Das Herrenmahl essen (1 Kor 11,20): Exegetisch-religionsgeschichtlich untersucht und religionspädagogisch bedacht 9783737004398, 9783847104391, 9783847004394


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German Pages [344] Year 2015

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Das Herrenmahl essen (1 Kor 11,20): Exegetisch-religionsgeschichtlich untersucht und religionspädagogisch bedacht
 9783737004398, 9783847104391, 9783847004394

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Arbeiten zur Religionspädagogik

Band 59

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Gottfried Adam, Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Lachmann und Prof. Dr. Martin Rothgangel

Lena Reinhardt

Das Herrenmahl essen (1 Kor 11,20) Exegetisch-religionsgeschichtlich untersucht und religionspädagogisch bedacht

Mit 4 Abbildungen

V&R unipress

®

MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen

www.fsc.org

FSC® C083411

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6177 ISBN 978-3-8471-0439-1 ISBN 978-3-8470-0439-4 (E-Book) ISBN 978-3-7370-0439-8 (V&R eLibary) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de © 2015, V&R unipress GmbH in Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Für Mimi und Jonte

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hinführung und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Kapitel: Religionspädagogische Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . I.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2. Empirische Untersuchung: Religionsgeschichte und Abendmahl bzw. Eucharistie in der religionspädagogischen Praxis . . . . . . . I.2.1. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2.2. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2.3. Berücksichtigung religionsgeschichtlicher Lehrinhalte in den Kerncurricula, Religionsschulbüchern sowie deren Lehrerhandbüchern der Sekundarstufe I . . . . . . . . . . I.2.4. Berücksichtigung der Mahlthematik in den Kerncurricula und Religionsschulbüchern sowie deren Lehrerhandbüchern der Sekundarstufe I . . . . . . . . . . I.2.5. Resultat der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2.6. Mögliche Gründe für die geringe religionspädagogische Berücksichtigung religionsgeschichtlicher Inhalte . . . . . I.2.7. Anfragen und Anknüpfungsmöglichkeiten . . . . . . . . . I.3. Aktuelle religionspädagogische Konzepte . . . . . . . . . . . . . . I.3.1. Elementarisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.2. Bibeldidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.3. Symboldidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.4. Performative Religionsdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . I.3.5. Kinder- und Jugendtheologie . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.6. Interreligiöses Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3.7. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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60 62 63 64 67 70 73 76 80 82

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Inhalt

I.4. Ertrag und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitel: Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen – ihr Selbstverständnis und ihr religionsgeschichtlicher Hintergrund . . . II.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2. Die ältesten Herrenmahlüberlieferungen . . . . . . . . . . . . . II.2.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2.2. Mahlthematik im ersten Brief an die Korinther . . . . . II.2.3. Herrenmahldarstellung in den synoptischen Evangelien II.2.4. Herrenmahlterminologie und -deutung im Evangelium nach Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2.5. Die Eucharistiedarstellung der Didache . . . . . . . . . . II.2.6. Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3. Analogien in der religiösen Mahlmitwelt . . . . . . . . . . . . . II.3.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3.2. Formale Analogien: Deuteworte im antiken Mahlkontext II.3.3. Inhaltliche Analogien: Mahlgaben und -Motive in der religiösen Mitwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3.4. Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.4. Ergebnis: Deutung und religionsgeschichtliche Bestimmung des Herrenmahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Kapitel: Religionspädagogische Konkretionen . . . . . . . . . . . . . III.1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2. Konkretionen mit Blick auf die Lernenden . . . . . . . . . . . . . . III.2.1. Entwicklungspsychologische Bedingungen des Jugendalters . III.2.2. Umsetzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.3. Konkretionen mit Blick auf den Lehrenden . . . . . . . . . . . . . III.3.1. Beispieltext für ein Lehrerhandbuch . . . . . . . . . . . . . III.3.2. Mögliche Konsequenzen für den Umgang mit christlichen Lehrtraditionen zum Abendmahl (vielleicht nicht nur?) im Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.4. Schlussfolgerungen: Relevanz religionsgeschichtlicher Perspektiven für den Religionsunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

301

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

307

Textstellenregister (in Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die Fakultät für Geistes- und Erziehungswissenschaften der Technischen Universität Braunschweig hat die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2014/15 als Dissertation mit dem Titel »›Das Herrenmahl essen‹ (1.Kor 11,20). Exegetischreligionsgeschichtlich untersucht und religionspädagogisch bedacht« angenommen. Für die Veröffentlichung hat sie eine geringfügige Überarbeitung erfahren. Herzlicher Dank sei jenen ausgesprochen, die dieses Dissertationsprojekt mit großem Interesse begleitet und unterstützt haben: Zuerst danke ich Herrn apl. Prof. Dr. Jürgen Wehnert, der mich zu dieser Arbeit ermutigt hat. Dank seiner Förderung, seinem Vertrauen und seiner intensiven Begleitung konnte ich das Projekt realisieren. Herrn Prof. Dr. Gottfried Orth als meinem Zweitgutachter gilt besonderer Dank für seine wertvollen Anregungen und Gespräche, in denen er mich, über methodische Fragen hinaus, zur didaktischen und dogmatischen Reflexionen angeregt hat. Ich danke herzlich für sein Interesse und seine Unterstützung beim Werden dieser Arbeit. Zudem sei den anderen Mitgliedern der Prüfungskommission herzlich gedankt: Herrn Prof. Dr. Reinhard Feldmeier, der mein Projekt über die gesamte Zeit im Göttinger Dokorandenkolloquium begleitet und die Kommission durch seine Fachkenntnis der hellenistischen Religionsgeschichte bereichert hat. Herrn Prof. Dr. Wolfgang Conrad, dessen literaturdidaktische Anmerkungen zeigen konnten, wieweit sich das Thema meiner Dissertation zu erstrecken vermag, sowie Herrn Prof. Dr. Matthias Steinbach, der mich durch sein Interesse bestärkt und mir aus Sicht der Geschichtsdidaktik weiterführende Hinweise gegeben hat. Dazu möchte ich Frau Dr. Martina Janßen, Frau Dr. Ingrid WiedenrothGabler, Frau Dipl. Päd. Britta Lange-Geck, Frau Budin, den HiWis und der Fachgruppe für die bereichernde Zusammenarbeit am Seminar danken. Besonderer Dank gilt dazu Frau Dr. Julia Gerth, Frau Dr. Katja Tesch und Frau Alexandra Maruhn für ihre fachlichen und freundschaftlichen Gespräche, die intensive und kritische Korrektur des Manuskriptes und die gemeinsame Zeit in Braunschweig und Göttingen.

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Vorwort

Stellvertretend für alle Mitglieder des Göttinger Dokorandenkolloquiums danke ich herzlich für die horizonterweiternde Teilnahme und Vortragsmöglichkeit Herrn Prof. Dr. Florian Wilk. Besonderer Dank gilt aus diesem Kreis Herrn Prof. Berndt Schaller für weiterführende Gespräche und Denkanstöße sowie Frau Dr. Heidrun Gunkel für die fachlichen und freundschaftlichen Gespräche. Auch dem Kreis des Niedersächsischen Doktorierendenkolloquiums um Prof. Dr. Marco Hofheinz und Prof Dr. Martin Schreiner sei herzlicher Dank für die Gelegenheit zum Vortragen meines Projektes in Hildesheim ausgesprochen. Die Diskussionen und Anregungen zu den Möglichkeiten religionspädagogischer Konkretisierungen haben das Wachsen des letzten Kapitels begleitet. Den Norddeutschen Neutestamentlern bin ich für die Vortragsmöglichkeit in Ratzeburg und dem Kreis für die bereichernde Diskussion ebenfalls zu Dank verpflichtet. Herzlicher Dank sei zudem den Herausgebern der Reihe »Arbeiten zur Religionspädagogik« für die Aufnahme meiner Arbeit ausgesprochen. Besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie und meinen Freunden, die mich bestärkt und verständnisvoll mein Promotionsprojekt begleitet haben – somit hat jeder Einzelne auf seine Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Insbesondere sei aus diesem Kreis meinem Partner, Jonte Anton, für seine Liebe und kraftbringenden Ablenkungen und meiner Mutter, Astrid Reinhardt, für ihr Mutterherz und unermüdliche wie kritische Korrektur des Manuskriptes gedankt. Ihnen sei daher diese Arbeit gewidmet. Göttingen, März 2015

Abkürzungsverzeichnis

Die Abkürzungen der Zeitschriften, Lexika und Schriftenreihen folgen dem Abkürzungsverzeichnis zur Theologischen Realenzyklopädie von Siegfried Schwertner, Berlin, New York 21994. Zudem finden (neben selbstverständlichen) folgende Abkürzungen Verwendung: HS: RS: Gym: IGS: OS:

Hauptschule Realschule Gymnasium Integrierte Gesamtschule Oberschule

FS:

Festschrift

Hinführung und Fragestellungen »Ich dächte, dass die Religionen […] doch wohl zu unterscheiden wären. Bis auf […] Speis und Trank!« (Lessing, Nathan der Weise, Z. 1970–1973)

Die Familie kommt zusammen. Jedes Familienmitglied setzt sich an seinen angestammten Platz und wünscht der Runde einen »Guten Appetit«. Man reicht sich die dampfenden Schüsseln oder das bereitgestellte Essen und spricht über die Erlebnisse des Tages, hört einander zu und diskutiert aktuelle Nachrichten. Dieses einerseits die menschlichen Grundbedürfnisse nach Nahrungsaufnahme und andererseits die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Kommunikation stillende Ritual verbindet die Menschen über alle Zeiten hinweg – aber heute kennen viele Jugendliche diese idealisierte Mahlzeit kaum noch oder nur zu besonderen Anlässen. Vielfach wird schweigend vor dem Fernseher und zu unterschiedlichen Zeiten allein gegessen. Die gemeinschaftsstiftende Funktion des Mahls fällt zugunsten der reinen Sättigung weg – wie die zahlreichen Fastfood-Restaurants zeigen. Auch die beliebten Kochsendungen vermitteln nicht das Bild von Gemeinschaft, sondern zeigen Konkurrenz und den Gewinn der schmackhaftesten Haute Cuisine. Daraus wird deutlich, dass auch die Schule als Sozialisationsraum gefragt ist, Menschen für das Kulturgut einer gemeinsamen Mahlzeit zu sensibilisieren. Aus dieser Sicht scheint der Religionsunterricht angesprochen zu sein, doch auch aus sich heraus ist die Thematisierung des Mahls zentral: Eines der beiden Sakramente der evangelischen bzw. eines der sieben der katholischen Kirche ist die gemeinschaftliche Feier des Abendmahls bzw. der Eucharistie. Da aber dieses Gemeinschaftsmahl aus dogmen- und kirchengeschichtlicher Perspektive ein zentraler Grund für die Trennung der christlichen Konfessionen war und ist, möchte die religionsgeschichtliche Perspektive dieser Arbeit dazu beitragen, den aus der kirchlichen Lehrtradition begründeten Absolutheits- bzw. Wahrheitsanspruch zu relativieren, indem der Blick auf die Begehung und Deutung der christlichen Mahlfeier durch das Frühchristentum gelenkt wird, um so dem ureigenen Verständnis näher kommen zu können. Da bereits Paulus berichtet, dass die Korinther »das Herrenmahl essen« (1Kor 11,20), ist davon auszugehen, dass die christliche Mahlfeier von Beginn an das christliche Gemeindeleben prägt: Inwiefern unterscheidet sich dieses Essen aber

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Hinführung und Fragestellungen

von einem gewöhnlichen antiken Mahl? Inwieweit wurde die christliche Mahlfeier von der antiken Mahlmitwelt beeinflusst? Zur Beantwortung dieser Fragen bediene ich mich methodisch des religionsgeschichtlichen Vergleichs, wofür ausgehend von den ältesten Herrenmahlüberlieferungen – also von der textanalytisch betrachteten frühchristlichen Textbasis – nach Analogien und Differenzen zu hellenistisch-jüdischen und hellenistisch-paganen Mählern gefragt wird. Welche Bedeutung kann dieser fachwissenschaftlichen Bestimmung aus religionspädagogischer Sicht zukommen – was hat also die Religionsgeschichte im Religionsunterricht zu suchen? Diese Frage stellt sich insbesondere, wenn die religionspädagogische Maxime zu gelten hat, dass im Religionsunterricht nicht die theologischen Disziplinen abgebildet werden sollten, sondern als Ausgangspunkt religionspädagogischer Überlegungen die Fragen und Voraussetzungen der Lernenden dienen müssen. Da aber Studien zeigen, »dass Jugendliche durchaus substantiell theologische Fragen aufwerfen und mit Interesse diskutieren, wenn auch nur selten in der traditionellen Sprache der Theologie«1, zeigt sich, dass fachwissenschaftliche Diskussionen in elementarisierter Form für theologische Antwortmöglichkeiten Jugendlicher sinnstiftend sein können. Von daher lautet die übergeordnete These dieser Arbeit, dass ein Aufeinander-Zugehen von Exegetinnen bzw. Exegeten und Religionspädagoginnen bzw. Religionspädagogen zu gegenseitiger Bereicherung und somit zur Bereicherung des Religionsunterrichts führen kann.2 Die Idee, sich mit weit zurückliegenden Welten zu beschäftigen, kann seitens der Religionspädagogin bzw. des Religionspädagogen zunächst Skepsis hervorrufen: »Dafür interessieren sich die Lernenden nicht!« »Das ist zu weit von ihrer Lebenswirklichkeit entfernt!« »Das ist zu anspruchsvoll!« Doch ist die Auseinandersetzung mit dem Fremden bereits laut neutestamentlicher Überlieferung ein Baustein des sozialen Miteinanders nach Jesu Vorbild (vgl. Mk 7,24–30; Mt 15,21–28). Blickt man tiefer in das Aufgabenfeld der Religionsgeschichte hinein, so zeigt sich zudem, dass in ihr Sehnsüchte, Ängste und Hoffnungen des Menschen zum Ausdruck kommen, die über die Jahrtausende hinweg bis heute Gültigkeit besitzen. Dazu gehört die Frage nach dem Lebenssinn, die Verborgenheit des Göttlichen, dem sich der Mensch zu nähern versucht, die Suche nach Geborgenheit und Freundschaft, die Frage nach dem ›Warum‹ und Sinn des Lebens. Diese Fragen wurden seit Menschengedenken gestellt und werden auch heute gestellt – nicht die Fragen, sondern die Antworten unterscheiden sich je 1 Schlag/Schweitzer, Jugendliche, 67. 2 Dies begründet, weshalb in der vorliegenden Arbeit griechische und hebräische Wörter in Hinblick auf die Leserschaft, die dieser Sprachen nicht mächtig ist, bei ihrer ersten Verwendung im Fließtext in Umschrift wiedergegeben werden, insofern es der Verständlichkeit dient.

Hinführung und Fragestellungen

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nach Epoche, sozialem Umfeld, aber auch je nach Alter und Geschlecht. Ebendiese Fragen sollen Teil des Religionsunterrichts sein – weshalb können dann Antwortversuche aus anderen Zeiten nicht auch für heute Antwortmöglichkeiten oder -anregungen sein? Entscheidend ist, dass die Frage aus der Lebenswelt der Lernenden stammt und sie in ihrer gegenwärtigen Erfahrungswelt abgeholt werden. Hierfür bietet das Mahlthema als Dimension menschlicher Grunderfahrung eine passende Scharnierfunktion. Wie die vorliegende Untersuchung zeigen wird, werden in der aktuellen religionspädagogischen Forschung und Praxis religionsgeschichtliche Perspektiven kaum berücksichtigt und pagane Analogien ausklammert. Demzufolge setze ich mich mit Inhalten auseinander, die bisher in dieser Form nicht bedacht wurden. Zur Bestimmung entwicklungspsychologischer Voraussetzungen habe ich mich aus diesem Grund empirischen Befunden und methodischen Herangehensweisen der Geschichtsdidaktik bedient, um mich dem Religionsgeschichtsbewusstsein im Jugendalter anzunähern und darauf aufbauend didaktische Überlegungen anzustellen. Diese Arbeit steht demnach beispielhaft für die Forderung nach interdisziplinärem pädagogischem Austausch. Diese Vorüberlegungen, die mich bereits in meiner Masterarbeit beschäftigt haben, und die mein Studium grundsätzlich begleitende Frage, welche Bedeutung fachwissenschaftliche Erarbeitungen für die religionspädagogische Praxis haben, münden in die dreiteilige Aufgabenstellung der vorliegenden Arbeit zu der Thematisierung religionsgeschichtlicher Perspektiven im Religionsunterricht: Inwiefern werden religionsgeschichtliche Perspektiven im gegenwärtigen Religionsunterricht berücksichtigt? Wie werden das Abendmahl und die Eucharistie didaktisch aufbereitet und inwiefern werden sie in aktuellen religionspädagogischen Konzeptionen bedacht? Spielt dabei ihr religionsgeschichtlicher Hintergrund eine Rolle? Diese Fragen erfahren im ersten Kapitel Berücksichtigung, mit dem Ziel die derzeitige religionspädagogische Ausgangslage zum Thema zu bestimmen. Hierfür soll anhand einer Untersuchung der aktuellen Kerncurricula, Schul- und Lehrerhandbücher eruiert werden, inwiefern religionsgeschichtliche Lehrinhalte, das Abendmahl sowie dessen religionsgeschichtlicher Hintergrund im gegenwärtigen evangelischen und die Eucharistie im katholischen Religionsunterricht aufbereitet werden und welche fachwissenschaftliche Darstellung von den Lehrerhandbüchern zu diesem Thema vertreten wird. Mit diesem Blick werden außerdem die aktuellen religionspädagogischen Konzepte analysiert. Ausgehend von der übergeordneten Idee dieser Arbeit, dass sich durch die Verzahnung von Religionspädagogik und Fachwissenschaft gegenseitige Bereicherung herbeiführen lässt, gilt als Grundlage für die sich anknüpfenden religionspädagogischen Konkretisierungen im zweiten Kapitel aus exegetischer, also bewusst lehrtraditionellunabhängiger, Sicht sich mit dem frühchristlichen Ver-

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Hinführung und Fragestellungen

ständnis, der Begehung und religionsgeschichtlichen Bestimmung des Herrenmahls zu beschäftigen. Die fachwissenschaftliche Analyse wird von folgenden Leitfragen bestimmt: Wie stellen die ältesten Herrenmahlüberlieferungen die christliche Mahlfeier dar? Welche Deutungsmotive sind für diese Mahlfeier kennzeichnend? Inwiefern lassen sich in der antiken Mahlmitwelt Analogien und Differenzen zum speziell christlichen Mahlkonzept ausmachen und wie ist das Herrenmahl von daher religionsgeschichtlich zu bestimmen? Der Reiz religionsgeschichtlicher Auseinandersetzungen wird mit Blick auf die Entstehungssituation des Christentums deutlich: Aus dem antik-hellenistischen Judentum und im Kontext polytheistischer Kulte hat sich die christliche Religion in Auseinandersetzung und Abgrenzung mit dieser Mitwelt entwickelt. Ihre grundlegenden Vorstellungen sind nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern gründen auf Erfahrungen mit Gott, Jesus Christus und dem göttlichen Geist – wie auch auf dem Einfluss anderer religiöser und kultureller Vorstellungen und Praktiken. In diesem grundlegenden Miteinander, aber auch der vollzogenen Abgrenzung, zeigen sich mögliche Chancen für religiöses Lernen: Von Beginn an setzt sich das Christentum mit anderen Religionen auseinander. Von daher wird die vorliegende Arbeit durch folgenden Grundgedanken begleitet: »Man kann sich oder seine Religion nicht wirklich kennen, wenn man nicht andere kennt.«3 Die Erarbeitungen der ersten beiden Kapitel sollen im dritten Kapitel darin münden, Anregungen zu schaffen und bisher nicht bedachte Möglichkeiten der unterrichtlichen Thematisierung des religionsgeschichtlichen Hintergrundes der Herrenmahltradition aufzeigen zu können. Dies geschieht in doppelter Hinsicht: Zunächst werden an die gegenwärtigen Aufbereitungen anknüpfend Umsetzungsmöglichkeiten in Hinblick auf die Lernenden entwickelt und anschließend die Perspektive des Lehrenden berücksichtigt, um schließlich zu reflektieren, welche Chancen und Grenzen sich mit der religionsgeschichtlichen Perspektive des Herrenmahls im Religionsunterricht verbinden. Leiten sollen dabei folgende Fragen: Welche bisher nicht bedachten Aspekte erfahren durch den Einbezug der religionsgeschichtlichen Bestimmung der christlichen Mahlfeier in der religionspädagogischen Praxis Berücksichtigung? Inwieweit stellen fachwissenschaftliche Erkenntnisse eine Bereicherung der Religionspädagogik dar? Welche Konsequenzen ergeben sich für die religiöse und lehrtraditionelle Reflexion auf Seiten der Lehrperson?

3 Lott, Interkulturelles Lernen, 73.

I. Kapitel: Religionspädagogische Ausgangslage

I.1.

Einleitung

Dieses Kapitel geht der Frage nach, in welchem Umfang religionsgeschichtliche Perspektiven und das Abendmahl bzw. die Eucharistie als Unterrichtsthema im gegenwärtigen Religionsunterricht und in den aktuellen religionspädagogischen Konzepten berücksichtigt werden. Um einen fundierten Einblick in die religionspädagogische Praxis zu erlangen, werden Kerncurricula, Religionsschul- sowie deren Lehrerhandbücher untersucht. Da für die unterrichtliche Behandlung von religionsgeschichtlichen Perspektiven bei den Lernenden ein gewisses Maß an geschichtlichem Verständnis vorausgesetzt werden muss (s. III.2.1.3.) und für die Thematisierung des Abendmahls eine zeitliche Nähe zum Konfirmanden- bzw. Firmungsunterricht sinnvoll ist, beschäftige ich mich konfessions- und schulformübergreifend mit der Sekundarstufe I an allgemeinbildenden Schulen.4 Mein Eindruck ist, dass bei vielen aktuellen religionspädagogischen Diskussionen der Religionsunterricht der Grundschule im Mittelpunkt steht. Beziehen sich Überlegungen auf die Sekundarstufe I, so widmen sie sich überwiegend der gymnasialen Sekundarstufe,5 was einen weiteren Grund für den Schwerpunkt dieser Arbeit darstellt. Im Anschluss an die Analysen zur religionspädagogischen Praxis erfolgt ein Blick in die religionspädagogische Theorie, indem gegenwärtige religionspädagogische Konzepte kurz dargestellt und deren möglicher Bezug zu religions-

4 Evangelische und Katholische Religion gehören auch zu den allgemeinbildenden Fächern der BBS. Aufgrund fehlender Vergleichbarkeit, die aus verschiedenen Altersstrukturen und formalen Differenzen zwischen der BBS und allgemeinbildenden Schulen resultieren – z. B. keine Kerncurricula, sondern Rahmenrichtlinien und keine Klassen-, sondern Niveaustufen – wird die BBS im Folgenden nicht berücksichtigt. 5 Vgl. Porzelt, Neuerscheinungen, 57–71; Dieterich, Theologisieren, 35–49, der Lernende eines Gymnasiums (12. Klasse) und einer Berufsschule zur ihrem Gottesbild befragt hat.

18

Religionspädagogische Ausgangslage

geschichtlichen Perspektiven sowie dem Abendmahl bzw. der Eucharistie aufgezeigt werden.

I.2.

Empirische Untersuchung: Religionsgeschichte und Abendmahl bzw. Eucharistie in der religionspädagogischen Praxis

Dieser Abschnitt widmet sich der Frage, inwieweit die religionspädagogische Praxis religionsgeschichtliche Lerninhalte bzw. Fragestellungen berücksichtigt. Zudem soll die Art und Weise der thematischen Einbettung des Abendmahls bzw. der Eucharistie in den Blick genommen werden. Dies bildet die Grundlage, um Möglichkeiten religionsgeschichtlicher Perspektiven für den Religionsunterricht als Ergebnis dieser Arbeit entwickeln zu können (s. III.2.2.). Die derzeitige religionspädagogische Praxis findet im Religionsunterricht den deutlichsten Ausdruck. Dieser wird von verschiedenen Faktoren bestimmt, z. B. dem Unterrichtskonzept der Lehrperson, den Erwartungen und Erfahrungen der Lernenden sowie den Unterrichtsinhalten. Die folgende Untersuchung befasst sich speziell mit dem letzten Faktor. Die Unterrichtsthemen werden durch rechtliche Vorgaben bestimmt – durch Bildungsstandards, die fachspezifische Anforderungen bundesweit festlegen, und Kerncurricula,6 die mithilfe von erwarteten Kompetenz- und Wissensaufbau erstere konkretisieren. Da es derzeit für die Fächer Evangelische und Katholische Religion keine bundesweit geltenden einheitlichen Bildungsstandards gibt, basiert die folgende Untersuchung im ersten Untersuchungsschritt auf den im Vergleich prägnanteren Kerncurricula. Diesen liegt ein gemeinsamer Bildungsauftrag zugrunde: Unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit soll der Religionsunterricht in der gegenwärtigen pluralen Gesellschaft auf Identitätsstiftung, Verständigungsfähigkeit und Toleranz zielen. Zentral sind der Bezug auf Gott und den christlichen Glauben sowie die Auseinandersetzung mit der biblischen Botschaft. Zudem soll religiöse Bildung zum Erwerb von Kommunikations- und Reflexionsfähigkeit führen.7 Der zweite Untersuchungsschritt beschäftigt sich mit der Umsetzung der curricularen Vorgaben in den Religionsschulbüchern der Sekundarstufe I. Von 6 Exemplarisch werden dieser Untersuchung die niedersächsischen Kerncurricula der Sekundarstufe I zugrunde gelegt, da nicht alle Bundesländer diese Konkretisierungen der Bildungsstandards erstellt haben. Zum Vergleich wurden jedoch die Kerncurricula der Länder Hessen, Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein herangezogen und bei deutlichen Abweichungen in den Anmerkungen auf diese verwiesen. 7 Vgl. niedersächsisches Kultusministerium, Niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, 7f.

Empirische Untersuchung

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dieser Schulbuchanalyse ist zu erwarten, dass sie einen annähernd umfassenden, bedingt verlässlichen Einblick in die religionspädagogische Praxis gibt, denn »Schulbücher […] sind zu Unterrichtszwecken bestimmte Druckwerke für die Hand der Schülerin oder des Schülers, die im Unterricht für einen längeren Zeitraum als Hauptarbeitsmittel benutzt werden. […] Schulbücher sind außerdem solche unerlässlichen Arbeitsmittel, die zusätzlich zum Hauptarbeitsmittel für mehrere Schuljahre eingesetzt werden«8. In den Religionsschulbüchern werden mithin didaktische Perspektiven sichtbar, die potentiell eine Vielzahl an Lernenden über einen längeren Zeitraum erreichen und auf deren Grundlage die Lehrkraft Lehrinhalte darstellt. Einschränkend ist festzuhalten, dass es kaum nachprüfbar ist, in welchem Umfang die einzelne Lehrperson auf das Schulbuch im Unterricht zurückgreift. Zudem bleibt offen, welche Schulen mit welchem Schulbuch arbeiten – welches also das im Unterricht potentiell meist eingesetzte ist. Der dritte Untersuchungsschritt berücksichtigt die Ausführungen, Ergänzungen, Intentionen, Arbeitsanweisungen und fachwissenschaftlichen Hintergrundinformationen derjenigen Lehrerhandbücher bzw. -kommentare, die laut Schulbuchanalyse religionsgeschichtliche Inhalte oder das Abendmahl bzw. die Eucharistie berücksichtigen. Die curricularen Vorgaben wie auch die Anregungen in den Schul- und Lehrerhandbüchern bestimmen die Unterrichtsgestaltung und damit das oben angesprochene Konzept der Lehrperson; sie wurden ausgehend von entwicklungspsychologischen Erkenntnissen unter Berücksichtigung ihrer Lebenswelt für die Lernenden entwickelt. Die drei Untersuchungsgegenstände nehmen daher einen zentralen Platz bei den Unterrichtsfaktoren ein. Mithilfe der Untersuchung kann folglich die momentane religionspädagogische Bedeutung religionsgeschichtlicher Perspektiven und des Abendmahls bzw. der Eucharistie ermittelt und mögliche Anknüpfungspunkte herausgestellt werden.

I.2.1. Forschungsstand Meinen Recherchen zufolge erfolgte bisher weder eine Analyse von Art und Umfang religionsgeschichtlicher Themen noch des Abendmahls bzw. der Eucharistie sowohl in den Kerncurricula als auch in den Religionsschul- und Lehrerhandbüchern der Sekundarstufe I. Auch die bisherige Auseinandersetzung der religionspädagogischen Forschung mit diesem Themenkomplex ist schmal:9 So hat bislang einzig Hubertus 8 Niedersächsisches Schulbuchverzeichnis, 4. 9 Ein erster Blick in die häufig von Religionslehrkräften zur Hand genommen Grundlagenli-

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Religionspädagogische Ausgangslage

Halbfas auf die Notwendigkeit verwiesen, die Mahlthematik auch aus dem Blickwinkel der Religionsgeschichte wahrzunehmen. Dies entfaltet er in einem Lehrerhandbuch für Sekundarschulen.10 In seinem didaktischen Konzept zum »Sakrament des Mahls« geht Halbfas von einer »anthropologischen Basis aus […], die sich nicht mit den meisten verkümmerten Erfahrungsansätzen der Lernenden (und ihrer Lehrer?) begnügt, sondern einen breiten kultur- und religionsgeschichtlichen Horizont einbezieht. Wer zu einer Grunderfahrung mit gemeinsamen Essen und Trinken kommen will, sollte nicht von heutigen Familienbräuchen, vom Schulfrühstück und McDonalds ausgehen, sondern in die Geschichte der Menschen zurückgehen«11. Halbfas entwickelt demnach ein deduktives Konzept, das, ausgehend von den kultur- und religionsgeschichtlichen Wurzeln des Essens und Trinkens als menschliche Grunderfahrung, Möglichkeiten der unterrichtlichen Thematisierung aufzuzeigen versucht. Die Frage nach dem religionsgeschichtlichen Hintergrund des Abendmahls behandelt er nicht, sondern geht von dessen Herkunft aus dem jüdischen Festmahl aus.12 Zudem ist sein thematischer Ansatz viel weiter gespannt als der dieser Arbeit: In den Blick kommen neben griechisch-römischen und israelisch bzw. jüdischen auch germanische und etruskische Mähler.13 Sein Anliegen scheint vor allem zu sein, vergessenes kultur- und religionsgeschichtliches Wissen zu vermitteln. In seiner Arbeit »Zeugnisse fremder Religionen im Unterricht« beschäftigt sich Karlo Meyer mit der Frage, wie diese im Unterricht eingesetzt werden können. Für die vorliegende Arbeit ist seine Forderung, »›fremde Zeugnisse‹ nicht zu vereinnahmen, sondern ihnen einen eigenen Raum zu geben, andererseits aber durch die konkreten Beispiele […] existentielles Fragen […] zu erlauben«14 weiterführend. Das Fremde in anderen Religionen und Kulturen sei

10

11 12 13 14

teratur zeigt, dass das Abendmahl aus dem Pesachmahl hergeleitet wird, ohne die aktuelle fachwissenschaftliche Diskussion zum religionsgeschichtlichen Hintergrund zu berücksichtigen (s. Adam, Abendmahl, 14; Johannsen, Mahlfeier, 188). S. Halbfas, Religionsunterricht 8. Lehrerhandbuch, 409–447. Hierbei handelt es sich um das Begleitbuch zu dem von ihm verfassten »Religionsbuch 7/8«, welches in Niedersachsen nicht zugelassen ist. Auch W. Simon würdigt in seiner Analyse von Religionsbüchern für den katholischen Religionsunterricht den religionsgeschichtlichen Ansatz von H. Halbfas (Religionsunterricht, 40). Zudem entwickelt R. Oberthür eine Unterrichtsreihe mit religionsgeschichtlichen Aspekten für die Grundschule anhand des Symbols »Sonne« (Kinder und die großen Fragen, 49f.). A. a. O., 411. S. Halbfas, Religionsunterricht 7. Lehrerhandbuch, 221. S. Halbfas, Religionsunterricht 8. Lehrerhandbuch, 416–420; Halbfas, Religionsunterricht 7. Lehrerhandbuch, 215–217. Meyer, Zeugnisse, Vorwort. Er nimmt Zeugnisse der Weltreligionen in den Blick, fragt dezidiert nicht nach (religions-)geschichtlichen Zusammenhängen (293) und betrachtet die Religionen vergleichend im englischen und deutschen Religionsunterricht.

Empirische Untersuchung

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einerseits zwar unbedingt wahrzunehmen und bilde eine unterrichtliche Herausforderung, biete andererseits aber eine besondere Möglichkeit der religionspädagogischen Auseinandersetzung: Die Neugier, etwas Neues bzw. Anderes kennenzulernen, könne angeregt werden. Hierdurch wird das Fremde mit dem Eigenen in Verbindung gebracht, wodurch wiederum die jeweiligen Besonderheiten wahrgenommen werden können. Auch im Hinblick auf religionspädagogische Überlegungen zur allgemeinen unterrichtlichen Thematisierung des Abendmahls begegnen derzeit nur einzelne Vorschläge: Hinzuweisen ist besonders auf Christoph Münch, der sich mit dem katholischen Eucharistieverständnis und der Bedeutung der Eucharistie in der postmodernen Gesellschaft auseinandersetzt. Ziel seines phänomenologischen Ansatzes ist zum einen die Darstellung der theologischen Bedeutung des katholischen Eucharistieverständnisses, indem er dies aus systematisch-theologischer Perspektive betrachtet.15 Zum anderen entwickelt er eine »Didaktik der Eucharistie«16, um dem von ihm angenommenen »Relevanzverlust der Eucharistie«17 in der postmodernen Gesellschaft entgegenzuwirken. Münch betrachtet die Eucharistie nur aus katholischer Sicht und widmet sich vor allem der synchronen Betrachtung des dogmatischen Bereichs der Sakramententheologie, um das gegenwärtige dogmatische Eucharistieverständnis aufzuzeigen. Sein zentrales religionspädagogisches Anliegen ist die »Eucharistie in das eigene Leben jedes Gläubigen«18 zu integrieren, um »Menschenwirklichkeit und Glaubenswirklichkeit«19 miteinander zu verbinden. Dies kann seiner Ansicht nach insbesondere durch die schulische Thematisierung der Eucharistie gelingen, da so bereits in frühen Jahren auch religiös nicht sozialisierte Schülerinnen und Schüler erreicht werden können. In das Zentrum seiner didaktischen Überlegungen stellt er das »anthropologische Urbedürfnis des Feierns«20, welches für ihn das verbindende Moment von Eucharistie und postmoderner Gesellschaft darstellt. Ein weiterer unterrichtlicher Zugang wird von Peter Biehl im Zusammenhang seines symboldidaktischen Zugangs beschrieben (s. I.3.3.).21 Er zeigt, welche Lernmöglichkeiten das Symbol »Brot« bieten kann, und entwickelt seinen Ansatz, im Gegensatz zu Halbfas, ausgehend von der lebensweltlichen Perspektive 15 16 17 18 19 20 21

S. Münch, Eucharistie und Postmoderne, 11. A. a. O., 15. Ebd. A. a. O., 19. A. a. O., 23. Ebd. S. Biehl, Symbole II, 246: Wenn das Abendmahl als ein orales Ritualphänomen verstanden wird, ist eine Ritualhermeneutik notwendig, die »die ganze Person mit ihrem inneren Erleben und mit ihren sozialen Beziehungen« wahrnimmt (254).

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der Lernenden. Als ein Rahmenziel neben vielen für die Sekundarstufe und den Konfirmandenunterricht bezeichnet er: »anhand von Beispielen aus dem Alten Testament (z. B. Gen 14,18f.; Ex 12.16) und der Religionsgeschichte die grundlegende (kultische) Bedeutung des Mahls bzw. der Speisung«22 zu erkennen. Dazu sollen die Gemeinsamkeiten der Rituale von verschiedenen Religionen bewusst gemacht werden, »damit die sachliche und dramaturgische Logik der sakramentalen Handlung voll erfaßt«23 werde. Jedoch werden diese Ziele in seinen didaktischen Ausführungen nicht näher konkretisiert.24 Allgemein sind seine didaktischen Kommentierungen sowie Praxisvorschläge geprägt von Wahrnehmungs- und Handlungsbezug,25 da nach Biehls Ansatz durch eine Sakramentendidaktik »Alltagserfahrungen […] auf Grunderfahrungen (BrotSymbol als Lebenssymbol) geschlossen werden«26 kann, indem eine symbolische Handlung unterrichtlich behandelt wird (z. B. ein gemeinsames Mahl). Inwiefern Religionsgeschichte als Gegenstand des Religionsunterrichts sowie das Abendmahl bzw. die Eucharistie überhaupt in der derzeitigen religionspädagogischen Praxis Berücksichtigung erfahren, soll die anschließende Untersuchung der Kerncurricula, Schul- sowie Lehrerhandbücher zeigen.

I.2.2. Methodisches Vorgehen Die methodologische Herangehensweise an die angekündigte Untersuchung orientiert sich an der ausführlichen Darstellung des quantitativen Forschungsparadigmas von Julia Gerth. In ihrer Untersuchung zur Thematisierung des Heiligen Geistes im Religionsunterricht analysiert sie Schulbücher sowie Kerncurricula in Hinblick auf pneumatologische Inhalte und Darstellungsweisen.27 Die Datenerhebung erfolgt quantifizierend und bedient sich des Verfahrens der empirischen Inhaltsanalyse. Es handelt sich hierbei um ein Untersuchungsverfahren, dass »zur systematischen Betrachtung jeglicher Art von manifesten Kommunikationsinhalten dient«28. Ziel der quantitativen Inhaltsanalyse 22 A. a. O., 76. 23 A. a. O., 252. 24 In Biels Konkretionen wird ein Material (M4) zum Konflikt in Korinth eingesetzt, »damit die Abendmahlspraxis der frühen Gemeinde verdeutlicht« (a. a. O., 99) werde. Hierzu wird gefragt, in welchem Verhältnis die korinthische Gemeinde zur jüdischen Synagoge stehe – pagane Beziehungen werden nicht angesprochen, obwohl später auf die Arbeit von Klauck, Herrenmahl, Bezug genommen wird (a. a. O., 252f.). 25 S. a. a. O., 79–82.85–93. 26 Wiedenroth-Gabler, Kompetenzentwicklung, 165. 27 S. Gerth, Geist, 85–87.167–171. 28 A. a. O., 85.

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ist es, mithilfe von zuvor festgelegten Kategorien,29 umfangreiche Textmengen zu analysieren.30 Aufgrund der Orientierung an diesen Kategorien verengt sich allerdings der Blickwinkel, wodurch nicht kategorial Erfasstes unberücksichtigt bleibt.31 Daher folgt die Untersuchung dem in der qualitativen Sozialforschung begründeten »zirkulären Vorgehen und der Offenheit der Forschungsfrage«32. Bei dieser Art der Durchführung wachsen die Kategorien im Zuge der Untersuchung mit. Zunächst richtet sich der Blick auf die Untersuchung von Art und Umfang der Behandlung von religionsgeschichtlichen Inhalten sowohl in den Kerncurricula als auch in den Religionsschulbüchern. Zu fragen ist: Werden religionsgeschichtliche Fragestellungen überhaupt thematisiert? Welche Religionen werden hierbei betrachtet? Anschließend wird im Sinne einer Spezialrecherche nach der Umsetzung der Mahlthematik gefragt. In den Blick kommen folglich nicht nur die Thematisierung des Abendmahls bzw. der Eucharistie, sondern auch weitere Mahlerzählungen sowie Mahlaspekte. Die Analyse erfolgt anhand folgender Stichworte: Berücksichtigung von Religionsgeschichte und Abendmahl, Klassenstufe der unterrichtlichen Thematisierung von religionsgeschichtlichen Inhalten und Abendmahl, Bezüge zu weiteren neutestamentlichen Mahltraditionen oder anderen Religionen/Kulturen, Berücksichtigung der neutestamentlichen Einsetzungstexte sowie Erwähnung der nachösterlichen Gemeindesituation. Die Auswertung der Untersuchungsdaten erfolgt durch Häufigkeitsangaben und Deskribierung der Ergebnisse.33 I.2.2.1. Untersuchung der Kerncurricula Trotz der prozessbezogenen Orientierung der Kerncurricula, ist von der Zielsetzung dieser Untersuchung her geboten, sich auf die dargestellten Inhalte zu konzentrieren – in den Blick kommen also die Vorschläge zur inhaltlichen Konkretisierung sowie die angegebenen biblischen Basistexte. Die Grundlage der Untersuchung bilden die niedersächsischen Kerncurricula für die Fächer evangelische und katholische Religion der Sekundarstufe I,34 um 29 30 31 32 33 34

S. Früh, Inhaltsanalyse, 52–75; Dross, Kriterien, 179–195. S. Merten, Inhaltsanalyse, 50. S. Brosius/Koschel/Haas, Methoden, 143. Gerth, Geist, 86. Vgl. Lamnek, Qualitative Sozialforschung, 478. S. Gerth, Geist, 87.91. Auch die hessischen Kerncurricula erfahren Berücksichtigung, wobei sie sich inhaltlich kaum von den niedersächsischen unterscheiden. Aus anderen Bundesländern wurden die (Rahmen-)Lehrpläne bzw. Bildungsstandards berücksichtigt (s. Anm. 6). Die Durchsicht ergab

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eine ausführliche Bestandsaufnahme vornehmen zu können. Auf dieser Grundlage ist es möglich, Korrelationen, Analogien und Differenzen zwischen unterschiedlichen Schulformen und Jahrgangsstufen zu ermitteln. Im Blick sind alle Schulformen der Sekundarstufe I – Hauptschule, Realschule (bzw. Oberschule)35, Integrierte Gesamtschule und Gymnasium – von der Klassenstufe fünf bis zehn. Evangelische und katholische Kerncurricula finden Berücksichtigung, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Vorgaben für beide Konfessionen wahrzunehmen. Interessant könnte hierbei sein, inwieweit das Sakrament als trennendes oder einendes Moment dargestellt wird und ob konfessionelle Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit sowie thematischen Einbettung bestehen. Bei der Untersuchung soll, neben den oben genannten Stichworten, insbesondere folgenden Fragen nachgegangen werden: 1. Welche Relevanz kommt religionsgeschichtlichen Inhalten in den Kerncurricula zu? Welche religionsgeschichtlichen Inhalte werden dargestellt? Welche Bedeutung hat die Thematisierung des Abendmahls bzw. der Eucharistie? 2. Nimmt die Relevanz mit höherer Jahrgangsstufe zu oder ab? 3. In welchem Kontext werden Religionsgeschichte und Abendmahl bzw. Eucharistie eingebunden?

I.2.2.2. Schulbuchanalyse Das Erkenntnisinteresse der Schulbuchanalyse ist, ob und inwiefern religionsgeschichtliche Inhalte und das Abendmahl bzw. Eucharistie in Religionsschulbüchern vermittelt werden. Die Grundlage für die Schulbuchanalyse bilden diejenigen Schulbücher, die das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung im Jahr 2014 für die Verwendung in der Sekundarstufe I genehmigt hat.36 Hierzu zählen jedoch hinsichtlich der Berücksichtigung von Religionsgeschichte oder Abendmahl keine anderen Ergebnisse, als die Untersuchung der niedersächsischen Kerncurricula. Zudem ist anzumerken, dass in Berlin und Brandenburg Religion kein ordentliches Unterrichtsfach darstellt, sondern es sich um ein freiwilliges Unterrichtsangebot handelt. Zu den gymnasialen Lehrplänen Nordrhein-Westfalens für den katholischen Religionsunterricht sei auf die Analyse von Münch, Eucharistie und Postmoderne, 272–280, verwiesen. 35 In Niedersachen wurde zum Schuljahrsbeginn 2011/12 die Oberschule eingeführt, die als Schule des Sekundarbereichs I die Schuljahrgänge 5 bis 10 umfasst und mit oder ohne gymnasiales Angebot geführt werden kann. Da sich die Kerncurricula der Oberschule gegenüber denjenigen für die Real- und Hauptschule hinsichtlich des Interessenschwerpunkts dieser Arbeit im Bereich »Inhalte für den Kompetenzerwerb« nicht unterscheiden, erfahren sie nur bei Ausnahmen gesonderte Berücksichtigung in den Anmerkungen. 36 Berücksichtigt werden zudem Schulbücher, die zwar nicht in Niedersachsen, aber in der

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auch nicht geschlossene Lehrwerkreihen von Klasse fünf bis zehn und solche, die bisher nicht erschienen sind.37 Überwiegend umfasst ein Religionsschulbuch je zwei Schuljahrgänge: je eines für die Klassenstufe fünf und sechs, sieben und acht sowie neun und zehn. Allerdings bestehen Unterschiede in der Verwendung von Schulbüchern in den einzelnen Schulformen; so soll beispielsweise das evangelische Schulbuch »Mitten ins Leben« von Ulrich Gräbig und Martin Schreiner ausschließlich in der Haupt- und Realschule Verwendung finden. Untersucht werden Lehrbücher für den evangelischen als auch für den katholischen Religionsunterricht, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszustellen. Der Schulbuchanalyse liegen, neben den zuvor genannten Stichworten, folgende Fragen zugrunde: 1. Inwieweit folgen die Schulbücher den curricularen Vorgaben? Welche Unterschiede sind zu erkennen? 2. Welchen Stellenwert nehmen religionsgeschichtliche Fragestellungen und das Abendmahl bzw. die Eucharistie in unterschiedlichen Klassenstufen ein? 3. Worin unterscheiden sich die Darstellungen in evangelischen und katholischen Religionsschulbüchern?

I.2.2.3. Analyse der Lehrerhandbücher In Anknüpfung an die Schulbuchanalyse folgt eine Analyse der dazugehörigen Lehrerhandbücher bzw. -kommentare. Berücksichtigung erfahren diejenigen Lehrerhandbücher, deren Schulbücher religionsgeschichtliche Themen und/ oder das Abendmahl bzw. die Eucharistie behandeln. Die Materialgrundlage ist somit auch in diesem Untersuchungsschritt konfessions- und schulformübergreifend. In Anlehnung an die leitenden Fragestellungen der Schulbuchuntersuchung kann die Berücksichtigung der Lehrerhandbücher weiterführende Anregungen für religionsgeschichtliche Perspektiven liefern und somit über die Darstellungen der Religionsschulbücher hinausreichen. Auch die Darstellung der fachwissenschaftlichen Hintergrundinformationen zum Abendmahl bzw. zur Eu-

Mehrzahl der anderen Bundesländer Verwendung finden. Hierzu zählen z. B. Kluge, Entdeckungen machen; Halbfas, Religionsbuch 7/8; Baldermann, Religion 5/6; Becker/Büchner/ Dressler/Jessen/Kämmerer, Religion 9/10; Bald/Kappe/Potoradi, Mosaiksteine oder BesserScholz, Lebens-Zeichen. 37 Z. B. Hahn/Schulte, reli plus 1.

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charistie wird in der Analyse berücksichtigt, um herauszuarbeiten, von welchem Forschungsstand die Schulbuchautoren ausgehen.38 Neben den oben genannten Stichwörtern sollen folgende Fragen im Zentrum der Analyse stehen: 1. Werden weitere religionsgeschichtliche Perspektiven eingetragen oder eine Vertiefung angeregt? 2. Erfolgt eine fachwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem religionsgeschichtlichen Hintergrund des Abendmahls bzw. der Eucharistie? Welche Hintergrundinformationen werden der Lehrperson zu dieser Thematik geboten? Gibt es Anregungen zur Weiterarbeit? 3. Mit welcher Intention werden religionsgeschichtliche Perspektiven und das Abendmahl bzw. die Eucharistie aufgegriffen?

I.2.3. Berücksichtigung religionsgeschichtlicher Lehrinhalte in den Kerncurricula, Religionsschulbüchern sowie deren Lehrerhandbüchern der Sekundarstufe I I.2.3.1. Religionsgeschichte in den Kerncurricula I.2.3.1.1. Kerncurricula für die Haupt- und Realschule In den Kerncurricula für den evangelischen Religionsunterricht der Haupt- und Realschule wird der Anspruch formuliert, dass die Lernenden dazu befähigt werden sollen, religiöse Grundfragen zu erschließen, Zusammenhänge zu erfassen und Absolutheitsansprüchen widerstehen zu können. Ziel soll sein, religiöse Grundlagen zu legen und diese zu festigen. Wichtig ist der Bezug zur Lebenswirklichkeit der Lernenden. Zu wählen sind handlungsorientierte und affektive Lernformen, die gemeinschaftliche und subjektorientierte Erfahrungen fördern, mithilfe derer u. a. religiöse Sprach- und Gestaltungsformen entwickelt werden können. Zudem soll der Religionsunterricht praxisorientiert sein. So solle z. B. die Begegnung mit Andersgläubigen gesucht und gefördert werden, um eine Auseinandersetzung zu ermöglichen und somit Toleranzausbildung zu fördern.39 Darüber hinaus hat der Religionsunterricht die Aufgabe, den Lernenden »Religion als Praxis zu erschließen, die kritisch zu reflektieren ist«40.

38 Hieran lässt sich im folgenden Kapitel anknüpfen und darstellen, ob dieser aus aktueller Forschungsperspektive möglicherweise ergänzungsbedürftig ist. 39 S. niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, 13f. 40 Niedersächsisches Kerncurriculum RS – Ev. Religion, 14.

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I.2.3.1.1.1. Evangelischer Religionsunterricht Im Kerncurriculum des evangelischen Religionsunterrichts wird im inhaltsbezogenen Kompetenzbereich »nach Gott fragen« von den Schülerinnen und Schülern am Ende des achten Schuljahrs erwartet, dass sie den christlichen Gott von nicht-christlichen Gottesbildern und modernen Götzen unterscheiden können.41 Zu Beginn des Kompetenzbereichs »nach Jesus Christus fragen« wird das Ziel formuliert, die Lernenden sollen den »Menschen Jesus in seiner Zeit und Umwelt, in seinen historischen, sozialen und religiösen Bezügen«42 wahrnehmen. Dieser Anspruch gilt als erwartete Kompetenz am Ende des sechsten Schuljahrgangs. Als möglicher Inhalt wird die Beschäftigung mit einer Landkarte von Palästina und dem dortigen Leben zur Zeit Jesu genannt.43 Aus religionsgeschichtlicher Sicht erscheint vor allem der Kompetenzbereich »nach Religionen fragen« vielversprechend: Die Lernenden sollen befähigt werden, »den Blick für das Eigene und Fremde zu schärfen«44, im Mittelpunkt steht die »Bildung einer eigenen religiösen Identität« und eine »Öffnung gegenüber dem Anderen«45. Als biblischer Basistext wird die Einsetzung des Pesachfests angegeben (Ex 12,1–28). Eine weitere inhaltliche Konkretion bietet der Vorschlag, Rituale, Feste und Feiern (5./6. Schuljahrgang) sowie Toleranz und Respekt (7./8. Schuljahrgang) zu thematisieren.46 I.2.3.1.1.2. Katholischer Religionsunterricht Im Kerncurriculum des katholischen Religionsunterrichts sind im Kompetenzbereich »nach der Verantwortung des Menschen in der Welt fragen« als mögliche Unterrichtsinhalte die biblischen Schöpfungserzählungen und ein außerbiblischer Schöpfungsmythos vorgesehen.47 Weiterhin sollen sich die Lernenden im Kompetenzbereich »nach Glauben und Kirche fragen« bis zum Ende des achten Schuljahrs mit der »Urgemeinde«48 anhand einer exemplarischen Perikope (z. B. Apg 4,32–37 »Gütergemeinschaft«) auseinandergesetzt haben.49 41 S. niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 22. 42 Ebd., je 24. 43 Die Schülerinnen und Schüler können über Jesu Zeit und Umwelt Auskunft geben (s. a. a. O., je 25). Ebenso im Kerncurriculum HS – Kath. Religion, 22f. 44 Niedersächsisches Kerncurriculum HS – Ev. Religion, 30. 45 Niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 30. 46 S. a. a. O., je 31. Jedoch scheint hier eher die Vermittlung von Faktenwissen (z. B. Fünf Säulen des Islam) anstatt konkreter Begegnung angedacht. 47 S. niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Kath. Religion (5./6. Schuljahrgang), je 25. Ebenso im Kerncurriculum für die RS – Ev. Religion (5./6. Schuljahrgang), 27. 48 Ein aus historischer Sicht problematischer Begriff. 49 S. niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Kath. Religion, je 26f. Im 9./10. Schul-

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Auch im Kerncurriculum des katholischen Religionsunterrichts spielt der Kompetenzbereich »nach Religionen fragen« für religionsgeschichtliche Überlegungen eine übergeordnete Rolle: Zu den exemplarischen Bibelstellen zählen »das Pascha« (Ex 12–13), die »Reinheitsbestimmungen« (Mk 7,1–23) und »das Bild der gemeinsamen Wurzel von Juden und Christen« (Röm 11,13–24).50 Außerdem wird von der bereits zur Grundschulzeit erworbenen Kompetenz ausgegangen, dass die Lernenden »wissen, dass Menschen in unterschiedlichen Religionen über die Welt, das Leben und Gott nachdenken, Fragen stellen und Antworten suchen«51. Ein Inhalt der letzten beiden Doppeljahrgänge soll sein, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des jüdischen Glaubens bzw. einer fernöstlichen Religion und des Christentums zu beschreiben.52 I.2.3.1.2. Kerncurricula für die Integrierte Gesamtschule Die Unterrichtssituation in der Integrierten Gesamtschule ist im besonderen Maß durch fächerübergreifende Vorhaben und heterogene Klassenzusammensetzung geprägt.53 Dem evangelischen Religionsunterricht kommt, aufgrund seines ›Einladungscharakters‹, die besondere Funktion zu, Lernende »mit unterschiedlicher religiöser und kultureller Prägung in einen Dialog treten zu lassen und dadurch zu einer Haltung gegenseitigen Respekts und gegenseitiger Toleranz beizutragen«54. Für einen gelingenden Dialog setzt sich der katholische Religionsunterricht »die Vermittlung einer gesprächsfähigen Identität«55 zum Ziel. Da die Bezüge zu religionsgeschichtlichen Lehrinhalten in den Kerncurricula für den evangelischen und den katholischen Religionsunterricht übereinstimmen, können sie undifferenziert zusammengefasst werden: Im Kompetenzbereich »nach Gott fragen« sollen sich die Schülerinnen und Schüler im fünften und sechsten Schuljahr mit alt- und neutestamentlichen Gottesbildern vergleichend befassen und dies im folgenden Doppeljahrgang anhand der Inhalte »Gott und Götzen« sowie »Gottesvorstellungen in den abrahamitischen Religionen« weiterführen.56 Die Kerncurricula regen in diesem Doppeljahrgang

50 51 52 53 54 55 56

jahrgang der Realschule beider Konfessionen wird als Inhalt für diesen Kompetenzbereich das »Urchristentum« vorgeschlagen und als biblische Basistexte der Ev. Religion Apg 1,4–11; 2; 13ff.; 15 angeführt (29). S. a. a. O., je 28. Ebd. S. a. a. O., 29. S. niedersächsisches Kerncurriculum IGS – Ev. und Kath. Religion, je 11f. Niedersächsisches Kerncurriculum IGS – Ev. Religion, 12. Niedersächsisches Kerncurriculum IGS – Kath. Religion, 10. S. niedersächsisches Kerncurriculum IGS – Ev. und Kath. Religion, je 21.

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ferner an, biblische und außerbiblische Schöpfungserzählungen zu thematisieren.57 Auch die Kerncurricula der Integrierten Gesamtschule geben vor, dass sich die Lernenden mit Jesu Botschaft sowie seiner Zeit und Umwelt auseinanderzusetzen haben: Am Ende von Klasse sechs sollen die Schülerinnen und Schüler Lebensstationen Jesu in den historisch-kulturellen Kontext einordnen und in Klasse acht anhand neutestamentlicher Texte die Grundaussagen der ReichGottes-Botschaft erläutern können.58 Im siebten und achten Schuljahrgang wird im Kompetenzbereich »nach Glaube und Kirche fragen« vorgeschlagen, das Leben in der »Urgemeinde« anhand exemplarischer Bibelstellen (Apg 2,37–47; 4,32–37) zu thematisieren.59 Zudem fordern diese Kerncurricula im Kompetenzbereich »nach Religionen fragen« deutlicher als die zuvor vorgestellten Kerncurricula eine konkrete Begegnung mit anderen Religionen, z. B. durch Moscheebesuch oder Dialog mit Anhängern des jüdischen Glaubens, und betonen das Erarbeiten von Gemeinsamkeiten verschiedener Religionen, z. B. die gemeinsame Wurzel des Christenund Judentums oder die Formulierung eines gemeinsamen ethischen Kerns der Weltreligionen.60 I.2.3.1.3. Kerncurricula für das Gymnasium Die Besonderheit des Kerncurriculums für den evangelischen und katholischen Religionsunterricht des Gymnasiums ist die veränderte Bezeichnung der inhaltsbezogenen Kompetenzbereiche, obwohl die Bereiche inhaltlich ähnlich bleiben. Im Kerncurriculum für das Fach Evangelische Religion wird die charakteristische Bezeichnung »nach […] fragen« weggelassen. Für den katholischen Religionsunterricht heißen die sechs Kompetenzbereiche:61 – Der Mensch berufen zu Freiheit und Hoffnung – Die Frage nach dem Sinn und die Unbegreiflichkeit Gottes – Die Sehnsucht nach Erfüllung und die Heilsbotschaft Jesu Christi – Das Handeln des Menschen in der Verantwortung vor sich, vor den Mitmenschen und vor Gott 57 S. a. a. O., je. 25. Im Kompetenzbereich »nach der Verantwortung in der Welt und der Gesellschaft fragen«. 58 S. a. a. O., je 22f. Als mögliche Inhalte werden die politische Struktur (römische Herrschaft) und Geographie Palästinas, deren Lebensverhältnisse, religiöse Gruppierungen sowie die jüdische Religion (Pesachfest, Reinheitsvorschriften, Symbole) vorgeschlagen. 59 S. a. a. O., je 27. 60 S. a. a. O., je 28. Als Fachbegriff wird hier der Polytheismus sowie das Pesach aufgeführt, wobei kritisch anzumerken ist, dass hierfür im Fach Ev. Religion als exemplarische Bibelstelle Gen 13,3–10 »Feier des Pesach-Festes« angegeben ist. Korrekt wäre allerdings Ex 13,3–10 »Fest der Ungesäuerten Brote« bzw. Ex 12,1–28 »Einsetzung des Pesachfests«. 61 S. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Kath. Religion, 16f.

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– Das Zeugnis der Kirche von der Gegenwart Gottes in Geschichte und Gesellschaft – Religionen im Dialog

I.2.3.1.3.1. Evangelischer Religionsunterricht Nach dem anthropologischen Leitthema der fünften und sechsten Klasse sollen die Lernenden »biblische und außerbiblische Zeugnisse als Zeichen der Hoffnung«62 deuten können. Im letzten Doppeljahrgang dieses Kompetenzbereichs (9./10. Schuljahrgang) sollen die Lernenden zudem in der Lage sein, »religiöses Fragen nach Sinn und Ziel des Lebens als eine Grunddimension des Menschseins«63 zu verstehen. In der siebten und achten Klassenstufe sollen die Lernenden im theologischen Kompetenzbereich den christlichen Gott von nicht-christlichen Gottesvorstellungen unterscheiden können.64 Im folgenden Schuljahrgang wird vorgeschlagen, dass sich die Lernenden mit Weltbildern aus verschiedenen Entstehungszeiten auseinandersetzen.65 Auch das Kerncurriculum für das Gymnasium empfiehlt eine Thematisierung der ersten christlichen Gemeinden im siebten und achten Schuljahrgang anhand des Bibeltextes Apg 4,32–3766 sowie die Begegnung mit der Zeit und Umwelt Jesu im fünften und sechsten Schuljahrgang.67 Im Kompetenzbereich »Religionen im Dialog« wird von den Schülerinnen und Schülern der fünften und sechsten Klasse erwartet, die Bedeutung jüdischer Feste (z. B. Pesach) erläutern zu können.68 Im neunten und zehnten Schuljahrgang zählt außerdem das Kennen von interreligiösen Projekten (z. B. Projekt »Weltethos«) zu den zu erlangenden Kompetenzen.69 Im Unterschied zu den anderen Kerncurricula erhebt dieses den Anspruch, dass die Lernenden ab der siebten und achte Klassenstufe fähig sein sollen,

62 Niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 17. Beispiele für außerbiblische Zeugnisse werden jedoch nicht aufgeführt. 63 A. a. O., 19. 64 S. a. a. O., 21; niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Kath. Religion, 29. 65 S. a. a. O., 22. 66 S. a. a. O., 30; niedersächsischen Kerncurriculum Gym – Kath. Religion, 31. 67 S. a. a. O., 23. Die Schülerinnen und Schüler sollen Spuren Jesu in ihrer Alltagswelt wahrnehmen (z. B. Feste, Symbole, Bilder), wesentliche Stationen seines Lebens sowie politischreligiöse Gruppierungen beschreiben können. 68 S. a. a. O., 32. 69 S. a. a. O., 34. Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Kath. Religion, 29.

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»Bibeltexte methodisch reflektiert unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte«70 auszulegen. I.2.3.1.3.2. Katholischer Religionsunterricht Das Kerncurriculum des katholischen Religionsunterrichts regt im anthropologischen Kompetenzbereich an, dass die Schülerinnen und Schüler einen christlichen Lebensentwurf (7./8. Schuljahrgang) sowie das christliche Menschenbild (9./10. Schuljahrgang) mit einem anderen vergleichen sollen.71 Im theologischen Kompetenzbereich sollen in der neunten und zehnten Klasse der »Dialog zwischen Naturwissenschaft und Glaube«72 sowie das »Christentum in einer pluralen und globalisierten Welt«73 im Unterricht behandelt werden. Der christologische Kompetenzbereich sieht für den fünften und sechsten Schuljahrgang das Leitthema »Zeit und Umwelt Jesu« vor, das inhaltlich z. B. durch »das Leben zur Zeit Jesu«, »römische Herrschaft« oder »religiöse Gruppierungen« konkretisiert werden kann. Am Ende des achten Schuljahrs sollen die Lernenden in der Lage sein, die Bibel als geschichtlich gewachsenes Glaubensbuch zu deuten.74 I.2.3.2. Religionsgeschichte in den Religionsschulbüchern Im Anschluss an die Analyse der curricularen Vorgaben sind kaum religionsgeschichtliche Bezüge in der didaktischen Umsetzung der Religionsschulbücher zu erwarten. Denkbar wären sie im Zuge der Thematisierung von außerbiblischen Schöpfungsmythen oder dem Leben in frühchristlichen Gemeinden. In den evangelischen Religionsschulbüchern ist insbesondere in der fünften und sechsten Klasse die unterrichtliche Behandlung von Jesu Zeit und Umwelt vorgesehen, wobei religionsgeschichtliche Fragen im Zusammenhang mit der Thematisierung der abrahamitischen Religionen sowie des Pesachfests angeregt werden könnten.

70 A. a. O., 24. Dies soll exemplarisch anhand neutestamentlicher Texte auf Grundlage der Zweiquellentheorie und des synoptischen Vergleichs erfolgen. 71 S. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Kath. Religion, 18. 72 A. a. O., 21. 73 Ebd. 74 S. a. a. O., 22f.

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Religionspädagogische Ausgangslage

I.2.3.2.1. Evangelische Religionsschulbücher I.2.3.2.1.1. Fünftes und sechstes Schuljahr Im fünften und sechsten Schuljahr sind religionsgeschichtliche Themen kaum vertreten. Zwar wird Jesu Herkunft und Umwelt angesprochen,75 aber ohne religionsgeschichtliche Bezüge herzustellen. Bei der Thematisierung des Schöpfungsgeschehens wird der erste biblische Schöpfungsbericht mit dem babylonischen Schöpfungsmythos in Verbindung gebracht76 und z. B. gefragt, wie im jeweiligen Mythos von den Menschen und der Welt gesprochen wird77 oder von welchen Gefahren sich die Menschen bedroht sahen und was ihnen in diesen Texten Sicherheit gab.78 In einem Religionsschulbuch wird, neben der römischen Götterwelt, der Aufbau eines Tempels beschrieben: Anhand einer römischen Tempelanlage, also anhand eines Gebäudes (!), sollen die Schülerinnen und Schüler Unterschiede zwischen dem römischen Kult und der christlichen Religion aufzeigen. Mithilfe dieser Unterschiede soll anschließend ein Streitgespräch zwischen zwei Anhängern des jeweiligen Glaubens inszeniert werden.79 Ein anderes Buch stellt den Christen Lucius vor, der 250 n. Chr. in Alexandria lebt und an paganen Opferungen teilnimmt, Trankopfer vollzieht und Opferfleisch isst. Die Lernenden sollen, angeregt durch verschiedene Aussagen der christlichen Gemeindemitglieder, diskutieren, ob Lucius nun noch Christ sein kann.80 Ein Schulbuch für das Gymnasium thematisiert die ägyptische Pharaonin Hatschepsut sowie die ägyptische Göttin der Weisheit Ma’at.81 Ein weiteres führt unter der Überschrift »Was glaubten die Menschen zur Zeit Jesu?« in sich nicht recht schlüssig die Gruppierungen der Essener, Pharisäer, Sadduzäer und Zeloten auf,82 nicht aber pagane Gottesvorstellungen.

75 S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1, 119. In Gräbig/Schreiner, Mitten ins Leben 1, 74, wird Jesu jüdische Herkunft herausgestellt. 76 S. a. a. O., 48–51. Vgl. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6, 56. In neuen Schulbüchern wie Hahn/Schulte, reli plus 1 oder Grill-Ahollinger/Görnitz-Rückert/Rückert, Ortswechsel 5/6, findet sich hingegen kein Hinweis auf den »Enuma elisch«-Mythos. 77 S. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6, 57. 78 S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1, 51. 79 S. a. a. O., 168. 80 S. Hahn/Schulte, reli plus 1, 110. 81 S. Grill-Ahollinger/Görnitz-Rückert/Rückert, Ortswechsel 5/6, 58. 82 S. Husmann/Merkel, Moment mal! 1, 78f.

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I.2.3.2.1.2. Siebtes und achtes Schuljahr Im siebten und achten Schuljahr bestehen verschiedene religionsgeschichtliche Bezüge: So sollen sich die Lernenden, über die Thematisierung von unterschiedlichen Schöpfungsmythen hinaus,83 mit der Textart »Mythos« auseinandersetzen84 und unterschiedliche Schöpfungsvorstellungen, z. B. nordafrikanische, indianische, jüdische, christliche,85 vergleichen. In einem Schulbuch wird das christliche Osterfest mit dem jüdischen Pesachfest in Verbindung gebracht: Ostern sei »aus der christlichen Umdeutung des jüdischen Pessah«86 hervorgegangen. Diese Aussage verlangt geradezu nach einer religionsgeschichtlichen Begründung. Darüber hinaus regt ein Schulbuch implizit zu religionsgeschichtlicher Betrachtung an, indem es den Vergleich eines biblischen Wunders (Lk 7,11–17 »Totenerweckung des Jünglings zu Nain«) mit dem antiken Erweckungswunder des Apollonius von Tyana vorschlägt.87 Ein Schulbuch formuliert »im Blick auf die (Kirchen- und Religions-)Geschichte«88 verschiedene Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler am Ende der achten Klasse erreicht haben sollen: So sollen sie z. B. die Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart kennen oder den Ursprung und die Entwicklung verschiedener religiöser Phänomene. I.2.3.2.1.3. Neuntes und zehntes Schuljahr Im neunten und zehnten Schuljahr sind die einzig erkennbaren Bezüge zu religionsgeschichtlichen Betrachtungen der babylonische Schöpfungsmythos,89 die Anregung zu Vergleichen von Religionen90 und die Hinführung zu Methodenschritten der historisch-kritischen Exegese. Im Zusammenhang der Methodenschritte wird die religionsgeschichtliche Textdimension in einem Schulbuch als »allgemeine menschliche Erfahrung und ihre religiöse Verarbeitung«91 beschrieben.

83 S. Baumann/Wermke, Religionsbuch 7/8, 56. Vgl. Grill-Ahollinger/Görnitz-Rückert/Rückert/ Samhammer, Ortswechsel 8, 106. 84 S. Gräbig/Schreiner, Mitten ins Leben 2, 3.54. Vgl. Baumann/Wermke, Religionsbuch 2, 67, in dem die biblischen Schöpfungsmythen mit Platons Mythos von den Kugelmenschen verglichen werden sollen. 85 S. a. a. O., 34. 86 A. a. O., 154. 87 S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 2, 62. 88 Büttner/Dieterich/Herrmann/Marggraf/Roose, SpurenLesen 3, 226. 89 S. a. a. O., 14. Vgl. Baumann/Wermke, Religionsbuch 3, 70f. 90 S. a. a. O., 142f.227.279. 91 Baumann/Wermke, Religionsbuch 9/10, 172.

34

Religionspädagogische Ausgangslage

I.2.3.2.2. Katholische Religionsschulbücher I.2.3.2.2.1. Fünftes und sechstes Schuljahr Religionsgeschichtliche Bezüge sind im Vergleich zu den evangelischen Schulbüchern nur wenige vertreten: Meist werden zwar in Form von Lexikonartikeln Begriffe wie »Mythos« oder »Urgemeinde« erklärt oder römische Götter thematisiert,92 konkrete Inhalte, wie etwa der babylonische Schöpfungsmythos, sind allerdings nicht vorgesehen. Allerdings wird in Übereinstimmung mit den evangelischen auch in den katholischen Religionsschulbüchern Jesu jüdische Herkunft thematisiert.93 I.2.3.2.2.2. Siebtes und achtes Schuljahr Die katholischen Religionsschulbücher dieser Schuljahre weisen die geringsten religionsgeschichtlichen Bezüge auf. Wie im vorangegangenen Doppeljahrgang werden Jesu jüdische Wurzeln angesprochen.94 Zudem wird als religionsgeschichtlicher Bezug in einem Schulbuch der babylonische Schöpfungsmythos »Enuma elisch« im Zusammenhang mit dem ersten Schöpfungsbericht aufgegriffen.95 Wie zu Beginn beschrieben, stellt das katholische »Religionsbuch« von Halbfas religionsgeschichtliche Bezüge zur Mahlthematik her (s. I.2.1.). Allerdings ist dieses nicht als Lehrmittel für den niedersächsischen Religionsunterricht zugelassen. I.2.3.2.2.3. Neuntes und zehntes Schuljahr Als Anknüpfungspunkte an religionsgeschichtliche Betrachtungsweisen finden sich die Behandlung von Schöpfungsmythen,96 ein Vergleich zwischen den Weltreligionen97 und die Heranführung an die historisch-kritische Methode.98

92 S. Trutwin, Zeit der Freude 5/6, 154. Vgl. Halbfas, Religionsbuch 5/6, 145; Bosold/MichalkeLeicht, Mittendrin 1, 100. In diesem wird zudem herausgestellt, dass alle Religionen versuchen, Antworten auf Menschheitsfragen zu finden (36f.). 93 S. Halbfas, Religionsbuch 5/6, 59.88f. Vgl. Hilger/Reil, Reli 5/6, 30f.140. 94 S. Hilger/Reil, Reli 7/8, 50. 95 S. Bamming/Trendelkamp, Treffpunkt RU 7/8, 82. 96 S. Trutwin, Zeichen der Hoffnung 9/10, 34f. 97 Z. B. der Vergleich von Buddha und Jesus (s. Halbfas, Religionsbuch 9/10, 146. Vgl. Trutwin, Zeichen der Hoffnung 9/10, 222f.). Das Nebeneinander verschiedener Jenseitsvorstellungen der Germanen, Griechen, Hinduisten, Buddhisten, Muslime und Juden wird in Hilger/Reil, Reli 9/10, 104, thematisiert. 98 S. Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 3, 80.120; Trutwin, Zeichen der Hoffnung 9/10, 230.

Empirische Untersuchung

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I.2.3.3. Religionsgeschichte in den Lehrerhandbüchern Angesichts der Ergebnisse der Schulbuchanalyse ist, außer im Kontext der unterrichtlichen Behandlung von Schöpfungsmythen, konfessionsübergreifend von einer geringen Berücksichtigung religionsgeschichtlicher Perspektiven in den Lehrerhandbüchern auszugehen. Im Folgenden wird es daher vor allem um die Frage gehen, mit welcher Intention die Schulbuchautoren eine unterrichtliche Thematisierung religionsgeschichtlicher Perspektiven anregen. I.2.3.3.1. Evangelische Lehrerhandbücher I.2.3.3.1.1. Fünftes und sechstes Schuljahr Aufgrund der Ergebnisse der Schulbuchanalyse kommen für die Analyse der Lehrerhandbücher des fünften und sechsten Schuljahrgangs nur zwei Werke in Betracht.99 Als Lernchancen der Thematisierung von Schöpfungsmythen führt ein Lehrerhandbuch an, dass »bei aller Verschiedenheit der Sicht der Welt, hinter diesen Geschichten die alten, immer gleichen Fragen der Menschheit stehen«100. Zudem stellt dieses Handbuch die Unterschiede zwischen der christlichen und der »Religion der Römer« heraus, bietet jedoch keine weiterführenden Informationen gegenüber dem Schulbuch.101 Obwohl das zweite Lehrerhandbuch darauf eingeht, dass »Begegnung und Konflikt mit der kanaanäischen Fruchtbarkeitsreligion und die Auseinandersetzung mit dem Mardukkult im babylonischen Exil […] zur Integration des Schöpfungsglaubens in die altisraelische Heilsgeschichte«102 führten, stellt es explizit die ökologische Perspektive als Schwerpunkt der unterrichtlichen Behandlung der Schöpfungsmythen heraus und geht nicht weiter auf religionsgeschichtliche Perspektiven ein. In einem weiteren wird zwar das Zusammenleben der christusgläubigen Juden und Heiden im ersten Korintherbrief angesprochen, allerdings ohne auf das Herrenmahl einzugehen.103

99 S. Petri/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1. Lehrermaterialien. Vgl. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6. Handreichung. 100 A. a. O., 40. 101 S. a. a. O., 135. 102 Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6. Handreichung, 48. 103 S. Schule/Hahn, reli plus 1. Lehrerhandbuch, 96. Zur Auseinandersetzung mit der religiösen Mitwelt des frühen Christentums wird auf das Gesellschaftsspiel »Auf den Spuren des Völkerapostels Paulus« (Uljö) hingewiesen.

36

Religionspädagogische Ausgangslage

I.2.3.3.1.2. Siebtes und achtes Schuljahr Für die siebte und achte Klassenstufe bilden vier Lehrerhandbücher die Grundlage für die Untersuchung.104 Neben dem vereinzelten Aufgreifen des babylonischen Schöpfungsmythos105 regt ein Lehrerhandbuch für das bessere Verständnis der neutestamentlichen Wundergeschichten an, den Lernenden einen Einblick in das Weltbild des alten Orients zu vermitteln; eine schematische Abbildung seines Weltbildes soll dabei behilflich sein.106 Zudem wird die Lehrperson, die »Interesse an religionsgeschichtlichen Vergleichen hat«107, angeregt, die Wundergeschichte von Asklepiades zu thematisieren.108 Ein weiteres Lehrerhandbuch intendiert mithilfe der unterrichtlichen Thematisierung von Naturreligionen, dass die Lernenden »durch Auseinandersetzung mit fremden […] Mythen, Riten, Geboten usw. Vorurteile infrage stellen und Fremdes in seinem jeweiligen Kontext verstehen«109 und »durch produktive Auseinandersetzung mit Elementen naturreligiöser und christlicher Religion Impulse für die Gestaltung und Vertiefung des eigenen Glaubens bekommen«110 sollen. Hier scheint die religionsgeschichtliche Perspektive als Möglichkeit religiösen Lernens indirekt angesprochen, ohne jedoch konkret als solche benannt zu sein. I.2.3.3.1.3. Neuntes und zehntes Schuljahr In Anlehnung an die Ergebnisse der Schulbuchuntersuchung kommen insgesamt drei Lehrerhandbücher in Betracht, von denen allerdings keines religionsgeschichtliche Perspektiven anbahnt.111 Nur an einer Stelle wird angemerkt, dass »in allen Kulturen und Religionen verwandte Grundmuster über den Tod und über das Leben nach dem Tod existieren«112. Weitere Anregungen finden sich nicht.

104 S. Baumann/Wermke, Religionsbuch 7/8. Handreichung. Vgl. Petri/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 2. Lehrermaterialien; Koretzki/Tammeus, Werkbuch 7/8. 105 S. a. a. O., 52. 106 S. Petri/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 2. Lehrermaterialien, 42. 107 Ebd. 108 S. ebd. 109 Koretzki/Tammeus, Werkbuch 7/8, 144 110 Ebd. 111 S. Koretzki/Tammeus, Werkbuch 9/10, 78. Vgl. Büttner/Dieterich/Herrmann/Marggraf/ Roose, SpurenLesen 3. Werkbuch; Baumann/Wermke, Religionsbuch 7/8. Handreichung. 112 Büttner/Dieterich/Herrmann/Marggraf/Roose, SpurenLesen 3. Werkbuch, 264. Hierzu zählen Motive wie der Tod als Reise, Kampf oder Wandlung.

Empirische Untersuchung

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I.2.3.3.2. Katholische Lehrerhandbücher I.2.3.3.2.1. Fünftes und sechstes Schuljahr Die Grundlage für die Untersuchung katholischer Lehrerhandbücher für das fünfte und sechste Schuljahr bilden vier Werke.113 Religionsgeschichtliche Perspektiven lassen sich an verschiedenen Stellen ausmachen, so in einem Lehrerhandbuch, das den »Bruderbegriff«114 in der Hebräischen Bibel, im Hellenismus und im frühen Christentum beleuchtet.115 Weiterhin wird die Lehrperson in diesem Handbuch angeregt, sich mit der Entstehung des Christentums aus dem Judentum auseinanderzusetzen, wofür exegetische Erkenntnisse zusammengetragen werden.116 Ein anderes Lehrerhandbuch bietet eine Geschichte, in der ein Mann die kanaanäischen Götter Baal und Aschera um die Geburt eines Sohnes bittet. Deren Ausgang ist »bewusst positiv gestaltet, damit sichtbar wird, wie groß die Anziehungskraft dieses Glaubens war«117. Im Anschluss an den Vortrag dieses Textes regt das Handbuch folgende Fragen und Arbeitsaufträge an: »Baal und Aschera: Warum sollten die Israeliten keine Fruchtbarkeitsgötter haben? Warum verehrten sie diese Gottheiten manchmal doch und brachten ihnen Opfer dar? Vergleicht Baal, Aschera und den Gott Israels miteinander.«118 Anzumerken ist, dass sich die erste Frage nicht auf Grundlage des Textes beantworten lässt. Des Weiteren bietet dieses Lehrerhandbuch einen Text, in dem ein Pfarrer einer Schülergruppe den Minotaurus-Mythos119 erzählt. Der Text endet mit den Worten: »Theseus hat sein eigenes Leben riskiert, um das Böse zu vernichten und die Menschen von dem Ungeheuer zu erlösen. Kennt ihr jemanden, der etwas Ähnliches getan hat?«120 Diese Frage zielt auf die sich anschließende Fragestellung: »Warum kann man Jesus mit Theseus vergleichen?«121. Sofern in den Lehrerhandbüchern auf Schöpfungsmythen eingegangen wird, intendieren die Handbücher lediglich das Kennen des »Enuma elisch«-Mythos. 113 S. Halbfas, Religionsunterricht 5 und 6. Lehrerhandbuch. Vgl. Trutwin, Fundgrube 5/6; Hilger/Reil, Reli 5/6. Lehrerkommentar; Sajak, Treffpunkt RU 5/6. 114 Hierunter sei allgemein das (ur-)menschliche Streben nach Zusammengehörigkeit zu verstehen. 115 S. Halbfas, Religionsunterricht 5. Lehrerhandbuch, 212–215. 116 S. Halbfas, Religionsunterricht 6. Lehrerhandbuch, 441–444. 117 Trutwin, Fundgrube 5/6, 59. 118 Ebd. 119 Dieser handelt davon, dass Theseus mithilfe der Königstocher Ariadne, die ihm ein Wollknäuel gibt, sodass er aus dem Labyrinth, in dem der Minotaurus haust, zurückfindet, die Insel Kreta von dem furchtbaren Stiermenschen befreit. 120 Trutwin, Fundgrube 5/6, 86. 121 A. a. O., 85.

