Der Brief an die Colosser: Kritisch untersucht und in seinem Verhältnisse zum paulinischen Lehrbegriff exegetisch und biblisch-theologisch erörtert 9783111593982, 9783111219110


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German Pages 553 [560] Year 1882

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Inhalt
I. Einleitung
II. Die exegetische und biblisch-theologische Erörterung des Briefes
Kapitel I.
Kapitel II.
Kapitel III.
Kapitel IV.
Berichtigungen
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Der Brief an die Colosser: Kritisch untersucht und in seinem Verhältnisse zum paulinischen Lehrbegriff exegetisch und biblisch-theologisch erörtert
 9783111593982, 9783111219110

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Der

Bries

cd

die Colosser.

Kritisch untersucht und

in seinem Verhältnisse zum paulinischen Lehrbegriff exegetisch und biblisch-theologisch erörtert.

Don

Albert KlSpper.

Berlin. Drutf und Verlag von G. Reimer. 1882.

Inhalt I. Einleitung. S. 1—134. § 1. Das Objekt und die Methode der Behandlung. S. 1 — 7. § 2. Zweifel an der Echtheit des ColosserbriefeS. S. 7—17. § 3. Gegeninstanzen. S. 17—25. §4. Vermittlungsversuche. S. 25-42. § 5. Die Entstehung der colossischen Gemeinde. S. 42—48. § 6. Ort und Zeit der Abfassung deS ColosserbriefeS. S. 48—54. § 7. Die allgemeine Veranlassung der Entstehung deS Briefes. S. 54-58 § 8. Die im Colofferbrief bekämpfte Irrlehre. S. 58—119. § 9. Der Gedankengang des ColosserbriefeS. S. 119—134. II. Die exegetische und biblisch-theologische Erörterung deS Briefes. S. 135—553.

§ 1.

Das Objekt nab die Methode der Untersuchung. ^er Name des Apostel Paulus hat lange Zeit dazu gedient, eine Anzahl von ziemlich heterogenen Schriften zu einer literari­ schen Einheit zusammenzufassen. Nachdem der von jeher innerhalb größerer kirchlicher Kreise als unmittelbares schriftstellerisches Pro­ dukt jenes Apostels bezweifelte resp. beanstandete Hebräerbrief in neuerer Zeit so gut wie allgemein einer anderen Sphäre dogma­ tischer Conception und stilistischer Darsiellungsweise, als es die paulinische ist. zugewiesen wurde; die sogenannten Pastoralbriefe bereits ein nicht ganz unerhebliches Kontingent von Zweiflern an ihrer gnesiopaulinischen Abkunft, die nebenbei noch verschiedenen theologischen Richtungen angehören, erweckt haben; der Brief an die Epheser wenigstens nicht zuerst und nicht bloß von Kritikern einer bestimmten neueren Schule dem Paulus abgesprochen wurde: findet um den Rest der Schriften, der nach Abzug der großen als Homologumena anerkannten vier Harrptbriefe noch übrig bleibt, ein literarischer Kampf Statt, an dem ein verhältnißmäßig nur kleiner Theil von kritischen Theologen den Angriff gegen deren Echtheit sormirt, der ungleich größere, soweit er sich überhaupt am Streite betheiligt, die Rolle von Vertheidigern übernommen hat, oder wenigstens für ein non Iiquet zu sprechen geneigt gewesen ist. Indem der Verfasser nach seinem bescheidenen Theile in jenen Streitfragen ein Wort der Verständigung mit einzulegen sich ent­ schlossen hat, wählt er als ersten Gegenstand kritischer Untersuchung Klöpper, (SemmenUv de- (Solofferbiicfä.

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und exegetischer Erläuterung den Brief an die Colosser.

Wenn

der Verfasser mit dieser erst gegen das Ende des dritten Decenniums unseres Jahrhunderts') dem Paulus aberkannten Schrift die Reihe literarischer Besprechung kleinerer,

demselben Apostel

bisher zugewiesener Briefe eröffnet, so bedarf dieser Punkt wenig­ stens einer kurzen vorläufigen Erörterung. Von jeher sind die Briefe an die Epheser und Colosser als eng zusammengehörige und verwandte schriftstellerische Erzeugnisse angesehen worden. Dies war so lange selbstverständlich, als man nicht bloß die Dieselbigkeit ihres Verfassers,

sondern auch die

Gleichzeitigkeit ihrer Abfassung, die territoriale Nachbarschaft ihrer Addreffaten, sowie eine Analogie der Bedürfnisse der letzteren statuiren zu dürfen überzeugt war.

Aber auch in neuerer Zeit,

als man die Identität der Autorschaft zu bezweifeln oder zu ver­ neinen sich veranlaßt sah, und damit auch die Zeit ihrer Ent­ stehung,

wie auch die bei der Abfassung leitende Tendenz

ver­

schieden bestimmt wurde: ist nichts bvfto weniger daran festgehalten worden, irgend welches Verhältniß näherer gegenseitiger Verwandt­ schaft oder Abhängigkeit zwischen jenen beiden Briefen zu behaupten. Kann, wie schon der oberflächliche Augenschein zeigt'), ein wie auch immer näher zu bestimmendes synoptisches Sich zu einander Verhal­ ten der in Rede stehenden Schriften nicht geleugnet werden: so erhebt sich die Frage nach der specieller zu formulirenden Modalität des­ selben, deren Beantwortung unter der Voraussetzung eines verschie­ denen Verfassers beider Briefe nicht geringere Schwierigkeiten berei­ tet, als wenn man unbefangen die Identität ihres Autors voraussetzt. Um dieses Räthsel einer Auflösung näher zu bringen, kann man zunächst rein formell methodologisch die Sache betrachtend einen verschiedenen Ausgangspunkt für die Untersuchung nehmen.

Hier­

bei ist nun nicht in Abrede zu stellen, daß es für den Fortgang und das Resultat der ein Wechselverhältniß zweier Größen be­ treffenden Untersuchung keineswegs gleichgültig ist, von welcher ') Bon Mayerhoff, der Brief an die Colosser. Berlin 1838. 8) Man braucht nur die Dergleichungstafel in de Wette's Einleitung in d. N. T. 6. AuSg. S. 313 ff. anzusehen.

Seite her die Betrachtung anhebt'). Denn das ist ja nicht zu läugnen, daß das Urtheil, welches man über den einen Brief, den man etwa zunächst der Untersuchung unterwirft, gewonnen hat, irgendwie dem in weiterer Folge über den zweiten zu ge­ winnenden Urtheil präjudicirt. Der zuletzt in Betracht genommene Brief scheint somit von vorneherein in den Schatten gestellt zu werden, den das über den ersteren ermittelte Resultat aus'ihn herabwirst. Und dennoch scheint es, wenn nicht von Ansang an die Untersuchung durch wechselseitiges Aneinanderhalten der ein­ zelnen Bestandttheile beider Briefe bei dem Leser den Ein­ druck eines unerquicklichen Wühlens im Stoff, eines schwer über­ sehbaren und nur sehr approximative Endergebnifle liefernden Ab­ spinnens von Detailmaterial machen soll, durchaus gerathen, jeden der beiden Zwillingsbrüder gesondert einer genaueren kritisch-exe­ getischen Forschung zu unterwerfen, bevor man sich ein abschließen­ des Urtheil über ihr gegenseitiges Verhältniß gestatten dürfe. Wird man nun vor die Entscheidung gestellt, entweder mit dem Epheser- oder mit dem Colofferbriese den Beginn der Untersuchung zu machen: so könnte immerhin schon Einiges dafür zu sprechen scheinen, der letzteren Alternative den Vorzug zu gestatten. Die Möglichkeit wenigstens, daß der Colofferbrief ganz oder zum Theil von dem Apostel Paulus abgefaßt sein könnte, scheint von vorneherein in einem nicht ganz unerheblichen Grade für ihn gün­ stiger als für den Epheserbrief vorhanden zu sein. Ist es nicht viel, so ist es immerhin doch Einiges, was der Colofferbrief rück­ sichtlich einer direkt apostolischen Herkunft vor dem Epheserbrief voraus zu haben den Anschein macht. Die Aechtheit des ersteren ist später einem Zweifel unterworfen worden, als die des letz­ teren. In Betreff des Leserkreises des Briefes an die Coloffer treten uns nicht von vorneherein solche Schwierigkeiten entgegen, wie bei dem an die Epheser. Selbst die Bestreiter der Echtheit des ersteren sind meist nicht gewillt, ihm eine gewiffe originale Individualität im Verhältniß zu dem nach Art der katholischen ') Dgl. Mayerhoff S 4.

Briefe ein unbestimmteres Publikum in's Auge fastenden und sich in allgemeineren, den konkreten Zweck in jedem Falle nicht so deutlich hervortreten lastenden Ideen ergehenden Epheferbrief ab­ zuerkennen.

Endlich erwächst dem Colofferbriefe auch das Präju­

diz relativerer Originalität Seitens derjenigen theologischen Kri­ tiker, die sich bemüht haben, wenigstens einen echten apostolischpaukinischen Kern in demselben aufzuzeigen und aus ihm heraus­ zuschälen.

Da dies letztere nur dadurch zu ermöglichen war, daß

sich bei der Untersuchung dieses Briefes wenigstens die allgemei­ nen Entstehungsverhältniste

nicht als ungünstig herausstellten,

während auf der anderen Seite, wo diejenigen des Epheserbriefes in Betracht kamen, eine Reihe von Schwierigkeiten von Beginn an hemmend in den Weg trat: so scheint immerhin nicht Weniges dafür zu sprechen, zunächst dort das Senkblei der Untersuchung hemiederzulasten, wo noch am ehesten die Hoffnung winkt,

auf

einen einigermaßen sicheren Grund und Boden zu stoßen. Freilich zu nichts Weiterem dürfen die eben geltend gemachten Instanzen die Berechtigung geben, als mit dem Briefe an die Coloffer den Beginn der Untersuchung beider irgend wie ver­ wandter Briefe zu machen.

Soll die Unpartheilichkeit der kriti­

schen Methode gewahrt bleiben, so muß dieselbe Behandlung, die zunächst dem in ersterer Linie besprochenen Briefe zu Theil wird, auch dem später in Betracht zu ziehenden Epheserbriefe zu Gute kommen.

Auch er wird vollen Anspmch darauf haben, zunächst

als eine für sich bestehende Größe aus seine apostolische Herkunft, seinen Leserkreis, Zweck und Gedankengehalt geprüft zu werden. Erst dann, wenn er nicht von vorneherein mit dem Maaßstabe gemessen wird, der sich als Resultat der Untersuchung über den Colofferbrief ergeben wird,

sondern zunächst in seiner ganzen

und vollen Eigenartigkeit und Selbständigkeit vor unsere Augen gerückt ist: werden wir im Stande sein, beide Briefe, die uns so keineswegs bloß nach ihren Einzelheiten, sondern nach ihrem individuellen Gesammttypus zu möglichst klarer Anschauung ge­ bracht worden sind, mit einander zu vergleichen, und ein gesicher­ tes Endurtheil über ihr gegenseitiges Verhältniß zu bilden.

Auch

Objekt und Methode.

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die Länge des zu durchmeffenden Weges darf uns keineswegs von der angedeuteten kritischen Methode zurückschrecken.

Da es uns

nicht darauf ankommen samt, durch ein advokatenmäßiges Ver­ fahren das Urtheil der Leser künstlich zu bestechen, durch geschickte Farbenmischung, durch ungleiche Vertheilung von Licht und Schat­ ten von vorneherein deren Blick zu trüben, sondern als unpartheiische Geschichtsforscher die in Frage kommenden Dokumente nach allen Seiten und Momenten in möglichster Objektivität zur Anschauung zu bringen, und dem der Untersuchung Folgenden ein eigenes Urtheil zu vermitteln: so möchte die Länge des zu durchmesfenden Weges nicht mit dem angestrebten Zwecke außer Ver­ hältniß stehen.

Nur wer, sei es als positiver Apologet von Fach

oder als negativ-sceptischer Kritiker von Metier, es für seine Auf­ gabe hält, das ihm vor Auge stehende Publikum von vorneherein für die Devise „Echtheit" oder „Unechtheit" zu echauffiren, möchte vielleicht eine andere Methode der Behandlung der in Rede stehen­ den Fragen wünschen.

Für denjenigen jedoch, der weder für das

eine noch das andere Geschäft specifisch inklinirt, dem es vielmehr daraus ankommt, eine von alten oder neuen Vorurtheilen thunlichst freie Einsicht in die Entstehungsverhältnisie, den Wortsinn, die ursprüngliche Tendenz zweier uralter christlicher Schriftstücke zu gewinnen, die uns gewisse Kreise, sei es des apostolischen, sei es des nachapostolischen Zeitalters aufzuhellen verheißen, wird es vielleicht eine nicht zu große Zumuthung sein, einen wohl etwas langwierigen und durch manche Krümmungen sich hindurchwin­ denden Pfad mit uns zu durchwandern, falls derselbe nur irgend­ wie in Aussicht stellt, zu einem Ziel zu führen, welches nicht dunklere Wirrnisse und Unklarheiten zurückläßt, als die sind, von denen ausgegangen werden mußte, sondern uns aus einen Standort stellt, von dem aus man, wenn auch nicht die Wahrheit selbst, so doch irgend welche deutlichere Umrisse der wirklichen Ver­ hältnisse sich ans dem Nebel emporhebend wird bemerken können. Ist somit im Allgemeinen die Methode unserer Untersuchung abgegrenzt, so werden wir uns zum Schluß auch noch der Conseqnenzen bewußt werden müssen, die aus jener unmittelbar sich

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Einleitung. § 1.

ergeben. Indem wir uns in dem vorliegenden Werke zunächst nur mit dem Briefe an die Colosser beschäftigen, werden wir uns aus das Strengste auf ihn und sein Verhältniß zu den unbezweifelten und den bis jetzt nur sehr vereinzelt angefochtenen Briefen des Apostel Paulus zu beschränken haben, dagegen den Epheserbries zunächst völlig außer Rechnung und Beachtung lasten. Es könnte ja immerhin sein, daß ein unbefangenes Ur­ theil über den Sinn und den Zweck des Colosserbriefes durch zu voreiliges Hinüberblicken auf parallele Abschnitte seines Doppel­ gängers bisher behindert worden sei; daß gleich oder ähnlich lau­ tenden Wörtern, Terminis und Redeweisen in beiden Briefen doch erheblicher divergirende Anschauungen zu Gmnde lägen; mit einem Worte, daß an zwei verschiedenen Orten etwas scheinbar sehr Aehnliches oder Gleiches gesagt sei, und doch jedes an seinem eigenen Platz nicht ganz das besagte, worauf an dem correspondirenden anderen Orte der strenger beachtete Zusammenhang hinleitet. Um vor desfallsigen, immerhin ja möglichen Täuschungen gesichert zu sein, wird der Epheserbries von uns zunächst völlig ignorirt, und als für uns nicht existirend angesehen werden. Läßt sich dem Colofferbrief nicht, rein für sich betrachtet, und in erster Linie durch völlig unzweifelhaft echte, in secundärer Weise durch keineswegs mit durchschlagenden Beweisen als unecht erwiesene Schriften des Apostels erläutert, ein angemessener, mit dem son­ stigen Paulinischen Ideengehalt irgend wie in wirklich organi­ scher Beziehung und Verbindung stehender Sinn abgewinnen: so muß er forthin aufhören, als ein literarisches Erzeugniß des Paulus angesehen zu werden. Schwerlich aber wird diesem Briefe dadurch ein Zuwachs seiner Echtheit zu Theil werden, wenn sein Geschick von vorneherein mit dem eines anderen eng verknüpft wird, der vor der Hand keineswegs so ohne Weiteres die Garan­ tie bietet, aus der Hand des Apostel Paulus direft hervorgegangen zu sein; bei dem diese Herkunft vielmehr erst einer bis jetzt schon ziemlich tief einschneidenden Kritik gegenüber erwiesen sein müßte. Somit darf der ja vielleicht mögliche Erweis paulinischer Herkunft für den Colofferbrief nicht davon abhängig gemacht werden von

der Beleuchtung, die von Anfang an Seitens des Epheserbriefes in ihn hineingeworfen wird.

Denn die Möglichkeit wird man ja

von vorneherein offen halten müssen, daß dem Epheserbrief nicht die Rolle eines authentischen und schlechthin verbindlichen Scholions für den Colosserbries zukomme.

Sollte es nun, was ja immerhin

im Bereich formaler Denkbarkeit liegt, sich später ergeben, daß der Epheserbrief nicht gleichzeitig mit dem Colofferbrief fei, und auch nicht denselben Verfasser mit ihm theile: so liegt auf der Hand, wie ein ja möglicher Weise in sich und mit den anderen gesicherten Schriften des Apostel Paulus gut übereinstimmender Brief, wie der an die Coloffer, unverdienter Weise deßhalb dem Verditt negativer Kritik anheim fallen könnte, weil man von vorneherein ihm Bestandtheile eingeimpft hat, die von seinem Doppelgänger stammend, ihn auch von vorneherein zu dem Geschick prädestiniren, dem jener seiner eigenen Natur nach nicht entgehen konnte.

Erwächst uns somit

aus der Erwägung verschiedenartiger Möglichkeiten die Pflicht rein­ licher Scheidung derjenigen Untersuchungen, die jene Möglichkeiten zu Wahrscheinlichkeiten oder Gewißheiten zu gestalten versprechen dürsten: so möchte es uns, falls wir im Stande wären, die eben ent­ wickelte Methode nun auch thatsächlich pünktlich und unpartheiisch überall zu handhaben, vielleicht gelingen, das vorliegende Problem, wenn auch nicht zu lösen, so es doch dadurch seiner Lösung näher zu bringen, daß unsere Nachfolger über ein kritischer gesichertes Ma­ terial verfügten, als uns und unsern Vorgängern zu Gebote stand.

§ 2.

