. aoa s. dazu unten § 8. A. III. at Hippel-FS 538 ff. 32 Hans Stoll, Hippel-FS 535 f. Ha 32b 32c
s.u.§S. s. o. § 3. F. Vgl. oben§ 3. H.
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C.Raape
Raape will sowohl den Gesichtspunkt der Schuldverletzung als auch den der fehlenden Einsicht in den Lebensbereich des Schuldners für die Erklärung der ratio der Beweislastbestimmungen fruchtbar machen. Beweisnotstand des Gläubigers und Schuldnerversprechen seien Grundlage der Beweislastumkehr. Von letzterem ausgehend, stellt Raape an den Anfang seiner Überlegungen die folgende These: "Sache des Gläubigers ist es zu beweisen, daß der Schuldner seine Forderung verletzte und er dadurch Schaden erlitt. Dem Schuldner liegt es ob, zu beweisen, daß, wenn er schon die Forderung verletzte, so ihn doch kein Verschulden trifft (er es nicht zu vertreten hat) ... der Gläubiger hat die objektive Pflichtwidrigkeit, der Schuldner den Mangel der subjektiven darzutun33." Beim Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit werde dem Schuldner häufig der Beweis des ersten Anscheins entgegenkommen33• Häufig werde der Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit, auch auf den Beweis der subjektiven schließen lassen, dann sei dem Schuldner der Exkulpationsbeweis zumindest äußerst erschwert34• Bevor auf die Argumentation Raapes zur Begründung der ratio der Beweislastbestimmungen näher eingegangen werden kann, ist zunächst zu untersuchen, was denn Raape unter dem Begriff "objektive Pflichtwidrigkeit" versteht. Gerade diesbezüglich gibt Raape genügend Anlaß zu Mißverständnissen. Die oben wiedergegebenen Aussagen vermitteln zunächst den Eindruck, Raape verstehe unter objektiver Pflichtwidrigkeit die Sorgfaltsverletzung des Schuldners und unter subjektiver Pflichtwidrigkeit den Vorwurf, der Schuldner hätte aufgrundseiner individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse anders handeln können. Der prima-facie-Beweis wiederum diene der Ermittlung der Sorgfaltsverletzung. Bydlinski35 und Koziol 88 berufen sich in diesem Sinne auf Raape. Dieser hat jedoch "objektive Pflichtwidrigkeit" wohl anders verstanden. Darunter sei z. B. die Unmöglichkeit der Leistung37, ihre Verspätung38 und die objektive Tatsache der Beschädigung des entliehenen Gegenstandes (Buchseiten fehlen etc.) zu verstehen. Objektive Pflichtwidrigkeit sei auch die schädliche Beschaffenheit der Arbeitsräume39 (§ 618 BGB), die Raape AcP 147 (1942), 218. AcP 147, 219. u Klang I Bydlinski2 IV/2, 173 FN 235. ae Haftpflichtrecht I 270 f. 37 Raape AcP 147, 221. as AcP 147, 223. so AcP 147, 253. 33 34
C. Raape
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Ablieferung des Beförderungsgutes in beschädigtem Zustand oder dessen Verlust40 , aber auch die in ursächlichem Zusammenhang mit der Beförderung stehende Verletzung eines Fahrgastes41 • Überhaupt genüge, wenn der Besteller beweise, daß das Werk mangelhaft und daraus ein Schaden entstanden sei42 • So brauche der Besteller z. B. nur zu beweisen, daß die Turbine nicht arbeite wie sie solle oder daß die eingesetzte Scheibe, eine große wertvolle Ladenscheibe, ersichtlich ungenügend befestigt ist, weil sie zu klein geriet und daher eine neue Scheibe eingesetzt werden müsse43.
Raape läßt also für eine Beweislastumkehr den Beweis von bestimmten Mißerfolgen genügen: Unmöglichkeit, Verspätung, Verletzung des Fahrgastes, Beschädigung des zu befördernden Gutes, Mangelhaftigkeit eines Werks usw. Nimmt man Raape beim Wort, so muß- sollen seine Ausführungen konsequent sein - der Beweis solcher Mißerfolge der Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit in seinem Sinne sein. Denn: Trägt der Gläubiger einerseits die Beweislast für die objektive Pflichtwidrigkeit und genügt er andererseits seiner Beweislast mit dem Beweis der eben erwähnten Umstände, so ist entweder beides ident oder Raape widerlegt sich selbst. Für die Identität spricht, daß Raape die objektive Pflichtwidrigkeit, das objektiv rechtswidrige Verhalten "rein sachlich44 , objektiv" verstanden wissen will45• Objektiv rechtswidriges Verhalten - so wird man Raape deuten müssen - bedeute die fehlende Verwirklichung des dem Schuldverhältnis zugrundeliegenden Planes, m. a. W.: die Nichterfüllung der einzelnen daraus entspringenden Verbindlichkeiten. So gesehen ist eben auch die bloße Verspätung bzw. das gänzliche Ausbleiben der Leistung wegen Unmöglichkeit i. S. Raapes objektiv pflichtwidrig48 • Das endgültige Ausbleiben der Leistung (Unmöglichkeit) als "objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens" zu charakterisieren45 ist freilich eine arge Überstrapazierung des Verhaltensbegriffes47. Steht z. B. die Unmöglichkeit fest, so ist noch nicht gesagt, daß der Sorgfältigste sie hätte abwenden können. Der Verhaltensbegriff wird demnach unabhängig vom Können verwendet und AcP 147, 276. AcP 147, 266 f. 42 AcP 147, 266, 279. 43 AcP 147, 279. 44 Im Original nicht hervorgehoben. 45 AcP 147, 218. 48 Bezüglich des Ausbleibens der Leistung spricht auch Klang I Bydlinski2 IV/2;, 172 von (objektiv) vertragswidrigem Verhalten, hinsichtlich der "Schlechterfüllung" sieht er die Vertragswidrigkeit jedoch in einer Sorgfaltsverletzung. Vgl. auch Koziol, Haftpflichtrecht I 270 f. - s. zu diesem Problem unten § 8. B. II. 1. a. 41 Vgl. dazu auch Hans StolZ, Hippel-FS 535, 554. 40 41
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§
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dadurch denaturiert. Für uns ist aber hier nicht so sehr entscheidend, welcher der richtige Verhaltensbegriff48 ist, sondern vielmehr, welche Anforderungen Raape an den Beweis stellt, der die Beweislastumkehr nach sich ziehen soll. Und diesbezüglich genügt ihm in den erwähnten Fällen der Beweis eines der beschriebenen Mißerfolge. Aber nicht immer läßt Raape schon diesen Beweis ausreichen. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, daß er die Verbindlichkeit des Schuldners nicht durchwegs in der Herstellung bestimmter Erfolge bzw. in der Vermeidung bestimmter Mißerfolge sieht und daher von "objektiver Pflichtwidrigkeit" unter verschiedenen Aspekten spricht, d. h. jeweils einen anderen Rechtswidrigkeitsbegriff verwendet. Deutlich zeigt dies Raapes Besprechung des Wasserwellenfalles49• Eine Friseuse ließ die unter der Trockenhaube sitzende Kundin im Salon alleine. Plötzlich fingen die Zellhornkämme und die Haare zu brennen an. Nach Raape bestand die Pflicht "so zu arbeiten50 , daß die Klägerin nicht verletzt wurde" 51 • Die Klägerin wurde verletzt "und mußte nun nachweisen, daß es die Folge der Handlungsweise des Beklagten bzw. seiner Gehilfen warl1 • Die objektive Pflichtwidrigkeit sieht Raape hier offenkundig in der durch das unbegründete Verlassen des Raumes bedingten fehlenden Überwachung des Trocknungsvorganges52• Mit dem Beweis dieser Tatsache sei dann allerdings nicht nur der Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit, sondern zugleich auch der der Geschädigten gar nicht obliegende Beweis der subjektiven Pflichtwidrigkeit erbracht63• Hier ist also einer jener Fälle gegeben, in denen nach Raape der Gläubiger mit dem Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit, gleichzeitig den der subjektiven geführt hat64, in denen "objektive und subjektive Pflichtwidrigkeit .. . manchmal eng miteinander verquickt sind"66• Dies ist aber durchaus nicht der Normalfall in der Beweislastverteilung i. S. Raapes. Läßt sich in den beschriebenen Fällen die Formel Raapes, daß der Gläubiger die objektive Pflichtwidrigkeit, der Schuldner hingegen das Fehlen der subjektiven zu beweisen habe, noch auf einen Nenner bringen, in dem man Raape so versteht, daß er an die Pflichten ein verschiedens Maß anlegt, so ist die am Eingang seiner Arbeit stehende " Zum Verhaltensunrecht s. u. § 7. 398/34, RGZ 148, 148. so Im Original nicht hervorgehoben. 6t AcP 147, 284. 61 Vgl. AcP 147, 283 u. 287. 63 AcP 147, 287. Die Kausalität dieser - von Raape angenommenen Pflichtwidrigkeit - sei hier prima facie erwiesen. 64 AcP 147, 218 f. 63 AcP 147, 219. ce RG 18. 6. 1935, VII
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grundsätzliche Aussage mit seinen Ausführungen zu § 694 BGB kaum mehr zu vereinbaren. Hinterlegt jemand eine Sache von gefahrdrohender Beschaffenheit, so muß der Verwahrer nach dieser Bestimmung bloß beweisen, daß ihn diese Beschaffenheit schädigte, der Hinterleger trägt hingegen die Beweislast, daß er die gefahrdrohende Beschaffenheit der Sache bei der Hinterlegung weder kannte noch kennen mußte oder daß er sie dem Verwahrer angezeigt oder dieser sie ohne Anzeige gekannt hat. Diese Regel des § 694 BGB stellt Raape weitgehend in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Aus einem Randgebiet des Schadenersatzrechts, der Haftung des Hinterlegers für gefahrdrohende Sachen, will er vor allem die Lösung des Beweislastproblemes bei Leistung einer gefährlichen Sache zur Erfüllung eines Gattungs- oder Spezieskaufes gewinnen56• Dabei kommt er zu nachstehendem Ergebnis: "Steht fest oder ist vom Käufer bewiesen, daß die ihm aufgrund des Vertrages ausgehändigte Sache von einer gefahrdrohenden Beschaffenheit war, mit der er nach dem Kaufvertrag nicht zu rechnen hatte, und weiterhin, daß er dadurch Schaden erlitt, so hat der Käufer seiner Beweispflicht genügt57." Raape faßt § 694 BGB als Sanktion für die Verletzung einer (sekundären - s. u.) Anzeigepflicht auf, und zwar einer Pflicht, die unabhängig von der Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen der gefahrdrohenden Beschaffenheit der Sache entsteht58• Nun obliegt aber nach dem § 694 BGB der Beweis der Anzeige dem Schuldner (Hinterleger). Wenn§ 694 BGB tatsächlich eine Sanktion auf die Verletzung einer Anzeigepflicht ist, so trifft also hier der Beweis der objektiven Pflichtwidrigkeit (i. S. Raapes) nicht den Gläubiger. Anders ist es freilich, wenn man in § 694 BGB eine Verbindlichkeit sieht, einen Verwahrer nicht durch Hingabe gefährlicher Sachen zu schädigen59 und dies als objektive "Pflichtwidrigkeit" auffaßt. Der Beweis des Schuldners, daß er die Gefährlichkeit der Sache angezeigt hat, ist dann der Beweis, daß ihn an der Schädigung kein Verschulden trifft, trägt also denselben Charakter wie der Beweis der nicht zu verantwortenden Unkenntnis der Gefähr58 AcP 147, 228 ff.- Die Beweislast beim Kaufvertrag ist dabei das Hauptanliegen Raapes. Er will die Bestimmung aber auch sonst analog anwenden, wenn in irgendeinem Vertrag eine gefährliche Sache ausgehändigt wurde (z. B. im Miet-, Dienst-, Werk-, Gesellschaftsvertrag - vgl. AcP 147, 233,
243).
AcP 147, 232. AcP 147 ff., 233 f. 58 In diese Richtung deuten Raapes Ausführungen in AcP 147, 232: "Steht fest oder ist von dem Käufer bewiesen, daß die ihm aufgrund des Vertrages ausgehändigte Sache von einer gefahrdrohenden Beschaffenheit war, mit der er nach dem Kaufvertrag nicht zu rechnen hatte, und weiterhin, daß er dadurch Schaden erlitt, so hat der Käufer seiner Beweispflicht genügt." 57
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Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
lichkeit. § 694 BGB ist dann in Wahrheit eine durch Entlastbarkeit abgeschwächte Garantie für den Ersatz der einem Verwahrer durch die GefährlichkeiteinerSache zugefügten Schaden60 • So genau nimmt es nun Raape mit dem Erfordernis der Verletzung einer Anzeigepflicht auch nicht, wie vor allem der Bereich zeigt, in dem er§ 694 BGB analog anwenden will: Den Verkäufer einer Gattung mit der Verbindlichkeit zu belegen, dem Käufer bei Lieferung anzuzeigen, daß er von der Gattung abweichende Qualität oder gar etwas vollkommen anderes (aliud i. e. S.)61 liefert, wäre eine Fiktion, die am Wesen einer Gattungsschuld völlig vorbeiginge. Es liefert niemand anstatt des geschuldeten einwandfreien Maises vergifteten und zeigt dies gleichzeitig an. Genausowenig gibt es einen Verkäufer, der seine Leistung anbietet, in dem er erklärt: "Mit dieser Flasche will ich Ihnen das Mineralwasser geben, das ich schulde, passen Sie aber auf, es ist Salzsäure drinnen." In solchen Fällen leistet der Verkäufer entweder einwandfrei, dann braucht er nichts anzuzeigen oder er liefert vertragswidrig eine gefährliche Sache, so zeigt er jedenfalls bei der "Leistung" diese Eigenschaft nicht an. Kennt er diese Sacheigenschaft, dann leistet er einwandfreie Gattung oder überhaupt nicht. Darin liegt ein grundsätzlicher Unterschied zur Hinterlegung. Diesen Unterschied verkennt Raape, auch nicht62, dennoch argumentiert er mit der Verletzung einer Anzeigepflicht: Die Anzeigepflicht sei hier eine durch das Handeln bedingte, in diesem Sinne sekundäre62 a. Sie diene der Wiedergutmachung der Handlung. Sie entgifte sozusagen den vergifteten Pfeil und lasse sich mit dem Rücktritt vom Versuche eines Verbrechens vergleichen. Eben damit hänge auch die Umkehrung der Beweislast zusammen, wie sie § 694 BGB anordnet63. - Eine wahrlich dürftige Begründung! Der Rücktritt vom Versuch eines Verbrechens setzt zunächst den Willen voraus, das Übel herbeizuführen, und besteht, nachdem bereits das Stadium der Vorbereitungshandlung überschritten worden ist, in der späteren willentlichen Abstandnahme von der Übelszufügung. Die Anzeigepflicht, wie sie Raape versteht, ist vom Kennen bzw. Kennenmüssen der Gefährlichkeit der schädigenden Sache unabhängig. Es fehlt also einmal schon die entfernteste Parallele zum Versuch eines Verbrechens. Bringt man trotzdem einfach die Hingabe einer gefährlichen Sache mit dem Versuch in gleichnishafte Beziehung, so kann man dennoch die Anzeige nach § 694 BGB nicht wie den Rücktritt als conZu § 694 BGB s. u. § 8. A. I. Im weiteren Sinn ist jede gelieferte Gattung, die von der geschuldeten abweicht ein aliud- vgl. dazu Klang I BydHnski2 IV/2, 162 f. e2 AcP 147, 233 f. 82 a Zur primären Anzeigepflicht i. S. Raapes s. FN 76. 83 AcP 147, 234. eo &1
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trarius actus verstehen. Von einem Hinterleger erwartet man, daß er den Verwahrer spätestens bei Hingabe der Sache auf deren gefährliche, dem Verwahrer unbekannte Eigenschaften aufmerksam macht. Es geht nicht, um in der Sprache Raapes zu reden, um die (durch ein vorhergehendes Handeln bedingte) Entgiftung des Pfeils, sondern um die der Hingabe der Sache vor- bzw. beigeordnete Deklaration des Pfeiles als giftigen. Der Verwahrer soll rücksichtlich seines Umgangs mit der Sache wissen, daß sie gewisse Gefahren für ihn in sich birgt. Aus dieser ratio ist die Anzeige spätestens bei der Hingabe der Sache erforderlich. Von diesem Zeitpunkt geht§ 694 BGB auch eindeutig aus64 : Den Hinterleger trifft die Beweislast, daß er die gefahrdrohende Beschaffenheit bei der Hinter~egung weder kannte noch kennen mußte. Wenn nun teilweise65 geschlossen wird, es komme nur darauf an, daß der Hinterleger die Gefährlichkeit der Sache zu diesem Zeitpunkt nicht kannte und auch nicht kennen mußte, nicht aber darauf, daß er auch zu diesem Zeitpunkt die Gefahr anzeigte, er könne sie auch nachher anzeigen, so ist dies nur insoferne richtig, als es keinen Grund geben kann, den Hinterleger haften zu lassen, wenn er die Anzeige vor der Schädigung machte und der Verwahrer mit der gehörigen Sorgfalt seinen Schaden hätte abwenden können. Erfolgt die Anzeige jedoch nach Hinterlegung und nach der Schädigung bzw. in einem Zeitpunkt, in dem die bevorstehende Schädigung nicht mehr abgewendet werden kann, so gibt es keinen Zweifel, daß der Hinterleger ersatzpflichtig wird, wenn er sich nicht wegen anderer Umstände entlasten kann. Für den Verwahrer ist entscheidend, daß er eine gefährliche Eigenschaft vom ersten Augenblick an kennt, in dem er mit der Sache umzugehen hat. Letzter Anzeigezeitpunkt i. S. des § 694 BGB ist daher die Hingabe. Spätere Anzeige ist Nachholung von Versäumtem. Es fehlt also bezüglich einer Anzeige der Beschaffenheit einer hinterlegten Sache jegliche Parallele zur Lieferung einer gefährlichen Sache an Stelle der geschuldeten Gattung (Säure statt Mineralwasser). Eine Anzeige vor oder bei Lieferung kommt hier nicht in Frage, eine Anzeige nach Lieferung, weil der Verkäufer inzwischen daraufgekommen ist, daß er anstelle der geschuldeten Gattung eine gefährliche vertragswidrige Sache geliefert hat, hat mit der Anzeige i. S. des § 694 BGB nichts zu tun. Vergleichbar wäre dieser Gesetzesstelle schon eher der Fall, daß jemand die Gefährlichkeit einer vertragsgemäßen Sache anzeigt (Achtung- dieses Kühlerfrostschutzmittel ist giftig!). Wie die Ausführungen zeigen, fehlt bezüglich einer Anzeige der Beschaffenheit einer hinterlegten Sache weitgehend eine Parallele zur Lieferung einer gefährlichen Sache an Stelle der geschuldeten Gattung 84 85
Vgl. die BGB-ProtokoUe II 401.
BGB-RGRK-Denecke11 § 694 Arun. 2.
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§ 4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
(Säure statt Mineralwasser). Eine Anzeige vor oder bei Lieferung kommt im letzten Fall nicht in Frage. Eine Anzeige nach Lieferung hat mit der Anzeige i. S. des § 694 BGB nicht das geringste zu tun, weil sie auch nicht als Nachholung einer bereits ursprünglich versäumten Anzeige betrachtet werden kann. Die Schadenersatzpflicht bei Schädigung durch Hingabe einer anderen als der geschuldeten Gattung auf die Unterlassung einer Anzeige zu stützen, bezeichnet Raape selbst als gekünstelt66 • Herhalten muß dieses Argument dennoch zur Begründung der Beweislastumkehr in Analogie zu § 694 BGB. Die Analogie zu § 694 BGB - meint Raape - sei nur bei Schädigungen durch Sachen von gefahrdrohender Beschaffenheit vorzunehmen. Nicht jede Eigenschaft einer Sache, die den Käufer schädige, sei eine gefahrdrohende67 • Raape definiert nicht, was aus seiner Sicht unter gefahrdrohender Eigenschaft zu verstehen sein soll. Jedenfalls zählt er dazu Sachen, deren Substanz schon in sich Gefahren birgt (Gefahren für den Verwahrer)67 , deren bloßer Gebrauch (nicht betriebssicheres Auto)68 oder Verbrauch (ätzende Lauge statt Mineralwasser) schädigen kann. Wo die Grenze zwischen gefahrdrohenden und sonstigen schädigenden Eigenschaften einer Sache liegen soll, läßt Raape ausdrücklich offen69 • Liefere jemand sterile Saatkartoffeln, so schädige ihn der Ernteausfall zwar beträchtlich, die Keimunfähigkeit sei aber "gewiß keine gefahrdrohende Eigenschaft" 70 • Es sei daher Sache des Käufers nachzuweisen, daß der Verkäufer die Keimunfähigkeit gekannt habe bzw. habe kennen müssen. Bei der Untersuchung dessen, was Raape unter "objektiver Pflichtwidrigkeit" versteht, haben wir gesehen, daß er damit das einemal einen Mißerfolg (z. B. Unmöglichkeit) meint und das anderemal bloß ein sorgfaltswidriges Verhalten (vgl. RaapesAussagen zum Wasserwellenfall). Das drittemal wiederum nimmt er für eine Beweislastumkehr das Erfordernis der "gefahrdrohenden Beschaffenheit" einer hingegebenen Sache zum Ansatzpunkt, obwohl er von Verletzung einer Anzeigepflicht spricht und die objektive Pflichtwidrigkeit - nach seiner allgemeinen Aussage - der Gläubiger beweisen soll. Genügt Raape in gewissen Fällen einerseits ein gewöhnlicher Mißerfolg als Anknüpfung für die Beweislastumkehr, so verlangt er andrerseits teilweise noch mehr, nämlich eine spezifische Gefährlichkeit der hingegebenen Sache. 88 AcP 147, 244- vgl. auch 234. n AcP 147, 245. es AcP 147, 243. ee AcP 147, 244. 70 AcP 147, 245.
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Bei Schädigung durch vergifteten Mais soll der Gläubiger nur diese Tatsache beweisen müssen, bei Lieferung von sterilem Saatgut hingegen auch, daß der Verkäufer diese Eigenschaft kannte oder kennen mußte. Läßt sich eine derartige Differenzierung der Beweislastverteilung aus derratioder Beweislastregeln, wie sie Raape deutet, ableiten? Die Beweislastumkehr sowohl der §§ 282 und 285 BGB als auch des § 694 BGB will Raape gleichermaßen begründen. Zu den §§ 282 und 285 BGB schreibt er, die Beweisregeln erklärten sich daher, "daß die Lebensverhältnisse des Schuldners für den Gläubiger mehr oder minder undurchsichtig sind. Er weiß oft nicht und kann auch nicht wissen, woran es liegt, daß der Schuldner ihn im Stich ließ. Er würde also in einen Beweisnotstand11 geraten, wenn man ihm zumuten wollte, das Verschulden des anderen zu beweisen. Dazu kommt aber, wie mir scheint, noch ein anderer Grund. Im Leben ist es so, daß, wer sein Wort nicht einlösen kann, und sei es auch nur das Versprechen, den anderen zu einer gewissen Stunde zum Spaziergang abzuholen, sich bei diesem entschuldigt ... Was so im Leben gilt, ist auch für das Recht maßgebend, wie denn die Gesetze sich an das, was im Leben Moral und gute Sitte erfordern, halten sollen" 72 • Beweisnotstand und nicht eingehaltenes Versprechen sollen demnach - wie bereits eingangs angedeutet - die Gründe der Beweislastumkehr der §§ 282 und 285 BGB sein. Eine Vertiefung dieser Gedanken über das eben Zitierte hinaus vermissen wir. Der Versprechensgedanke kehrt bei seinen Erläuterungen zu§ 694 BGB unter Bezug auf die§§ 282 und 285 BGB wieder73 • Für das Beweisnotstandsargument kann sich Raape hier auch auf die Materialien berufen74• Was Raape aber nicht deutlich macht, ist, daß die BGBProtokolle zu § 694 BGB auf die Beweislastverteilung nach den §§ 282 und 285 BGB verweisen und als Zusatzargument den Beweisnotstandgedanken einführen75, dieser also zumindest nach der Meinung des historischen Gesetzgebers nicht die ratio der §§ 282 und 285 BGB ist. Unterstellen wir einmal das Beweisnotstandsargument als richtig und entsinnen wir uns der Differenzierung Raapes bei der Beweislastverteilung beim Kauf, so fehlt die Rechtfertigung. Was die Einsichtsmöglichkeit in den Bereich des Schuldners betrifft, so ist diese genau die gleiche, ob dieser vergifteten Mais oder keimunfähiges Saatgut statt 11 72
73 74
Im Original nicht hervorgehoben. AcP 147, 222. AcP 147, 242. AcP 147, 229.
75 BGB-Protokolle II 401: "Die ... Regelung der Beweislast entsprechen den Vorschrüten . .. für die Unmöglichkeit ... und den Verzug. Sie rechtfertige sich ferner ..." aus den Beweisschwierigkeiten des Hinterlegers. -
s.u.§S.A.
6 Reisehauer
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§ 4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
einwandfreier Ware liefert. Dem Beweisnotstandsgedanken bleibt Raape auch sonst nicht treu. Bei Schenkung oder Verleihen einer gefährlichen schadenstiftenden Sache trage der Schenker bzw. der Verleiher nicht die Beweislast in Analogie zu § 694 BGB76 : den Uneigennützigen soll sie nicht beschweren77 • Sicher glaubt auch Raape nicht, daß der Bereich des selbstlosen Schuldners von dem Gläubiger besser eingesehen werden kann. Erscheint die Beweislastverteilung des § 694 BGB "als gerecht, weil die Lebenserfahrung dafür spricht, daß jedermann seine eigenen Sachen kennt" 78, so müßte dies auch bei der Schenkung gelten. Rücksichtlich des Beweisnotstandsarguments müßte die Beweislast gleich sein, ob der vergiftete Mais unter dem Titel Kauf oder Schenkung übergeben wurde. Ist die Differenzierung Raapes richtig, so kann das Beweisnotstandsargument zumindest alleine nicht entscheiden. Das Zusatzkriterium könnte freilich das Handeln im eigenen Interesse (Verkäufer) oder doch die fehlende Selbstlosigkeit sein (z. B. gesetzlich aufgetragene Leistungen). Im Fall der Lieferung sterilen Saatgutes wird der Verkäufer jedoch im eigenen Interesse tätig. Überdies taucht das Problem der fehlenden Einsicht in den Lebensbereich des Schuldners auf. Bringt man weiters Raapes Versprechenstheorie ins Spiel, so hat der Saatgutverkäufer nicht weniger einwandfreie Qualität versprochen als der Maisverkäufer. Geliefert hat jeder von beiden etwas anderes und damit sein Wort gebrochen. 78 Neben die aus § 694 BGB herausgelesene, vom Wissen oder Wissenmüssen der anzuzeigenden Tatsache unabhängige, sekundäre (s. o.) Anzeigepflicht, stellt Raape noch eine primäre oder echte Anzeigepflicht (AcP 147, 234, 227). Sie beruhe auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) und entstehe erst, wenn der Schuldner die anzuzeigende Tatsache kannte oder kennen mußte (AcP 147, 224 ff., 234 f.). Der Gläubiger habe hier diese Tatbestandselemente zu beweisen (Beweis des Entstehens der Anzeigepflicht) und der Schuldner müsse dann beweisen, daß er angezeigt habe oder, daß ihn am Ausbleiben der Anzeige kein Verschulden treffe. Das Ausbleiben dieser "primären" Anzeige stellt Raape gleich dem Begriff des Unterlassens und bezeichnet dies als rein objektives Verhalten (AcP 147, 226). Er spricht also von Unterlassen nicht erst dann, wenn gegenteiliges Verhalten auch möglich gewesen wäre. Für ihn ist auch hier das Ausbleiben eines Erfolges Pflichtverletzung. Habe zum Beispiel ein Entlehner den Diebstahl des Geliehenen nicht angezeigt, so müsse der Verleiher zunächst beweisen, daß der Entlehner vom Diebstahl wußte oder wissen mußte, daraufhin habe sich dieser wegen Nichtanzeige zu exkulpieren (AcP 147, 224). - Die angeschnittene Frage ist nicht mit der Unmöglichkeit der Rückgabe der Sache zu verwechseln. Diesbezüglich hat sich der Entlehner nach § 282 BGB zu entlasten, gelingt ihm dieser Entlastungsbeweis, so ist immer noch die Frage nach dem Ersatz des Schadens offen, der dem Verleiher durch die mangelnde Kenntnis vom Diebstahl entstand. Man denke etwa an unterlassene oder verspätete Dispositionen. - Auch dem Verleiher und Schenker einer Sache von gefahrdrohender Beschaffenheit obliege bloß eine primäre Anzeigepflicht (AcP 147, 249, 251). 77 AcP 147, 250, 251, 253. 78 AcP 147, 233.
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Man vermißt bei Raape auch jeglichen Hinweis, warum gerade die Gefährlichkeit i. S. des § 694 BGB Grundlage der Analogie sein soll. Der Bezug auf die Gefährlichkeit verwundet umso mehr, als der Beweisnotstand und das gebrochene Wort die ratio des § 694 BGB sein sollen. Das Tatbestandsmerkmal der gefahrdrohenden Beschaffenheit einer Sache ist auf den Vertragstyp "Verwahrung" zugeschnitten und erfaßt selbstverständlich nur jene Eigenschaften, die einen Verwahrer schädigen können. Die Erwähnung irgendwelcher Sachmängel, die für einen Verwahrer ohne jede Bedeutung sind, wäre ja auch sinnlos. Eine Tiefkühltruhe, die den Gefrierpunkt nicht erreicht, ist für den Verwahrer der Truhe völlig harmlos, nicht aber für deren Käufer. Raape würde eine derartige Kühltruhe wohl wie die sterilen Saatkartoffeln als ungefährlich bezeichnen. Träte hingegen aus einer schadhaften Stelle der Kühltruhe Flüssigkeit aus und verdürbe das Fleisch deswegen, so spräche Raape wahrscheinlich von gefahrdrohender Beschaffenheit und würde § 694 BGB analog heranziehen. Ungefährlich für den Verwahrer ist normalerweise auch die Hinterlegung von sterilem Saatgut. Sehr gefährlich hingegen, wenn Verwahrung im Sammeldepot vereinbart ist. Die "Beschädigung" des keimfähigen Saatgutes, das vom sterilen nicht mehr getrennt werden könnte, wäre total. Da § 694 BGB naturgemäß, d. h . auf den Verwahrungsvertrag bezogen, nur Sacheigenschaften erwähnt, die dem Verwahrer gefährlich werden können, lassen sich daraus nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf andere Vertragstypen ziehen. Aus dem Tatbestandsmerkmal "gefahrdrohende Beschaffenheit" kann aber auch nicht die ratio der Beweislastregel des § 694 BGB abgeleitet werden, weil es nur jene Schadensursachen umschreibt, für die eine Verantwortung des Hinterlegers für seine Sache überhaupt in Frage kommt. Soll die ratio der gegenständlichen Norm die schlechte Einsicht des Gläubigers in den Lebensbereich des Schuldners und (oder) der Bruch des gegebenen Wortes sein, so müßten diese Gedanken, falls sie verallgemeinerungsfähig sind, auf die übrigen Vertragstypen ohne Rücksicht darauf übertragen werden können, ob die schädigende Sache von gefahrdrohender Beschaffenheit i. S. des § 694 BGB oder Raapes ist. Die Unterscheidung von Schädigung durch gefahrdrohende Beschaffenheit und Schädigung durch eine andere Eigenschaft läßt auch einen Vergleich zwischen Raapes Ausführungen zum Kaufvertrag und denen zum Werkvertrag merkwürdig erscheinen. Im letzten Fall genügt Raape für die Beweislastumkehr die Schädigung durch irgendeinen Mangel: Eine Turbine arbeitet nicht wie sie solF9 • Die eingesetzte Ladenfensterscheibe ist ersichtlich ungenügend befestigt, weil sie zu 78
AcP 147, 279.
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§
4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
klein geraten und muß daher durch eine neue Scheibe ersetzt werden80 • Raape meint, es wäre "nicht zu begreifen", warum sich der Unternehmer deswegen nicht zu exkulpieren hätte80• Hätte der Gläubiger die Auslagenscheibe gekauft und dem Glasermeister die richtigen Maße angegeben, dieser die Scheibe aber zu klein zugeschnitten, so daß der Gläubiger, der die Scheibe selbst eingebaut hat, diese wieder auswechseln lassen muß, so genügte Raape hingegen der Beweis, daß die Scheibe zu klein geraten ist, nicht, weil die Scheibe in seinem Sinne nicht gefährlich ist. Die Unterscheidung, wie sie Raape trifft, ist für das ABGB von vornherein unverständlich. Der tiefere Grund der Differenzierung durch Raape liegt aber - ohne daß er dies auch nur irgendwie ausführte- wohl in einer bestimmten Deutung der§§ 463 bzw. 480 Abs. 2 BGB. Nach diesen speziellen Vorschriften für den Kaufvertrag soll der Käufer bei Mangelhaftigkeit einer Sache den Nichterfüllungsschaden nur ersetzt bekommen, wenn eine Eigenschaft garantiert oder ihr Fehlen arglistig verschwiegen wurde. Ansonsten stehen die Gewährleistungsbehelfe, bei Gattungsschulden auch der Anspruch auf Nachlieferung einwandfreier Gattung zu. Faßt man nun den Begriff des Nichterfüllungsschadens i. S. dieser Gesetzesstellen so weit, daß er auch alle Folgeschäden umfaßt, so könnten diese Schäden auch nur bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen zustehen. Sollten dennoch unter Zugrundelegung dieses Nichterfüllungsbegriffes Folgeschäden ohne die besonderen in den §§ 463 und 480 Abs. 2 BGB genannten Kriterien zu ersetzen sein, so bedarf es anderer Voraussetzungen. Bei Raape tritt an Stelle der Tatbestandsmerkmale Garantie bzw. Täuschung das "der Hingabe einer Sache von gefahrdrohender Beschaffenheit". In seiner Analogie zu § 694 BGB beruft sich Raape auf die Protokolle zum BGB81 • Diese regen jedoch nicht, wie er glauben macht, eine allgemeine Analogie an, sondern bloß eine für den Auftrag, den Dienstvertrag und die Leihe82, also Verhältnisse, in denen Elemente der Verwahrung mitspielen können. Bliebe Raape bei seiner Analogie streng beim Gefährlichkeitsbegriff des Verwahrungsvertrages, also den Gefahren bei Lagerung, so wäre die Analogie sehr begrenzt. Ein Gewehr, das der Schütze nur unter besonderen Gefahren für seine Person benutzen kann83, ist für den Verwahrer, der kein Recht auf den Gebrauch hat, vollkommen ungefährlich, wenn er sich vertragsgemäß verhält. Um außerhalb der Verwahrung mit dem Begriff der Gefährlichkeit arbeiten zu können, muß ihn Raape - bei einer Analogie an sich ja noch 8o
81
s2 83
AcP 147, 280. AcP 147, 229, 231. BGB-Protokolle II 401. Beispiel von Raape, AcP 147, 244.
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nichts Methodenwidriges - umformen. Nicht allein die Gefährlichkeit bei Lagerung, auch die des Gebrauchs sei maßgebend. An Argumenten vernehmen wir nur, daß der Maisfall (vergifteter Mais), der Selterswasserfall (ätzende Lauge statt Mineralwasser) und sonstige Beispiele gezeigt hätten, daß bei der Aushändigung einer Sache zum "Zwecke des Gebrauchs die Gefahr noch groß genug ist, um die Analogie zu rechtfertigen"84. - Es handelt sich um ein typisches Argumentieren vom gewünschten Ergebnis her ohne jegliche innere Begründung. Raape muß seine verschiedenen Aussagen bereits an Elementen des einzelnen Vertragstypus orientieren (Lagerung, Gebrauch). Ist § 694 BGB über Verträge, die Verwahrungselemente aufweisen, hinaus analogiefähig, so müßte sich auch die Gefährlichkeit, falls sie Grundlage der Analogie wäre, nach den einzelnen Vertragstypen richten und es wäre dann nicht einzusehen, warum nicht jeder Sachmangel, der generell geeignet ist, einen Schaden wie den eingetretenen herbeizuführen, als gefährlich zu behandeln sein sollte. So gesehen ist aber auch die Tiefkühltruhe, die die erforderlichen Temperaturen nicht erreicht, oder das sterile Saatgut gefährlich. Wenn freilich spezielle Vorschriften zu verschiedenen Verträgen einen bestimmten Ersatz nur unter bestimmten Voraussetzungen gewähren sollten, so dürfte § 694 BGB kaum eine Legitimation zur Umgehung solcher Beschränkungen geben. Wenn aber z. B. bei Lieferung von sterilem Saatgut prinzipiell Schadenersatz ohne Rücksicht auf ein besonderes Verschulden und unabhängig von einer Garantie zustehen sollte, dann gibt es allerdings keinen rationalen Grund, die Beweislast anders zu verteilen als bei der Lieferung von vergiftetem Mais. M. E. ist es aber überhaupt verfehlt, eine so periphere Bestimmung wie den § 694 BGB in den Mittelpunkt der Betrachtung der Beweislastverteilung bei Schädigung in anderen Verträgen, insbesondere im Kaufvertrag85 zu stellenB8 • An der nicht näher begründeten Theorie Raapes, daß sich der Schuldner wegen des nicht eingehaltenen Versprechens zu entlasten habe, bemängelt Welser87, sie könne nicht überzeugen, wo gesetzliche Schuldpflichten in Frage stehen. Diesen Bereich hat Raape zwar nicht übersehen, er setzt sich mit ihm aber auch nicht auseinander, sondern stellt nur fest, daß sich auch dort der Schuldner zu exkulpieren habe88• Für Raape könnte man vielleicht ins Treffen führen, daß bei gesetzlichen Sonderverbindlichkeiten der Gesetzgeber die vertraglichen zum Vorbild nimmt und sie den vertraglichen auch rücksichtlich der Beweis8« AcP 147, 243. 85 88 87 88
s. o. FN 56.
So auch Hans Stall, Hippel-FS 528 f. Vertretung 267.
AcP 147, 287 f.
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lastumkehr gleichstellt. Selbst Welser geht ja davon aus, daß der vertragliche und gesetzliche Verbindlichkeiten Nennende§ 1298 ABGB "als typischen .. . Fall eben doch die Verletzung von übernommenen89 Schuldpflichten vor Augen" hat90. - Im Versprechensgedanken Raapes kann durchaus ein fruchtbarer Ansatz liegen. Als die entscheidenden Kriterien Raapes sind zusammenfassend die schlechte Einsicht des Gläubigers in den Lebensbereich des Schuldners und der Versprechensgedanke zu nennen. Diese beiden Thesen zieht Raape jedoch nicht konsequent durch. Vor allem kann das teilweise Rekurrieren auf einen bestimmten Gefährlichkeitsbegriff als Voraussetzung für die Beweislastumkehr nicht überzeugen. Daß den Selbstlosen nicht die Beweislast treffen sollte, relativiert den Gedanken des Beweisnotstands zusätzlich. Die Ausgangsthesen, auf denen Raape seine Arbeit aufbaut, sind kaum untermauert, an entscheidenden Stellen finden sich unhaltbare Ausführungen (vgl. Anzeige der Gefährlichkeit einer vertragswidrigen Gattung). Im ganzen fehlt es der Arbeit Raapes an innerer Geschlossenheit. Dies ist freilich häufig der Fall, wenn Gedanken zur Lösung besonders komplexer Probleme zum ersten Mal entwickelt werden. - Heinrich Stoll'10• hat zum Problem ja nur nebenbei Stellung genommen. Für das Österreichische Recht ist festzuhalten: Raapes Ausführungen können schon wegen ihres engen Bezuges zu § 694 BGB nicht ohne weiteres übernommen werden, überdies fehlt ihnen die letzte Begründung. Die Berufung auf den Satz, daß der Gläubiger die objektive Pflichtwidrigkeit darzutun habe, der Schuldner das Fehlen der subjektiven, kann als solche nicht genügen. Die Gleichsetzung von objektiver Pflichtwidrigkeit bei sog. positiven Forderungsverletzungen mit Außerachtlassung der gehörigen Aufmerksamkeit (Bydlinski91 , Koziol92) widerspricht zudem den Intentionen Raapes. Geht es bei der Beweislastverteilung um die mehr oder minder mangelnde Undurchsichtigkeit der Lebensverhältnisse des Schuldners, dann kann dem Gläubiger auch nicht der Beweis der Sorgfaltsverletzung, die sich in diesem Bereich abspielt, aufgelastet werden. Bydlinski83 und Koziol94 tun dies, geben jedoch, was sie dem Gläubiger mit der einen Hand nehmen, mit der Im Original nicht hervorgehoben. Vertretung 268- Welser macht diese Aussage bezüglich der von ihm am Rande erwogenen Anwendung des § 1298 ABGB auf den deliktischen Be~ reich. - Zu diesem Problem s. u. § 9. A. eoa s.o. A. 91 Klang I Bydlinski2 IVI2, 172 f. 82 Haftpflichtrecht I 270. 93 Klang I Bydlinski2 IV12, 172 f. 8 ' Haftpflichtrecht I 271. 88
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anderen teilweise wieder zurück: die Lieferung einer schadenstiftenden Sache soll prima facie als Beweis der Verletzung objektiver Sorgfalt anzusehen sein.
D. Prölss Der Auffassung von Prölss95 ist für das Österreichische Recht insoferne Bedeutung beizumessen, als sich ihr W elser für den vertraglichen und vorvertragliehen Bereich angeschlossen hat und zudem zumindest erwägt, allgemein im deliktischen Bereich nach denselben Grundsätzen zu verfahren. Auch Bydlinski und Koziol beziehen sich, allerdings nur für den Bereich der Sonderverbindlichkeiten, auf Prölss95a. Prölss will die Beweislast im Schadenersatzprozeß nach Gefahrenbereichen aufteilen. Unter Gefahrenbereich (Organisationsbereich oder Sphäre) versteht Prölss den tatsächlichen Lebensbereich, den eine Person kraft der ihr zur Verfügung stehenden tatsächlichen und rechtlichen Mittel im allgemeinen zu beherrschen vermag. Es sei im wesentlichen Tatfrage, wann im Einzelfall die Schadensursache im Gefahrenbereich einer Person liege, doch ließen sich einige Hinweise geben. Zum Gefahrenbereich gehöre einmal der ihrer Herrschaft unterstehende räumlich-gegenständliche Bereich im Sinne der Gesamtheit aller Sachen, die sie innehat88• - Verursachten diese Dinge Schäden (z. B. Lieferung verdorbenen Futters, Herabfallen eines verletzenden Gegenstandes von einem LKW) oder würden Fremde in der Gewalt einer Person befindlichen Sache beschädigt, so seien diese Schädigungen der Sphäre (dem Gefahren- bzw. Organisationsbereich) dieser Person zuzurechnen. Außer den räumlich-gegenständlichen Bereich zählt Prölss zur Sphäre einer Person jene in der Zeit ablaufenden Veränderungen der Außenwelt, die sie gegenüber dem Geschädigten zu beherrschen vermag: vor allem die eigenen Handlungen97 • Dem Gefahrenbereich eines Beklagten seien schließlich jene Personen zuzurechnen, die seiner Aufsicht oder Überwachung und damit auch insoweit seiner Herrschaft unterliegen. Diesem Gedanken habe der Gesetzgeber in den Beweislastregeln der §§ 831 Abs. 1/2 BGB (Verrichtungsgehilfen) und § 832 Abs. 1/2 BGB (Aufsichtspflichtige) Rechnung getragen88. Wirken aus der eben angedeuteten Sphäre Schadensursachen heraus oder wird innerhalb der Sphäre ein fremdes Gut beeinträchtigt und gelingt diesbezüglich der Beweis, so drehe sich die Beweislast bezüglich 85
VersR 1964, 901 ff.; Beweiserleichterungen 63 ff.
na s. 0. § 3. H.
ae Prölss spricht in der Diktion des BGB von (unmittelbarem) Besitz. Beweiserleichterungen 83 f .; in VersR 1964, 901 erwähnt Prölss nur den räumlich-realen Bereich. us Beweiserleichterungen 85. 97
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der Sphäreninterna (Verursachungsdetails, Verschulden99 , Rechtswidrigkeit) um. Für eine Beschränkung der Beweislastumkehr auf das Verschulden bestehe keinerlei innerer Grund100• Schon die Schadensursache habe der Geschädigte nicht im einzelnen darzutun101 • Diese Art der Beweislastverteilung trage einem überpositiven Gerechtigkeitsgebot Rechnung, weil sich der Geschädigte regelmäßig in einem Beweisnotstand befinde, der (potentielle) Schädiger besser in der Lage sei, die streitigen Vorgänge aufzuklären und weil schließlich eine derartige Beweislastverteilung präventiv wirke: Wer damit rechnen müsse, daß er sich einem Geschädigten gegenüber zu entlasten habe, werde sich mehr darum kümmern, nicht zu schädigen, als jemand, der damit rechnen könne, daß der Geschädigte am Beweisnotstand scheitern werde102• Die Beweislast bei vertraglichen wie bei deliktischen Schädigungen gleichermaßen zu verteilen, ist dem Prölsschen Grundgedanken nach nur konsequent. Der Beweisnotstand ist ja nicht nur ein Problem des Vertragsrechts. Auch liegt auf der Hand, daß der Schädiger die näheren Umstände der Schädigung fast immer besser als der Verletzte aufklären kann. Eine Präventivwirkung der Beweislastumkehr muß im Regelfall freilich bezweifelt werden. Präventiv wirkt m. E. allein das Damoklesschwert der Ersatzpflicht als solches. Aber selbst dies darf man bei unbewußten Fahrlässigkeitstaten, ja überhaupt bei Fahrlässigkeitsdelikten, nicht überschätzen. Dem Laien weitgehend unbekannte, in Lehre und Rechtsprechung höchst umstrittene Beweislastregeln dürften kaum abschreckende Wirkungen entfalten103• So bleiben von Prölss Argumentation vor allem sein Bezug auf den Herrschaftsbereich (Gefahren-, Organisationsbereich, Sphäre) und den Beweisnotstand des Beschädigten bzw. die Beweisnähe des Schädigers. Wie wir sahen, muß Prölss hierbei auf den Einzelfall abstellen und kann nur gewisse Richtlinien geben. Aber selbst in den angeführten Fällen wird nicht ganz klar, wieweit die Sphäre reichen soll, ob die Möglichkeit der Beherrschung der Schadensvermeidung oder die fehlende Einsicht des Geschädigten in die Umstände der Schädigung das für die Beweislastverteilung maßgebende Element sein soll oder ob eine Kombinaeu Die Fahrlässigkeit als Verschuldenskriterium versteht Pölss der herrschenden deutschen Lehre entsprechend objektiv (Beweiserleichterungen 31). Wie sich davon die Rechtswidrigkeit in seinem Sinne unterscheidet, macht Prölss nicht deutlich (vgl. VersR 1964, 902 und Beweiserleichterungen 79, 68). too VersR 1964, 904; insb. Beweiserleichterungen 79. tot Vgl. VersR 1964, 902 und Beweiserleichterungen 68. tot VersR 1964, 903 f. Beweiserleichterungen 74 ff. toa Anders verhält es sich etwa gegenüber jenem Kreis, den die KaisVO über Militärlieferungsverträge, RGBI. 1915/158, erfaßt (s. u. § 8. FN 166).
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tion zwischen beiden Elementen vorgenommen werden und wie eine solche aussehen soll. Ist eine im Besitz des Beklagten befindliche Sache beschädigt worden oder abhandengekommen, die ihm der Kläger z. B. als Einlagerer, Vermieter, Verleiher, Hinterleger in unversehrten Zustand überließ, so meint PröZss, sei die "Schadensursache in seinem Gefahrenbereich geZegen"104• 105 und der Beklagte habe sich zu entlasten. - Daß die Schadensursache im räumZieh-gegenständlichen Bereich des Beklagten liegt, ist keineswegs gesagt, allerdings wird es häufig so sein. Die Sache kann aber auch von einem Dritten trotz bester Verwahrungsmaßnahmen gesto~len oder bechädigt worden sein, es können auch Naturgewalten auf sie eingewirkt haben: Das transportierende Schiff ist im Sturm gesunken; der Lastzug infolge eines Attentats verunglückt; der Speicher wegen Blitzschlages abgebrannt. Soweit das deutsche Recht für solche Fälle ausdrücklich eine Beweislastregel normiert (z. B. §§ 390, 407, 417, 429, 606 HGB), verlangt es keinesfalls, daß der Kläger auch nur prima facie beweisen müsse, daß solche von außen kommende, in den räumlichen Herrschaftsbereich des Schuldners einwirkende Ursachen auszuschließen seien, daß also die Ursachen- wie PröZss schreibt - im "Bereich des Beklagten" gelegen seien. Gerade jene Umstände sind ja insbesondere Gegenstand einer zulässigen Entlastung: Wenn man nun derartige Gefahren in den Verantwortungsbereich des Schuldners verlagert und insoferne seinem Gefahrenbereich zuordnet, so geht man nicht mehr von der Beherrschbarkeit durch den Schuldner aus, sondern eben von einer Risikozurechnung, die durch die Beweislastumkehr erfolgt: Der Schuldner hat selbst für solche (von außen kommende) Umstände zu haften, wenn ihm keine Entlastung gelingt. Was Gefahrenbereich ist, bestimmt sich dann nicht nach der Beherrschbarkeit, sondern nach der gesetzlichen Zuordnung der zu tragenden Gefahren. Daß mit einer derartigen Beweislastumkehr die "Gefahr" für den Schuldner, zum Ersatz herangezogen zu werden, enorm steigt, ist evident. Verfehlt wäre es, die durch eine Beweislastumkehr für den Schuldner heraufbeschworenen Gefahren mit jenen Gefahren gleichzusetzen, die der Schuldner rücksichtlich der Schadensvergütung zu beherrschen vermag. Man würde Opfer eines Homonyms. PröZss scheint es in Wahrheit aber gar nicht darum zu gehen, daß die Schadensursache, im räumlich-gegenständlichen Bereich des Schuldners gelegen sei, sondern darum, daß ein Sachinhaber den Verlust oder die Schädigung im allgemeinen zu beherrschen vermag, wie man im allgemeinen 10'
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Im Original nicht hervorgehoben. Beweiserleichterungen 83.
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ja auch verhindern kann106, daß die eigenen Sachen jemand anderen schädigen. Der Lagerhalter kann eben im allgemeinen den Untergang oder die Beschädigung des Hinterlegten vermeiden, der Verkäufer im allgemeinen die Hingabe eines vergifteten Futters und der Hausbesitzer die Schädigung eines Passanten durch herabfallende Mauerteile. Im allgemeinen kann man freilich nicht beherrschen, daß eine zu beaufsichtigende minderjährige Person, die man im Interesse der Erziehung auch zeitweilig unbeaufsichtigt lassen muß, niemanden schädigt. Hier tritt der Wille des zu Beaufsichtigenden neben den des Aufsichtspflichtigen. Schwerlich können Eltern verhindern (ist es für sie allgemein beherrschbar), daß ein elfjähriges Kind sich gegen ihr Verbot z. B. Pfeil und Bogen beschafft und beim Spiel einen Altersgenossen verletzt108 oder mit Steinen nach anderen wirft. Dennoch kehrt sich die Beweislast nach § 832 BGB um107, wenn nur die Verletzung durch den zu Beaufsichtigenden feststeht. Auch hier spricht Prölss von Herrschaft. Das Kriterium ist aber für ihn offensichtlich nicht mehr die Beherrschbarkeit der Schadensverhütung, sondern ein Herrschaftsrecht108, nämlich das gegenüber dem Kind. So ordnet Prölss Verschiedenes einem Wort mit mehreren Bedeutungsgehalten unter. Wie man denn überhaupt den Eindruck hat, daß die Bedeutung, die hinter dem Wort "Gefahrenbereich" steht, immer wieder wechselt. Ist nun die Beweislastumkehr wegen der im allgemeinen zu beherrschenden Gefahren angeordnet oder ist etwas Gefahr für den Beklagten, weil er die Beweislast zu tragen hat und gehört diese Gefahr daher in seinen Bereich? Liegt der Grund der Beweislastumkehr darin, daß man im allgemeinen einen Schaden vermeiden kann, so müßte dies zu einer generellen Beweislastumkehr zu Lasten des Schädigers führen. Wie ein Verwahrer im allgemeinen vermeiden kann, daß die bei ihm eingelagerten Sachen beschädigt werden, so gilt dies auch sonst für die Schadensverursachung. Ein Spaziergänger kann im allgemeinen vermeiden, daß er in eine Auslagenscheibe fällt. Im besonderen konnte er es nicht, weil ihn ein Dritter in die Scheibe stieß100. Die konkrete Schadensursache war für ihn genausowenig beherrschbar wie für den Lagerhalter die Stromüberspannung, deretwegen der Speicher ausbrannte. Derartige Gründe zur Entlastung darzutun, obliegt letzterem kraft ausdrücklicher Anordnung des § 417 i. V. m. § 390 HGB. Wäre die ratio der BeweislastVgl. BGH 7. 7. 1964- VI ZR 5/64 FamRZ 1964, 505. Anders § 1309 ABGB. Es kommt auch zu keiner Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB i. V. m. § 1309 ABGB - s. u. § 9. A. 1os Beweiserleichterungen 85. 109 Zu diesem Beispiel Armin Ehrenzweigs s. o. § 3. C. 1oe
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umkehr die Beherrschbarkeit der Schadensverhütung im allgemeinen, so müßte auch den Spaziergänger die Beweislast allein treffen, weil sein Körper die Auslagenscheibe einschlug. Ob Prölss so weit geht, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Er zählt zur Sphäre zwar "die in der Zeit ablaufenden Veränderungen der Außenwelt, die Vorgänge", die der Beklagte "gegenüber dem Geschädigten zu beherrschen vermag", und erwähnt vor allem die menschlichen Handlungen, läßt aber einen Zweifel darüber, ob eine Handlung schadenskausal war, zu Lasten des Geschädigten gehen110• Prölss sagt uns aber nicht, was er unter Schädigung durch eine Handlung versteht. Meint er damit, die Schadensursache müsse in der fehlenden, aber möglichen finalen Steuerung der Schadensvermeidung (Handlung) gelegen sein oder die Schädigung müsse in Zusammenhang mit einer Handlung gestanden haben? M. a. W.: muß der Passant, den der vom Dach stürzende Rauchfangkehrer verletzt, beweisen, daß dieser sich nicht auf jene mögliche Weise auf dem Dach bewegte (Handlung), die den schädigenden Sturz verhindert hätte, und daher vom Dach fiel - dann bleibt freilich für Prölss nur mehr wenig Möglichkeit für eine Entlastung, ist für ihn doch der Verschuldensmaßstab ein objektiver111 - oder genügt der Beweis, daß der Rauchfangkehrer im Zusammenhang mit einer Handlung, dem Begehen des Daches, zu Fall kam und dadurch verletzte? Beherrschen kann ein Rauchfangkehrer ja im allgemeinen, daß er nicht vom Dach fällt 112• Beim einzigen Beispiel, das Prölss in Zusammenhang mit der Schädigung durch menschliche Handlung bringt, verlangt er nämlich nicht mehr an Beweisen als daß im Zusammenhang mit einer Handlung Schaden entstand: "Hat etwa ein Patient durch eine Operation einen Schaden erlitten, so ist dies nicht unbedingt auf ein Verschulden des operierenden Arztes zurückzuführen, da von keinem Arzt verlangt werden kann, daß er mit der Präzision einer Maschine arbeitet, andererseits kann aber der sachkundige, während der Operation narkotisierte Verletzte den Verschuldensbeweis kaum jemals führen118." Offenkundig verlangt Prölss hier vom Geschädigten bloß den Beweis, daß er im Zusammenhang mit einer Handlung, dem Operieren, geschädigt wurde. Dem entspräche der Beweis des Passanten, daß er durch den herabfallenden Kaminfeger verletzt wurde. Genaue Einsicht in die Entstehung der Schadensursachen fehlt dem Geschädigten hier wie dort, sie wird ihm auch immer dann fehlen, wenn er selbst zum Zeitpunkt der Schädigung nicht anwesend war. Dies ist insbesondere bei Sachbeschädigungen häufig der Fall. Beweiserleichterungen 84. s. Beweiserleichterungen 31, vgl. auch 84. m Vgl. dazu die generelle Aussage von Prölss, Beweiserleichterungen 83. 11a Beweiserleichterungen 84 f. 110 111
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4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
Wenig harmonisch fügen sich Prölss Ausführungen über die Beweislastumkehr bei Verletzungen von Schutzvorschriften in seine grundsätzlichen Aussagen zur Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen. Prölss meint, einer von dieser Beweislastverteilung unabhängigen Beweislastumkehr könne bei einem "objektiven Verstoß gegen Schutzgesetze, auch wenn diese ein bestimmtes Verhalten anordnen oder verbieten" nicht zugestimmt werden114 • - Entsinnt man sich, daß Prölss zur Sphäre einer Person vor allem deren eigenen Handlungen zählt, so wird seine Aussage zu den Schutzvorschriften schwer verständlich. Handelt es sich bei der Einhaltung von Schutzvorschriften nicht um Vorgänge, die man im allgemeinen zu beherrschen vermag? Ist der Geschädigte durch eine Handlung verletzt worden (ohne daß gleichzeitig ein Schutzgesetz übertreten wurde), so soll sich nach den allgemeinen Ausführungen von Prölss die Beweislast für das Verschulden111 umdrehen. Wurde mit der gleichen Handlung eine Schutzvorschrift, die ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, übertreten, dann soll dies auf einmal nicht mehr der Fall sein. Eine überzeugende Begründung für eine derartige Differenzierung fehJt 111a. Das Interesse der jeweils in Anspruch Genommenen, "unter keinen Umständen einen Schaden tragen zu müssen, den sie ... nicht verschuldet haben" 118, liegt wohl in beiden Fällen gleich. Wie willkürlich die Differenzierung von Prölss anmuten muß, zeigt schon die Tatsache, daß der Bestand von Schutzgesetzen keineswegs auf ein logisch und wertungsmäßig geschlossenes System zurückgeht. Schwer verständlich sind auch die Ausführungen von Prölss zur Verletzung der Fürsorgepflicht (§§ 618 Abs. 1 und 2 BGB): Ein Dienstgeber stellt gesundheitsgefährdende Räume, Gerätschaften, Verpflegung u. a. zur Verfügung oder regelt die Dienste in einer Weise, die Leben oder Gesundheit bedroht. Hier soll eine Beweislastumkehr nicht Beweiserleichterungen 101. Die Fahrlässigkeit versteht Prölss objektiv- Beweiserleichterungen 31. ma Daß man dem Schädiger die Beweislast für die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt unter der Bedingung auflasten könnte, daß ihm zuerst die Ubertretung des Schutzgesetzes nachgewiesen würde, setzte voraus, daß Ubertretung eines Schutzgesetzes und Sorgfaltsverletzung alia sind. Viele Schutzgesetze sind jedoch nichts anderes als eine konkrete Ausformung des allgemeinen Sorgfaltsgebotes, sodaß der Beweis der Ubertretung der der Sorgfaltsverletzung ist (Vgl. § 9 nach FN 24 und in FN 24a). Andere Schutzgesetze umschreiben bloß Mißerfolge. Im erfolgswidrigen Zustand liegt jedoch noch nicht die Ubertretung, sondern erst in der Nichteinhaltung der Sorgfalt, die den Mißerfolg vermeiden sollte (s. u. § 9 FN 24a). - Wahrscheinlich meint Prölss, Ubertretung eines Schutzgesetzes liege bereits dann vor, wenn im Zusammenhang mit einer Handlung, ein Zustand herbeigeführt wird, der einem Schutzgesetz unerwünscht erscheint (s. o. nach FN 110). 118 Beweiserleichterungen 102. m
m
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Platz greifen, befinde sich doch "der Geschädigte nicht in einem typischen Beweisnotstand, der den sozialen Schutzzweck des § 618 ohne eine Beweislastumkehr besonders gefährden würde, soferne nicht ohnehin- wie häufig, wenn auch nicht immer- die Schadensursache aus der Sphäre des Dienstberechtigten hervorgegangen ist und dieser schon deshalb das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes trägt" 117• - Dies alles ist sehr dunkel: Wann befindet sich nun der Dienstnehmer in einem typischen Beweisnotstand? Immer wenn die Schadensursache von einer Sache des Dienstgebers ausgeht?, nicht aber, wenn dessen Anordnungen kausal sind?, oder soll auf die Einsicht oder Einsichtsmöglichkeit des Dienstnehmers im Einzelfall abgestellt werden und danach die Beweislast verteilt werden118? Ist Sphäre nur der Bereich, in den der andere nicht einzusehen vermag, oder der- so die Definition Prölss' -, den man im allgemeinen zu beherrschen vermag? -Hier zeigt sich der Zwiespalt einer Lehre, die in der Definition mit einem Willenselement (Beherrschbarkeit) 119, in der Begründung aber hauptsächlich mit Wissenselementen (Beweisnotstand und Einsicht) arbeitet120• Für den nach dem Vorbild des § 618 Abs. 1 u . 2 BGB geschaffenen § 1157 ABGB halten die Materialien zur 3. Teilnovelle121 jedenfalls ausdrücklich die Anwendbarkeit des§ 1298 ABGB als allgemeingültigen Satz fest. Ähnlich undurchsichtig wie die Prölssche Gefahrenbereichslehre ist die Auffassung des BGH zur Beweislastverteilung, die Prölss zu seiner Arbeit anregte. Auch hier ist der Sphärengedanke, wie wir pauschal formulieren wollen, vorrangig. Aber was gehört zu welcher Sphäre? Einmal ist der Gefahrenbereich der beherrschte räumliche Obhutsbereich, in anderen Fällen setzt der BGH für die Beweislastumkehr den Beweis eines objektiv verkehrswidrigen Zustandes im Obhutsbereich voraus, dann genügt wieder, daß der Schuldner den Schaden bei Ausführung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit verursacht oder daß er schlecht erfüllt hat122• Das BAG verwechselt wiederum Gefahrenbereich im Sinne von Einsichtsbereich mit Gefahren117 118 119
120 t21
Beweiserleichterungen 105. Vgl. Beweiserleichterungen 83. VersR 1964, 901 und Beweiserleichterungen 83 f.- s.o. vor FN 97. VersR 1964, 903 und Beweiserleichterungen 74 f. - s.o. nach FN 101.
347.- s.o.§ 2. A. I.
So Hans Stoll, Hippel-FS 521 - vgl. die dort angeführte Judikatur: BGH 8. 5.1958, II ZR 304/56, BGHZ 27, 236 = NJW 1958, 1629; BGH 16.10. 1963, VIII ZR 28/62, NJW 1964, 33 = VersR 1964, 72; BGH 9. 7. 1959, VII ZR 149/58, VersR 1959, 948; BGH 26. 9.1961, VI ZR 92/61, NJW 1962, 31; BGH 16. 1. 1962, VI ZR 133/61, VersR 1962, 325; BGH 29.10. 1959, VII ZR 176/58, VersR 1960, 344; BGH 27. 2. 1964, VII ZR 207/62, VersR 1964, 632. 122
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§ 4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
hereich im Sinne einer vom Betriebsrisiko erfaßten Sphäre und verneint daher bei gefahrengeneigter Arbeit eine Beweislastumkehr zu Lasten des Dienstnehmers128• Gefahren, die sich aus Gerätschaften, Räumen, usw. für den Dienstnehmer ergeben, zählt es ebenfalls zum (Betriebs-)risikobereich des Dienstgebers124• Bezeichnend für die Unsicherheit der Rechtsprechung, die die Beweislast nach sogenannten "Gefahrenbereichen" verteilt und darunter Verschiedenartiges meint, ist eine Entscheidung des 3. Senats des BAG, in der er die bisherige Rechtsprechung des BAG zur Beweislastverteilung zusammenfaßt125 • Dabei hält der 3. Senat unter anderem fest, daß der 1. und 2. Senat darin übereinstimmen, "daß im Bereich des Arbeitsvertragsrechts bei positiven Forderungsverletzungen aus einer entsprechenden Anwendung des § 282 BGB weder im einen noch im anderen Sinn eine absolut geltende Regel abzuleiten ist, sondern daß die Beweislastverteilung bei einem Streit um das Verschulden des auf Schadenersatz in Anspruch genommenen Vertragsteils sich nur nach den Umständen des jeweiligen Falles richten kann126 ". Der 3. Senat weiß sich mit dem 1. und 2. eins und hat daher auch die Hand frei für den ihm vorliegenden Fall127 • Treffend kritisiert Mayer-Maly 128 in seiner Anmerkung: "Einer Norm ... darf nicht bloß ambivalente Geltung zugeschrieben werden. Differenziert man so, wie es hier für die Beweislastverteilung unternommen wird, nach den Umständen des Einzelfalles, so liegen in Wahrheit zwei Normen vor: Eine, die eine Beweislastumkehr anordnet, und eine, die das nicht tut. Dann aber ist es geboten, wenn man nicht bei der Diagnose einer Antinomie enden will, die Anwendungsbereiche der beiden Normen abzugrenzen. Dazu reicllt ein bloßer Verweis auf die Umstände des Einzelfalls aber nicht aus." Das Dilemma der Lösung "von Fall zu Fall" resultiert in der Beweislastverteilung nach "Gefahrenbereichen". Der verwendete Begriff ist 12s BAG 30. 8. 1966 1 AZR 456/65, AP § 282 BGB Nr. 5 mit Anm. von Sieg. - s. a. BAG 18. 12. 1970 - 1 AZR 177/70, AP § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 63 mit Anm. von Medicus. Die angeführte E hält an der bisherigen Rsp. des BAG fest. Ebenso BAG 28.7.1972- 3 AZR 468/71, AP § 282 Nr. 7 (mit Anm. von Mayer-Maly). - Ähnliche Fehler wie das BAG begehen Stehl, AuR 1970, 262 ff. und Barton, Mankohaftung 82 ff. Siehe dazu unten § 19 FN 8. 124 BAG 8. 6. 1955 2 AZR 200/54, AP § 618 BGB Nr. 1; BAG 10. 11. 1961 GS 1/60, AP § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 2. 12& BAG 28.7.1972-3 AZR 468/71, AP § 282 BGB Nr. 7. uo Im Original nicht hervorgehoben. 127 In concreto ging es darum, ob sich ein Arbeitgeber wegen der Nichtanmeldung eines Arbeitnehmers zur Sozialversicherung zu entlasten habe und wegen Rechtsirrtums entlasten könne. us AP § 282 Nr. 7, Bl. 7.
E. Zusammenfassung und Ausblick
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viel zu vage, als daß aus ihm brauchbare Grenzen abgeleitet werden
könnten. Gerade daher müssen ja Prölss und das BAG im Einzelfall auch naturgemäß zu verschiedenen Ergebnissen kommen (vgl. z. B. die verschiedenen Aussagen zu § 618 BGB). Für das Österreichische Recht sei hier nur am Rande erinnert, daß Hanausek, es dem Richter je nach der Lage des Einzelfalls überlassen wollte, dem Kläger oder dem Beklagten die Verschuldensbeweislast aufzubürden und dabei entschiedenen Widerspruch des Gesetzgebers der 3. Teilnovelle erntete. Beweisnotstand und Betriebsrisiko waren für Hanausek entscheidende Gesichtspunktell!Ba.
Prölls glaubt seine angeblich auf einem überpositiven Gerechtigkeitsgebot fußende Lehre mit einer Reihe von Bestimmungen des Delikts-128 und des Vertragsrechts130 untermauern zu können. Im Deliktsrecht stützt er sich dabei auf die §§ 836 Abs. 1/2, 831 Abs. 1/2, 832 Abs. 1/2, 833 Abs. 1/2, 834/2 BGB sowie auf § 7 Abs. 2 dStVG und § 26 dAtomG. § 694 BGB behandelt er als eine Regelung für den vorvertragliehen Bereich. Im Vertragsrecht zieht er die§§ 282, 285 BGB; §§390,407 Abs.2, 417 Abs. 1, 429 Abs. 2; 606/2 HGB; § 58 BinnSchG; § 45 dLuftVG; §§ 84 und 99 AktG 1937131 und § 6 Abs. 1 VVG heran. Eine ganze Reihe dieser Normen wurden von der Österreichischen Rechtsordnung wortwörtlich rezipiert, andere finden eine Entsprechung: sie werden daher im weiteren Gang der Untersuclmng mit zu berücksichtigen sein. Hierbei wird insbesondere auch noch der Beweisnotstandsgedanke zu prüfen sein132.
E. Zusammenfassung und Ausblick Heinrich Stolls Abgrenzung von Leistungs- und Schutzinteressen und die daran knüpfende Differenzierung der Beweislast überzeugt nicht. Möglicherweise bietet das Bestreben von Hans StolZ, die Beweislast aus dem Inhalt und Umfang der Schuldverhältnisse abzuleiten, einen brauchbaren Ansatz zur Lösung. Raapes Beweislastverteilung unter dem Gesichtspunkt des gegebenen Wortes und des Beweisnotstandes des Gläubigers fehlt die innere Geschlossenheit und eine tiefergehende Begründung. Seine Lehre kann deswegen und wegen ihres engen Bezuges zu § 694 BGB nicht ohne weiteres ins Österreichische Recht übernommen werden. Prölss' Lösungsversuch, die Beweislast nach Gefahrenbereichen aufzuteilen, mündet in Entscheidungen von Fall zu Fall. 128& 128
180 18 1 181
s. o. § 3. E.
VersR 1964, 905 und Beweiserleichterungen 81 f. VersR 1964, 904 und Beweiserleichterungen 79 ff. = §§ 93 und 116 dAktG 1965 = §§ 84 und 99 öAktG 1965. s. u. §§ 5, 6, 8. B. li. 1. b.
96
§ 4. Deutsche Auffassungen zu Beweislastfragen
Der deutschen Rechtsprechung, die ebenfalls zum vagen Begriff des "Gefahrenbereichs" Zuflucht sucht, fehlt daher genauso die klare Linie. Hat die Österreichische Rechtsprechung, der jegliche sachliche Begründung fehlt, ein sehr uneinheitliches Bild gezeigt und die Österreichische Lehre zur Beweislastverteilung zum Teil im Widerspruch zu § 1296 ABGB stehende, zum Teil nicht begründbare, nicht begründete oder nicht überzeugende Lösung gegeben, so ist auch der Befund der deutschen Interpretationen von Beweislastregeln nicht viel besser. Das Wagnis einer Begründung des Sinnes der Beweislastregeln soll daher wiederum unternommen werden. Mehr noch als etwa bisher bei PröZss soll eine Analyse von einzelnen Bestimmungen versucht werden, die eine Beweislastumkehr vorsehen. Wegen der möglichen Einheit der ratio sind vertragliche wie deliktische Beweislastbestimmungen gleichermaßen zu prüfen. Vor allen Dingen wird es im Folgenden darum gehen, festzustellen, inwieweit das von Prölss sosehr betonte Argument des Beweisnotstandes eine Rolle spielt.
§ 5. Einzelfälle einer Beweislastumkehr aufierhalb einer vertraglichen oder gesetzlichen Sonderverbindlichkeit A. Gebäude- und Tierhalterhaftung (§§ 836, 833 BGB, §§ 1319, 1320 ABGB) In seiner ursprünglichen Fassung enthielt das ABGB keine ausdrückliche Vorschrift über die Haftung des Gebäudehalters1 • Der die Tierhalterhaftung regelnde§ 1320 a. F. ABGB beschwerte den Beschädigten mit dem Beweis des Verschuldens2 • Die geltenden Haftungsregeln der §§ 1319 und 1320 ABGB entstammen der 3. Teilnovelle und haben die einschlägigen Bestimmungen des BGB (§§ 836, 833) zum Vorbild3 • Nach § 836 BGB und § 1319 ABGB haftet der Besitzer eines Gebäudes oder eines anderen Werks für Schäden, die deren mangelhafte Beschaffenheit verursachen, wenn er nicht beweist, daß er die zur Abwendung der Gefahr gebotene Sorgfalt angewendet hat. Entstehungsgeschichtlich zeigt sich folgendes Bild: Die Kommission für die 1. Lesung des BGB sprach sich für eine Haftung des Gebäudebesitzers wegen Sorgfaltsverletzung aus und lehnte eine diesbezügliche Beweislastumkehr ab, weil sich "an eine solche Vermuthung ... ähnliche Härten ... knüpfen können", wie an eine Erfolgshaftung4 • Der Kommission für die 2. Lesung des BGB lagen sowohl Anträge auf Beweislastumkehr als auch solche auf Statuierung einer reinen Gefährdungshaftung vor5 • Die Beweislastumkehr wurde Gesetz und ist 1 Der der römischen cautio damni infecti verwandte, aus der ursprünglichen Fassung des ABGB stammende § 343 sah und sieht für den Besitzer eines dinglichen Rechts eine im Possessorium erzwingbare Sicherstellung für Einsturzschäden vor, die den Gebäudebesitzer zur Beseitigung des gefährlichen Zustandes verhalten soll (Ofner, Protokolle I 239). Eine im Possessorium erzwingbare Sicherstellung für Einsturzschäden setzt naturgemäß voraus, daß Gebäudebesitzer in irgendeiner Weise für Schädigungen haften müssen. Die Sicherstellung eines Ersatzanspruches, der prinzipiell nicht gewährt wird, wäre ja ein Unding. Die Gebäudehalter hatten also bereits vor der 3. Teilnovelle zu haften. Aus § 343 ABGB konnte freilich kaum abgeleitet werden, unter welchen Umständen Ersatz zu leisten war. Für heute ist ein Streit darüber wegen des § 1319 ABGB müßig. Unger wollte aus § 343 ABGB eine Erfolgshaftung ableiten (Handeln auf eigene Gefahr2 , 80 FN 18). Zeiller ging offenbar von der Verschuldeoshaftung aus (vgl. Ofner, Protokolle I 239). 2 Zum Verschuldeosbegriff des ABGB s. u. § 7. B. 3 Vgl. 3. TN-Materialien 393 f. und 396 f.
4 5
BGB-Motive2 II 817 f. BGB-Protokolle II 650 ff.
7 Reisehauer
§ 5. Beweislastumkehr außerhalb einer Sonderverbindlichkeit
98
als Kompromiß zwischen Verschuldens-6 und Gefährdungshaftung zu deuten. Daß einer derartigen Beweislastumkehr weitgehend in ihrer Wirkung einer Gefährdungshaftung gleichkommt, haben bereits die Motive zum BGB bei ihrer Ablehnung einer Beweislastumkehr verdeutlicht. So betont denn auch Larenz zu § 836 BGB die Nähe zur Gefährdungshaftung7 und Esser spricht von klarem Einschlag hierzu8 • Auch den Materialien zur 3. Teilnovelle des ABGB ist die Verwandtschaft des§ 1319 ABGB mit der Gefährdungshaftung klar. Sie sprechen von "verschärfter Kulpahaftung" im Gegensatz zur "reinen Gefährdehaftung"9 bzw. "absoluten Gefährdehaftung" 10. Ein Hinweis der Gesetzesverfasser auf die Beweislastverteilung des damals geltenden Automobilhaftpflichtgesetzes rundet das gezeichnete Bild ab11 • In einer Zeit, in der das Verschuldeosprinzip sehr stark im Bewußtsein verankert ist, wagt man nicht offen davon abzugehen und greift zur Beweislastumkehr12. Materiellrechtliche Erwägungen sind der Hintergrund. Hier z. B. die Wertung, daß derjenige, der eine Sache von potentieller Gefährlichkeit zu seinem Vorteil hält und damit andere Gefahren aussetzt, mehr Risiko aufgeladen bekommt13. Treffend reihen Koziol I Welser die Haftung für Bauwerke (§ 1319 ABGB) in die Haftung für gefährliche Sachen ein und stellen sie neben die Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftung sowie die sonstigen Fälle von Gefährdungshaftung14• 8 Sorgfaltsverletzung und Verschulden verwenden die Verfasser des BGB noch synonym - vgl. z. B. BGB-Protokolle II 653. 7 Schuldrecht10 li 490. 8 Schuldrecht• II 433.
e 3. TN-Materialien 394. 10 3. TN-Materialien 393. 11 3. TN-Materialien 394. 12 Vgl. Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz 146; Albert A. Ehrenzweig, Schuldhaftung 41 f.; Bienenfeld, Die Haftungen ohne Verschulden 42 f.
ta Die Beweislastumkehr zu Lasten eines Gebäudeunterhaltungspflichtigen BGB) oder des Tierhüters (§ 834 BGB) erhält insoferne eine gewisse
(§ 838
Berechtigung, als der Geschädigte nicht schlechter gestellt werden soll, wenn der Tierhüter bzw. der Gebäudebesitzer die Betreuung der Sache einem anderen überläßt. Angemessener wäre es i. d. R. wohl, den Halter der Sache für solche Personen, vorbehaltlich eines Rückgriffsrechts, einstehen zu lassen. 1• GrundrißS I 316 ff. Vgl. auch Koziol, Haftpflichtrecht I 144, wo angedeutet wird, daß es sich überhaupt um eine Haftung unabhängig vom Verschulden im subjektiven Sinne handeln könnte. Der Halter würde demnach auch haften, wenn er beweisen könnte, daß ihm die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt persönlich nicht zum Vorwurf gemacht werden kann. An anderer Stelle (271) spricht Koziol im Zusammenhang mit den §§ 1319 und 1320 ABGB allerdings von einer Beweislastumkehr für Verschulden. Das Verschulden versteht Koziol ansonsten aber im subjektiven, nicht im objektiven Sinn (vgl. Haftpflichtrecht I 101).
A. Gebäude- und Tierhalterhaftung
99
Während der Code civil (Art. 1386) und das schweizer OR (Art. 58) eine echte Gefährdungshaftung bei Beschädigung durch Gebäude kennen, begnügen sich BGB und ABGB mit einem Zwischending von Verschuldens-und echter Gefährdungshaftung. Noch deutlicher als bei der Gebäudehalterhaftung zeigt sich diese Kompromißlösung bei der Tierhalterhaftung. Die Motive zum BGB verneinten auch hier ein Bedürfnis zur Beweislastumkehr15• Der von der Kommission für die 2. Lesung des BGB angenommene Antrag sah dagegen grundsätzlich Gefährdungshaftung vor, doch sollte sich der Tierhalter bei Schädigungen durch Haustiere entlasten können. Echte Gefährdungshaftung für die eine, Beweislastumkehr für die andere Kategorie der Tiere16• Bei der Reichstagskommission fand jedoch dieser Regelungsvorschlag, der sich über Anträge auf Gefährdungshaftung für alle Tierarten hinwegsetzte, keine Gegenliebe. Daher wurde eine einheitliche Gefährdungshaftung Gesetz. Aber schon eine Novelle aus dem Jahre 190817 setzte bezüglich der Haustiere, die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dienen, an die Stelle echter Gefährdungshaftung die Beweislastumkehr, weil die Gefährdungshaftung als zu große Belastung für kleinere Landwirtschafts- und Gewerbebetriebe empfunden wurde18• Der Einschlag der Beweislastumkehr zur Gefährdungshaftung ist nicht zu übersehen. § 833/1 BGB stellt sie auch als Grundsatz auf und läßt nur für Haustiere zu bestimmter Verwendung die Entlastung zu. Wie schon erwähnt, belastete § 1320 a. F. ABGB den durch ein Tier Geschädigten ausdrücklich mit dem Verschuldensbeweis19• Interessant ist die Entstehungsgeschichte dieser Norm. Der Codex Thersianus kleidete die Tierhalterhaftung in eine unwiderlegliche Verschuldensvermutung20. Die Verschuldensvermutung des Entwurfs Horten dürfte schon eher als Beweislastumkehr zu deuten sein21 • Erst der Entwurf 15 1&
BGB-Motive2 II 812. BGB-Protokolle II 646 ff.
RGBl. 1908, 313. Vgl. Larenz, Schuldrecht1° li 491. s. a. 3. TN-Materialien, 396. 19 § 1320 a. F. ABGB lautete: "Wird jemand durch ein Thier beschädiget, so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt, oder zu verwahren vernachlässiget hat. Kann niemand eines Verschuldens dieser Art überwiesen werden; so wird die Beschädigung für einen Zufall gehalten." 2° CTh. III, 22, 31 (Harrasowsky, Codex Theresianus III 384): "Endlich gehöret unter die für Verbrechen geachtete Handlung diejenige Beschädigung, welche durch fremdes Vieh zugefüget wird ... wofür allemal der Herr des Viehs zu haften hat, weilen ihme schon die That zur Schuld gerechnet wird, daß er nicht mehrere Vorsicht gebrauchet, um den Schaden zu verhüten." 21 H III, 23, 14 (Harrasowsky, Codex Theresianus IV 520): "Außer diesen Fällen soll der Eigenthümer des Viehes jedesmal für den von demselben Jemanden zugefügten Schaden verfänglich werden, nicht nur wenn es 17
18
7•
100
§ 5. Beweislastumkehr außerhalb einer Sonderverbindlichkeit
Martini, der zunächst eine (unwiderlegliche?) Vermutung zu Lasten des Eigentümers vorsah22, bürdete dem Verletzten die Beweislast auf23 • Der Urentwurf und § 1320 a . F. ABGB übernahmen diese Regelung: Die ursprünglich vorgesehene Gefährdungshaftung wurde als reine Verschuldeushaftung Gesetz. Die Rechtsprechung setzte sich jedoch über§ 1320 a. F. ABGB mit verschiedenen Mitteln hinweg. Zum einen Teil überspannte sie die Sorgfaltsanforderungen extrem24, zum anderen Teil bürdete sie dem Tierhalter entgegen dem unmißverständlichen Wortlaut des § 1320 a. F. ABGB die Entlastung unter Berufung auf § 1298 ABGB auf25 • Besonders bemerkenswert ist eine Entscheidung aus dem Jahre 1888, in der die 2. Instanz, der sich der OGH anschloß, § 1320 a. F. ABGB im Sinne des Entwurfes Horten (s.o.) interpretierte26 • Mit dieser Rechtsprechung konfrontiert standen die Verfasser der 3. Teilnovelle vor allem vor der Frage, ob sie eine "unbedingte Erfolgshaftung" oder eine Beweislastumkehr vorsehen sollten27 • Die oben geschilderte Entwicklung der Tierhalterhaftung zum BGB ließ sie zum Schlusse kommen, daß sich die "volle 28 Gefährdehaftung" nicht bewährt habe und so schritten sie zur Beweislastumkehr. Damit werde der "Beschädigte nicht schon an der Schwierigkeit des Beweises scheitern", dem praktischen Bedürfnisse werde genützt sein, und die Judikatur dürfte sich dann "auch im übrigen genauer an das Gesetz halten, ohne die Idee der Gefährdehaftung zu überspannen" 29•
Die Gefährdehaftung steckt also hinter der Beweislastumkehr, der Beweisnotstandsgedanke ist nur ein Hilfsargument. Deutlich wird die erwiesen werden kann, daß er oder seine Leute durch ihre Gefährde oder Nachlässigkeit zu dem Schaden Anlaß gegeben, sondern so oft Jemands Vieh einen Andern an seiner Person . . . oder ... Sachen beschädiget . .., so soll für allgemein vermuthet werden, daß der Eigenthümer durch seine Eigene, oder durch seiner Leute Verwahrlosung an diesem Schaden Ursache gewesen sei." 22 Harrasowsky, Codex Theresianus V 215 FN 12: "... so streitet die Vermuthung gegen den Eigenthümer, welcher demnach entweder einen angemessenen Ersatz leisten, oder das Thier dem Verletzten überlassen muß". 23 M III, 13, 47 (Harrasowsky, Codex Theresianus V 215): "Wird Jemanden durch ein Thier Verletzung oder Schaden zugefügt, so ist Derjenige, der es dazu angetrieben, gereizt, gehetzt oder zu verwahren vernachlässiget hat, dafür verantwortlich; kann Niemand eines Verschuldens überwiesen werden, so ist die Verletzung oder Beschädigung für einen blosen Zufall anzusehen." 24 Vgl. GlUNF 2.204, 4.760, 4.835: Es genügt, wenn der Besitzer die Möglichkeit einer Beschädigung durch dieses Tier nicht als ausgeschlossen halten konnte. GlUNF 2.632: Wer einem Tier freie Bewegung gestattet, der tut dies auf seine Gefahr (ähnlich GlUNF 2.204). 25 GlUNF 2.040 und GlU 12.274. 28 GlU 12.274. 21 3. TN-Materialien 395 f. 28 Im Original nicht hervorgehoben. 2u 3. TN-Materialien 396.
A. Gebäude- und Tierhalterhaftung
101
Beweislastumkehr im Gegensatz zur "unbedingten", "vollen" Erfolgshaftung gesetzt. Wenn die Beweislastumkehr bei der Gebäudehalterhaftung als verschärfte Kulpahaftung bezeichnet wird, so macht dies deutlich, daß es keineswegs in erster Linie um die größere Beweisnähe des Gebäude- oder Tierhalters geht. Wenn dem Halter der Entlastungsbeweis bei Schuldlosigkeit so leicht fiele, gäbe es wenig Anlaß von verschärfter Verschuldenshaftung zu sprechen. Wird Verschulden i. w. S., d. h. die Sorgfaltsverletzung mitumfassend, zum allgemeinen Haftungsprinzip im Deliktsrecht erklärt, so bedient sich die Rechtsprechung häufig einer Beweislastumkehr zur heimlichen Gesetzesuntreue30, die Gesetzgebung, die dem Verschuldensprinzip den Strömungen einer Zeit folgend - huldigt, durchlöchert es ebenfalls31 (allerdings immer dazu autorisiert) durch die Beweislastumkehr und ist sich dabei des Beifalls der Puristen einer Idee weitgehend sicher. Hanausek, der die Folgen einer Beweislastumkehr sehr wohl einzuschätzen wußte, wollte dem Richter freie Hand für eine Beweislastumkehr insb. auch in jenen Fällen lassen, in denen für die Gefahren eines Betriebes kein Spezialgesetz eine Erfolgshaftung normiert32• Die Materialien zur 3. Teilnovelle verwarfen diesen Gedanken, weil die legislatorisch bedeutsame Frage, ob Erfolgs- oder Kulpahaftung nicht der freien richterlichen Rechtsfortbildung überlassen werden dürfe33• Die Beweislastumkehr wird hier als Schritt zur Erfolgshaftung angesehen. In § 1319 und § 1320 ABGB wird er vollzogen. Nicht zu Unrecht, wenn auch etwas überspitzt, bezeichnet Gschnitzer die Tierhalterhaftung als eine "in die Form der Beweislastumkehr gekleidete Gefährdungshaftung"34. Blicken wir über die Bestimmungen des ABGB und des BGB hinaus, so sehen wir immer wieder, daß auch dort, wo ohne jeden Zweifel Gefährdungshaftungen Gegenstand der Regelung sind343, der Gesetzgeber mit Beweisregeln über Sorgfaltsverletzungen arbeitet, allerdings mit einer erheblichen Anhebung des Sorgfaltsmaßstabes, so daß einer Entlastung schon deshalb weitgehend der Weg abgeschnitten ist. Zusammenfassend ist zur Gebäude- und Tierhalterhaftung zu sagen: Der Grund der dort vorgenommenen Beweislastverteilung ist eine nicht gewagte Gefährdungshaftung, deren ratio wieder die Gefährlichkeit der Sache ist. Vgl. Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts 16. s. o. vor FN 10 und in FN 10. 3: GZ 1911, 122. 33 3. TN-Materialien 378. 34 Schuldrecht. Besonderer Teil181. 34a s. u. D. E. 30
31
102
§ 5. Beweislastumkehr außerhalb einer Sonderverbindlichkeit
Während in den Protokollen zum BGB bei der Gebäudehalterhaftung ein Hinweis auf das Beweisnotstandsargument fehlt, find~t sich ein solcher bei der Tierhalterhaftung35 • Die Materialien zur 3. Teilnovelle erwähnen es in beiden Fällen88• Hinter diesen Beweisregeln steht aber, wie gezeigt, eine abgeschwächte Erfolgshaftung für potentiell gefährliche Sachen. Im Unterschied zum BGB sind die §§ 1319, 1320 ABGB die einzigen Bestimmungen des Deliktsrechts, in denen das ABGB ausdrücklich eine Beweislastumkehr vorsieht.- Ob sich § 1298 ABGB auf den Bereich des Deliktsrechts erstreckt, ist erst zu ergründen37• B. Die Haftung für Besorgungs-(Verrichtungs-)Gehilfen (§ 1315 ABGB; anders: § 831 BGB) Während sich bei der Erfüllungsgehilfenhaftung das Beweislastproblern als solches nicht gesondert stellt, weil der Geschäftsherr bezüglich der Haftung für einen Erfüllungsgehilfen so zu stellen ist, wie wenn er selbst gehandelt hättte, die Beweislastprobleme also im Verhältnis Geschäftsherr - Vertragspartner in beiden Fällen dieselben sind, zeigt sich hinsichtlich der Besorgungs-(Verrichtungs-)gehilfenhaftung insoferne eine Abweichung, als diese Gehilfen nicht als das alter ego des Geschäftsherrn zu betrachten sind. Für die Haftung des Geschäftsherrn sind hier besondere Kriterien von Bedeutung: Nach ABGB Untüchtigkeit des Gehilfen oder Wissen um dessen Gefährlichkeit; nach BGB genereller: Auswahlverschulden; fehlende Sorgfalt bei der Beschaffung der beigestellten Gerätschaften etc. Im Unterschied zum ABGB (vgl. § 1315) kennt das BGB für derartige Haftungselemente bei der Verrichtungsgehilfenhaftung eine Beweislastverschiebung (§ 831 BGB). Eine derartige Abweichung findet sich auch bei der Haftung des Aufsichtspflichtigen (§ 1309 ABGB; § 832 BGB). Zur Haftung des Aufsichtspflichtigen können wir in den Protokollen zum BGB nachlesen, daß es bezüglich der Beweislast zweckmäßiger erscheine, "von dem Aufsichtspflichtigen, der leichter im Stande sei, die Gründe seines Verhaltens darzulegen, die Erbringung des Entlastungsbeweises zu fordern als von dem Beschädigten die Herbeischaffung der belastenden Momente" 38• Bei der Haftung für Verrichtungsgehilfen verweisen die Materialien auf diese Ausführungen und auf die zu Lasten eines betrunkenen Schädigers (§ 827/letzter Halbsatz BGB)39• Dieser hat nämlich darzulegen, daß er ohne Verschulden in den BGB-Protokotle II 647. 3. TN-Materiatien 393 u. 396. 37 s. u. § 9. Vgl. auch die Beweislastregel des § 1297 ABGB s. u. § 11. A. ss BGB-Protokotle II 595. 3t BGB-Protokolle II 598. 35
38
B. Haftung für Besorgungs-(Verrichtungs-)gehilfen
103
fraglichen Zustand geraten ist. Auch hier wird das Beweisnotstandsargument herangezogen40 • Medizinischen Einwänden, daß selbst bei geringfügigem Alkoholgenuß unter ungewöhnlichen Umständen unverschuldete Berauschung entstehen könne, wird entgegnet: "Das Gesetz könne nicht deswegen, weil Gefahr bestehe, daß ein Verschulden angenommen werde, das in Wirklichkeit nicht vorhanden sei, auf den notwendigen Schutz gegen die von Seiten der Trunkenen drohenden Gefahren verzichten40." Das Beweisnotstandsargument ist also, sobald es für den Schädiger ins Treffen geführt wird, gar nicht mehr entscheidend, er soll wegen seines Zustands haften, wenn er in Beweisnotstand gerät. Wer Alkohol trinkt, tut dies auf eigene Gefahr. Anläßlich der umfassenden Novellierung des ABGB fehlte es hinsichtlich der Besorgungsgehilfenhaftung und der Haftung für Aufsichtspflichtige nicht an Anregungen zur Haftungsverschärfung. Randa schlug für Gehilfen, egal, ob sie zur Erfüllung einer Verbindlichkeit oder nur zur Besorgung eigener Angelegenheiten verwendet werden, eine Erfolgshaftung des Geschäftsherrn für die in Ausführung der zugewiesenen Verrichtungen widerrechtlich zugefügten Schäden vor. Aufsichtspflichtige sollten hingegen, ähnlich der Regelung des § 832 BGB beweisen, daß sie die gehörige Sorgfalt aufgewendet haben41 • Die Verfasser der 3. Teilnovelle verweigerten für die Besorgungsgehilfenhaftung in Ablehnung von Randas Vorschlag zu§ 1315 ABGB auch die Beweislastumkehru, § 1309 ABGB beließen sie in seiner ursprünglichen Fassung, die keine Beweislastumkehr vorsieht. Wenn die Mitglieder der Herrenhauskommission bei der Gebäudeund Tierhalterhaftung das Beweisnotstandsargument bemühen, bei der Besorgungsgehilfenhaftung hingegen eine Beweislastumkehr ablehnen, so zeigt dies, daß sie es mit dem Beweisnotstandsargument nicht besonders ernst nahmen: Die ursprünglich geplante Fassung des§ 1315 ABGB verlangte nicht nur bezüglich der Gefährlichkeit, sondern auch bezüglich der Untüchtigkeit die Kenntnis des Geschäftsherrn als Haftungsco BGB-PTotokolle II 590. Randa, Entwurf einer neuen Redaktion des 30. Hauptstücks des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, § 1315 ABGB: "Der Geschäftsherr oder ct
Unternehmer, welcher jemanden zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser in Ausführung der zugewiesenen Verrichtung einem Dritten widerrechtlich verursacht hat. Personen, welche rechtlich verpflichtet sind, die Aufsicht über eine im gemeinschaftlichen Haushalte befindliche minderjährige Person zu führen, wie Eltern, Erzieher und Lehrherren, haften für den von diesen verursachten Schaden, insoferne sie nicht beweisen, daß sie die im Verkehre oder durch besondere Vorschriften gebotene Sorgfalt bei der Beaufsichtigung angewendet haben." - abgedruckt in: Randa, Schadenersatzpflichtz, 250 und Schadenersatzpflicht1 274. cz 3. TN-Materialien 391 f.
104
§ 5. Beweislastumkehr außerhalb einer Sonderverbindlichkeit
voraussetzung49 • Das Wissen des Geschäftsherrn um bestimmte Eigenschaften des Gehilfen wird der Außenstehende nicht besonders leicht beweisen können44 ; Wissen um die Gefährlichkeit vielleicht noch schwerer als das um die Untüchtigkeit. Das Wissen um die Gefährlichkeit ist als Anspruchsvoraussetzung Gesetz geworden, die Haftung wegen Untüchtigkeit wurde davon unabhängig gestaltet. Die diesbezügliche Beweislast blieb beim Beschädigten. Die Untüchtigkeit wird sich zum Teil prima facie aus dem Schädigungsvorgang oder dem schädigenden Erfolg ableiten lassen. Dennoch steht der durch Besorgungsgehilfen Geschädigte hinsichtlich der Sachverhaltskenntnis typischerweise nicht besser als z. B. der durch das Ablösen von Gebäudeteilen Verletzte. Der Geschäftsherr wiederum wird regelmäßig leichter beweisen können, daß sein Gehilfe tüchtig ist, als der Geschädigte das Gegenteil, dies insbesondere dann, wenn der Besorgungsgehilfe Dienstnehmer des Geschäftsherrn ist, also im häufigsten Fall der Besorgungsgehilfenhaftung. Da die Haftung für die Untüchtigkeit eines Besorgungsgehilfen unabhängig vom Verschulden des Geschäftsherrn konzipiert ist, ist sie insoferne eine Erfolgshaftung. Die amtliche Begründung der kaiserlichen Verordnung über die 3. Teilnovelle formuliert - wohl in Anlehnung an Unger - : "Wer zu einem Geschäfte in seinem Interesse eine untüchtige Person bestellt, soll dies auf eigene Gefahr tun, nicht auf Gefahr Dritter ... " 45 • Wer also andere in seinem Interesse einsetzt, soll erhöhtes Risiko tragen. Das ABGB sieht eine Erfolgshaftung für die Untüchtigkeit des Gehilfen vor. Im Unterschied zum ABGB kommt § 831 BGB dem Geschädigten auf der Beweisebene entgegen. Hat ein Verrichtungsgehilfe geschädigt, so muß der belangte Geschäftsherr zur Haftungsbefreiung beweisen, daß ihn kein Auswahlverschulden trifft bzw., wenn er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtungen zu überwachen hatte, daß er die erforderliche Sorgfalt aufgewendet hat oder daß die Sorgfaltswidrigkeit nicht schadenskausal war. Wie bei der Gebäude- und Tierhalterhaftung sollte nach dem Willen der Kommission für die erste Lesung des BGB die volle Beweislast beim Geschädigten liegen46 • Die Beweislastverteilung entspringt ebenfalls einem Kompromiß von bloßer Erfolgs- und reiner Verschuldenshaftung. Die Anhänger der ErfolgsVgl. 3. TN-Materialien 391 und 114. Man wende nicht ein, daß es für Vorsatz ohnehin keine Beweislastumkehr gebe. - Wer bewußt eine gefährliche Person einstellt, muß und wird i. d. R. keinen Schädigungsvorsatz haben. 45 3. TN-Materialien 46. Vgl. Unger, Handeln auf eigene Gefahr2 63, wo sich der fast wörtlich gleichlautende Satz findet. - s. a. 3. TN-Materialien 391: Die Herrenhauskommission stellte sich noch in Gegensatz zu Unger. 43
44
48
BGB-Motive2 II 735.