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Religionspädagogische Ausgangslage

Als Arbeitsanregung entnimmt die Lehrperson dem Handbuch den Vorschlag, dass die Lernenden Bilder zu dem babylonischen Schöpfungsmythos malen können.122 I.2.3.3.2.2. Siebtes und achtes Schuljahr Für das siebte und achte Schuljahr kommen drei Lehrerhandbücher für die Analyse in Frage. Das von Halbfas (s. I.2.1.) geht sehr ausführlich auf mögliche religionsgeschichtliche Perspektiven im Religionsunterricht ein.123 Daneben thematisiert ein weiteres Lehrerhandbuch den babylonischen Schöpfungsmythos, anhand dessen die Lernenden erkennen können, dass »die Sprache des Mythos und der Wissenschaft zwei Formen unter vielen einzuordnen«124 seien. Zudem wird erneut der Baal-Kult aufgegriffen. Die Lernenden sollen, ähnlich wie es dieses Lehrhandbuch zur fünften und sechsten Klasse vorgeschlagen hat, sich mit der Frage auseinandersetzen, weshalb »die Baal-Religion mit dem Gott Israels unvereinbar«125 war. Wie in den evangelischen Lehrerhandbüchern begegnen religionsgeschichtliche Perspektiven auch in katholischen im Zusammenhang mit Wundergeschichten.126 I.2.3.3.2.3. Neuntes und zehntes Schuljahr Eines der vier in Frage kommenden Lehrerhandbüchern für das neunte und zehnte Schuljahr127 stellt im Unterrichtskapitel »Jenseitsvorstellungen der Religionen« in kurzen Informationstexten Erkenntnisse der religionswissenschaftlichen Forschung zu den Jenseitsvorstellungen der Germanen, der Griechen sowie des Juden- und Christentums nebeneinander, ohne sie zueinander in Beziehung zu setzen.128 122 S. Hilger/Reil, Reli 5/6. Lehrerkommentar, 128.131f. Ergänzend wird angeregt, den BaalMythos zu thematisieren (133). Der babylonische Schöpfungsmythos erfährt zudem Berücksichtigung (s. Sajak, Treffpunkt RU 7/8, 79f.). 123 Hilger/Reil, Reli 7/8. Lehrerkommentar; Trutwin, Fundgrube 7/8; Halbfas, Religionsunterricht 7 und 8. Lehrerhandbuch. 124 A. a. O., 252. 125 Trutwin, Fundgrube 7/8, 40. 126 S. a. a. O., 77. Hier am Beispiel des Wunderheilers Apollonius. Vereinzelt ist die Thematisierung bereits für die vorangehende Jahrgangsstufe vorgesehen (s. Halbfas, Lehrerhandbuch 6, 297–318). 127 S. Hilger/Reil, Reli 9/10. Lehrerkommentar. Vgl. Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 3. Lehrerkommentar; Halbfas, Religionsunterricht 10. Lehrerhandbuch; Trutwin, Fundgrube 9/10. 128 S. a. a. O., 196f. Vgl. Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 3. Lehrerkommentar, 185. In einem anderen Handbuch erfolgt dies in ähnlicher Weise – allerdings am Beispiel von der »Mystik der Religionen« (s. Halbfas, Lehrerhandbuch 10, 272–287).

Empirische Untersuchung

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In dem Kapitel »Welt und Mensch – Anfang, Gegenwart und Ende« regt ein Lehrerhandbuch den Vergleich von einem ägyptischen und babylonischen Weltschöpfungsmythos, dem griechischen Helios-Mythos und biblischen Schöpfungsaussagen an. Als mögliche Fragen werden genannt: »Welche Bedeutung hat ein Mythos? Könnt ihr ihm heute noch eine Bedeutung beimessen?«129 oder: »Was meint ihr, sollte man die alten Mythen heute noch beachten?«130 I.2.3.4. Zusammenfassung Die Analyse der Kerncurricula, Religionsschulbücher und Lehrerhandbücher zur Berücksichtigung religionsgeschichtlicher Perspektiven im gegenwärtigen Religionsunterricht der Sekundarstufe I hat ergeben, dass diese am häufigsten im Zusammenhang der der Schöpfungsmythen eine Rolle spielen. Auch bei der Behandlung der Lebenswelt Jesu werden religionsgeschichtliche Inhalte der paganen Mitwelt, z. B. die ägyptische und griechisch-römische Götterwelt, griechische Mythen oder Bilder von antiken Bauten, erwähnt – die religiöse Bezugsgröße ist allerdings das Judentum. Die pagane Mitwelt dient hingegen der Kontrastierung mit dem Christentum.

I.2.4. Berücksichtigung der Mahlthematik in den Kerncurricula und Religionsschulbüchern sowie deren Lehrerhandbüchern der Sekundarstufe I I.2.4.1. Mahlthema in den Kerncurricula I.2.4.1.1. Kerncurricula für die Haupt- und Realschule I.2.4.1.1.1. Evangelischer Religionsunterricht Im Kerncurriculum des evangelischen Religionsunterrichts wird der Abendmahlbericht in den inhaltsbezogenen Kompetenzbereichen nicht explizit als biblischer Basistext aufgeführt. Jedoch wird die lukanische Version des Gleichnisses vom großen Gastmahl (Lk 14,15–24), das Elemente des Abendmahls thematisiert, im Kompetenzbereich »nach dem Menschen fragen« als Textbeispiel angeboten. Zudem werden in diesem Zusammenhang zwei Deutungsas-

129 Trutwin, Fundgrube 9/10, 32. 130 A. a. O., 33.

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Religionspädagogische Ausgangslage

pekte des Abendmahls als mögliche Unterrichtsinhalte erwähnt: Gemeinschaft (5./6. Schuljahrgang) und Vergebung (7./8. Schuljahrgang).131 Im neunten und zehnten Schuljahrgang erscheint das Abendmahl implizit im Bereich »nach Jesus Christus fragen«, wenn zur inhaltlichen Konkretisierung die Behandlung der Passion und der Emmauserzählung angegeben werden, wobei nur letztere unter den biblischen Basistexten Erwähnung findet.132 Im Kompetenzbereich »nach Glauben und Kirche fragen« bleibt das Abendmahl unerwähnt,133 obwohl als mögliche Inhalte des fünften und sechsten Schuljahrs »Feste im Kirchenjahr« und »Symbole« angeführt werden. Möglich ist auch die Thematisierung im Zusammenhang des Vergleichs von evangelischer und katholischer Konfession im siebten und achten Schuljahrgang.134 I.2.4.1.1.2. Katholischer Religionsunterricht Auch im Kerncurriculum des katholischen Religionsunterrichts werden weder die Abendmahlperikope noch die Einsetzungsworte als exemplarische Bibeltexte explizit benannt. In Übereinstimmung mit dem Kerncurriculum für den evangelischen Religionsunterricht finden im Kompetenzbereich »nach dem Menschen fragen« die oben genannten Deutungsaspekte des Abendmahls in denselben Klassenstufen als mögliche Inhalte Erwähnung.135 Implizit wird jedoch die lukanische Abendmahlperikope als exemplarische Bibelstelle im Zusammenhang mit dem Leiden und Auferstehen Jesu Christi (Lk 22–24) im Kompetenzbereich »nach Jesus Christus fragen« angesprochen. Außerdem wird die aus der Grundschule erworbene Kompetenz vorausgesetzt, dass die Lernenden »das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern in Bezug zur Eucharistie«136 setzen können. Ähnlich dem Kerncurriculum des evangelischen Religionsunterrichts wird im Kompetenzbereich »nach dem Glauben und der Kirche fragen« die Eucharistie zwar nicht direkt erwähnt, doch scheint ihre Kenntnis vorausgesetzt zu sein, da 131 S. niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 21. 132 S. a. a. O., je. 25. 133 Im Kerncurriculum der Oberschule für den evangelischen Religionsunterricht werden »Taufe und Abendmahl« als mögliche Inhalte für den Kompetenzerwerb aufgeführt. Dazu wird Lk 22,7–23 als biblischer Basistext genannt (s. niedersächsisches Kerncurriculum OS – Ev. Religion, 27). 134 Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 29; niedersächsischen Kerncurriculum HS – Kath. Religion, 27. 135 S. niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Kath. Religion, 19. Als Fachbegriff soll das »Ehesakrament« eingeführt werden (18). 136 A. a. O., je 22. In der RS soll das Pesachfest als Fachbegriff eingeführt werden. Im niedersächsischen Kerncurriculum GS – Kath. Religion, 21, wird folgendes vorgeschlagen: »Die Schüler kennen den markinischen Abendmahltext (Mk 14,12ff) und den Verlauf sowie die Worte der Eucharistiefeier, indem bspw. Dürers Abendmahldarstellung mit Fotos einer Eucharistiefeier verglichen wird.«

Empirische Untersuchung

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auf folgende in der Grundschule erworbene Kompetenz Bezug genommen wird: Die Schülerinnen und Schüler »beschreiben und verstehen grundlegende Bedeutungen von Eucharistie und Versöhnung«137. Bis zum Ende des achten Schuljahrs sollen die Lernenden die Bedeutung der Sakramente als Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen erklären können; zur inhaltlichen Konkretisierung wird das Sakrament der Firmung vorgeschlagen.138 I.2.4.1.2. Kerncurricula für die Integrierte Gesamtschule Auch im Kerncurriculum der Integrierten Gesamtschule wird die Abendmahlperikope nicht explizit als exemplarische Bibelstelle aufgeführt, erscheint jedoch implizit sowohl in der markinischen (Mk 14–16) als auch matthäischen (Mt 26– 28) Passionsgeschichte.139 Übereinstimmend mit den Kerncurricula der Haupt- und Realschule werden die lukanische Version des Gleichnisses vom großen Gastmahl (Lk 14,15–24) im Kompetenzbereich »nach dem Menschen fragen« als Textbeispiel aufgeführt und die Deutungsaspekte des Abendmahls als mögliche Inhalte erwähnt.140 Anders als die bisher betrachteten Kerncurricula schlägt das für die Integrierte Gesamtschule vor, wesentliche Merkmale evangelischer und katholischer Glaubensgrundlagen anhand des Sakraments- und Abendmahlsverständnisses zu behandeln.141 I.2.4.1.3. Kerncurricula für das Gymnasium I.2.4.1.3.1. Evangelischer Religionsunterricht Im Kerncurriculum des evangelischen Religionsunterrichts für das Gymnasium bleibt die Abendmahlperikope wie in den vorangehenden Kerncurricula unberücksichtigt. Mit inbegriffen ist sie nur in der Behandlung der lukanischen Passion (Lk 22–24) im Kompetenzbereich »Jesus Christus« des neunten und zehnten Schuljahrgangs.142 Zudem wird die Mahlthematik als solche mit dem biblischen Basistext Mk 2,13–17 (»Zöllnermahl«) aufgegriffen.143 137 A. a. O., je 26. S. niedersächsisches Kerncurriculum GS – Kath. Religion, 27f.: »Die Schüler verstehen die Heilige Messe als Feier der bleibenden Gemeinschaft der Glaubenden mit Jesus. Sie können die Ursprungsgeschichte der Heiligen Messe (Lk 22,14–20 par.) nacherzählen, Bilder dazu vergleichen und in Anfängen deuten.« 138 S. a. a. O., je 27. Als möglicher Inhalt wird in der RS die Eucharistiefeier angegeben. 139 S. niedersächsisches Kerncurriculum IGS – Ev. und Kath. Religion, je 23 (»nach Jesus Christus fragen«). 27 (»nach Glaube und Kirche fragen«). 140 S. a. a. O., je 19. 141 S. a. a. O., je. 27. Im Kompetenzbereich »nach Glauben und Kirche fragen« des 7./8. Schuljahrgangs. 142 S. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 25; niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Kath. Religion, 22f.31.

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Religionspädagogische Ausgangslage

Zwar sollen die Lernenden am Ende des sechsten Schuljahrs in der Lage sein, über wesentliche Lebensstationen Jesu Auskunft zu geben, anhand von Beispielen zu zeigen, dass Jesu Zuwendung Gemeinschaft stiftet, sowie kirchliche Feste mit Ereignissen aus Jesu Leben in Beziehung zu setzen, doch ist das Abendmahl in keinem dieser Fälle als möglicher Inhalt vorgeschlagen.144 Im fünften und sechsten Jahrgang sollen die Lernenden im Stande sein, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der evangelischen und katholischen Kirche, z. B. anhand der Sakramente, zu erläutern. Des Weiteren stellen in diesem Kompetenzbereich die Sakramente der evangelischen Kirche für den siebten und achten Schuljahrgang verbindliche Grundbegriffe dar.145 I.2.4.1.3.2. Katholischer Religionsunterricht Im Vergleich zu den anderen Curricula spielt im Kerncurriculum des katholischen Religionsunterrichts die Eucharistie im »ekklesiologischen« Kompetenzbereich der ersten beiden Doppeljahrgänge eine herausragende Rolle: Zum Beschreiben von konfessionellen Gemeinsamkeiten und Unterschieden werden die Sakramente – insbesondere die Eucharistie – herangezogen. Der Aspekt des »Brotbrechens« und die Agapefeier sollen dazu dienen, dass die Schülerinnen und Schüler wichtige Elemente des gemeinsamen christlichen Glaubensgutes erklären können. Zudem sollen die Sakramente anhand ihres vergebenden und gemeinschaftsstiftenden Charakters gedeutet werden, damit die Lernenden am Ende von Klasse acht die Sakramente als Zeichen der Zuwendung Gottes verstehen können.146 I.2.4.2. Mahlthema in den Religionsschulbüchern Nach der Analyse der curricularen Vorgaben ist bezüglich der didaktischen Umsetzung in den Religionsschulbüchern davon auszugehen, dass die Einsetzungstexte konfessions- und jahrgangsübergreifend nicht erscheinen, aber das Abendmahl bzw. die Eucharistie möglicherweise im Passionskontext begegnen. Das Abendmahl bzw. die Eucharistie könnten außerdem übereinstimmend als Sakrament erwähnt werden, möglicherweise unter Hinweis auf seine die Kirchen einende oder trennende Bedeutung.

143 144 145 146

S. a. a. O., 24. Im 7./8. Schuljahrgang. S. a. a. O., 23. Kompetenzbereich »Jesus Christus«. S. a. a. O., 30. S. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Kath. Religion, 26f.

Empirische Untersuchung

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I.2.4.2.1. Evangelische Religionsschulbücher I.2.4.2.1.1. Fünftes und sechstes Schuljahr Von den zugelassenen Schulbüchern thematisieren zwei das Abendmahl nicht. Beide werden nicht für den Einsatz in der Integrierten Gesamtschule vorgeschlagen. Daher kann nur in dieser Schulform mit Gewissheit von der Thematisierung des Abendmahls im fünften und sechsten Schuljahr ausgegangen werden. Die übrigen Bücher stellen das Abendmahl im thematischen Zusammenhang mit dem »Leben in der Urgemeinde« folgendermaßen dar: Beim christlichen Gottesdienst sitzen oder stehen alle Gemeindemitglieder an einem Tisch, brechen das Brot und trinken Wein zur Erinnerung an Jesu letztes Mahl mit seinen Jüngern. Im Anschluss erfolgt eine gemeinsame Sättigungsmahlzeit.147 Das sich anschließende gemeinsame Festessen von Juden- und Heidenchristen führt in Antiochia zum Streit über die Frage, ob sich nicht-jüdische Christen an die jüdischen Reinheitsvorschriften halten müssen.148 Darüber hinaus wird in einigen Religionsschulbüchern das Abendmahl als letztes Mahl Jesu mit seinen Jüngern im Zusammenhang der Passion bzw. als eine Lebensstation Jesu aufgegriffen. Hierbei werden, in meist freier Übersetzung, die markinischen Einsetzungsworte wiedergegeben.149 Zudem wird im Passionszusammenhang auf das Verrätermahl,150 das Pesachfest in Jerusalem151 oder auf vorangehende Mahlgemeinschaften von Jesus mit Bedürftigen bzw. gesellschaftlich Marginalisierten Bezug genommen.152 Insbesondere werden die Deutungsaspekte zum unterrichtlichen Gegenstand: Im Abendmahl drücke sich der Glaube an die Gegenwart Christi, an die Vergebung, an die Gemeinschaft mit Gott und zwischen den Christusgläubigen sowie die Hoffnung auf das Reich Gottes aus.153 Ein Schulbuch behandelt im Zuge der Thematisierung der Auferstehung, die mithilfe der nacherzählten Emmausgeschichte eingeleitet wird, das »besondere Festmahl«. Gezeigt wird ein Bild mit drei Freundinnen, die fröhlich gemeinsam Pizza essen. Die Schülerinnen und Schüler sollen darüber diskutieren, wie sich diese Darstellung von ihrem Alltagsessen unterscheidet. Zu diesem Zweck wer147 S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1, 170. 148 S. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6, 126 (Bezug auf Apg 15,4–31). 149 S. Koretzki/Tammeus, Religion 5/6, 86. Vgl. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1, 127. Keine Erwähnung des Abendmahls im Passionszusammenhang z. B. in Grill-Ahollinger/Görnitz-Rückert/Rückert, Ortswechsel 5/6, 162f. 150 S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1, 170. 151 S. Husmann/Merkel, Moment mal! 1, 74. 152 S. Koretzki/Tammeus, Religion 5/6, 86. Vgl. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6, 88. 153 S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1, 170.

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Religionspädagogische Ausgangslage

den die Lernenden informiert, dass das Abendmahl zur Erinnerung an Jesus gefeiert wird und dieser unter den Feiernden anwesend ist. Das Abendmahl verbinde alle Christen über Länder hinweg.154 Im Anschluss an diese Einheit können die Lernenden dem Schulbuch zufolge die Bedeutung des Abendmahls erklären.155 Die Mehrheit der Religionsschulbücher greift das Brot als Symbol auf. Bei seiner Deutung werden folgende unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt: Auf das Abendmahl bezogen steht das Brot für den Leib Christi.156 Als Grundnahrungsmittel zeigt es soziale (Verteilungs-)Ungerechtigkeit auf.157 Um das Brot als solches zu würdigen, soll eine gemeinsame »Brotfeier«158 gestaltet oder ein gemeinsames Frühstück bzw. Festmahl geplant werden.159 In der Bibel kann das Brot symbolischen Charakter annehmen, z. B. in der Emmauserzählung (Lk 24,13–34) oder im »Lebens-Brot«-Wort Jesu (Joh 6,35).160 Weiterhin wird das Abendmahl im Zusammenhang des Gründonnerstags als Fest im Kirchenjahr aufgegriffen161 und spielt im Vergleich der Konfessionen eine Rolle.162 In einem Religionsbuch für das Gymnasium wird in diesem Zusammenhang die Taufe ausführlich besprochen, das Abendmahl hingegen nicht erwähnt.163 I.2.4.2.1.2. Siebtes und achtes Schuljahr Nur eines der zugelassenen Schulbücher thematisiert das Abendmahl nicht, obgleich es das Symbol »Brot« sowie biblische »Brotgeschichten« beinhaltet.164 Die Abendmahlthematik wird auch hier in den Passionszusammenhang eingebettet. Jedoch stützt sich ein Schulbuch, im Gegensatz zur fünften und sechsten Klassenstufe, nicht auf die synoptische, sondern auf die johanneische Überlieferung, indem ein Augenzeuge von der Fußwaschung, dem Brotbrechen und Weintrinken berichtet.165 Zudem wird die Frage gestellt, im Rahmen welches jüdischen Festes Jesus das Abendmahl gefeiert hat.166

154 S. Hahn/Schulte, reli plus 1, 101. Der einende Aspekt wird bei der Thematisierung der Konfessionen relativiert (123). 155 S. a. a. O., 103. 156 S. Büttner/Dieterich/Herrmann/Marggraf/Roose, SpurenLesen 1, 236. 157 S. Koretzki/Tammeus, Religion 5/6, 195. Vgl. Hahn/Schulte, reli plus 1, 103. 158 Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1, 211. 159 S. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6, 127. 160 S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 1, 211. 161 S. Koretzki/Tammeus, Religion 5/6, 172. Vgl. Eilerts/Kübler, Kursbuch Religion Elementar 5/6, 166f.170; Husmann/Merkel, Moment mal! 1, 156f. 162 S. a. a. O., 194. Vgl. Hahn/Schulte, reli plus 1, 123. 163 S. Grill-Ahollinger/Görnitz-Rückert/Rückert, Ortswechsel 5/6, 36–45. 164 S. Koretzki/Tammeus, Religion 7/8, 14.31.124f. 165 S. Eilerts/Kübler, Kursbuch Religion Elementar 7/8, 138. Vgl. Gräbig/Schreiner, Mitten ins

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Deutlicher als im vorangegangenen Doppeljahrgang wird der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit betont: Die Feier eines Abendmahls im Slum wird beschrieben und soll mit der eigenen Abendmahlserfahrung verglichen werden.167 Ein Schulbuch regt an, das »Weiße Dinner«, ein Hamburger Picknickfest, mit dem Abendmahl zu vergleichen.168 Zudem wird gefragt, ob die Schülerinnen und Schüler Möglichkeiten neuer »Tischerfahrungen« mit Menschen anderer Religionen und Herkunft sehen, und angeregt, ein gemeinsames Frühstück zu gestalten.169 Auch die Bedeutung des gemeinsamen Essens wird angesprochen; hier wird zwar Jesu Einladung zum Mahl (vgl. Mt 9,10; Mk 2,15) am Rande erwähnt, aber kein Bezug zur christlichen Mahlfeier hergestellt.170 Das Brot- bzw. Mahlsymbol spielt zudem im Rahmen der Bedingungen für ein gelingendes Zusammenleben eine wichtige Rolle: So steht das Brot nicht nur für das Stillen des Hungers, sondern auch für das Erfahren von Gemeinschaft. Wie in der fünften und sechsten Klassenstufe wird das Abendmahl im »Urchristentum« beschrieben, hier jedoch entweder vor dem Hintergrund der paulinischen Kritik an der falschen Begehung des Abendmahls der korinthischen Gemeinde (1Kor 11,20–28),171 als Versammlung zur Feier eines Liebesmahls (Agape)172 oder im Kontext der Speisungswunder (Mk 6,30–44; 8,1–9).173 Im Zusammenhang mit der Behandlung der Reformation werden zudem die unterschiedlichen reformatorischen Abendmahlsverständnisse nebeneinandergestellt.174 I.2.4.2.1.3. Neuntes und zehntes Schuljahr Bei der Betrachtung der Schulbücher für das neunte und zehnte Schuljahr fällt auf, dass lediglich zwei der zugelassenen Bücher das Abendmahl zum Unterrichtsthema machen.

166 167 168 169 170 171 172 173 174

Leben 2, 100f. hier wird nach den Festen in der Passionszeit des Kirchenjahres gefragt und damit das Abendmahl nur implizit bedacht. S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 2, 219. S. Ruppel/Schmidt, Religion 7/8, 44f.176. S. Husmann/Merkel, Moment mal! 1, 154f. S. Ruppel/Schmidt, Religion 7/8, 31. S. Grill-Ahollinger/Görnitz-Rückert/Rückert/Sammhammer, Ortswechsel 8, 98. S. Büttner/Dieterich/Herrmann/Marggraf/Roose, SpurenLesen 2, 70f.: Hier wird den Lernenden die Aufgabe gestellt, die paulinischen Einsetzungsworte auswendigzulernen (163). Vgl. Gräbig/Schreiner, Mitten ins Leben 2, 132. S. Kraft/Petri/Rupp/Schmidt/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 2, 173. S. Baumann/Wermke, Religionsbuch 7/8, 170. S. Büttner/Dieterich/Herrmann/Marggraf/Roose, SpurenLesen 2, 88f.236.

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Ähnlich wie in den zuvor vorgestellten Klassenstufen wird die Abendmahlsfeier im Zusammenhang des frühchristlichen Gemeindelebens dargestellt und soll mit den eigenen Abendmahlserfahrungen verglichen werden.175 I.2.4.2.2. Katholische Religionsschulbücher I.2.4.2.2.1. Fünftes und sechstes Schuljahr Alle zugelassenen katholischen Religionsschulbücher thematisieren die Eucharistie im fünften und sechsten Schuljahr. Wie bereits für das Abendmahl in den evangelischen Schulbüchern beobachtet, wird die Eucharistie von den katholischen Schulbüchern in verschiedenen Kontexten aufgegriffen: So dient sie der Beschreibung des Gemeindelebens der ersten Christen, die in ihren Häusern das Brot brachen und gemeinsam Mahl hielten (Apg 2,43–47; 4,32–37)176 und sich mit Problemen zwischen Juden- und Heidenchristen auseinanderzusetzen hatten.177 Zum anderen erwähnt ein katholisches Schulbuch die Eucharistiefeier und deutet sie als Erinnerung an Jesu Leben und Sterben (Lk 22,19), deren Wirksamkeit bis heute wahrnehmbar sei, »da Jesus in der Eucharistiefeier weiterlebt […] – im Wort des Evangeliums und in den Zeichen Brot und Wein«178. Das Sakrament der Eucharistie vermittele die Nähe zu Christus, da bereits der Evangelist Lukas beschreibe, dass die Emmausjünger den Auferstandenen durch das Brotbrechen erkannten (Lk 24,13–35).179 Die Eucharistiefeier diene der Sündenvergebung und Versöhnung.180 Insgesamt zeigt dies, dass die Thematisierung der Eucharistie größeren Raum einnimmt als in den evangelischen Schulbüchern. Methodisch wird die Eucharistie im Kontext des Unterrichtsthemas »Feste feiern« durch ein Lied in den Unterricht eingebunden, um deren feierlichen Charakter zu vermitteln.181 Das Brotsymbol verweist auch in den katholischen Schulbüchern auf soziale Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit: So wird Jesu Mahl mit den Zöllnern und

175 S. Baumann/Wermke, Religionsbuch 9/10, 108. Vgl. Büttner/Dieterich/Herrmann/Marggraf/Roose, SpurenLesen 3, 88.197. Ein nicht in Niedersachsen zugelassenes Schulbuch beinhaltet ein eigenes Kapitel zum Thema »Essen und Trinken in der Bibel« (s. Becker/ Büchner/Dressler/Jessen/Kämmerer, Religion 9/10, 146f.). 176 S. Bamming/Trendelkamp, Treffpunkt RU 5/6, 110. Vgl. Halbfas, Religionsbuch 5/6, 88f.100. 177 S. a. a. O., 104: Die paulinischen Einsetzungsworte waren die Antwort auf die diesbezüglichen Schwierigkeiten der korinthischen Gemeinde. 178 A. a. O., 117. 179 S. Hilger/Reil, Reli 5/6, 63. Vgl. Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 1, 130. 180 S. a. a. O., 163. 181 S. Bamming/Trendelkamp, Treffpunkt RU 5/6, 37. Vgl. Hilger/Reil, Reli 5/6, 53.

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Sündern (Mk 2,13–17) beschrieben.182 Deutlich tritt das Brot als Symbol für Teilen und Nächstenliebe hervor.183 Im Kontext der Thematisierung der Konfessionen begegnet die Eucharistie als Möglichkeit, um auf eine Gemeinsamkeit von evangelischer und katholischer Kirche zu verweisen.184 Das Abendmahl wird zudem als wichtige Station in Jesu Leben dargestellt, beispielsweise anhand der matthäischen (Mt 26,17–29)185 oder lukanischen Einsetzungserzählung (Lk 22,14–20) – in letzterem Fall wird auf die Mahlelemente des Pesachmahls verwiesen.186 Im Kirchenfestkreis ist der Gründonnerstag überwiegend durch die bildliche Darstellung der Eucharistieelemente Brot und Kelch visualisiert.187 I.2.4.2.2.2. Siebtes und achtes Schuljahr In der siebten und achten Klassenstufe greifen die genehmigten katholischen Religionsschulbücher die symbolische Bedeutung des Brotes auf und vertiefen sie gegenüber dem vorangehenden Doppeljahrgang: Gemeinsam zu essen stiftet Gemeinschaft, spendet Trost und ermöglicht Versöhnung.188 Auch im siebten und achten Schuljahrgang wird die Eucharistie im Zusammenhang der Sakramente aufgegriffen und als Gemeinsamkeit mit der evangelischen Kirche beschrieben.189 Es wird auch festgestellt, dass zwischen den Konfessionen noch keine eucharistische Gastfreundschaft besteht.190 Ein Schulbuch widmet der Eucharistie vier Schulbuchseiten,191 auf denen ausführlich die Mahlfeier der ersten Christen, die Schwierigkeiten in Korinth, die verschiedenen Deutungsaspekte des Mahls sowie die Einsetzung durch Jesus dargestellt werden. Die Autoren arbeiten hier vor allem mit Bildern.

182 S. a. a. O., 156f. 183 S. Halbfas, Religionsbuch 5/6, 87.120.160. Vgl. Hilger/Reil, Reli 5/6, 54f.63; Bosold/MichalkeLeicht, Mittendrin 1, 54f.130. 184 S. a. a. O., 163. Vgl. Trutwin, Zeit der Freude, 220. – Dies ist besonders interessant, weil die katholische Kirche in der gottesdienstlichen Praxis keine Mahlteilnahme von Protestanten zulässt. 185 S. Hilger/Reil, Reli 5/6, 25. 186 S. Trutwin, Zeit der Freude 5/6, 107. 187 S. Hilger/Reil, Reli 5/6, 94; Trutwin, Zeit der Freude 5/6, 209. 188 S. Bamming/Trendelkamp, Treffpunkt RU 7/8, 40.140. Vgl. Eggers, Gott und die Welt 7/8, 34.79; Trutwin, Zeit der Freude 5/6, 94f.159; Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 2, 73.93. 189 S. Eggers, Gott und die Welt 7/8, 136. 190 S. a. a. O., 153. – Hier ist freilich zu differenzieren. In der evangelischen Kirche sind katholische Gläubige durchaus eingeladen, am Abendmahl teilzunehmen. 191 S. Hilger/Reil, Reli 7/8, 66–69.

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I.2.4.2.2.3. Neuntes und zehntes Schuljahr Die Thematisierung des Abendmahls in den zugelassenen Religionsschulbüchern für das neunte und zehnte Schuljahr ist deutlich geringer: In vier Schulbüchern wird die Eucharistie lediglich indirekt, nämlich als Bild ohne entsprechende textliche Bezüge, dargestellt.192 In einem katholischen Religionsbuch wird die Funktion der Mahlelemente als Beitrag zu einem mit allen Sinnen wahrnehmbaren Gottesdienst beschrieben.193 Ein anderes behauptet, dass das historische letzte Mahl Jesu in Jerusalem das Vorbild der Eucharistiefeier darstellt.194 Auch in diesem Doppeljahrgang dient das Brotsymbol als Überleitung zum Thema der sozialen Gerechtigkeit.195 I.2.4.3. Mahlthema in den Lehrerhandbüchern Aufgrund der Ergebnisse der Schulbuchanalyse erscheint es kaum wahrscheinlich, dass in den Lehrerhandbüchern eine ausführliche fachwissenschaftliche Auseinandersetzung zum religionsgeschichtlichen Hintergrund des Abendmahls zu erwarten ist. Vorstellbar ist, dass ein Bezug zum Pesachmahl hergestellt wird. Deutlicher könnte das Abendmahl im Kontext der Frage nach sozialer Gerechtigkeit oder der Betrachtung der christlichen Konfessionen hervortreten. Besonderes Augenmerk soll im Folgenden auf der Intention der unterrichtlichen Thematisierung der Mahlthematik liegen sowie auf der Frage, ob fachwissenschaftliche Diskussionen Berücksichtigung erfahren. I.2.4.3.1. Evangelische Lehrerhandbücher I.2.4.3.1.1. Fünftes und sechstes Schuljahr Für die Untersuchung des fünften und sechsten Schuljahrs bilden fünf Lehrerhandbücher die Grundlage. Zur unterrichtlichen Thematisierung des Abendmahls regt ein evangelisches Lehrerhandbuch an, das Abendmahlgeschehen zu erzählen oder in der Bibel nachzulesen.196 Zusätzlich schildert es ein Gespräch Jesu »bei Tisch mit seinen 192 Z. B. Arcabas, Emmaus – Die Rückkehr der Jünger nach Jerusalem, in: Halbfas, Religionsbuch 9/10, 97; Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 3, 117. Willy Fries, Das große Gastmahl, in: Bamming/Trendelkamp, Treffpunkt RU 3, 101. Leonardo da Vinci, Das letzte Abendmahl, in: Trutwin, Zeichen der Hoffnung 9/10, 180. 193 S. Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 3, 27. 194 S. Hilger/Reil, Reli 9/10, 28. 195 S. Bamming/Trendelkamp, Treffpunkt RU 3, 69. Vgl. Hilger/Reil, Reli 9/10, 58. 196 S. Koretzki/Tammeus, Werkbuch 5/6, 84. In den vorangehenden theologischen und didaktischen Einführungen und Intentionen erfährt das Abendmahl keine Berücksichtigung (76–78).

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Freunden«197, welches das Geschehen am Vorabend des Pesachfests vergegenwärtigen soll. Dieses Gespräch soll zunächst in verteilten Rollen gelesen werden, um es anschließend szenisch umzusetzen.198 Jedoch wird in diesem fiktiven Gespräch mit keinem Wort auf das Mahl Bezug genommen. Obwohl in demselben Handbuch zum Unterrichtsthema »Feste im Kirchenjahr« in der theologischen und didaktischen Einführung festgehalten wird, dass die »Feste des Kirchenjahres […] Erinnerungspunkte an das Leben Christi und zentrale christlich-theologische Inhalte«199 seien und festgestellt wird, dass heute »der religiöse Gehalt der christlichen Feste vielen Menschen verloren gegangen«200 sei, erfährt das Abendmahl kaum Erwähnung. Die Lernenden sollen lediglich wissen, dass der Gründonnerstag mit Brot und Kelch in Verbindung steht und dass beim Abendmahl das Brot geteilt wird. Es wird vorgeschlagen, diese Handlung am Beispiel eines Fladenbrotes im Religionsunterricht nachzuvollziehen.201 Ein Handbuch beschreibt das letzte Mahl Jesu – in Anlehnung an Gerd Theißen – als »Symbolhandlung«202. Es sei »als Ersatz für den Tempelkult«203 zu verstehen, weil das Brot anstelle des Opfertieres trete und so der Bund ohne Opfer geschlossen würde. Wenige Zeilen weiter heißt es: »Auf jeden Fall kann man das letzte Mahl als Abschiedsmahl lesen, gleichzeitig jedoch als vorweggenommenes Festmahl der Gottesherrschaft. Der geschilderte Ablauf erinnert nicht an ein Pessahmahl, sondern trägt Züge eines normalen Abendessens.«204 Nach weiteren acht Zeilen ist dann zu lesen: »Ob Jesu letztes Mahl ein Pessahmahl war oder nicht, ist in der Exegese umstritten.«205 Es zeigt sich in diesem Lehrerhandbuch eine deutliche Unsicherheit bezüglich des fachwissenschaftlichen Forschungsstandes zur Abendmahltradition. In diesem Lehrerband werden für die unterrichtliche Behandlung des Abendmahls folgende Einstiegssituationen vorgeschlagen: Zum einen könnten 197 Als Freunde werden hier namentlich Johannes, Jakobus, Maria Magdalena, Petrus, Thomas und Marta aufgeführt. 198 S. Koretzki/Tammeus, Werkbuch 5/6, 84f. Auszüge aus dem Gespräch: »Johannes: Jesus, du wirkst so bedrückt, was ist los? Jesus: Ich spüre, dass mein Leben bedroht ist, ich mache mir nichts vor! […] Petrus: Egal was passiert, wir stehen an deiner Seite! Jesus: Da bin ich mir gar nicht so sicher« (90). 199 A. a. O., 149. 200 Ebd. Schwerpunkte bilden »gemeinschaftsstiftende Elemente«, wie die Taufe und Pfingsten (s. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6. Handreichung, 113). 201 S. Eilerts/Kübler, Kursbuch Religion Elementar 5/6. Lehrermaterialien, 272. 202 Theißen/Merz, Jesus, 384. Vgl. Petri/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 5/6. Lehrermaterialien, 104. 203 Ebd. 204 Petri/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 5/6. Lehrermaterialien, 105. 205 Ebd. Begründet wird dies mit der Unstimmigkeit in der Datierung der synoptischen und johanneischen Version (s. II.2.4.1.).

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die Lernenden von ihren Abendmahlserfahrungen erzählen, zum anderen wird angeregt, mit den Lernenden über die Frage zu theologisieren, »warum […] Jesus das gemeinsame Essen und Trinken am Abend wichtig«206 war. Um »einen Einblick in das gottesdienstliche Leben der frühen Christen im Römischen Reich zu vermitteln«207, ist in diesem Lehrerhandbuch eine fiktive Erzählung abgedruckt. Das Lehrerhandbuch stellt dar, dass zu der täglichen Zusammenkunft in einem Privathaus eine Feier gehörte, bei der sich »– das macht 1. Kor 11,23–34 deutlich – eine richtige Sättigungsmahlzeit (Agape), an die […] die Eucharistiefeier anschloss«208. Als weitere Erschließungsmöglichkeit schlägt das Handbuch vor, dass die Lernenden Sündenvergebung und Gemeinschaft als besondere Merkmale des Abendmahls herausarbeiten sollen.209 Zum Brotsymbol formuliert dieses Lehrerhandbuch neben vielen weiteren Erschließungsmöglichkeiten,210 dass sich die Lernenden anhand biblischer Brottexte mit der Frage auseinandersetzen sollen: »Wer reicht, wer isst es?«211 Sie sollen feststellen, »dass Brot und Mahlgemeinschaft biblisch zusammenhängen«212, und eine Collage zum Thema »(christliche) Brotgemeinschaft damals und heute«213 anfertigen. Ein anderes Lehrerhandbuch regt eine inhaltliche Klärung der Lebensstation Jesu »Das letzte Pesachmahl« an, die die Lehrperson den Schülerinnen und Schülern vermitteln soll. Es sei folgendes passiert: »Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße; Jesus bricht das Brot, gibt es seinen Jüngern und reicht ihnen den Wein. Er will, dass die Menschen dies auch später tun und sich dabei an Jesus erinnern.«214 Hier wird deutlich, dass das Lehrerhandbuch johanneische, paulinische und synoptische Mahltraditionen durcheinander mischt, ohne dies für die Lehrperson kenntlich zu machen. Ein Lehrerhandbuch für den Religionsunterricht an Gymnasien bietet als Zusatzmaterial eine Nacherzählung von 1Kor 11,17–34215 sowie einen Informa206 Ebd. 207 A. a. O., 135. 208 Ebd. Fraglich ist, warum in diesem evangelischen Lehrerhandbuch von »Eucharistie« gesprochen wird. 209 S. a. a. O., 136. 210 Dazu gehört das Legen eines »Brot-Bodenbildes«. Die Lernenden sollen von »Brot-Erlebnissen« und davon erzählen, welche Bedeutung dem Brot zukommen kann. Als biblischer Bezug wird die Emmauserzählung sowie das johanneische Lebens-Brot-Wort empfohlen (vgl. a. a. O., 165). 211 Petri/Thierfelder, Das Kursbuch Religion 5/6. Lehrermaterialien, 165. Zudem solle danach gefragt werden, »wo liegt das Brot?«, was in diesem Zusammenhang aber äußerst unverständlich ist. 212 Ebd. 213 Ebd. 214 Eilerts/Kübler, Kursbuch Religion Elementar 5/6. Lehrermaterialien, 237. 215 S. Husmann/Merkel, Moment mal! 1. Lehrerhandbuch, 164f.

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tionstext216 an, der besagt, dass das Abendmahl in urchristlicher Zeit als Sättigungsmahl begangen wurde, aber aufgrund des Anwachsens der Gemeindemitgliederzahl ab dem 2. Jh. nur noch symbolisch mit anschließendem Agapemahl gefeiert wurde. Beide Materialien werden nicht von vertiefenden sachanalytischen oder methodisch-didaktischen Hinweisen begleitet. In einem Handbuch wird im Zuge der unterrichtlichen Behandlung »christlicher Kirchen« angeregt, eine Tafelskizze zur Bedeutung des Altars zu entwickeln: Der Altar diene zum Essen und begründe somit die Tischgemeinschaft, da er nach 1Kor 10,21 als »Tisch des Herrn (Herrenmahl)«217 zu bezeichnen ist. Eine Erläuterung des Begriffs »Herrenmahl« fehlt (s. II.1.). Anhand der Betrachtung einer Wandmalerei aus der Domitilla-Katakombe in Rom, die das letzte Abendmahl Jesu darstellt, sollen die Lernenden gemeinschaftsstiftende Merkmale zusammentragen. Hierzu zählen laut Lehrerhandbuch Singen, Reden, Essen und Trinken.218 Einen unterrichtlichen Bezug zum Abendmahl intendiert dieses Lehrerhandbuch jedoch nicht. Im Kapitel »in christlicher Gemeinschaft leben« empfiehlt ein Lehrerhandbuch, dass die Lernenden die »gemeinschaftsstiftende Funktion des Essens und die Bedeutung christlicher Mahlgemeinschaft kennen lernen«219, jedoch wird nicht auf das Abendmahl eingegangen, sondern auf den »antiochenische Zwischenfall« (Gal 2,11–14). Eine fiktive Erzählung will diesen Konflikt und dessen Lösung abbilden: »Nicht die soziale Herkunft entscheidet über die Teilnahme am Gemeinschafts(Agape)mahl, sondern allein der alle verbindende christliche Glaube«220. Weiterhin wird in diesem Zusammenhang ein gemeinsames Klassenfrühstück mit der leitenden Fragestellung vorgeschlagen, wie sich Raum und Tisch festlich gestalten lassen, damit der Gemeinschaftsaspekt deutlich wird.221 I.2.4.3.1.2. Siebtes und achtes Schuljahr Eines der sechs Lehrerhandbücher für das siebte und achte Schuljahr regt an, die Probleme, die Paulus beim Gottesdienst der Gemeinde in Korinth feststellt, durch ein Tafelbild zu erarbeiten. Mit dessen Hilfe soll von zwei Gruppen, die arme und reiche Gemeindemitglieder repräsentieren, abgebildet werden, wie unterschiedlich diese das Abendmahl erlebten. Ziel soll sein, mit den Lernenden über die paulinische Formulierung »Wir sind der Leib Christi« (vgl. 1Kor 10,17; 12,27) zu theologisieren.222 216 217 218 219 220 221 222

Domenig, Steinen, 25. Büttner/Dieterich/Herrmann/Marggraf/Roose, SpurenLesen 1. Werkbuch, 388. S. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6. Handreichung, 115. A. a. O., 117. Ebd. S. ebd. S. Büttner/Berkenbusch/Dieterich/Herrmann/Marggraf, SpurenLesen 2. Werkbuch, 231.

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Religionspädagogische Ausgangslage

Dieses Handbuch spricht sich dafür aus, bereits vor dem Konfirmandenunterricht mit Annäherungen an das Thema »Abendmahl« zu beginnen, weil darin »ein Gesprächsanlass zum Thema präsentische Christologie«223 liege. Diese Feststellung wird im Folgenden jedoch nicht weiter erläutert. Laut dem Lehrerhandbuch gehe es beim eucharistischen Mahlvollzug nicht primär um die Sättigung, sondern um die Kommunikation der Mahlteilnehmer untereinander. Um dieses unterstellte Charakteristikum zu vermitteln, schlägt das Handbuch vor, im Anschluss an ein Gespräch über Vorerfahrungen der Lernenden zum »gemeinsamen Essen«, ein gemeinsames Essen in der Klassengemeinschaft durchzuführen.224 Ein weiteres Lehrerhandbuch formuliert das Ziel, dass die Lernenden den »Mehrwert des Brotes«225 erkennen sollen. Sie sollen wahrnehmen, wofür das Symbol »Brot« steht und was die Menschen über die Sättigung hinaus in ihrem Leben bedürfen, z. B. Zuwendung, Gespräche, Freunde und Lachen.226 Eine direkte Verbindung zum Abendmahl wird jedoch nicht gezogen. I.2.4.3.1.3. Neuntes und zehntes Schuljahr In einem von drei untersuchten Lehrerhandbüchern für das neunte und zehnte Schuljahr wird die Mahlthematik angesprochen: Das Schulbuchkapitel »Feiern zum Lob Gottes« kommentiert ein Lehrerhandbuch mit dem Hinweis, dass das »Thema ›Essen und Trinken‹ […] Gestaltungsformen festlicher Gemeinschaft mit dem liturgischen Zentrum des christlichen Gottesdienstes, der Abendmahlsfeier«227, verknüpfe. Daneben verweist dieses Handbuch nur auf die Anregungen zur Gestaltung von Mahlfeiern, die in Biehls symboldidaktischem Zugang (s. I.3.3.) entwickelt werden. I.2.4.3.2. Katholische Lehrerhandbücher I.2.4.3.2.1. Fünftes und sechstes Schuljahr In den sechs analysierten katholischen Lehrerhandbüchern zum fünften und sechsten Schuljahr begegnet die Eucharistie im Zusammenhang der unterrichtlichen Behandlung der Sakramente. Ihr wird neben der Taufe und der Firmung

223 A. a. O., 232. Der Begriff »präsentische Christologie« beschreibt die Vorstellung, das Jesus Christus als in der Lebenswelt gegenwärtig und daher als bedeutsam wahrgenommen wird (s. III.2.1.2.). 224 S. ebd. 225 Koretzki/Tammeus, Werkbuch 7/8, 30. 226 S. ebd. 227 Becker/Büchner/Dressler/Jessen/Kämmerer, Religion 9/10, 106.

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eine zentrale Stellung zugesprochen.228 Vertiefende Informationen – ausgenommen zur Wortetymologie von ›Eucharistie‹ – fehlen.229 Bei einigen katholischen Lehrerhandbüchern erfahren das Brotsymbol sowie die Eucharistie im Kontext des Unterrichtskapitels »Gemeinschaft« eine umfangreiche Berücksichtigung.230 Ein ausführliches Beispiel sei beschrieben: Neben einem Brotgedicht (»Brot ist mehr als nur Brot«) findet sich eine Brotgeschichte. Sie erzählt, wie sehr Menschen in der Nachkriegszeit unter Hunger litten und das Brot rationiert werden musste. Hierzu sollen Gespräche mit folgenden Fragen angeregt werden: »Brot – was bedeutet es in Notzeiten? Was bedeutet es heute für uns? […] Brot und Eucharistie – könnt ihr da Zusammenhänge entdecken? Was bedeutet das Jesuswort: ›Ich bin das Brot des Lebens‹ (Joh 6,35)?«231 Ein weiterer Text in diesem Handbuch handelt davon, dass ein Mann, der sich über den Glauben lustig machen will, zu einem Priester kommt und ihm drei Fragen stellt: »Wie ist es möglich, dass aus Brot und Wein Fleisch und Blut Christi werden?232 Wie kann denn in einer so kleinen Hostie der ganze Christus zugegen sein?233 Wie kann derselbe Christus gleichzeitig in allen euren Kirchen zugegen sein?«234 Diese drei Fragen beantwortet der Priester schlagfertig. Im Anschluss an die Geschichte sollen die Lernenden gefragt werden: »Was würdet ihr auf die Fragen des Mannes antworten?«235 Abschließend bietet dieses Handbuch eine Brot-Erzählung von Leonardo Boff. Ein Ich-Erzähler beschreibt darin, wie in der Vergangenheit seine Mutter für ihn und seine Familie frisches Brot gebacken hat und dass es freudig von ihnen erwartet wurde. Wie in einem Ritual brach die Mutter von dem frischen Brot für jeden ein Stück ab. »Vielleicht sollte damit an den erinnert werden, der am Brotbrechen erkannt wurde (vgl. Lk 24,30.35)«236, kommentiert der Erzähler. Boff beschreibt das Brot in diesem Text als »Grundsymbol des Lebens«237 und als »ein sakramentales Brot«238. Diese Bezeichnungen sollen die Lernenden erklären.239 228 S. Hilger/Reil, Reli 5/6. Lehrerkommentar, 83.90.108. 229 S. a. a. O., 98. 230 S. Trutwin, Fundgrube 5/6, 154–156. Vgl. Hilger/Reil, Reli 5/6. Lehrerkommentar, 80.83.98.100.108; Sajak, Treffpunkt RU 5/6, 159; Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 1. Lehrerkommentar, 78f. 231 A. a. O., 155. 232 Der Priester führt dies auf die Wandlung der Mahlelemente zurück. 233 Auf diese Frage antwortet der Priester mit einer Gegenfrage: »Warum nicht?« 234 Der Priester zerbrach daraufhin einen Spiegel, in den der Mann zuvor geblickt hatte und sagte: »Auch in jedem einzelnen Stückchen kannst du dein Bild jetzt gleichzeitig sehen.« 235 Trutwin, Fundgrube 5/6, 155. 236 A. a. O., 156. 237 Ebd. 238 Ebd.

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Religionspädagogische Ausgangslage

Trotz der zahlreichen Eucharistie-Bezüge werden in den Lehrerhandbüchern die Einsetzungstexte nicht erwähnt. Häufig werden hingegen im Mahl- oder Gemeinschaftskontext andere biblische Texte angeführt (z. B. 1Kor 10,16; 11,20; Apg 20,7).240 Wo das Abendmahl zum Thema wird, werden dessen Historizität sowie der Pesachzusammenhang nie in Frage gestellt. I.2.4.3.2.2. Siebtes und achtes Schuljahr Im siebten und achten Schuljahr wird in den fünf untersuchten katholischen Lehrerhandbüchern insbesondere die soziale Komponente des Brotsymbols hervorgehoben.241 Ein Lehrerhandbuch gibt einen Text von Gudrun Pausewang wieder: In »Abendmahl im Slum« wird beschrieben, wie ein Priester mit armen und kranken Bewohnern eine eindrucksvolle Eucharistie feiert, »bei der der Empfang des Lebensbrotes zugleich zum Teilen des täglichen Brotes wird«242. Die Lernenden sollen sich mit der Frage beschäftigen, was die Eucharistie für die Teilnehmer an dieser Feier bedeutet.243 Die Eucharistie wird aus religionsgeschichtlicher Sicht allenfalls indirekt im Passionskontext aufgegriffen, wenn das Handbuch anregt, die Schülerinnen und Schüler zu fragen, welches christliche Fest dem Pesachfest entspricht.244 In einem anderen Lehrerhandbuch wird folgender Arbeitsauftrag vorgeschlagen: »Erkläre in einem Brief an einen muslimischen Mitschüler bzw. Mitschülerin, was Christen in der Eucharistie feiern!«245 Ziele dieser Aufgabe oder eine beispielhafte Lösung werden nicht vorgestellt. Zur Eucharistie wird ausgeführt, dass sie »das zentrale Sakrament der Kirche«246 sei und ihr ›Sinn‹ im Gedächtnis Jesu Christi, seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung liege. Dafür werde in der Eucharistie gedankt.247 Nach diesem Lehrerhandbuch sind die wichtigsten neutestamentlichen Zeugnisse die »in den Evangelien überlieferten Abendmahl- und Einsetzungsberichte, aus denen sich Jesu letztes Mahl rekonstruieren«248 lasse. Zudem beruhe der »Opfercharakter der Eucharistie […] auf den Worten Jesu beim letzten Mahl mit 239 Vgl. Boff, Sakramentenlehre, 35–37. 240 S. Hilger/Reil, Reli 5/6. Lehrerkommentar, 96. Sofern das Abendmahl zum Thema wird, ist dessen Historizität nie in Frage gestellt (48). 241 S. Sajak, Treffpunkt RU 5/6, 133.166.171. Vgl. Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 3. Lehrerkommentar, 145.201; Trutwin, Fundgrube 7/8, 155. 242 Ebd. 243 S. ebd. 244 S. Trutwin, Fundgrube 7/8, 196. 245 Hilger/Reil, Reli 7/8. Lehrerkommentar, 134. 246 A. a. O., 130. 247 S. a. a. O., 132f. 248 A. a. O., 130.

Empirische Untersuchung

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seinen Jüngern«249. Auch hier wird deutlich, dass die Historizität des Abendmahls nicht in Frage gestellt wird. Darüber hinaus wird der Begriff der Transsubstantiation eingeführt. Darunter sei »keine magische Verwandlung von Brot in Fleisch und Wein in Blut«250 zu verstehen; vielmehr ändere sich bei »der Wandlung […] das Wesen der Gaben, während die Materie unverändert bleibt«251. Das Handbuch geht jedoch nicht darauf ein, ob die Transsubstantiationslehre unterrichtliche Berücksichtigung erfahren soll. Ein anderes Lehrerhandbuch widmet der Eucharistie acht Seiten, doch geht es hier vor allem um die Bildanalyse252 zweier im Religionsschulbuch wiedergegebener Gemälde: Leonardo da Vincis »Das Abendmahl« und Ben Willikens’ »Abendmahl«. Das Handbuch regt an, dass die Lernenden Willikens’ triste und leere Darstellung – sie zeigt einen leeren Raum mit einem langen weißen Tisch – phantasievoll gestalten sollen.253 Zum Abendmahl ist in diesem Handbuch zu lesen, dass »Jesus einen Lobpreis über Brot und Wein gesprochen hat und dann durch die Deuteworte zu Brot und Wein zu Zeichen seiner fortdauernden Gegenwart erklärte. […] Der Wiederholungauftrag Jesu, den die Schriften des Neuen Testaments übermitteln, bezieht sich offensichtlich nicht nur auf die Deuteworte, sondern auch auf die Berakot über Brot und Wein.«254 Auch in diesem Handbuch wird die Historizität des Abendmahls offenbar vorausgesetzt; zwischen den neutestamentlichen Darstellungen wird nicht differenziert, denn nur bei Paulus und Lukas ist die Rede von der Wiederholung der Feier. Im Kapitel »Zeichen setzen« behandelt dieses Handbuch drei Dimensionen der Sakramente – die anthropologische, christologische und ekklesiologische.255 Sakramente seien bestimmten Situationen oder Phasen der menschlichen Lebensgeschichte zugeordnet.256 Der Bezug zur Eucharistie ist nur implizit und wird der Lehrperson womöglich nicht deutlich: »Auch der Vorgang des gemeinsamen Essens ist über die Nahrungsaufnahme hinaus Ausdruck einer Grundverfaßtheit des Menschen. Einmal zeigt sich darin, dass er nicht autark ist und nicht aus der 249 Ebd. Ein anderes Lehrerhandbuch betont demgegenüber den Erinnerungsaspekt (s. Sajak, Treffpunkt RU 7/8, 40). 250 Ebd. 251 A. a. O., 132. 252 Das Handbuch stellt fest, dass L. da Vinci darauf verzichtet habe, das Abendmahl »ausschließlich eucharistisch-sakramental zu deuten. Wie man sieht, handelt es sich um eine volle Mahlzeit, in die das eucharistische Geschehen integriert ist« (Eggers, Gott und die Welt 7/8. Kommentar, 85). 253 S. a. a. O., 91. 254 Ebd. 255 S. a. a. O., 387–391. 256 S. a. a. O., 387.

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Religionspädagogische Ausgangslage

eigenen Substanz zu leben vermag; zum anderen drückt sich darin die wesenhafte Du-Bezogenheit des Menschen aus. […] So wird z. B. das gemeinsame Essen und Trinken […] durch den Stiftungswillen Jesu Christi zum wirksamen Zeichen der Gemeinschaft der Menschen mit Gott und untereinander.«257 I.2.4.3.2.3. Neuntes und zehntes Schuljahr Die Grundlage der Untersuchung bilden im neunten und zehnten Schuljahr fünf Lehrerhandbücher. Trotz eines 13 Seiten umfassenden Kapitels zu Jesus Christus erfährt die Eucharistie in diesem katholischen Lehrerhandbuch keine Berücksichtigung. Nur in einem »Jesus-Rätsel« finden sich Bezüge zum biblischen Text: Einzelne Sätze sind durch die Lernenden zu ergänzen: »Jesus brach das …« oder: »Am Tag vor seinem Tod feierte er mit seinen Jüngern ein …«258. Nach diesem Handbuch dient die Brotbitte des Vaterunsers dazu, dass die Schülerinnen und Schüler »ein vertieftes Verständnis der Bedeutung einzelner Elemente des Gebetes«259 gewinnen. Als einen Anlass, bei dem das Vaterunser gesprochen wird, sollen die Lernenden die Eucharistiefeier nennen.260 Das Hochgebet, zentraler Bestandteil der eucharistischen Liturgie, erfährt in den Handbüchern zum neunten und zehnten Schuljahr erstmalig Berücksichtigung. In diesem Kontext gehen einige Lehrerhandbücher auf die Bedeutung der Eucharistie ein:261 Die Eucharistie sei eine »Erinnerungsfeier«262, im Zuge derer die Gemeinde das »Einssein mit Christus«263 feiere. Unter der Überschrift »Jesus von Nazareth – aus historischer Sicht« heißt es in einem Lehrerkommentar: »Jesus feierte in Vorausahnung seiner Verhaftung mit seinen Jüngern ein Abschiedsmahl, bei dem er ihnen sein Leben und Sterben mit zeichenhaften Gesten (Darreichen von Brot und Wein) als aufopfernden Dienst und bleibende Hingabe deutete.«264 Die neutestamentlichen Einsetzungstexte erfahren auch in diesem Schuljahrgang mit einer Ausnahme keine Berücksichtigung.265

257 258 259 260 261 262 263 264 265

A. a. O., 388. Hilger/Reil, Reli 9/10. Lehrerkommentar, 53. A. a. O., 110. S. a. a. O., 112. S. Sajak, Treffpunkt RU 9/10, 134. Bosold/Michalke-Leicht, Mittendrin 3. Lehrerkommentar, 55. Sajak, Treffpunkt RU 9/10, 171. Trutwin, Fundgrube 9/19, 86. Die markinische Version wird von Sajak, Treffpunkt RU 9/10, 145, aufgegriffen.

Empirische Untersuchung

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I.2.4.4. Zusammenfassung Die Analyse der Kerncurricula, Religionsschulbücher sowie deren Lehrerhandbücher zur Berücksichtigung und Thematisierung des Abendmahls bzw. der Eucharistie im gegenwärtigen Religionsunterricht der Sekundarstufe I hat ergeben, dass die Einsetzungstexte von den Kerncurricula zwar nicht explizit als biblische Basistexte vorgeben sind, aber in einigen Schulbüchern aufgegriffen werden. Die Mahlthematik spielt insbesondere bei den »Stationen in Jesu Leben«, dem Thema »Urgemeinde«, dem Kirchenjahr sowie bei der Erläuterung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Konfessionen eine Rolle. Darüber hinaus gewinnt das Brot als Symbol für soziale Ungerechtigkeit mit zunehmender Klassenstufe an Bedeutung. Methodisch werden oft künstlerische Darstellungen des Abendmahls eingesetzt, die beschrieben oder kreativ bearbeitet werden sollen. Zur Dimension der leiblich-konkreten Erfahrbarkeit des Mahls wird angeregt, ein gemeinsames Mahl im Klassenverband zu gestalten. Festzuhalten ist schließlich, dass das Abendmahl, sofern es religionsgeschichtlich bedacht wird, ohne Berücksichtigung aktueller fachwissenschaftlicher Diskussionen einseitig aus dem Pesachmahl hergeleitet wird.

I.2.5. Resultat der Untersuchung Eine Behandlung des Abendmahls aus religionsgeschichtlicher Perspektive ist in keinem der analysierten Kerncurricula, Religionsschul- und Lehrerhandbücher266 vorgesehen. Vergleicht man die Ergebnisse der Auswertung der Kerncurricula mit denen der Schulbuchuntersuchung, so fallen folgende Konkretisierungen der Schulbücher auf: Über die Vorgaben des Kerncurriculums hinaus wird das frühchristliche Gemeindeleben in den Schulbüchern detaillierter und in größerem Umfang dargestellt. Obwohl die Abendmahlperikope vom Kerncurriculum nicht als exemplarischer Bibeltext vorgeschlagen ist, wird sie von einigen Religionsschulbüchern aufgegriffen, zum Teil unter Zitation der Einsetzungsworte. Die Analyse der Kerncurricula zeigt, dass religionsgeschichtliche Lerninhalte weithin fehlen. Die Begegnung und der Vergleich mit anderen Religionen beziehen sich ausschließlich auf die gegenwärtigen Weltreligionen, vor allem auf die abrahamitischen Religionen. 266 Ausgenommen ist Halbfas, Religionsbuch 7/8 und dessen Lehrerhandbuch (s. I.2.1.).

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Religionspädagogische Ausgangslage

Aus religionsgeschichtlicher Sicht ist zudem festzuhalten, dass einzig im Kerncurriculum für den katholischen Religionsunterricht der Haupt- und Realschule, im Kerncurriculum des evangelischen Religionsunterrichts der Realschule sowie im Kerncurriculum der Integrierten Gesamtschule die Behandlung eines außerbiblischen Schöpfungsmythos angeregt wird. Die Behandlung dieser Mythen wird von den Kerncurricula auf das fünfte und sechste Schuljahr beschränkt, während die Thematisierung des babylonischen Schöpfungsmythos in den Schulbüchern bis in die neunte und zehnte Jahrgangsstufe reicht. Die Perikope vom letzten Mahl Jesu bzw. die Einsetzungsworte gehören in keinem Kerncurriculum zu den exemplarischen Bibeltexten, werden aber implizit innerhalb des Passionszusammenhangs bedacht. Die Eucharistie erfährt in den katholischen Kerncurricula weitaus häufiger Berücksichtigung als das Abendmahl in den evangelischen. Eine wichtige Rolle spielen sie bei der Thematisierung der Sakramente sowie im Vergleich der beiden Konfessionen. Die Deutungsaspekte des Abendmahls, wie Erinnerung, ›Vorgeschmack‹ auf das Reich Gottes oder (Sünden-)Vergebung, sind in allen Kerncurricula als mögliche Unterrichtsinhalte zu finden, ohne mit dem Abendmahl direkt in Beziehung gesetzt zu werden. Immerhin sind Möglichkeiten zur unterrichtlichen Behandlung des Themas »Abendmahl« in den Kerncurricula angelegt. Die Schulbuchuntersuchung ergibt, dass religionsgeschichtliche Perspektiven jahrgangs- und konfessionsübergreifend vor allem beim Thema »Schöpfung« sowie bei der Behandlung der griechisch-römischen Götterwelt eine Rolle spielen. In allen Jahrgangsstufen wird ein religionsgeschichtlicher Vergleich, meist mit dem babylonischen Schöpfungsmythos »Enuma elisch«, angeregt. Weitere religionsgeschichtliche Hinweise finden sich, insbesondere in evangelischen Religionsschulbüchern, im Kontext von Wundererzählungen oder im Zuge der Thematisierung des Pesachfests, das als Ursprung des christlichen Osterfestes bezeichnet wird. Die Auseinandersetzung mit dem historisch-kulturellen Kontext der Lebenswelt Jesu ist übereinstimmend auf die fünfte und sechste Jahrgangsstufe beschränkt. Zudem wird konfessionsübergreifend im neunten und zehnten Schuljahr am Rande der unterrichtlichen Behandlung der Methodenschritte historisch-kritischer Exegese auf die Religionsgeschichte verwiesen. Speziell zur Mahlthematik ist festzustellen, dass in ungefähr jedem dritten evangelischen Lehrbuch das Abendmahl gar nicht behandelt wird – das Sakrament erscheint demnach als kein zentrales Thema des evangelischen Religionsunterrichts. Das Abendmahl als Unterrichtsgegenstand nimmt konfessionsübergreifend mit zunehmender Klassenstufe ab.267

267 Die Häufigkeit der Thematisierung ist jedoch bei älteren Lehrwerken weitaus höher. Hier

Empirische Untersuchung

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Konfessionsübergreifende Erwähnung findet das letzte Mahl Jesu vor allem im Passionskontext (5.–8. Schuljahr). Die Einsetzungsworte werden in manchen Schulbüchern angeführt, doch ist nur in wenigen Fällen eine Erschließung ihrer Deutungsmöglichkeiten vorgesehen. Etwa die Hälfte der untersuchten evangelischen sowie ein Drittel der untersuchten katholischen Schulbücher thematisieren das Mahl unter der Rubrik »Leben in der Urgemeinde« (5.–10. Schuljahr). Im Mittelpunkt stehen hierbei Gemeindekonflikte (Apg 15,1–21; 1Kor 11,18–22) und die Gestaltung des gemeinschaftlichen Lebens (Apg 2,42; 4,32; 20,7). Katholische wie evangelische Schulbücher thematisieren häufig das Brot als Symbol und greifen es vor allem in Hinblick auf die Frage nach sozialer Gerechtigkeit auf. Im Zusammenhang der Themen »Kirchenjahr« und »Konfessionsvergleich« wird auf das Abendmahl sowohl in den evangelischen wie auch in den katholischen Religionsschulbüchern zurückgegriffen. Bemerkenswert ist, dass insbesondere die katholischen Schulbücher das Sakrament als einendes Moment der Kirchen herausstellen. Die katholischen Religionsschulbücher behandeln die Eucharistie nicht nur häufiger, sondern auch ausführlicher: Sie betonen ihren feierlichen Charakter, arbeiten ihre Deutungsaspekte heraus und stellen Bezüge zu anderen neutestamentlichen Mahltexten her. Vo allem bei den Festen oder Symbolen wird das Abendmahl bzw. Brot zum unterrichtlichen Gegenstand, auch über die curricularen Vorgaben hinaus. Für die Behandlung der Mahlthematik im Religionsunterricht wird von den Schulbüchern vorgeschlagen, im Klassenverband ein gemeinsames Essen abzuhalten. Dazu wird in den Schul- bzw. Lehrerhandbüchern häufig angeregt, künstlerische Darstellung des Abendmahls zu betrachten, sie zu beschreiben und im Unterricht kreativ mit ihnen zu arbeiten. Hinsichtlich der Fragen, ob religionsgeschichtliche Perspektiven aufgenommen werden und welche Rolle das Abendmahl in der religionspädagogischen Praxis spielt, ergeben sich aus der Untersuchung der Lehrerhandbücher keine Ergänzungen. Sie sind als Materialsammlung sowie als Kommentierung zum Schülerbuch konzipiert, meist ohne vertiefendes Hintergrundwissen darzustellen. Auf katholischer Seite existiert ein (in Niedersachsen aktuell nicht zugelassenes) Lehrerhandbuch, das die religionsgeschichtlichen Hintergründe von Mahltraditionen ausführlich darlegt (s. I.2.1.), auf evangelischer Seite wird entweder auf den symboldidaktischen Ansatz von Biehl (s. I.3.3.) verwiesen oder es finden sich undifferenzierte Überlegungen zum Abendmahl, die die aktuelle wird der von C. Münch bemerkte Relevanzverlust deutlich (Eucharistie und Postmoderne, 374).

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Religionspädagogische Ausgangslage

fachwissenschaftliche Diskussion nicht ausreichend berücksichtigen: Wird die traditions- und religionsgeschichtliche Deutung des Abendmahls angesprochen, geschieht dies nur unter Hinweis auf Joachim Jeremias’ Herleitung aus dem Pesachmahl (s. II.3.2.1.1.). Die Frage der Historizität des Abendmahlgeschehens wird in keinem Handbuch hinterfragt, und die verschiedenen neutestamentlichen Traditionen werden oft unreflektiert vermischt. Die aktuellen Lehrerhandbücher bieten dem Lehrenden folglich kein Differenzierungswissen an, wodurch unterschiedliche fachwissenschaftliche Ansätze, Herangehensweisen und Perspektivenwechsel als Lehrmöglichkeit unberücksichtigt bleiben.

I.2.6. Mögliche Gründe für die geringe religionspädagogische Berücksichtigung religionsgeschichtlicher Inhalte Als Konsequenz aus den Ergebnissen der Untersuchung bleibt zu fragen, welche Gründe für die geringe Berücksichtigung religionsgeschichtlicher Inhalte im Religionsunterricht der Sekundarstufe I bestehen. Handelt es sich um eine bewusste Entscheidung – gibt es also gute Gründe, religionsgeschichtliche Aspekte auszublenden? Wird ihnen für religiöses Lernen keine Wichtigkeit beigemessen? Oder werden diese Aspekte, möglicherweise auch aufgrund von Forschungsdesideraten, bisher nicht hinreichend wahrgenommen? Für eine bewusste Entscheidung gegen religionsgeschichtliche Inhalte scheint der Befund zu sprechen, dass es dort, wo sie aufgegriffen werden (z. B. der »Enuma elisch«-Mythos oder die römisch-griechische Götterwelt), es den Autoren lediglich um die Betonung von Unterschieden zwischen der jüdischchristlichen Tradition und anderen Religionen geht. Ein religionsgeschichtlicher Vergleich, der neben Differenzen auch Analogien aufzeigt, wird nirgends durchgeführt. Dies halte ich für problematisch, da so den Lernenden die Möglichkeit genommen wird zu begreifen, dass sich das Christentum in Auseinandersetzung mit seiner Mitwelt entwickelt hat. Weitere Gründe für das Fehlen religionsgeschichtlicher Inhalte könnten darin liegen, dass sie als schwer verständlich eingeschätzt oder gar nicht wahrgenommen werden – nicht zuletzt deshalb, weil angesichts der begrenzten Unterrichtszeit für das Fach Religion andere Inhalte als wichtiger wahrgenommen werden. Der Umfang der Thematisierung des Abendmahls nimmt vom Kerncurriculum an kontinuierlich zu. Zudem spielt es eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Sakramente. Dem steht der zwiespältige Befund gegenüber, dass die Eucharistie in den katholischen Schulbüchern häufig behandelt wird, während das Abendmahl in ungefähr in einem Drittel der evangelischen Lehrbücher über-

Empirische Untersuchung

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haupt keine Erwähnung findet. Konfessionsübergreifend ist zu beobachten, dass die Thematisierung des Abendmahls mit zunehmender Klassenstufe abnimmt und das Sakrament insbesondere im evangelischen Religionsunterricht als Randthema in den Hintergrund tritt. Ein weiterer Grund für das Zurücktreten der Mahlthematik in evangelischen Schulbüchern könnte der zu einigen Klassenstufen parallel stattfindende Konfirmandenunterricht sein, dem die Behandlung überlassen wird. Da die Firmung bereits im Grundschulalter erfolgt, kann der katholische Religionsunterricht eher an eine eigene Abendmahlspraxis bzw. -erfahrung der Lernenden anknüpfen, während dies für den evangelischen Religionsunterricht erst ab der achten Klasse möglich ist. Allerdings stellt sich die Frage, weshalb auf die Abendmahlserfahrungen, die in den Schulbüchern bereits in der fünften und sechsten Klasse vorausgesetzt werden, im Anschluss an die Konfirmation bzw. Firmung in höheren Jahrgangsstufen nicht aufgebaut wird. Wird der Zuständigkeitsbereich dafür in der Gemeinde gesehen? Resultiert dies aus der Schwierigkeit, wie mit dem Sakrament religionspädagogisch umgegangen werden soll? Wird insbesondere die Behandlung der Einsetzungstexte als Überforderung angesehen?268 Doch sprechen diese Gründe für eine Thematisierung im Religionsunterricht, damit die Lernenden die Bedeutung der christlichen Mahlfeier reflektieren können. Vor allem kann die schulische Thematisierung des Abendmahls gegenüber der gemeindlichen weiterführende Fragestellungen und Perspektiven – beispielsweise die religionsgeschichtliche – einbeziehen. Vermutlich haben sich die Schulbuchautoren mit dem religionsgeschichtlichen Hintergrund des Abendmahls bisher nicht auseinandergesetzt, da sie die aktuelle fachwissenschaftliche Forschung und Diskussion nicht reflektieren. Mit einer bewussten Entscheidung gegen die Berücksichtigung religionsgeschichtlicher Fragestellungen ist also nicht zu rechnen, auch wenn ihnen die Beiträge von Halbfas bekannt sein müssten (s. I.2.1.). Von den Schulbuchautoren kann selbstverständlich verlangt werden, sich umfassende Kenntnisse von allen fachwissenschaftlichen Diskursen zu verschaffen. Dennoch halte ich es für unerlässlich, dass Forschung und Praxis aufeinander zugehen und dass keine Lehrinhalte vermittelt werden, die als überholt gelten müssen. Insbesondere bei den Lehrerhandbüchern stellt sich die Aufgabe, den Lehrenden aktuelle, verständlich zusammengefasste fachwissenschaftliche Informationen als Grundlage für ihren Unterricht zur Verfügung zu stellen. 268 Vgl. Fricke, Bibeltexte, 671, der vermerkt, dass »die in den Paulusbriefen durchscheinende Situation der frühchristlichen Gemeinden und deren theologische Kontroversen (z. B. 1Kor)« als zu schwierig gelten müssen. Auf die Einsetzungstexte geht er nicht ein.

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Religionspädagogische Ausgangslage

I.2.7. Anfragen und Anknüpfungsmöglichkeiten Aufgrund der hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse lassen sich verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten für religionsgeschichtliche Perspektiven im Religionsunterricht beschreiben. Im Rahmen des Unterrichtsthemas »Leben in der Urgemeinde« können religionsgeschichtliche Exkurse angeboten werden. So ist es bei der Behandlung der Mahlthematik möglich zu fragen, wie sich das frühchristliche Mahlleben gestaltet hat und ob Juden- und Heidenchristen gemeinsam essen konnten. In diesem Zusammenhang könnte auf die jüdischen Speisevorschriften und die römisch-griechische Kultpraxis eingegangen werden. Die vertiefte Auseinandersetzung mit der religiösen Mitwelt Jesu, also mit dem antiken Judentum und den paganen Kulten, könnte insbesondere für höhere Jahrgangsstufen interessant sein. Anhand religionsgeschichtlicher Betrachtungen wäre es möglich, Gottesbilder zu vergleichen, über gemeinsame Wurzeln religiöser Vorstellungen nachzudenken und sich mit existentiellen Lebensfragen auseinanderzusetzen. Ebenfalls in höheren Schuljahrgängen könnte eine Beschäftigung mit den Methoden der historisch-kritischen Exegese sinnvoll sein, zu denen u. a. der religionsgeschichtliche Vergleich gehört. Einige Arbeitsschritte, z. B. der Übersetzungsvergleich oder die Textanalyse, lassen sich mit dem Unterrichtsfach Deutsch verbinden und erlauben dem Lernenden einen ersten wissenschaftlichen Blick auf die biblischen Texte. Im Gegensatz zur Praxis der Schulbücher, mithilfe der Religionsgeschichte die Unterschiede von Religionen herauszuarbeiten, sollten auch deren Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden. Die religionsgeschichtliche Perspektive sollte nicht als Negativfolie eingesetzt und somit abgewertet werden, da sie neue Wahrnehmungen ermöglichen kann, damit Schülerinnen und Schüler ihre eigene Religion besser verstehen lernen und sich kompetender mit ihr und anderen Religionen auseinandersetzen können. Für die religionsgeschichtliche Betrachtung der Mahlthematik ergibt sich aus den Untersuchungsergebnissen vor allem das jüdische Pesachfest als angeblicher Ursprung des christlichen Osterfestes als Anknüpfungspunkt – eine aus den 1950er Jahren stammende These. Zu fragen ist: Was haben das christliche Erinnerungsfest an Jesus Christus und das jüdische Erinnerungsfest an die Befreiung Israels miteinander zu tun? Die Antwort der Schulbücher sollte deutlich über den Hinweis auf die Datierung des christlichen Festes in Kontinuität zum Pesachfest hinausgehen. Vor allem der Vergleich des Seder-Ritus mit der Abendmahlhandlung kann dazu anleiten, sich mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten beider Religionen auseinanderzusetzen. Als problematisch erachte ich die in Schulbüchern nicht seltene Harmonisierung der verschiedenen neutestamentlichen Abendmahltraditionen. Ihre

Aktuelle religionspädagogische Konzepte

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Differenzen sollten wahr- und ernstgenommen werden, da sie auf unterschiedliche Mahlpraktiken und -deutungen verweisen. Werden Aspekte betont oder kombiniert, die laut Überlieferung nicht zusammengehören, entsteht ein unhistorisches Bild des frühchristlichen Mahls und seiner Deutung. Es ist zu fragen, ob nicht gerade die Unterschiede für die Lernenden interessant sein können, um sich mit dem frühchristlichen Abendmahlsverständnis auseinanderzusetzen, und ein Anlass sind, über die Entstehung der neutestamentlichen Schriften nachzudenken. Auffällig ist, dass die Einsetzungstexte in den Lehrbüchern kaum Erwähnung finden und auch andere neutestamentliche Mahltraditionen, z. B. die Speisungswunder, weitgehend ausgespart bleiben. Sofern das Abendmahlgeschehen überhaupt thematisiert wird, bleibt dessen historischer Ursprung – insbesondere in den Lehrerhandbüchern – unberücksichtigt. Generell erscheint mir prekär, dass die Lehrerhandbücher fachwissenschaftliche Hintergrundinformationen in der Regel aussparen. Gehen sie doch einmal darauf ein, wird meist eine Sichtweise unkritisch dargestellt. Insgesamt zeigt sich, dass die vielschichtigen Möglichkeiten, die die Thematisierung des Abendmahls aus religionspädagogischer Perspektive bietet, längst nicht ausgeschöpft sind. Die Mahlthematik gestattet es in besonderer Weise, lebensweltliche Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler mit religiösen Fragestellungen zu verbinden und die Kontraste zwischen Antike un Gegenwart intensiv kennenzulernen: Im Abendmahl konstituiert sich eine Gemeinschaft – zwischen Gott bzw. Christus und den Christusgläubigen –, während – in Zeiten des Fastfoods und der Auflösung verbindlicher Sozialstrukturen – die Bedeutung des gemeinsamen Essens von vielen Jugendlichen kaum noch wahrgenommen wird oder wahrgenommen werden kann.

I.3.

Aktuelle religionspädagogische Konzepte

Die Frage, inwiefern religionsgeschichtliche Perspektiven sowie das Mahlthema in der derzeitigen religionspädagogischen Praxis Berücksichtigung finden, soll nun in Hinblick auf die aktuelle religionspädagogische Theorie gestellt werden. Aus den aktuellen religionspädagogischen Konzepten werden im Folgenden diejenigen ausgewählt, die für die Fragestellung dieser Arbeit relevant sind: In den Blick kommen also wahrnehmungs- und erfahrungsorientierte Konzepte, die interreligiöses Lernen fördern respektive religiöses Wissen vermitteln und biblische Tradition mit der Lebenswelt der Lernenden verbinden wollen. Auf eine kurze Vorstellung des jeweiligen Konzepts mit seinen Ziel- bzw. Schwerpunktsetzungen folgt eine Beurteilung, ob es sich für die Anbahnung religionsgeschichtlicher Perspektiven bzw. für die Thematisierung des Abend-

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Religionspädagogische Ausgangslage

mahls eignet. Diese Ergebnisse bilden die konzeptionelle Grundlage für die diese Arbeit beschließenden religionspädagogischen Konkretionen (s. III.2.2.).

I.3.1. Elementarisierung Wie der Begriff bereits andeutet, verfolgt er das didaktische Anliegen, sich auf den wesentlichen Inhalt – auf das Elementare – zu konzentrieren. Durch diesen Zugang soll sich das Verhältnis zwischen zentralen theologischen Inhalten und den Lernenden mit ihrer Lebenswelt wechselseitig erschließen.269

I.3.1.1. Entstehungshorizont der Elementarisierung Vor dem Hintergrund der religionspädagogischen Situation am Ende der 1960er Jahre270 und durch die Übernahme bildungstheoretischer Erkenntnisse271 wurde das didaktische Streben nach Elementarisierung zum religionspädagogischen Schlüsselbegriff,272 z. B. innerhalb der bibeldidaktischen (s. I.3.2.), symboldidaktischen (s. I.3.3.) oder kinder- bzw. jugendtheologischen (s. I.3.5.) Diskussion. So ist Elementarisierung im Grunde keine religionspädagogische Konzeption, sondern vielmehr »eine allgemeine religionsdidaktische Aufgabe, die sich auf Inhalte und Themen des Religionsunterrichts bezieht.«273 Die Frage nach dem Umfang sowie den Möglichkeiten der praktischen Umsetzung und der theoretischen Definition von Elementarisierung wird in der Religionspädagogik nicht übereinstimmend beantwortet.274 269 S. Lämmermann, Elementarisierung, 382; Schweitzer, Elementarisierung, 14.209f. Deutlich zu unterscheiden ist hiervon die Elementartheologie, der es um eine vereinfachte und reduzierte Vermittlung von Theologie geht (s. Stock, Elementartheologie, 452–466). 270 Hermeneutisch ausgerichtete Konzepte wurden als einseitig empfunden, da sie als zu stark text- bzw. traditionslastig galten und ihnen fehlender Gegenwarts- und Schülerbezug attestiert wurde (s. Sturm, Religionspädagogische Konzeptionen, 53). 271 Zu diesen gehört die Annahme, dass nicht alle Inhalte, die theoretisch gelehrt oder gelernt werden können, den Lernenden auch automatisch bilden. Inhalte, die zur Bildung in der Lage sind, »sind Inhalte die im Besonderen ein Allgemeines enthalten« sind (Fricke, Bibeltexte, 70 (Hervorhebung im Original)). 272 Nach W. Klafki existieren verschiedene Formen, bei denen das Elementare im Unterricht zu Tage tritt. Hierzu zählen z. B. einfache Handlungen wie Lesen und Schreiben, aber auch exemplarische Erfahrungen (Problem des Elementaren, 442.257). Der Erziehungswissenschaftler H. Roth entwickelte den Ansatz, dass Kind und Gegenstand so aufeinander zu beziehen seien, dass sie gleichsam ineinander »verhakt« sind, was allerdings nur eine methodisch lebendig gemachte und somit erfahrbare »Ursprungssituation« schaffen kann (Pädagogische Psychologie, 109–117). 273 Schweitzer, Elementarisierung im RU, 208. 274 S. Fricke, Bibeltexte, 69.