Zweifel an der Echtheit des Colosierbrieses Jeder,

der sich in dem Gedankenkreise des Apostel Paulus

einigermaßen orientirt hat, und dem die Eigenart seiner Lehr- und Darstellungsweise nicht völlig unterschiedslos mit einem xoivov apostolisch - evangelischer Verkündigung zusammenfließt, empfindet ') S die Literatur bei Holpmann, Kritik der Epheser- und Colosserbriefe. Letpj. 1872. e. 18 ff.

bei der Lektüre des Colofserbriefes in irgend einem Maße, daß er sich hier in einem Umkreis befindet, wo ihm gewiffe Eigen­ thümlichkeiten ganz besonderer, ja einzigartiger Natur entgegen­ treten. Für denjenigen ferner, fressen Auge durch genaueres exe­ getisches und kritisches Studium für die charakterischen Merkmale der paulinischcn Theologie mehr geschärft ist, kann es gar nicht ausbleiben, daß ihm nicht Weniges und Unerhebliches in diesem Briefe zunächst als durchaus fremdartig, mit den sonstigen An­ schauungen des Apostels kaum vereinbar und ausgleichbar er­ scheinen wird. Diesen vorerst unwillkürlich fich aufdrängenden, dann mehr oder weniger klar in's Bewußtsein aufgenommenen Eindrücken ist nun auch schon seit längerer Zeit ein literarischer Ausdruck gegeben worden. Zunächst fteilich nicht in der Form, daß man das bezügliche, Anstoß gebende Material zusammenge­ stellt und auf dasselbe hin die Authentie des Briefes bezweifelt oder verneint hätte. Wohl aber in der indirekten Weise, daß die Commentatoren bei gewissen Parthien jener Schrift nicht umhin konnten, ihre Unsicherheit, Verlegenheit und Rathlosigkeit offener oder mehr andeutend einzugestehen. Unter so bewandten Verhält­ nissen, wo man mit einer Reihe von Auslassungen des Colosferbrieses nichts anderes anzufangen wußte, als sie als separat da­ stehende Unica zu registriren, wo auf das Gelingen verzichtet werden mußte, dieselben in irgend eine harmonische Beziehung zu dem Bewußtsein des Paulus, den Bedürfniffen des apostolischen Leserkreises, dem sonstigen Ideengehalt des Zeitalters des Apostels zu bringen: durfte es nicht Wunder nehmen, wenn von irgend einem Moment an, an die Stelle unfruchtbarer exegetischer Deu­ teleien, unklarer Schwankungen, verhaltener Bedenken der offene Zweifel an der bisher angenommenen Autorschaft trat, die rück­ sichtslose Hinausweisung des Brieses aus der apostolischen Zeit, in der seine Entstehung nicht begriffen werden konnte, erfolgte in eine spätere, die seinem Ursprung günstiger zu sein schien. Der strengeren Wisienschaft konnte dadurch nur ein schätzbarer Dienst erwiesen werden, daß der Periode unsicheren Umhertastens, kritik­ loser Begriffsvermengungen, verzweifelter Umdeutungen, gewaltsamer

Hannonistik dadurch ein Ende bereitet wurde, daß man das frag­ liche Problem schärfer sormulirte, die alten unzureichenden Lösungs­ versuche aufgab, und neue Wege und Methoden eröffnete, um das an das klare Licht historischer Einsicht zu stellen, was bisher im trüben Dämmerungslicht gläubiger Annahmen gelegen hatte, zu denen augenscheinlich mehrfach diejenigen selbst nicht das aus­ reichende Vertrauen besaßen, welche sie in Bereitschaft hatten. — Ist nun somit in jedem Falle ein Fortschritt in der Untersuchung unseres Briefes anzuerkennen: so ist damit allerdings noch keines­ wegs eingeräumt, daß die freiere und mit schneidigeren Waffen operirende Kritik ein Resultat erzielt hätte, das dem historischen Interesse in dem Grade Genüge leistete, daß auch nur die Mehr­ zahl unbefangener Forscher sich für unbedingt befriedigt zu erNären, geneigt gewesen wäre. Der Zweifel am Zweifel hat mit dem Zweifel an dem Ueberlieferten ziemlich gleichen Schritt ge­ halten, und das Endziel der Untersuchung in weitere Ferne ge­ rückt. Da somit noch Raum und Bedürftiiß für nähere Aufklä­ rung der Sache vorhanden zu sein scheint; der Ausgang der Untersuchung in unseren Tagen jedenfalls methodologisch am zweck­ mäßigsten vom Zweifel an der Tradition genommen wird: so stellen wir zunächst das von individuellen Besonderheiten und charatterischen Eigenthümlichkeiten des Colosserbrieses heraus, was an seiner Paulinischen Herkunft irre zu werden, Veranlasiung gegeben hat. Die notirten Bedenken werden nebenher den Dienst leisten, auch diejenigen von der Schwierigkeit der zu bewältigenden Auf­ gabe zu überzeugen, die sich bisher von derselben keine deutliche Vor­ stellung gebildet haben, so wie uns für eine folgerechte Weiterfortfüh­ rung der kritischen Untersuchung die angemessene Direttion zu geben. Was demjenigen, der von der Lektüre der unbezweifelt echten Briefe des Paulus auf den Boden des Colosserbrieses hinüber­ tritt, zunächst als auffälliges Symptom sich bemerkbar macht, ist, wie es Baur') ausdrückt, „der in die transcendenten Regionen der Geisterwelt gerichtete Blick des Verfaffers und das überall ficht>) Paulus. 1. Aufl 4-21.

bare Bestreben, Christus seiner höheren Würde nach durch Prädicate zu verherrlichen, welche ganz aus diesem übersinnlichen Ge­ biet genommen sind". Bringt man nemlich den aus der sonstigen Lehrmethode des Apostels gewonnenen Eindruck mit, daß sich der­ selbe vorzugsweise in dem Umkreise praktisch-religiöser Betrachtung, das individuelle Heilsbedürfniß der Menschen näher im Auge behaltender und in erbaulicher Rede zu befriedigen versuchender Glaubenslehre sich bewege, dagegen verhältnißmäßig nur selten, und nie, ohne durch praktische Motive hierzu unmittelbar veran­ laßt zu sein, der christlichen Gnosis ein Aufsteigen in die Ge­ heimnisse der supernaturalen Welt gestatte: so scheint in unserem Colosierbriefe die überwiegende Neigung seines Verfaffers dahin zu gravitiren, den Blick der Leser in diejenigen Regionen zu lenken, und sie dort einheimisch zu machen, wo die Urgründe alles irdischen Daseins gelegen sind. Ist in keinem paulinifchen Briefe (den Epheserbrief hier wie immer ausgeschloffen) so viel die Rede von dem die Kluft zwischen Himmel und Erde ausfüllenden Reiche höherer, nach Elasten genauer als sonst abgestufter Geister: so wird auch Christus weit überwiegend mehr als anderswo nach der Seite seines Wesens der denkenden oder speculativen Betrachtung des Lesers vorgeftchrt, mittelst bereit er eine Stellung, Beziehung zu, oder eine Einwirkung auf Wesen angelischer Ordnungen ge­ wonnen hat. Selbst solche .kritische Theologen, die dem Apostel Paulus nicht die Idee der persönlichen Präexistenz und einer in diesem vorweltlichen Zustande sich an der Schöpfung des Alls mitbetheiligenden Thätigkeit des Sohnes Gottes abzuerkennen geneigt sind, glauben doch daran Anstoß nehmen zu müssen, daß der Colofferbrief nicht bloß das Jnsdaseintreten des Universums einer mittlerischen Funttion Christi zuweist, sondern auch die Erhal­ tung der Welt von ihm mit abhängen läßt (1, 17); ja ihn zum Endzweck alles Geschaffenen macht (1, 16), eine teleologische Be­ trachtungsweise, die Paulus sonst nur auf Gott den Vater in Anwendung bringe (1. Cor. 8, 6; Röm. 11, 36), während er der Herrschaft Christi einen Endtermin setze, über den sie nicht hinaus­ reiche (1. Cor. 15, 28).

Zwriftl

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Daß Christus in dieser seiner hyperkosmisch centralen Stellung und Wirkungsweise, die ihm der Versaffer des Colofferbriefes mit Vorliebe zuweist, über die Grenzen der sonstigen Paulinischen Christologie hoch hinausgerückt werde, glauben diejenigen Dar­ steller des Lehrbegriffs des Apostels um so evidenter in's Licht stellen zu können, welche die Beobachtung constatirt zu haben glauben, daß das Bewußtsein deffelben schlechterdings von der Idee Christi als des „himmlischen Menschen", des „zweiten Adam" ausgehe, dagegen dieselbe noch nicht bis zu der Vorstellung eines dem alexandrinisch-johanneischen Logoswesen analogen, vorweltlich-kosmischen Princips erweitert habe. Ist schon in dem Dargelegten anscheinend die Grenze der sonstigen christologischen Anschauungsform des Paulus überschritten, so bringt der Versaffer des Colofferbriefes eine andere Kategorie mit der Person Christi in Beziehung, die sich nicht bloß anders­ wo in den Briefen jenes nicht vorfindet, sondern, was die Haupt­ sache ist, von der man sich auch nicht anschaulich machen kann, wie sie mit der genuinen Lehrart des Paulus von Christo in har­ monischen Einklang zu bringen sei. Es ist dies der viel besprochene und viel umstrittene Begriff des göttlichen id^pu>|ia. Würden wir nemlich in unserem Briefe die einfache Aussage antreffen, die göttliche Fülle wohne in Christo, so hätten , wir freilich eine Aussage vor uns, zu der uns eine dirette Parallelstelle in den paulinischen Briefen fehlte, an der wir aber schwerlich einen An­ stoß nehmen könnten, da in ihr'nichts dem Bewußtsein des Apostels geradezu fremdattiges liegen würde. Schon auffälliger wird uns die Sache erscheinen, wenn wir Col. 2, 9 hervorgehoben finden, daß „in Christo das ganze Pleroma der Gottheit ? wohne". Der Anstoß steigert sich, wenn wir nicht bloß von dem erhöhten Gottessöhne eine derartig das Wesen der Gottheit leib­ haft in sich bergende. Verbindung mit dem abstraften göttlichen Wesen betont finden, sondern wenn uns Col. lrf 19 zugemuthet wird, eine ziemlich gleichlautende Beziehung des Pleroma Gottes zu dem in seiner irdischen Existenzform das Werk der Versöhnung vermittelnden Christus anzuerkennen. Wie kann aber derselbe

Apostel, der anderswo, (2. Cor. 8, 9), die irdische Erscheinung Christi als Armgewordensein nach vorangegangenem Reich­ thum, noch deutlicher als Selbstentleerung seiner göttlichen Existenzform zur Knechtsgcstalt (Phil. 2, 6—7) begreift, im Colosserbriefe an die Stelle der Kenosis die gegensätzliche Einwoh­ nung des Pleroma Gottes treten lassen, ohne sich dieses Wider­ spruches anscheinend bewußt zu sein? Thut sich hier nicht etwa schon die Perspektive gnostischer Denkweise auf, für die der Be­ griff des Pleroma so große und einflußreiche Bedeutung gewann? Doch es ist nicht bloß die Lehre von der Person Christi im engeren Sinne, die im Colosserbriefe eine höchst eigenthümliche Beleuchtung empfängt, sondern auch seinen Heilsmittlerischen Funktionen wird eine Weite der Ausdehnung verliehen, die uns anderweitig aus den Schriften des Apostels nicht bekannt ist. Sind wir sonst gewohnt, den Paulus da, wo er die erlösende oder versöhnende Mittler-Thätigkeit Christi entwickelt, den Kreis derer, die ihrer theilhaftig geworden sind, nicht weiter ziehen zu sehen, als nur die intelligenten Geschöpfe des irdischen Kosmos von jenem umschlossen sind: so macht der Colofferbrief ausdrücklich auch in den himmlischen Regionen weilende Wesen als Objekte einer mit dem Opfertode Christi verknüpften Versöhnungsthat Gottes nam­ haft (1, 20). Wie aber auf der einen Seite eine durch Christi Kreuzestod vermittelte heilbefördernde Einwirkung Gottes auf angelische Mächte von anscheinend guter Natur im Colofferbriefe statuirt wird, so wird auf der anderen Seite ein von Gott durch die Person, oder das Kreuz Christi über dämonische Mächte bereits erlangter Triumph hervorgehoben, der die vollkommene Entwaffnung und Machtentziehung dieser anscheinend bösen supernaturalen Gewalten besiegelt hat (2, 15). Während nun der wahre Paulus eine der­ artige Katastrophe für kakodämonische Wesen erst für die noch in ferner Zukunft liegende Zeit in Aussicht stellt, in welcher der in zweiter Parusie auf Erden wieder erschienene Messias seine eschatologische Machtherrlichkeit in Vollzug setzt (1. Cor. 15, 24 ff.): so scheint der Verfasser unseres Briefes, der, wie wir bisher schon

Zweifel.

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bemerkt haben, Christum mit Vorliebe mit Wesen höherer Ord­ nungen in Beziehung seht, hier etwas als schon längst geschehen antecipirt zu haben, was in jenem echten Briefe des Apostels an der Grenze des künftigen Aeon als Hoffnungs-Perspektive her­ vordämmert. Wird von dem Verfaffer des Colofferbriefes der Person und den Funktionen des präexistenten und des aus Erden erschienenen Gottessohnes eine so hohe und weitreichende Stellung und Wirk­ samkeit zugeschrieben: so darf es auch nicht Wunder nehmen, wenn dem auferstandenen und zur Rechten Gottes sitzenden Christus ein majestätischer Herrscherrang vindicirt wird, der sonst von dem Apostel Paulus wenigstens nicht mit so hochgegriffenen Prädikaten markirt wird. Daß der Gottessohn des Colofferbriefes, dessen versöhnendes Opfer nicht bloß Juden und Heiden, sondern auch die guten Engelmächte sich zugeeignet, die bösen angelischen Wesen sich widerwillig untergeordnet hat, ein weites, Himmel und Erde umspannendes Königreich beherrscht, ist durchaus selbstver­ ständlich. Wir werden demnach innerhalb dieses Jdeenkreises cs als für schlechthin angemessen erachten dürfen, wenn der Ge­ meindeleib dessen „Haupt" Christus ist, nicht bloß alle irdischen Einzelgemeinden der Gläubigen umschließt, sondern auch die obere Gemeinde der himmlischen Gewalten mit umfaßt (Col. 1, 18. 24; 2, 10). Eine andere Frage aber ist es, ob Paulus, an deffen echten Schriften man die Beobachtung gemacht zu haben meint, daß dort der Begriff der £xxXr,. 21; 2. Macc. 3, 26; 10, 29; 45, 2; 3. Macc. 6,15; Henoch 15, 4ff.; Matth. 28. 3; Luc. 29; 24, 4; Ap. G. 10, 30; Apoc. 10, 1; u. ö. -) Vgl. Dan. 1, 12ff. 17; 10, 2ff. 4) Genes. 28, 12 LXX B. b. Weiöh. 10, 10. s) Judic. 13, 15—20; Tob. 12, 19. «) 78, 25; 105, 40; B. d. Weiss,. 16, 20.

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Einleitung, tz x.

Tranke zu entsagen, durch welchen die Stimmung ruhiger, kontem­ plativer Gelassenheit, heiligen Strebens gestört, und dafür unge­ ordnete Ausbrüche der Leidenschaft zu Tage gefördert wurden. Waren somit die Engel die ursprünglichen Mittler bei dem Zu­ standekommen des heiligen Gesetzes, seine Hüter und Wächter; waren sie früher heiligen Männern als Mittler der Offenbarungen und auch noch in der Gegenwart einzelnen sich ihrem Dienste in besonderer Heiligung Weihenden in der Eigenschaft authentischer Interpreten des Gesetzes erschienen; und war, aus diese Enthüllungen hin, der ihnen gewidmete Dienst näher festgestellt, die Lebensord­ nung der menschlichen Heiligen nach dem Mustcrbilde der himm­ lischen Heiligen geregelt, und im Einzelnen genau abgemessen: so wird ihnen auch noch eine anderweitige Funktion zugeschrieben sein, auf welche das Gesetz im weiteren Sinne, d. h. gewisse Stellen der h. Schrift nicht undeutlich Hinweisen. AIs die Gottes Thron umstehenden sind gewisse Engelclassen auch mit der Fürbitte für ihre Schützlinge betraut, vermitteln sie die Versöhnung derselben mit dem unsichtbaren und unnahbaren Gott'). Daß den Jrrlehrern des Colosserbricfcs zunächst eine im Geiste des späteren Judenthums gehandhabte genauere Eintheilung der Engel in ver­ schiedene Ordnungen Massen) mit bestimmten, jeder derselben zu­ kommenden Funktionen, eigenthümlich gewesen sei, ergiebt sich deut­ lich aus dem indirekten Gegensatze, in welchem gewisse Parthieen des Briefes gegen ihre Anschauungen entworfen sind “). Aber auch speciell eine den Frieden der Versöhnung irgendwie (durch Für­ sprache) vermittelnde Thätigkeit muß ihnen zuerkannt sein, da der Verfasser des Briefes sich veranlaßt gesehen hat, es mit solchem Nachdrucke zu betonen, daß gerade durch Christum, sofern er einen aus Fleisch bestehenden Leib hatte, die Versöhnung von Gott so­ wohl für die Engel selbst als für die Menschen ein für alle Mal vollzogen sei (1, 20ff.). Nicht minder deutlich ersehen wir, daß in dem System der Jrrlehrer durch die Vermittelung angclischer >) Hiob 5, 1; 33, 23; Sach. 1, 22; Tob. 12, 12—10; Henoch 15, 2; Apoc. H, 3 ff. !) Lol. 1, 16; vgl. 2, 10. 15.

Mächte eine Entfaltung der vollen Heiligkeit ihrer Anhänger ir­ gendwie behauptet wurde, weil wir nur unter dieser Voraussetzung die polemische Wendung des Verfassers zu verstehen im Stande sind, daß die Leser allein in Christo, als Haupt jedweder supernaturaler Macht, bereits zur Vollkommenheit gebracht seien (2,10). — Jene Vollendung des ethischen Zustandes durch eine nahe Beziehnng und Gemeinschaft mit angelischen Wesen können aber die Jrrlehrer nur dadurch begründet haben, daß die Fülle des göttlichen Wesens sich in jenen himmlischen Machtwesen zur Repräsentation oder Erscheinung gebracht habe. Denn wie­ derum nur unter dieser Voraussetzung wird die gegensätzliche Aus­ sage verständlich, daß die ganze Fülle der Gottheit in leibhafter Weise in Christo wohne (2, 9). Es erhellt hieraus, daß die theosophische Speculation der Jrrlehrer auch hier wieder an die An­ schauung des A. Testamentes anknüpft, in welchem die Engel nicht als eine ungeordnete Schaar höherer Mächte erscheinen, sondern durch ein zusammenhaltendes Band zur Einheit eines Geisterreichcs verbunden find, welches bald als Jehovas ganzes Heer'), bald als Gottes Thron umstehende Rathsversammlung'), bald als lobpreisende himmlische Gemeinde3) seinen Tempel d. h. das Heiligthum des Himmels erfüllt, und somit als deffen tibi? (itXijOoc, irX>jpa>|Mt) zur Top Gottes gehört'). — Wir ersehen schon aus dem Ausgeführten (das sich leicht noch vermehren ließe, wenn wir bereits alle indiretten polemischen Rücksichtnahmen unseres Briefes hier verwerthen wollten), einen wie ausgedehnten Raum die Geisterwelt, in welche sich das göttliche Wesen gleichsam explicirt, seine Fülle aufgeschlossen hatte, in dem Bewußtsein der Jrrlehrer einnahm. Daß dasselbe durch alttestamentliche Anschauungen ir­ gendwie bestimmt und influenzirt worden sei, konnten wir auch in diesem Falle unschwer constatiren. Allein auch bei diesem angelosophischen Momente mußte uns auffällig erscheinen, daß die ') 1. Kön. 21, 19; 2. Chron. 18, 18; Zes. 24, 21 u. a. vgl. Luc. 2, 18. ot... , der ja immerhin ein halbes oder ganzes Dutzend Individuen in sich schließen mag, der Versuch gemacht wird, in die dortige größtentheils heidenchristliche Gemeinde eine auf jüdisch-effenische Angelosophie bafirte ascetische Lebensweise einzuführen, wenn immerhin erst seit der Zerstörung Jerusalems die Essäer „in größeren Massen" zum Christenthum übergetreten sind, und noch weit später „in's Große gehende" Versuche gemacht wer­ den, das Christenthum effenisch auszugestalten? Entspricht es denn nicht dem Gesetze aller Entwickelnng, daß bevor etwas von „größeren Massen" in's Werk gesetzt wird, dasselbe zuvor von kleineren angestrebt wird; daß bevor „in's Große gehende" Versuche gemacht werden, man sich zuvörderst mit in's Kleine gehenden begnügt? Mit einem Wort, der von Niemandem be­ strittene über die Lebensepoche des Paulus hinausfallende massen­ hafte Uebertritt der Essener in die christliche Kirche, eine dog­ matisch reifere und kunstgemäßere Verschmelzung von Essenismus und Christenthum in dem eigentlichen Ebionitismus, schließt doch an und für sich eine vorangegangene Periode, in der vereinzelte Individuen, die eine Einwirkung essenischer Denkweise erfahren hatten, diese mit dem Christenthum in eine höchst einfache metho­ dische Beziehung setzten, und mit dieser ihrer ziemlich primitiven „Philosophie" agitatorisch in heidenchristlichen Gemeinden auf­ traten, nicht nur nicht aus, sondern läßt sie als ein ganz natur­ gemäßes Vorstadium desjenigen Standpunktes erscheinen, der in einer späteren Epoche von den Ebioniten, die uns Epiphanius und andere Kirchenschriftsteller schildern, eingenommen wurde. Wenn Holtzmann ferner die Behauptung aufstellt: eine Irr­ lehre, der zufolge sich das rc).r(pa>p) 1. Cor. 1, 30; 2. Cor. 11, 2.