C. Haftung des Aufsichtspflichtigen
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haftung führten, ähnlich der amtlichen Begründung der kaiserlichen Verordnung zur 3. Teilnovelle, ins Treffen, "daß derjenige, der die Vorteile eines Unternehmens genieße, auch für die Schäden aufzukommen habe, die für Dritte daraus entstehen" 47 • Dieses Argument anerkannte auch die Mehrheit der Kommissionsmitglieder als berechtigt, sie wandte jedoch ein, daß dieser Gedanke im Rahmen des BGB nicht ausgestaltet werden könne. Spezialgesetze müßten alle in Betracht kommenden Fragen bezüglich einer so strengen Haftung abwägen, wie z. B. Größe der Betriebe, Selbstversicherung, Zwangsversicherung etc. Mit der "Umkehr der Beweislast sei die Lage der Beschädigten ohnehin dem Entwurf gegenüber "erheblich gebessert und die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn richtig bemessen". - Die Beweislastumkehr bezweckt also Haftungsverschärfung. ABGB und BGB regeln vor demselben Problem stehend aus ähnlichen Motiven die Haftung für Besorgungsgehilfen auf verschiedene Weise. Das Beweisnotstandsargument hat in der Regelung des ABGB überhaupt keinen Platz, im BGB gibt es zumindest nicht alleine den Ausschlag.
C. Die Haftung des Aufsichtspflichtigen (§ 832 BGB anders: § 1309 ABGB) Das BGB läßt die Schädigung durch einen zu Beaufsichtigenden für die Begründung des Ersatzanspruches genügen, wenn der Aufsichtspflichtige nicht beweist, daß er seiner Aufsichtspflicht genügt hat bzw., daß der Schaden auch bei gehöriger Aufsicht eingetreten wäre. Das ABGB läßt den Aufsichtspflichtigen für die Vernachlässigung der Obsorge haften und erwähnt in diesem Zusammenhang keine Beweislastumkehr. Das BGB nimmt demnach die Schädigung zum Anknüpfungspunkt für die Haftung, das ABGB die nach objektiven Kriterien zu bestimmenden Sorgfaltsverletzung (Vernachlässigung der Obsorge). Eine Beweislastverteilung in Analogie zu den §§ 1319 und 1320 ABGB verbietet sich aus folgenden Gründen: Die Redaktoren der 3. Teilnovelle nahmen weitgehend das BGB als Vorbild zur Umgestaltung des ABGB. Sie regelten die Haftung des zu Beaufsichtigenden (§§ 1308, 1310 ABGB 48), in deren äußeren und inneren Zusammenhang die Aufsichtspflicht steht, neu, ließen aber § 1309 ABGB unberührt. Dies, obwohl ihnen § 832 BGB selbstverständlich nicht unbekannt war und sie in den §§ 1319 und 1320 ABGB in Anlehnung an die§§ 836, 833 BGB eine Beweislastumkehr vornahmen. Im Zusammenhang mit § 1315 ABGB BGB-Protokolle li 603. In§ 1308 ABGB wurde das Wort "Kinder" durch das Wort "Unmündige" im Hinblick auf§ 1310 ABGB geändert.- 3. TN-MateTialien 388. 47
48
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§ 5. Beweislastumkehr außerhalb einer Sonderverbindlichkeit
lehnten sie eine Beweislastumkehr sogar ausdrücklich ab. Da sie sich bei dieser Gelegenheit auch auf Randas in Gesetzesform gegossenen Vorschlag zu § 1315 ABGB 411 in ablehnender Weise bezogen50, Randa in § 1315 ABGB aber auch eine Beweislastumkehr bezüglich der Aufsichtspflichtigen formulierte, so ist es kaum verfehlt, anzunehmen, daß die Herrenhauskommission, auch wenn dies nicht ausdrücklich in den Materialien festgehalten ist, erst recht nichts von einer Beweislastumkehr zu Lasten der Aufsichtspflichtigen wissen wollte. Nach österreichischem Recht hat also der Geschädigte die Verletzung der gehörigen Aufsicht zu beweisen. Gerade dieser Beweis macht dem Außenstehenden gewisse Schwierigkeiten. Häufig wird freilich ein Indizienbeweis weiterhelfen. Benutzt ein noch unreifes Kind gefährliches Spielzeug, so wird sich ermitteln lassen, woher es das Spielzeug hat, daraus wird sich wiederum folgern lassen, ob z. B. die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Bei Geisteskranken lassen Krankheitszustand und Schädigungssituation Rückschlüsse zu. Daß geistig gesunde Kinder bestimmten Alters aus erzieherischen Gründen etwa im Straßenverkehr oder auf dem Spielplatz in allmählich wachsendem Ausmaß sich selbst überlassen bleiben müssen, erfordert schon die Erziehung. Die Erziehung unter ständiger Beaufsichtigung kann keine selbstverantwortlichen Menschen formen. Gerade die Bildung des Verantwortungsbewußtseins ist auch hinsichtlich der Vermeidung von Schädigungen durch die später aus der Erziehung Entlassenen erforderlich. Es wäre auch widersinnig, die Aufsichtspflicht des § 832 BGB oder des § 1309 ABGB so zu verstehen, daß Kinder dauernd zu überwachen seien. Die Beaufsichtigung beschränkt sich auf die Entziehung von gewissem Spielzeug, die Erteilung von Weisungen, gelegentliche Kontrollen usw. Ist das teilweise Unbeaufsichtigtsein ein notwendiges Element der Erziehung, so ergeben sich für Dritte naturgemäß gewisse Gefahren, die als solche nicht schon in der Verletzung der Aufsichtspflicht ihre Ursachen haben. Knüpft ein Gesetz, wie BGB, an die Schädigung durch einen zu Beaufsichtigenden die Beweislastumkehr für die Sorgfaltsverletzung, so bringt es eine bedeutende Haftungsverschärfung. Die einer derartigen Beweislastregel zugrundeliegende Tendenz dürfte die deutschen Gerichte auch dazu veranlaßt haben, an die Aufsichtspflicht besonders strenge Maßstäbe anzulegen. Die Deutung des § 832 BGB durch die Gerichte hat, wie Larenz zeigt5 t, dazu geführt, die Eltern für die Unfolgsamkeit ihres Kindes einstehen zu lassen, in dem sie ihnen das Risiko ihres erzieherischen Mißerfolges auflastet. 4D
50
51
s. o. vor FN 41 und in FN 41. s. o. vor FN 42 und in FN 42. Schuldrecht1° II 493.
C. Haftung des Aufsichtspflichtigen
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Gelegentlich findet sich in der Österreichischen Rechtsprechung zu § 1309 ABGB die Aussage, der Geschädigte habe die Vernachlässigung der Obsorge, der Aufsichtspflichtige die Schuldlosigkeit zu beweisen52 • In einer Entscheidungsveröffentlichung findet sich der Bezug auf § 1298 ABGB53, in der anderen, einige Jahre später erschienenen, fehlt ein solcher54• Diese nicht begründete, wohl von Wolff übernommene Aussage zu § 1298 ABGB66 , war praktisch für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil der Sachverhalt in den beiden Fällen völlig aufgeklärt werden konnte, so daß sich Beweislastprobleme überhaupt nicht stellten. Der Bezug auf § 1298 ABGB erfolgte also bloß obiter. Die Beweislastverteilung nach dem Konzept des OGH würde aber auch nicht weiterhelfen, wenn sich die Sachverhaltsaufklärung schwierig gestaltet hätte. Wenn es Schwierigkeiten für den Geschädigten gibt, dann wohl in erster Linie in der Frage der Verletzung der Aufsichtspflicht. Diesbezüglich belastet der OGH den Kläger mit dem Beweis, während § 832 BGB gerade dafür die Beweislast umkehrt. Belastet man den Geschädigten mit dem Beweis der Aufsichtspflichtsverletzung und hält man sich den Inhalt der Aufsichtspflicht vor Augen, so bleibt bei Gelingen dieses Beweises dem Aufsichtspflichtigen praktisch nur mehr in sehr seltenen Fällen die Entlastung offen. Die Aufsichtspflicht i. S. des § 1309 ABGB bedeutet nichts anderes als die Pflicht, Sorgfalt anzuwenden, auf daß der zu Beaufsichtigende niemanden schädige. Das Maß dieser Sorgfalt bestimmt sich einerseits nach der Alters-, Gemüts-, Geistes- und Körperverfassung des zu Beaufsichtigenden und andererseits nach den vom Gesetz vorausgesetzten durchschnittlichen Fähigkeiten eines Aufsichtspflichtigen. Es handelt sich also um eine nach objektiven Maßstäben bestimmte Sorgfalt. Ist die Verletzung dieser Sorgfalt, d. h. der Aufsichtspflicht, erwiesen, dann ist, wenn überhaupt, nur mehr eine Entlastung bezüglich subjektiver Umstände möglich. Regelmäßig ist aber mit dem Beweis der Verletzung der beschriebenen Sorgfalt, der Aufsichtspflicht, auch der des nach subjektiven Kriterien zu bemessenden Verschuldens erbracht. Hat der Vater seinem 5jährigen Sohn Pfeil und Bogen unbeaufsichtigt überlassen oder dieses Spiel51 OGH 6. 10. 1961, 2 Ob 209161, JBl. 1962, 263 = EvBl. 196215 = SZ 34/137 = EFSlg. 1.932; 2. 12. 1965, 2 Ob 371165, EFSlg. 4.695. - Das erstemal findet sich diese Aussage in der E vom 17. 12. 1929, 3 Ob 663129, JBl. 1930, 343. Der OGH berief sich dabei auf Klang I Wolff1 IV 75. Klang I WolffZ VI 77 FN 8 vermerkt dies als übereinsti.mmung. In Wirklichkeit hatte der zu entscheidende Fall überhaupt nichts mit § 1309 ABGB zu tun, weil nicht die Schädigung eines Dritten zur Debatte stand, sondern die Frage, ob der Aufsichtspflichtige (eine Irrenanstalt) den zu Beaufsichtigenden vor sich selbst genügend geschützt hatte. 58 JBl. 1962, 263 - s. vorige FN. 54 EFSlg. 4.695. Dasselbe gilt für JBl. 1930, 343 s. FN 50. 55 s. FN 52.
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§
5. Beweislastumkehr außerhalb einer Sonderverbindlichkeit
zeugnicht genügend sicher vor ihm verwahrt und verletzt sein Kind ein anderes damit beim Spiel, so ist mit dem Beweis des Überlassens bzw. der nicht genügenden Verwahrung des Spielzeuges die Verletzung der Aufsichtspflicht bewiesen. Ist der Vater mit durchschnittlichen Fähigkeiten begabt, so gereicht ihm diese Sorgfaltsverletzung auch zum subjektiven Verschulden. Dieses Ineinanderfließen des subjektiven und objektiven Maßstabes zeigt auch die Entscheidung eines Falles56 deutlich, der freilich allein mit der Besorgungsgehilfenhaftung zu lösen gewesen wäre, weil der Aufsichtspflichtige zur Besorgung seiner Angelegenheiten eine untüchtige Person bestellte: Der beklagte Vater hatte die Aufsicht über sein 3jähriges Kind der gehbehinderten Großmutter überlassen. Diese konnte naturgemäß das Kind nicht verfolgen, als es mit einem Tretroller auf die Straße fuhr und einen Unfall verursachte. Indem der Vater das Kind dessen gehbehinderter Großmutter überließ, hatte er außerdem selbst seine Aufsichtspflicht verletzt. Jeder vernünftige Mensch sieht ein, daß man einer gehbehinderten Person außerhalb eines geschlossenen Raumes ein 3jähriges Kind nicht anvertrauen kann. Da der Vater mit normalem Verstand begabt war, gereicht ihm diese Sorgfaltsverletzung auch subjektiv zum Verschulden. So sagt dann auch der OGH (ohne Sorgfaltsverletzung und Verschulden im subjektiven Sinn zu trennen, wie er es bei seiner obiter ausgesprochenen Beweislastverteilung andeutet): "Wenn der Beklagte ... die Aufsicht ... seiner Mutter überlassen hat, hat er seine Obsorgepflicht schuldhaft vernachlässigt." - Objektiver und subjektiver Maßstab fließen hier so sehr ineinander, daß man sich regelmäßig in solchen Fällen den Unterschied gar nicht bewußt macht. Die Trennung ist dennoch wichtig, weil auch subjektive Umstände zu berücksichtigen sind. Das Österreichische Recht nimmt in Kauf, daß dem Geschädigten der Beweis der Verletzung der Aufsichtspflicht mißlingt, das BGB, daß dem Aufsichtspflichtigen der Beweis der gehörigen Aufsicht mißlingt. Rechtspolitisch scheint letztlich doch die Lösung des ABGB richtiger. Die Erziehung von Kindern legt den Eltern große Lasten im Interesse der Allgemeinheit auf, daher sollen sie in Zweifelsfällen nicht auch noch ersatzpflichtig werden. Halten wir uns nochmals das Beweisnotstandsargument vor Augen, so zeigen die veröffentlichten Entscheidungen der Österreichischen Judikatur durchwegs, daß der Sachverhalt voll aufgeklärt werden konnte. Eine erhebliche Anzahl von Klagen wurde abgewiesen, weil man auf Grund des aufgeklärten Sachverhaltes die Aufsichtspflicht nicht für verletzt ansah. Daß eine Klage abgewiesen worden wäre, weil der Kläger den zu beurteilenden Sachverhalt nicht beweisen konnte, ist nicht ersichtlich. Beweisnotstand 68
EFSlg. 4.695.
D. Haftung des Kfz-Halters
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spielte für die Abweisung von Klagen keine Rolle. Das Beweisnotstandsargument der Protokolle zum BGB57 kann aus dieser Sicht kaum überzeugen. Hält man für den Bereich des BGB dennoch daran fest, so darf man es aus dieser Ausnahmebestimmung nicht ohne weiteres isolieren und zum allgemeinen Prinzip erheben. Dies schon insbesondere deshalb nicht, weil, wie noch zu zeigen sein wird, einerseits innerhalb des Schadensersatzrechts dem Geschädigten in einer schwierigen Beweislage ausdrücklich die Beweislast auferlegt wird573, und andererseits das Beweisnotstandsproblem nicht nur im Schadenersatzrecht Bedeutung hats7b. D. Die Haftung des Kfz-Halters (§ 7 dStVG, § 9 EKHG)
Außer den unter A. bis C. angeführten Ausnahmevorschriften58 des BGB führt Prölss583 für seine Beweislastverteilung nach Einsichtsbzw. Gefahrenbereichen noch den§ 7 Abs. 2 dStVG und§ 26 dAtomG an. In der Tat ist hier die Gefährdungshaftung mit einer Beweislast des Schädigers verbunden, aber dies ist nur eine Konsequenz der Gefährdungshaftung. Wenn § 7 Abs. 2 dStVG (ähnlich: § 9 Abs. 1 EKHG) vom Schädiger den Beweis verlangt, daß der Unfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht und daß die Unabwendbarkeit weder auf einem Fehler der Beschaffenheit noch auf ein Versagen der Verrichtungen des Fahrzeuges zurückzuführen ist, so ist damit die Gefährdungshaftung klar herausgestellt. Unter dem Aspekt der Gefährlichkeit eines zum eigenen Vorteil genutzten Gutes ist diese Haftungsverschärfung nur sachgerecht. Die Beweislage dürfte für den Halter und den Geschädigten im allgemeinen ziemlich gleich leicht oder schwierig sein. Im Zweifel bezüglich der Unabwendbarkeit der Schädigung soll derjenige die Nachteile tragen, der eine an sich gefährliche Sache benutzt, er soll z. B. beweisen, daß er jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt (§ 7 Abs. 2 dStVG; § 9 Abs. 2 EKHG) beachtet, insbesondere die Verkehrsvorschriften eingehalten hat, und daß auch nicht die Beschaffenheit des Fahrzeuges schadenskausal war. Größere Beweisnähe des Halters bzw. Beweisnotstand des Geschädigten sind nicht die ratio dieser Beweislastumkehr. Das Kriterium der größeren Beweisnähe des Halters müßte im übrigen auch überall dort gänzlich versagen, wo der s1 BGB-Protokolle II 595. 57b
s. u. E. s. u. § 6.
58&
s. o. § 4. D.
57a.
58 Vgl. Hai nmüller, Anscheinsbeweis 152 FN 472: Die §§ 831 ff. BGB "sind bewußte Ausnahmen, die den in Anspruch genommenen schlechter stellen ... ; sie begründen also einen Gegenschluß".
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§ 5. Beweislastumkehr außerhalb einer Sonderverbindlichkeit
lenkende Halter beim Unfall tödlich verunglückt und seine Erben belangt werden oder wo ein vom Halter verschiedener Lenker tödlich verunglückt und der Halter geklagt wird. Für diese gar nicht so seltenen Fälle sieht das Gesetz keine von der allgemeinen Vorschrift der Haftpflichtgesetze abweichende Beweislastregel vor.
E. Fälle der Haftung für atomare Schädigungen (§ 26 dAtomG, § 28 öAtomHG) Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Haftung für gefährliche Sachen, aus denen man Vorteile zieht, ist die Beweislastverteilung nach § 26 dAtomG zu verstehen: Der Inhaber radioaktiver Stoffe hat zu beweisen, daß er jede nach den Umständen gebotenen Sorgfalt aufgewendet hat und daß der Schaden nicht auf Fehler in der Beschaffenheit der Schutzeinrichtungen oder ihrer Verrichtungen beruht (vgl. § 7 Abs. 2 dStVG u. § 9 EKHG). § 28 Abs. 1 öAtomHG fordert vom Inhaber von Radionukliden nur den Beweis, jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet zu haben. Wie die Regierungsvorlage zeigt59, wollte man einerseits wegen der geringeren Gefährlichkeit der Radionuklide im Verhältnis zu Kernenergieanlagen - und wohl auch im Interesse von PressureGroups - von (reiner) Gefährdungshaftung absehen, andererseits aber doch die Gefährlichkeit dieser Substanzen und die "wegen der Besonderheit der Sache" 60 angeblich für den Geschädigten schwierige Beweislage berücksichtigen. In Wirklichkeit wurde durch Beweislastumkehr, verbunden mit einem verschärften Sorgfaltsmaßstab, eine gemilderte Gefährdungshaftung statuiert. Die angebliche Schwierigkeit des Beweises spielt nämlich für den Gesetzgeber keine Rolle, wenn Ärzte in Ausübung der Heilkunde Patienten durch Radionuklidbehandlung schädigen oder der Geschädigte die Radionuklidgefahr in Kauf genommen hat(§ 28 Abs. 2 öAtomHG, § 26 Abs. 4 dAtomG): Diese Geschädigten tragen die Beweislast und dies - so die Österreichische Regierungsvorlage - , um Kernwissenschaft und Atomwirtschaft zu fördern und weil der keiner "besonderen Begünstigung hinsichtlich der Beweislast bedürfe, der sich bewußt einer Strahlung aussetzt" 80• eoa. Man vergleiche einmal: Im allgemeinen haftet der Inhaber von Radionukliden, wenn er nicht beweist, daß er jede nach Umständen gebotene Sorgfalt aufgewendet hat, im besonderen, vor allem bei der Arzthaftung, hat der Geschädigte zu beweisen, daß diese Sorgfalt nicht eingehalten wurde. Aus dem Beweisnotstandsgedanken läßt ae 358 BlgNR 10. GP,
19 f. 358 BlgNR 10. GP, 20. 80a Zur Beweislast im Arztvertrag s. u. § 20. C.
oo
F. Ergebnis
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sich eine derartige Differenzierung nicht rechtfertigen. Die Beweislage des Geschädigten ist z. B. bei ärztlicher Behandlung kaum besser als bei sonstiger Schädigung durch Radionuklide. Wenn die Österreichische Regierungsvorlage darauf verweist, daß derjenige, der sich solchen Gefahren aussetzt, keiner Begünstigung auf der Beweisebene bedürfe, so läßt sich dies nicht zur Entkräftung des Beweisnotstandsarguments - was die Regierungsvorlage auch nicht versucht - ins Treffen führen. Wer sich der Gefahr der Strahlung aussetzt, will sich ja nicht auch in die Gefahr eines Beweisnotstands begeben. F. Ergebnis Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist das Beweisnotstandsargument durchwegs nicht der einzige und vor allem nicht der entscheidende Gedanke der verschiedensten Fälle einer Beweislastumkehr. Es treten weitere Gesichtspunkte hinzu, die die Beweislastverschiebung rechtfertigen. Die Beweisregeln der Tier- und Gebäudehalterhaftung oder der Kfz-Halterhaftung und der Haftung für Radionuklide erklären sich z. B. aus der besonderen Gefährlichkeit einer im eigenen Interesse verwendeten Sache. Auch Prölss stellt diese Haftungsarten andeutungsweise auf eine Stufe61 • Unter diesem Aspekt wegen verschärfter Haftung von einer Haftung nach Gefahrenbereichen zu sprechen, ist Geschmacksache und unbedenklich, solange man sich deutlich vor Augen hält, was darunter zu verstehen ist. Gewonnen wird durch eine derartige Vorgangsweise freilich nichts. Bedenklich wird die Sache aber, wenn man - wie Prölss58a - z. B. auch den Untergang des Leistungsgegenstandes (§§ 280, 282 BGB) oder die Beschädigung oder den Verlust eines verwahrten Gutes (§ 390 HGB) dem Gefahrenbereich des Schuldners zuzählt und die Gefährdungshaftung sowie die Haftung des Schuldners gleichermaßen als Haftung für Gefahrenbereiche beschreibt82. Damit wird unter gleicher Bezeichnung Grundverschiedenes vermischt. Wäre der Beweisnotstand des einen bzw. die Beweisnähe des anderen Teils der eigentliche Grund der Beweislastumkehr, so bedürfte es keiner Berufung auf Gefahrenbereiche. Es genügte der Beweis, daß darin die ratio der Beweislastverteilung liegt. Da Beweisnähe und Beweisnotstand Rechtsprobleme sind, die sich nicht nur im Schadenersatzrecht, sondern auch auf anderen Gebieten des Rechts in ähnlicher Schärfe stellen, seien an Hand sonstiger Beweislastregeln noch einige allgemeine Betrachtungen zur Beweislastverteilung gestattet. st Beweiserleichterungen 84 vor FN 245 und in FN 245 i. V. m. 81 f. ez Vgl. Prölss, Beweiserleichterungen 79 ff.
§ 6. Allgemeine Betrachtungen über Gründe einer Beweislastverschiebung Beweisnotstandsfragen ergeben sich bei aller Verschiedenheit der Materien im Strafrecht genauso wie im Zivilrecht. Dennoch lehnt man dort- mit wenigen Ausnahmen1 - eine Beweislastumkehr wegen des Grundsatzes "in dubio pro reo" ab. Dieser Grundsatz klingt zu Gunsten des Belangten im Österreichischen Recht in § 1296 ABGB an, das BGB setzt ihn unausgesprochen voraus2 • Im Strafrecht geht es um Vergeltung, Sühne, Erziehung oder Sicherung. Der Eingriff in die Lebensumstände des Täters ist so schwerwiegend, daß eine Beweislastumkehr kaum in Frage kommt. Gerade dies zeigt, daß die Beweislage für die Beweislastverteilung zumindest allein nicht den Ausschlag geben kann. Eine zivilrechtliche Verurteilung greift nicht so schwerwiegend in die Persönlichkeit des Verurteilten ein und schadet seiner Ehre regelmäßig nicht, kann aber ebenfalls die Existenz bedrohen, wenn sehr hoher Schaden zu ersetzen ist. Auch hier darf nicht ohne weiteres zur Beweislastumkehr geschritten werden, wenn nicht zum Beweisnotstandsargument zusätzliche, die Beweislastumkehr r echtfertigende Momente auftreten. Nicht von ungefähr sind die vorhin (§ 5) besprochenen Bestimmungen als Ausnahmeregeln3 konzipiert und daher nur in sehr vorsichtiger Analogie verallgemeinerungsfähig. Weder die wenigen Bestimmungen des BGB (§§ 831 ff.) noch die beiden einschlägigen des ABGB (§§ 1319, 1320) vermögen eine allgemeine Beweislastumkehr unter dem Gesichtspunkt der Sphäre als Einsichtsbereich (Beweisnotstand, bessere Einsicht) im Deliktsrecht zu tragen. Sie beruhen ja, wie gezeigt, gar nicht allein oder auch nur vorwiegend auf diesem Gedanken. In verstärktem Maße gilt dies für Spezialnormen, die sich gefährlicher Kraft widmen. Bei genauerer Betrachtung stellt sich auch die Haftung aller "Täter" in den Fällen der alternativen Kausalität als Beweislastpr oblem. Haben 1 Vgl. § 1 Landstreichergesetz RGBl. 1885/89 ; §§ 490, 491 Abs. 2 öStG 1852; §§ 111 Abs. 3, 112 öStGB 1974; § 186 dStGB. 2 Vgl. BGB-Motive2 II 735: .,Der Entwurf trifft aber hier sowenig als für
den Schadenersatzanspruch aus Delikten überhaupt die Bestimmung, daß der auf Ersatz des Schadens in Anspruch Genommene den Mangel einer diesfälligen Verschuldung dazuthun habe ..." - Unter .,hier" ist die Haftung des Aufsichtspflichtigen gemeint. Erst die BGB-ProtokoHe II 595 statuierten die Ausnahme. s Vgl. HainmüHer, Anscheinsbeweis 152 FN 472 - s. a. FN 2 und § 5 FN58.
§ 6. Allgemeine Betrachtungen über Beweislastverschiebungen
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mehrere als Verursacher in Frage Kommende eine unwertbeladene Handlung bezüglich des verletzten Rechtsgutes gesetzt, so haften sie. Diese Haftung tritt erst ein, wenn der wahre Verursacher nicht ermittelt werden kann. Daraus folgt, daß die Beweislast bezüglich der Nichtverursachung bei den Belangten liegt. Sie haften nur dann nicht, wenn sie die fehlende Kausalität beweisen können. Diese Beweislast rechtfertigt sich nicht etwa, weil die Beweislage für den Geschädigten schwierig ist, sondern nur deswegen, weil jeder der Beklagten eine unwertbeladene Handlung bezüglich des verletzten Rechtsgutes gesetzt hat und dies feststeht. Auch außerhalb des Schadensrechtes gibt es Bestimmungen, die zeigen, daß nicht der Beweisnotstand, des einen und die bessere Einsicht des anderen für die Beweislastverteilung entscheidend sind. Weiß der mögliche Vater besser als das Kind, dem als Zeuge die Mutter zur Verfügung steht, ob eine geschlechtliche Vereinigung zur·Zeugung führte(§ 163 ABGB, § 1600 o BGB)? Wer wüßte besser als der Besitzer (§ 328 ABGB) oder Erwerber einer Sache vom Nichtberechtigten (§ 368 ABGB4 , § 932 BGB), ob er gutgläubig ist: Dennoch trägt der (frühere) Eigentümer die Beweislast für dessen Schlechtgläubigkeit. Die Gläubiger haben bei der Vermögensübernahme zu beweisen, daß der Übernehmer die zum Vermögen gehörenden Schulden kannte oder kennen mußte(§ 1409 ABGB- § 419 BGB bedarf diesbezüglich keiner Beweislastverteilung). Nur wenn der Übernehmer ein naher Angehöriger des Veräußerers ist, dreht sich die Beweislast um (§ 187 3. Teilnovelle). Der Grund: Machenschaften zu Lasten der Gläubiger sind wahrscheinlicher5 • Freilich werden nahe Verwandte um den Schuldenstand besser Bescheid wissen als sonstige Vermögensübernehmer. Im Verhältnis Gläubiger-Übernehmer-und darauf kommt es an- kann jedoch jeder Übernehmer immer besser aufzeigen, daß er um die Schulden nicht wußte und auch nicht wissen mußte. Ähnliche Beweislastdifferenzierungen zu Lasten naher Angehöriger existieren aus demselben Grund im Bereich der Gläubigeranfechtung (§ 2 Z. 3 öAnfO und § 28 Z. 3 öKO bzw. § 3 Z. 2 dAnfG u. § 31 Z. 2 dKO). Im Hinblick auf die Theorie von Prötss (s. o. § 4. D.) muß aufgrund der bisherigen Betrachtungen (§ 4. D., § 5, § 6) festgehalten werden: Seine Theorie ist im Ergebnis wegen der äußerst unscharfen Grenzen ihres praktischen Anwendungsbereichs unbrauchbar; in der Begründung geht sie fehl, weil sie die materiellrechtlichen Wertungen, die hinter den verschiedensten Fällen einer Beweislastumkehr stehen, unzulässig im wesentlichen auf einen Aspekt reduziert. Daß sie im verVgl. dazu Reischauer, JBl. 1973, 594 vor FN 56 und in FN 56. Gschnitzer, Schuldrecht. Allgemeiner Teil 106; Armin Ehrenzweig, System1 II/1, 283. 4
5
8 Reisehauer
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§ 6. Allgemeine Betrachtungen über Beweislastverschiebungen
tragsrechtlichen Schadensersatzrecht in der Begründung aus denselben Ursachen fehlgeht, soll das Weitere zeigen. Man vergleiche im übrigen auch sonstige, wohl kaum auf einen Nenner zu bringende Beweislastregeln des ABGB6 • 8
§ § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § § §
§ § § § §
17: Vermutung der Unbeschränktheit der angeborenen Rechte. 23: Vermutung der Lebendgeburt. 33: Beweislast des Ausländers, daß der Österreicher im Auslandsstaat wie dessen Staatsbürger gestellt wird. 36: Vermutung, daß Ausländer im Inland nach österreichischem Recht Verträge schließen wollen. 46: Beweis des Schadens bei Verlöbnisbruch. 99: Vermutung der Gültigkeit einer Ehe. 163: s. o. im Text. 278: Beweis, daß der für tot Erklärte früher, später oder nicht gestorben ist. 328: s. o. im Text. 343: Beweis der Gefährlichkeit eines Baues. 356: Beweislast für ein persönliches oder sachliches Hindernis, das dem Erwerb einer Sache entgegensteht. 367: Beweis, daß die Sache in öffentlicher Versteigerung, von einem befugten Gewerbsmann oder gegen Entgelt vom Vertrauensmann erworben wurde. 368: Beweis, daß der Besitzer Verdacht gegen die Redlichkeit des Vormannes hätte schöpfen müssen. 369: Beweis des Klägers, daß er Eigentümer sei und der Beklagte die Macht über die Sache habe. 371: Beweis des Eigentums und der Unredlichkeit des Beklagten. 372: Beweis der Rechtmäßigkeit und der Echtheit des Besitzes. 376: Beweis des zu Unrecht geleugneten Besitzes. 396: Beweis des Eigentümers, daß die Sache nicht verloren war. 479: Abweichungen von der Natur einer Servitut sind zu beweisen. 523: Beweis des Bestehens einer Servitut bzw. deren Anmaßung (vgl. dazu OGH 23.10.1872, SpR 27 = GlU 4.745). 566: Beweis mangelnder Geschäftsfähigkeit. 567: Beweis von lucida intervalla. 572: Beweis des für die Erbeinsetzung ausschlaggebenden Motivirrtums. 616: Beweis, daß der für geisteskrank gehaltene Vorerbe, nicht (mehr) geisteskrank ist. 655: Beweis, daß des Erblassers Ausdrücke einen anderen Sinn als im gewöhnlichen Sprachgebrauch haben. 722: Beweis, daß eine Urkunde über eine letztwillige Verfügung nur zufällig in einer Weise beschädigt wurde, die sie bei willentlicher Beschädigung ungültig machen würde (§ 721), oder daß sie bloß verloren wurde. 771: Beweis des Enterbungsgrundes. 777: Beweis, daß dem Erblasser ein Kind überging, weil er von dessen Existenz nichts wußte. 782: Beweis des stillschweigenden Übergehens eines Noterbens wegen eines Enterbungsgrundes. 827: Beweis, daß jemand Teilhaber einer Miteigentumsgemeinschaft ist. 839: Vermutung der Gleichheit der Miteigentumsanteile.
§ 6. Allgemeine Betrachtungen über Beweislastverschiebungen
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§ 854: Vermutung des gemeinschaftlichen Eigentums an Grenzein§ §
§
§ § § § 8•
richtungen. 857: Vermutung des Alleineigentums an Grenzeinrichtungen. 975: Der Entlehner hat das Recht zu längerem Gebrauch zu beweisen, wenn die vereinbarte Gebrauchsdauer streitig ist. 1260: Beweis, daß die Gattin Ursache an dem Verfall der Vermögensumstände des Mannes ist. 1290: Beweislast des Versicherers, daß der versicherte Schaden aus Verschulden des Versicherten entstanden ist. 1296 - 1299: s. u. § 11. 1471: Beweis, daß eine selten ausübbare Servitut mindestens dreimal in der dreißigjährigen Ersitzungszeit ausgeübt wurde. 1477: Beweis der Unredlichkeit des Ersitzungsbesitzers.
§ 7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit (Beweislastumkehr für Rechtswidrigkeit ?) Bevor die ratio der Beweislastvorschriften bei Schadenersatzansprüchen in Zusammenhang mit Forderungsverletzungen ergründet werden kann, ist zunächst zu untersuchen, für welche Elemente des Sachverhaltes eine Beweislastumkehr Platz greift. Bevor nicht feststeht, wofür jemanden die Beweislast trifft, ist es müßig zu fragen, warum sie ihn trifft. Trägt der Belangte die Beweislast für das fehlende Verschulden oder auch für die fehlende Rechtswidrigkeit seines Verhaltens? Ist bezüglich des Verschuldens ein objektiver oder subjektiver Maßstab anzulegen? Nimmt§ 1298 ABGB dem Geschädigten nur die Beweislast für die Frage ab, ob der Belangte aufgrund seiner subjektiven Fähigkeiten zur Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt fähig gewesen wäre oder hat der Belangte auch zu beweisen, daß er die objektiv gebotene Sorgfalt eingehalten hat. Muß der Schuldner- einmal unterstellt, § 1298 ABGB sei auch bei fehlerhafter Leistung anzuwendenbeweisen, daß ihn an der Bereitstellung einer mangelhaften schadenstiftenden Wohnung keine Sorgfaltsverletzung trifft, sobald der Mieter bloß den Mangel und den dadurch entstandenen Schaden bewiesen hat, oder muß der Mieter auch die Nichteinhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt beweisen und erst dann der Schuldner, daß er dazu aus zu berücksichtigenden subjektiven Gründen nicht fähig war. § 1298 ABGB spricht nur von einem Entlastungsbeweis bezüglich des Verschuldens. Entscheidend für das Ausmaß der Beweislast des Schuldners ist, was im Sinne des ABGB unter "Verschulden" zu verstehen ist. Umfaßt der Verschuldensbegriff des ABGB etwa jene Elemente, die nach modernen Auffassungen zum Verhaltensunrecht zu zählen sind, so trägt dafür selbstverständlich der Schuldner die Beweislast. Ist der Rechtswidrigkeitsbegriff des ABGB hingegen bereits in einem Sinne konzipiert, der den Auffassungen moderner Verhaltensunrechtslebren entspricht, so ist diesbezüglich eine Trennung vom Verschulden i. S. des ABGB vorzunehmen und es kommt dann eine Beweislast des Schuldners bezüglich des Verhaltensunrechts naturgemäß nicht in Betracht. Aus all den angeführten Gründen gilt es die Bedeutung der vom ABGB verwendeten Begriffe "Widerrechtlichkeit" und "Verschulden" zu untersuchen und ihr Verhältnis zu modernenen Auffassungen zu diesen Begriffen zu klären.
A. Allgemeines zum "reinen Verhaltensunrecht"
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A. Allgemeines zum "reinen Verhaltensunrecht" § 1298 ABGB erwähnt nur das Verschulden. Im Gegensatz zu Äußerungen deutscher Autoren zu den parallelen Gesetzesstellen des BGB (§§ 282, 285) 1 , vertritt mit Ausnahme Welsers 2 kein österreichischer Verfasser die Meinung, § 1298 ABGB kehre auch bezüglich der Rechtswidrigkeit die Beweislast um. Und Koziol3 führt aus: " ..., daß der Schuldner die Beweislast bezüglich der Rechtmäßigkeit trägt, findet in § 1298 ABGB keinen Anhaltspunkt, da dort nur das Verschulden erwähnt wird. Der Nachweis für das Vorliegen rechtswidrigen Verhaltens wird in aller Regel keine besonderen Schwierigkeiten bieten. Der Gläubiger hat nur4 darzutun, daß der Schuldner die geschuldete Leistung nicht erbracht hat".
Koziols Meinung ist konsequent, wenn man, was an der zitierten Stelle ja offenkundig geschieht, geschuldete Leistung mit dem geschuldeten Leistungserfolg gleichstellt und in der Nichtherbeiführung des Erfolges schlechthin die rechtswidrige Unterlassung sieht. Die Formulierungen Koziols dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß er hier die Rechtswidrigkeitsqualifikation ausschließlich am Leistungserfolg orientiert. Im Anschluß an Bydlinski6 setzt Koziol wohl die Nichterfüllung der Hauptverbindlichkeit (z. B. die Nichtlieferung einer Ware) gleich mit dem Begriff des "objektiv rechtswidrigen Verhaltens" und sieht so im Ausbleiben der Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt die "objektive Vertragswidrigkeit" 6 • Anders wäre auch Koziols Behauptung, der Nachweis der Rechtswidrigkeit mache "in aller Regel keine besonderen Schwierigkeiten" kaum zu halten. Nichterfüllung ist somit mit dem Rechtswidrigkeitsurteil belastet und die Gründe der Nichterfüllung (z. B. zufälliger Untergang) werden in den Bereich der Entschuldigung verwiesen. Durch diesen Bezug des Rechtswidrigkeitsurteils auf einen Erfolg gerät Koziol jedoch in Widerspruch zu seiner These von einem reinen Verhaltensunrecht8 • Koziol setzt sich nämlich im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung absolut geschützter Rechtsgüter oder Rechte mit der Erfolgsunrechtslehre auseinander. Diese Lehre betrachtet zum einen TeiF jede, zum anderen, heute überwiegenden Teils nur die 1 Larenz, Schuldrecht10 I 273; Prölss, Beweiserleichterungen 79, ders. VersR 1964, 904. 2 Vertretung 268. 3 Koziol, Haftpflichtrecht I 268. 4 Im Original nicht hervorgehoben. 5 Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I 268 FN 61 und Klang I Bydlinski2 IV/2, 172. • Haftpflichtrecht I 70 ff. 7 Vgl. die bei Koziol, Haftpflichtrecht I 70 FN 5 angeführte Literatur.
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§ 7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit
"unmittelbare" Beeinträchtigung eines absoluten Rechts als rechtswidrig, wenn dem Verursacher kein Rechtfertigungsgrund zur Seite steht. Zur Verdeutlichung ein bekanntes Beispiel9 : Fährt ein Kraftfahrer mit aller nur erdenklichen Sorgfalt, hält er alle Bestimmungen der StVO aufs peinlichste ein und überfährt er trotz blitzschnellen richtigen Reagierens jemanden, der, für ihn unvorhersehbar, in die Fahrbahn läuft, so hat nach beiden Erfolgsunrechtslehren der Kraftfahrer rechtswidrig gehandelt1°. Koziol11 meint nun im Anschluß an Welzel1 2, Nipperdey13, vor allem aber Münzberg 14 , ein Verhalten, welches untersagt werden soll, müsse als solches ex ante bezeichenbar sein; dies sei für die Erfolgsunrechtslehre jedoch gerade unmöglich. Es müsse schon vor der Schädigung die Rechtswidrigkeit des Verhaltens feststehen, weil der Handelnde im Zeitpunkt des Handeins wissen müsse, ob er sich rechtmäßig verhält und der Gefährdete wissen müsse, ob ihm Unterlassungsansprüche oder Abwehrrechte zustehen. Überdies sei die von der neueren Erfolgsunrechtslehre aufgestellte Trennung von "mittelbaren" und "unmittelbaren" Eingriffen in absolute Rechte nicht gelungen und schließlich nicht recht einzusehen, weshalb nicht für sämtliche Arten von Eingriffen stets allein auf das Verhalten abgestellt werden könne. Eine Betrachtung der Rechtswidrigkeit ex ante schlösse freilich im Gegensatz zur reinen oder echten Verhaltensunrechtslehre - eine Verhaltensnorm mit dem Inhalt: "Du sollst keine absoluten Rechtsgüter gefährden" noch nicht aus. Diese in der Regel auch einhaltbare Norm wäre nicht schon deshalb widersinnig, weil sie in bestimmten Situationen niemand einhalten kann (vgl. das obige Kraftfahrerbeispiel). Man hält ja auch ein Sorgfaltsgebot, das seinen Maßstab am Durchschnittsmenschen nimmt, nicht für widersinnig, weil es bestimmte Personen mangels individueller Fähigkeiten nicht einhalten können15• 8 Vgl. die bei Koziol, Haftpflichtrecht I 79 FN 9 angeführte Literatur, vor allem Larenz, Schuldrecht10 II 461 ff. und Bydlinski, Schadensverursachung
41f. e Vgl. Larenz, Dölle-FS I 186.
10 Larenz meint, wenn ein Kind oder ein Betrunkener im letzten Augenblick, unvorhersehbar, in die Fahrbahn laufe, so daß der Fahrer trotz sorgfältigen Verhaltens die Verletzung nicht verhindern könne, so habe der Fahrer doch den Wagen gefahren "und ,daher', im Vollzuge dieser Handlung, wenngleich schuldlos, einen Menschen angefahren und dadurch verletzt". Rechtswidrigkeit liege hingegen keine vor, wenn sich ein Selbstmörder vor ein Fahrzeug werfe, weil dessen Tun das des Fahrzeuglenkers überdeterminiere (Larenz, Dölle-FS 186 f.). u Haftpflichtrecht I 71. u Das deutsche Strafrecht' 54 ff. 1a NJW 1957, 1777 ff. u Verhalten 11 ff., 64 ff., 109 ff. 15 Vgl. auch Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 193.
A. Allgemeines zum "reinen Verhaltensunrecht"
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Wie hier die persönlichen, können dort die sachlichen Ausnahmen dem Charakter der Vorschrift als Gebotsnorm unter logischen Gesichtspunkten keinen Abbruch tun. Einer Verhaltensvorschrift, die die Beeinträchtigung absoluter Rechte verbietet, entspricht in der Struktur eine Norm, die dem Schuldner die Herstellung eines Leistungserfolges gebietet. Auch dies ist in der Regel möglich, im Einzelfall aber gelegentlich niemandem (Leistung der untergegangenen Spezies). Eine derartige Norm ließe sich mit der oben wiedergegebenen Auffassung Koziols zu § 1298 ABGB in Einklang bringen16 • KozioP 7 läßt aber bei seinen Ausführungen zum Verhaltensunrecht keinen Zweifel, daß er es nicht in diesem Sinne, sondern eben in dem der "reinen Verhaltenslehre" versteht. Er muß daher die Verhaltensregel finden, gegen die der Schuldner verstoßen hat. Wie nun diese Verhaltensregeln im Hinblick auf absolute Rechte im einzelnen aussehen, soweit keine besonderen Verhaltensnormen, wie z. B. die der StVO, existieren, vermag diese Lehre allerdings nicht exakt zu fixieren18• Es bedarf dazu eines komplexen Arbeitsvorganges, der hier im Anschluß an Münzberg kurz - und folglich nur unpräzise und etwas oberflächlich - skizziert werden soll. Münzberg versteht unter Verhalten (=Handeln), soweit es positives Tun ist19, die beherrschbare körperliche Eigenbewegung (z. B. Abziehen des Gewehrhahnes) und sondert sie streng vom Erfolg (Schußverletzung). Handlung bedeutet also: der Schütze hat abgedrückt, nicht: der Schütze hat verletzt, genauer: Der Schütze hat abgedrückt (Verhalten), dadurch entstand der Verletzungserfolg. Unterlassen10 dagegen "ist die vorgestellte Möglichkeit eines bestimmten Tuns, die nicht verwirklicht worden ist" ... "Das Verhalten des Unterlassenden besteht darin, daß er, anstatt diese bestimmte Handlung vorzunehmen, irgendetwas anderes oder gar nichts tut" ... Dieses "Verhältnis der Wirklichkeit zur versäumten Möglichkeit macht das Wesen der Unterlassung aus". Münzberg definiert dann das Verhalten bei der Unterlassung als einen "Zustand des Täters, in dem dieser statt der zum Schutze eines Rechtsgutes geeigneten Handlung andere Handlungen vornimmt oder gar nichts tut". Dieses Verhalten beginne, sobald die zum Schutz des Rechtsgutes geeignete Handlung vorgenommen werden könne, und ende, wenn diese Vornahme nicht mehr möglich oder sinnlos sei, weil ihr Zweck nicht mehr erreicht werden könne. s. o. das Zitat nach FN 3. Haftpflichtrecht I 71. 18 Vgl. Koziol, Haftpflichtrecht I 72 f. 11 Verhalten 21 ff. zo Verhalten 39 ff. 1e
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§
7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit
Überträgt man dieses Verständnis der Unterlassung auf das Schuldverhältnis, so kann von einem Unterlassen des Schuldner:; nicht gesprochen werden, wenn er z. B. die Spezies nicht liefert, weil sie zufällig untergegangen ist. Nichterfüllung der Schuld zur Hingabe einer Sache (Erfolg) ist demnach ungleich Unterlassen und demgemäß ungleich Verhalten. Bleibt eine Leistung aus, so ist damit also noch keinesfalls gesagt, daß dahinter ein Schuldnerverhalten im beschriebenen Sinne steckt. Von dem erwähnten Verhaltensbegriff ausgehend bestimmt Münzberg nun die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens durch die Prinzipien der Eignung2t, des Könnens22 und der lnteressenabwägung2s. Zunächst fragt Münzberg mit Hilfe der Adäquanzformel24 , ob ein Verhalten vom Standpunkt ex ante geeignet sei, ein Rechtsgut zu gefährden. Bei Verneinung entfalle die Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Im Bejahungsfall sei weiter zu fragen, ob ein Mensch, der die von der Rechtsordnung vorausgesetzten Eigenschaften besitzt25, sich hätte anders verhalten können. Bei Nichtkönnen entfalle wiederum das Rechtswidrigkeitsurteil, bei Können sei im Rahmen der Interessenabwägung zu fragen, ob nicht dennoch aufgrund überwiegender Interessen das Verhalten gestattet sei (z. B. Autofahren, das man ja an sich unterlassen könnte). In den Bereich der Interessenahwägung fallen also nicht nur Fälle des übergesetzlichen Notstands. Ihr werden u. a. auch Gefährdungen zugeordnet, die höherwertig zu veranschlagen sind als das Unterlassen des Eröffnens einer Gefahrenquelle. Weiters zählt Münzberg der Interessenahwägung auch die gesetzlich autoritativ vorgenommenen Güterahwägungen zu (z. B. Notwehr). Koziol scheint zunächst den eben beschriebenen Prozeß zu simplifizieren, wenn er sagt: "Welches Verhalten im einzelnen als rechtswidrig anzusehen ist, wird in der Regel verhältnismäßig einfach festzustellen sein: Die Gefährdung absolut geschützter Güter ist verboten28. " Diese Formel wäre genauso richtig oder unrichtig, sinnvoll oder widersinnig, wie das Verbot, absolute Rechte zu verletzen. Gleich im Anschluß an das vorstehende Zitat verweist Koziol aber auf den umfassenden Prozeß der Interessenahwägung und wirft damit die ganze Problematik einer "reinen Verhaltensunrechtslehre" auf. 21
Verhalten 141 ff.
zz Verhalten 191 ff. zs Verhalten 259 ff.
24 Die Adäquanzformel scheidet für Münzberg bei der Kausalitätsprüfung aus und geht in der Rechtswidrigkeltsprüfung auf. Vgl. Verhalten 144 ff., 186 ff. 21 Im allgemeinen legt Münzberg einen generell-abstrakten Maßstab an. Vgl. Verhalten 222 ff. !I Haftpflichtrecht I 73.
A. Allgemeines zum "reinen Verhaltensunrecht"
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Das für die jeweilige Situation kompliziert zu ermittelnde Verhaltensgebot ließe sich - zumindest für die nicht vorsätzlich begangene Rechtsgutbeeinträchtigung- auf die einfache Formel bringen: Rechtswidrig ist jedes Verhalten, das gegen die hinsichtlich der Rechtsgüter gebotene Sorgfalt verstößt27 • Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß die gesamte Problematik in das Wort "geboten" verlagert ist27a. Eine solche Kurzformel schwebt wohl auch Koziol vor. Er stellt sie allerdings nicht deutlich heraus28• Erst bei seiner Abgrenzung der Rechtswidrigkeit von der Fahrlässigkeit erfahren wir, die Grenze sei nur dann klar zu ziehen, wenn man hier einen subjektiven, dort einen objektiven Maßstab anlegt~. Mit diesem objektiven Maßstab kann doch wohl nur die gebotene Sorgfalt gemeint sein. Die Kompliziertheit des Vorganges der Ermittlung der Hechtswidrigkeit im Rahmen einer "reinen Verhaltensunrechtslehre" vermag diese Lehre nicht zu diskreditieren, weil dieser schwierige Prozeß, der bei dieser Rechtswidrigkeitslehre der Rechtswidrigkeitsermittlung dient, bei einem anderen Rechtswidrigkeitsverständnis keinesfalls erspart bleibt, sondern bei der Prüfung der anderen Haftungselemente, insbesondere des Verschuldeos in Gang zu setzen ist. Unterstellt man die reine Verhaltensunrechtslehre als richtig und für den gesamten Bereich des Privatrechts als einheitlich geltend, so bedeutet dies auf das Schuldrecht übertragen: Die Nichtherbeiführung eines geschuldeten Erfolgs qualifiziert das Verhalten des Schuldners als rechtswidrig, wenn er unter Aufwendung der gebotenen Sorgfalt den Erfolg hätte herbeiführen können, ihn aber trotzdem nicht herbeigeführt hat. Konkreter: konnte der Verkäufer trotz gehörigen Fleißes und gehöriger Aufmerksamkeit die Ware zum Fälligkeitszeitpunkt nicht liefern, so entfällt die Rechtswidrigkeit. Nun wird der Widerspruch in Koziols Auffassung klar. Nach ihm vermutet § 1298 ABGB nicht die Rechtswidrigkeit des Schuldnerverhaltens30• Trotzdem hat seiner Meinung nach der Gläubiger nur darzutun, daß der Schuldner die geschuldete Leistung nicht erbracht hat. - Mit diesem Beweis ist die Rechtswidrigkeit des Schuldnerverhaltens i. S. der "reinen Verhaltensrechtslehre" aber gerade nicht erbracht. Der Beweis der Rechtswidrigkeit läßt sich damit nur führen, wenn man Nichterfüllung gleich 27 Welzel, Das Deutsche Strafrechtt0 123 ff., 126 ff.; Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil15, 1295; Nipperdey NJW 1957, 1779 ff. Z7a Vgl. § 276 BGB. zs Vgl. Haftpflichtrecht I 73. 29 Haftpflichtrecht I 101 vgl. auch 100 FN 58 (letzter Satz), wo Koziol offen läßt, ob objektive Fahrlässigkeit mit Rechtswidrigkeit gleichzusetzen ist, die Gleichsetzung aber jedenfalls (im Konjunktiv) als unproblematisch bezeichnet. 30 s. o. nach FN 3.
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§ 7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit
Rechtswidrigkeit setzt, wie dies die von Koziol bezogenen Ausführungen Bydlinskis für den objektiven Verzug31 tun. Wendet hier Koziol einen anderen Rechtswidrigkeitsbegriff als die "reine Verhaltensunrechtslehre" an oder meint er es anders als Bydlinski? Auf das eingangs gebrachte Koziolzitat32 folgt der sibyllinische Satz: "Solange die Leistungsverpflichtung besteht, handelt der Schuldner rechtswidrig, wenn er die geschuldete Leistung nicht erbringt." Wielange bestehe die Leistungspflicht nach Koziol? Aus seinen weiteren Ausführungen muß man wohl schließen, bei vorübergehender Verhinderung des Schuldners durch nicht zu vertretenden Zufall werde sie suspendiert, bei endgültiger Verhinderung aus diesem Grund erlösche sie83 • Den Nachweis des nicht zu vertretenden Zufalls bürdet Koziol im üblichen Verständnis des § 1298 ABGB dem Schuldner auf. Das ist nach herkömmlicher Lehre ein Entschuldigungsbeweis. Nach der "reinen Verhaltensunrechtslehre" wäre das der Beweis rechtmäßigen Verhaltens, wenn die gebotene Sorgfalt bewiesen wird, ein Entschuldigungsbeweis, wenn die Entlastung auf subjektiven Umständen beruht34• Da Koziol § 1298 ABGB die Rechtswidrigkeit nicht vermuten läßt, dem Schuldner aber gleichzeitig den Beweis auferlegt, er habe den Zufall nicht zu vertreten (also die gebotene Sorgfalt eingehalten), verdichtet sich der Verdacht, Koziol habe für den Bereich der Nichterfüllung i. S. des Ausbleibens der Leistung16 der "reinen Verhaltensunrechtslehre" abgeschworen. Ein weiterer Satz läßt einen jedoch wieder schwanken: "Der zufällige Untergang befreit den Schuldner (§ 1447 ABGB) und bewirkt damit, daß die Unterlassung der Leistung nicht mehr rechtswidrig ist." Das klingt wieder sehr nach "reiner Verhaltensunrechtslehre", verbunden mit der Auffassung, § 1298 ABGB vermute Rechtswidrigkeit in diesem Sinne bis zum Beweis des Gegenteils. Ob§ 1298 ABGB die Rechtswidrigkeit vermutet oder nicht, kann von keinem dogmatisch noch so gut ausgeklügelten Rechtswidrigkeitsbegriff aus gelöst werden. Es ist vielmehr zu fragen, was das ABGB unter 3t Koziol, Haftpflichtrecht I 268 FN 61; Klang I Bydlinski2 IV/2 172. u s. o. nach FN 3. 33 Koziol, Haftpflichtrecht I 268 spricht in beiden Fällen davon, daß sich der Schuldner befreien könne. 34 Wieweit derartige Umstände entlasten, ist hier noch nicht zu erörtern. s. u. § 11. 35 Bei der sog. positiven Forderungsverletzung sieht Koziol, (Haftpflichtrecht I 271) wie Bydlinski (Klang-Bydlinski2 IV/2, 172) die Nichterfüllung in der Sorgfaltsverletzung, so daß hier der Rechtswidrigkeitsbegriff der reinen Verhaltensunrechtslehre mit dem Begriff der Nichterfüllung zusammenfällt. Daß dieser Nichterfüllungsbegriff in den meisten Fällen der sog. positiven Forderungsverletzung nicht stimmt, wird noch gezeigt (s. u. § 8. B. - vgl. auch die Ausführungen zu den einzelnen Schuldverhältnissen). Dazu, daß § 1298 ABGB im Verhältnis zu§ 1297 ABGB nichts Neues bringt, wenn einmal die Sorgfaltsverletzung feststeht, s. u. § 11.
B. Rechtswidrigkeit und Verschulden i. S. des ABGB
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Rechtswidrigkeit versteht und was unter Verschulden. Danach ist zu beurteilen, wieweit die Beweislastumkehr nach§ 1298 ABGB reicht. Die Dogmatik ist nicht gehindert, andere, bessere Begriffe zu bilden als der Gesetzgeber. Sie muß sich nur im klaren bleiben, daß sie diese neu gebildeten Begriffsinhalte nicht einfach dort einsetzen darf, wo der Gesetzgeber mit demselben Wort einen engeren oder weiteren Begriff umschrieben wissen wollte. M. a. W.: Hat der Gesetzgeber in seinen Verschuldensbegriff jene Merkmale aufgenommen, die die reine Verhaltensunrechtslehre zur Rechtswidrigkeit zählt, so enthält die Beweislastumkehr des§ 1298 ABGB zumindest nach historischem und systematischem Verständnis des Gesetzes eben auch die Rechtswidrigkeit i. S. dieser Lehre. Einen Rechtswidrigkeitsbegriff zu bilden, ohne den Inhalt des Verschuldensbegriffes des ABGB auszuloten, und festzustellen, § 1298 ABGB kehre die Beweislast für Rechtswidrigkeit nicht um, weil er nur vom Verschulden spricht, hieße Opfer der eigenen Begriffsbildung zu werden. Dogmatisch andere Begriffsbildungen als die gesetzlichen sind uns gerade im Zusammenhang mit dem ABGB nicht fremd. Wenn etwa § 308 ABGB das Erbrecht als dingliches Recht qualifiziert, so zweifelt heute niemand daran, daß diese Aussage dogmatisch falsch ist. Jeder weiß aber, daß die über dingliche Rechte vom Gesetz aufgestellten Grundsätze auf dieses absolute Recht anzuwenden sind. Sollte sich der Verschuldens- oder Rechtswidrigkeitsbegriff des ABGB als dogmatisch falsch erweisen, so müßte doch die Beweislastumkehr im Sinne des Verschuldensbegriffs des ABGB erfolgen, solange nicht erweisbar ist, daß die ratio des § 1298 ABGB in Wahrheit nur mit dem "verbesserten" dogmatischen Verständnis von Rechtswidrigkeit und Verschulden erfaßbar ist. Zur Klärung der Sachlage ist also auf den Rechtswidrigkeits- und den Verschuldensbegriff des ABGB einzugehen. B. Rechtswidrigkeit und Verschulden i. S. des ABGB38 Es gilt heute als Binsenweisheit: Verschulden37 setzt Rechtswidrigkeit voraus. In§ 1295 ABGB, der den Ersatzanspruch bloß von verschuldeter Schadensverursachung abhängig zu machen scheint, wird i. V. m. § 1294 ABGB das Rechtswidrigkeitserfordernis hineingelesen38• Was bedeutet Widerrechtlichkeit i. S. des§ 1294 ABGB? Einmal spricht die Norm von widerrechtlicher Handlung, dann jedoch von widerrechtlicher Beschä38 Vgl. dazu auch Albert A. Ehrenzweig, Die Schuldhaftung im Schadenersatzrecht (1936) - s. auch FN 61. 37 Verschulden im technischen Sinne zum Unterschied vom Verschulden in eigenen Angelegenheiten, vgl. § 1304 ABGB. as Vgl. für viele Gschnitzer, Schuldrecht. Besonderer Teil und Schadenersatz 153.
124
§ 7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit
digung. Ist "Beschädigung" im Sinne eines Erfolges oder im Sinne einer Verletzungshandlung gemeint? Umschließt "Beschädigung", verstanden als Verletzungshandlung, den Erfolg oder ist sie i. S. Münzbergs (s.o. A.) streng davon zu trennen? Die widerrechtliche Beschädigung erfolgt nach § 1294 ABGB entweder willkürlich oder unwillkürlich. Als willkürlich versteht das ABGB die vorsätzliche und die versehentliche Schädigung. Meint es demnach mit unwillkürlicher Beschädigung die Herbeiführung eines Erfolges ohne Rücksicht auf die Anwendung von Sorgfalt? Aufschluß gibt die Entstehungsgeschichte unseres Gesetzes. Dabei sei zum besseren Verständnis des Folgenden vorweggenommen: Die Schädigung durch Zurechnungsunfähige spielte für die Begriffsbildung des ABGB eine erhebliche Rolle. Der Rechtswidrigkeitsbegriff des ABGB wurde bei der Beantwortung der Frage, ob und unter welchen Umständen ein Zurechnungsunfähiger haften solle, gebildet.
Codex Theresianus und der Entwurf Horten behandeln unter dem Hauptstück, "Von Verbrechen" 39 bzw. "Von den aus einem Verbrechen herrührenden Verbindungen" 40 die Frage des Unerlaubten in nahezu gleicher Weise. Wegen der strafferen Fassung wird hier vom Wortlaut des Entwurfes Horten ausgegangen. Dort lesen wir: "Wir wollen aber daher unter einem Verbrechen 41 eine jede unerlaubte That41 begriffen haben, wodurch ·e inem Andern entweder an seiner Person, oder an seinem Vermögen, oder seiner Ehre geschadet worden; es möge etwas, was durch Unsere Gesetze verboten41 ist, ausgeübet, oder etwas, was Jemand vermöge Unserer Gesetze zu thun schuldig41 ist, unterlassen worden sein" (H III, 22, § 1)42 • Der anschließende Paragraph besagt: "Nicht nur jene That ist für ein Verbrechen zu achten, wodurch Jemand einem Andern aus bösem Vorsatze 41 , oder mit Wissen und Willen einen Schaden zugefüget hat, sondern auch, wenn der Schaden blos durch seine Unvorsichtigkeit, Unerfahrenheit oder Unverstand41 veranlasset worden; wenn hingegen durch Jemands That nicht aus dessen Schuld, sondern aus blosem Zufalle41 einem Andern ein Schaden geschehen ..., so mag die That für kein Verbrechen 41 angesehen ... werden" (H III, 22, § 2) 43• Unter "That aus blosem Zufall" versteht der Entwurf auch die Schädigung durch "Blödsinnige, Wahnwitzige, Rasende ...", also Zurechnungsunfähige (H III, 22, § 10)44• Aus dem Zusammenhang dieser at Vgl. CTh. III, 21 ff.- bei Harrasowsky, Codex II 346 ff. co Vgl. H III, 22, § 1 ff.- bei Harrasowsky, Codex IV 500 f.
Im Original nicht hervorgehoben. Vgl. CTh. III, 21, Z. 1, 2, 3. •a Vgl. CTh. III, 21, Z. 6. 44 Der CTh. spricht in diesem Zusammenhang nicht von Zufall, sondern nur von der Unfähigkeit zum Verbrechen (CTh. III, 21, Z. 34). 41
41
B. Rechtswidrigkeit und Verschulden i. S. des ABGB
125
Stellen ergibt sich: Der Entwurf Horten begreift diese Handlung eines zurechnungsunfähigen Geisteskranken als Zufall und nicht als Verbrechen. Da einerseits dieser Entwurf die Begriffe Verbrechen und unerlaubte Handlung46 synonym gebraucht, und andererseits Zufall und unerlaubte Handlung kontradiktorische Gegensätze sind, liegt i. S. des Entwurfs Horten keine unerlaubte Handlung vor46 , wenn Zurechnungsunfähige schädigen. Solche Handlungen können nur Zurechnungsfähige begehen. Worin besteht nun die unerlaubte Tat (das Verbrechen)? Nach H III, 22, § 2/1 Halbs. nicht nur in der vorsätzlichen Schadenszufügung, sondern auch in der Schadenszufügung aus Unvorsichtigkeit, Unerfahrenheit oder Unverstand. Demnach liegt also im vorsätzlichen bzw. Versehentlichen Handeln rücksichtlich eines Rechtsgutes das Unerlaubte. Und H III, 22, § 3 bestärkt diese Auffassung: Als Beispiele für die "Unvorsichtigkeit" (vgl. § 2/1 Halbs.) bringt er eine Reihe von Verhaltensweisen, die nichts anderes als die Nichteinhaltung von Verboten und Geboten i. S. des § 1/2 Halbs. bedeuten: "Für eine solche Unvorsichtigkeit ist es zu halten, wenn Jemand aus dem Hause, ohne die Vorübergehenden zu warnen, etwas ausgießet, ... wenn Jemand Feuer und Licht verwahrloset ..." etc. § 2/1 Halbs. spricht interessanterweise in Zusammenhang von vorsätzlichen bzw. unvorsichtigen Schädigungen etc. gar nicht von Verschulden. Erst ein Gegenschluß aus § 2/3 Halbs. ergibt, daß er derartiges Verhalten gleichzeitig als Schuld auffaßt. M. a. W.: Das Verschulden bezieht sich in Hortens Entwurf nicht auf die Rechtswidrigkeit, es ist Rechtswidrigkeit (=unerlaubte Handlung= Verbrechen). Diese Identität zeigen noch deutlicher die späteren Entwürfe. Während die beiden älteren Entwürfe den Schadenersatz unter dem Titel "Verbrechen" abhandeln, wählen der Entwurf Martini41 und das Westgalizische Gesetzbuch48 (Urentwurf) überhaupt die Überschrift "Von dem Verschulden". Der Entwurf Martini hebt ausdrücklich hervor: "Nach den Rechten und Verbindlichkeiten, die sich auf Verträge gründen, folgen die ..., so aus Verschulden entstehen49." Und das WGB definiert in fast wörtlicher Übernahme aus dem Entwurf Martini60 "Ein Verschulden im rechtlichen Sinne ist eine freie Handlung oder Unterlassung, welche den Zwangspflichten gegen Andere zuwider läuft61 . " Unter Zwangspflichten versteht das Gesetz "die Regeln, ... 45
So auch CTh. III, 21 insb. die Einleitung des § I. 21 Z. 34 i. V. m. Z. 1. III, 13. Hauptstück- bei Harrasowsky, Codex V 210. III, 13. Hauptstück- bei Ofner, Protokolle I, CXXVIII.
u Lies auch CTh. III, 47 48
48
so at
M III, 13, § 1/1. Vgl. M III, 13, § 1/2. WGB III, 13, § 411.
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§ 7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit
welche dem Menschen in seinem Thun und Lassen zur Richtschnur dienen sollen, und ihm seine Pflichten vorschreiben" 52 • Auch hier bedeutet also unerlaubte Handlung gleichsam Verschulden. Die jüngeren Entwürfe ersetzen also bloß das Wort Verbrechen (unerlaubte Tat) durch das Wort Verschulden. Das Gegenteil von Verschulden (unerlaubte Handlung) ist der Zufall53• Ihm ist die Schädigung durch Zurechnungsunfähige zugeordnet54• "Weil aber der Schadenersatz sich auch auf das Vertheidigungsrecht gründet, welches auch gegen Kinder und Wahnsinnige Statt hat; so fällt derselbe ... (subsidiär) ..., dennoch auf den Beschädiger55." Dieser letzte Satz bildet den Schlüssel zum Verständnis des Widerrechtlichkeitsbegriffes in § 1294 ABGB: Den Schöpfern des ABGB ging es nämlich im Gegensatz zu den Vorentwürfen darum, die Schädigung durch Zurechnungsunfähige aus dem Begriff des Zufalls auszugLiedern56• Davon ausgehend, daß diese zu keiner willkürlichen Handlung57 (=keinem Verschulden= keiner unerlaubten Handlung) fähig seien58, konnte der Widerrechtlichkeitsbegriff dort nicht ansetzen. Er setzt, wie ZeiUer in seinem Kommentar zeigt, auch an einem ganz anderen Punkte an: " ... auch wegen einer ganz unwillkürlichen Beschädigung, z. B. eines Wahnsinnigen" findet "das Ersatzrecht statt ..., weil es gleich dem Vertheidigungsrechte, nicht aus der Verbindlichkeit des Andern58 keinen Schaden zuzufügen, sondern aus dem Rechte, sein
Eigenthum und seine Rechte zu erhalten und zu behaupten, abzuleiten
ist59• 60 ". Damit ist klargestellt: Rechtswidrigkeit i. S. des § 1294 ABGB bedeutet das Gefährdetsein (arg.: Vertheidigungsrecht)60 oder das Ver-
WGB I, 1, § 2. ss M UI, 13, § 1; WGB III, 13, § 412. s• M III, 13, § 46 = WGB III, 13, § 456. 65 WGB III, 13, § 456- fast wörtlich gleichlautend: M III, 13, § 46. 60 Vgl. Zeiller, Commentar III/2, 736: "Unter Zufall wird hier . .. eine in den physischen Gesetzen der leblosen Natur gegründete Ereignung verstanden; und dadurch ... die durch eine unwillkürliche Handlung eines Verstandlosen ... bewirkte Beschädigung ausgeschlossen." - Vgl. auch aaO 729f. 57 Zeiller, Commentar III/2, 703; s. a. Ofner, Protokolle II 189. 58 Man glaubte also nicht wie heute, daß dies möglich sei, aber den Zurechnungsunfähigen aus mangelndem, nicht zuvertretendem Wertbewußtsein kein Vorwurf gemacht werden könne. - Vgl. auch Koziol, Haftpflichtrecht I 89 FN 3. 59 Im Original nicht hervorgehoben. 80 Zeiller, Commentar III/2, 729 f.- In der am selben Ort bezogenen Stelle der 2. Auflage des "Natürlichen Privatrechts" sagt Zeiller: "Ich habe das Recht, selbst eine unwillkürliche Verletzung, mithin auch die Fortsetzung (3. Auflage: Fortdauer) eine unwillkürlichen Verletzung mit dem Nachtheil des Angreifers von mir abzuwenden. Weil nun die Verletzung meines Eigentbums so lang fortwähret, bis es (3. Auflage: wenigstens dem Werthe nach) in den vorigen Stand zurückgesetzet wird: so kommt mir das Recht zu, mich aus dem Vermögen des Beschädigten schadlos zu halten" (Das natürliche 52
B. Rechtswidrigkeit und Verschulden i. S. des ABGB
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letztsein eines von der Rechtsordnung zugewiesenen Rechts, somit
Erfolgsunrecht61 • Widerrechtliche Handlung (§§ 1294/1 und 1313 ABGB) bedeutet nichts anderes als Gefährdung oder Verletzung (=Erfolg)
eines zugewiesenen Rechts durch einen Menschen und ist im letzten Fall ident mit widerrechtlicher Beschädigung (§ 1294/1 ABGB). Unwillkürlich widerrechtliche Beschädigung (§ 1294/2 ABGB) ist nichts anderes als die schadenzufügende unwillkürliche Handlung des § 1306
Privatrecht2 220, vgl. auch 218; Das natürliche Privatrecht3 246, vgl. auch Vgl. auch Ofner, Protokolle II 190, 203 u. 205, wo der (subsidiäre) Schadenersatzanspruch des späteren § 1310 ABGB aus dem Recht der Verteidigung abgeleitet wird. Wenn auf S. 203 ausgeführt ist, daß Widerrechtlichkeit nur dem frei Handelnden "zugeschrieben" werden könne, so ist damit nur der Vorwurf gegen den Täter gemeint. Dies zeigt klar § 1294 ABGB, der von unwillkürlicher, also unfreiwilliger, widerrechtlicher Schädigung spricht. e1 Albert A. Ehrenzweig (Schuldhaftung 62) vernachlässigt den Bezugspunkt des Widerrechtlichkeitsurteils des § 1294 ABGB. Es wurde für Zurechnungsunfähige nicht einfach anstelle des Begriffes Verschulden der der Widerrechtlichkeit gesetzt, sondern dieser Begriff eben vom Standpunkt der Rechtsposition des Gefährdeten bzw. Verletzten aus neu gebildet. Schließlich: Wäre der Begriff der Widerrechtlichkeit nur für Zurechnungsunfähige geschaffen worden anstelle des Begriffes Verschulden, so spräche § 1294 ABGB nicht von einer unwillkürlichen (nicht verschuldeten) und einer willkürlichen (verschuldeten) widerrechtlichen Beschädigung, sondern eben von einer widerrechtlichen oder einer willkürlichen Beschädigung. Nicht zielführend ist auch Albert A. Ehrenzweigs schwer verständliche Argumentation aus§ 1296 und§ 1298 ABGB: "Die Gegenauffassung, die den § 1294 so lesen will, daß er die Widerrechtlichkeit als für das Verschulden bestimmend erklärt, muß sich mit den §§ 1296 und 1298 auseinandersetzen. § 1298 sagt: ,Wer vorgibt, daß er an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen oder gesetzlichen Verbindlichkeit ohne sein Verschulden verhindert worden sei, dem liegt der Beweis ob.' Also: wer vorgibt, zwar widerrechtlich, aber nicht schuldhaft gehandelt zu haben, muß seine Schuldlosigkeit beweisen. § 1296: ,Im Zweifel gilt die Vermutung, daß ein Schade ohne Verschulden eines Andern entstanden sei.' Hier kann nur die nicht widerrechtliche Beschädigung gemeint sein. Sonst läge ein offenbarer Widerspruch mit § 1298 ABGB vor." - Albert A. Ehrenzweig meint wohl, § 1296 ABGB würde bei einer Auffassung des Widerrechtlichkeitsbegriffs, die nicht mit seiner ident ist, bedeuten: Im Zweifel liegt bei Widerrechtlichkeit nicht Verschulden vor, und § 1298 ABGB würde besagen: Im Zweifel liegt bei Widerrechtlichkeit Verschulden vor. Dieser nach Ehrenzweig offenkundige Widerspruch des Gesetzes hätte zur Voraussetzung, daß der Nichterfüllungsbegriff des § 1298 ABGB jede Widerrechtlichkeit des § 1294 ABGB erfasse. Das ist offenkundig nicht der Fall (vgl. auch Klang I Wolff2 VI, 47 FN 6.- Wolffs Argumentation überzeugt freilich nicht; s.o. § 3. E. nach FN 17). Die Weite des Nichterfüllungsbegriffes des § 1298 ABGB, wie sie Albert A. Ehrenzweig annimmt, müßte doch - so möchte man meinen - immer in Widerspruch zu § 1296 ABGB stehen. Ein Widerspruch zwischen beiden Gesetzesstellen ließe sich bei Albert A. Ehrenzweigs Ansicht nur dann vermeiden, wenn § 1296 ABGB bloß für die Fälle gedacht wäre, in denen man um den Schaden weiß, aber den Schädiger nicht kennt, § 1296 ABGB also von diesbezüglichen Verdächtigungen gegen eine bestimmte Person befreien sollte. § 1296 ABGB wäre dann folgendermaßen zu deuten: Im Zweifel gilt die Vermutung, daß ein Schade ohne Verursachung eines bestimmten anderen entstanden ist. Das wäre aber doch allzukühn. 243). -
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§ 7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit
ABGB82 • Widerrechtlicher Arrest i. S. des§ 1329 ABGB83 bedeutet Arretierung ohne Eingriffsrecht. Dies steht durchaus im Einklang mit dem allgemeinen Widerrechtlichkeitsbegriff des § 1294 ABGB, denn dort wird ja die Widerrechtlichkeit daraus abgeleitet, daß dem Verletzer kein Eingriffsrecht zusteht64 • Die Haftung des Zurechnungsunfähigen (§ 1310 ABGB vorletzter und letzter Halbs.) gründet sich letztlich auf dem Satz: "Furiosus cum nullum ius habeat, iniuriam mihi facit85• 88." Gebraucht das ABGB die Ausdrücke widerrechtliche Schädigung und widerrechtliche Handlung i. S. von Erfolgsunrecht, so gebraucht es den des Verschuldens in einer Weise, die alle Elemente eines Verhaltensunrechts aufweist: Versehen, Mangel an gehöriger Aufmerksamkeit oder des gehörigen Fleißes, schuldbare (= zurechenbare)87 Unwissenheit (§ 1294/3 ABGB). Wir finden in § 1294 ABGB im Verschulden wieder jene Merkmale vor, mit denen bereits der Entwurf Horten die "unerlaubte That" beschrieben hat. Der Verschuldensbegriff des ABGB ist der der Entwürfe (s. o.), er deckt sich insoweit auch weitgehend mit dem des Verhaltensunrechts68, mit einer im praktischen Ergebnis unwesentlichen Ausnahme. Sie beruht darauf, daß Zurechnungsunfähige schlechthin nicht als willkürlich Handelnde angesehen wurden. Während das Naturrecht, von einer Bestimmungsnorm ausgehend, diese den Zurechnungsunfähigen gegenüber sinnlos fand, und solche Personen daher als nicht gebotswidrig handelnd ansah, sieht sie die moderne Verhaltensunrechtslehre gegen die Norm verstoßen und entschuldigt dann im subjektiven Sinn. Der von den Anhängern dieser Lehre zum Teil vertretende Charakter der Normen als BestimmungsSo auch Klang I Wolff VI 70. Diese Formulierung entstammt nicht erst der 3. TN. " s.o. bei FN 59:"... nicht aus der Verbindlichkeit des Andern". " Vgl. Albert A. Ehrenzweig, Schuldhaftung 32 unter Bezug auf "Larva legis Aquiliae detracta actioni de damno dato receptae in foris Germanorum ... praeside Thomasio .. . exponitur Gajo Matthia Arend". Ehrenzweig zitiert aus einer Auflage aus 1743 (?) die Seite 11. In der mir vorliegenden Auflage aus 1703 findet sich die Aussage aufS. 10. oe Derselbe Gedanke findet sich ja in M III, 13, § 46 = WGB III, 13, § 456, (s.o. vor FN 55) nur wird dort nur vom Verteidigungsrecht gesprochen. Vgl. zur Notwehrbefugnis wegen des fehlenden Eingriffsrechts des Verletzers: Esser, Schuldrecht4 I 67; Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil15 82
83
1/2, 1296 f.
• 7 Vgl. H III, 22, § 5: "Dahingegen macht die Unwissenheit dessen ... verfänglich ... was jeder wissen soll"; M III, 13, § 10 und WGB III, § 420: "... wenn man nicht weiß ... was man wissen ... soll. es Vgl. die §§ 1294, 1306 (das "oder" in § 1306 ist als d. h. zu lesen, vgl. Klang I Wolff VI 70 und 32. - v. Scheppel wollte eine ausdrückliche Definition im Gesetz, die den unwillkürlich, als ohne Verschulden zugefügten Schaden umschreibt. Dies wurde als überflüssig abgelehnt, Ofner, Protokolle II 185), 1307, 1308, 1310, 1311 ABGB. § 1304 ABGB hat denselben Inhalt, er betrifft bloß eigene Angelegenheiten.
B. Rechtswidrigkeit und Verschulden i. S. des ABGB
129
normen69 läßt sich- unter der Voraussetzung eines indeterministischen Weltbildes- freilich nur insoweit aufrechterhalten, als sie den normgerechten Menschen zu bestimmen vermögen. Gegenüber dem Zurechnungsunfähigen können sie nur den Charakter einer Bewertungsnorm haben, wobei die Bewertung quoad Tat durch die Bewertung bezüglich der Psyche wieder kompensiert wird (Ausnahme: § 1310 ABGB Schluß). Das ABGB kommt zum seihen Ergebnis, wenn es das Verhalten des Zurechnungsunfähigen von vornherein nicht als Verschulden i. S. v. objektiver Sorgfaltsverletzung beurteilt. Wegen desselben Ergebnisses sind auch wir frei, eine Zuteilung i. S. der "reinen Verhaltensunrechtslehre" vorzunehmen70 , wenn der Zurechnungsunfähige zwar einen Willen bilden kann, den Unwert der Verwirklichung dieses Willens aber nicht zu erkennen vermag. Diese Zuteilung führt überdies zu einer systematischen Einheit. Während nämlich die Vorentwürfe zum ABGB das Verschulden rein im objektiven Sinne verstehen, hat es das ABGB zumindest zum Teil mit täterpersönlichen Elementen angereichert70a. So ist es nur konsequent, diesem Verschulden im objektiven Sinne {dem objektiven Sorgfaltsverstoß) auch ein Verhalten eines Zurechnungsunfähigen zuzuordnen, das vom generell-abstrakten Sorgfaltsmaßstab abweicht, und ihn wie andere aufgrund der täterpersönlichen Umstände subjektiv zu entlasten {Entschuldigung i. e. S.). Dies ist in Wahrheit ja auch der praktische Vorgang, weil jeder als zurechnungsfähig angesehen wird, solange nicht das Gegenteil feststeht. Die Möglichkeit einer Entlastung bezüglich subjektiver Elemente und ihre Grenzen werden in einem späteren Abschnitt behandelt70a. Hier ist nur festzuhalten, daß sich im ABGB eine Gliederung in gebotswidriges Verhalten (objektiver Sorgfaltsverstoß - Verschulden im objektiven Sinn) und Verschulden im subjektiven Sinne vornehmen läßt. Mit dem ABGB ist also sehr wohl eine Verhaltensunrechtslehre zu vereinbaren, die die Rechtswidrigkeit an der objektiv gebotenen Sorgfalt orientiert, man muß sich aber dabei vor Augen halten, daß ein so verstandener Rechtswidrigkeitsbegriff in dem weiten Verschuldeosbegriff des ABGB aufgeht. Es ist gestattet, diesen Verschuldeosbegriff des ABGB in seine objektiven und subjektiven Elemente aufzuspalten, um zu einem verbesserten dogmatischen Verständnis der Materie der Rechtswidrigkeit zu gelangen. Diese Betrachtungsweise erlaubt es vor es Vgl. Münzberg, Verhalten 8 ff., 49 ff., 62 ff., 232 ff.; Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil16 1/2, 1280ff.- Nowakowski z. B. geht von Bewertungs-
normen aus (Das Österreichische Strafrecht in seinen Grundzügen, 52 f., 66 f., dersetbe ZStW 1951, 287 ff., vgl. auch JBl. 1972, 22 bei FN 21). 10 Vgl. die eine solche Zuteilung Vornehmenden: z. B. Koziot, Haftpflichtrecht I 70 i. V. m. 91 und die h. L. überhaupt. a s. u. § 11. A.
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II Reisehauer
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§ 7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit
allem, die Verwandtschaft des generellen Sorgfaltsgebotes hinsichtlich der Rechtsgüter der anderen und der speziellen Sorgfaltsgebote, die in bestimmten Verhaltensvorschriften bestehen (z. B. der StVO), aufzuzeigen. Verfehlt wäre es jedoch, den aus dem weiten Verschuldensbegriff des ABGB herausgeschälten Verhaltensunrechtsbegriff dort einzusetzen, wo die§§ 1294 ABGB von Rechtswidrigkeit sprechen, denn das Gesetz meint dort Erfolgsunrecht. Genauso unrichtig ist es, das ebenfalls aus dem weiten Verschuldeosbegriff des ABGB abgespaltene Verschulden im subjektiven Sinn, mit dem vom Gesetz verwendeten Verschuldeosbegriff gleichzusetzen. Auf diese Weise würden andere als die vom Gesetz intendierten Rechtsfolgen eintreten. Trennt man im bürgerlichen Recht den objektiven Sorgfaltsverstoß klar vom Verschulden im subjektivem Sinn, so läßt sich insoferne auch eine Harmonisierung mit dem neuen Strafgesetz herbeiführen70b. § 6 StGB 1974 bestimmt: "Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt11 außer acht läßt, zu der er nach Umständen verpflichtet11 " (objektiver Maßstab) "und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist" ... (subjektiver Maßstab). "Zu welcher Sorgfalt die Situation verpflichtet, ist" - nach den erläuternden Bemerkungen72 - "von den persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften des einzelnen Menschen unabhängig11 • Hier gilt ein objektives Maß" ... "Wenn der Täter die Sorgfalt, zu der er objektiv verpflichtet ist, nicht aufwendet, kann ihm das nur dann als Schuld vorgeworfen werden, wenn er nach seinen11 geistigen und körperlichen Fähigkeiten befähigt ist, sie zu erbringen. Insoweit muß der Maßstab subjektiviert werden." Betrachtet man den Sorgfaltsverstoß als Verhaltensunrecht73 und begreift man das Verschulden im subjektiven Sinn, so ergibt sich ungeachtet des Unterschiedes des Umfanges der Berücksichtigung subjektiver Momente im Zivil- und im Strafrecht - für das ABGB folgende mögliche und wissenschaftlich einwandfreie Dreiteilung14 : Un70b In dem hier verstandenen Sinn deutet auch BurgstaUer das Verhaltensunrecht im Österreichischen Strafrecht (Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, Wien 1974). - Da seine Arbeit erst nach Abschluß meiner Arbeiten am vorliegenden Buch erschien, kann sie hier leider nicht mehr in der ihr gebührenden Weise berücksichtigt werden. 7 1 Im Original nicht hervorgehoben. 12 RV 30 BlgNR 13. GP, 68- Im gleichen Sinne: JA 959 BlgNR 13. GP, 3. 73 Die Regierungsvorlage bemerkt, daß die heute überwiegende, aber nicht unbestrittene Auffassung das Zurückbleiben hinter der gebotenen Sorgfalt als Unrechtselement betrachtet. Die Fassung des Entwurfes lasse der wissenschaftlichen Deutung insoferne freien Raum (RV 30 BlgNR 13. GP,
68).
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Vgl. auch Nowakowski, JBl. 1972, 26 bei FN 49 und in FN 49.
C. Ergebnis für § 1298 ABGB; Ausländische Rechtsordnungen
131
werturteil bezüglich der Rechtsgutsgefährdung75 oder Verletzung (= Rechtswidrigkeit i. S. des § 1294 ABGB = Erfolgsunrecht), Unwerturteil bezüglich der Tat (= Verhaltensunrecht = Sorgfaltsverletzung = Verschulden im objektiven Sinne) und Unwerturteil bezüglich des Täters (Verschulden im subjektiven, im engen Sinn), wobei letzteres nicht immer Haftungselement i. S. der sog. Verschuldenshaftung ist76 •
C. Ergebnis für § 1298 ABGB; die Regelungen ausländischer Rechtsordnungen Der Rechtswidrigkeitsbegriff der §§ 1294 ff. ABGB ist erfolgsbetont. Er geht von einem fehlenden Eingriffsrecht in die Güter der Verletzten aus. Den Verstoß gegen die gebotene Sorgfalt begreift das ABGB als Verschulden. Die Beweislast für mangelndes Verschulden bedeutet, da der Verschuldensbegriff des ABGB die Komponenten des Verhaltensunrechts i.S. der "reinen Verhaltensunrechtslehre" und des Verschuldens i. e. S. (des Fehlverhaltens trotz individuellen Anderskönnens) umfaßt, auch die Beweislast für die fehlende Rechtswidrigkeit i. S. eines modernen Verhaltensunrechts. Nur so läßt sich§ 1298 ABGB sinnvoll deuten, nimmt man den einfachsten und unbestrittenen Fall seiner Anwendung, das gänzliche Ausbleiben der Leistung, als Beispiel. Trifft die Warensendung nicht ein (=Nichterfüllung), so hat sich der Schuldner zu entlasten. Müßte der Gläubiger beweisen, daß das Ausbleiben der Lieferung auf einer Sorgfaltsverletzung beruht, so wäre ihm überhaupt nicht gedient. Das Erfordernis eines derartigen Beweises hat für diese Fälle bisher auch niemand behauptet. Eine bloße Beweislastumkehr bezüglich der subjektiven Fähigkeiten - die übrigens schon die §§ 1297 und 1299 ABGB vermuten76a - brächte dem Gläubiger kaum etwas. Die Aufklärbarkeit der subjektiven Fähigkeiten spielt in praxi weder im deliktischen noch im vertraglichen Schadenersatzrecht eine besondere Rolle. Das fühlt Koziol auch, wenn er bei der Haftung für culpa in contrahendo und für die sog. positive Vertragsverletzung schreibt: "Um die Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten nicht wertlos zu machen, muß es als ausreichend angesehen werden, wenn der Geschädigte nachweist, daß nach aller Erfahrung die Schadensentstehung auf ein mangelhaftes Verhalten des Schädigers zurückzu75 Das Erfolgsunrecht setzt nicht erst bei der Rechtsgutsverletzung an. Die Widerrechtlichkeit i. S. des ABGB geht von dem fehlenden Eingriffsrecht bzw. dem Verteidigungsrecht aus (s.o. nach FN 58). Letzteres entsteht naturgemäß vor der Rechtsgutsverletzung. 78 s. u. § 11 Vgl. vor allem § 1299 ABGB: Wer sich zu einem Gewerbe etc. öffentlich bekennt, kann sich nicht damit entlasten, daß ihm die geforderten Kunstkenntnisse fehlen. - Dies auch dann nicht, wenn er aufgrund seines Verstandes seine Unfähigkeit nicht einzusehen vermochte. Für den Deliktsunfähigen gilt diese Haftung selbstverständlich nicht. 78& s. u. § 11.
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§ 7. § 1298 ABGB und die Rechtswidrigkeit
führen ist77." Koziol bedarf also hier, um § 1298 ABGB "nicht wertlos zu machen", einer Kombination von prima-facie-Beweis für das Verhaltensunrecht und einer Beweislastumkehr für die subjektiven Fähigkeiten des Schuldners78• Wenn nun der Gesetzgeber bei der Nichterfüllung die Beweislast umkehrt, dann doch wohl so, daß sie von vornherein sinnvoll ist und nicht noch der zusätzlichen - ihm selbst noch gar nicht bekannten Krücke, nämlich des prima-facie-Beweises, bedarf. Er hat denn auch mit seinem weitgespannten Verschuldensbegriff dem Schuldner den Beweis der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zugeschoben. Die Frage, ob nach § 1298 ABGB auch die Aufklärung der Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit dem Schuldner obliegt, kann allerdings nur nach dem vom Frager verwendeten Rechtswidrigkeitsbegriff mit Ja oder Nein beantwortet werden. Geht man vom Erfolgsunrecht aus, so ist sie zu verneinen. Steht man auf dem Standpunkt des Verhaltensunrechts, so ist sie zu bejahen: Für die Einhaltung der geforderten Sorgfalt trägt der Schuldner die Beweislast. Damit ist nur geklärt, in welchem Umfang§ 1298 ABGB die Beweislast verteilt. Offen ist jedoch, in welchen Fällen diese Beweislastverteilung eingreift. Vor allem ist damit nicht gesagt, daß diese Norm für die Fälle der culpa in contrahendo gilt und auch nicht, daß sie immer dann anzuwenden ist, wenn irgendeine Gläubigerbeeinträchtigung in die dubiose Kategorie der sog. positiven Forderungsverletzungen783 eingereiht wird. Genau wie § 1298 ABGB hat der Schuldner auch nach den vom Österreichischen Recht rezipierten §§ 390, 407, 417, 429, 606 HGB; § 29 b öLuftVG; den Beweis der Einhaltung der geforderten Sorgfalt zu erbringen. Nicht anders verhält es sich mit den §§ 282, 285 und 694 BGB. Auch das in der folgenden rechtsvergleichenden Übersicht zu behandelnde Schweizer OR belastet, obwohl es vom Verschulden spricht (z. B. Art. 97, 103, 106, 109), den Schuldner mit dem Sorgfaltsbeweis79• Der Code civil verlangt vom Schuldner überhaupt den Beweis einer cause etrangere (Art. 1147). Das einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG) erwähnt in dem nach Art. 74 gestatteHaftpflichtrecht I 271. So vor ihm auch schon Klang I Bydlinski1 IVI2, 172 f. 78a s. u. § 8. B. 78 Guhl I Merz I Kummer, Obligationenrecht8 : Bei der schuldhaften Nichterfüllung bereitet die Widerrechtlichkeit keine Schwierigkeit, sie liegt soferne man den Begriff überhaupt heranziehen will - schon in der Tatsache, daß der Schuldner entgegen der vertraglichen Verpflichtung überhaupt nicht oder nicht richtig erfüllt hat (222). Der Begriff der Fahrlässigkeit, der auf den Vorwurf mangelnder Sorgfalt zurückgeht, wird objektiviert. Es wird auf den Durchschnittsmaßstab von Kenntnissen, Fähigkeiten . . . abgestellt 77
78
(183).
C. Ergebnis für § 1298 ABGB; Ausländische Rechtsordnungen
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ten Entlastungsbeweis den vieldeutig verwendeten Verschuldensbegriff bewußt nicht80, sondern umschreibt bloß die Umstände, derentwegen der Schuldner sich entlasten kannsoa. Da nun geklärt ist, für welche rechtserheblichen Momente nach § 1298 ABGB der Schuldner die Beweislast trägt, und überdies angedeutet wurde, welchen Weg fremde Rechtsordnungen einschlagen, kann auf die Gründe der Beweislastverteilung im Schuldverhältnis eingegangen werden.
so Riese, RabelsZ 1965, 55. 80a s. u. § 8. A. V.
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis Einleitend seien zwei Termini erklärt: Der Ausdruck "Erfolgsverbindlichkeit" wird im weiteren Verlaufe der Arbeit für Verbindlichkeiten verwendet, nach deren Inhalt der Schuldner einen bestimmten Erfolg schuldet (Prototyp: Werkvertrag); der Ausdruck "Sorgfaltsverbindlichkeit" für Verbindlichkeiten nach deren Inhalt der Schuldner bloß das Bemühen um einen Erfolg schuldet, der Erfolg selbst aber nicht Schuldinhalt ist (Prototyp: Dienstvertrag). A. Die Gründe für die Beweislast des Schuldners in rechtsvergleichender Sicht Bei Forderungsverletzungen kennen, wie eben angedeutet•, nicht nur das Österreichische (§ 1298 ABGB) und das deutsche Recht (§§ 282, 285 BGB) einen Entlastungsbeweis des Schuldners. Auch anderen europäischen Rechtsordnungen, wie der schweizerischen (vor allem: Art. 97, 103, 106, 109 OR) und der französischen (Art. 1147, 1148 Code civil)13 ist er nicht fremd. Ebenso findet er sich im angloamerikanischen Rechtskreis. Das Raager Abkommen über die internationale Vereinheitlichung des Kaufrechts (EKG) läßt den Schuldner ebenfalls haften, wenn er sich nicht entlastet (Art. 74 EKG). Der Entlastungsbeweis des Schuldners erscheint somit als Gemeingut der verschiedensten Rechtsordnungen, und dies legitimiert wohl im besonderen die nachstehende Rechtsvergleichung. I.BGB
Die Motive erwähnen zur Beweislastverteilung des § 282 BGB, daß der Schuldner die Gründe für die Befreiung von der Verbindlichkeit, die nicht zu vertretende Unmöglichkeit darzutun hat2 • Aus demselben Gesichtspunkt erklären sie die Beweislastregel bei Verzug (§ 285 BGB) und halten fest, "daß der Schuldner sich gegen den Vorwurf des Verzugs in demselben Umfange und durch dieselben Umstände, wie gegenüber vertretbarer gänzlicher oder teilweiser Unmöglichkeit der Erfül1 1a 2
s.o.§ 7. c. Vgl. auch Art. 1218 Codice civile. BGB-Motive2 II 47.