Aktuelle religionspädagogische Konzepte

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I.3.1.2. Grundgedanken der Elementarisierung Das elementare Lernkonzept sei sowohl für die Thematisierung biblisch-theologischer als auch lebensweltlicher Fragen angelegt und intendiere »eine Konzentration auf pädagogisch elementare – also von den Inhalten wie von den Kindern und Jugendlichen (oder Erwachsenen) her grundlegend bedeutsame und für sie zugängliche – Lernvollzüge zu unterstützen«275. Dieses grundsätzliche Anliegen werde mithilfe von bestimmten Fragerichtungen in ein mehrdimensionales Konzept aufgeschlüsselt und somit für die religionspädagogische Praxis konkret umsetzbar: Nach Karl Ernst Nipkow treten neben die elementaren Strukturen und Erfahrungen die elementaren Zugänge und schließlich die elementaren Wahrheiten.276 Friedrich Schweitzer erweitert dieses Konzept um die fünfte Dimension der elementaren Lernformen.277 Mit der Frage nach den elementaren Strukturen wird die Frage nach der Auswahl bestimmter Inhalte und Themen im Horizont lebensweltlicher Erfahrungen der Lernenden gestellt. Mithilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse solle der »Kern der Sache«278 – das Wesentliche und Entscheidende des Inhalts – gesucht werden. In diesem Prozess können möglicherweise die kontrovers diskutierten Fragen der Fachwissenschaft für Jugendliche besonders interessant sein.279 Mithilfe der Dimension der elementaren Erfahrungen soll die Frage nach dem heutigen und damaligen ›Sitz im Leben‹ des Unterrichtsinhalts berücksichtigt werden: Welche lebensweltlichen Bezüge weißt das Thema auf ? Was bedeutete der Inhalt für die Menschen aus Jesu Zeit? Welche Erfahrungen verbinden die Menschen über die unterschiedlichen Zeiten hinweg? Diese Mehrperspektivität zeichne einen lebensbedeutsamen und erfahrungsorientierten Religionsunterricht aus.280

275 Schweitzer, Elementarisierung im RU, 14. 276 S. Nipkow, Elementarisierung, 453. Vgl. Kuld, Didaktik, 177–180: Diese Elementarisierungsformen seien lediglich auf analytischer Ebene zu trennen, würden sich aber gegenseitig beeinflussen und einander in einer beliebigen Reihenfolge (kreisförmig) folgen. 277 S. Schweitzer, Elementarisierung im RU, 24–26. Vgl. Schweitzer, RU und Entwicklungspsychologie, 179–181. 278 Schweitzer, Elementarisierung im RU, 17. Am Beispiel des Gleichnisses vom verlorenen Sohn verweist Schweitzer auf den Vater als Zentralfigur – als »Kern der Sache«. In dieser Dimension »greifen Elementartheologie und Elementarisierung unmittelbar ineinander« (a. a. O., 212). 279 S. a. a. O., 15–19. Vgl. Schweitzer, RU und Entwicklungspsychologie, 173f. Aus Sicht der Kompetenzorientierung geht es hierbei um die »Sachkompetenz« (s. Schweitzer, Elementarisierung und Kompetenz, 26f.). 280 S. a. a. O., 19–21. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn seien die elementaren Erfahrungen in der Vater-Sohn-Beziehung zu finden: z. B. Vergebung, Liebe, Eifersucht, Schuld, Aufbruch, Scheitern, aber auch im Wandel des Vaterbildes. Nipkow beschreibt diese Dimension der

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Religionspädagogische Ausgangslage

Nipkow umschreibt die elementaren Zugänge als »das zeitlich Angemessene«281 und richtet den Blick auf den jeweiligen Entwicklungsstand des Lernenden. Ihm ist das Recht zuzugestehen, eigene Denk- und Deutungsweisen sowie eigene Weltsichten und -zugänge zu besitzen, deren Wert und Berechtigung die Religionspädagogik zu beachten und anzuerkennen habe.282 Ihre Aufgabe sei eine »Begleitung der Entwicklung«283, die »zu neuen Lernschritten«284 herausfordert. In der Dimension der elementaren Wahrheiten soll der Lehrende sich dem Lernenden aus Sicht des Glaubens widmen, da die biblischen Texte den Lesenden oder Hörenden dazu einladen, sich auf deren »Perspektive einzulassen und so deren Wahrheit nachzuvollziehen.«285 Entscheidend sei, sich auf die Besonderheit der göttlichen Wahrheit einzulassen, da sie sich – und dies sei für viele Jugendliche schwierig – nicht wissenschaftlich überprüfen lasse. Die Glaubenswahrheiten seien jedoch keine Dogmen, sondern würden Erfahrungen, Weltdeutungen und Strukturen zum Ausdruck bringen, nach deren Tragfähigkeit für sein Leben jeder Einzelne – und im besonderen Maße die Religionslehrkraft – fragen solle.286 Mithilfe der elementaren Formen des Lernens soll der Religionsunterricht zu einem elementaren Erfahrungsraum werden, der aktives – körperliches oder geistiges – Lernen fördere. Religiöse Erfahrungen seien mithilfe von ästhetischen Ausdrucksformen, liturgischen Vollzügen oder Begegnungen mit anderen Menschen und deren Erfahrungsberichten möglich.287 Ziel des didaktischen Ansatzes der Elementarisierung ist demnach eine Vermittlung zwischen dem Lernenden mit dessen elementaren Erfahrungen und

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»elementaren Wahrheiten« als »das subjektiv Authentische« (Nipkow, Elementarisierung, 453). Nipkow, Elementarisierung, 453. S. Schweitzer, Elementarisierung im RU, 19–21. So könnten Jugendliche im Gleichnis vom verlorenen Sohn z. B. den eigenen Ablösungsprozess vom Elternhaus thematisieren. A. a. O., 23. Ebd. Nach Schweitzer sei davon auszugehen, dass in dieser Dimension der »elementaren Zugänge« »Urteilskompetenz« ausgebildet werden kann, »wenn ein gegebener Entwicklungsstand gezielt überschritten und wenn die weitere Entwicklung auf diese Weise angeregt wird« (Schweitzer, Elementarisierung und Kompetenz, 28). A. a. O., 27. S. a. a. O., 28. Vgl. Schweitzer, RU und Entwicklungspsychologie, 178f. Da hierbei unterschiedliche Wahrheitsansprüche auftreten können, mit denen dialogisch umgegangen werden sollte (Anknüpfungspunkt für interreligiöses Lernen), fördert diese Dimension der »elementaren Wahrheiten« (religiöse) »Orientierungskompetenz« und »Dialogkompetenz« (s. Schweitzer, Elementarisierung und Kompetenz, 30). S. a. a. O., 25. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn könnte z. B. mithilfe eines Rollenspiels nachgespielt werden. Sofern die Lernenden angeleitet werden, fördert diese Dimension der »elementaren Lernformen« die »Methodenkompetenz« (s. Schweitzer, Elementarisierung und Kompetenz, 30).

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Zugängen und dem (Lern-)Gegenstand mit seinen elementaren Strukturen und Wahrheiten.288 I.3.1.3. Fazit Grundlegend für religionsgeschichtliche Perspektiven im Religionsunterricht wäre aus Sicht der Elementarisierung die Frage nach den elementaren Strukturen und Erfahrungen: Welche religionsgeschichtlichen Inhalte passen in den lebensweltlichen Erfahrungshorizont der Lernenden? Die Frage nach den religionsgeschichtlichen Hintergründen biblischer Texte ist aus fachwissenschaftlicher Sicht kaum allgemeingültig zu beantworten. Die Jugendlichen können sich deshalb in diesem Themenfeld mit elementarisierten fachwissenschaftlichen Kontroversen auseinandersetzen. Die religionsgeschichtlichen Inhalte sollten multiperspektivisch sein, sodass sie für die Lernenden nachvollziehbar oder sogar erlebbar sind und zugleich Menschheitserfahrungen widerspiegeln: Das Mahl ist als lebenserhaltende und -fördernde Grunderfahrung des Menschen in diesem Zusammenhang ein besonders naheliegender Erfahrungsort. Vorstellbar ist daher, dass durch Unterrichtsgespräche über und in Auseinandersetzung mit den religionsgeschichtlichen Inhalten elementare Wahrheiten sichtbar werden, die auf anderem Wege nicht oder nur schwer zu erkennen sind.

I.3.2. Bibeldidaktik Die Bibeldidaktik möchte dem Lernenden anhand biblischer Geschichten eine Vielzahl von Möglichkeiten des Glaubens vorstellen. Es geht ihr nicht um die Unterweisung traditioneller Glaubensinhalte, sondern um eine »Sprachschule des Glaubens«289, in deren Mittelpunkt die christliche Religion »zum eigenständigen […] Mitvollzug einlädt«290. I.3.2.1. Grundlagen der Bibeldidaktik Grundlegend für die Bibeldidaktik sei die »Verknüpfung von biblischer Glaubenserfahrung und gegenwärtigen Lebenssituationen«291. Im Vordergrund stünden daher einerseits die Begegnung mit biblischen Texten, insbesondere mit 288 289 290 291

S. a. a. O., 10.209. Kunstmann, Religionspädagogik, 181. Ebd. Ott, Lernen, 17. Die Bibeldidaktik baut einerseits auf der religionspädagogischen Konzep-

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den darin enthaltenen Glaubenserfahrungen, und andererseits der Lernende als als reale Person in einer konkreten Lebenssituation, die mit den biblischen Texten in einen Dialog tritt.292 In den 1970er Jahren kritisierte Ingo Baldermann die Lernziele des problemorientierten Konzepts zugunsten einer neuen Bibelorientierung:293 Die Bibel sei weder nur als ein der Wissenschaft dienendes Buch zu verstehen, noch als »Problemlösungsfundus«. Vielmehr sei sie ein Zeugnis menschlicher Urerfahrungen, »die aus der Beziehung zwischen Gott und Mensch resultieren, und die auch heute ohne große Umwege nachvollziehbar sind.«294 Horst Klaus Berg betont eine erfahrungsbezogene Auslegung biblischer Texte und kritisiert eine einseitige rationale historisch-kritische Bibelhermeneutik,295 da sie »die Lebendigkeit und Wirkungskraft der biblischen Texte nicht mehr sieht.«296 Der erfahrungsorientierte Zugangsweg der Bibeldidaktik ziele auf Interesse und Nähe des Lesers zum Text, der historisch-kritische Zugang hingegen zunächst auf Distanz. Im Sinne der Erfahrungsorientierung soll der Text, so Berg, mit »Anfängergeist«297, das heißt ohne Berücksichtigung des Vorwissens, unvoreingenommen gelesen werden. So werde vermieden, dass sich der Ausleger »zum Herrn des Textes macht, der bestimmt, was der Text zu sagen hat«298, und die Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten verlorengeht. Dieser Zugang hat insbesondere Konsequenzen für die Lehrpersonen: Sie sind nicht länger die allwissenden Experten.299 I.3.2.2. Die Idee der Bibeldidaktik Zentraler Gedanke der Bibeldidaktik ist, dass die Bibel für den christlichen Glauben unverzichtbar sei und deshalb auch unverzichtbar für christlichreligiöses Lernen. Die Bibel sei als ein Buch der menschlichen Erfahrungen zu lesen, das den Lesenden ansprechen und inspirieren möchte, so dass ihm ein

292 293 294 295 296 297 298 299

tion des hermeneutischen Religionsunterrichts auf (Basis ist die theologisch-exegetische Arbeit am biblischen Text) und andererseits auf der induktiven Grundlage der Korrelationsdidaktik (Tradition und Lebenswelt müssen (wechselseitig) aufeinander bezogen werden) (s. Baudler, Korrelationsdidaktik, 74–82. Vgl. Prokopf, Religiosität Jugendlicher, 51– 59; Sturm, Religionspädagogische Konzeptionen, Kompendium, 50–53). S. a. a. O., 17f. S. Baldermann, Biblische Didaktik, 26–30.37–42.49.53–56. Die Bibel als Mittelpunkt des Religionsunterrichts wird hinterfragt und als Medium sogar radikal beiseite geschoben (s. Gloy, Themen, 67–79). Kunstmann, Religionspädagogik, 182. S. Berg, Wort, 20–22.408–427. Kunstmann, Religionspädagogik, 183. Berg, Arbeit, 218. Ebd. S. ebd.

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neuer Erkenntnisweg eröffnet wird. Die Bibel gebe daher eine eigene Didaktik vor, nämlich die der Erfahrungsorientierung.300 Mithilfe von Grunderfahrungen, die die biblischen Texte ausdrücken und die bereits die Textentstehung und -weitergabe bestimmten, sollen lebensweltliche Bezüge aufgezeigt und erschlossen werden.301 Auch die sprachlichen und kommunikativen Besonderheiten biblischer Sprache werden reflektiert: Sie sollen nacherlebend gestaltet, gemeinsam gesungen oder gesprochen werden, um eine ganzheitliche Erschließung des Textes in all seinen Dimensionen zu ermöglichen.302 Als praktischer Zugangsweg wird vor allem eine (sinnlich-)symbolische Erschließung, z. B. durch »Bibliodrama«303 und »Bibliolog«304, empfohlen.

I.3.2.3. Fazit Die biblischen Texte, so die bibeldidaktische Theorie, geben von sich aus vor, dass ihre Geschichten den Menschen – und somit den Lernenden – betreffen: Existentielle Lebensfragen oder diskutable Verhaltensvorbilder bieten Anknüpfungspunkte für lebensweltliche Bezüge und Lernwege, die erkannt und dem Lernenden eröffnet werden sollen. Dies zeigt, dass die biblischen Texte auch heute für Lernende aktuell sind. Um sich dem Inhalt und der Aussage dieser Texte zu nähern, benötigen die Lernenden auch religions- und kulturgeschichtliches Wissen. Hier könnte eine religionsgeschichtliche Perspektive ansetzen: Wo biblische Tradition sowie antike und derzeitige Erfahrung miteinander in Beziehung gebracht werden, können die Lernenden zu einem tiefergehenden Verständnis der biblischen Texte gelangen. Anzumerken ist hier, dass 300 301 302 303

S. Kunstmann, Religionspädagogik, 183. S. Berg, Arbeit, 216f. S. a. a. O., 220. In Zusammenarbeit mit Künstlern, Psychologen, Pädagogen und Theologen arbeitete G. M. Martin »an der Entwicklung ganzheitlicher, mehrdimensionaler Zugänge zu biblischen Texten. Seit 1979 bezeichnet er diese Praxis als ›Bibliodrama‹« (Lehnen, Interaktionale Bibelauslegung, 123). Bei dem Bibliodrama handelt es sich um ein synchrones Verfahren der Bibelauslegung, das ausgehend von der Kritik an »zu stark kognitiv-analytisch ausgerichteter bibeldidaktischer Textvermittlung« (Kollmann, Bibliodrama, 178) einen Weg zu motivierter, interaktionaler und kommunikativer Deutung eröffnet. Der Begriff drückt die beiden grundlegenden Momente der Methode aus: Es geht um eine theologisch und exegetisch begründete (βιβλίον/biblion/»Buch/Büchlein«) und zugleich erfahrungs- sowie handlungsorientierte und szenische Erschließung (δρᾶμα/drama/»Handlung«). Vgl. mit Literaturhinweisen Martin, Bibliodrama, 509–515. 304 Aus der Beschäftigung mit dem Bibliodrama entwickelte P. Pitzele den Bibliolog, der den Akzent gegenüber dem Bibliodrama auf das Wort und das Zwiegespräch von Text und Teilnehmer legt (vgl. Lehnen, Interaktionale Bibelauslegung, 138f.). Vgl. mit Literaturhinweisen Pohl-Patalong, Bibliolog, 516–522.

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religionsgeschichtliches Lernen gerade nicht im Sinne der hermeneutischen Konzeption versucht, »Exegetismus« oder »Historismus«305 zu betreiben. Vielmehr sollen die Lebenswelten der Vergangenheit mit der Lebenswirklichkeit der Lernenden konfrontiert werden. Hierfür sind in Anlehnung an die bibeldidaktischen Konkretionen kreative Vorschläge zu entwickeln, die ein ernstzunehmendes Befragen der Texte durch die Lernenden ermöglichen.

I.3.3. Symboldidaktik Die Entwicklung und unterrichtliche Umsetzung der Symboldidaktik, die erfahrungs- und problemorientierte Zugänge miteinander verbindet, begann in den 1980er Jahren. Im Folgenden wird der Ansatz Peter Biehls dargestellt (s. I.2.1.), der auf evangelischer Seite einflussreich wurde.306

I.3.3.1. Grundlagen der Symboldidaktik Das Symbol definiert Biehl als ein Zeichen mit einem vielfachen Sinn. Dieser »wird durch den ersten, wörtlichen Sinn hervorgebracht«307 und »erschließt sich nur im Kontext von Interaktionen«308. Das Symbol sei ein zentraler Bestandteil einer jeden Religion und begegne dem Lernenden durch gesellschaftliche Vermittlung oder eigene Bildung im täglichen Leben (»Identifikationsangebot«309). Es verbinde demnach die Erfahrungswelt der Menschen in der Bibel mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Nach Biehl haben Symbole »eine hermeneutische und didaktische Brückenfunktion«310, sie »haben einen Hinweischarakter, sind Elemente eines kollektiven Bewusstseins, immer aber auch historisch und gesellschaftlicher Niederschlag von Erfahrungen«311. In den Symbolen einer Religion ließen sich diese Erfah305 Sturm, Religionspädagogische Konzeptionen, 52. 306 Den Begriff der Symboldidaktik prägte in den 1980er Jahren auch der katholische Religionspädagoge H. Halbfas. Er entwarf ein symboldidaktisches Konzept, das die Entwicklung eines »dritten Auges« – das Eintauchen in den tieferen, inneren Symbolsinn – anbahnen möchte. Realisiert werden soll dieses Konzept mit erfahrungsorientierten Unterrichtsmethoden (s. Halbfas, Auge, 104). 307 Biehl, Symboldidaktik, 2076. 308 Ebd. Biehl steht hier in der Tradition des Symbolverständnisses von P. Ricoeur: Mit seinem Symbolbegriff bezeichnet er »jede Sinnstruktur, in der ein unmittelbarer, erster, wörtlicher Sinn überdies einen mittelbaren, zweiten, übertragenen anzielt, der nur durch den ersten erfaßt werden kann« (Ricoeur, Hermeneutik, 22). 309 Biehl, Symbole II, 17. 310 Biehl, Symboldidaktik, 2075. 311 Kunstmann, Religionspädagogik, 188.

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rungen erkennen, denn Symbole können dem Lernenden die Tür zum Verständnis der Religion öffnen. Je nach Akzentuierung sei Symboldidaktik zugleich auch Symbolisierungsdidaktik:312 Einerseits liege der Akzent auf der Bedeutung und dem Kontext des Symbols, andererseits werde die Tätigkeit des Subjekts – das Symbolisieren – betont, denn das Subjekt könne den Sinn des angebotenen Symbols erst dann erkennen, »wenn es ihn zugleich selber erst schaffen kann«313. Der Symboldidaktik liege demnach ein wechselseitiger Prozess zugrunde, der fortwährend zu reflektieren bleibe.314 Die Symboldidaktik biete die besondere Chance der »Resymbolisierung«: Die Lernenden können dazu beitragen, dass ein »erstarrtes Symbol durch den Bezug auf Lebenserfahrung u. Probehandeln wieder Bedeutungsvielfalt erlangt.«315 Hier spiele die Gegenseitigkeit eine große Rolle: Nicht nur die »Symbole geben zu lernen«316, sondern auch die Lernenden geben den Symbolen wieder Bedeutung (in ihrem Leben). Die Symboldidaktik setzt also voraus, dass eine Analogie von Glaube bzw. biblisch-christlichem Symbol und Leben bzw. Erfahrungswelt der Lernenden bestehe. I.3.3.2. Aufgaben der Symboldidaktik Eine der Grundaufgaben der Symboldidaktik ist es, die in der Symbolisierung respektive die im selbst gebildeten Symbol des Lernenden zum Ausdruck gebrachten Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen, sie zu wecken und zu vertiefen.317 Zudem beabsichtige sie, die Entwicklung der Ich–Identität zu begleiten und zu fördern, indem sie »den Schlüsselerfahrungen der Lernenden symbolischen Ausdruck«318 verleiht. Außerdem soll sie zur Ausbildung eines persönlichen Selbst-, Welt- und Gottesverständnisses beitragen, indem die Lernenden religiöse Symbole wahrnehmen, deuten und gestalten.319 Mit der Deutung von Symbolen erfolge die Interpretation der zugrunde liegenden Lebenserfahrungen, die einen neuen Umgang mit der eigenen Lebensgeschichte zum Ergebnis habe.320 Ein weiteres Anliegen ist, dass die Lernenden durch Symbolvergleiche oder »den teilnehmenden Vollzug an den Ritualen anderer Religionen«321 Einsicht in 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321

S. Biehl, Symbole II, 54. Biehl, Symboldidaktik, 2077. S. a. a. O., 2076f. A. a. O., 207:. Ohne seinen vielfachen Sinn wird das Symbol zu einem arbiträren Zeichen. Titel des zweibändigen Werkes zur Symboldidaktik von Biehl. S. Biehl, Symboldidaktik, 2078. Ebd. S. ebd. S. Sturm, Religionspädagogische Konzeptionen, 82. Biehl, Symboldidaktik, 2079.

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die eigene und in fremde Religionen erlangen und ein besseres Verständnis davon gewinnen. Das Ziel der Symboldidaktik besteht folglich darin, das Symbolverständnis des Lernenden durch Lernangebote so zu fördern, dass er ein kritisches Symbolverständnis ausbildet – entmythologisierend und den Symbolsinn in Begriffe transformierend.322 Anzumerken ist, dass die Lernenden ein Symbol und dessen Bedeutung kennen müssen – anders gesagt: Biehl geht grundsätzlich von einer Symbolisierungskompetenz der Lernenden aus, dass sie also den einer konkreten Sache inhärenten Symbolwert erkennen (z. B. kann das konkrete Nahrungsmittel Brot ein Symbol für Nahrung im Allgemeinen, für Hunger oder Verteilungsungerechtigkeit sein). I.3.3.3. Fazit Im Zentrum des symboldidaktischen Konzepts steht das kommunikative, wahrnehmungs- und schülerorientierte Lernen. Wie im bibeldidaktischen Ansatz ist es Ziel, die Glaubens- und die Lebenswelt der Lernenden zueinander in Beziehung zu setzen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit mitzubedenken sind Hinweise von Ingrid Wiedenroth-Gabler: Durch die Symboldidaktik können im Religionsunterricht »präsakramentale Erfahrungen ermöglicht werden«323, obgleich der Vollzug der sakramentalen Handlungen allein für den kirchlichen Raum reserviert bleibt. Zudem sei eine »doppelte Resymbolisierung«324 notwendig, damit sich die Lernenden zunächst mit der Bedeutung des Symbols (Brot) vertraut machen, um ihnen anschließend mithilfe dieses grundlegenden Elementes einen »Zugang zu dem Sakrament«325 (Abendmahl) zu eröffnen. Der religionsgeschichtliche Aspekt kann bei der Deutung religiöser Symbole ergänzend hinzukommen und ein tieferes Verständnis der biblischen Bilder und Sprache begünstigen. Die Symboldidaktik bietet ferner Anknüpfungspunkte für das interreligiöse Lernen (s. I.3.6.): Mithilfe von Symbolvergleichen oder der Auseinandersetzung mit Ritualen anderer Religionen kann die eigene und fremde Religion besser verstanden werden. Diese Vergleiche könnten von religionsgeschichtlichen Fragen ausgehen, um zunächst die gemeinsamen Wurzeln in den Blick zu nehmen.

322 323 324 325

S. a. a. O., 2078. Wiedenroth-Gabler, Kompetenzentwicklung, 167. Ebd. Ebd.

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I.3.4. Performative Religionsdidaktik Ausgehend von der symboldidaktischen Grundannahme, dass sich »Religion keineswegs nur in Texten erschöpft«326, entwickelte sich die performative Religionsdidaktik. Sie widmet sich der gelebten Religion – also religiösen Vollzügen.

I.3.4.1. Ziel der performativen Religionsdidaktik Die performative Religionsdidaktik hat zum Ziel, ein Kennenlernen religiöser Praxis innerhalb des Religionsunterrichts zu ermöglichen. Ausgangspunkt dieses Konzepts ist die Erfahrung, dass die Lernenden heute mit ihrer eigenen Religion und deren Praxis nur noch wenig vertraut sind. Der Begriff »performativ« umfasst aus religionspädagogischer Sicht verschiedene Bedeutungsaspekte. »Performanz« bezeichnet in Anlehnung an die Sprechakttheorie von John Langshaw Austin eine Sprachhandlung. Der Grundsatz »immer wenn jemand etwas sagt, indem er etwas sagt, handelt er«327, zeigt, bezogen auf den Religionsunterricht, dass es nicht nur um das Besprechen, sondern um das Erfahren von und den handelnden Umgang mit Religion gehen soll. Ein reiner Textunterricht würde die Intention des performativen Religionsunterrichts gänzlich verfehlen.328 Analogien bestehen zudem zur Theaterwissenschaft: »Ein Stück gibt es eben nur im Modus der Aufführung«329. Die performative Religionsdidaktik versteht den Religionsunterricht als »eine Inszenierung, die Lehrende als Regisseure und Lernende als Akteure in Zeichenprozesse verwickelt.«330 Indem der biblische Text von den Lernenden dramaturgisch gestaltet wird, werden sie selbst aktionales Mitglied der Erzählung und dadurch in sie hineingenommen. Dieses InSzene-Setzen der biblischen Texte sei inszenatorisches Handeln, bei dem die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrperson die Inhalte durch die eigene Einbindung leiblich erfahren.331 Körper, Bewegung und Raum werden demnach in die Gestaltung einbezogen. Weil »Religion zuallererst Religionspraxis ist«332 und die Lernenden kaum noch über religiöse Vorerfahrungen verfügen, erscheine für die religiöse Bildung ein bloßes Reden und Reflektieren über (fehlende) Erfahrungen im schulischen Kontext wenig sinnvoll. Der Religionsunterricht müsse Raum zum selbsttätigen 326 327 328 329 330 331 332

Leonhard/Klie, Ästhetik – Bildung – Performanz, 11. Linke/Nussbaumer/Portmann, Studienbuch Linguistik, 206. S. Klie, Religion zu lernen geben, 107. Dressler/Klie, Performative Religionspädagogik, 229. Roose, Performativer Religionsunterricht, 107. S. a. a. O., 112. Leonhard/Klie, Ästhetik – Bildung – Performanz, 13.

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Erleben, Wahrnehmen und Entdecken bieten. Er solle Lernenden die Möglichkeit geben, sich mit Ausdrucksformen des Glaubens in Gesten, Symbolen und Feiern vertraut zu machen sowie sie befähigen, an diesen teilzunehmen.333 Mithilfe dieses leiblichen Lernens und Lehrens können die Schülerinnen und Schüler Religion mit allen Sinnen wahrnehmen und erfahren. Die Grundidee des performativen Religionsunterrichts lässt sich daher in dem Satz zusammenfassen: »Religiöses Lernen vollzieht sich von außen nach innen«334, es ist »nur durch Handlungen und daraus resultierenden Erfahrungen erfahrbar.«335 Dieses Konzept darf nicht als Versuch der Kompensation von fehlender religiöser Sozialisation missverstanden werden. Es geht um das Schaffen von Erfahrungsmöglichkeiten, ohne die Illusion zu hegen, dass allein der Religionsunterricht dem Traditionsabbruch entgegen wirken könne. Für das Konzept des performativen Religionsunterrichts ist entscheidend, dass sich an die gemachten Erfahrungen eine Reflexionsphase anschließt. Es wird unterschieden »zwischen religiösem Reden und Reden über Religion«336. Die Ebene des selbsttätigen Handelns ist folglich von der Ebene der anschließenden Reflexion und Deutung der Erfahrungen getrennt.

I.3.4.2. Chancen und Grenzen eines performativen Religionsunterrichts Der performative Religionsunterricht ermöglicht den Lernenden, im Handeln zu experimentieren und zu probieren, ohne dass sie Konsequenzen für das außerschulische Leben befürchten müssen.337 Jedoch sei es nötig, »Räume der Distanznahme und der Reflexion, nicht zuletzt der historischen Einordnung von Form und Inhalt der erschlossenen Texte«338 zu eröffnen. Die Elemente religiöser Praxis sollen im Unterricht sowohl vollzogen als auch reflektiert werden. Diese Balance zwischen der Inszenierung religiöser Vollzüge und deren distanzierter Reflexion zu wahren, ist ein anspruchsvolles Ziel. Die Chance des Kennenlernens und Gestaltens von religiöser Praxis, die z. B. der experimentelle Umgang mit liturgischen Handlungsformen bietet, geht einher mit einer schwierigen Gradwanderung zwischen probeweiser Ingebrauchnahme und authentischer Religionspraxis.339 Beim »Probehandeln«340 333 S. niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 19. Ebenso im Kerncurriculum IGS und Gym – Ev. Religion, je 16. 334 Klie, Religion zu lernen geben, 106. 335 Ebd. 336 Roose, Performativer Religionsunterricht, 111. 337 S. Klie, Religion zu lernen geben, 108. 338 Kumlehn, Mimesis – Performanz – Narrative Identität, 111. 339 S. ebd. 340 Dressler, Blickwechsel, 270.

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dürfe es sich nicht um ein oberflächliches Nachspielen handeln, da hier die Gefahr der Profanisierung des religiösen Inhalts bestehe. Ebenso dürfe diese probeweise Ingebrauchnahme aber für die Schülerinnen und Schüler nicht zum Zwang und von ihnen zu ›ernst‹ genommen werden, da überzogene Ernsthaftigkeit die Kirche in die Schule holen und somit die Gefahr einer ›Missionierung‹ der Lernenden entstehen würde.341 Im Begriff des »Probehandelns« verdichte sich die Schwierigkeit des performativen Konzepts: Die performativen Akte sollen ernsthaft sein, ohne zugleich Verkündigungscharakter anzunehmen. Das Konzept soll einerseits die Schülerinnen und Schüler zur probeweisen Ingebrauchnahme ermutigen, sie andererseits aber nicht drängen. Die Lernenden sollen die religiöse Praxis leiblich erfahren und gestalten, kirchliche Handlungen sollen aber nicht in der Schule vollzogen werden. I.3.4.3. Fazit Das Konzept des performativen Religionsunterrichts vertritt einen stark erfahrungsorientierten Ansatz: Die Lernenden sollen Religion »experimentell-erschließend in Gebrauch nehmen […], ohne die Grenzen zwischen bildendem Unterricht und authentischer Religionspraxis zu verwischen«342. Der ambitionierte Anspruch, diese Grenzen zu wahren, ist für die religionspädagogische Praxis sicherlich entscheidend; ob er sich erfüllen lässt, muss stets neu geprüft werden. Aus religionsgeschichtlicher Perspektive ist die Thematisierung religiöser Rituale reizvoll, da sich in ihnen Tradition und Lebenswelt treffen. Mithilfe von Ritualen wird Religion erfahrbar. Sie bilden das Zentrum des religiösen Vollzugs, der vielen Lernenden nicht mehr vertraut sein dürfte. Zudem sind sie in ihrer Entstehung und ursprünglichen Deutung heute nicht mehr ohne Weiteres verständlich. Diese beiden Punkte stellen ein deutliches Argument für die unterrichtliche Thematisierung – nicht den Vollzug – von Ritualen dar. Dass eine religionsgeschichtliche Auseinandersetzung mit dem Abendmahl im Horizont religiöser Vollzüge erfolgen kann, versteht sich von selbst.

341 S. a. a. O., 270f. 342 Dressler/Klie, Strittige Performanz, 210.

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I.3.5. Kinder- und Jugendtheologie »Jugendtheologie« ist ein neu bedachter religionspädagogischer Ansatz,343 der sich erst während der Abfassung dieser Arbeit ausgebildet hat. Er geht von den Grundgedanken der »Kindertheologie« aus und modifiziert diese.344 Deshalb werden im Folgenden auch die kindertheologischen Grundlagen berücksichtigt. Der Ansatz der Kindertheologie bezeichnet keine kindgerecht aufbereitete Elementartheologie, sondern eine Theologie von und mit Kindern. Dieses Programm steht im Zusammenhang mit den Grundlagen der Kinderphilosophie.345

I.3.5.1. Grundgedanken der Kinder- und Jugendtheologie Die Grundlage der Kinder- und Jugendtheologie bildet ein erweiterter Theologiebegriff: Theologie sei nicht allein die universitäre Disziplin, über die nur Fachkundige Auskunft geben können, vielmehr sei zu formulieren: »Jeder ist als Mensch und Christ Theologe«346. Jedem Menschen und somit jedem Kind und jedem Jugendlichen wird die Vernunft und die Fähigkeit zugesprochen, zu glauben und über diesen Glauben zu reflektieren.347 Es sei also zu unterscheiden, zwischen einer Wissen vermittelnden Ausbildung, die zu besonderen Tätigkeiten, z. B. Religionslehrerin bzw. Religionslehrer, befähigt, und religiösen Vorstellungen bzw. Fragen, die jeder Mensch äußern kann. Dieses Konzept geht davon aus, dass Lernende Subjekte der Theologie sind;348 sie werden als »aktives und soziales Subjekt verstanden, das seine Mit- und Umwelt […] auf seine Weise rekonstruiert.«349 Wenn grundsätzlich für das Kind gilt, dass es eigene religiöse Vorstellungen und Fragen hat, die es darstellen kann und soll, dann gelte das erst recht für den Jugendlichen.350 Ihnen beiden wird folglich eine »selbstreflexive Form des Nachdenkens über religiöse Vorstellungen zugetraut.«351 343 Vgl. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche mit Jugendlichen; Dieterich, Theologisieren mit Jugendlichen; Schlag/Schweitzer, Brauchen Jugendliche Theologie? 344 S. Schlag, Jugendtheologie, 16, der die Formen der Jugendtheologie tabellarisch auflistet. 345 S. Bucher, Kindertheologie, 15. Die Kinderphilosophie gesteht, wegen der kindlichen Fähigkeit des Fragens und Staunens, Kindern selbständige philosophische Befähigung zu. Ihre Fragen und Antworten sollen ernst genommen, und sie selbst zur Reflexion angeregt werden (S. Büttner, Jesus, 66–90). 346 A. a. O., 10. 347 S. a. a. O., 27. Vgl. Schlag, Jugendtheologie, 12f. 348 S. Schlag/Schweitzer, Jugendliche, 28. 349 Bucher, Kindertheologie, 9f.14. Die progressive, also stufenweise fortschreitende Entwicklungspsychologie bildet die Grundlage für das Kindbild der Kindertheologie. 350 S. Burhardt, AchtklässlerInnen entdecken einen Zugang zu Wundererzählungen, 13. 351 Schlag/Schweitzer, Jugendliche, 26.

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Friedrich Schweitzer plädiert für eine Erweiterung des Begriffs der Kindertheologie: Kindertheologie umfasse drei grundlegende Dimensionen – Theologie von, mit und für Kinder.352 Diese Perspektiven ließen sich auf Jugendliche übertragen, doch sei davon auszugehen, dass der Übergang vom Kinder- zum Jugendalter individuell und fließend ist, das formal-operative Denken abstrahierte und hypothetische Sichtweisen eröffnet und dass Jugendliche gerade innerhalb ihrer Peergroup sich weniger offen und zurückhaltender äußern als Kinder.353 Somit ist Jugendtheologie keine reine Fortsetzung der Kindertheologie, sie bedient sich jedoch derselben Grundsätze: Mit der Theologie von Kindern bezeichnet Schweitzer die »eigene theologische Reflexion der Kinder«354. Das Kind sei nicht nur überhaupt zu religiösem Denken in der Lage, sondern auch zum Denken über religiöses Denken.355 In der Theologie mit Kindern sieht er eine Anforderung an die religionspädagogische Praxis, in der es um das gemeinsame theologische Fragen und Antworten mit Kindern gehen soll.356 Hier betont er vor allem den Aspekt des gemeinsamen Theologisierens, der sowohl das Kind, den Jugendlichen als auch den Erwachsenen zur Reflektion der eigenen religiösen Vorstellungen anrege. Im Zentrum (jugend-)theologischer Gespräche steht demnach die »Reflexion des eigenen Glaubens«357, die Unterstützung der eigenständigen theologischen Reflexion sowie die Förderung der Entwicklung eines begründeten eigenen theologischen Standpunktes.358 Die dritte Bedeutung – die Theologie für Kinder – meine kein deduktives Vermittlungsmodell, sondern eine »theologische Aufklärung«359. Darunter seien z. B. Korrekturen aufgrund historisch-kritischer Erkenntnisse zu verstehen, die, wenn sie nicht angesprochen werden, im Jugendalter zu Glaubensproblemen führen können. Schweitzer hält also nicht vehement an der ›ersten Naivität‹ fest, betont aber, mit solcher Aufklärung sei keinesfalls der Versuch gemeint, theologisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln, sondern den Wechsel der Perspektive hin zum Kind im Blick zu haben und Korrekturen etwa bei »das Kind einschränkenden und ängstigenden«360 Gottesbildern anzubahnen.361 Im Ju-

352 353 354 355 356 357 358 359 360 361

S. Schweitzer, Kindertheologie, 18. S. Schlag/Schweitzer, Jugendliche, 29–33. Schweitzer, Kindertheologie, 18. S. a. a. O., 11. S. a. a. O., 13.18. Vgl. Schlag/Schweitzer, Jugendliche, 79–106. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche mit Jugendlichen, 14. S. a. a. O., 12–15. Schweitzer, Kindertheologie, 15. Vgl. Schlag/Schweitzer, Jugendliche, 107–134. Ebd. S. ebd.

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gendalter seien vor allem die veränderten Gottesbilder und besonderen lebensweltlichen Fragen362 zu berücksichtigen (s. III.2.1.). Die drei Perspektiven von, mit und für werden in der Jugendtheologie durch fünf Dimensionen ergänzt.363 Diese zielen auf das Kennen und Bennen von Aspekten christlicher Theologie, die Reflexion eigener theologischer Deutungsversuche in Auseinandersetzung mit fachwissenschaftlichen Deutungen sowie die Ausbildung theologischer Sprachfähigkeit ab. I.3.5.2. Anliegen der Kinder- und Jugendtheologie Das Programm einer Jugend- bzw. Kindertheologie solle sich nach Anton Bucher auf »substanzielle Religiosität«364 konzentrieren. Er nennt als inhaltliche Konkretisierungen beispielsweise Gottesbilder oder Schöpfungsvorstellungen.365 Schöpfungsmythen beinhalten Menschheitsfragen – der Versuch, sie zu beantworten, erfolge seit jeher vor dem Hintergrund der jeweiligen Lebenssituation: Wie und warum ist die Welt entstanden?366 Schweitzer hingegen hält eine Beschränkung »auf bestimmte – vor allem durch die religiösen Traditionen vorgegebene – Inhalte«367 nicht für sinnvoll. Vielmehr sieht er die Notwendigkeit, keine bestimmten Inhalte vorzugeben, um für religiöses Denken und dessen Reflexion möglichst offen zu sein.368 Kinder und Jugendliche »haben das Recht auf ihre Theologie, aber auch das Recht auf religiöse Bildung.«369 Religionspädagoginnen und Religionspädagogen stehen vor der Aufgabe, religiöse Vorstellungen der Kinder und Jugendlichen zu verstehen, und durch einen Perspektivwechsel zu versuchen, deren Bedeutung für die Lebens- und Erfahrungswelt zu ermitteln. Auch wenn Kindern und Jugendlichen ihre eigene Theologie zugestanden und diese ernst genommen wird, bleibt religiöse Bildung notwendig: Es sollen religiöses (Fach-)Wissen vermittelt und externe Einflussfaktoren, wie Kirche, Medien und Personen, berücksichtigt werden.370 Wichtig sei jedoch, sich bewusst zu machen, dass Erklärung und Vermittlung an sich keine religiöse Entwicklung garantieren. Vielmehr solle aus Sicht der Kinder- und Jugendtheologie eine aktive Aneignung angestrebt werden, indem man Kinder und Jugendliche »mit kognitiven theologischen Konflikten 362 Z. B. die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach ihrer Identität usw. 363 S. Schlag/Schweitzer, Jugendliche, 59f.: 1. implizite Theologie; 2. persönliche Theologie; 3. explizite Theologie; 4. theologische Deutung; 5. theologisches Argumentieren. 364 Bucher, Kindertheologie, 14. 365 S. ebd. 366 S. a. a. O., 19. 367 Schweitzer, Kindertheologie, 12. 368 S. ebd. 369 Bucher, Kindertheologie, 21. 370 S. a. a. O., 21f.23.25.

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konfrontiert«371, denn diese »machen bisherige Vorstellungen fraglich und motivieren dazu, ein neues Gleichgewicht zu finden, indem neue Inhalte angeeignet und/oder Strukturen differenziert werden.«372 Es ist deutlich, dass mit diesem Konzept besondere Anforderungen an die Lehrkraft einhergehen: »Die Lehrperson nimmt in einem theologischen Gespräch je situativ die Rolle der aufmerksamen Beobachterin, der stimulierenden Gesprächspartnerin und der begleitenden Expertin ein«373. I.3.5.3. Fazit Das Konzept der Kinder- und Jugendtheologie stellt den Lernenden als Subjekt ins Zentrum des Religionsunterrichts und traut ihm religiöse Denk- und Reflexionsfähigkeit zu. Im gemeinsamen Theologisieren werden die Lernenden und die Lehrperson in immer neue Reflexionsvorgänge eingebunden. Dieses Konzept geht davon aus, dass bei Schülerinnen und Schülern Interesse an religiösen Fragen besteht und diese gemeinsam und auf Augenhöhe besprochen werden können. Den Lernenden wird somit zugetraut, eigene religiöse Fragen zu formulieren, und sie werden ermutigt, nach eigenen Antworten zu suchen. Die derzeit noch wenigen Untersuchungen zur Jugendtheologie thematisieren vor allem Gottesbilder, neutestamentliche Wundererzählungen sowie christologische Fragestellungen.374 Religionsgeschichtliche oder interreligiöse Fragestellungen sind bisher nicht berücksichtigt worden. Zudem beziehen sich diese Untersuchungen insbesondere auf Lernende der Sekundarstufe II. Dies zeigt, dass das Konzept der Jugendtheologie vermutlich noch konzeptueller Ergänzungen bedarf. Der Grundsatz der Kinder- und Jugendtheologie ist für die vorliegende Arbeit essentiell: Er eröffnet Räume, für die Sinnfragen und Anfragen, z. B. an andere Religionen, der Jugendlichen. Ihre Fragen werden aufgegriffen und es wird der Versuch unternommen, gemeinsam Antwortmöglichkeiten zu entwickeln. Dafür bietet die Religionsgeschichte eine bisher nicht berücksichtigte Perspektive an.

371 372 373 374

A. a. O., 26. Ebd. Vgl. Schweitzer, Religionsunterricht und Entwicklungspsychologie, 48–50.180.209f. Freudenberger-Lötz, Theologische Gespräche mit Jugendlichen, 15. S. Burhardt, AchtklässlerInnen entdecken einen Zugang zu Wundererzählungen; Möller, Persönliche Gottesvorstellungen junger Erwachsener; Ochs, Theologische Gespräche zur Christologie.

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Religionspädagogische Ausgangslage

I.3.6. Interreligiöses Lernen Die multikulturelle Gesellschaftssituation erfordert eine interkulturelle Pädagogik, »die die Folgen des Zusammentreffens verschiedener Kulturen für das Lernen bedenkt.«375 Daraus hat sich der Gedanke des interreligiösen Lernens entwickelt.376 Voraussetzung für den interreligiösen Dialog ist ein Abrücken von dem Absolutheitsanspruch des Christentums, um eine respektvolle Begegnung und einen Dialog zu ermöglichen. Ziel des Religionsunterrichts sei weder das »Verharren in der eigenen Religion noch eine persönlich distanzierte Beschäftigung mit allen Religionen, auch der eigenen.«377

I.3.6.1. Begriffsbestimmung Der Begriff des interreligiösen Lernens beschreibt Lernprozesse, »die sich zwischen Angehörigen verschiedener Religionen ereignen bzw. sich ereignen sollen«378 und die zum Nachdenken darüber anregen, »inwieweit religiöse Faktoren die Beziehungen zwischen Menschen bereichern oder auch belasten können«379. Das Lernen erfolgt nicht in der Theorie, sondern durch authentische Begegnung und authentischen Dialog,380 die dem Lernenden die Möglichkeit geben sollen, selbstbestimmt seinen Glauben zu kommunizieren und sich mit Andersgläubigen auszutauschen. Diese Art und Weise zu lernen weiche stark von der geläufigen Thematisierung der Weltreligionen im Religionsunterricht ab – letztere sei mit ihrem theoretischen Anschauungsmaterial eher als wertvolle Ergänzung zu verstehen.381 Es gehe demnach nicht um ein Lernen »›über Religionen‹, sondern ›von Religionen‹.«382

I.3.6.2. Fragestellung und Zielsetzung des interreligiösen Lernens Die zentrale Frage des interreligiösen Lernens ist: Kann »ein echter Bezug zwischen den Religionen hergestellt werden, der fremdreligiöse Gehalte in ihrer Eigenwertigkeit respektiert, zugleich aber ein christliches Profil wahrt«383 ? Ein 375 Kunstmann, Religionspädagogik, 193. 376 S. Hellmann, Religiöse Bildung, 2f., der »Religionsgeschichte« als (geschichtliche) Entwicklung der Bildungskonzeptionen verschiedener Religionen versteht. 377 Mendl, Religion erleben, 269. 378 Rickers, Interreligiöses Lernen, 874. 379 A. a. O., 120. 380 S. Leimgruber, Interreligiöses Lernen, 21. Vgl. Rickers, Interreligiöses Lernen, 120–124. 381 S. Rickers, Interreligiöses Lernen, 875.877. Vgl. Leimgruber, Interreligiöses Lernen, 20. 382 Scheilke, Von Religionen lernen, 178. 383 Kunstmann, Religionspädagogik, 193. Vgl. Leimgruber, Interreligiöses Lernen, 22.

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auf Erfahrung basierendes interreligiöses Lernen könne aber nur gelingen, wenn es auch »die Erschließung der Erfahrungen anderer«384 mit einschließt. Dieser Grundsatz deutet zugleich Schwierigkeiten des interreligiösen Lernens an, da die Aporie des Wahrheitsanspruches der jeweiligen Religion existentiell bleibe: Wie kann trotz dieser Konkurrenz ein interreligiöser Dialog gelingen?385 Möglicherweise sei aber genau das jeweilige Streben nach Wahrheit das verbindende Moment, das einen interreligiösen Dialog herausfordere.386 Eine andere Schwierigkeit besteht darin, dass heute nicht mehr von einem Wissen um den eigenen religiösen Hintergrund ausgegangen werden kann. Wie soll ohne Kenntnis des Eigenen das Fremde eine Bereicherung darstellen – und das, ohne Verwirrung zu stiften?387 Trotz dieser bestehenden Probleme setzt sich das interreligiöse Lernen zum Ziel, einen »Beitrag zu Frieden, Toleranz und Verständigung«388 zu leisten. Dies soll auch durch das Verstehen und die Reflexion der eigenen religiösen Vorstellungen geschehen. Das Gelingen des interreligiösen Lernens sei keinesfalls planbar oder leicht zu bewerkstelligen,389 gehe jedoch auf den Wunsch von Jugendlichen ein, denen die Berücksichtigung anderer Religionen im Religionsunterricht wichtig ist.390

I.3.6.3. Fazit Da das Interesse und »die Neugier gegenüber Fremdreligionen bei Jugendlichen sehr viel deutlicher ausgeprägt ist als bei Erwachsenen«391, zeigt das interreligiöse wie möglicherweise auch das religionsgeschichtliche Lernen einen Weg, diesem Interesse der Lernenden nachzukommen. Jedoch geschieht dies aus entgegengesetzter Perspektive: Während sich das interreligiöse Lernen den gegenwärtigen (Welt-)Religionen zuwendet, kommt bei der religionsgeschichtlichen Perspek384 Schweitzer, Elementarisierung und RU, 21. 385 S. Kunstmann, Religionspädagogik, 194. 386 S. Rickers, Interreligiöses Lernen, 878. In der gegenwärtigen religionspädagogischen und fachwissenschaftlichen Diskussion wird im Hinblick auf die kontroversen Wahrheitsansprüche zwischen einem inklusiven, exklusiven und pluralistischen Verständnis unterschieden. In diesem Fall wird nicht auf ein exklusives – Anerkennung nur der eigenen Wahrheit –, sondern auf ein inklusives – die Wahrheiten der anderen Religionen sind in der eigenen enthalten – oder pluralistisches – die Wahrheiten stehen gleichberechtigt nebeneinander – Verständnis verwiesen (s. Schweitzer, Elementarisierung und Kompetenz, 97). 387 S. Kunstmann, Religionspädagogik, 194. 388 Schweitzer/Biesinger/Conrad/Gronover, Dialogischer Religionsunterricht, 176. Vgl. Schweitzer, Christus, 161. 389 S. Leimgruber, Interreligiöses Lernen, 22f. 390 S. Scheilke, Von Religionen lernen, 166. 391 Drehsen, Einstellungen, 63.

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tive der Vergangenheitsaspekt in den Blick: Es geht darum, die Wurzeln der eigenen Religion in deren Mitwelt wahrzunehmen. Bei der zentralen Fragestellung und Zielsetzung des interreligiösen Lernens könnte die Idee des religionsgeschichtlichen Lernens ansetzen: Worin liegen die Gemeinsamkeiten verschiedener Religionen oder Kulte? Welche besonderen Differenzen bestehen? Wie lassen sich Verstehensprozesse für das Fremde entwickeln und so die Entwicklung von Toleranz, Respekt und Wertschätzung anbahnen? Für religionsgeschichtliche Perspektiven bereitet jedoch insbesondere die geforderte Begegnung im Dialog mit Angehörigen anderer Religionen Schwierigkeiten. Damit dieses Konzept also nicht in einem Sprechen über Religion verhaftet bleibt, muss ein Austausch auf anderer Ebene herbeigeführt werden.392 Berücksichtigt werden muss zudem, dass die Begegnung und Beziehung verschiedener Religionen und ihrer Angehörigen stets »im Horizont bestimmter Theologien sowie einer Geschichte, die die verschiedenen Religionen zugleich trennt und miteinander verbindet«393, stehen.

I.3.7. Schlussfolgerungen Alle vorgestellten religionspädagogischen Konzepte streben einen schülerorientierten Religionsunterricht an, bei dem die Lernenden und ihre Lebenswelt in Beziehung zur Religion gesetzt werden. Ihre Erfahrungen und Fragen sollen im Unterricht zur Sprache kommen und ernst genommen werden. Die verschiedenen Konzepte setzen unterschiedliche Schwerpunkte in der Benennung verbindender Momente zwischen Lebenswelt der Lernenden und Glaubenswelt: Dies können einerseits die menschlichen Erfahrungen sein, die in biblischen Geschichten zur Sprache kommen, religiöse Symbole, religiöse Rituale oder interreligiöse Fragen. Trotz der verschiedenen Schwerpunkte verfolgen die Konzepte gemeinsame Ziele: selbstständiges und erfahrungsorientiertes Lernen sowie Anregung zur Selbstreflexion. Auch die methodischen Schlüsselbegriffe für die Vermittlung von religiösem Wissen sind klar bestimmt: Interaktion und Kommunikation. Als Resultat aus der Beschäftigung mit den aktuellen religionspädagogischen Konzepten können die unten folgenden Annahmen gebündelt werden. Diese bilden die Basis für weiterführende religionspädagogische Überlegungen zur

392 So könnten z. B. grundlegende Menschheitserfahrungen, wie nach dem Sinn des Lebens, aufgegriffen werden. 393 Schweitzer/Biesinger/Conrad/Gronover, Dialogischer Religionsunterricht, 177.

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Vermittlung von religiösem Wissen mithilfe religionsgeschichtlicher Perspektiven und markieren gleichzeitig die Grenzen der unterrichtlichen Möglichkeiten: 1. »Religiosität und Glaube sind nicht lehrbar – dennoch aber lernbar, da sie sich vorbereiten und anzielen lassen«394 : Dieser Grundsatz zeigt das besondere Profil und die besonderen Anforderungen des Religionsunterrichts gegenüber anderen Schulfächern. Glaube kann nicht abgefragt und für richtig oder falsch befunden werden. Glaube entwickelt und verändert sich. Um Religiosität und Glaube zu ›erlernen‹, können Angebote gemacht werden. Insbesondere das gemeinsame Fragen und die Suche nach Antwortmöglichkeiten kann ein aussichtsreicher Weg in diese Richtung sein. Religionsgeschichtliche Perspektiven können hier einen bisher unberücksichtigten Zugang eröffnen. 2. Es ist zu differenzieren zwischen der Vermittlung von Wissen über Religion und dem tatsächlichen religiösen Lernen: Neben der Kenntnis der ›Inhalte‹ von Religionen kann insbesondere das gemeinsame Nachdenken über und Fragen nach Religion religiöses Lernen fördern. Die Ausbildung eigener Religiosität vollzieht sich jedoch am ehesten im religiösen Handeln und Erfahren. Hierfür eignet sich religionsgeschichtliches Nachdenken aufgrund seines Vergangenheitscharakters nicht. Es kann aber den Lernenden ein genetisches Verständnis dafür vermitteln, dass sich das Christentum in Auseinandersetzung mit seiner Mitwelt entwickelt hat. 3. Religiöse Vollzüge oder Rituale bahnen folglich religiöses Lernen an: In ihnen verbindet sich die religiös gelebte (Glaubens-)Praxis einer Religion mit den tatsächlichen Erfahrungsmöglichkeiten der Lernenden. Mithilfe von religiösen Vollzügen werden die Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt, sich religiösen Vorstellungen zu öffnen; sie können diese physisch nachvollziehen, statt nur über sie zu sprechen. Die Religionsgeschichte vermag zu zeigen, dass sich Urerfahrungen und -vorstellungen der Menschen mit bzw. von Gott in Ritualen ausdrücken. Durch sie werden diese Erfahrungen tradiert, sodass sie neu entdeckt werden können. 4. Der religiöse Lernprozess ist ein Wechselspiel verschiedener Komponenten: Der Lernende muss ein grundsätzliches Interesse an Religion haben und bereit sein, sich mit religiösen Fragen auseinanderzusetzen. Die Lehrperson hat die Aufgabe, mit reizvollen Lernangeboten und deren ansprechender Präsentation das Interesse zu fördern. Es geht hier um sinnstiftendes und bedeutungsvolles Lernen, weshalb Erfahrungsräume und Entdeckungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen. Für die vorliegende Arbeit bildet das Mahl eine menschliche Grunderfahrung, die die antike Lebenswelt mit der Lebenswelt der Lernenden verbindet. Zu fragen bleibt, ob sich diese Welten

394 Kunstmann, Religionspädagogik, 235.

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Religionspädagogische Ausgangslage

mithilfe der religionsgeschichtlichen Perspektive aufeinander beziehen lassen. 5. Vorerfahrungen mit Lebensformen des christlichen Glaubens können bei den Lernenden nicht mehr vorausgesetzt, sondern müssen zuallererst gestiftet werden: Auch hier zeigt sich die Wichtigkeit erfahrungsnaher Zugänge und der Berücksichtigung der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern. Anzunehmen ist, dass insbesondere das offene, existentielle Fragen nach dem Lebensgrund und -sinn sowie nach Identität und Gemeinschaft, ein verbindendes Moment von Lebens- und Glaubenswelt darstellen. Dass diese Fragen den Menschen schon immer beschäftigen, kann die religionsgeschichtliche Perspektive vermitteln.

I.4.

Ertrag und Konsequenzen

Aus der Analyse der Kerncurricula, aus der Schul- und Lehrerhandbuchuntersuchung sowie aus der Betrachtung der religionspädagogischen Konzepte ergeben sich folgende Konsequenzen: Religionsgeschichtliche Perspektiven sowie die Behandlung des Abendmahls bzw. der Eucharistie spielen im Religionsunterricht der Sekundarstufe I eine untergeordnete Rolle. Die Gründe hierfür bleiben undeutlich (s. I.2.6.). Somit erfährt auch der religionsgeschichtliche Hintergrund des Abendmahls keine religionspädagogische Berücksichtigung – weder in der Theorie noch in der Praxis. Voraussetzung für weitere religionspädagogische Überlegungen zu den Chancen der Integration religionsgeschichtlicher Perspektiven ist, dass die Situation des »Traditionsabbruchs«395 hinreichend berücksichtigt wird. Bei Schülerinnen und Schülern kann nicht mehr von einer religiösen Sozialisierung ausgegangen werden. Sie bringen deshalb, keine religiösen Erfahrungen – z. B. eine eigene (Kinder-)Abendmahlspraxis – in den Religionsunterricht mit. Die Lehrperson kann demnach nicht mehr von einer Kenntnis religiöser Rituale oder Erfahrungen ausgehen und muss vor eine Reflexion der Religiosität die Vermittlung und Erschließung von religiösem Wissen setzen. Ein Ziel dieser Arbeit kann folglich in einem Beitrag dazu bestehen, den Lernenden das Mahl als elementares christliches Symbol und dessen begleitende für das Christentum charakteristischen Sprach- und Handlungsformen näherzubringen, um ihnen ein vertieftes Verständnis dieser religiösen Ausdrucksform zu ermöglichen. Denn »wer Religion verstehen und sich aneignen will, muss ihre Symbole, Bilder und 395 Roose, Performativer Religionsunterricht, 111.

Ertrag und Konsequenzen

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Rituale verstehen und nachvollziehen können.«396 Ein religionsgeschichtlicher Zugang könnte hier lohnend sein, da er zum Wissen um die Herkunft religiöser Handlungen und deren ursprüngliche Aussageabsicht beitragen und damit ein heutiges Deuten und Verstehen anbahnen kann. Im Rahmen des religiösen Lernens können religionsgeschichtliche Inhalte das Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Religionen und Kulturen fördern. Das Kennenlernen einer anderen Religion führt einerseits zur Bildung von religiösem Wissen über diese andere Religion und andererseits zur Auseinandersetzung mit der eigenen Religion. Indem die Lernenden erfahren, dass existentielle Lebensfragen, Wünsche und Hoffnungen die gemeinsame Basis der Religionen bilden, eröffnet sich ein neuer Blick auf die fremde Religion, der zur Ausbildung von Toleranz beitragen kann. Religionsgeschichtliche Perspektiven richten ihren Blick stets auf Vergangenes, um Entstehungsprozesse und Entwicklungszusammenhänge zu erkennen. Eine solche Perspektive ist in der fachwissenschaftlichen Betrachtung des Christentums seit langem anerkannt, aber von der Religionspädagogik – weshalb auch immer – bisher kaum berücksichtigt worden. Sieht man die gegenwärtige religionspädagogische Aufgabe und besondere Herausforderung allerdings darin, religiöses Wissen zu vermitteln und zu reflektieren, offen zu sein für existentielle Fragen sowie biblische Tradition und Lebenswelt der Lernenden zueinander in Beziehung zu setzen, dann können religionsgeschichtliche Perspektiven dazu beitragen, das Christentum und seine Glaubensinhalte unter Berücksichtigung ihrer Entstehungskontexte lebensnah und für Schülerinnen und Schüler einladend zu vermitteln. Mit diesem genealogischen Blick wäre es möglich, über die gemeinsamen Wurzeln zu reflektieren und daraus Folgerungen für das religiöse Miteinander heute zu ziehen. Offen bleibt jedoch, ob dies ein Ziel für den Religionsunterricht der Sekundarstufe I sein kann oder ob diese Transferleistung zu anspruchsvoll für die Lernenden wäre. Im Folgenden wird sich eine Auseinandersetzung mit dem religionsgeschichtlichen Hintergrund des Abendmahls aus fachwissenschaftlicher Sicht anschließen. Sie soll anhand der Textbefunde und der bestehenden Forschungspositionen eine tragfähige Hypothese über die Entstehungszusammenhänge des Abendmahls entwickeln. Auf Grundlage dieser fachwissenschaftlichen Untersuchung wird es im Schlussteil um die religionsdidaktische Frage gehen, welche Chancen und Grenzen in der unterrichtlichen Behandlung des religionsgeschichtlichen Hintergrundes des Abendmahls liegen und inwiefern dieses Thema, anknüpfend an die dargestellten Konzepte, religionspädagogisch sinnvoll konkretisiert werden kann. 396 Kunstmann, Religionspädagogik, 221.

II. Kapitel: Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen – ihr Selbstverständnis und ihr religionsgeschichtlicher Hintergrund

II.1. Einleitung Dieses Kapitel widmet sich dem religionsgeschichtlichen Hintergrund der Herrenmahlüberlieferung aus fachwissenschaftlicher Perspektive – als Konsequenz aus den Ergebnissen der vorangegangen Untersuchung und notwendiges Fundament für anschließende religionspädagogische Überlegungen (Kapitel III). Der gegenwärtigen religionspädagogischen Praxis entsprechend, sind im vorangehenden Kapitel durchgehend die Begriffe »Abendmahl« bzw. »Eucharistie« verwendet worden. Aufgrund dieser Begriffsvielfalt soll zunächst eine Präzisierung der Begrifflichkeiten, die das christliche Mahl bezeichnen, erfolgen: Der gängige Begriff »Abendmahl« ist aus der neutestamentlichen Perspektive unpassend, da er in diesen Texten nicht begegnet. Bei diesem Terminus handelt es sich um die Überschrift der Perikope, die ihr im Mittelalter beigegeben wurde: Das spätmittelhochdeutsche Wort a¯bentma¯l, welches die abendliche Mahlzeit bezeichnete, hat sich seit dem 16. Jh., maßgeblich durch Luthers Einfluss – er übersetzte 1Kor 11,20 mit »des HErrn Abendmal«397 –, als Bezeichnung für das Sakrament398 der evangelischen Kirche durchgesetzt. Dieser Begriff verweist auf den Zeitpunkt des Mahls: in Mk 14,17 par. »am Abend« und 1Kor 11,23 »in der Nacht«. Die Bezeichnung »letztes Mahl« resultiert aus der Darstellung der synoptischen Evangelien, die dieses (Abschieds-)Mahl Jesu mit seinen Jüngern als Ereignis vor seiner Auslieferung darstellen, bei dem Jesus diese Mahlfeier eingesetzt habe. Der Begriff »Brotbrechen« ergibt sich aus dem der jüdischen Mahlsitte entsprechenden (vgl. Jes 58,7; Klgl 4,4) Vorgang der Brothandlung (vgl. 1Kor 10,16; 397 Zitiert nach Luther, Heilige Schrifft Deudsch. 398 Der Begriff »Sakrament« als Bezeichnung für das christliche Mahl begegnet zum ersten Mal bei Tertullian (»sacramentum«, Cor. 3,3; Marc. 4,34), womit er μυστήριον (»Geheimnis«, vgl. Mk 4,11; Röm 11,25) wiedergibt (vgl. Klauck, Mysterienkulte, 176).

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

11,23f.; Mk 14,22 parr.; Did 14,1) und ist terminus technicus nur für die christliche Mahlfeier (in der jüdischen Tradition bezeichnet diese Wortverbindung kein Mahl). Er wird allerdings als solcher lediglich von dem Verfasser des Lukasevangeliums (Lk 24,35) und der Apostelgeschichte (Apg 2,42; vgl. Lk 24,30; Apg 2,46; 20,7.11) sowie von der Didache (14,1; vgl. 9,4) verwendet. Es handelt sich also um einen frühchristlichen Ausdruck für die Bezeichnung der Mahlfeier. Unter einem »Agapemahl« (Liebesmahl) ist ein nichtsakramentales Gemeinschaftsmahl zu verstehen, das der Sättigung dient; es kann zusammen mit dem Herrenmahl, im Anschluss daran oder unabhängig davon gefeiert werden. Ob eine solche Trennung schon seit dem Frühchristentum besteht oder erst im 3. Jh. anzusetzen ist, – ἀγάπη/agape¯ also zumindest am Anfang auch synonym für die Feier des Kultmahls verwendet wurde – ist in der neueren Forschung umstritten.399 Der Begriff »Eucharistie« (Danksagung) für die christliche Mahlfeier und später speziell für das katholische Sakrament bzw. als Bezeichnung für die Feier der Heiligen Messe begegnet zuerst in der Didache (Did 9,1.5) und in den Ignatiusbriefen (Phld 4; Sm 7,1), später z. B. auch bei Justin (1Apol 67,1).400 Das Verb εὐχαριστέω/eucharisteo¯/»danken« bezeichnet entsprechend der jüdischen Tradition das über den Mahlelementen gesprochene Dankgebet (vgl. u. a. 1Kor 11,24a; Mk 14,23a), weshalb εὐχαριστία/eucharistia als ursprüngliche Bezeichnung für die derart gesegneten Mahlgaben (Brot und Kelch) zu verstehen ist. Die Bezeichnung »Herrenmahl« gründet in der paulinischen Formulierung κυριακὸν δεῖπνον/kyriakon deipnon (1Kor 11,20), bei der das Adjektiv das Mahl (δεῖπνον/deipnon) als das »zum/dem Herrn gehörende«401 qualifiziert. Paulus verwendet diesen Ausdruck als Kontrastbegriff zu ἴδιον δεῖπνον/idion deipnon/ »eigenes Mahl« (1Kor 11,21), um herauszustellen, dass die Mahlfeier ganz dem Kyrios untersteht und von ihm her legitimiert ist. Diese Bezeichnung drückt ein Eigentumsverhältnis aus – das Mahl gehört ganz dem Kyrios. Dadurch unterscheidet es sich deutlich von anderen (Kult-)Mählern, auch wenn es wie diese ein religiöses Mahl ist. Diese Vielzahl an Begriffen für die christliche Mahlfeier, mit denen zum Teil erhebliche Deutungsunterschiede einhergehen, führt zu der Notwendigkeit, einen Terminus zu wählen und diesen im Folgenden zur Bezeichnung der christlichen Mahlfeier(n)402 zu verwenden. Ich entscheide mich aus Praktikabilitätsgründen für den von Paulus geprägten Begriff des »Herrenmahls«, ohne mit 399 Dazu Georges, Gemeindemahl, 280f. Anm. 15, der sich für letztere Annahme ausspricht. 400 Zur Mahlbeschreibung Justins s. Schröter, Funktion, 98f.; Kollmann, Ursprung, 142–152. 401 Fitzmyer, κύριος, 820. Vgl. Foerster, κυριακός, 1095: Der Kyrios ist der »Eigentümer« des Mahls. 402 Die neuere Forschung zeigt, dass im Frühchristentum aufgrund von stark variierenden Ausformungen der Mahlfeier nicht von dem Herrenmahl gesprochen werden kann.

Einleitung

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dieser Bezeichnung eine Vorentscheidung über Ursprünglichkeit oder den Vorzug gegenüber anderen Überlieferungen zu treffen. Diese Bezeichnung ist nicht nur aufgrund ihrer konfessionellen Ungebundenheit,403 sondern auch aus inhaltlichen Gründen vorzuziehen, da sie den ausschlaggebenden Aspekt des christlichen Mahls hervorhebt: Es handelt sich »um ein vom Herrn her bestimmtes«404 und »von der Verbindung mit ihm geprägtes Mahl«405. Wenn es darum geht, die verschiedenen Herrenmahlüberlieferungen voneinander zu unterscheiden und deren Charakteristika herauszustellen, greife ich dennoch auf die geprägten Begriffe wie beispielsweise »letztes Mahl« (Synoptiker) oder »Eucharistie« (Didache) zurück. Diese Mehrzahl an Begriffen steht im Kontrast zur frühchristlichen Quellenbasis, die kaum Rückschlüsse auf den Ablauf, die Form und die Verbreitung des Herrenmahls zulässt – explizit bezieht sich Paulus im ersten Korintherbrief auf die Herrenmahltradition, die Synoptiker berichten vom letzten Mahl Jesu im Kontext der Passionserzählung. Diese überliefern als einzige die so genannten Einsetzungsworte. Der Verfasser des Evangeliums nach Johannes liefert eine Deutung der christlichen Mahlfeier, ohne die Einsetzungsworte zu zitieren. Die Eucharistie der Didache ist von Dankgebeten bestimmt, die sich an Gott richten und Jesus als Mittler beschreiben – sein Tod bzw. die Auslieferungstradition spielen keine Rolle. Genauere Einblicke in die Herrenmahlpraxis mit der liturgischen Verwendung der Einsetzungsworte ermöglichen erst die Überlieferungen der Kirchenväter oder Kirchenordnungen (die älteste nach der Didache ist die – möglicherweise fälschlich – Hippolyt zugeschriebene Traditio Apostolica), deren Überlieferung aber nicht der neutestamentlichen entsprechen muss – die Vielfalt der Herrenmahlfeier bleibt also auch hier bestehen. Die Erforschung des Herrenmahls aus fachwissenschaftlicher Sicht kann also keineswegs als abgeschlossen bezeichnet werden: Das anhaltende Forschungsinteresse spiegelt eine kontroverse Forschungsgeschichte wider,406 die aktuelle Diskussion der Mahlthematik wird von zahlreichen Publikationen und internationalen Tagungen407 bestimmt. Dieser Umstand führt zu zwei grundlegenden Schwierigkeiten in Bezug auf religionspädagogische Überlegungen: Erstens ist die in den Lehrerhandbüchern postulierte Herkunft des Herrenmahls als christliche Weiterführung des Pesachmahls einseitig und in ihrer Eindeutigkeit unhaltbar. Zweitens ist für reli403 404 405 406 407

Vgl. Barth, Dogmatik, 637. Schröter, Abendmahl, 162. Ebd. Dazu Klauck, Herrenmahl, 8–28. Z. B. Symposion des DFG-Projekts »Herrenmahl und Gruppenidentität« (Münster 2006); Tagung »Mahl und religiöse Identität im frühen Christentum« (Dresden 2011); Tagung »The Eucharist – ist Origin and Contexts« (Kiel 2012 und Lesbos 2013).

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

gionspädagogische Konkretionen der Versuch unverzichtbar, dem Verständnis des frühchristlichen Herrenmahls nachzugehen und zu deuten. Die Vielfalt der Herrenmahlüberlieferungen und die bruchstückhafte Quellenlage führen zwangsläufig zu verschiedenen Verstehensmodellen, die jede für sich auf Plausibilität hin geprüft und für religionspädagogische Überlegungen elementarisiert werden müssen. Von daher lauten die das Interesse leitenden Fragen des gesamten Kapitels: Lassen sich Deutungslinien, die allen Herrenmahlüberlieferungen gemein sind, ausmachen? Welchen Einblick in Ablauf und Form des Herrenmahls lassen die Quellen zu? Welche Bedeutung hat die christliche Mahlfeier im frühen Christentum? Ergeben sich hierfür aus religionsgeschichtlicher Sicht Verstehenshintergründe aus der antiken Mitwelt? Im ersten Teil dieses Kapitels (unter 2.) werde ich mich mit den christlichen Herrenmahltraditionen auseinandersetzen: Die ältesten Überlieferungen, die aus der Mitte bis zum Ende des 1. Jh. n. Chr. stammen, sind zu analysieren und miteinander zu vergleichen, um ihrem Selbstverständnis nachzugehen. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage, von der ausgehend (unter 3.) die Speise- und Festkultur der religiösen Mahlmitwelt mithilfe der religionsgeschichtlichen Perspektive,408 die auch kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte berücksichtigt,409 in den Blick genommen wird. Den Ausgangspunkt für die religionsgeschichtliche Betrachtung bilden die Einsetzungs- bzw. Deuteworte und der in ihnen zum Ausdruck kommende Kommunio-Charakter. Wie bereits die Lehrwerksanalyse gezeigt hat, sind es nämlich diese Worte und die mit ihnen einhergehenden Gesten, die die Vorstellung vom Herrenmahl konstituieren und es von anderen antiken Mählern abgrenzen. Dazu wende ich mich den das Herrenmahl kennzeichnenden Motiven (Bund, ὑπέρ-Wendung, Erinnerung) zu, um auch diese im Rahmen der Mitwelt des frühen Christentums zu bestimmen. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Herrenmahl mit seinen charakteristischen Deuteworten und anderen antiken Kultmählern zu erarbeiten, um das Herrenmahl in seiner Bedeutung soweit verständlich zu machen, wie dies im Abstand und angesichts der Belege möglich ist. 408 Zur Methodik des religionsgeschichtlichen Vergleichs s. Seelig, Religionsgeschichtliche Methode, 312–332: Ein (nicht zwingendes) Kriterium für einen gelingenden Textvergleich ist in etwa dieselbe Entstehungszeit, wobei für den Hellenismus »durchweg die Präsenz der literarischen Schöpfung der archaischen und klassischen Epoche vorausgesetzt werden kann« (312). Dazu sei für die Evidenz dieselbe Sprachzugehörigkeit, aber unterschiedliche religiöse Herkunft wichtig (312f.). Zudem sollten sich Textgattung und Inhalt ähneln (313). Zurückgeführt werden kann diese Betrachtungsweise auf die sog. Religionsgeschichtliche Schule, eine sich am Ende des 19. Jh. ausbildende Interessensgemeinschaft, die sich dem damals neuen Ziel verschrieben hat, die christliche Religion eingebettet in ihren historischen Kontext zu erforschen (vgl. Hartenstein, Religionsgeschichtliche Schule, 321f.). 409 S. Ebner/Heininger, Exegese, 244f.

Die ältesten Herrenmahlüberlieferungen

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II.2. Die ältesten Herrenmahlüberlieferungen II.2.1. Einleitung Kennzeichnend für das Herrenmahl sind die beiden Mahlelemente Brot und Kelch(-inhalt) sowie eine Deutung derer (meist mit einem Bezug auf Jesu Leib und Blut). Neben den Herrenmahlüberlieferungen begegnen im Neuen Testament weitere Mahlschilderungen – allerdings unter Nennung abweichender Mahlelemente: Zu diesen gehören beispielsweise Brote und Fische in den Speisungswundern (Mk 6,41 parr.; 8,6f. par.; vgl. Joh 21,13; Lk 24,42),410 allein das Brot beim Brotbrechen (Apg 2,42.46) und Wasser, welches zu Wein wird (Joh 2,9), oder der Taumelwein im Zorneskelch des endzeitlichen Gerichtstranks (Apk 14,10; 16,19). Dies zeigt, dass dem Mahlthema eine zentrale Bedeutung im Neuen Testament zukommt: Die Mahlgemeinschaften des irdischen Jesus konkretisieren seine Botschaft des kommenden bzw. gegenwärtig erfahrbaren Reich Gottes (vgl. Mk 2,15–17 parr.; Mt 11,19), in den Erscheinungsmählern nehmen die Jünger den auferstandenen Christus wahr (vgl. Lk 24,30f.35; Joh 21,12f.) – konstituierendes Element dieses Mahls ist also die weiterhin bestehende Gemeinschaft mit dem Auferstandenen. Aufgrund dieser Vielfalt an Mahldarstellungen beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf Texte, die direkt auf das Herrenmahl bzw. dessen zwei Mahlelemente Bezug nehmen: Zu diesen sind die paulinische Herrenmahlüberlieferung (1Kor 11,23–25), die synoptischen Darstellungen des letzten Mahls (Mk 14,22–25; Lk 22,15–20; Mt 26,26–29), die johanneische Deutung der Herrenmahlelemente (Joh 6,48–58) sowie die Eucharistie-Überlieferung der Didache (Did 9,1–5) zu zählen.411 Um aus den frühchristlichen Texten die damalige Herrenmahldeutung und -praxis herauszulesen, bedarf es einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung: Alle genannten Texte werden daher im Folgenden exegetisch erarbeitet. 410 Zur Frage, ob diese Mahldarstellungen mit dem Herrenmahl in Zusammenhang stehen, vgl. die kritische Diskussion bei Löhr, Abendmahl, 80–83. Die ältere Forschung nimmt hingegen einen direkten Zusammenhang an: Vgl. u. a. Lohmeyer, Abendmahl, 217–252; Roloff, Neues Testament, 279f.; Hahn, Stand, 242. Marxsen, Abendmahl, 19, lässt diese Frage bewusst offen. 411 Auf weitere frühchristliche Erwähnungen des Herrenmahls bzw. der Eucharistie und der beiden Mahlelemente kann nur hingewiesen werden. Bemerkenswert ist die Erzählung vom Brotentsagungsgelübte des Jakobus und seiner Mahlfeier mit dem Auferstandenen im Hebräerevangelium (Fragment 5). Frühchristliche Herrenmahldeutungen sind z. B. zu finden bei Ignatius von Antiochien, Justin (dazu Wehr, Arznei, 37–181) und Irenäus von Lyon, im Philippusevangelium sowie in den Johannes- und Thomasakten (dazu Schröter, Abendmahl, 73–113).

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Gemeinsame Elemente der Synoptiker werden bei der Untersuchung des Markus-Textes behandelt, um Wiederholungen aufgrund der Abhängigkeit zu vermeiden. Ausgehend von dem jeweiligen literarischen Kontext der frühchristlichen Herrenmahltexte erfolgt deren Textanalyse. Im Zusammenhang damit werden auch text- und literarkritische sowie traditionsgeschichtliche Überlegungen angestellt, um zu einer vorläufigen Textinterpretation zu gelangen, Deutungsschwierigkeiten zu benennen sowie Motive aufzuzeigen, die im zweiten Teil dieses Kapitels religionsgeschichtlich weiter zu untersuchen sind.

II.2.2. Mahlthematik im ersten Brief an die Korinther Paulus schrieb den Brief412 an die von ihm wohl Anfang der 50er Jahre gegründete (vgl. Apg 18,1–11; 1Kor 3,6.10; 4,14f.) korinthische Gemeinde wahrscheinlich Mitte der 50er Jahre aus Ephesus (16,8).413 Diese setzte sich vermutlich sowohl aus christusgläubigen Juden als auch aus konvertierten Heiden zusammen.414 Anlässlich innergemeindlicher Spaltungen (1,10) und Streitigkeiten (1,11), über die Paulus zum einen von »den [Anhängern/Begleitern?] der Chloe«415 (1,11) und zum anderen wohl auch schriftlich aus Korinth informiert wurde (7,1), wendet er sich per Brief an die korinthische Gemeinde. Die Differenzen betreffen die Deutungen von Kreuz, Weisheit und Geist (1–4), das gemeinschaftliche Zusammenleben – Ehe und Sexualität (5–7), Umgang mit Götzenopferfleisch und Gesetz (8–10), Gottesdienst (11–14) – sowie den Glauben an die bzw. die Lehre von der Auferstehung (15). Dies zeigt, dass die Gemeinde mindestens zu diesen Themen keine einheitliche Sicht vertrat bzw. Praxis übte. Das Ziel des paulinischen Briefs ist daher, die Einheit der korinthischen Gemeinde wiederherzustellen. An vielen Stellen des ersten Korintherbriefs nutzt Paulus die Mahlthematik für seine Argumentation (u. a. 4,8.11; 5,7b.9–13), aber nur in zwei Zusammenhängen kommt er konkret auf das Herrenmahl zu sprechen: Zum einen bei der Behandlung des Umgangs mit Götzenopferfleisch (8,1–13; 10,1–7.16f.19–21.25–28)

412 Dieser wird in seiner vorliegenden Gestalt als literarische Einheit betrachtet (vgl. Schrage, 1Kor I, 70). 413 Vgl. Ebel, Leben, 83–86; Schrage, 1Kor I, 34–38; Lindemann, 1Kor, 11. Dagegen Lüdemann, Paulus, 183–198. 414 Zahlreiche alttestamentliche Bezüge im paulinischen Argumentationsgang (u. a. 5,7f.; 10,1– 3) und heidnische Gewohnheiten, die zu Problemen im Gemeindeleben führten (u. a. 8–10), machen dies wahrscheinlich (vgl. Schrage, 1Kor I, 25–29). 415 Gemeint sind laut Bauer, Wörterbuch, 1760, Sklaven oder Freigelassene der Chloe – eine Frau, über die nichts Weiteres bekannt ist.