Die Irrlehre.

109

mehr in der Unmittelbarkeit des Glanbens vorhandene Princip trübte, dies zur Nothwendigkeit machte. So lange also Christus für das unmittelbare religiöse Bewußtsein principiell wohl ein­ ziger Heilsmittler war, aber für sein Verhältniß als einziger Gottessohn x? xal £v ttovtI T«p xoapro, xal ean xapxoepopoupevov xal aü$av6pevov xaftro? xal £v öptv. Man sieht sofort, in Beziehung auf

den Sinn ergiebt sich folgender Unterschied. Nach der ersteren stilistisch glatter abgerundeten Lesart deutet P. daraus hin, daß Kühner, Grammat. 2. Aust. II, 1, 469: „Das Derb, der Ruhe involvirt den Begriff der damit verbundenen vorausgegangenen Bewegung, wenn die Prä­ position ei? mit den« Accusativ statt d. Präp. h mit dem Dat. steht". — Bgl. Gal. 4, 16. 20 (napttvat r.p'k). Winer, 366f. A. Buttmann 286. *) x aii*kTovc 4v9pa>7:ou;, xal prj Bi’ Xiov. 2) 1. Cor. 2, 10-12. 3) Sir. 14, 20 paxdpto; 6 dvrjp o; £v aotpfa fi.eXeTTj3£i, xai o; £v auviasi auxoü BtaXe/ö^aeToi vgl. 24, 23—24; 39, G. ü. ö.; Iud. 8, 29; s. Frihsche zu Weish. 3cf. Sir. S. 12. Schoettgen, de Messia p. 329 Esto autern sapiens et intelligens in scientia sua, sapiens per nC3rU intelligens per sciens

•zo'j

per pjn, de quibus Exod. XXXI, 3 (LXX xotl ivi-Xr^aa auxov -vevpt-a ÖeTov aotpiac xcd auviaecoc xal inar^pLTjc). cpjveai; bei Paul. 1. Cor 1, 19 = LXX Jes. 29, 14 (nj'3). 3- H. H- Schmidt, Synonymik der griech. Spr. I, 300: „Dagegen ist auveatc das geistige Verständniß oder allgemeiner die Vernunft und Einsicht, welche die Natur der Dinge selbst ermißt und dal,er auch ans unsere Handlungsweise von wesentlichem Einfluß ist". III, G3G: „Die Vernunft, welche unsere Handlungen regelt .. .. di) durch Vergleichung gewonnene Ein-

zu einander in der engsten und unzertrennlichsten Wechselbeziehung. Ist die rfaac (Subjekt: Tiglat Pilesar) fi€TToo ßaaiXetav.

4) Vuttmann S. 141. ») 82, 1. 6; 8, 6; - tjt 29, 1 f.; 89, 7; Hiob 38, 7; Gen. 6, 1-4 u. ö. Dgl Ewald, die Lehre d. Bib. v. Gott II, 286. H. Schultz, 91 T. Theil. 557 ff. („Glieder derselben Wesen-classe, welcher Gott angehört"; — „au- der Natur find, au- welcher Gott ist"). — Dgl. auch Dillmann zu Hiob 1, 6. *) Weil auf dem einzigen Sohne die ganze Liebe des Vaters zu ruhen pflegt, so übersetzen die LXX TfP mit 6 Genes. 22, 2. 12; Ies. 6, 26; Am. 8, 10 ; Zach. 12,10.

stop, i, 13.

186

solchen, traft dessen ihm die Liebe des Vaters im exklusiven und absoluten Sinne zugesprochen wird'). Diesem Sohne, dem die volle und unbedingte Liebe des Va­ ters zugewandt ist, wird hier nun ein Königreich beigelegt, in welches die aus der diabolischen Gewalt Befreiten hineinversetzt find. Daß Christo eine ßaotXefe beigemessen wird, ist an und für sich allerdings der Denk- und Ausdrucksweise des Apostels nicht fremd *). Allein das dürfen wir uns nicht verhehlen, der gewöhn­ liche Ausdruck für das in Rede stehende Reich ist doch bei ihm nicht ßaaiXeia too Xptaroö, sondern ßaaiXe(a xou öeoü'). Es liegt demnach mehr als nahe, daß der Apostel jenen Terminus nicht zufällig hier angewandt habe. Forscht man nach dem Grunde dieser ungewöhnlicheren Ausdrucksweise, so würde man die Sache sehr äußerlich behandeln, wenn man als Motiv hierfür die Absicht des Schreibenden geltend machen wollte, an roö ufoö t. i. . de conf. ling. 20 tt)v eU6va, tov Uptoraxov Xdyov vgl. 28. de prof. 19. de mon. II, 5 ü. ö.

3) Z. B. Baur, N. T.-Theil S. 256. Soll also das an sich seiende Wesen Gottes, wie es das Verhältniß Gottes und der Welt nothwendig macht, in die Erscheinung heraustreten, so kann eS nur durch ihn geschehen. In ihm find also Gott und Welt an sich eins. Dgl. Pfleiderer, Paulin. 372f. Schon der Ausdruck dopdro’j soll es nahe legen, daß dem Derf. die alexandrinische Gottes­ lehre vor Augen schwebe, denn er deute auf den Philonischen Gedanken, daß der an sich verborgene Gott nur durch den Logo- offenbar werde, dieses alter ego bedürfe, um überhaupt aus seiner Verschlossenheit heraus in ein Verhältniß zur Welt zu treten, ein metaphysischer Gedanke, welcher der paulinischen Christo, logte darum ganz ferne liege, weil sie überhaupt gar nicht von einer metaphy­ sischen Gottesidee ausging, sondern vom erhöhten Christus Jesus. —-

mit dem motivirenden Relativum 8; (quippe qui) sofort auf ein in einer anderen Zustandsform befindliches Subjekt überge­ sprungen sein sollte, als in welcher Christus als gegenwärtiges Oberhaupt seines Reiches, als virtuell-präsentes persönliches Prin­ cip der Erlösung, der Sündenvergebung, uns so etwa vor Augen gestellt war. Spricht schon diese einfache Erwägung unbedingt dafür, daß die in Rede stehende, in dem Relativsatz mit 8« ent­ haltene Aussage sich auf den auferstandenen Christus beziehe: so läßt eine sich in einem anderen paulinischen Briefe findende Parallelstelle hierüber gar keinen Zweifel zurück. 2. Cor. 4, 4 ist von dem durch Paulus verkündeten Evangelium, welches die 865« tou Xpiatoü zum Inhalte hat,- die Rede, und der Apostel fügt hier zur motivirenden Erläuterung den Relativsatz hinzu: 8; ianv efxuiv Tou öeou. Hier ist also Christus in dem Sinne das Eben­ bild Gottes, als er als der auferstandene verklärte Gottessohn die 8o£a Gottes, die sich auf dem Antlitze des Moses nur perastatisch reflektirt hatte (2. Cor. 3,13), und zum Verschwinden bestimmt war (Ebend. und V. 14), in vollkommener und bleibender Weise zur Erscheinung bringt. Auf dem Antlitz des verklärten Christus testestirt sich ja die 8oE« toG üeoG (2. Cor. 4, 6); diese ooEa toG xuptou, die Paulus zuerst bei seiner Bekehrung geschaut hatte, schaut er fort und fort sammt seinen Geistesverwandten wie in einem Spiegel, von dem sie zurückgeworfen wird, und hierbei röerden die Betreffenden in das nemliche Bild (-rijv ccöt>)v eixova, d. h. in den mit einem verklärten Leibe umkleideten Christus) um­ gewandelt. So widersinnig es sein würde, in diesem Zusammenhange bei efxv tou öeou (2. Cor. 4, 4) an den präexistenten, und nicht vielmehr an den auferstandenen, der vollen göttlichen Herrlichkeit theilhaft gewordenen Christus zu denken: so gewaltsam würde es sein, an unserer Stelle des Colosserbriefes dem Apostel eine völlig andersartige Anschauung zu unterstellen. An und für sich ist dem apostolischen Bewußtsein, wie vollkommen deutlich aus dem Römer­ briefe (1, 20) hervorgeht, Gott seinem Wesen noch unsichtbar. Alleiu trotzdem wird dem toG; selbst der Heidenwclt dasselbe durch

die Vermittelung der Schöpfungsprodufte sichtbar d. h. erfaßbar'). Und nur in Folge durch eigene Schuld herbeigeführter Verfinste­ rung ihres Herzens Bleibt die Selbstmanifestation Gottes (Rom. 1, 19) für die Heiden ohne Frucht, und wird die ursprüngliche Erkenntniß Gottes in Kreaturendienst verkehrt (Röm. 1, 21 ff.). Eine analoge Verfinsterung, in Folge deren Gott in seiner Weisheit nicht wahrhaft erkannt wurde, ist auch über Israel her­ eingebrochen (1. Cor. 1, 21; 2, 8f.; Col. 1, 13). Gehoben ist diese sowohl im Heiden- als Iudenthum vorhandene Verblendung ob­ jektiv dadurch, daß der an sich unsichtbare Gott in der Person seines von den Todten auferweckten, und in Herrschermacht ein­ gesetzten Sohnes (Röm. 1,4), der sein (Gottes) Wesen seinem ganzen Umfange nach abbildlich repräsentttt, sich der Welt aufge­ schloffen hat. Um aber andererseits durch die Vermittelung des Ebenbildes Gottes mit dem unsichtbaren Gotte in wirftiche Gemein­ schaft kommen zu können, mußte Gott auch in dem Inneren der betreffenben Subjette einen Erleuchtuugsact vollziehen. Und dies geschieht mittelst einer Offenbarung durch den Geist Gottes an den Geist der Menschen, traft deren letzterer die Befähigung er­ hält, in die Tiefen Gottes einzudringen (2. Cor. 4, 6; 1. Cor. 2, 11—12). So beantwortet sich aus der paulinischen Anschauung von selbst die Frage, ob hier Christus als Ebenbild des unsicht­ baren Gottes, selbst seinerseits als sichtbar oder als unsichtbar gedacht fei.' Daß er dem leiblichen Auge Aller, Gläubiger wie Ungläubiger, bis zur Parufie unsichtbar bleibt, steht außer allem Zweifel"). Nur dem ekstatisch-visionären Schauen einzelner be­ sonders disponirter gläubiger Subjekte (wie z. B. des Paulus *) Röm. 1, 20 tat ydtp döpara afreou dird xrfoetoc xdapLOu toTc irot^paai vooufjLETe xadoparai. Dgl. Exod. 33, 20 (gl. 23): „ob töelv to itpdatoTiov piou* ob fdp pch Rtq dfvBpcüTToc to 7:pda7Tdv pol), xal C^stTai“. Bei­ läufig gesagt, ist selbst innerhalb des Verlaufes der alexandrinischen Religions­ philosophie Philo nicht der erste, der die Unsichtbarkeit Gottes ausgesprochen hat, sondern schon Aristobulus betont dieselbe, s. Euseb. pr. e. XIII, 12, 11.20 bei Zeller, Phil. d. Gr. III, 2, 222; (die vor Kurzem bestrittene Existenz des A. hierbei zunächst noch vorausgesetzt). 2) Vgl. zu 3, 3.

selbst) ist die 8o£* Gottes vom verklärten Antlitze Christi in geistig­ sinnlicher Form entgegengetreten. Die übrigen Gläubigen, indem sie das von solchen ursprünglichen Offenbarungsträgern ihnen übermittelte Anschauungsbild, vom Geiste Gottes bewegt, in sich reproduciren, schauen den Auferstandenen mit dem geistlichen Auge des Glaubens, und kommen auf diesem Wege in analoger Weise wie jene durch das Ebenbild Gottes mit dem unsichtbaren Gott in wirkliche Berührung und Gemeinschaft, indem der Gesammtcomplex seiner heilsbegründenden Eigenschaften und Erlösungskräste in Christo zusammengefaßt, ihnen durch diesen vermittelt worden ')• Wie verhält sich nun aber zu dieser auf den messianischen Reichskönig und absoluten Heilsmittler bezüglichen Aussage des Apostels, die sich unmittelbar daranschließende: irptoTotoxo? uda/j? x-rtaeuK mit ihrer, in V. 16 durch oti angeschlossenen, begründenden Erläuterung? Steht bei ihr denn nicht, wie man die Worte int Einzelnen auch näher deuten mag, ohne jeden Zweifel der prä­ existente Christus dem Apostel vor Augen, und wenn dies der Fall ist, muß denn nicht diese von seiner Person prädicirte kos­ mische Stellung und Wirksamkeit eine rückwirkende Kraft auf die Deutung der unmittelbar vorhergehenden Aussage (V. 15a) in der Weise ausüben, daß wir unsere eben festgestellte Erklärung derselben aufzugeben und die von uns abgewiesene zu adoptirett genöthigt werden? Wenn, so könnte man sagen, Christus wirklich in dem Sinne das Ebenbild des unsichtbaren Gottes genannt worden wäre, wie wir dies eben entwickelt haben, warum fährt dann der Apostel nicht gleich darauf mit V. 18 in derselben Ge­ dankenweise fort? Wie kommt er zu der abwegigen, unmotivirten Auslaffung in V. 15 b—17? Bevor wir diese Frage beantworten, werden wir zunächst den grammatischen Wortsinn der in Rede stehenden Aussage festzustellen, und dann erst das Verhältniß derselben zu der unmittelbar vorangehenden zu bestimmen haben. Was znnächst den Ausdruck irptuToxoxo? itdarj; xttoewc an*) S. das Nähere zu 1, 19.

Kap. I, 16

(jtp j^paxi xrj; 8uvdpLEU)C auxoü (Bleek I, 1, S. 71). Sir. 43, 2G xal dv Zdyw auxoü aoyxeTxat (composita sunt, consistunt) xd 7rdvxa. Ueber ouxeaxrzxe vgl. die reichhaltigen Parallelen bei Steiger. Col. Br. S. 157 Anm. 58. I. V. Lightfort, S. 156.

212

Kap I. 15b—17 im Verb. z. I, 1,') -15a.

Das Resultat dieser Erwägung ist

also

einjach folgendes.

Der Sohn Gottes, der in der momentanen Gegenwart als Regent des Reiches Gottes, als schlechthiniger Heilsmittler, der Repräsen­ tant des unsichtbaren Gottes ist (V. 13—15a), hat schon von jeher zu eben denselben Wesen, über die er jetzt seine theokratisch-messianische Herrschaft

ausübt,

ein solches

Verhältniß

gehabt, kraft

befjcit dieselben ihm in der Eigenschaft von, durch seine Vermitte­ lung in's geschöpfliche Dasein getretenen und in demselben erhal­ tenen Wesen gegenüberstanden.

Ja schon von Ansang an ist den­

selben dadurch, daß sie auf ihn hin (sie au-ov) geschaffen sind, die Bestimmung zugewiesen worden, einstens von dem Sohne Gottes beherrscht und seinem heilsmittlerischen Einfluß unterstellt zu wer­ den, wie dies in der momentanen Gegenwart sich bereits realisirt hat. Wenn man in dieser Weise die beiden unmittelbar aufein­ ander folgenden Aussagen

des Apostels

über den postexistenten

und präexistenten Sohn Gottes aneinander hält:

so ist der Pa­

rallelismus, in dem dieselben stehen, unverkennbar, und es ist so schwer nicht, sich bewußt zu werden, was den Paulus hier veran­ laßt hat, die eine neben die andere zu stellen.

Es unterliegt nem-

lich keinem Zweifel, daß das Verhältniß der zweiten christologischen Aussage zur ersteren nur das sein kann, daß diese durch jene erläutert und dem Bewußtsein der Leser annehmbarer und

einleuchtender

Ihnen war durch die Jrrlehrer

gemacht

Christus das Haupt der Gemeinde sei. ist das Abbild des unsichtbaren Gottes. dieser

hohen

soll. ob

Um denselben zu heben,

setzt Paulus zunächst als Thesis den Satz hin, zu

werden

der Zweifel erregt worden,

der Sohn Gottes

Wie hätte aber derselbe

theokratischen Würde und Stellung

gelangen

können, wenn er nicht schon seiner ursprünglichen Natur nach hierfftr die Bestimmung in sich getragen hätte. Denn das ist ja klar, wäre Christus erst vor Kurzem als Sohn Davids in's kreatürliche Dasein getreten,

oder hätte er selbst

immerhin auch schon vor

seiner irdischen Geburt existirt, wäre aber mit der Kreatur gleich­ zeitig, und selber nichts anderes als Kreatur hervorgetreten: so

Äap. I, 15)k- 17 im

Verh.

I, 13—15a.

213

wäre zwischen dem, was der Sohn Gottes heilsgeschichtlich ge­ worden ist, und dem, Kontrast.

was er von Natur ist, ein zu großer

Nur durch ein unvermitteltes Eingreifen der Allmacht

Gottes hätte die Kluft zwischen einem geschöpfiichen Wesen und dem schlechthinigen Repräsentanten Gottes überbrückt werden kön­ nen.

Eine Kreatur, durch reine göttliche Machtwillkühr unlängst

zur theokratischen Königswürde erhoben, mußte aber immer in Gefahr stehen, von den seit unvordenklicher Zeit dem Throne Gottes am nächsten stehenden himmlischen Machtwesen als Usur­ pator verdrängt oder zum Mindesten in den Hintergrund gerückt zu werden.