A. Gründe für die Beweislast I I. BGB
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lung muß exkulpieren können" 3. - Er muß sich exkulpieren könnendas gewöhnlich als Last Verstandene wird hier offenbar als Recht begriffen, der Schuldner als Garant betrachtet, dem der Weg der Entschuldigung freisteht: demnach wird in der Verbindlichkeit des Schuldners eine durch Entlastbarkeit abgeschwächte Garantie gesehen4• 5 • Für die geschehene Nichterfüllung muß der Schuldner Schadenersatz leisten, wenn er sich nicht exkulpiert. Die Protokolle zum BGB überliefern bezüglich eines Streichungsantrags zu § 282 BGB die eine Streichung ablehnende Mehrheitsmeinung, welche besagt, daß sich diese Beweisregel "zwar bei richtiger Auslegung von selbst ergebe, trotzdem aber aus Gründen der Zweckmäßigkeit in dem Gesetz aufzustellen sei, weil die Rechtsprechung in die Lage kommen werde, von dieser Regel ausgiebigen Gebrauch zu machen"8 • 1 • Wenn die Motive zum BGB für die Beweislastverteilung festhalten, daß sich der Schuldner "muß exkulpieren können" 8 , so ist klar, daß sie bei der Befreiung wegen nicht zu vertretender Unmöglichkeit von einer Erfolgsverbindlichkeit ausgehen und dort auch die Haftung ansetzen. Wenn die Protokolle von der zweiten Lesung des BGB die Meinung referieren, daß sich die getroffene Beweislastverteilung bei richtiger Auslegung von selbst ergebe9 , so zeigt dies, daß die Kommissionsmitglieder meinten, der Entlastungsbeweis ergebe sich aus dem Schuldinhalt. Aus der Natur einer bloßen Sorgfaltsverbindlichkeit wäre aber eine Beweislastverteilung, die sich am ausgebliebenen Erfolg orientiert, nicht abzuleiten. s BGB-Motive2 II 60. 4 Vgl. zu § 1298 ABGB Gschnitzer, Schuldrecht. Besonderer Teil 146: "§ 1298 . . . legt den Beweis für die unverschuldete Nichterfüllung dem Schuldner auf, ist er doch für die Erfüllung gut gestanden". 5 Dies ist nicht identisch mit einer Garantie für unaufklärbare Fälle einzustehen (das sei im Hinblick auf Prölss, VersR 1964, 904 u. Beweiserleichterungen 69 und Welser, Vertretung 267 angemerkt, die gegen ein derartiges Argument Essers Schuldrecht2 § 57 Anm. 11 lit. e [= S. 213] zu Felde ziehen). Es ist nämlich durchaus möglich, daß Schadensursachen unaufklärbar sind, sich aber sehr wohl beweisen läßt, daß den Schuldner kein Verschulden trifft und er die Nichterfüllung auch sonst nicht zu vertreten hat. Bestünde eine Garantie für unaufklärbare Schäden, müßte selbst dann gehaftet werden. Der abgeschwächte Garantieeffekt besteht darin, daß man grundsätzlich für Nichterfüllung einzustehen hat, es sei denn, man kann nachweisen, daß man sie nicht zu vertreten hat. s BGB-Protokolle I 317. 7 Vgl. auch Randa, der dem Gesetzgeber der 3. TN, die Streichung des § 1298 ABGB empfahl, weil er diese Beweislastverteilung für selbstverständlich empfand (s. o. § 3. F.). 8 BGB-Motive2 II 60. 8 BGB-Protokolle I 317.
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
Auch nach Larenz steckt in der Beweislastverteilung des § 282 BGB "ein Stück Erfüllungsgarantie" 10• Es liege in der Beweislastregel "eine gewisse Abschwächung des Verschuldensgedankens zugunsten des Gedankens, daß der Schuldner zunächst einmal, d. h. solange er nicht beweist, daß die Unmöglichkeit der Leistung ihm ... nicht zum Verschulden angerechnet werden kann, einzustehen hat. So kann man vielleicht sagen, daß das heutige deutsche Recht vom Verschuldensgrundsatz ausgeht, ihn aber in verschiedener Hinsicht zugunsten einer im Schuldversprechen sinngemäß gelegenen Garantie beschränkt ..." 11 • Esser schlägt in dieselbe Kerbe, wenn er in § 282 BGB "das Moment der Garantie für die Leistungsfähigkeit" zum Ausdruck kommen sieht11 . Während Esser, Larenz und mit ihnen die h. L. im Leistungserfolg den Schuldinhalt sehen, für den man grundsätzlich einzustehen hat, sofern keine Entlastung gelingt, findet sich ein ganz anderer Ausgangspunkt bei Jakobs. Für ihn "besteht die Verpflichtung zur Leistung von vornherein nicht, wenn die Bewirkung der Leistung nicht mit einem nach Maßgabe der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu beobachtenden Verhalten ausgeführt werden könnte" 13• Nur sei der Eintritt von Umständen, die die Haftung des Schuldners ausschließen, bei Begründung der Verpflichtung noch ganz unsicher und wegen des üblicherweise normalen Verlaufes der Dinge die Ausnahme, so daß man sagen könne, normalerweise sei der Sdmldner schlechthin zur Leistung (i. S. v. Erfolg) verpflichtet14• Daraus rechtfertige sich die Beweislastverteilung nach§ 282 BGB15. Ist es aber ein Erfahrungswert, daß man bei Obligationen den Erfolg mit üblicher Sorgfalt herstellen kann, so ist nicht recht einzusehen, warum die Rechtsordnung nicht von vornherein auf den Regelfall, die Erfolgsherstellung, als Schuldinhalt abstellen sollte. Wenn die Rechtsordnung daran die Beweislastverteilung knüpft und den Schuldner im Beweisnotstand den Ersatz tragen läßt, so zeigt sie doch gerade, daß sie ihr Grundmaß am Erfolg und nicht an einer nach dem Erfolg strebenden Sorgfalt nimmt. Darin steckt das Stück Garantie des Erfolges. Ginge man von Jakobs' Auffassung vom Schuldinhalt aus, so brächte die Beweislastregel des§ 282 BGB ein Plus zur eingegangenen Verbindlichkeit, vom hier vertretenen Standpunkt aus bringt sie eine Erleichterung der prinzipiell gegebenen Erfolgsverbindlichkeit. Dieser Stand10 Schuldrecht10 I 273 - s. a. unten nach FN 19. u Schuldrecht10 I 205 f. tt Schuldrecht4 I 379; vgl. auch 208 und 390- s. a. unten nach FN 19. 1a Unmöglichkeit 211. 1' Unmöglichkeit 212 vor FN 142 und in FN 142. 16 Unmöglichkeit 212 FN 142.
A. Gründe für die Beweislast I I. BGB
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punkt bringt u. E. die ungekünsteltste Auffassung vom Schuldinhalt und ist wohl auch gerade daher den anderen, noch zu behandelnden Rechtsordnungen zu eigen. Würde den Schuldner nach § 282 BGB die Beweislast treffen, weil ein Schuldner normalerweise den Leistungserfolg herstellen kann18, so müßte dieselbe Beweislastverteilung im Deliktsrecht gelten, weil man normalerweise auch außerhalb eines Schuldverhältnisses Schädigungen vermeiden kann. Wieweit der Anwendungsbereich des § 282 BGB reichen soll, läßt Jakobs offen17 • Selbstverständlich ist für ihn, daß diese Norm insofern anzuwenden ist, als das Geleistete von der geschuldeten Qualität abweicht und die Sache selbst weniger Wert ist als in der vereinbarten Güte. In den Mangelfolgeschäden sieht er keinen Ausfluß der Nichterfüllung der Leistungsverbindlichkeit. Er nimmt ohne Begründung18 von der Gültigkeit des Vertrages unabhängige Schutzpflichten an, die über allgemeine deliktische Haftungsgrundsätze hinaus zu einer Haftung führen sollen111• Esser und Larenz dagegen machen ihre Aussagen über die prinzipielle Erfolgsverantwortung des Schuldners nur zum unmittelbaren Anwendungsbereich der§§ 282 und 285 BGB: zum Verzug, im Sinne des vorübergehenden Ausbleibens einer Leistung und zur Unmöglichkeit im Sinne ihres endgültigen Ausbleibens. Für die Beweislastverteilung bei sog. positiven Forderungsverletzungen glauben sie diesen Gedanken nicht fruchtbar machen zu können20 • Hier verneinen sie eine prinzipielle Erfolgsverantwortung des Schuldners. Wie Prölss will auch Larenz21 im allgemeinen und im besonderen bei den sog. positiven Forderungsverletzungen die Beweislast nach Gefahrenbereichen (Herrschafts-, Organisations-, Einsichtsbereichen) verteilen. - Nach unserer Auffassung ist der Theorie von Prölss nicht zu folgen22 • - Esser21 argumentiert, teilweise nicht unähnlich wie Prölss, mit dem Beweisnotstand des Gläubigers, dessen mangelnder Fachkenntnis24 und dem Ursprung von Gefahren aus dem Bereich des u Unmöglichkeit 212 vor FN 142 und in FN 142. Unmöglichkeit 46 FN 82. 18 Vgl. auch Larenz, Schuldrechtl0 I 270 FN 3. 1s Unmöglichkeit 44 ff., 54 ff. 20 Vgl. Larenz, Schuldrecht1o I 273 und Esser, Schuldrecht4 I 390. 2t s. Prölls, Beweiserleichterungen 1. 22 Schuldrecht10 I 273 ff. 23 Schuldrecht4 I 390. 24 Der hier u. a. angeführte Gedanke, daß der in Fachfragen unbewanderte Gläubiger den Beweis nicht führen könne, läßt die Möglichkeit eines Sachverständigenbeweises außer acht. Dagegen kann auch nicht ins Spiel ge17
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
Schuldners. Im übrigen verweist Esser25 auf "die grundlegende Untersuchung" von Hans StolZ, obwohl Hans Stoll26 bei jenen sog. positiven Forderungsverletzungen, bei denen er dem Schuldner den Entlastungsbeweis auferlegen will, von einer prinzipiellen Erfolgsverantwortung ausgeht. Wo er hingegen bloße Sorgfaltsverbindlichkeiten annimmt, wie beim Arztvertrag, lehnt er eine Beweislastumkehr ab27 • Wenn nun, wie Larenz und Esser meinen, in § 282 BGB ein Stück Erfüllungsgarantie steckt und das die ratio des § 282 BGB ist, dann würde doch jede Beweislastumkehr im Schuldverhältnis zu einem Stück Garantie führen. Eine prinzipielle Erfolgsverantwortung wäre also im Ergebnis dann auch dort gegeben, wo beide Autoren diese verneinen. Von ihrem Standpunkt, daß es sich bei den sog. positiven Forderungsverletzungen um bloße Sorgfaltspflichten handle28, wäre eine Beweislastverteilung, in der ein Stück Erfüllungsgarantie steckt, abzulehnen. Denn bei gleicher Beweislastverteilung egalisieren sie den Unterschied zwischen der von ihnen im einen Fall unterstellten prinzipiellen Erfolgsverantwortung und den im anderen Fall bloß angenommenen Sorgfaltspflichten.
Raapes Deutung der Beweislastverteilung283 fußt bei Verzug, Unmöglichkeit und auch bei der sog. positiven Forderungsverletzung in erheblichem Maße auf dem Gedanken der durch Entlastbarkeit abgeschwächten Garantie. Er meint: Wer sein Versprechen nicht einlöst, sein Wort nicht hält, seine Pflicht nicht erfüllt, habe sich zu entschuldigen29, schulde dem Geschädigten volle Aufklärung30, habe sich also zu entlasten. Der Gläubiger müsse nur die objektive Pflichtwidrigkeit beweisen.- Pflichtwidrigkeit bedeutet nun bei Raape keineswegs Verbracht werden, daß der Geschädigte zur Zeit der Schädigung wegen seiner mangelnden Fachkenntnis die nötigen Beweismitteln nicht sammeln könne. Auch im Deliktsrecht ist der Geschädigte häufig bei der Schädigung nicht anwesend, kann also zu diesem Zeitpunkt auch die Beweise nicht sammeln und trotzdem trifft ihn die Beweislast. Und die Erben eines bei einem Autounfall tödlich verunglückten Kfz-Halters müssen ebenfalls die Beweismittel für eine Entlastung nach den Vorschriften des dStvG bzw. EKHG herbeischaffen, auch wenn sie beim Unfall nicht anwesend waren. Die Wertungen beruhen eben auf anderen Überlegungen. Davon scheint ja auch Esser auszugehen, wenn er schreibt, daß § 282 BGB nicht auf die Fälle der culpa in contrahendo anzuwenden sein dürfte. z. B. fehle das in § 282 BGB zum Ausdruck kommende Element der Garantie für die Leistungsfähigkeit (Esser, Schuldrecht' I 379). 25 Schuldrecht' I 390 FN 54. 26 Hippet-FS 517 ff. 27 Vgl. Hippet-FS 534 ff., 553 ff. 28 Larenz, Schuldrecht10, 266 ff.; Esser, Schuldrecht' I, 380 ff. zsa s. o. § 4, C. 28 Entschuldigung ist hier im weiten Sinn zu verstehen, umfaßt also vor allem den Beweis der gehörigen Sorgfalt. ao AcP 147, 242, 222, 288.
A.
Gründe für die Beweislast I I. BGB
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stoß gegen eine Verhaltensnorm i. S. der Verhaltensunrechtslehre, er versteht darunter (wie man seinen Beispielen entnehmen kann) vielmehr, je nach dem von ihm angenommenen Schuldinhalt, einmal die Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit und das andere Mal die einer Sorgfaltsverbindlichkeit. Demnach ist auch das Ausmaß des vom Gläubiger zu beweisenden Sachverhaltes verschieden und unabhängig von dem sonst von Raape auch ins Spiel gebrachten Beweisnotstandsgedanken. Überwiegend nimmt Raape jedoch- ohne diesen Terminus zu gebrauchen - Erfolgsverbindlichkeiten an. Im übrigen muß hier auf die Kritik zu RaapesAusführungen verwiesen werden283• Der abgeschwächte Garantiegedanke steht auch hinter der Beweislastverteilung bei Schädigung eines Verwahrers durch die Hinterlegung einer gefährlichen Sache. Die Protokolle besagen ausdrücklich zu der für Raape so zentralen Bestimmung des § 694 BGB, der wir eine derart grundsätzliche Bedeutung nicht zugestehen303, daß die Regelung des § 694 BGB der bei Unmöglichkeit und Verzug entspricht31 • Bedenkt man zudem, daß die Verfasser des Entwurfes sich mit dem Gedanken einer vollen Garantiehaftung für Schädigung durch Hinterlegung befaßten, ihn aber verwarfen32 und dem Verwahrer die volle Beweislast aufbürdeten und erst die Kommission für die zweite Lesung zu einer Beweislastumkehr schrittss, so zeigt dies den Kompromiß zwischen reiner Verschuldens-" und Garantiehaftung deutlich (eine Parallelerscheinung sahen wir bei den Kompromissen zwischen Gefährdungs- und reiner Verschuldenshaftung35 • Außer ihrem Verweis auf Verzug und Unmöglichkeit geben die Protokolle als Grund der Beweislastumkehr an, daß sich die Regelung des § 694 BGB ferner durch den regelmäßigen Beweisnotstand des Verwahrers rechtfertige, der Kenntnis oder verschuldete Unkenntnis des Hinterlegers kaum beweisen könne38 • Nur zusätzlich zum Garantiegedanken ("ferner"), also anders als bei den §§ 282 und 285 BGB ziehen hier die Väter des BGB das Beweisnotstandsargument ins Kalkül. Dieses Argument liegt nahe, weil es beim Problem des Kennens oder Kennenmüssens der Gefährlichkeit einer Sache um psychische Dinge geht, die schwierig zu beweisen sind. Daß für diese Belange das Beweisnotstandsargument allein für die SOa S. 0. at 32
as
§ 4. C.
BOB-Protokolle II 401. Vgl. BOB-Motive2 II 582. BOB-Protokolle II 401.
Verschulden hier in einem weiten, die objektive Sorgfaltsverletzung mitumfassenden Sinn verstanden. 34
s. o. § 5. A. ae BOB-Protokolle II 401.
35
140
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
Beweislastumkehr nicht zwingend ist und sie letztlich auch nicht trägt, zeigt schon der deliktische Bereich, in dem es durchaus ähnliche Situationen gibt, für die keine Beweislastumkehr vorgesehen ist: Die in einer Aktentasche befindliche Sache verletzt aufgrund ihrer Gefährlichkeit einen Straßenbahnfahrgast oder Straßenpassanten. Hier wie dort würde man mit einem Indizienbeweis verhältnismäßig häufig ans Ziel kommen, kennt bzw. müßte doch ein Sachinhaber regelmäßig die Beschaffenheit der Sache kennen. Daß gerade der Hinterleger die Beweislast trägt, hat also zusätzliche, tiefere Gründe, nämlich die von den Motiven bezogenen Erfolgshaftungsgedanken der §§ 282 und 285 BGB. D. Schweizerisches Obligationenrecht
Art. 97 OR bestimmt: "Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstandenen Schaden Ersatz zu leisten, soferne er nicht beweists7, daß ihm keinerlei Verschulden zur Last falle." Die Art. 103 Abs. 2, 106 Abs. 1 und 109 Abs. 2 OR ordnen die Beweislastumkehr bei Verzug an. Aussagen über die Beweislastumkehr bei Nichterfüllung finden sich in spezieller Form auch bei einzelnen Vertragstypen88, so etwa für die Haftung des Verkäufers (Art. 195 Abs. 2 und 208 Abs. 3 OR), des Vermieters (Art. 255 Abs. 2 OR), des Auftraggebers (Art. 402 Abs. 2 OR) und des Hinterlegers (Art. 473 Abs. 2 OR- vgl. § 694 BGB). Befragt man zu Art. 97 OR den Berner Kommentar, so erfährt man, "daß der Schuldner kraft des Vertrages haftbar bleibt, bis er eine rechtsaufhebende Tatsache nachgewiesen hat ... In dem Umstand, daß die Gefahr des Mißlingens des Beweises den Schuldner trifft, liegt zugleich eine Sicherung der Stellung des Gläubigers"89• Dieses grundsätzliche Einstehenmüssen für einen Erfolg hebt auch Keller4° besonders hervor. Er führt aus: Die Beweislastumkehr "beeinflußt weitestgehend das Wesen der vertraglichen Haftpflicht. Sehr häufig nämlich liegen die Ursachen eines Schadens im dunklen, und dann haftet der Schädiger dem Vertragspartner gegenüber, während irgendein Dritters1 aufgrund desselben37 Ereignisses keinen Ersatzanspruch hätte". Die Vertragsverletzung müsse als Anknüpfungspunkt für die Haftung genügen. Die verletzte Pflicht (i. S. v. Nichterfüllung, nicht gehöriger Erfüllung) solle im Zweifel ihren Träger belasten; "Näher noch, wenn schon, läge es, dem Schädiger den Beweis des Nichtverschuldens zu n Im Original nicht hervorgehoben. 38 Vgl. Keller, Haftpflicht im Privatrecht (1970) 314 f. 39 Becker, Berner Kommentar Art. 97 OR Anm. 96. co Haftpflicht 314.
A. Gründe für die Beweislast I II. Schweizerisches OR
141
versagen. Jedenfalls hat das Gesetz solches für den einen oder anderen Sonderfall vorgesehen." - Die ratio der durch Entlastbarkeit abgeschwächten Garantie des Schuldners zeigt sich - wie dies Keller im vorigen Satz andeutet - aus der Gegenüberstellung bestimmter Normen. Die gesetzlichen Verzugszinsen gebühren nach Schweizer wie nach österreichischem Recht unabhängig vom Verschulden (Art. 104 Abs. 1 OR- vgl. § 1333 ABGB). Höhere als die vom Verschulden unabhängigen41 Verzugszinsen sind zu ersetzen, wenn der Schuldner sich nicht entlasten kann (Art. 106 OR) 42. Dort Haftung für einen Erfolg ohne Entlastungsmöglichkeit, hier Haftung für einen Erfolg, abgeschwächt durch Entlastbarkeit. Könnte man die Zweiteilung bei der Haftung für Verzugszinsen eventuell im ersten Fall noch nach bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten erklären43, so ist eine derartige Deutung bei anderen einschlägigen Vorschriften von vornherein unmöglich. So hat der Verkäufer bei Wandlung unabhängig vom Verschulden den Schaden zu ersetzen, der dem Käufer durch die Lieferung fehlerhafter 41 Zu den vom Verschulden unabhängigen Verzugszinsen s. a. Art. 104 Abs. 2 und 3 OR. •z Die Österreichische Praxis ist hier nicht systemkonform. Entgegen einem über 50 Jahre alten Gutachten des OGH (SZ 5/53) bin ich der Meinung, daß höhere als die gesetzlichen Verzugszinsen auch nach ABGB nicht erst ab grober Fahrlässigkeit zu ersetzen sind. Es überzeugt nicht, wenn der OGH das Wort "Schade" in § 1333 ABGB mit dem Wort "Schadloshaltung" in § 1324 ABGB gleichsetzt. Arbeitet jemand mit einem Kontokorrentkredit, der mit 10 °/o verzinslich ist, und muß er diesen, weil der Schuldner nicht rechtzeitig bezahlt, um dessen Schuld weiter ausschöpfen, so entsteht ihm in Höhe der Zinsen, soweit diese nicht durch die vom "Verschulden" (s.o. § 7) unabhängigen Verzugszinsen gedeckt sind, ein positiver Schaden. Eine weitere Frage ist, ob der positive Schade nur im Umfange der Beeinträchtigung des objektiven Werts des verletzten Rechts zu ersetzen ist. Das ist m. E. zu verneinen. Wir gelangten dann nämlich außerhalb des Handelsrechts, wo immer das gesamte Interesse auch schon bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen ist (Art. 8 Nr. 2 4. EVHGB), zum Ergebnis, daß Leistungsverzögerungen bei leichter Fahrlässigkeit, soferne nicht Geld geschuldet ist (gesetzliche Verzugszinsen), sanktionslos blieben. Soll z. B. ein nichtprotokollierter landwirtschaftlicher Nebenbetrieb einem Kleinhandwerker, der kein Grundhandels~ gewerbe betreibt, an einem bestimmten Tag mehrere Fuhren Schotter liefern und erfolgt die Lieferung (leicht fahrlässig) erst eine Woche später, so könnte der Handwerker überhaupt keinen Schaden liquidieren, weil die Schotterfuhren durch ihre Späterlieferung objektiv nicht an Wert verloren haben bzw. sich kein oder kaum ein Preisunterschied zwischen einer früheren oder späteren Lieferung objektivieren läßt. Man zahlt in der Regel für eine Sache gleichviel, unabhängig davon, ob der Lieferungszeitpunkt eine Woche früher oder später liegt. M. E. hat der Schotterlieferant, auch wenn er nur leicht fahrlässig handelte, dem Käufer den konkreten Schaden zu ersetzen, der durch die Verspätung entstand. - Aus diesen Gründen ist auch der E des OGH vom 12. 5. 1972, 2 Ob 254/71, JBl. 1973, 85, zuzustimmen, die den Ersatz von Kreditkosten schon bei leichter Fahrlässigkeit zusprach. Mit SZ 5/53 steht sie freilich im Widerspruch (vgl. auch Bydlinski JBl. 1973, 87). 43 Vgl. zum ABGB - Koziol, Haftpflichtrecht I 18, 250.
142
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
Ware unmittelbar verursacht worden ist (Art. 208 Abs. 2 OR), den weiteren Schaden hat er zu ersetzen, soferne er nicht beweist, daß ihn kein Verschulden trifft (Art. 208 Abs. 3 OR)•4 • 46, W. Code civil
Das prinzipielle Einstehenmüssen für einen Erfolg bestimmt auch die Beweislastumkehr im französischen Recht (Art. 1147, 1148 Code civil). Eine wesentliche Unterscheidung des französischen Schuldrechts ist die in "Obligation de moyens" und in "Obligation de resultat". Die "Obligation de moyens" verbindet zu einem erfolgstrebenden Verhalten (Sorgfaltsverbindlichkeit), die "Obligation de resultat" zu einem Erfolg48 • "Obligation de resultat" ist zum Beispiel die Schuld des Beförderers, den Fahrgast unversehrt ans Ziel zu bringen47 • "Obligation de moyens" die Behandlungspflicht des keinen Heilungserfolg schuldenden Arztes48 • Interessant ist es, zu vermerken, daß man ursprünglich die Arzthaftung deshalb dem Deliktsbereich zuordnete, weil man in jeder vertraglichen Verbindlichkeit eine Erfolgsverbindlichkeit sah40, was für die Arztleistung ganz unvertretbar schien, weil der angestrebte Leistungserfolg von zu vielen außerhalb der Macht eines Arztes stehenden Unabwägbarkeiten abhängt. Erst die Erkenntnis von Demogue60, daß es Obligationen gibt, die sich in der Sorgfalt im Hinblick auf ein angestrebtes Ziel erschöpfen, wobei das Ziel als Erfolg nicht geschuldet wird, machte u Wo die Grenze zwischen dem unmittelbaren und dem weiteren Schaden liegt, ist strittig (vgl. Guhl I Merz I Kummer OR6 84, 87, 338). Das Schweizerische Bundesgericht setzt die Begriffspaare gelegentlich mit negativem und positivem Interesse gleich (BGE 79 II 376 - dagegen: Guht I Merz I Kummer OR6 84). - Während bei Wandlung der unmittelbare Schaden nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes ohne Rücksicht auf das Verschulden zu ersetzen ist, findet sich eine derartige Bestimmung bei einem Schadenersatz in Zusammenhang mit der Minderung (Art. 205 OR) nicht. Das Schweizerische Bundesgericht spricht den Schaden unter Berufung auf Art. 97 OR (nicht gehörige Erfüllung) zu (BGE 82 II 136). Merz will nicht die eine Entlastung zulassende lex generalis (Art. 97 OR) heranziehen, sondern im Kaufrecht Art. 208 OR bei Folgeschäden analog heranziehen, wenn der Vertrag nicht gewandelt, sondern bloß korrigiert wird. 4& Vgl. auch die abgestufte Haftung nach Art. 195 OR bei Rechtsmängeln. 46 Ferid, frz. Zivilrecht I 408 f. Hans StolZ, Hippel-FS 539 ff.; Ohler, Obligations 14 ff. 47 Vgl. Hans Stoll, Hippet-FS 540, 543. Es handelt sich hierbei um eine "obligation de securite determinee", eine Schuld mit Sicherungserfolg, zum Unterschied zur .,Obligation general de prudence ou diligence", einer .,Obligation de moyens". 48 Ferid, frz. Zivilrecht I 408; Hans Stoll, Hippel-FS 540, 553 f. 49 Hans StolZ, Hippel-FS 540. Ohler, Ogligations 16 f. &o Traite des obligations en general V, Nr. 1237 und VI, Nr. 599 - Ohter, Obligations 17; Ferid, frz. Zivilrecht I 408.
A. Gründe für die Beweislast I IV. Anglo-amerik. Rechtskreis
143
die Einordnung der Arzt- in die Vertragshaftung möglich und führte damit zur Geburt der "obligation de moyens"St. Während bei der "obligation de moyens" den geschädigten Gläubiger die volle Beweislast trüft (sein Nichterfüllungsbeweis ist Beweis des mangelnden erfolgsstrebenden Verhaltens, obliegt bei der "obligation de resultat" dem Schuldner die Entlastung, sobald feststeht, daß er den geschuldeten Erfolg nicht herbeigeführt hat ( = Nichterfüllung bei dieser Art von Obligationen). Daß dieser Unterschied in der Beweislastverteilung bei den zwei verschiedenen Arten von Obligationen nicht darauf beruhen kann, daß einmal der Gläubiger in die Sphäre des Schuldners besser einsieht, das andere Mal nicht, liegt auf der Hand52. Der Grund ist eben im zweiten Fall die Verbindlichkeit zu einem Erfolg. "Bei den Obligations de resultat handelt es sich um eine Garantiepflicht mit der Notwendigkeit eines vom Schuldner zu führenden Entlastungsbeweises53 ." "Durch die Möglichkeit eines solchen Entlastungsbeweises unterscheidet sich die ,obligation de resultat' von einer echten Garantiehaftung"54. IV. Anglo-amerikanischer Rechtskreis
Garantieverbindlichkeiten kennt auch der anglo-amerikanische Rechtskreis. Für ihn ist die Unterteilung in die "strict liability", die Erfolgsverbindlichkeit, und in die "duty to use due diligence", die Sorgfaltsverbindlichkeit, charakteristisch55. Bei der "duty to use due diligence" obliegt es dem Gläubiger, die Sorgfaltsverletzung zu beweisen56. Man kommt ihm jedoch mit einer "presumption of fact" (provisional presumption), vergleichbar dem prima-facie-Beweis, entgegen. Die "strict liability" war ursprünglich als Erfolgshaftung (Garantie) konzipiert. Im Laufe der Zeit wurde diese strenge Verbindlichkeit durch Gewährung von Einwänden (exceptions) abgeschwächt, deren Beweis dem Schuldner obliegt. Der wichtigste Entlastungsgrund ist der der "frustration". Er umfaßt die nachträgliche Unmöglichkeit und den Wegfall der Geschäftsgrundlage57 • 51 Richtungsweisend für die Rechtsprechung war die Entscheidung der Cour de cassation vom 20. 5. 1936. Vgl. dazu Hans StolZ, Hippel-FS 540 FN 92; Ohler, Obligations 16. 52 Treffend Ohler, Obligations 82 f. Zur Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen im Bereich des BGB s.o.§ 4. D.; § 5. ss Ferid, frz. Zivilrecht I 486. 64 Ferid, frz. Zivilrecht I 409. 55 Vgl. Stock, Beweislast 3 ff. so Vgl. Stock, Beweislast 93 ff. 57 Stock, Beweislast 4.
144
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
. Für die Rechtsprechung war es zunächst selbstverständlich, daß der Schuldner nur dann entlastet war, wenn er bewies, daß ihm die "frustration" nicht vorwerfbar ist58• Im Constantine's Case59 entschied die englische Rechtsprechung jedoch anders.- Am gecharterten Schiff explodierte im Ladehafen ein Hilfsboiler. Die infolgedessen notwendigen, umfangreichen Reparaturen verzögerten den Einsatz des Schiffes derart, daß die Durchführung der Charter wirtschaftlich sinnlos wurde. Die Explosionsursache blieb ungeklärt. Das House of Lords legte die Beweislast für die Sorgfaltsverletzung dem Gläubiger auf, wobei die einzelnen Richter ihre im Ergebnis übereinstimmenden Voten auf die verschiedenste Weise begründeten. So mit einer stillschweigenden Vereinbarung (implied term), der Möglichkeit als Bedingung der Leistung (exception des Schuldners), soferne die Unmöglichkeit nicht verschuldet ist (replication des Gläubigers), mit dem Hinweis auf eine bestehende Vermutung der Schuldlosigkeit (presumption of innocence), auf die Schwierigkeit des Beweises eines Negativums und auf Billigkeitserwägungen: Bei Untergang eines Schiffes durch Sturm oder Kriegseinwirkung sei der Entlastungsbeweis für das ordnungsgemäße Verhalten der Besatzung kaum möglichuo. Bei Sturm- oder Kriegseinwirkung sprechen freilich alle Umstände dafür, daß auf Seiten des Schuldners kein vorwerfbares Verhalten vorliegt, so daß ein Entlastungsbeweis i. d. R. schon mit dem Beweis der Einwirkungen gelungen sein wird. Der Beweis der Explosion eines Boilers, die den Schiffseinsatz verhindert, könnte dagegen allein nicht entlasten. Es bedürfte zusätzlicher Beweise wie den der regelmäßigen Wartung, keiner Überheizung etc. Wenn nun das House of Lords diese Beweise nicht dem Schuldner, sondern den Beweis des fehlerhaften Verhaltens dem Gläubiger aufbürdet, so verläßt es den Boden der in der "strict liability" verkörperten Garantie. Es kann nicht Sache des Gläubigers sein, die Sorgfaltsverletzung zu beweisen, wenn der Schuldner prinzipiell für einen Erfolg haftet. Die amerikanische Rechtsprechung hat denn auch folgerichtig immer dem Schuldner den Beweis bezüglich der Sorgfaltseinhaltung aufgebürdet81 • Rechtsprechung und Schrifttum betonen immer wieder, daß die Schuldlosigkeit eine wesentliche Voraussetzung der Freistellung sei, daß sie den Kern des frustrations-Einwands bilde62 • 58 Stock, Beweislast 33 ff., 38 ff. n Stock, Beweislast 17 ff. oo Vgl. Stock, Beweislast 21 ff. 61 Vgl. Stock, Beweislast 59 ff. 62 Vgl. Stock, Beweislast 66 f. und 67 FN 1.
A. Gründe für die Beweislast I V. EKG
145
Die amerikanischen und die englischen Kaufgesetze halten ebenfalls diese Beweislast des Schuldners eindeutig fest63 • 64 • Und es ist wohl mehr als Zufall, daß gerade die britische und die amerikanische Delegation bei der Haager Konferenz über die internationale Vereinheitlichung des Kaufrechts (2. bis 25. 4. 1964) für die durch Entlastung abgeschwächte Erfolgshaftung des Schuldners eintraten66 • V. Das einheitliche Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen (EKG)
Das Ringen um Erfolgs- oder Schuldhaftung kennzeichnet die Entstehung des Haager Abkommens über das EKG66 • 67 • Das EKG kennt nur den einheitlichen Begriff der Nichterfüllung, der Vertragswidrigkeit, der Leistungsstörung. Unmöglichkeit, Verzug, Sachmängelhaftung, Hingabe einer gefährlichen Sache gehen in diesem Nichterfüllungsbegriff auf68• Nach den Vorentwürfen zum Haager Abkommen sollte dem Käufer unabhängig vom Verschulden des Verkäufers für vertragswidrige Leistungen ein Ersatzanspruch zustehen69 • Dies freilich abgeschwächt durch Haftungsbefreiungsgründe, für die den Schuldner die Beweislast treffen sollte. Neben dem belgiseben Delegierten Dabin, nach dessen Meinung die vorgesehene Regelung auf eine rein objektive Kausalhaftung hinauslief, bekämpfte vor allem das deutsche Delegationsmitglied W eitnauer die geplante Regelung. Dagegen setzte sich die französische Delegation für die vom Kaufrechtsausschuß vorgesehene Lösung ein. Dem deutschen Antrag auf Beschränkung der Schadenersatzpflicht auf das Verschulden widersetzten sich eindeutig auch die Delegierten Israels, Großbritanniens, der USA und der Niederlande. Eula, Präsident des Internationalen Instituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts, verwies schließlich auf die Nähe der Regelung zu den Verschuldeusvermutungen in vielen Ländern70 • 63 Vgl. sec. 7 des englischen Sale of Act: "Where there is an agreement to sell specific goods, and subsequently the goods, without any fault on the part of the seller or buyer, perish before the risk passes to the buyer the agreement is thereby avoided." Vgl. auch im Recht der USA: § 2-613, 614 (1) Uniform Commercial Code-Sales and § 1 Uniform Vendor and Purchaser Risk Act - s. dazu Stock, Beweislast 40 und 80. 84 Klar erkennt Larenz (Schuldrecht10 I 205 f.) die Verwandtschaft der Beweislastverteilung nach§ 282 BGB und der Haftungseinschränkung bei der strict liability. 65 Vgl. Riese, RabelsZ 1965, 55. 88 Text des Abkommens: RabelsZ 1965, 166 ff. In der BRD in Geltung gesetzt mit BGBl. 1973 II 885 bzw. BGBl. 1973 I 856. 87 Vgl. dazu Riese, RabelsZ 1965, 1 ff. insb. 54 f. und 80 f. und Tiling, RabelsZ 1968, 259, 267 ff. es Vgl. Art. 33 EKG.- s. u. FN 107. 89 Vgl. Riese, RabelsZ 1965, 53 f. 10 Riese, RabelsZ 1965, 55.
10 Reisehauer
146
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
Einem neuerlichen Vorstoß der deutschen Delegation in der Haftungsfrage durch Weitnauer mit dem Begehren, in Art. 74 EKG klarzustellen, daß die dort vorgesehene Entlastungsmöglichkeit auch im Fall der nichtvertragsgemäßen Lieferung bestehe71 , wurde entgegnet, daß dies nach der der Beratung zugrundeliegenden Fassung ohnehin der Fall sei. Es gelang dann noch, den umstrittenen Begriff "obstacle" (Hindernis) durch den Begriff "circonstances"/"circumstances" (Umstände) zu ersetzen72, so daß nach Art. 74 EKG der Schuldner sich dadurch entlasten kann, daß die Nichterfüllung auf Umständen beruht, die er nach den Absichten der Parteien bei Vertragsschluß weder in Betracht zu ziehen noch zu vermeiden oder zu überwinden verpflichtet war. Fehlen konkrete Vorstellungen der Parteien, so sind Absichten zugrundezulegen, die vernünftige Personen in gleicher Lage gewöhnlich haben73 • 74 • Damit war eine Regelung getroffen, "die sich nunmehr im Ergebnis kaum mehr von der Schadenshaftung nach dem deutschen Recht unterscheiden (dürfte), weil der Kreis der Umstände, bezüglich deren die Entlastung ausgeschlossen ist, sich - wenn überhaupt - dann nur unwesentlich von dem Kreis derjenigen Umstände unterscheidet, die ein Verkäufer nach deutschem Recht zu vertreten hat" (Riese)15 • Die rechtsvergleichende Betrachtung zeigte uns, daß die Regelungen der verschiedenen Rechtsordnungen in der Beweislastumkehr zu Lasten des Schuldners im Effekt eine durch Entlastbarkeit abgeschwächte Garantie für einen Erfolg sehen. Wo liegen die Gründe dafür?
Riese, RabelsZ 1965, 80. Riese, RabelsZ 1965, 81. 73 Weitnauer, Vertragsaufhebung 74. 74 Originalfassung des Art. 74 Nr. 1: engl.: Where one of the parties has not performed one of his Obligations, he shall not be liable for such nonperformance if he can prove that it was due to circumstances which, according to the intention of the parties at the time of the conclusion of the contract, he was not bound to take into account to avoid or to overcome; in the absence of any expression on the intention of the parties, regard shall be had to what reasonable persons in the same situation would have intended. franz.: Lorsqu'une partie n'a pas execute une de ses obligations, elle n'est pas responsable de cette inexecution si elle pouve que celle-ci est due a des circonstances que, d'apres les intentions des parties lors de la conclusion du contrat, elle n'etait tenue ni de prendre en consideration, ni d'eviter ou de surmonter; a defaut d'intention des parties, il faut rechercher les intentions qu'ont normalerneut des personnes raisonnables de meme qualite placees dans une Situation identique. 1s RabelsZ 1965, 81. 71
12
B. Lösung I I. Erfüllung und Nichterfüllung als Zentralfragen
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B. Lösung der Beweislastfrage aus der Struktur der Schuldverhältnisse Dem Gesetzgeber stehen beim Aufbau eines Haftungssystems verschiedene Möglichkeiten offen. Er kann die Erfolgshaftung wählen, dem Geschädigten die Beweislast für die Sorgfaltsverletzung oder gar das Verschulden im subjektiven Sinn aufbürden und schließlich kann er dem Schädiger einen Entlastungsbeweis zuschieben. Bei der vermittelnden Regelung zwischen beiden Extremen steht es ihm wiederum frei, die Entlastung in verschiedenem Umfang zu gestatten und so die Haftung der einen oder anderen Extremform mehr anzunähern. Dahinter verbergen sich materiell-rechtliche Wertungen75a. BGB, OR, Code civiF6 normieren mit ihren einschlägigen Bestimmungen die Beweislast im Schuldverhältnis, das EKG regelt, seinem Gegenstand entsprechend, die Frage bloß für einen Schuldrechtstypus. Diesbezüglich darf freilich nicht übersehen werden, daß an Hand des internationalen Kaufs die allgemeinen Probleme der Leistungsstörung zu bewältigen waren. Wie die erwähnten Normen betrifft auch § 1298 ABGB die Beweislast im Schuldverhältnis, und zwar nur dort76a. Es fragt sich, warum gerade das Schuldverhältnis einer eigenständigen Beweislastverteilung oder gar einem eigenen System von Beweislastregeln unterworfen wird. Die Beweislastverteilung resultiert hier, wie noch ausführlich zu zeigen ist, aus der Struktur der Schuldverhältnisse. I. Erfüllung und Nichterfüllung als Zentralfragen des Schuldverhältnisses
Ziel eines Schuldverhältnisses ist dessen Erfüllung77• Der Anknüpfungspunkt für die schadenersatzrechtliche Verantwortung des Schuldners ist die Nichterfüllung seiner Verbindlichkeit. Sie und nur sie ist der sachliche, nicht nur der terminologische Gegensatz zur Erfüllung, nicht etwa der Verzug oder die Unmöglichkeit der Leistung. Die alleinige Berücksichtigung dieser beiden Phänomene innerhalb der Leistungsstörung im Recht des BGB oder eine derartige Interpretation des ABGB der 3. Teilnovelle muß wegen der Grundstruktur des Schuldverhältnisses notwendig zu Systemverwerfungen führen. Die Regelung der Leistungsstörung unter Mißachtung oder Verkennung der Grundstruktur des Schuldverhältnisses kann das wahre Wesen des Schuldverhältnisses nur verdecken, nicht aber ändern. Immer wieder s.o.§ 5. Ebenso Art. 1218 Codice civile. 78a s. u. § 9. 77 Vgl. dazu Hans StolZ, Hippel-FS 535 f. und Rabel, Dolenc-FS 709 sammelte Aufsätze III 143. 76a 78
=
Ge-
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
kommt es gegen eine sachwidrige Regelung zum Durchbruch. Die "Entdeckung"78 der sog. positiven Forderungsverletzung ist die Folge einer derart sachwidrigen Regelung des BGB. Bezeichnend ist, daß man heute dieses Monstrum, dem die verschiedensten Arten der Beeinträchtigung des Gläubigers zugeordnet werden, begrifflich negativ umschreibt: Positive Forderungsverletzung ist jede Leistungsstörung, die weder Verzug noch Unmöglichkeit ist79. Ginge man hingegen von den einzelnen Verbindlichkeiten des Schuldners aus, hielte man sich deren Inhalt vor Augen und vergliche man das tatsächlich Geschehene mit dem Geschuldeten, so würde man bei Erkenntnis des Abweichens schlicht zur Feststellung kommen: Der Schuldner hat nicht erfüllt. Alles weitere würde sich dann nach dem Anspruch richten, um den es konkret geht. Ob man unter Verzug oder Unmöglichkeit subsumiert, wäre dann nur für die Frage von Bedeutung, ob der Schuldner die ordnungsgemäße Leistung noch erbringen kann und für die an diese spezifische Situation anknüpfenden Rechtsfolgen. Hingegen wäre diese Frage für einen Schadenersatz wegen Mangelfolgen grundsätzlich irrelevant. Zäumt man hingegen das Pferd vom Schwanz auf und fragt nur, ob der Schuldner die Leistung noch oder nicht mehr erbringen kann, so bleibt naturgemäß eine erhebliche Lücke, weil man die Verantwortung des Schuldners nicht an seiner Verbindlichkeit mißt. Ein derartiges Leistungsstörungssystem erfaßt VDr allem die mangelhafte Leistung mit ihren Folgen, einen unübergehbaren Leistungsstörungsfall, nicht. Die sog. positive Forderungsverletzung ist die Frucht einer solchen Verkennung des Wesens eines Schuldverhältnisses. Sie ist keine juristische Entdeckung80, sondern Verdeckung des Wesens eines Schuldverhältnisses. Außerhalb des Rechtskreises des BGB konnte dieser Begriff auch nicht Fuß fassen. Er wird zu Recht als überflüssig abgelehnt81 • Im Code civil ist die Nichterfüllung (inexecution Art. 1146 ff.) der einheitliche Begriff der Leistungsstörung. Er erfaßt jegliche Abweichung von der vertragsgemäßen Leistung, auch die Schlechtleistung82, die Hingabe eines aliuds (und zwar den positiven Akt) und die Nichteinhaltung von Vgl. Dölle, Verh. 42. DJT, B 15 f. Vgl. Köpcke, Typen 11; Jakobs, Unmöglichkeit 25 f. so A. A. Dölle, Verh. 42. DJT, B 15 f. 81 Guhl I Merz I Kummer, OR8 222, 221 f.; v. Thur, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts 112, 505. Klang I Pisko1 1112, 455. Schlesinger, ZBl. 1926, 1 ff., 401 ff. Albert A. Ehrenzweig, Schuldhaftung 15 f.; Klang I Gschnitzer2 IVI1, 472. Die neuerlichen Versuche von Koziol I Welser, Grundriß 3 I 197, den Begriff in Österreich einzuführen, sind abzulehnen, weil sie vom mangelhaften Ansatz der Lösung der Leistungsstörung im BGB ausgehen, der dem ABGB nicht zu eigen ist. 82 Zu den Besonderheiten der Sachmängelhaftung beim Kaufvertrag nach frz. Recht s. u. § 13 FN 25. 78
79
B. Lösung I I. Erfüllung und Nichterfüllung als Zentralfragen
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Nebenverbindlichkeiten. Für den Begriff der positiven Forderungsverletzung bleibt neben der umfassenden Kategorie der Nichterfüllung eben kein Raum mehr83. Nicht anders verhält es sich im ABGB. Nichterfüllung ist jedes Abweichen von der Verbindlichkeit. Deutlich zeigt dies noch die ursprüngliche Fassung des ABGB: Ihr § 919 hielt fest, was Nichterfüllung ist, nämlich: "Wenn ein Theil den Vertrag entweder gar nicht; oder nicht zu der gehörigen Zeit; an dem gehörigen Orte; oder auf die bedungene Weise erfüllet." Diese Gesetzesstelle und die in ihr als auch vor allem in den unmittelbar anschließenden Paragraphen angeordneten Rechtsfolgen ergaben ein organisches Ganzes. Nur wegen des grundsätzlich fehlenden Vertragsauflösungsrechts84 wurde § 919 a. F. als unbefriedigend empfunden85 : "Die ,außerordentliche Schärfe', mit der § 919 a. b. G. B. die Regel ausspricht, daß die Nichterfüllung 88 des Vertrages durch den einen Teil den anderen nur zur Klage auf Erfüllung und Schadenersatz, nicht aber zum Rücktritt vom Vertrage berechtigt ... nötigt bekanntlich Theorie und Praxis zu schwierigen Umwegen einer ,Hineinlegung' statt Auslegung des§ 919." Die Materialien zur 3. Teilnovelle betonen daher die Notwendigkeit einer Reform in Richtung eines Rücktrittsrechts87 • Anstatt den organischen Aufbau zu belassen und in ihn harmonisch die Voraussetzungen und Folgen des Rücktrittsrechts einzufügen, entschlossen sich die Redaktoren unter dem Eindruck des eben geschaffenen BGB, an dessen Leistungsstörungsregeln anzuknüpfen. So wurde mit § 920 ABGB als Rücktrittstatbestand die zu vertretende Unmöglichkeit eingeführt. Der einleitende Satz des § 919 a. F. ABGB ("gar nicht erfüllt") verschwand daher aus dem Gesetzestext. An Stelle der Art einer Nichterfüllung, nämlich des endgültigen Ausbleibens der Leistung, wurde ihre Ursache, die (zu vertretende) Unmöglichkeit erwähnt. § 918 ABGB stand hingegen die Verzugsregelung des BGB (vgl. § 284 ff.) nur teilweise Pate. Man verwendete den Ausdruck Verzug absichtlich nicht, um zu vermeiden, daß in den Tatbeständen des § 918 ABGB nur die Leistungsstörungen im Sinne der Leistungsverspätung verstanden werden können88. Zur Zeit der 3. Teilnovelle hatte nämlich Staub längst89 die Lücke des BGB aufgedeckt, die 83 Ferid, frz. Zivilrecht I 483 f. Vgl. auch Heinrich Stoll AcP 136, 318 und Ohler, Obligations 32 f., 73 ff. 84 Vgl. § 919 a. F. ABGB, eine Ausnahme bildete § 932 a. F. ABGB: Wandlung. 85 Vgl. 3. TN-Materialien 283 f. 88 Im Original nicht hervorgehoben. 87
88
3. TN-Materialien 283. 3. TN-Materialien 285, 286.
8& Die positiven Vertragsverletzungen (1904). Bereits zum 26. DJT im September 1902 hielt Staub das dem Buch zugrundeliegende Referat.
150
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
sich daraus ergab, daß das BGB bloß die Verspätung und die Unmöglichkeit der Leistung regelte90• Die Regierungsvorlage zur 3. Teilnovelle wollte die Panne des BGB vermeiden und mit ihrem§ 146 die positiven Vertragsverletzungen regeln91 • Die Mitglieder der Beratungskommission besannen sich dann jedoch darauf, daß die von Staub aufgezeigten Fälle bereits § 919 a. F. ABGB mit seiner Wendung "Wenn ein Theil den Vertrag ... nicht ... auf die bedungene Weise erfüllt" bedenkt. " ... diese alten Gesetzesworte haben den großen Vorzug ..., daß sie einen in jüngster Zeit auf dem Boden des ... BGB lebhaft erörterten Zweifelsfall erledigen, ... die sogenannte ,positive Vertragsverletzung' ... Für das a. b. G. B., wenn anders seine einschlägigen Sätze in ihrer Einfachheit erhalten bleiben, existiert diese Lücke gar nicht" ...92• "Und dasselbe bestätigt§ 912 a. b. G. B. (,Ersatz dessen, was dem anderen daran liegt, daß die Verbindlichkeit nicht gehörig erfüllt worden') und wird künftig der § 918 bezüglich der neu normierten Rechtsfolgen bestätigen, indem er, wie bisher § 919 a. b. G. B., diese Rechtsfolge für alle Fälle statuiert, wo ,nicht auf die bedungene Weise' geleistet wird98. " - So ging der Rest des Tatbestandes des§ 919 a. F. ABGB, d. h. jener Teil, der nicht durch die Unmöglichkeitsregel ersetzt wurde ("nicht zur gehörigen Zeit, an dem gehörigen Orte oder auf die bedungene Weise") als Tatbestand in den § 918 ABGB ein. Der geschichtliche WP.rdegang der derzeitigen Vorschriften über die Leistungsstörung zeigt: Der in § 919 a. F. ABGB umschriebene Nichterfüllungsbegriff wurde aufgespalten in die §§ 918 und 920 ABGB und zum Teil verwischt. Er ist jedoch deutlich in zwei der ursprünglichen Fassung des ABGB zuzuzählenden Paragraphen aufrecht erhalten geblieben, nämlich in § 912 ABGB ("nicht gehörig erfüllt") und in § 1298 ABGB ("an der Erfüllung ... verhindert"). "§§ 918 und 920 nebeneinander geben Trümmer einer einzigen Lehre, die größer sein muß", der Lehre von der Nichterfüllung. "Erst die historischen Mißverständnisse und die allzu blendenden Formeln, mit denen die Pandektistik seit Friedrich Mommsen im 19. Jahrhundert die Kategorien Unmöglichkeit und Verzug ausgestattet hat, spalteten diese Lehre in schwer wieder zusammenfügende Splitter" (Rabel)". Diesen Schutt wegzuräumen und Scherben zusammenzufügen, war zur Deutung der ratio des § 1298 ABGB, der ja die Beweislast des Schuldners bei Nichterfüllung regelt, nötig. Nichterfüllung ist also jedes 90 Staubs Erkenntnis war freilich nur eine der Symptome, nicht der Ursachen. 91 9Z
93 94
3. TN-Materialien 285, 286. 3. TN-Materialien 285. 3. TN-Materialien 286. Rabel, Dolenc-FS 709 = Gesammelte
Aufsätze III 143.
B. Lösung I I. Erfüllung und Nichterfüllung als Zentralfragen
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Abweichen von der Verbindlichkeit, insbesondere auch die qualitativ nicht gehörige Erfüllung der Leistung. Der Schadenersatzanspruch, auf den § 932 Abs. 1/2 ABGB verweist, ist ein Anspruch wegen Nichterfüllung und wurde auch von den Verfassern der 3. Teilnovelle als solcher verstanden94a. Der zentrale Begriff der Nichterfüllung ging der Österreichischen Rechtsprechung auch nie ganz verloren. Der OGH hält an ihm fest, wenn er bei Mietverträgen ausführt, daß es keine Schlechterfüllung gibt, weil der Vermieter den bedungenen Gebrauch schuldet und jede Abweichung davon Nichterfüllung ist95• Inkonsequent wird das Gericht beim Kaufvertrag und beim Werkvertrag, wenn er dort die Schlechterfüllung als Gegensatz zur Nichterfüllung begreift98 • Denn auch der Verkäufer und der Unternehmer schulden Leistung auf die bedungene Weise und jedes Abweichen hiervon ist Nichterfüllung97 • Während durch die Novellierung des ABGB in Anlehnung an Vorschriften des BGB das Wesen der Nichterfüllung als zentrales Problem der Obligation verdunkelt wurde, blieb dem BGB ein derartiger Einfluß auf das Schweizer Obligationenrecht versagt. In kaum zu überbietender Klarheit unterteilt dieses seinen Zweiten Titel über "Die Wirkung der Obligationen" in die Abschnitte über "Die Erfüllung der Obligation" {Art. 68 ff.) und "Die Folgen der Nichterfüllung" {Art. 97 ff.). Die Art. 97 ff. OR befassen sich mit den Fällen, in denen überhaupt nicht oder nicht gehörig98 erfüllt wurde, die Art. 102 ff. mit der Leistungsverspätung. Vom Nichterfüllungsbegriff des OR sind naturgemäß auch die Fälle der sog. positiven Forderungsverletzung erfaßt. "Bei richtiger Interpretation von OR 97 kann auf die Figur der positiven Vertragsverletzung verzichtet werden99." s. o. § 2. A. I. und unten II. 1. a. s. o. § 2. B ., s. u. § 15. A. 98 s. o. § 2. A., s. u. §§ 13 u. 14. 97 s. im einzelnen §§ 13, 14. Unter welchen Voraussetzungen dem Gläubiger ein Rücktrittsrecht zusteht, ist hier nicht näher zu untersuchen. Daß Nichterfüllung nicht alleine schon zum Rücktritt berechtigt, zeigen schon die Vorschriften über die Leistungsverspätung. Der Gläubiger hat eine Nachfrist zu setzen und erst nach deren erfolgslosem Verstreichen werden seine Interessen für so schwer beeinträchtigt angesehen, daß man ihn am Vertrag nicht mehr hält. Daraus läßt sich m. E. der allgemeine Grundsatz ableiten, daß dort, wo die Rücktrittsvoraussetzungen wegen Leistungsverspätung oder Unmöglichkeit der Leistung nicht gegeben sind (es wurde eine fehlerhafte schadenstiftende Sache geleistet, eine einwandfreie könnte in angemessener Frist nachgeliefert werden), der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten darf, wenn ein durchschnittlicher Gläubiger seine Interessen durch die Nichterfüllung erheblich beeinträchtigt sehen mußte. Dies ist bei umfassenden Schäden selbstverständlich immer der Fall. 98 Vgl. dazu § 919 a. F. ABGB. 99 Guhll Merz I Kummer, ORB 222, s. 221 f.; s. a. v. Thur, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts Il2, 505; Oftinger, Schweizerisches 94a 95
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
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Für den anglo-amerikanischen Rechtskreis ist der zentrale Begriff der Obligationsverletzung der "breach of contract", der Vertragsbruch. Der Begriff der Nichterfüllung (non-performance) wird etwas enger als der "breach of contract" verstanden. "Non-performance" umfaßt alle Typen der Leistungsstörungen, einschließlich der Schlechtleistung ausgenommen die Erfüllungsverweigerung (repudiation). Ebenso wird die Hinderung des Gläubigers an seiner Gegenleistung und die Verhinderung des Eintritts einer aufschiebenden Bedingung (prevention and hindrance) dem "breach of contract", nicht aber der "non-performance" zugeordnettoo. "Breach of contract" entspricht also etwa unserem Nichterfüllungsbegriff. Anders verhält es sich mit dem englischen Text des EKG, welches den Ausdruck "breach of contract" nur nebenbei verwendettot und den Ausdruck "non-performance" bzw. "failure to perform an obligation" 102 und "non-fulfilment"103 als Nichterfüllung in unserem Sinne gebraucht. Der französische Text verwendet für Nichterfüllung vor allem die Ausdrücke "inexecution"t04 und "contravention au contrat" 105. Auch für das EKG sind also diese Begriffe der zentrale Ansatzpunkt für die Verantwortung des Schuldners, gleichbedeutend mit Forderungsverletzung, Leistungsstörung, Vertragswidrigkeit. Unmöglichkeit, Verzug, Sachmängelhaftung, Hingabe einer gefährlichen Sache (einschließlich eines aliud i. e. S. 108) gehen- wie schon erwähntin diesem einheitlichen Begriff auf107. Der Blick auf die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen und ihre Symbiose auf dem Gebiet der vertraglichen Schadensersatzpflicht, das EKG, bestätigt die eingangstos aufgestellte Grundthese von der Erfüllung bzw. der Nichterfüllung als Zentralfrage der Haftung des Schuldners. Wir sehen so auf internationaler Ebene bestätigt, was wir Haftpflichtrecht!, I 432 vor FN 21 und FN 21; Keller, Haftpflicht 313; Becker, Berner Kommentar Art. 97 OR Anm. 9, 10; vgl. auch Heinrich Stall, AcP
136,318.
100 Stock, Die Beweislast 2; s. a. Rabel, Dolenc-FS 706 =Gesammelte Aufsätze III 140. 101 Ausnahme z. B. Art. 10, 83 EKG. 10! Vgl. Art. 55 EKG, der die sonstigen Verbindlichkeiten des Verkäufers behandelt, und Art. 74. 103 Vgl. Art. 33: "The seller shall not have fulfilled ...". 1o4 Vgl. Art. 74 EKG. 105 Vgl. Art. 55 EKG. 1oe Vgl. Art. 33 Z. llit. b EKG. 107 Weitnauer, Vertragsaufhebung 72 f.; Riese, RabelsZ 1965, 44; von Caemmerer, Kaufrecht, internationales, in: Strupp I Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts II, 217 ff.; Kreuzer, Sachmängelhaftung und Vertragswidrigkeit im deutschen Recht und im einheitlichen Kaufgesetz, in: Das Haager Einheitliche Kaufgesetz und das Deutsche Schuldrecht, 35, hrsg. Leser I v.
Marschall. 108
s. o. B . I. a. A.
B. Lösung I I. Erfüllung und Nichterfüllung als Zentralfragen
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im Österreichischen Recht nach Freilegung der durch die 3. Teilnovelle etwas überdeckten Schichten für das ABGB erkannt haben: Nichterfüllung bedeutet jegliches Abweichen von der vertragsgemäßen Leistung, auch die Schlechtleistung, kurz: jegliche Obligationswidrigkeit. Es ist an Hand der Obligation zu fragen, was geschuldet wird und jede Abweichung davon ist als Nichterfüllung zu qualifizieren. Eine derartige Beurteilung geht von der Struktur der Schuldverhältnisse aus. Die Nichterfüllung wird als Zentralfrage der Haftung des Schuldners auch in all jenen Rechtsordnungen klar erkannt, die von den verunglückten Leistungsstörungsregeln des BGB verschont blieben. Das ungeschriebene anglo-amerikanische Recht kam gleichsam aus der Natur der Sache zur Erkenntnis, daß das Abweichen vom Vertrag Ausgangspunkt der Schuldnerhaftung ist. Und das EKG, als Frucht verschiedener Rechtsordnungen, hat "frei von historischem Ballast und dogmatischer Enge" 109 ebenfalls die Vertragswidrigkeit als Zentralproblem der Schuldnerhaftung geregelt. Für das ABGB, dem dieses Verständnis innewohnt, gibt es keinen Grund, von der sachlich vorgegebenen Struktur abzuweichen. Vor allem besteht kein Bedürfnis, die im BGB eingebürgerte, nicht geklärte und auch nicht klärbare110 Kategorie der sog.111 positiven Vertragsverletzungen einzuführen112• Die Kategorie der positiven Forderungsverletzungen ist wertlos. Die ihr zugeordnete Gruppe der Schlechterfüllung, i. S. der qualitativ mangelhaften Erbringung der Hauptleistung, ist der Nichterfüllung der Hauptleistung zuzuzählen. Dabei geht es uns hier nicht darum, den Begriff "Schlechterfüllung" auszumerzen. Wer ihn verwenden will, um in Kurzform zu beschreiben, daß die Nichterfüllung in einer vertragswidrigen Leistung besteht, der solle ihn ruhig verwenden, obwohl freilich der Begriff "Schlechtleistung" angebrachter wäre. Entscheidend Weitnauer, Vertragsaufhebung 112. Vgl. Rabel, Dolenc-FS 708 f. =Gesammelte Aufsätze III 143: "Es wird in der Tat kaum jemals gelingen, neben den Regeln über Unmöglichkeit und Verzug eine dritte Kategorie in irgendwelcher legislatorischen Abrundung zu ordnen." 111 s. dazu die 3. TN-Materialien 285 f.- s. a. oben FN 81. m Unter positiver Vertragsverletzung wird das Verschiedenste verstanden. Außer der Schädigung durch Schlechtleistung auch solche aus sozialem Kontakt. (Vgl. Hans Stoll, Hippel-FS 527). Da Schädigungen aus sozialem Kontakt nicht bloß während der Vertragsdauer, sondern auch schon vorher vorkommen, und man zur Überwindung der Schwächen der Besorgungsgehilfenhaftung gerne Schadenersatz nach vertraglichen Grundsätzen zusprechen wollte (Erfüllungsgehilfenhaftung), ordnete man diese Schädigungen auch unter culpa in contrahendo ein. Nachdem deutlich geworden war, daß man Gleiches einmal der positiven Forderungsverletzung zuordnete, das anderemal der culpa in contrahendo, ging man dazu über, ein einheitliches Schutzverhältnis zu kreieren, das culpa in contrahendo und positive Forderungsverletzung umfassen soll (vgl. Canaris JZ 1965, 475 ff.; Thiele JZ 1967, 649 ff.; Gerhardt JZ 1970, 535 ff.; ders. JuS 1970, 597 ff.). 108
110
154
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
·.
ist nur, zu erkennen, daß es sich bei der Schlechterfüllung (Schlechtleistung) nicht um einen Gegensatz zur Nichterfüllung handelt, sondern daß damit nur ein Teilaspekt des umfassenderen Nichterfüllungsproblems angesprochen ist. Auch soll hier nicht bezweifelt werden, daß es in Verträgen Haupt- und Nebenverbindlichkeiten gibt. Doch trifft dies, wie noch zu zeigen sein wird, das Problem der Beweislastverteilung nicht. Ist jedes Abweichen vom Geschuldeten Nichterfüllung, so könnte man verleitet sein, allein deshalb bei allen Forderungsverletzungen eine Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB anzunehmen. § 1298 ABGB knüpft ja an die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit an113• Dieser Schluß wäre verfrüht. Wir haben nur das Wesen der Forderungsverletzung, das Abweichen von der Verbindlichkeit aufgedeckt, noch nicht aber die ratio des § 1298 ABGB. Erfüllung und Nichterfüllung wurden nur als Abstracta behandelt, wann und unter welchen Umständen im Einzelfall Nichterfüllung vorliegt, kann nach allem bisher Gesagten nur an Hand von Inhalt und Umfang der einzelnen Obligationen festgestellt werden. Sie sind zu prüfen. Jedes Abweichen des tatsächlichen Geschehens davon ist als Nichterfüllung zu qualifizieren. Innerhalb der verschiedensten Obligationen mit ihren mannigfachen Inhalten können wir nach dem Umfang der Obligationen folgende zwei große Gruppen herausschälen: Solche, in denen ein Erfolg geschuldet ist (Erfolgsverbindlichkeiten) und solche, in denen bloß das Bemühen um einen Erfolg geschuldet wird114, der Erfolg aber außerhalb der Obligation steht (Sorgfaltsverbindlichkeiten). Diese Zweiteilung ist genauso wie die von Demogue für den Code civil, den älteren Bruder der ABGB, erkannte Zweiteilung in "Obligations de resultat" und "Obligations de moyens" der zentrale Ansatz für die Beweislastverteilung im Schuldverhältnis. II. Lösung der Beweislastfrage aus dem Umfang der Obligation
1. Die Erfolgsverbindlichkeit als Anwendungsbereich des§ 1298 ABGB a) Erfolgsverbindlichkeit- Erfolgshaftung Besteht eine Verbindlichkeit zur Herstellung eines Erfolges, so ist jedes Abweichen von diesem Erfolg, jeder Mißerfolg, Nichterfüllung der Verbindlichkeit. Begreift man Haftung als Einstehenmüssen für 113
sei".
Wer "an der Erfüllung seiner . .. Verbindlichkeit ... verhindert worden
114 Sorgfalt an sich wird nie geschuldet. Sorgfalt an sich gibt es nicht. Nur die finale Sorgfalt, nämlich die auf ein bestimmtes Ziel hin, ist denkbar.
B. Lösung I II. Umfang der Obligation 11. Erfolgsverbindlichkeit
155
die Erfüllung einer Verbindlichkeit, so müßte der Gedanke, in seiner vollen Strenge durchgeführt, zu einer unbedingten Haftung des Schuldners ohne Rücksicht auf die Umstände des Mißerfolges führen. Das entspricht der "strict liability" des anglo-amerikanischen Rechtskreises in ihrer ursprünglichen Form, d. h. vor der Zulassung von Entlastungen115. Die Möglichkeit einer Entlastung bei einer Erfolgsverbindlichkeit stellt sich dann als Entgegenkommen gegenüber dem Schuldner dar, durch das die Erfolgsverbindlichkeit bezüglich der Haftung zu einer durch Entlastbarkeit abgeschwächten Garantie herabsinkt. Die grundsätzliche Haftung für einen Erfolg ist in alten Rechten dem Delikt und der ihm entstammenden Vertragshaftung gemeinsam118 • Das späte römische Recht hatte in der Sicht117 der Kodifikatoren des ABGB hingegen das reine Verschuldensprinzip zur Grundlage118• Für die romanistische Lehre war, um mit Jhering119 zu sprechen, der Satz von der Alleingültigkeit der Schuldhaftung ja "ebenso einfach wie der des Chemikers, daß nicht das Licht brennt, sondern der Sauerstoff der Luft". Die germanistisch ausgerichtete Naturrechtslehre nahm aber den Erfolgshaftungsgedanken des germanischen Rechts wieder auf. Zeiller selbst stand dieser Auffassung nicht fern120 und berief sich dabei u. a. auf Thomasius121 • Als Vertreter der Erfolgshaftung schlug Thomasius für den Fall der gesetzlichen Normierung der Schuldhaftung eine s. o. A. IV. Vgl. etwa Mitteis I Liebrich, Deutsches Privatrecht5 110, 116; Planitz, Deutsches Privatrecht3 145 f., 179 f. 117 Gegen eine derartige Sicht des späten römischen Rechts vgl. z. B. Marton, Versuch eines einheitlichen Systems zivilrechtlicher Haftung, AcP 162, 2ff. 118 Man vgl. dazu auch die Motive zum BGB, die in den Fällen der Haftung Aufsichtspflichtiger, der Haftung für Verrichtungsgehilfen sowie der Haftung der Tier- und Gebäudehalter wegen des Verschuldensprinzips eine Beweislastumkehr ablehnten (BGB-Motive2 735, 737, 812, 818). Erst die Kommission für die zweite Lesung schritt in diesen Fällen zur Beweislastumkehr (BGB-Protokolle II 595, 598, 647, 653- s. a. oben§ 5). 118 Das Schuldmoment im römischen Privatrecht in: Vermischte Schriften juristischen Inhalts (1897) 199 - s. a. Albert A . Ehrenzweig, Schuldhaftung 33. 120 Vgl. Natürliches Privatrecht3 246 f. und Ofner, Protokolle II 182. Am letztgenannten Ort heißt es: "Nach der Lehre der älteren Naturrechtslehrer hafte man für jedes Verschulden, für jedes Versehen, wodurch man den Andern beschädigt. Nach der Lehre einiger neuer Naturrechtier (zu welcher Ref. sich in seinem natürlichen Privatrechte ebenfalls bekannt habe), habe man das Recht, von dem Beschädiger Ersatz zu fordern, wenn er uns auch nur durch eine unwillkürliche (unfreie) Handlung einen Schaden zugefügt hat."- Zum Begriff der unwillkürlichen Handlung= Verletzungs. o. § 7. B. 121 Natürliches Privatrecht3 247 FN **. Das bezogene Werk: "Larva legis Aquiliae detracta actioni de damno dato receptae in foris Germanorum" (1703).- Vgl. zur Problematik einer Verursachungshaftung- Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts 1 ff. 115
118
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
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Schuldvermutung vor122• Einer Kombination von Schuld- und Erfolgshaftung war damit der Weg gezeichnet. Thomasius wollte sie für sämtliche Schädigungen123. Das ABGB ging allerdings, wie wir unschwer aus § 1296 ABGB ersehen können, nicht soweit1 24. § 1298 ABGB beschränkt sich auf Schädigungen durch die Nichterfüllung obligatorischer Verbindlichkeiten124a. Im Deliktsrecht bleibt die Erfolgshaftung - sieht man von den später eingeführten Fällen der Gefährdungshaftung ab125 - zunächst vollkommen ausgeschaltet. Und auch im Bereich der Schuldverhältnisse kommt sie - wie sich zeigen wird - nur dort zum Tragen, wo der Schuldner Erfolge schuldet (Erfolgsverbindlichkeiten). Soweit er nur das Bemühen um den Erfolg schuldet (Sorgfaltsverbindlichkeiten), würde diese Haftung über die Schuld hinausreichen. Ein Einstehenmüssen für den Erfolg wäre hier nicht durch den Schuldinhalt gedeckt. Und gleiches würde für eine Beweislastverteilung gelten, die als Abschwächung der Erfolgshaftung konzipiert istl 28 • Das grundsätzliche Einstehenmüssen für einen Erfolg zeigt sich im ABGB am deutlichsten durch das Zusammenspiel der§§ 1048, 919 a. F.127 bzw. 920 und 1298 ABGB12B. Der verschuldete Untergang der geschuldeten Sache verpflichtet zum Ersatz (§ 919 a. F., § 920 ABGB), der zufällige hebt die Verbindlichkeit auf (§§ 1048, 1447 ABGB). Es wird aber nicht der Zufall vermutet, sondern das Verschulden (§ 1298 ABGB). Bei mißlungener Entlastung hat daher trotz mangelnden Verschuldens der Schuldner für den Erfolg voll einzustehen. Analog verhält es sich mit der Leistungsverspätung (objektiver Verzug), die bis zu einer Entlastung als subjektiver Verzug gilt129. In den beiden Bereichen, dem endgültigen und dem vorläufigen gänzlichen Ausbleiben der Leistung 122 Larva legis Aquiliae 9. Diese Stelle ist von Zeiller (s. vorige FN) nicht ausdrücklich bezogen. 123 Vgl. neuerdings § 339 des ungarischen ZGB. Es statuiert eine generelle, Delikt und Vertrag umfassende Beweislastumkehr. Vgl. dazu Eörsi, Die Zivilrechtliche Verantwortlichkeit im ungarischen Zivilgesetzbuch in: Das Ungarische Zivilgesetzbuch in fünf Studien (Budapest 1963). Diese Regelung des ungarischen ZGB geht auf Marton zurück. s. a. Marton AcP 162, 1 ff. und 26 FN 32a. 124 Die Beweislast nach § 1296 ABGB vernachlässigen Armin Ehrenzweig, System2 II/1, 75 und Albert A. Ehrenzweig, Schuldhaftung 34 FN 13. s. dazu oben § 3. C. D. IZ4a s. u. § 9. 125 Auch die durch die 3. TN bei der Tierhalter- und Gebäudehaftung eingeführte Beweislastumkehr entspringt diesem Gedanken: s.o. § 5 A; s. u.
§ 9. A. 128
127 128 129
Zur Beweislast bei Sorgfaltsverbindlichkeiten s. u. b. Der Text des § 919 a. F. ABGB ist nach FN 83 wiedergegeben. Vgl. dazu die §§ 275 und 282 BGB. Vgl. § 918 und§ 1298 ABGB sowie§ 285 BGB.
B. Lösung I II. Umfang der Obligation I 1. Erfolgsverbindlichkeit
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ist die Beweislastverteilung auch für die Lehre zum BGB unproblematisch. Kritisch wird die Lage erst, wenn jemand einen mangelhaften Erfolg herstellt und dem Gläubiger daraus Folgeschäden entstehen, die er nicht hätte, wenn die Leistung gänzlich ausgeblieben wäre. An diesen Fällen der Schlechtleistung, dem Mutterboden für Staubs Lehre von der sog. positiven Forderungsverletzung, muß das Gesagte erst erprobt werden. Die Sachverhalte sind geläufig: dem Bauherrn fällt die Zimmerdecke auf den Kopf, der Autofahrer verunglückt infolge eines technischen Mangels des gekauften Fahrzeuges, die gelieferten wurmstichigen Äpfel stecken andere an. Hier soll auf einmal nicht mehr der geschuldete Leistungserfolg Anknüpfungspunkt der Haftung sein, sondern die Verletzung einer Verhaltenspflicht bezüglich der Schonung der Güter des Gläubigers1 &0 • Gegen die Auffassung der Anknüpfung an 13° Vgl. Esser, Schuldrecht4 I 370 ff.; Larenz, Schuldrechtlo I 266 ff.; Dabei wird zur Feststellung einer Verhaltenspflicht nicht unbedingt die objektiv gebotene Sorgfalt als Maßstab herangezogen. So soll nach Larenz ein Schuldner z. B. Ware aussondern, ordnungsgemäß verpacken etc. und gegen derartige Verhaltenspflichten auch dann verstoßen, wenn auch ein sorgfältiger Verkäufer etc. an seiner Stelle bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit diese Pflicht nicht erkennen oder sich nicht rechtzeitig darauf einstellen konnte (Larenz, Schuldrecht1° I 214). Konkreter müßte dies also bedeuten: ein Schuldner kann auch dann gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen, wenn er trotz Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt statt einwandfreier Ware, gefährliche aussondert und leistet. Ein derart verstandenes "Verhaltens"unrecht ist im wesentlichen Erfolgsunrecht. Man läßt genügen, daß ein Mensch eine Handlung setzt (z. B. Aussondern einer Ware) und beurteilt sie als rechtswidrig, weil sie unerwünschte Erfolge zeitigt (vgl. auch folgendes Beispiel von Larenz 10 II 463: "Wenn eine Krankenschwester einem Kranken eine tödlich wirkende Flüssigkeit einspritzt in dem nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Glauben, es handle sich um ein unschädliches Medikament, dann begeht sie objektiv eine Tötungshandlung, handett rechtswidrig, auch wenn ihr kein Sorgjattsverstoß zur Last jältt." (Das hier Hervorgehobene ist im Original nicht hervorgehoben). Auch wird teilweise vertreten, daß der Sorgfaltsmaßstab, nach dem sich das Verhaltensunrecht bestimme, höher sei als die "Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" (vgl. Münzberg, Verhalten 349, der schreibt, die Verhaltensunrechtslehre sei nicht gezwungen, die Richtigkeit des Verhaltens nach der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu messen). -Je höher man den Sorgfaltsmaßstab setzt, desto mehr nähert man das Verhaltensunrecht einem Erfolgsunrecht, weil dem so verschärften Maßstab nur mehr sehr wenige Menschen gerecht werden können. Wir wollen hier nicht prüfen, wieweit es mit dem BGB zu vereinbaren ist, beim Verhaltensunrecht einen höheren Maßstab als die objektiv im Verkehr geforderte Sorgfalt zu verwenden (Das Verhaltensunrecht und die objektiv gebotene Sorgfalt setzen im Bereich des BGB z. B. Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil15 I/2, 1295 und Welzel, Das deutsche Strafrecht10 123 ff. und 126 ff. gleich - diese Auffassung dürfte herrschen und auch für das BGB die richtige sein. In Wahrheit kreieren jene Vertreter der reinen Verhaltensunrechtslehre, die einen höheren Maßstab als die im Verkehr gebotene Sorgfalt setzen wollen, diesen Maßstab nur, um den Schwierigkeiten zu entgehen, die sich aus ihrer Lehre für die Notwehrbefugnisse eines Gefährdeten ergeben.- Nach unserer Auffassung ist für die Notwehrbefugnis das Erfolgsunrecht der Anknüpfungs-
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
den Erfolg wird eingewendet: Hätte der Schuldner die Hauptleistung einfach unterlassen, so wäre der in Frage stehende Schaden ja gar nicht eingetreten. Es ist ja ein Schaden eingetreten, der von dem der Nichtrechtzeitigkeit der Leistung verschieden ist. Deshalb hafte der Schuldner jedoch gar nicht. Er hafte, "weil er (allerdings durch eine Erfüllungshandlung bezüglich der Hauptleistung) die Rechtsgüter seines Partners, die gerade über dessen Interesse am Empfang der Leistung hinausgehen, verletzt hat" 131 • Hier wird m. E. mit einem Vorverständnis an die Problemlösung herangegangen, das seine Wurzeln in der Lückenhaftigkeit der Leistungsstörungsregeln des BGB hat. Es wird nur das einzige, allgemein geregelte Leistungsstörungsproblem, die vorübergehende oder dauernde Nichterbringung der Leistung (eines Erfolges), als Problem der Erfüllung der Verbindlichkeit gesehen und alles, was nicht das Interesse des Gläubigers an der Rechtzeitigkeit der Leistung betrifft, als Leistungsinteresse des Gläubigers negiert. Dieser Ausgangspunkt scheint mir falsch zu sein: Das Gläubigerinteresse ist nicht an den lückenhaften Leistungsstörungsregeln des BGB zu ermitteln, sondern an Hand des Schuldverhältnisses zu prüfen und dabei gelangt man wieder zum Zentralproblem: Nichterfüllung als Abweichen vom Geschuldeten. Daß das "Quale" der geschuldeten Leistung nicht nur ein Problem der Rechtzeitigkeit ist, liegt dabei auf der Hand. Der Käufer will ein qualitativ einwandfreies Auto unter anderem, damit er nicht verunglückt. Das ist ein Teil seines Leistungsinteresses. Und wer ein Haus baut, will gewiß auch, daß ihm das Dach nicht auf den Kopf fällt. Der Mieter fühlt sich in der Wohnung nur wohl, wenn sie ungefährlich ist. Läßt sich jemand im eigenen Haus eine zusätzliche Stiege einbauen, um sich Wege zu ersparen, und bricht die Stiege zusammen, so ist sein Leistungsinteresse nicht nur verletzt, weil er die Abkürzung nicht mehr benutzen kann, sondern weil ihr eine entsprechende Qualität fehlte, deren Mangel Schaden stiftete. Einwandfreie Qualität will man nicht zuletzt, um Gefahrenquellen auszuschalten. Nicht vom Stromschlag punkt). Für das ABGB ist festzuhalten, daß für ein Verhaltensunrecht nur die Außerachtlassung der im Verkehr geforderten Sorgfalt (§ 1297, § 1299) in Frage kommt. Andere Maßstäbe sieht das Gesetz neben dem Erfolgsunrecht (§ 1294 ABGB) nicht vor. Treffend charakterisiert auch Bydlinski die "gehörige Aufmerksamkeit" als Maßstab der Rechtmäßigkeit des Verhaltens (Klang I Bydlinski2 IVI2, 172). Koziol führt aus, daß es unproblematisch wäre, objektive Fahrlässigkeit mit Rechtswidrigkeit gleichzusetzen (Haftpflichtrecht I 100 FN 58). Nach unserer Ansicht ist dies nicht nur unproblematisch, sondern der einzige mögliche Weg, im ABGB ein Verhaltensunrecht anzunehmen. Inkonsequenz ist Bydlinski und Koziol vorzuwerfen, wenn sie den Schuldnerverzug als objektiv rechtswidriges Verhalten beurteilen, denn hier setzen sie Verhalten und Mißerfolg gleich (s. dazu oben§ 7). 131 Klang I Bydlinski2 IVI2, 173 FN 235.
B. Lösung I II. Umfang der Obligation I 1. Erfolgsverbindlichkeit
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getötet zu werden, ist neben anderen ein zentrales Interesse an der einwandfreien Qualität eines Elektrogeräts. Eine Betrachtungsweise, die das Leistungsinteresse nur bei gänzlichen oder zeitweisen Ausbleiben der Leistung verletzt sieht, berücksichtigt im wesentlichen nur den Besitz des Wertes eines Gutes und die Möglichkeit dessen kommerzieller Verwertung. Das Interesse am einwandfreien ungefährlichen Gebrauch, am ungefährlichen Besitz läßt es aber außer acht. Das Interesse des Gläubigers, eine einwandfreie Leistung zu erhalten, ist untrennbar mit dem Interesse verbunden, durch Mängel keine Schäden zugefügt zu bekommen. Die Gläubigerinteressen nur auf die Rechtzeitigkeit der Leistung abzustellen, ist gekünstelt und widerspricht der Struktur des Schuldinhaltes. Der geschuldete Leistungserfolg ist auch in dieser Richtung relevant. Dies hat schon Siber132 klar erkannt. Hans Stolls Verdienst ist es, den Leistungserfolg wieder in den Vordergrund gestellt zu haben133• Wenn er die Verbindlichkeit zur gehörigen Leistung als Leistungspflicht mit Schutzzweck bezeichnet134, so ist ihm durchaus zuzustimmen. Auch Wassermeyer135 und Ohler136 ziehen für die Schlechtleistung die Analogie zu den Verzugs- bzw. Unmöglichkeitsvorschriften bezüglich des geschuldeten Leistungserfolges: Der zu den §§ 280 und 285 BGB analog gebildete Rechtssatz bei Schlechtleistung (z. B. Lieferung von vergütetem Mais) hat nach Wassermeyer zu lauten: "Wird die Leistung infolge eines vom Schuldner zu vertretenden Umstandes schlecht erfüllt, so hat der Schuldner dem Gläubiger den durch die Schlechterfüllung entstehenden Schaden zu ersetzen." Und diesem Rechtssatz ist nach Wassermeyer, "obwohl es eigentlich überflüssig ist, nach dem Vorbild des § 282 hinzuzufügen: ,Ist streitig, ob die Schlechterfüllung die Folge eines vom Schuldner zu vertretenden Umstandes ist, so trifft die Beweislast den Schuldner'".
Bydlinskis Einwand gegen Hans StolZ, jegliche Schutzpflichten ließen sich in entsprechende Leistungspflichten (zur Unterlassung) umformulieren137, überzeugt nicht. Hans StolZ prüft, ob und wieweit nach dem konkreten Vertrag Erfolge geschuldet sind und qualifiziert das Abweichen davon als Nichterfüllung. Streng unterscheidet er von den Erfolgsverbindlichkeiten vertragliche Sorgfaltsverbindlichkeiten und irgendwelche sonstige Pflichten, die die deutsche Lehre dem Vertragsrecht zuordnet, um gewisse Schwächen des Deliktsrechts, insbe1s2 133 134 135 1ae 1a1
JherJb. 50, 55 ff. insb. 188 ff. Hippel-FS 517 ff. Hippet-FS 525. Der prima facie Beweis 89. Obligations 75. Klang I Bydtinski2 IV12, 173 FN 235.
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
sondere die der Besorgungsgehilfenhaftung, zu überwinden138• Solche und ähnliche Sorgfaltsverbindlichkeiten werden durch Umformulierung zu Unterlassungspflichten keine Erfolgsverbindlichkeiten, sondern bloß solche, sorgfaltswidriges Verhalten zu unterlassen. Trifft einen Handwerker die Sorgfaltspflicht, sich beim Gang durch das Stiegenhaus zu bemühen, weder die Wand zu beschädigen, noch das Fenster einzuschlagen, so wird aus dieser Verbindlichkeit durch die Umformulierung zur Unterlassungspflicht, eine Verbindlichkeit, sorgfaltswidriges Verhalten (wie etwa zu schnelle Wendungen) zu unterlassen, und keine Erfolgsverbindlichkeit, das Stiegenhaus des Bestellers nicht zu beschädigen. Derartige Sorgfaltspflichten unterscheiden sich von einer Erfolgsverbindlichkeit zu qualitativ einwandfreier Leistung grundlegend. Im letzten Fall wird der Schuldner wegen der fehlerhaften Qualität seiner Leistung prinzipiell verantwortlich. Die geschuldete Qualität, der Leistungserfolg, ist Anknüpfungspunkt für die aus mangelnder Qualität resultierenden Schäden. Kann sich der Schuldner nicht entlasten, so haftet er. Dies hat der OGH auch erkannt, soweit es sich nicht um mangelhafte Erfüllung eines Werk- oder Kaufvertrages handelt. Bei Miete und Personenbeförderungsvertrag beschreitet er- wie noch genauer auszuführen ist139 - den richtigen Weg. Wie wir bei der Betrachtung der einzelnen Vertragstypen noch sehen werden, sind die einzelnen Vertragstypen des ABGB durchwegs Erfolgsverbindlichkeiten. Dies sollte nicht verwundern. Bezwecken doch obligatorische Bindungen ausschließlich gewisse Erfolge: Der Verwahrer soll das Gut unversehrt zurückgeben, der Beförderer die Sache oder die Person unversehrt zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort bringen, der Baumeister das Haus fehlerfrei errichten usw. Freilich soll vom Zweck der Obligation her auch der Arzt heilen, der Anwalt den Prozeß gewinnen. In den letztgenannten Fällen hängt us Hippel-FS 527.
s. u. § 15 u. § 18. - Die Differenzierung des OGH in der Beweislastverteilung beruht, wie schon oben aufgezeigt, auf einer Reihe von Mißdeutungen verschiedener Aussagen, ihr fehlt jeglicher materieller Hintergrund. Begriffsverwirrung und Begriffsklauberei führt zu sachlich widersprüchlichen Lösungen. Bei Nichterfüllung habe sich der Schuldner zu entlasten, bei Schlechterfüllung nicht. Zurverfügungstellung einer mangelhaften Mietsache (Nichtverschaffung des bedungenen Gebrauchs) sei Nichterfüllung, Leistung eines mangelhaften Kaufgegenstandes (im Widerspruch zum bedungenen) Schlechterfüllung. Die verfehlte Lehre von der "Annahme als Erfüllung", die die im Ergebnis teilweise richtige Abgrenzung zwischen den §§ 918 ff. und 922 ff. ABGB in den Gründen nicht zu tragen vermag, leistete einen zusätzlichen begriffsjuristischen Fehlerbeitrag (Vgl. insb. die Ungereimtheiten in Wahles Ausführungen - s.o. § 2. A. IV.). - Da der OGH nun auf dem besten Wege ist, diese Irrlehre zu überwinden (Vgl. JBl. 1973, 616 ff. und JBl. 1974, 264 ff. - s. a. § 2. A. IV. und § 13), bleibt nur zu wünschen, daß sie auch die Judikatur zu§ 1298 ABGB nicht mehr beschweren wird. ta&
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der bezweckte Erfolg im Regelfall von derart vielen Unwägbarkeiten ab, daß eine Erfolgsverbindlichkeit- sieht man von echten Garantien ab - von vornherein nicht als Schuldinhalt in Frage kommt, vom Schuldner nicht akzeptiert wird und daher auch die Gegenleistung schon für das Bemühen um den Erfolg gebührt. In den erstgenannten Fällen kann der bezweckte Erfolg hingegen normalerweise erbracht werden, er wird vom Gläubiger verlangt und vom Schuldner auch zugesagt und diesem natürlichen Verständnis der Parteien entsprechend vom Gesetz auch so konzipiert. Ob eine Erfolgs- oder Sorgfaltsverbindlichkeit vorliegt, ist Auslegungssache. Zunächst ist der konkrete Vertrag zu durchleuchten. Soferne dieser selbst nichts besonderes aussagt, ist vom gesetzlich vorgezeichneten Vertragsmodell auszugehen. Ergänzender Vertragsauslegung kommt dieselbe Bedeutung zu wie auch sonst139a. Die Regel ist im Österreichischen Recht jedoch die Erfolgsverbindlichkeit. In ihr soll der Schuldner prinzipiell für den Erfolg einstehen. Seine Haftung orientiert sich an der Verbindlichkeit, der er normalerweise auch nachkommen kann. Nur ausnahmsweise ist auch bei solchen Verhältnissen bloß für das Bemühen einzustehen. So schuldet zum Beispiel ein Arbeitnehmer auch nur dort erfolgstrebendes Verhalten, wo er einen Erfolg in der Regel herbeiführen kann140 • Dem Unternehmer ist aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen das Erfolgsrisiko generell aufgelastet. Grundsätzlich gehört der Zweck der Obligation jedoch zu ihrem Inhalt. Der wirtschaftliche Verkehr, dessen vorzügliches Mittel die Obligation ist, baut auf dem abgeschlossenen, durch eine Obligation herzustellenden Erfolg auf, und es entspricht nur dem praktischen wirtschaftlichen Verständnis, den Schuldner zum Erfolg zu verbinden141 • "So ähnlich, wie ein Baumeister die Ziegel bei der Ziegelfabrik, die Eisen oder Holzbestandteile beim Eisenhändler oder bei der Fabrik, beim Tischler usw. bestellt, denkt grundsätzlich jeder Gläubiger nur daran, daß ihm die bestellten Sachen am bestimmten Ort, in der vereinbarten Zeit und Qualität zur Verfügung stehen werden142 ." Diese Erfolgserwartung des Gläubigers, derentwegen er den Schuldner angeht, ist als Schuldinhalt vereinbart. Der Tischler, der bloß versprechen will, er werde sich bemühen, einen Kasten herzustellen, der nicht zusammenfällt, wird keine Kundschaft finden. Würde der Besteller einen durchschnittlichen Tischler fragen, ob er wirklich einen kompakten, vor dem Zu139a Auf die gesetzlichen Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB ist später einzugehen. Auch dort gibt der Umfang der Verbindlichkeit den Ausschlag für die Beweislastverteilung- s. u. § 9. 140 s. u. § 19. tu Vgl. Marton, AcP 162, 85. u2 Marton, AcP 162, 65.
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
sammenbruch sicheren Kasten herstellen werde, so würde der schon die Unterstellung, es könnte anders sein, entschieden zurückweisen. Der entsprechende Erfolg ist so selbstverständlich Inhalt der Verbindlichkeit, daß man davon gar nicht spricht. Der Schuldner wird vielfach gar nicht einmal daran denken, daß der qualitative Erfolg nicht eintreten könnte. Schuldner und Gläubiger gehen vom alltäglichen Normalfall aus, das Gesetz umschreibt den Schuldinhalt dem Verkehrsbedürfnis entsprechend erfolgsbetont. Einer solchen Erfolgsverbindlichkeit kann aber, soll sie ernstgenommen werden, grundsätzlich nur eine Erfolgshaftung entsprechen143 • Wer einen Erfolg herbeizuführen verspricht, haftet zunächst auch für diesen Erfolg. Die Begründung einer Erfolgsverbindlichkeit birgt die Begründung einer Erfolgshaftung in sich144 • Sie ist unmittelbarer Inhalt der Obligation. In ihrer vollen Strenge würde die Erfolgshaftung jedoch zu unbilligen Härten dem Schuldner gegenüber führen. Daher läßt das Gesetz dem Schuldner in berücksichtigenswürdigen Fällen den Ausweg der Entlastung offen. Für solche Fälle wird die Obligation durch Entlastungsgründe abgeschwächt. Hat man erkannt, daß der Erfolgsverbindlichkeit die Erfolgshaftung korrespondiert, diese Haftung der Obligation entspringt und der Entschädigungsanspruch nur der "Sprößling der schon in dem ursprünglichen Schuldverhältnis gelegenen ,Haftung'" ist145, so sind die Aussagen von Pfaff, Schey und Randa, daß den Schuldner nach § 1298 ABGB die Beweislast trifft, weil er sich von einer bestehenden Verbindlichkeit befreien muß, nur selbstverständlich145a. Von einer Verbindlichkeit kann man sich eben auf dreifache Weise befreien: man erfüllt sie, man leistet für den zugefügten Schaden Ersatz oder man entlastet sich. Eben das hat sich an der Entwicklung der "strict liability" des anglo-amerikanischen Rechts145b, an der Entstehungsgeschichte des EKG gezeigt145c und liegt auch den Beweislastregeln des Code civil, des OR und den ausdrücklich geregelten Fällen des BGB zugrunde. Und so ist es auch mit§ 1298 ABGB: Hat der Schuldner den geschuldeten Erfolg nicht erbracht, so hat er sich voll zu entlasten, d. h. er muß nachweisen, daß er die gehörige Sorgfalt aufgewendet hat oder daß er sie aus zu berücksichtigenden subjektiven Gründen nicht aufwenden konnte. Der Verschuldensbegriff des ABGB enthält ja wie im vorigen Abschnitt gezeigt wurde - sowohl die genannte objektive (mangelnde Sorgfalt) als auch die angeführte subjektive Korn143
Vgl. Marton, AcP 162, 84.
tu Vgl. Schey, Verjährung 16. us Schey, Verjährung 36. 145a S. 0. § 3. F. 145b 145 c
s. o. A. IV. s. o. A. V.
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ponente (Verschulden i. e. S.). Moderne Unrechtslehren sehen in der Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt die Rechtswidrigkeit und sprechen von Verschulden erst, wenn die Tat dem Täter auch aus in ihm gelegenen subjektiven Gründen zurechenbar ist. Es wäre jedoch verfehlt, aus einem dogmatisch neu gebildeten Verschuldensbegrüf abzuleiten, § 1298 ABGB erfasse nur Verschulden im subjektiven Sinne. Beweis für mangelndes Verschulden heißt in § 1298 ABGB Entlastung für die Nichtherbeiführung des geschuldeten Erfolges, für die Nichterfüllung der Verbindlichkeit zum Erfolg. Ist also der Grund der Beweisregel des § 1298 ABGB die prinzipielle Erfolgsverantwortung des Schuldners, so kann einer einheitlichen Lösung nichts mehr im Wege stehen, dies selbst dann nicht, wenn man fälschlicherweise die Schlechterfüllung begrifflich von der Nichterfüllung sondert146 • Das ist bereits längst erkannt. Schey, später Berichterstatter der Herrenhauskommission zur 3. Teilnovelle, schrieb 1905: "Daß auch die sogenannte ,positive Vertragsverletzung', die im Gebiete des deutschen bürgerlichen Gesetzbuches neuerlich viel Lärm macht", zur nicht gehörigen Erfüllung zählt, "und von der Haftung aus dem Vertrag mit umfaßt wird, scheint mir ... selbstverständlich" 147• Dabei verwendet er Nichterfüllung, nicht gehörige Erfüllung und Schuldverletzung offenkundig synonym148, wenn er für Schuldverletzung (= Nichterfüllung) die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB annimmt, weil es sich jedesmal um einen bereits aus der Obligation gegebenen Ersatzanspruch handle, von dem man sich durch Entlastung befreien könne149• Auch für die Materialien zur 3. Teilnovelle ist die Gleichbehandlung von mangelhafter Vertragserfüllung und Ausbleiben einer positiven Leistung selbstverständlich. Wir erinnern uns: Negative und us Für Krasnopolski (Obligationenrecht 213, 215) ist es selbstverständlich, daß § 1298 ABGB auch für nicht gehörige Erfüllung gilt. Die Gesetzesstelle spielt in Krasnopolskis Verständnis des § 932 a. F. ABGB jedoch keine Rolle, weil er dort den Schadenersatz überhaupt unabhängig vom Verschulden geben will (Obligationenrecht 137). Bezüglich des auch nach der Urfassung zweifellos vom Verschulden abhängigen Ersatzes des entgangenen Nutzens hätte § 1298 ABGB für Krasnopolski nur von Bedeutung sein können, wenn er angenommen hätte, diese Gesetzesstelle vermute auch grobe Fahrlässigkeit (vgl. § 1323 ABGB). Dies tat Krasnopotski aber nicht (Obligationenrecht 213). - § 932 a. F. ABGB lautete in der fraglichen Stelle: Der durch die Gewährleistungsfälle Verkürzte kann "aber auch Ersatz des weiteren Schadens, und, dafern der andere Theil unredlich gehandelt hat, auch den entgangenen Nutzen fordern". 141 Verjährung 13 vor FN 27 und in FN 27. 148 Vgl. Verjährung 13 ff. s. insb. 13; 13 FN 27; 25. (nicht oder nicht gehörig erfüllt - Schuldverletzung); 35, - vgl. Pfaff, Gutachten 120, der Schlechtwegs von Vertragsverletzungen in Zusammenhang mit§ 1298 ABGB spricht. Ebenso Randa, Schadenersatzpflicht3 83. 149 Vgl. Verjährung 35 ff. mit 13 ff.