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und zum anderen in seiner Kritik an der korinthischen Herrenmahlpraxis (11,17–34). II.2.2.1. Christus als »geschlachtetes Pesach(-lamm)« (1Kor 5,7b) Im Hinblick auf das Herrenmahlthema ist zunächst bemerkenswert, dass Paulus Christus als »unser Pesach(lamm)« bezeichnet, das geopfert wurde (5,7b: τὸ πάσχα ἡμῶν ἐτύθη Χριστός). Diese Christusdeutung führt er mit einer »Erfahrungsweisheit«416 (5,6b) ein: Das Bildwort vom ausgefegten Sauerteig setzt Paulus bei seinen Adressaten als bekannt voraus (vgl. Gal 5,9); im Hintergrund steht das Wegschaffen des Sauerteiges am Pesachrüsttag (vgl. Ex 12,15.19; 13,37), dementsprechend die Korinther das aus ihrer Gemeinschaft entfernen sollen, was sie gefährden könnte – Paulus bezieht sich entweder auf das vorangegangene konkrete Problem der Unzucht (V. 1–5) oder er denkt an allgemeine Gemeinschaftsgefährdungen.417 Die Adressaten sind Paulus zufolge bereits ›Ungesäuertes‹, da ihr ›Pesach(lamm)‹ bereits geopfert wurde: Durch den Tod Christi sind die Adressaten bereits erlöst und zum ›neuen Teig‹ geworden. Ihr Zustand des Ungesäuert-Seins besteht darin, dass sie durch ihr Sein in Christus in Reinheit und Wahrheit leben (5,8).418 Paulus vergleicht also den gekreuzigten Christus typologisch mit dem geopferten Pesachlamm. Obwohl er die Bedeutung des Todes Jesu hier in den Horizont der Pesachtradition rückt, trägt dies für die paulinische Deutung des Herrenmahls nichts Wesentliches bei.419 II.2.2.2. Der Umgang mit »Götzenopferfleisch« (1Kor 8; 10) Da sich Paulus im ersten Korintherbrief mit dem Umgang mit ›Götzenopferfleisch‹ auseinandersetzt, zeigt sich zum einen, dass für die Frage der »Identität der christlichen Ekklesia«420 der pagane Bezugsrahmen von Bedeutung ist, und zum anderen kommen insbesondere die pagan geprägten Gemeindemitglieder mit ihrem Mahlverhalten in den Blick, was für das Thema der vorliegenden Arbeit ertragreich sein könnte. Nach alttestamentlicher Vorstellung sind die paganen Gottheiten, die als Götzen bezeichnet werden, machtlos (vgl. Jes 41,29; Jer 10,14). Trotzdem soll die Kultgemeinde Israels unbedingt Abstand von ihnen halten (vgl. Lev 19,4; 26,1; Dtn 12,3; 27,15; 1Sam 12,21; 2Kö 23,24; 1Chr 16,26; Ps 31,7; 97,7).421 Götzenop416 417 418 419 420 421

Lindemann, 1Kor, 128. S. Schrage, 1Kor I, 380f. S. Lindemann, 1Kor, 128. Vgl. Merklein, 1Kor II, 40. Söding, Starke, 70. Im paganen Opferkultmahl bestehe die Gefahr, dass sich Dämonen an den Leib der Mahl-

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ferfleisch (εἰδωλοθύτων; vgl. 8,1.4.7.10; 10,28) ist von daher eine abwertende jüdische Bezeichnung für das pagane Opferfleisch, welches im Anschluss an die Übereignung an die Kultgottheit bei einem Opfermahl im Tempel verzehrt oder auf dem Markt verkauft wurde.422 Da es sich nach jüdischem Verständnis um eine illegitime Schlachtung handelte, war der Verzehr solchen Fleisches nicht gestattet.423 »Die jüdische Praxis – gerade auch in der Diaspora – war geprägt von der Forderung einer konsequenten Vermeidung jeder Tischgemeinschaft mit Nichtjuden, und zwar weil sich die Speisegebote nicht auf die Ablehnung einzelner Fleischsorten beschränkten, sondern alle nichtrituell zubereiteten Speisen, insbesondere nichtrituell geschlachtetes Fleisch überhaupt betrafen«424. Neben den Reinheitsgeboten steht hier das Blutgenussverbot im Hintergrund (s. II.3.3.2.).425 Den Umgang mit Götzenopferfleisch versucht Paulus in zwei Abschnitten seines Briefs mit Handlungsempfehlungen zu regeln – was zeigt, dass es sich bei diesem Thema um »ein zentrales Problem der Interaktion der christlichen Gemeinde mit ihrer nichtchristlichen Umwelt«426 handelte.427 Die Voraussetzung für das Verstehen seiner Ausführungen zur Götzenopferfleischthematik bilden die Verse 8,4–7: Der zu Vers 1 weitgehend parallel gebaute Versanfang leitet im Wir-Stil eine radikale theologische Aussage ein, die besagt, dass es keine Götzen gibt und somit auch kein Götzenopferfleisch.428 Daraus folgern die, die solche Erkenntnis haben, dass für sie keine Beschränkung im Fleischverzehr besteht. Ihnen stehen andere Gemeindemitglieder mit »schwachem Gewissen«429 (V. 7) gegenüber, für die aufgrund ihrer kulturellen Prägung »viele Götter und viele Herren« (V. 5) existieren. Indem diese ihrer Meinung nach Götzenopferfleisch verzehren und dadurch mit dem heidnischen Kult in Beziehung treten, »beflecken sie ihr schwaches Gewissen« (V. 7). Angesichts dieser korinthischen Wirklichkeit rät Paulus, dass kein Christ – mit Rücksicht auf die Schwachen – öffentlich Fleisch aus kultischen Schlachtungen verzehren sollte, damit der Abstand zwischen Gott und den Göttern gewahrt wird

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teilnehmer »heften«, indem sie das verwendete Blut dafür nutzen (vgl. Klauck, Herrenmahl, 51 Anm. 82). S. Anm. 1233. Vgl. Koch, ›Seid unanstößig‹, 147–150, demzufolge der Begriff »Götzenopfer« spezielle Kultmahle der Vereine oder Mysterienkulte meinen könnte. A. a. O., 159. Zu deren Gültigkeit zur Zeit des Zweiten Tempels s. Löhr, Speisefrage, 18–23. Koch, ›Seid unanstößig‹, 146. Für den Konflikt, der sich am Essen entzündet vgl. auch Röm 14,15–21. Vgl. Schrage, 1. Kor II, 236; Konradt, Gericht, 346. Zur textkritischen Entscheidung und Diskussion, ob hier Juden- oder Heidenchristen angesprochen seien s. Söding, Starke, 75f.

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– der Ort der Mahleinnahme qualifiziert also nicht das Essen,430 »sondern die von Menschen qualifizierte Situation«431. Auf dieser Grundlage bewertet Paulus verschiedene Situationen mit Gefahrenpotential: Neben dem Einkauf von Fleisch auf dem Markt (10,25), nach dessen Herkunft sich der Christusgläubige aufgrund seiner Erkenntnis nicht erkundigen braucht, widmet sich Paulus dem Verhalten bei privaten Einladungen zu Mahlzeiten in heidnische Häuser (10,27), bei denen nicht vom Fleisch gegessen werden soll, wenn es (z. B. vom Gastgeber) ausdrücklich als Götzenopferfleisch qualifiziert wurde. Die paulinischen Ausführungen machen deutlich, dass es innerhalb der Gemeinde keine einheitliche Haltung zum Umgang mit Opferfleisch gab, weshalb sie sich wohl mit einer diesbezüglichen Frage an ihn gewandt hat.432 Dieses Thema spiegelt also zum einen den innergemeindlichen Identitätsfindungsprozess wider und zum anderen den Abgrenzungsprozess zur religiösen Mitwelt; es erlaubt daher einen Einblick in die korinthische Gemeindesituation, in die christusgläubige Juden und konvertierte Heiden ihre verschiedenen Mahlsozialisationen eintrugen.433 Weitere Einblicke in das korinthische Mahlleben ermöglichen die im Folgenden zu betrachtenden Ausführungen in Kapitel 10; 11, in denen Paulus Herrenmahlterminologie verwendet und die Herrenmahltradition überliefert. II.2.2.3. Verwendung von Herrenmahlterminologie Das ›Götzenthema‹, das in den folgenden Abschnitten angesprochen wird (10,7.14), zeigt, wie die zuvor betrachteten Abschnitte, dass einige korinthische Gemeindemitglieder zu paganen Kultmählern in Beziehung standen. Das Thema dieser Arbeit gebietet allerdings eine Konzentration auf die (Be-)Deutung der verwendeten Begriffe (geistliche Speise, geistlicher Trank, Kelch, Blut, Brot, Leib), die an das Herrenmahl erinnern.

430 Vgl. Conzelmann, 1Kor, 184; Schrage; 1Kor, 263. Dagegen Merklein, Einheitlichkeit, 167; Klauck, Herrenmahl, 272, die annehmen, Paulus meine mit beiden Begriffen dasselbe. Laut Konradt, Gericht, 349, ist nicht unbedingt nur an Kultmähler zur Ehrung von Gottheiten, sondern an »familiäre bzw. gesellschaftlich-gesellige Zusammenkünfte zu denken, denn hier besteht ein vitales soziales oder auch berufliches Interesse, sich von elementaren sozialen Kontakten nicht abzuschneiden«. 431 Koch, ›Seid unanstößig‹, 149. Vgl. Konradt, Gericht, 356. 432 Vgl. Konradt, Gericht, 345. 433 Vgl. Koch, ›Seid unanstößig‹, 146f.

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II.2.2.3.1. 1Kor 10,1–7 In den Versen 10,1–6 greift Paulus auf die Erzählung der Wüstenwanderung Israels zurück. Im Hinblick auf die Mahlthematik sind insbesondere die beiden Begriffe »geistliche Speise« (V. 3) und »geistlicher Trank« (V. 4a) bemerkenswert. Hinzu kommt, dass diese Mahlgaben mit Christus in Verbindung stehen, der den Trank als »geistlicher Fels« (V. 4bf.) hervorbringt. Weil Christus »geistlich« ist, sind es seine Gaben auch. Indem aus ihm getrunken wird, erhält man den geistlichen Trank – vom Essen spricht Paulus an dieser Stelle nicht.434 Im Kontext der Exodustradition (V. 1) ist an die Mannaspeisung und an das Haderwasser (vgl. Ex 16f.) zu denken, wodurch Paulus auf die Gaben verweist, durch die den Vätern die göttliche Begleitung in der Vergangenheit gewahr wurde und mithilfe derer nun den Gläubigen die Möglichkeit »gegenwärtig erfahrbarer Heilsverwirklichung«435 eröffnet wird.436 Garant dieser gegenwärtigen Heilserfahrung ist Christus, indem er die »geistlichen« Mahlgaben spendet. Hierin zeigt sich die in der Tradition verankerte Vorstellung, dass »Anteilhabe an derselben Speise und an demselben Trank Einheit und daher Heil gewährleistet«437. In den Versen 5 bis 7 zeigt Paulus, dass die Gläubigen sich nicht allein auf den Verzehr dieser »geistlichen« Mahlelemente verlassen dürfen – entscheidend ist ein der Qualität dieser Mahlgaben entsprechendes Verhalten.438 Am christlich übersetzten Beispiel der Erzählung vom »goldenen Kalb« (vgl. Ex 32), stellt Paulus dar, wenn die Adressaten die von Christus gespendeten Elemente zu sich nehmen, sich in ihrem Verhalten aber gegen ihn stellen und sogar den »Götzen« zuwenden, erwartet sie göttliche Strafe (vgl. Ex 32,10.27f.35). Denn so »wenig Israel durch die pneumatische Speise […] und den pneumatischen Trank […] am Tanz um das Goldene Kalb gehindert und vor Gottes Strafe immunisiert worden ist, so wenig feit der Empfang der Sakramente vor den Gefahren des Götzendienstes (10,18).«439 Obwohl Paulus nicht die Herrenmahlterminologie von Kapitel 11 aufgreift, lassen die verwendeten Mahlbegriffe, wie »geistlicher« Trank und »geistliche« Speise, sowie die Rückführung auf Christus als ihren Spender vermuten, dass Paulus einen inhaltlichen Zusammenhang mitgedacht hat. Umso bemerkenswerter erscheint es daher, dass Paulus im Zusammenhang der Wüstenwanderung nicht die Pesachmahltradition und auch nicht die Tradition des letzten

434 435 436 437 438 439

Vgl. Merklein, 1Kor II, 245; Kremer, πνευματικός, 292. Roloff, Neues Testament, 292. Vgl. Konradt, Gericht, 372. Klinghardt, Gemeindeleib, 53. S. Schrage, 1Kor, II, 396–398. Vgl. Schröter, Abendmahl, 27. Söding, Starke, 85.

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Mahls Jesu aufgreift. Erneut ist also kein Anlass gegeben, eine von Paulus intendierte Verbindung von Pesach- und Herrenmahl anzunehmen. II.2.2.3.2. 1Kor 10,16f.19–21 Im Gegensatz zur Handlungsempfehlung in Kapitel 8 erteilt Paulus in den Versen 10,14–22 »generelle Handlungsorientierungen«440, die auch für die »Erkenntnishabenden« die Grenze der Teilhabe an (unqualifiziertem) Opferfleisch markieren: Diese besteht in der »Teilnahme am Götzenopferkult«441 – also im »Götzendienst« (vgl. V. 14.20). Der Grund für die Absage der Teilnahme am Götzenopferkult liegt Paulus zufolge darin, dass der »Aspekt der κοινωνία […] kein Proprium des Herrenmahl, sondern […] für Kultmahle überhaupt«442 ist. Zur Entfaltung seiner Argumentation greift Paulus auf Herrenmahlterminologie zurück:443 Zunächst – gleichsam als gemeinsame Erfahrungsgrundlage – benennt er den »Segenskelch, den wir segnen«, die »Koinonia des Blutes Christi« (V. 16a) sowie »das Brot, das wir brechen« und die »Koinonia des Leibes Christi« (V. 16b). Die Mahlelemente werden analog zur Herrenmahlüberlieferung in Kapitel 11, dort allerdings in umgekehrter Reihenfolge (s. u.), mit Leib bzw. Blut in Beziehung gesetzt. Zudem werden die dazugehörigen Mahlhandlungen des Segnens und Brotbrechens angeführt – von Deuteworten oder der Tradition des letzten Mahls Jesu ist an dieser Stelle jedoch keine Rede. Singulär bei Paulus ist der Ausdruck »Segenskelch«, über dem ein Lobgebet gesprochen wird. Mit dem Begriff »Segenskelch« bezieht sich Paulus vermutlich auf den Kelch, der, entsprechend der jüdischen (Gast-)Mahlsitte, das Mahl beschließt:444 Den Verben εὐλογέω/eulogeo¯/»loben, segnen, das Lobgebet (beim Mahl) sprechen«445 und εὐχαριστέω/eucharisteo¯/»danken, das Dankgebet (beim Mahl) sprechen«446 kommt im Mahlkontext »die Spezialbedeutung die Tischbenediktion sprechen«447 zu (vgl. 1Kor 11,24a; Mk 6,41 parr.; 8,6.7 par.; Lk 22,19a; 24,30; Joh 6,11.23; Apg 27,35; Did 9,1b – 3). Während εὐχαριστέω lediglich einmal in der LXX (Prov 11,16) und ebenfalls selten in deren Apokryphen begegnet (z. B. Sir 37,11), ist εὐλογέω recht häufig in der LXX zu finden (vor allem in Gen, Dtn und Ps) und in den meisten Fällen die Übersetzung des hebräischen ‫ברך‬/brk – die Bedeutung der Verben wird in der Herrenmahlüberlieferung nicht unterschie440 441 442 443 444

Koch, ›Seid unanstößig‹, 146. A. a. O.,152. Konradt, Gericht, 387. Vgl. Fee, 1.Cor, 465. S. Lindemann, 1Kor, 223; Schrage, 1Kor II, 432, zufolge wird so auch der dritte Becher des Pesachmahls bezeichnet. 445 S. Patsch, εὐλογέω, 198; Bauer, Wörterbuch, 652. 446 S. Patsch, εὐχαριστέω, 219; Bauer, Wörterbuch, 663f. 447 Patsch, εὐλογέω, 199 (Hervorhebung im Original). Vgl. Patsch, εὐχαριστέω, 220.

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den (vgl. Mk 6,41; 8,6).448 Aus diesem Grund werden auch alle Gebetsformeln, die mit dem Lobpreis Gottes beginnen, ‫ ְבּ ׇרכוֹת‬/berachot genannt. Diese Lobsprüche haben insbesondere ihren ›Sitz im Leben‹ als Tischgebete, die das Mahl rahmen und begleiten und so den Dank an Gott ausdrücken (vgl. tBer 4,1; bBer 35a):449 Das gemeinsame Mahl wird mit einem Tischgebet, i. d. R. durch den so genannte Hausvater, eröffnet, der begleitend dazu das Brot aufnimmt. Nachdem die Mahlteilnehmer den Lobspruch Gottes für die Gabe der Speise mit einem Amen bekräftigt haben, bricht der Hausvater das Brot, reicht es ihnen, isst sein Stück Brot aber zuerst. Zum Mahlabschluss fordert der Hausvater i. d. R. den angesehensten Gast auf, das Tischgebet zu sprechen. Der Gast ergreift begleitend dazu den so genannten Segenskelch.450 Mit der paulinischen Bezeichnung geht folglich das Verständnis einher, dass erst das einleitende Lobgebet dem Kelch seine Besonderheit verleiht und er sowie das gesamte Mahl somit von Beginn an in den Horizont des Göttlichen gestellt wird. In diesem Sinne muss ποτήριον τῆς εὐλογίας/pote¯rion te¯s eulogias mit »Kelch zum Lobpreis Gottes« übersetzt werden. Zudem stellt Paulus die durch das Mahl bewirkte κοινωνία/koinonia mit Christus heraus – der gesegnete Lobpreiskelch und das gebrochene Brot sind bzw. in ihnen realisiert sich die Gemeinschaft mit Christi Blut und Leib. Der paulinische Koinonia-Begriff bedeutet »Gemeinschaft (mit jemandem) durch (gemeinsame) Teilhabe (an etwas)«451. Mit diesem Begriff verweist Paulus folg-

448 S. Beyer, εὐλογέω, 753–759: In der Hebräischen Bibel wird Gott als Spender des Segens verstanden (vgl. Gen 1,22; 17,7f.; 26,3). Aber nicht nur Gott und in seinem Namen die Priester segnen den Menschen, sondern auch die Menschen Gott, wobei ‫ ברך‬in diesem Fall die Bedeutung »loben« oder »preisen« zukommt (vgl. Gen 24,48; Dtn 8,10; Ri 5,2.9; Ps 16,7; 34,2; 66,8); Dadurch, dass der Mensch Träger des göttlichen Segens ist, kann er diesen (im priesterlichen Vorrecht) weitergeben (Gen 49,25; Num 6,22ff.). In der griechischen Prosa, in der εὐλογέω sehr selten Verwendung findet, begegnen zwei Bedeutungen: »in schöner Sprache reden« oder »gut von jmd. sprechen, loben, preisen, rühmen«. Den »Segen« als Begriff für das, was die Götter den Menschen spenden, kennt die griechische Antike nicht (s. Beyer, εὐλογέω, 752). 449 Dem Ritual liegt das Verständnis zugrunde, dass die gesamte Erde Gott gehört – nur wer dankend etwas von ihrer Fülle für sich nimmt, empfängt es auf gottesgemäße Weise (vgl. Ps 24,1; Lev 19,24; Dtn 8,10). 450 Vgl. Strack/Billerbeck, Exkurse IV/2, 616–639; Beyer, εὐλογέω, 758. Zum (aus Mischna und Talmudin rekonstruierten) Ablauf eines gewöhnlichen jüdischen Gemeinschaftsmahls zur Zeit Jesu vgl. Berger, Manna, 128f.: Vorkost (noch keine Mahlgemeinschaft, jeder spricht den Bechersegen für sich, gereicht werden Vorgerichte), Mahlzeit (Hausvater/Gastgeber spricht den Brotsegen, Teilnehmer antworten mit »Amen«. Der Gastgeber zerteilt das Brot und reicht jedem ein Stück; er aber isst als erster (Zukost ist mitgesegnet)). Nach dem Mahl: Gastgeber spricht Lobspruch über Kelch (vier Benediktionen) und Nachtisch. Inwiefern diese Rekonstruktion zutrifft und ob sie für die Zeit Jesu zu gelten hat, bleibt hypothetisch. 451 Hainz, κοινωνία, 751.

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lich auf beides: Anteilgabe und Anteilnahme.452 Dadurch, dass Christus an seinem Blut und seinem Leib Anteil gibt, nehmen die Gläubigen an ihm Anteil und aktualisieren die Gemeinschaft mit ihm, in die sie mit der Taufe eingetreten sind. Diese Gemeinschaft wird durch die Mahlelemente Kelch und Brot für den Menschen wahrnehmbar und konkretisiert sich durch die leibliche Aufnahme. Bemerkenswert ist, dass Paulus die Reihenfolge »Kelch/Blut« – »Brot/Leib« wählt. Der Grund dafür, dass Paulus σῶμα/so¯ma/»Leib« an das Versende stellt, liegt entweder darin, dass er eine von der Herrenmahlüberlieferung in Kapitel 11 abweichende Tradition (vgl. Lk 22,17–19; Did 9,1–4)453 aufnimmt oder, was wahrscheinlicher ist, da die Reihenfolge Speise – Trank auch in Vers 3f. begegnet, dass er mit diesem Stichwort ekklesiologisch weiter argumentieren will – im Zentrum steht nicht die Reihenfolge, sondern die Bedeutung der Mahlgaben für die Gemeinde.454 In Vers 17 führt Paulus inhaltlich das Koinonia-Thema weiter: Nun geht es ihm um die Gemeinschaft der Gläubigen untereinander.455 »Teilhabe am sakramentalen σῶμα bedeutet Integration in das ekklesiologische σῶμα«456. Mithilfe des Bildes vom einen Brot,457 an dem alle Gläubigen Anteil haben, zeigt Paulus, dass sie im Mahl trotz ihrer Vielfalt zu einer Einheit, einem Leib, zusammengeschlossen werden – indem jeder einen Teil von ihm beim Mahl verinnerlicht, bilden sie Jesu Leib in ihrer Gemeinschaft ab. In Vers 19 greift Paulus seinen Ausführungen von 10,25–33 vor, denen zufolge der Mensch das Götzenopferfleisch als solches qualifiziert und somit zu einer Gefahr werden lässt (s. II.2.2.2.). In Vers 20 markiert Paulus aber deutlich die Grenze: Die Teilnahme am Götzenopferkult.458 Denn durch die (aktive) Teilnahme am »Dienst« für die »Götzen« würden die Adressaten zu »Teilhabern (an) den Dämonen« (V. 20b).459 »Man tritt in Gemeinschaft mit den Mächten, denen 452 Vgl. Löhr, Gemeinschaftsmahl, 19 (Veröffentlichung voraussichtlich 2014); Baumert, Koinonein und Metechein, 197.424f.434–436, zufolge meint Paulus hier konkret »Gemeinschaft«. 453 S. Schröter, Abendmahl, 30f. 454 S. Käsemann, Anliegen, 13. 455 Vgl. Schrage, 1Kor II, 437. 456 Schrage, 1Kor II, 440. 457 Diese paulinische Interpretation des Brotes als »communal sharing« ist einzigartig im Neuen Testament, begegnet aber ähnlich in Did 9,4 (s. Horsley, 1.Cor, 140). 458 Hier steht die Vorstellung eines handelnden Subjekts im Hintergrund, das sich aktiv für eine Gemeinschaft mit den Dämonen einsetzt (εἰδωλολατρία; vgl. 10,14; Gal 5,20). Im Gegensatz dazu ist 8,10 zu verstehen, da Paulus hier vom Götzentempel (εἰδωλεῖον), also dem Ort des Mahls spricht, der einem »Starken« nichts anhaben kann, in Hinsicht auf den »Schwachen« aber auch diesen kritisiert (s. Koch, ›Seid unanstößig‹, 148f.; Conzelmann, 1Kor, 204f. Dagegen Merklein, Einheitlichkeit, 167, der der Meinung ist, Paulus meine mit beiden Begriffen dasselbe). 459 Konradt, Gericht, 389, zufolge sei der Wechsel von Götzen zu Dämonen dadurch begründet,

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die Opfer geweiht sind, und zu denen, die mitteilhaben an den Opfern«460 – darin unterscheiden sich Herrenmahl und paganes bzw. jüdisches Kultmahl (vgl. V. 18) nicht voneinander, was Paulus im Folgenden weiter verdeutlicht: Die Ausführungen in Vers 21 »function as both warning and prohibition«461. Paulus konkretisiert anhand zweier parallel gebauter Versteile, wodurch genau die Adressaten zu Koinonoi werden: Durch das Trinken des Kelchs (V. 21a) und durch die Teilhabe am Tisch (V. 21b). Die Konstruktion τραπέζης/trapeze¯s (Gen.), die vom Verb μετέχω/metecho¯/»teilhaben an etw.«462 gefordert ist, in Verbindung mit dem Genitiv κυρίου/kyriu ist im Sinne von Vers 16 zu verstehen: »Für Paulus selbst, für den sich kein sakraler Charakter mit dem Tisch verbindet, ist an einen Tisch zu denken, den der Herr zubereitet, und nicht an einen solchen, der dem Herrn zubereitet wird. Entsprechend gelten die Dämonen als solche, die durch das Mahl an sich binden, nicht als Empfänger von Opfern«463. Die Formulierung der Teilhabe »am Herrn- bzw. Dämonentisch« ist somit Ausdruck für die Anwesenheit der jeweiligen Gottheit in ihrer Gastgeberrolle.464 Durch die Teilnahme am Kultmahl tritt man in eine Gemeinschaft zur Gottheit und zu den Mahlteilnehmern (Tischgemeinschaft).465 Es geht Paulus also um die Klarstellung, dass es für die Adressaten nur ein Entweder-oder gibt und dass ein Sowohl-als-auch ausgeschlossen ist.466 Sie haben sich für einen Herrn zu entscheiden (vgl. 8,6), denn die Koinonia kann entweder nur zwischen den Dämonen und dem Mahlteilnehmer oder zwischen Christus und dem Mahlteilnehmer sowie den jeweiligen Mahlteilnehmern untereinander ent- und bestehen – Christ zu sein heißt, ganz oder gar nicht Christ zu sein.467 Auffällig ist schließlich, dass Paulus Kelch und Tisch parallelisiert, aber gegenüber Vers 16 das Brot nicht erwähnt und den Kelch nicht als »Lobpreiskelch« bezeichnet. Der Grund könnte sein, dass er Mahlelemente und -begriffe wählt, die in allen antiken Kultmählern begegnen – der Lobpreiskelch würde wohl die

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dass es Götzen nicht gebe, Dämonen aber in der Lage seien, die Götzenverehrung zu inszenieren, »um dem einen Gott die alleinige Verehrung zu entziehen«. Hainz, κοινωνία, 754. Fee, 1.Cor, 472. Bauer, Wörterbuch, 1040. Vgl. Baumert, Koinonein und Metechein, 22f. Schrage, 1Kor II, 447. S. Balode, Gottesdienst in Korinth, 48; Konradt, Gericht, 388–389. Vgl. Baumert, Koinonein und Metechein, 22f. S. Schrage, 1Kor II, 447; Delling, Abendmahlgeschehen, 322.325. Die Thematisierung sei erforderlich, da die Gemeinschaft überwiegend aus Christen heidnischer Herkunft bestehe (s. Sellin, Hauptprobleme, 2996f.). Die Gemeindemitglieder mit paganer Mahlsozialisation waren es gewohnt, Mitglied in zugleich mehreren verschiedenen Kultvereinen zu sein (s. Alkier, Neues Testament, 253). S. Konradt, Gericht, 392.

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pagane Mahlsitte zu wenig in den Blick nehmen, und das Brot als Grundnahrungsmittel würde den Speisen der üppigen Kultmähler nicht entsprechen.468 Bisher lässt sich an den Ausführungen zu Mahlthematik im 1Kor demnach feststellen, dass zumindest ein Teil der korinthischen Gemeindemitglieder nicht nur mit der paganen Kultmahlpraxis vertraut ist, sondern einem aktiven Opferkult frönt. Im Blick der paulinischen Ausführungen sind folglich insbesondere die konvertierten Heiden, deren Mahlsozialisation mit der christlichen Mahlpraxis unvereinbar ist, solange sie ihren sättigenden Dämonenmählern nicht abschwören. II.2.2.4. Das Herrenmahl Nachdem Paulus in den Versen 10,3f.16f. sein Herrenmahlverständnis dargelegt hat, widmet er sich im Folgenden den konkreten Problemen, die sich seiner Meinung nach in der korinthischen Herrenmahlpraxis zeigen. In 11,1 fordert der Apostel die Gemeindemitglieder dazu auf, ihn so nachzuahmen, wie er Christus nachahmt. Hierbei handelt es sich vermutlich um den Abschluss der Ausführungen zum Umgang mit Götzenopferfleisch (10,25–33) und wohl zugleich um die Überleitung zum Folgenden. Anschließend lobt er die Adressaten für ihr Bewahren der von ihm vermittelten Traditionen, um sich ihre Gunst und Aufmerksamkeit zu sichern. 11,2 bietet für Paulus einen Anknüpfungspunkt, um sich den Problemen der gottesdienstlichen Versammlungen in Korinth zuzuwenden (Kap. 11–14). Wie sich zeigen wird, haben die Korinther Paulus’ Überlieferung nicht bewahrt – das Lob ist also als captatio benevolentiae zu verstehen. Dass der Abschnitt 11,17–34 eine inhaltlich geschlossene Einheit bildet und von 11,3–16 abzuheben ist, zeigen neben unterschiedlichen Themen, wie Kopfbedeckung und Herrenmahl, auch die Verse 11,17 und 12,1,469 in denen Paulus, eingeleitet durch »aber dies lobe ich nicht« bzw. durch »über die geistlichen (Dinge)«, neue Themen einführt. Zudem ist der Komplex 11,17–34 durch das Stichwort συνέρχομαι/synerchomai/»zusammenkommen« (V. 17f.20.33f.), dem

468 Vgl. Schröter, Funktion, 84; Söding, Eucharistie, 334, zufolge bedient sich Paulus hier einer Sprache, die im Interesse der ehemaligen Heiden zwar durch das Mysterienwesen geprägt ist, mit dem Ziel, das Herrenmahl deutlich von paganen Kultmählern abzuheben. 469 Ähnlich wie in 10,17 bedient sich Paulus auch in 12,12–20 seinem ekklesiologisch verstandenen σῶμα-Begriff, um die Einheit und Vielfalt der Gemeinde zu veranschaulichen: Jeder Einzelne hat ein anderes Charisma, aber durch die Taufe und damit durch den Geist sind sie eine Einheit (s. Lindemann, 1Kor, 265–277; Schrage, 1Kor III, 113–116).

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terminus technicus für die frühchristlichen Versammlungen,470 gerahmt und inhaltlich bestimmt. Der Abschnitt 11,17–34 lässt sich in vier Teile gliedern: Im ersten führt Paulus zum Thema hin und geht auf die kritikwürdige korinthische Herrenmahlpraxis ein (V. 17–22). Im zweiten Teil zitiert er die Herrenmahlüberlieferung (V. 23–26). Im dritten führt er den Korinthern die Konsequenzen ihres Verhaltens vor Augen (V. 27–32). Im vierten Teil gibt er ihnen zwei Handlungsanweisungen für ihre künftige Herrenmahlpraxis und kündigt weitere Anordnungen bei seinem nächsten Besuch an (V. 33f.). Die Ausführungen des Paulus lassen nur erkennen, was er am korinthischen Mahlverhalten für kritikwürdig hält, positive Aspekte der korinthischen Herrenmahlfeier kommen nicht zur Sprache. Nimmt man Vers 34 vorab in den Blick, scheint Paulus in diesem Abschnitt sogar nur einige (Herrenmahl-)Probleme von vielen behandeln zu wollen. Anders als bei seinen Ausführungen zum Umgang mit Götzenopferfleisch, in denen Paulus von konkreten Situationen ausgehend neue Handlungsorientierungen geben muss, kann er bei der Frage nach der angemessenen Herrenmahlpraxis auf eine den Korinthern bekannte Tradition zurückgreifen. II.2.2.4.1. Die korinthische Herrenmahlpraxis (1Kor 11,17–22) Ab Vers 17 leitet Paulus in das neue Thema ein, benennt bestehende Probleme der Gemeinde – nämlich Spaltungen im Zuge des Zusammenkommens (V. 18)471 –, von denen er gehört habe (vgl. 1,11) und führt diese auf die problematische Herrenmahlpraxis in Korinth zurück (V. 20–22). Das Bestehen von Meinungsverschiedenheiten, die zu verschiedenen Parteien führen, kritisiert Paulus allerdings nicht per se, denn durch sie würden die bewährten Mitglieder der Gemeinde sichtbar (V. 19). Ort und Häufigkeit der Versammlung in Korinth gibt Paulus nicht an. Es ist wohl von einer regelmäßig stattfindenden Mahlfeier auszugehen (V. 20.26.33; vgl. Apg 20,7), die wohl entweder in einem großen Privathaus oder einer angemieteten Räumlichkeit abgehalten wurde. Die Anzahl der Gemeindemitglieder – sie kommen alle an einem Ort zusammen (V. 20) – war aber wahrscheinlich zu groß, als dass in wechselnden Privathäusern hätte gemeinsam gefeiert werden können (vgl. V. 22.34). Allerdings setzt Paulus das Haus des Stephanas bei den

470 S. Wischmeyer, 1Kor, 140.149f. Vgl. Schrage, 1Kor III, 18; Balode, Gottesdienst in Korinth, 46. 471 Vgl. Vössing, Herrenmahl, 51–53, der aufgrund einer immens gestiegenen Mitgliederzahl annimmt, dass die korinthische Mahlfeier nicht als eine »Tafelgemeinschaft« vorzustellen sei (53).

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Adressaten als bekannt voraus (16,15)472 – bezeichnet damit aber vor allem dessen Familie.473 Zur Gemeindeversammlung gehört das »Essen des Herrenmahls« – auf andere Aspekte geht Paulus an dieser Stelle nicht ein (vgl. aber 14,23) –, das seiner Meinung nach jedoch faktisch gar nicht stattfindet (V. 20). Der Ausdruck κυριακὸν δεῖπνον/»Herrenmahl« begegnet zum ersten und auch einzigen Mal (s. II.1.). Der Begriff δεῖπνον kann sowohl die (sättigende) Mahlzeit als auch das kultisches Mahl bezeichnen.474 In Vers 21 gibt Paulus den Grund an, weshalb die Adressaten nicht das Herrenmahl zu sich nehmen: Beim Speisen nehme jeder das ἴδιον δεῖπνον/»eigene Mahl« vorweg bzw. ein (προλαμβάνω), mit der Folge, dass »der eine hungrig und der andere betrunken ist«. Rückschlüsse auf den Verlauf des korinthischen Herrenmahls lassen sich daraus schwer ziehen, da Paulus’ Ausführungen fragmentarisch bleiben. Ausgehend von dem Hervortreten sozialer Unterschiede durch das ἴδιον δεῖπνον werden für die korinthische Herrenmahlpraxis folgende Szenarien diskutiert: 1. Die reicheren Gemeindemitglieder hätten früher mit dem Sättigungsmahl begonnen, sodass den ärmeren nach ihrem späteren Eintreffen, z. B. aufgrund ihrer Arbeitsverpflichtungen, nur noch wenig Nahrung zur Verfügung stand.475 In diesem Fall hätte das Präfix προ des Verbs προλαμβάνω/prolambano¯ seine ursprünglich temporale Bedeutung,476 und Vers 21 wäre als zeitliche Differenzierung zu verstehen. Mit ἕκαστος/hekatos wäre nicht »jeder« im eigentlichen Sinne gemeint, sondern jeder, »der dazu in der Lage ist, über die nötige Zeit und die entsprechenden finanziellen Mittel verfügt«477. Für den Ablauf des korinthischen Herrenmahls hieße ein unterschiedlicher Beginn, dass es in der Reihenfolge Sättigungsmahl – Herrenmahl (mit Brot- und Kelchhandlung als Doppelhandlung)478 begangen wurde. Offen bleibt bei 472 Vgl. Ebel, Attraktivität, 153; Schrage, 1Kor I, 30, nennt als mögliche »Gastgeber« Aquila und Priscilla (16,19; Röm 16,5; Apg 18,2), das Haus des Stephanas (1,16; 16,15), des Gaius sowie des Krispus (1,14). 473 Vgl. Bauer, Wörterbuch, 1130f. 474 S. Behm, δεῖπνον, 34f. Vgl. Klauck, Herrenmahl, 291. 475 Vgl. Bornkamm, Herrenmahl, 142; mit Einschränkungen Schrage, 1Kor III, 24f. 476 Vgl. Hahn, Herrengedächtnis, 307; Bornkamm, Herrenmahl, 141–144; Klauck, Herrenmahl, 292f., denen zufolge die Mahlteilnehmer zu unterschiedlichen Zeitpunkten beim Mahl erschienen; Theißen, Integration, 186–189; Lampe, Herrenmahl, 191–198 Anm. 28 (mit Belegen), die damit das Nacheinander von zwei Gemeinschaftsmählern bezeichnet sehen (vgl. ähnlich bei Kollmann, Ursprung, 42; Wolff, 1Kor, 257f.). 477 Schrage, 1Kor III, 25; vgl. Klauck, Herrenmahl, 293. 478 S. Bornkamm, Herrenmahl, 155; Schröter, Abendmahl, 33. Dagegen Lampe, Herrenmahl, 200f., der zwei Sättigungsmahlzeiten annimmt – eine vor dem Herrenmahl (Hauptgericht) und eine die Mahlhandlungen trennende (Nachtisch). Zur Kritik an dieser These s. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 282–286, demzufolge die Brothandlung dann im Zuge der

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diesem Verständnis, weshalb die paulinische Herrenmahlüberlieferung in 11,25 davon abweicht (μετὰ τὸ δειπνῆσαι). 2. Das Verb προλαμβάνω sei mit »(Speisen) einnehmen, zu sich nehmen«479 oder »hervornehmen«480 zu übersetzen, da das Präfix pro hier eine abgeschwächte, nicht temporale Bedeutung habe. Nach diesem Verständnis brachte jeder sein privat finanziertes Essen – sein »eigenes Mahl« – zum Herrenmahl mit, weshalb die reicheren Gemeindemitglieder eine größere Menge und hochwertigeres Essen verspeisen konnten als die ärmeren.481 In Korinth sei daher kein Gemeinschaftsmahl im eigentlichen Sinne zustande gekommen, sondern es wurden »individuelle Privatmahlzeiten«482 eingenommen. Nach dieser Deutung habe sich der Missstand während des von Brot- und Kelchhandlung gerahmten Sättigungsmahls gezeigt. Schwachpunkt dieser Hypothese ist der postulierte abgeschwächte Sprachgebrauch von προλαμβάνω, der in der überlieferten Literatur nicht zu belegen ist; das Verb προλαμβάνω besitzt eindeutig eine temporale Konnotation.483 3. In der aktuellen Forschung wird eine Kombination der beiden Möglichkeiten erwogen und die Abfolge »vorweggenommenes Privatmahl – Brotkommunion – Agape – Weinkommunion« vorgeschlagen.484 Die Rekonstruktion der korinthischen Mahlpraxis sollte sich allerdings nicht nur auf die Deutung eines Verbs stützen, sondern den Briefkontext mitbedenken: Zu fragen ist, ob anhand der negativen paulinischen Ausführungen eine positive Rekonstruktion des Ablaufs überhaupt möglich ist. Paulus teilt mit, dass sich die korinthische Gemeinde in der Meinung versammelt,485 das Herrenmahl zu feiern. Warum aber genau dies nicht geschieht, wird von Paulus erläutert. Der Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage nach dem Missstand bei der korinthischen Herrenmahlpraxis ist deshalb vermutlich folgender: Da bereits die Bezeichnung der Mahlfeier als Herrenmahl ausdrückt, wem das Mahl gewidmet ist, resultiert daraus für die Gemeinde der »(sakral-)rechtliche Verpflichtungs-

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Mahlanschlusslibation erfolgen und der Nachtisch auch sättigenden Charakter gehabt haben müsse. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 289–291. Vgl. Bauer, Wörterbuch, 1418; Hofius, Herrenmahl, 216–220. Schrage, 1Kor III, 8. Vgl. Horsley, 1.Cor, 159, der die Bedeutung »devours« (verschlingen) vorschlägt. S. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 291; Duff, Discerning, 32f.; Balode, Gottesdienst, 70f.: Der Brauch, das eigene Essen zu einem Festmahl mitzubringen, sei in der Antike nicht ungewöhnlich gewesen. Stein, Frühchristliche Mahlfeiern, 117. S. Vössing, Herrenmahl, 43f., der in Anm. 9 den einzigen, aber umstrittenen Beleg aufführt. S. Schrage, 1Kor III, 14; Kollmann, Ursprung, 42. Mit »συνερχομένων […] ὑμῶν« (V. 20) ist vorauszusetzen, dass bereits alle Gemeindemitglieder versammelt sind.

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anspruch für die Feiergemeinde […], das Mahl auch in einer solchen Weise zu begehen, dass es auch als vom Herrn und seinen Vorgaben geprägt in Erscheinung tritt«486. Wenn die Mahlteilnehmer also der Meinung sind, das Herrenmahl zu feiern, dann muss im Mahlvollzug dieser Kyriosbezug im Mittelpunkt stehen. Paulus zufolge ist das aber nicht der Fall (V. 20). Was sie zu sich nehmen, also den Grund für das Nicht-Zustandekommen des Herrenmahls, bezeichnet Paulus als »eigenes Mahl«. Damit meint er, als Antithese zum »Herrenmahl«, wohl das »dem eigenen [Ich] gehörende Mahl« – also eine Mahlzeit, die dem eigenen Wohl dient und nicht dem Herrn.487 Im Herrenmahl ist der Kyrios Geber und Gabe (vgl. 10,4c.16), beim »eigenen Mahl« sind es die Mahlteilnehmer, die über ihr Essen und Trinken selbst verfügen.488 Paulus kritisiert folglich in Vers 21a insbesondere den fehlenden Kyriosbezug. Möglicherweise liegt der Grund für das ἴδιον δεῖπνον in der paganen Mahlsozialisation einiger Gemeindemitglieder,489 denn wie Paulus bereits in seinen Ausführungen zum Umgang mit Götzenopferfleisch darstellt, bildeten die paganen Kultmähler den kulturellen Horizont der Korinther (s. II.3.2.2.). In Vers 21b.c benennt Paulus die Folgen der korinthischen Mahlpraxis: Soziale Unterschiede werden im Mahl sichtbar – zentral für das »eigene Mahl« ist die Sättigung, die nicht alle korinthischen Gemeindemitglieder gleichermaßen erfahren. Im Hintergrund steht aber auch hier die Kritik, dass das Mahl nicht vom Kyrios her bestimmt ist, sondern von dem, was der Mensch begehrt: Sättigung. Die Feier des »eigenen Mahls« statt des Herrenmahls hat für die Gemeinschaft zur Folge, dass sie sich »spaltet« (V. 18) in diejenigen (Reichen), die im Übermaß genießen, und diejenigen (Armen), die Hunger leiden. Dieses Resultat entspricht dem in Vers 17 dargelegten Herrenmahlverständnis des Paulus: Wenn im Herrenmahl keine Koinonia mit dem Herrn entsteht, existiert auch keine Koinonia unter den Mahlteilnehmern (vgl. 10,17). Weil sich das korinthische Herrenmahl nicht von einem gewöhnlichen Gemeinschaftsmahl unterscheidet, in dem soziale Unterschiede sichtbar werden, kann es kein Ausdruck für die Vergegenwärtigung der Christusgemeinschaft sein. Man kann sagen, wer dieses »eigene Mahl« isst, »konterkariert die Verkündigung selbst und setzt sie außer Kraft«490. Auch Vers 22 ist in dieser Weise zu verstehen: Paulus will nicht primär die bestehenden sozialen Unterschiede negieren, sondern eine kyriosgemäße, das heißt eine auf den Kyrios hin ausgerichtete Mahlfeier herbeiführen – aus der 486 Stein, Frühchristliche Mahlfeiern, 110. 487 S. Al-Suadi, Essen, 298, zufolge bezeichne der Begriff ἴδιον δεῖπνον das »einem anderen Gott zughörige Mahl«. 488 Vgl. Schrage, 1Kor III, 23; Theobald, Eucharistie, 71. 489 S. Schröter, Funktion, 85f. 490 Theobald, Eucharistie, 77.

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selbstverständlich ein soziales Mahlverhalten resultieren muss. Dieses Mahl soll von der christlichen Gemeinde gefeiert werden – das sättigende Mahl kann hingegen (auch) in den Privathäusern eingenommen werden.491 Paulus will folglich nicht ein soziales Problem lösen, sondern eine ekklesiologisches: »Die Gestalt der gemeindlichen Feier muss derjenigen entsprechen, die der κύριος selbst eingesetzt hat, weil nur auf diese Weise die Verbindung zu ihm gewahrt wird«492. Es stellt sich die Frage, weshalb die Korinther die Mahlfeier in dieser dem Kyrios nicht gemäßen Form begingen. Paulus wird ihnen beim Gründungsaufenthalt das Herrenmahl doch gewiss in seinem Sinn vermittelt und es mit ihnen in der Weise gefeiert haben, wie er es selbst kennengelernt hatte.493 Hierzu wird einerseits angenommen, dass im Hintergrund der sozialen Rücksichtslosigkeit ein Sakramentalismus der korinthischen Gemeindemitglieder stehe, der sich dadurch äußere, dass diejenigen, die das Fehlverhalten an den Tag legen, annehmen, es komme einzig auf den sakramentalen Brot- und Becherritus an, an dem alle Anteil haben. Die Sättigung sei daher beim Herrenmahl eher ein sekundärer Effekt.494 Andererseits wird vermutet, der Missstand resultiere aus einem »unbewusst vollzogenen Rückfall der Korinther in Verhaltensweisen aus ihrer paganen Herkunftssozialisation«495. Das Handeln der Gemeindemitglieder gründe nicht in theologischer Reflexion über das Herrenmahl, sondern in dem aus Vereins- und Gastmählern bekannten Verhalten, das sie auf das christliche Mahl übertrugen.496 Letzterer ist wohl der wahrscheinlichere Grund für den unangemessenen Vollzug der korinthischen Mahlfeier nach der Abreise des Paulus. Ob diese Mahlpraxis auf einen speziellen Anlass zurückzuführen ist oder sich allmählich einschlich, muss offen bleiben.497 II.2.2.4.2. Die (vor-)paulinische Herrenmahlüberlieferung (1Kor 11,23–26) Mithilfe der in den folgenden Versen 11,23–26 zitierten Herrenmahltradition möchte Paulus den korinthischen Gemeindemitgliedern (erneut) vor Augen führen, wie sie sich beim Herrenmahl zu verhalten haben.

491 Schrage, 1Kor III, 20–23 meint, mit der Möglichkeit, das ἴδιον δεῖπνον zu Hause einzunehmen, würde Paulus eine Trennung von Herren- und Sättigungsmahl in Kauf nehmen. 492 Schröter, Funktion, 92. 493 Vgl. Betz, Gemeinschaft, 2. 494 S. u. a. Jeremias, Abendmahlsworte, 114; Conzelmann, 1Kor, 236f.; Merklein/Gielen, 1Kor III, 103. Kritisch: Lindemann, 1Kor, 252f., der das Problem in der individualistischen Auffassung des Herrenmahls sieht. 495 Stein, Frühchristliche Mahlfeiern, 135. 496 S. Lampe, Herrenmahl, 201; Ebel, Attraktivität, 178; beide Positionen verbindet Schrage, 1Kor I, 42.54f. 497 Vgl. Winter, Paul, 25–28.

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Die Zitation der Herrenmahlüberlieferung ist von daher eng mit dem Argumentationszusammenhang verbunden. Allerdings ändert sich der Blickwinkel: In Vers 22c endet der Abschnitt, in dem Paulus das korinthische Verhalten »nicht lobt« (vgl. 11,2) – im Folgenden geht es nicht mehr um den Ist-Zustand der korinthischen Herrenmahlpraxis, sondern um den Soll-Zustand aus paulinischer Sicht. II.2.2.4.2.1. Hinführung (1Kor 11,23a) In Vers 23a verweist Paulus auf eine den Korinthern bekannte Überlieferung, die von ihnen nicht bewahrt wurde (vgl. 11,2): Paulus leitet mit einer Paradosisformel (παραλαμβάνω, παραραδίδωμι)498 in die Herrenmahlüberlieferung ein. Die beiden Verben stehen im Aorist und bezeichnen somit den Empfang und die Weitergabe dieser Tradition als punktuelles Geschehen der Vergangenheit. Die Paradosis ist ein von Paulus im 1Kor häufiger gebrauchtes Kommunikationsmittel (vgl. 11,2; 15,3) und dient ihm dazu, »seine Ermahnungen oder Lehren einsichtiger oder verbindlicher zu machen«499. Paulus ist Subjekt dieses ersten Versteiles (’Еγώ) und dementsprechend stehen die Verben in der 1. Pers. Sg. Die Frontstellung des Personalpronomens betont die besondere Autorität des Apostels gegenüber den Korinthern: Er, der ›Vater‹ der korinthischen Gemeinde (vgl. 4,14f.), hat ihr die Herrenmahltradition überliefert. Die Qualität dieser Überlieferung hebt er dadurch hervor, dass er sie vom Kyrios empfangen habe.500 Paulus nennt nur den Ursprung der Tradition – den Kyrios501 –, aber keine menschlichen Glieder der Traditionskette.502 »Gerade 498 Diese Verbfolge bezeichnet im jüdischen wie im griechischen Verständnis eine »Traditionskette«; Paulus greift also auf eine vorgeprägte Traditionsterminologie zurück (s. Lindemann, 1Kor, 253; mit Belegstellen Klauck, Herrenmahl, 300–303). 499 Wischmeyer, 1Kor, 146. 500 Die textkritische Betrachtung zeigt, dass Uneinheitlichkeit bezüglich des »von« besteht: Anstelle von ἀπὸ τοῦ κυρίου lesen einerseits die Majuskel D, die Vulgata und ein Teil der altlateinischen Zeugen sowie der Ambrosiaster παρὰ κυρίου und andererseits die Majuskeln F, G sowie die Minuskel 365 (+ τοῦ) und die erste Hand des altlateinischen Textes d 75 ἀπὸ θεοῦ. Für die Ursprünglichkeit von ἀπὸ τοῦ κυρίου spricht die Qualität der Handschriften, die diese Lesart bezeugen. Zur Diskussion um die Bedeutung von ἀπὸ und παρὰ s. Wegenast, Tradition, 96f. 501 Im Neuen Testament rekurriert der griechische Begriff »Kyrios« entsprechend der LXX auf JHWH bzw. Gott und dies nicht ausschließlich innerhalb alttestamentlicher Zitate – so auch im 1Kor (vgl. 1,31; 4,19; 7,17; 10,26; 14,21). Umstritten ist, woher die frühen griechischsprachigen Christen diese Bezeichnung entlehnt haben: Einerseits wird der Ursprung im palästinischen Judentum gesehen, »das ma¯rêh, ’a¯dôn bzw. κύριος auf Jahwe anwendete« (Fitzmyer, κύριος, 817), andererseits wird die Herkunft aus paganer Tradition erwogen (vgl. Stegemann, Kyrios, 405–409.430f.; Orr/Walther, 1.Cor, 266; Hahn, Hoheitstitel, 74, zufolge »hatte die Kyriostitulatur unter orientalischem Einfluß vor allem in den Mysterienreligionen und im Kaiserkult Bedeutung erlangt«). Letztgenannte Möglichkeit wird in der aktu-

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hinter dem, was Paulus als Paradosis übernommen hat und gegenüber den Korinthern erneut geltend macht, steht die Autorität des Kyrios selbst«503. Anders gesagt: »Das wahre Wesen des Herrenmahls wird vom Herrn selbst bestimmt«504. Aus diesem Grund muss Paulus die Korinther anhalten, das Mahl dem Herrn gemäß zu feiern. Wann und wo Paulus die Herrenmahltradition empfangen hat, ist schwer zu sagen: Als mögliche Regionen und Orte, in denen er diese Tradition kennengelernt hat, kommen diejenigen in Betracht, in denen er sich nach seiner Christusoffenbarung aufhielt und in denen christliche Gemeinden bestanden: Dazu gehören in der von Paulus mitgeteilten Reihenfolge Damaskus (Gal 1,17), Arabia (Gal 1,17), Jerusalem (Gal 1,18f.), danach Syrien und Zilizien (Gal 1,21) und schließlich Antiochia (Gal 2,11).505 Diese Frage wird in der Forschung kontrovers diskutiert: Die Annahmen reichen von der Rückführung auf die Christus-Vision in Damaskus506 (vgl. Apg 9,19) – Paulus nahm Nahrung zu sich – bis hin zur Vermutung alles deute auf Antiochia hin (vgl. Apg 11,20f.).507 Dass es sich um eine Region gehandelt hat, die auch heidnisch geprägt war, ist wahrscheinlich, weil die Deutung der Mahlelemente so zu verstehen ist, dass sich der Kyrios selbst zum Verzehr reicht (s. u.). Es ist also an eine Gemeinde mit einem

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ellen Forschung aber verworfen, da es als höchstwahrscheinlich scheint, dass die frühen Christen »Kyrios« als Wiedergabe des Tetragrammes aus der LXX übernommen haben. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Titel nicht mehr ausschließlich für Gott, sondern insbesondere auch für Jesus Christus gebraucht wird. Hierin wird ein deutlicher Unterschied gegenüber dem alttestamentlichen Gebrauch deutlich, denn Christus wird gleichsam »an die Seite Gottes gerückt« (Feldmeier/Spieckermann, Gott, 44). Dieser Titel ist folglich Ausdruck der Göttlichkeit Jesu Christi und kann sowohl den auferstandenen Christus als auch den irdischen Jesus bezeichnen (vgl. 1Kor 7,10; 8,6; 9,14; 12,3) (s. Fitzmyer, κύριος, 817). An dieser Stelle ist der Titel Paulus wohl aus der Tradition bekannt (s. Kramer, Christos, 159). Dagegen Lietzmann, Herrenmahl, 255, der annimmt, Paulus habe die Herrenmahltradition selbst geschaffen. Schrage, 1Kor, 30f. Vgl. Klauck, Präsenz, 316–318, demzufolge diese Traditionstermini zwar »Äquivalente in der rabbinischen Schulsprache, qbl (empfangen) und msr (übergeben)« besitzen, die Belegstellen aber später zu datieren seien als der 1Kor. Hellenistische Autoren (Platon, Plutarch) würden ebenfalls diese Begriffe verwenden. Wolff, 1Kor, 264. Bezüglich der folgenden Verweisstellen aus der Apg gehe ich davon aus, dass die Grundlage der paulinischen Missionsreisen zum einen ein (schriftlicher) Missionsbericht (13–14) und zum anderen ein Orts- und Routenverzeichnis (16–18) bildet (vgl. Roloff, Apg, 10; Pesch, Apg I, 49f., Apg II, 154; Niebuhr, Korintherbriefe, 226f. Anm. 65). S. Maccoby, Paul, 247–267. S. Schweizer, Herrenmahl, 352, jedoch ohne Nennung von Gründen; Stuhlmacher, Zeugnis, 77; Koch, Eucharistievollzug, 27, der es dazu als wahrscheinlich erachtet, dass es sich in Gal 2,12 um ein Herrenmahl handelt (28). Dort wird der Begriff »Herrenmahl« nicht von Paulus verwendet, sondern die Mahlgemeinschaft unter dem Stichwort συνεἰμί gefasst.

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beträchtlichen Anteil an konvertierten Heiden zu denken, die im westlichen Syrien oder Kleinasien zu lokalisieren sein dürfte.508 II.2.2.4.2.2. (Narrative) Einleitung (1Kor 11,23b) Der Beginn der Herrenmahltradition findet sich in Vers 23b, angezeigt durch einen Subjektwechsel (von Ἐγὼ zu ὁ κύριος Ἰησοῦς) nach dem ὅτι-rezitativum: Paulus nennt seinen Adressaten den Zeitpunkt der Mahlstiftung (»in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde«). Die Zeitangabe »Nacht« stimmt mit der synoptischen (Sederabend; vgl. Mk 14,12–17) und mit der johanneischen Überlieferung (Rüsttagsnacht; vgl. Joh 13,1; 19,14) überein. Daraus zu folgern, dass Paulus somit auch eine »Nacht« im Pesachkontext vor Augen hat, lässt sich vom Text her nicht unbedingt begründen.509 Allerdings setzt diese Notiz das Herrenmahl mit Jesu letztem Mahl in Beziehung und ruft dessen Erzählung in Erinnerung.510 Das Verb »ausliefern«511 steht in der 3. Pers. Sg. Imperfekt passiv, wodurch die Intensität des Ausgeliefert-Werdens Jesu ausgedrückt wird. Denkbar wäre als Subjekt der Auslieferung entweder Judas (vgl. Mk 14,42.44f.) oder Gott, wenn es sich hier um ein passivum divinum handelt – im Blick wäre folglich der gesamte Passionsvorgang (vgl. Röm 4,25; 8,32).512 Jedenfalls setzt Paulus ein Wissen um das Schicksal des irdischen Jesus voraus, das er mit dieser Formulierung bei den Adressaten abruft. II.2.2.4.2.3. Brothandlung und -Deutewort (1Kor 11,23c – 24) Die Beschreibung der Mahlhandlungen (V. 23c – 25) stellt im chronologischen Verhältnis zur einleitend genannten »Auslieferung« Jesu ein Hysteron-Proteron dar: Der Kyrios Jesus, der nun Subjekt und im Folgenden alleiniger Aktant ist, nahm zunächst Brot, sprach das Dankgebet darüber, brach es und sprach dazu ein Deutewort (vgl. V. 23c – 24). In Anknüpfung an die jüdische Mahlpraxis nimmt Jesus in dieser Darstellung die Ehrenposition des Hausvaters ein und vollzieht die Brothandlung, die mit drei Verben beschrieben wird: λαμβάνω/ lambano¯/»nehmen«, εὐχαριστέω/eucharisteo¯/»danken« und κλάω/klao¯/»brechen«.513 Über das Brot spricht er ein Dankgebet, dessen Worte nicht mitgeteilt 508 Rouwhorst, Eucharistic Meals, 99f., zeigt, dass die Einsetzungsworte im ostsyrischen Raum bis ins 4. Jh. nirgends als Bestandteil der Mahlliturgie erscheinen. 509 Gegen Hengel, Mahl, 147, der annimmt, dass »die Nacht die Passanacht war, wußte jedes Gemeindemitglied und mußte nicht mehr besonders erwähnt werden«. 510 Vgl. Schröter, Funktion, 84f., demzufolge die Paradosis als »Kultätiologie« fungiere (84). 511 S. Bauer, Wörterbuch, 1242, demzufolge παραραδίδωμι »übergeben, ausliefern, überlassen« bedeuten kann. 512 S. Lang, Kor, 152; Schrage, 1Kor III, 31, sieht hierin eine »verdichtete Kurzformel für die gesamte Passion Jesu«. 513 Einige Exegeten strapazieren die Deutung des »gebrochenen Brotes« über, indem sie hierin den Bezug auf das bevorstehende Getötet-Werden sehen (s. Jeremias, Abendmahlsworte,

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werden, und bricht es in Stücke. Das Austeilen und Essen des Brotes werden nicht beschrieben, aber wohl mitgedacht (vgl. V. 26). Die Beschreibung erweckt den Eindruck, als handele es sich um den rituellen Rahmen eines gewöhnlichen Gemeinschaftsmahls. Der deutlichste Unterschied liegt freilich darin, dass der Kyrios nicht selbst vom Brot isst, was aus dem folgenden Deutewort hervorgeht. Das Deutewort, welches Jesus im Anschluss an die drei Handlungen (nehmen, danken, brechen) spricht, wird in direkter Rede wiedergegeben und mit »er sprach« (Aor.) eingeleitet. Es umfasst zwei Sätze (V. 24b.c), deren Verben aufgrund der erzählten Rede im Präsens stehen.514 Beide Sätze beginnen mit dem Demonstrativpronomen τοῦτό/tuto/»dies« (n.), das sich aufgrund der grammatischen Inkongruenz nicht unmittelbar auf ἄρτος/artos/»Brot« (m.) beziehen kann.515 Es gibt zwei Möglichkeiten, das Pronomen zu erklären: Entweder verweist es als Prädikatsnomen auf σῶμα/so¯ma/»Leib«516 voraus oder es bezieht sich auf die vorausgegangene Brothandlung zurück.517 Diese Frage kann nicht eindeutig geklärt werden, wahrscheinlicher ist jedoch, dass das Demonstrativpronomen absolut gebraucht wird und auf das zuvor Beschriebene verweist. Nur auf diese Weise stehen Brothandlung und Brotwort in direkter Beziehung zueinander. Andernfalls müsste vorausgesetzt werden, dass dem Leser/Hörer die (metaphorische) Gleichsetzung von Brot und Leib vertraut ist. Es wird nicht selten angenommen, dass das hebräische bzw. aramäische ‫גו)י(ה‬/ gw(i)h den Deutungshintergrund für den σῶμα-Begriff bildet: ‫ גו)י(ה‬könne sich direkt auf eine Person beziehen und sei folglich als Ersatz des persönlichen Fürworts aufzufassen.518 Daher lasse sich das Brotwort auch mit »dies bin ich

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215; Knöppler, Sühne, 273). Es ist aber mit Gnilka, Mk II, 244, als Akt der jüdischen Mahlsitte zu verstehen – der Brotfladen wird zum Verzehr zerrissen. Von der Textform der dritten Korrektorgruppe von C, von K, L, P, Ψ, von den Minuskeln 81 (korrigiert), 365, 1505, vom Mehrheitstext, vom Altlateiner t, von der Vulgata editio Clementina sowie von der gesamten syrischen Überlieferung wird (vor τοῦτο) λάβετε φάγετε eingefügt. Demgegenüber bezeugen der Papyrus 46, die Majuskeln ‫א‬, A, B, die erste Korrektorgruppe von C, D, F, G und 0199 sowie die Minuskeln 6, 33, erste Hand von 81, 104, 630, 1175, 1241, 1739, 1881 und 2464, die Itala sowie die Vulgata editio Stuttgart, die gesamte koptische Überlieferung sowie die Kirchenväter Cyprianus (3. Jh.) und Pelagius (5. Jh.) und der Ambrosiaster diese Einfügung nicht. Die übereinstimmende Bezeugung des Papyrus 46 und ‫א‬, A, B – allesamt Handschriften der Kategorie I – spricht gegen die Einfügung. Als Grund für das Einfügen von λάβετε φάγετε kann (aus wirkungsgeschichtlicher Sicht interessant) von einem Einfluss von Mt 26,26 ausgegangen werden. Die textkritische Untersuchung zeigt im Allgemeinen die Tendenz, dass die handschriftlichen Überlieferungen dazu neigen, die neutestamentlichen Herrenmahltexte aneinander anzugleichen. S. Luz, Mt IV, 112. Dagegen Weidemann, Bundesblut, 84 Anm. 115; Konradt, Gericht, 418f. Anm. 1166f., demzufolge die Parallelität mit V. 26 es nahelege, »das Neutrum als Attraktion an das Prädikatsnomen« σῶμα zu erklären. Vgl. Schrage, 1Kor III, 34; Lindemann, 1Kor, 254; Wolff, 1Kor, 268. Vgl. Barth, Abendmahl, 17; Schröter, Abendmahl, 134. S. Strack/Billerbeck, Kommentar II, 492; Dalman, Jesus-Jeschua, 129–131.

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(selbst)«519 übersetzen. In der LXX begegnet σῶμα jedoch nur im Sinne von »Körper« (vgl. Gen 47,18; Ez 1,11) oder »Leichnam« (vgl. 1Chr 10,12; Nah 3,3). Angesichts fehlender Belege dafür, dass σῶμα »ich« bedeuten kann, ist von dieser Übersetzung Abstand zu nehmen – ganz abgesehen von der offenen Frage, ob das Deutewort auf eine semitische Vorlage zurückgeht. Der σῶμα-Begriff ist hier im Sinne der griechischen Bedeutung des Wortes mit »Leib/Körper« zu übersetzen und konkret auf Jesu »Person« zu beziehen.520 Auffällig ist die Stellung des Personalpronomens μου/mu/»mein«, das zwischen dem Demonstrativpronomen und dem Verb, aber nicht wie bei possessivem Gebrauch üblich, hinter dem Bezugswort (σῶμα) steht. Mit dieser Wortstellung wird betont, dass es sich um den Leib des Kyrios Jesus handelt. Ergänzt wird das Subjekt σῶμα durch τὸ ὑπὲρ ὑμῶν/to hyper hymo¯n/»das für euch« in starker attributiver Wortstellung. Das Pronomen τό/to rekurriert auf σῶμα; die Präposition ὑπέρ mit anschließendem Personalpronomen im Genitiv ist mit »für/zugunsten von/anstelle von«521 zu übersetzen: »Mein-für-euch-Leib«. Dass dieser Ausdruck schwer zu verstehen ist, wird auch aus textkritischer Sicht deutlich, da einige Textzeugen ein passivisches Partizip (»gebrochen, geopfert oder gegeben wurde«) ergänzen.522 Obwohl in der Herrenmahlüberlieferung das Empfangen und Essen des Brotes ausgespart wird, dürfte im Ausdruck τὸ ὑπὲρ ὑμῶν das Austeilen der Brotstücke an die Mahlteilnehmer und somit auch deren Verzehr impliziert sein (V. 26 setzt diese Mahlpraxis voraus). Diese Äußerung lässt sich als performativ charakterisieren: Indem der Kyrios sagt, der Leib sei für die Mahlteilnehmer, übereignet er ihn ihnen. Man könnte gedanklich ein ›Hiermit‹ einfügen, um dies zu verdeutlichen. Ziel der Äußerung ist es, dass die Mahlteilnehmer das Brot 519 Gnilka, Mk II, 244. Vgl. Schweizer, σῶμα, 773; Pesch, Abendmahl, 172; Scornaienchi, Sarx und Soma, 157; Hahn, Stand, 248, zufolge sei σῶμα als umfassenden anthropologischen Ganzheitsbegriff zu verstehen, der nicht auf ein paariges Gegenüber, wie das Blut, angelegt ist. 520 Vgl. Schweizer, σῶμα, 772; Weidemann, Bundesblut, 86. 521 Patsch, ὑπέρ, 948. Vgl. Schrage, 1Kor III, 35; Lindemann, 1Kor, 254. 522 Im Anschluss an ὑπὲρ ὑμῶν ist sowohl in der Textform der zweiten Korrektorgruppe von ‫א‬, der dritten Korrektorgruppe von C, der ersten Korrektorgruppe von D sowie in F, G, K, L, P, Ψ, in den Minuskeln 81, 104, 365, 630, 1175, 1241, 1505, der Marginallesart von 1739, 1881, 2464, im Mehrheitstext und in der gesamten syrischen Überlieferung κλώμενον eingefügt. Ebenfalls an dieser Textstelle fügt die erste Hand von D θρυπτούμενον und die gesamte koptische Überlieferung διδόμενον ein. All diese Einfügungen werden nicht von der Textform des Papyrus 46, den Majuskeln ‫א‬, A, B, C, den Minuskeln 6, 33, 1739, der Vulgata editio Stuttgart und dem Kirchenvater Cyprianus bezeugt. Es lässt sich vermuten, dass κλώμενον aus dem vorangehenden ἔκλασεν hergeleitet (Lk 24,25; Apg 2,42) und διδόμενον in Anlehnung an Lk 22,19 eingefügt wurde. Da die Handschriften, die keine Einfügung bezeugen, mehrheitlich der Kategorie I zuzuordnen sind, ist nicht von der Ursprünglichkeit der Hinzufügungen auszugehen, sondern diese als sekundäre Lesart zu bewerten.

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(an-)nehmen und essen – es handelt sich folglich zugleich um einen perlokutionären Sprechakt.523 Diese so genannte ὑπέρ-Formel (»für«) stellt eine der frühesten, mit variantenreichen Zusätzen bezeugte (vgl. 1Kor 15,3b – 5; Gal 1,4; Röm 4,25; 5,6.8; Eph 5,2; Mk 10,45; 14,24 par.), soteriologische Deutung des Todes Jesu dar. Die traditionsgeschichtliche Herkunft diese ὑπέρ-Wendung ist in der Forschung umstritten (s. II.3.3.4.). Im paulinischen Deutewort zur Brothandlung ist die Verbindung ὑπὲρ ὑμῶν überliefert, die ein Zweifaches zum Ausdrucken bringen dürfte: Zum einen gibt der Kyrios seinen Leib für die Mahlteilnehmer. Das Herrenmahl steht also im Horizont seines Todes. Durch das Essen des Brotes erhält zuerst jeder Einzelne Anteil am gestorbenen und auferstandenen Kyrios (vgl. Röm 6,1–14). Die einmalige Zusage im Taufgeschehen, der Gläubige wird an der rettenden Wirkung seines Todes Anteil erhalten, wird im Herrenmahl aktualisiert und physisch auf neue Weise erfahrbar. Zum anderen kommt durch ὑμῶν der kollektive Charakter der Zusage zum Ausdruck. Dadurch, dass alle Mahlteilnehmer Anteil erhalten und in einer Gemeinschaft mit dem Kyrios zusammengeschlossen sind, sind auch sie miteinander verbunden. Das Herrenmahl ist also ein Gemeinschaftsmahl, das zunächst und in erster Linie Koinonia mit dem Kyrios stiftet, dadurch aber gleichzeitig auch die Mahlteilnehmer untereinander zu einer Koinonia (im Kyrios) zusammenschließt (vgl. 10,16).524 Im Anschluss an Jesu Brothandlung vollzieht sich ein Bruch, denn durch das Deutewort erhält das Mahl an dieser Stelle einen anderen Charakter – es entspricht zwar formal noch dem jüdischen Gastmahl, aber inhaltlich nicht mehr, denn die Mahlgemeinschaft verzehrt den Kyrios, der sich mit den Mahlelementen selbst austeilt. Es entsteht der Eindruck, zwischen narrativem und monologischem Text vollziehe sich ein Wechsel vom handelnden irdischen Jesus zum deutenden Christus – der Kyrios-Titel lässt beide Bedeutungen zu. Die Vorstellung des sich im Mahl verteilenden Kyrios, von dem die Mahlteilnehmer essen, ist für die jüdische Mahltradition undenkbar. Die Darstellung unterscheidet sich folglich deutlich von einem gewöhnlichen jüdischen Gastmahl und wird im Folgenden unter dem Mahltypen »Kommunio«525 gefasst. 523 Vgl. Niemand, Abendmahl, 99. Zur Sprechakttheorie s. Linke/Nussbaumer/Portmann, Linguistik, 206–218. 524 Vgl. Klauck, Leib Christi, 201. 525 Die beiden Fachtermini »Kommunio« und »Konvivium« wurden u. a. von Ström geprägt, um zwei sakrale Mahltypen zu unterscheiden. Der Begriff Kommunio ist im eigentlichen Sinne mit »Gemeinschaft« zu übersetzen und bezeichnet die teilhaftige Gemeinschaft des Menschen mit Gott. Der Begriff Konvivium ist mit »Gastmahl« zu übersetzen und bezeichnet gegenüber der Kommunio ein sakrales Mahl, welches (meist im Zusammenhang mit Konvivienopfern, von denen ein Teil der Gottheit überlassen wird) zwischen Gott und Mensch eine Gemeinschaft stiftet (s. Ström, Prinzipienfragen, 27f., der die Einteilungen in ein mystisches und nicht-mystisches Kommunionsopfer von Widengren, Religionsphäno-

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Bemerkenswert ist zudem, dass die Jünger nicht explizit erwähnt werden, wodurch die Gemeinde an die Stelle der irdischen Begleiter Jesu treten kann: Durch das Personalpronomen ὑμῶν (V. 24) werden die (korinthischen) Adressaten direkt angesprochen und in das Herrenmahlgeschehen hineingenommen – sie sind es, denen sich der Kyrios im Mahl austeilt. Der zweite Satz der wörtlichen Rede (V. 24c) beginnt erneut mit dem Demonstrativpronomen τοῦτο, das auf das zuvor Beschriebene zurückweist. Der Rekurs auf die Brothandlung wird mithilfe des folgenden Imperativs Präsens »tut« verdeutlicht. Der Kyrios spricht die Adressaten direkt an und fordert sie auf, die die Brothandlung zu vollziehen (sowie das Brot zu empfangen und zu essen), um sich an ihn zu erinnern (εἰς τὴν ἐμὴν ἀνάμνησιν)526. Bemerkenswert ist, dass es bei dieser Erinnerung explizit um das (wiederholte) ›Tun‹ geht, wie sowohl der Imperativ Präsens als auch Vers 26 deutlich machen – umfasst das auch das Rezitieren der Deuteworte oder beschränkt es sich allein auf die Brothandlung?527 Soweit die korinthische Herrenmahlpraxis rekonstruiert werden kann, ist eher davon auszugehen, dass es um die Wiederholung der Mahlhandlung geht. Warum sollte Paulus die Deuteworte zitieren, wenn die Korinther sie bei jedem Herrenmahl hörten und sie ihnen somit geläufig waren? Indem er die Herrenmahlüberlieferung zitiert, möchte er doch gerade die korinthische Praxis kritisieren und den Korinthern die Bedeutung der ihnen bekannten Herrenmahltradition in Erinnerung rufen. Ohne die Deutung des Mahlritus hätte es schwerlich von einem gewöhnlichen Mahl unterschieden werden können und der Eindruck eines besonderen Mahls wäre für die Mahlteilnehmer kaum – wenn überhaupt durch das Sprechen des Dankgebets (V. 24) – ersichtlich gewesen. Da genau hierin das von Paulus kritisierte Mahlverhalten liegt (die Korinther haben das Herrenmahl eben nicht vom »eigenen Mahl« unterschieden), ist davon auszugehen, dass den Korinthern die Bedeutung oder der Kyriosbezug der menologie, 314, und in eine »hierophagische« und »theophagisch-konsubstantiierende« Kommunio von Bammel, Mahl, 165, weiterführt). 526 S. II.3.3.5. Der Begriff ἀνάμνησις wird auf verschiedene Traditionen zurückgeführt: Zum einen auf pagane (Toten-)Gedächtnismähler (Lietzmann, Messe, 223; Klauck, Herrenmahl, 316f., der anführt, dass er sich im alttestamentlich-jüdischen Sprachgebrauch nur in Num 10,10; Ps 37,1; 69,1; Lev 24,7; Weih 16,6; Joseph., Ant. 4,189; 19,318, findet) und zum anderen aus dem alttestamentlichen Sprachgebrauch hergeleitet (im Hintergrund des hebr. Wortes ‫ זִ ָכּר‬stehe die Wendung ‫( ְלזִ ָכּר ֺון‬vgl. Ex 12,14; 13,9; Lev 23,24; s. Jeremias, Abendmahlsworte, 229–246; Hahn, Herrengedächtnis, 304f.; Kosmala, Gedächtnis, 92). Ihm kommt in beiden Fällen aber eine übereinstimmende Bedeutung zu: erinnernde Vergegenwärtigung mit relevantem Gegenwartsbezug (»ἀνά« als ein »Sich-vor-Augen-führen«; s. Kosmala, Gedächtnis, 93f.) und nicht nur (wie im Deutschen) eine bloße »geistige Rückschau und Rückerinnerung« (Behm, ἀνάμνησις, 351. Vgl. Schrage, 1Kor III, 41). 527 Gegen die Rezitation ist Schröter, Abendmahl, 37; für die Rezitation sprechen sich Bornkamm, Herrenmahl, 155; Balode, Gottesdienst in Korinth, 79, aus.

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Einsetzungsworte nicht (mehr) bewusst war.528 Möglich ist, dass sein Brief den Ausschlag gab, die Einsetzungsworte liturgisch in die Mahlfeier einzubauen, um solch ein Missverständnis in Zukunft auszuschließen. Dann wären die Einsetzungsworte nicht von Beginn an bei der korinthischen Mahlfeier zitiert worden529 und Paulus wollte mit der Verortung in der Auslieferungsnacht und der Rückführung auf den Kyrios deren Bedeutung herausstellen. Ob die von Paulus beim Gründungsbesuch bereits eingeführte Zitation der Einsetzungsworte verloren ging – dahinter stehen die Fragen, wie Paulus das Herrenmahl mit den Korinthern gefeiert hat und inwiefern es durch einen liturgischen Rahmen geprägt war – oder aufgrund der Wirksamkeit konkurrierender Missionare bewusst ausgelassen wurde, lässt sich aus dem ersten Korintherbrief, in dem es Paulus um das Herausstellen der Koinonia geht, nicht ablesen.530 Offen bleibt auch, wem die Autorität zukam, nach dem Vorbild des Kyrios die Mahlgesten zu vollziehen. II.2.2.4.2.4. Kelchhandlung und -Deutewort (1Kor 11,25) Vers 25a enthält die Einleitung zum Kelchwort: ὡσαύτως/hosautos/»ebenso« [nahm der Kyrios] den Kelch (bestimmter Artikel) im Anschluss an das Essen (μετὰ τὸ δειπνῆσαι). Hieraus ergeben sich zwei Fragen: 1. Was meint Paulus mit »ebenso«? Aus dem Zusammenhang mit dem Brotwort (V. 23c.24a) lässt sich schließen, dass Jesus den Kelch nahm und das Dankgebet sprach. Da das Brechen des Brotes das (Aus-)Teilen umfasst, lässt sich dies ebenfalls auf die Kelchhandlung übertragen – somit ist davon auszugehen, dass der Kelch den Mahlteilnehmern übergeben wird und diese ihn untereinander teilen. 2. Bezieht sich Paulus mit »nach dem Essen« auf das Essen des Brotes oder auf eine Brot- und Kelchhandlung trennende Sättigungsmahlzeit? Die Semantik des substantivierten Infinitivs τὸ δειπνῆσαι macht es wahrscheinlich, dass der Ausdruck eine Unterbrechung der Brot- und Kelchhandlung durch eine (sättigende) Mahlzeit meint:531 »In the Bible it is never used to mean merely an act of eating: it refers to a meal«532. Auffällig ist aber, dass dieser Aspekt gegenüber der Beschreibung der Brothandlung und der beiden Deuteworte in der Überlieferung stark zurücktritt (s. II.2.2.4.1.).

528 Vgl. Schröter, Funktion, 94f. 529 Vgl. Betz, Gemeinschaft, 4, der anmerkt, dies bedeute nicht, dass sie nicht andernorts – dort, wo Paulus sie »empfangen« hat – rezitiert wurden. 530 Gegen eine bestimmte liturgische Gestalt sprechen Schröter, Funktion, 86f, zufolge die unterschiedlichen Mahldeutungen in Kap. 10 und 11. 531 Vgl. Lindemann, 1Kor, 254; Behm, δεῖπνον/δειπνέω, 34f. 532 Orr/Walther, 1.Cor, 272.

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In Vers 25a wird das Kelchwort, abweichend vom Brotwort, mit einem Partizip Präsens eingeleitet (λέγων) – dies impliziert, dass die Kelchhandlung und das Deutewort gleichzeitig erfolgen. Das Deutewort zur Kelchhandlung enthält, analog zum Deutewort der Brothandlung, zwei Teile (V. 25b.c): In Vers 25b kann sich das Demonstrativpronomen τοῦτο aufgrund grammatischer Kongruenz sowohl auf den Kelch als auch auf die zuvor nur angedeutete Kelchhandlung beziehen. Wahrscheinlich ist, dass das Pronomen in Übereinstimmung mit dem Brotwort auf die Kelchhandlung rekurriert. Gestützt wird diese Vermutung durch den Imperativ »tut« in Vers 25b, der die Teilnehmer zum Handeln auffordert. Der Kelch wird durch die Kopula »ist« mit dem Prädikatsnomen ἡ καινὴ διαθήκη/he¯ kaine¯ diathe¯ke¯ verbunden: Dieser Kelch bzw. diese Kelchhandlung »ist der neue Bund«. Durch den Erhalt des Kelchs und das Trinken daraus erhalten die Mahlteilnehmer den Zuspruch, dem neuen Bund anzugehören. In der Forschung ist umstritten, ob sie nach dem Vorbild des Sinaibundes oder unter Rückgriff auf Jer 31 eine neue Beziehung zu Gott eingehen (s. II.3.3.3.).533 Die Gewissheit dieser neuen Gottesbeziehung wird den Mahlteilnehmern durch den Kyrios im Herrenmahl vermittelt. Stellt man den Beginn der beiden Deuteworte untereinander, so wird deutlich, dass in erster Linie Leib und Bund – und nicht etwa Leib und Blut – miteinander parallelisiert werden: Brotwort: τοῦτό μού ἐστιν τὸ σῶμα […]. Kelchwort: τοῦτο τὸ ποτήριον ἡ καινὴ διαθήκη ἐστὶν […]. Daraus folgt, dass der Kyrios im Brotwort seinen Körper gibt, im Kelchwort hingegen primär den neuen Bund vermittelt. Da dieser neue Bund allerdings in seinem Blut geschlossen ist, ist auch das Kelchwort so zu verstehen, dass sich der Kyrios selbst gibt, um so das neue Bundesverhältnis zwischen Mensch und Gott erfahrbar zu machen.