Zn seiner schlechthinigen theokratischen Machtoberhoheit

Christum sicher festhalten, konnte das christliche Bewußtsein nur in dem Falle, wenn ihm aufgewiesen wurde, daß der Sohn Gottes, weit entfernt, selber Kreatur zu sein, vielmehr das vermittelnde Schöpfungs- und Erhaltungsorgan sämmtlicher intelligenten Lebe­ wesen, die der unsichtbaren Welt angehörigen schlechterdings nicht aus- sondern miteingeschlossen, sei, und daß alle diese Wesen aus dem Grunde durchaus naturgemäß seinem theokratisch-heilsmittlcrischen Dominium unterstehen, weil sie von jeher schon seiner kosmischen Machtsphäre angehört haben, und nunmehr eine solche Stellung einnehmen, in welcher die ihnen bei ihrer Schöpfung teleologisch zugewiesene Bestimmung ihre Realifirung gefunden hat. Ist somit das Ergebniß der Untersuchung über das Verhält­ niß der beiderseitigen christologischen Aussagen, von denen die erstere die Heilsmittlerische, die zweite die kosmisch-physische Stel­ lung des Sohnes Gottes in Betracht zieht, das, daß die letztere der ersteren nicht einfach coordinirt, sondern vielmehr in dem Sinne subordinirt ist, daß sic im Lichte einer dogmatischen Hülfsconstruction erscheint, welche dazu zu dienen bestimmt ist, um der theokratischen Repräsentantenposition Christi eine solide Basis zu unterbreiten: so haben wir aus die weitere an uns herantretende Frage Antwort zu geben, ob eine solche christologische Auslassung, wie sie V. loh — $. 17 vorliegt, wirklich noch innerhalb des Rahmens des anderweitig bekannten und aus unbezweifelt echten Schriften sicher zu fixirenden christologischen Bewußtseins des Apostels

Paulus anzutreffen sei, oder ob hier bereits thatsächlich der Um­ kreis seiner dogmatischen Erkenntnis; gesprengt und durchbrochen ist. Der Zweifel an dem gnoffopaulinischen Eharactcr Rede stehenden Paffus hebt,

des in

soweit er einer ernstlichen Berück­

sichtigung werth ist, nicht damit an, daß er dem in seinen, von der Kritik als Homolognmena anerkannten Schriften sich aus­ sprechenden Apostel die Idee der realen Präexistenz Christi an sich abzusprechen, gewillt wäre.

Nur das ist, worin man hier ein

Hinausgehen des Paulus über seine sonstige christologische Lehr­ weise zu erblicken glaubt, daß dem präeristirenden Sohne Gottes außer seiner vermittelnden schöpferischen auch noch die erhaltende Funktion zugeschrieben, und er als der absolute Endzweck der Schöpfung, letzteres im direkten Widerspruch mit 1. Cor. 8, 6 ; 15, 28; Röm. 11, 30, bestimmt werde.

In angelologischer Hin­

sicht wird dann noch als auffällig notirt, daß während Paulus wohl auch anderswo verschiedene Engelklassen namhaft mache, so doch nirgendwo in solcher, namentlich durch die nur im Colosserbriefe sich findende Klasse der ilpövoi und xupiotrjTs; bereicherten, Vollständigkeit. Um zunächst jene Bedenken, die, um cs mit einem Worte zu sagen, gegen die in unserem Briefe angetroffene Uebertragung des Philonischen Logosbegriffes auf die Person Christi Seitens des Apostel Paulus gerichtet sind, zu heben, wird es nothwendig sein, näher zu constatiren, welcher Art die Präexistenz Christi ist, die wir anderswo in den Schriften des Apostels, die auf Echtheit Anspruch machen, antreffen. Es ist in gewissen Kreisen kritischer neutestamentlicher Theo­ logie ’) herkömmlich geworden, dem Apostel Paulus die Vorstellung zu vindiciren, nach welcher der präexistircndc Christus schon an sich Mensch, d. h. der himmlische, pneumatische Jdealmensch sei, der in einem verklärten, einem Lichtleibe, vor seiner irdischen Ge­ burt bei Gott geweilt habe.

Man läßt den Apostel diese Idee

bald in der Nachfolge Philo's, der hier als Vorbild gedient habe,

bald ohne Abhängigkeit von jenem durch selbständige Benutzung und Deutung des doppelten Berichtes der Genesis über die Schöpfung des Menschen (Gen. 1, 27.-2, 7 sgd.) gewinnen. An der ersteren Stelle, wo gesagt ist, daß Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen habe, sei von Paulus der über­ sinnlich himmlische Mensch gesunden worden, den er mit dem Messias identificirt habe. Aus der zweiten, wo der Mann aus einem Erdenkloß gebildet, in seine Nase der Lebensodem ein­ geblasen, und dann später das Weib aus seiner Rippe gebildet worden sei, habe der Apostel den sinnlichen, irdischen Menschen entlehnt, der empirisch-geschichtlich als der erste Adam hervorge­ treten, während der der Idee nach frühere, himmlische pneumatische Mensch, der Messias, erst später nach jenem als zweiter Adam in das irdische Leben eingetreten sei. Ist diese Theorie über die Genesis und Form des paulinischen Dogmas von der Präexistenz Christi richtig: so ergiebt sich als einfache Consequenz, daß der nach der Erschaffung sämmtlicher übrigen Wesen ant sechsten Tage von Gott erschaffene Jdealmensch nicht itpcoTOToxoc na»»)? xTtasoK (den genit. selbst nur als gen. partit. in dem oben erwähnten Sinne genommen) sein, noch we­ niger als der Mittler der Schöpfung und Erhaltung sämmtlicher (intelligenten) Lebewesen von Paulus hätte dargestellt werden können; daß in weiterer Folge demnach der Colosserbrief aus der Liste der echten Briese des Apostels zu entfernen sei. In dem Maaße, als die Art und Weise, wie Paulus über den präexistirenden Christus gedacht habe, für die Construction seiner gesammten Christologie von der einschneidendsten und folgenreichsten Bedeutung ist: werden wir uns dem nicht entziehen können, auf diesen Punkt etwas genauer einzugehen, zumal über denselben immer noch wenig geklärte Vorstellungen curfiren. Da diese zum nicht geringsten Theile durch ganz subjektive Phantasien uitäp 5 Yetpaircat gewonnen sind, so wird es um so angezeigter sein, die wirklichen, sowie die angeblichen Auslaffungen des Apostels über den präexistenten Christus einer näheren Prüfung zu unterziehen. Daß Paulus Christum nicht erst mit seiner Geburt aus Da-

vids Samen entstanden sein, sondern ihn schon vor seiner Sen­ dung an die Welt, oder seiner Geburt vom Weibe, in der Eigen­ schaft als Gottes Sohn x«-’ Ikv/rp eristiren läßt: geht völlig unzweideutig aus Rom. 8, 3; Gal. 4, 4 hervor, aus welcher letz­ teren Stelle zugleich noch deutlich (vgl. das auf den Himmel als den Wohnort des präeristirenden Christus hinge­ wiesen wird. Auch das können wir noch als näheren Modus dieses präexistenten Daseins des Sohnes Gottes von Paulus 2. Cor. 8, 9 angegeben finden, daß dasselbe ein Reichsein (idouat-^ aiv) war, welches weder als ideal-potentielles, noch als ein Reich­ thum an geistlichen Gütern, sondern dem Zusammenhange ent­ sprechend, nur als ein Reichsein an realen Machtmitteln gedacht werden kann. Da sich nun der so mit realer Machtfülle ausge­ stattete präexistirende Christus durch einen Act selbstverleugnender Liebe jener zu Gunsten Andere entäußerte und arm wurde (iimoyeuos): so muß selbstverständlich derselbe nicht bloß als unpersön­ liche Idee im Bewußtsein Gottes, sondern als ein von Gott unter­ schiedenes real-persönliches Wesen vom Apostel gedacht sein, da nur ein solches einer den Gläubigen als Muster vorgestellten auf­ opfernden That fähig sein konnte. Ist nun aber dieses als reales selbstbewußtes göttliches Sub­ jekt von Paulus charakterisirte Wesen als ein menschliches ge­ dacht? Man glaubt dies schon durch Hinweisung auf 1. Cor. 10, 4. 9 befürworten zu können, wo der Apostel den präexistirenden Gottessohn in der Person des Messias in die Geschichte des alttestamentlichen Bundesvolkes handelnd eingreifen läßt. Aber ganz abgesehen davon, in wie weit diesen Aussagen, die sich in einem Abschnitte finden, in welchem eine typische Betrachtungsweise vor­ herrscht (vgl. V. 6 und 11), eine dogmatische Bedeutung im en­ geren Sinne des Wortes beizumessen sei: so sind jene wohl als Beläge dafür zu benutzen, daß Paulus Christum als präexistirend und irgend wie auf die Geschicke des alten Gottesvolkes einwirkend, nach 1. Cor. 10, 9') auch sicher wohl als real-persönlich existirend ') Denn wohl nur in diesem Falle konnte P. von einem Xpiöx6w der alten Israeliten reden.

mpdaat

tov

gedacht habe, keineswegs aber dafür, daß ihm derselbe als himm­ lischer Zdcalmensch vor Augen gestanden habe.

Im Gegentheile,

hätte Paulus den Messias als bereits in derselben Erscheinungs­ form existirend sich vorgestellt, wie den Auferstandenen mit einem himmlischen Leibe angethanen pneumatischen Menschen: so würde die Jdcntificirung Wüste

desselben

nachfolgenden

Räthsel bleiben.

mit dem den Jsraeliteen

Felsen

(1. Cor. 4, 9)

ein

durch die

schlechthiniges

Za wir glauben mit Fug und Recht behaupten

zu dürfen, nur in dem Falle, wenn der Apostel sich über die Leiblichkeit des im Alten Bunde nicht

die oben erwähnte,

wirksam austretenden Messias

concret umgrenzte oder abgeschlossene

Vorstellung gebildet hatte, die ihm von gewisser Seite zugeschrieben wird, behielt er die Möglichkeit, Christum mit dem betreffenden Wasser spendenden Felsen in typische Parallele zu stellen. Sprechen somit die oben in Betracht gezogenen Stellen nicht nur nicht für, sondern vielmehr gegen die Theorie von der Prä­ existenz Christi in Gestalt eines himmlischen Menschen,

so be­

währt sich jene noch weniger, wenn wir das, was Paulus 1. Cor. 8, 6 von Christo aussagt, erwägen. Göttern,

die

er wohl

ihrer

Er stellt dort den heidnischen

qualitativen Wesenssorm nach für

Wahngebilde (Xs^ojisvot OeoQ hält, deren sowie der untergeordneten göttlichen Machtwesen (xuptot, dii mworum gentium, herocs) reale Existenz als

Satpovia (1.

Cor. 10,

20)

er aber keineswegs bezweifelt

(ea>?), als einen lautern Ausfluß der Herrlichkeit des

Allherrschers (ä-oppoia tt,c tou TravToxoa'Topoc oo?t;; ct/.txptvr'; 7, 25). Sie erscheint als Künstlerin von Allem, die Alles ins Werk ge­ setzt hat, die zugegen war, als Gott die Welt erschuf (7, 22; 8, 5; 9, 9). Die aber auch andererseits, obgleich sie Beisitzerin des Thrones Gottes ist (9, 4), doch zugleich durch Alles wegen ihrer Reinheit hindurchgeht und hindurchdringt, indem sie Alles wohl ordnet (7, 24; 8, 1). Da nun namentlich dies alexandrinische Buch der Weisheit dem Apostel sehr wohl bekannt ist, wie aus mannigfachen unverkennbaren Rückbeziehungen auf Stellen des­ selben hervorgeht'); da es selbst kaum bezweifelt werden kann, daß Paulus in der typischen Parallelisirung des Wassergebendcn Felsen mit dem Messias sich an Sap. 14, 4—7 angelehnt habe, wo auf die hypostatische göttliche aosia die Stillung des Durstes der Israeliten zurückgeführt wird: so werden wir unbedenklich auch bei denjenigen Aussagen des Apostels, in welchen der Sohn Sohn Gottes als Mittler und Erhalter der Schöpfung erscheint (1. Cor. 8,9 — Col. 1, 16. 17) den Jdeenkreis jener Weisheits­ bücher, vor Allen des alexandrinischen Buches der Weisheit herbei­ zuziehen haben, als denjenigen, welcher dem Apostel die unmittel­ barsten Anknüpfungspunkte für seine auf die kosmische Func­ tion des präexistirenden Christus bezüglichen Auslassungen darge­ boten hat. Wenn an der bezüglichen Stelle des Colosserbriefes die schöpferische und der erhaltende Function des Sohnes Gottes die an der bezüglichen Stelle des ersten Corintherbriefes in dem 8t oo Ta itaVta noch zusammengefaßt sein kann, von einander gesondert herausgehoben wird: so haben wir auf das (in polemi­ schen Rücksichten liegende) Motiv hiefür schon oben hingewiesen, sowie einleuchtend zu machen versucht, weßhalb dort Paulus sich darauf beschränkt habe, nur die gesammten intelligenten Lebe­ wesen als Objecte der schaffenden und erhaltenden Mittlerthätig­ keit Christi namhaft zu machen. Es bleibt uns nun um jeden Schein, als sei an unserer Stelle der Horizont des dogmatischen Bewußtseins des Paulus ') Dgl. 3eaer, Philos. d. Gnech. III, 2, 233.

Kap. I, 15—17 im Deich. z. paul. Christo!.

225

durchbrochen oder verschoben, zu beseitigen, noch übrig, das tä aÖTÖv Ixnarat (Col. 1, 16) einer kurzen Prüfung aus seine gnesiopaulinische Abkunft zu unterziehen. Man glaubt die Aussage, daß Christus die caussa finalis (principium ad quod) sämmtlicher durch ihn geschaffener Wesen sei, in direkten Wider­ spruch versetzen zu können, einmal mit Aussagen des Apostels, in denen unzweideutig Gott der Vater als das Endziel aller aus ihm, als der Urquelle alles Seins, hervorgegangenen Geschöpfe an­ gegeben werde; andererseits mit der Stelle des ersten Corintherbriefes, in der der Herrschaft und Mittlerfunction Christi ein Termin gesetzt werde, von dem an sie aufhören, und dafür das Walten des Alles in Allen seienden Gottes beginnen werde (1. Cor. 15, 25—28). Es sei also in der in Rede stehenden Colosserstelle eine sonst nur von Paulus auf Gott übertragene, und wegen der zeitlich beschränkten messianisch-theokratischen Function Christi wirklich auch nur für Gott angemessene Kategorie, von dem Verfasser des Briefes auf Christum angewendet worden. Wollten wir die Sache lediglich formalistisch behandeln, so so könnten wir uns für die Möglichkeit, daß Paulus sowohl Gott als Gottes Sohn als Endziel der Schöpfung habe darstellen können, darauf berufen, daß ein analoger Wechsel der Betrachtung auch an jenen selben Stellen (1. Cor. 8, 6; Röm. 11, 36) zu constatiren sei, an deren ersterer die Aussage ZI outuü tä mma auf Christus, an der andern, eben dieselbe auf Gott den Vater sich bezieht. Gehen wir jedoch, wie billig verlangt werden darf, näher auf das Inhaltliche der Sache ein, so wird sich zunächst fragen, ob die Uebertragung der Kategorie der caussa finalis auf Gott und auf Christum wirklich eine in sich selber widerspruchsvolle ist. Immerhin ist es nun nicht ganz ohne Belang, zur richtigen Abschätzung der Sachlage, sich zu vergegenwärtigen, daß genau genommen, weder 1. Cor. 8, 6 noch Röm. 11, 36 sich die Aussage findet, daß Alles „auf Gott hin" geschaffen sei. Denn an der ersteren Stelle sind es die Gläubigen (HM;), denen bestimmt ist, in Gott ihr Endziel zu finden. An der anderen ist, dem Zu­ sammenhange, in welchem sie erscheint, entsprechend, Alles, was mmol ... et;

JflcrpiT,

niimvnr.ii tv-i o i'k'f'diViiv'x-.

l(j

namentlich vor

sich

in

den

geht,

großen

wie

es

Wendepunkten

von

der

der Völkcrgeschichte

unergründlichen

Weisheit

Gottes als Plan im Voraus festgestellt ist, und im Gegensatz zu beschränkt

menschlichen

Rathschlägen

und

Einwirkungen

durch

lediglich seiner (Gottes) Erkenntnis; angemessene Entscheide und Maaßnahmen realisirt wird, mit Gott so in Beziehung

gesetzt,

daß es seinen Zwecken zu dienen, in ihm seinen Abschluß zu fin­ den, bestimmt ist').

Mit diesen Lätzen, in denen Gott als das

Ziel erscheint, zu dem die Gläubigen, resp. die von Gott geordneten und geleiteten Wcltereignisse anzugclangen, die Bestimmung haben, würde die Aussage unseres Briefes, daß alle intelligenten Lebe­ wesen auf den Sohn Gottes hin geschaffen dastehen, nur in dem Falle in unlösbarer Enantiophonic stehen, wenn nachweisbar wäre, daß an letzterer Stelle der Verfasser nur das allerletzte Ziel der betreffenden Geschöpfe nach Aufhören der messianischen ReichsHerrschaft Christi, habe im Auge haben können, welches 1. Eor. 15,

V-

28 so characterisirt ist:

ft«

t;

6 lUo; -i tAv-i lv rAmv.

Jener

Nachweis wird aber um so weniger geliefert werden können, als Paulus nur an jener einen Stelle des ersten Corintherbriefes') dem messianischen Königthume Christi einen Endtermin setzt, sich sonst dagegen unbefangen so ausspricht, letzten

Endpunkt

der

daß er von dem aller­

cschatologischen

Vorgänge

abstrahlet).

Nun hatte aber der Apostel nicht nur gar keine Veranlassung, an unserer Colosserstelle die weiteste Perspective in den atmv aiXXmv hinein zu eröffnen, sondern im Gegentheile der Tendenz die ihm beim Schreiben leitete,

geschah nur dadurch

vollkommen Genüge, daß er das Geschaffenscin Wesen auf Christum teleologisch bezog.

aller

Denn was eben von

den Jrrlehrern bestritten wurde, war die Christo einzig und allein

]) Bengel: Denotatur origo, cursus et tevminus omni um verum. 7) Wo er eine eingebende Behandlung der eechatologischen Vorgänge ane klar vorliegenden Motiven sich zur Ausgabe stellt. 3) So fehlt z. B. Aom. 1-1, U: ei; tvjto 7^ XptTro; ct—eHocto xai e^ae 7va xal vexptbv xai vovtcov xuotevar, jedtvede der mcffnmiidu'ii >"'m]d)oft (5hrifti gesetzte Zeitgrenze.

Kap. I, 16 ("Ängtlologit).