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
sog.150 positive Vertragsverletzung sollen grundsätzlich dieselben Rechtsfolgen haben151 • Eine dieser Rechtsfolgen ist eben auch die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB. Die fehlerhafte Deutung des § 1298 ABGB durch den OGH bei Schädigung des Käufers durch eine mangelhafte Kaufsache oder ein mangelhaftes Werk- beim Mietvertrag z. B. deutet er § 1298 ABGB ja richtig - hat die historischen Wurzeln in der Änderung des § 932 a. F. ABGB durch die 3. Teilnovelle. Zu § 932 a. F. ABGB152 wurde nämlich vertreten163, daß der Schadenersatzanspruch ein vom Verschulden unabhängiges Gewährleistungsrecht sei. Der Gesetzgeber der 3. Teilnovelle wollte mit der Novellierung dieser Norm nur klarstellen, daß es sich beim Schadenersatzanspruch um keinen Gewährleistungsanspruch handelt154, daß also keine reine Erfolgshaftung besteht. Den OGH führte nun in die Irre, daß die Materialien von einer Haftung nach allgemeinen Grundsätzen für Verschulden sprechen155• Er meinte, damit sei eine Beweislastumkehr nicht zu vereinbaren. Der allgemeine Grundsatz bei Erfolgsverbindlichkeiten ist nun aber einmal der Entlastungsbeweis des Schuldners. Zu den Schadenersatzvorschriften der§§ 918 und 921 ABGB sprechen die Materialien nicht weniger von einer Haftung nach allgemeinen Grundsätzen156 • Und die Schadenersatzvorschrift des § 932 ABGB bezeichnen sie als eine Parallelvorschrift zu § 921 ABGB 157• Wo, wenn nicht in den Fällen der §§ 918 ff. ABGB, sollte denn überhaupt § 1298 ABGB anzuwenden sein, wenn der Entlastungsbeweis mit der Haftung nach allgemeinen Grundsätzen unvereinbar wäre? Der Entlastungsbeweis bei Vertragsverletzung ist eben ein allgemeiner Grundsatz des Österreichischen Schadenersatzrechts. Ganz deutlich führen dies die Materialien noch an einem anderen Ort aus: Im Zusammenhang mit der Fürsorgepflicht des Dienstgebers (Bereitstellung geeigneter Räume, Gerätschaften etc. - § 1157 ABGB), lehnen sie ausdrück150 Vgl. 3. TN-Materialien 285, wo sie bloß von einer "sogenannten" positiven Vertragsverletzung sprechen. 161 3. TN-Materialien 286, s. a. oben§ 2. A. I. 152 Text: "Ist der die Gewährleistung begründende Mangel von der Art, daß er nicht mehr behoben werden kann, und, daß er den ordentlichen Gebrauch der Sache verhindert; so kann der Verkürzte die gänzliche Aufhebung des Vertrages; wenn hingegen sich das Fehlende, z. B. an Maß oder Gewicht, nachtragen läßt, nur diesen Nachtrag; in beiden Fällen aber auch den Ersatz des weiteren Schadens, und, dafern der andere Theil unredlich gehandelt hat, auch den entgangenen Nutzen fordern." 153 Vgl. Krasnopolski, Obligationenrecht 137; 3. TN-Materialien 296; s. a. oben § 2. A. I. 15 4 3. TN-Materialien 296, s. a. oben§ 2. A. I. 155 3. TN-Materialien 296, s. a. oben§ 2. A. I. 158 3. TN-Materialien 288, s. a. oben§ 2. A. I. 157 3. TN-Materialien 296, s. a. oben§ 2. A. I.
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lieh eine besondere Beweislastnorm ab, weil es sich um eine Verbindlichkeit des Dienstgebers handelt, für die die Beweislast schon § 1298 ABGB regelt. Es ist daher, wie die Materialien ausdrücklich betonen, nicht nötig, diesen allgemein gültigen Satz hier zu wiederholen168 • Stellt der Dienstgeber mangelhafte Schutzvorrichtungen zur Verfügung oder fehlerhaftes Arbeitsgerät oder schädliche Wohnräume und erleidet der Dienstnehmer dadurch Schaden, so ist § 1298 ABGB heranzuziehen139 • Daß sich der Schuldner bei Schädigungen durch eine mangelhafte Leistung zu entlasten hat, ergibt sich auch aus einer nur scheinbar sehr abgelegenen Sondervorschrift, nämlich der kaiserlichen Verordnung über Militärlieferungsverträge (RGBl. 1915/158). Diese Verordnung nahm die bereits vom Herrenhaus am 19. 12. 1912 beschlossene, vom Kaiser am 19. 3. 1916 sanktionierte und in den hier maßgebenden Teilen am 1. 1. 1917 in Kraft getretene 3. Teilnovelle bezüglich des § 919 a. F. ABGB mit gewissen Korrekturen (z. B. Rücktritt ohne Nachfristsetzung, Vorrang vor den Bestimmungen des AHGB) vorweg160• § 2 Abs. 1 KaisVO besagt: "Wird ein Militärlieferungsvertrag . .. nicht zur gehörigen Zeit am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise erfüllt161 • 162, so kann das Ärar Erfüllung verlangen oder .. . zurücktreten." § 3 KaisVO fügt hinzu: "Der Verpflichtete haftet unter allen Umständen für den durch die nicht gehörige163 Erfüllung verursachten Schaden, es sei denn, daß er ohne sein Verschulden an der gehörigen Erfüllung 181 verhindert worden sei." Daß unter "nicht gehöriger Erfüllung" alle im Tatbestand des § 2 Abs. 1 KaisVO aufgezählten Fälle erfaßt sind, ergibt sich aus dem Kontext, aber auch die Motive lassen keinen Zweifel: Die Leistung einer mangelhaften Sache ist der Hauptgrund für die Erlassung der Verordnung164 • Für § 3 KaisVO halten sie ausdrücklich fest, daß er im Einklang mit § 1298 ABGB steht166, also daß § 1298 ABGB auch mangelhafte Leistungen (i. S. eines mangelhaften s. a. oben§ 2. A. I. Die Beweislastumkehr ist freilich heute nur mehr von geringfügiger Bedeutung, weil nach den Vorschriften des ASVG (§ 333) der Dienstgeber bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten dem Dienstnehmer nur für vorsätzlich zugefügte Schäden haftet. s. a. § 19. C. 15o Vgl. JMVBI. 1915, 182 ff. 151 Im Original nicht hervorgehoben. 162 Der Tatbestand stimmt genau mit § 919 ABGB a. F. überein. Der Text dieser Fassung ist oben nach FN 83 wiedergegeben. 1as Vgl. § 912 ABGB, s. a. oben nach FN 92. 1u JMVBI. 1915, 179 ff. 185 JMVBl. 1915, 183. 1se 3. TN-Materialien 347,
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Erfolges) erfaßt. § 3 KaisVO ist nichts anderes als eine Wiederholung des§ 1298 ABGB1ee. Genauso wie die Beweislastregel des § 1298 ABGB ist jene zu Lasten des Kommissionärs (§ 390 HGB), Spediteurs (§ 407 Abs. 2 HGB), Lagerhalters (§ 417 Abs. 1 HGB) und der verschiedensten Gruppen von Frachtführern bzw. Verfrachtern (§ 429 Abs. 1, § 606 HGB; § 58 BinnSchG) bei Verlust oder Beschädigung des anvertrauten Gutes zu erklären. Dasselbe gilt für die Beweislastverteilung bei Personenbeförderung durch Luftfahrzeuge(§ 29 a öLuftVG; § 44 dLuftVG). Diese Vorschriften stellen für die BRD insoferne eine Besonderheit dar, als sie im Gegensatz zu den §§ 282 und 285 BGB, Fälle sog. positiver Forderungsverletzungen unmittelbar erfassen: es werden Schäden zugefügt, die bei Ausbleiben der Leistung (z. B. Nichtannahme der Sache durch den Beförderer, Nichtbeförderung der Person) nicht entstehen187. Für Österreich sind diese Regeln auch gesetzestechnisch überflüssig: schon § 1298 ABGB erfaßt diese Sachverhalte unmittelbar188• 189• Bei der enbloc-Rezeption der verschiedenen Gesetzesmaterien hat man sich allerdings wenig darum gekümmert, ob einzelne Vorschriften nötig sind. Nach dem Anschluß ging es um einheitliche, genauer: wörtlich gleichlautende Gestaltung des Handelsrechts im Deutschen Reich. Daß die Vorschriften das Jahr 1945 überlebt haben, verdanken sie der Eigenschaft, kein nationalsozialistisches oder sonst als Unwert empfundenes Gedankengut zu enthalten170. Die Ausführungen zur Beweislastverteilung bei Erfolgsverbindlichkeiten haben gezeigt, daß deren ratio in der prinzipiellen Erfolgsverantwortung des Schuldners liegt. Welche Bedeutung hat daneben die bisher des öfteren ins Treffen geführte Beweisnot des Geschädigten? 188 überflüssig war die KaisVO insoferne nicht, als Art. 355 AHGB, dem die Bestimmungen der VO vorgingen (§ 1), bei Rücktritt seinen Schadenersatz gewährte. Rechtspolitisch dürfte ihr § 3 die Aufgabe einer Präventivwirkung gehabt haben. Der Gesetzgeber dachte vor allem an eine Personengruppe, die vorsätzlich mangelhafte Waren leistete (JMVBI. 1915, 179 ff.). Ihr besonders vor Augen zu halten, daß sie bei Beweisnotstand zu haften habe, mag präventiven Einfluß auch auf die Unterlassung vorsätzlichen Tuns gehabt haben. § 1298 ABGB kann in seiner Allgemeinheit eine besondere Präventivwirkung wohl nicht zugesprochen werden: s.o.§ 4. D. vor FN 103. 187 Rosenberg, Beweislast1 364. 1 88 So bereits Pisko (Lehrbuch des Österreichischen Handelsrechts 281) zu Art. 380 Abs. 2 AHGB, dem Vorgänger des § 429 HGB und Adler (Das Österreichische Lagerhausrecht 108) zu § 14 LagerhausG. RGBI. 1889/64 - vgl. jetzt § 417 HGB im Zusammenhang mit § 390 HGB. 189 Von Bedeutung ist nur der Umfang der jeweils zugelassenen Entlastung (Beweis der Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers etc.). Dies ist aber ein allgemeines Problem, das sich gleichermaßen im Verhältnis des § 1298 zu den §§ 1297 und 1299 ABGB ergibt. s. dazu unten § 11, insb. § ll.D. 170 § 1 RÜG.
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Bildet sie zumindest subsidiär die ratio der für das Schuldverhältnis normierten Beweislastregeln? b) Der mögliche Beweisnotstand des Gläubigers ist nicht ratio des § 1298 ABGB Das von Prölss in den Vordergrund gestellte Argument des Beweisnotstandes (s. o. § 4. D., § 5), das im Deliktsrecht als Grundlage der Beweislastverteilung widerlegt wurde, trägt im Vertragsrecht, wie bis jetzt in erster Linie indirekt gezeigt wurde, nicht. Für die Unrichtigkeit der These von Prölss läßt sich noch einiges anführen: Das BGB kennt bezüglich des Vertretenmüssens einer nachträglichen Unmöglichkeit die Beweislastumkehr des § 282 BGB. Bezüglich des Vertretenmüssens des Vertragsabschlusses170a bei der anfänglichen zur Vertragsnichtigkeit führenden Unmöglichkeit (§§ 306, 307 BGB) fehlt eine Bestimmung, die dem Schuldner die Beweislast etwa dafür auflegt, daß er die Nichtexistenz der verkauften Sache171 • 172 weder kannte noch kennen mußte. Daß die Einsicht in die Sphäre des Schuldners bei anfänglicher Unmöglichkeit besser ist, als bei nachträglicher, wird wohl ernstlich niemand behaupten wollen. Hätte das BGB die Beweislastverteilung kasuistisch nach Einsichtsmöglichkeiten regeln wollen, so wäre es doch höchst unwahrscheinlich, daß es bei zwei Tatbeständen, die bezüglich der Einsichtsmöglichkeit des Geschädigten weitgehend gleich liegen, das einemal die "Notwendigkeit" der Beweislastumkehr wegen mangelnder Einsicht des Geschädigten in die Sphäre des Schädigers erkennt und das anderemal nicht. Die Fälle sind hinsichtlich der Einsichtsmöglichkeit des Gläubigers in den Bereich des Schuldners zu verwandt, als daß sie einem so überaus genauen Gesetzgeber, wie dem des BGB, 170a Zur Debatte steht nach § 307 BGB nur das Vertrauensinteresse. Zur anfänglichen Unmöglichkeit nach ABGB s. u. § 13. 171 Als Hauptproblem des § 306 BGB sahen die Redaktoren des Gesetzes die Veräußerung einer nicht existierenden Sache - vgl. dazu BGB-Proto-
kolle I 453.
171 Vgl. dazu § 878 ABGB, der bei anfänglicher Unmöglichkeit nach heute unbestrittener Meinung nur den absurden Vertrag für nichtig erklärt. Absurd ist aber nur jener Vertrag, dessen Inhalt einem vernünftigen Erklärungsempfänger beim Vertragsschluß so erscheinen mußte (man vgl. etwa die Schulbeispiele: Königreich von Böhmen verkaufen, zum Kaiser von China machen). Ein Vertrag über eine nichtbestehende Sache ist nur dann absurd, wenn der Erklärungsempfänger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von der Nichtexistenz und Nichtherstellbarkeit wußte. Ginge man bei der Beurteilung der Absurdität nicht vom Wissen eines vernünftigen Erklärungsempfängers, sondern von einem mit optimalem Wissen Ausgestatteten (einem Allwissenden) aus, so wäre freilich jeder mit anfänglicher Unmöglichkeit behaftete Vertrag absurd. Dies kann aber nicht im Sinn des§ 878 ABGB sein, ansonsten wäre die Betonung des "absurden" überflüssig und es genügte der Hinweis auf die bloße Unmöglichkeit. - Vgl. zum Problem Rabel, ABGB-FS II 826 ff. = Gesammelte Aufsätze I 82 ff.
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hätten entgehen können. Wie die Gesetzesmaterialien zeigen, hat der Gesetzgeber hier durchaus bewußt die Beweislast anders geregelt als bei der nachträglichen Unmöglichkeit. Zur Debatte standen Garantie und Verschuldenshaftung - des eine anfänglich unmögliche Leistung Versprechenden173 - auf das negative Interesse. Der Kommission für die Zweite Lesung lagen Anträge über die Beweislast des Geschädigten174, über die Garantiehaftung des Versprechenden175, sowie eine Beweislastumkehr zu Lasten des Versprechenden vor176 • Gegen die Beweislast des Geschädigten und für die Garantiehaftung wurde vor allem angeführt: "Es handle sich {bei der anfänglichen Unmöglichkeit) hauptsächlich um einen Irrtum über tatsächliche Verhältnisse, denen der Empfänger des Versprechens meist viel ferner stehe 171 als der Versprechende, um einen Irrtum des Versprechenden über das Maß seines Könnens178." Diese Argumente konnten die Kommission jedoch weder zu einer Garantiehaftung, noch zu einer Beweislastumkehr1711 bewegen. Sie beließ die Beweislast beim Versprechensempfänger180 und auch der Antragsteller des zur Debatte stehenden Antrags auf Garantiehaftung schloß sich dem schließlich an1s1 • Die §§ 306 ff. BGB belasten den Versprechenden bei anfänglicher gänzlicher Unmöglichkeit eben mit keinem, also auch keinem abgeschwächten Einstehenmüssen für einen Erfolg, daher muß sich der Versprechende nicht entlasten1B2 • Bei nachträglicher Unmöglichkeit geht das BGB hingegen von der prinzipiellen Erfolgsverantwortung aus, daher die Regelung des § 282. Ob auch bei anfänglicher Unmöglichkeit der Schuldner am Vertrag festgehalten wird und inwieweit er hier für Erfolge einzustehen hat, das zu regeln, obliegt der einzelnen Rechtsordnung, ist nicht sachnot17s BGB-Motive2 II 179; BGB-Protokolle 450 ff. 174
Antrag 1 (BGB-Protokolle I 450).
175 Antrag 2 a und Antrag 3 (BGB-Protokolle I 450) - Der Antrag 2 a ließ
den Versprechenden nur dann nicht haften, wenn der Geschädigte die Unmöglichkeit zumindest kennen mußte (vgl. § 122 Abs. 2 BGB). Der Antrag 3 sah eine Schadenersatzpflicht des Versprechensempfängers an den zur Garantie verbundenen Versprechenden vor, wenn der Versprechensempfänger die Unmöglichkeit kennen mußte. 178 Antrag 2 b (BGB-Protokolle I 450). 177 Im Original nicht hervorgehoben. 178 BGB-Protokolle I 452. 179 Dieser Antrag wurde überhaupt im Laufe der Beratung fallen gelassen - BGB-Protokolle I 451. 180 BGB-Protokolle I 453. 181 BGB-Protokolle I 454 Zur Debatte stand nunmehr der Antrag 3, zu dessen Gunstender Antrag 2 a fallengelassen worden war.- s.o. FN 175. 182 Die Beweislast trägt nach einhelliger Meinung der Geschädigte: Soergel/ Schmidt10 § 307 Anm. 3; Staudinger I Kaduk 10111 § 307 Anm. 16; BGBRGRK-Wilde § 307 Anm. 2.
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wendig vorgegeben. Gültigkeit des Vertrages anzunehmen, ist aber wohl zweckmäßiger als Nichtigkeit. Nicht zuletzt deshalb gibt es zum BGB Bestrebungen, den Anwendungsbereich des § 306 BGB durch Annahme stillschweigender echter183 Garantien einzuschränken18'. Das EKG läßt den Vertrag bei anfänglicher Unmöglichkeit zustandekommen und den Schuldner wegen Nichterfüllung haften, wenn er sich nicht nach Art. 74 entlastet. Nach § 878 ABGB entsteht bei gänzlicher anfänglicher Unmöglichkeit der Vertrag185 ebenfalls, woraus sich entsprechende Konsequenzen ergeben. Auf diese Problematik ist hier noch nicht näher einzugehen186. Es war nur zu zeigen, daß das BGB in einem nicht unwichtigen Fall, in dem für den Gläubiger im allgemeinen die Beweislage genauso schwierig ist wie bei nachträglicher Unmöglichkeit, wenn nicht schwieriger, dem Schuldner keinen Entlastungsbeweis auferlegt. Zu den §§ 282 und 285 BGB haben wir bereits dargelegt, daß den Gesetzesverfassern dort der Beweisnotstandsgedanke fern lag187• Nach§ 29 a öLuftVG (§ 44 Abs. 1 dLuftVG) hat sich der Beförderungsunternehmer bezüglich seiner Haftung aus dem Beförderungsvertrag selbst dann zu entlasten, wenn der Fluggast beim Ein- oder Aussteigen verletzt wird188 , also der Geschädigte sich typischerweise in keinem Beweisnotstand befindet. Andererseits belasten im Arztvertrag bei Schädigung durch Radionuklide § 28 öAtomHG und § 26 Abs. 4 dAtomG den Patienten mit dem Beweis der Nichteinhaltung jeder nach den Umständen gebotenen Sorgfalt189. Welche Einsichtsmöglichkeit hat hier der fachunkundige Patient im Augenblick der Schädigung? Ihm bleibt nur der Sachverständigenbeweis190. Die Österreichische Regierungsvorlage191 will die Erfolgsverantwortung -die hier sonst im Rahmen der Gefährdungshaftung gegeben ist - ausschalten, um Wissenschaft und Forschung zu stützen. Der Arzt hat nur eine vertragliche Verbindlichkeit - wenn auch zu gesteigerter - Sorgfalt. Materiellrechtliche Erwägungen sind die Grundlage der Beweislastverteilung. Neben diesen Beispielen läßt sich für das Österreichische Recht auch noch die Gastwirtehaftung anführen. Bis zu den gesetzlich vorgesehenen Haftungshöchstbeträgen haften Wirte für eingebrachte Sachen, soferne 183 184
D. h. solcher, bei denen den Schuldner eine unbedingte Haftung trifft. Vgl. schon Planck I Planck112 § 306 Anm. 2.
185 s. o. FN 172.
s. u. § 13. C. II. s. o. A. I. insb. nach FN 36. 188 s. im einzelnen unten § 18. A.
188
187
s.o.§ 5. E.; s. u. § 20. C. s. dazu auch FN 24. 181 358 BlgNR 10. GP, 20. 188
1uo
170
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
sie nicht beweisen, "daß der Schaden weder durch sie oder einen ihrer Leute verschuldet192 noch durch fremde, in dem Hause aus- und eingehende Personen193 verursacht ist" (§ 970 ABGB). Über die Haftungshöchstbeträge hinaus haftet der Wirt, wenn der Geschädigte beweist, daß den Wirt oder seine Leute ein Verschulden192 trifft (BGBI. 1921/638 i. d. g. F.)l 94. Aus dem Gesichtspunkt des Beweisnotstandes läßt sich eine derartige Differenzierung der Beweislastverteilung nicht rechtfertigen. - Dem Gastwirt soll, wenn er keinen besonderen Verwahrungsvertrag195 geschlossen hat, das Erfolgsrisiko nur in einem beschränkten Maße treffen1'"'. Wie die angeführten Beispiele zeigen, spielt das Beweisnotstandsargument bei der jeweils getroffenen Beweislastverteilung keine Rolle. Einmal wird dem Geschädigten der Beweis trotz möglicher Beweisschwierigkeiten aufgelastet (§§ 306, 307 BGB; Arzthaftung bei Schädigung durch Radionuklidbehandlung), das anderemal hat sich der Schuldner zu entlasten, wenn sich der Gläubiger nicht typischerweise im Beweisnotstand befindet (Schädigung des Fluggastes beim Einund Aussteigen), das drittemal trifft bis zu einer bestimmten Haftungsgrenze den Schuldner ein besonderer Entlastungsbeweis193 und für eine Haftung darüber hinaus trifft den Gläubiger die Beweislast für die Sorgfaltsverletzung, obwohl die Einsicht in die Ursachen der Schadensentstehung mit den Haftungshöchstgrenzen nicht das geringste zu tun hat (Gastwirtehaftung nach ABGB). Im Schuldverhältnis erklärt sich der Entlastungsbeweis des Schuldners eben aus dem Eingehen einer Erfolgsverbindlichkeit 117.
192 Zum Verschuldeosbegriff des ABGB s. o. § 7. - Er umfaßt die objektiv gebotene Sorgfalt und die subjektiven Fähigkeiten hiezu. Letztere werden vom Gesetz vermutet (§ 1297 und 1299 ABGB). s. u. § 11. A. B. 193 Im Entlastungsbeweis für fremde Personen liegt die Besonderheit der Beweislastvorschrift des § 970 ABGB im Verhältnis zu § 1298 ABGB. § 970 a. F. ABGB ließ die Wirte etc. gleich einem Verwahrer haften, die Beweislastverteilung richtete sich vor der 3. TN nach § 1298 ABGB (Vgl. Zeilter, Commentar III/1, 208). Bei der Haftung der Gastwirte, Badeanstalten u. ä. wandten die Gerichte § 1298 ABGB vor der 3. TN am häufigsten an. - Vgl. GlU 2.672, 2.800, 3.580, 4.530, 6.196; GlUNF 962. m s. a. Klang I Gschnitzerz IV/1, 668. Armin Ehrenzweig, System2 II/1, 390. 195 s. a. § 1 Abs. 2 BGBl. 1921/638 i. d. g. F. 19& Die Haftungshöchstbeträge muten freilich zur Zeit lächerlich an: Für Kostbarkeiten S 1500,-, für sonstige Sachen S 3000,-. 197 Daß auch im Deliktsrecht der Beweisnotstandsgedanke nicht entscheidet, wurde bereits gezeigt (s. o. § 5. A.). Auch sei darauf verwiesen, daß Hanausek entschiedenen Widerspruch der Gesetzesverfasser erntete, als er die Streichung des § 1296 ABGB verlangte, damit der Richter je nach Lage des Falles die Beweislastverteilung vornehmen könne, um einen Beweisnotstand des Geschädigten zu vermeiden (s. o. § 3. E.).
B. Lösung I II. Umfang der Obligation I 2. Sorgfaltsverbindlichkeit
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c) Zusammenfassung Grundlage für die Beurteilung der Reichweite der Beweislastumkehr des § 1298 ABGB ist der Umfang der Obligation. Die normalen schuldrechtlichen Verbindlichkeiten sind Erfolgsverbindlichkeiten. Abweichung vom geschuldeten Erfolg, somit auch jede Schlechtleistung, ist Nichterfüllung. Der Verbindlichkeit zum Erfolg korrespondiert die Haftung für den Erfolg. Sie ergibt sich unmittelbar aus dem Schuldverhältnis. Diese strenge Erfolgshaftung würde zu unerträglichen Härten führen, daher bleibt dem Schuldner der Weg der Entlastung offen. Somit führt § 1298 ABGB zu einer durch Entlastbarkeit abgeschwächten Garantie für den geschuldeten Erfolg. Dies gilt sowohl für die Nicht- als auch für die Schlechtleistung. Das ABGB steht somit in Einklang mit den Art. 1147, 1148 Code civi1198, Art. 97 OR und Art. 74 EKG. Die §§ 282 und 285 BGB regeln die Schlechtleistung dagegen nicht. Bezüglich des vorläufigen oder endgültigen Ausbleibens der Hauptleistung, wohnt ihnen jedenfalls bei Erfolgsverbindlichkeiten derselbe Grundgedanke wie § 1298 ABGB inne. Die Lücke bezüglich der Schlechtleistung wäre jedenfalls bei Erfolgsverbindlichkeiten durch Analogie zu schließen. Das Beweisnotstandsargument trägt die Beweislastverteilung im Schuldverhältnis auch nicht subsidiär.
2. Sorgfaltsverbindlichkeiten a) Verbindlichkeiten zur Leistung Die Verbindlichkeit zu einer Leistung ist nach der Konzeption des ABGB in der Regel eine Erfolgsverbindlichkeit. Daneben gibt es jedoch auch Verbindlichkeiten zur Leistung, die sich in der Anwendung einer zielstrebenden Sorgfalt erschöpfen. Wir nennen sie Sorgfaltsverbindlichkeiten. Ein Arzt schuldet z. B. nur kunstgerechte, d. h. sorgfaltgemäße Behandlung (§ 1299 ABGB). Stirbt der Patient nach der Operation oder verschlechtert sich sein Zustand nach der ärztlichen Betreuung, so kann alleine deshalb noch von keiner Nichterfüllung der ärztlichen Verbindlichkeit gesprochen werden. Nichterfüllung ist erst die Verletzung der Regeln der ärztlichen Kunst, die sorgfaltswidrige Behandlung, wobei der Sorgfaltsmaßstab gemäß § 1299 ABGB entsprechend hoch anzusetzen istl 98a. Ähnlich wie der Arzt, wenn auch aus anderen Gründen199, schuldet auch ein Arbeitnehmer keinen Erfolg. Seine Schuld erfüllt er nur dann nicht, wenn der vom Arbeitgeber ert9s t9Ba 199
s. a. Art. 1281 Codice civile. s. im übrigen zur Arzthaftung § 20. C. s.o. bei FN 140.
172
§ 8.
Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
wartete Erfolg aufgrund mangelnder Sorgfalt nicht eingetreten istl 99a. In all diesen Fällen, in denen der Schuldner bloß ein Bemühen um den Erfolg schuldet, nicht aber den Erfolg selbst, in denen er also nur zu Fleiß und Aufmerksamkeit verbunden ist, kann von Nichterfüllung erst gesprochen werden, wenn er die zur Zielerreichung gebotene Sorgfalt außer acht gelassen hat. Wie unter 1. gezeigt, erklärt sich die Beweislast des Schuldners nach § 1298 ABGB aus der prinzipiellen Erfolgsverantwortung dessen, der eine Erfolgsverbindlichkeit eingegangen ist. Das Gesetz läßt ihn, um Härten zu vermeiden, aus dieser Erfolgsverantwortung einen Ausweg. Es handelt sich um eine durch Entlastbarkeit abgeschwächte Garantie für die eingegangene Verbindlichkeit. Die Möglichkeit einer Entlastung bedeutet bei Erfolgsverbindlichkeiten dem Schuldner gegenüber ein Entgegenkommen. Haftungsgrundlage ist der nicht eingetretene, aber geschuldete Erfolg, die Entlastung befreit von der prinzipiellen Verantwortung für den Erfolg. Bei bloßen Sorgfaltsverbindlichkeiten ist hingegen die Sorgfaltsverletzung Haftungsgrundlage: diese ist vom Gläubiger zu beweisen. Der der Beweislastverteilung des § 1298 ABGB zugrundeliegende Gedanke einer abgeschwächten Erfolgshaftung ist hier nicht verwertbar. Würde man bei bloßen Sorgfaltsverbindlichkeiten dem Schuldner die Beweislast für die Einhaltung der Sorgfalt auflasten, wenn ein Mißerfolg eingetreten ist, so führte dies zu einer Verantwortlichkeit, die über seine Verbindlichkeit hinaus ginge. Wie bei der "obligation de moyens" des französischen Rechts200 trifft daher den Gläubiger einer Sorgfaltsverbindlichkeit nach österreichischem Recht die Beweislast für die Sorgfaltsverletzung, wenn er einen Schadenersatzanspruch aus dem Vertrag wegen Nichterfüllung(= Sorgfaltsverletzung) geltend macht. Mehr als die Verletzung der nach einem objektiven Maßstab zu beurteilenden Sorgfalt hat der Ersatzkläger dabei jedoch nicht zu beweisen. Die subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt werden vermutet(§§ 1297, 1299 ABGB)200a . Wir werden uns im Laufe dieser Arbeit mit Sorgfaltsverbindlichkeiten noch eingehender auseinandersetzen (s. u. §§ 19, 20). Hier galt es nur die großen Linien aufzuzeigen. Bisher war von Verbindlichkeiten zur Leistung und der Haftung wegen Nichterfüllung dieser Verbindlichkeiten, zu der auch die Schlechtleistung zählt, die Rede. Nun wenden wir uns den Schutzpflichten zu.
a s. u. § 19.
199
200
Vgl. Ferid, Das Französische Zivilrecht I 409; Hans Stoll, Hippet-FS 540.
a s. u. C u. § 11.
200
B. Lösung I II. Umfang der Obligation I 2. Sorgfaltsverbindlichkeit
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b) Schutzpflichten aa) Allgemeines und Erfüllungsgehilfenhaftung Führt ein Arzt die Behandlung nicht kunstgerecht durch und verletzt er dadurch die Gesundheit oder tötet er den Patienten, so hat er die dem Vertrag entspringende Leistungspflicht verletzt. Die kunstwidrige, d. h. sorgfaltswidrige Behandlung (§ 1299 ABGB) ist Nichterfüllung der vertraglichen Leistungspflicht. Besteht hingegen eine Erfolgsverbindlichkeit, so ist die qualitätswidrige Leistung, die Schlechtleistung, die Leistung gegen die bedungene Weise, Nichterfüllung und der Gläubiger hat für die Folgeschäden wegen der Schlechtleistung zu haften, wenn er sich nicht entlasten kann. Neben diesen Hauptverbindlichkeiten zur Leistung gibt es auch Nebenverbindlichkeiten zur Leistung, die ihrer Natur nach der Hauptleistung entsprechen: Der gelieferte Automat ist an der Wand zu befestigen. Geschuldeter Erfolg ist die sichere Verankerung in der Mauer. Fällt der Automat wegen einer fehlerhaften Verankerung, d. h. eines Mangels dieses Werks, herunter und entstehen dadurch Schäden, so ist ebenfalls wegen Nichterfüllung der Leistungsverbindlichkeit zu haften. Nichterfüllung einer Leistungsverbindlichkeit ist es z. B. auch, wenn der Schuldner zur geleisteten Maschine eine fehlerhafte Gebrauchsanweisung liefert. All diese Verbindlichkeiten wurzeln im Vertrag, haben ihre Grundlage in der eingegangenen Obligation201 • Der Schadenersatzanspruch resultiert aus der Nichterfüllung der Verbindlichkeit zur Leistung. Bei der Abwicklung eines Vertragsverhältnisses kann es aber auch zu Schädigungen des Gläubigers kommen, die ihre Ursache nicht in diesem Sinne in der mangelnden Qualität der geschuldeten Leistung haben. Ein Maler bespritzt die Möbel, ein Schweißer verbrennt den Parkettboden. Beide schulden einerseits einen Leistungserfolg: die qualitativ einwandfreie Bemalung der Wände, das dichte Rohr. Andererseits haben sie darauf zu achten, die ihnen ausgesetzten Güter des Gläubigers nicht zu beeinträchtigen. Diese letztgenannte Pflicht ist aus der Verbindlichkeit zu einwandfreier Leistung nicht ableitbar. Genauer gesagt, handelt es sich nicht um eine einzelne, konkrete Pflicht, sondern um eine Summe von geforderten Verhaltensweisen, die sich aus der jeweiligen Situation ergeben. Diese Pflichten haben als solche keinen präzisen, von vornherein umschriebenen Inhalt. Montiert der Schuldner im Badezimmer einen Boiler, so muß er trachten, daß er die im Raum befindlichen Gegenstände, z. B. den Spiegel, nicht beschädigt. Kehrt er nach der eigentlichen Arbeit zusammen, so hat er z. B. Sorge zu tragen, daß er keine Vase umstößt und er beim Verlassen des Hauses mit der Leiter den Putz nicht abkratzt. Es geht also um die gehörige 201
s. a. Hans Stoll, Hippel-FS 525 ff.
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
Sorgfalt bezüglich der in den Wirkungsbereich des Schuldners gelangenden Güter des Gläubigers. Man kann, wenn man will, diese Sargfaltspflichten zum Unterschied von Leistungsverbindlichkeiten (seien es solche zum Erfolg oder zur Sorgfalt) als Schutzpflichten bezeichnen202. Für die uns hier interessierenden Fragen der Beweislastverteilung ist nur ausschlaggebend, daß es sich um Sorgfaltspflichten handelt und somit schon deshalb wie bei Leistungsverbindlichkeiten zur Sorgfalt die Anwendung des § 1298 ABGB, aus den ausführlich dargestellten Gründen, ausscheidet202a. Die dogmatische Einordnung derartiger Pflichten scheint bis jetzt noch nicht endgültig geklärt zu sein. Unbestritten ist jedenfalls, daß der Schuldner nach den Grundsätzen der Erfüllungsgehilfenhaftung einzustehn hat, wenn seine Gehilfen derartige Schäden in Zusammenhang mit der Vollziehung des gültig zustandegekommenen Vertrages anrichten203. Die Erfüllungsgehilfenhaftung ist in Wahrheit auch das Kernproblem bei der Verletzung derartiger Sorgfaltspflichten. Hätte der Schuldner selbst gehandelt, so hätte er in den genannten Fällen selbstverständlich aufgrund des Deliktsrechts zu haften, es bedürfte keiner besonderen Überlegung bezüglich der heranzuziehenden Haftungsgrundlage. Handelte ein Gehilfe, so ist auch dessen deliktische Haftung, was die heranzuziehenden Normen betrifft, verhältnismäßig unproblematisch. Von der Möglichkeit einer Schadensliquidierung her gesehen ist jedoch wirtschaftlich in erster Linie die Haftung des Geschäftsherrn interessant. Sie bietet keine Schwierigkeiten, wenn der 202 Wolff würde bei Verletzung derartiger Pflichten von Schädigungen anläßlich der Erfüllung sprechen, aber den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischer Schuldverhältnis und Schädigung bejahen (wie er dies genau versteht, erfahren wir nicht) und daher den Geschäftsherrn nach § 1313 a ABGB haften lassen (vgl. Klang I Wolff2 VI 89). Den Entlastungsbeweis würde er aber nicht dem Schuldner auferlegen, weil nur anläßlich der Erfüllung geschädigt wurde. (Klang I WolfP VI 47). Hier, nicht aber bei Schlechtleistung lehnt Wolff die Anwendung des§ 1298 ABGB ab (s.o.§ 2. A. II.). 202a Aus diesen Gründen ist auch den Ausführungen des OGH zur Beweislastverteilung in der E v. 6. 6. 1974, 7 Ob 72174, JBl. 1974, 573, nicht zu folgen: Wenn bei Sandstrahlarbeiten an Lagerböcken das an einem naheliegenden Parkplatz stehende Auto des Gläubigers bzw. eines seiner Bediensteten durch das Strahlgut beschädigt wird (Sandstrahlfall), so ist bloß eine Sorgfaltspflicht verletzt. Als Leistung wird nur geschuldet, daß die zu bearbeitende Oberfläche metallisch blank, d. h. zur späteren Auftragung von Korrosionsschutz geeignet wird. Würden infolge der fehlerhaften Bearbeitung Schäden auftreten, gäbe es Ersatz wegen Nichterfüllung der Erfolgsverbindlichkeit. Bezüglich der Nichtschädigung von Gütern des Gläubigers durch das Strahlgut bestehen hingegen nur Sorgfaltspflichten. - Im konkreten Fall war die Rechtsansicht des OGH ohne praktische Folgen, weil die Sorgfaltsverletzung aufgedeckt werden konnte. 203 Auf die Grenzfrage, für welche Schädigungen durch Gehilfen noch einzustehen ist und für welche nicht mehr, ist hier nicht näher einzugehen. Vgl. dazu Schlesinger, ZBl. 1926, 748; Armin Ehrenzweig, System2 II/1, 296; Max Wilburg, ZBl. 1930, 660; Klang I Wolff2 VI 88 f.
B. Lösung I li. Umfang der Obligation I 2. Sorgfaltsverbindlichkeit
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Gehilfe die erwähnten Sorgfaltspflichten innerhalb eines Vertrages verletzt. § 1313 a ABGB ist eindeutig auch auf solche Fälle zugeschnitten: "Wer einem anderen zur Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden ... der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient ...". Die Verbindlichkeit zu einer Leistung scheint damit Voraussetzung der Haftung nach § 1313 a ABGB zu sein204. Bei einer derart strengen Abgrenzung der Erfüllungsgehilfenhaftung zur Besorgungs(Verrichtungs)gehilfenhaftung käme man zu dem Ergebnis, daß bei nichtigen oder anfechtbaren Verträgen oder im vorvertragliehen Verhältnis der "Schuldner" für seine Gehilfen nicht nach § 1313 a ABGB einzustehen hätte. Man vgl. etwa folgende Fälle: 1. Der Gehilfe eines Innenarchitekten vermißt die umzugestaltende Wohnung nach Vertragsabschluß noch einmal und zerstört dabei durch Unachtsamkeit eine wertvolle Vase. 2. Der Architekt will ein Angebot erstellen, sein Gehilfe zerstört die Vase bei Vermessungsarbeiten vor Vertragsschluß. In einem Falle Erfüllungsgehilfenhaftung, im zweiten Fall nicht? Man hat sich in Deutschland längst mit Annahme eines vorvertragliehen Schuldverhältnisses beholfen205 . Auch in der Österreichischen Literatur bestehen derartige Tendenzen206. Geht man von einem vorvertragliehen gesetzlichen Schuldverhältnis aus, welches, grob gesprochen, den einen Teil verpflichtet, sich zu bemühen, die Güter des Partners nicht zu schädigen, so ist die Sorgfaltsverletzung Nichterfüllung dieser Verbindlichkeit. Hat man sich eines Gehilfen zur Erfüllung dieses Schuldverhältnisses bedient, dann greift die Erfüllungsgehilfenhaftung Platz. Diese Gedankengänge stecken hinter der Konstruktion derartiger Schuldverhältnisse. Man wird freilich den Verdacht nicht los, daß es sich hier um begriffsjuristische Lösungen handelt: Da sich die Erfüllungsgehilfenhaftung auf Schuldverhältnisse bezieht, formt man neue Schuldverhältnisse, um die Regeln über die Erfüllungsgehilfenhaftung anwenden zu können. Sollte nicht vielmehr die Lösung aus dem Wesen der Erfüllungsgehilfenhaftung gewonnen werden? Hinter dem Wortlaut der Normen der Erfüllungsgehilfenhaftung steckt u . E. der Gedanke, daß derjenige, der sich anderen gegenüber zur Verfolgung seiner Interessen207 HUfspersonen bedient, für diese einstehen soll, wie wenn er 204 Der OGH steht auch nach wie vor auf diesem Standpunkt: s. Judikat 50 - SZ 181150. - Vgl. auch SZ 281135, EvBl. 1958119 und EvBl. 19741109, wo der OGH bei Schädigungen bei Betreten, bei Verlassen eines Geschäftslokals oder im Geschäftslokal infolge eines verkehrswidrigen Zustandes - m. E. zu Unrecht- die Erfüllungsgehilfenhaftung ablehnt. - s. a. § 19 FN 34. 2os Vgl. die bei Frotz, Gschnitzer-GedS 163 ff., angeführte Literatur. 208 s. insbesondere Welser, Vertretung 73 ff., ders., ÖJZ 1973, 281 ff.; Koziol I Welser 3 I 153. 207 Wo das Gesetz jemanden in ein Schuldverhältnis zwingt, legt es ihm selbstverständlich dieselben Pflichten auf, wie wenn er dieses Geschäft frei-
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§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
selbst aufgetreten wäre. Am klarsten zeigt sich diese Interessenlage dort, wo jemand zur Leistungsbewirkung einen anderen einsetzt. Diese Interessenlage ist aber u. E. auch dann gegeben, wenn jemand mit anderen einen geschäftlichen Kontakt anbahnt und dabei Sorgfaltspflichten verletzt werden (vgl. das obige Architektenbeispiel). Dies alles bedürfte einer genaueren Untersuchung, die nicht zum eigentlichen Thema der vorliegenden Arbeit gehört. Es sollte hier nur angedeutet werden, daß die in Frage stehenden Sorgfaltspflichten nicht nur ihre Wurzeln im Deliktsrecht haben208 , sondern möglicherweise nichts anderes als deliktische Pflichten sind, auf die wegen der Interessenverfolgung des Geschäftsherrn gegenüber bestimmten Personen die Vorschriften über die Erfüllungsgehilfenhaftung sinngemäß anzuwenden sind208 • bb) Nichtige Verträge Zu den klassischen Fällen der culpa in contrahendo zählen jene der Haftung für unrichtige Erklärungen (§§ 874, 878, 866 ABGB). Darüber hinaus werden dazu- wie mit dem obigen Architektenbeispiel angedeutet - auch Sachverhalte gerechnet, in denen jemand einen anderen im Zusammenhang mit der geschäftlichen Kontaktaufnahme durch sonstige Sorgfaltsverstöße schädigt209 a. Geht man nun davon aus, daß bereits im vorvertragliehen Bereich Schutzpflichten bestehen, die über die klassischen Fälle der culpa in contrahendo hinausgehen, so müssen Schutzpflichten grundsätzlich in demselben Ausmaße auch dann wirken, wenn ein Vertrag nichtig ist oder angefochten wurde. Die Erfüllungsgehilfenhaftung muß daher auch dann Platz greifen210 • Im Gegensatz zu den Schutzpflichten stehen und fallen die Verbindlichkeiten zur Leistung mit dem Vertrag. Wir haben gezeigt, daß eine qualitativ einwandfreie Leistung zum Schuldinhalt gehört, fehlerfreie Leistung Nichterfüllung ist und die aus dem Mangel des Geleisteten resultierenden Schäden solche aus der vertraglichen Verbindlichkeit sind. Ist der Vertrag nichtig, so können naturgemäß keine Schadenwillig übernommen hätte. Er kann sich nicht durch Gehilfeneinsatz der Folgen der Nichterfüllung teilweise entledigen. 208 s. a. Hans StolZ, Hippel-FS 527 f. 209 Auch die klassischen Fälle der culpa in contrahendo, die Fälle der Erklärungshaftung (§§ 874, 878, 866 ABGB) dürften nichts anderes als die Verletzung deliktischer Pflichten sein, für die die Vorschriften der Erfüllungsgehilfenhaftung sinngemäß gelten. 20Da Vgl. die in§ 4 FN 29 angeführte Literatur. 2to Vielleicht sind bezüglich der Erfüllungsgehilfenhaftung Ausnahmen zu machen, wenn der Geschäftsherr beim Vertragsschluß bedroht oder getäuscht wurde. Dies führte allerdings bei wörtlicher Auslegung des § 4 DNHG zur Konsequenz, daß der Dienstnehmer, der auf Grund deliktischer Vorschriften belangt wird, gegenüber dem Dienstgeber kein Rückgriffsrecht hätte, weil der Dienstgeber dem Dritten nicht haftet.
B. Lösung I II. Umfang der Obligation I 2. Sorgfaltsverbindlichkeit
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ersatzansprüche aus dem Titel einer Erfolgsverbindlichkeit zu einwandfreier Leistung abgeleitet werden. Dies bedeutet aber noch lange nicht, daß der Geschädigte überhaupt keme Schadenersatzansprüche gegenüber seinem Geschäftspartner hat, insbesondere auch nicht, daß dieser für seine Leute nur nach den Grundsätzen der Besorgungsgehilfenhaftung einzustehen hat. Wenn im vertraglichen Verhältnis Schutzpflichten bestehen, die sich nicht als Inhalt der geschuldeten Leistung ansehen lassen und wenn der Geschäftsherr sogar im vorvertragliehen Verhältnis für die Sorgfaltsverletzung seiner Gehilfen nach § 1313 a ABGB einzustehen hat, dann hat er auch in einem bestimmten Umfang für deren Sorgfaltsverletzung zu haften, wenn diese hinter der fehlerhaften, schädigenden Leistung steht. Mit anderen Worten: Wurde fehlerhaft geleistet, so ist für den entstandenen Schaden für jene Sorgfalt einzustehen, die den Schutzpflichten zur Nichtbeeinträchtigung der Güter des Geschäftspartners zu eigen ist. Grundlage der Haftung ist in diesen Fällen die Sorgfaltsverletzung. Diese hat der Geschädigte zu beweisen. Gehen Pferde an vergiftetem Mais ein, so trägt bei einem nichtigen Vertrag der Geschädigte die Beweislast für die Sorgfaltsverletzung. Bei gültigem Vertrag genügte der Beweis, daß vergifteter Mais geliefert, die Erfolgsverbindlichkeit nicht erfüllt wurde. Der Schuldner hat dann den Schaden zu ersetzen, wenn er sich nicht entlastet. Ist die Erfolgsverbindlichkeit nicht wirksam entstanden oder wegen Mängeln in der Wurzel vernichtet worden, gibt es naturgemäß keinen Grund, den "Schuldner" prinzipiell für den Erfolg einstehen zu lassen. In Frage kommt nur ein Schadenersatzanspruch aufgrund einer Sorgfaltsverletzung. Dabei wird es nicht immer leicht sein, bei nichtigen Verträgen das Maß der zur prästierenden Sorgfalt zu ermitteln. Man denke etwa an das Ausmaß der Sorgfaltspflichten eines Verwahrers bei einem nichtigen Vertrag. Auch wird es nicht immer einfach sein, dort wo Gegenstand der Leistung bloß ein sorgfältiges Bemühen ist, die Intensität der zu prästierenden Sorgfalt bei ungültigen Verträgen zu bestimmen. Der Arzt, der einen Kunstfehler begeht, wird auch bei einem nichtigen Vertrag, ähnlich wie bei erster Hilfe, für die Kunstkenntnisse einzustehen haben. Diesen Fragen ist hier nicht näher nachzugehen. Für uns ist bloß entscheidend, daß nur Sorgfaltsverletzungen als Haftungsgrundlage in Frage kommen und daher § 1298 ABGB nicht heranzuziehen ist. Gleichzeitig sollte das Ausgeführte auch verdeutlichen, daß sich bei einem Gehilfeneinsatz der Anwendungsbereich des § 1298 ABGB und der des § 1313 a ABGB durchaus .nicht immer deckt. § 1298 ABGB ist bei Erfolgsverbindlichkeiten anzuwenden, § 1313 a ABGB auch bei vertraglichen Sorgfaltsverbindlichkeiten und u. E. überall dort, wo sich jemand in Verfolgung seiner Interessen anderen gegenüber einer Hilfsperson bedient. 12 Reisehauer
178
§ 8. Der Entlastungsbeweis im Schuldverhältnis
In der Österreichischen Literatur wird in Zusammenhang mit der Schädigung von Gläubigern häufig von Erhaltungspflichten des Schuldners gesprochen211• Dieser Terminus ist ungenau und irreführend. Der Schuldner hat keine allgemeine vertragliche Verbindlichkeit, die Güter des Gläubigers zu erhalten. Er müßte sie- wie etwa im Verwahrungsvertrag - eigens übernommen haben. Ihm obliegt nur die Verbindlichkeit zu einwandfreier Leistung, die als Erfolgs- oder Sorgfaltsverbindlichkeit unter anderem den Inhalt hat, nicht durch fehlerhafte Leistungen zu schädigen. Daneben besteht eine Reihe von Schutzpflichten, die entgegen dem Ausdruck "Erhaltungspflichten" nicht den positiven Aspekt haben, die Güter des Gläubigers zu "erhalten", sondern bloß den negativen, Sorgfalt aufzuwenden, um sie nicht zu beeinträchtigen212. c) § 1298 ABGB und die subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt Bei Sorgfaltsverbindlichkeiten zur Leistung und bei bloßen Schutzpflichten ist der Inhalt der Pflicht unabhängig von der persönlichen Fähigkeit des Schuldners. Es gilt ein objektiver Maßstab. Für eine Beweislast des Schuldners bleibt daher, wenn die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt erwiesen ist, noch insoferne. Raum, als die Frage der persönlichen Fähigkeit zur geschuldeten Sorgfalt strittig ist (z. B. Schwächeanfall eines Arztes während der Operation). Ist bezüglich der persönlichen Fähigkeit zur Einhaltung der objektiv geforderten Sorgfalt § 1298 ABGB nach folgender Proportion anzuwenden: Bedeutet Erfolgsverbindlichkeit Erfolgshaftung, soferne sich der Schuldner nicht entlastet (Beweis der gehörigen Sorgfalt oder Entschuldigung i. e. S. wegen deren Nichtanwendung), so bedeutet Sorgfaltsverbindlichkeit Sorgfaltshaftung, wenn sich der Schuldner nicht aus zu berücksichtigenden subjektiven Gründen entlasten kann? Gegen eine derartige Anwendung des § 1298 ABGB wäre von seinem Sinne her nichts zu sagen. § 1298 ABGB würde aber überflüssigerweise m Vgl. Schlesinger, ZBl. 1926, 744 ff.; Klang I Pisko1 III2, 456 ff.; Klang I Gschnitzer2 IV/1, 473 f. 212 Zum BGB lehren Canaris (JZ 1965, 475 ff.) und Thiele (JZ 1967, 650 ff.vgl. auch Gerhardt, JZ 1970, 535 ff. u . JuS 1970, 597 ff.), daß ein einheitliches,
positive Forderungsverletzung und culpa in contrahendo, umfassendes gesetzliches Schuldverhältnis bestehe. Wir haben gezeigt, daß die Schlechtleistung als Vertragsverletzung zu ahnden ist und daß, falls von der Geltung des Vertrages unabhängige Schutzpflichten bestehen, für deren Verletzung der Geschäftsherr nach den Grundsätzen der Erfüllungsgehilfenhaftung einzustehen hat, das Maß dieser Pflichten auch bei Sorgfaltsverletzung im Zusammenhang mit nichtigen Verträgen anzulegen ist. D. h. der "Gläubiger" bleibt bei einem nichtigen Vertrag nicht schutzlos, es stehen ihm aber nicht die umfassenderen Rechte aus dem Vertrag zu.
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strapaziert, weil - wie noch zu zeigen ist213 - die subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt, allgemein - d. h. auch im Deliktsrecht - schon von den §§ 1297 und 1299 ABGB unterstellt werden. Was diesbezüglich § 1298 ABGB bringen könnte, geben schon die erwähnten Normen. Eine Entlastung nach § 1298 ABGB ist freilich auch dann möglich, wenn rechtmäßiges Verhalten, die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt, unzumutbar war. Diesbezüglich fehlt in § 1297 ABGB eine Aussage. Es ist aber allgemein als Grundsatz der Rechtsordnung anzunehmen, daß rechtmäßiges Verhalten zurnutbar ist. Für die Ausnahme trifft daher immer den Belangten die Beweislast.
213
12*
s. u. § 11.
§ 9. § 1298 ABGB im au&ervertraglichen Bereich A. § 1298 ABGB und das Deliktsrecht Die Ausführungen zum Rechtswidrigkeitsbegriff der §§ 1294 ff. ABGB haben gezeigt, daß das ABGB unter Rechtswidrigkeit die Gefährdung oder Verletzung eines bestehenden Rechts durch jemanden versteht, dem kein Recht zum Eingriff zusteht. Insoferneist die Rechtswidrigkeit i. S. der angeführten Gesetzesstellen als Erfolgsunrecht qualifiziert. Der Verschuldeosbegriff des ABGB umfaßt hingegen auch Elemente, die nach modernen Auffassungen von der Rechtswidrigkeit als Teil des Unrechtstatbestandes zu qualifizieren sind: Außerachtlassung des gehörigen Fleißes, der gehörigen Aufmerksamkeit, d. h. der gebotenen Sorgfaltl. Wir haben bei der Erläuterung der ratio des § 1298 ABGB1a gezeigt, daß sich der Schuldner einer Erfolgsverbindlichkeit zu entlasten hat, weil einer Erfolgsverbindlichkeit im Prinzip eine Erfolgshaftung entspricht. Das Gesetz kommt dem Schuldner aber entgegen und gewährt ihm aus wichtigen Gründen die Möglichkeit einer Entlastung. Müßte diese aus der Erfolgsverbindlichkeit abzuleitende Beweislastverteilung nicht auch im Deliktsrecht gelten, weil die §§ 1294 ABGB ff. mit ihrem Rechtswidrigkeitsbegriff von einem Erfolgsunrecht ausgehen? Entsinnen wir uns der Tatsache, daß der Rechtswidrigkeitsbegriff des § 1294 ABGB im Hinblick auf Personen eingeführt wurde, denen man eine willkürliche Steuerung des Verhaltens absprach, nämlich den Zurechnungsunfähigenl, so muß aus historischer Sicht eine Gleichstellung von Erfolgsunrecht und Erfolgsverbindlichkeit in Zusammenhang mit§ 1294 ABGB von vornherein ausscheiden. Da das Rechtswidrigkeitsurteil bloß von einem fehlenden Eingriffsrecht - einem Negativum also - ausgeht!, ergibt sich daraus noch keine - auch im Deliktsrecht durchaus mögliche1b - positive Verbindlichkeit zum Erfolg, genauer zur Verhinderung von schädlichen Erfolgen. Das eine ist eben gerade nicht die Kehrseite des anderen. Fehlende positive Befugnis zur Schädigung inkludiert nicht die Erfolgsverbindlichkeit, den Schaden zu vermeiden. Der Erfolgsunrechts1
s.o.§ 7. B.
la S. 0. 1b
§ 8.
s. o. § 7. A.
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begriff des ABGB dient demgemäß auch nicht zur Bestimmung des objektiven Elements der allgemeinen Schadenersatzpflicht, sondern z. B. als Anknüpfungspunkt für die Notwehr, für die Billigkeitshaftung nach der Tragfähigkeit und als Leitbild für das geforderte sorgfältige Verhalten. Im Deliktsrecht ist man aber grundsätzlich nur zu sorgfältigem Verhalten verpflichtet. Die Parallele zum Vertragsrecht, wo Verbindlichkeiten um gewisser Erfolge willen als Erfolgsverbindlichkeiten eingegangen werden, fehlt im Deliktsrecht vollkommen. Begriffe man - und dazu fehlt in den Quellen zum ABGB jeder Anhaltspunkt - das Erfolgsunrecht i. S. der §§ 1294 ff. ABGB als Erfolgsverbindlichkeit zur Vermeidung von Schäden, so hätte sich in der Tat der Schädiger zu entlasten. Eine derartige Deutung des Erfolgsunrechts i. S. des ABGB wäre aber schon mit § 1296 ABGB nicht zu vereinbaren2 , weil dann diese Norm ihren Anwendungsbereich praktisch vollkommen verlöre. Eine derartige Auffassung vertrüge sich aber auch mit den Beweislastregeln der §§ 1319 und 1320 ABGB (Gebäude- und Tierhalterhaftung) nicht. Diese Vorschriften wären für das Österreichische Recht überflüssig, wenn auch im Deliktsrecht grundsätzlich für Erfolge bzw. Mißerfolge einzustehen wäre. Zur Rechtfertigung des § 1319 ABGB ließe sich vielleicht noch ins Treffen führen, daß "alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt" mehr als die ansonsten zur prästierende Sorgfalt sei3 und daß man in dieser Norm dann nicht nur diese Sorgfaltsanforderungen festlegen, sondern gleichzeitig auch die Beweisregeln des § 1298 ABGB wiederholen wollte. Allein, die Materialien zur 3. Teilnovelle betonen ausdrücklich, daß es sich in der entscheidenden Wendung um eine Ausnahme handelt4 und nicht um eine Wiederholung der Vorschrift des§ 1298 ABGB. In § 1320 ABGB fehlt jeglicher Anhaltspunkt, der auf einen besonderen Sorgfaltsmaßstab hindeuten könnte und dadurch die Vorschrift bei allgemeiner Ähnlichkeit des § 1298 ABGB sinnvoll erscheinen ließe. § 1320 a. F. ABGB hielt die Beweislast des Geschädigten ausdrücklich fest5 • Damit sollte nicht etwa eine Ausnahme von§ 1298 ABGB geschaffen werden. Es handelte sich bloß um eine überflüssige kasuistische Wiederholung der Aussage des § 1296 ABGB, was sich schon daraus ergibt, daß die §§ 1296 und 1320 a. F. ABGB dem Urentwurf entnommen sind (III, 13, §§ 453 und 457), dem eine dem § 1298 ABGB vergleichbare Bestimmung fehlt. In der Kommissionssitzung vom 19. Mai 1806 wurde s. a. § 3. E. D. und § 7 FN 61. Eine Frage, der hier nicht näher nachgegangen werden soll. - Vgl. Armin Ehrenzweig, System2 II/1, 682; Klang I Wolff 2 VI 108; Koziol, Haftpflichtrecht I 144 und 271. - s. a. § 5 FN 12. 2
3
4
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3. TN-Materialien 393. Eine dem § 1319 ABGB parallele Bestimmung fehlte -
s. o. § 5 FN 1.
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§ 9. § 1298 ABGB im außervertraglichen Bereich
in Anlehnung und zur Verdeutlichung des § 453 Urentwurf der heutige Wortlaut des § 1296 ABGB festgelegt8 und in eben derselben Sitzung7 wurde auch § 1320 ABGB in seinem ursprünglich geltenden Wortlaut beschlossen. § 1298 ABGB stand zum ersten und zum letztenmal in der Sitzung vom 3. Dezember 1807, also anderthalb Jahre später zur Debattes. § 1320 a. F. ABGB kann also aus der Sicht der Redaktoren nicht als Ausnahme von § 1298 ABGB, sondern nur als Wiederholung der Regel des§ 1296 ABGB verstanden worden sein9 • Vor die Wahl gestellt, eine "unbedingte Erfolgshaftung" 10 des Tierhalters einzuführen oder diesem einen Entlastungsbeweis aufzubürden, wenn eines seiner Tiere schädigt, entschlossen sich die Verfasser der 3. Teilnovelle für das letztere, weil sich die vorübergehend in Deutschland eingeführte unbedingte Erfolgshaftung nicht bewährt habe und die Judikatur bei einer Beweislastumkehr die Idee der Gefährdehaftung11 nicht überspannen werde. Sie eliminierten nicht einfach den letzten Satz des § 1320 a. F. ABGB, der die Beweislast des Geschädigten festhieJt1 2 , denn es war ihnen klar, daß damit noch keineswegs die Beweislastregel des § 1298 ABGB eingreifen würde. Ihnen war selbstverständlich, daß sich § 1298 ABGB nur auf schon bestehende Obligationen bezog13 • Jede, an der Auffassung der Redaktoren der 3. Teilnovelle vorbeigehende Interpretation des Anwendungsbereiches des § 1298 ABGB müßte auch die durch die 3. Teilnovelle in den §§ 1319 und 1320 ABGB vorgenommene Beweislastverteilung sinnlos erscheinen lassen. Verbindlichkeiten gegenüber der Allgemeinheit sind keine Erfolgsverbindlichkeiten, § 1298 ABGB ist auf sie nicht anzuwenden. Im Schuldverhältnis wird grundsätzlich ein Erfolg geschuldet, daher grundsätzlich auch für den Erfolg gehaftet. Deshalb obliegt dem Schuldner die Entlastung. Die deliktische Haftung baut hingegen auf Sorgfaltsverletzungen auf. Die prinzipielle Erfolgshaftung ist Ausnahme und typisch für die VerOfner, Protokolle li 196. Ofner, Protokolle li 192. 8 Ofner, Protokolle li 439. • Wenn sich Zeiller in seinem Commentar III/2, 751 in Zusammenhang mit § 1320 a. F . ABGB auf die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB beruft, so tut er dies gegen den eindeutigen Wortlaut des § 1320 a. F. ABGB. Dieser 8
7
lautete: "Wird jemand durch ein Thier beschädiget; so ist derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt, oder zu verwahren vernachlässiget hat. Kann niemand eines Verschuldens dieser Art überwiesen werden; so wird die Beschädigung für einen Zufall gehalten." 1o 3. TN-Materialien 395 f . - s. a. § 5. A. 11 3. TN-Materialien 396.- s. a. § 5. A. n Zum ursprünglichen Gesetzestext s. FN 9. 13 s. 3. TN-Materialien 347; vgl. auch die Ausführungen Scheys (s.o. § 8. nach FN 146 und § 3. F.). s. a. 3. TN-Mat erialien 393, wo die Beweisregel des § 1319 ABGB ausdrücklich als Ausnahme von§ 1296 ABGB bezeichnet wird.
A. § 1298 ABGB und das Deliktsrecht
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antwortung für gefährliche Sachen14• Ansonsten ergeben sich im Deliktsrecht für eine Beweislastumkehr keine generellen Anhaltspunkte. Aus all diesen Gründen sind jene Entscheidungen des OGH abzulehnen, in denen er anknüpfend an eine im Gesetz konkreter bestimmte Pflicht gegenüber der Allgemeinheit, die Beweislast nach § 1298 ABGB verteilt. Es handelt sich dabei ohnedies nur um Ausnahmefälle in der Rechtsprechung des OGH, der ansonsten § 1298 ABGB richtigerweise nur auf Schuldverhältnisse bezieht. Derartige ausnahmsweise Anwendung des § 1298 ABGB im Deliktsrecht finden wir bei mangelhafter Reinigung bzw. Bestreuung eines Gehsteiges15 und scheinbar auch bei Schadenersatzbegehren gegen Aufsichtspflichtige16 (§ 1309 ABGB). Bei der Schädigung durch einen zu Beaufsichtigenden läßt der OGH allerdings den Beweis der Verletzung durch den zu Beaufsichtigenden nicht genügen (so die Regelung des § 832 BGB), sondern verlangt richtigerweise den Beweis der Verletzung der Aufsichtspflicht, d. h. den der Sorgfaltsverletzung18a. Gerade den Beweis der Sorgfaltsverletzung (des gehörigen Fleißes, der gehörigen Aufmerksamkeit) erspart aber § 1298 ABGB innerhalb seines Anwendungsbereiches. Die subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt wiederum setzen bereits die §§ 1297 und 1299 ABGB voraus18b. Daher ist das Ergebnis zwar richtig, die Berufung auf § 1298 ABGB aber verfehlt. Praktisch war sie ohne Bedeutungtea. Auch im Ergebnis ist aber die Behandlung der Gehsteigsäuberungsund Streupflicht falsch. Der OGH läßt den Beweis des verkehrswidrigen Zustandes, der zum Unfall führte, genügen. Das Nichtgestreutsein, das Ausbleiben eines Erfolges, wird zur Grundlage der Beweislast des Streupflichtigen genommen, ihm damit bereits der Beweis der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt aufgeladen. Diese Beweislastverteilung entbehrt jeglicher Berechtigung. Es liegt weder eine schuldrechtliche Erfolgsverbindlichkeit vor, noch hat der Gesetzgeber eine Art Gefährdungshaftung wie in den §§ 1319, 1320 ABGB eingeführt. Auf dem Umwege über § 1298 ABGB darf aber im Deliktsrecht keine den §§ 1319 und 1320 ABGB entsprechende Haftung statuiert werden17• Die Gehs. zur Qefährdungshaftung § 5. A. E. D. Vgl. GlUNF 6.193 = JBl. 1913, 57; JBI. 1972, 324 (325). 18 JBI. 1962, 263 = EvBl. 1962/5 = SZ 34/137 = EFSlg. 1.932; EFSlg. 4.695. s. a. § 5 FN 52. 14
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18a
s. o. § 5. C.
s. u. § 11. A. B. 17 s. a. 3. TN-Materialien 377 f., wo klar erkannt wird, daß in einer derartigen Beweislastverteilung eine Erfolgshaftung steckt, und daher das Ansinnen Hanauseks abgelehnt wird, den § 1296 ABGB zu streichen und es dem Richter zu überlassen, je nach Lage des Falles die Beweislast zu verteilen (s. o. § 3. E.). - Daß es sich bei den angeführten Pflichten nicht um 18b
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§ 9. § 1298 ABGB im außervertraglichen Bereich
steigstreu- und Säuberungspflicht nach § 93 Abs. 1 StVO ist Sorgfaltspflicht gegenüber der Allgemeinheit. Der Geschädigte hat daher zu beweisen, daß der verkehrswidrige Zustand auf einer Sorgfaltsverletzung beruht18 • Während der OGH dem Hausbesitzer den Entlastungsbeweis schon dann aufbürdet, wenn der Geschädigte beweist, daß er auf dem Glatteis ausgerutscht ist - gegen einen prima-facie-Beweis wäre nichts einzuwenden- läßt er z. B. bei Schädigungen durch vom Dach herabstürzende Eis- oder Schneemassen den Beweis derartiger Ereignisse nicht genügen19• Im Anschluß an§ 93 Abs. 2 StVO hält er fest, daß keine Verpflichtung des Hauseigentümers bestehe, das Herabstürzen von Schnee- oder Eisansammlungen zu verhindern, es bestehe nur eine, geeignete Vorkehrungen zu treffen20 • - § 93 Abs. 2 StVO spricht gesetzliche Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB handelt, wird weiter unten gezeigt. 18 Dies wird i. d. R. auch nicht besonders schwierig sein. Aus dem Zustand des Gehsteiges, dem Zeitpunkt des Unfalles und der Witterung werden sich Rückschlüsse auf eine Sorgfaltsverletzung ziehen lassen. Da Gehsteigsreinigung bzw. Streuung mit keinem besonderen Erfolgsrisiko belastet ist, wird man häufig prima facie eine Sorgfaltsverletzung ableiten können, jedenfalls bei Schneeglätte oder Eis. Bei Verunreinigung des Gehsteiges (weggeworfene Bananenschalen etc.) wird es schon schwieriger sein, eine Sorgfaltsverletzung des Reinigungspflichtigen nachzuweisen. Hier wäre aber auch ein Entlastungsbeweis nicht sehr einfach. Dem Anrainer eines Gehsteiges aber eine prinzipielle Erfolgshaftung für Schäden aufzulasten, die infolge Straßenverunreinigung durch fremde Personen verursacht wurden, geht wohl entschieden zu weit. Man bedenke, daß der Erhalter von Bundesstraßen für die Folgen eines verkehrswidrigen Zustandes der Straße nur haftet, wenn ihm der Geschädigte grobe Fahrlässigkeit nachweist (§ 5 BStG BGBI. 1971/286). 19 OGH 28. 3. 1973, 7 Ob 41/73, EvBl. 1973/176. 20 In der zur Debatte stehenden Entscheidung (EvBl. 1973/176) prüft der OGH in Zusammenhang mit § 93 Abs. 2 StVO, ob die nach § 1297 ABGB gebotene Sorgfalt eingehalten wurde. Da er ansonsten in Zusammenhang mit Schutzgesetzen § 1298 ABGB heranzieht, führt er im vorliegenden Fall für seine Beweislastverteilung an, daß hier keine konkrete Schutznorm verletzt sei. - Ich vermag keinen Unterschied in der Konkretisierung der Sorgfaltspflicht nach Abs. 1 und 2 des § 93 StVO erblicken. Im 1. Fall hat man sich zu bemühen, Schädigungen durch Glatteis etc. zu vermeiden; im zweiten Fall muß man sich bemühen, Schädigungen durch herabstürzende Schnee- oder Eismassen zu vermeiden; und im allgemeinen muß man sich bemühen, andere nicht zu schädigen. Eine Differenzierung der Beweistastverteilung je nach dem in der Norm vor~enommenen Grad der Konkretisierung der aufzuwendenden Sorgfalt ist willkürlich (s. o. § 3. E.). Insgeheim denkt der OGH im vorliegenden Fall aber doch wohl an eine Anwendung des § 1298 ABGB. Er meint, aus der besonderen Steilheit des Daches hätte sich ergeben, daß besondere Vorkehrungen zu treffen waren. Es stehe aber auch fest, "daß der Bekl. gegen die Dachlawinengefahr Maßnahmen getroffen hat, indem er das Dach mit Schneehaken ausrüsten ließ. Somit kann von einer Nichterfüllung der in Frage stehenden gesetzlichen Pflicht des Beklagten nicht gesprochen werden, weshalb § 1298 ABGB außer Betracht zu bleiben hat", weil seine Anwendung nur für Nichterfüllung, nicht aber für Schlechterfüllung gelte. - Daß Nichterfüllung und Schlechterfüllung keine Abgrenzungskriterien für die Beweislastverteilung
A. § 1298 ABGB und das Deliktsrecht
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wie § 93 Abs. 1 StVO nur davon, daß der Hauseigentümer Sorgfaltsmaßnahmen zu treffen hat (vgl.: "Die Eigentümer ... haben zu sorgen"). Dennoch hat bei Verletzung durch Schneelawinen der Besitzer des Gebäudes im Ergebnis den Beweis der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu führen. Allerdings nicht aufgrunddes § 93 Abs. 2 StVO und schon gar nicht aufgrund des § 1298 ABGB. Dachlawinen zählen zu den typischen Gefahren des Hauses21, daher trägt dessen Besitzer nach § 1319 ABGB die Beweislast, wenn feststeht, daß jemand durch eine von einem bestimmten Haus abgehende Dachlawine verletzt wurde. Wie hier, ist auch sonst für die Gefahren eines Werks prinzipiell zu haften. Selbst Baugruben sind Werke im Sinne des § 1319 ABGB und daher ist die Beweislastverteilung des § 1319 ABGB bezüglich der mit diesen verbundenen Gefahren heranzuziehen. Das hat der OGH in einer erheblichen Anzahl von Entscheidungen richtig erkannt22 • Der Besitzer des Werks hat zu beweisen, daß er die gehörigen Sorgfaltsmaßnahmen getroffen hat, z. B. die Grube entsprechend abgesichert hat, sie mit sind, wurde bereits im Schuldverhältnis ausführlich gezeigt (s. o. § 8). Falls man bei deliktischen Pflichten von Erfüllung oder Nichterfüllung sprechen will, so ist eine Unterscheidung zur Schlechterfüllung ebenfalls unbrauchbar. Das Nichtanbringen eines Schneerechens, den man anbringen konnte und sollte, ist Sorgfaltsverletzung genauso wie das Anbringen oder Belassen eines mangelhaften Schneerechens, dessen Mangelhaftigkeit man kannte oder kennen mußte. Mehr als die gehörige Sorgfalt legen die deliktischen Vorschriften der StVO nicht auf. Der OGH scheint von folgender Überlegung auszugehen: Wenn man bei gehöriger Sorgfalt zur Auffassung gelangen mußte, daß ein Schneerechen zu montieren ist, dann ist das Nichtmontieren Unterlassen, die Unterlassung Nichterfüllung und daher § 1298 ABGB anzuwenden. Aber abgesehen davon, daß § 1298 ABGB im Deliktsrecht überhaupt nicht anzuwenden ist, kann auch die Überlegung bezüglich der Unterlassung nicht überzeugen. Das Gebot der StVO ist ein Sorgfaltsgebot. Unterlassen der Pflichterfüllung bedeutet daher Sorgfaltswidrigkeit und nicht Ausbleiben eines Erfolges. In Wahrheit ist das Nichtvorhandensein eines Rechens ein (Miß)erfolg, allerdings einer, aus dem sich zwangslos auf eine Sorgfaltsverletzung schließen läßt, weil es normalerweise keine Schwierigkeiten bereitet, einen einwandfreien Rechen montieren zu lassen. Ein Mißerfolg ist auch die Montage eines fehlerhaften Rechens. Diesbezüglich wäre der Sorgfaltsverletzungsbeweis schon sch,verer zu führen. Er ist aber in Wirklichkeit in beiden Fällen nicht zu führen, weil die Beweislastverteilung des§ 1319 ABGB Platz greift (s.o. im Text). :t Zum selben Ergebnis gelangen: Gschnitzer, Schuldrecht. Besonderer Teil 183; Ostheim JBl. 1973, 578 (Urteilsbesprechung) und Jabornegg, ZVR 1974, 321 ff. - Unzutreffend ist es, wenn der OGH im nachbarrechtlichen Bereich Schadenersatz unter dem Gesichtspunkt der Immissionen zuspricht und den Gebäudebesitzer schlechthin für den Erfolg einstehen läßt. - Vgl. dazu Steininger, JBl. 1965, 419 ff. (Urteilsbesprechung); Rummel, JBI. 1967, 120 ff. sowie die eben angeführten Arbeiten Ostheims und Jaborneggs. Was der OGH im einen Fall zu wenig gibt, gibt er im anderen zuviel. tt 11. 7. 1956, 2 Ob/160, EvBI. 1957/19; 25. 10. 1967, 2 Ob 282/67, SZ 40/136 = RZ 1958, 53 = ZVR 1968/208; 9. 4. 1968, 8 Ob 82/68, SZ 41/42; 10. 12. 1969, 5 Ob 309/69, EvBI. 1970/224. Vgl. auch die Anwendung des § 1319 ABGB bezüglich der Gefahren einer Sand- und Schottergrube (VersRSch. 1961, 150), einer nicht abgedeckten Mistgrube (EvBI. 1961/526) etc.
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§ 9. § 1298 ABGB im außervertraglichen Bereich
Brettern überdeckt hat, deren Fehlerhaftigkeit nicht erkennbar war, usw. Mit§ 1298 ABGB, den der OGH- im Gegensatz zu seiner sonstigen Rechtsprechung zu Baugrubenunfällen - gelegentlich23 heranzog, hat dies alles nichts zu tun. Mit § 1298 ABGB ist auch folgender Fall nicht zu lösen: Ein PKW
wurde infolge eines Bremsmanövers gegen die Straßenmitte getragen
und stieß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammen24 • Das Höchstgericht meinte, der Lenker habe § 7 Abs. 2 StVO übertreten (§ 7 Abs. 2 StVO bestimmt, daß der Lenker, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, am rechten Fahrbahnrand zu fahren hat). Den Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot schloß das Gericht nicht etwa prima vista daraus, daß sich das Fahrzeug im Zeitpunkt des Verkehrsunfalles in der Straßenmitte befand. Daß es dorthin bloß infolge eines Bremsmanövers getragen wurde, stand ja fest. Nein, es sah im "Dortsein" selbst die Verletzung des § 7 Abs. 2 StVO. Das ist aber wohl unhaltbar. Die StVO enthält Gebote, sich in bestimmter Weise zu verhalten und Verbote, Bestimmtes nicht zu tun: Man soll geradeaus fahren, nicht links abbiegen, auf Sicht fahren, nicht überholen, der Verkehrssituation angepaßt fahren usw. Diese spezifisch genormten Tätigkeiten sind nichts anderes als eine besondere Ausformung des allgemeinen Sorgfaltsgebotes, sich so zu verhalten, daß andere nicht geschädigt werden24a.. Wenn nun
zs OGH 26. 2. 1960, 2 Ob 36/60, ZVR 1960/195. - Derselbe Senat nahm sowohl vor dieser Entscheidung als auch später in solchen Fällen eine Beweislastverteilung nach § 1319 ABGB vor (s. FN 22). In ZVR 1960/195 setzt er sich damit nicht auseinander. - Vielleicht war der beklagte Baumeister im konkreten Fall nicht als Besitzer des Bauwerks i. S. des § 1319 ABGB anzusehen. Dies kann nach dem veröffentlichten Sachverhalt nicht beurteilt werden. Solange ein Bau dem Bauherrn nicht übergeben ist, ist nach richtiger Rechtsprechung dieses Senats Besitz des Baumeisters anzunehmen (vgl. OGH 25. 10. 1967, 2 Ob 282/67, ZVR 1968/208 = SZ 40/136 = RZ 1968, 53). Vgl. zum Problemkreis des "Besitzers" i. S. des § 1319 ABGB auch EvBI. 1970/224 und die sonst bei Kapfer, ABGB29, bei § 1319 Anm. 3 angeführten Entscheidungen. 24 OGH 5. 3. 1970, 2 Ob 25/70, ZVR 1970/232 = EvBI. 1970/310 = RZ 1970, 168. ua Nicht immer umschreiben Schutzgesetze das Verhalten, das Schäden vermeiden soll. Zum Teil geben sie bloß die anzustrebenden Ziele an. Sie verlangen z. B., daß ein Stoff, der in den Verkehr gebracht werden soll, bestimmte Eigenschaften aufweisen soll oder nicht aufweisen darf. Die gebotene Sorgfalt richtet sich dann, dem angesprochenen Personenkreis entsprechend, nach § 1297 oder 1299 ABGB. Verhaltensunrecht ist erst mit der Übertretung dieser Normen gegeben und nicht schon mit dem Nichterreichen des im Schutzgesetz vorgegebenen Zieles. Eine gegenteilige Annahme würde an Mißerfolgen und nicht am Verhalten anknüpfen. - Auch darf aus der Umschreibung von Erfolgen nicht abgeleitet werden, die Rechtsordnung statuiere hier im deliktischen Bereich Erfolgsverbindlichkeiten. Die Rechtsordnung umschreibt derartige Erfolge nicht, weil sie den einzelnen prinzipiell für den Erfolg einstehen lassen will, sondern deshalb, weil sie nicht alle Verhaltensweisen aufzählen kann und will, die Schaden verhüten sollen. - Zum anderen Teil ist in Schutzgesetzen die Verhaltensweise oft
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im vorliegenden Fall der Wagen infolge Bremsens gegen die Fahrbahnmitte getragen wurde, so ist der Lenker nicht dorthin gefahren und auch nicht vom rechten Fahrbahnrand, an dem er zu fahren hatte (vgl. § 7 Abs. 2 StVO), weggefahren, sondern es hat ihn weggetragen. Darin liegt kein Verstoß gegen die Verhaltensvorschrift des § 7 StVO. Der Fahrer ist genausowenig nach links gefahren, wie jemand nach links abbiegt und etwa ein Linksabbiegeverbot übertritt, den eine Sturmböe in die linke Seitengasse hineinträgt. Im Urteilsfall hätte ein verkehrswidriges Verhalten beispielsweise in einer falschen Reaktion im Zeitpunkt des Entdeckens des in der Fahrbahnmitte an einer Fahrbahnkuppe entgegenkommenden Fahrzeuges liegen können, aber auch in einem fehlerhaften Funktionieren der Bremsen. Wäre es gelungen, ein verkehrswidriges Verhalten des Lenkers zu beweisen, so wäre damit auch die Sorgfaltsverletzung bewiesen gewesen und der Lenker hätte dies gemäߧ 1299 ABGB zu verantworten gehabt25 • So wurde aber kein Verstoß gegen die Verhaltensvorschriften der StVO erwiesen und es kommt dem Geschädigten nach ABGB auch keine Vermutung bezüglich der subjektiven Fähigkeiten253 zu Gute26 • Daher scheidet eine Schadenersatzpflicht auf der Grundlage des ABGB aus (§ 1311). Anspruchsgrundlage ist ausschließlich das EKHG. nur vage angedeutet und in Wahrheit die Sorgfaltsverletzung und damit die Rechtswidrigkeit erst aus dem allgemeinen Sorgfaltsgebot abzuleiten. - Vgl. dazu die instruktiven Ausführungen Burgstallers, Fahrlässigkeitsdelikt 33 ff. 25 Autofahren erfordert eigene "Kunstkenntnisse" (§ 1299 ABGB). Wer diese Tätigkeit- ohne Not ausübt - hat fehlerhaftes Verhalten auch dann zu vertreten, wenn er die fehlenden Kenntnisse, die Ursache dieses Verhaltens sind, nicht erworben hat. - s. u. § 11. B. 2sa Zu den§§ 1297, 1299 ABGB s. u. § 11. 28 Brunner, ÖJZ 1972, 113 ff. will bei Verletzung eines Schutzgesetzes den Schädigerunabhängig vom Verschulden (was versteht er darunter? - zum Verschuldensbegriff des ABGB s. o. § 7) haften lassen. -Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Sie widerspricht dem Gesamtkonzept des ABGB. - Aus § 1311 ABGB ist die Auffassung Brunners nicht zu belegen. Aus den Worten, daß der Schädiger für allen Nachteil hafte, "welcher außerdem nicht erfolgt wäre" (vgl. aaO 118) läßt sich Brunners Meinung nicht stützen. Sie beziehen sich nur auf den Haftungsumfang, soferne die Haftungsvoraussetzungen gegeben sind. Was versteht Brunner überhaupt unter Verletzung eines Schutzgesetzes. Meint er, sie liege schon dann vor, wenn ein Schutzgesetz einen bestimmten Erfolg umschreibt und dieser Erfolg nicht eintritt? Dies führte zu einer reinen Gefährdungshaftung, die dem ABGB vollkommen fremd ist. Meint er jedoch, die Übertretung eines Schutzgesetzes sei ident mit der Verletzung der gebotenen Sorgfalt (s. FN 24a), so ist mit der Übertretung ja das Verschulden im objektiven Sinn (= Verhaltensunrecht) bewiesen und es bleibt nur mehr die Frage offen, ob eine Entlastung bezüglich der subjektiven Fähigkeiten (aaO S. 117 spricht er von der "subjektiven Seite", ohne sie zu definieren) des Verursachers oder der Gesetzeskenntnis möglich ist. Möglicherweise will Brunner nur diese Probleme ansprechen.
§ 9. § 1298 ABGB im außervertraglichen Bereich
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Dieses Gefährdungshaftungsgesetz legt dem Schädiger die Beweislast auf(§ 9 EKHG)2 7 • Er hat zu beweisen, daß er jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hat, d. h. vor allem die Vorschriften der StVO eingehalten hat, und daß der Unfall auch nicht auf einem technischen Versagen des Kfz beruhte273 • - Die Gefährdungshaftung nach dem EKHG kehrt die Beweislast für die Sorgfaltsverletzung um, die Deliktshaftung nach ABGB nicht28• Die Schwierigkeiten mit denen der OGH in derartigen und ähnlichen Fällen kämpft, ergeben sich in Wahrheit aus dem Begriff der "gesetzlichen Verbindlichkeiten" in § 1298 ABGB. Da Schutzgesetze gesetzlich normierte Pflichten begründen, meint der OGH, es handle sich bei ihrer Übertretung um Nichterfüllung gesetzlicher Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB 29 • Dies ist jedoch ein Fehlschluß. Jede Verbindlichkeit, die nicht auf einem Rechtsgeschäft beruht, basiert letztlich auf Gesetz, weil es ohne Rechtsgeschäft und ohne Gesetz (einschließlich Gewohnheitsrecht) keine Verbindlichkeiten gibt. Das allgemeine Sorgfaltsgebot zum Schutze der absoluten Rechte anderer ist nicht weniger gesetzliche Verbindlichkeit als ein bestimmtes Schutzgesetz, das konkrete Sorgfaltsmaßnahmen zu diesem Zwecke vorschreibt. Es entbehrt jeglicher Grundlage, die Beweislast je nach dem zu differenzieren, ob die Einhaltung der allgemeinen Sorgfaltspflicht, die Güter anderer nicht zu beeinträchtigen, in Frage steht, oder ob die Einhaltung der Sorgfalt zu prüfen ist, die bestimmte Schutzgesetze vorschreiben293 • In beiden Fällen handelt es sich um Verbindlichkeiten, die auf Gesetz beruhen, aber in beiden Fällen nicht um gesetzliche Verbindlichkeiten i. S. des§ 1298 ABGB. Wie die vertraglichen Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB Schuldverhältnisse aufgrund eines Vertrages sind, sind, wie als bald darzulegen ist , die gesetzlichen Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB gesetzlich begründete Schuldverhältnisse (vgl. § 859 ABGB). 27 Vgl. die Marginalrubrik vor § 9: "Haftungsbefreiung" und den einleitenden Satz des§ 9: "Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, ...". 27a Stoßen zwei Kraftfahrzeuge zusammen und tragen beide Schäden davon, so haftet grundsätzlich der Halter eines jeden Fahrzeuges dem anderen, wenn er sich nicht entlasten kann. Es kommt zu einer gegenseitigen Ersatzpflicht der Beteiligten (§ 11 Abs. 1/2 EKHG). - Diese prinzipielle gegenseitige Gefährdungshaftung wird einem in vielen Fällen nicht bewußt: Fuhr das eine Fahrzeug auf übersichtlicher Fahrbahn am rechten Straßenrand und kollidierte es dort mit dem entgegenkommenden Auto, so prüft man nur die Haftung des Halters dieses Fahrzeuges besonders, weil die Haftung des anderen offenkundig entfällt. 28 § 1298 ABGB wurde im konkreten Fall nicht nur fälschlich, sondern auch überflüssigerweise bemüht: Der gesamte beanspruchte Sachschaden (S 5200,-) wäre sowieso nach den Bestimmungen des EKHG zu tragen gewesen. 29 Schon in GIUNF 6.193 findet sich diese Aussage. 29 a S. 0.
§ 3. E.
B. Gesetzliche Verbindlichkeiten I I. Erfolgsverbindlichkeiten
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Aus den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung oder sonstiger Schutzgesetze läßt sich keine Beweislast des Belangten ableiten, welche die Frage der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt betrifft. Weder§ 1298 ABGB noch die §§ 1319 und 1320 ABGB noch andere Vorschriften berechtigen zu einer derartigen Annahme. Wurde hingegen beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges jemand verletzt, so greifen die Vorschriften über die Gefährdungshaftung Platz und aufgrund dieser Vorschriften trägt der Kfz-Halter auch30 die Beweislast für die Einhaltung der Verkehrsvorschriften. Wo hingegen im Deliktsrecht keine besonderen Vorschriften eine Beweislastumkehr vorsehen und aufgrund der ratio derartiger Sondervorschriften auch keine Analogie vorgenommen werden kann, trägt der Geschädigte die Beweislast für die Sorgfaltsverletzung. Dies brachten auch die Verfasser der 3. Teilnovelle unmißverständlich zum Ausdruck, indem sie mit den §§ 1319 und 1320 ABGB eine besondere Beweislastverteilung vornahmen und die Streichung des § 1296 ABGB ablehnten, damit nicht durch Beweislastverteilungen, dort eine Gefährdungshaftung eingeführt werde, wo der Gesetzgeber keine vorgesehen hat31• B. Gesetzliche Verbindlichkeiten i. S. des§ 1298 ABGB I. Erfolgsverbindlichkeiten
Gesetzliche Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB müssen wie die vertraglichen nach dem Gesagten Sonderverbindlichkeiten, d. h. Obligationen sein, nach deren Inhalt ein Erfolg geschuldet ist. Das ist dort offenkundig der Fall, wo die gesetzliche Obligation der vertraglichen nachgebildet ist. Vor der 3. Teilnovelle war § 1298 ABGB vor allem für die auf Gesetz beruhende Haftung der Wirte, Schiffer und Fuhrleute von Bedeutung32• Sie hafteten33 gemäß § 970 a. F. ABGB gleich einem Verwahrer34 • Der Kreis der gesetzlichen Erfolgsverbindlichkeiten ist jedoch weiter. Gesetzliche Verbindlichkeit i. S . des § 1298 ABGB ist die in ihrem Umfang feststehende Schadenersatzpflicht zum Natural- oder Geldersatz. ao Der Beweis der Einhaltung jeder nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfalt befreit allein noch nicht von der Haftung. So ist z. B. auch zu beweisen, daß der Unfall nicht auf einem technischen Gebrechen des Kfz beruhte usw. (s. § 9 EKHG). 31 s. o. § 3 nach FN 13. 32 Vgl. GIU 2.672, 2.800, 3.580,.6.196; GlUNF 962. 33 Zur Haftung nach geltendem Recht s. o. § 8 bei FN 192. 34 § 970 a. F. ABGB lautete: "Wirthe, Schiffer oder Fuhrleute haften für Sachen, die von aufgenommenen Reisenden, oder als Fracht, ihnen selbst, oder ihren Dienstleuten übergeben worden sind, gleich einem Verwahrer (§ 1316 ABGB)."
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§ 9. § 1298 ABGB im außervertraglichen Bereich
Nichts anderes gilt für den bereits begründeten Bereicherungsanspruch. Auch der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen die Eltern oder der Frau gegen den Mann zählt hierher. Gesetzliche Verbindlichkeit ist letztlich auch die Verbindlichkeit des falsus procurator, je nach Wahl des Geschäftspartners zu erfüllen oder das Erfüllungsinteresse zu leisten (Art. 8 Nr. 11 Abs. 1 4. EVHGB). Der Vertreter ohne Vollmacht hat die Leistung genauso wie jeder andere Schuldner ordnungsgemäß zu erbringen35• Ferner ist an die durch hoheitlichen Zwang begründeten Schuldverhältnisse zu denken: z. B. zwangsweise Begründung von Mietverhältnissen durch Zuweisung von Wohnparteien. Hierher gehören auch jene Mietverhältnisse, bei denen durch richterliche Verfügung ein Ehegatte an Stelle des anderen tritt (§ 5 6. DVEheG). Gesetzliche Verbindlichkeiten sind auch die in der Daseinsvorsorge hoheitlich begründeten Sonderbeziehungen (z. B. Anschlußzwang): Kommt durch die kommunalen Wasserleitungen vergiftetes Wasser, so hat sich die Gemeinde im Schadenersatzprozeß zu entlasten. Gesetzliche Verbindlichkeiten i. S. des § 1298 ABGB sind endlich Leistungspflichten der Sozialversicherungsträger gegenüber dem Versicherten usw. Immer geht es darum, ob aufgrund des Gesetzes jemand einem anderen gegenüber zu einem Erfolg verbunden ist. Er wird nur frei, wenn er sich entlastet. D. § 1298 ABGB bezieht sich nidlt auf culpa in contrahendo
Auf gesetzlicher Sonderverbindlichkeit soll nach einer nicht selten vertretener Auffassung auch die Haftung für Schädigungen im vorvertragliehen Bereich, insbesondere die Erklärungshaftung beruhen. Wir meinen dagegen, daß es sich eher um deliktische Pflichten handelt und die Frage der Erfüllungsgehilfenhaftung nach deren ratio und nicht durch die Konstruktion neuer Schuldverhältnisse zu lösen ist35a. Aber das kann für unsere Zwecke dahingestellt bleiben, weil die vorvertraglichen Pflichten Sorgfaltspflichten sind, für die die Anwendung des § 1298 ABGB von vornherein nicht in Frage kommt35b. Den spärlichen Vorschriften des ABGB, die Fälle der culpa in contrahendo regeln, ist der Charakter einer prinzipiellen Erfolgsverantwortung des Schädigers nicht zu entnehmen. §§ 866 und 874 ABGB stellen auf besondere Verwerflichkeit des Verhaltens ab (List und Drohung) und § 878 ABGB läßt bloß den absurden Vertrag nicht zustandekommen und setzt mit der Haftung beim Kennen bzw. Kennenmüssen des geradezu Unmöglichen an. Bezüglich zustandegekommener, unmöglich zu erfülss s. dazu auch Welser, Vertretung 174ff.
asa s. o. § 8. B. II. 2. b. 86b s. o. § 8. B. II.