Die Präposition ἐν/en/»in« in der anschließenden Adverbiale ἐν τῷ ἐμῷ αἵματι/en to emo haimati ist klärungsbedürftig. Anstatt eines lokalen Verständnisses der Präposition kommen eine instrumentale, im Sinne von »(besiegelt) mit/ durch«534, oder eine kausale Bedeutung, im Sinne von »(entstanden) wegen/ durch«535, in Betracht. Im Unterschied zum Deutewort der Brothandlung wird der Kelch bzw. die Kelchhandlung zunächst durch ein Abstraktum (Bund) gedeutet, welches anschließend durch ein auf den Körper bezogenes Konkretum (Blut) näher bestimmt wird. Der Bezug auf Jesu Tod wird erst durch die Ergänzung erkennbar.536 Folglich steht als Aussage im Zentrum, dass der Kyrios 533 534 535 536

Zur Diskussion vgl. Schrage, 1Kor III, 39f. Elliger, ἐν, 1095. Hier wird ἐν (τῷ) αἵματι »mit (dem) Blut« übersetzt. Bauer, Wörterbuch, 525. Hier wird ἐν (τῷ) αἵματι »durch (das) Blut« übersetzt. Als Übersetzungsvorschlag begegnen u. a. »durch das Vergießen seines Blutes« (Breytenbach, Versöhnung, 168, demzufolge »die Sühne wirkende Kraft des Todes Christi hervor-

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den neu geschlossenen Bund, der durch sein Blut sichtbar wird, den Mahlteilnehmern durch die Kelchhandlung und das Trinken aus dem Kelch als erfahrbare Dimension vermittelt. Im zweiten Erinnerungsbefehl (V. 25c) wird auf die nur angedeutete Kelchhandlung durch »tut dies« Bezug genommen – die Mahlteilnehmer sollen sich, sooft (ὁσάκις/hosakis) sie trinken, erinnern. Es ist möglich, »sooft« restriktiv zu verstehen: Sofern es sich bei dem Kelchinhalt um Wein gehandelt hat (dies lässt die paulinische Überlieferung offen), mag dieser insbesondere ärmeren Mahlteilnehmern nicht immer zur Verfügung gestanden haben.537 Wahrscheinlicher erscheint allerdings, dass sich »sooft« auf den Vollzug des Herrenmahls bezieht: Sooft die Mahlteilnehmer in der hier beschriebenen Handlung aus dem Kelch trinken, erinnern sie sich an den Kyrios Jesus.538 Es zeigen sich folglich Unterschiede in der Formulierung der beiden Wiederholungbefehle: Im Brotwort drückt der Imperativ aus,539 dass es vor allem um die Wiederholung der Brothandlung geht. Im Kelchwort hingegen wird neben der Kelchhandlung (»tut dies«) vor allem der Vollzug des wiederholten Trinkens (»sooft ihr trinkt«) gefordert. Welches Getränk der Kelch enthielt (Wein, Wasser oder ein Gemisch) und wie häufig aus ihm getrunken wurde, lässt sich aus dem Text nicht erschließen. Im Anschluss an die Analyse der beiden Beschreibungen der Mahlhandlungen und der Deuteworte stellt sich die Frage, welchen Mahlablauf Paulus vor Augen hat: Nimmt er auf eine das sättigende Mahl rahmende Brot- und Kelchhandlung Bezug oder auf eine zusammenhängende Doppelhandlung mit Brot und Kelch? Hierfür bietet die Forschung zwei Antworten – es stehen sich im Grunde zwei Erklärungsmodelle gegenüber, die die Deutung von προλαμβάνω weiterführen: 1. Für den Ablauf des korinthischen Herrenmahls hieße ein unterschiedlicher Beginn (temporale Bedeutung von προλαμβάνω), dass es in der Reihenfolge Sättigungsmahl – Herrenmahl (mit Brot- und Kelchhandlung als Doppelhandlung) begangen wurde. Demnach würden sich die Abfolge des korinthischen Mahls und der Herrenmahlüberlieferung nicht entsprechen.540 Bei

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gehoben« werde) oder ein metonymischer Bezug auf Jesu gewaltsamen Tod (s. Röhser, Stellvertretung, 118; Janowski, Sühne, 353 Anm. 472). S. Lang, Kor, 153. Zu berücksichtigen ist bei dieser Deutung, dass Paulus weder dieses Problem konkret benennt noch den Wein erwähnt und nicht deutlich wird, wer für die Organisation bzw. Finanzierung des Mahls zuständig war. Auch ist zu fragen, ob für Arme das in der Antike gängige Getränk Wein unerschwinglich war (s. II.3.3.1.). Es lässt sich die Vermutung anstellen, ob dieser Zusatz darauf verweist, dass ein Getränk im Gegensatz zum Brot nicht immer Teil der Herrenmahlfeier war (s. Schrage, 1Kor III, 43 Anm. 536), was aber für ein antikes Mahl unwahrscheinlich ist. Für ποιεῖν als einen wiederholenden Ritus existieren zahlreiche atl. Belege, z. B. Ex 12,47; 13,5; Lev 8,34; 9,6; Num 9,2–4.11–14; Dtn 16,1.10 (s. a. a. O., 41 Anm. 519). S. Bornkamm, Herrenmahl, 143f.155; Klauck, Herrenmahl, 292–297; Lang, Kor, 149–151,

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der Parenthese »nach dem Essen« könnte es sich jedoch um eine »altertümliche liturgische Formel«541 handeln – ein Überlieferungsfragment ohne Anhalt an der konkreten korinthischen Praxis. Aus diesem Grund sei auch bei Paulus bereits eine Trennung von Mahl und »sakramentaler Doppelhandlung«542 angelegt. Offen bleibt bei diesem Verständnis, weshalb »das Essen« in der paulinischen Herrenmahlüberlieferung zitiert wird. 2. Da sich der Missstand der korinthischen Mahlfeier im Zuge des Sättigungsmahls zeige (προλαμβάνω komme keine temporale Bedeutung zu), sei der Ablauf der Herrenmahlüberlieferung identisch mit dem korinthischen Herrenmahl. Das paulinische Zitat spiegle folglich die dortige Herrenmahlpraxis in der Reihenfolge Brothandlung – Sättigungsmahl – Kelchhandlung wider.543 Eine Variante dieser Position ist, dass Paulus das Zitat möglicherweise als mit der Autorität des Kyrios verbundene Traditionsbasis diente, um den Korinthern ihre kritikwürdige Praxis vor Augen zu halten und mithilfe dieses Verweises die ursprüngliche Mahlordnung in der Gemeinde wiederherzustellen.544 Die von Paulus zitierte Tradition zeigt zumindest, dass nicht das sättigende Mahl im Mittelpunkt steht, sondern die beiden Mahlelemente und -handlungen mit ihren Deuteworten. Auch Paulus stützt seine Argumentation in V. 26–29 auf die beiden Mahlgaben und kritisiert nicht den Mahlablauf oder das Sättigungsmahl. So, wie Paulus die Herrenmahltradition überliefert, tritt das sättigende Mahl deutlich hinter den Mahlhandlungen und Deuteworten zurück. Die Parallelität der Brot- und Kelchhandlung sowie der Formulierungen, die in den Deuteworten

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der das Kelchwort auf den dritten Becher beim Pesachmahl bezieht, über dem die Danksagung gesprochen wird. Argumente für diese Sicht sind vor allem 1. προλαμβάνει (V. 21), also das Vorwegnehmen eines eigenen Mahls, 2. die Kritik an dem Hervortreten der sozialen Unterschiede (V. 21) und 3. dass Paulus schärfer reagieren würde, wenn Gemeindemitglieder die Brothandlung verpassen würden (V. 33) (s. Schrage, 1Kor III, 13f.). A. a. O., 155. Klauck, Herrenmahl, 330. Vgl. Schröter, Abendmahl, 33, demzufolge entsprach der Mahlverlauf dem in 10,16 dargelegten. S. Wanke, δεῖπνον, 674; Hofius, Herrenmahl, 216–223; Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 286.291.322f. Sie entspräche zudem der antiken Mahlpraxis; Lampe, Herrenmahl, 183– 185.198–203, der Modell 1 und 2 verbindet, da er προλαμβάνω temporal versteht, aber einen Ablauf des korinthischen Mahls annimmt, der der paulinischen Überlieferung entspricht; vgl. ähnlich Theißen, Integration, 198–201, der eine Aufteilung des Sättigungsmahls vermutet (προλαμβάνω aber nicht temporal versteht): Es gäbe einerseits (aufgehobene) Speisen für das δεῖπνον im Zuge des Herrenmahls (gleichsam als »abgespecktes« Gemeinschaftsmahl) und andererseits Speisen, die ein (vorweggenommenes, privates) ἴδιον δεῖπνον ermöglichen. Er führt diese These auf die Spitze, indem er die Vermutung anstellt, dass sich das Teilen auch nur auf das mitgebrachte Brot und Getränk beziehen könnte, da einzig diese in der Herrenmahlparadosis erwähnt werden (192–198). Vgl. Balode, Gottesdienst, 69.

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begegnen (s. u.), erwecken durchaus den Eindruck, dass sie aufs Engste zusammengehören. Aus diesem Grund ist es denkbar, dass in der paulinischen Herrenmahlüberlieferung die Separierung von Sättigungs- und Herrenmahl bereits angelegt ist. Nimmt man zudem die ursprüngliche Wortbedeutung von προλαμβάνω ernst, so erscheint die Abfolge Sättigungsmahl – Herrenmahl für das korinthische Herrenmahl am wahrscheinlichsten.545 Auch aus praktischen Gründen könnte sich die Herrenmahltradition in diese Richtung entwickelt haben: Weil Brot- und Kelchhandlung durch das ursprünglich trennende Sättigungsmahl zeitlich weit auseinander lagen, könnte der Kyriosbezug für die Mahlteilnehmer in den Hintergrund getreten sein. Paulus will folglich den Korinthern zeigen, dass das Herrenmahl nicht so wie es einige Korinther eventuell aus ihrer Mahlsozialisation gewöhnt sind auf die individuelle Sättigung hin angelegt ist, sondern auf die Vergegenwärtigung des Kyrios und die Möglichkeit der Gemeinde, den Kyrios, der sich im Mahl selbst austeilt, als gegenwärtig zu erfahren. II.2.2.4.2.5. Die paulinische Deutung der Tradition (1Kor 11,26) Obwohl Paulus in Vers 26a Herrenmahlterminologie verwendet (Brot, Kelch, trinken, Kyrios), legen neben dem Personenwechsel – jetzt spricht Paulus – auch die Partikel γὰρ/gar/»denn«, die eine Begründung einführt, der Bezug auf den Tod des Kyrios sowie der neue Aspekt der Parusieerwartung (ἄχρι οὗ ἔλθῃ)546 nahe, den gesamten Vers als paulinische Kommentierung und Weiterführung der Überlieferung zu werten547 – ohne ein eschatologisches Element für die paulinische Tradition auszuschließen: Vers 26 ist für das Verständnis des von Paulus kritisierten korinthischen Mahlverhaltens von großem Wert. Der Apostel bringt darin zum Ausdruck, wie er die Intention des Herrenmahls versteht. Dazu wendet er sich direkt an die Korinther: »Immer wenn ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündet ihr (καταγγέλλετε)548 den Tod des Kyrios«. Beides ereignet sich aber nur im gemeinschaftlichen Vollzug, was Paulus mithilfe der durchgehenden Verwendung der 2. Pers. Pl. hervorhebt (ἐσθίητε, πίνητε, καταγγέλλετε). Dass in der Feier des Herrenmahls die Gemeinde mit dem Tod des Kyrios in Beziehung setzt, was 545 S. Vössing, Herrenmahl, 46f., der hierzu kritisch fragt, weshalb Paulus die Zeitbestimmung von μετὰ τὸ δειπνῆσαι hätte überliefern sollen, wenn »er doch die Adressaten gerade wieder auf den Geist der ursprünglichen Feier verpflichten wollte« (47). 546 Balode, Gottesdienst, 44f., zufolge gehöre das eschalogische Motiv zur Tradition, weil es auch bei den Synoptikern begegnet. 547 Vgl. Schröter, Funktion, 86; Betz, Gemeinschaft, 3, demzufolge eine Erklärung eingefügt ist. Dagegen ist Meding, Korinther, 548 Anm. 24, der Meinung, dass »vorpaulinisches Material« verarbeitet ist. 548 Sofern καταγγέλλετε als Ind. aufzufassen ist (s. Klauck, Herrenmahl, 318; Lang, Kor, 154).

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bereits in Vers 23b angelegt (»Auslieferungsnacht«) ist, wird nun aus paulinischer Sicht entfaltet – dieser Bezug bildet also den Rahmen des paulinischen Herrenmahlverständnisses. Die Einschränkung am Versende (ἄχρι οὗ ἔλθῃ) zeigt, dass diese Mahlfeier für Paulus ein Ablaufdatum besitzt – die Epiphrase ist Ausdruck der eschatologischen Hoffnung auf die baldige Parusie des Herrn. Da dieser eschatologische Ausblick in der von Paulus zitierten Tradition fehlt, wurde er von ihm selbst mit der Mahlfeier verbunden.549 II.2.2.4.3. Konsequenzen (1Kor 11,27–32) In den Versen 27–32 zieht Paulus Konsequenzen (Ὥστε, V. 27) aus den Versen 17–22 und der in den Versen 23–26 angeführten Paradosis hinsichtlich der Mahlpraxis der Korinther, die er als ἀναξίως/anaxios/»unwürdig, unangemessen« (V. 27) – also als Verstoß gegen den »stiftungsgemäßen Charakter des Mahls«550 – bezeichnet: Wer sich so verhalte, mache sich schuldig (ἔνοχος)551 (V. 27). Mithilfe dieses Begriffs, der in die Gerichtsthematik der folgenden Verse einleitet, führt Paulus den Adressaten vor Augen, welche Konsequenzen eine unwürdige Herrenmahlpraxis hat. Um diese Versündigung, Verfehlung bzw. das Schuldig-Sein am Leib und Blut des Herrn zu vermeiden, fordert Paulus die Mahlteilnehmer zur Selbstprüfung auf (V. 28),552 ob sie den Leib richtig unterscheiden bzw. beurteilen553 (V. 29), das heißt ein kyriosgemäßes Mahl begehen. Es wird kontrovers diskutiert, ob der paulinische σῶμα-Begriff ekklesiologisch oder christologisch aufzufassen sei – sich also auf den Körper Jesu beziehe oder die Gemeinschaft abbilde. Wie gezeigt, gibt Jesus sich in der Brothandlung selbst – dort bezieht sich σῶμα folglich auf Jesu Körper.554 Indem alle Mahlteilnehmer gleichsam ein Stück von Jesus erhalten und in sich aufnehmen, bilden sie als Gemeinschaft diesen »Leib« ab – in der Gemeinschaft ist Jesu Körper in und unter ihnen gegenwärtig. Das heißt, »›Leib‹ ist nicht, was die Gemeinde isst […], sondern was sie ist: eine korporative Einheit«555 (vgl. 10,17; 12,4–6.12–30). Dieses σῶμα der Gemeinschaft muss sich aber dahingehend prüfen, ob es ein kyriosgemäßes Verhalten an den Tag legt.

549 Gegen Hahn, Thesen, 235. 550 Lang, Kor, 154. Vgl. Klauck, Leib Christi, 16, der annimmt, das »Adverb beziehe sich auf die gesamte Handlung«. 551 Bauer, Wörterbuch, 541: man »versündigt sich an«; Gemoll, Wörterbuch, 294: »schuldig«; Kratz, ἔνοχος, 1117: »gefehlt haben« und im Sinne der Gerichtssprache. 552 S. Konradt, Gericht, 439f. 553 S. Bauer, Wörterbuch, 370. 554 Dagegen Klinghardt, Gemeindeleib, 51–55. 555 A. a. O., 52 (Hervorhebung im Original).

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In Vers 27 setzt Paulus das Essen des Brotes im Sinne der Herrenmahltradition mit dem Leib in Verbindung, das Trinken des Kelchs bezieht er hingegen ausschließlich auf das Blut des Kyrios und erwähnt den Bund nicht. Diese Elemente des Herrenmahls sollen von den gewöhnlichen Mahlgaben unterschieden werden; durch die Wahrnehmung dieses Unterschieds wird ihre besondere Bedeutung erkennbar.556 Die Folgen ihres Schuldig-Seins zeigen sich, so Paulus, bereits in der Gemeinde: Sie »krankt«557 (V. 30) und ist nicht in der Lage, ihr Fehlverhalten zu erkennen (V. 31), weshalb sie vom Herrn – als »erzieherische Maßnahme«558 – »strafend gezüchtigt«559 wird (V. 32), damit sie im Endgericht zu bestehen vermag.560 Diese Kastigation bedeutet, dass die gesamte Gemeinde die Schuld für diese Schicksalsschläge zu tragen hat.561 II.2.2.4.4. Ermahnungen (1Kor 11,33f.) Im Anschluss an die Darstellung der Konsequenzen, erneut durch »daher« eingeleitet, benennt Paulus zwei Ermahnungen für das künftige Herrenmahlverhalten der Korinther: zum einen die Aufforderung »erwartet einander« (V. 33b), und zum anderen um die Empfehlung »wenn jemand Hunger hat, esse er im/zu Haus« (V. 34a). Die Deutung dieser Forderungen ist in der Forschung, aufgrund unterschiedlicher Deutungen des Mahlverlaufs, umstritten: 1. ἀλλήλους ἐκδέχεσθε/alle¯lous ekdechesthe kann übersetzt werden mit »aufeinander warten«562. Paulus würde damit eine Änderung des Zeitpunktes bzw. Beginns des Sättigungsmahls verlangen.563 2. Übersetzt man mit »einander annehmen«564, wäre intendiert, dass durch das Teilen des mitgebrachten Essens soziale Unterschiede ausgeglichen und somit im Herrenmahl soziale Grenzen überwunden

556 S. Dautzenberg, διακρίνω, 733f. 557 Die Umstände in der Gemeinde zeigen, dass die Einheit der Gemeinschaft gefährdet ist (s. Lindemann, 1Kor, 259; Conzelmann, 1Kor, 247, versteht dies als Folgen von göttlicher Strafe). 558 Schröter, Abendmahl, 37. 559 Schneider, παιδεύω, 8. 560 S. Merklein/Gielen, 1Kor III, 102f.; Lang, Kor, 149. 561 Vgl. Konradt, Gericht, 450f. 562 Lindemann, 1Kor, 260. Vgl. Grundmann, δέχομαι, 55; Glasswell, ἐκδέχομαι, 988, die ἐκδέχομαι mit »erwarten, warten« übersetzen. 563 S. Klauck, Herrenmahl, 328f.; Lampe, Herrenmahl, 205, demzufolge die Empfehlungen in V. 34f. dazu führen sollen, dass ein für alle Teilnehmer gleichermaßen sättigendes Mahl zwischen den Herrenmahlhandlungen stattfindet (V. 33); wer dieses hinauszögernde Warten nicht aushält, soll seinen Hunger vorher zu Hause stillen (V. 34). 564 S. Hofius, Herrenmahl, 221; Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 297f.; Balode, Gottesdienst in Korinth, 46.

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werden. In diesem Fall würde Paulus in Vers 34 zwischen dem privaten Sättigungsmahl und dem Koinonia stiftenden Gemeinschaftsmahl differenzieren.565 Grundsätzlich ändert diese Deutung, die eine Konsequenz der Deutung von προλαμβάνω ist, nicht allzu viel: Paulus kritisiert das Hervortreten sozialer Unterschiede und damit die Ablenkung von dem eigentlichen Sinn und Zweck des Herrenmahls: die Aktualisierung des Kyriosbezugs. Beide Erklärungsmodelle legen dieselbe Konsequenz der paulinischen Empfehlung nahe: Die sozialen Probleme treten zu Gunsten des Herrenmahls in den Hintergrund. Es wird ferner diskutiert, ob Paulus in Vers 34 als Konsequenz für die korinthische Mahlpraxis anregt, das sättigende Mahl vom Herrenmahl zu trennen.566 Die paulinische Intention wäre dann dahingehend zu bestimmen, dass nicht die Ärmeren von dem Essen der Reicheren profitieren, sondern die Reicheren sich in ihren »Essgewohnheiten bei Gemeinschaftsmahlen dem sozial Schwächeren anpassen«567 sollen – wenn sie dazu nicht in der Lage sind, bestehe nur die Möglichkeit, sich zu Hause zu sättigen. Es zeigt sich, dass Paulus deutlich zwischen Sättigungs- und Herrenmahl unterscheidet. Der Grund liegt darin, dass das Anliegen des Herrenmahls nicht die Sättigung ist, sondern die Gemeinschaftsstiftung zwischen dem Kyrios und den Gläubigen sowie zwischen den Gläubigen untereinander. Paulus beschließt diesen Abschnitt mit der Andeutung von weiteren Missständen in der Gemeinde (V. 34b). Diese will er aber erst beseitigen, wenn er die Gemeinde erneut besucht. Er nimmt folglich in Kauf, dass Probleme der Adressaten ungelöst bleiben.

II.2.2.5. Zusammenfassung Die paulinischen Ausführungen zur Herrenmahlproblematik in Korinth lassen sich in sieben Punkten bündeln: 1. Kontext: Paulus kommt im ersten Korintherbrief zweimal auf das Herrenmahl zu sprechen: zum einen als Kontrast zu dem Götzenopferkult (10,3f.16f.21), zum anderen wegen der kritikwürdigen Herrenmahlpraxis der korinthischen Gemeinde, der er deshalb die Herrenmahltradition erneut vorträgt (11,17–34), um ihnen ihr unwürdiges Verhalten zu verdeutlichen. Den beiden Erwähnungen entsprechen zwei Forderungen des Paulus an die Korinther: Sie sollen erstens die Teilnahme am Götzenopferkult aufgeben (10,14.20) und zweitens entgegen ihrer bisherigen Praxis Herren- und Sättigungsmahl 565 Vgl. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 297–301. 566 S. Jeremias, Abendmahlsworte, 114f.; Roloff, Neues Testament, 283. Dagegen u. a. Löhr, Abendmahl, 68; Schröter, Abendmahl, 34f. 567 Theißen, Integration, 193.

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voneinander unterscheiden (11,20–22.27–29). Der Grund hierfür ist identisch: Die Gemeinde soll sich in ihrer Mahlpraxis von ihrer Bindung an den Kyrios bestimmen lassen. Wie die Spaltungen in Korinth zeigen, spielt die gesellschaftlich horizontal geübte Mahlkultur in das vertikale gesellschaftliche Selbstverständnis der Gemeinde – alle sind eins in Christus – hinein: Die Vermögenden schlemmen weiter unter sich, die nach ihrem Tagewerk hinzutretenden Unterprivilegierten, die auf die Speiseräume der Reichen als Versammlungsraum angewiesen sind, treffen auf Satte und Betrunkene. Weil Paulus die Herrenmahltradition zur Regelung einer konkreten Gemeindeproblematik anführt und er die kyriosgemäße Feier (wieder-)herstellen möchte, kann sie nicht ohne Weiteres zur Rekonstruktion der allgemeinen korinthischen Mahlpraxis dienen. Der Kontext weist keine erkennbare Verbindung von Pesach- und Herrenmahl auf. 2. Mahlteilnehmer: Die Mahlteilnehmer sind die korinthischen Gemeindemitglieder, bei deren Zusammenkünften zum Mahl es zu Spaltungen gekommen ist (11,18–21). Da sich die Gemeinde aus christusgläubigen Juden und aus konvertierten Heiden zusammensetzt, ist es denkbar, dass im Hintergrund des von Paulus kritisierten individualistischen Mahlverhaltens nicht-christliche Mahlpraktiken stehen könnten, mit denen die korinthischen Gemeindemitglieder vertraut sind (vgl. 8,7; 10,14.18–21). Bei der Zitation der Herrenmahlüberlieferung werden die in der Auslieferungsnacht (11,23b) Anwesenden nicht benannt, sodass die Hörenden die Worte des Kyrios direkt auf sich beziehen konnten. 3. Der Gastgeber: In der von Paulus zitierten Herrenmahlüberlieferung nimmt der Kyrios Jesus die Rolle des jüdischen Hausvaters ein, der die Mahlhandlungen vollzieht und die Deuteworte spricht. Auf ihn wird die Mahlstiftung zurückgeführt, die in der Auslieferungsnacht ihr Ursprungsdatum hat. Es zeigt sich, dass der Kyrios-Titel also bereits in vorpaulinischer Tradition mit dem Herrenmahl verbunden war (vgl. 10,21f.; 11,20.23.26f.32). Paulus zufolge ist Christus derjenige, der die geistliche Nahrung spendet, das heißt, er ist der Ursprung des Mahls – ohne ihn gäbe es dieses Mahl nicht (10,4c). Weiterhin gründet in Christus die Koinonia, die sich im Herrenmahl zwischen ihm und den Mahlteilnehmern (10,16) und dadurch unter den Mahlteilnehmern (10,17) konstituiert. 4. Mahlgaben und -gesten: Das Herrenmahl steht im Zusammenhang mit einem sättigenden Gemeinschaftsmahl (11,25a). Für das Herrenmahl sind die Mahlgaben Brot und Kelch, dessen Inhalt nicht genannt wird, obwohl aus ihm getrunken wird (vgl. 11,26–29), charakteristisch. Paulus macht deutlich, dass sich die Mahlteilnehmer entsprechend der besonderen Qualität der Speisen zu verhalten haben, wollen sie ein kyriosgemäßes Mahl feiern (10,5f.; 11,20–22.27).

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Die Mahlhandlungen (nehmen, danken, brechen), die beim Kelch nur indirekt beschrieben werden, erfolgen nach dem Vorbild des Kyrios (11,23–25): das Brechen des Brotes (10,16b) und das Lobpreisen (εὐλογέω) des Kelchs (10,16a). 5. Die Deuteworte: Aus der Rolle des Hausvaters formuliert der Kyrios die Deuteworte zum Brot und zum Kelch (11,24b.c.25b.c). In diesem Zuge ändert sich seine Rolle, indem er vom Vollziehenden zum Deutenden des Vollzogenen wird. Gedeutet werden vermutlich nicht nur die Mahlgaben an sich, sondern auch die mit ihnen verbundenen Handlungen, die die Mahlteilnehmer an den Kyrios Jesus erinnern sollen. Offenbar reichte die Symbolik dieser gemeinschaftlichen Handlungen in der korinthischen Gemeinde nicht aus, den Kyriosbezug für alle erkennbar zu machen, sodass Paulus die Mahlüberlieferung mit den Deuteworten des Kyrios in Erinnerung ruft: Im Brotwort deutet der Kyrios seinen Leib (10,16b; 11,24b) »für euch«, also die Christusgläubigen. Im Kelchwort geht es um den neuen Bund in seinem Blut. Dabei wird die Bundesdeutung durch das Blutmotiv ergänzt (11,25b). Paulus selbst verbindet den Kelch nur mit dem Blut Christi, ohne Erwähnung des Bundesbegriffs (10,16a; 11,27). 6. Mahltyp: Durch Jesu Rolle bei den beschriebenen Mahlhandlungen erinnert die Herrenmahlüberlieferung zunächst an ein gewöhnliches jüdisches sättigendes Gemeinschaftsmahl. Ein erster Unterschied besteht darin, dass Jesus nicht mitisst. Ein zweiter kommt in den Deuteworten zum Ausdruck: Christus (10,4c) bzw. der Kyrios (11,24b.25b) identifiziert sich mit den Mahlgaben, teilt sich selbst aus und alle Mahlteilnehmer erhalten durch den Verzehr Anteil an ihm (10,16; ὑπὲρ ὑμῶν in 11,24b). Dadurch wird zwischen dem Kyrios und den Mahlteilnehmern engste Gemeinschaft hergestellt. Diese Herrenmahldeutung entfaltet Paulus in 10,16f. weiter: Aufgrund der gemeinsamen substantiellen Anteilhabe am Kyrios, die das Herrenmahl in erster Linie vermittelt, werden auch die Mahlteilnehmer zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen (10,17). Daraus ergibt sich die Forderung des Paulus an die Gemeinde, sich dieser Koinonia würdig zu verhalten und sich an ihr zu orientieren. Das Herrenmahl ist für Paulus kein Sättigungsmahl – wer es aufgrund seiner Mahlsozialisation dazu macht, verkennt seinen Sinn: Der Kyrios teilt sich in diesem Mahl allen Teilnehmern gleichermaßen mit – wer den Kyrios in gemeinschaftswidriger Weise verschlingen will, zieht sich dessen Züchtigung zu (11,29f.). 7. Mahldeutung: Weil der Leib des Herrn im Mahl gebrochen und verteilt sowie »in seinem Blut« der neue Bund begründet wird, setzt die paulinische Herrenmahlüberlieferung Jesu Tod voraus – das heißt, sie ist aus nachösterlicher

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Perspektive formuliert. Infolgedessen gilt sein Tod als soteriologisch bedeutsam, ohne dass dies genauer konkretisiert wird. Wie die Beschreibung des Mahltyps zeigt, geht es nach paulinischem Verständnis im Herrenmahl nicht um das sättigende Essen des Brotes und das Durst stillende Trinken aus dem Kelch, sondern um die erinnernde Vergegenwärtigung der in der Taufe zugeeigneten Teilhabe am Kyrios. Durch den Genuss von Jesu Todesblut werden die Mahlteilnehmer in eine Bundesbeziehung zu Gott hineingenommen. Im Mahl vergegenwärtigen sie die Koinonia mit Christus und erfahren sich als Koinonoi untereinander. Es ist nicht das vorrangige Anliegen des Paulus, durch die Zitation der Herrenmahlüberlieferung die Mahlpraxis der Korinther zu korrigieren, sondern deren Mahlverständnis (V. 26): Durch das Herrenmahl wird der Tod des Kyrios bis zu seiner Parusie vergegenwärtigt. Paulus versteht das Mahl gleichsam als Wegzehrung, die die Gegenwart des Kyrios verbürgt, und dadurch ist es für ihn zugleich Ausdruck der eschatologischen Hoffnung auf seine baldige Parusie.

II.2.3. Herrenmahldarstellung in den synoptischen Evangelien In den synoptischen Evangelien begegnen viele Mahldarstellungen: Neben den Speisungswundern (Mk 6,30–44 parr.; 8,1–9 par.) und dem Zöllnermahl (Mk 2,15–17 parr.; vgl. Lk 14,12–14.21–24) dient das Mahl auch zur Erkennung des Auferstandenen (Lk 24,30f.). Aber lediglich im Herrenmahl begegnen die beiden Mahlgaben Brot und Kelch und auch nur dort werden sie mit Jesu Leib und Blut in Beziehung gesetzt. Wie gezeigt, begegnet der Begriff »Herrenmahl« nur bei Paulus, dennoch wird aus genannten Gründen weiterhin auf diesen zurückgegriffen, sofern die christliche Mahlfeier im Blick ist – zur Beschreibung des narrativen Charakters wird allerdings die temporale Bestimmung des »letzten Mahls Jesu« verwendet, um auf die Einbettung in den Passionskontext als eine Station aus Jesu Leben zu verweisen. Die markinische Herrenmahldarstellung bildet die Textgrundlage, weshalb im Anschluss an deren Analyse lediglich matthäische und lukanische Besonderheiten und Unterschiede ihrer Herrenmahldarstellung aufgezeigt werden. Im Anschluss an die Analyse der synoptischen Herrenmahlberichte werden weitere Mahldarstellungen der synoptischen Evangelien in den Blick genommen, um mit Hilfe von Vergleichen herausstellen, worin die Besonderheit des Herrenmahls im Gegensatz zu den übrigen Mahlbeschreibungen besteht und ob Verbindungslinien erkennbar sind.

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II.2.3.1. Die markinische Herrenmahldarstellung Über den Verfasser des Evangeliums nach Markus ist wenig bekannt. Da er mit der Geographie Palästinas (vgl. 5,1; 10,1.46; 11,1) und mit jüdischen Bräuchen wenig vertraut ist (vgl. 7,3f.; 14,1.12; 15,42), liegt der Schluss nahe, er habe sein Werk außerhalb von Palästina für eine heidenchristlich geprägte und griechischsprachige Gemeinde verfasst. Als Abfassungsorte werden u. a. Antiochia568 bzw. Syrien569 und Rom570 diskutiert. Da der Autor semitische Worte korrekt wiedergibt und übersetzt (3,17; 5,41; 7,11.34; 9,43; 14,36; 15,22.34),571 muss offen bleiben, ob auch er Heidenchrist572 war. Entstanden ist das Evangelium nach Markus in der Zeit des Jüdischen Krieges – ob vor oder nach der Tempelzerstörung im Jahr 70, ergibt sich aus der Interpretation von 13,2: Entweder ist der Vers eine »nachträgliche Weissagung«573, die auf die Katastrophe zurückblickt, oder eine echte Prophezeiung angesichts der verzweifelten Situation in Jerusalem.574 Der Verfasser des ältesten Evangeliums, der als »theologischer Geschichtserzähler, nicht als ein literarischer Geschichtsschreiber«575 verstanden werden muss, hat die Wahrnehmung und Deutung der christlichen Mahlfeier durch seine Erzählung von der Passion Jesu, die den Höhepunkt seines Werkes bildet, entscheidend mitgeprägt.576

568 S. Schmithals, Mk I, 49; Conzelmann/Lindemann, Arbeitsbuch, 321, als Gründe hierfür werden die Nähe zur Jesusüberlieferung sowie die Erzählung der »Syro-Phönizierin« (7,24– 30) angeführt. 569 S. Schenke, Mk, 47; Theißen, Lokalkolorit, 246–261, der annimmt, er gehörte zum Kreis des Barnabas; Schnelle, Einleitung, 242, demzufolge sowohl die Kenntnisse im Griechischen als auch Aramäischen dafür sprechen. 570 Dazu Feldmeier, Markusevangelium, 106; Michaelis, Einleitung, 53f.; Schnelle, Einleitung, 242. Der Grund wird u. a. in den Latinismen gesehen (z. B. 5,9.15; 6,37; 12,42; 15,39.44f.). Dagegen mit ausführlicher Begründung Bendemann, Latinismen, 40–46. 571 S. Rüger, Aramaismen, 73–84. 572 S. Feldmeier, Markusevangelium, 106. 573 Conzelmann/Lindemann, Arbeitsbuch, 321. 574 S. Grundmann, Mk, 19; Michaelis, Einleitung, 54, denen zufolge das Markusevangelium während des Jüdischen Krieges verfasst wurde (64/67–70 n. Chr.). 575 Gnilka, Mk I, 24. 576 Zum »Evangeliums-Begriff« s. Pokorný, Gospel, 196: »Mark decided to use the term euangelion in the sense of the Easter Gospel as the key term […]. The book describes the decisive part of Jesus earthly life, but continually relates this to his attested new post-Easter function […]. The readers (hearers) of the book are able to understand who this Jesus Christ was who was raised by God according to the orally proclaimed euangelion.«

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II.2.3.1.1. Der Kontext: Die Passion Jesu (Mk 14f.) Den Kontext der markinischen Herrenmahldarstellung bildet der chronologisch und topographisch sorgfältig strukturierte Passionsbericht, der auf die Botschaft von der Auferweckung Jesu in seinem Grab zuläuft. In der Mahlszene (14,17–26) verknüpft Markus zwei Erzählfäden – den Verrat Jesu durch Judas und die Feier des Pesach durch Jesus und seinen Schülerkreis:577 Zwei Tage vor dem Pesachfest beschließen die Hohenpriester und Schriftgelehrten, den in Jerusalem öffentlich auftretenden Jesus »mit List« festzunehmen und zu töten (14,1). Markus gibt als Grund für die heimliche Verhaftung die Furcht vor einem Volksaufstand an (14,2). Nach der Chronologie der Erzählung befindet sich Jesus zu diesem Zeitpunkt außerhalb der Stadt im Ort Bethanien, wo er von einer Frau die Totensalbung empfängt (14,3–9). Die »List« gelingt im Folgenden dadurch, dass Judas, einer aus dem Zwölferkreis, den Hohenpriestern anbietet, Jesus an sie auszuliefern (14,10f.). Am Rüsttag, den Markus hier als ersten Tag des mit dem Mazzotfest gleichgesetzten Pesachfests bezeichnet (14,12; vgl. 14,1; 15,42), treffen Jesu Schüler in seinem Auftrag die Vorbereitungen für das Pesachmahl (14,12–16).578 Als sie am Abend zu Tisch liegen und essen, eröffnet Jesu seine bevorstehende Auslieferung durch einen der Zwölf, die mit ihm die Schüssel teilen (14,17–21). Nach dieser Zäsur nimmt das Mahl seinen Fortgang, indem Jesus seinen Schülern Brot und Kelch unter deutenden Worten zum Verzehr reicht und in seinem Schlusswort seine irdische Mahlgemeinschaft mit ihnen für beendet erklärt (14,22–25). Bemerkenswerterweise spielt das Pesachmotiv nur im Kontext des Abendessens eine Rolle (14,1.12.14.16), in der Mahlschilderung selbst fehlt es (14,17–26a), wie im gesamten übrigen Evangelium auch. Nach dem Mahl findet ein Ortswechsel statt. Jesus begibt sich mit seinen Schülern zum Ölberg. Dort kündigt er ihnen an, dass er sterben und auferstehen, die Schülerschar sich von ihm abwenden und Petrus ihn verleugnen werde (14,26579-31; die Prophezeiungen erfüllen sich in 14,50.66–72; 15,37; 16,7). Erneut wechseln sie den Ort und kommen zu einer Stätte namens Gethsemani, wo Jesus allein – auch seine engsten Schüler sind eingeschlafen – Gott um Bewahrung vor 577 Vgl. Sandnes, Meal, 3. 578 Ein bemerkenswerter Unterschied zur lukanischen Darstellung besteht darin, dass der lukanische Jesus die Vorbereitung selbst initiiert (zu den Unterschieden s. Green, Death, 27f.). 579 In Mk 14,26 (vgl. Mt 26,30; Lukas greift diesen Vers trotz seines Pesachbezugs nicht auf) wird beschrieben, dass Jesus und die Jünger vor dem Gang zum Ölberg einen Hymnus sagen oder sprachen (ὑμνήσαντες). Einige Forscher sehen in dem Verb ὑμνέω den Hinweis auf den zweiten Teil des Hallels (Ps 115–118), den Lobgesang, der das Pesachmahl beschließt (s. Bauer, Wörterbuch, 1666; Gnilka, Mk II, 247, demzufolge die Vorschrift von Ex 12,22, in der Pesachnacht das Haus nicht zu verlassen, für die Zeit Jesu nicht mehr zutrifft). Ob hier tatsächlich eine Anspielung auf das Pesachhallel vorliegt, lässt der Text offen. V. 26a dient vielmehr der Überleitung von der Mahlszene zum Gang auf den Ölberg.

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seinem Tod bittet,580 sich aber vertrauensvoll in dessen Willen ergibt (14,32–42). Unmittelbar anschließend wird er von den herbeieilenden Häschern des Synhedriums auf Judas’ Zeichen hin festgenommen (14,43–49). Jesus wird vor das Synhedrium geführt, wo er verhört, zum Tode verurteilt und dann an Pontius Pilatus ausgeliefert wird (14,53–65; 15,1). Nach einem Versuch, ihn zu verhören, verurteilt er ihn widerwillig auf Wunsch der Menge zum Kreuzestod (15,2–20a), der schließlich auf Golgatha vollstreckt wird (15,20b – 39). Jesus stirbt folglich an dem mit dem Sederabend beginnenden Tag, den Markus als »Rüsttag« bzw. »Vorsabbat«, also als Freitag vor der Sabbat, bezeichnet (Mk 15,42).

II.2.3.1.2. Das »Verrätermahl« (Mk 14,17–21) Die Einleitung des markinischen Herrenmahlberichts bilden die Verse 12.17–21, wobei Vers 12a in umgekehrter Reihenfolge Vers 1 aufgreift: Das Folgende ereignet sich »am ersten Tag der ungesäuerten Brote, als man das Pesach(-lamm) schlachtete« (V. 12a). Die markinische Datierung ist an dieser Stelle undeutlich:581 Handelt es sich um den Tag, an dem das Pesachfest beginnt (15. Nisan)582 oder um den Rüsttag zum Fest, an dem das Pesachlamm geschlachtet wird (14. Nisan)? Nur letztere Datierung würde bedeuten, dass das markinische letzte Mahl Jesu ein Pesachmahl war, andernfalls wäre es lediglich ein Mahl im Kontext des Pesachfests.583 Jedenfalls ist festzuhalten, dass Markus die doppelte Mahlszene in den Pesachmahlkontext einbindet584 – wobei bemerkenswert ist, dass die typischen Mahlelemente des Pesachmahls, wie Lamm, ungesäuertes Brot, Bitterkräuter, keine Erwähnung finden. Den Grund für den Verrat durch Judas, der der folgenden Mahlszene ihren Namen gibt, berichtet Markus nicht: Judas geht aus eigener Initiative zu den Hohenpriestern, um ihnen seine Verratsdienste anzubieten (V. 10).585 Dies erfreut sie so sehr, dass sie ihm daraufhin Geld als Belohnung versprechen, woraufhin Judas ersucht sein Vorhaben schnellstmöglich in die Tat umzusetzen (V. 11). Somit wird Judas vom Evangelisten als Erfüllungsgehilfe des Synhedriums dargestellt (14,1; 14,10f.; 14,43–47). 580 Bemerkenswert ist der Wortlaut der Bitte: »nimm diesen Kelch von mir« (V. 36; s. II.3.3.1. zur antiken Bedeutung des Kelchs). 581 Es lässt sich fragen, inwiefern der Evangelist mit dem Beginn des Tages um 18 Uhr vertraut war. 582 Dies ist der erste Tag des siebentägigen Mazzotfestes, das zur Zeit Jesu wohl mit dem Pesach verbunden war (s. Braun, Jesus, 40). 583 Schenk, Passionsbericht, 183, zufolge sei in V. 12 eindeutig das Pesachlamm gemeint. 584 Hengel, Mahl, 138, möchte diese »chronologische Ungenauigkeit« nicht überbewerten. 585 In Lk 22,3 fährt der Satan in Judas, woraufhin er sich zu den Hohenpriestern auf den Weg macht.

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Das Verb παραραδίδωμι umfasst zwei Bedeutungsnuancen, nämlich »übergeben«/»ausliefern«586, weshalb es häufig im Passionskontext Verwendung findet und von daher diesen mitdenken lässt (vgl. 1Kor 11,23).587 Das Verrätermahl, welches von Markus in den Versen 17–21 geschildert wird, leitet der Evangelist erneut mit einer Zeitangabe ein: Abends kommen alle zwölf Jünger mit Jesus an dem von zwei Jüngern vorbereiteten Ort (vgl. V. 12b – 16) zusammen (V. 17). Nimmt man die vorangegangene Perikope ernst, so entspräche es der inneren Erzähllogik, wenn nur zehn Jünger Jesus begleiten, da sich zwei durch ihre Vorbereitungen bereits vor Ort befinden müssten.588 Es handelt sich folglich allein um den Jüngerkreis, an den sich Jesu Verratsansage richtet. Bemerkenswert ist, dass im Zuge des Verrätermahls keine Mahlhandlungen beschrieben werden; die Mahlbeschreibung tritt folglich hinter der Absicht zurück, auf den Verrat hinzuweisen.589 Auf Jesu Verratsankündigung während des gemeinsamen zu-Tische-liegens (ἀνακειμένων, V. 18), bei der der Verräter nicht identifiziert wird,590 zeigt Vers 19 deutlich, dass sich jeder Jünger traurig bewusst wird, selbst der Auslieferer sein zu können: »Vielleicht (doch) ich?«591 Die Jünger kommen also in ihrer Ungewissheit zu Wort. 586 S. Bauer, Wörterbuch, 1242–1244; nach Popkes, παραδίδωμι, 43, sei der Verrat der abgeleitete Sinn des Auslieferns. 587 S. Büchsel, παραδίδωμι, 172. 588 Vgl. Culpepper, Mark, 491. 589 Vgl. Schweizer, Mk, 163. Lk verändert den Ablauf, indem er die Ankündigung des Verrats hinter den Deuteworten platziert, wodurch Judas, ohne als Verräter identifiziert zu sein, am Herrenmahl teilnimmt (Lk 22,21–23). 590 Dies führt Culpepper, Mark, 492; Evans, Mark, 375, zu der Annahme, Jesus kenne den Verräter nicht. 591 Gegen Bauer, Wörterbuch, 1053; Culpepper, Mark, 492, denen zufolge hier eine vereinende Antwort verlangt wird. Das Fragepartikel ist der Kategorie »die Antwort ist ungewiss« zuzuordnen (s. Gnilka, Mk II, 237). Im Unterschied zu Mk erweitert Mt seinen Text um einen entscheidenden Vers, in dem Judas die Frage direkt an Jesus richtet: »μήτι ἐγώ εἰμι, ῥαββί«? (V. 25). Jesus bejaht seine Frage, wodurch der Verräter enttarnt und nun nicht mehr durch die Anonymität geschützt ist, aber zugleich auch die anderen Jünger entlastet werden. Lk fügt das »Verrätermahl« im Gegensatz zu den beiden anderen Synoptikern hinter seinen Einsetzungstext in deutlicher verkürzter Form, aber inhaltlich mit Mk übereinstimmend, ein (vgl. Lk 22,21–23). Der einzige Unterschied besteht darin, dass bei ihm die Unsicherheit der Jünger, die keine direkte Frage an Jesus richten, am Ende steht (V. 23) und ihr das Menschensohnwort vorangeht (V. 24). Weitere Abweichungen zeigen an einigen Stellen überraschenderweise eine Nähe zur johanneischen Darstellung (vgl. Wolter, Lk, 688–691): Der Verrat des Judas beginnt damit, dass der Satan in ihn fährt (Lk 22,3; Joh 13,27). Das Wort über den Auslieferer spricht Jesus nicht wie in Mk 14,17–21 vor dem letzten Mahl, sondern danach (Lk 22,21–23; Joh 13,21–30). In Lk 22,34 (Joh 13,38) wird die Verleumdung des Petrus direkt nach dem letzten Mahl angekündigt, dessen Worte treten in Lk 22,31–32 an die Stelle, an der Mk die Flucht der Jünger ankündigt (Mk 14,27–28) (eben diese Flucht fehlt daher bei Lk hinter V. 53).

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Vers 20 ist eine inhaltliche Dublette von Vers 18 und betont die an den Zwölferkreis gerichtete Verratsansage Jesu erneut, aber ohne den Verräter zu identifizieren und somit die Fragenden nicht von ihrer Sorge zu befreien. Dieser Vers beschreibt dazu das Mahl so, dass gemeinsam (vermutlich Brot) in eine Schüssel getaucht wurde – die Mahlteilnehmer also von einem Mahlgeschirr mit den Fingern die Nahrung aufnehmen, ohne dass eine pesachspezifische Mahlhandlung erkennbar wird.592 Im Menschensohnwort (V. 21) wechselt die Erzählperspektive von der Vorhersage des Verrats – im Blick war der Täter – zum Schicksal des Menschensohns – im Blick ist Gottes Wille. Das Verb ὑπάγω/hypago bezeichnet das künftige Sterben Jesu in euphemistischer Weise.593 Das Wort ist auf kein direktes Schriftzitat zurückzuführen, sondern »entspricht dem in den Schriften verfügten Willen Gottes«594. Die Abmilderung des Fluchs ist möglicherweise durch Mk 3,28 vorausgesetzt. Diese Verse führen die zweiteilige Pointe der Perikope vor Augen: Es geht weder nur darum, darzustellen, dass Jesus (allwissend) den Verräter kennt, noch möchte er ihn vor seiner Tat warnen. Vielmehr stehen Gottes Wille und die Unsicherheit der Jünger nebeneinander.595 Jesus kennt Gottes Plan, den er seinen Jüngern mitteilt, ohne ihn jedoch vereiteln zu wollen. Er hebt aber nicht das Schuldigwerden auf, sondern bringt die Jünger zum Nachdenken und Wahrnehmen ihrer eigenen Unsicherheit. Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Perikope um eine anfänglich selbständig überlieferte Tradition, die dann in den Passionsbericht integriert wurde, der Markus vorlag.596 Die aufgezeigte Dublette sowie der unvermittelte Perspektivwechsel könnten dafür sprechen, dass sich die Überlieferung aus zwei Aspekten zusammensetzt: »die Tischszene, in der Jesus seine Auslieferung durch einen Jünger ansagt (18–20) und der Wehe- und Warnspruch (21)«597. Jesus verurteilt zwar den Verrat – also die Tat –, aber er schließt den Täter nicht aus der (Mahl-)Gemeinschaft aus (vgl. dagegen Joh 13,26), stattdessen wahrt er seine Anonymität und schützt ihn so auch vor den Reaktionen der anderen Jünger. Der Kontext der markinischen Herrenmahlüberlieferung legt sich also wie folgt dar: Zum gemeinsamen Essen des Pesachmahls (14,1.12) findet sich der 592 593 594 595 596

Vgl. Schweizer, Mk, 163. S. Bauer, Wörterbuch, 1668. Gnilka, Mk II, 238. Vgl. ebd. S. Bultmann, Geschichte, 284; Gnilka, Mk II, 235. Dagegen Schenke, Studien, 199–237.342– 347; Schmithals, Mk, 608, denen zufolge es sich um markinische Redaktion handelt. 597 Gnilka, Mk II, 235. Vgl. Schenk, Passionsbericht, 188f., demzufolge die Pointe in V. 21 – der Schriftgemäßheit und somit in der erneut erfüllenden Vorhersage Jesu – liegt.

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engste Jüngerkreis zusammen (14,17). Sie liegen zu Tisch und essen gemeinsam aus einer Schüssel (Mk 14,17–20). Bei diesem feierlichen Gemeinschaftsmahl mit Sättigungscharakter eröffnet Jesus den Verrat, der von einem der Mahlteilnehmer begangen werden wird. Dieses so gennante Verrätermahl erscheint also als ein Pesachmahl. An diese erste Mahlszene wird die zweite Szene des Herrenmahls angefügt, wodurch eine auffällig doppelte Mahlszene entsteht. II.2.3.1.3. Das »letzte Mahl Jesu« nach Markus (Mk 14,22–25) Im Zusammenhang des Verrätermahls (V. 17–21) beschreibt Markus das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern. Vom Kontext hebt es sich durch den einleitenden Genitivus absolutus (ἐσθιόντων αὐτῶν) ab, ist aber aufgrund der Mahlthematik inhaltlich mit dem vorangehenden Abschnitt verbunden (vgl. V. 18a: ἀνακειμένων αὐτῶν καὶ ἐσθιόντων) und somit in den Erzählzusammenhang integriert.598 II.2.3.1.3.1. Brothandlung und -Deutewort (Mk 14,22) Markus beschreibt in Vers 22a, dass die Brothandlung während (Part. Präs.) des sättigenden Gemeinschaftsmahls erfolgt, wobei zu fragen ist, ob Jesus als Teil der Mahlgemeinschaft zu verstehen ist – also im Personalpronomen αὐτῶν/auto¯n/ »sie« mitgedacht ist. Der Kontext legt nahe, ihn als »Mitessenden« zu verstehen (V. 14.18), wobei er in der Herrenmahlszene – wie zu zeigen sein wird – ausschließlich als Spender der Mahlgaben dargestellt wird. Im Zuge des Essens vollzieht der irdische Jesus (nicht namentlich, aber aufgrund von V. 18a.20 vorauszusetzen) die sich aus vier Verben im Aorist (nehmen, εὐλογέω/»loben«, brechen, geben) zusammensetzende Brothandlung, wobei die ersten beiden Verben als Partizipien der Haupthandlung des Brechens und Gebens im Indikativ untergeordnet sind. Die Handlungsschritte erfolgen nacheinander und enden mit dem Geben des Brotes an die Jünger, wobei nur aus dem Kontext erkennbar wird, dass mit dem Personalpronomen »ihnen« (V. 22.23.24) die Jünger gemeint sind (vgl. V. 17). Die gesamte Mahlszene wird von Verben der 3. Pers. Sg. oder Pl. (mit Ausnahme von V. 25) dominiert, die entweder im Aorist oder im Präsens stehen, was aus der jeweiligen narrativen bzw. monologischen Textstruktur resultiert. Die Verwendung des Aorists deutet auf die markinische Intention hin, das Geschehen als einmaliges darzustellen und unterstreicht in diesem Zusammenhang die

598 Vgl. Kertelge, Abendmahl, 69: Der Gen. abs. ist ein literarisches Mittel, um die beiden »Mahlszenen« zu verknüpfen; ihn als Hinweis für eine bereits vollzogene Trennung von Sättigungs- und Herrenmahl zu werten (s. Roloff, Neues Testament, 283), würde über diese literarische Intention hinausgehen.

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Darstellung Jesu als den irdischen, der das letzte Mahl als eine seiner Lebensstationen gemeinsam mit seinen Jüngern verlebt. Im Anschluss, wobei Markus durchaus auch Gleichzeitigkeit im Sinn gehabt haben könnte, an die Brothandlung erfolgt, eingeleitet mit εἶπεν/eipen, das Deutewort (V. 22b). Dieses beginnt mit dem Imperativ Aorist »nehmt [jetzt]«, durch den die Jünger zum (An-)Nehmen des Brotes in dieser konkreten Situation aufgefordert werden – folglich sind sie direkt in die Handlung miteinbezogen. Ohne ihr Mitwirken durch das Annehmen des Brotes – dessen Verzehr wird von Markus nicht beschrieben –, würde sich das Mahl also nicht vollziehen. Umso bemerkenswerter ist, dass sich das anschließende Demonstrativpronomen τοῦτό aufgrund der grammatischen Inkongruenz nicht unmittelbar auf ἄρτος beziehen kann. Wahrscheinlich verweist das Demonstrativpronomen, wie bereits zu der paulinischen Herrenmahlüberlieferung dargestellt (s. II.2.2.4.2.3.), auf die vorangegangene Brothandlung: Der markinische Jesus deutet die mit dem Brot verbundene Handlung als seinen Leib, den die Jünger im Mahl empfangen.599 Es zeigt sich, dass Jesu Rolle sich ändert – während in der Überleitung zum Herrenmahl ein Gemeinschaftsmahl vorauszusetzen ist, bei dem Jesus gemeinsam mit den Seinen isst (V. 18a.22a) – so wird spätestens ab dem Deutewort deutlich, dass Jesus nicht mehr als Mitessender oder Hausvater, sondern als Mahlspender dargestellt ist (vgl. 1Kor 11,24b). II.2.3.1.3.2. Kelchhandlung und -Deutewort (Mk 14,23f.) Im Anschluss an die Deutung der Brothandlung erfolgt in Vers 23 unvermittelt die Beschreibung der Kelchhandlung, allerdings lediglich durch drei Verben (nehmen, εὐχαριστέω/»danken«, geben), deren Modi und Tempi mit denjenigen der Brothandlung übereinstimmen. Zum einen ist also die Kelchhandlung um einen Handlungsaspekt – wobei es bezogen auf den Kelch (nicht determiniert) zu »brechen« kein sinnvolles Äquivalent gibt – verkürzt und zum anderen begegnet, im Gegensatz zur Brothandlung, nicht εὐλογέω, sondern εὐχαριστέω, deren Bedeutungen sich aber vermutlich entsprechen (s. II.2.2.3.2.). Im Gegensatz zur Brothandlung, bei der das Essen des Brotes nicht erwähnt wird, ist vom Trinken explizit die Rede: Die Mahlteilnehmer tranken alle (πάντες) aus dem Kelch: »Die Voranstellung dieser Vollzugsnotiz, die auch die Sprengung der parallelen Struktur von Brot- und Becherhandlung in Kauf 599 Eine bemerkenswerte These vertritt Dronsch, Text-Ma(h)le, 163: Mk 14 soll die Adressaten darüber informieren, wo sich der nach Mk 16,6 abwesende Leib Jesu befindet – »diese Leerstelle füllt nun Mk 14,22f.«. Die Deuteworte haben vorausweisende Funktion – daher »handelt es sich keineswegs um ein Abschiedsmahl, sondern vielmehr um ein Anwesenheitsmahl für die Zeit der LeserInnen, nämlich für die Zeit seines abwesenden Leibes«.

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nimmt, verstärkt die Bezogenheit der Deutung auf das Mahlgeschehen«600. Es ist allerdings nicht sicher, wen das Adjektiv πάντες umfasst: Ist Jesus miteinbezogen oder trinken allein die Jünger aus dem Kelch? Da Jesus den Kelch den Jüngern reicht und erst daraufhin vom Trinken gesprochen wird, liegt die Vermutung nahe, dass lediglich die Jünger trinken. Da es sich um einen Kelch handelt, ist außerdem anzunehmen, dass sie sich einen Kelch teilen. Was sie aber trinken, wird von Markus nicht beschrieben. Es wird folglich nicht nur deutlich, dass die Jünger erneut in die Handlung miteinbezogen sind (sie werden im Gegensatz zum Brotwort nicht direkt zum Handeln aufgefordert), sondern auch dass ihr aktives Handeln explizit beschrieben wird. Im Anschluss an das Trinken erfolgt das Sprechen des Deuteworts (V. 24): Da das Demonstrativpronomen τοῦτό absolut gebraucht ist und auf das zuvor Beschriebene rekurriert, kann es sich seiner grammatischen Form nach entweder auf den Kelch, die Kelchhandlung oder das Getränk als Kelchinhalt (ποτόν) beziehen.601 Aufgrund der formalen Übereinstimmung zum Brotwort, erscheint es plausibel, das Demonstrativpronomen als Rekurs auf die gesamte Kelchhandlung (vermutlich inklusive Trinken) zu verstehen. Andernfalls würde der Kelch als Mahlgeschirr mit dem Blut verbunden werden. Stellt man den Beginn der beiden markinischen Deuteworte untereinander, so wird (im Gegensatz zu den paulinischen Deuteworten) deutlich, dass Leib und (Bundes-)Blut miteinander parallelisiert werden: Brotwort: […] τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμά μου. Kelchwort: τοῦτό ἐστιν τὸ αἷμά μου τῆς διαθήκης […]. Daraus folgt zum einen, dass der markinische Jesus Deutungseinheiten wählt, die beide stark auf seinen Körper bezogen sind. Zum anderen sind Blut und Bund so stark miteinander in Beziehung gesetzt, dass mit dem Trinken aus dem Kelch ein Bund entsteht – die Betonung liegt aber auf dem Blut.

Der markinische Jesus deutet die Kelchhandlung als sein Blut des Bundes – da die beiden Substantive αἷμά/haima/»Blut« und διαθήκη/diathe¯ke¯/»Bund« aufgrund der Genitivverbindung eng aufeinander bezogen sind, ist es sinnvoll, diese im Deutschen als zusammengesetztes Substantiv wiederzugeben: »mein Bundesblut«. Das Kelchwort ist deutlich länger – man kann auch sagen an Deutung überladener – als das Brotwort, da es durch »das vergossen ist/wird (τὸ ἐκχυννόμενον) für viele (ὑπὲρ πολλῶν)« erweitert ist. Das attributive Partizip Präsens (med./pass.)

600 Kirchschläger, Bund, 120. 601 Vgl. Berger, Theologiegeschichte, 279–291, der davon ausgeht, dass der Bund nicht durch Jesu Tod, sondern durch das Trinken aus einem Kelch geschlossen wird; Klinghardt, Bund, 167, meint, es würde bei Mt um ἡ πρόποσις, das heißt Zutrinken oder Trinkgelage, gehen, bei der durch das Trinken aus einem Becher die »aktive Nivellierung sozialer Differenzen« erfolge (171).

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ἐκχυννόμενον/ekchynnomenon kann sich formal sowohl auf ποτήριον/pote¯rion als auch auf αἷμά beziehen. Auch inhaltlich würde beides durchaus Sinn ergeben: Aufgrund der Satzstruktur ist es naheliegend, in αἷμά das Bezugswort zu sehen. Häufig wird dieses »vergossen werden des Bundesblutes Jesu« in Hinblick auf seinen bevorstehenden gewaltsamen Tod gedeutet.602 Aus textlogischen Gründen ist diese Deutung jedoch überdenkenswert: Der markinische Jesus wird als der irdische dargestellt, dem der Tod noch bevorsteht, weshalb sein Blut auch noch nicht vergossen sein kann. Bezieht sich das hellenistische Verb auf den Kelch bzw. dessen Inhalt, könnte man an Libation603 – also an eine Trankspende – denken, wie sie im Hellenismus und in der Hebräischen Bibel begegnet (vgl. Gen 35,14; Ex 29,40; Dtn 32,38; Ps 16,4; Jes 57,6; s. II.3.2.2.1.). Da hier wohl eine Passivform anzunehmen ist, die auf ein passivum divinum hindeutet, scheidet jedoch der Gedanke an Libation aus. Es wäre aber durchaus auch möglich, dass ἐκχύν(ν)ω/ekchyn(n)o¯ ein Ausgießen des Kelchinhalts (in die Kehlen der Mahlteilnehmer) – im Sinne von »zum Trinken reichen« – meint. Hier würde die göttliche Urheberschaft bedeuten, dass Gott durch den Kelch und das Trinken aus diesem den Mahlteilnehmern am Bundesblut Anteil gibt und einen Bund mit den Trinkenden schließt. In der markinischen Herrenmahldarstellung schließt das Kelchwort mit einer ὑπέρ-Wendung: ὑπὲρ πολλῶν/hyper pollo¯n. Das Indefinitpronomen viele (πολλῶν) könnte »semitisierend inklusiv zu verstehen«604 sein, da dieser inklusive Sinn eine Eigenart der semitischen Sprache darstellt,605 und »viele« daher »alle« umfassen würde. Folgt man dieser Vermutung, würde der markinische Zusatz bedeuten, dass durch πολλῶν nicht nur die Mahlteilnehmer, sondern alle, die aus dem Kelch trinken, angesprochen sind.606 Weiter gedacht ermöglicht πολλῶν folglich die Öffnung des Empfängerkreises: Nicht nur die christusgläubigen Juden, sondern auch die konvertierten Heiden können sich angesprochen fühlen. II.2.3.1.3.3. »Eschatologischer Ausblick« (Mk 14,25) In Vers 25 setzt sich Jesu Monolog zwar fort, allerdings unterscheidet dieser sich ab der Einleitungsformel ἀμὴν/ame¯n deutlich von dem Vorangehenden: Es erfolgt ein unvermittelter Stilwechsel, da Jesu Rede zuvor konsequent durch εἶπεν/ 602 S. Untergaßmair, ἐκχέω/ἐκχύννω, 1033; Wolter, Lk, 707; Behm, ἐκχέω/ἐκχύν(ν)ω, 465f., die meinen, in Zusammenschau mit der folgenden ὑπὲρ-Wendung sei auf Ex 24,8 und Jes 53,12 (s. II.3.3.3.) verwiesen und der Stellvertretungs- und Sühnegedanke erkennbar (s. II.3.3.4.). 603 S. Heininger, Tischsitten, 36. 604 Schrage, 1Kor III, 10. Vgl. Hofius, Vergebung, 291, der πολλῶν für einen übernommenen Ausdruck aus Jes 53,12 hält. 605 Hebr. [hâ]rabbîm/aram. saggî′în: »die nicht zu zählenden Vielen, die große Schar, alle« (Jeremias, πολλοί, 536). 606 Vgl. Nebe, πολὐς, 316f.; Schmithals, Mk, 616f.

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eipen (3. Pers. Sg. Aor.), nun aber mit λέγω/lego¯ (1. Pers. Sg. Präs.) eingeleitet wird. Dazu werden die Jünger nicht mehr durch αὐτοῖς/autois (3. Pers. Pl.), sondern durch ὑμῖν/hymin (2. Pers. Pl.) einbezogen. Somit entspricht die Einleitung dieses Verses wörtlich der Redeeinleitung zum Verrätermahl (vgl. V. 18b). Zudem sind eine andere Syntax (keine Verbindung von narrativer und monologischer Struktur) und eine Änderung hinsichtlich der Wortarten erkennbar (Substantive dominieren, anstelle von καὶ/kai werden andere Konjunktionen verwendet). Darüber hinaus ergeben sich auch inhaltliche Unterschiede: Jesus spricht hier von seinem Nicht-Trinken (οὐ μὴ πίω) bzw. Trinken (πίνω), obwohl er, wie gezeigt, in Vers 23 nicht mittrinkt. Dazu erhält dieser Vers aufgrund Jesu Ankündigung »neu im Reich Gottes zu trinken« eine deutlich eschatologische Perspektive,607 die in den vorangehenden Versen nicht anzutreffen ist: Der irdische Jesus wird ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von »der Frucht des Weinstocks« trinken. Jedoch kündigt er keine letztgültige Beendigung des Trinkens an, sondern verweist auf das Trinken im Reich Gottes. Wie der Hinweis »aufs Neue« zeigt, wird dieses eschatologische Trinken eine andere Qualität besitzen als das der »irdischen« Mahlgemeinschaft.608 Dies kann als Hoffnungs- oder Trostmotiv verstanden werden, denn der nun nicht mehr Mittrinkende, weil in den Tod Gehende, bleibt nicht im Tod, sondern er blickt voraus auf das Reich Gottes. Außerdem wird in diesem Vers zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, auf den Inhalt des an dieser Stelle nicht erwähnten Kelchs zu schließen: »Die Frucht des Weinstocks« legt eine Weinassoziation nahe – Traubensaft ist aufgrund der Verderblichkeit kein gängiges Getränk der Antike –, denn dieser Ausdruck umschreibt als »semitisches Idiom«609 nach alttestamentlichem Verständnis den Wein als Getränk (vgl. Num 6,4; Jes 32,12).610 Es scheint, als knüpfe Markus an das Kelchwort an, um den eschatologischen Ausblick thematisch einzubinden, denn bemerkenswerterweise ist an dieser Stelle weder vom Essen noch von den Mahlgaben Brot und Kelch die Rede.

607 Vgl. Schmidt, βασιλεύς, 562–567.585). »Das große Freudenmahl Gottes […] ist von Jes 25,6 her über Mt 8,11 und Lk 14,15–24 bis Offb 19,9 ein stehendes Bild für die Vollendung der Herrschaft Gottes« (Klaiber, Markusevangelium, 274). 608 Vgl. Blank, Ausblick, 140f. 609 Gnilka, Mk II, 246. 610 S. Schenk, Passionsbericht, 192. Bemerkenswert der Hinweis von Harnack, Brod und Wasser, 130, dass bei Justin dieses »Nachwort« nicht zu finden ist.

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Die genannten Spezifika dieses Verses sprechen dafür, ihn nicht zur eigentlichen Herrenmahlüberlieferung zu zählen, sondern als von Markus (aus einer anderen Tradition?) sekundär eingetragen zu verstehen.611 II.2.3.1.4. Zusammenfassung Die Mahlszene (14,17–26), zu der sich der Jüngerkreis am Abend versammelt, setzt sich aus zwei Mahlkomponenten zusammen, die sich hinsichtlich ihrer Perspektivität – beim Verrätermahl sind die Jünger im Blick und beim Herrenmahl Jesus – und ihres Sättigungscharakters – beim Verrätermahl essen sie aus einer Schüssel, während im Herrenmahl Brot und Kelch von Jesus auf sich bezogen gedeutet werden – unterscheiden, aber dahingehend ähneln, dass jeweils die eigentliche Mahlbeschreibung hinter der Erzählabsicht zurücktritt und Pesachmotive in der Mahlschilderung keine Rolle spielen. Diese Erkenntnisse geben Grund zu der Annahme, dass die markinische Herrenmahlüberlieferung sekundär in den literarischen Zusammenhang intergriert worden ist. II.2.3.2. Die matthäische Herrenmahldarstellung (Mt 26,26–29) Nimmt man die matthäische Kontextdarstellung in den Blick, so fällt auf, dass er die markinische Vorlage gekürzt – die Erzählung umfasst in Mt 26 lediglich drei Verse – und deutlich verändert hat: Der Evangelist Matthäus streicht z. B. das Opfern des Pesachlamms (V. 17, vgl. Mk 14,12) und fügt »das Pesach zu essen« (φαγεῖν τὸ πάσχα) als Präzisierung der markinischen Vorlage ein (V. 17). Nimmt man den matthäischen Herrenmahltext in den Blick, wird im Gegensatz zu den redaktionellen Eingriffen in dessen Kontext deutlich, dass der Evangelist die markinische Tradition fast wortgetreu übernimmt. Daher gelten die textanalytischen Erträge der markinischen Überlieferung ebenso für Matthäus. Dennoch sind einige Abweichungen zu nennen, die sich teils geringer und teils deutlicher auf die Textaussage auswirken: Zu Beginn von Vers 26 lässt Matthäus καὶ/kai aus (vgl. Mk 14,22) und fügt stattdessen δὲ/de ein, wobei es sich um einen typischen redaktionellen Vorgang handelt, vermutlich um den markinischen Stil zu glätten (vgl. Mt 12,2; 13,11.57b; 611 Vgl. Kollmann, Ursprung, 160f.245; Bradshaw, Search, 51; Collins, Meaning, 195f.; Reinbold, Bericht, 134; Schenke, Urgemeinde, 111f.; Schweizer, Mk, 163, demzufolge der Gen. abs. (V. 18) sowie das Brotbrechen, das eigentlich zu Beginn des Mahls erfolgt, und der unterschiedliche Stil dafür sprechen, dass das Herrenmahl in den Zusammenhang gefügt wurde. Dagegen mein Patsch, Abendmahl, 106; Bultmann, Geschichte, 286, das Jesuslogion sei ein Rudiment eines verdrängten, aber in Lk 22,14–18 vollständiger erhaltenden Mahlberichts; Kertelge, Abendmahl, 71, zufolge sei die enge Beziehung der Verse 24 und 25 auf eine vormk Redaktion zurückzuführen; Niemand, Abendmahl, 105 Anm. 47, zufolge handelt es sich um das »eigentliche Kelchwort«. Gegen die These in Mk 14,24; 1Kor 11,25 seien nachösterliche Formulierungen verarbeitet, ist Weidemann, Bundesblut, 95.

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16,13; 18,6; 26,17). Ebenfalls in diesem Vers fügt er »Jesus« ein, wahrscheinlich um dem Leser zu verdeutlichen, dass Jesus der Aktant des Folgenden ist. Darüber hinaus verbindet Matthäus das Nehmen des Brotes und dessen Segnung mit einem parataktischen καὶ. Zudem verwendet er im Gegensatz zur markinischen Vorlage für den letzten Handlungsaspekt der Brothandlung – das Geben – nicht den Indikativ ἔδωκεν/edo¯ken, sondern das Partizip δοὺς/dous, wodurch das einzige finite Handlungsverb »brechen« besonders betont wird, während die übrigen Verben (nehmen, εὐλογέω/»loben«, geben) diesem beigeordnet werden. In diesem Zusammenhang ersetzt Matthäus zudem das markinische Pronomen »ihnen« durch »den Jüngern«, vermutlich um erneut für den Leser zu verdeutlichen, wer die Empfänger des Brotes sind. Im Deutewort fügt der Evangelist im Anschluss an »nehmt« den Imperativ »esst« ein, wodurch präzisiert wird, was aus textanalytischer Sicht bei Markus unklar bleibt: Die Jünger sollen das Brot nicht nur nehmen, sondern auch essen. In Vers 27 entspricht die matthäische der markinischen Darstellung der Kelchhandlung – hier findet das Partizip δοὺς/dous keine Verwendung –, allerdings erfolgt das Deutewort gleichzeitig (λέγων, minor agreement (Lk 22,20); vgl. 1Kor 11,25a) mit dem Geben des Kelchs und beginnt mit der Aufforderung, aus diesem zu trinken. Matthäus formuliert dies in Anlehnung an die markinische Vorlage, bis auf den Imperativ erneut wortgetreu, vermutlich um Parallelität zwischen den Deuteworten herzustellen. Allerdings wird das Trinken von Matthäus nicht beschrieben. In dieser Passage ist die deutlichste inhaltliche Abweichung von der markinischen Vorlage erkennbar: Der Evangelist streicht »sie tranken alle aus ihm [= dem Kelch]«. Der Grund könnte entweder darin liegen, dass er davon ausgeht, den Adressaten sei klar, dass die Jünger aus dem Kelch trinken, er wollte die Narrativität möglichst weitgehend reduzieren, um die Deuteworte stärker zu betonen, oder aber er wollte die Assoziation des Bluttrinkens vermeiden. In Vers 28 fügt Matthäus γάρ/gar ein, wodurch sich die folgende Deutung explizit auf die vorangegangene Aufforderung zum Trinken bezieht. Somit scheint Matthäus die geäußerte Möglichkeit, τοῦτο beziehe sich auf das Getränk als Kelchinhalt (ποτόν), zu stützen. Den Schluss des Kelchworts verändert der Evangelist dahingehend, dass er zum einen die Präposition ὑπέρ vor πολλῶν durch περὶ/peri612 ersetzt und zum anderen diese Verbindung durch τὸ ἐκχυννόμενον rahmt. Mithilfe dieser Satzstruktur verändert Matthäus gegenüber Markus zwar nicht den Inhalt, betont aber πολλῶν stärker. Dadurch, dass er die Präposition verändert, ist zu fragen, ob ihm die (vorgeprägte) ὑπέρ-Wendung unbekannt war (s. II.3.3.4.). 612 Die Präposition περὶ führt die Person ein, zu deren Gunsten das Angegebene geschieht. Es steht dann anstelle von ὑπὲρ und ist mit »für« zu übersetzen (s. Bauer, Wörterbuch, 1299).

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Das matthäische Kelchwort schließt mit dem Attribut »zur Sündenvergebung« (final: εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν). Dies entspricht dem matthäischen Verständnis der »Sündenvergebung als Vollmacht Christi und der Gemeinde«613 und zeigt, dass Matthäus die markinische Vorlage theologisch weiterinterpretiert und eigene theologische Schwerpunkte redaktionell einbringt: Jesus – und nicht JHWH – ist Subjekt der Sündenvergebung, indem er »sein Volk von ihren Sünden retten wird« (1,21) und Sünden erlässt (9,2).614 An dieser Stelle tritt folglich zum ersten (und wie gezeigt werden wird zum einzigen) Mal in den analysierten ältesten Herrenmahlüberlieferungen der sündenvergebende Aspekt hervor. Übereinstimmend zum Ergebnis der Textanalyse von Markus ist auch bei Matthäus der letzte Vers nicht zur Herrenmahlüberlieferung zu zählen, dennoch soll kurz auf bestehende Unterschiede verwiesen werden: In Vers 29 lässt Matthäus das markinische »Amen« aus, wobei es sich aber um einen häufigeren redaktionellen Eingriff seinerseits handelt (vgl. Mt 12,31). Zudem fügt er vor »die Frucht des Weinstocks« das Demonstrativpronomen τοῦτό ein, wodurch vermutlich ein inhaltlicher Zusammenhang zum Kelchinhalt hergestellt und somit die Weinassoziation betont werden soll. Mithilfe des Zusatzes »mit euch« betont Matthäus die (zukünftige) Gemeinschaft der Mahlteilnehmer mit Jesus. Die Basileia wird mit dem Ausdruck τοῦ πατρός μου/tu patros mu verbunden, welcher zwar nicht der für Matthäus charakteristischen Formulierungsweise entspricht, da er die Basileia »mehrheitlich mit dem nach rabb. Art Gott umschreibenden Zusatz τῶν οὐρανῶν«615 ergänzt, aber wohl aus matthäischer Sicht aufgrund des Kontexts notwendig ist, da Jesus der Sprechende ist. Bei den Abweichungen von der markinischen Vorlage handelt es sich zumeist um Hinzufügungen. Die Unterschiede sind auf matthäische Redaktion zurückzuführen und dienen der Verdeutlichung, Betonung oder Parallelisierung, weshalb der matthäische Text sowohl in formaler als auch in theologischer Hinsicht als ausgestalteter bezeichnet werden kann. Da allerdings die redaktionellen Veränderungen, bis auf wenige Ausnahmen (z. B. der Imperativ πίετε, die Gleichzeitigkeit des Gebens des Kelchs und Sprechens des Deuteworts sowie den Zusatz εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν), recht geringen Umfangs sind, stellt sich die (das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit übersteigende) Frage, weshalb Matthäus die markinische Vorlage nicht stärker bearbeitet hat – entsprach die Liturgie der Mahlfeier seiner Gemeinde ziemlich genau der markinischen? Oder versteht er die markinische Darstellung schlicht als eine narrative (Abschieds-)Mahlszene des irdischen Jesus – kannte und praktizierte 613 Luz, Mt IV, 95. 614 Vgl. Merklein, Studien, 159. 615 Luz, βασιλείᾳ, 487.

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die matthäische Gemeinde also keine Herrenmahlfeier mit Einsetzungsworten? Oder ist Matthäus im Gegenteil durch die Präzisierungen und Hervorhebungen der Handlungen stärker an der Gemeindepraxis orientiert als Markus?616 In den redaktionellen Eingriffen, die zwar durchaus die Handlung betonen (»brechen« als einziges finites Verb der Mahlgesten, Imperative) und christologische Reflexion anzeigen (Sündenvergebung), spiegelt sich kein liturgischer Gebrauch des Textes wider, da die matthäischen Änderungen eher als narrative Präzisierung, denn als Vollzugsanweisungen zu verstehen sind.617 Damit wäre auch die gängige Bezeichnung »Kultätiologie« hinfällig.618 Das soll nicht heißen, dass eine christliche Mahlfeier der matthäischen Gemeinde gänzlich auszuschließen ist – das wäre in der antiken Mahlwelt undenkbar –, sondern, dass Matthäus in den Einsetzungsworten nicht die Mahlliturgie seiner Gemeinde reflektiert. Möglich ist, dass diese ihre Mahlfeier ohne die Rezitation der Einsetzungsworte begangen hat.619 II.2.3.3. Die lukanische Herrenmahldarstellung (Lk 22,15–20) II.2.3.3.1. Textkritische Frage: Kurz- oder Langtext? Der lukanische Text wird in einer kurzen (V. 17–19a) und einer langen Version (V. 17–20) überliefert. Die längere Version, mit der Reihenfolge der Mahlgaben Kelch – Brot – Kelch, wird von allen griechischen Handschriften, außer von D, bezeugt. Die kürzere, mit der Reihenfolge Kelch – Brot, findet sich bei D sowie mehreren Altlateinern (daneben existieren Zwischenformen, z. B. die des Cureton- und des Sinai-Syrers).620 Für die Priorität des Kurztextes621 spricht die Regel lectio brevior. Die Bezeugung nur eines Kelchs könnte aber als Hinweis für eine Angleichung an die übrigen Herrenmahldarstellungen gewertet werden. Bemerkenswert ist in diesem Fall jedoch die Reihenfolge Kelch – Brot, die sich von den bisher untersuchten Überlieferungen unterscheidet.622

616 617 618 619 620 621

Dazu Sandnes, Meal, 12; Luz, Mt IV, 95. S. Pesch, Abendmahl (QD 80), 24f. S. Anm. 510. Vgl. Bultmann, Geschichte, 285. Dagegen Merklein, Erwägungen, 99. S. Anm. 508. Vgl. Fitzmyer, Luke X–XXIV, 1387–1389. S. Vööbus, Kritische Beobachtungen, 107–110; Rese, Kurz- oder Langtext, 31, der den Kurztext als Resultat lukanischer Redaktion ansieht, der im Überlieferungsprozess um den bekannten Einsetzungstext erweitert wurde. 622 Rese, Kurz- und Langtext, 16, verweist darauf, dass diese Reihenfolge in 1Kor 10,16; Did 9,1– 4 begegnet.