227

zustehende Reichsherrschaft über alle Lebewesen; da kam es denn vor Allem darauf an, diese als das Ziel der Schöpfung aller Wesen festzustellen, da ja nur, wenn zuvor dieser Endzweck erreicht, also das messianische Reich Christi vollkommen hergestellt ist'), am äußersten Endpunkt des Weltverlaufes das Reich Gottes im engsten Sinne des Wortes in die Erscheinung treten kann. Das­ selbe Motiv also, welches den Apostel bestimmte, Col. 1, 13 nicht von dem Reiche Gottes, sondern dem Reiche des Sohnes Got­ tes zu reden, leitet denselben, V. 16, auch den Sohn als den Zweck der Schöpfung sämmtlicher intelligenten Lebewesen den Lesern hinzustellen. Ist gleich die Heilsmittlerische Herrscherfunc­ tion Christi in dem bis zum alleräußersten Zielpunkte verfolgten Laufe der Weltentwicklung, genau genommen, nur selber ihrer Natur nach als ein Mittel zum Ziele anzusehen: so läßt sie sich doch andererseits als schlechthin nothwendiges, vorbedingendes Mittel sehr wohl auch ihrerseits als Endzweck ansehen. Und psychologisch ist es vollkommen begreiflich, daß Paulus das letztere da thut, wo Andere mit Umgehung oder Verdunkelung der messianischen Reichsherrschaft Christi, also mit Beseitigung des Mittel-Zweckes, zum letzten Ziel gelangen zu können wähnen. Wenden wir uns zum Schluß, nach Erläuterung der charakte­ ristischen christologischen Eigenthümlichkeiten unserer Stelle, zu dem angelologischen Moment. Die in den Himmelsräumen befind­ lichen, der Gattung der dop«™ ungehörigen Wesen werden hier in vier Classen aufgeführt: sfrs Opovot strs xuptoT>j?i? eizs äp^at svrs isouatat. Suche» wir zunächst die Bedeutungen dieser Ter­ mini festzustellen, so kann uns im Wesentlichen das Urtheil Theodoret's hiebei als Leitfaden dienen ft. ]) 1. Cor. 15, 28 oxav 8e vzozayy auxm xd Travxa, darin ist ja das xd zdvxa ei; auxov exxtaxai erfüllt, so daß ebne dieses das Tva 7; 6 Oeo; xd -dvxa £v -äai schlechterdings nicht eintreten kann. ") Bpovou; JjojtjL'zt xd XepoußtpL avxov Xe^eiv xovxot; ydp eios xov Oetov irtxEfpLEvo; Opovov 6 TTpocprjxT); ’IeCexi^X. xupio'xTjxa; Sk xal dpya; xal £;oua(a; xov; xd>v £ftvü>v -EmxEupi^vov; xtjv ^TTiviXeiav xal ydp Mt^a^X ijpye xo>v ’lov-

228

Kap. I, IG (Angtlolagie).

Daß zuförderst die öpovoi mit den von Ezechiel als Träger des Thrones, auf dem die in wunderbaren Glanz gehüllte Majestät Gottes selbst saß. geschilderten Cherubim irgendwie zusammen­ hängen, wird keinem Zweifel unterliegen.

Sie erscheinen in den

Visionen dieses Propheten mit solchen Eigenschaften und Kräften ausgestattet, durch welche sie als Repräsentanten und Vehikel der Glorie Gottes sich darstellen, und dessen von ihnen allseitig symbolisirtes Wesen zugleich in seiner den Weltraum durchdringenden Allgegenwart dynamisch vermittelt wird '). Im späteren Judenthum treffen wir dann die Cherubim in Verbindung mit den Seraphim und Ophanim als die höchsten in der unmittelbaren Nähe Gottes befindlichen himmlische» Geister'). Auch in der johanneischen Apocalypse sind die von den Ezecheliclischen Cherubim etwas abweichend gezeichneten 'L» ( ■- nrn) mit dem Throne Gottes in nahe Beziehung gesetzt').

Ihre Function

Saum», xsl b paxdpcoc AavirjX dp^ovxa Xiyei IUpsuiv, xat dpycivxa ’EZZVjvcov. Dgl. Ode, de angelis, Traj. ad Rh. 1739 p. ‘277: hat» dignitates an ge lu rum per metonymiam sunt ipsi angeli in talibus dignitatibus, iis iiuininibus dicti, quod tamquam potentissimi et gloviosissimi thvono dei adstant et regnn m ejus in tervis administränt, attjue in hoc suo ministerio dominium aiiquod, principatum et potestatem a Deo ipsis datam cxerceant, et olim pravsertim exercuerint. *) Die vier Gesichter der Cherubim symbolisiren die rationelle Geistigkeit (Mcnschenanllih). die furchtbare majestätische Hoheit (Löwe), die Festigkeit und tragfähige Stärke (Stier), den Fernblick und die Schnelligkeit der Bewegung (Adler) Die Augen, mit denen der Leib, die Hände, die Flügel der Cherubim, sowie die Doppelräder des göttlichen Thronwagens bedeckt sind, sind Abbilder der Allwissenheit und Fürsorge Gottes; sowie die Art, wie sich der göttl. Thron­ wagen in Bewegung seht. die Allgegenwart Gottes vorstellig macht. Vgl. Dill­ mann in Schenkels Bibellerikon I, 5>12ff. Mithin, Bi bl. Handwörterb. *230 ff. Herrn. Schulp, Bi bl. Theol. des A. T, 2. Ausl, f>70ff. 2) „Und es wird rufen das ganze Heer der Himmel undalle Heiligen, die oben sind, und das Heer Gottes, die Cherubim und Seraphim und Ophanim und alle Engel der Gewalt, und alle Engel der Herrschaften, und der Auscrwählte und die anderen Mächte, welche auf der Feste über dem Wasser sind, an jenem Tage nun werden anheben mit einer Stimme und preisen".Henoch Gl, 10.

Dgl. 71, 7.

3) Apoc. 4, G iv u.icju> xoü Wpovou xod xvxZm xoO Dpovou.

'Vgl

über den

wahrscheinlichsten Sinn dieser Angabe Bleek. Vorl. ü. d. Apok. S. 200.

ist, dem allmächtigen Gotte Tag und Nacht Preis, Lob und Dank darzubringen (4, 8—9). Ebenso fingen sie, mit einer Cither und Wcihrauchschaalcn versehen, als himmlische, die Gebete der irdischen Heiligen vor Gott bringende Priester dem geschlachteten Lamme einen erhabenen Lobgesang (5, 8—9); sowie sie zu den Lobge­ sängen der Geschöpfe ihr Amen sprechen (5, 14; 19, 4). Bei der Eröffnung göttlicher Offenbarung treten die Cherubim in sofern hervor, als sie bei der Lösung der Siegel des die Zukunft des Reiches Gottes verschlossen haltenden Buches an den Seher die Aufforderung richten, dem göttlichen Throne näher zu treten (6,1. 3. 5. 7). Diese dem göttlichen Throne am nächsten stehenden himmlischen Wesen werden nun in den Testamenten der zwölf Patriarchen gradezu Öpovot genannt. Sie nehmen dort den sieben­ ten Himmel ein, und ihr Geschäft besteht darin, Gott Hymnen als Dankopfer darzubringen'). Bewährt sich somit die Theodoretische Deutung der &pöm im Allgemeinen als richtig, so werden wir in Betreff der zweiten an unserer Stelle genannten Classe himmlischer Mittelwesen, der xuptÖTTjTe;, nach Anleitung desselben alten Exegeten an solche Engel zu denken haben, welche im Buche Daniel als die Spitze der un­ zähligen vor Gott stehenden und ihm dienenden Wesen bildend ufgeführt werden, nemlich die obersten Fürsten (D'iit'in CHtyn). Diese Engel oder Erzengel erscheinen dort in der Eigenschaft von himmlischen Wächtern oder Oberauftehern über große Gebiete der Welt, über welche ihnen die Fürsorge übertragen ist, für welche sie kämpfen, und deren Interessen, welche in der göttlichen Raths­ versammlung erwogen und festgestellt werden, sie vertreten. Mit Namen genannt werden hier Michael als derjenige, dem die Vertretung des Volks Israel übertragen ist (10, 13. 21; 12,1), und Gabriel als Dolmetscher der himmlischen Gesichte und Offenbarungen des Sehers (8, 16; 9, 21 vgl. Luc. 1,19. 26). Die spätere jüdische Theologie zählt deren (vielleicht in Anlehnung ') Test. XII patr., Levi, cap. 3 (Cod. ps. V. T. ed. Fabricius p. 548) iv oe Tip p-er’

o’jtov

ihi

Opövot, ££oi>atat, £v ij> 4et upvoi Tip Deep irpoatpipovrou.

an die Lehre der zoroastrischen Religion von den Ame.sha cpontas) sieben, unter denen jedoch vier (Michael, Gabriel, Raphael, Uriel) wiederum eine bevorzugte Stelle einnehmen'». des unmittelbaren Königs haben

und

Zutritts

zu

die Gebete

Da sie das Recht

der Majestät der

des

himmlischen

irdischen Heiligen vor ihn

bringen5): so führen sie auch den Namen Fürsten der Engel des Angesichts.

Daß mit diesen sieben Erzengeln die sechs Männer,

welche von Jahve als seine unmittelbaren Diener Ezech. 9, 2 ff. zur Züchtigung Jerusalems ausgesendet werden, und unter denen ein siebenter in hohepriesterlicher Kleidung diejenigen an der Stirne zu versiegeln beauftragt ist, welche verschont bleiben sollen, wird kaum

bezweifelt

werden

können.

Nicht zu

verkennen

ist eine

Rücksichtnahme auf diese 7 Erzengel bei Sacharja (4, 10), wo von den sieben Augen Jahves die Rede ist, welche die ganze Welt durchlaufen.

Sind hier,

wie aus Pergleichung von Sach. 3, 9;

4, 2; Tob. 12, 15 hervorgeht, die sieben Haupteigenschaften oder Erscheinungsformen des einen göttlichen Geistes (Jes. 11, 2) in ihrer nach allen Seiten hin die Fürsorge für die Welt vermitteln­ den Energie schon auf dem Wege zu concretcn Engel - Geistwesen personificirt zu werden"), so finden wir dieselben in der Offen­ barung des Johannes als die sieben Geister, welche vor dem Throne Gottes sind (1, 4), als die sieben vor dem Throne brennenden Fun­ keln, welche die sieben Geister Gottes sind (4, 5), und die (5, 6) als in alle Welt gesendete bezeichnet werden").

Ausdrücklich den

Namen von Engeln empfangen sie 8, 2 wo sie als die 7 Engel aufl) Die eine Rechnung beruliend auf den vier Leiten des göttlichen Thrones, oder allgemeiner auf den 4 Richtungen des Raumes; die andere wahrscheinlich auf den Einfluß persischer Vorstellungen. Dillmann, Buch Henoch S. 122 vgl. S. 06. **) Tob. 12, 15 iytb dpi Pacpair^X, etc xv Ittxd dytcov dyyeXuiv, oi Trpoatpepouat xd; Trpoaeu^dc xd» dytav, xat etaTropejovxat ivujTTtov

xtj;

xoü dytou

(eh7cope6ea0at = tfü Deuter. 23, 1; 69, 27). — Vgl. Ditlmann a. a. 0. 07. 3) S. d. Nähere bei Steiner, die zwölf kl. Proph. (Exeg. Handb. z A. T. I.) 6. 347 f. 4) Apoc. 1, 4 xat d:t6 xd>v l?7xd 7rveufAa'xu>v, d ^viottiov xoj öpdvou auxov. 4, 5 xat licxd XafjardSc; zupo; xatdfAEvat £vti>7:ir>v xoü öpdvou, di Etat xd Irxd TTveuptaxa rou Öeoj.

5, 6 xat d'f&aXao'j; £rxd, oi etat xd kr~d zvEuptaxa xov

ÖeoO xd cnrecfxaXfj^va eh 7:daav yfjv (cf. Sach. 4, 10).

treten,

welche vor dem Angesichte Gottes stehen').

Während in

den Testamenten der 12 Patriarchen, wie wir oben sahen, die dort

öpovot genannten Cherubim den siebenten Himmel einnehmen, so sind dort die „Engel des Angesichts des Herrn" in den sech­ sten Himmel versetzt, wo sie ihren hohepriesterlichen Versöhnungs­ dienst beim Herrn betreffs aller unwiffentlichen Verfehlungen der Heiligen versehen, und ihm einen vernünftigen Wohlgeruch und ein unblutiges Opfer darbringena).

Mit Rücksicht auf dies letztere

Moment hat demnach Phavorinus nicht unrecht geurtheilt, wenn er in seiner Glosse bemerkt: xupioT/,Tsc s?3t ouva'[i.st; ayiai keno'jpyixal xupt'oo. Führen uns die &povoi uud xupioTr(T$; zu denjenigen Rang­ ordnungen des himmlischeu Geisterreiches, welche in der unmittel­ barsten Nähe des göttlichen Thrones theils eine liturgische, theils eine über große Theile der Welt sich erstreckende administrative und procuratorische Function ausüben:

so werden

wir

in den

ä'pxat und i&ostat solche übersinnlichen Mächte und Gewalten zu zu erkennen haben, die den xuptoTr^e; untergeordnet, über begrenz­ tem Kreise des Völker- und Naturlebens ein Aufsichts- und Ver­ waltungsamt ausüben.

Der Vorstellung des Buches Daniel ent­

sprechend, welches Schutzengel von Persien, kennt,

übersetzen

daß Gott,

Javan (Aegypten?)

die LXX eine Stelle des Deuteronomiums so,

bei der Austheilung

der Erde an

die verschiedenen

Nationen, jeder derselben einen Engel als Vorsteher gesetzt habe'). Mag diese Uebersetzung auf eine ältere und richtigere Gestalt des hebräischen Textes der Stelle zurückschlicßen lassen, oder nicht: in

8. 2 xai tIBov xob; fcnxd dyyiXouc, o? ivwniov xou 0eo5 kazrjxaat. •) Test. XII patr. (ed. Fabric. p. 547 f.) iv

tuj

(xet* aoxöv ol dyjeXol etat

xo’j npoatbnov xupt'oo, ol Xctxoupyoüvxe; xat ietXaaxopiEvoi npo; xuptov int nasale xate dfvofate x&v 8txat'u>v. llpoatpipooat xupup iotoofac Xoytxrjv, xat dvai'pLaxxov npoatpopdv.

3) Deuter. 32, 8. Als der Höchste Sitze gab den Völkern und von einander schied die Menschenkinder, setzte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Söhne Israel IDppb): LXX cod. Vat. und cod. Alex, a sec. m. xaxd dpiöfxov dyyiXtov fteoü, so auch Philo; Clem. Rom. ep. ad Cor. I,

cap. *20: Clem. Recog: Iren. Hier. cf. Hilgcnfeld, Apost. Vater. 64, Anm. 19; Clem. Rom. ed. Hilgens, p. 35 (ed. 1 !'>").

Kap. I, 16 (Angelologje).

232

jedem Falle steht der durch jene Interpretation ausgedrückte Sinn im

Einklang mit Deut. 4, 19, wo

der

Gedanke ausgesprochen

ist, daß das Himmelsheer, welches der Gegenstand der Anbetung der heidnischen Völker ist, von Jahve denselben als sie beherr­ schende Gottheiten zugeordnet ist').

Klar ausgesprochen ist die

nemliche Idee vom Siraciden, wenn er von Gott sagt, daß er über jedes Volk einen Herrscher oder Statthalter eingesetzt habe, während er sich Israel als sein Besitztheil

vorbehalten

habe").

„Demnach können aber den mancherlei hohen, Gewalten und Mäch­ ten der Erde ebenfalls hohe geistige Gewalten entsprechen,

den

guten gute, den bösen böse (Eph. 6, 11 f. vgl. 1, 21; 2, 2; 3, 10; Col. 1, 16; Röm. 8, 38); und jede hohe heidnische Gewalt z. B. Aegypten, Assyrien, Persien einer hohen himmlischen Gewalt mit oder ohne einen bezeichnenden Namen gleichzustellendes. 24,1; 27,1; 51,9; -s, 68, 31; 74, 13 f. Ezech. 29, 3), ober einen himmlischen Fürsten Israels, Persiens, Jävans (Griechenlands) sich als seinen geistigen Vorkämpfer zu denken, wurde früh, immer aber zunächst in der höheren sei es prophetischen oder dichterischen Sprache Sitte"3). ') Deut. 4, 19 Verbot, die Sonne, den Mond, die Sterne und das ganze Himmelsheer anzubeten, „welche der Herr dein Gott zuertbeilt hat (pbn LXX cfcivetfjLE) allen Völkern unter dem Himmel".

Dgl. Herm. Schultz, Bibl. Theol.

des A. T., 2. Aufl, 563. 2) Sir. 17, 14 IxdöTtp fdvei xax^aTTj ^oufievov xal fiept; xop(o\> IapanqX daxtv. 3) Ewald, die Lebre d. Bib. von Gott II, S. 310. Gott, gel Anz. 1873. S. 13. Dgl. Dillmann, Buch Henoch XVIIIff. Rönsch, Jubiläen. S. 259 Eisenmenger, Entd. Iud.

Königsberg 1711, I.

S. 803 ff.

Bartolocci, Bibi,

magn. rabb. I, 267 fgd. Gfrörer, Jabrb. d. Heils. I, 277; 359. Kobut, Jüd. Angelologie (Abbandl. s. Kunde des Morgenlandes IV, 3). S. 24 ff. — Kosters, Bet Onstan in de entwikkeling der Angelogie onder Israel. Th. Tijdschrift 1875 u. 1876 ist dem Derf. leider nur durch das von Manchot in der Pro­ testant. Kirchenzeitung 1877 gegebene ziemlich ausführliche Referat zugänglich ge­ wesen. Es wäre dringend zu wünschen, daß die alte Klage, mit der zuletzt auch wieder R. Kübel in Herzog'S Realencyclopädie, 2. Aufl., IV, 227 seinen Artikel über die Engel schließt, daß „leider die neutest. Theologie den locus fast ganz ignoriren", bald verstummen möchte. Es ist beinahe unglaublich, daß ein Gegen­ stand von so eminenter Wichtigkeit immer noch nicht viel mehr als eine terra incognita ist. Vielleicht entschließt sich, wenn die überaus traurige Periode, wo der Nachweis literarischer Abhängigkeit irgend eines Schriftstellers von einem

Erhellt aus der vorstehenden Erörterung, daß sich die Col. 1,16 findende

hierarchia

coelestis

durchaus

aus

der vorchristlichen

jüdischen Angelologie, wie sie namentlich innerhalb gewiffer apocalyptischer Kreise eine reichere Ausbildung erfahren hat, erklärlich macht, so daß nicht die geringste Berechtigung vorhanden ist, be­ treffs ihrer Ableitung auf die Gnosis des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts zurückzugehen: so werden wir zum Schluß noch die Frage zu beantworten haben, wie sich Paulus in seinen älteren Briefen zu dem Jdecnkreise verhält, der sich uns im Obigen als Resultat einer kurzen Ueberschau über die bezügliche Aus­ lassung der prophetischen, apocalyptischen und pseudogigraphischen Literatur des späteren Judenthums ergeben hat.