B. Gesetzliche Verbindlichkeiten I III. Garantiehaftung
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lender Verträge ist die Situation freilich anders: Die Haftung beruht nach österreichischem Recht auf dem gültig zustandegekommenen V ertrag35c. Daß auch im BGB die Haftung im vorvertragliehen Bereich nicht einfach zu einem Entlastungsbeweis des Schädigers bezüglich der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt führt, wurde bereits an Hand des § 306 BGB ausführlich gezeigt38. Ul. Garantiehaftung bei fehlerhaftem Vertragsschluß
Anders als das ABGB kennt das BGB bei Irrtumsanfechtung (einschließlich der Anfechtung wegen falscher Übermittlung) und bei Scherzerklärungen (§ 122 i. V. m. §§ 118-120 BGB) eine Garantiehaftung bezüglich des Vertrauensinteresses. Die Haftung entfällt nur, wenn der Gegner die Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit kannte oder kennen mußte. Ansonsten mag der Irrende den Vertrag gelten lassen oder den Vertrauensschaden ersetzen. Auch nach § 179 BGB kann der Geschäftspartner des Vertreters ohne Vollmacht, wenn dessen Geschäftsherr den Vertrag nicht genehmigt, vom falsus procurator grundsätzlich Erfüllung oder das Erfüllungsinteresse verlangen. Beweist aber der Vertreter, daß er den Vollmachtsmangel nicht kannte, so haftet er wie nach§ 122 BGB- und das heißt: ohne Rücksicht auf Verschulden!- auf das negative Interesse. Nur wenn der Geschäftspartner den Vollmachtsmangel kannte oder kennen mußte, haftet der Vertreter genausowenig wie der Anfechtende bei Kenntnis bzw. Kennenmüssen des Irrtums durch den Anfechtungsgegner. § 179 BGB ist auch für den Österreichischen Bereich von Bedeutung, weil die Vorschrift für Handelsgeschäfte mit Art. 8 Nr. 11 4. EVHGB im wesentlichen37 in die Österreichische Rechtsordnung eingeführt wurde. Volles Interesse erhält der Geschäftspartner immer dann, wenn der Vertreter nicht beweisen kann, daß er den Mangel seiner Vertretung nicht kannte. Ist also bloß Kenntnis des Mangels die Grundlage für die umfassende Haftung des Vertreters bei Nichtgenehmigung des hinkenden Geschäfts? Dann ist freilich die ratio der Beweislast offen. Denn schwerlich wird man böse Absicht vermuten dürfen. Soll der Vertreter einstehen müssen, weil er den Geschäftspartner über das Fehlen der Vertretungsmacht täuschte? Sieht man indessen näher zu, so zeigt sich, daß sich alleine daraus der Anspruch des Geschäftspartners auf Erfüllung bzw. auf das Erfüllungsinteresse nicht rechtfertigen läßt. nc s. u. § 13. C. s. o. § 8. B. II. 1. b. 37 Nicht rezipiert wurde der letzte Satz des § 179 Abs. 3 BGB, der sich mit dem beschränkt geschäftsfähigen falsus procurator befaßt. 38
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§ 9. § 1298 ABGB im außervertraglichen Bereich
Hätte der Vertreter den Mangel der Vollmacht aufgeklärt, so wäre der Abschluß unterblieben und selbst bei Abschluß wäre der Geschäftspartner wegen Verweigerung der Genehmigung niemals in den Genuß der Erfüllung bzw. des Erfüllungsinteresses gekommen37a. Für das Ausbleiben der Erfüllung durch den Vertretenen war das verwerfliche Verhalten des Vertreters nicht kausal. Auf dieses Verhalten kann sich daher alleine die Haftung für das positive Interesse nicht gründen. Nach dem Entwurf zum BGB sollte der Geschäftspartner immer das Recht auf Erfüllung bzw. das Erfüllungsinteresse haben, also auch dann, wenn der Vertreter den Vollmachtsmangel nicht kennen konnte. Als Vorbilder dienten u. a. Art. 95 der damals geltenden Wechselordnung, der den Vertreter ohne Vollmacht anstelle des angeblich Vertretenen haften ließ (ebenso Art. 8 WechselG) und die Art. 55 und 298 AHGB, die dem Geschäftspartner das Wahlrecht auf Erfüllung bzw. auf das Erfüllungsinteresse einräumten38 (vgl. § 179 Abs. 1 BGB = Art. 8 Nr. 11 Abs. 1 4. EVHGB). Als Begründung für die geplante umfassende Haftung entnehmen wir den Motiven: "Der Verkehr erfordert, daß Jeder, der als ermächtigter Vertreter auftritt, ohne Rücksicht darauf, ob ihn eine Fahrlässigkeit trifft, voll dafür einzustehen habe, daß die Vertretungsmacht vorhanden sei oder doch die Genehmigung des Vertretenen nachträglich hinzutrete. Es kann daher für die Haftpflicht des Vertreters, der den Mangel der Vertretungsmacht kundzugeben unterlassen hat, keinen Unterschied machen, ob derselbe bewußt als nicht ermächtigter Vertreter gehandelt hat oder ob er, was der Regel nach der Fall sein wird, über das Vorhandensein der Vertretungsmacht bzw. über den Umfang einer vorhandenen Vertretungsmacht sich im Irrtum befunden hat. Desgleichen ist die Haftung des Vertreters jedenfalls auf das positive Interesse, das Erfüllungsinteresse zu erstrecken38. " - Der Gedanke der ursprünglich konzipierten Regelung ist offenkundig der, daß derjenige, der als Vertreter auftritt, im anderen durch dieses Auftreten und den Vertragsschluß, das Vertrauen erweckt, daß er berechtigt sei, für einen anderen einen Vertrag abzuschließen, und daher der abgeschlossene Vertrag für den genannten Geschäftsherrn auch verbindlich sei. Zeigen sich Mängel in der Vertretungsmacht und genehmigt der Geschäftsherr nicht, so soll der Geschäftspartner im Hinblick auf sein Vertrauen geschützt werden. Der Vertreter soll ihn so stellen, wie wenn der Vertrag gültig zustandegekommen wäre. Daß der Vertreter den Nichterfüllungsschaden ersetzen soll, obwohl er diesen nicht verursacht hat, bedeutet, daß der Vertreter zum Garanten für das Bestehen seiner Vertretungsmacht bestellt 37a
Das übersieht Klang I StanzZ2 IV/1, 854. -
136 ff. as BGB-Motive2 I 244.
s. a. Welser, Vertretung
B. Gesetzliche Verbindlichkeiten I III. Garantiehaftung
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ist. Die Verfasser der Motive wollten diese Haftung bewußt "gewissermaßen auf ein stillschweigendes Garantieversprechen" begründen88• Mitglieder der Kommission für die 2. Lesung des BGB fanden diesen Gedanken nicht unanfechtbar. "Ein Garantieversprechen könne unter Umständen allerdings angenommen werden, namentlich dann, wenn der Vertreter im Bewußtsein gehandelt habe, daß er keine Vertretungsmacht besitze; es liege aber fern in all den Fällen, in welchen er sich über das Vorhandensein der Vertretungsmacht im Irrthume befunden habe88." Die Annahme eines stillschweigenden Garantieversprechens ist allerdings auch hier nicht gerechtfertigt, weil die Erklärung des Vertreters, der von seinem Vollmachtsmangel weiß, diesen aber nicht kundtut, nach außen hin genausoviel oder genausowenig den Habitus einer Garantieerklärung hat, wie die Erklärung des Vertreters, der um seinen Vollmachtsmangel nicht weiß. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers, und auf sie kommt es bezüglich der objektiven Bedeutung einer Erklärung an, hat die Erklärung des Vertreters in beiden Fällen dieselbe Bedeutung. Die Gesetzesverfasser gingen denn auch von den Artikeln des AHGB aus40, deren Regelung man grundsätzlich beibehalten wollte, und milderten die Haftung für den Fall, daß der Vertreter vom Vollmachtsmangel nichts wußte, auf das negative Interesse. Ausgangspunkt der Haftung ist also kein Garantieversprechen, sondern eine gesetzliche Garantie des Vertreters für das Bestehen der Vollmacht41. Sie wird abgeschwächt auf den Ersatz des negativen Interesses, wenn der Vertreter um den Vollmachtsmangel nicht wußte. Dies drückt der Gesetzestext des § 179 BGB (Art. 8 Nr. 11 4. EVHGB} klar aus: Grundsatz ist die volle Haftung des Vertreters(§ 179 Abs. 1 BGB; Art. 8 Nr. 11 Abs. 1 4. EVHGB}, Ausnahme die gemilderte (§ 179 Abs. 2 BGB; Art. 8 Nr.11 Abs. 2 4. EVHGB}41 • Die Haftung des Vertreters auf das negative Interesse, selbst für den Fall der beweisbaren Sorgfaltseinhaltung42, ist eine Parallele zu § 122 BGB43 • Im Österreichischen Recht fehlt diese Parallele. Hier handelt es sich insoweit um eine vereinzelte Ausnahmebestimmung, die einer Analogie kaum zugänglich ist44 • Vor allem läßt sich aus dieser Norm nicht ableiten - und wurde auch bisher nicht abzuleiten versucht - , ae BGB-Protokolle I 158. 40 BGB-Protokolle I 160. 41 Flume, Allgemeiner Teil
II 801; Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Tents Il2, 1123 f. 42 Uber Haftungsbegrenzungsversuche s. Welser, Vertretung 192 ff. 48 Diese Parallele ist vom Gesetzgeber beabsichtigt. s. BGB-Protokolle I 161, wo auf die Beschlüsse zur Irrtumsanfechtung verwiesen wird. 44 s. a. Welser, Vertretung 156 ff. 13 Reisehauer
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§ 9. § 1298 ABGB im außervertraglichen Bereich
daß ein falsus procurator, der nach den Vorschriften des ABGB belangt wird, zumindest die Beweislast für die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu tragen habe. Diese Beweislastverteilung läßt sich auch nicht aus dem Beweisnotstandsargument45 ableiten, weil dieses, wie gezeigt45a, nicht ratio des § 1298 ABGB ist. Das Beweisnotstandsargument taucht auch in den Protokollen zum BGB nicht als Grund des Entlastungsbeweises46 des Vertreters auf. Es wird nicht etwa argumentiert, daß der Vertreter die Nichtkenntnis des Vollmachtsmangels vertreten müsse, weil es für Geschäftspartner schwierig sei, die Kenntnis des Vertreters zu beweisen. Das könnte auch nicht überzeugen, muß man doch auch sonst, z. B. bei Täuschungsanfechtung, die Kenntnis des Vertragspartners vom (objektiv) unrichtig Vorgegebenen beweisen. Die Grundlage der Beweislastverteilung ist eben das gesetzlich angeordnete, prinzipielle Einstehenmüssen für die Gültigkeit des abgeschlossenen Vertrages. Aus dieser Sicht ist die Beweislast des Vertreters dafür, daß er den Mangel seiner Vollmacht nicht kannte, nur selbstverständlich. Es liegt keine Anomalie in der Beweislastverteilung vor, weil Wissen um die mangelnde Vertretungsmacht nicht Haftungsvoraussetzung ist47 und wegen fehlender Kausalität auch den Umfang der Haftung nicht rechtfertigen48 könnte. Geht man davon aus, daß der Vertreter an Stelle des Vertretenen stehen und zum Vertragspartner werden soll49, so ergeben sich in der Beweissituation durchaus auch Parallelen zur Irrtumsanfechtung selbst. Der Anfechtende muß, um vom Vertrag loszukommen, beweisen, daß er irrte, das bedeutet aber nichts anderes, als daß er zu beweisen hat, 45 A. M. Welser, Vertretung 266 ff., der sich auf die oben widerlegten Thesen von Prölss stützt. 45a s. 0. § 8. 48 Das Beweisnotstandsargument findet sich hingegen zur Rechtfertigung der Beweislast des Vertreters bezüglich des Bestehens der Vollmacht (§ 179 Abs. 1 BGB = Art. 8 Nr. 11 4. EVHGB). Der Beweis der Negative sei schwer zu erbringen und der Vertreter eher in der Lage, das Vorhandensein der Vertretungsmacht zu behaupten. "Der Beklagte habe dadurch, daß er als Vertreter aufgetreten sei, den Nachweis seiner Vertretungsmacht übernonunen." (BGB-Protokolle I 161). Das Beweisnotstandsargument überzeugt nicht recht, wenn man bedenkt, daß dem Geschäftspartner als Zeuge der "Vertretene" zur Verfügung steht und der Geschäftspartner ja ohnehin zuerst den Geschäftsherrn belangen könne. Gerade das letztere Argument übersahen die Gesetzesverfasser auch nicht. Sie meinten aber, die Verteilung der Beweislast führe zu einer praktisch befriedigenden Lösung und führe zur Abkürzung und Vereinfachung des Verfahrens (aaO 161 f.). Grund der Beweislastregel ist letztlich eine verkehrsfreundliche Regelung. 47 Welser referiert derartige Meinungen (Vertretung 273 FN 73). 48 s. a. BGB-Protokolle I 160 bezüglich der Haftung des Vertreters, der im Bewußtsein handelt, daß der "Vertretene" nicht genehmigen werde. 49 Dabei besteht die Besonderheit, daß der Geschäftspartner von vornherein das Erfüllungsinteresse anstatt der Erfüllung beanspruchen kann.
B. Gesetzliche Verbindlichkeiten I III. Garantiehaftung
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daß er den in Frage stehenden Umstand, auf den er die Irrtumsanfechtung stützt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht kannte. Er muß damit indirekt auch dartun, daß keine Mentalreservation seinerseits vorlag, er also den Partner über den eigenen wahren Willen nicht täuschte. Mehr verlangen wir auch vom Vertreter ohne Vollmacht hinsichtlich des Beweises des Nichtkennens des Vollmachtsmangels nicht. Er muß beweisen, daß er über den Vollmachtsumfang irrte und damit indirekt, daß er den Partner über den Vollmachtsmangel nicht täuschte. Gelingt dem Anfechtenden der Beweis des Irrtums nicht, so bleibt er an den Vertrag gebunden, gelingt dem Vertreter der Beweis des Irrtums über seine Vollmacht nicht, so hat er, der an Stelle des Vertretenen haften soll, ebenfalls für das positive Interesse einzustehen. Gelingt der Beweis des Irrtums, so ist in beiden Fällen nach BGB - ohne Rücksicht auf mangelnde Sorgfalt - für das negative Interesse einzustehen. Auch nach ABGB hat der Irrende - neben den sonstigen im BGB nicht geforderten Anfechtungsvoraussetzungen - seinen Irrtum zu beweisen. Gelingt ihm der Beweis der Anfechtungsvoraussetzungen, haftet er hier - da dem ABGB eine Garantiehaftung im Sinne des § 122 BGB fremd ist - nur bei Sorgfaltsverletzung. Diesbezüglich trifft den Geschädigten die Beweislast. Nach dem ABGB ist die Anfechtung erschwert, dafür besteht die Haftung nur bei Sorgfaltsverletzung. Im BGB ist die Anfechtung nur vom Vorliegen eines erheblichen Irrtums abhängig, daher wird aus Gründen der Verkehrssicherheit unabhängig von einer Sorgfaltsverletzung Ersatz zugesprochen50• Anspruchsgrundlage ist somit im BGB nicht die culpa in contrahendo. Der Vertreter ohne Vollmacht soll nach § 179 BGB und Art. 8 Nr. 11 4. EVHGB wegen des Verkehrsinteresses unbedingt für den Ersatz des negativen Interesses einstehen. Ob die Regelung rechtspolitisch geglückt ist, bedarf hier keiner Untersuchung. Wir haben die Norm hinzunehmen. Daß nach ABGB anders als nach Handelsrecht zu verfahren ist, erscheint mir nicht bedauernswert. Steht fest, daß der Vertreter ohne Vollmacht handelte, so wird es i. d. R. auch nicht besonders schwer fallen, zu beweisen, daß er die gebotene Sorgfalt (§§ 1297, 1299 ABGB) verletzt hat. Prima facie wird sich das meist schon aus dem Nichtvorliegen einer Vollmacht ergeben. Für eine Haftung ohne Verschulden besteht m. E. kein Bedarf.
50
Zu den Problemen der Redintegration nach österreichischem Recht s. System2 I/2, 234 und Bydlinski, Privatautonomie 180 ff.
Armin Ehrenzweig, 13•
§ 10. Die Beweislast für grobe_ Fahrlässigkeit Nach herrschender, aber nirgends näher begründeter österreichischer Lehre1 und Rechtsprechung2 vermutet § 1298 nur leichte Fahrlässigkeit. W elser3 und, ihm folgend, Koziol4 bürden unter Berufung auf die oben widerlegte5 Beweisnotstandstheorie dem Schuldner auch die Beweislast für jene Umstände auf (Sachverhalt), die gegen das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit sprechen (Rechtsfrage)6 • Die mangelnde Einsicht des Gläubigers betreffe gleichermaßen die Umstände, die seine Handlung als grob fahrlässig qualifizieren, wie jene, die nur die Tatbestandsmerkmale leichter Fahrlässigkeit erfüllten. Das Ausmaß der Beweislast des Schuldners richtet sich aber nicht nach der bereits widerlegten5 Beweisnotstandstheorie. Es ist aus der ratio der Beweislastverteilung bei Nichterfüllung von Erfolgsverbindlichkeiten zu gewinnen. Ein Erfolg wird geschuldet, für den Erfolg ist im Grunde einzustehen. Die Herstellung des Erfolges ist nicht Selbstzwe~, sie dient der Verwirklichung der vollen Gläubigerinteressen. Dazu zählt nicht nur die Vermeidung von positivem Schaden, sondern ebenso die Gewinnerzielung. Die Haftung für Nichterfüllung7 erfaßt naturgemäß auch dies8 • Haftung für Nichterfüllung bedeutet also prin1 Stubenrauch, Kommentars II 469; Krasnopolski, Obligationenrecht 213; Mayer, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 2. Bd., Abschnitt III, Recht der
Schuldverhältnisse 131; Klang-Wolff2 VI 47. 2 Vgl. OGH 25. 11. 1953, 2 Ob 870/53, JBl. 1954, 226. s Vertretung 271. ' Haftpflichtrecht I 267. 6 s. o. § 4. E., §§ 5 - 9. 8 Die Sachverhalts- und die Rechtsfrage darf hier wie auch sonst nicht verwechselt werden. Will jemand im Deliktsrecht Schadenersatz aufgrund der Voraussetzung der groben Fahrlässigkeit, so ist er mit dem Beweis der tatsächlichen Grundlagen belastet. Der Richter hat zu beurteilen, ob dieser Sachverhalt als leicht oder grob fahrlässig zu qualifizieren ist. Bei § 1298 ABGB ist der Schuldner mit dem Beweis belastet und wiederum hat der Richter bezüglich der vorgetragenen Fakten zu beurteilen, welcher Grad der Fahrlässigkeit anzunehmen ist. - Welser, Vertretung 270 FN 52; irreführend Klang I Wolf:F VI 46. 7 Zum Wesen der Nichterfüllung s.o. § 8. B. 8 In diesem Zusammenhang tritt freilich das allgemeine Problem auf, wieweit dem Gläubiger der Gewinnentgang zu ersetzen ist, wenn er z. B. durch die Nichterfüllung die Gelegenheit einer besonders gewinnträchtigen Weiterveräußerung versäumt. - Art. 82 EKG stellt auf den zur Zeit des Vertragsabschlusses voraussehbaren Schaden einschließlich des Gewinns ab. Eine ähnliche Begrenzung läßt sich m. E. für das Österreichische Recht im Rahmen der Adäquanztheorie ziehen.
§ 10. Die Beweislast für grobe Fahrlässigkeit
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zipielles Einstehenmüssen für das volle Gläubigerinteresse. Kann jedoch der Schuldner nachweisen, daß ihm grobe Fahrlässigkeit nicht vorzuwerfen ist, so kommt ihm das Gesetz entgegen und schränkt seine Haftung ein; kann er beweisen, daß ihm überhaupt keine Sargfaltsverletzung vorzuwerfen ist oder daß er die Sorgfalt aus zu berücksichtigenden subjektiven Gründen nicht einhalten konnte9 , so entfällt seine Haftung vollkommen, soferne nicht unter dem Gesichtspunkt der Tragfähigkeit (analog § 1310 ABGB) Ersatz in Frage kommt. Wir sehen also, daß der Erfolgsverbindlichkeit eine Erfolgshaftung zur Seite steht, von der sich der Schuldner durch Entlastung befreien kann. Volle Entlastung führt zu voller Haftungsbefreiung, teilweise Entlastung, nämlich wenn der Beweis gelingt, daß keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, führt zu teilweiser Haftungsbefreiung10• Bei Handelsgeschäften, auf die § 1298 ABGB als lex generalis ebenfalls anzuwenden ist, bedarf es dieser Differenzierung allerdings ohnedies nicht, weil dort schon bei leichter Fahrlässigkeit der entgangene Gewinn zu ersetzen ist (Art. 8 Nr. 2 4. EVHGB). Der Kaufmann kann sich also nicht so weitgehend entlasten, wie der gewöhnliche Bürger.
s. u. § 11. A. Diese stufenweise Befreiung von der Haftung hat bezüglich des Verzuges und der Urunöglichkeit bereits Hasenöhrl erkannt (s. Obligationenrecht2 li 338 und 370). -Auch Pfaff (Gutachten 120) geht wohl davon aus, daß der Schuldner die Beweislast für die Abwesenheit eines höheren Verschuldeus als leichter Fahrlässigkeit trifft. In einer Gegenüberstellung von § 1298 und 1296 ABGB betont er zu letzterem, der Kläger habe hier auch den höheren Verschuldeusgrad zu beweisen (aaO 120 bei FN 347 und in FN 347). 9
10
§ 11. Die§§ 1297 und 1299 ABGB und das Verhältnis der§§ 1296 bis1299 ABGB § 1297 ABGB "vermutet, daß jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sei, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann". § 1299 ABGB behandelt jene Fälle, in denen der Mangel eines besonderen Fleißes oder besonderer Fähigkeiten zu vertreten ist. Diese beiden Normen stehen zu den §§ 1296 und 1298 ABGB nicht nur in äußerer, sondern auch in besonderer innerer Beziehung, deren Ergründung erst den Bedeutungsgehalt der §§ 1296 und 1298 ABGB voll erschließt. Um diese Beziehung erhellen zu können, bedarf es zunächst der Interpretation der §§ 1297 und 1299 ABGB. A. § 1297 ABGB Schon mehrmals wurde angedeutet, daß § 1297 ABGB eine Beweislastumkehr bezüglich der subjektiven Fähigkeiten des Schädigers an-
ordnet. Daraus wurde weiter gefolgert, daß § 1298 ABGB neben § 1297 ABGB keinen eigenen Anwendungsbereich hätte, wenn der Gläubiger bei Schuldverletzungen die Sorgfaltsverletzung beweisen müßte und § 1298 ABGB nur das Verschulden im engen (d. h. subjektiven) Sinn vermutete. Daß aber § 1298 ABGB die Sorgfaltsverletzung (Verhaltensunrecht= Verschulden im objektiven Sinn) vermutet, wurde schon oben ausführlich dargelegt1 • Hier ist auf die Beweisregel des § 1297 ABGB näher einzugehen, der sowohl im Deliktsrecht als auch im Vertragsrecht Bedeutung zukommt. I. Die Vermutung der subjektiven Fähigkeiten
Armin Ehrenzweig sieht im Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, den § 1297 ABGB vermutet, die gebotene Sorgfalt schlechthin. An sie ist auch nach seiner Meinung ein objektiver Maßstab anzulegen. Bezüglich der Fähigkeiten und der Kenntnisse nehme das Gesetz hingegen ein subjektives, d. h. individuelles Maß2 • Armin Ehrenzweig sagt im Zusammenhang mit diesen Ausführungen nicht, wer die Be1
2
s.o.§ 7. B. System2 II/1, 56.
A. § 1297 ABGB I I. Vermutung der subjektiven Fähigkeiten
199
weislast für das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein der subjektiven Fähigkeiten trage. Aus seiner allgemeinen Darstellung der Beweislast nach § 1297 ABGB 3 ergibt sich jedoch, daß seiner Meinung nach der Geschädigte überhaupt nur die Verursachung des Schadens durch eine bestimmte Person zu beweisen habe. Wir erinnern uns : "Hat A die Auslagenscheibe des B eingedrückt, so ist es - wenn er dieser Tat überwiesen ist - seine Sache, nachzuweisen, daß er die Beschädigung nicht habe vermeiden können, etwa weil ihm ein Dritter hinterrücks einen Stoß versetzt habe oder dgl." Diese Auffassung zu § 1297 ABGB geht - wie bereits gezeigte - entschieden zu weit: Den Beweis der Sorgfaltsverletzung nimmt § 1297 ABGB dem Geschädigten nicht ab5 • Dennoch ist hier nur festzuhalten, daß auch nach Armin Ehrenzweigs Verständnis von § 1297 ABGB die Beweislast bezüglich des Nichtvorhandenseins der subjektiven Fähigkeiten zur objektiv geforderten Sorgfalt8 der Schädiger trägt. Denn: Wenn der Geschädigte nur die Schädigung durch einen anderen zu beweisen hat und die subjektiven Fähigkeiten für die Schadenersatzpflicht überhaupt eine Rolle spielen, dann trifft offenbar die Beweislast den Schädiger7 • Schon aus dem Wortlaut des § 1297 ABGB ergibt sich zwangslos die Vermutung der subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorga System! III1, 75.
c.
c s.o.§ 3. 5 In Armin Ehrenzweigs Beispiel von der zertrümmerten Auslagenscheibe
sollte dem Geschädigten freilich der Beweis nicht allzu schwer fallen. Beweist er hier die Verursachung, den Zustand des vorbeiführenden Gehsteiges etc., so spricht prima facie viel für die Sorgfaltsverletzung. Insoferne ist Armin Ehrenzweigs Aussage "res ipsa loquitur" (System2 III1, 75 FN 74) zuzustimmen. 8 Armin Ehrenzweig verwendet "gebotene Sorgfalt" synonym mit "gefordertem Fleiß und geforderter Aufmerksamkeit": "Fahrlässigkeit ist die Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, nämlich jenes Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit, ,welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann'(§ 1297)."- System2 III1, 56. 7 Nicht zu Unrecht bezieht sich Klang I Wolff2 VI 45 FN 8 auf Armin Ehrenzweig. Wenn Gschnitzer (Schuldrecht. Besonderer Teil 170) Wolff vorwirft, dieser lege einen subjektiven Maßstab an, so ist dies rücksichtlich der gehörigen Sorgfalt unbegründet (vgl. Klang I Wolff2 VI 46). Wenn sich Gschnitzer gegen Wolff auf Armin Ehrenzweig bezüglich des objektiven Maßstabs beruft und den subjektiven für Fleiß und Aufmerksamkeit verwirft, so gewinnt er gegen Wolff nichts, weil ja Armin Ehrenzweig nur die Maßstäbe für Sorgfalt und für die Fähigkeiten darlegt, nicht aber sagt, daß trotz mangelnder Fähigkeiten für die objektive Sorgfalt einzustehen ist. Der subjektive Maßstab bezüglich der Fähigkeiten wäre ja sinnlos, wenn sie auf die zu vertretende Sorgfalt keinen Einfluß hätten. Daß sich der Schädiger bei seiner Entlastung nicht etwa auf schlechte Charaktereigenschaften berufen kann (ich bin halt einmal so faul oder so schlampig) ist klar. Der Zurechnungsfähige hat diese Mängel eben zu überwinden. Das kann er auch, solange diese nicht ein Ausfluß einer nicht zu überwindenden Krankheit sind.
200
§ 11. §§ 1297 u. 1299 und Verhältnis der §§ 1296- 1299 ABGB
falt. Es geht nicht nur um Fleiß und Aufmerksamkeit. Denn es wird vermutet, "daß jeder, welcher den Verstandesgebrauch besitzt, eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit fähig sei, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann". Kürzer: gewöhnliche Fähigkeiten werden zu Lasten des Schädigers vermutet8 und danach der Sorgfaltsmaßstab bestimmt. Durchschnittliche Fähigkeiten sind Wissen, Kraft, Erfahrung usw. eines Durchschnittsmenschen. Daß auch die Kenntnisse dazu zählen, ist selbstverständlich. Wie soll jemand Fleiß und Aufmerksamkeit aufwenden, wenn ihm das dazu nötige Wissen fehlt? Fleiß und Aufmerksamkeit (gehörige Sorgfalt) als in der Außenwelt auftretende Erscheinungen - und nur darum geht es in § 1297 ABGB (vgl. Satz 2) - gibt es ja nicht an sich, sondern immer nur bezüglich eines bestimmten Zieles. Die geforderte Sorgfalt zur Vermeidung einer konkreten Rechtsgutsbeeinträchtigung (Ziel) kann nur bei entsprechendem Wissen angewandt werden. Fällt z. B. bei der Notbremsung eines Autobusses Gepäck aus dem Netz, so kann man von der Außerachtlassung des gehörigen Fleißes bzw. der gehörigen Aufmerksamkeit doch nur dann sprechen, wenn zumindest der vom Gesetz vorausgesetzte Durchschnittsmensch die Kenntnis hatte, daß Gepäcksstücke in einer bestimmten Weise verstaut werden müssen, damit sie bei Schnellbremsungen nicht herunterfallen. Erst aufgrund dieser Kenntnis kann er sein Gepäck mit gewöhnlicher Aufmerksamkeit verstauen. Die Vermutung der Kenntnisse eines Durchschnittsmenschen ist denn auch für die Gesetzesverfasser selbstverständlich. Den Protokollen entnehmen wir, § 1297 ABGB vermute, "daß jedermann die gewöhnlichen Fähigkeiten besitze, und daß er alles, aber auch nur das zu wissen9 und zu tun vermöge9 , was die Menschen von gewöhnlichen Fähigkeiten nach einer gemeinen Erfahrung wissen, und tun können"10• Und in seinem Kommentar schreibt Zeiller: Die Gesetzgebung "beurtheilet die Einwohner nicht nach einem hohen abstracten Ideale, sondern nach dem, wie sie im Allgemeinen beschaffen sind11 und nimmt eben aus der allgemeinen Sinnes- und Handlungsart die Beweise an, daß sie im Durchschnitte unter den gegebenen' Umständen und Bildungsanstalten9 (welche die öffentliche Verwaltung nöthigen Falls erst zu verbessern streben soll) nicht wohl anders beschaffen sein können" 11 • Die Lebenserfahrung mit der Beschaffenheit des Durchschnitts (Kraft, Erfahrung, Kenntnisse, Geschicklichkeit usw., kurz: Fähigkeiten) wird zur gesetzlichen Vermutung gesteigert und danach 8 Zur Vermutung der Durchschnittsfähigkeiten s. a. Klang I Wolff2 VI 45, 48 und Koziol, Haftpflichtrecht I 263. 9 Im Original nicht hervorgehoben. 10 Ofner, Protokolle II 187 Diese Ausführungen machte Zeiller als Referent. - Es gab keine Einwände. 11 Zeiller, Commentar III/2, 717.- s. a. vorige FN.
A. § 1297 ABGB I II. Widerlegbarkeit der Vermutung
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der Sorgfaltsmaßstab ausgerichtet. Wie Wolff herausstellt, handelt es sich bei der gehörigen Sorgfalt dem gehörigen Fleiß, der gehörigen Aufmerksamkeit um die Rechtmäßigkeit des Verhaltens12• 13• Steht fest, daߧ 1297 ABGB die subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt vermutet, so stellt sich nun die weitere Frage, ob diese Vermutung widerlegbar ist. D. Die Widerlegbarkelt der Vennutung des§ 1297 ABGB
Die Protokolle zum ABGB führen als Möglichkeiten der Entlastung an, daß dem Beschädiger der Verstandesgebrauch gemangeJt14 bzw. daß er sich in einer ungewöhnlichen Zwangslage befunden habe15 • In den beiden Fällen handelt es sich um subjektive Bezugspunkte. Wir können daraus schließen, daß die Gesetzesverfasser zumindest in einem gewissen Umfange Entlastungen aus subjektiven Gründen zulassen wollten. Eine Entlastung bezüglich der subjektiven Fähigkeiten erscheint grundsätzlich schon deshalb geboten, weil man bei Nichtberücksichtigung dieser Fähigkeiten zu einer reinen Erfolgshaftung des "Unterdurchschnittlichen" im Hinblick auf die gehörige Sorgfalt gelangte18• Dies ist zumindest für das Deliktsrecht grundsätzlich abzulehnen. Kramers Gedanke, daß der Geschädigte auf die Fähigkeiten des Schädigers vertrauen dürfe und dieser daher schon bei objektiver Sargfaltsverletzung - ohne Möglichkeit einer Entlastung - zu haften habe17, ist m. E. aus § 1297 ABGB nicht ableitbar. Daß Fähigkeiten vermutet werden, besagt noch nicht, daß man im Vertrauen darauf Ersatzansprüche liquidieren kann. Ein Vertrauen des Geschädigten ist im Deliktsrecht i. d. R. für die Schädigung nicht ursächlich18• Es ist aber auch KozioP 9 nicht zu folgen, wenn er daraus folgert, daß der Ver12 Klang I Wol:fj! VI 46: Bei "Wahrung der durchschnittlichen Sorgfalt (fehlt) die Rechtswidrigkeit des Verhaltens ... ,gehörig' ist eben was sich gehört, d. h. wozu man verpflichtet ist". - Unterscheide davon den Rechtswidrigkeitsbegriff des § 1294 ABGB (Erfolgsunrecht) s. o. § 7. B. 13 Eine derartige Klarstellung vermißt man bei Koziol, obwohl aus dem Zusammenhalt seiner Ausführungen zur Rechtswidrigkeit und zum Verschulden, das folgt (s.o. § 7. A.). Nur beiläufig erfahren wir ausdrücklich, und das im Konjunktiv- folgendes: "Wird- was unproblematisch wäre- objektive Fahrlässigkeit mit Rechtswidrigkeit gleichgesetzt, so müßte daneben noch das Verschulden geprüft werden." (Koziol, Haftpflichtrecht I 100 FN 58, letzter Satz). 14 Zu diesem Mangel s. u. nach FN 25 und in FN 27. 15 Ofner, Protokolle II 187; Armin Ehrenzweig, System2 III1, 75. 18 Vgl. auch Koziol, Haftpflichtrecht I 100 a. M. Kramer, AcP 171, 422 ff. 17 AcP 171, 430. 18 Der Vertrauensgrundsatz des § 3 StVO z. B. ist nicht Grundlage eines Ersatzanspruches. Dieser Grundsatz enthebt den Schädiger bloß der Verantwortung. 1e Haftpflichtrecht I 100.
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§ 11. §§ 1297 u. 1299 und Verhältnis der §§ 1296- 1299 ABGB
trauensgesichtspunkt bei Schädigungen nie eine Rolle spiele. Wer ein Geschäft übernimmt, das gewöhnliche Fähigkeiten verlangt, gibt zu erkennen, daß er diese hat. Insoferneist Kramers Gedanke fruchtbar zu machen (s. u.). Koziols Aussage trifft also nur für Delikte zu. Das ABGB geht, wie schon die Ausführungen Zeillers zeigen20 , von der Erfahrung mit dem Durchschnitt aus und nimmt dessen Fähigkeiten zum Maßstab der gebotenen Sorgfalt. Der einzelne soll im Prinzip für das einstehen, was "man" kann, weil nach allgemeiner Erfahrung auch "er" das kann. Wird er diesem Maßstab aus berücksichtigenswerten subjektiven Gründen nicht gerecht, so wäre es- zumindest im Deliktsrecht - unbillig, ihn schlechthin für das Fehlen der vorausgesetzten Eigenschaften einstehen zu lassen. Hat jemand bestimmte Fähigkeiten nicht und kann er beweisen, daß ihm diesbezüglich kein Vorwurf gemacht werden kann und ihn auch kein Einlassungsverschulden rücksichtlich der geschehenen Güterverletzung trifft, so soll er die objektive Sorgfaltswidrigkeit nicht zu vertreten haben. In derartigen Fällen darf m. E. nur in Analogie zu § 1310 ABGB, insbesondere unter Zuhilfenahme der Gedanken über die wirtschaftliche Fähigkeit, den Schaden zu tragen, Ersatz zugesprochen werden. Wenn selbst derjenige, dem generell die geforderten Fähigkeiten fehlen, nach § 1310 ABGB einzustehen hat, dann wohl auch jener, dem sie zum Teil abgehen. In Anlehnung einer unbedingten Erfolgshaftung für Fähigkeiten, die man nicht hat, ist mit Wolff festzuhalten: "Die Vermutung, daß jeder Vollsinnige Durchschnittsfähigkeiten habe, ist widerleglich21 .'' Der OGH ist ihm darin zu Recht gefolgt22 • Koziol ist diesbezüglich beizupflichten23. Nach all dem Gesagten hat der Geschädigte gemäß § 1297 ABGB die Sorgfaltsverletzung zu beweisen und der Schädiger sich bezüglich seiner subjektiven Fähigkeiten zu entlasten. So hat z. B. der Schädiger nachzuweisen, daß er im Augenblick der Schädigung an einer Bewußtseinsstörung litt24, daß er einen Schwächeanfall hatte oder, daß er sich 20 s.o. bei FN 9. Vgl. auch Fasching, Kommentar III 236, der aus § 1297 ABGB die Zulässigkeit des prima-facie-Beweises für das Österreichische Recht ableiten will. 21 Klang I Wolff2 VI 46, s. a. 45. 22 31. 3. 1970, 1 Ob 50/70, EvBI. 1970/294. Ich folge hier dem OGH bezüglich seiner Aussage zu § 1297 ABGB. Die Frage, ob auch in den Fällen des § 1319 ABGB eine Entlastung bezüglich der bloß subjektiven Umstände gestattet ist, lasse ich offen (vgl. auch § 5. A. und § 9. A.). 23 Haftpflichtrecht I 264 sowie 263 (Vermutung der Fähigkeiten) in Zusammenhang mit 99 f. (subjektiver Maßstab). 24 Koziol, Haftpflichtrecht I 264. Richtig ist auch die Berufung des OGH auf § 1297 ABGB in SZ 37/159 = ZVR 1965/195. Diesbezüglich ist auch EvBI. 1970/310 zuzustimmen. Unrichtig sind hingegen die dort vorgenommenen Ausführungen zu§ 1298 ABGB.
A. § 1297 ABGB I II. Widerlegbarkeit der Vermutung
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in einer außergewöhnlichen Zwangslage befunden hat25 • Nicht durch § 1297 ABGB ist hingegen eine Vermutung gedeckt, daß jemand an sich "den Verstandesgebrauch besitzt". Die Vollsinnigkeit ist dem klaren Wortlaut nach26 vielmehr Voraussetzung der Vermutung27 • Dies ist praktisch freilich ohne besondere Konsequenz, weil nach der Lebenserfahrung niemand ohne besondere Anhaltspunkte als geisteskrank oder geistesschwach anzusehen ist. Bei mangelnden körperlichen Fähigkeiten ist hingegen eine Entlastung zulässig, soweit kein Einlassungsverschulden (im subjektiven Sinn) vorliegt, dessen Fehlen ebenfalls vom Schädiger als Entlastungsgrund zu beweisen ist. Man denke etwa daran, daß jemand infolge plötzlich eintretender körperlicher Schwäche den Gegenstand, den er trägt, einem anderen auf die Füße fallen läßt. Hatte sich der Schädiger schon länger in diesem Schwächezustand befunden, so trifft ihn zwar kein Verschulden am Fallenlassen, wohl aber daran, daß er die Tätigkeit überhaupt verrichtete. Auch für mangelnde Kenntnisse greift die Entlastung Platz, soweit der Schädiger nachweist, daß er diese aus berücksichtigenswerten Gründen nicht zu vertreten hat. Nowakowski schilderte in einer seiner Vorlesungen folgenden Fall aus seiner früheren Praxis als Staatsanwalt: Ein russisches Landmädchen hatte während des 2. Weltkrieges in einem Österreichischen Betrieb zu arbeiten. Dort wurde es angewiesen, in einer Benzinwanne Metallteile zu reinigen. Bei dieser Arbeit bekam es kalte Hände und stellte deswegen die Wanne auf den Ofen.- Da es aus einer Gegend stammte, in der man mit Benzin damals noch nichts zu tun hatte, war ihr die Unkenntnis der Feuer- und Explosionsgefahr des Benzins nicht persönlich vorzuwerfen. Im Strafprozeßrecht hatte natürlich der Staatsanwalt die Beweislast für das Verschulden zu tragen, nach Zivilrecht hätten die angeführten Gründe zur Widerlegung der Vermutung des§ 1297 ABGB ausgereicht. War Rechtskenntnis zur Einhaltung der gebotenen Sorgfalt erforderlich (z. B. die Kenntnis verschiedener besonderer Verhaltensvorschriften, wie etwa die der StVO), so kommt neben § 1297 ABGB dem Beschädigten die allgemeine, aber ebenfalls widerlegbare Vermutung der Rechtskenntnis zugute (§ 2 in Zusammenhang mit § 326/3 ABGB) 28 • 26 Klang I Wolff2 VI 46; Ofner, Protokolle II 187. u Von jedem, "welcher den Verstandesgebrauch besitzt", wird vermutet ... 27 Das berücksichtigt Koziol, Haftpflichtrecht I 264 nicht. Treffend SZ 371159: ... "der Kläger welcher ja sonst ,den Verstandesgebrauch besitzt', (muß) beweisen, daß er sich ausnahmsweise im Zeitpunkt des Verkehrsunfalles im Zustand einer Bewußtseinsstörung befunden hat, ...". 28 Betrachtet man § 2 ABGB isoliert, so hindert die Unkenntnis einer Norm deren Anwendung nicht. § 32613 ABGB besagt, daß man aus Unwis-
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§ 11. §§ 1297 u. 1299 und Verhältnis der §§ 1296 - 1299 ABGB
Der geprüfte29 Kraftfahrer z. B. kann sich bezüglich mangelnder Kenntnis der StVO i. d. R. (Ausnahme: widersprechende Erkenntnisse der Höchstgerichte; allgemein unverständliche Bestimmungen) nicht entlasten, er hat das Fehlen der besonderen Kenntnisse (§ 1299 ABGB) zu vertreten. Während so im deliktischen Schadenersatzrecht eine weitgehende Entlastung bezüglich der subjektiven Fähigkeiten möglich ist, ist für das Schadenersatzrecht aus Vertragsverletzung der Bereich einer möglichen Entlastung enger zu ziehen. Wer freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung außergewöhnlichen Fleiß oder außergewöhnliche Kenntnisse erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er diese Voraussetzungen erfüllt und hat daher deren Mangel nach§ 1299 ABGB zu vertreten. Genauso gibt aber, wer ein Geschäft übernimmt, das gewöhnliche Kenntnisse und Fleiß erfordert, zu erkennen30, daß er diese besitzt und er hat daher deren Mangel in Analogie zu § 1299 ABGB ebenfalls unbedingt zu vertreten. Bei ihrem Mangel kommt es also zu einer Erfolgshaftung des Unterdurchschnittlichen bezüglich der Sorgfalt. Einzustehen ist naturgemäß aber bloß für das generelle Vorhandensein dieser Eigenschaften. Mehr wird durch eine derartige Geschäftsübernahme nicht garantiert. Daß der Schuldner oder seine Gehilfen im Augenblick der Erfüllungshandlung die körperlichen Kräfte nicht verliert, oder daß er zu dieser Zeit keine Bewußtseinsstörung erleidet, kann aus der Geschäftsübernahme nicht abgeleitet werden. Insoferne bleibt selbstverständlich hier wie bei deliktischer Schädigung im Rahmen des § 1297 ABGB eine Entlastung bezüglich der subjektiven Fähigkeiten offen. Dasselbe gilt für den nun zu besprechenden § 1299 ABGB.
senheit gesetzlicher Vorschriften ein redlicher Besitzer sein kann, also ein Besitzer, den kein Schuldvorwurf trifft. Schwind, ÖJZ 1951, 369 ff. verallgemeinert diesen Gedanken, stellt § 326/3 und § 2 ABGB gegenüber und folgert daraus zu Recht, daß Rechtskenntnis grundsätzlich vermutet wird, bei ihrer Unzumutbarkeit der Verschuldeusvorwurf entfällt. Ebenso: Gschnitzer, Allgemeiner Teil 18; Strasser I Reischauer, Der Arbeitskampf 71; im selben Sinn: Armin Ehrenzweig, System2 I/1, 57 f.; Koziol, Haftpflichtrecht I 98; Mayer-Maly, Rechtskenntnis und Gesetzesflut; ders., Anm. zu AP § 282 BGB Nr. 7; Kralik, Der Rechtsirrtum im Österreichischen Zivilrecht 9. 29 Beim ungeprüften Fahrer wird i. d. R. Einlassungsverschulden vorliegen. Dies muß nicht sein: Man denke etwa daran, daß jemand in einer Notstandssituation eine Fahrt unternimmt, weil kein geprüfter Fahrer aufzutreiben ist, die Fahrt (z. B. ein Krankentransport) aber nicht aufgeschoben werden kann. ao Vgl. auch oben nach FN 16.
B. § 1299 ABGB
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B. § 1299 ABGB "Wer sich zu einem Amte, zu einer Kunst, zu einem Gewerbe oder Handwerke öffentlich bekennt; oder wer ohne Not freiwillig ein Geschäft übernimmt, dessen Ausführung eigene Kunstkenntnisse, oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert, gibt dadurch zu erkennen, daß er sich den notwendigen Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse zutraue; er muß daher den Mangel derselben vertreten." Dieser strenge Sorgfaltsmaßstab gilt für jeden Beruf und jede Beschäftigung, die besondere Qualifikationen erfordern31, ob nun der Ausübende selbständig oder unselbständig32 tätig ist. Es ist die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmannes(§§ 347, 384, 390, 408 HGB) 33, des ordentlichen Frachtführers (§ 429 HGB), Rechtsanwalts, Notars usw., aber auch des Facharbeiters34 oder qualifizierten Angestellten. Das Wort "Gewerbe" ist in seinem weiten Sinne als jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen34• Das Tatbestandsmerkmal "öffentlich bekennen" meint bloß die entsprechende Kundgabe, wie etwa durch ein Zeugnis über ein erlerntes Fach34• Ein Arzt bekennt sich gleichermaßen zu seiner Kunst, ob er selbständig oder als unselbständiger Spitalsarzt arbeitet. All dies ist unstreitig. Die Frage, ob unter die einleitende Aufzählung des § 1299 ABGB alle qualifizierten beruflichen Tätigkeiten fallen, ob die Aufzählung taxativ oder demonstrativ35 ist, ist im übrigen ohne besondere Bedeutung, weil gleichzeitig fast immer die freiwillige Übernahme eines Geschäfts ohne Not vorliegt36• 87, "dessen Ausübung eigene Kunstkenntnisse oder einen nicht gewöhnlichen Fleiß erfordert". Die gehobenen Kunstkenntnisse und die Fähigkeit zu besonderem Fleiß vermutet § 1299 ABGB 38 unwiderleglich. Rücksichtlich der MögKlang I Wolf:f VI 48; Hasenöhrl, Obligationenrecht2 II 162. Treffend OGH 1. 2. 1972, 5 Ob 269 - 274171, Arb 8.954 = öRdA 1972, 249 und die dazu von Fenyves I Holzer verfaßte Besprechung, öRdA 1972, 253. s. a. OGH 28. 4.1970, Arb 8.762, S. 387. 33 Vgl. zum AHGB Hasenöhrl, Obligationenrecht2 II 163. 34 So auch Zeiller, Commentar IIII2, 718. as Klang I Wolf:f VI 48 und ihm folgend der OGH, Arb 8.954 = öRdA 1972, 249. 3 6 Klang I WolfP VI 48. 37 Die "Übernalune ohne Not" bezieht sich vor allem auf die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 1036 ABGB - vgl. Zeiller, Commentar IIII2, 719), aber auch auf dieübernahmewegen Zwanges (Klang I Wolff2 VI 49). Wer um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten ein Geschäft übernehmen muß - und wer muß das nicht? - hat es nicht in Not übernommen: auch nicht der Arbeitnehmer. 38 § 1300 bringt gegenüber § 1299 ABGB bezüglich des Sorgfaltsmaßstabes keine Besonderheiten mehr. Zu vermerken ist nur, daß wer unentgeltlich (richtig: gefälligkeitshalber) einen Rat erteilt, bloß bei vorsätzlicher Schädi31
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§ 11. §§ 1297 u. 1299 und Verhältnis der§§ 1296- 1299 ABGB
lichkeiten einer Entlastung bezüglich subjektiver Umstände kann auf das zu§ 1297 ABGB Ausgeführte verwiesen werden39• § 1299 ABGB hat demnach einen relativ weiten Anwendungsbereich. Es erhebt sich daher die Frage, wie die §§ 1297 und 1299 ABGB zueinanderstehen. C. Das Verhältnis der§§ 1297 und 1299 ABGB § 1299 ABGB bringt gegenüber § 1297 ABGB eine Erhöhung des Sorgfaltsmaßstabs. Beide Paragraphen haben zunächst dasselbe Anliegen, die Festsetzung des Maßstabs, gehen aber von verschiedenen Qualifikationsstufen aus40. § 1299 ABGB schneidet den Entlastungsbeweis hinsichtlich des Nichtvorhandenseins der besonderen Qualifikationen ab, § 1297 ABGB tut dies nicht41 . § 1299 ABGB gibt im wesentlichen den Sorgfaltsmaßstab für den Fachmann: er verlangt die durchschnittliche Sorgfalt des wertverbundenen Fachgenossen42 . In einer arbeitsteiligen Wirtschaft ist bezüglich seiner Arbeit fast jeder "Fachmann" und es gibt kaum noch Tätigkeiten, die jedermann ohne vorherige Einschulung übernehmen könnte. Mit § 1299 ABGB ist also für alle beruflichen Fähigkeiten zu fragen: Was ist die durchschnittliche Sorgfalt eines Elektro- oder Gasinstallateurs, eines Maschinenschlossers43 etc., und dies wiederum in der jeweiligen Position. Wird eine derartige Tätigkeit ausgeführt, so ist für die mangelnde fachliche Qualifikation einzustehen. Eine Entschuldigung ist dann nicht möglich. Der allgemeine Durchschnittsmaßstab des § 1297 ABGB stellt hingegen auf jedermann ab, d. h. er geht nicht von gehobenen Fähigkeiten aus. Nach Klärung des Anwendungsbereiches und der Bedeutung der Vermutungen der§§ 1297 und 1299 ABGB löst sich auch das Verhältnis der §§ 1296 bis 1299 ABGB 44.
gung haftet. Der gutgemeinte Rat soll nicht zur Schlinge werden. Wer ohne besonderes Entgelt hingegen in geschäftlicher Beziehung Ratschläge erteilt, haftet selbstverständlich nach den Bestimmungen des 1. Satzes des § 1300. Vgl. Gschnitzer, Schuldrecht. Besonderer Teil 171; Klang/WoLfP VI, 50f. ; Ehrenzweig, System2 II/1, 665 ff. 39 s. o. A. a. E. 40 Vgl. Ofner, Protokolle II 187 und Zeilter, Commentar III/2, 717; Fenyves I Holzer, öRdA 1972, 253. 41 Zur analogen Anwendung des § 1299 ABGB auf der Sorgfaltsstufe des § 1297 ABGB s. o. A. a. E. 42 Vgl. Zeilter, Commentar III/2, 717. 43 Zur Anwendung des § 1299 ABGB im Arbeitsverhältnis s.o. B. '' Zu § 1300 ABGB s. FN 38.
D. Systematik der §§ 1296 bis 1299 ABGB
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D. Systematik der §§ 1296 bis 1299 ABGB Da die§§ 1297 ABGB und 1299 ABGB die zur gebotenen Sorgfalt notwendigen subjektiven Fähigkeiten vermuten, obliegt dem Geschädigten, soferne der Schädiger an sich den Verstandesgebrauch besitzt, immer nur der Beweis der objektiven Sorgfaltsverletzung. Verschulden ist in § 1296 ABGB also bloß im objektiven Sinn, d. h. als Sorgfaltsverletzung, als Verhaltensunrecht zu qualifizieren. § 1296 ABGB ist daher i. V. m. §§ 1297 und 1299 ABGB wie folgt zu lesen: "Im Zweifel gilt die Vermutung, daß ein Schade ohne Sorgfaltsverletzung eines anderen entstanden sei." Im Verhältnis zu § 1298 ABGB bedeuten die §§ 1297 und 1299 ABGB hingegen, daß der mit dem Entlastungsbeweis wegen Nichterfüllung beschwerte Schuldner zu beweisen hat, daß er, je nach der von ihm verlangten Sorgfalt, den Sorgfaltsmaßstab der §§ 1297 oder 1299 ABGB eingehalten hat45 • Daneben bleibt ihm in den aufgezeigten Grenzen noch der Entlastungsbeweis bezüglich der subjektiven Fähigkeiten (Widerlegung der Vermutung des§ 1297 ABGB). Die §§ 1296 und 1298 ABGB besagen, wer den Sorgfaltsbeweis zu führen hat, die §§ 1297 und 1299 ABGB, was als Sorgfaltsverletzung gilt. Darüber hinaus zeigen die §§ 1297 und 1299 ABGB die Möglichkeiten und Grenzen einer Entlastung für subjektive Umstände.
45 Treffend: OGH 12. 12. 1973, 7 Ob 215/73, JBl. 1974, 624. Auch in der E v. 6. 6. 1974, 7 Ob 72174, JBl. 1974, 573 geht das Höchstgericht von dieser Ansicht aus. Im konkreten Fall war aber§ 1298 ABGB nicht heranzuziehen (s. o. § 8 FN 202a).
§ 12. Der Beweis der Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit Bei Schadenersatz wegen Nichterfüllung stehen folgende Beweisthemen zur Debatte:
1. der Schaden 2. die Nichterfüllung 3. die Kausalität der Nichterfüllung für den Schaden1 4. die Sorgfaltsverletzung des Schuldners (=Verschulden im objektiven Sinn= Verhaltensunrecht rücksichtlich der Nichterfüllung2) 5. das Verschulden im subjektiven Sinn (die persönliche Fähigkeit des Schuldners zur objektiv gebotenen Sorgfalt). 1 Von der Kausalität der Nichterfüllung für den Schaden ist die Kausalität für die Nichterfüllung zu unterscheiden. Ein Beispiel: Der zur Auswechslung
eines kaputten Dachziegels bestellte Handwerker kommt . nicht. Es. regnet daher durchs Dach: Wandmalerei wird beschädigt. Das Ausbleiben der Leistung (Nichterfüllung) ist kausal für den Schaden an der Wandmalerei. Der Dachdeckermeister war bei der Anfahrt zur Reparatur in einen Verkehrsunfall verwickelt. Der Verkehrsunfall war kausal für die Nichterfüllung. Probleme der Kausalität für die Nichterfüllung spielen im Rahmen der Prüfung der Sorgfaltsverletzung des Schuldners eine Rolle (nicht jedoch bei der Prüfung der Kausalität der Nichterfüllung). Weist der Dachdeckermeister nach, daß er sich verkehrsrichtig verhalten hat, so ist ihm keine Sargfaltsverletzung bezüglich der Nichterfüllung vorzuwerfen(- die Vorschriften der StVO bezwecken freilich nicht, die Sorgfalt eines Schuldners zu bestimmen. Begibt sich jedoch der Schuldner auf die Straße, um an den Erfüllungsort zu gelangen, so gehört die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften der StVO zur notwendigen zielstrebenden Sorgfalt bezüglich der Erfüllung). Das bezüglich der Verursachung der Nichtleistung Ausgeführte gilt genauso für Schlechtleistung. Liefert jemand verwässertes Heizöl (Schlechtleistung = Nichterfüllung) und wird dadurch die Heizanlage beschädigt, so ist die Kausalität der Nichterfüllung gegeben. Die Frage, ob der Schuldner oder seine Gehilfen die Verwässerung verursacht haben (z. B. mangelndes Absichern gegen Regen), die Kausalität für die Schlechtleistung (= Nichterfüllung), ist erst im Rahmen des Entlastungsbeweises zu erörtern. Vgl. den Heizölfall (vgl. § 13 nach FN 17), wo der OGH fälschlicherweise dem Gläubiger die Beweislast für die Verursachung der Verwässerung (Kausalität für die Nichterfüllung) auflastete. Der Gläubiger hatte hier nur zu beweisen, daß schlecht erfüllt wurde. - Vgl. zur Vermutung der Kausalität für die Nichterfüllung auch Hainmüller, Anscheinsbeweis 152 f. - Ein anderes Problem ist der Unmöglichkeitsbeweis durch den Gläubiger, wenn er den Wert der Leistung anstatt der Leistung realisieren will (s.o. im Text). 2 Zur Frage der Prüfung der Kausalität für die Nichterfüllung im Rahmen der Sorgfaltsverletzung s. FN 1.
A. Ersatzanspruch wegen Ausbleibens der Leistung
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Besondere Probleme ergeben sich überdies bezüglich eines anfänglich unbehebbaren Mangels einer Spezies. Darauf wird gesondert einzugehen sein (s. u. C. und§ 13. C.). Die Nichterfüllung ist der Ansatzpunkt der Aktualisierung der dem Schuldverhältnis innewohnenden Haftung. Solange sie nicht feststeht, hat der Gläubiger keinen Ersatzanspruch. Da sich der Gläubiger auf die Nichterfüllung als Anspruchsvoraussetzung stützt bzw. stützen muß, liegt es nahe, ihm die Beweislast dafür aufzulasten. Als allgemeine Beweislastregel bietet sich demnach an: Der Gläubiger hat die Nichterfüllung und den dadurch verursachten Schaden zu beweisen (Beweisthemata 1.- 3.), der Schuldner hat sich zu entlasten (Beweisthemata 4. u. 5.). Die Voraussetzungen der Aktualisierung des Schadens wegen Nichterfüllung sind je nach der Art des geltend gemachten Anspruchs verschieden. So hat der Gläubiger beispielsweise nicht ohne weiters wegen Ausbleibens einer geschuldeten Sachleistung einen Anspruch auf den Wert der Gegenleistung (Austauschmethode § 920 ABGB) oder auf den Differenzwert zwischen Leistung und Gegenleistung (§ 921 ABGB 3). Zunächst ist also zu fragen, welchen Schaden der Gläubiger geltend machen will. Will er den Verspätungsschaden beanspruchen, will er den Wert der Gegenleistung realisieren (Austausch- oder Differenzmethode) und die Folgeschäden des Ausbleibens der Leistung oder geht sein Begehren auf Ersatz der Mangelfolgeschäden?
A. Ersatzanspruch wegen Ausbleibens der Leistung Der Anspruch aus dem Schuldverhältnis geht zunächst auf Leistung (Primäranspruch). Der auf den Wert der Gegenleistung bzw. die Wertdifferenz zwischen Leistung und Gegenleistung ist sekundärer Natur4 • Der Gläubiger soll zu allererst nur die vereinbarte Leistung bekommen. In voller Strenge ordnete dies § 919 a. F. ABGB an. Lag kein vereinbartes Rücktrittsrecht vor, so sollte der Gläubiger nur genaue Erfüllung und (ferner) Ersatz bekommen. Nur wenn der Schuldner gar nicht erfüllte (d. h. nicht erfüllen konnte), hatte der Gläubiger auch Anspruch auf Ersatz des Werts der Leistung. Voraussetzung für den Ersatz dieses Schadens war die Unmöglichkeit, die also neben der Nichterfül3 § 921 ABGB gewährt den Ersatz des durch verschuldete Nichterfüllung (Beweislastumkehr) verursachten Schadens. Darin steckt auch der Differenzanspruch, aber nicht nur er. Verursacht sind auch die Folgeschäden des Ausbleibens. - Treffend OGH 30. 6. 1971, 5 Ob 88/71, RZ 1972, 15. 4 Treffend bezeichnet Jakobs für das BGB die nachträgliche Unmöglichkeit als Befreiung des Gläubigers von der Beschränkung auf den Primäranspruch (Unmöglichkeit 72 ff.). - Was den Umfang der eingegangenen Verbindlichkeit betrifft, vermag ich allerdings Jakobs nicht zu folgen (s.o. § 8 insb. nach FN 12).
14 Reisehauer
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§ 12. Beweis der Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit
lung vom Gläubiger zu beweisen war5 und auch heute noch zu beweisen ist6, wenn dieser Anspruch auf Unmöglichkeit gestützt wird7• Der Gläubiger kann jedoch den Beweis der Unmöglichkeit dadurch umgehen, daß er den Schuldner zunächst auf Leistung klagt. Bei dieser Klage auf eine bestimmte positive Einzelleistung (Lieferung einer Ware, Zahlung des Kaufpreises, des Zinses usw.) braucht der Gläubiger nur das Entstehen der Forderung, den Vertragsabschluß, beweisen. Stehen diese anspruchsbegründenden Tatsachen fest, so wird, solange der Schuldner nicht die Erfüllung oder Verjährung (anspruchsvernichtende Tatsache) bewiesen hat, die Fortdauer des Rechts8 auf die Primärleistung angenommen. Klagt der Darlehensgeber auf Rückzahlung des Darlehens, so hat der Darlehensnehmer zu beweisen, daß er bereits gezahlt hat. Klagt der Käufer auf Übergabe der Ware oder der Verleiher auf Rückgabe der Sache, so hat der Verkäufer bzw. der Entlehner zu beweisen, daß er diesen Verbindlichkeiten bereits nachgekommen ist. Mißlingt dieser in der Regel leicht zu erbringende Beweis (Empfangsbestätigung, Frachtbrief etc.), so gilt die Verbindlichkeit als nicht erfüllt und ist es in der Regel auch tatsächlich nicht, rechtlich hat sie jedenfalls als nicht erfüllt zu gelten. Beruft sich der Schuldner z. B. bei Spezies- oder beschränkter Gattungsschuld nun auf Unmöglichkeit, so kann ihn der Gläubiger beim Wort nehmen (Prinzip der formellen Wahrheit) und auf den Ersatzanspruch umsteigen (§ 235 Abs. 4 ZPO). Er kann, er muß es aber nicht. Solange die Unmöglichkeit nicht offenkundig ist, hat er das Recht, die Mittel des Exekutionsrechts einzusetzen, um sich letztlich Gewißheit von der Durchsetzbarkeit zu verschaffen9 • Nach gescheiterter Exekution kann er immer noch das Interesse begehren (§ 368 EO). Dieselben Möglichkeiten hat der Gläubiger, wenn der Schuldner zu erkennen gibt, daß er (trotz Möglichkeit) nicht zur Leistung bereit sein wird. Wie man für den Rücktritt keine Nachfrist zu setzen braucht, wenn der Schuldner von vornherein erklärt, nicht leisten zu wollen10 (Sinnlosigkeit der s Siehe zur alten Rechtslage, HasenöhrZ, Obligationenrecht2 li 370. s Vgl. Armin Ehrenzweig, System2 II/1, 298. 7 Für das BGB ergibt sich dies aus § 282 direkt. Für das ABGB ergab sich das zunächst unmittelbar aus § 919 a. F. - Daß der Gläubiger auch seit der 3. Teilnovelle nicht ohne weiters den Wert der Gegenleistung bzw. die Wertdifferenz der gegenüberstehenden Leistungen liquidieren kann, zeigt heute insbesondere § 918 ABGB. Erst nach dem ergebnislosen Verstreichen einer Nachfrist darf der Gläubiger zurücktreten (§ 918 ABGB) und den Schaden nach § 921 ABGB liquidieren. s s. Holzhammer, österreichisches Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren 201; Ehrenzweig, System2 1/1, 370. 9 Vgl. Koziol I Welser, Grundriß3 I 173; Klang I Bydlinski2 IV/2, 173.- Vgl. für das BGB auch Jakobs, Unmöglichkeit 230 ff. 10 Gschni tzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 70.
A. Ersatzanspruch wegen Ausbleibens der Leistung
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Nachfristsetzung), so auch hier nicht. Gelingt dem Schuldner bloß der Beweis der Erfüllung nicht oder gesteht er bloß die Nichterfüllung, nicht aber die Unmöglichkeit zu, so kann der Gläubiger nach erfolglosem Verstreichen der Urteilsfrist statt der Leistung Ersatz begehren11, wenn nicht der Schuldner nach Urteilsfällung die Erfüllung beweist. Die Urteilsfrist hat materiell-rechtlich die Wirkung der Setzung einer angemessenen Nachfrist(§ 918 ABGB). Der Gläubiger hat einen Anspruch auf die Realisierung des Werts der Schuldnerleistung schließlich auch dann, wenn er bei Schuldnerverzug zurücktritt bzw. zum Leistungstermin beim Fixgeschäft nicht geleistet wurde. Die Annahme, daß der Anspruch auf Primärleistung bis zu diesen Zeitpunkten bestand, also nicht durch die Leistung vernichtet wurde, ist hier ebenso gerechtfertigt, wie wenn zunächst auf Erfüllung geklagt wird. Es obliegt daher auch in diesen Fällen dem Schuldner, die Erfüllung zu beweisen. Klagt der Gläubiger, gestützt auf seinen RücktriW 2 bzw. auf das Unterbleiben der Leistung zum Fixzeitpunkt auf Schadenersatz, so hat er als Anspruchsvoraussetzung für die Sekundärleistung die Nachfristsetzung bzw. den Fixzeitpunkt zu beweisen; der Schuldner, daß er schon bei Fälligkeit oder innerhalb der Nachfrist bzw. zum Fixzeitpunkt geleistet hat1 3• Mißlingt dieser Beweis, so gilt die Forderung als nicht erfüllt. Der Gläubiger steht daher im Schadenersatzprozeß wegen Ausbleibens der Leistung hinsichtlich Vgl. dazu auch § 283 BGB. Eine hier nur am Rande zu erörternde Frage: Kann der Gläubiger bei erfolglosem Verstreichen der Nachfrist für eine mögliche Leistung statt des Rücktritts und des Differenzanspruches wie bei Unmöglichkeit beim Vertrag bleiben, seine Leistung erbringen und als Schaden den vollen Wert der Gegenleistung verlangen (Austauschanspruch)? Die Regelung ist nur für die Unmöglichkeit vorgesehen. Die Interessenlage des Gläubigers ist bei der Wahl zwischen beiden Methoden des Ersatzes beim Verzug aber gleich, der Schuldner im einen Fall nicht schützenwerter. Eine Analogie ist m. E. tragfähig. Der Gläubiger müßte bei (objektivem) Verzug nur die Nachfrist setzen, und für den Fall des ergebnislosen Verstreichens ohne Entlastung hätte er alternativ den Anspruch auf Schadensliquidierung nach der einen oder anderen Methode. Man vgl. etwa folgenden Fall: A habe dem B gattungsweise Getreide versprochen, B dem A einen bestimmten gebrauchten Traktor (Spezies). A leistet nicht. Soll B nicht nach Nachfristsetzung den Traktor leisten können und Geldersatz für das versprochene Getreide verlangen können? Wenden wir den Fall: die Spezies ging, was nicht widerlegt wurde (§ 1298 ABGB), aus dem B zu vertretenden Umständen unter. Kein Zweifel, A kann beim Vertrag bleiben (§ 920 ABGB), von B Geld verlangen und seine Leistung erbringen. Dasselbe muß wohl analog im anderen Fall gelten. Die Frage ist freilich nicht so brennend, weil der Gläubiger des Getreides ja nicht zurücktreten muß, beim Vertrag bleiben kann und wenn sich genügend von der Gattung beim Schuldner befindet, darauf exekutieren kann. Anders liegt der Fall jedoch schon, wenn der Schuldner die Gattung erst zu beschaffen hat. 13 Selbstverständlich genügt auch der Beweis des Gläubigerverzuges bzw. der Hinterlegung wegen Gläubigerverzuges. 11
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§ 12. Beweis der Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit
des Erfüllungsbeweises immer gleich, mag er nun zunächst im Prozeß auf Erfüllung bestehen oder vor dem Prozeß bereits zurückgetreten sein und nun die Frage des Ausbleibens der Leistung zur Debatte stehen. Eine Differenzierung bezüglich des Erfüllungsbeweises wäre in den erwähnten Fällen nicht angebracht. Das Recht des Schuldners, nur gegen Ausstellung einer Quittung(§ 1416 ABGB) zu leisten, sichert ihn, falls er tatsächlich geleistet hat, weitgehend vor einer doppelten Leistungsbeanspruchung bzw. vor einem Schadenersatzbegehren wegen Nichtleistung. Die Gefahr einer ungerechtfertigten Beanspruchung ist also gering, weil der Schuldner dagegen entsprechende Vorbeugungsmaßnahmen treffen kann. Es bestehen daher keine Bedenken, ihm auch bei einem Schadenersatzbegehren wegen Nichtleistung die Beweislast für die Erfüllung tragen zu lassen. Steht also in den genannten Fällen mit dem Mißlingen des Erfüllungsbeweises durch den Schuldner die Nichterfüllung und der Anspruch auf den Wert der Schuldnerleistung (Austauschanspruch)1 4 bzw. auf den Differenzwert zwischen Leistung und Gegenleistung fest, so steht dem Grunde nach auch der Ersatzanspruch des Gläubigers fest, wenn der Schuldner sich nicht entlastet. Der Gläubiger hat nur den Wert der unterbliebenen Leistung darzutun. Bei der Berechnung des objektiven Werts der Gegenleistung gibt es auch keine besonderen Probleme mehr. Darüber hinaus sind aber die aus dem gänzlichen Ausbleiben der Leistung entstehenden Folgeschäden zu vergüten: Ein Baumeister kauft bei A Zement, lieferbar am 30. fix. Die Ware kommt nicht, der Baumeister kauft nun bei B. Infolge des Ausbleibens der Leistung des A kann der Baumeister seine Arbeiter an der Baustelle durch zwei Tage nicht beschäftigen und muß daher später Überstunden anordnen15• 16• Diesbezüglich obliegt dem Gläubiger der Beweis der Kausalität der feststehenden Nichterfüllung für die Folgeschäden. Die Kausalität eines Nichtgeschehens - eines faktischen Nichts - läßt sich freilich nur durch eine gedankliche Kette bezüglich des Ausbleibens der Leistung und den eingetretenen Schäden herstellen: Das Fehlen eines Gutes (z. B. Zement) hat Schäden (z. B. Überstundenzahlung) verursacht. Der Schuldner hätte ein derartiges Gut im schadensverhindernden Ausmaß zu leisten ge14 Vgl. auch die in FN 12 gemachten Ausführungen zu einer Schadensberechnung nach der Austauschlehre bei Verzug. 15 Nicht die Lohnzahlung während der Untätigkeit ist der verursachte Schaden, sondern die Mehrkosten der überstunden etc. 18 Daß der Baumeister auch bei leichter Fahrlässigkeit des A nicht bloß auf die Liquidierung des Differenzwertes beschränkt ist, liegt auf der Hand. Er hätte ja auch bei bloßer Verzögerung Anspruch auf Ersatz dieses Schadens. Würde man bei leichter Fahrlässigkeit des Schuldners diesen Anspruch des Gläubigers verneinen, dann wäre der Verzug praktisch in den meisten Fällen, soweit es sich nicht um Geldschulden handelt, sanktionslos. - s. a. §8FN42.
B. Mangelhaftigkeit als Ausbleiben der geschuldeten Qualität
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habt. - An solche Kausalitätsbeweise können naturgemäß nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden. Daher muß es für den Beweis der Nichterfüllung als Ursache eines Schadens, der erwiesenermaßen aus dem Fehlen eines Gutes, wie des geschuldeten resultiert, genügen, daß dem Schuldner der Erfüllungsbeweis mißlingt. Nur daher kann auch hier darauf verzichtet werden, daß der Gläubiger die Nichterfüllung beweist. Dies ist auch mit der ratio des § 1298 ABGB, der prinzipiellen Erfolgsverantwortung des Schuldners bei einer Erfolgsverbindlichkeit für den Fall der Nichtherbeiführung des Erfolges, im Einklang. Gelingt dem Schuldner, der wegen Ausbleibens der Leistung in Anspruch genommen wird, der i. d. R. leicht zu erbringende Beweis, daß er geleistet hat, nicht, so hat er i. d. R. auch den geschuldeten Erfolg nicht erbracht und soll deshalb die Erfolgsverantwortung tragen, wenn er sich nicht entlastet. Das Problem der Folgeschäden wegen Ausbleibens der Leistung stellt sich in gleicher Weise beim Verzug. B. Die Mangelhaftigkeit als Ausbleiben der geschuldeten Qualität (Erfüllungs- und Ersatzansprüche wegen des Minderwerts der Sache) Hat der Gläubiger die ihm als Erfüllung angebotene Leistung übernommen und erweist sie sich als mangelhaft, so liegt bei Spezieskäufen, gemessen an der geschuldeten Qualität, Nichterfüllung vor17 • Bei Gattungsgeschäften haben wir es mit dem gänzlichen Ausbleiben der geschuldeten Leistung zu tun, da ein aliud i. w. S. geleistet wurde, "mag auch die Abweichung vom Geschuldeten nicht so groß sein" 18• Der Verbesserungsanspruch - bei einer Gattungsschuld besteht er im Anspruch auf Lieferung einwandfreier Gattung19 - ist nichts anderes als der Anspruch auf Erfüllung. Er hat seinen Rechtsgrund nicht im Mangel, sondern im ursprünglichen vertraglichen Recht auf einwandfreie Leistung20 • Wandlung und Minderung sind für das Österreichische Recht auch bei unbehebbaren Mängeln nichts anderes als spezielle Sanktionen der Nichterfüllung. Entsteht der unbehebbare Mangel nach Vertragsschluß und vor Übergabe, so entspricht dies der nachträglichen (teilweisen) Unmöglichkeit. Besteht der Mangel schon bei Vertragsschluß, so ist der in vollem Umfang zustandegekommene Vertrag20a Klang I Bydlinski2 IVI2, 152 f. 1s Klang I Bydlinski2 IVI2, 156, 162; s. a. Klang I Gschnitzer2 IVI1, 451; Kramer OJZ 1972, 565; Klang I Pisko1 11!2, 468; OGH 10. 4. 1973, 3 Ob 48/73, JBl. 1974, 264 ff. 19 Klang I Bydlinski2 IV/2, 161; Kramer, JBl. 1972, 406 FN 33 ; OGH 28. 2. 1973, 7 Ob 16173, JBl. 1973, 616. 20 Klang I Bydlinski 2 IVI2, 152; Kramer, JBl. 1972, 405 ff. 20a S. U. § 13. C. 17
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§ 12. Beweis der Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit
ebenfalls nicht gänzlich erfüllt. Wiederum stehen als Sanktion u. a. die Gewährleistungsbehelfe zur Verfügung. Muß nun der Schuldner, der auf Erfüllung (Verbesserung) in Anspruch genommen wird oder gegen den der Gläubiger mit Wandlung oder Minderung vorgeht, nach den oben erwähnten Grundsätzen die Erfüllung beweisen oder der Gläubiger die Nichterfüllung, d. h. die Mangelhaftigkeit? - Der deutlichste gesetzliche Anhaltspunkt ist § 925 ABGB: Nur bei gewissen Tiermängeln wird- wenn sie innerhalb einer bestimmten Frist20b auftretenvermutet, daß der Mangel schon vor Übergabe vorhanden war, daß erfüllt worden ist. Ein wegen des Ausnahmecharakters des § 925 ABGB unbedenklicher Gegenschluß aus dieser Norm ergibt, daß ansonsten immer der Gläubiger den Mangel, d. h. die Nichterfüllung, zu beweisen hat. Das Ergebnis ist auf den ersten Blick eigenartig. Es scheint allem bisher Gesagten zu widersprechen. Weshalb trägt gerade hier der Gläubiger die Beweislast für die Nichterfüllung, wenn er Erfüllung (= Verbesserung) begehrt? Verfehlt wäre es, die schon objektive Irrlehre hier neuerlich aufzuwärmen und anzunehmen, der Gläubiger trage die Beweislast, weil mit der Übernahme der Sache eben erfüllt sei. Wäre nämlich erfüllt bzw. "als Erfüllung angenommen", hätte also der Gläubiger die Sache genehmigt, so gäbe es auch keinerlei Gewährleistungsansprüche. Das zeigt besonders § 377 Abs. 2 HGB, der durch seine Fiktion der Genehmigung diese Rechte ausschließt21 • Daß auch der Erfüllung (Verbesserung} begehrende Gläubiger die Beweislast für die Nichterfüllung (= mangelhafte Leistung} trägt, ergibt sich vielmehr daraus, daß nach Übernahme der Sache der Schein für die ordnungsgemäße Erfüllung spricht und außerdem die Möglichkeit besteht, daß der Gläubiger den Mangel nach Übernahme verursacht hat oder daß der Mangel sonst irgendwie erst nach Übernahme entstand. Nicht zuletzt deshalb verlangt § 926 ABGB bei Viemängeln, - gleichsam als Gegenlast für den nicht auferlegten Nichterfüllungsbeweis - eine qualifizierte Beweissicherung dafür, daß der Mangel innerhalb der gesetzlichen Frist aufgetreten ist. Der mit der Übergabe für die Erfüllung sprechende Schein hat dabei nicht bloß den Charakter eines Indizienoder prima-facie-Beweises, er ist vielmehr ratio einer Beweislastverteilung, die dem Satz, daß der Anspruchswerber die für eine Leistung anspruchsbegründenden und der Belangte die anspruchsvernichtenden Tatsachen zu beweisen hat, eine Grenze zieht22 • s. BGBl. 1972/472. Klang I Bydlinski2 IV/2, 159. 22 Wenn § 363 BGB dem Gläubiger nach der "Annahme als Erfüllung" die Beweislast für die Nichterfüllung auflädt, wenn er "die Leistung nicht als Erfüllung gelten lassen will", so zeigt dies deutlich, daß er "Annahme als 20b 21
B. Mangelhaftigkeit als Ausbleiben der geschuldeten Qualität
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Im Gegensatz zum gänzlichen Ausbleiben der Leistung kommt das Gesetz dem Gläubiger nach Sachübernahme im Bereich des Erfüllungsbeweises nicht mehr entgegen. Und das völlig zu Recht. Denn das Mißlingen eines dem Schuldner auferlegten Erfüllungsbeweises würde hier - anders als bei gänzlichem Ausbleiben der Leistung - leicht dazu führen, daß ihn trotz Herstellung des vertraglich vereinbarten Erfolges eine Haftung für den Nichteintritt des Erfolges träfe. Deshalb hat der Gläubiger, selbst wenn er Erfüllung verlangt (Verbesserung), die Nichterfüllung zu beweisen. Haftung für den Nichteintritt des Erfolges trotz Eintritts des Erfolges widerspräche dem Inhalt der Schuldverhältnisse. Haftung wegen Nichteintritt des Erfolges aufgrund mangelnder Entlastung steht hingegen mit dem Wesen der Erfolgsverbindlichkeit im Einklang. Klagt also der Gläubiger auf Verbesserung, macht er den Rest des aus dem Vertrag resultierenden Leistungsanspruches geltend, so hat er die Mangelhaftigkeit, d. h . die teilweise Nichterfüllung zu beweisen. Erst wenn die teilweise Nichterfüllung feststeht, tritt die Beweislage wiederum in die ursprüngliche, d. h. nach Vertragsschluß aber vor Übergabe bestehende Situation: Der Vertrag gilt als nicht erfüllt, solange nicht der Schuldner beweist, daß er nach dem Aufdecken der (teilweisen) Nichterfüllung verbessert, d. h. erfüllt hat. Hinsichtlich des Verbesserungsanspruches gelten sodann bezüglich Rücktritt und Schadenersatz die allgemeinen Regeln über Verzug und Vereitelung28 • Verabsäumt der Schuldner die Verbesserung, so kann der Gläubiger auch vom gesamten Vertrag zurücktreten. Dies hätte er ja schließlich auch gekonnt, wenn er im Augenblick der Übergabe den Mangel bemerkt hätte und die Sache unter Nachfristsetzung (§ 918 ABGB) zurückgewiesen hätte. Es gibt keinen sachlich zu rechtfertigenden Grund, den Gläubiger schlechter zu stellen, weil er die Sache in Unkenntnis des Mangels übernommen hat. Schon gar nicht darf er schlechter gestellt werden, wenn er sie in Kenntnis des Mangels unter Vorbehalt der Verbesserung übernimmt. Mit dem Gesamtrücktritt hat der Gläubiger auch das Recht der Schadensliquidierung bezüglich des Werts der vereinbarten Leistung28a. Analoges muß für den Teilrücktritt gelten. Ist die Sache bei Übergabe mit einem nach Vertragsabschluß entstandenen unbehebbaren Mangel behaftet, so liegt teilweise oder gänzlich nachträgliche Unmöglichkeit (§ 921 ABGB) vor und bei fehlender Entlastung ist auch hier Schadenersatz für den Wert der Erfüllung" nicht technisch als Verzicht auf Erfüllungsansprüche versteht (s. a. BGB-Protokolle I 637; BGB-RGRK-Löscher11 § 363 Anm. 3- 5; Soergel I Schmidt10 § 363 Anm. 1). 23 Vgl. Klang I Bydlinski 2 IV/2, 153 f.; Kramer, JBl. 1972, 405 ff. 23a s.o. A.
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§ 12. Beweis der Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit
Sache zu leisten. Für eine Beschränkung auf die vom Verschulden unabhängigen Gewährleistungsansprüche (Wandlung, Minderung) besteht für das Österreichische Recht kein Anhaltspunkt. Rinnt das als Spezies verkaufte Faß Wein nach Vertragsabschluß, aber vor Übergabe, aus, so kann der Gläubiger je nach der Austausch- bzw. Differenzmethode den Wert des Fasses bzw. die Wertdifferenz zwischen seiner Geldleistung und der Weinmenge beanspruchen, wenn sich der Schuldner nicht entlastet. Gelangt in das Faß hingegen irgendeine Substanz, die den Wein ungenießbar macht, so kann der Gläubiger, der die Sache übernommen hat, nicht schlechter gestellt, d. h . nicht auf Wandlung beschränkt sein24• Vollends willkürlich wäre es, folgendermaßen zu differenzieren: Wenn der Gläubiger die angebotenen Sachen zurückweist, so hat er das Recht, den Wert der geschuldeten Sache zu verlangen, wenn er die Sache jedoch übernimmt, so ist er auf Gewährleistungsbehelfe, im beschriebenen Fall auf die Wandlung, beschränkt. Die Übernahme der Sache, regelmäßig in Unkenntnis des Mangels, rechtfertigt eine derartige Unterscheidung durch keinen wie immer gearteten Gesichtspunkt. Besonders problematisch ist die Frage des Ersatzes des Werts der vereinbarten Leistung, wenn der Mangel einer Spezies211 ursprünglich und unbehebbar ist. Der Schuldner hat den Mangel - zumindest nach Vertragsschluß - nicht verursacht. Eine Entlastung ist diesbezüglich daher schon gelungen, wenn die anfängliche Unmöglichkeit feststeht28• Der Gläubiger kann also unter diesem Gesichtspunkt den Wert der Sache, den diese mit den vereinbarten Eigenschaften hätte, nicht liquidieren. Sieht man mit Rabel in der Übernahme der Verbindlichkeit eine Garantie für die Leistungsmöglichkeit27 bzw. mit der hier vertretenen Ansicht im Schuldnerversprechen eine Erfolgsverbindlichkeit, so ändert sich das Bild. Der Erfolgsverbindlichkeit entspricht eine prinzipielle Erfolgshaftung. Der Schuldner kann sich dann nur durch bestimmte Entlastungsgründe befreien, nach unserer Meinung, wenn 24
§ 463 BGB gibt bei Spezieskäufen einen Schadenersatzanspruch, wenn
zur Zeit des Kaufabschlusses eine Eigenschaft zugesichert oder ihr Fehlen
arglistig verschwiegen wurde, regelt also den anfänglichen Mangel einer Spezies. - Geht die verkaufte Sache hingegen nach Abschluß, aber vor Übergabe unter, so gelten die allgemeinen Regeln über die nachträgliche Unmöglichkeit. Vgl. Larenz, Schuldrecht10 II 25. !5 Bei einer Gattung ist der Mangel, wenn die vereinbarte Eigenschaft nicht der gesamten Gattung fehlt, immer behebbar (s. o. vor FN 19). 28 Besteht ein behebbarer Mangel bei Vertragsschluß, so liegt der Fall wegen der Verbesserungspflicht anders. 27 Zur Lehre von der Unmöglichkeit der Leistung nach österreichischem Recht, ABGB-FS II 834 = Rabel, Gesammelte Aufsätze I 89: .. . "wer sich verpflichtet, prüfe vorher seine Leistungsfähigkeit und halte nachher, was er versprach".
B. Mangelhaftigkeit als Ausbleiben der geschuldeten Qualität
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er von der Nichtexistenz der Sache weder wußte noch wissen mußte27a. Dies wird beim Spezieskauf27b näher ausgeführt. Hier ist nur festzuhalten, daß im ABGB die anfängliche gänzliche Unmöglichkeit das gültige Zustandekommen eines Vertrages grundsätzlich nicht hindert, genausowenig hindert die teilweise (qualitative) anfängliche Unmöglichkeit der Erfüllung das Zustandekommen des Vertrages im Umfang der vereinbarten Eigenschaften. Daher kann der Gläubiger grundsätzlich die einer Erfolgsverbindlichkeit entsprechende Erfolgshaftung geltend machen. Will der Gläubiger den Wert liquidieren, den die Sache bei Mangelfreiheit hätte, so braucht er bloß den unbehebbaren Mangel der Sache beweisen (d. h. die qualitative Nichterfüllung und die Unmöglichkeit dieser Erfüllung). Beruft sich dagegen der Schuldner auf eine nach Vertragsschluß, aber vor Übergabe geschehene Verschlechterung der Sache, so muß er beweisen, daß er den Mangel nicht sorgfaltswidrig herbeigeführt hat bzw., daß er ihn trotz gehöriger Vorsicht nicht abwenden konnte. Behauptet er einen schon bei Vertragsschluß bestehenden Mangel, so hat er zu beweisen, daß er von ihm nicht wußte und auch nicht wissen konnte. Damit wird er von der gemäß § 878 ABGB prinzipiell gegebenen Erfolgsverbindlichkeit vorbehaltlich der Gewährleistungsansprüche frei. Ist nicht zu klären, ob der unbehebbare Qualitätsmangel ein anfänglicher oder ein nachträglicher ist oder ob die Sache bereits bei Vertragsschluß untergegangen war, so ist m . E . wegen der prinzipiellen Erfolgsverantwortung des Schuldners die für den Gläubiger günstigere Variante anzunehmen. Zu denken wäre etwa an folgenden Fall: Der Musikalienhändler M veranlaßt in seinem Geschäft den Künstler K, ihm seine "Amati" zu verkaufen. K willigt ein, kann jedoch dann nicht ordnungsgemäß leisten, weil sein 3jähriger Sohn die Geige zerschlug und der Schaden irreparabel ist. Im Prozeß kann nicht geklärt werden, ob das Malheur vor oder nach Vertragsschluß geschah. Geschah es vor Vertragsschluß, so kann K nicht vorgeworfen werden, daß er um die anfängliche Unmöglichkeit der Leistung wußte oder hätte wissen müssen. Er wurde im Geschäft zum Verkauf veranlaßt und mußte nicht etwa noch zu Hause anrufen, ob denn nicht die Geige inzwischen zerschlagen worden sei. Bei anfänglicher Unmöglichkeit ist er daher von der prinzipiellen Haftung für das Erfolgsinteresse befreit. Zerschlug das Kind die Geige jedoch nach Vertragsschluß, so liegen die Dinge anders. Hat der Verkäufer die Sache nach Vertragsschluß nicht unverzüglich ordentlich verwahrt (§ 1061 ABGB) und konnte das Kind deshalb die Geige zerstören, so ist dem K der Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB abgeschnitten. Kann nicht geklärt werden, ob die Sache wegen schlampiger Verwahrung vor oder 27a 27b
s. aber auch § 13 FN 57a. s. u. § 13. c.
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§ 12. Beweis der Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit
nach Vertragsschluß ruiniert wurde, so trifft die Beweislast den Schuldner. Dies ist nur die Konsequenz eines Systems, das den Schuldner prinzipiell für den Erfolg einstehen und selbst anfänglich nicht erfüllbare Verträge zustandekommen läßt. C. Die Mangelhaftigkeit als Ursache von Mangelfolgeschäden Wie in § 8. B. li. ausführlich gezeigt wurde, ist mit dem Interesse des Gläubigers, eine einwandfreie Leistung zu erhalten, untrennbar das Interesse verbunden, durch Mängel keine Folgeschäden zugefügt zu bekommen. Die Erfolgsverbindlichkeit des Schuldners zur mangelfreien Leistung hat daher auch den Zweck, Mangelfolgeschäden auszuschließen. Fällt dem Mieter die Zimmerdecke auf den Kopf, so haftet der Vermieter wegen des nicht ordnungsgemäßen Zustandes der Wohnung (nicht gehörige Erfüllung) für den dadurch verursachten Schaden, wenn ihm die Entlastung nicht gelingt28. Ebenso haftet der Unternehmer, dessen Werk zu einer Verletzung des Bestellers führt. Hier interessiert, ob der Geschädigte die Nichterfüllung oder der potentielle Schädiger die Erfüllung zu beweisen hat. Wie schon im Eingang dieses Paragraphen erwähnt, ist die Nichterfüllung Voraussetzung für die dem Schuldverhältnis innewohnende Haftung für Schädigungen aus Vertragsverletzungen29. Wir haben aber gesehen, daß dem Gläubiger, der wegen des gänzlichen Ausbleibens einer Leistung zu positivem Tun auf Erfüllung besteht, bezüglich des primären Leistungsanspruches der allgemeine Grundsatz zugute kommt, daß der Gläubiger die anspruchsbegründenden und der Schuldner die anspruchsvernichtenden Tatsachen zu beweisen hat und bloß das Bestehen des Vertrages und der Schuldner dessen Erfüllung dartun muß. Gelingt dem Schuldner der Erfüllungsbeweis nicht, so gilt die Leistung als nicht erbracht und der Schuldner muß je nach Klagebegehren und Inhalt des Vertrages leisten oder an Stelle der Leistung (untergegangene Spezies, Rücktritt bei Gattung, Fixgeschäft) bei fehlender Entlastung den Schaden ersetzen. Gleiches gilt für die aus dem Ausbleiben der Leistung resultierenden Folgeschäden. Bezüglich dieser Folgeschäden (Verzögerungsschäden, 28 So auch der OGH bei Miete (s. § 1. A. IV.; § 2. B.; § 15), nicht jedoch bei Kauf und Werkvertrag (s. § 1. A. I. II.; § 2. A.; § 13.; § 14). 29 Koziol dürfte den Beweis für die Nichterfüllung immer dem Gläubiger auflasten wollen, wenn Schadenersatz begehrt wird - vgl. Haftpflichtrecht I 268 vor FN 31: "Der Gläubiger hat nur darzutun, daß der Schuldner die geschuldete Leistung nicht erbracht hat." Vgl. auch Armin Ehrenzweig bezüglich des Ausbleibens der Leistung (System2 I/1, 370): "Nicht so selbstverständlich ist es, daß der Schuldner die Erfüllung auch dann beweisen muß, wenn der Gläubiger aus der Nichterfüllung neue Ansprüche ableitet, z. B. den Anspruch auf eine Vertragsstrafe oder Verzugszinsen."
C. Mangelhaftigkeit als Ursache von Mangelfolgeschäden
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Schäden bei Rücktritt bis zur Beschaffung einer Ersatzleistung) hat der Gläubiger nur noch die Kausalität der feststehenden Nichterfüllung zu beweisen. Er hat damit einen Beweis zu erbringen, an den aus der Natur der Sache nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen, weil sich die Kausalität, hier ein faktisches Nichts, nur als eine gedankliche Kette zwischen dem Ausbleiben der Leistung und den eingetretenen Schäden herstellen läßt. Nur deshalb kann es für den Beweis der Nichterfüllung als Schadensursache genügen, daß dem Schuldner der Erfüllungsbeweis mißlingt und nur daher kann hier darauf verzichtet werden, daß der Gläubiger auch die Nichterfüllung als Voraussetzung des Ersatzanspruches beweist. Hat der Gläubiger die ihm als Erfüllung angebotene Leistung dagegen übernommen und will er die fehlende Qualität nachgetragen bekommen, also auf den Rest seines ursprünglichen Erfüllungsanspruches bestehen (Verbesserungsbegehren), so muß er den Mangel, d. h. die (teilweise) Nichterfüllung, beweisen, weil - aus den angeführten Gründen29a - mit der Übernahme die Vermutung der Erfüllung gilt. Das gilt auch, wenn er die Minderung des Substanzwerts der Sache unter schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten oder Schäden wie beim gänzlichen Ausbleiben der Leistung geltend macht. Aus den gleichen Gründen hat nun der Gläubiger, der Mangelfolgeschäden geltend macht, die nicht gehörige Erfüllung als Schadensursache zu beweisen30· 31 . Er hat also zu beweisen, daß der Schuldner den zu prästierenden Erfolg nicht hergestellt hat und daß daraus adäquate Folgeschäden entstanden sind. Der Schuldner hat aufgrund seiner Erfolgsverbindlichkeit, die auch zur Vermeidung solcher Schäden besteht, den Entlastungsbeweis anzutreten. Mißlingt dieser, so haftet er. Mit der Erörterung dieser Frage ist die theoretische Grundlegung für die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB vollzogen. Nunmehr soll im 3. Teil das theoretisch Erarbeitete an Hand einzelner Vertragstypen demonstriert werden. Die Problematik des gänzlichen Ausbleibens der Leistung ist allen Erfolgsverbindlichkeiten gemeinsam, sie wurde bereits ausführlich32 behandelt und bedarf auch insoferne keiner besonderen Erörterung, als sie weder Theorie noch Praxis vor besondere Schwierigkeiten stellt. Der 3. Teil dieser Arbeit befaßt sich daher grundsätzlich nur mehr mit der nicht gehörigen Erfüllung. s.o. B. Der Gläubiger hat die Kausalität der Nichterfüllung für den Schaden darzutun, nicht aber die Ursachen für die Nichterfüllung zu beweisen. Diese Ursachen sind Themen der Entlastung des Schuldners- s. o. FN 1. a1 s. a. Hans Stoll, Hippel-FS 537. 32 s.o. B. 29a
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Dritter Teil
Die Beweislastverteilung bei einzelnen Vertragstypen § 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen A. Rückblick auf gewonnene Ergebnisse Die Wichtigkeit des Kaufvertrages hat es mit sich gebracht, daß schon im bisherigen Verlauf der Abhandlung bei den generellen Ausführungen zu § 1298 ABGB auf diesen Vertragstypus besonders eingegangen wurde. Das zur Lösung der Beweislastproblematik beim Kaufvertrag Erhebliche wurde daher im wesentlichen bereits ausgeführt. Insoferne braucht zunächst nur eine kurze Bilanz gezogen werden. Dann ist jedoch noch im Speziellen auf den Gattungs- (B) und den Spezieskauf (C) einzugehen. Dabei interessiert prinzipiell nur die Schädigung durch eine fehlerhafte Leistung. Für Kauf- wie Werkverträge auf Sachleistung lehnt der OGH bei Schädigung durch fehlerhafte Leistung die Anwendung des § 1298 ABGB durchwegs mit der Behauptung ab, diese Norm gelte nur für Nichterfüllung und nicht auch für Schlechterfüllung1 . Eine Begründung dieser Behauptung versucht er nicht. Schon ein erster Blick auf die Judikatur ließ Widersprüche zur Entscheidung bei anderen Vertragstypen erkennen. Zwar besagen all diese Erkenntnisse, § 1298 ABGB gelte nicht für Schlechterfüllung, doch charakterisieren sie Sachverhalte, die sie beim Kauf der Schlechterfüllung zuordnen, z. B. bei der Miete als Nichterfüllung. Schädigt eine mangelhafte Kaufsache, so sei dies Schlechterfüllung2 , schädigt eine mangelhafte Mietsache, so sei dies Nichterfüllung3 • Der Vermieter schulde den bedungenen Gebrauch, daher sei Schlechterfüllung im Mietvertrag denkunmöglich. Dem ist vor allem entgegengehalten worden, daß ja auch der Verkäufer Leistung auf die bedungene Weise schuldet4 • Beim Beförderungsvertrag wiederum betrachtet die Rechtsprechung die Verletzung eines Fahrgastes nicht als Schlechterfüllung, weil der Beförderer den Fahrs. o. § 1. B.; § 2. A. s. o. § 1. A. I. 3 s. o. § 1. A. IV. ' s.o.§ 2. B .; insb. § 8. B. 1
2
A. Rückblick auf gewonnene Ergebnisse
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gast unversehrt an den Bestimmungsort zu bringen habe, Verletzung daher Nichterfüllung sei5 • Daß sich die Rechtsprechung, die § 1298 ABGB bei Schlechtleistung nicht anwenden will, schon aufgrund von Mißverständnissen zu Unrecht auf die Materialien zur 3. Teilnovelle, Wolff und Pisko beruft, wurde ausführlich dargestellt6 • Wahle, auf den sich der OGH ebenfalls beruft, gibt keine haltbare Begründung. Überdies sind seine Aussagen in sich höchst widersprüchlichsa. Die Materialien erwähnen das Verschulden8b zu§ 932 Abs. 1/2 ABGB nur, um klarzustellen, daß es sich beim Schadenersatzanspruch nach § 932 Abs. 1/2 ABGB um keinen (vom Verschulden gänzlich unabhängigen) Gewährleistungsanspruch handelt, sondern um einen Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung nach allgemeinen Grundsätzen. In § 932 Abs. 1/2 ABGB sehen sie eine Parallele zu § 921 ABGB und sprechen bei der Erläuterung dieser Norm ebenfalls von einem Schadenersatz nach allgemeinen Grundsätzen. Wäre wegen dieser Wortwahl - auf sie glaubte sich die Rechtsprechung zur Ablehnung der Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB stützen zu können § 1298 ABGB nicht heranzuziehen, so dürfte er auch bei Nichtlieferung einer Ware nicht angewendet werden. Ein derartiges Ergebnis steht außer jeder Diskussion. Wie den Erläuterungen zu§ 1157 ABGB zu entnehmen ist, betrachten die Materialien § 1298 ABGB als allgemein gültigen Satz der Beweislastverteilung bei Vertragsverletzungen. Schadenersatz nach allgemeinen Grundsätzen kann daher nach dem Verständnis der Materialien zur 3. Teilnovelle nur heißen: bei Schadenersatzansprüchen nach§ 921 oder§ 932 Abs. 1/2 ABGB trifft den Schuldner der Entlastungsbeweis6 c. Die Beweislastregel des § 1298 ABGB ist auf Fälle zugeschnitten, in denen der Schuldner einen bestimmten Erfolg schuldet (Erfolgsverbindlichkeiten), den geschuldeten Erfolg aber nicht herbeiführt. Dem Wesen einer Erfolgsverbindlichkeit entspricht eine Erfolgshaftung. Wer einen Erfolg schuldet, hat auch grundsätzlich für den Erfolg zu haften. Mit dem Entlastungsbeweis wird dem Schuldner ein Ausweg aus dieser strengen Haftung ermöglicht. Es handelt sich also, gemessen an der Struktur der Verbindlichkeit und der ihr an sich korrespondierenden Haftung, um ein Entgegenkommen dem Schuldner gegenüber. Die Beweisregel des § 1298 ABGB macht deutlich, daß Verträge in der 5
s.o.§ 2. c.
e s. o. § 2. A. I. - III. Ga s. 0. § 2. A. IV. 8b
Oe
Zum Verschuldensbegriff des ABGB s.o.§ 7.
s. 0. § 2. A. I.
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§
13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
Regel als durch Entlastbarkeit abgeschwächte Garantie eines Erfolges zu verstehen sind6d. Bei den allgemeinen Ausführungen über das Wesen der Nichterfüllung konnte geklärt werden, daß jegliches Abweichen einer Leistung vom Geschuldeten der Struktur nach Nichterfüllung ist, also auch die sog. Schlechterfüllung = Schlechtleistung6e. Bei einer Erfolgsverbindlichkeit ist demnach auch die mangelhafte Erbringung des Erfolges, die Qualitätsabweichung, Nichterfüllung. Dies nicht nur z. B. bezüglich der Wertdifferenz zwischen der geleisteten und der geschuldeten Qualität oder der Schäden, die denen bei Ausbleiben der Leistung gleich sind (die geleistete mangelhafte Maschine kann nicht eingesetzt werden), sondern auch rücksichtlich der sonstigen Schäden, die die vertragswidrige Sache hervorruft (Stromschlag wegen Mangelhaftigkeit des Elektrogeräts). Das Interesse des Gläubigers, eine einwandfreie Leistung zu erhalten, ist untrennbar mit dem Interesse verbunden, durch Mängel keine Schäden zu erleiden. Die vereinbarte Qualität wird daher auch mit diesem Ziele geschuldet7 • Wer das Leistungsinteresse nur bei gänzlichem oder zeitweisem Ausbleiben einer Leistung verletzt sieht, berücksichtigt im wesentlichen nur den Besitz des Werts eines Gutes und die Möglichkeit dessen kommerzieller Verwertung. Das Interesse am einwandfreien ungefährlichen Gebrauch, am ungefährlichen Besitz läßt er außer acht. Eine derartige Sicht der Dinge war den Verfassern der 3. Teilnovelle zu Recht völlig fremd8 • Die schadenersatzrechtliche Gleichbehandlung einer schadenstiftenden Schlechtleistung und der Untätigkeit eines zu positivem Tun verbundenen Schuldners ist ihnen selbstverständlich. Wer nicht gehörig erfüllt, wer die geschuldete Qualität nicht leistet, verletzt den Vertrag, erfüllt nicht und hat die entstandenen Schäden zu ersetzen, wenn keine Entlastung gelingt. Die Entlastung bei Vertragsverletzungen ist ihrer Ansicht nach der allgemeine Grundsatz und resultiert, wie wir gezeigt haben, aus der prinzipiellen Erfolgsverantwortung des Schuldners. Die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB betrifft gleichermaßen die Schadenersatzansprüche der §§ 918 ff., 932 Abs. 1/2 wie die aufgrund des § 1157 ABGB. Sie ist allgemeiner Grundsatz der Vertragshaftung bei Erfolgsverbindlichkeiten. Nichts anderes besagen auch die Materialien zur 3. Teilnovelle, wenn sie im Zusammenhang mit dem Ausbleiben jeglicher Leistung genauso wie bei der Schädigung durch mangelhafte Leistung von Schadenersatz nach allgemeinen Grundsätzen ed s. o. § 8. B. li. 1. a. s. o. § 8. B. I.