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Der Langtext ist vor allem aufgrund der Qualität der Bezeugung sowie der Regel lectio difficilior mit dem Großteil der Forschung zu bevorzugen.623 Daraus folgt die Konsequenz, dass von einigen Handschriften eine sekundäre Streichung hin zum Kurztext überliefert wird. Hier stellt sich die Frage, weshalb der Zusammenhang der von Paulus überlieferten Deuteworte zu einem Kurztext hin zerstört wurde – wenn man an dem doppelten Kelchwort tatsächlich Anstoß nahm, hätte man dann nicht eher das erste gestrichen? II.2.3.3.2. Das »letzte Mahl Jesu« nach Lukas II.2.3.3.2.1. Essen des Pesach mit erstem »eschatologischen Ausblick« (Lk 22,15f.) Zu Beginn fällt sogleich der verstärkte Pesachbezug ins Auge (V. 15), den der Verfasser des Evangeliums nach Lukas aus dem narrativen Kontext als einziger Synoptiker in seiner Herrenmahlüberlieferung aufgreift und dadurch besonders betont.624 Jesus wird von Lukas mithilfe der figura etymologica (ἐπιθυμίᾳ ἐπεθύμησα)625 als regelrecht emotional aufgeladen beschrieben, weil er das Pesach626 mit den Seinen essen möchte, und zwar bevor er leidet. Sowohl dieser direkte Leidensbezug als auch der Ausdruck ἐπιθυμίᾳ ἐπεθύμησα/epithymia epethymsa, dessen Dringlichkeit als Hinweis auf seinen bevorstehenden Leidensweg verstanden werden kann, verbinden das lukanische Herrenmahl deutlich mit der bevorstehenden Passion Jesu und stellen die »Letztmaligkeit des Zusammenseins Jesu«627 mit den Seinen heraus. In Vers 16 verarbeitet der Evangelist das markinische Verheißungswort zum ersten Mal (vgl. Mk 14,15) – bis auf das redaktionelle γάρ/gar ist die Redeeinleitung identisch. Er bezieht es zunächst jedoch nicht wie von Markus vorgegeben auf das zukünftige Trinken (vgl. V. 18), sondern auf das Essen des Pesach 623 S. Metzger, commentary, 173–177; Böttrich, Proexistenz, 421; Neuenzeit, Herrenmahl, 102, demzufolge die Streichung der Trunkenheit vorbeugen sollte. 624 In Frage kommen hierfür entweder eine »lk Sondertradition oder aber lk Redaktion« (Bösen, Jesusmahl, 20). 625 »[Sehnliches] Verlangen« (Bauer, Wörterbuch, 594). Vgl. Wiefel, Lk, 363; Bovon, Lk, 242, denen zufolge mit einer semitischen Formel (Verdopplung des Tätigkeitswortes durch das Substantiv) der lukanische Jesus hier (ausnahmsweise, vgl. Lk 12,50) sein Bedürfnis zum Ausdruck bringt; es handelt sich für ihn um die letzte Gelegenheit, ein Pesach zu essen. 626 »Das Pesach zu essen« bezieht sich entweder metonymisch auf das gesamte Mahl (inklusive Mazzen und Bitterkräutern etc.) oder nur auf das Lamm (s. Wolter, Lk, 701). Interessant ist der philologische Zusammenhang von πάσχα und πάσχω – würde dies auf eine (bewusste) Redaktion des Verfassers zurückgehen, könnte hinter dem (vermeintlichen) Pesachbezug eine andere Intention, nämlich ein Vorausblick auf die Passion, stehen (vgl. Gnilka, Mk, 234. Kritisch Wolter, Lk, 701, da Lukas ihm zufolge anstelle des Aor. eher den Inf. Präs. πάσχειν gewählt hätte). 627 Bösen, Mahlmotiv, 134.

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(-Lammes bzw. -Mahls):628 Mit doppelter Verneinung macht Jesus hier deutlich, dass er das Pesach (αὐτό) nicht isst – er wird folglich nicht als »Mitessender« vorgestellt629 –, bis es erfüllt wird (πληρωθῇ) in der Basileia Gottes. Die Form des Verbs πληρωθῇ könnte auf ein passivum divinum hinweisen (vgl. 1,20)630 – es handelt sich folglich nicht nur um einen Wunsch, sondern es drückt zugleich die Gewissheit aus, dass dieser künftig in Erfüllung gehen wird.631 Das Pesach bedarf folglich göttlicher Erfüllung, bis die in ihm angelegte Fülle erreicht wird; diese ist aber derzeit noch nicht vollständig entfaltet.632 Die Vervollkommnung geschieht in der Basileia Gottes, denn dort werden die mit dem Pesach verbundenen »eschatologischen Hoffnungen auf ein erneutes Befreiungshandeln Gottes […] eingelöst werden.«633 Lukas zufolge könnte sich dieses Befreiungshandeln so konkretisieren, dass sich die gesellschaftlichen Strukturen umkehren: Arme und Kranke sind Teilnehmer des »königlichen Mahls« (14,21–23) und der Herr bedient seine Sklaven (12,37).634 In diesem »neu verstandenen Passa, der Tischgemeinschaft des Herrenmahls, wird schon etwas von der Vollendung (14,25–24) vorweg gelebt.«635 II.2.3.3.2.2. Erste Kelchhandlung mit zweitem »eschatologischen Ausblick« (Lk 22,17f.) Im Anschluss an die Beschreibung der ersten Kelchhandlung, die entgegen der markinischen und paulinischen Überlieferung anstelle von λαβών/labo¯n mit δεξάμενος/dexamenos636 (Part. Aor.) und lediglich mit εὐχαριστέω beschrieben wird, formuliert Lukas sein erstes Kelchwort (V. 17), welches einige Parallelen zur markinischen Version aufweist,637 auch wenn es nicht nach dem Trinken erfolgt: Neben der Verwendung von εὐχαριστέω, lässt der Evangelist Jesu Worte 628 Vgl. Vinson, Luke, 673; Barrett, Luke XXII, 307, meint, Jesus beziehe sich auf das Essen des Pesachlamms; Bösen, Jesusmahl, 27, hingegen sieht das Pesachmahl im Blick, denn nur dieses könne sich »erfüllen«. 629 Dagegen Schweizer, Lk, 223, der annimmt, Jesus esse zum letzten Mal das Pesachlamm. 630 S. Wolter, Lk, 701. 631 S. Leggewie, Grammatik, 213. Vgl. Bovon, Lk, 243, attestiert, dass hier mehr als nur der Wunsch gemeint sei – fast eine Beschwörung oder ein Schwur; Schweizer, Lk, 223, versteht es als Zukunftsansage. 632 Vgl. Bovon, Lk, 243. 633 Wolter, Lk, 701. 634 Vgl. Vinson, Luke, 673. Am Schluss der Mahlszene steht Jesu Aufruf an die Jünger, sich ganz und gar dem Nächsten zu widmen, womit er ein neues Gemeinschaftsprinzip begründet (vgl. Stare, Dienende, 236f.222–238). 635 Schweizer, Lk, 223. 636 Lk verwendet entgegen der markinischen Vorlage nicht Ind. Aor. von δίδωμι, sondern Part. Aor. von δέχομαι. Dieses Verb verwendet Lk häufiger als andere ntl. Autoren (s. Petzke, δέχομαι, 701f.) und relativiert das Geben womöglich durch die Verwendung des Partizips gegenüber Mk. 637 Schürmann, Abschiedsrede, 139, attestiert Lk eine eigenständige Überlieferung.

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mit der Aufforderung »nehmt« (Part. Aor.) beginnen, die an das markinische Brotwort erinnert. Lukas schließt mit der zusätzlichen Aufforderung »teilt [ihn] untereinander«, was nicht der üblichen Mahlsitte entspricht.638 Hier lässt sich eine Beeinflussung aus der markinischen Formulierung »sie tranken alle aus ihm« (vgl. Mk 14,23) vermuten. An dieser Stelle formuliert Lukas bemerkenswerterweise jedoch kein Kelchwort.639 Der Beginn von Vers 18 ist bis auf wenige Ausnahmen (»trinken« statt »essen« und »Gewächs des Weinstocks« statt »es«) zu Vers 16 parallel formuliert. Der Evangelist übernimmt an dieser Stelle das markinische Kelchwort fast wörtlich,640 wobei er den zweiten Versteil deutlich kürzt, die temporale Zäsur verschärft (ἀπὸ τοῦ νῦν) und mit ἔλθῃ/elthe¯ (vgl. 1Kor 11,26) eine zu πληρωθῇ analoge Form verwendet – ohne jedoch erneut auf die Erfüllungsthematik einzugehen.641 Die erste Kelchhandlung und die damit verbundene Aufforderung stehen also im Zusammenhang eschatologischer Hoffnung. Weshalb zieht Lukas den eschatologischen Ausblick entgegen seiner markinischen Vorlage vor? »Die Antwort darauf gibt das ἀπὸ τοῦ νῦν, ein typisch l[u] k[anisches] Syntagma, um einen ›heilsgeschichtlichen Einschnitt‹ zu markieren«642, denn bis zu diesem Zeitpunkt galt etwas, das ab diesem Zeitpunkt von etwas anderem verdrängt wird: Die irdische Tischgemeinschaft besteht nicht mehr, dafür aber die Mahlgemeinschaft mit dem Auferstandenen. Inhaltlich ergänzen sich folglich die Verse 15f. und 17f. – Jesus wird nicht mehr essen oder trinken, bis zum Kommen des Reich Gottes, wohingegen die Mahlteilnehmer am Pesach teilnehmen und den Kelch erhalten. II.2.3.3.2.3. Brothandlung und -Deutewort (Lk 22,19) Während im Mittelpunkt der Verse 15f.18 sein Mahlverhalten steht, richtet sich Jesus in den folgenden Versen an die Mahlteilnehmer – die Apostel643 (vgl. V. 15). Ab Vers 19 ist der redaktionelle Charakter der lukanischen Version so gut wie vollständig verloren:644 Im Brotwort begegnen die Formulierungen der paulini638 S. Schneider, Lk, 445. 639 Ein Teil der Forschung sieht hierin den ersten (s. Jeremias, Abendmahlsworte, 211) bzw. dritten Becher des Pesachmahls (s. Schürmann, Einsetzungsbericht, 86). 640 Zum redaktionellen Charakter (V. 15–18) s. Bösen, Mahlmotiv, 30–151; Blank, Ausblick, 142f. 641 Schmid, Mk, 263, ist der Meinung, er knüpfe »an die Segensformeln über dem ersten der vier rituellen Paschabecher […] an« und der Kelch stehe »darum bei Lukas (22,16) wohl am ursprünglichen Platz, vor der Einsetzung der Eucharistie«. 642 Blank, Ausblick, 142 mit Belegen in Anm. 32. 643 Der »Apostel-Begriff« lässt auf eine Ausrichtung einer späteren Zeit schließen, da er von Lk vor allem in der Apg verwendet wird (s. Hartenstein, Abendmahl, 184 Anm. 11), wobei er redaktionell bereits in der Berufung (Lk 6) begegnet. 644 Gegen Merklein, Erwägungen, 90f.; Schürmann, Einsetzungsbericht, 80, demzufolge es sich

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schen Tradition wörtlich – einzige Unterschiede sind die Umstellung des Personalpronomens μου/mu hinter den gesamten Ausdruck τοῦτό ἐστιν τὸ σῶμα/ tuto estin to so¯ma, analog zur markinischen Tradition, und die Einfügung des Partizips διδόμενον/didomenon. Mithilfe dieses Zusatzes parallelisiert Lukas das von Markus vorgegebene ἐκχυννόμενον aus dem Kelchwort (Mk 14,24) und führt es weiter aus, indem er das Geben des (Brot-)Laibes und das Gegeben-Sein des Leibes Jesu aufeinander bezieht.645 Entsprechend der (vor-)paulinischen Überlieferung fordert Jesus auch im lukanischen Brotwort die Mahlteilnehmer auf, dies – Wort und Handlung – zu vollziehen, um sich an ihn zu erinnern. Dass dieser Wiederholungsbefehl bei Lukas – im Gegensatz zur (vor-)paulinischen Tradition – nur in diesem Deutewort begegnet, erklärt möglicherweise den terminus technicus »Brotbrechen«. Der von Lk 22,15–20 berichtete Mahlvorgang könnte als »ein einmaliger und durchaus nicht als ein in dieser Form kultisch zu wiederholender Vorgang«646 gemeint sein. Da sich der Wiederholungsbefehl lediglich auf die Brothandlung bezieht, bleibt das Geschilderte ein »singuläres Ereignis«647 und nur die Brothandlung wird als wiederholt kultisch zu vollziehende Handlung verstanden und wie in Apg 2,42.46; 20,7.11; 27,35 beschrieben in der frühen Gemeinde umgesetzt:648 »Diese Mahlfeier ist in der Speisung der Fünftausend vorweggenommen und dann beim österlichen Mahl mit den beiden Emmaus-Jüngern erstmals begangen worden«649 (s. II.2.3.4.5.). II.2.3.3.2.4. Zweite Kelchhandlung und -Deutewort (Lk 22,20) In der lukanischen Herrenmahlüberlieferung steht ὡσαύτως/ho¯sauto¯s beim Kelchwort an anderer Stelle als bei der paulinischen, wodurch sich wohl auch der Sinn des Satzes verändert: Ebenso soll auch die Kelchhandlung nach dem Mahl erfolgen.650 Auch sein zweites Kelchwort entspricht dem der paulinischen Tradition; die einzigen Unterschiede bestehen darin, dass »nach dem Essen« bei dem Evangelisten das Brotwort vom zweiten Kelchwort trennt651 und dass durch das

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um einen gemeinsamen »Grundbericht« handelt – eine Frühform des lukanischen Einsetzungstexts – den Paulus zitiert. Vgl. Schneider, Lk, 446; Wolter, Lk, 704, demzufolge sich das Part. Präs. auf den bevorstehen Tod Jesu bezieht. Lindemann, Einheit und Vielfalt, 211 (Hervorhebung im Original). Ebd. S. a. a. O., 211f. A. a. O., 212. Vgl. Klauck, Herrenmahl, 310; Schürmann, Einsetzungsbericht, 34–36, der eine vorlukanische Tradition attestiert und annimmt, der »Segensbecher« komme hierin zum Vorschein. S. Wolter, Lk, 700, demzufolge das Brotwort durch das Einfügen des Mahls im Anschluss einen engen Bezug zum Erinnerungsbefehl erhält, der bei Lk schließlich nur auf das Brotwort bezogen ist: In den Blick kommt die »Zeit der Abwesenheit Jesu zwischen dem jetzigen

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Einfügen von ὡσαύτως652 hinter »und den Kelch« der zweite Kelch stärker betont wird. Zudem lässt der Evangelist ἐστιν/estin aus und arbeitet die ὑπέρ-Wendung (aus dem paulinischen Brotwort?) ein. Neben diesen kleineren Unterschieden ist aber vor allem auffällig, dass Lukas den paulinischen Wiederholungs- bzw. Erinnerungsbefehl an dieser Stelle nicht anführt (s. o.). Im lukanischen Ausdruck ἐν τῷ αἵματί μου sind das paulinische ἐν τῷ αἵματὶ und die markinische Stellung des Personalpronomens miteinander verbunden. Der Rahmen hingegen weist einige Ähnlichkeiten zu Markus auf: Neben dem Partizip λαβών und der Stellung von μου in beiden Deuteworten sprechen insbesondere ἔδωκεν αὐτοῖς, die Verwendung des Partizips ἐκχυννόμενον (Nom.), das sich aufgrund der Kasus-Inkongruenz nicht auf τῷ αἵματί (Dat.) beziehen kann,653 sowie die Auslassung der Erinnerungsaufforderung im zweiten Kelchwort für einen markinischen Einfluss. Bemerkenswert ist jedoch, dass Lukas dem Brotwort entgegen der markinischen Tradition keinen eschatologischen Ausblick hinzufügt. Auffällig ist bei dem dritten Evangelisten weiterhin, dass er weder im ersten noch im zweiten Kelchwort entgegen der ihm vorliegenden Traditionen das Verb »trinken« erwähnt, wobei er im ersten Kelchwort beschreibt, dass sie, das heißt die Apostel, den Kelch »untereinander teilen sollen« (Lk 22,17) – wodurch das Trinken hier also impliziert ist. Während in den Versen 15f.18 Jesu Mahlverhalten bzw. sein Nicht-Mahlverhalten und sein zukünftiges Mahl im kommenden Reich Gottes im Mittelpunkt stehen, geht es in den Versen 18.19f. um das gegenwärtige Mahlverhalten der Apostel und die Aufforderung, die Brothandlung zu wiederholen. Das bedeutet, die Trennung von der gegenwärtigen und der künftigen Mahlgemeinschaft der Jünger mit Jesus im Reich Gottes wird mithilfe der zu wiederholenden Brothandlung überbrückt.654 Dass Lukas sowohl markinische als auch (vor-)paulinische Traditionselemente verarbeitet,655 könnte bedeuten, dass er diese ursprünglich verschiedenen Überlieferungen ineinander arbeitet oder sie ihm in dieser Form, möglicherweise

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Pesachmahl und dem eschatischen Pesachmahl«. Möglicherweise resultiert das Einfügen an dieser Stelle aber lediglich aus der Verarbeitung der paulinischen Tradition. Klauck, Herrenmahl, 310, zufolge sei das lukanische ὡσαύτως (im Gegensatz zum paulinischen) »inklusiv« zu verstehen, weshalb sich die Brot- und Kelchhandlung gemeinsam nach der Mahlzeit vollziehe. Das Part. bezieht sich daher wohl auf den Becher, der beim Trinken »ausgeschüttet« wird (vgl. Berger, Theologiegeschichte, 189; Klinghardt, Becher, 37f.49, der dies als Libation deutet). S. Hartenstein, Abendmahl, 182. Vgl. Bösen, Jesusmahl, 39; Schweizer, Mk, 164, der in Lk 22,15–18 eine dritte Überlieferung sieht, die eine sachliche Analogie zu Mk 14,25 bietet. Diese »Sondertradition« biete zudem Analogien zu Joh 13.14–16, wo auch von Jesu Dienen gesprochen werde und Hinweise auf ein eschatologisches Mahl gegeben werden (164f.).

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aus seinem Sondergut, vorlagen;656 die eine betont in narrativer Form den eschatologischen Aspekt (V. 15–18), die andere das ritualisierte Mahl mit Wiederholungs- und Erinnerungsmotiv (V. 19f.).657 II.2.3.3.3. Ist das lukanische Herrenmahl ein Pesachmahl? Wie ein Teil der Forschung annimmt, erscheint die lukanische Herrenmahlüberlieferung auf den ersten Blick deutlicher der Struktur des Pesachmahls zu entsprechen als die bisher betrachteten Überlieferungen, da Jesus dem ursprünglicheren Langtext zufolge die erste Kelchhandlung vollzieht (V. 17), dann die Brothandlung (V. 19) und schließlich das Mahl mit einer zweiten Kelchhandlung abschließt (V. 20). Diesen Pesachmahlbezug übernimmt er aus dem markinischen Bericht über die Vorbereitung des Pesachmahls (Mk 14,12) und stellt den Begriff »Pesachmahl« der Mahlszene voran (Lk 22,13).658 Die Pesachmahlsituation geht zudem nicht auf eine Anregung der Jünger zurück, sondern auf Jesus selbst (Lk 22,8). Das lukanische Herrenmahl erscheint folglich als Pesachmahl – diese enge Beziehung ist an keiner anderen Stelle im Neuen Testament anzutreffen.659 Worin könnte der Grund liegen, dass Lukas den Pesachbezug so deutlich hervorhebt? Als Grund für die lukanische Betonung des Pesach anzunehmen, er verstehe das Herrenmahl als dessen »Krönung«660, »Umstiftung«661, »Neuschöpfung«662 oder »Neukonstitution«663, kann kaum zutreffen, da der Pesachbezug lediglich in den Eingangsversen der lukanischen Mahlüberlieferung (V. 15f.) begegnet und im weiteren Verlauf die charakteristischen Mahlelemente des Pesach (Lamm, Bitterkräuter, Mazzen) nicht erwähnt werden. Hinzu kommt, dass die lukanische Überlieferung ab Vers 19 der (vor-)paulinischen, die keine Pesachhinweise erkennen lässt, entspricht. Dieser vom Pesach unabhängige zweite Teil bietet aufgrund der Wiederholungsaufforderung im Brotwort wohl einen Einblick in die lukanische Herrenmahlfeier. Dort werden keine das Pesachmahl kennzeichnenden Motive genannt, geschweige denn neu gedeutet – 656 S. Bovon, Lk, 238; Schürmann, Paschamahlbericht, 123, der meint, dass unter »luk[anische] R[edaktion] das Rudiment eines vorlukanisch, von Mk 14,25 literarisch unabhängigen, Paschamahlbericht erhalten ist«. 657 Vgl. a. a. O., 242.244; Böttrich, Proexistenz, 422f. 658 Es ist von einem literarischen Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mk und Lk an dieser Stelle auszugehen – Lk ist stark redaktionell tätig geworden (vgl. Schürmann, Paschamahlbericht, 104–110; Green, Death, 28). 659 S. Hartenstein, Abendmahl, 180.181–199. 660 Barth, Abendmahl, 7. 661 Hahn, Motive, 353. Vgl. Schneider, Lk, 444; Bovon, Lk, 252. 662 Knöppler, Sühne, 276, erkennt eine »Erneuerung«, während bei Mk/Mt eine »Ablösung« erkennbar sei. 663 Dronsch, Text-Ma(h)le, 176.

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das bedeutet, die lukanische Gemeinde verstand ihre Herrenmahlpraxis vermutlich nicht als ein wie auch immer erneuertes Pesach. Auffällig ist also, dass die deutlichen Peschbezüge zu Beginn der Überlieferung im zweiten Teil nicht mehr hervortreten.664 Die Betonung des Pesachkontexts führt folglich nicht dazu, das Herrenmahl als Pesachmahl zu verstehen, sondern intendiert vielmehr ein Hinwenden, Konzentrieren und Einlassen auf die von Jesus begründete Mahlfeier, wodurch der Pesachbezug letztlich im Herrenmahl aufgeht – was sich auch in der nicht erneuten Erwähnung des Pesach ab Vers 17 zeigen könnte.

II.2.3.4. (Herren-)Mahlbezüge in den synoptischen Evangelien und der Apostelgeschichte Die Mahlgaben Brot und Kelch begegnen bei den Synoptikern in unterschiedlichen Zusammenhängen: Das Brot ist Grundnahrungsmittel (Mk 3,20; 6,8; Lk 15,17), eschatologisches Hoffnungssymbol (Lk 14,15), es verweist als ungesäuertes auf das Pesach (Mk 14,12 parr.) und fungiert verbunden mit der Mahlhandlung »brechen« als Erkennungszeichen des Auferstandenen (Lk 24,35). Der Kelch erscheint außerhalb des Herrenmahls in nur zwei synoptischen Erzählzusammenhängen, in denen er als Hinweis auf Jesu künftiges Leid zu verstehen ist (Mk 10,38f. par.; 14,36 parr.). Der Frage, inwiefern die weiteren synoptischen Mahlszenen einen Herrenmahlbezug erkennen lassen, soll im Folgenden nachgegangen werden. II.2.3.4.1. Gemeinschaftsmahl mit den gesellschaftlich Marginalisierten (Mk 2,15–17 parr.) Markus schildert, wie Jesus den Zöllner Levi auffordert, ihm zu folgen (V. 14). An seinem Tisch nahmen nun viele Zöllner und Sünder665 – gemeint sind die gesellschaftlich Randständigen – mit Jesus und seinen Jüngern Platz (V. 15). Dies veranlasst die, bis dato unerwähnten, Schriftgelehrten Jesu Jünger zu befragen, warum er gemeinsam mit den Zöllnern und Sündern isst (V. 16). Jesus, nicht seine Jünger, beantwortet dies mit einem Apophthegma666 (V. 17b), demzufolge seine Sendungsaufgabe darin liegt, sich den Sündern zuzuwenden. Dadurch zeigt sich das Anbrechen des Reich Gottes, das Jesus den Marginalisierten zusagt.667 664 Vgl. Hartenstein, Abendmahl, 187. 665 Vgl. Gnilka, Mk I, 106: Insbesondere die Heiden galten als Sünder. Aufgrund der Nichtbeachtung der Reinheitsvorschriften wurde derjenige unrein, der sich mit ihnen an einen Tisch legte. 666 S. Bolyki, Tischgemeinschaften, 106. 667 Vgl. Gnilka, Mk I, 109.

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Da die Mahlhandlungen und Deuteworte des Herrenmahls hier nicht erwähnt werden, ist ein direkter Zusammenhang nicht anzunehmen. Indirekt ist aber auch diese Tischgemeinschaft Ausdruck engster Verbunden- und Zusammengehörigkeit. Jesus wendet sich gerade den Außenseitern zu und begründet mit ihnen im Mahl eine neue Gemeinschaft. Aus nachösterlicher Perspektive bedeutet die Nachfolge Jesu wohl auch, sich an diesem Verhalten ein Vorbild zu nehmen und niemanden aus der Gemeinschaft auszuschließen. II.2.3.4.2. Speisungswunder (Mk 6,35–44 parr.; Mk 8,1–9 par.) Die Frage, ob von einem Zusammenhang von Herrenmahl und Speisungswundern auszugehen ist, wie ein Teil der Forschung meint,668 ist Gegenstand der folgenden Überlegungen. Alle vier Evangelisten berichten von der wunderbaren Speisung der 5000 (Mk 6,35–44; Mt 14,13–21; Lk 9,10b – 17; Joh 6,1–15), während lediglich die ersten beiden die Speisung der 4000 erwähnen (Mk 8,1–9 par.).669 Beide »Geschenkwunder«670 laufen auf dieselbe Pointe hinaus: Ein zu knappes Nahrungsangebot vermag im Anschluss an Jesu Mahlhandlungen eine große Menschenmenge zu sättigen und es bleiben dazu noch umfangreich Nahrungsmengen übrig. Beispielhaft für die Übrigen wird im Folgenden die markinische Version der Speisung der 5000 in den Blick genommen (Mk 6,35–44): Im Anschluss an Jesu umfangreiche Rede, die er an eine große Volksmenge richtet (V. 34), schlagen die Jünger vor, dass die Zuhörer von dem »öden«671, das heißt unbewohnten und kargen, Ort (V. 35) losziehen sollen, um in der Umgebung Brote zu kaufen (V. 36). Jesus verlangt daraufhin von seinen Jüngern, dass sie der zuhörenden Menge zu essen geben sollen. Sie fragen nach, ob sie von ihrem Geld Brot einkaufen sollen (V. 37). Jesus fordert daraufhin seine Jünger auf, nachzusehen, wie viele Brote sie als Proviant mitführen. Die Jünger geben Auskunft, dass es fünf Brote und zwei Fische seien (V. 38). Woraufhin Jesus allen Anwesenden befiehlt, sich zu Tischgemeinschaften (συμπόσια) zusammen zu finden (V. 39) – so bilden sich Gruppen zu je 100 und 50 Personen (V. 40). Jesus nimmt (Part. Aor.) die Brote und Fische, sieht zum Himmel, spricht das Lobgebet 668 S. die kritische Diskussion bei Löhr, Abendmahl, 80–83. Die ältere Forschung nimmt einen direkten Zusammenhang an: S. Lohmeyer, Abendmahl, 217–252; Roloff, Neues Testament, 279f.; Hahn, Stand, 242. Marxsen, Abendmahl, 19, lässt diese Frage bewusst offen. 669 Die Unterschiede zwischen den Berichten über die Speisung der 5000 und der 4000 (7 Brote und einige Fische, 7 Körbe) sind entweder redaktionell oder aufgrund verschiedener Traditionen zu begründen (zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten s. Bolyki, Tischgemeinschaften, 89–93). 670 Theißen/Merz, Jesus, 267. 671 Bemerkenswert ist, dass ἔρημός im Kontrast zu der Ankunft mit einem Boot (V. 32) und das Lagern der Gruppen auf grünem Gras (V. 39) steht.

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(εὐλογέω), bricht (κατακλάω) die Brote und gibt (δίδωμι) sie seinen Jüngern, damit sie die Mahlgaben an die Gruppen verteilen (V. 41). Alle werden satt, wobei offen bleibt, ob Jesus mitisst (V. 42), und es bleiben noch Reste übrig: 12 Körbe mit Brot und auch etwas von den Fischen (V. 43). Im Nachsatz wird die Zahl der Mahlteilnehmer auf 5000 beziffert (V. 44).672 Der Vergleich des Berichts der Speisungswunder mit dem des Herrenmahls zeigt, dass bei beiden das Brot und die darauf bezogenen Mahlhandlungen zentral sind. Das führt zu dem Schluss, dass ihnen in beiden Fällen eine besondere Bedeutung zukommt. Die Brothandlung der beiden Mahlszenen stimmt fast wörtlich überein – die Unterschiede liegen darin, dass im Speisungswunder beschrieben wird, dass Jesus zum Himmel sah und die Verbformen εὐλόγησεν/ euloge¯sen, κατέκλασεν/kateklasen und ἐδίδου/edidou673 verwendet werden. Hinzukommt, dass das Verteilen der Brote durch die Jünger erfolgt, Jesus die Fische aber sowohl den Jüngern als auch den Mahlteilnehmern reicht. Als Mahlgaben werden folglich mehrere Brote und Fische gereicht, die explizit der Sättigung dienen. Der Kelch oder ein Getränk werden nicht erwähnt.674 Während in der Forschung auch ein direktes Abhängigkeitsverhältnis der Speisungswunder von der Herrenmahlüberlieferung angenommen wird,675 erscheint aufgrund der aufgezeigten Unterschiede zumindest eine indirekte Beziehung zu bestehen:676 Die nachösterlich entstandenen Speisungswundergeschichten bilden die Gemeinden zu einer Zeit, in der sie das Herrenmahl feiern. Vor diesem Hintergrund sind die Parallelen von Herren- und Wundermahl zu erklären und somit von einer beabsichtigten Assoziation auszugehen. II.2.3.4.3. Das Begehren der Zebedäussöhne (Mk 10,35–40 par.)677 Die beiden Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, richten an Jesus den Wunsch, dass er dafür sorgen möge, sie neben ihm in seiner Herrlichkeit sitzen zu lassen (V. 37). Jesus aber reagiert mit einer Rückfrage auf ihr Herrschaftsbegehren, die zeigt, dass sie die Tragweite ihrer Bitte nicht abschätzen: »Könnt 672 Von dem Propheten Elisa wird ein ähnliches Speisungswunder beschrieben (vgl. 1Kön 4,42– 44). 673 Mt verwendet andere Verbformen (κλάσας, ἔδωκεν), die jedoch nicht mit denjenigen seiner Herrenmahlüberlieferung übereinstimmen. 674 Zu weiteren Gemeinsamkeiten und Unterschieden s. Gnilka, Mk I, 255f. 675 S. Patsch, Abendmahlterminologie, 210–231. Dagegen Gnilka, Mk I, 261; Kollmann, Ursprung, 201–203, die es für möglich halten, ein historisches Ereignis verarbeitet zu sehen. Bemerkenswert ist die frühchristliche Ikonographie, deren Herrenmahldarstellungen sich scheinbar an den Speisungswundern orientieren, wenn sie als Mahlgaben Fische und Brote auf dem Tisch darstellen, aber einen Kelch aussparen (s. die wohl älteste erhaltene Darstellung in San Apollinare in Ravenna um 500 n. Chr.). 676 Vgl. Bolyki, Tischgemeinschaften, 94. 677 In Mt 20,20–28 richtet die Mutter der Söhne des Zebedäus die Anfrage an Jesus, er antwortet an einen Plural gerichtet. Dazu streicht Mt den Taufhinweis.

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ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder werdet ihr mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauft werde?« (V. 38). Die beiden Zebedaїden bestätigen Jesu Anfrage. Anschließend spricht auch Jesus ihnen das Vermögen zu (V. 39), schränkt aber ein, dass nur diejenigen bei ihm sitzen werden, denen dies bestimmt ist (V. 40). Dadurch, dass der markinische Jesus von seinem Trinken aus dem Kelch spricht, ist davon auszugehen, dass dieser Kelch als Leidenskelch zu verstehen ist (vgl. Mk 14,36 parr) (s. II.3.3.1.).678 Die Beziehung zum Herrenmahl könnte darin gesehen werden, dass auch die Jünger aus diesem trinken – der ihnen von Jesus im Herrenmahl gereicht wird. Im Gegensatz zum Herrenmahl ist die Folge des Trinkens allerdings keine Anteilhabe an Christus, sondern symbolisiert die Bereitschaft, sich in die direkte Nachfolge Jesu zu begeben und Leid zu erdulden.679 II.2.3.4.4. Brothandlung als Erkennungszeichen des Auferstandenen (Lk 24,30f.35) In der Emmauserzählung aus dem lukanischen Sondergut (Lk 24,13–35) wird von Lukas beschrieben, dass die Jünger den Auferstandenen erst anhand der Mahlhandlung (nehmen, εὐλογέω, brechen, ἐπιδίδωμι/»hin- bzw. übergeben«) erkennen (V. 30f.). Anschließend ist der Auferstandene verschwunden. Dem Brotbrechen (τῇ κλάσει τοῦ ἄρτου) kommt in diesem Zusammenhang eine herausragende Stellung zu, da die Jünger mit diesem Begriff auf die Handlungen des Auferstandenen subsumierend verweisen (V. 35; vgl. Apg 2,42). Die Annahme, von diesem Zeitpunkt an sei für die Gemeinde eine unmittelbare Begegnung mit dem Auferstandenen unmöglich, denn seine Gegenwart sei »nur noch in der Erinnerung und Vergegenwärtigung möglich, die sich in der kontinuierlichen Wiederholung des von Jesus eingesetzten Herrenmahls vollzieht«680, muss dahingehend eingeschränkt werden, dass Lukas davon berichtet, die Jünger würden auch im Folgenden die Gegenwart des Auferstandenen erfahren (V. 36–43). Es lässt sich sagen, dass in diesem Bericht eine Verbindung von den Tischgemeinschaften des irdischen Jesus zur nachösterlichen Mahlpraxis der frühen Gemeinde gezogen wird.681 Diese Erzählung kann als Garant dafür verstanden werden, dass der Auferstandene im Mahl als gegenwärtig empfunden werden kann – er löst hier seine Ankündigung, seinen Leib zu erhalten, zum ersten Mal ein.682

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Zu Mk 14,36 s. Schmithals, Mk II, 467. Vgl. Gnilka, Mk II, 102. Popkes, Gegenwärtigkeit, 5. S. Bolyki, Tischgemeinschaften, 160. Bemerkenswert ist, dass auch im sekMk-Schluss berichtet wird, dass sich der Auferstandene den Elfen offenbarte, als sie gemeinsam bei Tisch saßen (16,14).

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II.2.3.4.5. Brotbrechen (Apg 2,42; vgl. 2,46; 20,7.11; 27,35) Die zuvor herausgestellte Bedeutung des Brotbrechens für das Evangelium nach Lukas spiegelt sich auch in der Apostelgeschichte wider: das Brotbrechen gehörte neben den Gebeten zu den charakteristischen Handlungen der nachösterlichen Gemeinschaft (2,42; vgl. 2,46; 20,7) und wurde während der Versammlungen wohl von einer Person mit besonderer Würde vollzogen (vgl. 20,11; 27,35). Die aus der jüdischen Mahlsitte bekannte Mahlgeste entwickelt sich in der lukanischen Gemeinde als Bezeichnung für die gemeinschaftliche Mahlbegehung. Dass diese allein aus Brot bestand, also ohne Getränk vollzogen wurde, ist unwahrscheinlich.683 Allerdings scheint der Gestus des Brotbrechens, womöglich aufgrund der Herrenmahltradition, so stark an Jesus rückgebunden zu sein, dass er zu einem terminus technicus wurde.684 II.2.3.5. Zusammenfassung Die Ergebnisse zur synoptischen Herrenmahlüberlieferung lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Kontext: Im Gesamtrahmen des Passionsberichts werden die Deuteworte im Zusammenhang des Verrätermahls überliefert. Der Kontext dieser Abschiedsmahlszene ist das Pesach. Die Deuteworte scheinen in diesen Rahmen literarisch integriert zu sein, da sie deutliche Unterschiede zum Kontext aufweisen, wie fehlende spezifische Pesachmahlelemente sowie ein Perspektivwechsel weg von den Jüngern hin zu dem sich austeilenden Jesus. Die markinische narrative Darstellung wird von Matthäus leicht präzisierend übernommen, wohingegen Lukas seine Vorlage stark redaktionell bearbeitet, indem er zunächst den Pesachbezug zu Beginn seiner Überlieferung betont und dann die der paulinischen Tradition entsprechenden Deuteworte mit markinischen Ergänzungen, also auch ohne Pesachhinweise, überliefert. Bezüge zum Herrenmahl innerhalb der synoptischen Evangelien sind in den Erzählungen von den Speisungswundern erkennbar. Darüber hinaus ist für das 683 S. Lindemann, Einheit und Vielfalt, 210–212. Pesch, Apg, 133, meint, hiermit sei auf »Sättigungsmahl und Feier der Eucharistie« verwiesen (Hervorhebung im Original). Schille, Apg, 116, ist hinsichtlich des sättigenden Charakters vorsichtiger. 684 Schrage, 1Kor III, 44 Anm. 536, versteht die »Brotkommunion als ›Urform‹ des christlichen Abendmahls«; Jeremias, Abendmahlsworte, 114, meint, die Bezeichnung sei in Folge der Trennung von Sättigungsmahlzeit und Herrenmahl aufgekommen. Zudem sei die Feier »sub una« die Regel, was er mit 1Kor 11,25 (ὁσάκις ἐὰν πίνητε) und Lk 22,20 (fehlender Wiederholungsbefehl) begründet. Der Ansicht ist auch Pesch, Abendmahl, 158; Lindemann, Einheit und Vielfalt, 210f., zufolge beschreibt Lk mit dem Begriff die Tischgemeinschaft in Fortsetzung der Mahlgemeinschaft der Speisungserzählung (der Kelch gehöre nicht zum eigentlichen Mahlvollzug).

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

lukanische Doppelwerk die Bezeichnung der Mahlfeier mit dem Terminus »Brotbrechen« (Lk 24,35; Apg 2,42) charakteristisch. 2. Mahlteilnehmer: Als Teilnehmer des Verrätermahls wird der Zwölferkreis genannt (Mk 14,17), der folglich auch am Herrenmahl teilnimmt (Mk 14,22). 3. Der Gastgeber: Der irdische Jesus agiert in der Rolle des jüdischen Hausvaters, der gemeinsam mit den Seinen isst. Zuvor hat er diese beauftragt, die Mahlsituation vorzubereiten. Seine Rolle wechselt, wie bereits im Zuge der paulinischen Herrenmahlüberlieferung beschrieben (s. II.2.2.4.2.3.), zum Zeitpunkt des Sprechens der Deuteworte. 4. Mahlgaben und -gesten: Im Herrenmahl deutet Jesus die Mahlgaben Brot und Kelch – aus Mk 14,25 kann gefolgert werden, dass Markus das Getränk als Wein versteht. Im Zusammenhang der von Markus und Matthäus beschriebenen Mahlhandlungen ist auffällig, dass hinsichtlich des Brotes εὐλογέω, hinsichtlich des Kelchs aber εὐχαριστέω Verwendung findet – hier zeigt sich der synonyme Gebrauch der beiden Verben. Im Gegensatz zur paulinischen Tradition und dem zweiten lukanischen Kelchwort (Lk 22,20) wird in der markinischen und matthäischen Herrenmahldarstellung auch die Kelchhandlung beschrieben. Bemerkenswert ist, dass bei Markus erst die Kelchhandlung und das Trinken aus dem Kelch erfolgt – das Essen des Brotes wird nicht beschrieben, ist aber in Mt 26,26 durch φάγετε/phagete angedeutet –, bevor Jesus anschließend das Deutewort spricht. 5. Deuteworte: Das Mahlgeschehen rückt gegenüber den Deuteworten Jesu gänzlich in den Hintergrund – es findet sich explizit (μετὰ τὸ δειπνῆσαι) nur in der lukanischen Überlieferung (Lk 22,20). Die Brothandlung wird von Jesus als »mein Leib« gedeutet. Das Kelchwort ist hingegen umfangreicher: »dies ist mein Bundesblut« – die Kelchgabe symbolisiert das Blut, mit dem ein Bund geschlossen wird – wird ergänzt durch »das vergossen wird/ist für viele«. Die ὑπέρ-Wendung wird bei Markus folglich mit dem Pronomen πολλῶν verbunden. Auffällig ist zum einen, dass Matthäus an Stelle einer ὑπέρ- eine περὶ-Wendung im Kelchwort aufweist und Lukas entsprechend der von Paulus überlieferten Tradition die ὑπέρ-Wendung mit ὑμῶν im Brotwort verbindet. Lukas überliefert zudem entsprechend der (vor-)paulinischen Tradition einen Wiederholungsbefehl – allerdings nur im Brotwort, wodurch er möglicherweise die in seiner Gemeinde praktizierte Mahlfeier reflektiert (vgl. Lk 24,30.35; Apg 2,42.46). Neben dem redaktionellen Bezug auf das Pesach (Lk 22,15f.) ist für die lukanische Herrenmahlüberlieferung kennzeichnend, dass sich in ihr paulinische und markinische Elemente verbinden. Hierin zeigt sich, dass Lukas einen »Mischtext«685 überliefert, dessen Eigenständigkeit 685 Blank, Ausblick, 141.

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wahrzunehmen gilt, weshalb er nicht unbedacht mit der paulinischen Version gleichgesetzt werden sollte. Da die Aufforderung zur Wiederholung oder Erinnerung (Lk 22,19; 1Kor 11,25) bei Markus und Matthäus nicht begegnet, ist von deren Bestimmung als Kultätiologie Abstand zu nehmen. 6. Mahltyp: Von dem im Kontext erwähnten Pesachmahl ist das Herrenmahl deutlich zu unterscheiden. Zunächst erinnern die beschriebenen Mahlhandlungen an ein gewöhnliches jüdisches Gemeinschaftsmahl. Im Unterschied zu diesem isst Jesus in der Rolle des Hausvaters aber nicht mit, sondern identifiziert sich selbst mit den Mahlgaben, teilt sich somit selbst aus (Kommunio-Gedanke)686 und wird verzehrt. 7. Mahldeutung: Neben den mit der paulinischen Herrenmahlüberlieferung übereinstimmenden Motiven (Bund, ὑπέρ) liegt eine Besonderheit der synoptischen Überlieferung darin, dass das Herrenmahl als narrativer Bericht einer einmaligen Begebenheit in Jesu Leben erscheint. Der bei Markus und Matthäus nicht vorhandene Wiederholungsbefehl legt nahe, dieses Mahl als unwiederholbar zu verstehen – es spiegelt sich in ihrer Überlieferung also nicht die Mahlliturgie ihrer Gemeinde wider. Dann stellt sich aber für Markus die Frage, weshalb er die Deuteworte in anderer Form als Paulus überliefert. Möglicherweise ist es ihm und seiner Gemeinde zuzuschreiben, dass die Deuteworte im narrativen Text unliturgisch wirken, denn er bzw. die ihm vorliegende Tradition verbindet die Erzählung vom letzten Mahl Jesu mit den Deuteworten sekundär. Das letzte Mahl Jesu wurde also literarisch überliefert und kann historisch durchaus im Pesachzusammenhang stattgefunden haben. Die Einsetzungsworte waren noch kein Bestandteil dieser Tradition, sondern wurden in der Form, in der sie die Mahlfeier der markinischen Gemeinde begleitet haben, in die literarische Tradition vom letzten Mahl eingebunden. Statt von einer Kultätiologie zu sprechen, zeigt sich vielmehr die Verknüpfung von Tradition und Praxis innerhalb der markinischen Gemeinde. Da Matthäus aufgrund kaum vorhandener redaktioneller Tätigkeit keine Einflüsse einer eigenen Mahlpraxis erkennen lässt, ist anzunehmen, dass er diese tatsächlich nicht reflektiert, sondern die markinische Version als literarische Vorlage versteht, die er übernimmt. In Betracht zu ziehen ist daher, dass die Mahlfeier der matthäischen Gemeinde zu Beginn ohne Deuteworte begangen wurde.

686 S. Anm. 525.

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II.2.4. Herrenmahlterminologie und -deutung im Evangelium nach Johannes Im Evangelium nach Johannes ist keine der synoptischen oder paulinischen Überlieferung entsprechende Herrenmahldarstellung zu finden. Neben dieser Besonderheit, die in der Forschung mit einer Fülle von Hypothesen beantwortet wird,687 ist Johannes insofern in den Blick zu nehmen, als er vermutlich dennoch eine ausgeprägte Deutung der christlichen Mahlfeier bietet (6,48–58). Daneben finden sich einige Passagen, die auf ihren Herrenmahlbezug hin zu befragen sinnvoll erscheinen und möglicherweise die Frage nach dem johanneischen Herrenmahl weiterführen (1,29b.36b; 2,1–10; 4,10.13f.; 6,60–66; 7,37f.; 13,1–20; 19,34.36b; 21,1–14). Der Verfasser(-kreis)688 des Evangeliums nach Johannes wird sowohl im syrischen689 als auch im kleinasiatischen Raum (Ephesus)690 lokalisiert. Das Evangelium ist vermutlich um 100 n. Chr. entstanden.691 Umstritten ist, an welchen Adressatenkreis es sich wendet: Die Möglichkeiten reichen von Juden692 bis zu einer überwiegend aus christusgläubigen Heiden693 bestehenden Gemeinde. Aus literarkritischer Perspektive ist zu bemerken, dass ein Teil der Forschung die Tätigkeit eines »kirchlichen Redaktors« postuliert und mit sekundären Einbzw. Überarbeitungen rechnet.694 Aufgrund der Zielsetzung dieser Arbeit wird diese in der Forschung umstrittene Frage im Folgenden ausgeblendet und das Evangelium als literarische Einheit in den Blick genommen. II.2.4.1. Jesus als Pesachlamm? In Joh 1,29b.36b bezeichnet Johannes der Täufer Jesus als »das Lamm Gottes« (ὁ ἀμνὸς τοῦ θεοῦ). Diese christologische Aussage knüpft aber kaum an die Pesachtradition an,695 da von ihr her der Nachsatz »das die Sünde der Welt besei-

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Zur Übersicht der neuen Forschung s. Theobald, Eucharistie, 178–188. Zur sog. johanneischen Schule s. Schnelle, Joh, 1–3. S. Becker, Joh I, 50. Zu den Gründen s. Schnelle, Joh, 2f.6f.; Siegert, Joh, 46. S. Dietzfelbinger, Joh I, 19; Becker, Joh I, 50f. Joh 4,13f.; 6,32.49f. (s. Wilckens, Joh, 11). Joh 19,31 (zu den Gründen s. Schnelle, Joh, 8–10). Zur Diskussion s. Thyen, Joh, 352f.; Barrett, Joh, 295–297; Schnelle, Joh, 13.131–134, die für die Einheit votieren. Für Redaktion votieren z. B. Bultmann, Joh, 174–177; Schweizer, Ego eimi, 155f., der zunächst gegen die Einheit votierte, dann aber in Schweizer, Zeugnis, 385f., diese Auffassung einschränkt; Wehr, Arznei, 200–277; Siegert, Joh, 15–171. Eine Zusammenfassung der Argumente gegen eine Einheitlichkeit des Joh bei Petersen, Jesus zum »Kauen«, 109f. 695 Bei Paulus ist eine explizit formulierte Pesach-Christus-Typologie anzutreffen (1Kor 5,7), während eine solche im Joh nur implizit, aufgrund der Chronologie und der Anspielung auf

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tigt« (1,29b) nicht zu erklären ist – dem Pesachlamm kommt keine Sünden tilgende Funktion zu.696 Im Hintergrund dieser Aussage steht vielmehr das Opfertier im Sprachgebrauch des alttestamentlichen Opferkults (vgl. Ex 29,38; Lev 12,6).697 Da es zur Sündentilgung eines Widders bedarf (vgl. Lev 5,15–26)698 und das Pesachlamm diese Funktion nicht innehat, spielt Johannes hier mit »Lamm« wohl kaum auf die Pesachtradition an. Er weist von Beginn seines Evangeliums an vielmehr auf das Ziel des Weges Jesu und die Bedeutung seines Todes hin. Einig sind sich die Evangelisten über den Wochentag, an dem Jesus starb: Freitag (vgl. 19,31.42; Mk 15,42 parr.)699. Im Unterschied zur synoptischen Überlieferung datiert Johannes Jesu Tod jedoch auf den Pesachrüsttag (14. Nisan) – Jesus stirbt folglich zur selben Zeit, zu der auch die Pesachlämmer geschlachtet werden (18,28; 19,31; vgl. dagegen Mk 15,34). Hieraus ergibt sich die bis heute viel diskutierte Frage, inwiefern diese johanneische Datierung historisch zutrifft: Entweder resultiert sie aus einer rein christologischen Absicht ohne historischen Anhaltspunkt700 oder aber es handelt sich um eine historische Korrektur,701 die der Verfasser wiederum christologisch füllt. Letztgenannter Sicht geben folgende Gründe Vorzug: Die so genannte Pesachamnestie erscheint nur sinnvoll, wenn der Entlassene das Pesach mitessen konnte – es also erst nach Jesu Verhaftung stattfand. Historisch wahrscheinlich, und durch Markus belegt, erscheint zudem, dass an Pesach sowohl keine Hin-

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die unversehrten Knochen in 19,36, angenommen werden kann (s. Schlund, Deutungen, 397). S. Eberhart, Studien, 274–278; Barrett, Joh, 201, leitet hingegen die joh Bezeichnung aus der Pesachtradition ab, da im Hintergrund eine »Passainterpretation des Letzten Mahls und der Eucharistie« (201) stehe. Vgl. Dautzenberg, ἀμνός, 169f. Die Hypothese, die u. a. von Jeremias aufgestellt wurde, dass das aram. talja mit seinen zwei Bedeutungen »Lamm« und »Knecht« (es ist ein »Junges« gemeint) als Hintergrund anzunehmen und »Knecht Gottes« aus Jes 53 herzuleiten sei, ist ein dogmatischer Eintrag (ἀμνός, 343; Wilckens, Joh, 40f.), da Jesus an dieser Stelle mit dem Lamm identifiziert, während der Gottesknecht mit diesem lediglich verglichen wird (vgl. Thyen, Joh, 120). Schnelle, Joh, 49, führt die Formulierung sowohl auf die Pesachtradition als auch auf Jes 53,4.11f. LXX zurück. Für den Versuch ἀμνός als Widder zu übersetzen, fehlen Belege. Offen bleibt, ob diese Datierung historisch gesichert ist oder auf einer Rückrechnung der Auferstehung Jesu »am dritten Tag« (Mk 16,1) resultiert (s. Conzelmann/Lindemann, Arbeitsbuch, 447). Aufgrund der Deutung Jesu als Pesachlamm erfolge eine Ablösung vom Pesachfest zu der Zeit, in der sich die Ablösung vom Judentum vollzieht (s. Jeremias, Abendmahlsworte, 73– 78; Instone-Brewer, Jesus’ Last Passover, 122–123). Strack/Billerbeck, Kommentar II, 847– 853, geht von zwei verschiedenen Zählweisen aus, die der Evangelist beide gekannt habe (852). So Standhartinger, Abendmahl, 27f.; Blinzler, Prozess Jesu, 78–81; Green, Death, 115f., nimmt an, dass auch das Joh indirekt auf das Pesachmahl verweise.

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richtungen erfolgen sollten als auch Volksaufstände zu vermeiden waren (vgl. Mk 14,1f., eine Angabe die nicht recht ins markinische Zeitschema passt)702.703 Dazu erscheint die markinische Formulierung »es war Rüsttag (παρασκευὴ), das ist der Tag vor dem Sabbat (προσάββατον)« (Mk 15,42) recht eigenwillig und kann von daher so zu verstehen sein, dass παρασκευὴ »ursprünglich den Rüsttag vor dem auf den Sabbat fallenden Paschafest meinte, was Markus durch die Ergänzung ὅ ἐστιν προσάββατον etwas unbeholfen korrigierte«704. Zur johanneischen Datierung passt auch die lukanische Notiz, dass Jesus das Pesach nicht isst (Lk 22,16) – er konnte es gar nicht essen, weil er der johanneischen Darstellung zufolge bereits gestorben war.705 Festzuhalten ist, dass das Pesachmahl im Johannesevangelium für die christliche Mahlfeier keine entscheidende Deutungskategorie zu sein scheint. Weshalb ist es dann aber markinische Absicht, diesen Zusammenhang herzustellen, obwohl er in den Einsetzungsworten gerade nicht erkennbar wird? Wahrscheinlich wollte Markus eine Beziehung von der Tradition des letzten Mahls Jesu zu der in seiner Gemeinde begangenen Mahlfeier herstellen. Trotz dieses scheinbaren Desinteresses des Verfassers des Johannesevangeliums am Deutungskontext des Pesach ist an diesem Zusammenhang auffällig, dass im vierten Evangelium die Pesachverweise häufiger sind als bei den Synoptikern: »Neben allg. chronologischen Angaben (2,23; 6,4706 ; vgl. 4,45) und solchen, die der synopt. Tr. entsprechen (11,55a; 13,1), gibt es eine dezidierte Passa-Chronologie«707 (12,1.3; 18,28.39; 19,14.31.42). Insbesondere die Anspielung in 19,36b – Jesu Beine bleiben unversehrt – auf die Schrifterfüllung, der zufolge »kein Knochen zerbrochen werden soll« (Ex 12,46; Num 9,12; vgl. Ps 33,21 LXX),708 lässt deutlich an das Pesachlamm denken – auch wenn der Verfasser diesen Begriff nicht direkt verwendet (vgl. dagegen 1Kor 5,7b).709 Dass Johannes Jesus mit dem Pesach(-lamm) in Verbindung bringt, trägt nichts für die Frage nach dem johanneischen Herrenmahl aus – es handelt sich hierbei um eine christologische Deutung, die sich aus der johanneischen Chronologie ergibt: Jesu Tod, als einmaliges und unwiederholbares Ereignis, ersetzt den jüdischen Ritus der jährlichen Pesachlammschlachtung. 702 703 704 705 706

S. Betz, Gemeinschaft, 6. S. Theißen/Merz, Jesus, 152f. Weidemann, Bundesblut, 72. Vgl. Barrett, Luke XXII, 305. Die zeitliche Einordnung des Speisungswunders könnte als vorausdeutende Anspielung auf den Exodus und damit verbunden auf die Mannaspeisung verstanden werden (s. Petersen, Jesus zum »Kauen«, 115 Anm. 32). 707 Patsch, πάσχα, 118. 708 Zur Diskussion s. Reim, Studien, 51–54; Obermann, Erfüllung, 298–310. 709 Anstelle einer literarischen Benutzung der Protopaulinen ist eher von einer traditionsgeschichtlichen Beziehung auszugehen (s. Schnelle, Joh, 17).

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II.2.4.2. Herrenmahlbezüge im Evangelium nach Johannes? Es erfolgt ein Durchgang durch das Evangelium nach Johannes mit dem Ziel, Hinweise auf Elemente des Herrenmahls auszumachen. Alle folgenden Texte enthalten keine direkten Hinweise, weshalb die anschließenden Gedanken die Gefahr in Kauf nehmen müssen, die Herrenmahlperspektive zu stark zu machen. Immerhin sind alle angesprochenen Texte in der Forschung mit dem Herrenmahl in Verbindung gebracht worden.710

II.2.4.2.1. Hochzeit zu Kana (Joh 2,1–10) Der erste Text, der in diese Richtung interpretiert wurde, ist die Hochzeit zu Kana (2,1–10), auf der Jesus aus Wasser Wein werden lässt:711 Es findet eine Hochzeit statt, wobei weder das Brautpaar noch andere Gäste außer Jesus, seine Mutter und Jünger (V. 1f.) genannt werden. Im Zentrum steht die Szene, dass der Wein ausgeht, wovon Jesus durch seine Mutter unterrichtet wird (V. 3). Zunächst – weil der vorangehende Vers wohl als implizite Handlungsanweisung zu verstehen ist – weist Jesus seine Mutter schroff mit dem Hinweis zurück, nichts dagegen tun zu können, da seine Stunde noch nicht gekommen sei (V. 4). Woraufhin die Mutter sich dennoch an die Diener mit der Aufforderung wendet, »was immer er euch sagt, das tut« (V. 5). Dies weist Jesus nicht zurück, denn er fordert die Diener auf, die vorhandenen Gefäße (V. 6) mit Wasser zu füllen712 und dem Festordner zu bringen (V. 8). Dieser bemerkt durch kosten, dass aus dem Wasser Wein geworden war (V. 9) – sogar von herausragender Qualität (V. 10). Unterschrieben ist diese Perikope mit »Beginn der Zeichen«713 (V. 11). »Als Mahlwunder steht seine ›Zeichen‹haftigkeit dem Mahlwunder in Joh 6 nahe. […] Beide Zeichen sind auf die Eucharistie zu beziehen, in der der Gekreuzigte in seiner Herrlichkeit (2,11) gegenwärtig ist und an sich teilgibt.«714 Neben diesem sehr allgemeinen Hinweis auf einen möglichen Herrenmahlbezug715 erinnert insbesondere das Ende der Erzählung an die Deutung einer Wandlung der Herrenmahlelemente, wenn nämlich der Festordner bemerkt, dass es Qualitätswein ist. Zudem trinkt 710 Vgl. MacGregor, Eucharist, 111–116, demzufolge der Herrenmahlbezug in Joh 2,1–10 eine sekundäre Konstruktion ist, die der Verfasser nicht primär beabsichtigte (111). Zu Joh 4,10 bemerkt er, dass das Wasser nicht Christi selbst sei und stellt einen Taufbezug her (112). 711 Vgl. Barrett, Joh, 211f., der als außerbiblische Quelle auf den Dionysoskult hinweist. 712 Vgl. Heilmann, Wein, 109f., der einen intratextuellen Bezug zum Speisungswunder in Joh 6 annimmt, da die Jünger die Körbe füllen. 713 Die Existenz einer »Semeia-Quelle« ist umstritten. Becker, Joh I, 34, geht von ihrer Existenz aus; Schnelle, Joh, 14f., hingegen hält die »Zeichen«-Perikopen für eine Sondertradition der joh Schule. 714 Wilckens, Joh, 108. 715 Dagegen Kollmann, Ursprung, 208 Anm. 79; Bolyki, Tischgemeinschaften, 103.

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Jesus nicht selbst davon.716 Außerdem verbindet das Vermehrungs-Motiv diese Perikope mit dem Speisungswunder,717 das der Lebensbrotrede und somit der johanneischen Herrenmahldeutung vorangeht (s. II.2.4.2.3.). Der Beginn der Erzählung – gleichsam als Voraussetzung für den Schluss – weist dagegen stark auf Jesu Passion und Auferstehung hin:718 Am dritten Tag (V. 1a; vgl. Mk 8,31; 9,31; 10,34 parr.), Jesus spricht mit seiner Mutter distanziert (V. 4; vgl. Joh 19,26) sowie der Hinweis, seine Stunde sei noch nicht gekommen (V. 4c; vgl. Joh 7,30; 8,20; 13,1; 17,1). Diese Bezüge könnten zeigen, dass mit »der Fülle des guten Weines Jesus darum nicht irgendwas, sondern sich selbst«719 gibt. Sofern dieser Text Hinweise auf das Herrenmahl liefert – was keinesfalls eindeutig ist –,720 wurde in der johanneischen Gemeinde Wasser, Wein oder eine Mischung konsumiert. II.2.4.2.2. Das »lebendige Wasser« (Joh 4,10.13f.; 7,37f.) Der nächste Text könnte zeigen, dass dem Wasser eine größere Bedeutung zu gemessen wird, als dem Wein:721 In Joh 4 bezeichnet sich der johanneische Jesus als der Geber von »lebendigem Wasser«722 (ὕδωρ ζῶν in V. 10 bzw. τὸ ὕδωρ τὸ ζῶν in V. 11; vgl. ὁ ἄρτος ὁ ζῶν in 6,51) und entfaltet diese Aussage in Vers 13f., indem er – ähnlich wie in 6,32.49f. – das Wasser, welches aus Jakobs Brunnen stammt und nicht für ewig den Durst stillt, dem Wasser, welches er geben wird (Futur; vgl. 6,51c) und das zum ewigen Leben führt (vgl. 6,51b.54), gegenüberstellt (vgl. Apk 21,6; 22,1.17). »Es geht um Wasser, das im Innern des Menschen zu einer Quelle wird, die ›zum ewigen Leben‹ sprudelt. […] Auf der einen Seite wird durch dieses Wasser dem Empfänger selbst ewiges Leben zuteil. Andererseits macht diese Erfahrung das eigene Innere des Menschen zugleich zu einer Quelle, die auch für andere Menschen Lebenswasser sprudeln«723 lässt.

716 Vgl. Wilckens, Joh, 59, der »einen Hinweis auf die eucharistische Mahlfeier« aufgrund des Weins annimmt. 717 S. Léon-Dufour, Abendmahl, 344. 718 Vgl. Thyen, Joh, 155f.; MacGregor, Eucharist, 110. 719 Thyen, Joh, 156 (Hervorhebung im Original). 720 Zu den Deutungsmöglichkeiten s. Heilmann, Wein, 107–143, der zu dem Ergebnis kommt, dass »die durch Jesus gespendete messianische Weinfülle gleichzeitig seine doxa und Göttlichkeit als Inkarnierter im Bild des dionyschen Weinwunders zum Ausdruck bringt« (136). 721 Vgl. Hoskyns, Fourth Gosepel, 197, der aufgrund der gemeinsamen Verwendung von ἀντλέω für einen direkten Zusammenhang votiert. 722 Im alltäglichen Sprachgebrauch steht dies im Gegensatz zum »stehenden«, z. B. Zisternenwasser. Wilckens, Joh, 81f., erkennt Taufbezüge. 723 Wilckens, Joh, 82.

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Auch in Joh 7,37f. begegnet das Motiv, das Jesus einlädt, den Durst von demjenigen zu stillen, der zu ihm kommt, durch lebendiges Wasser, welches aus seinem Leib fließen wird.724 Hier zeigt sich, welche herausragende Bedeutung dem Wasser im Johannesevangelium zukommt. Der Wein erfährt hingegen keine in diesem Sinne ›durststillende‹ Deutung (vgl. 15,1–8), woraus sich die Möglichkeit ergibt, im Wasser, neben dem Brot, eine Mahlgabe des johanneischen Mahls zu sehen.725 II.2.4.2.3. »Mein Fleisch ist wahre Speise und mein Blut ist wahrer Trank« (Joh 6,48–58.60–66) Für die Frage, inwiefern Johannes eine Deutung des Herrenmahls bietet, ist das Verständnis des folgenden Abschnitts grundsätzlich. Dieser ist in der Forschung stark umstritten: »Es besteht kein Konsens darüber, ob sich die Verse überhaupt auf das Abendmahl beziehen oder lediglich metaphorische Rede ohne eine konkrete und wiederholte Mahlpraxis vorliegt. Umstritten ist auch, ob es sich um einen originären Bestandteil von Joh 6 oder um eine spätere Zufügung einer so genannten ›kirchlichen Redaktion‹ handelt – bei der Annahme einer redaktionellen Zufügung würde man das ›eigentliche‹ Evangelium und seinen angenommenen Verfasser von dem schwierigen Text sozusagen ›befreien‹.«726 Vorab soll es aber um die thematische Hinführung und Betrachtung des Kontexts gehen, um den umstrittenen so genannten eucharistischen Abschnitt einordnen zu können: 724 Vgl. zum möglichen traditionsgeschichtlichen Hintergrund Wilckens, Joh, 134f. 725 Rissi, Fische, 82–86, erkennt eine joh Herrenmahltradition, die sich aus den Mahlelementen Brot und Fisch zusammensetzt und als »Auferstehungsfeier« begangen wurde, wozu sich aber Thyen, Joh, 786, skeptisch äußert, da auf Fisch als Mahlelement lediglich das aus der syn Tradition bekannte Speisungswunder und das Nachtragskapitel, das möglicherweise auf die »Menschenfischer«-Perikope Bezug nimmt, verweisen, sei dieser Bezug nicht sicher. Kneubühler, Himmel, 120, geht ohne weitere Begründung von Wein als Getränk aus. 726 Petersen, Jesus zum »Kauen«, 107. Vgl. Kneubühler, Himmel, 118, bezeichnet den Einschub der Herrenmahlthematik in Joh 6 und die Abkopplung vom Passionskontext als »Reinterpretation«: »Die Gabe des Brotes ist der Anfang einer neuen Existenz«. Vgl. Berger, Anfang, 210, zufolge deutet dieser Abschnitt »nicht ein Gemeinde-Mahl und dessen Elemente, sondern Jesus sucht Metaphern für sich und sein Wirken« (Hervorhebung im Original). Stare, Leben, 219, zufolge bleibt die Intention des Verfassers hier spekulativ, weshalb dieser Abschnitt nicht als »eucharistisch« bezeichnet werden könne. Heilmann, Wein, 171– 174.197–199, schließt nicht aus, dass in der joh Gemeinde Gemeinschaftsmahle stattfanden, »bei denen Brot und Wein verzehrt und Mahlgebete gesprochen worden sind, die womöglich einen Bezug zum Tod Jesu hergestellt haben« (173). Dies macht er am »Brot« fest: »Gleichwie das Brot (ἄρτος) in Joh 6 einen Sinnüberschuss enthält und im bildsprachlichen Zentrum steht, so weist auch die Verwendung von ἄρτος im MkEv eine besondere Tiefendimension auf, die […] vom Verfasser des Johannesevangelium erkannt und kreativ verarbeitet worden ist« (174).

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Im Anschluss an die Zeichen der Speisung der 5000 (V. 1–15) und des Seewandels Jesu (V. 16–22), die der Verfasser ähnlich der synoptischen Tradition schildert (vgl. Mk 6,32–44 parr. bzw. Mk 6,45–56 par.), lässt er den johanneischen Jesus die so genannte Lebensbrotrede über das »Brot vom Himmel« sprechen (V. 26–58): Zunächst befindet er sich im Dialog mit dem Volk (V. 25b – 34), das ihn in Kapernaum gesucht und schließlich am anderen Ufer des Sees gefunden hatte (V. 22–25a).727 Das Gespräch728 mündet in Jesu Ich-bin-Wort vom »Brot des Lebens« (V. 35b):729 Im Zusammenhang des Speisungswunders ist das Stichwort ἄρτος bereits gefallen (V. 5.7.11), allerdings in der Spezifizierung als Gerstenbrote730 (V. 9.13). Auffällig ist, dass einzig in Vers 23 ἄρτος (Sg. mit Artikel und nachfolgendem Gen. abs.) verwendet wird und der Nachsatz εὐχαριστήσαντος τοῦ κυρίου/euchariste¯santos tu kyriu, der auf 6,11 rekurriert,731 erkennbar Herrenmahlterminologie gebraucht. Der »formelhafte Charakter«732 dieser Wendung sowie die Auslassung der Fische macht diese Stelle zu einem der »possible eucharistic markers«733. Der Zusammenhang mit der wunderbaren Brotvermehrung dient Jesus zwar als Redeeinleitung (ἄρτων Pl. mit Artikel, V. 26), das Stichwort ἄρτος (Sg., artikellos) liefert aber das Volk, indem es das Schriftzitat zur Mannaspeisung anführt (Ps 78,24 in V. 31). Der Schlüsselsatz dieses Verses (»Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen«) bildet die Grundlage für die sich anschließende sukzessive Auslegung dieses Zitats im Rahmen der Lebensbrotrede Jesu. Diese beiden Beobachtungen zeigen, dass die Lebensbrotrede einerseits im Kontext des Speisungswunders und andererseits im Horizont von Israels Mannaspeisung verstanden werden will. In den Versen 26f. deckt der johanneische Jesus auf, worin der Irrtum des Volkes besteht: Sie sind zu ihm gekommen, weil sie von den Broten (des Speisungswunders) satt geworden sind (V. 26) und sich nach sattmachendem Essen 727 728 729 730

Laut der Notiz 6,59 hielt Jesus diese Rede in einer Synagoge. Zur Auslegung der Verse 26 bis 34 s. Thyen, Joh, 343–353. Vgl. zum möglichen traditionsgeschichtlichen Hintergrund Borgen, Bread, 148–158. In der Forschung wird erwogen, hierin werde auf das Brotwunder des Propheten Elischa angespielt (vgl. 2Kön 4,42–44), der mit Jesus in Beziehung gesetzt werden soll (s. Schwank, Joh II, 41; Stare, Leben, 40f.). Schenke, Urgemeinde, 110, nimmt als Hintergrund die Verbindung der Tradition Dtn 18,15.18, syrBar 29 und Qoh r 1,28 an, denenzufolge der letzte Erlöser Weizenbrote auf die Erde herabkommen lasse. 731 Entgegen der syn Tradition beziehen sich die geschilderten Mahlhandlungen (nehmen, danken, brechen, geben) explizit nur auf die (Gersten-)Brote (und nicht auf die Fische). 732 Petersen, Jesus zum »Kauen«, 113. 733 Kobel, Dining, 177. Vgl. Dietzfelbinger, Joh I, 152; MacGregor, Eucharist, 113 macht darauf aufmerksam, dass es laut 6,26 nicht um die körperliche Sättigung geht.

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(βρῶσις)734 sehnen (V. 27a) – sie haben dieses Ereignis also als erneute Mannaspeisung verstanden.735 Mit dem Verzehr verschwindet aber die Nahrung, die der Lebenserhaltung (und dem Genuss) dient. Sie sollen aber nach dem Essen verlangen, das der Menschensohn ihnen geben wird (δώσει)736, denn dieses bleibt und führt zum ewigen Leben (V. 27b). Sättigendes Essen wird folglich dem zum ewigen Leben schenkenden Essen gegenübergestellt. Expliziert wird letzteres Essen zum einen durch ἄρτος, von dem Jesus in unterschiedlicher Weise spricht (V. 32f.35.48.50f.58), und zum anderen durch sein Fleisch, das er als wahre bzw. zuverlässige Speise (ἀληθής βρῶσις) bezeichnet (V. 55) (s. u.). Die Voraussetzung für das Verständnis des Ich-bin-Wortes737 vom Lebensbrot bilden die Verse 32f.: Im Kontrast zum Wüsten-Manna (V. 31f.) wird das »Brot Gottes«, das vom Himmel kommt,738 als Leben spendend bezeichnet. Die Gleichsetzung dieses Himmelsbrotes mit Jesus wird durch das Ich-bin-Wort in 6,35b vollzogen: Er ist das Brot des Lebens (genitivus objektivus), das heißt er ist das Brot, das Leben bringt. Es findet in der »Einheit mit dem Sohn zugleich der Vater als der Geber des Himmelsbrotes«739 Ausdruck: Nicht Jesus reicht das Brot, sondern Gott reicht seinen Sohn (vgl. 1,14).740 Voraussetzung dafür ist das Kommen zu und das Vertrauen in ihn (V. 35d.c):741 Die beiden substantivierten Partizipien sind parallel gebaut und setzen dadurch Kommen mit nie-mehrHunger-leiden sowie Glauben mit nie-mehr-Durst-leiden miteinander in Beziehung – somit sind Kommen und Glauben als Synonyme zu verstehen. Das zum Glauben-an-Jesus-Kommen führt zur ganzheitlichen und immerwährenden Bedürfnisbefriedigung, die im metaphorischen Sinne als Ankommen und Bleiben bei Gott zu verstehen ist – also zur Erlangung des ewigen Lebens (vgl. 6,47; 3,15f.36; 5,24).

734 Minde, βρῶμα; βρῶσις, 548–552, verweist auf den semantischen Unterschied zwischen βρῶσις und βρῶμα, denn Ersteres meine das Essen als Tätigkeit des Menschen, während Letzteres Speise bzw. Nahrung(-smittel) bezeichne. 735 S. Reichardt, »Ich bin es«, 149. 736 Präs. wird von ‫א‬, D, e, ff2 und j gelesen. 737 Im Griechischen ist das Personalpronomen ἐγώ (ich) besonders betont, da »ich bin« gewöhnlich nur εἰμί heißen würde. Hierzu zeigt Reichardt, »Ich bin es«, 126–131.148–153, dass dieser Redeweise Jesu im Joh besondere Bedeutung zukommt. 738 Da ἄρτος im Griechischen zu den Maskulina gehört und ebenso auch das partizipiale Prädikatsnomen καταβαίνων (V. 33) maskulin ist, gehören diese zusammen. Heilmann, Wein, 146, hingegen nimmt einen implizierten Bezug auf Jesus an. 739 Thyen, Joh, 354. 740 Vgl. Barrett, Joh, 303; Schnelle, Joh, 123; Wengst, Joh, 250f. 741 Vgl. Wengst, Joh, 239. Über den traditionsgeschichtlichen Hintergrund für 6,35 besteht Uneinigkeit: Jes 55,1–3 (Thyen, Joh, 354); Dtn 8,3 (Dietzfelbinger, Joh I, 159); Jes 54, Sir 24,21 sowie Spr 9,1–6 (Petersen, Jesus zum »Kauen«, 117).

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Um auf den Widerwillen der Ἰουδαῖοι/Ioudaioi742 zu reagieren (V. 41), wiederholt Jesus seine vorangehende Offenbarungsrede und endet in Vers 47 mit derselben Pointe wie in Vers 40, indem er verkündet, dass es Gottes Wille ist, dass derjenige ewiges Leben erhält, der seinen Sohn erkennt und an ihn glaubt (vgl. 5,39f.). Im Anschluss an die Einleitung der Rede wiederholt Jesus das Ich-bin-Wort (V. 48; vgl. V. 35a) und erläutert es erneut mit einem Rückgriff auf Israels Wüstenwanderung und Mannaspeisung (V. 49; vgl. 6,31f.). Er beschreibt als Unterschied zwischen jenem Manna und diesem Brot (οὗτός), dass derjenige, der davon isst, nicht stirbt (V. 50c), sondern in Ewigkeit lebt (V. 51d). In Vers 51 wiederholt Jesus einleitend das Ich-bin-Wort, aber mit einem veränderten Attribut zum Brot: Anstelle von τῆς ζωῆς/te¯s zo¯e¯s (V. 35.48) steht ὁ ζῶν/ho zo¯n (attrib. Part.).743 Einerseits sind diese Zusätze synonym zu verstehen, da beide Brotsorten von Gott kommen und ewiges Leben vermitteln, andererseits gehen mit ihnen verschiedene Bedeutungsnuancen einher: Das »lebendige Brot« zielt auf die christologische Pointe der Lebensbrotrede ab, da das von Gott geschickte Brot nun in Gestalt eines lebendigen Menschen aus Fleisch und Blut präsent ist. Voraussetzung für das Leben in Ewigkeit ist das Essen von diesem lebendigen Brot (V. 51b). An Versteil 51c entzündet sich eine Debatte um die Einheitlichkeit dieses Textes – und infolge dessen die literakritische Einschätzung des gesamten Evangeliums. Von daher sei kurz skizziert, woran ein beachtlicher Teil der Forschung Anstoß nimmt: Jesus erscheint hier im Unterschied zu den vorangegangenen Versteilen als derjenige, der das Brot, mit dem er sich zuvor lediglich identifiziert hat, gibt.744 Dazu variiert von dort an die Begriffswahl – es begegnen Begriffe, die im direkten Vorfeld nicht auszumachen sind: Das Kauen (τρώγω) (V. 54.56–58) des Fleisches (σάρξ) (V. 51cf.54–56) und das Trinken (πίνω) (V. 53f.56) des Blutes (αἷμα) (V. 53–56). Zudem würden sich die Aussagen von Joh 6,53 (»Wenn ihr das Fleisch des Menschensohns nicht esst […], habt ihr kein Leben in euch«) und Joh 6,63 (»der Geist ist derjenige, der lebendig macht, das Fleisch nützt nichts«) widersprechen. Hinzu kommt außerdem, dass die Heils-

742 Die Verwendung des griech. Begriffs soll verdeutlichen, dass es sich bei diesen nicht um die Juden, sondern um eine typische johanneische Terminologie handelt. Thyen, Joh, 357, begründet die Verwendung des Widerwillens-Motivs mit Intertextualität durch den Prätext der Mannaspeisung: In Ex 16,2 begegnet das »Motiv des Murrens (διεγόγγυζεν)«. 743 Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund s. Sasse, Menschensohn, 222. 744 Dieser Vers veranlasst andere Forscher anzunehmen, dass Joh hier »gegen Markus auf älteres Überlieferungsgut zurückgreifen konnte«, ihm sei also ein Brotwort bekannt gewesen, dass »strukturell eng mit dem paulinisch-lukanischen Brotwort verwandt« gewesen sei (Weidemann, Bundesblut, 80). Vgl. Theobald, Joh I, 476; Jeremias, Abendmahlsworte, 101f.

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wirksamkeit an den Verzehr gebunden ist, was der Intention des Evangeliums widerspreche, da in Joh 20,31 zu lesen ist, einzig der Glaube bewirkt Leben.745 Diesen eindrücklichen Argumenten steht die Wahrnehmung gegenüber, dass dieser Abschnitt deutliche Kontextbezüge bietet: Weitet man die Kontextwahrnehmung bis zu Beginn von Kapitel 6 aus, zeigt sich, dass Jesus bereits im Zuge des Speisungswunders als Brot-Geber dargestellt wird (V. 11). Dazu ist die Verknüpfung von Erhalt des ewigen Lebens und Gabe von Nahrung (bzw. Getränk), wie erwähnt, bereits in 4,13f. anzutreffen. Auch das angesprochene Motiv des Ineinander-Bleibens ist bei Johannes nicht singulär (vgl. Joh 15). Hinzu kommt die bereits erwähnte formelhafte Verwendung von Herrenmahlterminologie in Vers 23 (ἄρτος, εὐχαριστέω, Kyrios) (vgl. 6,1). Schließlich kann die Verwendung des Begriffs σάρξ/»Fleisch« als Rückverweis und »konsequente Weiterführung der Inkarnationsvorstellung«746 verstanden werden (vgl. 1,14): Indem sich Jesus mit dem »Brot des Lebens« identifiziert, sagt er zugleich, dass »er nicht nur der Geber, sondern als der Fleisch gewordene λόγος zugleich auch die Gabe ist«747.748 Bemerkenswert ist, dass in Vers 51c analog zur synoptischen und paulinischen Überlieferung eine ὑπέρ-Wendung anzutreffen ist: Das Brot, das er geben wird, ist sein Fleisch für das Leben der Welt (vgl. 10,11.15; 11,50–52; 15,13). Da auch in der paulinischen bzw. lukanischen Überlieferung die ὑπέρ-Wendung mit dem Deutewort zum Brot verbunden ist, lässt sich vermuten, dass der Verfasser des Johannesevangeliums in Kenntnis dieser Tradition seine Deutung formuliert: Der johanneische Jesus gibt sich selbst, damit die Menschen des Kosmos ewiges Leben erhalten (3,15f.), denn nur durch ihn ist die Welt geworden (vgl. 1,10b). 745 Zwei beispielhafte Positionen seien kurz skizziert: V. 51 wird von Thyen, Joh, 368, vor allem christologisch und nicht eucharistisch als das »Skandalon des Kreuzes« (368) gedeutet, denn er sieht hier einen sachlichen Zusammenhang zu den synoptischen Leidensankündigungen. Heilmann, Wein, 169, meint, dass sich δίδωμι eindeutig auf ἄρτος beziehe, weshalb er schlussfolgert, dass Jesus gar nicht ankündigt, sein Fleisch zu geben (er nimmt folglich an, es bestehe keine Identifizierung von Brot und Jesu Fleisch). 746 Petersen, Jesus zum »Kauen«, 114, der zufolge die Struktur der Rede Jesu wie folgt vorzustellen ist: Das »Brot im Himmel« steigt herab, dies »führt zu einer konkreten Materialisierung in der Person Jesu« (120) – das Himmelsbrot wird nun mit Jesus identifiziert und die Leibhaftigkeit wird mithilfe des σάρξ-Begriffs herausgestellt. 747 Thyen, Joh, 346 (Hervorhebung im Original). 748 S. Petersen, Jesus zum »Kauen«, 110–114; Popp, Grammatik, 384f., demzufolge »drei ineinander übergehende Stufen in der Gedankenentwicklung konstatiert werden« können (6,22–34.35–51b.51c – 58). Ohne die letzte dieser Stufen wäre der Zusammenhang »von Wort und Sakrament zerstört«; Sasse, Menschensohn, 223–226, zufolge rekurriert σάρξ auf 1,14. Wilckens, Joh, 105, bringt diese Annahme mit der inkarnatorischen Interpretation der Ignatiusbriefe und Justins Apologie in Verbindung. Er bemerkt, dass »in Ex 16 die Speisung mit dem himmlischen Manna eng mit der Speisung mit dem Fleisch der Wachteln verbunden ist. So könnte von dorther in Joh 6,51ff. auf das Stichwort ›Fleisch‹ ein besonderes Licht fallen« (106).