Daß der Apostel

nicht bloß Engel überhaupt, oder zur Ausführung bestimmter Aufträge (ad hoc) von Gott ausgesendete Engel (äyyeXot — D'2tt.bn), sondern auch verschiedenartige die göttliche Vorsehung und Re­ gierung der Welt permanent vermittelnde übersinnliche Untergewalten kennt, steht außer allem Zweifel.

Wir haben schon oben

bei der Besprechung der in christologischer Hinsicht bedeutsamen Stelle 1. Cor. 8, 5—6 constatirt, daß Paulus die Existenz einer großen Anzahl von öeoi und von xöpiot zugesteht, die jedenfalls als im Verhältniß

der Ueber- und Unterordnung zu einander

stehend zu denken sind.

In demselben Briefe (15, 24) explicirt

sich ihm das dämonische, Christo und seinem Reiche feindselige Geisterreich in die drei, ebenfalls im Verhältniß einer absteigen­ den Stufenreihe zu einander stehende Kategorien der zäaz dpyrp naaz

ecooata xal Süvaat;.

Zeigt sich so bei Paulus

das Reich

der Finsterniß als ein von nach Rang und Macht gegliederten übersinnlichen Gewalten

beherrschtes:

so

würde

es

in

hohem

Grade auffallend sein, wenn demselben schriftgelehrten Apostel nicht auch das Lichtreich als ein der Administration mehrfach ab­ gestufter angelischer Machtwesen unterstelltes sich zum Bewußtsein gebracht hätte;

zumal ja das Alte Testament und die sich ihm

Vorgänger für die höchste und erhabendste wissenschaftliche Leistung gilt, glück­ lich abgelaufen sein wird, ein jüngerer Theologe, der Bibelwissenschaft jenen nicht mehr abweisbaren Dienst zu leisten.

Kap I, 16 (Angelologie).

234

anschließende, von der apokryphischen und pseudepigraphischen Lite­ ratur nur bruchstückweise wiedergegebene Paradosis nach dieser Seite hin ungleich reicheres Material barbot ')• Nun treffen wir aber auch wirklich bei Paulus neben den 0775X01 auch 00/0775X01 welche letztere mit den an unserer Stelle vorgefundenen xuoiöt^ts; zu

idcntificiren,

durchaus

nichts im Wege steht.

Aber auch

Rom. 8, 38 treten uns in jedem Fall irgendwie unterschiedene Engelkategorien entgegen, und zwar nicht bloß dann, wenn wir der rcc.:

outs

xoxoxo; bx -ü>v vsxpmv die Reihe der ausgewählten Schaar der Seinen dadurch, daß er nicht bloß für seine Person zuerst auferweckt ist, sondern als derjenige, in welchem zugleich das höhere Dasein der für das Reich Gottes Bestimmten keimartig mitgesetzt ist; als derjenige, in welchem die Garantie enthalten ist, daß die für die Gläubigen im Himmel aufbewahrt daliegende Hoffnung ihre Realisirung finden wird (1, 5), und jene den Antheil am Loose der Heiligen im Lichte auch wirklich erhalten werden (vgl. 1, 12) *). Darin, daß Christus als Anfang, Erstling aus den Todten hervorgegangen ist, sieht der Apostel eine göttliche Absicht verwirk­ licht, die er in dem Finalsatze hervorhebt: ivot -/ev^xat £v iräaiv aöxö; irptoxeutov. In diesem wird zunächst das ^evr/tat nicht zu übersehen sein, sondern uns darauf aufmerksam machen, daß für Christus das £v itäatv itpwxsueiv auf dem Wege eines heilsge­ schichtlichen Processes erlangt worden, nicht ihm schon auf Grund eines ihm von Ewigkeit her inhärirenden Seins realiter zuständig gewesen sei'). Die Wahrheit und Bedeutsamkeit dieses 0 Dgl "Oxi oft; rcpo^jfvü), xal rpouipiae aufjLfioptpouc tt)c eixdvoc xou vlou auTOu, ei; xB elvai at>xov rpuixdxoxov iv r o X X o t; dBeXtpot;, Röm. 8, 29. — drcap^T) Ttüv xexoip,7)piiv. y cmmvntai

fcvv

denn Vriro.

Sohn Gottes hin, den er sofort in zwei von einander unterschiedenen und auf einander folgenden Zustandsformen näher kennzeichnet. In der ersteren erscheint der Sohn Gottes als Davidssohn kraft seiner Geburt

sdpx«.

In der andern wird er uns vorgeführt als

in Machtherrlichkeit eingesetzter Gottessohn

•/.*-*

m-eupa aytmouvr,;

in Folge seiner Auferstehung von den Todten. Man erkennt leicht den Grund davon, daß der Apostel V. 4 nicht fortfährt: ?oü 6p«jösvto? h>

8'jvajxei x.

Oeoü Wiederholt.

X., sondern hinter

t.

tou

optadivTCi; das o?o5

In der irdisch-menschlichen, volksthümlich um­

grenzten Erscheinung des Davidsohnes kam eben seine Gottes­ sohnschaft nur in inadäquater Form zur Darstellung. Begriff der Gottessohnschaft

läßt

Paulus an

Den vollen

Christo erst' in

ursächlichem Zusammenhange mit seiner Auferstehung realisirt sein, dadurch, daß er definitiv in seine messianische Machtherrlichkeit installirt wurde.

Und diese Einsetzung in sein königlich-messianisches

Herrscheramt ist erfolgt in Gemäßheit mit dem Geiste voller Hei­ ligkeit.

Man versteht meistens dieses Kve3p.a cqtuKJuvT;; so, daß

man sich darunter den Geist voller sündloser Heiligkeit, von dem Jesus in seinem irdischen Leben als Davidssohn geleitet worden sei, vorstellig macht, und diesen gewissermaßen als das Bindeglied, als den bedingenden Grund seiner Erhöhung zur messianischen Herrschermacht ansieht. Allein diese Beziehung liegt doch dem Zu­ sammenhange, in welchem dieses irvsop.« dfuoaiSvrj? hier auftritt, sehr ferne.

Ungleich näher liegt jedenfalls die Deutung, nach

welcher die Einsetzung

Christi in messianische Machtherrlichkeit

nicht auf dem Heiligkeitsgeiste beruht, welchen er früher als Da­ vidssohn als höheres seiner odp$ gegenüberstehendes Princip be­ sessen hatte, sondern vielmehr aus demjenigen Geiste voller Heiligkeit, welchen er nach Abstreifung seiner sarkischen Schranke in Folge seiner Auferstehung als Ausrüstung zu seinem königlichen Amt empfangen hat, und noch ge­ genwärtig besitzt.

Mit dieser Auffassung, daß Christo in cau-

salem Zusammenhange mit seiner Auferstehung das

ctsuji«

at-ftw-

ativT); als das höhere, ihn zu seiner heilsmittlerischen Rcgententhätigkeit qnalificircnde göttliche Princip in vollem Maaße zuer-

theilt sei, stimmen auch sonstige Aussagen deffelben Apostels so durchaus überein, daß sie als Stützen für unsere obige Deutung des betreffenden Terminus angesehen werden können. Daß, wenn Paulus von dem letzten Adam sagt, er sei zu einem irveü|ia CoTcotoüv geworden'), nicht daran zu denken sei, daß Christus durch seine Geburt xatA aapxa jene Eigenschaft erlangt habe, sondern nur durch seine Auferstehung zu einem solchen Wesen geworden sei, in welchem der Geist als lebendig machendes Princip in ganzer Fülle vorhanden ist, so daß das out«»; xal lv T Xptanp iravte» CaioiroiTj&ijaovTeii *) durch ihn verwirklicht werden konnte, haben wir bereits oben in einem anderen Zusammenhange gezeigt. Auch die bekannte Aussage des Paulus: 6 81 xupto; xb rveupa luxtJ) be­ zieht sich auf den auferstandenen Christus, und charakterisirt ihn nicht bloß einfach als mit dem Geiste Gottes gesalbten, son­ dern als derartig mit der ganzen Fülle des göttlichen Geistes ausgestatteten, daß er der Geist xat’ iEoy^v ist, sich mit dem Geiste Gottes schlechthin deckt, und eben dadurch für die Seinen als das ihre Freiheit und Glorificirung vermittelnde Princip sich bewährt 4). Es bleibt uns zum Schluß noch übrig, die Aussage des Apostels, daß es Gottes Wohlgefallen gewesen sei, seine ganze Fülle in (dem auferstandenen) Christus Wohnung machen zu lassen, mit einer anderen Stelle in Vergleich zu stellen, die gewissermaaßen als ein Pendant zu jener sich verhält. Im Philipper­ briefe 5) besitzt der h popcp^j &eo5 präexistirende Christus trotzdem doch noch nicht xb etvat foa ös«p. D. h. der Sohn Gottes als das der Welt unbekannte kosmische Centralorgan ist damit noch nicht theokratischer König-Mitregent Gottes, noch hat er die einem solchen gebührende Ehre und Anerkennung. Auf dem Wege ge­ waltsamer Usurpation hat der Sohn Gottes das, was ihm noch ') 1. Eor. lf>, 45.

2) Ebtiid. D. 22. 3) 2. Gor 3, 17, s. unsere Erklärung zu d. Stelle. 4) Ebend. D 18; vgl. Rom. 8, 11. 5)

2,

260

Kap. I, li# (-XVjptufjta).

fehlte, und worauf er als mit den wichtigsten Funktionen des Naturreiches betrauter, einen gewissen Anspruch hatte, sich doch nicht angeeignet. Im Gegentheil als schlechthiniges Vorbild derer, die nicht auf das Ihre, sondern auch auf das der An­ deren blicken'), hat er sich selbst der hohen Stellung, die er bei Gott hatte, entäußert, hat Knechtsgestalt angenommen und in dieser tiefsten Demüthigung einen selbst bis zum Kreuzestode reichenden Gehorsam gegen des Vaters Willen bewährt. Um dieser äußersten That der Seblstverleugnung willen, hat Gott ihn über seine bisherige (einseitig kosmische) Herrscherstellung hinaus") erhöht, und ihm durch die Verleihung des Namens xupios die Würde als König-Mitregent für das neu aufzurichtende heilsökonomische Reich Gottes verliehen; womit zugleich die hul­ digende Verehrung sämmtlicher intelligenter Geschöpfe des Uni­ versums ihm als gebührender Tribut überwiesen ist. Diese Stelle hat mit der uns hier beschäftigenden des Colofferbriefes insofern eine nahe Verwandtschaft, als auch sie uns den Beweis liefert, welche tief einschneidende, grundlegende Be­ deutung die Auferstehung Christi in dem historischen Processe, auf welchem er messianisch-theokratischer König, Oberhaupt der Kirche geworden ist, für das Bewußtsein des Apostels hat. Ju den judenchristlichen Lehrbegriffen kann die Betonung dessen, daß erst mit der Auferstehung Christi seine messianische Herrscherfunction beginne, weiter gar nicht befremden. Nicht in demselben Maaße scheint jenes selbstverständlich in solchen urchristlichen Lehrgebilden zu sein, in welchen schon dem präexistirenden Sohne Gottes so hohe regimentliche Funktionen beigelegt worden, Wenn trotzdem sowohl von Paulus als von dem Verfasser des Hebräerbriefes dem auferstandenen Christus eine höhere Position beigelegt wird, als betn präexistirenden: so ist der einfache Grund hiervon der, daß das metaphysische Moment nur die Vorbedingung für das ') Phil. 2,4 f.

2) Daß die ganze christologische Stelle ihren Sinn verliert, wenn man das unepu^wae nicht so, wie im Texte geschehen ist. deutet, wird der Derf. an einem anderen Cvtc naher begründen.

Kap. I, 19 (rXr'ipiuua).

261

religiöse Moment im engeren Sinne ist, und umgekehrt, das heils­ ökonomische Verhältniß die Vollendung des kosmischen.

Der für

das Paulinische Bewußtsein als persönliches Heilsprincip vorwie­ gend in Betracht kommende Christus ist zu derjenigen Herrscher­ stellung, die er gegenwärtig der Kirche gegenüber einnimmt, aller­ dings von Ewigkeit her bestimmt gewesen.

Allein die unmittel­

bare Basis, auf der jene beruht, ist doch keineswegs diese meta­ physische Gottessohnschaft, sondern die göttliche Allmachtsthat der Auferweckung, in Folge deren er auf Grund seines vorangegan­ genen Lebens in Selbstverleugnung bis zum Tode, sowohl die äußere Herrschastsgewalt über die Kirche erlangt, als auch zugleich mit solchen göttlichen Kräften und Geisteseigenschasten im vollsten Maaße') ausgestattet ist, um seine Heilsmittlerische Funktion als adäquates Abbild des unsichtbaren Gottes vollziehen zu können. Während nun die oben in Betracht gezogene Stelle des Philipperbrieses dem concreten Zweck, zu dem sie in dem betreffen­ den Abschnitt auftritt,

entsprechend, die Installation Christi in

sein Reichsregentenamt mehr nach ihrer glänzenden Außenseite dar­ stellt, und dabei auch die himmlischen Engelwesen als ihm dem hoch über sie erhabenen huldigende namhaft macht ft: so bildet zu jener Ausführung unsere Colosserbriefstelle gewissermaaßen das Complemcnt, indem sie darauf hinweist, daß der Gesammtcomplex der göttlichen Geisteseigenschasten, Lebens- und Erlösungskräfte, inneres habituelles Eigenthum dessen geworden sei, der als Erst­ ling von den Todten den Seinen den Weg des ewigen Lebens eröffnet, und deffen Besitz der ganzen Fülle Gottes für seinen allseitig erlangten Primat, auch vor den höchsten angelifchen Geistesmächten, den evidentesten Beweis liefert'). — ') Lgbs.: t6 rXVjpcDfjLa denoting the totality of the Diwine powers and attributes. 2) Dgl. auch Rom. 9, 5 6 u>v ravriuv Oeö«. Daß d. Subjekt Christus sei, und in welchem Sinne er so genannt wird, darüber vgl. H. Schultz, Jabrb. s. d. Theol. XIII. (1268) 462-506. Weiß. bibl. Theol. d. N. T. 3. Aust. S. 283. 3) Col. 2. 19 verhält sich also zu Phil. 2. 9f.; Röm 9, 5 (vgl. 14, 9), wie Zes. 11 zu Ies. 9. Modernen Heidenchristen, d. h. solchen Theologen, die

V 20. Hatte im vorigen Verse der Apostel den allseitigen Primat, den Christus als Haupt seines Leibes, der Kirche, zu er­ langen bestimmt war, dadurch begründet, daß er darauf hinwies, wie in ihm die ganze Fülle Gottes sich bleibend niedergelassen habe: so folgt jetzt ein zweites Moment, aus dem nicht minder die alles überragende Stellung Christi im Reiche Gottes hervor­ leuchtet. Dasselbe ist in dem, ebenfalls von süooxt;« abhängigen, Infinitivsätze gegeben: x«t 6t’ aoxou otJMxaxaXXasatt xi mfvici eic aoxov, e?pr(voToir^ axaopoö aurou. 6t’ aöxoö, evxe tat i-t tf(s pjc £tre xa ev xot; oopavot?. Was zunächst die

formale grammatische Construction desselben anlangt, so ist sie für jeden, der nicht mit der Absicht umgeht, von vorneherein fremdartige Hintergedanken in den Text einzutragen, vollkommen durchsichtig. Das Subjekt in dem Infinitiv äKoxaxaXXa'Sat ist natürlich aus eö86xr(ae zu entnehmen, und kein anderes als Gott; auf diesen weist auch das tk aoxov zurück. Mit Nachdruck ist in dem 6t’ atkoö die Person vorangestellt, derer sich Gott als des Mittlers bei seinem ämxax. bedient hat; und, damit eben dieselbe dem Bewußtsein der Leser als die schlechthin einzige, mit Aus­ schluß aller anderen etwa in Betracht kommen könnenden noch ein­ dringlicher eingeprägt werde, wiederholt der Apostel dieses 5t’ «6xou vor efxe X. X. X. ’). Das Subjekt in et’prjvorrotisüa; ist natürlich sich, ohne sich um die alttestamentlichen Grundlagen des Paulinischen Lehrbe­ griffes zu bekümmern, denselben a priori aus gewissen abstrakten indogerma­ nischen Kategorien zu construiren sich angelegen sei» lassen, wird man solch« für uns „Zudcnchristen" selbstverständliche Wahrbeiten, niemal» andemonstriren können. Der Derf. wird sich daher begnügen müssen, vielleicht bei einigen alt­ testamentlichen Theologen einiges Verständniß und einige Anerkennung für seine Bestrebungen zu finden, da bei der Mehrzabl der neutestamentlichen alle Vorbedingungen fehlen, um über gewisse Grundanschauungen des Paulinismus in's Klare zu gelangen. *) Dieses zweit« 8t’ ai>xo5 ist von Lachm. cd. maj. und Treg. nach BD*FGL min. patr. allerdings ausgelassen, jedoch von Tisch, auf Grund von « ACD*> eV EKP al. u. E mit Recht im Texte belassen-, die Worte sind wohl „nur durch zufälliges Versehen, auf Veranlassung des Homoioteleuton mit dem vorhergehen­ de» aixoö ausgefallen" (Bleck).

Gott, nicht Christus, da Paulus nicht efpi;roir1(javTos geschrieben hat, und der Nominativ etpijvorotr^a? x. x. X. nur eine Näherbestimmung des in dem eu8öx>jv

texvojv

xoü tkoj.

sich nur auf jene beschränkt: so eröffnet sich in unserer Stelle inso­ fern ein weiterer Horizont, als auch lv tot? oupavot; als von jener Aussöhnung mitumfaßte ausdrücklich angegeben werden. Der Ge­ danke, daß auch in den himmlischen Regionen befindliche Geistes­ wesen als einerAussöhnung mitGott fähig und bedürftig vom Apostel vorausgesetzt seien, erschien lange Zeit hindurch als so sehr aller Schriftanalogie widersprechend, daß man allerlei Mittel anwendete, um an seiner Statt etwas anderes aus dem Texte herauszulesen. Selbst nachdem Calvin schon den durchaus richtigen Gesichtspunkt eröffnet, und nachgewiesen hatte, daß die Schrift Stellen darbiete, in denen keineswegs eine absolute Sündlosigkeit der guten Engel vor­ ausgesetzt werde'), hörten Bestrebungen nicht auf, im grellen Wider­ sprüche mit den Textesworten etwas derartiges in ihnen ausgedrückt zu finden, wonach der Apostel von einer Friedensstiftung oder Ver­ söhnung zwischen irdischen und himmlischen Geschöpfen (!) geredet haben sollte. Das Sachvcrhältniß ist vielmehr einfach das folgende. Schon die Genesis berichtet von einer Störung, die im himm­ lischen Geisterrciche dadurch herbeigeführt wurde, daß die Bnc hoelohim sinnlichen Reizen zugänglich in menschliche Kreise sich übermüthige Eingriffe erlaubten'). Vorzugsweise aber wird im Buche Hiob, obgleich es den Engeln den Namen der c'BHj? bei­ legt, diese Heiligkeit als eine sehr limitirte ausgesprochen, und ihnen Irrthum und Unzuverlässigkeit zur Last gelegt'). Nehmen ]) Sed tarnen duabus de eaussis angelos quoque oportuit cum Deo pacificari . nam quum creaturae sint, extra lepsus pariculuum non erant nisi Christi gratia fuissent confirmati... Deinde in hac ipsa obedientia, quam praestant Deo, non est tarn exquisita perfectio, ut Deo omni ex parte et citra veniam satisfaciat. Cf. Ode, 1. c. p. 451 seq.