8e
1 s. o. § 8 nach FN 131. s s. o. § 8 nach FN 83.
B. Fehlerhafte Gattung
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sprechen9 und im Zusammenhang mit § 1157 ABGB erklären, daß § 1298 ABGB schlechthin für Vertragsverletzungen gilt. Das gleiche ersehen wir aus der KaisVO über Militärlieferungsverträge (RGBL 1915/ 158). Diese Verordnung baute, die Gesetzwerdung der 3. Teilnovelle nicht abwartend, ihre Leistungsstörungsregelung auf deren Materialien auf. Auch für fehlerhafte Leistungen ordnet § 3 dieser Verordnung ausdrücklich die Haftung an, wenn sich der Schuldner nicht entlastet. Die Motive zur Verordnung erklären ausdrücklich, daß § 3 KaisVO im Einklang mit § 1298 ABGB steht, also dessen Regelung bloß in diesem Spezialgesetz wiederholt wird6d. Damit ist im grundsätzlichen geklärt, daß § 1298 ABGB auch bei Schädigungen durch fehlerhafte Leistung seitens eines Verkäufers anzuwenden ist. Details zum Gattungs- und Spezieskauf sowie ein Rückblick auf die konkreten Entscheidungen des OGH sollen das Bild abrunden.
B. Folgeschäden durch Hingabe einer fehlerhaften Gattung These zur Beweislast: Der Käufer hat die Mangelhaftigkeit der gelieferten Sache, also die Nichterfüllung (Schlechtleistung), und den dadurch entstandenen Schaden zu beweisen. Der Verkäufer hat sich zu entlasten. Die Entlastung ist gelungen, wenn bewiesen ist, daß der Verkäufer und seine Gehilfen die gehörige Sorgfalt zur gehörigen Leistung aufgewendet haben bzw. daß die gebotene Sorgfalt aus nicht zu vertretenden subjektiven Gründen nicht beobachtet wurde 10• Daß bei Gattungskäufen die Qualität der zu liefernden Stücke Vertragsinhalt wird, ist so selbstverständlich, daß es keiner besonderen Erörterung bedarf. Welche Eigenschaften sie vereinbaren, ist Sache der Parteien. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, so ist gemäß § 360 HGB Handelsware mittlerer Art und Güte zu leisten. Analoges gilt für das bürgerliche Recht11 • Leistungen, die von der geschuldeten Qualität abweichen, verstoßen gegen die vertragliche Verbindlichkeit und sind daher als Nichterfüllung zu qualifizieren. Die Verbindlichkeit auf Leistung einer bestimmten Qualität inkludiert die Verbindlichkeit, keine andere als die geschuldete Gattung hinzugeben. Nicht gehörige Leistungen haben zu unterbleiben. Die Hingabe eines verdorbenen Fisches ist nicht nur vertragswidrig, weil die geschuldete Ware (einwandfreier Fisch) nicht s. o. § 8 nach FN 145 und § 2. A. I. Besonderheiten gelten für jene Fälle, in denen eine ordnungsgemäße Leistung von vornherein unmöglich war (s. B. a. E. und die Ausführungen zum anfänglichen unbehebbaren Speziesmangel: C. II. 3.). 11 Vgl. KozioU Welser, Grundriß3 I 160; Ehrenzweig, System2 III1, 13; Klang I Gschnitzer2 IVI1, 373; Klang I Bydlinski2 IVI2 , 151. 9
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
eintraf und insoferne die Lage der gleicht, bei der der Schuldner überhaupt nichts leistete, sondern vor allem auch deshalb, weil eine andere als die geschuldete Sache hingegeben wurde (verdorbener Fisch). In der Hingabe des verdorbenen Fisches liegt die Vertragswidrigkeit rücksichtlich der daraus resultierenden Folgeschäden (Fischvergiftung, Spitalsbehandlung usw.). Nicht erst eine hinter der Hingabe der fehlerhaft beschaffenen Ware stehende Sorgfaltsverletzung macht, wie Bydlinski12 und KozioP3 meinen, die fehlerhafte Leistung in dieser Richtung vertragswidrig. Es ist also bezüglich der Qualität der Leistung nicht folgendermaßen zu differenzieren: 1. die geschuldete Qualität blieb aus, daher wurde nicht erfüllt; 2. mangelhafte Qualität wurde geliefert und es entstanden daraus Folgeschäden; Nichterfüllung liege diesbezüglich erst vor, wenn die mangelhafte Leistung auf einer Sorgfaltsverletzung beruhe. - So ist es nach dem Gesagten gerade nicht. Die mangelhafte Leistung ist vielmehr, wie unter § 8. B. 11.1. a. ausführlich gezeigt, in beiden Richtungen als Nichterfüllung zu qualifizieren, weil die Leistung einwandfreier Qualität mit beiden Blickrichtungen vereinbart ist14• Die fehlerhafte Leistung ist kein fruchtloser Erfüllungsversuch neben dem Vertrag15, sondern einer gegen den Vertrag. Qualität ist vereinbart, um daraus Vorteile zu ziehen, aber auch um keinen Schaden zu erleiden. Die Leistung eines qualitativ einwandfreien Autos wird unter anderem deshalb vereinbart, damit man nicht verunglückt. Andere als die geschuldete Gattung darf daher 12 Klang I Bydlinski2 IVI2, 172 f., insb. 173 FN 235- s.o.§ 8. II. 1. a. 1a Haftpflichtrecht I 270 f. 14 In diesem Sinne schon Siber, JherJB 50, 194. 15 Als fruchtlosen Erfüllungsversuch neben dem Vertrag bezeichnet ihn Klang I Bydlinski2 IVI2, 157. - Im Ausgangspunkt unterscheide ich mich bezüglich der Schlechtleistung von Bydlinski (Klang I Bydlinksi2 IVI2, 172 ff.) und Koziol (Haftpflichtrecht I 270 f.) dadurch, daß ich in der Schlechtleistung selbst die Schuldverletzung sehe. Dagegen erblicken Bydlinski und Koziol diese erst in der Sorgfaltsverletzung. Zu weithin ähnlichen praktischen Auswirkungen wie mit der hier vertretenen Meinung gelangt man freilich, wenn man mit Bydlinski und Koziol annimmt, daß aus der Leistung einer mangelhaften Sache auf die Sorgfaltsverletzung zu schließen sei. M. E. besteht jedoch ein derartiger Erfahrungssatz nicht und wir brauchen ihn auch nicht, weil § 1298 ABGB innerhalb seines Anwendungsbereichs auch die Beweislast für die Sorgfaltseinhaltung dem Schuldner auferlegt (s.o. § 7). Die subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt unterstellen bereits die §§ 1297 und 1299 ABGB (s.o. § 11). Dem Gläubiger erwachsen keine Vorteile, wenn man§ 1298 ABGB erst dann heranziehen will, nachdem man prima facie eine Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt angenommen hat. - Gegenüber Koziol sei noch festgehalten, daß § 1298 ABGB nicht auf die Fälle der culpa in contrahendo anzuwenden ist (s. o. § 8. B. II. 2. b. bb. und § 9. B. II.) und auch nicht auf alle Fälle, die in die - m. E. in Wahrheit nicht bestehende, außerhalb des Rechtskreises des BGB auch ohne Bedeutung gebliebene (s.o. § 8. B.) - "Kategorie" der sog. positiven Forderungsverletzung eingereiht werden. Es ist zu prüfen, ob eine Erfolgsverbindlichkeit nicht erfüllt oder ob bloße Sorgfaltspflichten verletzt wurden (s. o. § 8. B. II. b.).
B. Fehlerhafte Gattung
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nicht geliefert werden. Die Vereinbarung, nur eine bestimmte Qualität zu leisten und nichts anderes, schließt selbstverständlich jegliches Abweichen vom Geschuldeten, auch das extremste, die Hingabe eines aliud i. e. S., mit ein. I. w. S. ist bei der Gattungsschuld jegliche Leistung mit Qualitätsabweichung ein aliud16• Also macht es keinen Unterschied, ob noch zur Gattung im weitesten Sinn Gehörendes, Fehlerhaftes geleistet (verdorbener Fisch) oder gänzlich anderes (Säure statt Mineralwasser) geleistet wird. Entscheidend ist nur, daß der konkret hingegebene Gegenstand der Erfüllung dienen sollte. Jedes Abweichen vom Geschuldeten ist nicht gehörige Erfüllung, Leistung gegen die bedungene Weise und als solches Nichterfüllung16a. Besonders deutlich tritt diese sich aus der Struktur des Schuldverhältnisses ergebende Lösung im EKG zu tage, dessen Art. 3317 die Leistung eines aliud (Rücksichtlich der daraus erfließenden Schädigungen) ausdrücklich genauso als Nichterfüllung qualifiziert wie einen sonstigen Qualitätsfehler. Da auch nach österreichischem Recht jede Leistung einer vertragswidrigen Gattung Nichterfüllung der Erfolgsverbindlichkeit auf Leistung einwandfreier Gattung ist, hat der Verkäufer prinzipiell für den Mißerfolg einzustehen und wird von seiner Haftung nur durch eine gelungene Entlastung befreit (§ 1298 ABGB). Der Käufer hat demnach nur zu beweisen, daß der Verkäufer eine vertragswidrige Sache leistete (nicht erfüllte) und daß ihm aus dieser Sache ein Schaden entstand, der Verkäufer hat zu beweisen, daß er bzw. seine Gehilfen die objektiv gebotene Sorgfalt aufwandte oder daß die objektiv gebotene Sorgfalt aus nicht zu vertretenden subjektiven Gründen unterblieb. Beschädigte z. B. verwässertes Heizöl die Heizanlage und will der Eigentümer der Anlage vom Heizöllieferanten Schadenersatz begehren, so hat er zu beweisen, daß dieser verwässertes Heizöl lieferte (Beweis der Nichterfüllung) und dieses Heizöl schadenskausal war. Der Verkäufer hat nun zu beweisen, daß er (seine Gehilfen) die Lieferung verwässerten Heizöls trotz Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht verhindern konnte: Er hat z. B. in seinen Tank einwandfreies Heizöl eingefüllt und den Tank ordnungsgemäß verschlossen. Eine undichte Stelle war bei sorgfältiger routinemäßiger Prüfung nicht erkennbar. Erst später stellte sich heraus, daß ein äußerlich nicht erkennbarer Dichtungs18 Vgl. Klang I BydZinski 2 IV/2, 162 und Kramer, ÖJZ 1972, 565. s. a. OGH 10. 4. 1973, 3 Ob 48173, JBl. 1974, 264 (266): "Der erkennende Senat ist ... der Auffassung, daß für den Bereich des ABGB nicht nur die absolut unannehmbare Falschlieferung, sondern auch die Lieferung eines gattungsmäßigen aliud der Nichterfüllung gleichzustellen ist ...". - Sie ist ihr nicht nur gleichzustellen, sie ist Nichterfüllung.
l8a s. o. § 8. B. I. 17
Art. 33 i. V. m. Art. 74 EKG.
15 Reisehauer
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
schaden das Eindringen von Wasser ermöglichte usw. Gelingt ein derartiger Sorgfaltsbeweis nicht, so bleibt in sehr beschränktem Maße noch der Beweis offen, daß der Verkäufer die objektiv gebotene Sorgfalt aus nicht zu vertretenden subjektiven Gründen nicht einhalten konnte, daß ihn also kein Verschulden im subjektiven Sinne trifft17a. Daher müßte er sich z. B. damit entlasten können, daß er im Leistungszeitpunkt an Sinnesverwirrung litt und daher die gebotene Überprüfung nicht oder falsch ausführte. Mit dem Hinweis, ihm fehlten die notwendigen fachmännischen Kenntnisse, kann sich der Heizölhändler naturgemäß nicht entlasten (§ 1299 ABGB). Im Heizölfall18 hätte der OGH dem Verkäufer den Entlastungsbeweis aufbürden müssen, wenn19 feststand, daß der Verkäufer verwässertes Heizöl geliefert hat und deshalb die Heizanlage zu reparieren war und vorübergehend die Produktion ausfiel. Eine derartige Beweislastverteilung wäre auch im Spinnereiwarenfall vorzunehmen gewesen, nachdem der Käufer bewies, daß die Spinnerei statt einwandfreier Ware fehlerhafte lieferte und daraus (in der Entscheidungsveröffentlichung nicht näher beschriebene) Schäden20 entstanden21 • Selbst im Weizen17a s. o. § 11. A. B. 1s HS 4.322/22 - s. o. § 1 vor FN 13.
! 9 Ganz klar geht aus dem Sachverhalt nicht hervor, ob die Gerichte die fehlerhafte Leistung als erwiesen ansahen. 20 Es dürfte sich wohl vor allem um Gewinnentgang aus unterbliebener Weiterveräußerung gehandelt haben, da in der Entscheidung (Rsp. 1937/27) Art. 283 AHGB bezogen wird, der wie Art. 8 Nr. 2 4. EVHGB dem zu ersetzenden Schaden auch den entgangenen Gewinn zuordnet. 21 Rsp. 1937/27. Der OGH lehnt die Beweislastumkehr ab, da angeblich "kein Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung geltend gemacht wird". Der Schadenersatzanspruch wurde doch gerade wegen mangelhafter Erfüllung (=Nichterfüllung) geltend gemacht. Der OGH bezog sich bei dieser Entscheidung fälschlicherweise auf Pisko, der§ 932 Abs. 1/2 ABGB auf den anfänglichen unbehebbaren Speziesmangel bezieht. Pisko meint allerdings, daß die Sache nur in ihrem tatsächlichem Sein zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geschuldet wird und daher mit Hingabe der so beschaffenen Sache voll erfüllt sei und daher auch keine mangelhafte Erfüllung vorliege (s. o. § 2. A. III. und u. B.). Im Spinnereiwarenfalt liegt aber ein Gattungskauf, mit einem behebbaren Mangel vor (Austausch der gelieferten fehlerhaften Sache gegen eine einwandfreie vgl. Klang I Bydlinski2 IV/2, 161 f., Kramer, JBl. 1972, 406 FN 33 und neuerdings OGH, JBI. 1973, 616). - Man vgl. zu diesem Fall auch die unzutreffende Auffassung Wahles (s.o. § 2. A. IV.). Wenn wegen unterbliebener Weiterveräußerung entgangener Gewinn aus einem Handelsgeschäft geltend gemacht wurde, so zeigt eine praktische Überlegung die Unhaltbarkeit der Entscheidung. Hätte die Spinnereiwarenfabrik überhaupt nicht geliefert oder hätte der Käufer die mangelhafte Ware zurückgewiesen und wäre derselbe Schaden eingetreten, weil eben die Ware nicht weiterveräußert werden konnte, so hätten Wahle und der OGH § 1298 ABGB zweifellos herangezogen. - Eine Differenzierung hinsichtlich der Beweislast, die sich offenkundig durch nichts rechtfertigen läßt. Aber auch bei Mangelfolgeschäden i. e. S. ist - wie gezeigt - § 1298 ABGB heranzuziehen.
B. Fehlerhafte Gattung
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kleiefall22 wäre es bloß Sache des Käufers gewesen, zu beweisen, daß die Weizenkleie mit Konradesamen vermischt war und Schweine daran verendeten.
Hat der OGH in den eben erwähnten Fällen zu Unrecht eine Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB abgelehnt, so traf er die richtige Beweislastverteilung im Turbinenfall 23 • Er ließ den Gläubiger bloß beweisen, daß die gelieferte Turbine nur 6,15 statt der zugesagten 8,8 PS leistete und ihm daraus ein - in der Entscheidungsveröffentlichung nicht wiedergegebener- Schaden entstand24,2s. 22 EvBl. 1955/22 = HS 1846. Auch hier hält der OGH, Pisko mißverstehend, wieder fest, daß in concreto keine mangelhafte Erfüllung vorliege - s. dazu auch die vorige FN. 23 Rsp. 1932/34 Aus dem Sachverhalt geht nicht eindeutig hervor, ob es sich um einen Gattungskauf, einen Spezieskauf mit behebbaren Mängeln, einen Werklieferungsvertrag oder um einen Werkvertrag handelt. Hier wird unterstellt, daß es sich um einen Gattungskauf handelte. - Die Beweisthemen sind in allen drei möglichen Variationen dieselben. 24 Klang I Pisko1 II/2, 570 FN 137a, 2. Halbsatz, stimmte dieser Entscheidung im Ergebnis zu Recht zu. Diese FN Piskos ist freilich nur in Zusammenhang mit Piskos Verständnis von der Gewährleistung zu begreifen - s.o. § 2. A. III. - Zur unzutreffenden Besprechung des TurbinenfaLles durch WahLe s.o. § 2. A. IV. Zu den von Wahle bezogenen Ausführungen NeustadtLs s. überdies § 2 nach FN 29, bei FN 59, nach FN 96 und nach FN 121. 25 Die für das Österreichische Recht angeführten Gründe der Beweislastverteilung bei Gattungskäufen scheinen mir aus denselben Erwägungen für das deutsche Recht zuzutreffen. Auch dort ist zweifellos die Gattung mit einer bestimmten Qualität geschuldet (§ 243 BGB und § 360 HGB stellen auf Gattungssachen/Handelsgut mittlerer Art und Güte ab, wenn keine besondere Qualität vereinbart ist). Schon Siber, JherJB 50, 194, hat erkannt, daß die Nichtbewirkung der vertragsgemäßen Leistung außer der "Nichtleistung auch die Andersleistung, also außer der Nichtlieferung von Äpfeln ... auch die Lieferung wurmstichiger Äpfel" erfaßt und als solche Nichterfüllung ist, die die Grundlage für den Ersatz des Folgeschadens abgibt. Wassermeyer (Der prima facie Beweis 89 f.) und Hans Stoll (HippeL-FS 537 f.) ist daher voll beizupflichten, wenn sie in der fehlerhaften schadenstiftenden Leistung die Forderungsverletzung sehen und anknüpfend an den Mißerfolg dem Schuldner die Entlastung auferlegen. Die Erfolgsverbindlichkeit ist verletzt (vgl. auch OhLer, Obligations 73). Der deutschen Rechtsprechung, die dem Käufer nur mit dem Beweis der Schlechtleistung und dem daraus resultierenden Schaden aufträgt (vgl. BGH 7.1. 58 VersR 1958, 216; BGH 17. 2. 1959, LM § 377 Nr. 6 HGB; OLG Düsseldorf 7. 2.1963, MDR 1964, 323) ist aus den hier angeführten Gründen im Ergebnis beizupflichten. - Medicus will nach dem BGB Mangelfolgeschäden nur ersetzen lassen, wenn die Mangelfreiheit garantiert oder der Mangel arglistig verschwiegen wurde (vgl. §§ 463, 480 Abs. 2 BGB). Anderes meint er, gelte nur, wenn der Verkäufer ausnahmsweise zu mangelfreier Lieferung, Mängelbeseitigung oder eigenverantwortlicher Prüfung der Kaufsache verpflichtet sei (Medicus, Kern-FS 320). Medicus vernachlässigt dabei, daß beim Gattungskauf der Verkäufer auch nach BGB zur mangelfreien, d. h. vertragsgemäßen Lieferung verbunden ist. Eine ganz andere Frage ist, ob das auch für den Spezieskauf nach BGB gilt- s. FN 69. Nach schweizerischem Obligationenrecht trifft den Schuldner ebenfalls der Entlastungsbeweis bei vertragswidriger Leistung, ja er ist ihm zum Teil sogar abgeschnitten (s. o. § 8 bei FN 44 und in FN 44).
15•
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
Bezüglich der Beweislast des Verkäufers ist festzuhalten, daß eine Entlastung nicht schon dann gelungen ist, wenn ihm nach Vertragsschluß kein sorgfaltswidriges Verhalten vorzuwerfen ist. Der Verkäufer hat zu beweisen, daß ihn oder seinen Gehilfen rücksichtlich der Nichterfüllung (Schlechtleistung) keine Sorgfaltsverletzung trifft. Er hat somit darzutun, daß die zwecks ordnungsgemäßer Erfüllung gesetzten bzw. unterlassenen Handlungen nicht sorgfaltswidrig waren. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob er Handlungen, die der Erfüllung von Verträgen dienen sollten, bereits vor oder erst nach Vertragsabschluß setzte. Die Haftung des Verkäufers aus dem Vertrage ist die gleiche, ob er nach Vertragsschluß das Mehl in Säcke einwog und es dabei mit einer giftigen Substanz vermengte oder ob dies bereits vor einem Vertragsschluß-ohne einen konkreten Kunden vor Augen zu haben oder mit ihm auch nur in Vertragsverhandlungen zu stehen für die Erfüllung künftiger Verträge geschah. Daß jemand der Erfüllung dienende Handlungen schon vor dem Vertragsabschluß vornimmt, darf seinem Vertragspartner nicht zum Nachteil gereichen. Dies ist vor allem auch für die Erfüllungsgehilfenhaftung von Bedeutung25a.. Das EKG beschreibt in Art. 33 die mangelhafte Leistung als Nichterfüllung und überläßt es dem Verkäufer, sich nach Art. 74 zu entlasten. Die Regelung des EKG gilt wie auch die des OR für Gattungs- und Spezieskauf. Die Lieferung einer mangelhaften Kaufsache ist auch im frz. Recht Nichterfüllung. Es ergeben sich im Code civil jedoch Abgrenzungsschwierigkeiten zu den speziellen Vorschriften über die Sachmängelhaftung beim Kauf. Die mangelhafte Sache ist als nicht vertragsgemäße kein geeignetes Erfüllungsobjekt. Nach Art. 1645 Code civil hat der Käufer bei Schädigung durch eine mangelhafte Sache die Kenntnis des Verkäufers vom Mangel zu beweisen. Dieser Beweis wird dem Käufer jedoch unter Berufung auf die Rechtsparömie "unusquisque debet esse peritus artis suae" abgenommen und dem gewerbsmäßigen Verkäufer nach herrschender Auffassung sogar ein Entlastungsbeweis abgeschnitten, so daß im Ergebnis eine reine Garantiehaftung vorliegt (vgl. dazu Ferid, frz. Zivilrecht I 626, 626 FN 52, 641; Ficker, Die Schadenersatzpflicht des Verkäufers und seiner Vormänner bei Sachmängeln in der französischen Rechtsprechung 28 ff.). - Die Diskrepanz, die sich in der Regelung des Code civil zwischen der Schlechtleistung beim Kauf und sonstiger mangelhafter Leistung auftut, beruht wohl auf der noch starken Verwurzelung der frz. Gewährleistungsregeln im römischen Recht (vgl. dazu Graue, Die mangelfreie Lieferung beim Kauf beweglicher Sachen 123 ff. Zur Sachmängelhaftung nach römischem Recht im Vergleich zum BGB s. Flume, Eigenschaftsirrtum 56 ff.; zum Wesen der Gewährleistungsregeln nach ABGB vgl. insb. Rabel, Dolenc-FS 727 ff. = Gesammelte Aufsätze III 162 ff. und Klang I BydHnski2 IV/2, 151 ff. sowie Kramer, JBl. 1972, 401 ff. und ÖJZ 1972, 561 ff.). - Die verschiedenen Regelungen beim Kauf nach Code civil und nach ABGB tun unserer rechtsvergleichenden Betrachtung über die Beweislastverteilung keinen Abbruch. Die Beweisregeln des Art. 1147 Code civil und des § 1298 ABGB gehen von Erfolgsverbindlichkeiten aus. Ob eine Verbindlichkeit eine Erfolgsverbindlichkeit ist, richtet sich nach den einzelnen Rechtsordnungen (vgl. z. B. für das angloamerikanische Recht: Stock, Beweislast 3 ff. und 6 ff.). Das kodifizierte Kaufrecht des Code civil ist anders als das des ABGB konzipiert. In der Rechtsanwendung ist diese Konzeption des Code civil jedoch überwunden.
B. Fehlerhafte Gattung
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Der Verkäufer kann sich von seiner Vertragshaftung nicht damit befreien, daß er oder sein Gehilfe vor Vertragsschluß das Mehl einwog und nach Vertragsschluß durch Prüfung des Mehles dessen fehlerhafte Qualität mit gebotener Sorgfalt nicht mehr festgestellt werden konnte, und damit dem Käufer den Beweis auflasten, daß er {der Verkäufer) oder sein Gehilfe beim Einwägen sorgfaltswidrig handelte. Sorglose Behandlung eines zum Verkaufe bestimmten Gutes vor Vertragsschluß berührt die volle vertragliche Verantwortung für den geschuldeten Erfolg nicht. Sie verweist den Käufer keinesfalls auf einen Anspruch wegen vorvertraglicher Sorgfaltsverletzung25 b. Eine Sorgfaltswidrigkeit bezüglich der Nichterfüllung des Vertrages fällt dem Verkäufer genauso zur Last, wenn er bzw. sein Gehilfe vor Vertragsschluß sorgfaltswidrige Handlungen im Hinblick auf Güter setzte, die zum Verkaufe bestimmt waren. Denn er übernimmt im Kaufvertrag die durch Entlastungsmöglichkeit abgeschwächte Verantwortung für den ordnungsgemäßen Zustand der Ware. Der Käufer hat also nur zu beweisen, daß fehlerhaft geleistet wurde und der Verkäufer, daß ihn diesbezüglich keine Sorgfaltsverletzung trifft. Dies ist vor allem für den Handkauf von Bedeutung, wo nach Vertragsschluß außer der Übergabshandlung i. d. R. keine zusätzlichen Akte mehr gesetzt werden, die der Erfüllung dienen sollen. Sie sind zur Vorbereitung der Verkäufe vorweggenommen und sollten dies aus der Sicht der Parteien weitgehend auch sein. Die Sorgfaltsverletzung vor Vertragsschluß spielt aber auch bezüglich der Haftung des erzeugenden Verkäufers eine besondere Rolle (zur Produzentenhaftung s. u. D.). Während des Produktionsvorganges können durch Sorgfaltswidrigkeit Mängel entstehen, die später durch Aufwendung der gebotenen Sorgfalt nicht aufdeckbar sind. Der versteckte Mangel wird erst manifest, wenn er Schaden stiftet. Hier obliegt dem Verkäufer selbstverständlich auch der Beweis, daß während der Produktion keine Sorgfaltswidrigkeit unterlief28 • Aus der Sicht der Parteien lagen die zur ordnungsgemäßen Erfüllung erforderlichen Akte in solchen Fällen sogar notwendigerweise vor dem Vertragsabschluß. Als Handlungen, die aus der Sicht der Parteien der ordnungsgemäßen Erfüllung dienen sollten, sind sie naturgemäß Gegenstand der vertraglichen Verantwortung für die Nichterfüllung (Schlechtleistung). Ebenso ist m. E. die 25a So schon Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts 143 f. Vgl. auch Esser, Schuldrecht4 I 254 f.
Ub
s. a. § 8. B. II. 2. b.
Die Personen, deren sich der verkaufende Erzeuger zur Herstellung seiner Produkte bedient, sind selbstverständlich rücksichtlich der Handlungen, die sie zur Erfüllung künftiger Verträge setzen, Erfüllungsgehilfen. Er bedient sich ihrer zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu ordnungsgemäßer Leistung (§ 1313 a ABGB). 28
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
Lage, wenn jemand Serienware erzeugt, die einzelnen Serienstücke aber zum Gegenstand eines Spezieskaufes macht; also nicht aus der Serie schlechtweg verkauft, sondern das genau bezeichnete Stück (Motornummer etc.) und kein anderes27 • Der Mangel, der am konkreten Stück vielleicht unbehebbar ist, besteht schon bei Vertragsschluß. Die Produktion wurde im Hinblick auf künftige Erfüllungen durchgeführt, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung notwendigen Handlungen vorweggenommen. Der produzierende Verkäufer hat sich zu entlasten, daß ihn oder seine Gehilfen bei den vorweggenommenen Handlungen keine Sorgfaltsverletzung unterlief. Die Unabweisbarkeit einer solchen Auffassung zeigt auch ein kurzer Vergleich mit Vertragstypen, bei denen Vorbereitungshandlungen generell notwendig sind. Der Personenbeförderer hat z. B. den Fahrgast unversehrt am Ziel abzusetzen28• Um diese Erfolgsverbindlichkeit erfüllen zu können, bedarf es u. a. einer regelmäßigen Überprüfung des Transportmittels auf seine Verkehrssicherheit. Bei einem Massentransportmittel, man denke etwa an die Straßenbahn, ist es unmöglich, nach ~edem Vertragsabschluß den Wagen auf seine Verkehrssicherheit zu prüfen. Das geschieht in gewissen Abständen unabhängig von den einzelnen Vertragsschlüssen. Verantwortet sich das Beförderungsunternehmen gegenüber dem geschädigten Fahrgast unter Hinweis auf technisches Gebrechen, so hat es um von der Vertragshaftung" frei zu werden, zu beweisen, daß keine Sorgfaltsverletzung bezüglich der notwendigen Überprüfungen des technischen Zustandes des Verkehrsmittels vorliegt. Und es kann dabei nichts ausmachen, ob derartige Überprüfungsmaßnahmen vor oder nach Vertragsschluß geschahen. Ist auf der Eisenbahnlinie Wien-Bregenz zur Einhaltung der gehörigen Sorgfalt in Salzburg eine Kontrolle der Waggonräder durchzuführen, so kann sich bei einem Unglück in Innsbruck bezüglich der Vertragshaftung 27 Daraus, daß in den Kaufvertrag die Seriennummer des zu liefernden Stücks (Motornummer, Fahrgestellnummer etc.) in den Kaufvertrag aufgenommen wird, ist noch nicht auf einen Spezieskauf zu schließen. Es wird sich i. d. R. bloß um Eintragungen für behördliche Akte (polizeiliche Anmeldung des Kfz) oder um Vermerke handeln, die der rationellen Disposition des Verkäufers dienen (interne Sachbearbeitung aufgrund des Vertragsdurchschlages u. ä.). Der Käufer will ein einwandfreies Gattungsstück und es ist ihm gleich, welches Stück er geliefert bekommt, wenn es nur die vereinbarte Qualität hat. Daher ist es ihm auch egal, welche Nummer das Stück trägt, mit dem der Verkäufer erfüllen will. Aus der Sicht des Verkäufers kann die Erklärung des Käufers also nicht schon deshalb als Einwilligung in einen für ihn nachteiligen Spezieskauf gedeutet werden, weil dieser einen Vertrag unterzeichnet hat, in den die Nummer des vom Verkäufer zur Erfüllung vorgesehenen Stücks aufgenommen wurde. 28 s. u. § 18. A. u Bei der Haftung des Beförderers gegenüber einem Fahrgast nach EKHG (vgl. § 3) scheidet eine Haftungsbefreiung wegen technischer Gebrechen aus (§ 9 Abs. 1 EKHG).- s. a. § 18 nach FN 17.
C. Spezies I I. Behebbarer Mangel
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wegen Nichterfüllung der Verbindlichkeit, den Fahrgast unversehrt ans Ziel zu bringen, kein Unterschied ergeben, ob der kurz vor Reiseantritt die Karte lösende Fahrgast in Wien oder in Wörgl zustieg, nur weil das einmal die Prüfung der Waggonräder nach, das anderemal vor Vertragsschluß vorzunehmen war. In beiden Fällen obliegt den ÖBB gleichermaßen der Beweis, daß die gebotene Sorgfalt eingehalten wurde3°. Sie haben zu beweisen, daß sie die zur Erfüllung notwendigen Sorgfaltsmaßnahmen getroffen haben. Das alles gilt zunächst für die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt (§§ 1297, 1299 ABGB). Der Beweis, daß man aus beachtlichen subjektiven Gründen die objektiv gebotene Sorgfalt nicht einhalten konnte, ist dem Verkäufer in gewissen Grenzen ebenfalls gestattet, doch kann dafür auf das in § 11 Ausgeführte verwiesen werden, weil keine kaufrechtlichen Spezifika auftreten. Die bisherige Darstellung zur fehlerhaften Lieferung beim Gattungskauf ging von Fällen aus, in denen vertragswidrige Stücke geliefert wurden, eine vertragsgemäße Leistung jedoch möglich gewesen wäre, weil es Gattungsstücke in der vereinbarten Qualität gibt. Es ist jedoch auch noch kurz auf Fälle bedacht zu nehmen, in denen der gesamten existierenden Gattung oder dem Gattungsvorrat, aus dem geleistet werden soll, unbehebbare Mängel anhaften. Hier ist die Problematik grundsätzlich dieselbe wie bei den anfänglichen unbehebbaren Mängeln einer Spezies, so daß auf die dort erfolgenden Ausführungen (C.) verwiesen werden muß. Hat allerdings ein Produzent eine ganze Serie fehlerhaft hergestellt und war eine fehlerfreie Herstellung mit der gebotenen Sorgfalt (§ 1299 ABGB) möglich, so ist die Nichterfüllung (Schlechtleistung) auf seine Sorgfaltsverletzung zurückzuführen. Er hat dann die Nichterfüllung durch die dem Vertragsschluß vorweggenommenen Handlungen sorgfaltswidrig verursacht. Diesbezüglich gilt das allgemein zur Gattung Ausgeführte.
C. Folgeschäden durch Hingabe einer fehlerhaften Spezies
These zur Beweislast: Der Käufer hat die Mangelhaftigkeit der gelieferten Sache, also die Nichterfüllung (Schlechtleistung), und den dadurch entstandenen Schaden zu beweisen. Der Verkäufer hat sich zu entlasten. Die Entlastung ist gelungen, wenn bewiesen ist, daß der Verkäufer und seine Gehilfen die gebotene Sorgfalt zur gehörigen Leistung aufgewendet haben und sie vom schadenstiftenden Mangel ao Vgl. auch den Hochalpenstraßen/all (s. u. § 18 FN 32), in dem der OGH offenkundig annimmt, daß ein Teil der zur ordnungsgemäßen Erfüllung notwendigen Sorgfaltsmaßnahmen vor Vertragsschluß zu treffen war und daher bei der Nichterfüllung zu Buche schlägt.
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
bei gehöriger Sorgfalt auch nichts wissen konnten. Die Entlastung ist ebenfalls gelungen, wenn bewiesen ist, daß die objektiv gebotene Sorgfalt aus nicht zu vertretenden subjektiven Gründen nicht beobachtet wurde 31 • I. Behebbarer Mangel einer Spezies
Ist die geleistete Spezies mit einem behebbaren Mangel behaftet, so ergeben sich im Österreichischen Recht von vornherein bezüglich des Schuldinhaltes und der Beweislastverteilung prinzipiell keine Unterschiede zur Leistung mangelhafter Gattung an Stelle der möglichen Leistung einwandfreier Gattungsstücke. Nach § 932 ABGB hat der Käufer einer Spezies den Anspruch auf Verbesserung. Dieser Verbesserungsanspruch läßt sich nur damit erklären, daß der Verkäufer aus dem Vertrage zu mangelfreier Leistung verbunden ist32• Gibt er die mit einem behebbaren Mangel behaftete Spezies in mangelhaftem Zustand hin, so liegt Nichterfüllung vor. Der Verkäufer kann sich aber z. B. damit entlasten, daß der Fehler bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar war, er daher dessen Behebung unterließ und deswegen die mangelhafte Leistung (Nichterfüllung) in schadenersatzrechtlicher Hinsicht33 nicht zu vertreten hat. Hätte er den Mangel bei gebotener Sorgfalt zwar erkennen, aber nicht vor der vereinbarten Übergabefrist beheben können, so trifft ihn zwar an der Nichterfüllung zum Übergabszeitpunkt keine Sorgfaltsverletzung, sehr wohl jedoch bezüglich der Abgabe eines Versprechens, das zum Leistungszeitpunkt nicht eingehalten werden konnte. Man denke etwa an den Fall, in dem jemand, der sich nicht mit Verkaufsabsichten trägt, von einem Kauflustigen zum Abschluß bewogen wird, auf der Stelle zu leisten. Hier ergeben sich gewisse Parallelen zum anfänglichen unbehebbaren Mangel einer Spezies. Es liegt Nichterfüllung vor, aber die Nichterfüllung selbst ist nicht auf eine Sorgfaltswidrigkeit zurückzuführen, sorgfaltswidrig ist, wenn überhaupt, nur die Abgabe des Versprechens34•
Zur Entlastung aus subjektiven Gründen s.o. § 11. s. a. Klang I Bydlinski2 IV/2, 153. 33 Nach Gewährleistungsgesichtspunkten hat er selbstverständlich einzustehen. 84 Der Fall, daß eine mit einem behebbaren Mangel behaftete Spezies sofort übergeben werden soll und so rasche Behebung des Mangels nicht möglich ist, gleicht bezüglich der Rechtzeitigkeit der Leistung weitgehend dem Fall, in dem jemand eine noch nicht beschaffte Gattung verkauft und sofort liefern soll. - s. dazu nach FN 59. 31
32
C. Spezies I II. Anf. unbehebbarer Mangel I 1. Allgemeines
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II. Anfänglicher Unbehebbarer Mangel einer Spezies
1. Allgemeines Besonders schwierig erweist sich die Beurteilung jener Fälle, in denen die veräußerte Spezies bei Vertragsschluß mit einem unbehebbaren Mangel behaftet ist. Wir befinden uns hier in jenem Bereich, für den Pisko eine Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB ablehnte, weil der Geschädigte hier keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung habe36 • Diese Aussage wurde, wie schon mehrfach erwähnt38, mißverstanden, und auf alle fehlerhaften Sachleistungen bei Kauf- und Werkverträgen bezogen. Pisko meinte hingegen, die verkaufte, bei Vertragsschluß mit einem unbehebbarem Mangel behaftete Spezies sei nur in diesem Zustand geschuldet, und mit der Hingabe in diesem Zustand sei voll erfüllt, daher liege weder Nichterfüllung noch mangelhafte Erfüllung vor und es könne deswegen auch keinen Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung geben. Daher komme auch § 1298 ABGB nicht in Betracht. In Wahrheit ist aber im Österreichischen Recht selbst bei anfänglichen unbehebbaren Mängeln einer Spezies die Sache mit den vereinbarten, d. h. den ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen ( = den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften) Vertragsinhalt (§§ 922, 923 ABGB). Bezüglich dieser Eigenschaften wurden Willenserklärungen und nicht Wissenserklärungen abgegeben. Es geht ja auch nicht an, Erklärungen bezüglich der Qualität einer Sache als Wissenserklärungen anzusehen, wenn sich später herausstellt, daß die Sache mit einem anfänglichen unbehebbaren Mangel behaftet ist, sie aber als Willenserklärungen zu betrachten, wenn sich herausstellt, daß der Mangel behebbar ist (Verbesserung). Die Erklärungen sind beide Male Willenserklärungen, im ersten Fall stellt sich die Frage, ob sie wirksam sind. Das ABGB hat dies bejaht. § 878 ABGB läßt nur den geradezu unmöglichen Vertrag nicht zustandekommen. Dagegen unterstellt § 923 ABGB den Fall, daß jemand eine nicht mehr vorhandene Sache verkauft, der Gewährleistung. Wäre der Vertrag über diese anfänglich objektiv unmögliche Leistung nichtig, so bedürfte es nicht des Gewährleistungsinstrumentariums zur nachträglichen Beseitigung des zustandegekommenen Vertrages. Aus dieser bereits von Rabel37 klar herausgestellten Tatsache ist mit diesem Autor und der herrschenden Österreichischen 35 38
Klang I Pisko 1 III2, 570 vor FN 137a. - s. o. § 2. A. III. s. o. § 2. A. III.
37 Rabel, ABGB-FS II 821 ff., insb. 826 ff. = Rabel, Gesammelte Aufsätze I 79, insb. 83 ff.
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
Lehre festzuhalten38, daß mit den Worten "geradezu unmöglich" nur ein absurder Vertragsinhalt erfaßt werden soll, d. h. Verträge mit bloß schlicht unmöglichem Vertragsinhalt gültig sind. Wenn schon bei gänzlicher anfänglicher Unmöglichkeit ein Vertrag nach ABGB gültig ist, dann erst recht ein Vertrag, dessen Leistungsgegenstand in der vereinbarten Qualität von vornherein nicht erbracht werden kann auch bezüglich der Qualitätsabrede30• "lmpossibilium nulla obligatio" gilt nicht für die gänzliche und schon gar nicht für die bloß teilweise anfängliche (qualitative) Unmöglichkeit im Österreichischen Recht. Ein logisches Postulat, daß ein von Anfang an gänzlich oder teilweise nicht erfüllbarer Vertrag insoweit nichtig sein müsse, gibt es nicht. Gegenteilige Annahmen wurden längst widerlegt40 und bedürfen hier keiner weiteren Erörterung. Eine rechtliche Notwendigkeit zur Statuierung eines derartigen Rechtssatzes besteht schon gar nicht. Das ABGB erklärt solche Verträge im vollen Umfang für gültig und von dieser Regelung hat die Erschließung der Rechtsfolgen auszugehen. Festzuhalten ist zunächst, daß im Österreichischen Recht jeder Gewährleistungsfall ein Fall der gänzlichen oder teilweisen Nichterfüllung ist41 • Wer eine Sache mit einem unbehebbaren, schon bei Vertragsschluß bestehenden Mangel leistet, erfüllt (zumindest teilweise) nicht42 • Die vertragsgemäße volle Erfüllung ist zwar nicht möglich, sehr wohl as Vgl. Klang I Bydlinskil fVI2, 125 ff.; Koziol/ Welser, Grundriß 3 I 105; Armin Ehrenzweig, System1 1111, 158; Gschnitzer, Allgemeiner Teil 190 ff. Zu Gschnitzer s. a. § 2 FN 116. 38 s. a. Klang I Bydlinski1 fVI2, 154 bei und in FN 158. 40 Vgl. Rabel, Bekker-FS 171 ff. = Rabel, Gesammelte Aufsätze I 1 ff.; derselbe, RheinZ 3, 467 ff. = Gesammelte Aufsätze I 56 ff.; derselbe, ABGBFS I 821 ff. = Gesammelte Aufsätze I 79 ff.; Flume, Eigenschaftsirrtum 46 f.; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung 67; Weitnauer, Vertragsaufhebung 89; Gschnitzer, Allgemeiner Teil 191; Klang I Bydlinski1
rv12, 152; Kramer, JBI. 1972, 404. 41 Rabel, Dolenc-FS 728 =Gesammelte Aufsätze III 163; Klang I Bydlinski1 fVI2, 157; Kramer, JBl. 1972, 401 ff. 42 § 1047 ABGB spricht davon, daß die Sache in eben dem Zustand, in wel-
chem sie sich bei Schließung des Vertrages befunden hat, zu übergeben und zu übernehmen ist. Aus dieser Vorschrift können keine Rückschlüsse auf den wirksamen Umfang der Vereinbarung gezogen werden. Dieser ist im Zusammenhang mit § 878 und § 918 ff. bzw. § 922 ff. ABGB zu ermitteln. § 1047 ABGB will im wesentlichen nichts anderes sagen, als daß die Sache nicht verschlechtert, von ihr nichts weggenommen werden darf. Daß sie zur vollen Erfüllung, d. h. zur Bewirkung der vereinbarungsgemäßen Leistung - falls möglich - zu verbessern ist, sagt § 932 ABGB ausdrücklich. Insoferne ist also der tatsächlich bei Vertragsschluß gegebene Zustand zu verbessern und der Käufer ist keinesfalls verpflichtet, die Sache, so wie sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war, zu übernehmen. Er darf die angebotene Leistung zurückweisen und Verbesserung begehren. Ist das verkaufte Pferd zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits tot (Beispiel von Flume, Eigenschaftsirrtum 19 f.), so hat es der Verkäufer nicht in diesem Zustand zu übergeben und schon gar nicht muß es der Käufer in diesem Zustand über-
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möglich sind hingegen Sanktionen wegen Nichterfüllung. So stehen die dem gänzlichen Rücktritt entsprechende Wandlung und die dem Teilrücktritt entsprechende Minderung als Nichterfüllungssanktionen fest. Treffend führt Rabel unter anderem gegen Pisko aus: "Die Grundanschauung aber, daß die ,Mängel' wirkliche, obwohl besonders geordnete Fehler der Vertragserfüllung sind, ist meines Erachtens nicht nur für das ABGB richtig, sondern überhaupt die gesundeste; sie ist zwar naiv, aber faßt brauchbar das Vertragsrecht zusammen43." Bydlinski44 und Kramer46 haben dies neuerdings wiederum unterstrichen. Das EKG, eine späte Frucht des unermüdlichen Bemühens von Rabel, dogmatische Enge zu überwinden - eine Frucht, die ihm zu erleben nicht mehr gegönnt war - , hat diese Auffassung unübersehbar zugrundegelegt46• 47 • Wir sollten nicht vergessen, daß Rabel seine entscheidenden Gedanken zu einem sehr erheblichen Teil durch Interpretation der Bestimmungen des ABGB über die anfängliche Unmöglichkeit und die Gewährleistung gewann48•
2. Anspruch auf das positive Interesse? Praktisch bedeutungsvoll ist die Frage, ob und wieweit der Gläubiger die Vorteile liquidieren kann, die er hätte, wenn die mit einem ursprünglichen Mangel behaftete Spezies in dem vereinbarten Zustand hätte geleistet werden können. Kann er nur den Wert der Sache liquidieren, den sie bei ordnungsgemäßer Beschaffenheit hätte oder auch den Gewinn, der sich aus der Weiterverwertung der fehlerfreien Sache ergeben hätte? Bydlinski und Koziol/ Weiser gehen davon aus, daß ein Anspruch auf derartige Vergütungen nach allgemeinen Grundsätzen i. d. R. nicht bestehe, weil der Versprechende diesen Schaden nicht verursacht hat49. Daß ein Schade nicht verursacht wurde, schließt nehmen. Wir sehen also, § 1047 ABGB ist cum grano salis zu nehmen. Nach Piskos Theorie läge bei Lieferung des Pferdekadavers weder Nichterfüllung noch mangelhafte Erfüllung vor (s. o. § 2. A. 111.). 43 Rabel, Dolenc-FS 728 = Gesammelte Aufsätze Ill 163. 44 Klang I Bydlinski2 !VI2, 151 ff. 45 JBl. 1972, 401 ff. 4e Vgl. Art. 33 EKG. 47 Vor nicht allzu langer Zeit las ich irgendwo, das EKG entbehre als Kompromiß verschiedener Meinungen einer dogmatischen Grundlage. Dieser Autor hat dabei wohl übersehen, daß eine dogmatische Grundlage nicht erst gegeben ist, wenn man Einfaches verkompliziert. 48 s. vor allem ABGB-FS I 821 ff. = Gesammelte Aufsätze I 79 ff. und Dolenc-FS 704 ff. = Gesammelte Aufsätze III 138 ff. 49 Klang I Bydlinski2 rv12, 154 bei FN 179 und S. 126 bei FN 100 und in FN 100; ähnlich KozioZ/ Welser, Grundriß3 I 105 f. - Bydlinskis Ausführungen beruhen auf einem Seminarreferat Welsers (s. Klang I Bydlinski2 IVI2, 127 FN 101).
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aber eine Haftung noch nicht notwendigerweise aus, wenn andere, die Haftung rechtfertigende Kriterien bestehen. So werden zum Beispiel bei alternativer Kausalität alle zur Haftung herangezogen, die durch das nachgewiesene fehlerhafte Verhalten auch nur möglicherweise den Schaden verursacht haben50, bei kumulativer Kausalität jeder "Schädigende" obwohl sein "Beitrag" keinen Schaden herbeiführen konnte, weil der Beitrag des anderen alleine zur Schadensherbeiführung genügte51 und bei der überholenden Kausalität lassen z. B. Bydlinski52 und Koziozss sowohl den realen als auch den hypothetischen Schädiger haften. Der falsus procurator haftet nach Handelsrecht wiederum auf Erfüllung bzw. Ersatz des Erfüllungsinteresses, soferne er nicht nachweist, daß er seinen Vertretungsmangel nicht kannte, und dies, obwohl feststeht, daß bei Offenlegung des Vollmachtsmangels der Geschäftspartner im Falle der Verweigerung der Genehmigung durch den Vertretenen niemals das Erfüllungsinteresse bekommen hätte. Wir haben gezeigt, daß man es im letzten Fall mit einer durch Entlastbarkeit abgeschwächten gesetzlichen Garantiehaftung des Vertreters zu tun hat53a. Wie in den eben angeführten Fällen aufgrund besonderer Gesichtspunkte ohne Verursachung zu haften ist, so auch in den Fällen eines von Anfang an nicht erfüllbaren Vertrages, wenn sich besondere Kriterien dafür finden lassen.
Bydlinski will den Ersatz des positiven Interesses bei Verkauf einer fremden Sache, den er zur gänzlichen anfänglichen Unmöglichkeit analog behandelt, ohne Rücksicht auf irgendein Verschulden des Schuldners gewähren, wenn nach den Umständen des Falles eine Garantieübernahme anzunehmen ist. Eine Garantiehaftung ist dem Schuldner seiner Ansicht nach vor allem dann aufzuerlegen, "wenn in der Sicht des Gläubigers deutlich erkennbar war, daß der vom Schuldner übernommenen Leistung mit in Rechnung zu stellender Wahrscheinlichkeit bestimmte Hindernisse entgegenstehen könnten, daß der Schuldner dies weiß und daß er das Leistungsversprechen dennoch ohne jede Einschränkung oder Bedingung gegeben hat. Vorauszusetzen ist auch, daß auch dem Schuldner erkennbar war, daß sich dem Gläubiger dieses Bild bietet" 54 • - Haben wir eine derartige schlüssige Garantieübernahme vorliegen, so bedarf es zur Begründung der Haftung allerdings keiner Berufung auf § 878 ABGB mehr. Eine derartige echte Garantie 5o Bydlinski, JBl. 1959, 1 ff.; Rummel, Ersatzansprüche 24 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht I 47 ff.; Koziol I Welser, Grundriß3 I 305. 61 Bydlinski, Schadensverursachung 15 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht I 53 ff.; Koziol I Welser, Grundriß3 I 305. 61 Schadensverursachung 65 ff. sa Haftpflichtrecht I 53 ff. 53a s. o. § 9. B. III. 64 Klang I Bydlinski2 IVI2, 127.
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ist selbstverständlich auch dann wirksam, wenn eine Rechtsordnung Verträge, deren Erfüllung schon bei Vertragsabschluß zur Gänze unmöglich ist, für nichtig erklärt (§ 306 BGB). Bei einer derartigen Betrachtung der Dinge brächte § 878 ABGB gegenüber § 306 BGB für den Gläubiger einer nicht erfüllbaren Verbindlichkeit keinen Vorteil. Bydlinski geht denn auch einen Schritt weiter und nimmt eine Garantiehaftung selbst dann an, wenn sich in der Sicht des Gläubigers keine Hindernisse zeigen, diese jedoch deutlich in den Gesichtskreis des Schuldners treten und der Schuldner dennoch die Leistung ohne Einschränkung übernimmt. Dann meint Bydlinski, müsse die "Garantiehaftung umsomehr auferlegt werden, weil auf Seiten des Schuldners die Interessenlage ebenso" wie im oben erwähnten Beispiel liege, der Gläubiger dagegen in seiner sicheren Erwartung der Leistung noch schutzwürdiger erscheine. Dieses Ergebnis fordere die Verkehrssicherheit und der Schutz des Vertrauens im rechtsgeschäftliehen Verkehr55 • - In welchem Akt soll im eben angeführten Fall die Garantieübernahme liegen? Aus der Sicht des Gläubigers, und auf diese kommt es bei der Deutung der Erklärung des Schuldners an (Vertrauenstheorie)58, hat die Erklärung des Schuldners denselben Bedeutungsgehalt, ob dieser nun die dem Gläubiger unbekannten Leistungshindernisse kennt, kennen mußte oder nicht kennen konnte. Der Schuldner verspricht den Verkauf eines Grundstückes, das sich als fremd herausstellt, er verspricht den Verkauf einer einwandfreien Sache, die in Wahrheit mit einem unbehebbaren Mangel behaftet ist. Aus der Sicht des Gläubigers wurde jeweils eine einwandfreie Leistung versprochen und § 878 ABGB läßt dieses Leistungsversprechen wirksam werden. Ansatzpunkt für die vertragliche Haftung kann nur dieses Versprechen sein, ansonsten ist beim Vertragsschluß nichts in die Außenwelt getreten, worauf der Gläubiger vertrauen könnte. Damit ist noch nicht gesagt, daß der Schuldner in jedem Falle den Gläubiger so zu stellen hat, wie er stünde, wenn die ordnungsgemäße Leistung möglich gewesen wäre. Aber auszugehen ist von der gültigen Erklärung. Der Schuldner hat wirksam eine vertragliche Vereinbarung getroffen, der im Prinzip eine korrespondierende Haftung entspricht57• Klang I Bydlinski2 IVI2, 127 f. s. dazu Bydlinski, Privatautonomie insb. 10 f., 26 f., 37 f. - Klang I Bydlinski2 IVI2, 128 spricht denn auch davon, daß das Schwergewicht auf dem Leistungsversprechen allein des Schuldners liegt. Aus dieser Warte muß aber jedes mal vom wirksamen Versprechen eines Erfolges ausgegangen werden. 57 Von Caemmerer, NJW 1956, 569 ff., bezeichnet die Regelung des § 306 BGB im Anschluß an Rabel als historisches Mißverständnis, als mißglückte Regelung und schwerwiegende Fehlkonstruktion (s. dazu vor allem Rabel, Bekker-FS 171 ff. =Gesammelte Aufsätze I 1 ff.; Rabel, RheinZ 3, 467 ff. = Gesammelte Aufsätze I 56 ff.; Rabel, ABGB-FS II 821 ff. = Gesammelte 55
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Ein unbedingtes Einstehenmüssen des Schuldners für das positive Interesse ist bei anfänglich unbehebbaren Mängeln einer Spezies aber ebensowenig anzunehmen wie bei nachträglichen Leistungshindernis~ sen. Weist das Gesetz dem Schuldner bei den nach Vertragsschluß auftretenden Hindernissen einen Ausweg aus der Haftung, die dem Umfange der Vereinbarung entspricht (§ 1298 ABGB), so wohl auch bei einer schon bei Vertragsschluß unmöglichen Leistung. Für die Frage der Entlastung bei anfänglicher Unmöglichkeit spielt es i. d. R.673 keine Rolle, ob der Verkäufer vor Vertragsschluß Sorgfalt zur Vermeidung des Unterganges bzw. der Verschlechterung der Sache aufgewendet hat. Niemanden trifft eine Pflicht, mit seinen prinzipiell nicht zum Verkaufe bestimmten Sachen sorgfältig umzugehen, weil es ihm später Aufsätze III 138 ff.). s. a. Weitnauer, Vertragsaufhebung 90 f. - Vergleicht man § 306 ff. mit § 463/2 BGB, so fällt auf, daß bei gänzlicher anfänglicher Unmöglichkeit der Schuldner das positive Interesse auch dann nicht zu ersetzen hat, wenn er arglistig die Nichtexistenz der Sache verschwieg bzw. deren Existenz vorspiegelte. § 307 BGB läßt denjenigen, der die Unmöglichkeit der Leistung kennt, nur auf das Vertrauensinteresse haften. Diese Regelung ist vom (nicht glücklichen) Ausgangspunkt des BGB nur konsequent: Bei gänzlicher anfänglicher Unmöglichkeit läßt das BGB den Vertrag nicht entstehen, daher erfolgt keine Haftung für positives Interesse, bei teilweiser qualitativer anfänglicher Unmöglichkeit läßt es den Vertrag in vollem Umfang entstehen, daher gibt es, wenn auch nur unter besonderen Umständen, Ersatz für das positive Interesse (s. a. FN 69 a. E.). Ansonsten hat sich diesbezüglich der Käufer mit den Gewährleistungsbehelfen als Sanktion zu begnügen. Wertungswidersprüche zwischen der einen und der anderen Regelung sind freilich nicht zu übersehen. Sie bestehen in einem gewissen Grad wohl auch im Verhältnis zur Haftung des Vertreters ohne Vollmacht nach § 179 Abs. 1 BGB (s. dazu § 9. B. III.). 57a Vgl. das in § 12. B angeführte Beispiel des Verkaufs einer wertvollen Geige. - Es sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen der Verkäufer trotz unverschuldeter Unkenntnis der Unmöglichkeit der Leistung bei Vertragsabschluß für die Zerstörung der Sache vor Vertragsschluß zu haften hat, wenn er nicht beweisen kann, daß weder ihn noch seine Gehilfen daran ein Verschulden i. w. S. trüft: Das Verbrennen des Siloinhalts, aus dem 3 t Weizen geschuldet sind (beschränkte Gattungsschuld), ist weder auf seine noch auf seiner Gehilfen Sorgfaltsverletzung zurückzufühen. - Die Haftung ergibt sich m. E. aus der Vertragsauslegung: Aus der Sicht der Parteien waren - zumindest bei gewerbsmäßiger Lagerung zum Verkauf - bestimmte Vor~ rätebereit zu halten und die für die Erfüllung notwendigen Handlungen schon vor dem Vertragsschluß zu setzen (die Dinge liegen hier also ähnlich wie bei der Schlechtleistung, deren Ursache in einem vorvertraglichem Verhalten liegt, das in Hinblick auf künftige Erfüllungen gesetzt oder unterlassen werden sollte-s.o. nach FN 25). Wer ein Lager zum Verkaufe hält, macht ja auch die Sorgfaltsmaßnahmen bezüglich der Erhaltung der Sache, nicht von den einzelnen Vertragsabschlüssen abhängig. Er betreut das Lager einheitlich im Hinblick auf künftig mögliche Abschlüsse. Nicht anders verhält es sich z. B. mit einer auf dem Meere schwimmenden Schiffsladung, die zum Verkaufe bestimmt ist. Für die Schadenersatzpflicht des Verkäufers muß es ohne Belang sein, ob das Schiff vor oder nach Vertragsabschluß untergegangen ist (dies gegen Rabel, Bekker-FS 220 = Gesammelte Aufsätze I 41). Derartige Umstände hat in solchen Fällen m. E. auch der Verkäufer nach dem EKG in Betracht zu ziehen (vgl. Art. 74).
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einmal in den Sinn kommen könnte, diese zu verkaufen57a. Die Frage der Sorgfaltseinhaltung kann sich in solchen Fällen nur auf den Vertragsabschluß trotz gänzlicher bzw. teilweiser qualitativer Unmöglichkeit beziehen. Wen keine Sorgfaltsverletzung bezüglich der Vereinbarung bestimmter Eigenschaften traf oder eine solche aus zu berücksichtigenden subjektiven Gründen (Entschuldigung i. e. S.) nicht zu vertreten hat, der soll nicht im Umfange der Vereinbarung haften, sondern wird vom Ersatz des positiven Interesses befreit und hat diesbezüglich nur nach den Regeln der Gewährleistung einzustehen. Wer aber wußte oder wissen mußte, daß er nicht werde erfüllen können, der soll nach ABGB vertragsgemäß haften68• Wer sich bindet, hat eben - wie Rabel klar erkennt - zuvor seine Fähigkeit zu prüfen, dem Gläubiger den versprochenen Erfolg zu erbringen, und stehe nachher für das Versprochene ein69 • Der OGH hat dies bei einem Gattungskauf ganz richtig erkannt, bei dessen Abschluß der Verkäufer bereits wissen mußte, daß er nicht rechtzeitig werde erfüllen können. An der fehlenden Rechtzeitigkeit traf den Verkäufer keine Sorgfaltsverletzung, er hätte die bestellten Möbel bei größter Sorgfalt nicht rechtzeitig liefern können. Die sorgfaltswidrige Zusage, zum entsprechenden Zeitpunkt zu liefern, war daher bezüglich der Nichtverwirklichung des Erfüllungsinteresses nicht kausal. Der Fall liegt also insoferne parallel mit gänzlicher oder teilweiser anfänglicher Unmöglichkeit der Erbringung einer bestimmten Leistung. Rechtzeitige Leistung war hier bei Vertragsschluß schon "unmöglich". Der OGH ging nun davon aus, daß derjenige, der eine erst zu beschaffende Sache verkauft, das Risiko der Lieferbarkeit übernimmt. Weiters meinte er: "Wer bei Abgabe eines Versprechens damit rechnet, es aus bestimmten Gründen nicht erfüllen zu können, kann sich bei Eintritt dieser Hinderungsgründe nicht darauf berufen, von den Verhältnissen überrascht worden zu sein." Da der Verkäufer "bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes die ,branchenkundigen' Verhältnisse voraussehen mußte60, ist" ihm "die Nichteinhaltung der zugesagten Lieferzeit als Verschulden anzurechnen" 61 • Das Höchstgericht geht also von der wirksam vereinbarten Leistung aus, 68 RabeZ, ABGB-FS II 834 = Gesammelte Aufsätze I 89. Die von RabeZ de lege lata zum ABGB gemachten Aussagen finden sich bei Rabel auch als Vorschlag de lege ferenda zur Überwindung der §§ 306 ff. BGB (Rabel, RheinZ 3, 477 = Gesammelte Aufsätze I 65; vgl. auch Rabel, Bekker-FS 223 = Gesammelte Aufsätze I 43). 6e Rabel, ABGB-FS II 834 = Gesammelte Aufsätze I 89 (de lege lata für das ABGB- de lege ferenda zur Überwindung des § 306 BGB: Bekker-FS 228 =Gesammelte Aufsätze I 47; RheinZ 3, 477 =Gesammelte Aufsätze I 64). 80 Im Original nicht hervorgehoben. 81 OGH 30. 6. 1971, 5 Ob 88171, RZ 1972, 14.
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orientiert daran die Haftung und läßt eine Entlastung nicht zu, wenn der Schuldner schon bei Vertragsschluß wissen mußte, daß er nicht rechtzeitig werde erfüllen können. Am wirksam Versprochenen orientiert sich die Haftung auch bei gänzlicher oder teilweiser anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung. Der Schuldner kann sich aber von der Haftung bezüglich des positiven Interesses befreien, wenn er beweist, daß ihn kein Vorwurf trifft, etwas versprochen zu haben, was er nicht halten kann. Die Entlastung kann - wie auch sonst - in mehreren Stufen erfolgen. Gelingt es dem Schuldner nicht, zu beweisen, daß ihn keine grobe Fahrlässigkeit trifft (rücksichtlich der diesbezüglichen Beweislast s.o. § 10), so hat er auf das volle Gläubigerinteresse zu haften, also auch für den infolge des Mangels rücksichtlich einer Weiterveräußerung entgangenen Gewinnes62. Kann der Verkäufer das Fehlen von grober Fahrlässigkeit beweisen, aber nicht das von leichter Fahrlässigkeit bezüglich der Abgabe des nicht einhaltbaren Versprechens, so beschränkt sich- soweit die Wertrelationen angesprochen sind- seine Ersatzpflicht bei Wandlung auf den objektiven Wert der Sache, den diese in einwandfreiem Zustand gehabt hätte. Bei Nichtaufhebung des Vertrages ist die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert und dem Wert zu ersetzen, den diese im vereinbarten Zustand gehabt hätte. Gelingt dem Verkäufer volle Entlastung, dann bleibt der Käufer auf die Gewährleistungsbehelfe beschränkt. Es ist bloß die subjektive Äquivalenz wieder herzustellen. Wären die vereinbarten Leistungen einander einigermaßen gleichwertig gewesen, so sind die Folgen bei Schadenersatz wegen Nichterfüllung, wenn der Schuldner nur leicht fahrlässig Unerfüllbares versprochen hat, im Verhältnis zu den Gewährleistungsfolgen nicht allzu gravierend. Sie scheinen uns im Hinblick auf die hier vorgenommene Haftungsabstufung auch sonst nicht zu schwerwiegend, wenn man bedenkt, daß bei einer Vertragsanfechtung der Gläubiger83 im Vertrauensinteresse auch den aus einem verabsäumten Geschäft entgangenen Nutzen liquidieren kann. Dort bedarf es natürlich der Ursächlichkeit des nicht zustandegekommenen bzw. aufgehobenen Vertrages für den verabsäumten Geschäftsabschluß. Doch sollte man in diesem Zusammenhang nicht 82 Verkauft jemand eine fremde Sache, um deren Fremdheit er weiß, so liegt in der vorbehaltslosen Übernahme der vertraglichen Verbindlichkeit zur Leistung i. d. R. mindestens grobe Fahrlässigkeit. Täuscht der Verkäufer den Käufer über die Fremdheit der Sache, so liegt darin noch keineswegs notwendig eine Täuschung (d. h. eine absichtliche Irreführung) über die Erfüllbarkeit des geschlossenen Vertrages. Der Verkäufer kann sich seiner Sache durchaus sicher wähnen. 83 Nach § 122 BGB ist bei dieser Haftung nicht einmal eine Entlastung möglich.
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übersehen, daß derjenige, der gültig einen Spezieskauf geschlossen hat,
i. d. R. mit anderen nicht mehr in Geschäftsverhandlungen getreten
ist, weil er mit dem Abschluß über diese Spezies seine Erwartungen erfüllt sah. Auch dem Spezieskäufer wird es häufig (sieht man von Kunstwerken ab) nicht so sehr gerade auf diese Sache, sondern nur auf eine solche Sache ankommen, wie der Verkäufer sie anbietet. Einzig der Verkäufer wird nur diese verkaufen wollen, weil er nur sie hat und keine andere beschaffen will. Wir ersparen also dem Käufer häufig nur, daß er beweist, daß ihm eine andere ebenso günstige Abschlußgelegenheit entging. Dies scheint bei einem gültig zustandegekommenen, nicht anfechtbaren oder nicht angefochtenen Vertrag nur billig. Damit soll freilich die vertragliche Haftung nicht erst begründet werden. Es soll nur zeigen, daß bei anfänglich unbehebbaren Mängeln eine Haftung für nicht verschafften Nutzen nicht unbillig erscheinen muß. Auch das EKG geht von einer grundsätzlichen Haftung des Verkäufers für eine bereits bei Vertragsschluß mangelhafte Spezies aus und läßt im Rahmen des Art. 74 eine Entlastung zu64 • Das eben Dargestellte versuchte zu zeigen, daß nach österreichischem Recht auch bei anfänglichen unbehebbaren Mängeln ein Anspruch des Gläubigers auf das positive Interesse wegen des gültigen Vertrages, dem im Prinzip eine entsprechende Haftung korrespondiert, besteht. Die Gewährleistungsbehelfe sind auch diesbezüglich keine abschließende Sanktion des Gesetzes auf die Nichterfüllung. Uns interessieren hier vor allem aber die Mangelfolgeschäden aus einer Schlechtleistung.
3. Ersatzansprüche wegen Mangelfolgeschäden Wie gezeigt64a wird mangelfreie Qualität sowohl unter dem Aspekt der positiven Gläubigererwartung als auch unter dem der Schadensvermeidung vereinbart. Davon ist sowohl beim Spezieskauf als auch beim Genuskauf und den sonstigen Verträgen auf Leistung einer bestimmten Qualität - eines qualitativen Erfolges - auszugehen. Die entsprechende Qualität ist wirksam vereinbart und der Käufer hat aufgrund des Vertrages wegen der Mangelfolgeschäden durch die vertragswidrige Sache einzustehen. Aus dem Wesen der Erfolgsverbindlichkeit haben wir erkannt, daß ihr eine Erfolgshaftung entspricht. Wir haben gesehen, daß § 1298 ABGB aus dieser Erfolgshaftung einen Ausweg bietet, er gleichsam die Erfolgshaftung abschwächt. § 1298 ABGB ermöglicht dem Schuldner at B4a
Vgl. Weitnauer, Vertragsaufhebung 74 f. s. o. B. und § 8. B. Il..1. a.
16 Reisehauer
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
den Beweis, daß er an der Erfüllung der Erfolgsverbindlichkeit "ohne sein Verschulden verhindert worden sei". Bei einem anfänglichen unbehebbaren Mangel einer Spezies wird dem Verkäufer dieser Beweis immer gelingen, weil weder der Mangel noch die fehlende (gar nicht mögliche) Beseitigung auf ein zu vertretendes Verhalten des Schuldners zurückzuführen ist65 • In seinem Wortlaut erfaßt § 1298 ABGB also den Fall der anfänglichen unbehebbaren Mängel nicht. Es bedarf einer analogen Anwendung auf die Fälle der anfänglichen gänzlichen und der teilweisen (qualitativen) Unmöglichkeit. Diese analoge Anwendung führt nun nicht etwa dazu, daß dadurch dem Gläubiger systemwidrig der Belastungsbeweis abgenommen würde. Ganz im Gegenteil: Aus dem Umfang der wirksamen Vereinbarung, der- wozu soll sonst die Wirksamkeit gut sein - eine entsprechende Haftung korrespondiert, ergäbe sich das unbedingte Einstehenmüssen des Schuldners, wenn man § 1298 ABGB nicht analog anwendete und so dem Schuldner einen Ausweg aus der Haftung anböte. § 932 ABGB wurde in seiner ursprünglichen Fassung auch teilweise in dem Sinne verstanden, daß Mangelfolgeschäden sogar unabhängig von einem Verschulden zu ersetzen seien66 • § 932 Abs. 1/2 ABGB in der geltenden Fassung stellt hingegen klar, daß das Verschuldenselement erheblich ist, daß es sich um eine Parallele zu § 921 ABGB handelt. Wir haben gesehen, daß nach dem Willen der Verfasser der 3. Teilnovelle auch hier der Schuldner den Entlastungsbeweis führen kann68a. Heute wird teilweise die Meinung vertreten, § 932 Abs. 1/2 ABGB behandle einen Fall der culpa in contrahendo67 • Diese Deutung ist schon insoferne unpräzise, als § 932 Abs. 1/2 ABGB die Fälle der Leistung einer mangelhaften Gattung oder einer mit einem nachträglichen Mangel behafteten Spezies, sei er behebbar oder unbehebbar, und den anfänglichen behebbaren Mangel genauso erfaßt, wie den anfänglichen unbehebbaren. Die genannten Autoren67 haben wohl nur den an85 Vgl. aber auch den bei FN 27 und den in FN 57 a erwähnten Fall, in dem die Sache anders liegt. ee Vgl. 3. TN-Materialien 296.
eea s. o. § 2. A. I. Klang I Bydlinski2 IV/2, 129, 130; Welser, Vertretung 64 ff.; derselbe ÖJZ 1973, 283. Im Grundriß3 I wird § 932 Abs. 1/2 ABGB bei der Erläuterung der Rechtsanalogie als Fall der culpa in contrahendo angeführt (23), bei der Erläuterung der culpa in contrahendo (154) wird diese Norm nicht 87
erwähnt, dafür aber wiederum bei der sog. - von uns negierten Kategorie positiven Forderungsverletzung (197). Die Autoren dürften der Meinung sein, bei einem anfänglichen unbehebbaren Speziesmangel treffe die Regelung des § 932 Abs. 1/2 einen Fall der culpa in contrahendo, bei nachträglichen Mängeln einer Spezies und bei Gattungsmängeln handle es sich um sog. positive Forderungsverletzungen. - s. a. Welser, Vertretung 65 FN 34: ... .,Auf § 932 Abs. 1 a. E. können aber auch Schadenersatzansprüche wegen nachträglich verschuldeter Mängel gestützt werden".
C. Spezies I II. Anf. unbehebbarer Mangel I 3. Mangelfolgeschäden
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fänglichen unbehebbaren Mangel im Auge. Aber auch diesbezüglich beruht die Haftung, wie wir gezeigt haben, nicht auf culpa in contrahendo, sondern auf dem Vertrage, in dem wirksam68 die Leistung einer mangelfreien Sache vereinbart wurde. Dieser Erfolgsverbindlichkeit entspricht auch eine Erfolgshaftung. Haftungsgrundlage ist der Vertrag. Nur um Härten aus einer derart rigorosen Haftung zu vermeiden, ist dem Schuldner analog zu § 1298 ABGB die Möglichkeit einer Entlastung offen gelassen. Er kann sich von seiner Ersatzpflicht befreien, wenn er beweist, daß er von der Mangelhaftigkeit der Sache nicht wissen mußte69 • Dabei kann hier nicht allein der Beweis genügen, daß es Dieser Meinung sind ja auch Bydlinski (Klang I Bydlinski2 IVI2, 125 ff., 154 FN 178) und Wels er (s. Klang I Bydlinski2 IV12, 127 FN 101) sowie Koziol I Welser, Grundriß3 I 105 f., 189 f. es Ginge man für den Spezieskauf nach BGB mit der herrschenden, aber im Rückzug befindlichen Lehre davon aus, daß die Qualität der Sache nicht Vertragsinhalt ist, so handelt es sich bei dem in § 463 BGB erwähnten Schadenersatz wegen Nichterfüllung aufgrund einer mangelhaften Leistung, nicht um einen echten Schadenersatz wegen Nichterfüllung, sondern bloß um eine Rechtsfolgenverweisung, d. h. die Leistung einer mit einem anfänglichen Mangel behafteten Spezies soll so behandelt werden, wie wenn dies Nichterfüllung wäre. Von diesem Ausgangspunkt müßten wir uns dann weiter fragen, welchen Umfang der in § 463 BGB verwendete Begriff der Nichterfüllung hat. Bedenkt er die Mangelhaftigkeit - sowie der österr. Nichterfüllungsbegriff - auch bezüglich der Mangelfolgeschäden, so sind diese auch nur bei Vorliegen der in § 463 BGB erwähnten Tatbestandsmerkmale zu ersetzen. Also nur bei Vorliegen einer echten Garantie oder bei einem arglistigen Verschweigen des Mangels. Derartige Grenzen der Haftung dürften nicht durch andere Konstruktionen umgangen werden, schon gar nicht durch die Berufung auf culpa in contrahendo, denn das arglistige Verschweigen des Fehlers geschah ja in contrahendo und nur dies erwähnt das Gesetz neben der echten Garantie als Anspruchsvoraussetzung. Von einer derartigen Deutung des Erfüllungsbegriffes des § 463 BGB ausgehend, lehnt Medicus (Kern-FS 315 ff., 317 ff.) den Ersatz der Mangelfolgeschäden bei grob oder bloß leicht fahrlässiger Unkenntnis des Mangels durch den Verkäufer konsequenterweise ab. Dieser Interpretation des Nichterfüllungsbegriffes des § 463 BGB dürfte jedoch nicht zu folgen sein. Die Materialien (BGB-Motive 2 II 229) sprechen von Ersatz des (positiven) Erfüllungsinteresses und bedenken damit wohl genausowenig wie die allgemeinen Leistungsstörungsregeln des BGB Mangelfolgeschäden. Zumindest geht weder aus dem Gesetzestext noch aus den Materialien Gegenteiliges hervor. Daß der Verkäufer bei Nichtvorliegen einer echten Garantie bzw. Täuschung auf die ädilizischen Behelfe beschränkt sein soll (BGB-Motive2 II 229) läßt sich nur im Zusammenhang mit dem Erfüllungsbegriff des § 463 BGB richtig deuten, nichts läßt sich daraus hingegen für den Nichterfüllungsbegriff gewinnen. Ist der Nichterfüllungsbegriff des § 463 BGB weit, dann ist der Käufer tatsächlich auf die ädilizischen Behelfe beschränkt, wenn weder Garantie noch Täuschung vorliegt; ist der Nichterfüllungsbegriff des § 463 BGB hingegen eng, dann sind die Mangelfolgeschäden damit überhaupt nicht erfaßt und daher eine Verweisung des Käufers auf die ädilizischen Behelfe, soferne weder Garantie noch Täuschung vorliegt, unbegründet. Die Deutung des § 463 BGB durch Medicus ist unbillig, extremsachwidrig und mit den sonstigen Wertungen des BGB im Widerspruch. Ist nach BGB die Qualität einer Spezies nicht Inhalt des Vertrages, so bietet sich bezüglich des Schadenersatzes durch Mangelfolgeschäden als 16•
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
er beim Vertragsschluß um den Mangel nicht wissen mußte, es obliegt ihm genauso der Beweis, daß ihm auch bei der Leistung der vertragsHaftungsgrundlage eine Sorgfaltsverletzung an. Näher läge es aber hier, eine Analogie zu § 694 BGB zu bilden, d. h. den Verkäufer prinzipiell für Mangelfolgeschäden einstehen zu lassen, wenn er sich nicht entlasten kann. Diese Haftung würde sich zudem aus der Leistungserwartung des Gläubigers, der das Entgelt für die im allgemeinen mögliche Qualität der Sache zu leisten hat, rechtfertigen lassen. Geht man jedoch - und dies scheint mir auch für das BGB die richtige Lösung zu sein - davon aus, daß die von den Parteien vorgestellten Eigenschaften der Sache Vertragsinhalt werden, so ergibt sich bezüglich der Mangelfolgeschäden für das BGB eine Parallele zwn ABGB. Die Leistung einwandfreier Qualität wurde vereinbart, der Verkäufer hat dafür grundsätzlich einzustehen, wenn er sich nicht damit entlasten kann, daß er von der Mangelhaftigkeit weder wußte noch wissen konnte. Damit wird jener Teil des vertraglichen Erfüllungsinteresses erfaßt, den die Autoren des BGB in Verkennung des Wesens eines Schuldverhältnisses (s.o. § 8) nicht als Leistungsstörung regelten. Bezüglich des positiven Interesses hingegen, welches sie bei der Leistungsstörung bedachten, ist der Nichterfüllungsschaden nur soweit zu ersetzen, als eine echte Garantie oder arglistiges Verschweigen des Mangels vorliegt. - Flume (Eigenschaftsirrtum und Kauf) hat m. E. für das BGB überzeugend nachgewiesen, daß die Eigenschaften auch der Spezies Vertragsinhalt sind und die Gewährleistungsbehelfe nichts anderes als Sanktionen der Nichterfüllung sind. Flume kommt daher für den Ersatz des positiven Interesses konsequenterweise auch zu folgendem Ergebnis: Wenn der Spezieskaufvertrag auf die Leistung ,der bestimmten fehlerfreien Sache' gerichtet ist, so hat der Käufer in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse, daß er die Kaufsache entsprechend der Kaufvereinbarung in fehlerfreiem Zustande erhält, oder daß er, wenn die Kaufsache fehlerhaft ist, so gesteHt ist, wie er stehen würde, wenn er die Kaufsache wie vereinbart in fehlerfreiem Zustande bekommen hätte" (Eigenschaftsirrtum 54. - Das hier Hervorgehobene ist im Original nicht hervorgehoben). In einer Abwägung der diametralen Interessen des Käufers und des Verkäufers aber lasse das BGB den Verkäufer, der vom Mangel nichts wußte, aus Billigkeitsgründen für das positive Interesse nicht haften, da er das Risiko als solches anders als bei der Garantie nicht übernommen habe (aaO). Aus dieser Warte kann Flume auch die Haftung des Verkäufers auf das positive Interesse bei arglistigem Verschweigen eines Fehlers (§ 463/2 BGB) erklären: Es bestehen keine berücksichtigenswerten Interessen des Verkäufers, ihn nicht im vollen Umfang seiner Verbindlichkeit haften zu lassen (Eigenschaftsirrtum 54 f. u. 130 ff.). Allein der Gesichtspunkt des Betruges - ohne Rücksicht auf den Umfang der (eingegangenen) Verbindlichkeit- wäre eine derartige Haftung nicht zu erklären, weil der Betrug ja den Nichteintritt des erwarteten positiven Erfolges nicht verursachte. Das BGB läßt bezüglich des positiven Interesses bei Nichtleistung der will man wie ich Flume folgen - wirksam vereinbarten Qualität außerhalb einer echten Garantie nur bei arglistigem Verschweigen des Mangels haften. Dabei ist das Nichtwissen um den Mangel nicht als exceptio des Verkäufers, sondern das Wissen um den Mangel als replicatio des Käufers auf den Einwand konzipiert, daß die Sache bereits beim Vertragsschluß einen Mangel hatte. Diese Konstruktion entspricht einerseits dem Gedanken, daß man dem Geschäftspartner nicht ohne weiters Arglist unterstellen darf, widerspricht jedoch der in § 179 BGB (=Art. 8 Nr. 11 4. EVHGB) getroffenen Lösung, die unter dem Gesichtspunkt der prinzipiellen Erfolgsverantwortung des Vertreters auch die Beweislast für das Nichtwissen um die Vertretungsmacht aufbürdet (s. o. § 9. B. III.). Zur Behandlung des Spezieskaufes nach OR und EKG s.o. FN 25 a. E.
C. Spezies I III. Nachträglicher unbehebbarer Mangel
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widrigen Sache der Mangel nicht bekannt sein konnte. Das Versprechen, einwandfreie Qualität zu leisten, bezieht sich auf den Leistungszeitpunkt und besagt daher, daß zum gegebenen Zeitpunkt die wirksam vereinbarte Qualität zu erbringen sei. Die Erfolgsverbindlichkeit, durch vertragswidrige Leistung nicht zu schädigen, erlangt erst zum Zeitpunkt der Hingabe der Sache ihre praktische Bedeutung. Wegen der Erfolgsverbindlichkeit zur gehörigen Leistung hat demnach der Schuldner prinzipiell für die durch die vertragswidrige Leistung entstandenen Schäden einzustehen. Konnte er freilich bis zum Leistungszeitpunkt von der vertragswidrigen gefährlichen Beschaffenheit der Sache nicht wissen, muß ihm die Entlastung zugestanden werden. 10. Nachträglicher unbehebbarer Mangel einer Spezies
Der nachträgliche unbehebbare Mangel einer Spezies erscheint auf den ersten Blick unproblematisch. Kann sich der Schuldner wegen des nachträglich entstandenen Mangels nicht entlasten, so hat er die (teilweise) Nichterfüllung zu vertreten und haftet deshalb auch für die Folgeschäden. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen der Schuldner die Verschlechterung der Sache keineswegs zu vertreten hat, ihn aber trotzdem eine Sorgfaltsverletzung bezüglich der Folgeschäden treffen könnte: Das verkaufte Pferd ist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kerngesund, es soll erst zu einem späteren Zeitpunkt übergeben werden. In der Zeit zwischen Abschluß und Übergabe erkrankt das Pferd unheilbar, obwohl es ordnungsgemäß betreut und auch nicht sorgfaltswidrig Ansteckungsgefahren ausgesetzt worden ist. Die Krankheit ist nach außen hin nicht auf den ersten Blick erkennbar. In diesem Zustand wird das Pferd übergeben und steckt andere Pferde des Käufers an. Für positive Interessen hat der Verkäufer nicht zu haften, wenn er die zufällige Verschlechterung der Sache nicht zu vertreten hat (§ 1048 ABGB). Insoferne ist er von der Erfolgsverbindlichkeit gelöst. Was aber die negative Komponente der Verbindlichkeit zu einer bestimmten Qualität betrifft, die Vermeidung von Schädigungen durch mangelhafte Qualität, gilt dasselbe, wie das zur Leistung einer mit einem anfänglichen unbehebbaren Mangel behafteten Spezies Ausgeführte. Diese Komponente des Versprechens einer bestimmten Qualität erlangt rücksichtlich der Mangelfolgeschäden erst im Zeitpunkt der Sachhingabe ihre Bedeutung. Der Schuldner ist daher von der Haftung für solche Folgeschäden erst entlastet, wenn er beweist, daß er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat und daß er um den Mangel auch nicht wissen konnte.
§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
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IV. Ergebnis und Folgerung
Es zeigt sich, daß auch beim Spezieskauf nach österreichischem Recht die ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen (die gewöhnlich vorausgesetzten) Eigenschaften Vertragsinhalt sind. Für ihr Vorhandensein (Erfolg) hat der Schuldner im Prinzip einzustehen. Ihm obliegt daher die Entlastung. Er hat bei Mangelfolgeschäden, die eine vertragswidrige Spezies verursachte, zu beweisen, daß die Vertragswidrigkeit der Leistung nicht auf seine Sorgfaltsverletzung zurückzuführen ist und daß er um den Mangel auch nicht wissen konnte. Dem Käufer obliegt bei Schädigungen durch eine behandelte mangelhafte Sache immer die gleiche Beweislast: er hat nur den Mangel (die Nichterfüllung) und den dadurch entstandenen Schaden zu beweisen. Besteht ein Viehmangel in einer Krankheit, für die die Vermutungsfrist des § 926 ABGB gilt, so muß der Käufer nicht einmal die Nichterfüllung (den Mangel zur Zeit der Übergabe) beweisen, sondern bloß das Auftreten der Krankheit in der Vermutungsfrist. Die Nichterfüllung wird vermutet, wenn dem Verkäufer die Widerlegung nicht gelingt. Im AnsteckungsfalF0 infizierte das gekaufte Pferd andere Pferde des Käufers. Diese mußten notgeschlachtet, die Pferdegeschirre vernichtet und der Stall desinfiziert werden. Der OGH hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob nicht der Ersatz als Gewährleistungsfolge zuzusprechen sei (- die Entscheidung lag vor der 3. Teilnovelle). Er verneinte dies, sah aber das Verschulden als erwiesen an. Bei seiner rechtlichen Beurteilung ging der OGH wohl von einer Beweislast des Käufers aus. Nach unserer Auffassung hätte die Beweislast den Verkäufer treffen müssen. Im Kronenfall 11 begehrte der tschechische Käufer Schadenersatz, weil ihm eine mangelhafte Gradiermaschine geliefert wurde, er für den Kaufpreis von 150 000 Österreichischen Kronen 7962 tschechische Kronen aufwenden mußte und nun im Rahmen der Rückabwicklung des Vertrages wegen eines Kursverfalles der Österreichischen Krone nur 1/e seiner realen Ausgaben zurückerhalten würde. - Ein vom OGH nicht behandeltes Problem des Falles lag darin, ob der Normzweck des Vertrages auf Lieferung einwandfreier Ware auch den Ersatz solcher Mangelfolgeschäden deckt. Bejaht man dies, so läßt sich der Ersatzanspruch aus der Nichterfüllung der Verbindlichkeit zur Lieferung mangelfreier Ware ableiten, wenn der Verkäufer sich nicht entlastet. Aus dieser Sicht traf die Beweislastverteilung des OGH nicht zu. 70
71
GIUNF 4.104.
sz 5/107.
C. Spezies ! IV. Ergebnis und Folgerungen
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Im ErsatzteilfalF2 erklärte der Verkäufer einer gebrauchten Welle, diese sei ohne Anstand, sie sei prima, der Käufer könne sie sofort einbauen. Da der Käufer bloß eine derartige Welle zum Einbau in ein Kraftfahrzeug kaufen wollte und dies dem Verkäufer mitteilte, konnte dessen Erklärung aus seiner Sicht nur bedeuten, daß die Sache mit den entsprechenden Eigenschaften verkauft wurde. Daher hätte sich der Verkäufer zu entlasten gehabt. Unter irrtümlicher Berufung auf Wolff12a ging der OGH zunächst davon aus, daß die Beweislast den Käufer treffe und meinte weiter, eine Ausnahme von der Beweislastregel des § 1296 ABGB sei nur zu machen, "wenn die Schädigung nach den Umständen des Falles und nach allgemein-menschlicher Erfahrung nur durch das Verhalten des Schädigers (Veräußerers) eingetreten sein konnte, so beispielsweise dann, wenn der Veräußerer eine Garantieerklärung unter Haftungsübernahme für bestimmte zugesicherte Eigenschaften der veräußerten Sache abgab, die sie tatsächlich nicht besaß". Dann habe der Erwerber prima facie das Verschulden bewiesen (!) und der Beweislast nach § 1296 ABGB genügt7a. In Wahrheit kann aber aus einer Garantieerklärung "nach gewöhnlicher Lebenserfahrung" 74 keinesfalls typisch auf das "Verschulden" 74 des Veräußerers geschlossen werden. Andererseits ist, soweit eine echte- also vertraglich übernommene- Garantie reicht, das Element der Sorgfaltsverletzung75 ohne jegliche Bedeutung76 • Schließlich ging der OGH davon aus, daß nach den von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft bekanntgegebenen Handelsusancen der Verkäufer gebrauchter Ersatzbestandteile keine Haftung für Schäden übernehme (also keine Garantieerklärung abgebe?) und sah daher prima facie keine Sorgfaltsverletzung des Verkäufers als gegeben an. Ohne daß hier im einzelnen auf den rechtlichen Stellenwert von Handelsbräuchen und sonstigen Verkehrssitten eingegangen werden könnte77 , steht doch 72 72a
JBl. 1961, 228. s. o. § 2. A. II.
78 Der OGH betrachtet also- entgegen seinen einleitenden Worten- eine derartige Beweisführung nicht als Ausnahme von § 1296 ABGB, er meint vielmehr, daß man den dort vorgesehenen Beweis auch prima facie erbringen könne. 74 Formulierung des OGH. 75 Nichts anderes ist hier mit Verschulden gemeint. 78 Der OGH wird den Fall vor Augen gehabt haben, daß nur bezüglich der Substanz der Sache eine echte Garantie vorliegt, nicht aber bezüglich der Vermeidung von Folgeschäden. - In einem derartigen Fall ist im Rahmen einer Erfolgsverbindlichkeit für die unter die echte Garantie fallenden Schäden eben unbedingt, für die Mangelfolgeschäden hingegen bloß zu haften, wenn keine Entlastung gelingt. 77 s. dazu Rummel, Vertragsauslegung nach der Verkehrssitte (1972).
§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
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wohl fest, daß ein Handelsbrauch hinter der getroffenen Vereinbarung zurückzutreten hat. Im konkreten Fall waren die genannten Eigenschaften (ohne Anstand, prima) erstrebter und bereits erreichter Vertragsinhalt. Betrachtet man den Inhalt der Erklärung isoliert, so deutet nicht weniges auf eine echte Garantieerklärung. Da dies aber nicht so eindeutig ist, kann hier zur Ermittlung des Erklärungsinhaltes der Handelsbrauch herangezogen werden. Man mag also zweifeln, ob ein Erklärungsempfänger, der den Handelsbrauch kennen mußte78, die Erklärung in ihrem mehrdeutigen Bereich als Garantie verstehen durfte. Als einfache Qualitätsvereinbarung war sie jedoch auf jeden Fall zu verstehen. Dies läßt sich anhand des Erklärungsinhaltes mit keinem Handelsbrauch weginterpretieren. Die fragliche Eigenschaft war, da die Sache ja nicht als Schrott gekauft wurde, sondern eindeutig für den gewöhnlichen Gebrauch als Ersatzstück, sogar eine gewöhnliche vorausgesetzte Eigenschaft (§ 922 ABGB), wäre also auch als "stillschweigend bedungen" anzusehen (§ 923 ABGB). Daß es sich hierbei um Willens- und um keine Wissenserklärungen79 handelt, bedarf hier keiner näheren Erörterung mehr80• Im Ersatzteilfall war die Tauglichkeit der Sache zum Einbau vereinbart. Der Verkäufer hatte sich daher zu entlasten. Die bei den anfänglich unbehebbaren Mängeln einer Spezies aufgezeigten Probleme treten in gleichem Ausmaße auf, wenn einer Gattung in ihrer Gesamtheit eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder bei einer beschränkten Gattungsschuld, der abgegrenzten Gattung. Es wurde Nichterfüllbares wirksam vereinbart. Dies geschah im Karboplandichtungsfall81. Der Käufer ließ sich ausdrücklich zusagen, daß Karboplandichtungen zum Einbau in Ammoniakpumpen geeignet seien. Da in Wirklichkeit derartige Dichtungen nicht brauchbar für diesen Zweck waren, entstanden dem Käufer unnütze Montagekosten für den Ein- und Ausbau dieser Dichtungen. Der OGH lehnte eine Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB ab, schloß aber aus der Zusage prima facie, der Verkäufer habe die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes (§ 347 HGB) verletzt. Richtig gesehen, war die entsprechende Eigenschaft vereinbart. Der Verkäufer hatte nicht erfüllt. Da er von Anfang an nicht erfüllen konnte, wäre ihm in abstracto nur der Ausweg 78
Mußte ihn der Käufer im konkreten Fall überhaupt kennen? -
§ 346HGB. 79 Der OGH
Vgl.
bezeichnet im Ersatzteilfall die Zusicherung als Wissenserklärung. Das ist wohl auf die irrige Meinung Piskos zurückzuführen (zu Pisko s.o. § 2. A. III.), der auch Gschnitzer gefolgt ist, obwohl dieser ansonsten mit Rabel erkennt, daß nur Absurdes nicht wirksamer Vertragsinhalt werden kann (s. o. § 2 FN 116). 80 s.o. I!. und§ 2 FN 116. 81
sz 29176.
D. Skizzen zur Produzentenhaftung
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geblieben, die Einhaltung der geforderten Sorgfalt bei Abgabe des Versprechens zu beweisen, d. h. darzutun, daß er daher die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes(§ 347 HGB, § 1299 ABGB) aufgewendet hat. In concreto hätte dieser Beweis nicht gelingen können. Denn selbst wenn man von einem Fachhändler nicht verlangen könnte, daß er um alle Verwendungsmöglichkeiten seiner Waren weiß, so läge eben in der Zusage ohne solche Vergewisserung die Sorgfaltsverletzung.
D. Skizzen zur Produzentenhaftung Verkauft der Produzierende die Ware selbst an den durch den Sachmangel Geschädigten, so bestehen bezüglich der Haftung keine besonderen Probleme. Er hat nicht ordnungsgemäß erfüllt und kann sich damit entlasten, daß ihn und seine Gehilfen (§ 1313 a ABGB) an der Schlechtleistung, der Nichterfüllung, keine Sorgfaltsverletzung trifft. Dabei genügt nicht, daß ihm nach Vertragsschluß keine Sorgfaltsverletzung vorzuwerfen ist. Die der Erfüllung dienenden Handlungen werden häufig vor Vertragsschluß im Hinblick auf künftige Verträge gesetzt, gleichsam vorweggenommen und sollen es nach der Vorstellung der Parteien auch sein. Der Verkäufer kann sich seiner vertraglichen Haftung nicht dadurch entziehen, daß er die Handlungen, die der ordnungsgemäßen Erfüllungen dienen sollen, vor Vertragsschluß setzt (s. o. B.). Hat nicht der Produzent selbst an den Geschädigten geleistet, sondern erst ein Händler, so fehlt ein vertragliches Band zwischen dem Produzenten und dem Geschädigten81 a. Der Vertrag wurde zwischen dem Händler und dem Geschädigten geschlossen. Vertragsansprüche des Geschädigten bestehen deshalb, soweit wir uns im einigermaßen gesicherten Bereich der Vertragshaftung bewegen wollen, nur gegenüber dem Händler. Wie bei jedem Kaufvertrag ist der Verkäufer auch hier zur ordnungsgemäßen Erfüllung, d. h. zur einwandfreien Leistung, verbunden. Die einwandfreie Qualität wird geschuldet, um Nutzen daraus zu ziehen und um keine Schäden zu erleiden. Beim Letztabnehmer stehen der einwandfreie Gebrauch (Verbrauch) im Vordergrund. Der Differenzwert zwischen Leistung und Gegenleistung, der mögliche Gewinn aus einer Weiterveräußerung, den manche Autoren zum BGB allein als Leistungsinteresse anerkennen wollen, tritt dagegen vollkommen zurück. Der gelieferte Fisch soll gut schmecken und er soll keine Fischvergiftung verursachen. Die Kundschaft sagt sich nicht, der einwandfreie Fisch ist ausgeblieben, mein Leistungsinteresse ist nur 81a Müllers Annahme, der Produzent gebe bereits durch seine Benennung auf der Ware das Angebot zum Abschluß eines besonderen Haftungsvertrages ab (AcP 165, 304 ff.), ist zu Recht abgelehnt worden (vgl. Canaris, JZ 1968, 498 f.; Klang I Bydlinski2 IV/2, 179).