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Mit der ὑπέρ-Wendung verweist Johannes folglich auf Jesu Tod749 – aus dieser Perspektive erklärt sich auch die futurische Verbform –, dem soteriologische Bedeutung zukommt. In diesem zukünftigen Sattsein zeigt sich eine eschatologische Akzentuierung, die ähnlich auch bei den Synoptikern im eschatologischen Ausblick zu finden ist. Aufgrund des vorangehenden Versteils 51b allerdings, in dem vom Essen des Lebensbrotes die Rede ist, ist kaum verwunderlich, dass der Verfasser die Ἰουδαῖοι in Vers 52b fragen lässt: Wie kann uns dieser (sein)750 Fleisch zu essen geben? Diese Frage veranlasst den johanneischen Jesus zu einer Deutung, die an das Herrenmahl erinnert (V. 53f.):751 Zunächst sagt er in der 3. Pers. Sg. bezogen auf den Menschensohn (V. 53, erneut eröffnet ein doppeltes ἀμήν Jesu Rede; vgl. 6,26)752 und dann bezogen auf sich selbst (V. 54), dass derjenige, der sein Fleisch isst bzw. zerkaut (ὁ τρώγων) und sein Blut trinkt, (ewig) lebt. Auffällig ist der Wechsel von futurischen (δώσω in V. 51c) und präsentischen (ἔχει in V. 54) Formulierungen innerhalb der Offenbarungsrede Jesu: Wird Jesus geben oder hat er bereits alles zum Verzehr bereitet? Wird der Verzehrende ewiges Leben bekommen oder hat er es bereits durch das Essen erhalten? Ausdruck findet hierin vermutlich der intensive und durative Aspekt des Mahls und seiner Konsequenzen: Jesu Gabe steht den Glaubenden immer zur Verfügung und diese erlangen das ewige Leben. Zündstoff bietet in der Forschung insbesondere die Auffassung des Verbs τρώγω/»nagen, (zer-)kauen, essen, fressen«753 : Es wird in einem Teil der Forschung als Hinweis auf das Herrenmahl gewertet, da der Verfasser des Johannesevangeliums es nur in 6,54–58 sowie in 13,8 verwendet, die verwendete Partizipialform mit Objekt den Verzehrvorgang betont und mit seinem Bedeutungsüberschuss zu ἐσθίω/esthio¯ »die Vorstellung eines wirklichen Essens«754

749 Vgl. Barrett, Joh, 308f. 750 Die Bezeugung des Personalpronomens ist aus textkritischer Sicht nicht eindeutig: Gelesen wird es zwar u. a. von P66, B, lat sowie syr, aber u. a. ‫ א‬C, D und ƒ1.13 bezeugen es nicht. Durch Vers 51 ist aber ohnehin deutlich, dass es um Jesu Fleisch geht (vgl. Thyen, Joh, 366). 751 Vgl. Brown, Gospel, 284f., der zwei Gründe nennt: 1. die Vokabeln »eat«, »feed«, »drink, »flesh«, »blood«, die im AT Metaphern »for hostile action« seien, aber an Mt 26,16–18 erinnern. 2. die Formulierung in V. 51c, weshalb er es für möglich hält, »that we have preserved […] the Johannine form of the words of institution«. 752 Vgl. Thyen, Joh, 352. 753 Bauer, Wörterbuch, 1654. Das Verb begegnet nur noch ein einziges weiteres Mal im NT und zwar in Mt 24,38, dort ebenfalls als Partizip und in Verbindung mit πίνω. Die Verbindung mit dem Verb »trinken« ist außerdem bei Plutarch beleget, von dem es mit der Bedeutung »essen« verwendet wird (Quest. Con. I, 1 p. 613B; Hom., Od. Z, 9; Athen 2, p. 50E; 12, p. 548C; 14 p. 641F.645F). 754 Bauer, Joh, 99.

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erzwingt.755 Es handelt sich aber um eine deutende Rede und nicht um eine Beschreibung des konkreten Vollzugs. Hieran anknüpfend postuliert der andere Forscherteil, die johanneische Formulierung sei als rein metaphorische Sprache – also bildlich als »die Aneignung der Selbstdarbietung Jesu im Wort durch den Glauben«756 – zu verstehen.757 In Vers 55 werden die Fleisch-Speise und der Blut-Trank als ἀληθής qualifiziert und erscheinen somit als wahrhaftige, das heißt »real-körperliche«758 Nahrung (s. o.). Diese Bestimmung stellt Fleisch und Blut zudem dem Manna gegenüber (vgl. V. 32.58): Mit der Einführung der Begriffe »Fleisch« und »Blut« wird die Ganzheit der Person sowie »Jesu reales Menschsein […] unterstrichen«759. Die Aufforderung, das Fleisch zu kauen und das Blut zu trinken – also die Vorstellung, diese Attribute des Menschseins zu verzehren – klingt für jüdische Ohren ungeheuerlich (vgl. Lev 17,10–14).760 Durch das Zerkauen und Trinken – also den Verzehr Jesu – erhält der Teilnehmer an diesem Mahl paradoxerweise die Zusage für sein ewiges Leben. Jesus begründet dies damit, dass sein Fleisch wahre Speise und sein Blut wahres Getränk ist (V. 55) – was bedeutet, dass sie nicht der kurzfristigen Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dienen, sondern Zufriedenheit als Dauerzustand garantieren (vgl. V. 35c). Bezieht man dies wiederum auf das Speisungswunder, so ergibt sich folgende Lesart: Dieses Lebensbrot ist im Überschuss vorhanden, sodass jeder von der »nicht vergänglichen« (V. 27) Speise essen kann. Hierin ist eine deutliche Par755 Vgl. Haufe, τρώγω, 890; Popkes, Gegenwärtigkeit, 8, der dies als Hinweis auf »den konkreten Vollzug der Eucharistie-Feier« deutet. 756 Goppelt, τρώγω, 236. 757 S. Stare, Leben, 198, der zufolge es »um Bilder der engen persönlichen Gemeinschaft, der Verbundenheit mit Jesus und der lebensnotwendigen Beziehung zu ihm geht«, wobei sie anmerkt, dass es »eine inhaltliche Verschiebung bzw. Verstärkung von ›essen‹ zu ›zerbeißen, kauen‹ mit sich« bringt; Heilmann, Wein, 183–209, der das »Kauen des Fleisches und Trinken des Blutes« als »relationales Metaphernfeld« (vgl. u. a. Jes 55,1–3.10f.; Jer 15,16, wo vom Essen (‫ )אכל‬der Worte Gottes gesprochen werde) deutet: Wenn einer von diesem Brot isst [also zu Jesus kommt bzw. sein Wort hört bzw. an ihn glaubt], wird er leben in Ewigkeit« (Joh 6,51c/d). Im Johannesevangelium geht es programmatisch um die Annahme (παραλαμβάνω) des (inkarnierten) Wortes (vgl. v. a. Joh 1,11f.), die von der Annahme seiner Lehre bzw. dem, was Jesus spricht, nicht zu trennen ist. Das Wort bzw. die Lehre anzunehmen, gilt neben dem Glauben als Voraussetzung für das ewige Leben, wie in unterschiedlichen Variationen im Johannesevangelium deutlich wird (vgl. v. a. Joh 5,24.38; Joh 3,15f. u. ö.)« (166). »Die diesem relationalen Metaphernnetzwerk zugrundeliegende konzeptuelle Metapher lautet […]: Essen/Trinken ist Annahme von Lehre bzw. der göttlichen Weisheit« (167.169, Hervorhebung im Original). Mit metaphorischer Bedeutung begegnet τρώγω singulär in Theoph., Conti. I, 16 p. 18 A, wo es um das »Kauen der Kenntnis (γνώμας)« geht. 758 Goppelt, τρώγω, 237. 759 Thyen, Joh, 592. Vgl. Wilckens, Joh, 106. 760 Vgl. Barrett, Joh, 295.310.

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allele zum Herrenmahl zu sehen: Jeder Partizipierende hat Anteil am Leib Jesu. Die vergängliche Speise dient nur der vorübergehenden Erhaltung des irdischen Lebens.761 Es tritt die Unterscheidung von Herrenmahl, das den Glauben »sättigt«, und Sättigungsmahl, das den Hunger stillt, hervor. Das Zerkauen des Fleisches und das Trinken des Blutes Jesu ermöglicht, dass der Verzehrende in Jesus bleibt und er in ihm (V. 56), was bedeutet, dass beide dann »ineinander«, das heißt aufs Engste und unauflöslich miteinander verbunden sind (vgl. V. 54b)762 – das Kommen und der Glaube bilden hierfür die Voraussetzung (vgl. V. 35c). Es wird somit deutlich, dass dieses Mahl einen Kommunio-Charakter besitzt, der an Deutlichkeit den der Deuteworte übertrifft.763 Vers 57, der die verkettete Abhängigkeit des Sohnes vom Vater und des Kauenden von Jesus darstellt, greift komprimierend auf den Gedanken von Joh 5,21.24–30 zurück:764 Gottes Macht über das Leben gilt ebenso für seinen Sohn, weil er durch ihn lebt. Auf gleiche Weise steht der Zerkauende mit Jesus in Verbindung, der ihm wiederum das Leben ermöglicht.765 In Vers 58a.b bringt der Evangelist das Brot ein drittes Mal in einen Deutungszusammenhang mit der Mannaspeisung (vgl. V. 31f.49), indem die »beiden Sinnzeilen Joh 6,50a und Joh 6,51b miteinander kombiniert«766 werden – dieser Horizont scheint für den Verfasser und seine Adressaten besonders aussagekräftig und ergibt sich vermutlich aus dem Motiv der wunderbaren Sättigung des Speisungswunders. Dass es sich bei dem unverkennbar zentralen alttestamentlichen Bezug gerade nicht um die Pesachtradition handelt, ist in Hinblick auf den möglichen Herrenmahlbezug bemerkenswert (vgl. 1Kor 10,1–4), aber durchaus mit der johanneischen Chronologie – Jesus stirbt am Rüsttag – zu erklären. 761 Vgl. Wengst, Joh I, 259. 762 Vgl. Theobald, Eucharistie, 231, demzufolge dieser Formulierung eine Umgestaltung des Bundes-Motivs zugrunde liegt; MacGregor, Eucharist, 113, zufolge ist die Taufe die Voraussetzung. 763 Vgl. Cook, Reactions, 6, der zeigt, inwiefern dieser Text sogar bei paganen Autoren die Vorstellung von Kannibalismus hervorgerufen hat. Es wird in der Forschung auch die Meinung vertreten, die joh Sprache sei absolut metaphorisch zu verstehen und bedeute, den Glauben an den Gottessohn bildlich sich einzuverleiben – ihn sich gleichsam zu verinnerlichen (s. Thyen, Joh, 367). Der Grund für die reziproke Redeweise liege dann in der »wechselseitigen Immanenz des Vaters im Sohn und des Sohnes im Vater (10,38; 14,10f.; 17,21)« (Thyen, Joh, 371) – an der der »Zerkauende« Anteil hat. Kritisch anzumerken ist hierzu aber, dass 1. der Zusammenhang zwischen Glauben und Zerkauen singulär wäre und 2. die Hinweise auf das Manna bei dieser Deutung sinnlos werden – jedenfalls denken die Leser/Hörer beim Manna ans Essen. 764 Vgl. Barrett, Joh, 310; Hoskyns, Fourth Gospel, 298. 765 Vgl. Schweizer, Zeugnis, 394, für den die Voranstellung von »in Christus bleiben« gegen ein implizites Einverleiben spricht. 766 Heilmann, Wein, 152.

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Für diesen Abschnitt bleibt in Hinsicht auf das Herrenmahl festzuhalten, dass Jesus von Beginn an als zentrale und handelnde Figur erscheint, der Leser darüber in Kenntnis gesetzt wird, dass es in seiner Offenbarungsrede nicht um die sättigende Wirkung des Brotes geht, was von dem Volk nicht verstanden wird (vgl. V. 26), und dieses Brot in Kontrast zum Wüsten-Manna der alttestamentlichen Tradition gesetzt wird (V. 31f.). Jesus identifiziert sich mit diesem Brot und bezeichnet sich als »Brot des Lebens« (V. 35). Aufgrund dieser Bezeichnung macht Jesus deutlich, dass er nicht nur das »Himmelsbrot« auf Erden austeilt, sondern dass er dieses »Himmelsbrot« ist – als Mensch aus Fleisch und Blut ist es zu den Menschen gekommen. Diese sollen ihn zu sich nehmen, um ewiges Leben zu erhalten und sich somit auf ewig zu Gott gehörig fühlen zu können. Es ist die zuverlässige Nahrung, die die Beziehung zu Gott sichert und die Gläubigen zu Kindern Gottes macht (vgl. 1,10–13). Aufgrund der Differenzen zur paulinisch-synoptischen Tradition davon zu sprechen, dass sich hier ein eigenständiger Überlieferungszweig frühchristlicher Herrenmahlfeier als Nebentypus767 abzeichnet, führt aufgrund der Gemeinsamkeiten und den wohl verschiedenen Intentionen in der Auseinandersetzung mit der Herrenmahlüberlieferung zu weit. Dass die Verse 53–56 aber als eine Anspielung auf den konkreten Vollzug der christlichen Mahlfeier zu verstehen sind, kann in Betracht gezogen werden:768 Die Abfolge Speise – Trank ist so fest (vgl. V. 53–56), dass immer wieder auf sie angespielt wird, was als Hinweis auf eine konkrete Praxis gewertet werden kann. Erkennbar ist jedenfalls, dass der Verfasser eine gegenüber den Synoptikern und Paulus fortgeschrittene und materialistisch-konkretere christologische Reflexion der Mahlgaben bietet.769 Aus diesem Grund ist davon auszugehen, in Kapitel 6 eine Anspielung auf das Herrenmahl zu sehen.770 767 S. Wilckens, Abschnitt, 248, der eine »sekundäre« Traditionsstufe evoziert. 768 Vgl. Popkes, Gegenwärtigkeit, 8, der einschränkend hinzufügt, dass dennoch unklar bleibt, ob er »bereits vorhandene Formen liturgischer Vollzüge einer Eucharistiefeier aufgreift und reflektiert, oder ob er selbst entsprechende kultische Verhaltensweisen initiieren möchte«; s. zur Diskussion Schnelle, Antidoketische Christologie, 227f. 769 Dies entspricht der allgemeinen eigenständigen theologischen Ausgestaltung des Joh (s. Schnelle, Joh, 5.11). 770 Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Thyen, Joh, 346f.; Strotmann, Weisheit, 131–156, der zufolge sich zur personifizierten göttlichen »Frau Weisheit« in den Sprüche (z. B. Spr 9,1–6) und im Sirachbuch (z. B. Sir 24,19–22) folgende Übereinstimmungen ausmachen lassen: Es werden Mahlgaben gereicht, deren Wirksamkeit – die Erlangung des ewigen Lebens – an den Verzehr gebunden sind (152). Garant für die Wirksamkeit ist Gott, »der eigentlich im Hintergrund Handelnde« (154). Dazu wird die Wirksamkeit als das Manna übertreffend dargestellt (154). Die Sophia ist »zugleich Subjekt als auch Objekt des Gebens, so wie Jesus in Joh 6« (153). Ich gebe zu bedenken, dass sich Joh 6 und die weisheitlichen Texte aufgrund ihrer Lesarten unterscheiden: In Joh 6 – besonders durch das Verb τρώγω und den Bezug zur realen Sättigung durch die Speisungswunder kenntlich

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Jesu Offenbarungsrede ist der johanneischen Darstellung zufolge mehrfach auf Unverständnis oder Widerwillen gestoßen: In Vers 26 ist es das Volk, das Jesu Zeichen nicht recht verstanden hat, in Vers 52 sind es die Ἰουδαῖοι, die Anstoß nehmen, und in den Versen 60f. murren die Jünger über die »harte« Rede, was sogar zur Folge hat, dass sich viele seiner Anhänger von Jesus abwenden (V. 66). In einer Klimax stellt der Verfasser also dar, welche Sprengkraft Jesu Worte besitzen. Vorstellbar ist sogar, dass der Verfasser hier reale Gegebenheiten der sozio-kulturellen Mitwelt der johanneischen Gemeinde reflektiert.771 II.2.4.2.4. »Wenn ich dich nicht wasche, hast du nicht teil an mir« (Joh 13,1–20) Die Fußwaschungsszene bildet den Übergang von Jesu öffentlichem Wirken zu den Reden, die er an seinen engsten Kreis richtet und die dem Passions- und Osterbericht (18,1–20,29) vorangehen; ihr kommt »als Prolog des 2. Hauptteils […] eine Schlüsselstellung im Aufbau des 4. Evangeliums«772 zu. Im Zusammenhang der bevorstehenden Auslieferung erzählt der Verfasser des Johannesevangeliums in Übereinstimmung mit den Synoptikern (Mk 14,17– 21 parr.) und der paulinischen Tradition (1Kor 11,23b), dass ein Mahl stattfand773 (V. 2a). Im Unterschied zur synoptischen Tradition handelt es sich dabei nicht um ein Pesachmahl (vgl. Mk 14,12 parr.), denn das Geschehen ereignet sich am Tag vor dem Pesachfest (V. 1a; vgl. 11,55; 13,30; 19,31.42), also am Pesachrüsttag (14. Nisan).774 Der zweite Unterschied zur synoptischen wie zur paulinischen Herrenmahltradition besteht darin, dass weder die spezifischen Herrenmahlhandlungen (nehmen, danken, brechen) genannt noch die Deuteworte zitiert werden. Es bleibt bei dieser Mahlnotiz, die im direkten Zusammenhang mit der Auslieferungsabsicht des Judas steht (V. 2b). Erneut wird das Mahl in Vers 4a erwähnt, um einen Szenenwechsel einzuleiten: Der johanneische Jesus erhebt sich unvermittelt vom Mahl und beginnt mit dem Waschen der Füße seiner Jünger, einer niedrigen Sklaventätigkeit775 (V.

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gemacht – geht es um das tatsächliche Essen, während die Rede der Weisheit metaphorisch zu verstehen ist. An dieser Frage entzündet sich eine Debatte, der ich im Rahmen dieser Arbeit aber nicht folgen kann. S. Thyen, Joh, 379, laut dem es um die »Apostasie von Christen und nicht […] um die Genese eines innerchristlichen Schismas« geht. Schnelle, Joh, 11. Das Part. Präs. bezeugen die erste Hand von ‫ א‬und B, während u. a. P66, die zweite Hand von ‫א‬ sowie A den (ingressiven) Aorist lesen. Vgl. Thyen, Joh, 584; Schlund, Knochen, 159, die einschränkt, die Wendung lasse »sich aber auch weniger präzise als generell die Vorpesachzeit beschreibend auffassen«. S. mit Belegstellen Thyen, Joh, 587, denen zufolge diese niedrigste Handlung nicht einmal jüdische, sondern nur heidnische Sklaven ausführen durften. Zum jüdischen und griechischen Hintergrund des »Füßewaschens« vgl. Thomas, Footwashing, 26–60. Um die Art des Dienstes zu unterstreichen, legt Jesus seine Kleider ab und schürzt sich mit einem Leinen-

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5). Hierin wird deutlich, dass diese Perikope »das johanneische Verständnis der Passion Jesu als eine Bewegung der zuvorkommenden Liebe«776 ausdrückt. Die Fußwaschung muss demnach als ein Zeichen der »Lebenshingabe Jesu für den κόσμος«777 verstanden werden (vgl. 6,51c): Jesus erniedrigt sich aus Liebe zu den Seinen und diese völlige Hingabe zeigt sich am Kreuz. Folglich steht im Zentrum des johanneischen Abschiedsmahls die Fußwaschung, was die Frage nach den Gründen für diese markante Abweichung vom synoptischen Bericht aufwirft. Dass dem Herrenmahl in der johanneischen Gemeinde keine herausragende Bedeutung zukommt ist sehr unwahrscheinlich, da in Joh 6,48–58 ein Text begegnet, der – wie gezeigt – eine eigenständige Deutung der christlichen Mahlfeier vorzunehmen scheint.778 Trifft das zu, setzt der Verfasser bei seinen Adressaten die Kenntnis einer der synoptischen Darstellung entsprechenden Tradition voraus.779 Diese Annahme erscheint plausibel, da die Fußwaschungsszene einige Aspekte enthält, die als Bezüge zur Herrenmahltradition verstanden werden können: 1. es handelt sich um eine Situation, in der der engste Schülerkreis versammelt ist. 2. Jesus ist der aktiv Handelnde und die Jünger sind die Empfangenden (V. 5). 3. die Anteilhabe an Jeus ist ein wesentliches Element der Deutung (V. 8c: μέρος μετ’ ἐμοῦ)780. 4. es besteht ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Fußwaschung und Festmahlzeit (vgl. Lk 7,44).781 5. die Szene ist in den Passionskontext eingebunden und blickt voraus auf Jesu bevorstehenden Tod. 6. Ziel der Handlung ist Gemeinschaftsstiftung. Bemerkenswert ist, dass die Verrätermahltradition den Rahmen der Fußwaschungsszene bildet: Der Verfasser nimmt den Erzählfaden von V. 2 in V. 18 wieder auf und leitet mit dem Schriftzitat aus Ps 40,10 LXX zur Verrätermahl-

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tuch (V. 4). Er kleidet sich in dieser Szene ebenso, wie die Sklaven zu dieser Zeit (s. Wengst, Joh II, 92). Wengst, Joh II, 87. Thyen, Joh, 586. Vgl. Brown, Gospel, 286; Wilckens, Joh, 99–109. Dagegen Thyen, Joh, 370. S. Petersen, Jesus zum »Kauen«, 106. In der Forschung wird überwiegend davon ausgegangen, dass der Verfasser(-kreis) des Joh Lk und Mk kannte (s. Schnelle, Joh, 16; Frey, Evangelium, 79–86; Wilckens, Joh, 3–5, meint, dass Mt dem Verfasser des Joh kaum unbekannt geblieben ist. Dagegen Becker, Joh I, 36–38). Der Begriff μέρος wird von der LXX als Übersetzung von ‫ חלק‬gebraucht (Num 18,20; 2Sam 20,1; Jes 57,6). Es ist der Anteil Israels an dem von JHWH verheißenen Land gemeint (vgl. Nebe, μέρος, 1009). Die Präposition μετά ist mit Gen. ist Ausdruck für Gemeinschaft (s. Radl, μετά, 1017). Darüber hinaus findet sich bei einigen Exegeten eine in das Joh hinein interpretierte Kreuzestheologie, die die Fußwaschung – gewiss ein Akt der Liebe wie die Lebenshingabe – mit der Lebenshingabe (15,13) gleichsetzen und die Fußwaschung ebenso mit dem Herrenmahl gleichsetzen (vgl. Thomas, Footwashing, 13 Anm. 1, der auflistet, welche Exegeten in der Fußwaschungsszene einen Bezug zum Herrenmahl annehmen).

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szene über – auffällig ist die Formulierung ὁ τρώγων μου τὸν ἄρτον/ho tro¯go¯n mu ton arton (die LXX liest ὁ ἐσθίων ἄρτους μου). Anstelle von ἄρτους/artous (Pl.) verwendet Johannes ἄρτον (Sg.), womit der Verfasser möglicherweise auf geprägte Herrenmahlterminologie verweist. Zu fragen ist zum anderen, ob der Verfasser diesen Bezug auch mit dem Verb τρώγω impliziert (vgl. Joh 6) oder es als Synonym zu ἐσθίω aufgefasst hat.782 Die erste Alternative dürfte vorzuziehen sein: Auch wenn τρώγω durchaus »anstelle von ἐσθίειν […] verwendet wird, so verliert es damit nicht die differierenden semantischen Konnotationen«783. Die Tatsache, dass der Verfasser dieses Verb nur hier und in Joh 6,54.56–58 verwendet, spricht für eine bewusste Redeweise und damit für einen johanneischen Verweis auf seine Herrenmahldeutung. Da im Johannesevangelium, trotz (wahrscheinlicher) Kenntnis des markinischen Passionsberichts, keine Einsetzung des Herrenmahls begegnet, stellt sich grundsätzlich die Frage, worin der Grund für das Fehlen der Deuteworte liegt, wenn der vierte Evangelist doch eine sehr ausgeprägte Deutung der Mahlelemente überliefert. Denkbar ist zum einen, dass diese in der johanneischen Gemeinde nicht rezitiert wurden,784 weil sie unbekannt waren.785 Zu fragen bleibt bei dieser Annahme allerdings, wie der Charakter einer Herrenmahlfeier hergestellt wurde, da die Nicht-Rezitation wohl auch hieße, dass ein Herrenmahl im eigentlichen Sinne nicht stattgefunden hat bzw. dessen spezifischer Charakter nicht für alle Teilnehmer ersichtlich war. In Betracht kommt zum anderen, dass der Wortlaut der Deuteworte als selbstverständlich galt – was angesichts der von Johannes verwendeten Herrenmahlterminologie (V. 11.23) als wahrscheinlicher zu gelten hat.786 Der Grund für diese (bewusste) Auslassung der Einsetzungsworte könnte darin liegen, dass der Verfasser das von den Synoptikern im Kontext des Pesachmahls gedeutete Herrenmahl aufgrund seiner abweichenden Chronologie nicht als von Jesus eingesetzt schildern kann. Da sowohl Jesu Offenbarungsrede als auch seine Deuteworte denselben Aussagegehalt besitzen, dass es sich nämlich um ein Kommunio-Mahl787 handelt, ist in Betracht zu ziehen, dass die johanneische Deutung nicht unabhängig von

782 S. mit Belegstellen Wengst, Joh, 253; Kobel, Dining, 179 Anm. 14. 783 Petersen, Jesus zum »Kauen«, 107 Anm. 7. In der späteren hellenistischen und der frühchristlichen Zeit, nicht aber in den synoptischen Schriften, wird τρώγω häufig an Stelle von ἐσθίω verwendet (vgl. Barn 7,8; 10,2f.). 784 Dagegen Lohse, Wort, 123. 785 S. Balode, Gottesdienst, 80. 786 Dass Joh aus der syn Tradition Bekanntes reflektiert, ohne es eigentlich zu nennen, zeigt sich z. B. daran, dass der Taufvorgang zwar nicht beschrieben, die Taufe aber mit Deutung versehen wird (Joh 1,29–36) (s. mit Beispielen Petersen, Jesus zum »Kauen«, 108). 787 S. Anm. 525.

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den Deuteworten zu denken ist. Der Verfasser präzisiert diese vielmehr, wodurch er die in den Deuteworten angelegte »Christophagie«788 auf die Spitze treibt. II.2.4.2.5. »Blut und Wasser kamen sofort heraus« (Joh 19,34) Die Szene Joh 19,34 – ein Soldat stach in die Seite des verstorbenen, sich aber noch am Kreuz befindenden Jesus, und aus der Wunde flossen Blut und Wasser – wird von einem Teil der Forschung als ein Hinweis auf die Gabe der beiden Sakramente verstanden.789 Da allerdings der Kontext keine Hinweise dafür liefert, liegt die Annahme näher, dass hier lediglich die Kreuzigungsszene im Blick ist.790 Von daher zeigt diese johanneische Formulierung in Fortführung von Joh 6 wohl eher an, dass das Blut als Hinweis auf die konkrete Leiblichkeit des herabgekommenen Himmelsbrotes zu verstehen ist. Mehr als ein mitgedachter Bezug auf das johanneische Mahlverständnis ist daher kaum anzunehmen. II.2.4.2.6. Das Erkennen des Auferstandenen (Joh 21,1–14) Dieses nachgetragene Kapitel791 führt seine Adressaten an den Ort am See von Tiberias zurück, an dem bereits in Kapitel 6 vom Speisungswunder berichtet wurde. Diese Bezugnahme erscheint absichtsvoll, wodurch zunächst eine geographische und auch eine inhaltliche Beziehung der beiden Perikopen evoziert wird: Simon Petrus tut den anderen sechs Jüngern seinen Entschluss kund, fischen zu gehen.792 Woraufhin sie ihm auf das Fischerboot folgen (V. 2). Ihr Vorhaben misslingt allerdings zunächst, bis Jesus, der sich am Ufer befindet und von den Jüngern vorerst nicht erkannt wird (V. 4), ihnen zu Hilfe kommt, sodass sie schließlich eine unglaublich große Menge Fisch an Land bringen können (V. 6.8). Infolge dieses wunderbaren Fischfangs erkennt als erstes der »geliebte Jünger« den Herrn in dem unbekannten Helfer (V. 7). Als die Jünger wieder das Land erreichen, sehen sie ein Kohlenfeuer, auf dem Fische gegrillt werden und Brot (V. 9). Trotz 788 Petersen, Jesus zum »Kauen«, 121. 789 S. Brown, Gospel, 951f.; Klos, Sakramente, 74–81; Schweizer, Zeugnis, 379–384, die in die Betrachtung 1Joh 5,6–8 einbeziehen. Wobei Schweizer zu dem Ergebnis kommt, dass es entweder »die Realität des Todes Jesu sichern« sollte (381) oder auf »das Herrenmahl und die Taufe« (383) verweise, während Klos einen Bezug auf die Sakramente nur in 1Joh 5 annimmt (81). Thyen, Joh, 404, evoziert Sach 9–14 als Hintergrund der Textstelle. 790 S. Heilmann, Wein, 281–284.291, der meint, das »Blut verweist den Leser durch die vielen Pesachbezüge und insbesondere vermittelt durch die Schriftzitate auf die apotropäische Funktion des Blutes des ägyptischen pascha und interpretiert Jesu Einsatz seines Lebens, der im Kreuzestod gipfelt, als die Gemeinschaft der Jünger bewahrend und schützend« (291). 791 S. Becker, Joh I, 33; Schnelle, Joh, 1. 792 Vgl. Thyen, Joh, 778f., der annimmt, Joh verweise damit auf das angekündigte »Menschenfischen« (vgl. Lk 5,10), was den Jüngern aber ohne die Hilfe Jesu nicht gelingt (vgl. Joh 15,5). Problematisch erscheint mir an dieser Deutung aber, dass im Bericht das Essens-Motiv überwiegt (vgl. V. 5.9f.12).

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dieser vorbereiteten Mahlzeit – von der in Vers 5 noch keine Rede ist – fordert Jesus die Jünger auf, den gesamten Fang mitzubringen (V. 10) und daraufhin das Mahl – besser gesagt das Frühstück – einzunehmen (V. 12a). Unpassend erscheint der sich anschließende Einschub, dass keiner der Jünger Jesus fragt, wer er sei, denn sie wussten, dass er der Herr ist (V. 12b), was bereits aus Vers 7 bekannt ist. Ebenso merkwürdig ist der Hinweis, dass Jesus kommt (ἔρχεται) (V. 13) – ist er nicht im Gespräch mit den Jüngern bereits vor Ort? Die Szene schließt mit der Schilderung einer Mahlhandlung: Jesus nimmt (λαμβάνει) das Brot und gibt (δίδωσιν) es den Jüngern und macht dasselbe auch mit den Fischen (V. 13). Die Ansicht, eucharistische Bezüge zu erkennen,793 kann aufgrund einiger Parallelen zu Kapitel 6 und den synoptischen Speisungswundern impliziert sein (s. II.2.3.4.2.): Wie in diesen Texten werden Brot und Fisch als sättigende Mahlgaben erwähnt (vgl. Lk 24,42f.; Mk 6,41f.; 8,6–8). Jesus erscheint als Wundertäter, der die Rolle des Gastgebers inne hat und der die Mahlhandlungen (nehmen, geben) vollzieht. Die Tradition, dass der Auferstandene gemeinsam mit den Jüngern zum Mahl zusammenkommt, begegnet in ähnlicher Weise auch in Lk 24, wobei dieser dort erst durch die Mahlhandlung erkannt wird, hier aber aufgrund der Wundertätigkeit.794 Es erscheint durchaus plausibel, dass im Hintergrund dieser Perikope steht, dass die frühchristliche Gemeinschaft die Begehung der Mahlfeier mit der Vorstellung verbunden hat, bei diesem Mahl sei der Auferstandene anwesend.795 II.2.4.3. Zusammenfassung Die Erkenntnisse zu einer möglichen johanneischen Herrenmahlüberlieferung lassen sich folgendermaßen komprimieren: 1. Kontext: Die Einsetzungsworte fehlen bei Johannes in dem Zusammenhang, in dem sie nach paulinischer und synoptischer Lektüre zu erwarten sind – im Kontext der bevorstehenden Auslieferung. Dort wird erzählt, dass Jesus seinen Jüngern beim Mahl die Füße wäscht (13,5). Auch die johanneische Datierung dieses letzten Abends weicht von der synoptischen ab: Es ist der Abend vor dem Rüsttag zum Pesach (18,28; 19,31). Die johanneische Herrenmahldeutung kommt hingegen in Jesu Lebensbrotrede zum Ausdruck, deren Brotmotiv aus dem Speisungswunder der 5000 re793 S. Brown, Gospel, 1099, der dies an der Verortung am galiläischen See festmacht. Dagegen Bolyki, Tischgemeinschaften, 165. 794 Popkes, Gegenwärtigkeit, 3, votiert gegen die zunächst augenscheinliche Übereinstimmung von Lk 24 und Joh 21, denn bei Joh 21,7 sei »ein Erweis einer thamaturgischen Vollmacht Jesu das Medium seiner Erkennbarkeit, [bei Lk] eine fast marginal wirkende Geste«. 795 S. Wilckens, Joh, 322.

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sultiert, und ist somit gegenüber der synoptischen Darstellung an früherer Stelle in den Erzählstrang eingebunden. Der Verfasser lässt Jesus seine dort dargestellte Deutung in Auseinandersetzung mit der alttestamentlichen Erzählung der Mannaspeisung entfalten. Bemerkenswert ist, dass das Pesach als Mahldeutungskategorie auszuscheiden scheint, obwohl in Joh 6,4 darauf hingewiesen wird, das Pesach sei nahe gewesen – dass es stattfindet wird nicht beschrieben. Die christliche Mahlfeier war folglich für Johannes nicht erkennbar mit dem Pesach verbunden, sondern Ausdruck Jesu Verbundenheit mit Gott und seiner realen Menschwerdung. 2. Mahlteilnehmer: Zu dem Hörerkreis der Lebensbrotrede gehören die Jünger (6,60), die Menge (6,24) und aus dieser insbesondere die Herausforderer der Rede (6,52): die Ἰουδαῖοι – die Nichtglaubenden also. An der Fußwaschungsszene nimmt Johannes zufolge der Zwölferkreis, der sich insbesondere aufgrund der Figur des »Jüngers, den Jesus liebte« vom synoptischen unterscheidet, teil. Eine herausragende Rolle kommt zum einen dem Verräter Judas zu, der als solcher beim Mahl im Anschluss an die Fußwaschung identifiziert wird, und zum anderen Petrus, der in der Fußwaschungsszene die Initiative ergreift und Jesus dazu bringt, den Sinn seiner Handlung zu erklären. Da es sich bei diesen Figuren freilich nicht um die Teilnehmer des johanneischen Mahls handelt, repräsentieren sie vermutlich die das Mahl begehende johanneische Gemeinde. 3. Der Gastgeber: Auch von einem Gastgeber kann nur insofern die Rede sein, als dass Jesus der aktiv Handelnde des Speisungswunders, der Fußwaschungsszene und der Sprecher der Offenbarungsrede ist. Folglich steht auch im Johannesevangelium Jesus als Handelnder bzw. Sprechender im Zentrum des Geschehens. 4. Mahlgaben und -gesten: In Kapitel 13 erfolgt keine Schilderung des Mahlablaufs oder der Mahlhandlungen – ein konkreter Mahlvollzug der johanneischen Gemeinde bleibt folglich spekulativ. Zentral erscheint das Brot als Mahlgabe, das allerdings entweder als Gerstenbrote (6,9), himmlisches Brot (6,31–33), Lebensbrot (6,35.48) oder lebendiges Brot (6,51) genauer bestimmt wird. Nur an wenigen Stellen steht das Brot entsprechend der bisher betrachteten Herrenmahlüberlieferungen im Sg., mit Artikel und ohne Zusatz (6,23b.34.51c). Ein Getränk oder ein Trinkgefäß wird in Kapitel 6 nicht benannt; allerdings in Kapitel 2 und implizit in Kapitel 13, wo vom Eintauchen des Brotes die Rede ist. Es ist also durchaus vorauszusetzen – gerade wenn Jesus davon spricht, sein Blut zum Trinken zu geben. Als häufigste Mahlhandlung kann das Geben bezeichnet werden, daneben begegnet im Johannesevangelium die (reduzierte) Brothandlung (ohne brechen und danken) des Auferstandenen (21,13) sowie die Brotgeste (ohne brechen) im

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Speisungswunder (6,11). Diese beiden Mahlszenen haben nicht nur hierin eine Parallele, sondern auch aufgrund desselben Ortes, an dem sie stattfinden (6,1; 21,1). Bemerkenswert ist, dass der Verfasser die Mahlhandlungen als einen Akt mit dem Verb εὐχαριστέω zusammenfasst (6,23) – im Hintergrund scheint eine vorgeprägte Terminologie zu stehen, die er bei seinen Adressaten als bekannt voraussetzen kann. 5. Deuteworte: Obwohl der Verfasser des Johannesevangeliums die ihm bekannte Praxis der christlichen Mahlfeier nicht beschreibt und bei ihm keine analog zur »Einsetzung« formulierten Deuteworte begegnen, ist umso erstaunlicher, wieviel Engagement er für die Deutung der Mahlelemente aufwendet – er deutet diese auf eine drastisch-bildlich Weise, die aber doch zugleich symbolische Bedeutung besitzt, da niemand tatsächlich Jesu Fleisch kaut oder Jesu Blut trinkt: In inhaltlicher Übereinstimmung mit der synoptischen und vorpaulinischen Herrenmahlüberlieferung geht es um die Identifizierung der Mahlgaben (Brot und (implizierter) Trank) mit Jesus (Fleisch und Blut), der dazu auffordert, diese zu verzehren (kauen und trinken), um sich ihn einzuverleiben und so in immerwährender Gemeinschaft mit ihm zu stehen (6,56) sowie ewiges Leben zu erlangen (6,54). Das Brot bzw. Fleisch wird in den Horizont des Todes Jesu gerückt. Auffallend ist, dass diese Gaben als »wahrhaftiges Essen« (ἀληθής βρῶσις) qualifiziert werden und das Brot der »Himmelsbrotrede« den Zusatz »des Lebens« (ὁ ἄρτος τῆς ζωῆς) erhält bzw. als »lebendig« (ὁ ἄρτος ὁ ζῶν) bezeichnet wird – erkennbar wird folglich, dass die johanneische Sprache gegenüber der paulinischen oder synoptischen eine eigene Prägung aufweist. 6. Mahltyp: Die Deutung der Mahlelemente als Fleisch und Blut Jesu legen nahe, das johanneische Mahlverständnis als Christophagie bzw. Kommunio zu bezeichnen. Dieser Mahlcharakter tritt daher im Johannesevangelium noch deutlicher hervor als in der synoptischen oder paulinischen Herrenmahlüberlieferung. Die Deutung der Herrenmahlgaben steht im engen Zusammenhang mit der wunderbaren Brotvermehrung und der Mannaspeisung. Sofern man beiden einen sättigenden Charakter zuerkennt, kann man folgern, dass das johanneische Herrenmahl im Kontext eines Sättigungsmahls stattfand, aber deutlich von diesem unterschieden wird (vgl. 1Kor): Die Speisung dient der kurzfristigen Sättigung. Der Menschensohn wird aber die Speise geben, die zum ewigen Leben führt (6,26f.) und für immer sättigt und den Durst stillt (6,35). 7. Mahldeutung: Jesus bezeichnet sich im Gegensatz zum Manna als das »himmlische Brot« (6,51a), das von Gott kommt. Den Essenden dieses Brotes sichert er ewiges Leben zu (6,51b). An dem Fleischgewordenen hat der Essende Anteil, indem er ihn kaut und sein Blut trinkt. Der Verzehr verbindet beide aufs

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Engste miteinander (6,56), ebenso eng wie Jesus mit Gott verbunden ist und durch ihn als Mensch lebt (6,57). Der Verfasser verwendet eine eigene Terminologie (kauen, Fleisch), wohingegen vorgeprägte Begriffe und Motive (Leib, Kelch, Bund, Erinnerung, Wiederholung) zwar fehlen, aber implizit doch erkennbar sind: Anstelle des Begriffs »Leib« steht »Fleisch«, das Blut Jesu soll getrunken werden sowie gegenseitiges »Ineinander-Bleiben« (Bund). Dazu spricht Johannes etwas an, was in den anderen Darstellungen nicht auszumachen ist und möglicherweise innergemeindliche Konflikte reflektiert: An Jesu Mahldeutung entzündet sich eine Auseinandersetzung – zunächst missversteht das Volk ihn, dann nehmen die Ἰουδαῖοι Anstoß an Jesu Rede (6,52) und schließlich trennt sich ein Teil der Jüngerschaft von Jesus (6,60.66). In Analogie zur synoptischen und vorpaulinischen Überlieferung ist in Kapitel 6 eine ὑπέρ-Wendung verarbeitet, das auf die soteriologische Deutung des Todes Jesu verweist: Wer an Jesus im Herrenmahl partizipiert, hat Anteil an seinem Tod und an seiner Erhöhung. Zudem erfährt er eine »innige und dauernde Verbindung mit Jesus« (V. 56). Der Partizipierende ist also nicht allein, sondern Teil einer Gemeinschaft im Glauben an Christus und hat Anteil an Jesu Einssein mit seinem Vater.

II.2.5. Die Eucharistiedarstellung der Didache Die Didache (Lehre der zwölf Apostel) ist eine frühchristliche Gemeindeordnung,796 die etwa auf das Ende des 1. Jh. n. Chr.797 datiert werden kann und vermutlich im syrischen Raum798 abgefasst wurde. Sowohl genauere Rückschlüsse auf den Verfasser als auch auf den Adressatenkreis können anhand des überlieferten Textes nicht mit Sicherheit getroffen werden – der überwiegende

796 Zur Bezeugung und Überlieferung s. Niederwimmer, Didache, 15–44. 797 S. Koch, Gebete, 195; Draper, Didache, 21; Niederwimmer, Didache, 79, datiert die Endredaktion zwischen 110 und 120 n. Chr.; Wengst, Didache, 63, datiert sie auf den Beginn des 2. Jh. n. Chr. und nennt als terminus post quem das Mt, als terminus ante quem Klemens von Alexandrien; weiterhin sei die Trennung vom Judentum bereits vollzogen und die Eucharistiefeier verweise in die Zeit vor Justin (62); Adam, Erwägungen, 266f., datiert sie auf den Zeitraum zwischen 70 und 90 n. Chr. 798 S. Wengst, Didache, 61f., der dies mit Wasserknappheit begründet; aufgrund der Nähe zu Mt postuliert Koch, Eucharistievorstellung, 1, Südsyrien; Niederwimmer, Didache, 80, hält Syrien-Palästina für wahrscheinlich und schließt Antiochien aus; Adam, Erwägungen, 266f., hält Galiläa/Pella für wahrscheinlich; Audet, Forms, 58, spricht sich für Palästina aus, wobei er in Didachè, 209f., Antiochia wahrscheinlich macht (vgl. Draper, Didache, 21).

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Teil der derzeitigen Forschung geht von einem Kreis christusgläubiger Juden aus.799 Die Didache vermittelt ihren Adressaten verbindliches Verhalten, in dem die Gemeindemitglieder in ethischen Themen (Zwei-Wege-Lehre; 1–6), liturgischen Vollzügen (7–10), im sozialen Umgang (11–13) und zum Verhalten in der Gemeinde (14f.) sowie eschatologisch (16) unterwiesen werden.800 Somit enthält die Didache kaum »theologische […] Erörterungen, sondern gibt praktische und technisch-organisatorische Anweisungen für den Vollzug christlichen Lebens im Alltag und im Bereich der Gemeinde«801. Bemerkenswert ist, dass der Verfasser (und seine Gemeinde) eine christliche Mahlfeier kennt, die er allerdings nicht als Herrenmahl bezeichnet, sondern – abgeleitet vom Verb εὐχαριστέω/»danken, ein Dankgebet sprechen« – Eucharistie802 (9,1.5) nennt. Dazu werden die aus dem Herrenmahl bekannten Mahlelemente Kelch und Brot zwar erwähnt, aber nicht in Verbindung mit Deuteworten,803 sondern als älteste zugängliche das christliche Mahl begleitende Gebete – deren Charakter bis heute umstritten ist – überliefert.804 Diese und andere Besonderheiten ermöglichen mitunter einen weiteren Einblick in die Mahlpraxis des frühen Christentums, weshalb im Folgenden die hierfür relevanten Texte in den Blick genommen werden.

II.2.5.1. Gebet zum Kelch und Brot (Did 9,1–5) Text:805 1. Betreffs aber der Eucharistie (τῆς εὐχαριστίας) betet folgendermaßen: 2. Zuerst betreffs des Kelchs: Wir danken (εὐχαριστοῦμέν) dir, unser Vater, für (ὑπέρ) den heiligen Weinstock Davids, deines Dieners (τοῦ παιός), den du uns offenbart hast durch Jesus, deinen Diener. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit. 799 S. Claussen, Eucharist, 162; Wengst, Didache, 34f., die auf einen jüdischen Einfluss verweisen; laut Rordorf/Tuilier, Doctrine, 21; Draper, Didache, 20, stammt der Text aus der Gemeinde des Mt; Koch, Eucharistievollzug, 1–5, hält eine judenchristliche Prägung mehrerer Adressatengemeinden für wahrscheinlich. 800 Zur Gliederung s. Wengst, Didache, 15f.; Niederwimmer, Didache, 11f. 801 Wengst, Didache, 17. 802 An der Terminologie zeigt sich, dass der Begriff »Eucharistie« zur Zeit der Didache noch nicht terminus technicus für die christliche Mahlfeier war (s. Schöllgen, Didache, 51). 803 Vgl. Betz, Eucharistie, 19–21, der annimmt, dass die Didache die ntl. Einsetzungsberichte kannte und enge Berührungen mit der joh Überlieferung aufweist. Wehr, Eucharistieverständnis, 27, ist der Meinung, dass der Einsetzungsbericht auf Did 9,5 folgt. 804 Vgl. Theobald, Eucharistie, 223; Lietzmann, Messe, 230. 805 Die Übersetzung erfolgt auf Grundlage des griechischen Textes von Wengst, Didache.

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3. Betreffs des Brotes (ἄρτος) [bzw. des Gebrochenen (κλάσματος)]806 : Wir danken dir, unser Vater, für (ὑπέρ) das Leben, das du uns offenbart hast durch Jesus, deinen Diener. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit. 4. Wie dies zerstreut worden war auf den Bergen und, nachdem es zusammengebracht wurde, ein Brot geworden ist, so soll deine Gemeinde zusammengebracht werden von den Enden der Erde in dein Reich. Denn dein ist die Herrlichkeit und die Kraft in Ewigkeit! 5. Aber keiner esse noch trinke von eurer Eucharistie, jedoch die, die getauft sind auf den Herrennamen. Denn auch über dies hat der Herr gesagt: Gebt das Heilige nicht den Hunden!

Die Hinweise zu den Eucharistie-Gebeten stehen im Zusammenhang mit weiteren liturgischen Anordnungen zur Taufe (7,1–4), zum Fasten (8,1), zum Beten (8,2f.) und zur Salbung (10,8).807 Das Gebet, das die Didache zur Eucharistie überliefert, ist stark strukturiert und formalisiert.808 Vers 1 leitet das Eucharistie-Gebet als Anweisung ein. Anschließend erfolgt zunächst eine Anordnung bzw. ein Vorschlag des GebetWortlautes zum Kelch (V. 2) und dann zum (gebrochenen) Brot (V. 3f.). Beide Gebetsteile werden mit dem Dank an den Vater eingeleitet und enthalten trotz ihrer verschiedenen Themen auch Übereinstimmungen: Jesus ist der Diener/das Kind Gottes und fungiert gleichsam als Mittler zwischen Gott und den Betern, indem er ihnen den Zugang zum Weinstock Davids und zum Leben offenbart hat. Beide Teile des Eucharistie-Gebets enden mit einer Doxologie (kursiv), wobei das Gebet zum Brot zwei Doxologien enthält, deren erste die Ausführungen zweiteilt. Hierdurch erscheint es so, als sei das Gebet zum Brot entweder umfangreicher interpretiert809 oder nachträglich erweitert. Die dritte Doxologie markiert den Schluss des Eucharistie-Gebets. Die Doxologien (in Verbindung mit der Gebets-Einleitung »unser Vater«) erinnern an den Vaterunser-Text (vgl. Mt 6,9–13, wobei die Doxologie zu Mt 6,13 textkritisch sekundär ist).

806 Wird vom Codex Hierosolymitanus gelesen (s. Wengst, Didache, 78). 807 S. a. a. O., 15f.; inwiefern tatsächlich Herrenmahlgebete anzutreffen sind, ist in der Forschung umstritten: Klauck, Herrenmahl, 263, meint, dass »wenn man den rubrizistischen Rahmen als redaktionell abhebt, […] in 9,2–4 und 10,2–5 mit Glossen versehene Fragmente alter Eucharistiegebete zu erkennen« seien, »die zu Begleitgebeten eines religiös gefärbten Sättigungsmahls mit anschließender Eucharistie abgesunken sind, weil sie theologisch nicht genügend gefüllt waren (es fehlt z. B. der Tod Jesu)«. Dagegen sieht Adam, Aspekt, 9f., nicht das Herren-, sondern ein Agapemahl – das Herrenmahl werde in Did 14 beschrieben. 808 Vgl. die textlinguistische Analyse von Pardee, Genre, 88–91. 809 S. Koch, Eucharistievollzug, 13.

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Es folgt schließlich noch eine Anweisung,810 die aus sprachlichen811 und formkritischen Gründen nicht mehr zum Gebetstext gehört (V. 5). Sowohl der Verfasser als auch die Beter bleiben anonym, wobei ersterer seine Adressaten direkt als Kollektiv anspricht (V. 1.5) – daraus folgt, dass der Gebetstext gemeinsam, das heißt im Chor gesprochen werden sollte. Diesem Gebetsformular zufolge begann die Eucharistie mit dem Kelch und dem darauf bezogenen Dankgebet, es folgt dann das Brot mit seinem speziellen Dankgebet. Problematisch ist allerdings, dass scheinbar keine Einheitlichkeit im Verlauf vorausgesetzt wird, da die Reihenfolge in 9,5 (vgl. 10,3) umgekehrt ist. Bei dem Gemeinschaftsgebet handelt es sich folglich um einen Dank/Lobpreis an Gott, wie er laut jüdischer Mahlsitte zum Mahl gehört.812 Dieser ist für die Mahlfeier der Didache namensgebend. Die beiden Teile dieses Eucharistie-Gebets weisen strukturelle und inhaltliche Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede auf: Das erste Dankgebet erfolgt zum Kelch (V. 2a) und ist, ebenso wie der Beginn des sich anschließenden Gebets zum Brot (V. 3b), mit dem allgemeinen »Wir danken dir, unser Vater« (V. 2b.3b) eingeleitet. Das »Wofür« (ὑπέρ) gedankt wird, ist im Falle des Gebets zum Kelch »der heilige Weinstock Davids« (V. 2c). Die Bedeutung des sonst unbekannten Syntagmas gibt Rätsel auf: Der Weinstock steht möglicherweise als Bild für das erwählte Volk Israel813 und/oder den eschatologischen Segen814. Die »Annahme liegt nahe, daß damit das verheißene messianische Heil für das erwählte Volk gemeint ist.«815 David ist eine herausragende Figur der Geschichte Israels und symbolisiert Gottes Verheißung.816 In dem Weinstock-Bild werden folglich Gottes Verheißungen an sein Volk komprimiert: Der Weinstock steht metaphorisch für das von Gott erwählte Volk Israel – David steht dafür Patron als »Stammvater des Messias«817.818 Zudem legt diese Bezeichnung die Vermutung nahe, bei dem Kelchinhalt handele es sich um Wein.

810 Denkbar ist auch, dass dem Didachisten die Gebete vorlagen (s. Betz, Eucharistie, 11, der dazu annimmt, sie stammen »aus der vordidachistischen aramäischen Gemeinde«). 811 Personenwechsel (wir – euch) sowie Wortwahl (Hunde). 812 Vgl. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 449, der annimmt, »daß die ›Kundtuung durch deinen Knecht Jesus‹ sich auf die Offenbarung dieser Gebetstexte selbst bezieht, für die dann reflexiv in den Gebeten selbst gedankt wird« (Hervorhebung im Original). Dies führt sicherlich zu weit, da ausschließlich Gott der Adressat des Gebets ist. 813 S. Koch, Gebete, Jesus, 195–211; Kobel, Dining, 164. 814 S. Niederwimmer, Didache, 183f. 815 Wengst, Didache, 49. Vgl. zur Weinstockmetaphorik s. Heilmann, Wein, 45f. 816 S. Kobel, Dining, 163. 817 Betz, Eucharistie, 29. 818 Vgl. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 432f.

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Kürzer und eindeutiger ist der Dankgrund des Brotgebets: das Leben (V. 3c). Im vorangegangenen Textsinn ist dann auch das Brot als Zeichen für das erhaltene Leben zu verstehen.819 Nicht ganz eindeutig ist, worauf sich der Dank bezieht: Beide Mahlelemente und/oder nur die Heilsgaben (Weinstock Davids und Leben) können von den Betern auf die Offenbarung durch Jesus, der erneut als Diener/Kind Gottes bezeichnet wird, zurückgeführt werden (V. 2d.3d). Vermutlich stehen die Heilsgaben im Zentrum und die Mahlgaben geben den Anlass für die Gebete, welche mit der wörtlich übereinstimmenden an Gott gerichteten Doxologie »dir die Herrlichkeit in Ewigkeit« (V. 2e.3e) enden. Im Anschluss erfolgt der zweite Teil des Gebets zum Brot (V. 4), welches nun als Symbol für die Einheit der Gemeinde steht – noch ist sie aber nicht vollständig: »Just the community eats the bread in unity, such will be the unification at the end of time«820. Auch dies wird mit einer Doxologie beschlossen: »Denn dein ist die Herrlichkeit und die Kraft in Ewigkeit!«821 In 9,5 erfolgt dann die Einschränkung, dass nur die, die sich (durch die Taufe) zum Glauben bekannt haben, an der Eucharistie teilnehmen dürfen.822 Begründet wird diese Forderung mit der Autorität eines Wortes des Herrn. Die Dankgründe, eingeleitet mit ὑπέρ, machen eine starke Verbindung zur alttestamentlich-jüdischen Tradition deutlich,823 die durch den Bezug auf Jesus als den Offenbarer göttlicher Verheißung christlich adaptiert wird: Durch Jesus haben die Beter Anteil an der göttlichen Verheißung. Aus der messianischen Hoffnung ist also eine Gewissheit geworden, für die im Mahl gedankt wird. Die Eucharistie-Gebete stehen aber nicht anstelle der nicht beschriebenen Mahlhandlungen,824 denn das Dankgebet stellt selbst – wie in der jüdischen Mahlsitte üblich – einen Teil der Mahlhandlung dar. Da im Gebet für den Erhalt der Mahlgaben gedankt wird, ist davon auszugehen, dass »geben« und »nehmen« Teil der didachistischen Mahlpraxis waren. Insbesondere κλάσματος/klasmatos (9,3) verweist auf das Brotbrechen als zugehörig zur Mahlhandlung. Allerdings

819 Vgl. Wehr, Eucharistieverständnis, 26; Wengst, Didache, 50, das Brot dezidiert als nicht sakramental versteht. 820 Kobel, Dining, 162. 821 Peterson, Probleme, 146, vermerkt, dass es sich hierbei um einen Zusatz handelt. 822 Da Sättigungs- und Herrenmahl miteinander verbunden sind, ist es denkbar, dass die Ungetauften von jeder Form der Kommensalität ausgeschlossen wurden (vgl. Kobel, Dining, 161). 823 Es ist nicht von direkten literarischen Abhängigkeiten auszugehen (s. Draper, Didache, 22; Niederwimmer, Didache, 175, der annimmt, dass die Gebete »beinahe den Charakter eines ›Deutewortes‹« besitzen (191); Sandt/Flusser, Didache, 329, sehen darin die erste Version des Berakoth). 824 Dazu Koch, Eucharistievollzug, 8.

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ist dieser Begriff textkritisch umstritten:825 Zum einen überliefert der (aus Ägypten stammende?) Codex Hierosolymitanus 54 (H) κλάσματος, während Parallelen aus späteren Liturgien ἄρτος lesen.826 Zum zweiten würde man den Pl. erwarten, da κλάσματος auf das beim Mahl gebrochene Brot hinweist (vgl. 9,4).827 Eine Emendation aus ägyptischer Liturgie zur Bezeichnung der Hostien erscheint wahrscheinlich, da sonst κλάσματος mit »der Brocken« zu übersetzen wäre.828

II.2.5.2. Gebet nach der Sättigung (Did 10,1–8) Text: 1. Nach der Sättigung (μετὰ δὲ τὸ ἐμπλησθῆναι) aber dankt folgendermaßen: 2. Wir danken dir, heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, den du gelagert [=eingegeben] hast in unsere Herzen, und für die Erkenntnis und Glaube und Unsterblichkeit, die du uns offenbart hast durch Jesus, deinen Diener. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit! 3. Du, Herrscher über alles, hast das alles errichtet in deinem Namen, hast sowohl Speise als auch Trank den Menschen zum Genuss gegeben, uns aber hast du geistliche Speise und Trank (πνευματικὴν τροφὴν καὶ ποτὸν) geschenkt und ewiges Leben durch Jesus, deinen Diener! 4. Für alles danken wir dir, denn du bist machtvoll, Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit. 5. Gedenke, Herr, deiner Kirche, dass du sie bewahrst vor allem Bösen und sie vollendest in deiner Liebe; und führe sie zusammen von den vier Winden in dein Reich, das du ihr bereitet hast! Denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. 6. Gnade komme und die Welt vergehe! Hosianna dem Gott Davids! Wenn jemand heilig ist, komme er. Wenn jemand es nicht ist, kehre er um! Maranatha. Amen. 825 S. Wengst, Didache, 78; Niederwimmer, Didache, 174.185f., die meinen, κλάσματος sei sekundär, weshalb ἄρτος vorzuziehen sei. Demgegenüber übersetzt Betz, Eucharistie, 11, »über dem zu brechenden Brote aber so:«; Rordorf/Tuilier, Doctrine, 176; Pardee, Genre, 88, führen κλάσματος auf. 826 S. mit Belegen Niederwimmer, Didache, 185 Anm. 30. 827 Vgl. Niederwimmer, Didache, 185. 828 S. Peterson, ΜΕΡΙΣ, 99f.

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7. Den Propheten aber überlasst zu danken, wie viel sie wollen! 8. Betreffs des Salböls dankt folgendermaßen: Wir danken dir, Vater, für den Wohlgeruch des Salböls, das du uns offenbart hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Die vorgestellte Struktur des Eucharistie-Gebets begegnet in diesem Gebet in ähnlicher Weise. Vers 1 fungiert ebenfalls als Anweisung und leitet das folgende Gebet ein. Kontrovers diskutiert wird die Frage, wie »nach der Sättigung« zu verstehen ist: Einerseits wird die Meinung vertreten, dass zunächst ein Sättigungsmahl stattfinde, dem die Eucharistie folge.829 Aber auch das Gegenteil wird angenommen, indem nämlich der Eucharistie ein sättigendes Mahl folge.830 Die ersten beiden Möglichkeiten evozieren folglich eine Trennung der Eucharistie von einem sättigenden Mahl – ebenso wie es aus den vorangehenden Analysen zu den ältesten Herrenmahlüberlieferungen bekannt ist. Die dritte Möglichkeit besteht darin, die Eucharistie selbst für ein sättigendes Mahl zu halten.831 Zur Einschätzung dieser Positionen bleibt zweierlei festzuhalten: Zum einen erfährt man nichts Genaues über dieses Sättigungsmahl – weder sättigende Mahlgaben noch Anmerkungen zum Verlauf oder Verhalten der Mahlteilnehmer werden erwähnt und auch der Verzehr wird weder beschrieben noch angeordnet. Zum anderen gehen die Positionen davon aus, hier werde explizit eine Mahlliturgie beschrieben. Hierbei bleibt zu fragen, ob die überlieferten Gebete tatsächlich die Liturgie und den Verlauf der Mahlfeier erkennen lassen. Dazu sei auch auf Did 10,8 verwiesen, wo es nicht mehr um Mahlgaben, sondern das Salböl geht (vgl. JosAs 8,5; 15,5; 16,16; s. II.3.2.1.2.). In Betracht zu ziehen ist daher, dass aus Did 9f. der Ablauf der Mahlfeier nicht hervorgeht; mitgeteilt werden eine Sammlung von »Gebetsformularen«832 (›Zettelsammlung‹) und Weisungen, die in den gottesdienstlichen Vollzug ein829 S. Jeremias, Abendmahlsworte, 111; Audet, Didachè, 410–416; Betz, Eucharistie, 13, die die Reihenfolge Agape – Eucharistie annehmen, da die Reihenfolge der Gaben und fehlende Herrenmahlterminologie eher einer Agape (Did 9) entsprächen; erst in 10,6 erfolge die Eucharistie. Betz’ These ist, dass es ursprünglich Gebete zum Herrenmahl waren, die sekundär zu Agape-Gebeten umfunktioniert wurden (Eucharistie, 16). 830 S. Lietzmann, Messe, 232–236, der Vers 6 zwischen 9,4 und 9,5 rückt und damit begründet, in der Didache begegne der Mahlverlauf folgendermaßen: Zu Beginn erfolgten Becher- und Brotbenediktion (9,2–4), dann Einladung zur Eucharistie und Abschlussformeln (10,6; 9,5) und dann findet eine nicht beschriebene Eucharistie statt, auf die ein Agapemahl (10,1) und schließlich das Dankgebet folgen. 831 S. Drews, Untersuchungen, 78; Wengst, Didache, 45f.; Kobel, Dining, 160.; Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 386. 832 Niemand, Abendmahl, 84. Vgl. Draper, Didache, 18, der sie als »Textsammlung« bezeichnet.

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gebaut werden können, aber nicht unbedingt bei der Eucharistie verwendet werden müssen. Da diese Frage einer eigenen Forschungsarbeit bedarf, kann an dieser Stelle nur vermutet werden, dass die Eucharistie der Didache als ein sättigendes Gemeinschaftsmahl begangen wurde, welches von gesprochenen Dankgebeten gerahmt war. Geht man davon aus, so wäre zu folgern, dass allein die Elemente eines Armenmahls (Brot und Getränk) sättigend wirkten, da keine zusätzlichen Mahlgaben erwähnt werden.833 Was in Did 10 angeordnet wird, würde dann als »Formular des Nachtischgebets«834 gelten können. Diese Annahme würde sich allerdings deutlich von den bisher analysierten Herrenmahlüberlieferungen, die eine strikte Trennung zwischen Sättigungs- und Herrenmahl (mit Brot und Kelch) evozieren, unterscheiden. Nachdem die Mahlteilnehmer also möglicherweise die Mahlgaben Kelch und Brot (in 9,5; 10,3 – wie erwähnt – in umgekehrter Reihenfolge) verzehrt haben, richten sie ein Dankgebet an Gott. In diesem danken sie Gott zunächst dafür, dass er seinen »heiligen Namen« in ihre Herzen eingegeben hat (V. 2b.c) – die Beter fühlen sich also (im Anschluss an die Eucharistie) aufs Engste mit Gott verbunden und ihr Herz ist von ihm erfüllt. Dazu ergeht der Dank für die durch Jesus offenbarte Erkenntnis, Unsterblichkeit und den Glauben (V. 2d.e). Diese werden aber vermutlich nicht durch das Mahl vermittelt, sondern sind den Getauften (9,5) bereits zugesprochen. Dieser Vers schließt mit einer 9,2e.3e gleich lautenden Doxologie. In 10,3a wird Gott in der 2. Pers. Sg. direkt angesprochen und als Herrscher und Schöpfer (V. 3b) tituliert. In Vers 3c und 3d werden dem Genuss dienende Speise und Trank – folglich in einer von Did 9,2f. abweichenden Reihenfolge835 – der als geistlich qualifizierten Nahrung (V. 3d: πνευματικὴν τροφὴν καὶ ποτὸν) gegenübergestellt: Nahrung zum Genuss haben alle Menschen von Gott erhalten, die geistliche Nahrung hingegen haben nur die Beter – als exklusiver Kreis der Getauften (vgl. 9,5) – von Gott geschenkt bekommen. Mit diesen besonders qualifizierten Mahlgaben sind wohl der Kelch und das Brot gemeint, die die Beter in der Eucharistie erhalten haben. Anschließend wird davon gesprochen, dass Gott durch Jesus den Betern ewiges Leben geschenkt hat (V. 3e) – versteht man das καὶ als καὶ-explicativum, 833 S. Wengst, Didache, 44f. 834 A. a. O., 45. 835 Dies lässt keinen eindeutigen Rückschluss auf die Mahlpraxis zu – die Formulierung in Did 10 erscheint aber allgemeiner bzw. sich auf eine Tradition zu beziehen (vgl. 1Kor). Die konkrete Benennung der Mahlgaben in Did 9 lässt folglich vermuten, dass sich in dieser Reihenfolge die Praxis wiederspiegelt (dagegen Koch, Eucharistievollzug., 14, der die Vermutung anstellt, die unterschiedlichen Reihenfolgen repräsentieren die Praktiken verschiedener Gemeinden der Did).

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würde es bedeuten, dass diese besondere Nahrung der Eucharistie mit der Gabe des ewigen Lebens in Beziehung steht. Dass auch dieser Gebetsteil (V. 3) Dankcharakter besitzt, ohne dass allerdings εὐχαριστέω verwendet wird, ist aus Vers 4 zu schließen. Dieser wird erneut mit der zu 9,2e.3e analog formulierten Doxologie beschlossen. Wenn die Formulare in Kapitel 9 und 10 als Eucharistie-Gebete zu verstehen sind, die religiöse Mahlfeier also bereits beendet ist, dann erscheint das Verständnis von 10,6 problematisch. Aus diesem Grund wird in der Forschung die Position vertreten, dass man die Eucharistie-Gebete »als Mahlgebete eines liturgisch geordneten Sättigungsmahls«836 verstehen könnte.837 Bemerkenswert ist Vers 7, da dort angemerkt wird, dass die Propheten von den vorgeschriebenen Gebetstexten abweichen dürfen, weil sie »im bzw. mit Geist« reden (11,7). Einem besonderen Teilnehmerkreis wird also zugestanden, freie Gebete zu formulieren. II.2.5.3. Brotbrechen und danken (Did 14,1) Text: Am Herrentag (κατὰ κυριακὴν δὲ κυρίου)838 aber versammelt euch, brecht Brot (κλάσατε ἄρτον) und dankt (εὐχαριστήσατε), indem ihr eure Sünden bekennt, damit das Opfer (θυσία) rein sei!

Im Zusammenhang einiger Anordnungen zur Gemeindeversammlung, die in den Versen 14,2f. weitergeführt werden, wie Versöhnung und Umgang mit dem Opfer, und im Kontext weiterer Unterweisungen bezüglich des Gemeindelebens, wie die Wahl und der Umgang mit Gemeindevorstehern (15,1f.),839 wird die Mahlfeier der Didache komprimiert mit »Brot brechen« und »danken« umschrieben – hierbei handelt es sich folglich um die kennzeichnenden Aspekte dieses Mahls. Aufgrund von Did 9,1.5 ist davon auszugehen, dass εὐχαριστέω das zentrale (verbale) Moment darstellt. Es zeigt sich aber, dass die Annahme, die Gebete würden die Handlungen ersetzten (s. II.2.5.1.), zu verneinen bleibt, denn dem Brechen des Brotes kommt eine ebenso wichtige Funktion zu. Es ist zu erfahren, dass die Eucharistie im Zuge der Versammlung am »Herrentag« begangen werden soll – Mahl und Herrentag erscheinen daher wie selbstverständlich miteinander verbunden.

836 837 838 839

Schöllgen, Didache, 53. Vgl. Niederwimmer, Didache, 179f. Zur Übersetzung s. Wengst, Didache, 87. Dazu a. a. O., 16.

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Voraussetzung ist, dass die Mahlteilnehmer ihre Sünden bekannt haben – sich also versöhnt haben (vgl. 4,14). Dies ist erforderlich, damit das Opfer rein ist. Weshalb wird im Hinblick der Eucharistie von einem »(reinen) Opfer« gesprochen? Wenn das Sündenbekenntnis erfolgt ist, sind die Herzen der Mahlteilnehmer »rein« – erst dann kann auch das, was sie an Gott richten, rein sein. Wenn die Bezeichnung als »Opfer«, wie der überwiegende Teil der aktuellen Forschung meint, im übertragenen Sinne zu verstehen ist, dann sind vermutlich vor allem die Eucharistie-Gebete und damit verbunden auch die Mahlhandlungen als solches zu verstehen:840 Die Mahlgaben werden durch die Gebete mit Gott in Beziehung gesetzt und ihm wird für seine Gaben gedankt – der Dank und damit das Bekennen zu Gott ist gleichsam das, was die Beter Gott als »Opfer« geben. Vergleicht man diesen Teil mit Did 9f. ist besonders auffällig, dass hier das »Brotbrechen« als kennzeichnendes Moment benannt, der Kelch bzw. Trank jedoch nicht erwähnt wird. Dazu wird hier zum ersten Mal der Zusammenhang zum Sündenbekenntnis hergestellt, der in Did 9f. fehlt. Als Grund für diese Differenzen kann gelten, dass Kapitel 14 zu einem späteren Zeitpunkt eingefügt wurde als die Kapitel 9f.841 II.2.5.4. Zusammenfassung Die Eucharistiedarstellung der Didache lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Kontext: Die Hinweise auf die Feier der Eucharistie begegnen im Zusammenhang von Gebetsformularen, die stark strukturiert und im Wortlaut vorgegeben sind. Das lässt vermuten, dass bis dato der konkrete Wortlaut der Gebete nicht feststand. Zweck dieser Festschreibung könnte gewesen sein, sich als Gemeinschaft nach außen abgenzen zu können (vgl. 9,5; 10,3). Die Gebete werden im Kollektiv gesprochen, das bedeutet, es handelt sich bei dem Mahl der Eucharistie um ein Gemeinschaftsmahl. Kennzeichnend für die Beschreibung der Mahlfeier ist zum einen das Verb εὐχαριστέω (9,1.5; 14,1) und zum anderen auch die Mahlhandlung des Brotbrechens (9,3; 14,1). Beide erscheinen nicht mehr lediglich als Teil der jüdischen Mahlsitte, sondern als termini technici für die Mahlfeier selbst.

840 S. Wengst, Didache, 53f.; Wehr, Eucharistieverständnis, 25; Draper, Didache, 26, verweisen auf das »Opfer der Lippen« (1 QS 9,4f.), die Bezeichnung von Dankgebeten als das beste Opfer (Philo, Spec. Leg. I 272) und Ps 141,1f. Dagegen nimmt McGowan, Eucharist, 197, an, »Opfer« beziehe sich auf alles, da die Fragerichtung anachronistisch sei: Opfer »refers […] to the food and drink of the meal, as opposed to the Eucharist prayers accompanying it, or to other elements of the whole«. 841 S. Ekenberg, Eucharist, 6.

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In den Mahlgebeten begegnen weder die Deuteworte noch werden Pesachbezüge hergestellt oder auf die Auslieferungsnacht bzw. den Verratskontext hingewiesen. Ob dies für die gesamte didachistische Mahlliturgie zu gelten hat, muss offen bleiben (s. u.). Es erscheint aber durchaus denkbar, dass sowohl die Einsetzungsworte als auch die Einbettung in die Tradition des letzten Mahls Jesu nicht Teil der frühchristlichen Mahlliturgie gewesen sein mussten. 2. Mahlteilnehmer: Die Mahlteilnehmer werden als Betende charakterisiert. Bei ihnen handelt es sich um Mitglieder der didachistischen Gemeinde. Einigen kommt als Geistbegabte die besondere Vollmacht zu, eigenständig Gebete zu formulieren. 3. Der Gastgeber: In den Gebeten danken die Beter Gott für seine Gaben. Er wird als in den Betenden »wohnend« verstanden, was bedeutet, dass er von ihnen als gegenwärtig empfunden wird. Jesus hingegen kommt ausschließlich die Mittlerfunktion zu (9,2f.; 10,2f.) – durch ihn haben die Beter die göttlichen Gaben (Weinstock Davids, Leben, Erkenntnis, Glaube, Unsterblichkeit/ewiges Leben) erhalten. Innerhalb der Gebete kommen Gott verschiedene Prädikationen zu: Vater, Kyrios, allmächtiger Herrscher und Schöpfer. 4. Mahlgaben und -gesten: In Did 9 werden zuerst der Kelch und dann das Brot als Mahlgaben bezeichnet, über die spezielle Gebete gesprochen werden. In 10,3 werden, im Gegensatz zur Reihenfolge in 9,2f., erst Speise und dann Trank als geistlich bezeichnet (vgl. 9,5), wodurch sie nur einem als exklusiv verstandenen Kreis zugänglich werden – nur die getauften Mitglieder der didachistischen Gemeinde hatten Zugang zu ihnen. Sie sind zu unterscheiden von der Nahrung, die allen Menschen von Gott zum Genuss gegeben wurde. Die Handlungen werden nicht beschrieben, sind aber wohl der jüdischen Mahlsitte entsprechend vorauszusetzen – zumindest das »Brechen des Brotes« (vgl. 9,3; 14,1) und vermutlich auch das Trinken aus dem Kelch – Wein als Getränk kann aufgrund der Erwähnung des Weinstockes vermutet, aber nicht belegt werden, da dieses Bildwohl auf die Verheißungen an das erwählte Volk hinweist. 5. Deuteworte: Deute- bzw. Einsetzungsworte und auch deren Herrenmahlterminologie (Leib, Blut, Bund), wie sie aus der paulinischen und synoptischen Tradition bekannt sind, werden in den Mahlgebeten nicht erwähnt. Der Grund könnte darin liegen, dass die Tradition des letzten Mahls Jesu in den EucharistieGebeten nicht erwähnt wird und von daher die Einsetzungsworte keine Rolle spielen. Allerdings erscheint dies fragwürdig, wenn davon auszugehen ist, dass die matthäische Gemeinde mit derjenigen der Didache benachbart war. Erklärt werden könnte dieser Umstand mit der These, dass Matthäus die Einsetzungsworte nicht aus seiner gemeindlichen Praxis, sondern nur der Vollständigkeit halber und ohne liturgische Ambitionen aus seiner narrativen Vorlage über-

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nommen hat (s. II.2.3.5.).842 Führt dies zur notwendigen Konsequenz, dass die Eucharistie-Gebete der Didache lediglich mühsam (Jesus in der Mittlerrolle) christianisierte Gebete sind? – Eine Frage für eine eigene Forschungsarbeit. 6. Mahltyp: In den Eucharistie-Gebeten der Didache ist wahrscheinlich keine vollständige Mahlliturgie erkennbar. Allerdings scheinen die Gebete einen deutlichen Bezug zu einem sättigenden Gemeinschaftsmahl aufzuweisen. Ob die Eucharistie mit diesem gleichzusetzen ist, muss offen bleiben – der Bezug ist möglicherweise stärker als in den bisherigen Herrenmahlüberlieferungen erkennbar. Die gesprochenen Dankgebete dienen als Mustertexte und haben wohl rahmende Funktion (vgl. μετὰ τὸ δειπνῆσαι in 1Kor 11,25; Lk 22,20), wodurch sich die Eucharistie von einem gewöhnlichen Mahl unterscheidet. Da sich der Dank für die Gaben an Gott richtet, kann man das Mahl der Didache entsprechend der jüdischen Mahltradition als Gastmahl verstehen – Gott reicht das Mahl, es wird aber weder mit, noch von ihm selbst gegessen. 7. Mahldeutung: Das besondere Mahl haben die Mahlteilnehmer als Geschenk von Gott erhalten. Aus diesem Grund richten sie ihren Dank an ihn. Jesus kommt von daher keine Gastgeberrolle zu, sondern er wird als Mittler zwischen Gott und Beter verstanden, der mithilfe von Kelch und Brot Heilsgaben vermittelt. Zu diesen zählen: Weinstock Davids, Leben, Erkenntnis, Glaube und Unsterblichkeit, ewiges Leben. Dem Leben kommt folglich eine herausragende Bedeutung zu. Nicht nur Jesu Funktion unterscheidet sich von den bisher betrachteten Herrenmahlüberlieferungen, sondern auch der Umstand, dass kein Bezug auf Jesu Tod in den Gebeten erkennbar wird. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Möglichkeit, in Kapitel 9; 10 liege keine vollständige Mahlliturgie, sondern eine ›Zettelsammlung‹ vor, zutrifft – wenn die Didache und Matthäus benachbart sind, wird dem Didachisten dieses Thema allerdings nicht unbekannt gewesen sein. Am Mahl teilzunehmen drückt aus, Teil der Gemeinschaft zu sein und als solcher auch wahrgenommen zu werden. Das Brot symbolisiert diese Einheit. Die Dankgebete werden als »Opfer« verstanden, da sie sich in ihnen zu Gott bekennen und erkennen, was Gott ihnen geschenkt hat. »Rein« wird dieses »Opfer«, wenn vor der Eucharistie Versöhnung stattgefunden hat. Die Eucharistie der Didache ist folglich für die Mahlteilnehmer »ein Ort der gegenwärtigen Heilserfahrung und der eschatologischen Heilshoffnung«843.

842 Syrien, die mögliche Heimatregion von Mt und Did, kann durchaus als ein »Einsetzungsworte-freier Raum« gelten (s. Anm. 508). 843 Wehr, Eucharistieverständnis, 27.