-) Gen. 6, 1 — 3; Buch Henoch Cap. 6 — 11; Buch der Jubiläen Cap. 4; Brief Judä D. 6; 2 Petr. 2, 4. Dgl. Dillmann, Buch Henoch S. XLIfgb. — H. Schultz, Alt. Theol. S. 118 ff., wo die Ansicht, daß die „Gottessühne" — Se­ tzten, als unmöglich erwiesen ist. 3) 4, 18. „Siehe seinen Knechten traut er nicht und seinen Engeln legt er Irrthum zur Last" (nbn.Fl C^tf” PDNbz?) LXX xaxd U o>v auxou txoXidv Ti iTTEvdr^ev). 15, 15: „Siehe seinen Heiligen traut er nicht, und der Himmel ist nicht rein vor seinen Augen". Dillmann zu 4, 18: „Daß unter den Dienern und Boten nicht Menschen, sondern höhere Wesen, also Engel

Ädt). I, 20.

268

wir hinzu Stellen wie Ies. 24, 21 ff.; Psalm 82, 1, denen wir zu Col. 2, 15 eine nähere Aufmerksamkeit schenken werden: so erhalten wir eine Anschauung von den sittlichen Eigenschaften auch der so­ genannten guten Engel, nach welchen sie ganz wohl als Objekte einer vollkommenen Aussöhnung mit Gott durch Christum darge­ stellt werden können. Fragen wir nach dem Motiv, welches den Apostel geleitet habe,

der von Gott durch Christum in Vollzug gesetzten Ver­

söhnung eine so weite, die Himmelsbewohner mit einschließende Ausdehnung

zu geben:

Jntereffen zu suchen.

so ist auch hier dasselbe in polemischen

Die Engel sind, weit entfernt ihrer geistig-

sittlichen Qualität gemäß jetzt noch dazu geeignet zu sein, als ak­ tive Versöhnungsmittler auftreten zu können,

vielmehr selber

erst von Gott durch Christum in einen solchen Zustand versetzt worden, in welchem sie mit Gott in vollem Frie­ den, in ungetrübter Harmonie stehen.

Wie sie durch die

Vermittelung Christi in's physische Dasein gelangt sind (V. 16), so haben sie auch durch eben denselben, mit den irdischen intelli­ genten

Geschöpfen zusammen,

eine Qualifieation erlangt,

(vgl. zu 1, 0) zu verstehen sind, folgt theils aus der Natur majori ad minus], theils aus 15, 15 Selbst auf sie, die Dienste betraut, traut er nicht, nämlich weil auch sie nicht lässig sind, nicht unveränderlich in ihrer Tugend. Auch in schreibt ihnen bei als möglich bei ihnen

nbnpV

kraft

des Schlusses [a doch mit seinem schlechthin zuver­ sie seht er d. b.

Nicht — pravitas, improbitas

auch nicht „Thorheit", sondern = Irrthum (nach dem Aethiop.). Selbst die Engel achtet Gott für irrthumsfäbig Nicht als würden hier wirklich begangene Sünden der (guten Engel ausgesagt, sondern die Meinung ist, das; selbst den Engeln, den moralisch vollkommensten Geschöpfen, die Schranke des geschöpflichen Geistes anhaftet, und auch ihnen unveränderliche Vollkommenheit und Jrrthumslosigkeit nicht zukommt. Immerhin eine merkwürdige Stelle, zumal man sie mit 21, 22 und 25, 2 combinirt, zugleich wird daraus klar, daß der Ausdruck D'fcHp (5, 1; 15, 15 ist."

Dgl. Ewald,

auch von den Engeln nur relativ zu verstehen

die Lehre d. Bib. v. Gott II, ©. 2V9 f.

Dgl. Midrasch

(Elijabah rabba c. 5) mit Bezug auf Ies. 33, 7: In den Tagen des Sohnes Davids werden die Frevler draußen schreien, daß sie nicht auf Gottes Wort ge­ hört, und die Engel des Dienstes drinnen, daß sie nicht des hohen Glückes der Gerechten gewürdigt (vgl. 1. Petr. 1, 11); bei Delitzsch, Hebr Br. 69 '11 um. 2. — S. auch Weber, Syst. d. altsyn. Th. S. 102.

Kap. I, 20.

269

welcher sie erst zu Gliedern (nicht Häuptern) des Leibes Christi, der Kirche geworden sind. Auch hier also werdm vom Apostel die Engel mit den Menschen in so ferne in eine Linie gestellt, als auch jene das, was sie in der neuen Lebensordnung des Reiches Gottes find und besitzen, nur der durch Christum voll­ zogenen Versöhnungsthat Gottes verdanken; als auch den Heiligen im Lichte ihr xX^po? nur aus der Grundlage eines sie dazu taug­ lich machenden Actes des göttlichen Vaters durch seinen eben­ bildlichen Sohn zu Theil geworden,ist (vgl. V. 12). Wird diese Betrachtungsweise uns vollkommen nur aus der polemischen Tendenz unseres Briefes verständlich, so würde es un­ billig sein, zu jener aus den älteren Briefen des Apostels direkte Parallelen fordern zu wollen. Indeß glauben wir wenigstens die Verpflichtung zu haben, die Keime einer so universell gefaßten Versöhnungslehre, wie sie hier vorliegt, bei Paulus aufzuweisen; weil nur, wenn jene irgendwie constatirt sind, cs bis zu einem gewiffen Grade psychologisch begreiflich gemacht werden kann, wie, nachdem einmal die Irrlehre eine Cooperation der Engel bei der Versöhnung der Gläubigen statuirte, es sich dem Apostel sehr nahe legen mußte, die Keimpunkte einer mehr oder weniger unbewußt­ universellen Anschauung mit vollem Bewußtsein weiter dahin zu entfalten, daß die Engel aus aktiven Versöhnungsmittlern zu passiven Versöhnungsempfängern depotenzirt würden. Wenn Paulus 2. Cor. 5, 19 den xo^uo« als das Objekt der versöhnenden That Gottes in Christo namhaft macht, so werden wir an der bezüglichen Stelle keinen Grund haben, unter xo; . . . vuvt 5e äroxcccr'X/.a'e'), eine leichte anakoluthische Wortfolge in so ferne zu constatiren ist3), als das o£ eigentlich hätte fortbleiben sollen.

Psychologisch erklärt

sich diese syntaktische Anomalie einfach so, daß der Apostel zwei ursprünglich getrennte Gedanken,

die zwar einst bestandene Un­

würdigkeit der Leser, und die trotzdem jetzt an ihnen vollzogene göttliche Heilsthat, enger mit einander verknüpft hat, und dabei doch noch das den ursprünglichen Gegensatz verrathende 8s als Rudiment hat stehen lassen, um das in der Gegenwart Vorge­ gangene in schärferen Gontraft mit dem früheren Zustande der betreffenden Subjecte zu stellen.

In der von Lachmann bevorzug­

ten Lesart imxa-z^kkäyr^s4) liegt offenbar ein Versuch vor, dem Satze eine größere stilistische Regelmäßigkeit zukommen zu lassen; wodurch aber die Sache nur noch schlimmer gemacht wird. Denn in diesem Falle ist man genöthigt, xal ujxä? nozk ovxa; x. t. X. in unnatürlicher Weise entweder noch von dem Infinitiv dmxazaXkdiai V. 20 abhängig zu machen; oder anzunehmen, daß P., als er den ') Dgl. 2. Cor. 5, 20; Röm. 10, 19—21. *) Bezeugt von euch nun versöhnt", *) Winer 531. 4) Bezeugt von

x ACDcEKLP al. — Ueber den aoiist. drox. „hat s. Duttmann 171. Dgl. Krüger § 69, 17 Anm. 4. B. 17; indirekt von D*FgrGde al. (dTroxaXXayevtec).

Satz anfing, die Absicht gehabt hätte, das Activum zu gebrauchen, davon aber in der Beweglichkeit der Vorstellung abgesprungen sei; die Worte duoxanjXXaifTjts 8k — öavatoo nach der ersteren Annahme als Parenthese anzusehen, und endlich vor der Frage, wovon der Infinitiv itapaatTjuai (93. 22) abhängig sei, rathlos dazu­ stehen. Adoptircn wir deßhalb die recipirte Lesart, und suchen wir ihren Sinn näher zu erläutern: so fragt sich zunächst, als in welchem Zustande befindliche, die heidenchristlichen Leser des Briefes zu der Zeit, als der Act der Versöhnung an sie herantrat, vom Apostel charakterifirt find. Wenn er sie zunächst äir>;XXoTpt|isvout nennt, so ist nicht grade eine unbedingte Nöthigung vorhanden, dies Partie, pcrf. im streng passivischen Sinne derartig auszu­ deuten, als seien die Leser in ihrer früheren Eigenschaft als Heiden von Gott aus seiner Nähe fortgewiesene, ferngehaltene anzusehen. Vielmehr macht der Sprachgebrauch der LXX') es möglich, das dit/;XXf)Tpta>|x£vouc so zu beurtheilen, daß die betreffenden Subjekte, sich selbst von Gott entfremdet, aus seiner Nähe sich entfernt hatten, und demnach in einem Zustande des ihm Abgewendctseins sich befanden. Wie dieser Proceß des sich von Gott Entfremdens bei den Heiden sich vollzogen hat, ist bekanntlich Rom. 1, 21 ff. vom Apostel eingehend entwickelt worden. Er ist in seinem Be­ ginn ein von den Heiden spontan eingeleiteter und selbstverschuldeter, wird aber freilich im weiteren Verlauf seiner Entwickelung als ein durch göttliche Strafvergeltung gesteigerter zugleich passiv er­ fahren. Zn Rücksicht aus diesen letzteren Umstand könnte man deßhalb allenfalls auch ämr,XXoTp«i>(iivoo( im streng passiven Sinne nehmen ’), wenn man nur dieses Ferngehaltenwordensein nicht als l) ^ 58, 4 a7T7}XXo7p(u>ib;Xo< arb fi^xpa;, ^TrXav^Tjaav xaxd xdc xap8(ac auxtiv xd; dTrTjXXoxpui>|j.£vac dir' ipioO h rot; MupujpLaat auxaiv. D. 7 8idxc dv^pturcoc .... ix zwv r:poar^ Xvxuiv xwv TcpoaTjX'jTEud'rrtov iv ’lapaTjX, £dv d7raXXoxpiti>&-g dir’ ijioö, xctl ^ xd ivtbpL^axa auroü irl ttjv xap8pot in activischer Bedeutung, so paßt der nähere Zusatz, Stavota ev toTc ep^ot? toi» rov^pot» ganz wohl zu derselben. Es würde nemlich durch den Dativ Siavota an­ gegeben werden, wodurch die feindselig gegen Gott gerichteten Heiden diesen ihren Gegensatz geäußert oder an den Tag gelegt hätten, und dies wäre dann die Sia'vota £v toi» ep-f. t. -. Der formalen Möglichkeit nach läßt sich das £v t. Ip-p t. ir. ansehen, entweder als im coordinirten Verhältniß stehend zu Stavota:, oder so eng mit diesem letzteren verbunden, daß es — £v t, auTiüv. Matth. 22, 37.

toic -poaTaYfiaat xvpi'ou. 89, 1 xal Siavoou^ 78, 8 SievoVjft^aav xal iXa'X^aav gv rov^pfa. ft LXX: vgl. Luc. 1, 51 vi;:epy,&avov>; Stavota xapota;

Kap. I, 21.

285

kennen, in jenen sich einen faktischen'Ausdruck gab'). Demnach würde also der Apostel die Leser als frühere active Feinde Gottes bezeichnet haben, bei denen ihre Feindseligkeit sich in der Gesinnung zu erkennen gab, die in ihren lasterhaften Werken nach Außen hin in die Erscheinung trat. Bekanntlich werden auch im Römer­ briese') die eine Versöhnung erfahren habenden Subjekte ix8P°‘ genannt, wo man die Wahrscheinlichkeit, daß auch hier der active Sinn des Wortes zu statuiren sei, dadurch irgendwie motiviren kann, daß man auf die vorangegangene Bezeichnung derselben Subjekte als daspei? (5,6) dpaptiuXot (5,8) zurückweist. Im letzten Grunde aber dadurch, daß man die Liebe Gottes als das letzte in Gott erkennbare Motiv aufzeigen kann, aus dem Paulus (Rom. 5,10), den für uns übernommenen Opsertod Christi herleitet, neben welcher ein Zorn Gottes als zeitweilige Bestimmtheit seines Wesens, durch welchen allein die betreffenden Subjekte ix8Pot' im passiven Sinne sein könnten, nicht statuirt werden dürfe. Da nun Paulus sich nie solcher Ausdrucksweisen bedient, in denen Gott als der durch das blutige Opfer Christi versöhnte, als der aus einer zornigen, gegen die Sünder feindseligen Stimmung in eine gnädige umgewandelte erscheint, sondern der Apostel immer nur die Menschen als mit Gott ausgesöhnte darstellt: so geht der bei der Versöhnung, stattfindende Umwandlungsproceß nicht in Gott vor, sondern nur in dem Innern der menschlichen Subjekte, die sich in Folge empfangener Nichtanrechnung ihrer Uebertretungen, nunmehr nicht mehr als Feinde Gottes, sondern als in eine andere Richtung gebrachte wiffen. Ziehen wir dagegen die andere Möglichkeit in Betracht, daß das ix9Pot' auch passivisch verstanden werden kann. Diese An­ nahme ist zunächst dadurch näher gelegt, als unbestritten £xftP01' we­ nigstens im classischen Sprachgebrauch ungleich häufiger in passiver Bedeutung vorkommt. Der sich hier findende Zusatz tq Sumta i t. ’) Gegensatz zu rdt Hebr. 9, 7; vgl. Act. 3, 17. — Diese 8iavoia tritt klar zu Tage in dem Ausdruck ulol xfj; d-etOcta; (Sol. 3, 6; vgl. äMxtfjLov voüv Rom. 1, 26. z) fi, 10.

L t.

läßt sich bei dieser Annahme vollaus so gut erklären, wie

k.

wenn iyöpoi activisch jener in

aufgefaßt wird.

Die Leser würden nach

ihrer Eigenschaft als ftühere Heiden als deo invisi s.

exosi charakterisirt sein, wegen, oder in Anbetracht') ihrer sich in bösen Werken kund gegebenen Gesinnung.

Da nun die Leser un­

mittelbar zuvor als von Gott abgewendete (dmjXAoTpuujm-oo;) be­ zeichnet waren, so kann man sicher die Zusammenstellung zweier Eigenschaften, mit deren ersterer die Darstellung räumlichen Fern­ seins, mit deren anderer (ly&pouj) die Anschauung eines activ feindlichen Sichwendens gegen Gott unzertrennlich verknüpft ist, nicht grade als eine besonders natürliche bezeichnen; und wir können

getrost dem Urtheile Anderer die

Entscheidung

anheim

stellen, ob sie in der Ritschl'schen Deutung') diesen Hiatus ohne Künstelei beseitigt finden wollen. Bei der passiven Bedeutung von iydpotk waren die aus verschuldetem Thun von Gott Entfremde­ ten natürlich

Gegenstände

zürnenden

göttlichen

Mißfallens

in

Rücksicht auf ihre, sich in den offen vor Augen liegenden grellen sittlichen Vergehungen manisestirende Gesinnung. In keinem Falle scheint demnach Ritschl') zu der Behauptung berechtigt, daß, so­ wie das Substantivum ey 9pa im N. T. (Röm. 8,7; Jac. 4, 4) in activer Bedeutung vorkommt, sie sich auch als nothwendig fftr das Adjectivum in der Verbindung sydpot Trj owv. L t. L t. r. ergebe,

„denn der active Sinn

des geistigen Organs und der

äußeren Erscheinung verbürgt den activen Sinn dieses Wortes". Was allein zugestanden werden kann ist nicht die Nothwendig­ keit,

sondern

die Möglichkeit des activen Sinnes für iyi)pot

in der betreffenden Verbindung, der eine entgegengesetzte Möglich­ keit nicht bloß vollberechtigt gegenübersteht,

sondern bei

welcher

letzteren zugleich noch das passive ly&pou? sich anschaulicher und l)

Dativ des Grundes, Beweggrundes, der Ursache,

Kühner II, § 425, 8

(S. 380 fgd.); Krüger § 48, 15 Anm. 5. Winer 202 fgd. *) „Denn wenn auch das aktive £y8poc tiü foul als Prädicat des Sünders räumlich betrachtet die Richtung auf Gott einnimmt, so bedeutet es doch sachlich eine von Gott als dem eigentlichen Zweck und Ziel abgewendete Rich­ tung".

Der christl. Velirc von d. Rechtfertigung u. Versöhnung II, 228.

3) Ebend.

symmetrischer an ) Röm. 1, 18—32. s) Röm. 2, 21-24, vgl. 17-20. ’) .Wo di« menschlich« Sünde Gottes Heiligkeit und EKr« antastet, vor Allem also, wo Israel den Bund verletzt, welchen Gott mit ihm geschlossen hat, oder wo die heidnischen Völker Gott in seiner Ehre und in seinen Heilszielen befeinden — aber überhaupt, wo etwas geschieht in Israel, was der Heiligkeit, welche diesem Volke geziemt zuwiderläuft, da erbebt sich Gottes Zorn und heiliger Eifer".

Gen. 6, 6; 9?um. 12, 0; 6*. 32, 10ff.; Jos. 7, 26 u. s. w.

Herm. Schultz, A. T. Tbeol. S. 520.

Kap. I, 21.