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§
13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
insoferne beeinträchtigt, als ich nun so stünde, wie wenn überhaupt nicht geliefert worden wäre: ich hätte Hunger oder etwas anderes gegessen, sondern er sagt sich, mein Leistungsinteresse ist verletzt, weil ich schlechten Fisch bekommen habe, obwohl ich für guten, d. h. für die entsprechende Qualität Geld ausgegeben habe. Und wer mit einem fehlerhaften Auto verunglückte, sieht sein Leistungsinteresse auch nicht deshalb verletzt, weil er bei Ausbleiben jeglicher Leistung daheim sitzen geblieben wäre. Die einwandfreie Qualität wird eben, wie immer wieder betont werden muß, auch mit diesem Ziel, für den Letztverbraucher sogar ganz wesentlich mit diesem Ziel vereinbart. Am Kaufvertragsinhalt bezüglich der geschuldeten Leistung hat sich nun dadurch nichts geändert, daß der Verkäufer die Ware nicht selbst erzeugt hat. Er bietet zum Verkaufe einwandfreie Qualität an, die Kundschaft will nur einwandfreie Qualität kaufen, dies ist Vertragsinhalt und der Verkäufer hat dafür im Prinzip einzustehen. Die weitere Frage ist nun die, wieweit ihm eine Entlastung (§ 1298 ABGB) offensteht. Was den Händler und seine Bediensteten betrifft, kann sie eine Sorgfaltsverletzung nur insoferne treffen, als sie die Ware nicht ordnungsgemäß gelagert (z. B. Fisch) und nicht mit entsprechender Sorgfalt kontrolliert haben, zu alte Lagerbestände abgegeben haben usw. Ist aber die EJ?.tlastung auch schon gelungen, wenn nur nachgewiesen wird, daß bei Stichproben der Mangel nicht entdeckt werden konnte, daß die Sache originalverpackt weitergegeben werden sollte, der technische Mangel eines verkauften Geräts vom Händler nicht entdeckt werden konnte, weil nur der Erzeuger die dazu notwendigen Geräte hatte und überdies eine genaue Überprüfung der einzelnen Sachen für den Händler unwirtschaftlich wäre? Wir glauben dies verneinen zu müssen; denn der Händler schuldet einwandfreie Qualität. Wenn er selbst die Prüfungen nicht mit letzter Genauigkeit vornehmen kann, bedient er sich also gleichsam zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit auf Leistung einwandfreier Qualität - diese und nicht eine dahinterstehende Sorgfaltsaufwendung ist Schuldinhalt - des Produzenten als Erfüllungsgehilfen. Der Verkäufer schuldet einwandfreie Qualität und hat daher bei einem Serienprodukt auch für die Personen einzustehen, die ihm die Ware liefern, welche die im Weiterverkauf vereinbarte Qualität haben soll. Der einfachste Fall ist der, daß zwischen dem Produzenten und dem Geschädigten nur ein Händler steht. Der Händler hat sich dann damit zu entlasten, daß weder ihn noch seine Gehilfen, einschließlich des Produzenten, eine Sorgfaltsverletzung bezüglich der nicht gehörigen Erfüllung trifft. Im Regreßprozeß des Händlers gegen den Produzenten trägt dann dieser die Beweislast, daß ihn bzw. seine Gehilfen bezüglich der nicht gehörigen Erfüllung seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Händler auf Lieferung einwandfreier Qualität
D. Skizzen zur Produzentenhaftung
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keine Sorgfaltsverletzung trifft. Der Produzent hat bei Mißlingen dem Händler den Schaden zu ersetzen, den dieser dem Endabnehmer zu vergüten hatte. Die Vereinbarung einwandfreier Qualität im Verhältnis Produzent-Händler geschah ja schließlich im Hinblick auf die Weiterveräußerung. Sind zwischen dem Produzenten und dem Endabnehmer mehrere Händler dazwischengeschaltet, so verlängert sich die Kette der Haftenden entsprechend. Der Letztverkäufer bedient sich seines Vormannes zur Erfüllung der Verbindlichkeit auf ordnungsgemäße Leistung und dieser wiederum seines Vormannes bis die Kette zum Produzenten geschlossen ist. Wir haben es also mit einer Kette von Erfüllungsgehilfen zum Zwecke der Erbringung des qualitativ einwandfreien Leistungserfolges zu tun82 • Dieser Weg ist gegenüber den bisher angebotenen Lösungsversuchen auch im Ergebnis oft von Vorteil. Es wird bei derartigen Ketten nicht selten vorkommen, daß sie über die Landesgrenzen hinausreichen und der erste Teil der Kette nach ausländischem Recht, ja möglicherweise nach dem Recht mehrerer ausländischer Staaten zu beurteilen ist. Für den ersten Geschäftsabschluß ist saudiarabisches, für den zweiten türkisches, für den dritten österreichisches Recht anzuwenden, für den vierten, den Verkauf an den geschädigten Endverbraucher, ebenfalls. Der Letztgenannte hat nach österreichischem Recht gekauft und soll die Vor- aber auch die Nachteile dieses Rechts haben. Hat nun der Rückgriff bis zum Importeur stattgefunden, so kann es sein, daß der Rückgriff nicht mehr möglich ist, weil das ausländische Recht keine dem Österreichischen entsprechende Haftung vorsieht. Dies muß zu Lasten des Importeurs gehen. Wenn er selbst Verbindlichkeiten zur einwandfreien Leistung eingeht, so muß er eben danach trachten, daß auch er solche Verbindlichkeiten mit seinen Vorlieferanten abschließt. Gelingt ihm das nicht, so soll er sich versichern. Zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit gegenüber seinen Abnehmern hat er sich der Vormänner bedient und soll dafür auch einstehen. Ein Problem des Rückgriffes des Letztverkäufers besteht dann, wenn sich sein Vormann im Rahmen seiner allgemeinen 82 Der angedeutete Weg wäre nur dann verschlossen, wenn den Händler wirklich bloß eine Sorgfaltsverbindlichkeit träfe und das Maß an zu prästierender Sorgfalt gering wäre. Der Händler schuldet aber einen qualitativen Erfolg auch hinsichtlich der Vermeidung von Folgeschäden. Dies läßt Klang I Bydlinski2 IV/2, 175 außer acht. - Die Annahme einer Kette von Erfüllungsgehilfen ist nicht, wie Bydlinski meint, insgesamt abzulehnen (Klang I Bydlinski2 IV/2, 174 FN 240). Sie hat in Bereichen, wo jemand eine Leistung zu erbringen hat, sehr wohl ihre Berechtigung. Sie hat mindestens soviel Legitimation, wie die Lehre von den dem Gesetz unbekannten Verträgen mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Auch diese Lehre möchte ich nicht missen. Ich würde sie wie Bydlinski bei jenen Beispielen heranziehen, bei denen sie Gschnitzer (Schuldrecht. Allgemeiner Teil 145) ablehnt. Gerade in diesen Fällen glaube auch ich aus den von Bydlinski (aaO) angeführten Gründen, die Annahme einer Kette von Erfüllungsgehilfen ablehnen zu müssen. - s. a. § 15 FN 15.
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Geschäftsbedingungen den Ausschluß der Haftung für Mangelfolgeschäden ausbedungen hat. Hier kann allenfalls eine rigorose Prüfung der AGB weiterhelfen. In diesem Zusammenhang sei auf die Ausführungen Kramers8 3 und Bydlinskis84 verwiesen. Wo sich freilich der Letztverkäufer oder einer seiner Vormänner aus einer Position der Stärke (man denke an ein Großkaufhaus) oder zumindest der etwaigen Gleichwertigkeit der Partner heraus wirksam seiner Rechte begibt, muß er den übernommenen Nachteil der fehlenden Rückgriffsmöglichkeit tragen. Daneben sind freilich noch immer Fälle denkbar, in denen ein Haftungsausschluß eine Härte bedeutet. Dem rechtspolitischen Einwand, den kleinen Händler treffe die Haftung hart, ist zunächst entgegenzuhalten, daß den Käufer, der sein Geld für einwandfreie Qualität hingab, die Haftungsfreiheit nicht weniger hart treffen würde. Zum Unternehmerischen Risiko gehört das Einstehen für die Qualität der verkauften Produkte. Schließlich können derartige Risken durch Versicherungen abgedeckt werden und werden es i. d. R. auch. Außerdem werden die kleinen Händler von den Haftungsausschlüssen kaum bedroht, wenn man die AGB endlich einmal entsprechend streng überprüft und dadurch der einseitigen "Gesetzgebung" durch den Übermächtigen zum Nachteil des wirtschaftlich Schwächeren ein Ende setzt. Festzuhalten bleibt jedenfalls: Einwandfreie Qualität ist Ausgangspunkt der Haftung des Letztverkäufers gegenüber dem Geschädigten. Bezüglich der Erbringung der einwandfreien Qualität verläßt sich der Verkäufer weitgehend auf seine Vormänner, für diese soll er auch einstehen. Er verkauft die Waren zu seinem Vorteil, er soll aus dem Vertrag auch für die Nachteile entsprechend haften, denn die Leistung einwandfreier Qualität mit dem Ziel des ordnungsgemäßen Gebrauches war Inhalt des Vertrages. Der hier aufgezeichnete Weg scheint mir aufgrund der Institute und Normen, die das ABGB zur Verfügung stellt, gangbar, ohne daß man neue, dem Gesetz unbekannte Konstruktionen verwenden müßte. Bydlinski möchte die Produzentenhaftung damit in den Griff bekommen, daß er zwischen Produzenten und Erstkäufer einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten dessen zustandekommen lassen will, "der durch die ganze Kette von weiteren Verträgen als berechtigter Benützer der Sache ausgewiesen wird" 85 • Im Ergebnis will Bydlinski damit erreichen, daß der geschädigte Letztkäufer gegenüber dem Produzenten einen direkten vertraglichen Anspruch hat, wenn sich dieser wegen 83 84
85
ÖJZ 1973, 505 ff. Privatautonomie 213; ders., Kastner-FS 63 ff. Klang I Bydlinski2 IV/2, 184.
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des Fabrikationsfehlers nicht entlasten kann. Bydlinskis Meinung unterscheidet sich bezüglich der Verantwortung für Folgeschäden dogmatisch von der hier vertretenen insoferne grundlegend, als er, wohl im Anschluß an Lehren zum BGB über die sog. positive Forderungsverletzung davon ausgeht, daß nicht die mangelhafte vertragswidrige Qualität Haftungsgrundlage für die Folgeschäden sei, sondern erst eine dahinterstehende Sorgfaltsverletzung. Diese will er prima facie aus der Fehlerhaftigkeit der Sache ableiten (welcher Erfahrungssatz läßt aber darauf schließen?). Erst bezüglich der subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt will er § 1298 ABGB anwenden86• Ich glaube, gezeigt zu haben, daß die Sachqualität nicht nur bezüglich des positiven Interesses (so auch Bydlinski), sondern auch bezüglich des Ausbleibens von Mangelfolgeschäden geschuldet ist87, und daß § 1298 ABGB in erster Linie bezüglich der Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt dem Schuldner einer Erfolgsverbindlichkeit die Beweislast aufbürdet88• Die subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt unterstellen hingegen bereits die§§ 1297 und 1299 ABGB89• Aus Bydlinskis Sicht würde also der Erstkäufer mit dem Produzenten einen Vertrag schließen, der besagt, daß eine Sorgfaltspflicht mit Schutzwirkung zugunsten Dritter besteht. Übertragen auf meine Sicht des Schuldinhaltes beim Kaufvertrag müßte ein derartiger Vertrag zum Schutz Dritter bedeuten, daß die Erfolgsverbindlichkeit auf Lieferung einwandfreier Qualität bezüglich der Mangelfolgeschäden zugunsten Dritter abgeschlossen wird. - Beide Konstruktionen müßten in dem Augenblick versagen, in dem der Produzent seinem Händler gegenüber die Haftung für Mangelfolgeschäden ausgeschlossen hat. Wenn beide Partner entsprechend wirtschaftlich stark sind, so läßt sich an einem derartigen, oft wirklich privatautonom abgeschlossenen Haftungsausschluß nichts deuteln. Es kann auch der vom Produzenten kaufende Großhändler nicht gezwungen werden, seine Verträge mit dem Produzenten so abzuschließen, daß daraus Dritte geschützt werden. Kauft nun der Geschädigte bei irgendeinem Einzelhändler und weiß er nicht von dem Haftungsausschluß zwischen Produzenten und Großhändler, so kann ihm die vertragliche Haftung des Produzenten nicht dadurch verschafft werden, daß er darauf vertraut hat, daß kein Haftungsausschluß zwischen den beiden stattgefunden hat. Es gibt keinen gutgläubigen Erwerb von Forderungsrechten. 86 87 88 88
Vgl. Klang I Bydlinski2 IV/2, 172 f., s.o. § 8. B. 11. 1. a. s. o. § 8. B. 11. 1. a. s. 0. § 7. s.o.§ 11.
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
Dazu kommt, daß der Österreichische Markt geradezu von ausländischen Produkten übersät ist. War der erste Vertrag im Ausland geschlossen worden, sollen sich dann die Rechte des Österreichers, der in Österreich einen Kaufvertrag nach ABGB schloß, nach fremdem Recht richten? Soll ein Österreicher seinen Anspruch etwa nach iranischem Recht durchsetzen müssen, weil über das Benzin, das einen erheblich zu niedrigen Siedepunkt hatte und daher einen Brand verursachte, der 1. Vertrag zwischen der iranischen Raffinerie und dem iranischen Exporteur geschlossen wurde? Sollte sowjetrussisches Recht gelten, weil ein sowjetischer Erstkäufer mit der iranischen Fabrik abschloß und der Vertrag in Moskau perfekt wurde? Sollte der Käufer, der in einem Supermarkt ein Fahrrad aus der DDR erstand, gegen den dortigen Erzeuger nach dem Recht dieses Staates vorgehen usw. Wird man in all den möglichen Staaten derartige Verträge zum Schutze Dritter aufgrundder dort geltenden Rechtsordnung überhaupt anerkennen?Mit der hier vertretenen Konstruktion der Kette von Erfüllungsgehilfen steht nur der Importeur vor dem Problem, wie er zum Rückgriff gegenüber dem ausländischen Zulieferer kommt. Der Österreichische Endabnehmer hat einen Kaufvertrag nach österreichischem Recht geschlossen und sein Verkäufer soll ihm dafür auch nach österreichischem Recht, in dem die Qualität als Erfolg zur Vermeidung von Mangelfolgeschäden geschuldet ist, einstehen; er mag dann seinerseits Rückgriff nehmen. Sofern man eine direkte Haftung des Produzenten für unerläßlich hält, wäre sie, zumindest soweit es sich um Großunternehmen handelt, vielleicht durch eine analoge, jedoch nicht subsidiäre Anwendung des § 1310 ABGB und damit auf deliktischer Ebene zu erzielen. Der dort ausgesprochene Gedanke der Tragfähigkeit ist insoferne hier noch viel berücksichtigenswerter als in dem in § 1310 ABGB geregelten Fall, weil der Produzent zu seinem Vorteil eine erhebliche Anzahl von Produkten auf den Markt bringt und es daher nur billig ist, wenn er als der Gewinnerzielende für die Gefahren, die er schafft, einzustehen hat. Daß eine derartige Erfolgshaftung nicht Regelfall des ABGB ist, kann eine Analogie nicht hindern, weil das ABGB bei seinen Regelungen ja nicht von Großunternehmen ausging, die Massenware erzeugen. Und wenn heute beim Gebrauch von gefährlichen Maschinen vielfach eine Erfolgshaftung besteht, so kann man sie wohl auch jenem aufbürden, in dessen Produktion nach einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad "Ausreißer" auftreten, die sich auch mit gebotener Sorgfalt nicht verhindern lassen. Darin besteht eben die "Gefährlichkeit des Betriebes" die zumindest eine eingeschränkte Erfolgshaftung nach dem im Gesetz berücksichtigten Gesichtspunkt der Tragfähigkeit rechtfertigt. Wenn selbst der Zurechnungsunfähige für Schädigungen haften
E. Schädigung durch eine gefährliche vertragsgemäße Eigenschaft
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soll, die er aufgrund seines Zustandes verursachte, so erst recht ein Großunternehmer, dessen "Ausreißer" irgendwo Schaden stiften90• Schafft er diese Gefahren doch in Verfolgung seiner eigenen Vorteile unter bewußter Inkaufnahme eines gewissen, nicht zu vermeidenden Schädigungsrisikos. Daß Akte eines Zurechnungsunfähigen bei der konkreten Schadensverursachung, gemessen an dem Verhalten eines Zurechnungsfähigen, nicht als Sorgfaltsverletzung qualifiziert werden könnten und ihn daher bei einer beliebigen Schadensverursachung nicht ohne weiters eine Ersatzpflicht treffen würde91 , ändert das gezeichnete Bild nicht: Bei der Haftung des Großunternehmers überwiegt der Gesichtspunkt der Gefährdung um seines eigenen erheblichen Vorteils willen das Element der Sorgfaltsverletzung. Nach der lex loci delicti comissi ist dann auch bei Schädigung durch ausländische Produkte österreichisches Recht anzuwenden, wenn der schädigende Erfolg in Österreich eintritt92 •
E. Schädigung durch eine gefährliche vertragsgemäße Eigenschaft Bis jetzt wurden nur Fälle behandelt, in denen den Käufer eine vertragswidrige Sacheigenschaft schädigte. Den Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung der Hauptverbindlichkeit (Schlechtleistung) haben wir damit begründet, daß die Verbindlichkeit zur einwandfreien Leistung auch zum Zwecke der Vermeidung von Mangelfolgeschäden besteht. Dies deshalb, weil der ungefährliche Gebrauch des Leistungsgegenstandes untrennbar mit dem Interesse am Wert der Sache verbunden ist93• Wie es wegen des Gebrauchsinteresses des Gläubigers zur Leistungsverbindlichkeit gehört, nicht durch fehlerhafte Sachhingabe zu schädigen, so gehört es auch zur Leistung, den Gläubiger auf Gefahren aufmerksam zu machen, die sich aus einer Sache ergeben können, deren Beschaffenheit nicht vertragswidrig ist bzw. die bei Wissen um die Gefährlichkeit ebenfalls gekauft worden wäre, und dies i. d. R. auch zum selben Preis: Das Frostschutzmittel ist giftig, der Lack leicht brennbar, die zur Schlachtung bestimmte Kuh artwidrig gefährlich. Verwirklicht sich eine derartige Gefahr, so hat der Schuldner zu beweisen, daß ihn an der Nicht- oder einer falschen Information keine Sorgfaltsverletzung trifft bzw. daß ihn zu berücksichtigende subjektive Gründe entlasten. 90 Eine derartige Haftung gerät also keinesfalls in Widerspruch zu den Wertungen des Gesetzes. A. M. Bydtinksi2 IV/2, 181 in Opposition zu Diederichsen, Die Haftung des Warenherstellers 345 ff. Bydlinski zieht § 1310 ABGB nicht in seine Betrachtung mit ein. 91 Vgl. Klang I Wolff2 VI 79 bei FN 14. 92 Vgl. dazu Köhler, Internationales Privatrecht 162 f. 93 s. o. nach FN 131 und § 13 nach FN 6e.
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§ 13. Kaufvertrag über körperliche Sachen
Entzündet sich der verkaufte Lack bei einer Temperatur von 35° von selbst, so wird der verkaufende Erzeuger, der darauf nicht aufmerksam machte, frei, wenn er beweisen kann, daß die Selbstentzündung nach den von ihm verlangten Fähigkeiten(§ 1299 ABGB) nicht voraussehbar war und er daher nicht aufgeklärt hat94 • Wird eine Aufklärung schon vor Vertragsschluß falsch gegeben, so ändert dies, wenn nur der Vertrag zustande gekommen ist, an der vertraglichen Haftung nichts, weil es sich um einen vorweggenommenen, fehlerhaften Erfüllungsakt handelt95 •
94 Anknüpfungspunkt für die Beweislast des Verkäufers ist also ein Mißerfolg (die Nichtaufklärung bzw. die falsche Aufklärung). - Eine Aufklärung ist zwar ein Verhalten, doch kann sinnvollerweise nicht von einer Rechtswidrigkeit eines Verhaltens gesprochen werden, wenn die Falschheit der Behauptung einem maßstabgerechten Menschen nicht erkennbar war. Es liegt dann bloß Erfolgsunrecht vor. os s. o. nach FN 25.
§ 14. Werkvertrag (ohne Beförderungsvertrag) 1 Leistung eines mangelhaften Werks
These zur Beweislast: Der Besteller hat die Mangelhaftigkeit des Werks(= Schlechtleistung =Nichterfüllung) und den dadurch entstandenen Schaden zu beweisen. Der Unternehmer hat sich zu entlasten. Ausnahmen sind zu machen, wo das Werk bloß in sorgfältiger Bemühung besteht. Zum Wesen des Werkvertrages gehört es, daß der Unternehmer ein Werk in einer bestimmten Qualität zu vollbringen hat. Mangelt es an der vereinbarten Qualität, so hat der Unternehmer seinen Vertrag nicht erfüllt. Der Verbesserungsanspruch (§ 1167 ABGB) ist nichts anderes als der aus dem Vertrag resultierende Erfüllungsanspruch. Der Unternehmer hat nicht auf die bedungene Weise geleistet, er hat daher nicht erfüllt, denn jegliches Abweichen einer Leistung von der geschuldeten ist Nichterfüllung, also auch die Schlechtleistung1"', hier der Qualitätsmangel des Werks. Daß die einwandfreie Qualität auch rücksichtlich der Vermeidung von Folgeschäden geschuldet ist, wurde bereits ausführlich dargestellt2 und bedarf hier keiner besonderen Erörterung mehz-8. Ausall dem ergibt sich, daß der Schadenersatz begehrende Besteller bloß den Mangel und den dadurch entstandenen Schaden zu beweisen hat und die Entlastung beim Unternehmer liegt. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1903 hat der OGH dies auch richtig erkannt. Strittig war der Ersatz von Schäden, welche eine mangelhafte Dampfmaschine verursachte. Unter anderem waren Aufwendungen zur Abwehr eines Betriebsstillstandes nötig (DampfmaschinenfalZ)4 • Der OGH führte aus, daß Schadenersatz "wegen nicht genau vertragsmäßiger Lieferung des Werks" . . . "als Folge der nicht genauen Erfüllung des Vertrages" 1
la
Rechtsprechungsübersicht s.o. § 1. A. II.; Rechtsprechungskritik s. § 2. A. s. o. § 8. B. I.
s. insbesondere § 8 nach FN 136. a Auf die Fehldeutung der Materialien zur 3. Teilnovelle und die sonstigen Mißverständnisse literarischer Äußerungen durch die Rechtsprechung sowie die unbegründeten und in sich widersprüchlichen Ausführungen Wahles sei verwiesen (s. o. § 2). 4 GIUNF 2.520. 2
17 Reisehauer
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§ 14. Werkvertrag (ohne Beförderungsvertrag)
zu leisten sei und verurteilte den Unternehmer zum Ersatz, weil er gar nicht behauptet habe "an der Erfüllung seiner vertragsmäßigen Verbindlichkeit, nämlich der Lieferung einer fehlerfreien, ihrem Zweck entsprechenden Maschine verhindert worden zu sein (§ 1298 a. b. G. B.)'~. Den Schadenersatzanspruch des Bestellers leitete der OGH aus den §§ 9195 und 1153 a. F. ABGB 6 ab. Während § 1153 a. F. ABGB ausdrücklich eine Schadenersatzbestimmung kannte und diese in Zusammenhang mit § 919 a. F. ABGB den Schadenersatzanspruch bei mangelhafter Erfüllung regelte, begnügt sich der geltende § 1167 ABGB mit einem Verweis auf § 922 ff. und damit auch auf § 932 Abs. 1/2 ABGB, der für die Ersatzpflicht des Schuldners das Verschuldenselement erwähnt. Die falsche Deutung dieser Gesetzesstelle aufgrund eines Mißverständnisses der Materialien zur 3. Teilnovelle führten des weiteren dazu, daß der OGH auch im Werkvertrag die Beweislastregel des § 1298 ABGB nicht mehr heranzog. Dabei war in§ 932 Abs. 1/2 ABGB nur das Verschuldenselement7 erwähnt worden, um klarzustellen, daß der Ersatzanspruch kein Gewährleistungsanspruch ist, also daß der Schuldner nicht unbedingt für Schäden einzustehen hat, welche die Mängel verursachen. Dem Schuldner sollte eine Entlastung offenstehen, wenn er den geschuldeten qualitativen Erfolg nicht herstellt. Schadenersatz nach allgemeinen Grundsätzen bedeutet eben- wie auch die Materialien in ihrem Zusammenhang zeigen-, daß der Schuldner Ersatz zu leisten hat, wenn er sich nicht entlasten kann8 • Die jüngere Rechtsprechung des OGH ist daher abzulehnen. Sie ist nicht nur falsch, sondern auch im Widerspruch zur Rechtsprechung zu anderen Vertragstypen. Wie beim Mietvertrag9 nicht erfüllt ist, wenn der bedungene Gebrauch nicht verschafft und nicht erhalten wird, so auch beim Werkvertrag, wenn fehlerhaft geleistet wurde. Ein mangelhaftes Werk ist - wie der OGH noch in der 5 § 919 a. F. ABGB: "Wenn einTheil den Vertrag entweder gar nicht; oder nicht zu der gehörigen Zeit; an dem gehörigen Orte; oder auf die bedungene Weise erfüllet; so ist der andere Theil, außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen, oder einem ausdrücklichen Vorbehalte, nicht berechtigt, die Aufhebung, sondern nur die genaue Erfüllung des Vertrages und Ersatz zu fordern." 6 § 1153 a. F. ABGB: "Bei wesentlichen Mängeln, die das Werk zum Gebrauch untüchtig machen, oder der ausrückliehen Bedingung zuwiderlaufen, ist der Besteller berechtigt, von dem Vertrage abzugehen. Will er dieses nicht; oder sind die Mängel weder wesentlich, noch gegen die ausdrückliche Bedingung; so kann er entweder die Verbesserung, oder eine angemessene Schadloshaltung fordern, und zu dem Ende einen verhältnismäßigen Theil des Lohnes zurück halten." 7 Zum Verschuldensbegriff des ABGB s.o. § 7. s s. o. § 8. B. II. 1. a. 9 s. u. § 15.
Leistung eines mangelhaften Werks
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eingangs zitierten Entscheidung klar aussprach - Nichterfüllung und der Schuldner hat sich gemäߧ 1298 ABGB zu entlasten10• Verursacht eine mangelhafte Goldbrücke eine Zahnfleischentzündung und muß die Brücke entfernt werden, so hat der Dentist die Kosten zu tragen, wenn er nicht beweisen kann (§ 1298 ABGB), daß er die geforderte Sorgfalt (§ 1299 ABGB) aufgewendet hat (vgl. den DentistenfaH)11. Hat ein Geometer ein Grundstück falsch vermessen, so ist das unrichtige Ergebnis (ein Mißerfolg) Nichterfüllung und es liegt an ihm, sich zu entlasten (vgl. den Geometerfall)12 • Bei einem derartigen Sachverhalt wird man freilich i. d. R. aus dem falschen Ergebnis ohnehin leicht auf eine Sorgfaltsverletzung schließen können. Denkbar ist aber auch, daß z. B. die Meßgeräte nicht richtig funktionierten und der Geometer dies bei gehöriger Sorgfalt nicht merken mußte. Im Kalenderfall13 hatte der Besteller zur Herstellung von Kalendern die nötigen Kartons und Farben beigestellt. Nach den Ausführungen des Bestellers waren die Drucke angeblich so mangelhaft ausgeführt, daß die Kalender nicht verwendet werden konnten. Bezüglich der Mangelhaftigkeit des Druckes und der dadurch entstandenen Schäden hätte der Besteller die Beweislast zu tragen gehabt, die restliche Beweislast wäre beim Unternehmer gelegen14• Schwieriger als die angeführten Fälle ist wegen der spärlichen Wiedergabe des Vertragsinhaltes der Kompressorfazzt 5 zu beurteilen. Der im Jänner reparierte Kompressor wurde Mitte Februar in Betrieb genommen, doch trat am 2. Betriebstag durch Bruch des Kolbenlagers im Kompressor ein explosionsartiger Defekt auf, durch den das Gerät zerstört wurde. War als Verbindlichkeit vereinbart, den Kompressor vollständig zu überholen und ihn in einwandfreiem Zustand zurückzugeben, so war eine Erfolgsverbindlichkeit vereinbart und dem Unternehmer oblag die Entlastung, wenn feststand, daß ein Defekt am Kolbenlager nicht behoben wurde. Er hatte dann nachzuweisen, daß der Fehler bei gehöriger Sorgfalt nicht entdeckt werden konnte. War hingegen bloß vereinbart, nach Fehlern mit entsprechender Sorgfalt zu suchen und gefundene Fehler zu beheben, dann lag bezüglich des Findens der Fehler eine bloße Sorgfaltsverbindlichkeit vor, bezüglich der Behebung gefundener, behebbarer Fehler hingegen eine Er1o Ebenso: Klang I Adler I HöZZer2 V 399. 11 12 13
JBl. 1948, 346- s. o. § 1 vor FN 17. JBl. 1958, 72 = EvBl. 19571400- s.o.§ 1 vor FN 21.
HS 1847173.
u Im konkreten Fall wäre zunächst überhaupt zu klären gewesen, ob tatsächlich mangelhaft geleistet, d. h. nicht erfüllt wurde, und ob nicht die Kartons erst durch das Verhalten des Bestellers bzw. seiner Tochter beschädigt wurden. 15
17°
SZ 331139
= HS 2821102.
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§ 14. Werkvertrag (ohne Beförderungsvertrag)
folgsverbindlichkeit. Was vereinbart ist, ergibt die Vertragsauslegung. Bringt jemand sein Auto zum Service in die Kfz-Werkstätte, so wird, wenn nicht die Behebung eines bestimmten Fehlers begehrt wird, zunächst nur vereinbart sein, daß mit Sorgfalt an die Suche möglicher Fehler gegangen werden soll. Wird ein Fehler gefunden (z. B. abgenutzte Bremsklötze), so ist bezüglich der Qualität der neu einzubauenden Bremsklötze ein Erfolg geschuldet. Verunglückt also der Besteller nach dem Service, in dem der Wagen auf Sicherheit zu prüfen war, wegen der abgenutzten Bremsklötze, so hat der Besteller, wenn die Bremsklötze nicht ausgewechselt wurden, zu beweisen, daß der Defekt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt (§ 1299 ABGB) hätte bemerkt und behoben werden müssen. Wurden hingegen die Bremsklötze ausgewechselt, so hat er bloß zu beweisen, daß die ausgewechselten Bremsklötze mangelhaft waren und darauf der Unfall zurückzuführen ist. Den Beweis der Einhaltung der gehörigen Sorgfalt {§ 1299 ABGB) bei der Montage und Auswahl der Bremsklötze trifft dann das Reparaturunternehmen. Bei Reparaturen kommt es auch vor, daß unbehebbare Mängel "behoben" werden sollen. Gemeint ist damit der Fall, daß ein Mangel zwar nicht mehr beseitigt werden kann, seine schädigenden Wirkungen jedoch möglicherweise hinausgezögert werden können. Ein Dach ist undicht, eine Reparatur wird einige Zeit den Schaden abwehren und dann wird derselbe Fehler wieder auftreten. Stehen diese Umstände den Parteien vor Augen, so ist der Vertrag von vornherein nur auf sorgfältiges Bemühen und nicht auf einen Erfolg gerichtet. Wie auch sonst bei Sorgfaltsverbindlichkeiten obliegt dem Gläubiger hier der Sorgfaltsverletzungsbeweis. War jedoch eine Erfolgsverbindlichkeit eingegangen worden und stellt sich dann während der Arbeiten die Untauglichkeit des Stoffes heraus, verständigt der Unternehmer den Schuldner und einigen sie sich über eine Weiterarbeit, so ist ebenfalls nicht mehr der Erfolg, sondern nur mehr die unter den besonderen Umständen gehörige Sorgfalt Schuldinhalt. Kommt eine derartige Einigung16 nicht zustande, so unterbleibt eben das Werk aufgrund von Umständen, die auf Seiten des Bestellers liegen(§ 1168 ABGB). Soweit es sich um eine Einschränkung bzw. Aufhebung der ursprünglich eingegangenen Erfolgsverbindlichkeit handelt, ist die Beweislast für derartige Umstände dem Unternehmer aufzuerlegen. Erfolgt keine An18 Soweit dem Unternehmer keine zusätzlichen Lasten aufgebürdet werden, ist hier auch ein einseitiges Gestaltungsrecht des Bestellers denkbar, mit dem er die Erfolgsverbindlichkeit in eine Sorgfaltsverbindlichkeit umwandelt. Die Grenze eines derartigen Rechts muß sich aber dort finden, wo dem Unternehmer die Arbeit unter dem Gesichtspunkt des gleichbleibenden Aufwandes zwar zuzumuten wäre, jedoch seinen unternehmerischen Ruf gefährden könnte.
Leistung eines mangelhaften Werks
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zeige über eine Untauglichkeit des vom Besteller zur Verfügung gestellten Stoffes, so ist prinzipiell für den Erfolg einzustehen. Im Rahmen des Entlastungsbeweises kann der Unternehmer aber auch anführen, daß der vom Besteller zur Verfügung gestellte Stoff mangelhaft war, er dies aber bei der Arbeit mit gehöriger Sorgfalt nicht erkennen konnte: Ein verborgener Mangel des zu bearbeitenden Stoffes war bei Bearbeitung unerkennbar.
§ 15. Miete 1 A. Schädigung durch eine mangelhafte Mietsache
These zur Beweislast: Der Mieter hat die Mangelhaftigkeit des Mietobjekts und die daraus entstandenen Schäden zu beweisen. Der Vermieter hat sich zu entlasten. § 1096 ABGB verbindet den Vermieter, das Bestandstück in brauchbarem Zustand zu übergeben und zu erhalten2 • Wie der Verkäufer schuldet der Vermieter die Sache in mangelfreiem Zustand. Darüber hinaus hat er sie in dieser Qualität während der gesamten Vertragszeit zu erhalten3 . Fehlt diese Qualität, so liegt, gemessen am Vertragsinhalt, Nichterfüllung vor. Im Unterschied zu den Qualitätsmängeln bei Kauf4 und Werkvertrag5 erkennt dies der OGH beim Mietvertrag auch in ständiger Rechtsprechung1 . Ist die Mietsache mit einem bei Vertragsschluß unbehebbaren Mangel behaftet, so hindert dies das Zustandekommen des Vertrages im Umfang der vereinbarten Qualität keinesfalls. Die Vereinbarung, daß die Sache zum vorausgesetzten Gebrauch taugt, ist nicht absurd (§ 878 ABGB). Aus diesem Vertrag folgt auch die Haftung für die Qualitätsmängel. Anders als im BGB, wo nach herrschender Meinung8 den Vermieter bei anfänglichen Mängeln schlechthin eine Garantiehaftung trifft, ist nach österreichischem Recht auch bezüglich der anfänglichen Mängel eine Entlastung möglich. Das diesbezüglich zum Spezieskauf grundsätzlich Ausgeführte63 gilt für den Mietvertrag des ABGB gleichermaßen. Da die Mangelfreiheit der Sache während der gesamten Bestandsdauer geschuldet wird und der Mieter nach allgemeinen Grundsätzen nur die Nichterfüllung und den daraus resultierenden Schaden zu be1 Rechtsprechungsübersicht s.o. § 1. A. IV.; Rechtsprechungskritik s.o. §2.B. 2 Ebenso:§ 536 BGB. 8 Armin Ehrenzweig, System2 II/1, 439; Klang I Klang 2 V 40; Gschnitzer, Schuldrecht. Besonderer Teil 53. 4 s. o. § 1. A. I., § 2. A., § 13. 5 s.o. § 1. A. II., § 2. A., § 14. 6 Vgl. Larenz, Schuldrechtt 0 II 154 ff.; Esser, Schuldrecht4 II 106 f. 6a s. o. § 13. C.
B. Störung des bedungenen Gebrauchs
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weisen hat, genügt es, wenn er beweist, daß während der Vertragszeit ein Mangel auftrat. Ob der Mangel nach Übergabe, bei Übergabe oder schon bei Vertragsschluß bestand, ist hingegen nicht Thema seines Beweises. Hat der Mieter die Mangelhaftigkeit der Sache, die Nichterfüllung bewiesen, so liegt es am Vermieter, sich von der Haftung durch Entlastung zu befreien. Zerstört die einstürzende Zimmerdecke Fahrnisse des Mieters, verursacht sie Reinigungskosten und muß der Mieter vorübergehend in einem Hotel logieren, so hat der Vermieter den Schaden zu ersetzen, wenn er sich nicht entlastet7 (Deckeneinsturzfall) 8• Dasselbe gilt, wenn ein Rohrbuch den Mieter schädigt (Rohrbruchfall) 9• Nicht anders liegen die Dinge bei mietähnlichen Rechtsgeschäften, z. B. bei einem Vertrag, der die Benutzung eines Flugplatzes gestattet. Sinkt eine Maschine am Rollfeld ein und erleidet deshalb der Propeller infolge Bodenberührung Schaden (Propellerfall)1°, so hat sich der Schuldner zu entlasten. Der OGH hat in den erwähnten Fällen treffend die Beweislast in diesem Sinne verteilt.
B. Die Störung des bedungenen Gebrauchs
These zur Beweislast: Der Mieter hat die Störung und den daraus entstandenen Schaden zu beweisen. Der Vermieter hat sich zu entlasten. Gemäߧ 1096 ABGB schuldet der Vermieter nicht nur die bedungene Qualität, sondern auch den Mieter nicht zu stören. Zwar ist die Beeinträchtigung durch eine mangelhafte Mietsache ebenfalls Gebrauchsstörung, doch ergibt sich diese Art von Obligationsverletzung schon aus der Verbindlichkeit, die Sache in einwandfreiem Zustand zu übergeben und zu erhalten. Die Verbindlichkeit, im bedungenen Gebrauch nicht zu stören, erfaßt sonstige Beeinträchtigungen des Mieters, wie z. B. Staub-, Lärmentwicklungen u. ä. sowie Störungen durch Dritte11 , die der Vermieter abzuwenden hat. Jede solche Störung im Gebrauch bedeutet Nichterfüllung. Baut der Vermieter um, so hat er den Umbau so vorzunehmen, daß dabei der Mieter möglichst wenig gestört wird. Er hat z. B. darauf zu achten, daß die Staubentwicklung nicht zu groß wird u. ä. Führt der Vermieter den Umbau ohne Gehilfen in eigener Person durch und 7 Zufälle wie sie in den § 1104 ABGB aufgezählt sind, gehören in den Bereich der Entlastung des Vermieters. s GlUNF 6.157. 9 MietSlg. 20.204. 10 SZ 36/84 = MietSlg. 15.077/20. 11 Klang I KZang2 V 43.
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§ 15. Miete
kommt es dadurch zu Störungen, so liegt offen auf der Hand: § 1096 ABGB ist nicht erfüllt, der Vermieter hat sich zu entlasten. Nicht anders liegen die Dinge, wenn- wie üblich- der Vermieter den Umbau durch einen Baumeister vornehmen läßt. Der Vermieter bedient sich zu seiner Leistungsverbindlichkeit gegenüber dem Mieter auf Nichtstörung des Gebrauchs des Baumeisters als Erfüllungsgehilfen und hat daher für diesen nach § 1313 a ABGB zu haften. Der OGH erlag in einem derartigen Fall (Staubfall) 12 einem Fehlschluß. Er ging davon aus, daß der Vermieter dem Mieter nicht zum Umbau verpflichtet war und daher auch nicht für Umbauschäden einzustehen habe. Er zog im konkreten Fall § 1298 ABGB nicht heran, weil er keine Schuldverletzung gegeben sah. Daher legte er auch dem Geschädigten die Beweislast nach § 1296 ABGB auf und ließ statt § 1313 a nur § 1315 ABGB gelten. Zum Umbau war der Vermieter dem Mieter freilich nicht verpflichtet, er war aber verbunden, dem Mieter den störungsfreien Gebrauch zu gewähren und diesbezüglich gibt es hinsichtlich seiner Verbindlichkeit keinen Unterschied, ob er selbst umbaut oder durch einen anderen umbauen läßtts. Sicher ist der Fall, in dem jemand sein Haus einen anderen umbauen läßt und dieser den Mieter schädigt, nicht der Grundtypus der ErfüllungsgehilfEmhaftung, aber immerhin handelt es sich bei derartigen Fällen um solche, bei denen man Menschen bewußt heranzieht, um in einen Bereich einzugreifen, in dem einen vertragliche Pflichten treffen. Das reicht für die unbedingte Zurechnung der zugezogenen Person zumindest in Analogie zu § 1313 a ABGB. Als bei einem Stiegenumbau der beschäftigte Bauunternehmer einen Mieter beschädigte (Stiegenumbaufall)133, behandelte der OGH den Bauunternehmer treffenderweise als Erfüllungsgehilfen des Vermieters13h. Im Stiegenumbaufall waren keine Beweislastprobleme zu bewältigen. In einem zwei Jahre vorher entschiedenen Fall - dessen Sachverhalt in der Entscheidungsveröffentlichung allerdings nur sehr spärlich wiedergegeben ist - sah der OGH in dem beeinträchtigenden Umbau eine Störung des bedungenen Gebrauchs und ließ den Vermieter nach§ 1298 ABGB die Beweislast tragen (Umbaufall)14• Der OGH lehnte eine Entlastung ab, weil bei Umbauarbeiten immer mit Schädigungen tz OGH 30. 3. 1960, 5 Ob 70/60, JBl. 1961, 87.
s. dazu auch die Anmerkung von GschnitzeT zu der in FN 12 angeführten Entscheidung. tsa OGH 25. 4. 1967, 8 Ob 99/67, EvBI. 1968/4. 13b Den Umbau schuldete der Vermieter dem Mieter hier genausowenig wie im Staubfall. 14 OGH 24. 6. 1965, 1 Ob 25/65, MietSlg. 17.144. 13
C. Anzeigepflicht und Sacherhaltungspflicht
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gerechnet werden müsse. Der angelegte Maßstab ist wohl in dieser Allgemeinheit zu streng. Ein Vermieter dürfte dann nämlich überhaupt nie umbauen. Im konkreten Fall ist die Entscheidung dennoch richtig, weil mit der Schädigung im hohen Maße zu rechnen war (Auswechseln von Tramen und Pfeilern in dem Raum, der oberhalb des Raumes lag, in dem der Schaden eintrat)15 • Da sich der Vermieter schon ad personam nicht entlasten konnte, stellte sich in diesem Fall das Problem der Gehilfenhaftung nicht. Die Gehilfenhaftung wäre hier besonders delikat gewesen, weil der Vermieter dem Mieter A eine Umbaugenehmigung erteilte und dieser wiederum eine Baufirma mit den Arbeiten betraute. M. E. ist in solchen Fällen eine Kette von Erfüllungsgehilfen anzunehmen. Der Vermieter bedient sich (durch Bewilligung des Umbaues) zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit, den Mieter B im bedungenen Gebrauch nicht zu stören, des Mieters A (dem er die Umbaubewilligung erteilte) und dieser bedient sich wiederum des Baumeisters als Gehilfents.
C. Die Anzeigepflicht des Mieters und ihr Verhältnis zur Verbindlichkeit des Vermieters, die Sache zu erhalten
These zur Beweislast bei Verletzung der Anzeigepflicht: Der Vermieter hat zu beweisen, daß der Mieter den anzuzeigenden Mangel kannte oder wegen seiner Offenkundigkeit kennen mußte (Entstehen der Anzeigepflicht), ihn dennoch nicht anzeigte und daß aus der Nichtanzeige dem Vermieter ein Schaden entstand. Der Mieter hat zu beweisen, daß er die Nichterfüllung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat. § 1097 ABGB bürdet dem Mieter die Pflicht auf, Mängel anzuzeigen, die eine Ausbesserung nötig machen. Das Bestehen dieser Verbindlichkeit könnte zur Annahme verleiten, der Vermieter sei nur auf eine Anzeige oder sonstige Kenntnisnahme von Mängeln hin zur Beseitigung verbunden. Eine derartige Ansicht geht in die Irre. Die Verbindlichkeit zur Sacherhaltung umschließt das Gebot, den Zustand der Mietsache sorgfältig zu überprüfen, um sich von ihrer ordnungsgemäßen Beschaffenheit zu überzeugen16• Dem steht nicht etwa, wie
u Vgl. dazu Gschnitzer, Schuldrecht. Allgemeiner Teil 145. - Im Gegensatz zu Gschnitzer würde idl eine Kette i. d. R. nur annehmen, wenn zwischen dem Geschädigten und dem Belangten - wie in den obigen Fällen - ein Schuldverhältnis besteht. Im Beispiel Gschnitzers, daß jemand einen anderen (gefälligkeitshalber) zur Fahrt einlädt, sehe ich keinen Grund, den Einladenden für den Taxiunternehmer einstehen zu lassen, da zwisdlen dem Einladenden und dem Eingeladenen kein Schuldverhältnis besteht, aus dem ersterer zur nicht schädigenden Beförderung verpflichtet ist. Anders liegt unser Fall: der Vermieter hat den Mieter nicht zu stören.- s. a. § 13 FN 82. 1' Soergel/ Mezger 10, §§ 535- 536 BGB, Anm. 76 (BGH LM § 536 Nr. 4 = NJW 1957, 826).
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§ 15. Miete
Swoboda meint17, der Besitzschutz des Mieters entgegen. Dessen Rechts-
besitz ist insoweit beschränkt, als der Vermieter das Recht und die Pflicht hat, im Interesse der Sacherhaltung die vermietete Wohnung zu betreten18• Ihn daran zu hindern, bedeutete Verletzung seines Sachbesitzes. Das Kontrollrecht liegt schließlich auch im erheblichen Interesse des Mieters, weil bloß der Vermieter in der Lage ist, den Bauzustand des gesamten Objekts zu überwachen19• Ein Überwachungsrecht muß dem Vermieter schon alleine deshalb eingeräumt werden, weil er den Mietern auch für Schäden einzustehen hat, die in der einen Wohnung ihren Ursprung haben und sich auf andere Wohnungen auswirken19. Die Erfolgsverbindlichkeit des Vermieters verpflichtet diesen zu angemessener Kontrolle des Mietobjekts, nötigenfalls unter Zuhilfenahme eines Fachmannes (z. B. eines Baumeisters). Der Mieter hat Anspruch auf eine dauernd brauchbare Sache (§ 1096 ABGB) und ist zu besonderer Nachforschung zur Aufdeckung möglicher geheimer Mängel nicht verpflichtet. Zur Untersuchung von Mängeln außerhalb der Räume, an denen er ein Benutzungsrecht hat, ist er nicht einmal berechtigt. Man stelle sich ein mehrstöckiges Mietobjekt vor, in dem jeder Mieter die Tauglichkeit der Wohnwände, der darin befindlichen Wasserleitung usw. von der Seite des Nachbarn aus prüft.§ 1097 ABGB ist demnach so zu verstehen, daß der Mieter nur die Mängel, die er kannte oder die er wegen ihrer Offenkundigkeit kennen mußte, anzuzeigen hat20 • Sich um den Zustand der Sache zu kümmern, gehört an sich zu den Angelegenheiten des Vermieters (§ 1096 ABGB). Die Pflicht des Mieters, die erwähnten Mängel anzuzeigen, ist eine besondere Ausformung der sich aus den Übungen des redlichen Verkehrs ergebenden Verpflichtung, den Vermieter vor Schäden zu bewahren21 • Beweist der Vermieter, daß der Mieter den Mangel kannte oder wegen dessen Offenkundigkeit kennen mußte (Beweis des Entstehens der Anzeigepflicht) und trotzdem nicht anzeigte, so trifft den Mieter die Beweislast, daß er die Nichtanzeige nicht zu vertreten hat. Die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Vermieter den Mangel kennt, nicht, n Das Recht der Schuldverhältnisse2 298; vgl. auch Swoboda, Die angewandte Geschäftsführung, ZBI. 1922, 78. 18 Klang I Klang2 V 43. 19 Vgl. GlUNF 6.157: " ... die Evidenzhaltung des Bauzustandes des Mietobjekts (fällt) den Vermietern (zu), welche ja auch allein in der Lage sind, denselben zu überwachen, insbesondere in solchen Fällen, wo der Ausgangspunkt des Schadens außerhalb der Wohnung desjenigen Mieters liegt, in dessen Räumlichkeiten der Schlußeffekt eintrat". 2° Kinsbrunner, JBI. 1916, 194. 21 Vgl. 3. TN-Materialien 314.
D. Beschädigung der Mietsache
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wenn er ihn nur kennen mußte. In diesem Fall wird dem Mieter § 1304 ABGB mit einer Schadensteilung entgegenkommen. Stürzt eine Zimmerdecke ein, so erfüllt der Vermieter seine Verbindlichkeit zur Sacherhaltung nicht. Die Entlastung liegt bei ihm. Beweist der Vermieter, daß der Mieter den Mangel kennen mußte und ihn nicht anzeigte, so trifft diesen die Beweislast bezüglich des Nichtvertretenmüssens der Anzeige. Gelingt sowohl dem Vermieter als auch dem Mieter die Entlastung nicht, so wird eine Sorgfaltsverletzung beider vermutet. Jeder muß sich für seinen Schaden das eigene Mitverschulden22 anrechnen lassen.
D. Die Beschädigung der Mietsache
These zur Beweislast: Der Vermieter hat die Beschädigung der Sache zu beweisen. Der Mieter hat sich zu entlasten. Nach § 1109 ABGB ist die Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses dem etwa errichteten Inventarium gemäß oder doch im übernommenen Zustand zurückzustellen. Die Gesetzesstelle trägt dem Mieter Verwahrerpflichten23 auf (vgl. § 961 ABGB). Der Mieter darf die Sache nicht beschädigen und hat sie vor Beschädigung zu bewahren. Das Gebot, die Sache im übernommenen Zustand zurückzuübertragen, ist freilich cum grano salis zu nehmen, weil der gewöhnliche Gebrauch einkalkuliert ist: Der Mieter, der die Sache also mit gewöhnlichen Abnutzungen zurückgibt, stellt sie im "übernommenen Zustand" i. S. des § 1109 ABGB) zurück23a. Weist die Sache hingegen Beschädigungen auf, so hat sich der Mieter zu entlasten24. Der Beweis der Beschädigung25 liegt beim Vermieter. Von einer Beschädigung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn der Zustand der Sache sich nicht aus deren Mangel ergibt. Für Mängel der Sache hat der Vermieter, nicht der Mieter einzustehen. Es genügt daher nicht, daß der Vermieter einen Mangel der Sache beweist, er muß vielmehr beweisen, daß der Zustand der Sache auf Einwirkungen von außen beruht und nicht auf einem SubstanzmangeL Ist die Sache außergewöhnlich abgenutzt, ist eben zu beweisen, daß dies wegen der Güte der Sache nicht auf einem Sachmangel beruhen konnte. Dies wird sich prima facie schon aus der außergewöhnlichen Abnutzung ergeben. Zum Verschuldensbegriff des ABGB s.o. § 7. B. Vgl. Ehrenzweig, System2 II/1, 459. 2sa Daß der Mieter die Sache im übernommenen Zustand zurückzugeben hat, er also für Beschädigungen einzustehen hat, bedeutet natürlich nicht, daß der Vermieter die Schäden erst bei Rückgabe der Sache liquidieren darf. 24 Klang I Klang 2 V 93. 25 Verstanden als Zustand, nicht als Handlung. 22
2s
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§ 15. Miete
Rinnt z. B. aus der Wohnung des A Wasser in die Wohnung des B und muß die Zwischendecke ausgebessert werden, so hat der Vermieter zu beweisen, daß dieser Schaden nicht auf die Mangelhaftigkeit der Mietsache zurückzuführen ist: die Wasserrohre sind fehlerfrei. Er muß aber nicht dartun, daß ein Wasserhahn offengelassen wurde, die Wanne überrann usw. (vgl. GlU 13 319)26. Würde der Schaden hingegen auf einem Sachmangel beruhen, z. B. Rohrbruch, dann hätte der Vermieter gegen den Mieter nur einen Ersatzanspruch, wenn dieser die Anzeigepflicht (§ 1097 ABGB) verletzt hat27.
ze Im konkreten Fall wendete die 2. Instanz § 1298 ABGB an. Der OGH bestätigte deren Entscheidung, setzte sich jedoch mit§ 1298 ABGB nicht mehr auseinander. Er sah das Verschulden als erwiesen an. 27 s.o. c.
§ 16. Verwahrung A. Beschädigung des verwahrten Gutes
These zur Beweislast: Der Hinterleger hat die Beschädigung des Gutes zu beweisen. Der Verwahrer hat sich zu entlasten. Die Regeln über die Verwahrung interessieren hier nicht so sehr hinsichtlich der Verspätung der Rückgabe oder des Verlustes der zurückzugebenden Sache. Diesbezüglich bestehen durchaus Parallelen zur Verspätung oder der nachträglichen gänzlichen Unmöglichkeit der Leistung eines bestimmten Kaufgegenstandes. Wichtiger ist die Beurteilung von Schäden an der verwahrten Sache. Der Verwahrungsvertrag interessiert also vor allem deshalb, weil der Verwahrer die Leistung in einer bestimmten Qualität schuldet. Nicht die Rückgabe der Sache, in welchem Zustand immer, ist Gegenstand der Leistung des Verwahrers, sondern die Rückgabe in unversehrtem Zustand. Dem Verwahrer trifft die Erfolgsverbindlichkeit, die Sache in eben dem Zustand, in dem er sie übernommen hat, zurückzugeben (§ 961 ABGB). Er haftet demnach für die Beschädigung der Sache, wenn er sich nicht entlasten kann. Die §§ 390 Abs. 1, 407 Abs. 2, 417 Abs. 1 HGB halten dies für den Kommissionär, den Spediteur und den Lagerhalter ausdrücklich fest. Diese rezipierten Beweisregeln sind im Österreichischen Recht wegen der weiten Fassung des § 1298 ABGB überflüssig1 • Auch das deutsche Recht könnte sie angesichts der §§ 282 und 285 BGB entbehren. Richtigerweise zieht die deutsche Judikatur bei Verwahrungsverträgen nach bürgerlichem Recht§ 282 BGB heran2 • 3 • Die erwähnte Beweislastverteilung trifft m. E. jedoch nur den entgeltlich oder nicht selbstlos' Verwahrenden. Vom uneigennützig Verwahrenden ist nicht anzunehmen, daß er eine Erfolgsverbindlichkeit eingeht. Wie sonst bei unentgeltlichen Geschäften soll auch hier der Schuldner eher die geringere Last tragen (vgl. §§ 915, 945, 975 ABGB). s. a. oben § 8. B. II. 1. a. Vgl. Erman I Wagner5 § 688 Anm. 4. a Die Vorschriften des HGB erklären sich wohl in erster Linie als übernahmen aus dem AHGB - vgl. § 390 Abs. 1 HGB mit Art. 367 Abs. 1 AHGB. 4 Nicht selbstlose Verwahrung liegt vor allem dann vor, wenn die Verwahrung Gegenstand einer Nebenleistung ist, für die kein besonderes Entgelt eingehoben wird {Garderobe eines Theaters). - s. a. § 18 FN 39. 1
2
§ 16. Verwahrung
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B. Schädigung durch die verwahrte Sache
These zur Beweislast: Der Verwahrer hat die vereinbarungswidrige Gefährlichkeit der schädigenden Sache zu beweisen. Der Hinterleger hat sich zu entlasten. § 967 ABGB läßt den Hinterleger für den verschuldeten5 Schaden haften. Eine dem § 694 BGB oder dem Art. 473 Abs. 2 OR ähnliche besondere Beweislastregel, die den Hinterleger haften läßt, wenn er sich nicht entlastet, ist dem ABGB fremd. M. E. verspricht der Hinterleger, der den Verwahrer nicht auf Sachgefahren aufmerksam macht, zumindest schlüssig eine ungefährliche Sache zu hinterlegen. Dieses Versprechen ist Grundlage seiner Haftung6 • Er kann sich aber von der Schadenersatzpflicht befreien, wenn er beweist, daß er von der Gefährlichkeit der Sache weder wußte noch wissen mußte. Die Anführung des Verschuldenselements in § 967 ABGB steht dieser Beweislastverteilung genausowenig entgegen, wie die Formulierung des § 921 ABGB {"verschuldete Nichterfüllung") oder des § 932 Abs. 1/2 ABGB 7 • Beweist der Verwahrer die (schlüssige) Zusage des Hinterlegers, eine ungefährliche Sache zu hinterlegen, und den durch die in Wahrheit gefährliche Sache entstandenen Schaden, so hat er seiner Beweislast genügt. Es reicht also z. B. der Beweis des Verwahrers, daß die hinterlegten Fässer undicht waren, ausrannen und seine Güter beschädigten. Der Entlastungsbeweis trifft den Hinterleger auch bei unentgeltlicher Verwahrung, da er niemals selbstlos handelt8 •
Zum Verschuldensbegriff des ABGB s.o. § 7. Gschnitzer (Klang I Gschnitzer2 IV/1, 653) nicht, wenn er richtigerweise darauf verweist, daß dem Österreichischen Recht eine Bestimmung wie die des § 694 BGB fremd ist. 7 s. dazu oben § 2. A. I. und § 8. B. II. 1. a. s Vgl. A. a. E. 5
s Dies berücksichtigt
§ 17. Güterbeförderung Beschädigung des Transportgutes
These zur Beweislast: Der Absender (Empfänger) hat die Beschädigung des Gutes zu beweisen. Der Frachtführer (Verfrachter etc.) hat sich - nach den einschlägigen Vorschriften - zu entlasten. Aus den bei der Verwahrung angeführten Gründen interessieren auch bei der Güterbeförderung hier nicht so sehr Verspätung oder Verlust des Gutes. Die Vorschriften über die Güterbeförderung bedürfen einer näheren Betrachtung, weil der Beförderer die Leistung in einer bestimmten Qualität schuldet. Nicht die Ablieferung der Sache am Bestimmungsort in irgendwelchem Zustand ist Gegenstand der Leistung, sondern die Ablieferung in einem unversehrten Zustand (Erfolgsverbindlichkeit). Darüber hinaus sind die Vorschriften über die Güterbeförderung insoferne wichtig, als sie auch gewisse Aufschlüsse für die Beweislastverteilung bei der Personenbeförderung geben1 • Der Frachtführer (Verfrachter etc.) haftet für den Schaden, der durch die Beschädigung2 des Gutes in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entsteht (§§ 429 Abs. 1, 606 HGB; § 58 BinnSchG; §§ 44 Abs. 1, 94 Abs. 1 öEV03 ; Art. 30 § 1 CIV, Art. 27 § 1 CIM; Art. 17 Abs. 1 CMR; §§ 31, 32 öPostG; § 29 a Abs. 2 öLuftVG4 ; Art. 18, 19 Warschauer Abkommen). Die unbeschädigte Ablieferung ist Schuldinhalt. Die mangelhafte Leistung als solche ist ebenso wie bei der Verwahrung5 Nichterfüllung. Die Beweisregeln der §§ 429 Abs. 1 und 606 HGB sind für das Österreichische Recht wegen des § 1298 ABGB überflüssig. Die Übernahme dieser Rechtsvorschriften erklärt sich aus der blockweisen Einführung deutscher Vorschriften. Die Beweislastregeln bei Beförderung von bescheinigten Sendungen6 durch die Post (§ 35 PostG), von 1
s. u. § 18.
Verstanden als Zustand, nicht als Handlung. §§ 31 Abs. 1, 82 Abs. 1 und 2 dEVO - Die in Österreich nicht mehr geltenden Bestimmungen der §§ 454, 455 HGB sind aufgrund der dEVO auch in der BRD ohne Bedeutung - vgl. Schlegelherger I Geßler4 IV, § 454 Anm. 2 und § 455 Anm. 1. 4 § 44 Abs. 2 dLuftVG. 5 s. 0. § 16. 8 Bescheinigte Sendungen sind solche, deren Aufgabe vom Postamt und deren Übernahme vom Empfänger zu bestätigen ist (§ 31 Abs. 1/2 PostG). 2
3
§ 17. Güterbeförderung
272
Reisegepäck und Frachtgut im Österreichischen und internationalen Eisenbahnverkehr (§§ 44 Abs. 6, 95 Abs. 1 öEV0 7 ; Art. 31 § 1 CIV; Art. 28 § 1 CIM) sowie von Frachtgut im internationalen Straßengüterverkehr (Art. 18 Abs. 1 CMR) dagegen sind insoferne von besonderer Bedeutung, als sie die Möglichkeit des Entlastungsbeweises auf bestimmte Gründe beschränken. Außerdem besteht im erwähnten Eisenbahn- und Straßengüterverkehr eine weitere Besonderheit: Der Beförderer kann sich dadurch entlasten, daß er das Vorhandensein bestimmter im Gesetz aufgezählter Gefahren (z. B. Mangelhaftigkeit der Verpackung) beweist und glaubhaft macht, daß der Schaden aus diesen Gefahren entstand. Diese Glaubhaftmachung führt zur widerlegliehen Vermutung, daß die bewiesenen Gefahren tatsächlich den Schaden herbeiführten (Vermutung der Kausalität). - Ein gesetzlich vorgesehener prima-facie-Beweis des Beförderers führt hiermit zu einer Entlastungsvermutung, die der Geschädigte dadurch widerlegen kann, daß er nun seinerseits beweist, daß die Schäden nicht oder nicht ausschließlich aus diesen Gefahren entstanden sind. Bei Gelingen dieses Beweises liegt der volle Entlastungsbeweis wiederum beim Beförderer (§§ 44 Abs. 7, 95 Abs. 2 öEV08 ; Art. 31 § 2 CIV; Art. 28 § 2 CIM; Art. 18 Abs. 2 CMR). Überdies erfolgt im Eisenbahnverkehr eine Einschränkung der Haftung in Bezug auf Gewichtsverluste (innerhalb bestimmter Prozentsätze) durch die widerlegliehe Vermutung, daß der Schwund auf die körperliche Beschaffenheit des Gutes zurückzuführen ist(§§ 99 Abs. 1 und 2 öEV08 ; Art. 31 § 2 CIM). §51 AÖSp. 10 belastet im Gegensatz zu den gesetzlichen Bestimmungen des HGB den Auftraggeber mit dem Verschuldensbeweis - gemeint ist wohl der Sorgfaltsverletzungsbeweis - wenn dem Spediteur nach Lage der Umstände die Aufklärung der Schadensursache billigerweise nicht zugemutet werden kann. Wann das der Fall sein soll, mag zweifelhaft sein. - Die Spediteurbedingungen sind bloß allgemeine Geschäftsbedingungen ohne Gesetzeskraft.
7 §§ 31 Abs. 1, 82 Abs. 1 und 2 dEVO. s §§ 31 Abs. 1, 83 Abs. 2 dEVO. e §§ 84 Abs. 1 und 3 dEVO.
10
§51 ADSp.
§ 18. Personenbeförderung 1 A. Ohne Mitwirkung des Beförderten These zur Beweislast: Der Fahrgast (dessen Erben bzw. der nach dem Gesetz Unterhaltsberechtigte) hat die Verletzung (Tötung) während der Beförderung zu beweisen. Der Beförderer hat die Aufwendung der gebotenen Sorgfalt zu beweisen oder ihre Nichteinhaltung wegen zu berücksichtigender subjektiver Gründe. Zu prüfen sind zuerst jene Fälle, bei denen der Fahrgast am Beförderungsvorgang nur passiv beteiligt ist, also keinen Beitrag zum Beförderungsvorgang zu leisten hat (Regelfälle). Mit Ausnahmefällen beschäftigt sich dann der Abschnitt B. Wie bei jedem Schuldverhältnis ist auch beim Beförderungsvertrag zu fragen, ob der Schuldner einen Erfolg schuldet oder bloß ein erfolgstrebendes Verhalten. Konkret: Trifft den Beförderer die Verbindlichkeit, den Fahrgast unversehrt am Ziel abzusetzen (Erfolgsverbindlichkeit), oder bloß eine Obligation, sich darum zu bemühen (Sorgfaltsverbindlichkeit)? Die Antwort ist hier nicht so einfach wie bei den vorhergehenden Vertragstypen; die Auffassungen schwanken demgemäß. Larenz glaubt, die Annahme einer Leistungspflicht, den Fahrgast unverletzt ans Ziel zu bringen, entspreche nicht der modernen Auffassung des Schuldverhältnisses. Der Unternehmer schulde nur hinsichtlich der eigentlichen Leistung (Beförderung an das bestimmte Ziel) den Erfolg, darüberhinaus nur sorgfältiges Fahren2 • - Sollte Larenz unter moderner Auffassung des Schuldverhältnisses verstehen, daß grundsätzlich nur Verhaltenspflichten im Sinne von sorgfältigem Bemühen geschuldet seien, dann würde dies im Widerspruch zu den meisten im Gesetz normierten Hauptleistungen stehen, die zweifellos Erfolgsverbindlichkeiten sind3 • 1
Rechtsprechungsübersicht s.o. § 1. A. III.; Rechtsprechungskritik s.o.
§2.C.
2 Schuldrecht7- 9 I 283 f. Dagegen: Hans StolZ, Hippel-FS 543. ·:, Auch das - von Larenz nicht ins Treffen gebrachte und ihm wohl auch fernliegende - Argument jemanden zu einem Erfolg zu verpflichten sei sinnlos, weil nur sorgfältiges Verhalten in der Macht eines Schuldners liege, könnte nicht durchschlagen. Denn einerseits können versprochene Erfolge
18 Reisehauer
274
§ 18. Personenbeförderung
Wassermeyer meint, in Anbetracht der Gefahren, die jedem Transport von außen drohen, verspreche der Unternehmer keinen Erfolg4• Eine Vertragsauslegung, die dies annehme, verstoße gegen Treu und Glauben(§ 157 BGB). Wassermeyer übersieht dabei, daß in einer Wirtschaft, die sich der modernen Verkehrsmittel bedient, ja bedienen muß, jede Leistung, die über eine räumliche Distanz zu erbringen ist, solche Erfolgsrisiken belasten. Die Rechtzeitigkeit beim Distanzkauf hängt davon nicht weniger ab5 als die Unversehrtheit eines Beförderungsgutes. Letztlich hat es der Schuldner nie völlig in der Hand, den geschuldeten Erfolg zu erreichen, doch kann er ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit herstellen. Schuldner und Gläubiger gehen vom alltäglichen Normalfall aus, dieser erwartet den Erfolg, jener verspricht ihn. Eine Differenzierung zwischen dem Beförderungsvertrag und einem sonstigen Werkvertrag erscheint diesbezüglich nicht gerechtfertigt. All diese Schuldverhältnisse werden der Erfolge wegen eingegangen. Auch die Personenbeförderung: Der Fahrgast will am Bestimmungsort nicht verletzt und schon gar nicht als Leiche ankommen. Er vertraut dem Unternehmer Leben und Gesundheit an und erwartet von ihm eine Beförderung, die diese Güter nicht beeinträchtigt. Der Beförderer rechnet mit der Erfolgsverwirklichung und sagt, der Gläubigererwartung entsprechend, den Erfolg auch zu. Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, daß er weniger verspricht als sonst ein selbständiger Unternehmer. Statistisch liegt die Gefahr einer Verletzung eines Fahrgastes, gemessen an der Zahl der geschlossenen Beförderungsverträge, bestimmt erheblich unter der Gefahr einer Leistungsverspäin der Regel hergestellt werden und andererseits ist auch nicht jeder jederzeit fähig, einem objektiven, von seinen Fähigkeiten unabhängigen Sargfaltsmaßstab gerecht zu werden, sei es, daß seine Fähigkeiten überhaupt oder nur zu einem bestimmten Zeitpunkt unter den durchschnittlichen liegen. Den Schuldinhalt danach abzustimmen, wozu jemand subjektiv im einzelnen Moment fähig ist, könnte wohl nicht sinnvoll sein (s. o. § 7). - Larenz, der im Deliktsrecht in Zusammenhang mit § 823 Abs. 1 BGB die Erfolgsunrechtslehre vertritt (vgl. Larenz, Schuldrecht10 II 461 ff.; dersetbe, Dölle-FS I 169 ff.), sollte es m. E. auch nicht schwer fallen, Erfolgsverbindlichkeiten anzuerkennen. Bezüglich der Rechtzeitigkeit und der Möglichkeit der Hauptleistung tut er dies ohnehin (vgl. Larenz Schuldrecht1° I 214 und 273). Ob man die Nichterfüllung einer Erfolgsverbindlichkeit als Erfolgsunrecht qualifiziert ist m. E. freilich mehr oder minder eine Geschmacksfrage (vgl. auch Guht I Merz I Kummer, OR6 222). Aus dem Streit über die Unrechtslehren sind jedenfalls unsere Probleme nicht zu lösen. Für uns entscheidet, in welchem Umfang eine Verbindlichkeit besteht. - Für das Deliktsrecht des ABGB ist festzuhalten, daß unser Gesetzbuch den Begriff "Widerrechtlichkeit" i. S. von Erfolgsunrecht versteht und mit seinem Verschuldeosbegriff das umschreibt, was wir heute Verhaltensunrecht - i. S. v. Nichteinhaltung der gebotenen Sorgfalt - und Verschulden im subjektiven Sinne nennen (s.o. § 7). 4 Prima facie Beweis 93. s. dazu auch Hans Stoll, Hippel-FS 543. G Vgl. Raape, AcP 147, 266.
A.
Ohne Mitwirkung des Beförderten
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tung, gemessen an der Zahl der geschlossenen Rechtsgeschäfte. Nach der gesamten Struktur unserer Rechtsordnung, die grundsätzlich von Erfolgsverbindlichkeiten ausgeht5a, ist das Versprechen des Beförderers auch hier als Erfolgsverbindlichkeit zu deuten. Wie bei der Verwahrung die unversehrte Rückgabe der Sache Gegenstand der Hauptleistung ist und der Frachtführer die Ablieferung des Gutes in nicht beschädigtem Zustande schuldet, so schuldet auch der Personenbeförderer, den Fahrgast unversehrt ans Reiseziel zu bringen. Die Gefahren von außen sind bei der Sachbeförderung nicht geringer als bei der Personenbeförderung. Gerade diese Parallele zeigt, daß es wegen der im Verkehr lauernden Gefahren keinen Grund gibt, beim Personenbeförderungsvertrag eine Erfolgsverbindlichkeit abzulehnen6 • Der Erfolgsverbindlichkeit entspricht im Prinzip eine Erfolgshaftung, die wie auch sonst durch die Möglichkeit der Entlastung abgeschwächt wird. Damit wird vor allem jenen Gefahren, deretwegen Wassermeyer bloß eine Sorgfaltspflicht annehmen wollte, Rechnung getragen. Gerade wegen solcher Gefahren gibt es ja die Möglichkeit der Entlastung. Den Schuldner soll die Haftung nicht in unbilliger Strenge treffen. Der Schuldner kann sich daher damit entlasten, daß er die gebotene Sorgfalt aufgewendet hat oder daß er diese aus nicht zu vertretenden subjektiven Gründen nicht einhalten konnte. Die Entlastung gelingt ihm z. B. wenn ein Naturereignis eintrat, dem man nicht entrinnen konnte: Steine stürzten auf die Straße, ein morscher Ast brach vom Baum - kein sorgfältiger Fahrer (§ 1299 ABGB) hätte ausweichen oder rechtzeitig anhalten können. Solche Naturereignisse gehören auch dann in den Bereich der entlastenden Umstände, wenn sie den Fahrgast unmittelbar verletzen. Fällt ein Ast in den offenen Wagen und erschlägt er den Fahrgast, so ist die Beweislastverteilung nicht anders, wie wenn der Ast unmittelbar vor dem herannahenden Wagen herabstürzt und einen tödlichen Unfall verursacht. Wir haben es nicht mit einer Haftung aus Betriebsgefahr, sondern mit einer aus Beförderungsvertrag zu tun, nach dem der Fahrgast unversehrt an den Bestimmungsort zu bringen ist. Die Gründe der Verletzung gehören daher in den Bereich der Entlastung. Die Bahnverwaltung kann sich z. B. damit entlasten, daß ein Terrorist den Bahnkörper gesprengt oder eine durchs Fenster geworfene Granate den Fahrgast zerrissen hat. Sind solche Fakten bekannt, wird kaum jemand Schadenersatz begehren. Der Bahnverwaltung wird es im Prozeß jedenfalls i. d. R. nicht schwer fallen, unter dem Hinweis auf derartige Ereignisse das Fehlen einer Sorgfaltswidrigkeit zu beweisen. Sie muß ja keine besondere Truppe zur Abwehr solcher Gefahren aufstellen. 5a
6
s. o. § 8. B. II. 1. a.
Dies übersieht vor allem Wassermeyer, Der prima facie Beweis 93.
18°
§ 18. Personenbeförderung
276
Mehr als regelmäßige Kontrolle des Bahnkörpers, allenfalls Anforderungen von Polizei in außergewöhnlichen Zeiten, kann von ihr an Sorgfalt zur Abwendung solcher Gefahren nicht verlangt werden. Daraus, daß die Bahn den Bahnkörper nicht gegen mögliche Eingriffe Dritter abriegeln muß, kann nicht geschlossen werden, der Fahrgast müsse beweisen, daß seine Verletzung nicht auf unmittelbarer Einwirkung durch Dritte basiere. Auch sonst verlangen wir vom Schuldner an Sorgfalt nicht die Aufwendung letzter Mittel zur Abwehr aller nur möglichen Gefahren von seiner Leistung und trotzdem muß der Gläubiger nicht dartun, daß irgendwelche besondere von außen kommende Ereignisse auszuschließen seien. Gerade solche Ereignisse sind es ja, die den Schuldner entlasten. Wie der Speziesverkäufer darzutun hat, daß die Sache zwischen Abschluß und Übergabe z. B. geraubt worden sei, und nicht der Käufer, daß dieses und ähnliches auszuschließen sei, so hat auch der Güterbeförderer zu beweisen, daß ein Desperado die Sache zerstörte und er dagegen mit gebotener Sorgfalt nichts unternehmen konnte7 • Solche Einwirkungen von außen sind für den Personenbeförderer nicht schwerer abzuwehren als für den Güterbeförderer. Eine Differenzierung läßt sich in diesem Punkte nicht rechtfertigen. Im Grunde ist jede Schulderfüllung, selbst ihre Rechtzeitigkeit, potentiell von Dritten bedroht. Dies ändert die Schuldinhalte nicht. Der Beförderer ist verbunden, den Fahrgast wie das Sachgut am Bestimmungsort unversehrt abzusetzen. Von der Sachbeförderung unterscheidet sich die Personenbeförderung allerdings dadurch, daß der Fahrgast seine Selbstbestimmung, seine Handlungs- und Bewegungsfreiheit behält und sich durch eigenes unsorgfältiges Verhalten verletzen kann. Derartiges kann der Beförderer nicht verhindern. Wie bei anderen Werkverträgen kann der Besteller auch hier das Werk ganz oder teilweise vereiteln. Aber sowenig wie dort beeinflußt dies hier den Umfang der Verbindlichkeit. Fällt z. B. ein Fahrgast zur Waggontüre hinaus8 , so hat die Bahn die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt dargetan, wenn sie nachweist, daß die Verriegelung ordnungsgemäß funktionierte und für den Fahrgast aus Hinweisschildern ersichtlich sein mußte, ob die Tür verriegelt oder 7 Eine Differenzierung zwischen Personenbeförderung und Güterbeförderung läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß der Gläubiger bei der Sachgüterbeförderung nicht anwesend ist. Der getötete Fahrgast steht seinen Hinterbliebenen auch nicht als Zeuge zur Verfügung. Und der Fahrgast, der durch ein berstendes Fenster beschädigt wird, kann nicht ohne weiters feststellen, ob die Scheibe wegen eines Materialfehlers oder eines Schusses zerbrach. Entscheidend ist nicht eine mehr oder minder große Einsicht in die Entstehung der Schadensursachen, sondern der Schuldinhalt - s.o. § 4. D.,
§§ 5, 8, 9. 8
Beispiel von Larenz, Schuldrecht8 I 284.
A. Ohne Mitwirkung des Beförderten
277
offen war9 • Den genauen Hergang des Unfalles braucht sie nicht zu rekonstruieren. Die hier vertretenen Thesen erfahren durch die Regelungen im Luftverkehrsrecht eine zusätzliche Erhärtung. Das Luftfahrtunternehmen10 haftet "aus dem Beförderungsvertrag" 11 , wenn ein Fluggast an Bord eines Luftfahrzeuges oder beim Ein- und Aussteigen getötet, körperlich verletzt oder sonst gesundheitlich geschädigt" wird (§ 29 a Abs. 1 öLuftVG)1 2 • Es besteht also eine Erfolgsverbindlichkeit, den Fluggast unversehrt ans Ziel zu bringen. Kann der Schuldner jedoch beweisen, daß er und seine Leute alle erforderlichen Maßnahmen getroffen haben oder daß sie diese nicht treffen konnten, so ist er von der Ersatzpflicht befreit (§ 29 b öLuftVG)13 • 14• Der Fluggast hat also bloß die Schädigung während der Beförderung (vom Einsteigen bis zum Aussteigen) zu beweisen. Beweise, daß ihn selbst keine Sorgfaltsverletzung trifft, hat er nicht zu erbringen. Stürzt er also im Flugzeug, so hat sich die Fluggesellschaft zu entlasten. Fällt er aus dem Flugzeug, so ist dies zweifelsohne sinngemäß durch das Tatbestandsmerkmal "an Bord" erfaßt. Hat sich das Luftfahrtuntemehmen zu entlasten, wenn der Fluggast beim Aussteigen über die Treppe fällt, so erst recht, wenn er aus der fliegenden Maschine stürzt. Nach all dem Gesagten ist dem OGH in seiner Rechtsprechung zu Beförderungsverträgen im Ergebnis beizupflichten. Den maßgeblichen Gesichtspunkt hebt die jüngere Rechtsprechung auch ausdrücklich 9 Wir nehmen also nicht wie Raape an, der Fahrgast müsse beweisen, daß er sich nicht selbst beschädigte und auch nicht ein Dritter unmittelbar auf ihn einwirkte (vgl. die Beispiele in AcP 147, 266 f.). Raape wollte auf diese Weise die Verantwortung für Fälle ausschalten, in denen sich ein Fahrgast dadurch verletzt, daß er sich neben den Stuhl setzt oder durch eine ungeschickliehe Handbewegung in eine Fensterscheibe gerät oder den Fahrgast im offenen Wagen ein Ast trifft. Sollte jemand in solchen Fällen klagen, so dürfte die Entlastung nicht schwer fallen. Raape selbst verlangt vom Schiffseigentümer die Entlastung, wenn sich der Passagier bei der Landung die Hand zerquetscht, weil dieser sie bei der Landung an der Reling hielt. Vgl. dazu auch Hans StolZ, Hippel-FS 543. 10 § 29 a öLuftVG spricht vom "Halter" des Luftfahrzeuges, meint aber eindeutig (vgl. die Marginalrubrik vor § 29 a öLuftVG: "Haftung aus dem Beförderungsvertrag") das Luftfahrtunternehmen. - In den §§ 29 f und 29 g öLuftVG wird in Zusammenhang mit § 29 a vom Luftfahrtuntemehmen gesprochen. 11 Vgl. die Marginalrubrik vor§ 29 a öLuftVG: "Haftung aus dem Beförderungsvertrag". n Ebenso:§ 44 Abs.l dLuftVG. 1s Ebenso:§ 45 dLuftVG. 1' Das öLuftVG ist eine Rezeption des dLuftVG. Daß sich der Schuldner zu entlasten hat (§ 29 b öLuftVG), besagt für das Österreichische Recht schon § 1298 ABGB. Die Möglichkeit einer Entlastung dürfte sich aber im LuftVG nicht auf subjektive Umstände erstrecken.
278
§ 18. Personenbeförderung
hervor15• Der Beförderer hat sich also zu entlasten, wenn eine Kesselexplosion den Schiffspassagier verletzt (Explosionsfall) 16 ; der Taxiinsasse während der Fahrt gegen das Dach geschleudert wird und eine Kopfverletzung erleidet (Taxifall) 11 ; ein Fahrgast bei einem Verkehrsunfall beschädigt wird (Anhängerfall) 18 oder ein Schiffspassagier über die Treppe in den Aufenthaltsraum stürzt (Treppenfall) 19• Zu beweisen hat der Reisende nur, daß er während der Fahrt verletzt wurde. Details hat er nicht aufzuklären. Stürzt der Passagier über die Schiffsstiege in den Aufenthaltsraum, so hat der Beförderer zu beweisen, daß die Stiege in ordnungsgemäßen Zustand und auch genügend beleuchtet war oder daß z. B. momentan das Licht ausfiel, dies nicht verhindert und auch nicht rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden konnten. Im Treppenfalzt 9 hatte der Fahrgast die ungenügende Beleuchtung dargetan und damit den verhältnismäßig leicht zu erbringenden Beweis, daß, wer über eine Treppe stürzt, die qualitativ einwandfrei ist, selbst schuld trägt, von vornherein verlegt. Zerquetscht sich ein Omnibusbenutzer beim Aussteigen in der Tür den Finger, so hat sich der Unternehmer ebenfalls zu entlasten, z. B. damit, daß Autobuslenker, das Schließen der Tür entsprechend überwacht hat und die Verletzung nicht verhindern konnte (vgl. den Fingerfall) 20• Wir bürden dem Beförderer nicht zu viel Beweislast auf, wenn wir dem Fahrgast nur den Beweis der Verletzung während der Fahrt bzw. beim Ein-21 oder Aussteigen auferlegen. Beweist der Beförderer, daß es s. o. § 2. c. GlUNF 1.291. 17 ZBl. 1932/299. 18 SZ 28/87. Unrichtig ist die Entscheidung des Omnibusfalles, GlUNF 5.953 (s. o. § 1 FN 28). 19 GlUNF 3.726. !O sz 34/50. u Die Beschädigung beim Einsteigen bietet bezüglich der Haftung aus Vertrag m. E. auch dort keine besonderen Schwierigkeiten, wo die Fahrkarte erst im Verkehrsmittel zu lösen ist. Mit dem Anhalten des Fahrzeuges in der Station wird dem Reiselustigen der Antrag auf Beförderung gestellt. Eine ausdrückliche Annahme des Antrages wird nach der Natur des Geschäftes und nach der Verkehrssitte vom Verkehrsunternehmer nicht erwartet (§ 864 ABGB, vgl. § 151 BGB). Daher kommt der Vertrag zustande, wenn dem Antrag innerhalb angemessener Frist tatsächlich entsprochen wird, wenn also der künftige Fahrgast, das Fahrzeug besteigt (§ 864 ABGB). Nicht richtig ist es m. E. mit dem OGH (SZ 25/306 = JBl. 1953, 210) und Bydlinski (Privatautonomie 89) anzunehmen, im Betreten des Fahrzeuges liege eine schlüssige Annahme i. S. des § 863 ABGB. Schlüssige Erklärungen i. S. leg. cit. sind empfangsbedürftig. I. d. R. ist bei öffentlichen Verkehrsmitteln niemand da, der solche Erklärungen entgegennähme. Ein Straßenbahnschaffner beispielsweise, kann die womöglich bei verschiedenen Türen Einsteigenden nicht auf mögliche Erklärungshandlungen hin beobachten. Er versucht dies auch tatsächlich nicht. Versuchte er es und wäre er dazu fähig, alle Einsteigenden gleichzeitig zu beobachten, so könnte er nicht erschließen, 15
te
A. Ohne Mitwirkung des Beförderten
279
zu keinem Verkehrsunfall kam, die Beförderungsanlage in Ordnung war und die gebotenen Überwachungsmaßnahmen gesetzt wurden, so ist in der Regel daraus abzuleiten, daß keine Sorgfaltsverletzun~ vorliegt. Und - wer wird denn schon klagen, wenn er sich am Schiff neben den Stuhl setzt22. Und wenn er's tut. so sollte die Entlastung nicht schwer fallen 23 • Wie im französischen 24 und italienischen Recht (Art. 1681 Codice civile) schuldet auch im Österreichischen Recht der Beförderer diesen Erfolg. Für das deutsche Recht ist dies, wie Hans Stoll25 gezeigt hat, nicht anders. Noch ein Blick auf das EKHG. Nach§ 3 haftet der BetriebStmternehmer der Eisenbahn und der Kfz-Halter bei entgeltlicher Beförderung nach den Vorschriften über die Gefährdun~shaftun~. Es trifft sie daher, wenn ein Fahrgast durch einen Unfall beim Betrieb verletzt wurde, die Beweislast, daß der Unfall auf ein unabwendbares Ereignis i. S. der § 9 EKHG26 zurückgeht, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit noch auf einem Versagen der Verrichtungen der Eisenbahn oder des Kraftfahrzeuges beruht. Wird der Beförderer - und dies ist ja derRegelfall-überdies auch nach den Vorschriften über die Vertragsverletzung (§ 19 EKHG) belangt, so trifft ihn die Beweislast, daß er die nach bürgerlichem Recht geforderte Sorgfalt ein~rehalten hat bzw. aus nicht zu vertretenden subjektiven Gründen (Entschuldigung i. e. S.) nicht einhalten konnte. Gelingt es dem Beförderer. zu beweisen, daß er und seine Gehilfen jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben (§ 9 Abs. 2 EKHG), dann ist bezügob z. B. jemand bloß umsteigt, also auf Grund eines bereits bestehenden Beförderungsvertrages die Straßenbahn benutzt, ob er neu einen Vertrag schließen will, ob er einen ;iber eine Kurz- oder eine Langstrecke schließen will, usw. Wendet man, weil Annahmeerklärungen nicht erwartet werden, richtigerweise § 864 ABGB an, so lassen sich auch all diese Probleme lösen: Es kommt darauf an, welchem Angebot des Verkehrsbetriebes der Benutzer tatsächlich durch das Besteigen entsprechen wollte. - Richtig an den Ausführungen des OGH und Bydlinskis ist, daß der Beförderer seine Verbindlichkeiten aus dem Vertrag nicht dadurch mindern kann, daß er erst im Fahrzeug kassiert. Man denke etwa an den Fall, in dem der Schaffner von Fahrgast zu Fahrgast geht und erst nach Zurücklegen einer größeren Fahrtstrecke zum Geschädigten kommt. Geschieht vorher ein Unfall, so ist dem Fahrgast selbstverständlich aus dem Vertrag zu haften. - Besondere Probleme können sich bezüglich der Haftung gegenüber jenen Personen ergeben, die ein schaffnerlos geführtes Fahrzeug ohne gültigen Fahrschein betreten. 22 Beispiel von Raape, AcP 147, 267. 23 Ebenso : Hans StolZ, Hippel-FS 544. 24 Hans StolZ, Hippel-FS 543 ff.; Ferid, Das frz. Zivilrecht I 734. u Hippel-FS 544 f. u Als abwendbar wird auch der Unfall, der unmittelbar auf die durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres verursachte außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückgeht, fingiert. - Eine Entlastung mit dem Beweis eines solchen Ereignisses ist damit im Rahmen der Haftung nach dem EKHG, nicht der nach ABGB versperrt.
§ 18. Personenbeförderung
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lieh des Unfalles auch die Haftung nach ABGB ausgeschlossen, weil die Einhaltung des strengeren Maßstabes des EKHG selbstverständlich die des milderen des ABGB einschließt. Gelingt hingegen die Entlastung nach dem EKHG nicht, so ist immer noch eine im Rahmen der Haftung nach ABGB möglich27 • Dies ist wegen der Haftungshöchstgrenzen nach EKHG von Bedeutung. Wo hingegen der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte seinen Ersatzanspruch nicht auf einen Beförderungsvertrag stützen kann, hat er, soferne er den Anspruch auf das ABGB stützt, die Sorgfaltsverletzung (z. B. die Übertretung einer Verhaltensvorschrift der StVO - § 1311 ABGB) zu beweisen27a. Die Beweislastumkehr des EKHG kommt ihm im Rahmen der Haftung nach diesem Gesetz selbstverständlich zugute.
B. Bei Mitwirkung des Beförderten These zur Beweislast: Der Beförderte hat zu beweisen, daß er durch Fehler der Beförderungsanlage, einen fehlerhaften Beförderungsvorgang oder durch Gefahren von außen geschädigt wurde. Der Unternehmer hat die Aufwendung der gebotenen Sorgfalt zu beweisen oder ihre Nichteinhaltung wegen zu berücksichtigender subjektiver Gründe. Hier geht es um jene Fälle, in denen der Fahrgast sich aktiv am Beförderungsvorgang beteiligen muß und von seinem richtigen Verhalten in erheblichem Maße das Gelingen der Beförderung abhängt. Zu denken ist z. B. an die Benutzung eines Schischleppliftes. Da die sichere Zielerreichung in einem erheblichem Maße von der Geschicklichkeit und dem sorgfältigen Verhalten des Liftbenutzers abhängt, schuldet der Beförderer nicht, den Fahrgast unversehrt ans Ziel zu bringen. Seine Verbindlichkeiten sind geringerer Natur. So hat er dem Schifahrer eine fehlerfrei beschaffene und einwandfrei funktionierende Anlage zur Verfügung zu stellen28 • Reißt z. B. das Zugseil und verletzt es den Liftbenutzer, so hat der Unternehmer zu beweisen, daß er die Nichterfüllung der Erfolgsverbindlichkeit, eine qualitativ einwandfreie Anlage zur Verfügung zu stellen, nicht zu vertreten hat. Auch schuldet er die Beförderungsgeschwindigkeit einwandfrei zu gestalten. Stürzt der Schifahrer z. B. wegen zu starker, ruckartiger Beschleunigung, so haftet der Unternehmer, wenn er sich nicht entlasten 27 Diese Probleme stellen sich in ähnlicher Weise in der BRD. § 8 dStVG fordert jedoch im Unterschied zu § 3 EKHG entgeltliche geschäftsmäßige Beförderung. § 1 dRHG läßt bei der Eisenbahnhaftpflicht nur den Beweis zu, daß höhere Gewalt oder Verschulden des Verletzten oder Getöteten den Unfall herbeiführte. Für die Beweislast nach BGB gilt dasselbe wie nach ABGB (s. o. vor FN 17). 27a S. 0. 28
§ 9.
So auch Hans Stall, Hippel-FS 545.
B. Bei Mitwirkung des Beförderten
281
kann. Schließlich gehört es zur Verbindlichkeit des Unternehmers, von der Lifttrasse, an die der Liftbenutzer ja gebunden ist, Gefahren, wie z. B. das Kreuzen der Anlage durch andere Schifahrer, abzuhalten. Verletzt ein kreuzender Schifahrer einen Liftbenutzer, so ist von der Liftgesellschaft der Schaden ebenfalls zu ersetzen, wenn in dieser Richtung keine Entlastung gelingt. Die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt richtet sich nach den Gegebenheiten des Geländes. An unübersichtlichen Stellen wird in der Regel die Aufstellung einer Warntafel genügen. Ist jedoch das Gelände (an übersichtlichen oder unübersichtlichen Stellen) in der Nähe der Lifttrasse so geartet, daß ein stürzender Schifahrer über einen Abhang in die Trasse rutschen und den Lift blockieren kann, so sind an solch exponierten Stellen Absicherungen, wie Auffangnetze, Absperrungen oder ähnliches zu errichten. Eine bloße Warntafel in der Nähe der Sturzstelle kann in solchen Fällen den Unternehmer selbstverständlich nicht von der Ersatzpflicht befreien. An übersichtliche, geländemäßig ungefährlichen Stellen wird es genügen, wenn gelegentlich, z. B. an den Liftmasten, Verbotstafeln angebracht oder symbolische Abgrenzungen vorgenommen worden sind29 • Derartige, geeignete Sorgfaltsmaßnahmen sind zu beweisen, wenn den Liftbenutzer ein kreuzender Schifahrer verletzt hat. Im Schleppliftfall30 hatte das OLG Innsbruck festgestellt, daß die Trasse gegen die Piste an einer gefährlichen Stelle nicht abgesichert war. Es betrachtete diesen (objektiv) verkehrswidrigen Zustand als Nichterfüllung und kehrte die Beweislast unter Berufung auf § 1298 ABGB um. Damit knüpfte es in der Beweislastverteilung an einen Erfolg, das Fehlen von Absicherungen. Ein derartiger Erfolg ist von der Sargfaltsverletzung zu trennen, doch indiziert er die Sorgfaltsverletzung, da ein mit der geforderten Sorgfalt Ausgestalteter solche Absieherungen vornehmen kann31 • So schloß der OGH auch aus dem erwiesenen Fehlen von solchen Maßnahmen auf das Fehlverhalten des Unternehmers. Der Sachverhalt war also im Schleppliftfall vollkommen aufgeklärt, dem Schuldner eine Entlastung gar nicht mehr möglich. -Nach der hier vertretenen Auffassung vom Schuldinhalt, traf den Geschädigten die Beweislast für das Fehlen von Sicherungsmaßnahmen nicht mehr, es genügte, daß er seine Verletzung durch den kreuzenden Schifahrer bewies. Analoges gilt m. E. bei Verletzung durch Naturgewalten. Der Unternehmer hat zu beweisen, daß er geeignete Sorgfaltsmaßnahmen traf 29
so
z. B. mit Schnüren und Fähnchen.
sz 41/137.
31 Denkbar wäre freilich auch der Fall, daß jemand boshafterweise eine Absicherung entfernt und dies der Liftunternehmer noch nicht bemerkt haben konnte. Dann liegt seinerseits keine Sorgfaltsverletzung vor, wenn die Trasse nicht gesichert ist.
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§ 18. Personenbeförderung
(z. B. Schutzbauten). Aber selbst, wenn Schutzbauten und ähnliches den Unfall nicht verhindern konnten, kann das den Schuldner noch immer nicht befreien. Wer einen Schischlepplift betreibt, sagt dem Schifahrer schlüssig zu, daß die Lifttrasse nicht lawinengefährdet ist. Nur so kann der Liftbenutzer das Verhalten des Unternehmers bzw. seiner Gehilfen deuten, die ihn befördern wollen. Aufgrund dieser schlüssigen Zusage hat der Unternehmer, der die zumutbaren, aber im Schadensfall wirkungslosen Schutzbauten errichtete, auch dann zu haften, wenn er nicht beweist, daß er um die konkrete Lawinengefahr nicht wissen mußte und daher beförderte32• Das abstrakte Wissenmüssen um irgendwelche, möglichen Gefahren, kann den Liftunternehmer genausowenig wie einen anderen Beförderer die Entlastung versperren. Würde man die Haftung soweit reichen lassen, so wäre jede Beförderung ein Sorgfaltsverstoß. 82 In einer Entscheidung vom 22. 11. 1973, 6 Ob 187/73, JBl. 1974, 263 hatte sich der OGH mit folgendem Fall auseinanderzusetzen: Eine Gesellschaft unterhält eine Hochalpenstraße und kassierte für deren Benutzung Maut. Der Kläger geriet mit seinem Kraftfahrzeug unter eine Stein- und Schneelawine (Hochalpenstraßenfall). - Der OGH geht davon aus, daß ein entgeltlicher Benutzungsvertrag zwischen den Parteien geschlossen wurde. Aus diesem Benutzungsvertrag entspringe die Verbindlichkeit, "die zur entgeltlichen Benützung überlassene Straße in einem veTkehrssicheren Zustand zu erhalten. Mit dem Abschluß eines einzelnen Benützungsvertrages übernimmt die Beklagte die Verantwortung für die Verkehrssicherheit im entsprechenden Zeitpunkt, weil sie ohne diese Voraussetzung die Straße aus Gründen der Sicherheit zu sperren und jedenfalls keine Benutzungsverträge zu schließen hätte". (Das Unterstrichene ist im Original nicht hervorgehoben.) - Aus einem derartigen Schuldinhalt ergibt sich selbstverständlich die Beweislast des Schuldners, wenn sich die Straße nicht im verkehrssicheren Zustand befand. Der OGH bürdet nun im Ergebnis dem Schuldner auch die gesamte Beweislast bezüglich der Frage auf, ob alle objektiv notwendigen, zielführenden und zurnutbaren Schutzvorkehrungen getroffen wurden. Die objektiv gebotene Sorgfalt gehört ja bei Erfolgsverbindlichkeiten, wie sie der OGH ja hier annimmt (verkehrssicherer Zustand) zum Thema der Entlastung. Der OGH wechselt jedoch, nachdem er den Schuldinhalt als Erfolgsverbindlichkeit festgestellt hat, die Argumentationsebene. Das Problem der Nichterfüllung bzw. Erfüllung des Vertrages erörtert er des weiteren als Problem der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt und lädt unter diesem Gesichtspunkt den Schuldner den Beweis dafür nach § 1298 ABGB auf. - Wäre nur Sorgfalt zur Vermeidung von Schädigungen durch Lawinen geschuldet, so wäre der Nichterfüllungsbeweis ein Sorgfaltsverletzungsbeweis und die Beweislast dafür träfe den Gläubiger. Er hätte dann z. B. zu beweisen, daß eine Lawinengalerie an einem bestimmten Ort nicht errichtet wurde, obwohl sie ein Sorgfältiger (§ 1299 ABGB) errichtet hätte. Geht man hingegen von einer Erfolgsverbindlichkeit aus, den Gläubiger vor Lawinenschäden zu bewahren, so ist der Beweis der Schädigung durch eine Lawine der Beweis der Nichterfüllung und der Schuldner hat sich mit der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt zu entlasten. Ob eine Erfolgsverbindlichkeit vorliegt oder nur bloße Sorgfaltsverbindlichkeiten, ist eine Frage des Schuldinhaltes: In welchem Umfang wurde die Verbindlichkeit eingegangen? Im Hochalpenstraßenfall war m. E., wie auch der OGH zunächst ausführte, eine Erfolgsverbindlichkeit gegeben.
B. Bei Mitwirkung des Beförderten
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Analog den Fällen einer Schleppliftbenutzung sind jene zu behandeln, in denen sonst der Beförderte aktiv am Gelingen der Beförderung mitwirken muß, wie z. B. beim Wasserschifahren; beim Hochkatapultieren eines Segelflugzeuges mit der Motorwinde oder dessen Hochziehen mit einem Motorflugzeug; beim Abschleppen von Autos mit Seilen u. ä. Ein einwandfreier Beförderungsvorgang ist geschuldet. Weist der abgeschleppte Autofahrer z. B. nach, daß das abschleppende Fahrzeug ins Schleudern geriet und ihn gegen einen Baum zog und verletzte, so liegt die Entlastung beim Abschleppenden33•
33 Auf diese Weise ist auch beim Schleppschiffahrtsvertrag die Beweislastverteilung bei Personen oder Sachbeschädigung zu lösen. Läuft das geschleppte Schiff auf Grund, so hat der Besteller zu beweisen, daß es dorthin gezogen wurde (nicht einwandfreier Beförderungsvorgang) oder daß das vom Abschleppenden zur Verfügung gestellte Seil riß u. ä. Dazu kommt im Ergebnis auch der BGH, BGHZ 27, 236, 238 ff.). Wird das gezogene Schiff von der Mannschaft des ziehenden betreut, so ist bezüglich der Sachschäden nach den Vorschriften über die Güterbeförderung zu verfahren. D. h. der Geschädigte braucht bloß die Schädigung während der Abschleppung zu beweisen. Hans StoH (Hippel-FS 546 f.) neigt dazu, auch dann, wenn die Mannschaft des Abgeschleppten das Schiff betreut, eine Erfolgsverbindlichkeit mit dem Inhalt der Nichtschädigung anzunehmen. Ich meine dagegen, daß das Ausmaß der notwendigen aktiven Mitwirkung durch den Schuldner für das Gelingen der Nichtschädigung, die Annahme einer derart weitreichenden Verbindlichkeit nicht rechtfertigt.
§ 19. Arbeitsvertrag A. Schlechtleistung der Arbeitl I. Scltleclttleistung der Arbeit im Allgemeinen
These zur Beweislast: Der Arbeitgeber hat die Sorgfaltsverletzung (= Schlechtleistung =Nichterfüllung) und den dadurch entstandenen Schaden zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat zu beweisen, daß er die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt aus zu berücksichtigenden subjektiven Gründen nicht zu vertreten hat (Entschuldigung i. e. S.)2 • Der Arbeitnehmer schuldet nach einhelliger Meinung keinen Erfolg8 , Erfolg wie Mißerfolg seiner Arbeit gehen auf Rechnung des Arbeitgebers. Dieser trägt im Rahmen des Betriebsrisikos als Unternehmer die Gefahr des Mißlingens. Der Arbeitnehmer ist nur zur Sorgfalt, zum ordnungsgemäßen, fremdbestimmten Einsatz seiner Arbeitskraft verpflichtet3a. Er schuldet lediglich ein zielorientiertes Verhalten, in seiner Pflicht steckt ein finales Element: er hat sich zu bemühen, Erfolge herbeizuführen, der Erfolg selbst ist nicht Schuldinhalt. Das vom Arbeitnehmer verlangte erfolgstrebende Bemühen ist nichts anderes als die Aufwendung der gehörigen Sorgfalt, d. h. die Aufwendung jenes Grades an Fleiß und Aufmerksamkeit und Kenntnissen, die Vertragsinhalt sind. Der Schuldinhalt ändert sich auch bei Akkordarbeit nicht, bloß die Berechnung der Entlohnung richtet sich hier nach den Werkstücken4 • Sich die Arbeitspflicht als Sorgfaltsverbindlichkeit vor Augen zu halten, ist besonders in der Beweislastfrage von eminenter Bedeutung. Daraus resultiert nämlich, daß Schlechtleistung mangels eines geschul1 Rechtsprechungskritik s.o. § 2. D. in Zusammenhang mit § 2. A. IV. a. E. - Beachte vor allem die Inkonsequenzen Wahles, der bei einer Mankohaftung den Arbeitnehmer, der keinen Erfolg schuldet, mittels Beweislastumkehr im Ergebnis eine Erfolgshaftung aufbürdet; vom Verkäufer hingegen, der bezüglich der Qualität des Kaufgegenstandes einen Erfolg schuldet, keinen Entlastungsbeweis verlangt. 2 Zur Entschuldigung i. e. S. s. o. § 11. 8 Vgl. 3. TN-Materialien 329. s. a. Hueck I Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts7 I 135; Nikisch, Arbeitsrecht3 I 159; Ehrenzweig, System2 II/1, 475; Klang I Adler I Höller 2 V 168 f.; Martinek, öRdA 1954, H. 12113, S. 14. 3a Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages 189. 4 Nikisch, Arbeitsrechts I 328; Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht7 I 136.
A. Schlechtleistung I I. Allgemeines
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deten Erfolges erst bei unsorgfältigem Verhalten gegeben ist4a. Schlechtleistung ist also die mangelnde Qualität der Arbeitstätigkeit. Bleibt der Arbeitserfolg aus, obwohl der Arbeitnehmer alle geschuldete Sorgfalt aufgewendet hat, so hat er nicht schlecht geleistet6 , sondern seine Sorgfaltsverbindlichkeit in vollem Umfang erfüllt. Schlechtleistung im Arbeitsvertrag (=Nichterfüllung) und Schlechtleistung im Werkvertrag(= Nichterfüllung) sind zweierlei. Hält der Verputz nicht, haben aber die Maurer die geschuldete Sorgfalt aufgewendet, so haben sie ihre Sorgfaltsverbindlichkeit gegenüber dem Baumeister voll erfüllt; der Baumeister hat hingegen dem Besteller gegenüber schlecht geleistet und daher nicht erfüllt, denn er schuldet den Erfolg. Im Arbeitsverhältnis ist also erst die unsorgsame Arbeitsleistung Schlechtleistung6. Dazu zählt auch zu flüchtiges oder zu langsames Arbeiten (mangelnde Aufmerksamkeit und mangelnder Fleiß: §§ 1297 und 1299 ABGB). Den Sorgfaltsmaßstab, d. h. das Ausmaß der zu vertretenden Fähigkeiten bestimmt der Vertrag. Entscheidend ist dabei, zu welchen Tätigkeiten jemand eingestellt wurde. Aus all dem Gesagten ergibt sich: Die Verbindlichkeit des Arbeitnehmers zur Leistung ist keine Erfolgsverbindlichkeit, sondern eine bloße Sorgfaltsverbindlichkeit. Damit hat der Gesetzgeber das Betriebs- bzw. Unternehmensrisiko bezüglich des Arbeitserfolges dem Arbeitgeber aufgelastet. Dies darf nicht durch eine Beweislastverteilung korrigiert werden, die der ratio des § 1298 ABGB widerspricht. § 1298 ABGB greift nur dort ein, wo der Schuldner einen Erfolg schuldet und daher für diesen Erfolg auch prinzipiell einzustehen hat. Die Entlastung ermöglicht einen Ausweg aus dieser grundsätzlichen Haftung. Bei Sorgfaltsverbindlichkeiten ist hingegen die Sorgfaltsverletzung Haftungsgrundlage. Daher darf dem Schuldner durch eine vom Schuldinhalt abweichende Beweislastverteilung kein Erfolgsrisiko aufgelastet werden. Dies führte zu einer Haftung, die über den Schulds. o. § 8. B . li. 2. Es ist daher nicht richtig, wenn HengstZer (öRdA 1974, 26) die Verursachung eines Mankos als Schlechterfüllung bezeichnet. Martinek (öRdA 1954 H. 12/13, S. 14) sieht treffenderweise erst in der fehlerhaften Arbeitsverrichtung, d. h. in der Sorgfaltswidrigkeit die Schuldverletzung. Bei HengstleT handelt es sich aber bloß um eine terminologische Ungenauigkeit. - s. u. FN 11. 6 Bewußt unsorgfältiges Verhalten ist demnach vorsätzliche Schlechtleistung der Arbeit. Für die Frage des Schadenersatzes ist das jedoch nicht von besonderer Bedeutung, weil der Schaden - falls er nicht zumindest billigend in Kauf genommen wird - nur fahrlässig herbeigeführt wird (man vgl. damit etwa die vorsätzliche Überschreitung einer Geschwindigkeitsbegrenzung). - Für eine rechtmäßige Entlassung kann die vorsätzliche Schlechtleistung, d. h. bewußt unsorgfältiges Verhalten, sehr wohl besondere Bedeutung haben. 4a
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§ 19. Arbeitsvertrag
inhalt hinausginge. Der Arbeitgeber hat daher die Sorgfaltsverletzung zu beweisen, wenn er Schadenersatz wegen Nichterfüllung (=Sorgfaltsverletzung) begehrt8 • Dabei muß er wie jeder sonstige Geschädigte, s. o. § 8 und § 9. Es bedarf also - um sozialpolitischen Bedrüfnissen nachzukommen des keineswegs stichhältigen Arguments nicht, daß dem Arbeitgeber wegen des angeblich bestehenden Einblicks in die Schadensentstehung der Beweis der Sorgfaltsverletzung im Gegensatz zu den sonstigen Schuldverhältnissen zuzumuten sei (dieses Argument findet sich auch bei Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht7 I 230 FN 33a). Die Umstände, aus denen sich die Verantwortung des Arbeitnehmers ergibt, liegen regelmäßig in seinem Nahraum (Woltereck, Die Mankohaftung im Arbeitsverhältnis 62). Er hat häufig die wesentlich bessere Einsicht und der Arbeitgeber vielfach nicht mehr Einsicht als ein deliktisch Geschädigter: Weder er, noch ein Heer von Beweissicherungswächtern können und sollen die einzelnen Handgriffe der Arbeitnehmer verfolgen. Für den Arbeitgeber wäre dies aus finanziellen Erwägungen untragbar, für ihn und den Arbeitgeber mit der Menschenwürde unvereinbar. Unrealistisch ist es, wenn Barton (Mankohaftung 84) verlangt, daß der Arbeitgeber seinen Filialleiter zu Beweissicherungszwecken überwachen soll. Es sind doch bloß Stichproben in zeitlichen Abständen sinnvoll ·und zumutbar. Überwacht man den Filialleiter ständig, so ist dessen Position sinnlos. Sollte man vielleicht auch einem Kraftfahrer zu Beweissicherungszwecken jemanden mitgeben? - Es bleibt, wie so oft, nur der mittelbare Beweis oder der Anscheinsbeweis. Etwas absurd ist die Argumentation von Stehl (AuR 1970, 285). Unter dem Gesichtspunkt des Beweisnotstandes (s. dazu oben § 4. D., §§ 5 - 9) sieht er in den §§ 282 und 285 BGB eine Regelung, die gar nicht anders hätte ausfallen können, wenn nicht das streben nach Recht und Billigkeit verletzt werden sollte (AuR 1970, 261, 262). Er zieht daher die analoge Anwendung des § 282 BGB für das Arbeitsverhältnis grundsätzlich in Betracht (AuR 1970, 262). In der weiteren Folge seiner Ausführungen erblickt Stehl aber im Beweisnotstand nur einen Teilaspekt der Beweislastverteilung und sieht den eigentlichen Grund der Beweislast des Schuldners darin, daß die Schadensursache aus dem vom Schuldner beherrschten Lebens- und Einwirkungsbereich kommt (AuR 1970, 265). Dann behauptet er, daß ein Kraftfahrer sich im Straßenverkehr nicht in einem von ihm beherrschbaren Lebensbereich befinde und es daher keine Rechtfertigung gebe, diesem die Beweislast für fehlendes Verschulden aufzulasten. Auf die Beweisführung von Stehl im einzelnen einzugehen, erübrigt sich. Es sei nur gefragt, ob denn ein Frachtführer, der sich eines Arbeitnehmers bedient, den Straßenverkehr besser beherrscht (vgl. § 429 HGB). Das Argument der Beherrschbarkeit ist eben willkürlich: auch der Delinquent beherrscht grundsätzlich sein Verhalten. Andererseits beherrscht gewisse Einwirkungen von außen niemand, auch der nicht, der aus einem abgeschlossenen Bereich heraus leistet, er ist z. B. von Vorlieferanten abhängig, Bestriebsstörungen durch Dritte ausgesetzt usw. Walterecks Argument, es sei bedenklich, das Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung aus den§§ 282, 285 BGB abzuleiten, für die Einzelfrage der Beweislast aber anders zu entscheiden (Mankohaftung 61; ders. AR-Blattei, Haftung des Arbeitnehmers II, Mankohaftung [B] IV. 3.) geht insoferne fehl, als er die verschiedenen Schuldinhalte vernachlässigt. Die Ablehnung der Beweislastumkehr bei der Mankohaftung (s. u. II.) ist demnach kein grober Eingriff in das bürgerliche Recht, der durch arbeitsrechtliche Erwägungen nicht hinreichend gerechtfertigt werden könne (Mankohaftung 62; ders. AR-Blattei aaO). Sie ist überhaupt kein Eingriff, sondern gerade die Befolgung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts, die den Arbeitnehmer nur zu sorgfältigem Arbeiten verbinden, ihn aber keine Erfolge schulden 7
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A. Schlechtleistung I I. Allgemeines
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der seinen Anspruch bloß auf eine Sorgfaltsverletzung stützen kann, nur die Nichteinhaltung der objektiv gebotenen- hier der vertraglich vereinbarten - Sorgfalt beweisen. Die entsprechenden subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt vermuteten bereits die §§ 1297 und 1299 ABGBsa. Ist auch das Ausbleiben des vom Arbeitgeber erwarteten Arbeitserfolges noch keine Schlechtleistung (Nichterfüllung), so wird doch aus den Umständen und der Art des Mißerfolges häufig eine Sorgfaltsverletzung abzuleiten sein. Doch ist davor zu warnen, bei jedem Mißerfolg eine Sorgfaltsverletzung des Arbeitnehmers zu unterstellen8b. lassen. Der Beweis der objektiven Pflichtverletzung, den Woltereck fordert (Mankohaftung 52, ders. AR-Blattei aaO) ist schon der Sorgfaltsverletzungsbeweis. Wortereck neigt dazu, das Verschulden i. S. des BGB subjektiv zu deuten (Mankohaftung 37 f.), meint allerdings, auf diese Frage wegen ihrer nicht sehr praktischen Bedeutung nicht eingehen zu müssen (Mankohaftung 38). Gerade diese Frage ist aber von Bedeutung, weil nur bei einer Unterscheidung von objektiv gebotener Sorgfalt und subjektivem Verschulden ein Platz für einen möglichen Entlastungsbeweis des Arbeitnehmers bleibt. Faßt man den Sorgfaltsbegriff des BGB rein objektiv und berücksichtigt inan die subjektiven Komponenten grundsätzlich nicht, so ist mit dem Beweis der Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt grundsätzlich alles bewiesen, was überhaupt Beweisthema bezüglich des Fehlverhaltens des Schuldners sein konnte. Hueck versteht den Verschuldeosbegriff - zumindest in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis - offenkundig subjektiv. Auch diesbezüglich ist er grundsätzlich für die Beweislast des Arbeitgebers, meint jedoch für den Fall, daß man seiner Ansicht nicht folgt, man könne in Analogie zu § 282 BGB bezüglich des subjektiven Verschuldens den Arbeitnehmer mit der Beweislast beschweren, wenn das objektiv vertragswidrige Verhalten (die Sorgfaltsverletzung) des Arbeitnehmers bewiesen sei (Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht7 I 231 FN 33a). - Zum Stand der Diskussion über das Wesen der Sorgfalt nach BGB vgl. Kramer, AcP 171, 422 ff. - Zur Beweislast nach österreichischem Recht bezüglich des Verschuldeos i. e. S. s. o. § 11. TTinkner will die Beweislast nach Gefahrenbereichen aufteilen (BB 1967, 672 ff. u. BB 1968, 505 ff. [Urteilsbesprechungen]; vgl. auch Sieg Anm. AP § 282 Nr. 5), wobei das Maß der Selbständigkeit, das ein Arbeitnehmer genießt, für die Abgrenzung, die er generell nicht anzugeben vermag, entscheidend sein soll. Bei streng leitungsgebundener Arbeit (Steht, AuR 1970, 264 liest leistungsgebunden und polemisiert dagegen), soll ein eigener Gefahrenkreis fehlen. - Diese Beweislastverteilung entbehrt jeglicher gesetzlicher Grundlage. Sie vernachlässigt vor allem den Schuldinhalt. 8a S. 0 .
§ 11.
Vgl. Hueck I Nipperdey, Arbeitsrecht? I 231 FN 33a: "Insgesamt ist davor zu warnen, bei jedem Mißerfolg der Arbeitsleistung ohne weiters eine vom Arbeitnehmer verschuldete Schlechtleistung zu unterstellen. Ein mangelhafter Erfolg ist häufig auch möglich, obwohl der Arbeitnehmer jede von ihm zu verlangende Sorgfalt beobachtet hat ...".- Der von Hueck verwendete Ausdruck "verschuldete Schlechtleistung" wäre bezogen auf die Arbeitstätigkeit ein Pleonasmus, wenn man das Verschulden rein objektiv begriffe, nämlich im Sinne der Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt, nicht jedoch, wenn man - wie Hueck - bezüglich des Verschuldeos einen subjektiven Maßstab anlegt. Dann bedeutet "verschuldete Schlechtleistung" der Arbeit subjektiv vorwerfbare Nichteinhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt. 8b
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§ 19. Arbeitsvertrag
U. Die Mankohaftung des Arbeitnehmers im besonderen
These zur Beweislast: Der Arbeitgeber hat das entstandene Manko und die das Manko verursachende Sorgfaltsverletzung zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat zu beweisen, daß er die Verletzung der objek· tiv gebotenen Sorgfalt aus zu berücksichtigenden subjektiven Gründen nicht zu vertreten hat (Entschuldigung i. e. S.)9 • Unter "Manko" wird ein Fehlbetrag an Geld- oder Sachgütern verstanden10. Der Begriff umschreibt daher nur eine Schadensart. Nicht begriffswesentlich ist irgendein Akt des Anvertrauens durch den Arbeitgeber, weil dieser Akt mit der Besonderheit der Schadensart nichts zu tun hat. Daß Sachen einer bestimmten Person anvertraut wurden, spielt nur für die mögliche Verantwortung dieser Person eine Rolle. Auch bei der Mankohaftung ist zunächst zu fragen, ob der Arbeitnehmer einen Erfolg oder nur Sorgfalt schuldet. M. a. W.: ist die Vermeidung eines Mankos Erfolgsverbindlichkeit und daher schon das Vorliegen eines Mankos Nichterfüllung oder schuldet der Arbeitnehmer nur Sorgfalt zur Vermeidung eines Mankos und ist daher erst die Sorgfaltsverletzung Nichterfüllung? - Geld ist für eine Kassierin nicht weniger Arbeitsmaterial als Mörtel für einen Maurer. Wie dieser keinen Erfolg schuldet (einen haltbaren Verputz z. B.), so schuldet auch jene keinen Erfolg, d. h. die Vermeidung eines Mankos ist nicht Erfolgsverbindlichkeit. Umgang mit Geld verlangt zwar erhöhte Sorgfalt. Er wird daher i. d. R. nur qualifizierten Arbeitnehmern übertragen, denen schwierigere Aufgaben zuzumuten sind. Daraus läßt sich alleine noch keine Erfolgsverbindlichkeit ableiten. Derart qualifizierte Arbeiten und noch viel qualifiziertere, werden Arbeitnehmern auch sonst übertragen. Nach dem Gesetz (§ 1151 ABGB) schulden demnach alle Arbeitnehmer nur sorgfältiges, erfolgstrebendes Verhalten. Nach der Art ihrer Tätigkeit unterscheidet das Gesetz nicht. Es wäre auch nicht einzusehen, warum eine Kassierin, deren Tätigkeit in der Einnahme und Ausgabe von Geld besteht, anders als sonstige Arbeitnehmer zu behandeln sein sollte. Gleiches gilt für die Betreuung von Warenlagern. Das Betriebsrisiko bezüglich des Abganges von Geld oder Waren darf dem Arbeitnehmer genausowenig durch die Aufbürdung eines Entlastungsbeweises übertragen werden, wie sonst einem Arbeitnehmer bei Nichteintritt des Arbeitserfolges. Eine derartige Risikoüberwälzung widerspräche dem Inhalt der Sorgfaltsverbindlichkeit, weil sie zum prinzipiellen Einstehenmüssen für einen Erfolg führte. Mißerfolge der Arbeitsleistung hat grundsätzlich der Unternehmer zu tragen11 • 9 Zur Entschuldigung i. e. S. s. o. § 11. 10 Vgl. Barton, Mankohaftung 33; Woltereck, Mankohaftung 15; Martinek, öRdA 1954, H. 12/13, S. 14; Hengstler, öRdA 1974, 24. 11 Darauf verweisen für das Österreichische Recht auch Martinek, öRdA
A. Schlechtleistung I I!. Mankohaftung
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Die Arbeit an der Kasse, die Beaufsichtigung der Kasse ist bei ordnungsgemäßer den Erfolg anstrebender Sorgfalt gehörige Dienstleistung. Kann ein Arbeitnehmer wegen aufgetretener Fehlbeträge teilweise Geld nicht abliefern, so mag dies auf eine unsorgfältige Dienstleistung schließen lassen. Das Nichtabliefern als solches ist keine Vertragsverletzung, also nicht vergleichbar mit der Nichtzahlung des Kaufpreises oder der Nichtherausgabe deponierten Geldes durch einen Verwahrer12. Macht der Arbeitgeber ein Manko geltend, so muß er zuerst dessen Bestehen beweisen. Damit tut er den Schaden dar. Hingegen ist über die Nichterfüllung der vertraglichen Verbindlichkeit noch nichts gesagt13. Anderslautende Entscheidungen des OGH, die bereits im Vorliegen eines Mankos die Nichterfüllung sehen, sind daher verfehlt14 • Die Ursachen eines Mankos können zweifellos verschiedenartiger Natur sein: natürlicher Schwund, Fehlverhalten anderer Arbeitnehmer, Diebstahl durch Dritte usw. Diese Ur sachen wiederum können durch mangelhafte betriebliche Organisation des Arbeitgebers begünstigt sein. Derartige Risken dürfen dem Arbeitnehmer nicht dadurch aufgelastet werden, daß man ihm entgegen der ratio des § 1298 ABGB die Beweislast für die Einhaltung der Sorgfalt auferlegt. Anspruchsgrundlage für den Arbeitgeber ist die Sorgfaltsverletzung durch den Arbeitnehmer, die Schlechtleistung. Mißlingt der Beweis der Sorgfaltsverletzung, so hat der Arbeitgeber den Schaden zu tragen. Die Anforderungen an seine Beweisführung dürfen nicht überspannt werden. Aus 1954, H. 12/13, S. 14 ff. und Hengstler, öRdA 1974, 24 ff. zu Recht. -Da beide im Rahmen ihrer kurzen Abhandlungen naturgemäß die ratio des § 1298 ABGB nicht klären konnten und auch nicht wollten, fehlt ihrer Argumentation von § 1298 ABGB her gesehen die Untermauerung. Im Prinzip haben beide jedoch bereits erkannt, daß dort, wo jemand bloß zur Sorgfalt verbunden ist, nicht eine Erfolgshaftung durch Heranziehung des § 1298 ABGB herbeigeführt werden darf. 12 Vgl. dazu auch Martinek, öRdA 1954, H. 12/13, S. 16. 1s Das verkennt der OGH z. B. in Arb. 5.720, 6.444, 7.500. -Verfehlt ist es, wenn z. B. das ArbG Linz, Arb. 7.530, eine Haftungsübernahme für Mankos konstruiert, weil - was selbstverständlich ist - der Kassenstand bei Obergabe der Kasse geprüft wurde. Dieser Akt dient der Aufdeckung und Verhinderung von Mankos, sowie der Klärung der Frage, unter wessen Kassenführung ein Manko entstanden ist. Den Schuldinhalt mag er nicht zu beeinflussen. 14 Außer einer sorgfaltswidrigen Arbeitsleistung kommt als Nichterfüllung einer sonstigen Verbindlichkeit des Arbeitnehmers in Zusammenhang mit dem Abgang von Geld oder Waren die Verletzung der Treuepflicht durch Veruntreuung, Unterschlagung oder, wenn die Sache dem Arbeitnehmer nicht anvertraut war, Diebstahl in Betracht. Hier ist jedoch das Wesensmerkmal der Vertragsverletzung die vorsätzliche Beeinträchtigung des Vermögens des Arbeitgebers. Bevor dies nicht feststeht, kann von keiner Verletzung der Treuepflicht gesprochen werden. 19 Reisehauer
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§
19. Arbeitsvertrag
dem alleinigen Zugang zur Kasse oder zum Lager, aus der Höhe und Vielzahl der Umsätze, aus der Größe des Mankos, dem Zeitraum der Entstehung, unregelmäßigem Abrechnen bzw. unregelmäßigem Kassasturz15 kann je nach Lage des Falles auf eine kausale Sorgfaltsverletzung geschlossen werden. Sperrt ein Arbeitnehmer das Lager beim Verlassen nicht ab und wird inzwischen gestohlen, erübrigt sich eine weitere Prüfung der Sorgfaltsverletzung16 • Hat ein Arbeitnehmer bei einer Bank einen bestimmten Betrag abzuheben, fehlt bei der Ablieferung in der Firma Geld17, so war der Arbeitnehmer entweder schon bei der Übernahme unsorgfältig- er hat nicht oder falsch nachgezählt -oder beim Transport: Übernommenes Geld löst sich am Weg von der Bank zum Betrieb nicht in Nichts auf, ein Taschendiebstahl läßt sich bei gehobener Aufmerksamkeit, die ein Geldtransport verlangt, verhindern. Einen geschehenen Raubüberfall zur Erschütterung dieser Indizien darzutun, ist wohl vom Arbeitnehmer nicht zuviel verlangt. Ein besonderes Problem stellen die kassierenden Kellner (Zahlkellner). Zunächst ist festzuhalten, daß Speisen und Getränke dem Zahlkellner nicht anvertraut sind, wenn anderes Personal und der Wirt dazu Zugang haben. Fehlmengen können dann nicht einmal als verursacht im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel zugerechnet werden, falls sich nicht besondere zusätzliche Anhaltspunkte zeigen. Anvertraut - könnte man überspitzt formulieren - sind allenfalls die zum Servieren übergebenen Waren bis zum Zeitpunkt der Übergabe an den Gast. In keinem Sinne anvertraut ist der Gegenwert18 dieser Dinge. Er muß erst durch Arbeitsleistung - d. h. sorgfältiges Bemühen - hereingebracht werden. Zechprellerei u. ä. kann zu Mindereinnahmen führen. Unrichtiges Angeben des Konsumierten wird der Zahlkellner vielfach nicht überprüfen können, wenn mehrere Personen Speisen und Getränke auftragen oder wenn großer Andrang herrscht. Mindereinnahmen sind also noch nicht notwendig Ausfluß einer Sorgfaltsverletzung. Der Beweis der Sorgfaltsverletzung ist für den Gastwirt sicher nicht besonders leicht zu führen. Es wird ihm dabei vielfach nur der mittelbare Beweis19 bzw. der des ersten Anscheins20 bleiben. Dieser Beweis LG Feldkirch Arb. 6.705. Vgl. LGZ Wien, Arb. 7.344, wo völlig unnötig die Beweislastfrage aufgerollt wurde. 17 Vgl. OGH Arb. 5.720 = SozM I A/e 27. 18 Das übersieht das LG Linz in Arb. 8.713. In der ZAS 1971, 1 ist nur der Leitsatz wiedergegeben. 19 Zum mittelbaren Beweis vgl. Holzhammer, Erkenntnisverfahren 191. 20 Zur Problematik des Beweises des ersten Anscheines nach österreichischem Recht vgl. Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen III 235 ff.; Dolinar, ÖJZ 1968, 431 ff.; Holzhammer , Erkenntnisverfahren 201 f. ; Rummel, 15
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A. Schlechtleistung I II. Mankohaftung
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wird dem Arbeitgeber umso leichter fallen, desto besser er seinen Betrieb organisiert hat. Eine entsprechende Betriebsorganisation (Ausgabe von Verrechnungsmarken, Bons, regelmäßige Abrechnung usw.) ermöglicht es, die möglichen Fehlerquellen zunächst so einzugrenzen, daß nach hoher Wahrscheinlichkeit nur mehr ein Fehlverhalten des Zahlkellners oder der Gäste in Frage kommt. Mittels eines Sachverständigenbeweises läßt sich dann des weiteren ermitteln, wieweit Fehlbeträge bei vergleichbaren Umsätzen der entsprechenden Branche bei guter Betriebsorganisation ohne Sorgfaltsverletzung üblich sind. Aus dem Ausmaße der Überschreitung derartiger Durchschnittssätze läßt sich zumindest prima facie auf eine Sorgfaltsverletzung des Arbeitnehmers schließen. Sicher, die Beweislage des Gastwirts ist nicht allzu rosig. Nicht leichter fiele aber dem Zahlkellner der Beweis der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt. Ihm ist es schon im Interesse einer raschen Abwicklung und damit im Interesse des Gastwirts unmöglich, minutiöse Aufzeichnungen über seine Tätigkeit bzw. über den Geschäftsablauf zu führen. Er käme noch viel eher in einen Beweisnotstand als der Gastwirt. Das Risiko eines mißlungenen Beweises - entsprechend der gesetzlichen Lage - dem Gastwirt aufzulasten, ist bei der Vielzahl der möglichen Fehlerquellen nur billig. Die Gerichte werden mit Fragen der Mankohaftung am häufigsten in Fällen beschäftigt, in denen ein Arbeitnehmer dauernd Geld oder Waren umzusetzen hat. Im Zuge solcher Tätigkeiten ist das Risiko des Abganges auch bei sorgfältiger Arbeitsleistung besonders groß. Nicht so groß ist das Risiko dort, wo einem Arbeitnehmer ganz bestimmte einzelne Sachen übergeben werden, mit denen er seine Arbeit zu verrichten hat. In erster Linie kommen hier die ihm zum alleinigen Gebrauch übergebenen Werkzeuge in Betracht. Hier ließe sich am ehesten daran denken, daß der Arbeitnehmer bezüglich dieser individuellen Stücke eine verwahrerähnliche Stellung hat, so daß er, falls er die Stücke nicht zurückgeben kann, den Beweis der Sorgfaltseinhaltung zur Verhinderung des Verlustes erbringen muß. Dafür scheint auch eine gesetzliche Bestimmung zu sprechen. § 19 lit. e Regiebautenarbeitergesetz (RegieBAG) gestattet es den Eisenbahnverwaltungen, Lohnabzüge vorzunehmen, wenn der Arbeiter den Abgang von Arbeitsmitteln nicht glaubwürdig rechtfertigen kann. Die Motive der Regierungsvorlage führen zu den §§ 18 bis 28 nur aus, daß sie keiner besonderen Erläuterung bedürfen, weil deren Inhalt keine wesentliche Verschiedenheit zu den auf dem Gewerbegebiet in Kraft stehenden Normen aufweist21 • Eine dem § 19 lit. e RegieBAG analoge BestimJBI. 1971, 393; Rechberger, ÖJZ 1972, 425 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht I 259; Hengstler, öRdA 1974, 26 f. 21 RV 717 BlgAH, 17. Sess. 27. 19°
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§ 19. Arbeitsvertrag
mung fehlt jedoch - soweit ich sehe - in der damals geltenden Fassung der Gew022 • Die Bestimmung des § 19 lit. e RegieBAG ging denn auch nicht reibungslos über die Bühne. Im sozialpolitischen Ausschuß des Abgeordnetenhauses verlangte eine Minderheit die Streichung dieser Bestimmung23 • Die Motivation des Antrages ist genausowenig überliefert wie die seiner Ablehnung. Wir müssen daher die Bedeutung dieser Norm genauer prüfen. Zunächst ist festzuhalten, daß es sich bei § 19 lit. e RegieBAG um eine Aufrechnungsbestimmung handelt. Eine wirksame Kompensation ist nur möglich, wenn die Forderung im Zeitpunkt der Aufrechnung einander aufrechenbar gegenüberstehen, d. h. unter anderem, fällig und klagbar sind. Die Schadenersatzforderung der Eisenbahn muß also nach § 19 lit. e RegieBAG bereits dann zu Recht bestehen und fällig sein, wenn der Abgang von Arbeitsmitteln "nach Vollendung der Arbeit seitens der Arbeiter nicht glaubwürdig gerechtfertigt werden kann". Will nun der Arbeiter in einem Prozeß den Lohnabzug bekämpfen, so muß er im Verfahren dartun, daß er sich glaubwürdig gerechtfertigt hat, d. h. die Gründe darlegen, die für die glaubwürdige Rechtfertigung sprechen, was praktisch nichts anderes bedeutet, als daß er nun den Abgang glaubwürdig rechtfertigen muß. Man kann nicht annehmen, die Bahn hätte darzutun, daß sich der Arbeiter nicht glaubwürdig gerechtfertigt hat, denn bei einer derartigen Interpretation wäre§ 19 lit. e RegieBAG im Rechtsstreit unwirksam. Daher haben wir es in § 19 lit. e RegieBAG auch mit einer Beweislastregel zu tun. Die Bestimmung des RegieBAG ist vereinzelt. Ähnliche Bestimmungen finden sich für andere Arbeitverhältnisse, in denen ebenfalls den Arbeitern regelmäßig Werkzeuge übergeben werden, nicht. Geht man in Zusammenhang mit § 19 lit. e RegieBAG davon aus, daß der Regiebautenarbeiter die Rückgabe der beigestellten Arbeitsmittel als Erfolg schuldet und daher einen Entlastungsbeweis zu führen hat, so bietet sich eine Analogie nur für jene Arbeitsverhältnisse an, in denen einem Arbeitnehmer einige wenige genau umschriebene Stücke zur Leistung der Arbeit übergeben werden, die er allein in seiner Gewahrsame zu behalten hat: Es geht im wesentlichen bloß um das Werkzeug24 • M. E. 22 GewO RGBl. 1859/227 i. d. F. RGBl. 1902/47 Das RegieBAG wurde mit RGBl. 1902/156 verlautbart. 23 1330 BlgAH, 17. Sess. 31. 24 Hueck, Arbeitsrecht7 I 230 FN 33 a, will im Arbeitsverhältnis die §§ 282 und 285 BGB dort analog heranziehen, wo die Vertragsverletzung "im konkreten Fall der Gestaltung der Lage von Unmöglichkeit oder Verzug ähnelt". Das treffe z. B. zu, wenn dem AN im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Gegenstände in die eigene Obhut gegeben sind und sie während dieser Zeit verloren gegangen oder beschädigt worden sind. Bezüglich der Mankohaftung geht Hueck grundsätzlich davon aus, daß den Arbeitgeber die volle Beweislast trifft, glaubt aber dort, wo nur eine Person Zugang zum Lager
A. Schlechtleistung I III. Beschädigung von übergebenen Sachen
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handelt es sich jedoch bei§ 19lit. e RegieBAG gar nicht um einen echten Entlastungsbeweis des Arbeitnehmers. Aus der Formulierung "glaubwürdig gerechtfertigt werden kann" ist abzuleiten, daß der Arbeitnehmer bloß einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit darzutun hat, daß der Verlust des Werkzeuges nicht auf seine Sorgfaltsverletzung zurückzuführen ist, kurz: daß er die Sorgfaltseinhaltung bloß glaubhaft machen muß. Fehlt einem Arbeiter nach Vollendung der Arbeit ein beigestelltes Arbeitsmittel, so spricht dies prima facie für eine Sorgfaltsverletzung. Es liegt nun am Arbeiter, sich glaubwürdig zu rechtfertigen, d. h. die ernsthafte Möglichkeit eines atpyischen Geschehensablaufes vorzubringen. Des weiteren fällt in Zusammenhang mit § 19 lit. e RegieBAG auf, daß sich der Arbeitnehmer nur bei Verlust, nicht auch bei Beschädigung (verstanden als Zustand) "glaubwürdig rechtfertigen" muß. Vom hier vertretenen Standpunkt, daß § 19 lit. e RegieBAG bloß ein Beispiel der Widerlegung des Beweises des ersten Anscheins ist, versteht sich das von selbst: Aus der Beschädigung von Werkzeug, das im Arbeitsprozeß schließlich dem Verschleiß ausgesetzt ist, kann nicht ohne weiteres auf eine Sorgfaltsverletzung geschlossen werden. ID. Beschädigung von übergebenen Sachen
These zur Beweislast: Der Arbeitgeber hat zu beweisen, daß die Beschädigung durch eine Sorgfaltsverletzung seitens des Arbeitnehmers entstand. Der Arbeitnehmer hat zu beweisen, daß er die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt aus zu berücksichtigenden subjektiven Gründen nicht zu vertreten hat (Entschuldigung i. e. S.)25 • Der Umgang mit den Gerätschaften, Werkzeugen, Maschinen, Materialien usw. ist für den Arbeiter nichts anderes als Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer schuldet daher, wie auch sonst bei der Arbeit nur Aufwendung von Sorgfalt zur Zielerreichung. Wie ein Lastwagenfahrer z. B. Sorgfalt schuldet, um mit dem Fahrzeug rechtzeitig am hatte, je nach Lage des Falles, auch § 282 BGB heranziehen zu können (aaO FN 33b). Diese Auffassung Huecks geht am Schuldinhalt vorbei. Von einer Ähnlichkeit zum Verzug bzw. der Unmöglichkeit nach BGB kann nur dort gesprochen werden, wo auch ein Erfolg geschuldet ist, und dieser nicht eintritt. In den Fällen der Mankohaftung liegen die Dinge jedoch nicht so. Hatte nur eine Person Zugang zum verschlossenen, gut gesicherten Lager und hatte diese auch die Lagerbuchhaltung zu führen, so ist der prima-facie-Beweis vom Arbeitgeber umso leichter zu erbringen. - Hans StolZ vermutet bezüglich der Manko-Haftung des Arbeitnehmers zu Unrecht eine Erfolgsverbindlichkeit. Bei Verlust und Beschädigung von Arbeitsgeräten, die dem Arbeitnehmer anvertraut sind, gehört es Stalls richtiger Ansicht nach jedoch zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers, daß er die Beweislast trägt (Hippel-FS 555 f.). 25 Zur Entschuldigung i. e. S. s. o. § 11.
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§ 19. Arbeitsvertrag
Bestimmungsort einzutreffen, so auch rücksichtlich der Nichtbeschädigung des LKWs. Dem Arbeitgeber obliegt, da nur eine Sorgfaltsverbindlichkeit gegeben ist, der Beweis der Sorgfaltsverletzung. Dabei kann ihm wiederum der prima-facie-Beweis weiterhelfen. Erleidet ein Kfz-Motor beim Betrieb Schaden, so hat der Arbeitnehmer deshalb noch nicht notwendig seine Arbeitspflicht verletzt. War bei gehöriger Sorgfalt erkennbar, daß ein Schaden entstehen würde, falls der Motor nicht abgestellt wird, so hat er ihn abzustellen, genauer: sich darum zu bemühen. Der Abstellvorgang wird in der Regel so einfach und ohne Schwierigkeiten vorgenommen werden können, daß aus dem Nichtabstellen trotz erkennbarer Gefahr eine Sorgfaltsverletzung abzuleiten sein wird. Beruft sich der Lenker darauf, daß sich der Motor nicht abstellen ließ, so obliegt dem Arbeitgeber der Beweis, daß dies im gegenständlichen Fall mit den gehörigen Kenntnissen und Fähigkeiten eines Kfz-Lenkers möglich gewesen wäre. Das ArbG Linz hat daher im Motorschadensfall26 im Ergebnis richtig entschieden, als es dem Unternehmer die Beweislast aufbürdete. Der in der Entscheidung angesprochene Betriebsrisikogedanke ist bereits im Schuldinhalt (Sorgfaltsverbindlichkeit) berücksichtigt. Aus ihm erklärt sich auch die Beweislastverteilung. Es ist also nicht nötig, die Nichtanwendung des § 1298 ABGB unmittelbar auf Risikoüberlegungen zurückzuführen. Fährt ein Kraftwagenlenker mit einem intakten Fahrzeug ohne Verkehrsbehinderung gegen einen Prellstein, so ist die Verletzung der objektiv gebotenen Sorgfalt erwiesen. Beruft er sich darauf, daß er zum Zeitpunkt des Unfalles an einer Bewußtseinsstörung litt, so behauptet er, daß er aus subjektiven Gründen, die Nichteinhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt nicht zu vertreten hat. Dafür trifft ihn nach§ 1297 ABGB die Beweislast27 • Mit§ 1298 ABGB hat der Fall nichts zu tun. IV. Beweislastverteilung und Dienstnehmerhaftpfliclltgesetz (DNHG)
Der sachliche Anwendungsbereich des DNHG ist jener der Schlechtleistung. Hat der Dienstnehmer den Schaden durch einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) zugefügt, so kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit den Ersatz mäßigen oder mit Rücksicht auf besondere Umstände ganz erlassen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob sich die Größe des Verschuldens mehr einer auffallenden Sorglosigkeit (grobe Fahrlässigkeit) oder einer entschuldArb. 6.517. Vgl. OGH 10. 11. 1964, 4 Ob 108/64, Arb 8.006 -s. a. § 11. 28
21
= SZ 37/159 = ZVR 1965/195.
A. Schlechtleistung I IV. Beweislastverteilung und DNHG
2P5
baren Fehlleistung27a nähert. Bei einer entschuldbaren Fehlleistung gebührt auf keinen Fall Ersatz(§ 2 DNHG). Die uns hier für die Beweislastverteilung interessierende Frage ist, ob der Arbeitnehmer zu beweisen hat, daß sich seine Sorgfaltsverletzung der entschuldbaren Fehlleistung genähert hat oder überhaupt entschuldbare Fehlleistung ist oder ob dem Arbeitgeber der Beweis obliegt, daß keine entschuldbare Fehlleistung vorliegt, ja sich das Verhalten des Arbeitnehmers der auffallenden Sorglosigkeit nähert. Die Frage ist aus dem bisher Ausgeführten (I. - II!.) zu lösen. Die Pflicht zur Arbeitsleistung ist eine Sorgfaltsverbindlichkeit. der Dienstgeber hat daher die Sorgfaltsverletzung, genauer den Sachverhalt (Tatfrage), der als Sorgfaltsverletzung qualifiziert werden soll (Rechtsfrage), zu beweisen. Da der Dienstgeber für diesen Sachverhalt beweispflichtig ist, ergibt sich nur mehr die Rechtsfrage, ob das Bewiesene als der groben Fahrlässigkeit nahe oder als entschuldbare Fehlleistung zu werten ist. Kann der Dienstgeber als dafür Beweispflichtiger die Umstände, die als Sorgfaltsverletzung qualifiziert werden sollen, nicht beweisen, so stellt sich die Rechtsfrage, ob besonders leichte Fahrlässigkeit oder bloß entschuldbare Fehlleistung vorliegt, erst gar nicht. Gegenteiligen Entscheidungen27h des OGH ist nicht zu folgen. Diese Entscheidungen waren aber auch nur möglich, weil das Höchstgericht bei der Mankohaftung einen unrichtigen Ausgangspunkt wählte. Es sah schon im Vorliegen eines Mankos die Nichterfüllung und legte daher dem Arbeitnehmer den Beweis der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt auf. Eine Entlastung bei einer derartigen, in Wahrheit nicht vorliegenden Erfolgsverbindlichkeit würde den Beweis der Sorgfaltsaufwendung erfordern und somit auch die Darlegung der Umstände, die dann rechtlich als Sorgfaltsmäßigkeit, entschuldbare Fehlleistung etc. zu qualifizieren wären. Da aber keine Erfolgs-, sondern eine Sorgfaltsverbindlichkeit gegeben ist, liegt die diesbezügliche Beweislast beim Arbeitgeber. Außerhalb der Mankohaftung neigte denn auch der OGH nicht zu Fehlschlüssen bezüglich der Beweislastverteilung im Zusammenhang mit dem DNHG. Die Begriffe entschuldbare Fehlleistung, Nähe zur auffallenden Sorglosigkeit sind wie auch sonst nach bürgerlichem Recht am objektiven Sorgfaltsmaßstab zu messen. Je nachdem, wieweit das Verhalten von diesem Maßstab abweicht, ist es als das eine oder das andere zu qualifizieren. Bezüglich der Vermutung der subjektiven Fähigkeiten zur objektiv gebotenen Sorgfalt wird auf das bereits Ausgeführte verwiesen270. 27a
27b
27c
Vgl. dazu Mayer-Maly, AcP 163, 114. Vgl. OGH Arb. 5.720 und Arb. 7.500. S. 0. § 11.
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B. Die Anwesenheit am Arbeitsplatz Die Erfüllung der Arbeitspflicht setzt voraus, daß der Dienstnehmer am Arbeitsplatz erscheint. Die Anwesenheit während der Arbeitszeit am Arbeitsort betrifft die "Rechtzeitigkeit", ja wegen der weithin mangelnden Nachholbarkeit auch die Möglichkeit der von ihm geschuldeten Zurverfügungsstellung der Arbeitskraft. Der Arbeitnehmer hat bei Dienstbeginn zu erscheinen und während der Arbeitszeit anwesend zu sein. Daran ändert auch die Einführung der gleitenden Arbeitszeit in einem Betrieb nichts. Sie schafft nur die Gelegenheit zur Modifikation der Zeit, in der die Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen ist. An die Arbeitszeit sind auch die Akkordarbeiter gebunden, denn auch sie haben grundsätzlich die gesamte Arbeitszeit anwesend zu sein. Soweit sie im Einzelfall nach Beendigung eines bestimmten Pensums die Arbeit verlassen dürfen, ist die Lage freilich anders: sie erfüllen die Verbindlichkeit zur Anwesenheit nur dann nicht, wenn sie die Arbeitsstätte ohne Bewältigung des Mindestpensums verlassen haben. Während das Risiko des Arbeitserfolges der Unternehmer tragen soll, ist dies grundsätzlich bezüglich der Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht so. Stellt der Arbeitnehmer die Arbeitskraft nicht zur Verfügung, so gebührt ihm grundsätzlich kein Entgelt. Vorschriften über die Weiterbezahlung des Entgelts bei Krankheit oder sonstiger Dienstverhinderung aus wichtigem Grunde sind Ausnahmen. Der Arbeitnehmer schuldet demnach die Anwesenheit an der Arbeitsstätte als Erfolg. Ist er nicht anwesend, so hat er zu beweisen, daß die Abwesenheit nicht auf einer Sorgfaltsverletzung beruht. Gelingt ihm die Entlastung, so wird er von der drohenden Ersatzpflicht frei - mag er auch um das Entgelt kommen, weil kein Fortzahlungsfall vorliegt. Gelingt ihm die Entlastung nicht, so stellt sich das weitere Problem der Höhe des durch die Abwesenheit verursachten Schadens: Im modernen arbeitsteiligen Betrieb läßt sich ein bestimmter Schaden aus dem Unterbleiben einer Arbeitstätigkeit häufig nicht nachweisen28 • Darüber könnte § 273 ZPO hinweghelfen29 : Er ermächtigt den Richter, wenn die Schadensfestsetzung mit verhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist, den Betrag nach freier Überzeugung festzusetzen. Aber selbst, wenn sich die Schäden feststellen lassen, sind noch weitere Schwierigkeiten zu überwinden: Da der Arbeitnehmer bezüglich des Arbeitsergebnisses keine Erfolge schuldet, könnte er sich darauf berufen, daß ja nicht feststeht, ob trotz Arbeit die gewünschten Erfolge eingetreten wären. Diesbezüglich hilft nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil. Bei weitgehend 28 Es treten hier vor allem auch die Probleme der minimalen Kausalität auf. s. dazu Bydlinski, Schadensverursachung 108 ff.; Koziol, Haftpflichtrecht
I 67 f. 29
Bydlinski,
Arbeitsrechtskodifikation 133.
C. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
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risikoloser Arbeit wird man den Eintritt des Erfolges bei Sorgfaltsaufwendung grundsätzlich unterstellen dürfen. Das Problem liegt nicht viel anders als bei sonstigen Schäden, für die ein Unterlassen verantwortlich gemacht wird. Mit derartigen Wahrscheinlichkeitsurteilen müssen wir uns schließlich auch bei der Prüfung des entgangenen Gewinns begnügen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten war (§ 1293 ABGB) 3o. Nimmt also z. B. ein Solotänzer an einer Tournee nicht teil und müssen daher die Vorstellungen entfallen, so hat er sich zu entlasten, damit er nicht schadenersatzpflichtig wird31 •
C. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
These zur Beweislast: Der Arbeitnehmer hat- soweit die Vorschriften des ABGB nicht durch Sondervorschriften des ASVG durchbrachen sind - den schadenstiftenden Zustand der Räume, Gerätschaften usw. zu beweisen. Der Arbeitgeber hat sich zu entlasten. Gemäß § 1157 ABGB hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistungen so zu regeln und bezüglich der von ihm beigestellten Räum und Gerätschaften dafür zu sorgen, daß Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers, soweit es nach der Natur der Dienstleistung möglich ist, geschützt werden. Den Vätern der 3. Teilnovelle war vorgeschlagen worden, in § 1157 ABGB die Beweislast des Arbeitgebers bezüglich der Einhaltung der Sorgfalt32 festzuhalten. Dies wurde abgelehnt, weil § 1157 ABGB eine Vertragspflicht ausspreche, und daher den Arbeitgeber nach§ 1298 ABGB die Beweislast treffe. Es sei nicht notwendig, diesen allgemein gültigen Satz zu wiederholen. Die Gesetzesverfasser betrachten somit die Bereitstellung von gefährlichen Räumen oder Gerätschaften genauso wie z. B. das Ausbleiben einer zu liefernden Ware als Nichterfüllung. Sie knüpfen an die Schädigung durch die ordnungswidrigen gefährlichen Sachen an und verlangen vom Arbeitgeber die Entlastung, behandeln somit die entsprechende Verbindlichkeit als Erfolgsverbindlichkeit. Die damit grundsätzlich feststehende Beweislastverteilung nach ABGB ist durch sozialversicherungsrechtliche Vorschriften jedoch weitgehend bedeutungslos geworden. Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber wegen der Vorschriften des ASVG prinzipiell keinen Vgl. Rummel, JBI. 1971, 393. Vgl. OGH 21. 9. 1965, 4 Ob 101165, Arb. 8.138. 32 In den 3. TN-Materialien wird von kulposer Vernachlässigung gesprochen (347). Objektiv gebotene Sorgfalt und subjektives Verschulden werden hier jedoch nicht auseinandergehalten (vgl. 378) - Zum Verschuldensbegriff des ABGB s.o.§ 7. so
at
§ 19. Arbeitsvertrag
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Schadenersatzanspruch bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten. Voraussetzung der ausnahmsweisen Gewährung eines Schadenersatzes ist, daß der Arbeitgeber den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht hat(§ 333 Abs. 1 ASVG). Den Beweis des Vorsatzes, der Anspruchsgrundlage, hat freilich der Arbeitnehmer zu führen. Bedeutung erlangt die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB nur dort, wo das Arbeitsverhältnis weder den Vorschriften des ASVG noch sonstigen Regeln untersteht, die den Arbeitgeber grundsätzlich von einer Ersatzpflicht freistellen. Gleiches gilt für Fälle, in denen der Arbeitnehmer nicht zur Sozialversicherung gemeldet wurde und er daher dieser gegenüber keine Ansprüche hat. Die Privilegierung des Unternehmers gegenüber den Vorschriften des ABGB durch sozialversicherungsrechtliche Normen greift nicht ein, weil hier der Grund der Haftungsfreistellung- der Versicherungsbeitrag des Arbeitgebers zur Abdeckung von Schäden aus Arbeitsunfällen - nicht vorliegt. Schließlich ist § 1298 ABGB im Arbeitsverhältnis insoferne anwendbar, als der Arbeitnehmer in die Hausgemeinschaft aufgenommen ist und durch schädliche Wohn- und Schlafräume oder schlechte Verpflegung geschädigt wird (§ 1157 Abs. 2 ABGB). § 333 Abs. 1 ASVG brachte diesbezüglich keine Änderung. Ein ähnlicher Fall der Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB tritt im Rahmen des Werkvertrages dort auf, wo den Besteller nach § 1169 ABGB eine Fürsorgepflicht trifft33• 34• 33
Vgl. dazu auch OGH 8. 3. 1932, 3 Ob 15132, SZ 14171 und Klang I Adler I
Höller2 V 411 ff.
u Die Fälle, daß jemand in den Räumen des Vertragspartners durch deren ordnungswidrigen Zustand Schaden erleidet, sind nicht auf das Arbeitsverhältnis beschränkt. Damit wird die Frage akut, wieweit auch in anderen Vertragsverhältnissen eine Erfolgsverbindlichkeit besteht, den Vertragspartner vor derartigen Gefahren zu bewahren. -Der OGH hat einem Rechtsanwalt, dessen Klient wegen eines mangelhaft befestigen Kokosläufers stürzte, den Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB zugeschoben, weil seiner Meinung nach den Anwalt die vertragliche Nebenverbindlichkeit traf, den Klienten keiner Gefährdung (verstanden als Erfolg) in den Kanzleiräumen auszusetzen (Kokosläuferfall - E v. 22. 11. 1973, 6 Ob 224173, EvBI. 19741138 = JBI. 1975, 205. - Der von der Redaktion der JBI. gebildete Leitsatz ist irreführend, weil er den Eindruck erweckt, daß nach Meinung des OGH immer dann eine Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB vorzunehmen sei, wenn die Lehre von Schutz-(Sorgfaltspflichten) spreche. Derartiges ist der E nicht zu entnehmen). In einer anderen, bereits 1931 ergangenen Entscheidung, hob der OGH hervor, daß sich der Gastwirt zu entlasten gehabt hätte, wenn die am Weg zum Klosett gestürzte Klägerin hätte beweisen können, daß sie infolge ordnungswidriger Beleuchtung stürzte (Beleuchtungsfall E v. 1. 12. 1931, 1 Ob 656131, SZ 231254). Im letztgenannten Fall überzeugt die Aussage schon deshalb, weil zum Gasthausbesuch als wesentliches Element die Benutzung der Räume gehört. Nicht bloß des Konsums, sondern vor allem auch des Aufenthalts wegen werden derartige Stätten besucht. Es liegt in gewissem Sinne ein mietähn-
C. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
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liebes Verhältnis vor. M. E. darf es in solchen Fällen auch keinen Unterschied machen, ob der Gast vor oder nach der L Bestellung geschädigt wird. Das Betreten des Raumes zwecks Aufenthalt wird hier quasi offeriert. Anders liegen die Dinge beim Kokosläuferfalt In solchen und ähnlichen Fällen fehlt eine mietähnliche Komponente. Die Zurverfügungstellung des Raumes gehört hier auch nicht teilweise zum Zweck des Aufenthaltes (vgl. E SZ 28/135, die dies zur Schädigung in einem Verkaufsladen in Gegenüberstellung zur Schädigung bei einem Gastwirt, Pensionsinhaber oder Unternehmer eines Bade- und Kurmittelhauses hervorhebt). Der Aufenthalt im Raume eines Notars, Rechtsanwalts etc., unterscheidet sich diesbezüglich nicht grundlegend vom Besuch eines Kaufgeschäftes. In solchen Fällen nimmt der OGH (zu Unrecht) nicht einmal die Erfüllungsgehilfenhaftung an (SZ 28/135; EvBl. 1958/19; EvBl. 1974/109). Daß der Aufenthalt im Raume eines Rechtsanwalts, Notars etc. gewöhnlich länger dauert als in einem Kaufgeschäft, könnte wohl kein sinnvolles Unterscheidungskriterium für die Haftung des Belangten sein. Überdies können auch Kaufverhandlungen lange dauern (Einrichtungsgegenstände, Frauenkleidung). Schließlich wäre in solchen Fällen auch nicht recht einzusehen, waruni die Beweislastverteilung vor und nach Vertragsabschluß anders sein soll, wo doch der Raum nicht Gegenstand der Leistung ist. Die Annahme einer Erfolgsverbindlichkeit ist wohl auch kaum durch Analogie zu den§§ 1157, 1169 ABGB möglich. Soweit mit§ 1157 ABGB Kost und Quartier angesprochen sind, geht es um eine entgeltliche Leistung mit kauf- bzw. mietähnlichen Bezügen. Was die Betriebseinrichtungen betrifft, so ist maßgebend, daß der in wirtschaftlicher Abhängigkeit stehende Arbeitnehmer sich auf Grund des Vertrages in den Räumen des Arbeitgebers aufzuhalten hat und daher eines besonderen Schutzes bedarf, der heute freilich in erster Linie durch öffentlich-rechtliche Schutzvorschriften und die Sozialversicherung gewährt wird.§ 1169 ABGB bezieht sich auf§ 1157 ABGB, um auch jene Fälle zu erfassen, in denen die Grenzen zwischen Arbeitsvertrag und Werkvertrag verschwimmen (3. TN-Materialien 367).
§ 20. Freie Dienstverträge1 A. Allgemeines Eine generelle Regel für die Beweislastverteilung läßt sich bei den "freien Dienstverträgen" nicht aufstellen. Diesem Vertragstypus werden regelmäßig Verrichtungen zugezählt, deren Erfolg der Schuldner der Dienstleistung zu einem sehr erheblichen Teil nicht in der Hand hat. Es geht meist um Verträge, die grundsätzlich nur sorgfältiges Streben nach dem Erfolg, nicht aber den Erfolg selbst zum Inhalt haben. Der Rechtsanwalt schuldet keinen Prozeßgewinn, der Arzt keinen Heilungserfolg. Dennoch ist nicht pauschal anzunehmen, in diesen Rechtsverhältnissen könnten überhaupt keine Erfolge geschuldet sein. Wenn der Arbeitnehmer keinen Arbeitserfolg schuldet, so deshalb, weil von Gesetzes wegen feststeht, daß der Arbeitgeber das Erfolgsrisiko tragen soll. Dem selbständig Dienstverpflichteten können hingegen gewisse Betriebsrisiken sehr wohl aufgelastet werden. Im folgenden seien ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit einzelne Verträge behandelt, die man üblicherweise unter den Sammelbegriff freie Dienstverträge subsumiert. Auf einen Streit, ob es sich bei den einzelnen Verträgen nicht etwa um Aufträge oder eben um Werkverträge handelt, bei denen untypischerweise kein Erfolg geschuldet ist, braucht hier nicht eingegangen werden, weil bei diesen Verträgen, die das Gesetz nicht ausdrücklich regelt, sowohl Vorschriften über den Werkvertrag als auch solche über den Auftrag zu beachten sind2 und für unsere Frage allein von Bedeutung ist, ob nach dem Vertragsinhalt bloße Sorgfalt oder ein Erfolg geschuldet ist.
B. Rechtsanwälte, Steuerberater u. ä. Ein Rechtsanwalt hat die Sach- und Rechtslage sorgfältig zu prüfen, seinen Klienten über Prozeßaussichten zu belehren und den Rechtsstreit mit der gebotenen Sorgfalt zu führen. In jedem Prozeß steckt ein mehr oder minder hohes aleatorisches Element insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweiswürdigung und der Beurteilung der häufig in Theorie und Praxis umstrittenen Rechtsfragen, aber auch der 1
2
Rechtsprechungsübersicht s. o. § 1. A. VI. Gschnitzer, Schuldrecht. Besonderer Teil 72.
B. Rechtsanwälte, Steuerberater u. ä.
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Tücken des einzelnen Falles, so daß der Klient kein Erfolgsversprechen erwarten kann und der Anwalt auch regelmäßig keines gibt. Ohne eine besondere Vereinbarung ist es jedenfalls nicht anzunehmen. Eine positive Beurteilung der Prozeßchancen durch den Anwalt bedeutet noch lange kein Erfolgsversprechen. Während der Prozeßgewinn als Schuldinhalt praktisch kaum in Frage kommt, sind im Rahmen der Rechtsbeziehung Klient-Anwalt sehr wohl einzelne Leistungen denkbar, die im Erreichen eines bestimmten Erfolges bestehen. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn der Klient einen bestimmten Erfolg erwarten durfte und aus der Sicht des Anwalts keine Bedenken gegen ein Erfolgsversprechen bestehen, weil die Erfolgsherbeiführung mit nur geringem Risiko belastet ist. Das Versprechen des Anwalts kann dann sehr wohl als Erfolgsverbindlichkeit gedeutet werden. Vereinbaren die beiden Kontrahenten, der Anwalt soll ein Rechtsmittel einlegen, so ist die rechtzeitige Eingabe des Rechtsmittels als Erfolg geschuldet. Mit dem Beweis der Nichtrechtzeitigkeit bzw. des Unterlassens des Einbringens des Rechtsmittels wird häufig, zumindest prima facie, auch die Sorgfaltsverletzung erwiesen sein. Die Dinge müssen jedoch nicht so liegen. Der Anwalt oder sein Gehilfe konnte z. B. am Weg zur Post verunglückt sein. - Der Klient genügt seiner Beweispflicht jedenfalls durch den Beweis, daß das Rechtsmittel nicht bzw. nicht rechtzeitig eingebracht wurde. Kann sich der Anwalt nicht entlasten, so haftet er freilich nur, wenn der Klient überdies beweisen kann, daß das Rechtsmittel mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem für ihn günstigen Prozeßausgang geführt hätte. Wurde hingegen das Einbringen eines Rechtsmittels weder vereinbart noch ausgeschlossen, so obliegt dem Klienten der Beweis, daß der Anwalt bei entsprechender Sorgfalt zur Einsicht hätte gelangen müssen, daß ein Rechtsmittel einzulegen sei ( = Beweis des Entstehens der Erfolgsverbindlichkeit zum Einbringen des Rechtsmittels = ein Sorgfaltsbeweis). Beruft sich der Anwalt darauf, daß er zu dieser Erkenntnis gelangt sei, ihn aber widrige Umstände am Einbringen des Rechtsmittels hinderten, so hat er dies darzutun. Kam er hingegen nicht einmal zu dieser Erkenntnis, so ist ihm Sorgfaltswidrigkeit bezüglich des Erkennens der Notwendigkeit eines Rechtsmittels vorzuwerfen. Eine Erfolgsverbindlichkeit ist z. B. auch die Verbindlichkeit eines Anwalts oder Notars, einen Vertrag oder ein Gutachten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verfassen. Einen Notar wird z. B. Erfolgsverbindlichkeit treffen, den Vertrag, um dessen Errichtung ihn die Parteien gebeten haben, in formgültiger Weise niederzulegen. Das erwarten die Parteien, das verspricht der Notar, zumindest schlüssig. Der Beweis eines Formverstoßes wird häufig die Sorgfaltswidrigkeit indizieren. Es muß aber keine Sorgfaltswidrigkeit hinter dem Miß-
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§
20. Freie Dienstverträge
erfolg (Fehlen der gebotenen Form) stecken. Es ist durchaus denkbar, daß sich die höchstgerichtliche Rechtsprechung zunächst mit einer bestimmten Form begnügt, später aber höhere Formanforderungen stellt. Bei bisher ständiger Rechtsprechung kann man dem Notar, der im Einklang mit ihr handelte, keine Sorgfaltsverletzung vorwerfen. Aussonderungs- oder Absonderungsrechte im Insolvenzverfahren nicht aufzugeben, kann nicht von vornherein als Erfolgsverbindlichkeit betrachtet werden. Der Vertreter eines Konkursgläubigers braucht gewöhnlich entsprechenden Spielraum, um die Gesamtinteressen seines Mandaten zu berücksichtigen. Ob ein derartiges Recht aufgegeben werden dürfte oder nicht, beurteilt sich nach der Sorgfalt eines ordentlichen Anwalts, eines Sachverständigen (§ 1299 ABGB). Der Nichterfüllungsbeweis ist hier Sorgfaltsverletzungsbeweis. Gibt ein Anwalt derartige Vorteile auf, ohne entsprechende Äquivalente wirksam einzuhandeln, so ist in der Aufgabe derartiger Rechte eine Sorgfaltsverletzung zu sehen. Der Sorgfaltsverletzungsbeweis ist mit dem Beweis solcher Umstände also erbracht. Hat der Klient den Anwalt angewiesen, unter keinen Umständen derartige Rechte aufzugeben, so entsteht allerdings eine Erfolgsverbindlichkeit. Diese ist auch dann schuldhaft verletzt, wenn der Anwalt ohne Nachteile für den Klienten derartige Rechte aufgibt. Mangels eines Schadens scheidet jedoch ein Ersatzanspruch aus. Hat der Anwalt weisungsgemäß auf derartige Rechte zum Nachteil des Klienten verzichtet, so liegt keine Vertragswidrigkeit vor3 • Eine Beweislast wegen Nichterfüllung scheidet dann aus. Ist strittig, ob eine derartige Weisung oder Vereinbarung vorliegt, so ist dies eine Frage des Beweises des Umfanges der Verbindlichkeit des Anwaltes, der nicht nach den Beweisregeln über die Nichterfüllung zu beurteilen ist. Dies übersah das OLG Graz als Berufungsgericht im Substitutenfall\ als es dem Substituten eines Anwalts die Beweislast gemäß § 1298 ABGB auferlegte, daß ihn der Konkursgläubiger beauftragt habe, auf die Geltendmachung der Ab- und Aussonderungsrechte zu verzichten. Der OGH setzte sich mit diesem Argument des OLG wohl deshalb nicht weiter auseinander, weil er zwischen dem Substituten und dem Konkursgläubiger, die sich im Schadenersatzprozeß als Streitparteien gegenüber standen, kein Vertragsverhältnis begründet sah. Unterstellt man indes, wie der OGH, Geschäftsführung ohne Auftrag zwischen diesen Personen, so ist zwar kein vertragliches, aber - was der OGH nicht bedenkt - ein gesetzliches Schuldverhältnis5 gegeben. Dennoch 3 Hat der Anwalt den Klienten nicht auf die Gefahren eines derartigen Vorgehens aufmerksam gemacht, so liegt darin eine Nichterfüllung seiner Sorgfaltsverbindlichkeit. 4 SZ 25/130. In EvBl. 1963/164 ist die entsprechende Stelle nicht wiedergegeben. 5 Vgl. den Wortlaut des § 1298 ABGB.
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führt dieses gesetzliche Schuldverhältnis zu keiner Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB, weil es genausowenig eine Erfolgsverbindlichkeit zum Inhalt hat6 • Es ist aber auch denkbar, daß der OGH annahm, wo § 1299 ABGB in Frage stehe, komme keine Beweislastumkehr in Betracht7. Dies wäre freilich unrichtig. Bei Erfolgsverbindlichkeiten hat sich der Fachmann damit zu entlasten, daß er die von § 1299 ABGB geforderte Sorgfalt eingehalten hat8 • Eine Entlastung bezüglich des Fehlens der fachlichen Kenntnisse ist dem Fachmann verwehrt, eine Entlastung rücksichtlich sonstiger subjektiver Umstände jedoch grundsätzlich wie bei§ 1297 ABGB zulässig9 • Ein Anwalt schuldet ja, wie dargestellt, bezüglich der Aufgabe- bzw. Nichtaufgabe von Absonderungs- und Aussonderungsrechten bloß entsprechende Sorgfalt, so daß die Nichterfüllung in der Sorgfaltsverletzung besteht. Diese Nichterfüllung hat der Konkursgläubiger zu beweisen. Er hat sie also genauso zu beweisen, wenn man zwischen dem Substituten und dem Konkursgläubiger das Bestehen eines Vertrages annimmt. Die eigentliche Tätigkeit des Anwalts als Rechtsberater und Rechtsvertreter bringt häufig zusätzlich noch gewisse Nebenverbindlichkeiten mit sich, bei denen ebenfalls der Schuldinhalt zu ermitteln ist, bevor an eine Beweislastverteilung geschritten werden kann. So trifft z. B. ein Anwalt, dem Klientengelder anvertraut sind, die Erfolgsverbindlichkeit eines Verwahrers. e Auf die Frage, welche Rechtsbeziehungen zwischen einem Substituten und dem Klienten des Substituierenden Rechtsanwalts tatsächlich bestehen, ist hier nicht näher einzugehen. 7 Vgl. SZ 25/130, S. 361. Völlig irreführend ist die verstümmelte Darstellung in EvBl. 1963/164. Sie erweckt den Eindruck, der OGH habe eine Beweislastumkehr abgelehnt, weil Schlechterfüllung, aber keine Nichterfüllung vorliege. Auf das obiter dictum, daß § 1298 ABGB nur auf Nichterfüllung, nicht aber auf Schlechterfüllung anzuwenden sei, folgt in EvBl. 1963/164 unmittelbar die Aussage, daß daran § 1299 ABGB nichts zu ändern vermöge. Dieser anschließende Satz ist völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Er folgt nicht jenem Satz, der ihm in EvBl. 1963/164 vorangestellt ist, sondern erst anderen umfangreichen Ausführungen (vgl. SZ 25/130). Der OGH prüft zunächst die Frage, ob zwischen dem Substituten und dem Konkursgläubiger ein vertragliches Schuldverhältnis besteht und kommt zur Auffassung, daß der Substitut im Verhältnis zum Konkursgläubiger Geschäftsführer ohne Auftrag sei. Erst darauf folgt der nicht näher ausgeführte Gedanke, es sei "unter diesen Umständen" (einer Geschäftsführung ohne Auftrag?) für eine Beweislastumkehr i. S. des § 1298 ABGB kein Raum. Erst diesbezüglich führt der OGH aus, daß daran § 1299 ABGB nichts ändere. Der letztgenannte Satz hat also entgegen der Darstellung in EvBl. 1963/164 nichts mit der vom OGH immer wieder getroffenen aber, wie gezeigt (s.o. § 8), unrichtigen Unterscheidung von Schlechterfüllung und Nichterfüllung zu tun. 8 s.o. § 11.- Richtig: OGH 12. 12. 1973, 7 Ob 215/73, JBl. 1974, 624. 9 s. o. § 11. D.
§ 20. Freie Dienstverträge
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Der Struktur der Tätigkeit eines Anwalts ähnelt auch die Haupttätigkeit eines Steuerberaters. Der Ausgang eines abgabenrechtlichen Verfahrens ist kaum weniger von ungewissen Elementen abhängig als der eines zivilrechtliehen Rechtsstreites. Die Beurteilung der Sachverhalte als steuerpflichtige, steuerfreie, steuerbegünstigte usw. ist nicht immer eindeutig vorzunehmen; die Verbindlichkeit des Steuerberaters daher im Grunde bloß eine zu sorgfältigem Verhalten. Er hat seinen Klienten fachkundig, d. h. aufgrund der geforderten Spezialkenntnisse, zu beraten und die von ihm geforderten Abgabenerklärungen mit entsprechender Kenntnis zu verfassen. Der Nichterfüllungsbeweis ist der Beweis mangelnder Fähigkeiten und Kenntnisse (§ 1299 ABGB), also Sorgfaltsverletzungsbeweis. Macht ein Steuerberater seinen Klienten nicht darauf aufmerksam, daß dieser verpflichtet ist, ein Wareneingangsbuch zu führen (Steuerberaterfall) 10 , so ist der Beweis der Sargfaltsverletzung dann erbracht, wenn ein mit entsprechenden Fachkenntnissen ausgestatteter Steuerberater (§ 1299 ABGB) den Rat zur Führung eines Wareneingangsbuches erteilt hätte. Dies war im SteuerberaterfalZ anzunehmen und so hatte der Steuerberater seinem Klienten auch die verursachten Steuerzuschläge und den Verlust von Steuerbegünstigungen unter dem Titel der Nichterfüllung, i. S. v. Sorgfaltsverletzung, zu ersetzen. Mit § 1298 ABGB hat dies nichts zu tun. C. Ärzte
Ärzte schulden keinen Heilungserfolg und auch nicht die Erhaltung eines bestimmten Gesundheitszustandes oder (als Erfolg) die Verhinderung des Fortschreitens einer Krankheit. Wozu sich der Arzt gewöhnlich verpflichtet, und mehr an Verpflichtung erwartet von ihm auch kein vernünftiger Patient, ist der Einsatz der ärztlichen Kunst, die Anwendung jener Sorgfalt, die man von einem praktischen Arzt oder einem Facharzt erwarten kann. Die Leistungspflicht des Arztes ist eine Verbindlichkeit zu sorgfältiger, den Heilungserfolg oder die Leidensminderung anstrebender Behandlung. Der erhoffte Erfolg steht außerhalb des Schuldinhaltes. § 1298 ABGB ist daher nicht anzuwenden, wenn der Patient in Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit geschädigt wird, sich nach einer Operation sein Gesundheitszustand verschlechtert. Der Patient hat die Nichterfüllung nachzuweisen, indem er dartut, daß der Arzt gemessen am objektiven Sorgfaltsmaßstab einen Kunstfehler beging, also die gebotene Sorgfalt (§ 1299 ABGB) nicht beobachtete. Bezüglich mangelnder Fachkenntnisse ist dem Arzt eine Entlastung nicht möglich, andere subjektive Umstände finden im selben Ausmaß wie auch sonst Berücksichtigung (§ 1297 ABGB). Kann dem 10
EvBl. 1957/171.
C. Ärzte
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Arzt nachgewiesen werden, daß er bei der Operation des Organes A das Organ B verletzt hat und derartiges einem Chirurgen mit den vom Gesetz geforderten Fähigkeiten (§ 1299 ABGB) nicht passieren darf, so kann sich der Arzt z. B. damit entlasten (§ 1299 i. V. m. § 1297 ABGB)8 , daß er während der Operation einen unvorhersehbaren Schwächeanfall erlitt, er die Operation ohne sicheren Schaden für den Patienten nicht unterbrechen konnte, weil im Augenblick keine Vertretung zur Verfügung stand, er die Operation daher fortsetzen mußte, sie aber nicht mehr mit der gewöhnlichen Präzision durchführen konnte. Daß ein Chirurg im Körper des Patienten keine Gegenstände zurücklassen soll, gehört sicherlich zur gebotenen Sorgfalt. Ein derartiges Versehen verstößt nicht nur gegen die ärztliche Kunst, sondern auch gegen die gewöhnliche Sorgfalt. Wenn man bei einer neuerlichen Operation einer Patientin in der Bauchhöhle eine von der ersten Operation zurückgebliebene Kompresse findet (Operationsfall) 11 , so ist damit die Sorgfaltsverletzung bewiesen. Eine Entlastung für nicht zu vertretende subjektive Umstände ist hier schwer denkbar. Ein besonderes Problem im Zusammenhang mit der Arzthaftung ist die Schädigung des Patienten bei einer Behandlung durch Radionuklide. Während außerhalb der Arzthaftung der Inhaber von Radionukliden haftet, wenn er nicht beweist, daß er jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt aufgewendet hat, trifft einen mit Radionukliden behandelten Patienten die Beweislast, daß der Arzt nicht jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt aufgebracht hat (§ 28 öAtomHG). In jenem Fall haben wir es mit einer Gefährdungshaftung zu tun, die im Prinzip davon ausgeht, daß der Inhaber von Radionukliden für die durch seine gefährliche Sache verursachten Schäden bei sehr eingeschränkter Entlastungsmöglichkeit haften soll. Bei der Arzthaftung hingegen ist die Verletzung jeder nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt zur Vermeidung von Schäden durch Radionuklide Grundlage der Haftung. Der behandelte Patient kommt damit nicht in den Genuß der Gefährdungshaftung. Der Patient hat wie auch sonst die Sorgfaltsverletzung des Arztes zu beweisen. Mit den Gesetzesworten "jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt", dürfte aber wohl ein erheblich höherer Sorgfaltsmaßstab als mit § 1299 ABGB gesetzt sein. Erschöpft sich der qualitative Inhalt der ärztlichen Verbindlichkeit zur Leistung auch grundsätzlich in kunstgerechter, d. h. sorgfältiger, Behandlung, so gilt dies doch nicht für die Leistungszeit. Verspricht der Arzt, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb einer bestimmten Frist beim Patienten zu erscheinen, so ist das nicht rechtzeiu EvBl. 1938/446. 20 Reisehauer
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§ 20. Freie Dienstverträge
tige Erscheinen, der Nichteintritt dieses zugesagten Erfolges, Nichterfüllung, und zwar genauso Nichterfüllung wie wenn eine geschuldete Ware nicht rechtzeitig eintrifft. Erscheint der Arzt nicht rechtzeitig und kann der Patient z. B. beweisen, daß bei rechtzeitiger kunstgerechter Behandlung der irreparable Schaden vermieden oder die Heilung schneller erfolgt wäre, so hat der Arzt zu haften, wenn er sich nicht rücksichtlich seiner Verspätung entlasten kann. Neben der Erfolgsverbindlichkeit zu zeitgerechter Leistung treffen den Arzt in gewissen Fällen auch Verbindlichkeiten zur Herbeiführung von qualitativen Erfolgen. Es handelt sich dabei allerdings um Verbindlichkeiten, in denen die geschuldete Leistung Gegenstand eines Werkvertrages oder eines zumindest werkvertragsähnlichen Rechtsgeschäfts ist. Der Zahnarzt, der eine Brücke anfertigt, hat dies in entsprechender Sachqualität zu tun. Muß die Brücke wegen eines Mangels entfernt werden, der z. B. eine Zahnfleischentzündung hervorrief, so hat der Zahnarzt die Kosten der Entfernung zu tragen und Schmerzengeld zu ersetzen, wenn er nicht beweist (§ 1298 ABGB), daß er die in § 1299 ABGB umschriebene Sorgfalt eingehalten hat12 •
12 Vgl. den Dentistenfall (JBl. 1948, 346). Der OGH nahm ohne sich mit § 1298 ABGB auseinanderzusetzen, jedoch an, der Geschädigte habe den Beweis nach§ 1299 ABGB anzutreten.
Anhang Beweislast - materielles oder formelles Recht? Nach der h. M. zählen die Beweislastregeln zu den Vorschriften des materiellen Rechts1 • Eine Mindermeinung rechnet sie dem Prozeßrecht zu2• Die Zuordnung ist für das Rechtsmittelverfahren (unrichtige rechtliche Beurteilung oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens) und das internationale Privatrecht von Bedeutung. Gerichte haben nur fremdes materielles Recht, nicht aber fremdes Prozeßrecht anzuwenden. Die Streitfrage kann hier nicht allgemein entschieden werden. Soweit eine Beweislastverteilung aber auf einer materiell-rechtlichen Wertung beruht, kann es sich nur um eine Frage des materiellen Rechts handeln. Die materiell-rechtliche Grundlage der Norm käme ansonsten nicht zu tragen, wenn die Iex fori nicht dieselbe Beweislastverteilung kennt. Die Beweislastverteilung nach § 1298 ABGB beruht auf der materiell-rechtlichen Grundlage, daß der, der einen Erfolg schuldet, für ihn auch prinzipiell einstehen soll. Für den, der bloß Sorgfalt schuldet, gilt daher diese Beweislastverteilung nicht. Konzipiert ein ausländisches Recht einen Vertragstyp, der nach österreichischem Recht den Erfolgsverbindlichkeiten zuzurechnen ist, als Sorgfaltsverbindlichkeit3, so darf bei einer Entscheidung eines Österreichischen Gerichts diese Wertung der ausländischen Rechtsordnung nicht durch eine andere Beweislastverteilung zunichte gemacht werden. Materiell-rechtliche Wertungen stehen z. B. auch hinter dem Ausmaß der Möglichkeit einer Entlastung bei den Normen über die Gefährdungshaftung. § 9 EKHG gibt bei Eisenbahnunfällen mehr Entlastungsmöglichkeit als § 1 dRHG. Die Gefährdungshaftung ist daher im deutschen Recht strenger. Geschieht das Unglück in Österreich, so darf die Haftung des Unternehmens nicht deshalb verschärft werden, weil die Sache vor einem deutschen Gericht zum Spruche kommt. Umgekehrt darf die Haftung bei einem Unfall in der BRD nicht dadurch gemildert werden, daß die Sache ein österreichisches Gericht entscheidet. 1 Rosenberg, Beweislast 77 ff.; Fasching, Kommentar III 233; Koziol, Haftpflichtrecht I 261; OGH 16. 10. 1958, 2 Ob 163, EvBl. 1959/38 = JBl. 1959, 135. z Lent I Jauernig, Zivilprozeßrecht15 155 f.; Holzhammer, Erkenntnisverfahren 199. 3 Vgl. z. B. für das anglo-amerikanische Recht, Stock: Beweislastverteilung.
20*
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Anhang: Beweislast-materielles oder formelles Recht?
Mit diesen Ausführungen ist nicht bewiesen, daß alle Beweislastregeln dem materiellen Recht zugewiesen sind. Eine genauere Untersuchung der einzelnen Beweislastregeln würde vielleicht zu einer Teilung in prozessuale und materiell-rechtliche führen. Darüber kann hier nichts ausgesagt werden.
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Gesch.zahl
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Seite
4. 12. 1866 16. 5. 1867 24. 11. 1869 28. 6. 1876 19. 7. 1888 11. 6. 1890 10. 4. 1900 19. 2. 1901 1. 10. 1902 8. 1. 1903 16. 12. 1903
10749 3637 8221 2981 8178 6163 5155 1438 8214 15991 7085
Gastwirte Badbesitzer Badbesitzer Gastwirte Tierhalter Wasserhahn Gastwirte Explosion Tierhalter Tierhalter Dampfmaschine
GIU 2.672 GIU 2.800 GIU 3.580 GIU 6.196 GlU 12.274 GIU 13.319 GIUNF 962 GIUNF 1.291 GIUNF 2.040 GIUNF 2.204 GIUNF 2.520
9. 3. 1904 19. 3.1907 28. 1. 1908 15. 12. 1909 26. 10. 1909 12. 4. 1911
3267 3110 Rv I 10/8 Rv II 942/9 Rv II 933/9 Rv III 88/11
Tierhalter Treppe Ansteckung Tierhalter Tierhalter Gehsteig
GIUNF 2.634 GIUNF 3.726 GIUNF 4.104 GIUNF 4.835 GIUNF 4.760 GIUNF 6.193 = JBI. 1913, 57
4. 6.1912 3. 12. 1912
Rv I 452/12 Rv I 1072/12
Omnibus Deckeneinsturz
GIUNF 5.953 GlUNF 6.157
8. 3. 1923 2. 5. 1923 17. 12. 1929
Präs 830/22 Ob II 279/23 3 Ob 663/29
Kronen Aufsicht
6. 5. 1930 2. 5. 1931
2 Ob 393 2 Ob 323/31
Taxi
189 FN 32 189 FN 32 189 FN 32 189 FN 32 100 FN 24/26 268 189 FN 32 22,51,278 100 FN 24 100 FN 24 44FN 133, 45 FN 145, 247 f. 100FN 24 22,52,278 20, 44 FN 133, 246 100 FN 24 100FN 24 24, FN46, 183 FN 15, 188 FN 29 22,278 FN 18 23, 50 FN 163, 263, 266, FN 19 141 FN 42 20, 27,45, 246 25FN47, 107 FN 52/54 22,33,52, 278
1. 12. 1931 23. 12. 1931
1 Ob 656/31 1 Ob 914/31
Beleuchtung Turbine
8. 3. 1932 27. 10. 1936
3 Ob 15/32 Präs 925/35
sz 5/53 sz 5/107
JBl. 1930, 343
ZBl. 1932/299 nicht veröffentlicht sz 23/254 Rsp. 1932/34
sz 14/71 sz 18/150
44 FN 131 298 FN 34 20, 26 FN 5, 33 f., 41, 41 FN 107, 44 FN 130, 45, 227, 227 FN 23/24 298FN 33 175 FN 204
Entscheidungsverzeichnis
317
Datum
Gesch.zahl
Fall
Fundstelle
Seite
18. 12. 1936
1 Ob 1140/36
Spinnereiwaren
Rsp. 1937/27
13. 9. 1938 15. 6. 1939 31. 3. 1948 19. 11. 1952
1 Ob 539 VIII 641 1 Ob 102/48 2 Ob 481/52
Operation Wasserflecken Dentist
20. 1. 1953
4 Ob 162/52
Manko
EvBl. 1938/446 EvBl. 1939/532 JBl. 1948, 346 sz 25/306 = JBI. 1953, 210 Arb. 5.720 = SozM I A le, 27
20, 27 FN 13, 34, 35 FN 60, 39, 226, 226FN 20/21 23, 50 FN 164, 305 21, 34 21, 259, 306 FN 12 278 FN21
28. 1. 1953 25. 11. 1953
3 Ob 41/53 2 Ob 870/53
21. 10. 1954
2 Ob 578
Weizenkleie
30. 3. 1955
2 Ob 170/55
Anhänger
13. 4. 1955
1 Ob 190/55
Kalender
18. 5. 1955 15. 5. 1956
2 Ob 260/55 3 Ob 242/56
Manko
11. 7. 1956 26. 9.1956 21. 11. 1956
2 Ob 160 7 Ob356 7 Ob479
30. 1. 1957 11. 9. 1957
70b6 7 Ob 398/57
23. 10. 1957 16. 10. 1958
7 Ob440 2 Ob 163
17. 2. 1960
1 Ob 383/59
Alleinfutter
EvBl. 1957/171 JBI. 1958, 72 = EvBl. 1957/400 EvBl. 1958/19 EvBl. 1959/38 = JBI. 1959, 135 HS 247/68
26. 2. 1960 30. 3. 1960 22. 6. 1960
2 Ob36/60 5 Ob70/60 6 Ob 228/60
Staub Ersatzteil
ZVR 1960/195 JBl. 1961, 87 JBl. 1961, 228
29. 11. 1960
3 Ob 289/60
Schottergrube
14. 12. 1960
6 Ob 217/60
Kompressor
24. 3.1961
2 Ob 102/61
Finger
HS 1.832 JBI. 1954, 226
Gebäudehalter Karboplandichtung Steuerberater Geometer
EvBl. 1955/22 = HS 1.846 sz 28/87 = JBI. 1955, 624 HS 1.847173
sz 28/135
Arb. 6.444 = sz 29/41 EvBl. 1957/19 EvBI. 1957/259 sz 29176 = EvBI. 1957/63
VersRSch. 1961, 150 sz 33/139 = HS 282/102 sz 34/50
24 FN 42, 289 FN 13, 290 FN 17, 295 FN 27b 22 FN 23, 27 FN 12 196 FN2, 175 FN 204 21, 27 FN 12, 35, 35 FN60, 39 22, 52, 278 22,26 FN 8, 33 FN 49, 35 FN 60, 39 175 FN 204 24 FN 42, 289 FN 13 185 FN 22 21 FN 14, 26 FN 8 21, 26 FN 8, 27, 33 FN 48,49 FN 161, 248 23, 33 FN 49, 304 33 FN 49,259 175 FN204 307 FN 1 21, 49 FN 161, 226 f., 227 FN 23 25 FN 48, 186 FN 23 264, 264 FN 13b 21, 26 FN 8, 27, 33 FN 48, 247 f ., 248 FN 79 185 FN 22 22, 259 ff. 22, 52, 278
1 Es handelt sich um eine E des während des ,.Anschlusses" für Österreich zuständigen Senats des RG.
318
Entscheidungsverzeichnis
Datum
Gesch.zahl
Fall
Fundstelle
Seite
12. 4. 1961 6. 10. 1961
6 Ob 125 2 Ob 209/61
Mistgrube Aufsicht
185 FN 22 25 FN 47, 107 FN 52/53, 183 FN 16
16. 1. 1962
4 Ob 129/61
Manko
12. 12. 1962
6 Ob 299/62
Substitut
14. 6. 1963
5 Ob 83/63
Propeller
22. 4. 1964
7 Ob 115/64
Heizöl
EvBl. 1961/526 JBl. 1962, 263 = EvBl. 1962/5 = sz 34/137 = EFSlg. 1932 Arb. 7.500 = ZVR 1962/217 sz 35/130 = EvBl. 1963/164 sz 36/84 = MietSlg. 15.077/20 HS 4.322/42
10. 11. 1964
4 Ob 108/64
24. 6. 1965 21. 9. 1965 2. 12. 1965
1 Ob 25/65 4 Ob 101/65 2 Ob 371/65
Umbau Solotänzer Aufsicht
sz 37/159 = Arb. 8.006 = ZVR 1965/195 MietSlg. 17.144 Arb. 8.138 EFSlg. 4.695
25. 4. 1967 25. 10. 1967
8 Ob 99/67 2 Ob 282/67
Stiegenumbau Gebäudehalter
20. 2. 1968 9. 4. 1968 18. 10. 1968
8 Ob 39/68 8 Ob 82/68 2 Ob 265/68
Rohrbruch Gebäudehalter Schlepplift
28. 1. 1969 10. 12. 1969
4 Ob 1/69 5 Ob 309/69
Manko Gebäudehalter
5. 3. 1970
2 Ob 25/70
Rechtsfahrgebot
31. 3. 1970 28. 4. 1970
1 Ob 50/70 4 Ob 27/70
Ast Manko
18. 5. 1971 30. 6. 1971
4 Ob24171 5 Ob 88171
Manko
9. 12. 1971
2 Ob 197, 180/71 50b 269-274/71 2 Ob 254171 7 Ob 16/73
Gehsteig
1. 2. 1972 12. 5. 1972 28. 2. 1973
EvBl. 1968/4 ZVR 1968/208 = sz 40/136 = RZ 1968,53 MietSlg. 20.204 sz 41/42 sz 41/137 = JBl. 1970, 36 Arb. 8.590 EvBl. 1970/224 ZVR 1970/232 = EvBl. 1970/310 = RZ 1970, 168 EvBl. 1970/294 Arb. 8.762 = Ind. 1971, 3/4, 4 Arb. 8.871 RZ 1972, 14 JBl. 1972, 324 Arb. 8.954 = öRdA 1972, 249 JBl. 1973, 85 JBl. 1973, 616
24 FN 42, 289 FN 13, 295 FN 27b 24, 302 f., 303 FN 7 23, 50 FN 163, 263 21,33 FN 48, 33 FN 49,226 202 FN 24, 203 FN 27, 294FN 27 23, 50 FN 163, 264 297 25 FN 47, 107 FN 52/54, 108 FN 56 264f. 185 FN 22, 186 FN 23 23, 50 FN 163, 263 185FN22 23,52,281 24FN42 185FN 22, 186 FN 23 25FN49, 186FN24, 202 FN 24 202 FN 22 24 FN 42, 205 FN 32 24FN42 209 FN 3, 239 vor und in FN 61 24FN46 205 FN 32/35 141 FN 42 48FN 156, 160 FN 139, 213 FN 19, 226 FN21
Entscheidungsverzeichnis
319
Datum
Gesch.zahl
Fall
Fundstelle
Seite
28. 3. 1973 10. 4. 1973
7 Ob 41173 3 Ob 48/73
Dachlawine
EvBl. 1973/176 JBl. 1974, 264 ff.
22. 11. 1973
6 Ob 224/73
Kokosläufer
22. 11. 1973
6 Ob 187/73
Hochalpenstraße
EvBl. 1974/138 JBl. 1975, 205 JBl. 1974, 263
184FN 20/21 160 FN 139, 213 FN 18 298FN 34
12. 12. 1973 12. 12. 1973 18. 12. 1973 6. 6. 1974
7 Ob 215173 7 Ob 215/73 3 Ob 167/73 7 Ob 72174
Sandstrahl
JBl. 1974, 624 JBl. 1973, 624 EvBl. 1974/109 JBl. 1974, 573
=
231 FN 30, 282 FN 32 207 FN 45, 303 FN 8 72FN28 175 FN 204 174 FN202a
Landes- und Kreisgerichte
LG Feldkirch 20. 9. 1957
Cga 1/57
Manko
24. 9. 1969
8 Cg 16/69
Manko
5. 11. 1969
8 Cg 23/69
Manko
LG Linz
Arb. 6.705
24 FN 43, 290 FN 15
Arb. 8.713 = ZAS 1971, 1 Arb. 8.828
24 FN 43, 290 FN 18 24 FN 43
Arb. 9.095
24FN43
KG Wels 8. 2. 1973
17 Cg 13/72
Manko
LGZ Wien 13. 4.1961 16. 9. 1963
44 Cg 43/61 44 Cg 204/63
Manko Manko
Arb. 7.344 Arb. 7.808
24 FN 43, 290 FN 16 24FN43
ArbG Linz
16. 10.1956 31. 1. 1962 29. 3.1967
2 Cr 40/56 1 Cr 7/62 1 Cr 351/65
Motorschaden Manko Manko
Arb. 6.517 Arb. 7.530 Arb. 8.387
24,294 24FN43 24 FN43
B. Deutsdie Gerbitte RG 13. 2. 1908 9. 7. 1907 18. 6. 1935
VI 172/07 Rep li 115/07 VII 398/34
Selterswasser Mais Wasserwellen
SeuffArch 63/201 RGZ 66,289 RGZ 148, 148
70 70 76
LM § 536BGB Nr.4 = NJW 1957, 286
265 FN 16
BGH
6. 2. 1957
VIII ZR 41/56
Entscheidungsverzeichnis
320 Datum
Gesch.zahl
Fall
7. 1. 1958 8. 5. 1958
VIII ZR 428/56 li ZR 304/56
17. 2. 1959
VIII ZR 47/58
9. 7.1959 29. 10. 1959 26. 9. 1961 16. 1. 1962 16. 10. 1963
VII ZR 149/58 VII ZR 176/58 VI ZR92/61 VI ZR 133/61 VIII ZR 28/62
27. 2. 1964 7. 7. 1964
VII ZR 207/62 VI ZR5/64
8. 6. 1955
2 AZR 200/54
Fundstelle
Seite
VersR 1958, 216 BGHZ 27, 236 = NJW 1958, 1629 LM § 377 HGBNr.6 VersR 1959, 948 VersR 1960, 344 NJW 1962,31 VersR 1962, 325 NJW 1964, 33 = VersR 1964, 72 VersR 1964, 632 FamRZ 1964, 505
227 FN 25 93 FN 122, 283 FN 33 227 FN 25 93 FN 122 93 FN 122 93 FN 122 93 FN 122 93 FN 122 93 FN 122 90 FN 106
BAG
10. 11. 1961
GS 1/60
30. 8. 1966
1 AZR456/65
18. 12. 1970
1 AZR 177/70
28. 7. 1972
3 AZR468/71
7. 2. 1963
6 u 142/61
AP § 618 BGB Nr.1 AP § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers Nr. 2 AP § 282 BGB Nr.5 AP § 611 BGB, Haftung des Arbeitnehmers Nr. 63 AP § 282 BGB Nr. 7
94 FN 124 94 FN 124
94 FN 123 94 FN 122
94 FN 123/125
OLG Düsseldorf MDR 1964, 323
227 FN 25
C. Sdtweizerisches Bundesgericht 17. 11. 1953 26. 4. 1956
BGE 79 li 376 BGE 82 II 136
142 FN 44 142 FN 44
D. Brünner OG 23. 27. 17. 24. 15.
4. 1924 1. 1925 8.1926 3. 1927 6. 1929
Rv1 1668/28-2
SlgOG IV, 3.759 SlgOG VII, 4.610 SlgOG VIII, 6.207 SlgOG IX, 6.930 BrJZ 1929, 143
44FN 132 44 FN 132 44 FN 132 44 FN 132 40 FN 103