291

Liebe Gottes in ihrer größten Intensität, als eine wohl begrün­ dete äp-p? gegen dasßetc durch Mitleid (Erbarmen) gegen ds9evet< (SS. 6) zu überwinden war: so kann Paulus einen Schluß a ma­ jori ad minus machend, denen, die als Gerechtfertigte in dem Opferblute Christi Deckung') vor dem Zorne Gottes gegenwärtig bereits erlangt haben, eine Verschonung von dem am großen Ge­ richtstage sich künftig in Vollzug setzenden Zorne in um so sicherere Aussicht stellen, als ja offenbar in diesem letzteren Falle von der Liebe Gottes eine weit geringere Selbstüberwindung als in dem ersteren vorauszusetzen ist (V. 9). Wenn nun Paulus in dem mit fdp angefügten V. 10 diesen Schluß näher erläutert: so wird sich fragen, welche an sich mögliche Auffaffung der betreffenden Worte sich als die wahrscheinlichere, dem Zwecke der Beweisführung angemessenere empfehlen möchte. Ob die: denn wenn wir, da wir von feindlicher Gesinnung gegen Gott beseelte waren, in eine solche Richtung zu Gott gebracht find durch den Tod seines Sohnes, in welcher unser Wille ein ihm nicht mehr widerstrebender ist: um wie viel mehr werden wir als diese in eine andere Richtung ge­ brachten Errettung finden in seinem Leben? Oder die: denn wenn wir, da wir (um unserer cbsßeta wegen) Gott verfeindete waren (Gott als Zürnenden wider uns hatten), in eine objektiv verän­ derte Stellung Gott gegenüber versetzt worden sind durch den Tod seines Sohnes (durch den als Sündopfer uns Gott Deckung ge­ währte gegen seinen Zorn): um wie viel mehr u. s. w.? Giebt der Apostel der von der judaistischen Logik in's Schwanken zu bringen versuchten Christenhoffnung dadurch eine festere Unterlage, daß er die Leser einen Schluß ziehen läßt von ihrer in Folge einer göttlichen That veränderten subjektiven ethischen Willens­ richtung auf etwas künftig von Gott zu Erhoffendes; oder von dem, was Gott objettiv an ihnen als seiner Liebe unwürdigen, von seiner Seite aus ausgerichtet hat, auf das, was ihnen, über die nunmehr Gottes Gegnerschaft oder Zorn aufgehoben ist, und ') *)02 (Xu-rpov) Sühn- ober öösegeld. — Dgl. Riehin, Begriff bet Sühne im A %. (€tubb. u Krik. 1877. I. Deikenbe imb schützenbe Gabe, sei es mit, sei es ohne ben Nebenbegriff bei Substitution).

denen feine Gnade passiv zugewendet ist, in der Zukunft von dieser letzteren werde zu Theil werden? Wenn man in Rechnung stellt, daß- Paulus das ypov^p.« -njc aatpxo? für gegen Gott ge­ richtete Feindschaft (eydpa etc ösov) erklärt, und er dieses Urtheil durch die Thatsache erläutert, daß jenes Lichten und Trachten des Fleisches sich dem Gesetze nicht unterordnet (Röm. 8, 7—8); wenn einem andererseits aus dem paulinischen Lehrbegriffe nicht unbekannt ist, wie mächtig das sarkische Princip im Menschen ist, und wie nur schrittweise es bei dem Wiedergeborenen von dem entgegengesetzten Princip des m-eCfia überwunden werden müsse: so wird man dem entsprechend auch die aktive Freundschaft des Menschen gegen Gott, die ihr Maaß an dem Gotte zu Gefallen leben, an der Erfüllung seines Willens hat, immer nur als eine werdende, unvollkommene und relative ansehen dürfen. Und die Reflexion auf diese aus Feindschaft in Freundschaft gegen Gott um­ gewandelte Gesinnung, die xccraXXcrp^ welche „ein ethischer Begriff ist, welcher die Anschauung der menschlichen Selbstthätigkeit ein­ schließt" (Rischl), die also als solche dem Processe des Wachsthums sowie steten Schwankungen unterworfen ist, sollte Paulus an einem Orte, wo er die sittlich regenerirende Kraft des h. irvsöp.« noch gar nicht einmal in Betracht gezogen hat, als Unter­ lage eines Schlusses den Lesen, dargeboten haben, um darauf ihre Hoffnung aus eschatologische Erlösung (Verschonung) zu gründen? Wie wenig dies der Fall gewesen ist, wie er vielmehr das Aus­ gesöhntwordensein von lyöpot mit Gott durch den Tod seines Sohnes zum Mindesten principiell als eine Entlastung Gottver­ feindeter von dem ihnen gebührenden Zorne Gottes durch den Sühnopfertod Christi aufgefaßt habe, aus welcher deren künftige Sicherstellung vor dem Gerichtszorne durch das Auferstehungs­ leben Christi als das geringere von Gott zu Vollziehende gefolgert wird: kann man aus Röm. 5,11 ersehen, wo der Apostel von den Gläubigen erwartet, daß sie mit Rücksicht auf die Bündigkeit des eben gezogenen, ihr ewiges Heil sicher stellenden Schluffes, Gott zum Gegenstand ihres Rühmens machen, wobei dasselbe durch Jesum Christum vermittelt sein solle, durch den als Mittler die

Gläubigen jetzt die xaxaXXaYi), offenbar nicht in der Eigenschaft einer aktiv ethischen, Gott zugewendeten Willensrichtung, fottbem in der Eigenschaft eines objektiv göttlichen Gnadengeschenkes, be­ stehend in der Aufhebung seines Zornes über ihre Gottlosigkeit, und Nichtanrechnung ihrer Uebertretungen, passiv hingenommen haben (8t’ ou vüv T7)v xaToXXcrpjv iXaßafxev). Ergiebt sich schon aus der oben in Betracht gezogenen Stelle, in der Paulus den Act der Versöhnung passivisch darstellt (xanjXXd■pitiev), die zum allermindesten weit überwiegende Wahrscheinlich­ keit, daß ix&P01' im passiven Sinn zu verstehen, und ebendamit die Versöhnung als ein unter Gottes Zom gestandenen Subjeften zugewendetes Gnadengeschenk durch Christi Sündopfertod vermit­ telter Sündenvergebung anzusehen sei: so wird diese Wahrschein­ lichkeit noch verstärkt durch eine Stelle, wo der Apostel den Act des Versöhnens activisch als einen von Gott mittelst Christum in Vollzug gefetzten darstellt. Paulus schreibt 2. Cor. 5, 19: «Sk oxt t)el< f(v iv Xpiaxtp xoajiov xaxaXXdaawv iatmp. Darf hier der Gedanke gefunden werden, Gott habe in Christo die aus activen Feinden bestehende Menschenwelt zu einer' ihm freundlich gesinnten umgewandelt? Angesichts deffen, daß der Apostel selbst dies ?,v xoTaXXdaaiuv als so sich verwirklichend beschreibt: p/q Xo^tCopsvot aöxoie xd napaitxtujiaxa xal Oiftevot lv

xöv Xo^ov xaTaXXap^ ?

Tritt denn hier etwa die Versöhnung als Consequenz der Nicht­ anrechnung der Verfehlungen, oder nicht vielmehr deutlich die Nicht­ anrechnung der Verfehlungen als Ausführungsmodus des r,v xaxaXXdaomv zu Tage? An diesen reiht Paulus als -zweiten Ver­ wirklichungsmodus seines aussöhnenden Thuns seine Bestallung mit dem Worte, dessen Inhalt die Versöhnung bildet. In der Eigenschaft eines Botschafters für Christus ruft er, wie wenn Gott selbst seine Mahnung durch ihn ausrichtet, den Lesern zu: laßt euch mit Gott aussöhnen! Diese Aufforderung hat doch nur in dem Falle einen Sinn, wenn das, was Gott bei der Versöh­ nung der Welt mit sich (Gott) selber gethan hat, nicht schon darin bestand, daß er die Menschen nach vorangegangener Sündenver­ gebung in ein thatsächlich neues und anderes Verhältniß, in wel-

294

Kap. I, 21.

chem eine selbstthätige Willenszuwendung ihm gegenüber zu constatiren ist, gebracht hat; sondern vielmehr darin, daß Gott selber den Menschen gegenüber ein anderes Verhalten darin documentirt hat, daß er ihre Uebertretungcn nicht in Rechnung stellte, und nunmehr, nachdem er den Grund, weßwegen die Menschen sich vor dem in seiner Ehre gekränkten Gott zu fürchten hatten und dem Beleidigten in scheuem Mißtrauen gegenüberstanden, hinweg­ geräumt hat, durch seine Sendboten zu ermahnen, nunmehr auch ihrerseits die ihnen angebotene Versöhnungsgnade anzunehmen. Wären dadurch, daß Gott in Christo die Welt mit sich selber aus­ söhnend war, die die Welt bildenden Menschen nach empfangenem Sündenerlaß aus activen iyßpoi bereits zu activen 8sip öpeoxovte« geworden: so wäre offenbar eine an sie gerichtete Mahnung: lleisi xatdXXa'pj-e nicht mehr von Nöthen.

Dagegen wird diese letztere

zur Nothwendigkeit, wenn die Sündenvergebung der Versöhnung nicht vorausgeht,

sondern die letztere in der ersteren sich zu­

nächst derartig realisirt, daß Gott ihm früher Verfeindeten ob­ jectiv etwas zuwendet, das Zugewendete ihnen als freies Gnaden­ geschenk anbieten läßt, zugleich mit der Aufforderung, sich dasselbe nach Fahrenlassen aller Furcht vor Strafe, aller Intentionen, das Verschuldete etwa durch äußere Gesetzeswerke wieder gut zu machen, sich subjectiv zu eigen zu machen.

Mit anderen Worten: die Ver­

söhnung erscheint bei Paulus nicht als Consequenz vorangegangener Sündenvergebung, sondern umgekehrt, die Versöhnung ist, da sie principiell als Nichtanrechnung der Verfehlungen sich verwirklicht'), die objective Voraussetzung, der allgemeine vorbedingende Grund für die Rechtfertigung, welche letztere das zunächst von Gott als einen in der Versöhnung der Welt in Christo mit sich, summarischen Jnitiationsact Vollzogene für die Subjekte individualisirt, welche der Auffordernng nachkommen: xaxaXXcqijTe Tip Oe. l) Paulus schreibt 2 Cor. b, 19 nicht fxrj Xoftac^evo;, sondern ^ AoftCofxevo;. Auch wenn dies Partie. AoyiCdfievoc nicht als Partie, prass., sondern impcrfecti angesehen wird, kann es unmöglich als eine dem xaiaXAdaacov vorausgegangene,

sondern als eine mit dem

xatoXAdacnov gleichzeitig sich

verwirklichende Handlung angesehen werden, in welcher das in der Vergangen­ heit statt gefundene versöhnende Thun zur Erscheinung gekommen ist.

Kehren wir nach den an parallelen Stellen gemachten Erfah­ rungen über die Bedeutung von £x®Pot' als den Objekten des gött­ lichen Versöhnungsactes zu unserer Stelle im Colofserbriese zurück: so wird sich fragen, in wie weit sich nicht bloß die uns als Mög­ lichkeit, sondern als höchste Wahrscheinlichkeit entgegengetretene pas­ sive Bedeutnng des betreffenden Wortes nnd damit der Versöhnung als eines von Gott diesen ix&Pyt' zugewendeten Gnadengeschenkes in der Form der Sündenvergebung, auch hier bewähren möchte. Wir werden jedenfalls zu einer gesicherteren Entscheidung über diesen Punkt gelangen, wenn wir zuvor den eng mit V. 21 verknüpften V. 22 einer näheren Analyse unterworfen haben werden. Hier giebt der Apostel zunächst das Mittel an, durch welches Gott die Versöhnung vollzogen hat: lv xo(a$ xaTaaxEud(etv d£ioövre?.

Bgl. Jos Antiqq. XIII, I, 5. — S. auch Ritschl. Altkath. St. 2. Aufi. S. 181. -) S. zu 1, 20.

298

Kap. I, 22.

Gott, indem seine Liebe als Erbarmen gegen Schwache seinen Zorn gegen Gottlose überwindet'), Christum als das außerordent­ liche, schon von der Prophetie des A. T. in Aussicht genommene Sühnopfer hinstellt, und mittelst seines dem Tode übergebenen Fleischesleibes an den oben hinlänglich charakterisirten Subjekten eine Aussöhnung mit sich bewirkt: so kann es sich in dem concreten Falle unmöglich darum handeln, jenen wegen ihrer allge­ meinen mit ihrer Fleischesnatur verknüpften Schwachheit in dem Opfertode Christi eine Deckung zu gewähren vor derjenigen aller­ dings hie und da im A. T. erwähnten Heiligkeit Gottes, die im Zwielichte einer physischen und ethischen Eigenschaft schillert, son­ dern vor derjenigen sittlichen Heiligkeit Gottes, vor der kein mit grellen Sünden befleckter besteht, und deren Verletzung den Zorn Gottes und damit die Vernichtung des Frevlers nach sich zieht ’)• Erwägt man unbefangen diese Verhältnisse, so wird auch von hier aus erhellen, wie wenig auch für unsere Stelle die active Bedeutung von ^P01’ passend, und wie wenig nahe liegend eine solche Auffassung der an gottentftemdeten und lasterhaften Heiden vollzogenen göttlichen Versöhnung mittelst des in den Tod ge­ gebenen Fleischesleibes Christi ist, bei welcher nicht in erster Linie Gott ans Grund davon, der Vollstreckung seines Zornes Einhalt that, und seine Gnade in der Vergebung der Sünden der Be­ treffenden walten ließ, daß die letzteren durch das vergossene Blut des Fleischesleibes Christi eine Bedeckung vor jenem Gotteszorn erhalten haben. Nur wenn so die Versöhnung früherer Heiden als ein Vorgang aufgefaßt wird, wo Gott über sie zu zürnen aufgehört und ihnen in der Nichtanrechnung ihrer Verfehlungen seine Gnade zugewendet hat: kann Paulus denselben als einen ein für alle Mal geschehenen, definitiven Act auffassen (droxat^AAaSe). ') Röm. 11, 28 bat uns den Beweis geliefert, daß dieselben Subjekte gleich­ zeitig aus verschiedenen Motiven Objekte göttlichen Zornes (£*8poO und gött­ licher Liede (dya7njToO sein können. Eine analoge Betrachtungsweise findet sich augenscheinlich auch Röm. 5, 6: fui ydp Xptaröc 6vt(ov Hp.Lv da&Evtiv xaxd xaipöv u;:ip da e ßtuv dTi^davev.

2) Schultz, A. T. S. 517. Riehm, Theol. Studd. u. Krik. 1880 (+5,8; lf>, 1 ff.; 24, 3fgd.; Jes. 5, 16)

Was offenbar ungleich weniger innere Berechtigung hätte, wenn bei dem Acte der Versöhnung die ethisch veränderte Willensrich­ tung der bezüglichen Subjekte mit in Betracht gezogen wäre; in Beziehung auf welche letztere, ja die aktive Aussöhnung der Gläu­ bigen mit Gott, als so oft sich wiederholend vorgestellt werden kann, als fic dem an ihr Bewußtsein, in welchem fich die Gnade Gottes ver­ dunkelt hat, gerichteten Mahnruf: xataXXdpjTe r«j> &s«>, Folge leisten. An den Satz vovl 8X dnoxat^XXafe iv tq> aaiimxi

tt(?

aapxät

autoü schließt nun der Apostel noch einen Infinitivsatz rexpaorijaat') upä? dftotx xat dp.c6p.otx xal dve^xX^xoix *) xcrtevamov aöroü. Der abstrakt-formalen Möglichkeit nach ließe fich dieser Infinitiv als ein epexegetischer fassen, in welchem näher ausgeführt wäre, als in welcher Eigenschaft befindliche Gott die Leser in dem definitiven Aussöhnungsacte vor sein Angesicht gestellt habe „indem, oder so daß er euch als d-potx x. t. X. vor sein Angesicht hingestellt hat". Allein gegen diese Auffassung spricht aus das Entschiedenste der in V. 23 angeknüpfte Bedingungssatz (eüre ImpiveTe X.

t.

X.).

t-q

marei

Denn unmöglich kann ein ein für alle Mal vollzogener

Versöhnungsact, in welchem die betreffenden Subjekte in voller Heiligkeit und Unsträflichkeit von Gott vor sein Angesicht gestellt waren,

abhängig

gemacht werden

von

dem

unerschütterlichen

Verbleiben in ihrem Glauben und Nichtwankendwerden von der Hoffnung, die ihnen das zur Kunde gekommene Evangelium suppeditirt hat.

So nothwendig auch das Vorhandensein des

Glaubens bei den Lesern als Objecten der ihnen zugewendeten Versöhnung vom Apostel vorausgesetzt wird, weil nur jener, aus den in den Tod gegebenen Fleischesleib Christi hinblickend, in ihm die Bereitwilligkeit Gottes, nicht seinen Zorn, sondern seine Gnade walten zu lassen, erfassen konnte: so unzulässig ist der Gedanke, daß die den Lesern bei ihrer Versöhnung zugerechnete schlechthinige Unsträfiichkeit und Makellosigkeit nur unter einer Voraussetzung ihnen zu Theil geworden sei, von der es ja immerhin zweifelhaft ') Dgl. 2. Cor. 4, 14.

*) afxtüfxo; tadelfrei, unsträflich, Phil. 2, 15; ävdyxXrjToc vorwurfsfrei, vgl. 1. Cor. 1, 8; Ttttmann de syn. I, 29ff.

bleiben mußte, in wie weit sie sich in der Folgezeit verwirklichte, oder aus Mangel an Glaubensstandhaftigkeit und Hoffnungsfestig­ keit nicht realifirte. Mit anderen Worten: hatte Paulus den Infinitiv rapaoTTjaat als einen infin. epexeg. an den vorangegan­ genen, die vollkommene Aussöhnung der Lehre mit Gott behaup­ tenden Satz angefügt: so würde er damit gerade dasjenige Moment wieder verdunkelt haben, welches mit solchem Nachdrucke zu be­ tonen,. er sich hatte angelegen sein lassen, die durch Christum ver­ mittelte Versöhnung als eine solche darzustellen, welche in sich vollkommen ihren Zweck erreicht habe, und deren objektive Wirkungskrästigkeit, wie nicht mehr durch angelische Jntercesfionsacte zu vervollständigen, so auch nicht von dem späteren unberechen­ baren ethischen Verhalten der Versöhnten abhängig zu machen war. Diese Erwägungen führen mit zwingender Nothwendigkeit dazu, in dem itopaot^aat x. t. X. einen Infinitiv der Absicht zu erkennen, durch welchen der Apostel angiebt, daß Gott mit dem diroxax^XXaSe eine Intention verbunden, einen Zweck unmittelbar verknüpft habe, darauf hinzielend, die definitiv mit ihm Ausge­ söhnten nun auch einstens beim Endgericht in voller unbedingter Gottgeweihtheit, Integrität und Indemnität sich gegenüber zu stellen. Es bedarf kaum der Erinnerung, daß durch dieses in dem betreffenden Infinitivsätze charakterisirte Thun Gottes nicht eine Ergänzung des versöhnenden Actes als solchen gefunden werden darf. Vielmehr nur ein solches Thun, welches sich an den Versöhnungsact, der als solcher schlechthin complet ist, an­ schließend, als eine Einwirkung auf die Versöhnten anzusehen ist, kraft der sie in der ihnen ein für alle Mal geschenkten Ver­ söhnungsgnade derartig erhalten und bewahrt werden, daß sie einst bet der Parusie Christi dem Richterstuhle Gottes in derjenigen Eigenschaft gegenüberstehen, die ihnen als Wirkung des Sühn­ opfertodes Christi mittelst der Vergebung der Sündett als objec­ tive Schuldlosigkeit zu Theil geworden ist'). Wenn wir auch die l) xf; iYxaXiaei xxxx ixXtxxwv freoö: x. x. X. Wöm. S, 33, vgl. 3, 1 ovoev apa vOv xaxctxpi4aa xoi; dv Xpi;xip ’lr^aoO.

Kap. I, 22.

301

Frage, ob das xerreT