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II.2.6. Ertrag Die Analyse der frühchristlichen Herrenmahltraditionen hat ergeben, dass Paulus seine Überlieferung aus konkretem Anlass zitiert, nämlich um Spaltungen in der korinthischen Gemeinde entgegenzuwirken. Von daher führt er den Korinthern vor Augen, was die Feier des Herrenmahls bedeutet: Der Kyrios hat dieses Mahl gestiftet (κυριακὸν δεῖπνον), weshalb es ihm zu Ehren begangen werden soll und nicht, um sich selbst dem Genuss hinzugeben (ἴδιον δεῖπνον), wie es wohl dem paganen Mahlverhalten entsprach. Zwar ist der Ablauf der von Paulus vorausgesetzten frühchristlichen Herrenmahlfeier kaum rekonstruierbar, aber seine Darstellung lässt noch erkennen, dass die Mahlhandlungen zu Brot und Kelch ursprünglich mit einer sättigenden Mahlzeit verbunden waren (μετὰ τὸ δειπνῆσαι). Ob diese zwischen Brot- und Kelchhandlung abgehalten wurde (1Kor, Lk) oder dem Herrenmahl voranging (Mk), lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Bei Paulus und den Synoptikern führt die reduzierte Darstellung dazu, dass Jesu Deuteworte in den Vordergrund treten. Bei Johannes und der Didache wird stärker die Wirkung der besonderen Speisen betont: ewiges Leben (vgl. Joh 6,54.58; Did 10,3). Dadurch, dass in diesen Überlieferungen die christologisch-ekklesiologische Mahldeutung hinter einer soteriologischen zurücktritt, wird eine Diversität der Herrenmahldeutungen erkennbar. Markus bzw. die von ihm herangezogene Passionserzählung verbindet die Schilderung des letzten Mahls Jesu im Kontext des Pesachfests mit der aktuellen Mahlpraxis der Gemeinde, in der die Deuteworte ihren Sitz im Leben haben. Von daher ist zu erklären, weshalb der konkrete Pesach-Kontext und das überzeitliche, »für viele« gespendete Herrenmahl in Spannung zueinander stehen. Diese markinische Vorlage übernimmt Matthäus ohne größere redaktionelle Eingriffe, das heißt er korrigiert sie nicht in Hinblick auf eine Mahlpraxis seiner eigenen Gemeinde. In denselben geographischen Raum wie Matthäus gehört auch die Didache. Deren Eucharistie-Gebete weisen keine Deuteworte und keinen Passionsbezug auf. Auch wenn die vollständige Liturgie der Mahlfeier der didachistischen Gemeinde(n) aus den Gebeten nicht rekonstruiert werden kann, ist es denkbar, dass in ihrem Verbreitungsraum (Syrien) die Deuteworte kein Bestandteil der Herrenmahlliturgie waren. Trifft das zu, dürfte dies auch für die matthäische Gemeinde gelten. Auch Lukas übernimmt die markinische Vorlage. Er bearbeitet sie intensiv unter Verwendung einer Herrenmahlüberlieferung, die der von Paulus verwendeten stark ähnelt. Kennzeichnend für die lukanische Redaktion ist einerseits, dass er das Herrenmahl in eine engere Beziehung zum Pesach setzt als Markus, und andererseits, dass er durch das Vermeiden spezifischer Pesachas-

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pekte beim Mahlvollzug das Pesach im Herrenmahl geradezu aufgehen lässt. Auffällig ist zudem, dass Lukas im Deutewort zur Kelchhandlung, anders als Paulus, keinen Wiederholungsbefehl überliefert. Vermutlich unterscheidet Lukas dadurch zwischen dem einmaligen letzten Mahl Jesu und der im regelmäßigen Brotbrechen bestehenden Mahlfeier seiner Gemeinde (vgl. Lk 24.30.35; Apg 2,42.46; 20,7.11; 27,35). Der Passionsbericht des Johannesevangeliums verbindet das letzte Mahl Jesu (Joh 13) zwar mit dem Verratsmotiv, aber nicht mit der frühchristlichen Herrenmahltradition. Dass er diese gleichwohl kannte, zeigt seine Mahldeutung im Anschluss an das Speisungswunder (Joh 6): Hier findet sich die bekannte Herrenmahlterminologie (Brot, Blut) neben spezifisch johanneischen Ausdrücken (Brot des Lebens, Fleisch kauen).844 In der Lebensbrotrede entfaltet Johannes eine Deutung der Mahlelemente, deren Abstraktheit dadurch betont wird, dass das konkrete Mahl längst abgeschlossen ist. Die johanneische Deutung der Mahlelemente überbietet die paulinische und die synoptische und führt zu einer scharfen Abgrenzung zwischen christlicher Gemeinde und ihrer Umwelt (Joh 6,60). Die Gemeinsamkeiten der analysierten Herrenmahlüberlieferungen sind aufgrund ihrer Vielfalt recht gering: Die christlichen Mahlfeiern fanden im Kontext eines sättigenden Gemeinschaftsmahls statt, sind aber deutlich von einem Sättigungsmahl zu unterscheiden, allerdings könnte die Eucharistie der Didache eine Ausnahme hierzu bilden. Mahlgaben waren Brot und ein Kelch über dessen Inhalt nichts verlautet – er dürfte Wein (Mk 14,25 parr.; evtl. Did 9,2) Wasser oder ein Gemisch daraus enthalten haben. Die das Mahl begleitenden Mahlgesten werden in den Texten unterschiedlich bezeichnet: nehmen, εὐχαριστέω/»danken« bzw. εὐλογέω/»loben«, (Brot) brechen, geben.845 Mit Ausnahme der Didache werden die Mahlelemente von Jesus bzw. dem Kyrios gedeutet und mit seinem Körper (Leib, Fleisch, (Bundes-)Blut) und seinem Tod in Beziehung gesetzt – in der Form, dass sich der Geber mit seiner Gabe identifiziert und sich die Mahlteilnehmer sich ihn auf diese Weise einverleiben (Kommunio). Diese Mahldeutung tritt nur in den Deuteworten (bei Johannes in der Offenbarungsrede) hervor. Während der Mahlhandlung übernimmt Jesus die Rolle des jüdischen Hausvaters, der die Mahlgaben unter den zu 844 Auch in den anderen Überlieferungen sind spezifische Bezeichnungen anzutreffen, z. B. »Brotbrechen« (1Kor 10; Lk; Apg; Did), »geistliche Speise« und »geistlicher Trank« (1Kor 10; Did), »Lobpreis-Kelch« (1Kor 10,16). 845 Auffällig ist, dass die Mahlhandlungen (und nicht die Deuteworte) in den Darstellungen der Speisungswunder aller vier Evangelisten beschrieben sowie bei Lk und Joh zum Kennzeichnen des Auferstandenen werden. Der Grund könnte darin liegen, dass sich in diesen jüdischen Mahlgesten eine Erinnerung an die Mahlsituationen mit dem historischen Jesus ausdrückt.

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Tisch Gerufenen austeilt, ohne allerdings selbst davon zu essen. Der Rollenwechsel vollzieht sich gleichsam zwischen den Zeilen, wenn Jesus vom Handelnden zu dem das Handeln Reflektierenden wird – historisch formuliert: wenn Jesu Handeln bei seinem letzten Mahl zum Gegenstand frühchristlicher Reflexion wird. Dass die Mahlteilnehmer das Brot essen, wird nirgends direkt gesagt – es ist wohl allzu selbstverständlich –, während das Trinken aus dem Kelch zumindest bei den Synoptikern angesprochen wird. Abgesehen von seiner gemeinschaftsstiftenden Funktion – zwischen den Mahlteilnehmern und Jesus/dem Kyrios (1Kor, Syn, Joh) bzw. Gott (Did: Jesus ist Mittler) sowie zwischen den Mahlteilnehmern untereinander – verbindet sich mit dem Herrenmahl eine Vielzahl weiterer Interpretamente: a) Das Mahl wird durch eine ὑπέρ-Formel gedeutet: Bei Paulus begegnet sie im Zuge der Deutung der Brothandlung (ὑπὲρ ὑμῶν), während Markus sie im Kelchwort überliefert (ὑπὲρ [bei Mt περὶ] πολλῶν). Lukas überliefert sie in beiden Deuteworten. Auch im Johannesevangelium ist sie als Deutungskategorie anzutreffen (Joh 6,51c) (s. II.3.3.4.). b) In den Deuteworten spielt das Bundesmotiv eine zentrale Rolle: In der paulinischen und lukanischen Überlieferung wird die Kelchhandlung als »neuer Bund« gedeutet, der durch das Blutmotiv (»in meinem Blut«) näher bestimmt wird. Es geht also primär um die Gleichsetzung von Kelch und Bund, nicht von Kelchinhalt und Blut (vgl. 1Kor 10, wo die Kelchsegnung mit Christi Blut in Beziehung gesetzt wird). Bei Markus und Matthäus stellt hingegen die Kelchhandlung bzw. das aus dem Kelch Getrunkene das »Bundesblut« Jesu dar. c) In der von Paulus zitierten Herrenmahltradition und dem von Lukas überlieferten Brotwort findet sich die Aufforderung des Kyrios bzw. Jesu, das Mahl mit seinen Mahlgesten und -worten zu wiederholen und sich dadurch an ihn zu erinnern. Während dem religions- und traditionsgeschichtlichen Hintergrund der ὑπέρ-Wendung, der Motive vom »neuen Bund« und vom »Bundesblut« sowie dem Erinnerungsmotiv, das nur im paulinischen und lukanischen Überlieferungsstrang begegnet, weiter nachzugehen ist, wird folgender Deutungsinhalt nicht näher betrachtet, da er nicht zum Traditionsgut zu zählen ist: d) Die Herrenmahlfeier wird bei Paulus und Matthäus ausdrücklich als etwas Vorläufiges dargestellt (»bis er kommt«, »aufs Neue trinken im Reich des Vaters«) – es steht also in einem eschatologischen Horizont. Dieser ist auch bei Johannes und in der Didache erkennbar, wenn die besondere Nahrung als eine bezeichnet wird, die zum ewigen Leben führt (Joh 6,54; Did 10,3). Keiner der in Augenschein genommenen Texte stellt eine Art ›Urtext‹ der frühchristlichen Herrenmahlüberlieferung dar. Die literarisch ältesten Mahltraditionen (1Kor, Mk) lassen sich weder voneinander ableiten noch kann einem von ihnen Priorität zugesprochen werden, obgleich eine gemeinsame Wurzel

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angenommen werden kann. Diese Texte, die in mehr oder minder großer Nähe zueinander stehen, weisen ein gemeinsames Repertoire an Formeln und Motiven auf, die in verschiedenen Überlieferungssträngen ausformuliert worden sind. Gemeinsam ist ihnen ein explizit christologischer Charakter, der eine nachösterliche Situation voraussetzt und somit eine Rückführung auf eine Einsetzung durch den irdischen Jesus ausschließt. Daher wird im Folgenden der geprägte Begriff ›Einsetzungsworte‹ vermieden und stattdessen von ›Deuteworten‹ gesprochen, um deren Wert als frühchristlich geprägtes Mahlverständnis gerecht zu werden. In welchem geographischen Raum die Einzelmotive der Herrenmahltradition geformt, kombiniert und literarisch gestaltet wurden, lassen die frühchristlichen Texte nicht mehr erkennen. Gefragt werden kann deshalb im Folgenden nur, unter welchem kulturellen Einfluss der Mitwelt der frühchristlichen Gemeinden dies geschah.

II.3. Analogien in der religiösen Mahlmitwelt II.3.1. Einleitung Die Analyse der ältesten Herrenmahlüberlieferungen hat gezeigt, dass es aus religions- und traditionsgeschichtlicher Sicht unstrittig ist anzunehmen, dass Jesus in der Darstellung der Mahlhandlungen als Hausvater bzw. Gastgeber erscheint, der die für das hellenistisch-jüdische Gemeinschaftsmahl charakteristischen Gesten vollzieht. Unterschiede zu diesem Mahl bestehen allerdings zum einen darin, dass Jesus selbst nicht mitisst, und zum anderen in den kargen Mahlelementen Brot und Kelch, die bei einem gewöhnlichen Gastmahl durch Zukost ergänzt wurden. Zu diesen Differenzen tritt in der Herrenmahlparadosis des Paulus und der Synoptiker (eventuell auch der des Evangeliums nach Johannes) als Besonderheit des Herrenmahls die in den Deuteworten Jesu zum Ausdruck kommende Identifizierung der Mahlgaben mit sich selbst. Diese sogenannten Einsetzungsworte gehören heute konstitutiv zur Abendmahlsliturgie. Aus diesem Grund handelt es sich auch um jene Feierweise des christlichen Mahls, die in schulischen Kontexten behandelt wird. Im Folgenden wird diese Form des Herrenmahls, die nur eine unter mehreren war, vor dem Hintergrund antiker Mahlformen und Mahldeutungen betrachtet. Die Deuteworte bilden den Ausgangspunkt für die religionsgeschichtliche Untersuchung, denn sie machen das (sättigende) Gastmahl zu einem KommunioMahl mit Christus: Mit dem Kommunio-Begriff846 verbindet sich die Vorstellung, 846 S. Anm. 525.

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dass sich Gottheit und Mahlelement entsprechen und sich die Gottheit zum Mahl reicht. In der Religionswissenschaft wird deshalb auch von Theophagie (Verzehr der Gottheit) gesprochen. Mit Blick auf das Herrenmahl meint diese Christobzw. Kyriosphagie den Aspekt des Verzehrens. Die Bezeichnung als Kommunio bringt den Gedanken der Selbst-Hingabe des Christus bzw. Kyrios zum Ausdruck. Gegenstand der weiteren Untersuchung sind daher die das Herrenmahl qualifizierenden Identifikationsformeln und Einzelelemente (Bund, ὑπέρ-Wendung, Erinnerung), nicht das Herrenmahl insgesamt. Sie werfen die religionsgeschichtliche Frage auf, ob in der religiösen Mitwelt vergleichbare Deutungen von Mahlelementen bzw. von Mählern als Kommunio begegnen, die die Entstehung dieser frühchristlichen Mahlform erklären können. Der Grund für diese Schwerpunktsetzung liegt darin, dass aus den frühchristlichen Mahlformen diejenige besonders herausragt, die mit den Deuteworten verbunden ist, das Gemeinschaftsmahl zu einem Kommunio-Mahl mit Christus macht und es zugleich zu einem Antimahl stilisiert, das weder der physischen Sättigung noch Hierarchisierung dient. Nur bei dieser spezifischen Mahlform macht es Sinn, nach ihrem besonderen religionsgeschichtlichen Hintergrund zu forschen – bei allen anderen Mahlformen, so zeigt die Forschung, hat das Christentum mehr oder minder Anteil an der allgemeinen antiken Mahlkultur.847 Im Anschluss an die vorliegenden Forschungsergebnisse zu antiken Mahlstrukturen bzw. Mahlbeschreibungen stellt sich daher die Aufgabe, formale Analogien zu den Deuteworten und dem darin zum Vorschein kommenden Kommunio-Aspekt des Herrenmahls in den Blick zu nehmen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu benennen. Anschließend gilt es, die einzelnen Mahlmotive traditionsgeschichtlich zu verfolgen, um nicht nur den Kommunio-Aspekt, sondern auch die anderen bedeutsamen Elemente des Herrenmahls in die religionsgeschichtliche Untersuchung einzubeziehen. Für den religionsgeschichtlichen Vergleich gilt grundsätzlich die Maxime: »Je distinktiver die übereinstimmende Handlung oder Vorstellung und je komplexer die Übereinstimmung, desto weniger wahrscheinlich ist es, daß es ohne historische Vermittlung zu dieser Übereinstimmung gekommen ist«848. Das bedeutet: Je gewisser eine Mahldeutung oder ein Mahlmotiv einem Milieu der religiösen Mitwelt zuzuordnen ist und je stärker diese Deutung mit dem Her847 Vgl. z. B. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl. 848 Seelig, Methode, 326. Die Art und Weise der Vermittlung lässt sich dahingehend klassifizieren, ob eine Übernahme (unveränderte Aufnahme der intakt bleibenden Tradition), Adaption (Anpassung ohne Verlust des kennzeichnenden Moments) oder Umbildung (Umformung zu einer eigenständigen Konzeption) erfolgt ist (331f.).

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renmahl übereinstimmt, desto wahrscheinlicher ist, dass die Analogien ein Abhängigkeitsverhältnis anzeigen. Dass jeder Vergleich die Gefahr in sich birgt, Ähnlichkeiten zwischen den historischen Phänomen zu überspitzen, mahnt zur Vorsicht bei den auf diesem Wege zu erzielenden Ergebnissen. Trotzdem darf davon ausgegangen werden, dass sich aus dem Vergleichsmaterial Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum christlichen Mahl ergeben, die Rückschlüsse auf die Ursprünge der Deutung des Herrenmahls als Kommunio ergeben. Auf Grundlage dieser Ergebnisse sollen die anschließenden religionspädagogischen Überlegungen entwickelt werden (Kapitel III).

II.3.2. Formale Analogien: Deuteworte im antiken Mahlkontext Es lassen sich grob zwei Tendenzen in der religionsgeschichtlichen Bestimmung des Herrenmahls unterscheiden: Eine Seite privilegiert hellenistisch-jüdische, die andere hellenistisch-pagane849 Mahltraditionen als Hintergrund. Unbestritten ist, dass die jüdischen Mahlriten im Hellenismus mit der paganen Mahlkultur in Kontakt standen.850 »Weder ist die jüdische Kultur in der Antike als homogenes Gebilde zu verstehen, noch bildet die griechisch-römische Welt ein bloßes Gegenüber zur jüdischen Kultur. Vielmehr ist auf der Makroebene von vielfältigen Austauschprozessen und dynamischen Kontaktphänomenen auszugehen.«851 Der Hellenismus ist folglich von synkretistischen Wechselbeziehungen geprägt. Wenn dennoch, wie in der Forschung üblich, im Folgenden an einer Trennung der antiken Mahlwelt in einen hellenistisch-jüdischen und einen hellenistisch-paganen Bereich festgehalten wird, geschieht das allein, um die Darstellung übersichtlich zu gestalten, ohne aber eine tatsächliche Dichotomie anzunehmen. Die Benennungen »hellenistisch-jüdisch« und »hellenistisch-paganen« sollen dies stets vor Augen führen. Ziel dieses Kapitels ist es weder, neues Quellenmaterial vorzulegen und auszuwerten, noch die bisherigen Lösungsansätze um einen weiteren zu vermehren. Vielmehr sollen die vorhandenen Positionen kritisch auf ihre Plausibilität hin befragt werden, um eine tragfähige Hypothese für die sich abschließenden religionspädagogischen Überlegungen zu entwickeln. Zu diesem Zweck stelle ich im Anschluss an die Ergebnisse der ausgewerteten Forschungsarbeiten852 diejenigen 849 Der verwendete Begriff »pagan« soll Neutralität gegenüber der negativ konnotierten Bezeichnung »heidnisch« wahren. 850 Vgl. Vössing, Herrenmahl, 45 Anm. 15. 851 Heilmann, Wein, 29f. (Hervorhebung im Original). Vgl. Hengel, Judentum, 561f.; Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte, 128–166. 852 Da die exegetische Analyse zu der Wahrnehmung geführt hat, dass sich zwischen den beschriebenen Mahlhandlungen und den Deuteworten gleichsam ein Bruch vollzieht, habe

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Mahltraditionen der religiösen Mitwelt vor, in denen deutende Worte begegnen. Diese werden hinsichtlich ihrer Struktur und ihres Inhalts mit denjenigen des Herrenmahls verglichen, um Analogien und Differenzen zu bestimmen, speziell auch in Hinblick auf ein mögliches Kommunio-Verständnis.

II.3.2.1. Deutende Worte in hellenistisch-jüdischen Mählern In der alttestamentlich-jüdischen Tradition kommt es nicht zu einem gemeinsamen Mahl von Jhwh und Menschen – die Kommunio-Vorstellung ist hier nirgends belegt. Allerdings wird Jhwh bewirtet (vgl. Gen 18,8) bzw. erhält Opich mich bei der Durchsicht insbesondere auf die Deuteworte konzentriert und stütze mich auf die grundlegenden Ergebnisse der umfassenden Arbeiten von Jeremias, Abendmahlsworte; Klauck, Herrenmahl; Klinghardt, Gemeinschaftsmahl; Schröter, Abendmahl; Kollmann, Ursprung. Daneben begegnen in der Forschung Ansätze, die Erklärungsmodelle favorisieren, bei denen deutende Worte nicht zentral sind – die also einen anderen Schwerpunkt setzen. Die beiden bekanntesten seien an dieser Stelle kurz skizziert: 1. K. G. Kuhn beschäftigt sich in seinem Aufsatz in EvTh 10 (1950/51) mit dem »ursprünglichen Sinn des Abendmahl und sein Verhältnis zu den Gemeinschaftsmahlen der Sektenschrift« (508– 527; vgl. Kuhn, Supper, 65–93). Die Grundlage seiner Ausführungen bilden einerseits die Mahltexte der Qumrangemeinschaft (1QS 6,1–6; 1QSa 2,17–21) und andererseits Josephus’ Bericht über die Mahlzeiten der Essener (Bell. II 8,5 §129ff.). Als Übereinstimmungen von Qumran- und Herrenmahl führt er an, dass beide in einem (begrenzten) Männerkreis abgehalten werden und Jesus nicht als Hausvater agiere, da er keinen Gast zum Sprechen der Schlussbenediktion auffordert, sondern analog zum Priester der Qumrangemeinschaft handele (517–520). Die neuere Qumranforschung hat jedoch bezüglich dieser Annahmen neue Erkenntnisse geliefert: 1. Manche Textpassagen sprechen von verheirateten Mitgliedern oder von Frauen (s. Frey, Textfunde, 248; Steudel, Ehelosigkeit, 115–124). 2. Es zeige sich, »dass der in 1QS V,1-IX,26 vorliegenden Gemeinderegel offenbar eine ältere Fassung vorausging, die weniger stark von der Dominanz priesterlicher Elemente geprägt war, so dass man von einer literarischen Entwicklung des Regeltextes ausgehen muss« (Frey, Textfunde, 249). 2. In seiner liturgiegeschichtlichen Studie »Messe und Herrenmahl«, in der er ausgehend von den Zweigen westlicher und östlicher Liturgien sich den Wurzeln der älteste(n) Abendmahlliturgie(n) zu nähern versucht, kommt H. Lietzmann zu folgendem Ergebnis: Die Jerusalemer Urgemeinde setze die Tischgemeinschaft, »die unter dem ›historischen‹ Jesus begonnen hatte, mit dem Erhöhten fort.« Einer brach »das Brot und verteilte es […]; man trank Wasser, ganz selten Wein« (250). Dieser »Kern« fand Erweiterungen – auch jene aus »hellenistischem Empfinden« (250). So erkläre sich auch die »unjüdische« Deutung der Feier als »Opfer«, die nicht aus der Jerusalemer Urgemeinde stammen könne, sondern »nur auf hellenistischem Boden möglich gewesen« (251) sei. Dies sei der erste Typus, neben dem schon früh ein zweiter Typus existiert habe: Dieser zweite sei durch Paulus bekannt und knüpfe nicht an die täglichen »historischen« Tischgemeinschaften an, sondern an das letzte Mahl Jesu. Da dies von der Gemeinde wiederholt und somit zur »Gedächtnisfeier des Todes Christi« (251) wurde. Auch dieser Typus erfuhr Erweiterungen, denn das Mahl wurde ein »Analogon hellenistischer Gedächtnismahle« (251) und das »Gleichniswort Jesu wird zur pneumatischen Realität: Die Gläubigen […] werden ein Leib mit dem Herrn und untereinander« (252). Lietzmann zufolge sei aber beiden Typen das »eschatologische Moment« (252) gemeinsam.

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fergaben (vgl. Gen 4,3f.; 8,20; Lev 1,2; 2,1; 3,1), Auserwählte essen in Gottesnähe (vgl. Ex 18,12; 24,11; Dtn 12,7) und Jhwh spendet Nahrung (vgl. Gen 1,29). II.3.2.1.1. Pesachmahl Wie oben gezeigt, agiert Jesus in der Rolle eines jüdischen Gastgebers, worin der Grund gesehen wird, das Herrenmahl aus der allgemeinen jüdischen Mahlsitte abzuleiten.853 Dazu binden die Synoptiker ihre Darstellung des letzten Mahls Jesu in den Kontext des Pesach-Mahls ein. Auch Paulus und der Verfasser des Johannesevangeliums stellen eine Beziehung zum Pesach her, wenn sie Jesus als das Pesachlamm deuten, doch lassen sie in diesen Zusammenhängen keinen Bezug auf die christliche Mahlfeier erkennen. In der Didache, deren Mahlgebete judenchristlich geprägt sind, fehlt ein solcher Bezug. Diese Divergenzen werfen die Frage auf, wie plausibel das Pesachmahl als Assoziationshintergrund für die Herrenmahlüberlieferung ist und was diese jüdische Mahlfeier für das Verständnis und des Herrenmahls auszutragen vermag. Ich beginne mit einigen terminologischen Beobachtungen: Bei dem Begriff »Pes(s)ach« handelt es sich um die Transkribierung des aram. Substantives ‫ ֶפַּסח‬/ pe¯sach. Die LXX gibt das hebr. ‫ ַפּ ַשׁה‬/pascha (vgl. Ex 12,11.21.27.43.48), »wahrscheinlich eine im alexandrinischen Judentum geläufige Transkribierung der aramäischen Fassung«854, mit πάσχα/pascha wieder.855 All diese Begriffe bezeichnen zwar übereinstimmend die jüdische Pesachtradition und den Vollzug des Pesachfests, können aber unterschiedliche Akzente tragen. Gemeint sein kann: 1. das Wallfahrtsfest (Ex 12,14; 23,15; 34,25; Ez 45,21), zu dem sich das Volk Israel jährlich in Jerusalem versammelte; 2. das Pesachlamm, ein einjähriges männliches fehlerloses Tier (Ex 12,5), das am Nachmittag des 14. Nisan – dem Vor- bzw. Rüsttag des Pesachfests – im Tempel geschlachtet wurde (Ex 12,21; Esr 6,20f.),856 um es nach Sonnenuntergang (also am 15. Nisan) zu essen; 3. das Pesachmahl als Festmahl am Sederabend mit verschiedenen Mahlelementen, insbesondere Lamm, Mazzen und Bitterkräutern, welches durch die Rezitation der Pesachhaggada – dem traditionellen »Text der Hausliturgie zum Eingang des Pessachfestes«857 – begleitet wurde.858

853 854 855 856

S. Rouwhorst, Roots, 295 Schlund, Deutungen, 401–403. Vgl. Löhr, Abendmahl, 100 Anm. 3. »Die Tempelschlachtung unterstreicht den Opfercharakter der Paschafeier, aber es war ein Opfer sui generis, das sich keiner der bekannten Kategorien zuordnen lässt« (Klauck, Herrenmahl, 200). 857 Stemberger, Pesachhaggada, 357. 858 Vgl. Patsch, πάσχα, 117f.

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Die Pesachfeier am Jerusalemer Tempel wird mit dem Text Ex 12 ätiologisch begründet.859 Daneben findet das Pesach in Kultkalendern (vgl. Lev 23,4f.; Num 28,16; Dtn 16,1–7) und in Berichten über die Pesachfeier der Israeliten Erwähnung (vgl. Jos 5,10f.; 2Kön 23,21–23; Esr 6,19–21; 2Chr 30; 35,1–19). »Num 9,1–14 mit dem Bericht der Einsetzung eines zweiten Pesach […] nimmt eine Zwischenstellung zwischen diesen beiden Kategorien ein.«860 Alle Texte unterscheiden zwischen dem Pesach, das am 14. Nisan begangen wird, und dem sich anschließenden Mazzotfest (»Fest der ungesäuerten Brote«). Der bekannteste Vertreter der Position, das Pesachmahl biete den Verstehenshintergrund für das Herrenmahl, ist Joachim Jeremias. In seinem vieldiskutierten Werk »Die Abendmahlsworte Jesu« (41967) kommt er zunächst zu dem Urteil, dass diese Frage nicht abschließend zu klären sei, da »sich die synoptische und die johanneische Datierung des letzten Mahls Jesu […] schroff gegenüberstehen«861. Das gewichtigste Argument für eine Analogie zwischen christlichem und jüdischen Mahl findet Jeremias in den Deuteworten: Den Ritus der Deutung der Pesachmahlelemente habe Jesus »zur Anfügung seiner Deuteworte über Brot und Wein benutzt«862, denn dieser Ritus gebe die Struktur für die Deuteworte vor. Den Haupteinwand »gegen die synoptische Darstellung des letzten Mahls Jesu als eines Passamahls«863 entkräftet Jeremias unter Hinweis auf Joh 19,31; 13,2.18–30 – hierin findet er Spuren, die auf die synoptische Darstellung verweisen würden. So existieren auch im johanneischen Bericht Traditionsspuren, die Jesu letztes Mahl als ein Pesachmahl erscheinen lassen. Die Vordatierung im Evangelium nach Johannes erklärt Jeremias mit einer Verstärkung der Beziehung zwischen Pesach und Passion. Die johanneische Frühdatierung habe zur Folge, dass »Jesu Kreuzigung zeitlich mit der Schlachtung der Passalämmer zusammenfällt. Während im Tempel die Passalämmer […] geschlachtet wurden, starb vor dem Toren der Stadt unerkannt das wahre Passalamm«864. Bezüglich der Deuteworte hält es Jeremias für sicher, dass – sofern das letztes Mahl ein Pesachmahl war – Jesus das Brotwort anlässlich »des Tischgebets vor Beginn des Hauptmahls«865 gesprochen habe, da zur Vorspeise kein Brot gegessen wurde,866 und das Kelchwort im Rahmen des Tischgebets nach der

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S. Leonhard, Pesach, 2–6.30. Schlund, Deutungen, 400. Jeremias, Abendmahlsworte, 19. S. II.2.4.1. A. a. O., 81. A. a. O., 73. A. a. O., 76. A. a. O., 81. S. a. a. O., 78.81.

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Hauptmahlzeit.867 Jeremias möchte daher annehmen, dass Jesus über die Mahlelemente ein »Doppelgleichnis«868 gesprochen habe, in welchem er sich als das »wahre Pessaopfer«869 gedeutete: »Jesus macht den zerrissenen Brotfladen zum Gleichnis für das Schicksal seines Leibes, das Traubenblut zum Gleichnis für sein vergossenes Blut.«870 Im Rahmen eines Abschiedsmahls habe Jesu sein Opfer, sein stellvertretendes Sterben, als ›Sühne‹ und ›Erlösung‹ gedeutet, wodurch die Enderlösung anbreche und der neue Gottesbund in Kraft gesetzt werde.871 Um an dieser Stelle mit Jeremias Worten zu schließen, sei festzuhalten, dass »die Passaatmosphäre Jesu letztes Mahl auch dann umgab, falls es am Abend vor Passa stattgefunden haben sollte.«872 Aus Forscherkreisen wird ferner darauf verwiesen, dass zwischen den Einleitungsworten zum Herren- und zum Pesachmahl eine Analogie hinsichtlich des Deutungsinhalts und der verwendeten Sprache bestehe:873 Die Mahlteilnehmer sprechen in Aramäisch folgende Deutungsformel zum Brot, während der Hausvater den Sederteller hoch hebt: ‫ ַהֶלֶחָםה עניָה‬874/ha lachma anja (vgl. Dtn 16,3875)/»Dies ist das Brot der Armut bzw. des Elends«876.877 Diese Übereinstimmung in der Eingangsformulierung eines Brotdeuteworts erscheint gewiss bemerkenswert – insbesondere in der deutschen Übersetzung (»Dies ist«),878 die derjenigen der Herrenmahldeuteworte entspricht. Problematisch daran, diese Formulierung mit den Deuteworten in Beziehung zu setzen ist jedoch, dass 1. eine Rückübersetzung erhebliche sprachliche Unschärfen birgt, methodisch 867 868 869 870 871 872 873 874 875 876

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S. a. a. O., 81, der als »Ursprache« hebräisch oder aramäisch annimmt (96.190). A. a. O., 215. Ebd. Ebd. S. a. a. O., 216–223: Im frühchristlichen Mahl zeige sich »die Fortsetzung der täglichen Tischgemeinschaft mit Jesus« (26.60). Hierzu stellt sich die Frage, wie das mit der Pesachmahlthese in Konformität steht. S. a. a. O., 82. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf einen unpublizierten Vortrag im Göttinger Doktorierendenkolloquium (Juni 2013) des Jeremias Schülers Berndt Schaller mit dem Titel »Ursprung und Eigenart des urchristlichen Herrenmahl. Befunde und Probleme«. Vgl. Shire, Pessach-Haggada,13. Dort steht: ‫ ֑ע ֹנִי ֶ ֣לֶחם‬/»(Du sollst essen ungesäuertes) Brot des Elends«. Folgendermaßen geht das Deutewort weiter: »… das gegessen haben unsere Väter im Land Ägypten. Jeder, der hungrig ist, komme und esse; jeder, der bedürftig ist, komme und feiere Pesach. Dieses Jahr hier; im Jahr, das kommt, im Lande Israel. Dieses Jahr als Sklaven; im Jahr, das kommt, als Befreite« (zur Übersetzung s. Shire, Pessach-Haggada, 13). Stemberger, Pesachhaggada, 361, meint hierzu, dass die aus Dtn 16,3 stammende Formel allein im Targum Pseudo-Jonathan vorkommt, woraus er folgert, dass sie nicht alt, sondern erst in gaonäischer Zeit entstanden sei. Gleßmer, Einleitung, 185–191, gelangt in dieser Frage zu einem vorsichtigeren Urteil. Eine eindeutige Parallelität liegt nur zum mk/mt Deutewort vor, da im 1Kor/Lk das Personalpronomen μού zwischen τοῦτό und ἐστιν steht.

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fragwürdig ist und vorgibt, unterschiedliche Sprachsysteme auf einen sprachlichen ›Nenner‹ bringen zu können. 2. variiert der Umfang des einen Pesachdeuteworts zum Brot und der zwei Herrenmahldeuteworte: Vom Kyrios werden nicht die charakteristischen Pesachmahlgaben gedeutet (Lamm, Mazzen etc.; vgl. Ex 12,8; mPes 10,5), sondern die kargeren Mahlelemente Brot und Kelch.879 3. geht es im Herrenmahl, wie gezeigt, um das Zusammenspiel von Deutewort und Handlung. 4. isst der Hausvater beim Pesachmahl mit. 5. begegnet in der Pesachhaggada keine analoge Überlieferung zu einem Kelchwort. 6. ist der, von einer priesterschriftlichen Bearbeitung literarisch hergestellte,880 Deutungsgrund und -horizont des Pesachmahls der Exodus: In dieser vergegenwärtigten Erinnerung (vgl. Dtn 16,3; Jub 49,15; Philo spec. 2,146) ist zwar eine Parallele zur Erinnerungsaufforderung des Herrenmahls erkennbar,881 allerdings handelt es sich im Pesachmahl um eine auf die Vergangenheit bezogene Rückerinnerung, wohingegen die Herrenmahlfeier, wie eindeutig im 1Kor 11,26 erkennbar wird, auch auf die Zukunft hin ausgerichtet ist. Dazu besteht 7. ein erheblicher inhaltlicher Unterschied in dem ›Was‹ gedeutet wird: Im Pesachmahl die Mahlgabe Brot, während sich im Herrenmahl Jesus selbst als Mahlgabe deutet (Personalisierung) – ein entscheidender Unterschied besteht folglich in der Mahldeutung. Voraussetzung für die Theorie, Herrenmahl und Pesachmahl stehen in einem direkten Zusammenhang, ist Jeremias Annahme, die Pesachhaggada sei aus Ex 12882 erwachsen und bilde bereits zur Zeit Jesu die Grundlage für das Pesachritual.883 Gegen diese Vermutung spricht, dass die biblische Textgrundlage keine haggadischen Elemente oder Deuteworte überliefert. Angesprochen werden lediglich die Regelungen zur Vorbereitung, die Auswahlkriterien des Tieres884, das Datum des Feiertags (Ex 12,3–5), die Schlachtung (Ex 12,6), der apotropäische 879 Vgl. Jeremias, Abendmahlsworte, 223, demzufolge sich Jesus selbst als eschatologisches Pesachlamm gedeutet habe. Dschulnigg, Überlegungen, 273, nimmt an, dass das Lamm beim Pesachmahl der Diaspora gefehlt habe, wodurch Brot und Kelch in den Mittelpunkt gerückt seien. 880 Pesachritual und Exoduserzählung waren ursprünglich sachlich und literarisch unabhängig, wie Albertz, Exodus, 197, zeigt. Die Verknüpfung entstand ihm zufolge früh-nachexilisch (Ende 6./Beginn 5. Jh. v. Chr.) (a. a. O., 22.199). 881 Die nur in 1Kor 11,24f.; Lk 22,19 anzutreffen ist (vgl. Betz, Mahl, 224.229, der dies aber nicht als Argument gegen die Herleitung aus dem Pesach sieht und auch im 1Kor Analogien zum Pesach entdeckt, denn ἀνάμνησιν sei zu verstehen als Teilnahme an einem einzigartigen Ereignis der Vergangenheit, das in die Gegenwart hineingebracht wird). 882 Zur Literarkritik s. Eberhart, Studien, 274f.; Leonhard, Erzählung, 252f. 883 S. Jeremias, Abendmahlsworte, 81. 884 S. Schlund, Knochen, 18–20: Weder im hebräischen (‫ )שׂה‬noch im LXX-Text (πρόβατον) sei dezidiert von einem Lamm die Rede sei; Utzschneider/Oswald, Exodus, 247.250, denen zufolge ein Kleinvieh (Schaf oder Ziege) im Gegensatz zum Großvieh (Rind, Esel) gemeint sei (vgl. dagegen Dtn 16,2, wo Kleinvieh und Rinder gefordert werden). Bemerkenswert ist zudem, dass die Qualifizierung des Tieres den Opferkult vorauszusetzen scheint (vgl. Lev 1,3; 9,3).

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Blutritus am Türbalken (Ex 12,7) und die Mahlriten innerhalb der Häuser (Ex 12,8–11): Während dieser Nacht sollen die Israeliten das auf dem Feuer gegrillte Tier zusammen mit Mazzen, also Broten aus ungesäuertem Teig, und Bitterkräutern vollständig aufessen. Kennzeichnend für den Ritus ist zudem der vollständige Verzehr des Pesachlamms – von einem Kelch bzw. Getränk ist hier noch keine Rede, erst im 2. Jh. v. Chr. findet der Wein neben dem Pesachlamm Erwähnung (Jub 49,3.6).885. Der Pesach-Abschnitt in Ex 12 endet mit dem Satz: »Ein Pesach (‫פסח‬/psh, vgl. V. 21.27)886 ist es für Jhwh«. Das Wort ‫פסח‬/»vorübergehen« verweist textlich zurück auf Jhwhs Willen, die mit Blut gekennzeichneten israelitischen Häuser zu verschonen.887 Zu verweisen ist darüber hinaus auf einen weiteren gewichtigen Kritikpunkt an Jeremias’ These, der von Günter Stemberger hervorgebracht wurde: Die klassischen jüdischen Zeugnisse über die Liturgie und Feier des Pesachmahls, das Mischnatraktat Pesachim (mPes 10) sowie die Pesachhaggada, sind literarisch später und weder aus einem Guss noch umfassend informierend.888 Das gilt insbesondere für die mittelalterliche Pesachhaggada.889 Sie ist in ihrem Textbestand, wie die handschriftliche Überlieferung zeigt, das Ergebnis einer sich aus der Praxis ergebenden und längeren Zeit umfassenden Textgestaltung. Das bedeutet, dass weder der von der Pessachhaggada überlieferte Ritus noch die im Mischnatraktat zu Pesachim beschriebenen Ausführungen als Belege für die Begehung des Pesachmahls zur Zeit Jesu herangezogen werden können. Daraus ergibt sich zudem, dass die synoptische Darstellung als früheste bekannte Quelle des Pesachmahls zu gelten hat.890 Somit besteht die Möglichkeit, dass Jeremias einem Anachronismus erlegen ist, denn die späteren Zeugnisse zur Praxis des Pesachmahls können nicht ohne Weiteres auf die Verhältnisse zur Zeit Jesu übertragen werden.891 885 S. Beer, Pesachim, 7; Schlund, Knochen, 98–111. 886 Das Nomen wird von der LXX stets mit πάσχα wiedergegeben, während das Verb (V. 13.23.27) meist mit σκεπάζω/»be-/schützen« oder auch mit παρέρχομαι/»vorübergehen« übersetzt wird (s. Schlund, Knochen, 20–23). Zur Bedeutung s. Propp, Exodus 1–18, 398f. 887 Vgl. Eberhart, Studien, 274. 888 Vgl. Stemberger, Pesachhaggada, 359, demzufolge die früheste Handschrift aus dem 9. Jh. n. Chr. stammt (Der Siddur des Rab Amram Gaon). 889 S. Füglister, Heilsbedeutung, 39, der den Großteil des Haggada-Textes in das 10. Jh. n. Chr. datiert, aber meint, dass in den Rezensionen des Jerusalemer Talmuds haggadische Erweiterungen zu finden seien, die in die vorneutestamentliche Zeit zurückreichen würden. 890 Vgl. Bokser, Origins, 25–28; Schlund, Deutungen398. Dagegen vermag Bahr, Seder, 181–200, das Pesachmahl der tannaitischen Zeit zu rekonstruieren. 891 Vgl. Stemberger, Pesachhaggada, 373f.; Rouwhorst, Roots, 300–302. Stein, Influence, 25–44, der einen Einfluss der Symposionliteratur auf die Pesachhaggada behauptet – »Kiddush and Hallel on the one side and prayers and songs as a constituent part of a Greek symposium on the other are of a general nature« (26, Hervorhebung im Original). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass kaum antike Darstellungen des Pesachmahls bekannt

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Aber auch die Mahlanspielungen, die die Synoptiker überliefern (vgl. Mk 14 parr.),892 fügen sich zu keinem plausiblen Gesamtbild des Pesachmahls zur Zeit Jesu zusammen. Als Ursache lässt sich annehmen, dass sowohl die Verrätermahlals auch die Herrenmahltradition sekundär in einen Pesachzusammenhang gestellt wurden. Dazu können die Evangelisten die Kenntnis der Pesachmahlfeier bei ihren Adressaten voraussetzen. Es ging ihnen nicht um die vollständige Darstellung des Pesachmahls, sondern sie wollten selektiv das beschreiben, was für ihre Darstellung des letzten Mahls Jesu wichtig war. Der Wert des synoptischen Berichts für die historische Rekonstruktion des Pesachmahls zur Zeit Jesu ist von daher gering. So ist verständlich, dass in der gegenwärtigen Forschung die entgegengesetzte Annahme begegnet, nach der sich die Pesachliturgie in Auseinandersetzung mit dem christlichen Festritual erst sekundär entwickelt habe.893 Dagegen wäre einzuwenden, dass eine »Übernahme« christlicher Rituale jüdischerseits aufgrund des starken Ablösungsprozesses der damaligen Zeit kaum vorstellbar ist.894 sind. Auf einem Mosaikzyklus auf der rechten Wand des Langhauses von S. Maria Maggiore in Rom war im Kontext der Darstellung des Exodusgeschehens in Feld 5a die Einsetzung des Pesach dargestellt (s. Wilpert/Schumacher, Mosaiken, 312f.). Diese Mosaiken stammen aus der Zeit des Pontifikats Sixtus III (432–440 n. Chr.) (s. Kogmann-Appel, Szenen, 27). 892 Sie datieren es auf »den ersten Tag der ungesäuerten Brote« (Mk 14,12 parr.). Die Jünger und Jesus begehen es in Jerusalem (Mk 14,23 parr.). Am Mahl nimmt der »engste Kreis« teil (Mk 14,17f. par.: die Jünger; Lk 22,14: die Apostel). Das Mahl wird am Abend im Liegen eingenommen (Mk 14,17 par.). Es besteht aus mehreren Mahlelementen (Pesachlamm, Schüssel (Bitterkräuter werden nicht erwähnt), Brot (nicht Mazzen), Kelch). Vgl. Löhr, Abendmahl, 105–109. 893 S. Yuval, Völker, 82f. 894 Nicht beantwortet, aber verwiesen sei auf die sich anknüpfende Frage, ob und wie das Pesachmahl von den frühchristlichen Gemeinden begangen wurde (s. Betz, Gemeinschaft, 5–7, demzufolge beide Mähler zunächst nebeneinander bestanden – erst infolge der Tempelzerstörung entfiel die Schlachtung der Pesachlämmer im Tempel, wodurch »der Opferritus des Pesachlamms überhaupt wegfiel und […] das Pesachmahl ganz auf die Hausgemeinschaft verlagert wurde« (9) – die Mahlbestandteile wurden nur noch symbolisch gedeutet. Für die aus Jerusalem geflohene Gemeinde fiel die Pesachfeier bereits früher weg. Leonhard zufolge ist um 70 n. Chr. keine Pesachfeier in der Diaspora anzunehmen – er meint sogar, dass diese christlichen Gemeinden vor der Mitte des 2. Jh. n. Chr. kein Pesachmahl abhielten (Mahl V (Kultmahl), 1067). Die Pesachfeier zur Zeit des Zweiten Tempels sei Teil der Tempelliturgie gewesen und stehe nicht in Verbindung mit dem ägyptischen Pesach aus Ex 12 (Erzählung, 236–238, demzufolge erste Belege für die liturgische Verwendung der Tradition aus Ex 12 im babylonischen Talmud zu finden seien – also etwa ab den 3. Jh. n. Chr. –, denn weder die Mischna noch die Tosefta würden die Lesung von Ex 12 vorsehen (237). Teil dieses Tempel-Pesachs sei ein gemeinsames Mahl der Pilger (in den Häusern Jerusalems) gewesen, bei dem das Opfertier gegessen wurde. Dieses Gemeinschaftsmahl sei im Kontext hellenistischer Symposien zu verstehen, wodurch sich die »sympotic elements« der synoptischen Herrenmahlüberlieferungen erklären ließen. Er möchte also zeigen, dass die jüdischen Diaspora-Gemeindemitglieder ihr Fest nicht entsprechend einer an Ex 12 anschließenden Pesachliturgie begingen). Weidemann, Bundesblut, 77, fragt, wie sie diesen

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Nach Ferdinand Hahn ist die Frage nach dem Pesachcharakter des letzten Mahls Jesu nicht mit Sicherheit zu beantworten. Denkbar wäre einerseits, dass »die Passamotive mit Rücksicht auf das regelmäßig gefeierte Herrenmahl abgestreift wurden, und umgekehrt, […] daß die Bezugnahme auf Passa aus theologischen Gründen hinzugewachsen ist.«895 Die fehlenden Quellen zum Pesach in tannaitischer Zeit erschweren die Herleitung des Herrenmahls erheblich. Das Pesachmahl als solches führt jedenfalls nicht zur Erklärung und zum Verständnis der Herrenmahldeutung. Gegen das Pesachmahl als Hintergrund der Herrenmahltradition spricht zudem, dass die für dieses Fest kennzeichnenden Mahlelemente beim Herrenmahl nicht genannt werden und im 1Kor, der ältesten Quelle, jegliche Pesach-Hinweise im Zusammenhang dieses Mahls fehlen. Dazu erscheint das Herrenmahl aufgrund der kargen Mahlgaben nicht als Sättigungsmahl, während das Pesachmahl ein solches ist. Zusammengefasst heißt das, dass Jeremias’ These, in den Deuteworten das gewichtigste Argument für eine Analogie zwischen christlichem und jüdischem Mahl zu sehen, nicht stichhaltig ist. Es ist keineswegs sicher, welche Elemente kennzeichnend für das Pesachmahl zur Zeit Jesu waren und ob in seinem Verlauf deutende Worte formuliert wurden. Festzuhalten ist ferner, dass die Synoptiker vom Pesach lediglich im narrativen Kontext berichten, die im Herrenmahl beschriebenen Mahlhandlungen selbst sind hingegen nicht von einem gewöhnlichen jüdischen Mahl zu unterscheiden. Die behaupteten Bezüge zwischen Pesach- und Herrenmahl können also ganz aus der Chronologie des Erzählrahmens resultieren (was die Synoptiker beschreiben muss für die Adressaten aufgrund der literarischen Logik als Pesachmahl erscheinen), ohne dass dieser Rahmen in der vorsynoptischen Tradition (vgl. Paulus) als Deutungshintergrund des Herrenmahls angelegt war. Zu dieser Frage wird die künftige Forschung Stellung beziehen müssen. Für die vorliegende Arbeit ist entscheidend, dass die Darstellung der Schul- und Lehrerhandbücher nicht haltbar ist, den religionsgeschichtlichen Hintergrund der Herrenmahltradition allein im Pesachmahl erkennen zu wollen. II.3.2.1.2. Joseph und Aseneth In der hellenistisch-jüdischen Tradition findet sich an einer weiteren Stelle ein Deutewort, und zwar im Roman896 »Joseph und Aseneth«897 (JosAs). Dieses Werk umfasst zwei Teile: Der erste (Kapitel 1–21) greift auf die Josephsnovelle zurück wichtigen Festtermin verbracht haben – es erscheint schwer vorstellbar, dass das Pesach von Juden außerhalb Jerusalems bzw. Palästinas ignoriert wurde). 895 Hahn, Motive, 343. 896 Zur Diskussion um die Gattung s. Burchard, Joseph und Aseneth, 591f. 897 Zur Frage nach dem ursprünglichen Titel s. Burchard, Joseph und Aseneth, 589.

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und führt Gen 41,45–49 (ab 1,1) sowie Gen 41,50–52 (ab 21,9) erzählerisch aus.898 Es handelt sich vor allem um eine Erweiterung der knappen biblischen Notizen über Josephs Heirat mit der ägyptischen Priestertochter Aseneth. Gezeigt werden soll, wie die Beziehung zwischen einem jüdischen Mann und einer heidnischen Frau zu legitimieren ist – eine Reflexion, die in der Josephsnovelle fehlt. Der zweite Teil (Kapitel 22–29) führt zu Beginn auf Gen 41,53f.; 45,26–46,7 zurück, um sich dann der Erzählung zuzuwenden, wie der erstgeborene Sohn des Pharaos Aseneth gewaltsam zu seiner Frau machen will.899 Der ursprünglich wohl in griechischer Sprache verfasste Text900 wurde vermutlich in der griechischsprachigen jüdischen Diaspora Ägyptens901 zwischen dem 2. Jh. v. und 2. Jh. n. Chr.902 verfasst.903 Da der Roman in über 70 Handschriften überliefert ist,904 existieren verschiedene Rekonstruktionen des ursprünglichen Texts;905 ich orientiere mich im Folgenden an der sehr wörtlichen Übersetzung des von Christoph Burchard vorgeschlagenen Ausgangstexts.906 Vor den Textbeobachtungen ist auf das Grundsatzproblem hinzuweisen, dass christliche Änderungen und Interpolationen bei der Übernahme dieses fiktionalen Werkes ins Christentum möglich, aber »textkritisch nicht erkennbar sind, weil die Überlieferung nicht so weit zurückreicht«907. Vergrößert wird dieses 898 Vgl. Burchard, Joseph und Aseneth, 590, demzufolge »JosAs offenbar als Ergänzung zu Gen oder vielleicht genauer ihrem als bekannt vorausgesetzten, womöglich haggadisch erweiterten Inhalt konzipiert ist«. 899 Vgl. Burchard, Joseph und Aseneth, 589f. 900 Zur Diskussion um die Originalsprache s. Burchard, Untersuchungen, 91–98. Die insgesamt 16 griechischen Manuskripte stammen aus dem 10.–19. Jh. n. Chr. (s. Hartvigsen, Meal Formula, 2). 901 S. mit Argumenten Vogel, Einführung, 11f.; Sänger, Brot des Lebens, 11. 902 S. mit Argumenten Burchard, Joseph und Aseneth, 613f. Hultgren, Footwashing, 542; Klauck, Herrenmahl, 187, meinen, der Roman sei im 1. Jh. n. Chr. in Ägypten entstanden. Kraemer, When Aseneth met Joseph, 237, nimmt an, er sei nicht vor dem 3./4. Jh. n. Chr. zu datieren. Sänger, Erwägungen, 86–106, hält zunächst das Jahr 38 n. Chr. für wahrscheinlich, revidiert seine Einschätzung aktuell aber auf 50 v. Chr. bis 30 n. Chr. (s. Sänger, Brot des Lebens, 14). 903 Vgl. Burchard, Joseph und Aseneth, 595: Womöglich ist der Roman vor allem an Proselyten gerichtet (601) (vgl. Vogel, Einführung, 5f.). 904 Zu den einzelnen Handschriften s. Burchard, Text, 3–34. 905 Grundlage dafür bilden Handschriften z. B. in griechischer, syrischer, armenischer, lateinischer und serbisch-kirchenslawischer Sprache. Zu den Rekonstruktionen vgl. Burchard, Joseph und Aseneth; Philonenko, Joseph et Aseneth, der gegenüber Burchard z. B. die Stellen 16,6; 19,5; 21,14 nicht hat (zur Kritik an ihm s. Burchard, Text, 3–34). 906 Burchard, Joseph und Aseneth; Burchard, griechischer Text. Seine Textrekonstruktion ist länger als die M. Philonenkos und folgt der Handschriftenfamilie b. 907 Burchard, Joseph und Aseneth, 591. Vgl. Dschulnigg, Überlegungen, 272; Röhser, Präsenz, 155; Sänger, Brot des Lebens, 9, nehmen eine (hellenistisch-)jüdische Autorschaft an. Für Holtz, Interpolationen, 482–493, sind alle Mahlaussagen der Interpolation verdächtig. Kraemer, When Aseneth Met Joseph, 273f., Leonhard/Eckhardt, Mahl V (Kultmahl), 1063f., votieren für einen christlichen Autor.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Problem durch die unsichere Datierung – der Roman ist möglicherweise erst nach den neutestamentlichen Schriften entstanden. Die Analyse möglicher Beziehungen zwischen JosAs und dem Herrenmahl bedarf daher spezieller Forschungsarbeit, die in dieser Arbeit nur ansatzweise geleistet werden kann. Für die Frage nach der Bedeutung des in JosAs enthaltenden Deuteworts ist der erste Teil des Werkes zu betrachten – in ihm geht es um die Liebesgeschichte von Joseph und Aseneth (3–9; 19–21) und Aseneths Bekehrung (10–18): In diesem Abschnitt begegnen einige Stellen, die an das Herrenmahl erinnern. Dazu gehören nicht nur die Erwähnung von Brot und Kelch, sondern vor allem deren Bestimmungen als »gesegnetes Brot des Lebens« (ἄρτον εὐλογημένον ζωῆς) (8,5.9 [»deines Lebens«]; 15,5; 16,16; 19,5; 21,21; vgl. Joh 6,35.48),908 als »gesegneten Kelch der Unsterblichkeit« (ποτήριον εὐλογημένον ἀθανασίας) (8,5; 15,15; 16,16) bzw. als »Kelch des Lobpreises« (ποτήριον εὐλογίας) (8,9 [»deines Lobpreises«]; 19,5; 21,21 [»Kelch der Weisheit]; vgl. Sir 15,3; 1Kor 10,16).909 Zentral sind folglich das die jüdische Mahlsitte kennzeichnende Loben bzw. Segnen sowie die positiv-religiöse Qualifizierung der Mahlgaben – das Mahl ist ganz in Gottes Horizont gestellt. Zu Brot und Kelch tritt an drei Stellen das »gesegnete (Salb-)Öl der Unverweslichkeit« (χρίσματι εὐλογημένῳ ἀθανασίας) (8,5; 15,5; 16,16).910 Dass die Trias nicht an allen Stellen begegnet, könnte dafür sprechen, dass Brot und Kelch traditionell besonders eng miteinander verbunden sind.911 Das Leben erhält der im jüdischen Glauben stehende Mensch täglich, indem er auf eine bestimmte 908 Diese Bezeichnung ist bis auf Joh 6 analogielos, wobei der joh Jesus nicht das Brot des Lebens gibt, sondern er ist – personal gedacht – das Brot des Lebens. Weitere Parallelen zwischen Joh und JosAs sind erkennbar: Es handelt sich um Himmelsgaben, die ewiges Leben bringen. In JosAs 13,12 (vgl. 14,15) befiehlt der Himmelsmensch, Aseneth solle sich mit »lebendem Wasser« (vgl. Joh 4,10) waschen (vgl. Sasse, Menschensohn, 209–218, der zwar keinen Zusammenhang hinsichtlich der Formulierung »Brot des Lebens« sieht, denn diese sei »orientalisches Allgemeingut« (209), aber zwischen der Honigwabe in JosAs und dem Manna in Joh 6 (217f.); Chesnutt, Bread, 1–16, erkennt keinen Zusammenhang. Dagegen stehe laut Burchard, Importance, 120f., im Hintergrund von Joh 6 und JosAs ein gemeinsames Muster; Gerber, Blickwechsel, 207f. Anm. 29, meint, das Genitivattribut zum Brot sei unabhängig voneinander gebildet worden). 909 Vgl. Karrer, Kelch, 213, der keinen gegenseitigen Einfluss von JosAs und 1Kor sieht. Dagegen erkennt Theobald, Eucharistie, 223–231, übereinstimmende Motive von JosAs, Joh 6, Did 9f. und 1Kor 10,3. 910 Vgl. Sänger, Antikes Judentum, 170, meint, aufgrund der Varianz könne nicht von Formelhaftigkeit ausgegangen werden. Burchard, Untersuchungen, 123, nimmt »geprägte[…] Formulierungen« an. Laut Leonhard/Eckhardt, Mahl V (Kultmahl), 1063, handelt es sich um eine »formelhafte Reihung«. S. Burchard, Untersuchungen, 128f.; Sänger, Antikes Judentum, 171, die davon ausgehen, die Trias stehe für den im AT begründeten menschlichen Lebensunterhalt bestehend aus Brot, Wein und Öl – genau dies würden aber auch Brot und Kelch repräsentieren, weshalb das (Salb-)Öl wegfallen kann. 911 Holtz, Interpolationen, 487, meint, die Salbung sei nachträglich hinzugefügt worden.

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»jüdische Art ißt, trinkt und sich salbt und die heidnische Art meidet«912. In der Mahlsituation zeigt sich der Unterschied zum Heidentum im Alltag am deutlichsten. In der Forschung ist allerdings umstritten, was der Dreischritt aus Essen, Trinken und Salben bedeutet: Entweder könnte er die das jüdische Leben kennzeichnende Lebensweise zusammenfassen (Essen und Körperpflege),913 besondere Mahlzeiten (ggf. auch einer jüdischen Sondergruppe)914 ansprechen oder ein spezielles Proselyten-Mahl beschreiben.915 Die drei für das hellenistisch-jüdische Mahlleben kennzeichnenden Gaben werden mit denjenigen für das pagane Kultmahl kontrastiert: »erstickendes Brot«/»Brot der Erwürgung« (von der Opfermahlzeit), »Kelch des Hinterhalts« (von der Trankspende) und »(Salb-)Öl des Verderbens« (8,5; 21,13f.; vgl. 11,8; 12,5). Diese negativen Qualifizierungen bringen zum Ausdruck, dass die Mahlelemente von Aseneths Herkunftsmahl vom Götzenopferkult verunreinigt sind (vgl. Jub 22,16): »Den Hintergrund bildet die Vorstellung, beim realen Genuss von Speise und Trank, die götzenkultisch infiziert sind, komme der Mensch mit den im Hinterhalt lauernden, Unheil wirkenden dämonischen Mächten in Berührung«916. Ähnlich wie im 1Kor wird also auch in JosAs die Unvereinbarkeit von »Lobpreiskelch« etc. und paganen Mahlgaben betont – auch hier gilt Exklusivität (s. II.2.2.3.2.).917 Nachdem Joseph, dem es ein Gräuel ist, mit den Ägyptern gemeinsam zu essen (7,1) oder eine fremde, das heißt andersgläubige Frau zu küssen (8,5–7), Aseneth diese Gegenüberstellung vorgetragen hat, bemerkt er ihre Trauer darüber und bittet Gott, ihr von den jüdischen Gaben Anteil zu geben. Aseneth wendet sich daraufhin von ihren Göttern ab (9,2; 10,12f.; 12,9), kehrt um und fastet sieben Tage lang (10,1.17; 11,1f.; 13,9). Dann kommt ein Mensch vom Himmel zu ihr und verheißt ihr die jüdischen Mahlgaben (15,5). In 19,5918 berichtet Aseneth davon, dass ihr ein Mensch vom Himmel das »Brot des Lebens« zu essen und den »Kelch des Segens« zu trinken gab. Demgegenüber ist es in 21,21 Joseph, der ihr das »Brot des Lebens« und den »Kelch der Weisheit« gibt. Zu erklären ist dies möglicherweise so: Joseph wird selbst Gottessohn genannt (vgl. 6,3.5; 13,13; 18,11; 21,4; 23,10) und er ist dem Himmelsmenschen ähnlich (14,9) – insofern ist 912 913 914 915

Burchard, Joseph und Aseneth, 604. Mit Argumenten s. Burchard, Joseph und Aseneth, 605. S. Kuhn, Supper, 74–77, der den Ursprung in den Mählern von Qumran annimmt. Zur Zusammenfassung der Positionen s. Burchard, Joseph und Aseneth, 604; Klauck, Herrenmahl, 195f., zufolge steht das Mysterienmahl als Kontrastfolie im Hintergrund. Es fehlt allerdings die für die Mysterien kennzeichnende Arkandisziplin (s. Burchard, Joseph und Aseneth, 610.). 916 Sänger, Brot des Lebens, 18, demzufolge Ex 34,25; Lev 3,17; 7,25; Dtn 12,23–25; 15,23 im Hintergrund stehen (19). 917 Vgl. Schröter, Funktion, 96. 918 Dieser Vers fehlt bei M. Philonenko.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

der Engel »ein himmlischer Doppelgänger des Joseph […] oder umgekehrt Joseph der irdische Stellvertreter des Himmelswesens«919. In den Mahlzusammenhängen begegnen in Analogie zum Herrenmahl deutende Worte. Nachdem der Himmelsmensch Aseneth verheißen hat, dass sie das »Brot des Lebens« essen, den »Kelch der Unsterblichkeit« trinken und mit »(Salb-)Öl der Unverweslichkeit« gesalbt werden wird (15,5), lädt sie den Menschen aus dem Himmel920 (vgl. 14,3.9; 17,7f.) zum Mahl mit Brot und Wein ein (15,14). Der Mensch nimmt Aseneths Bewirtung an, bittet sie aber um eine Honigwabe (16,1). Aseneth ist zunächst der Meinung, damit nicht dienen zu können, folgt aber seiner Anweisung, in der Vorratskammer danach zu suchen. Tatsächlich wird sie dort fündig (16,8). Aseneth vermutet, die Wabe sei aus dem Mund des Himmelsmenschen gekommen, was dieser ihr bestätigt (16,11f.). Der Himmelsmensch deutet die Honigwabe, was in Hinblick auf das Herrenmahl bisher kaum wahrgenommen wurde, anschließend so: »Selig bist du (selbst), Aseneth, denn es wurden dir offenbart die unaussprechlichen Geheimnisse des Höchsten, und selig [sind] alle, die (da) sich anschließen Herr dem Gott in Umkehr, (da) von dieser Wabe sie werden essen, denn diese Wabe ist Geist (des) Lebens (τοῦτο τὸ κηρίον ἐστι πνεῦμα ζωῆς) […]. Und all die Engel Gottes essen von ihr und all die Auserwählten Gottes […]. Und ein jeglicher, der da ißt von ihr, wird nicht sterben in die Ewigkeit-Zeit.«921 (16,14)

Der Verzehr der Honigwabe führt dazu, dass die Essenden ewiges Leben erhalten und eingereiht werden in die Gefolgschaft (Engel und Auserwählte) Gottes. Voraussetzung für den Erhalt ist die Umkehr und Hinwendung zu Gott. Im Unterschied zum Herrenmahl werden anschließend folgende ähnliche Mahlhandlungen des Himmelsmenschen beschrieben: »Und es streckte aus der Mensch seine Hand die rechte und brach ab (ἀπεκλάσεν) von der Wabe einen kleinen Teil und aß (ἔφαγεν) selbst, und das Übriggebliebene schob er hinein (mit) seiner Hand in den Mund Aseneths und sprach (εἶπεν) (zu) ihr: ›Iß!‹, und sie aß.«922 (16,15)

Der Himmelsmensch bricht die Wabe und teilt sie aus. Nachdem er, im Unterschied zum Herrenmahl, selbst von ihr gegessen hat, isst Aseneth das Stück, das er ihr in den Mund legt. Anschließend verkündigt ihr der Himmelsmensch, dass 919 Klauck, Herrenmahl, 190. 920 Aseneth bezeichnet diesen in JosAs 17,9 als Gott. 921 Zitiert nach Burchard, Joseph und Aseneth, 680f. (Hervorhebung und Klammernotizen von mir). Zum griechischen Text s. Burchard, griechischer Text, 28. 922 Zitiert nach Burchard, Joseph und Aseneth, 681 (Hervorhebung und Klammernotizen von mir). In 16,16 berührt der Himmelsmensch die Wabe an der abgebrochenen Stelle, wodurch sie sich auf wundersame Weise wieder vervollständigt. In 16,17 fährt er mit seinem Finger über die Wabe und die hinterlassene Spur »ward wie Blut«.

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sie nun das »Brot des Lebens« gegessen, den »Kelch der Unsterblichkeit« getrunken hat und mit dem »(Salb-)Öl der Unverweslichkeit« gesalbt ist (16,16), obwohl sie nur ein Stück von der Honigwabe erhalten hat, aber kein Brot, Getränk oder (Salb-)Öl. Beschrieben wird lediglich ihr essen – es kann folglich stellvertretend für das Trinken und Salben stehen.923 Da Aseneth tatsächlich kein Brot isst und aus keinem Kelch trinkt, vertritt die Wabe diese Mahlgaben. Wie dieses Stück Honigwabe924 zu verstehen ist, wird in der Forschung diskutiert: Denkbar wäre beispielsweise Manna, das süß wie Honig schmeckt, eine Himmelsspeise ist und Leben spendet.925 Brot und Kelch sowie (Salb-)Öl erscheinen in JosAs als die zentralen Mahlgaben bzw. Kultutensilien, die in jüdischen Mählern und paganen Mählern begegnen. Daher ist es notwendig, beide Mahlformen zur Unterscheidung verschieden zu qualifizieren: Das jüdische Mahl wird durch die Benediktionen (εὐλογέω) in den Horizont Gottes gestellt, während die pagane Mahlzeit keine heilsverheißende Wirkung besitzt und folglich zum Tod führt. »Das Mahl mit seiner spezifisch jüdischen Prägung, auf das mit der Trias angespielt wird, steht pars pro toto für eine jüdische Lebensweise in Abgrenzung zu einer nicht-jüdischen. Das Essen von der Honigwabe (16,15) fungiert als Symbol dafür, dass Aseneth diese Lebensweise angenommen hat«926. Ähnlich wie im 1Kor wird auch in JosAs eine Teilhabe von Juden bzw. Christen am Götzenopfertisch ausgeschlossen – Aseneth muss sich von den ›Götzen‹ abwenden, sich dem ›jüdischen‹ Gott zuwenden und durch reine Speisen initiiert werden, um so die Hoffnung auf ewiges Leben zu erhalten. Zudem begegnet in JosAs die aus 1Kor 10; Joh 6 bekannten Begriffe »Segenskelch« und »Lebensbrot«. Bemerkenswert ist auch, dass diese Mahlgaben mit feierlichen Attributen (Leben und Unsterblichkeit) verbunden sind, was einen bestimmten rituellen 923 S. Burchard, Joseph und Aseneth, 605; Klauck, Herrenmahl, 193. Es wird aber auch die Meinung vertreten, der Honig stehe symbolisch für das Wort bzw. Gesetz Gottes (vgl. die Darstellung der Positionen bei Burchard, Joseph und Aseneth, 605). 924 Die Szene geht folgendermaßen weiter: Der Himmelsmensch aktiviert Bienen, die so gekleidet sind wie zuvor Aseneth. Diese umgeben sie und bilden eine Wabe auf ihren Lippen, von der sie essen (vgl. JosAs 16,17–23). Bei dem Wabenbild/-motiv handelt es sich vermutlich um einen Rückgriff auf pagane Vorstellungen, um so eine Verbindung zur paganen Vergangenheit Aseneths herzustellen: Dort ergeben sich aus einem solchen »auslösenden Moment« neue Fähigkeiten. In der paganen Vorstellung steht Honig auch für Leben und Heil (s. mit Belegen Sänger, Brot des Lebens, 33–36). 925 S. Holtz, Interpolationen, 483f. Zur Deutung der Honigwabe s. Klauck, Herrenmahl, 193f., der auf das Manna, das den Geschmack von Honig habe (Ex 16,31; Weish 16,20; Ps 78,34f.), verweist, aber das Verständnis des Honigs eher in der paganen Mitwelt verortet (s. seine Anm. mit Belegen). Weitere Belege für die Herleitung aus dem jüdischen Kontext bei Burchard, Untersuchungen, 129f. Dschulnigg, Überlegungen, 273–275, zufolge werde das Pesachmahl reflektiert. 926 Heilmann, Wein, 200 (Hervorhebung im Original).

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Sitz im Leben anzudeuten scheint. Sie sind Gaben des Himmelsmenschen, der die Aseneth überreichte Honigwabe als »Geist des Lebens« deutet und die Wabe im Anschluss mit dem »gesegneten Brot des Lebens« und dem »gesegneten Kelch der Unsterblichkeit« identifiziert: Indem Aseneth mit der Honigwabe den Geist des Lebens erhält, hat sie Anteil am ewigen Leben und somit gleichzeitig das erhalten, was das Leben spendende Brot und der unsterblich machende Kelch ihr vermittelt hätten. Es geht also in JosAs nicht um die Mahlgaben an sich, sondern um deren soteriologische Qualifizierung. So bietet JosAs gewichtige Parallelen zum Herrenmahl,927 doch sind auch Unterschiede erkennbar:928 Neben der Frage, wie sich das (Salb-)Öl zum Herrenmahl verhält (vgl. Did 10,8 im Kontext von 9,1–10,7),929 ist vor allem zu beachten, dass das in JosAs geschilderte Mahl analog zum Pesachmahl nicht als Kommunio gedeutet wird. Auffällig ist auch, dass es zwei Mahlaktanten gibt: zum einen Aseneth, die den Himmelsmenschen zum Mahl einlädt und die Honigwabe bringt, zum anderen den Himmelsmenschen, der die Honigwabe deutet, die Mahlhandlungen vollzieht und entsprechend der jüdischen Mahlsitte als erster isst.930 Trotzdem sind die Analogien zum Herrenmahl, die insbesondere in den Mahlhandlungen, in der Struktur des Deuteworts (»Diese Wabe ist«) und in der soteriologischen Bedeutung des Mahls erkennbar werden, auffällig groß. Die Nähe zur Herrenmahltradition geht hier deutlich über den gemeinsamen jüdischen Hintergrund hinaus – stammt JosAs aus demselben hellenistisch-jüdischen Milieu, aus dem ein Zweig des frühen Christentums hervorgegangen ist? Sind JosAs-Mahl und Herrenmahl zwei parallele Ausformungen eines bestimmten jüdisch-sakralen Denkens? Vor allem aufgrund der Entstehungsproblematik von JosAs (wann und in welchen Kreisen ist dieser Roman entstanden?) lassen sich diese Fragen derzeit nur stellen, nicht beantworten.

927 Kilpatrick, Supper, 7, meint, JosAs bilde die »real alternative« zum Pesachmahl. 928 Jeremias, Abendmahlsworte, 28, spricht sich gegen einen Zusammenhang aus. 929 Zur Diskussion s. Burchard, Untersuchungen, 123–125, der anregt hier den Aspekt der in JosAs fehlenden Taufe zu bedenken, allerdings einschränkt, dass die Trias in JosAs auf Wiederholung angelegt ist. 930 Hier ergibt sich die Frage, weshalb eigentlich der Himmelsmensch die lebensspendende Nahrung zu sich nimmt. Die beschriebene Mahlvorbereitung erinnert an den frühchristlichen Ritus der Oblatio: Die Gemeindemitglieder bringen die Gaben dar, die dann ausgeteilt werden.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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II.3.2.2. Deutende Worte in hellenistisch-paganen Mählern Da das Pesachmahl keinen ausreichenden Verstehenshintergrund für die Deuteworte des Herrenmahls bietet und das JosAs-Mahl zwar eine Analogie, aber schwerlich eine Vorstufe für das Herrenmahl darstellt, werden im Folgenden mögliche pagane Wurzeln der christlichen Mahlfeier in den Blick genommen. Während in hellenistisch-jüdischer Tradition Mähler nicht zwischen Gott und Mensch abgehalten werden, begegnet im hellenistisch-paganen Kult die Vorstellung, die Gottheit nährt als Gastgeber die Mahlteilnehmer.931 Von Paulus ist zu erfahren, dass diese grundsätzlich vorstellbare Tischgemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowohl dem Herrenmahl als auch paganen Mählern innewohnt: Das Herrenmahl steht im Kontrast zum Götzenopfermahl – der Mahlteilnehmer muss sich für einen ›Tisch‹ entscheiden, da sowohl der »Tisch der Dämonen« als auch der »Tisch des Herrn« Gemeinschaft konstituiert (vgl. 1Kor 10,21). Zu diesen Kultmahlzeiten, »die zur κλίνη oder τράπεζα der jeweiligen Gottheit einluden«932, und denen grundsätzlich die Vorstellung einer Mahlgemeinschaft zwischen Gott und Mensch nicht fremd ist, gehören z. B. geheime Mysterienkultmähler (s. II.3.2.2.2.) oder die einer breiteren Öffentlichkeit zugänglichen Vereinsmähler (s. II.3.2.2.1.). II.3.2.2.1. Bankett- bzw. Vereinsmähler Antike Gemeinschaftsmähler vollzogen sich insbesondere im Kontext von Vereinsstrukturen, die anhand epigraphischer und literarischer Überlieferung zugänglich sind. Einen Eindruck von antiken Vereinsstrukturen vermitteln zwei vielzitierte Belege: Aus der um 136 n. Chr. zu datierenden Inschrift des in Lanuvio angesiedelten Vereines der Diana und des Antinous (collegium Dianae et Antinoi) geht hervor, dass er seine Mitglieder mit einer Sterbeversicherung einwirbt. Die Beitrittsgebühr sowie die monatlich zu entrichtenden Mitgliedsbeiträge fließen in die Vereinskasse, aus der im Todesfall die Bestattungskosten beglichen werden.933 So erklärt sich, weshalb sich der Verein insbesondere aus ärmeren Mitgliedern zusammensetze. Auch die detaillierten Regelungen der Gemeinschaftsmähler machen dies deutlich: »Sie finden an bestimmten Festtagen statt (Geburtstag des Antinous, der Diana und des Vereins sowie von Mitgliedern der Stifterfamilie); die Amtsträger des Vereins erhalten größere Essensportionen als die anderen Mitglieder; die Mähler sind von denjenigen auszustatten, die in dem betreffenden Jahr das Amt des ›Speisemeisters‹ innehaben; diese haben je eine Amphore guten Weines, Brot im 931 S. mit Belegen Klauck, Herrenmahl, 49 Anm. 68. 932 Schröter, Funktion, 83 (mit Belegen Anm. 19). Vgl. Klauck, Herrenmahl, 133, der den Sarapis-Lobpreis des Aristides (um 143/44 n. Chr.) zitiert: Die Menschen laden die Gottheit ein und »geben ihm als Tischherrn und Gastgeber den besten Platz. […] so ist dieser Gott Spendengeber und Spendenempfänger in einem« (Hervorhebung im Original). 933 S. Ebel, …damit wir ungestört, 36.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Wert von zwei Assen entsprechend der Mitgliederzahl, vier Sardinen, das Gedeck sowie warmes Wasser mit Bedienung bereitzustellen«934. Eine zweite Inschrift, ebenfalls aus der Mitte des 2. Jh. n. Chr., informiert über das Mahl der Iobakchen, eines athenischen Vereins von männlichen Bakchos- bzw. Dionysosverehrern, bei dem besonderer Wert auf gebührendes Verhalten bei den Zusammenkünften gelegt wird – was darauf schließen lässt, dass es zeitweise daran gemangelt haben könnte: »Die Iobakchen treffen sich immer am 9. des Monats, zum Jahresfest sowie zu außerordentlichen Festtagen des Gottes Bakchos. Die Zusammenkünfte werden von einem Priester geleitet, der gemeinsam mit einer Art Vizepriester bestimmt, wer bei den Versammlungen eine Rede halten darf. Zum gemeinsamen Mahl im Vereinshaus sind nur diejenigen Mitglieder zugelassen, die ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Verein erfüllt haben. Opfer werden vom Priester oder vom Vorsteher dargebracht. Von den Mitgliedern selbst sollen Trankopfer dargebracht werden, wenn sie ein Erbe, ein Ehrenamt oder eine Ernennung erhalten haben.«935

In der aktuellen Forschung wird angenommen, dass das Gemeinschaftsmahl der christusgläubigen Gruppen mit allen Aspekten des antiken Vereinswesens, z. B. der Mahlordnung, der sozialen Zusammensetzung der Gruppe oder deren Größe,936 in Verbindung stand. Die Bankett- bzw. Vereinsmähler waren der wohl wichtigste Bestandteil des Vereinslebens,937 denn sie trugen in entscheidender Weise zum sozialen Zusammenhalt der Gruppe bei. So gilt »die Verwandtschaft zwischen frühen Christengemeinden und Genossenschaften oder Kollegien«938 inzwischen als Konsens. »Die Legitimität dieses Vergleichs muß mittlerweile nicht mehr verteidigt werden; sie liegt klar zutage, die strukturellen Gemeinsamkeiten sind zahlreich, auch wenn es einige christliche Spezifika gibt.«939 Wesentlich für die Etablierung dieser Meinung war die liturgie- und sozialgeschichtliche Studie »Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft« von Matthias Klinghardt. Ihr Anliegen ist es, den »allgemeinen Hintergrund sowohl der jesuanischen als auch frühchristlichen Mahlpraxis zu erläutern«940. Dieser Hintergrund liege »im Phänomen von privaten und organisierten Gemeinschaftsmählern insgesamt, also im Wesentlichen in dem, was gemeinhin unter der Sammelbezeichnung Vereinsmahl«941 gefasst wird.

934 Schröter, Nehmt, 136. Vgl. Gutsfeld, Kollegium, 164–166. 935 A. a. O., 135. Vgl. Ebel, …damit wir ungestört, 37f. 936 Nach Klauck, Herrenmahl, 90, habe »das Judentum in der Diaspora […] vereinsähnliche Strukturen unter Einschluß des Vereinsmahls übernommen«. 937 Vgl. Vössing, Herrenmahl, 55; Gutsfeld, Kollegium, 161. 938 Ebd. 939 Ebd. 940 Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 11. 941 Ebd. (Hervorhebung im Original); nach Klinghardt war das Privatmahl ein privat finanziertes und organisiertes Gemeinschaftsmahl (30), während Vereinsmähler gemeinschaftlich finanziert wurden (55).

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Laut Klinghardt bestand das Vereinsmahl formal aus zwei Teilen, nämlich einerseits aus einer sättigenden, mehrere Gänge umfassenden Mahlzeit (δεῖπνον),942 zu der ein (mit Honig) gemischter Wein getrunken wurde, und andererseits aus dem Trinkgelage (πότος).943 Die Mahlzeit wurde mit der Trankopferzeremonie – der so genannten Libation – beendet, einer kultischen Handlung, bei der ein wenig ungemischter Wein unter Anrufung der Gottheit ausgegossen und anschließend ein Schluck vom Wein getrunken wurde.944 Klinghardt zufolge bestand diese Handlung »aus drei Bechern bzw. aus drei Schlucken, die mit Anrufung dreier verschiedener Gottheiten verbunden«945 waren. Sie bildete zusammen mit einem chorischen Hymnengesang (Paian) und Bekränzungen zur Ehrung bestimmter Mahlteilnehmer eine religiöse Zeremonie. Anschließend folgte das Trinkgelage, zu dem auch der Nachtisch serviert sowie mit Wasser gemischter Wein gereicht wurde.946 Weil sich Klinghardt nicht auf die Mahldeutungen, sondern auf die Mahlformen bzw. den Mahlverlauf konzentriert, nimmt er die »äußere […] Gestalt der Mähler«947 in den Blick. Im Hintergrund steht seine These, »daß die konkrete Mahlform der ausformulierten Reflexion auf ihren theologischen Gehalt jeweils voraus liegt«948. Bei der Darstellung von Gemeinsamkeiten geht es ihm deshalb nicht um das Aufzeigen von Ableitungen, sondern um die Wahrnehmung einer als Analogie gewerteten »Parallelität zwischen christlichen Mahlfeiern und anderen antiken Mählern«949 – Klinghardt fragt also, worin alle antiken Mähler übereinstimmen. Er unterstellt, dass grundsätzlich eine »Kongruenz von äußerer Form und Inhalt«950 bestehe, also »den typischen Phänomenen der äußeren ›Form‹ […] ebenso typische ›Inhalte‹ zuzuordnen«951 seien. Trotz seiner Beschränkung auf den äußeren Mahlvollzug, zieht Klinghardt auch inhaltliche Rückschlüsse. Er meint, dass im Hintergrund der hellenistischen Mähler eine 942 Kennzeichnend für ein Gemeinschaftsmahl sei, dass »Menge und Qualität der Speisen je nach Anlaß und finanziellen Möglichkeiten irgendwo über dem alltäglichen Fladen bzw. Brot mit verschiedenen Gemüsen und möglicherweise Fisch, seltener Fleisch, gelegen haben« (Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 56f.). Ein Mahl bestehend nur aus Brot und Wein hält Klinghardt für unwahrscheinlich (57). 943 Eigentlich werde das Trinkgelage als Symposion bezeichnet, da der Begriff aber das Mahl mit einschließen kann, wird πότος als Bezeichnung gewählt (s. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 100). 944 S. Klinghardt, Gemeinschaftsmahl, 101f. Vgl. Leonhardt/Eckhardt, Mahl V (Kultmahl), 1018f. 945 A. a. O., 102. 946 S. a. a. O., 101–113. 947 A. a. O., 10 (Hervorhebung im Original). 948 A. a. O., 17. 949 A. a. O., 23. 950 A. a. O., 26. 951 Ebd.

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gemeinsame »Mahlideologie«952 steht, die sich aus »typischen Wertvorstellungen und religiösen Gehalten«953 zusammensetze: »Ruhe und Frieden, Reichtum und Fülle, Gemeinschaft, Gerechtigkeit«954. »Alle weiteren Attraktionen theologischer Gehalte […] sind dann zu entfalten als Weiterentwicklungen bzw. Vertiefungen dieser Grundlage«955. Da die antiken Mähler aufgrund von »analogen sozialen Bedingungen«956 durch diese formalen und inhaltlichen Aspekte dauerhaft geprägt worden seien, rechnet Klinghardt mit einer anhaltenden Stabilität im Mahlverlauf und in der Mahlideologie.957 Auch die hellenistischen-jüdischen Mähler, die – zumindest in der Diaspora – aus Vortrag, Gebet und Mahl bestanden, entsprechen Klinghardt zufolge in ihrer Organisationsstruktur diesem Schema der paganen Vereinsmähler.958 Der einzige Unterschied zwischen ihnen liege im Zeitpunkt der religiösen Ausdrucksformen: Bei den hellenistisch-jüdischen Mählern bildet ein Eingangsgebet die Mahleröffnung, während das Vereinsmahl mit religiösen Ausdrucksformen schließt.959 Bemerkenswert ist, dass laut Klinghardt der Nachtischbecher der jüdischen Mahlpraxis, über den ein Gebet gesprochen wird, der Mahlabschlusslibation entspreche.960 Klinghardt kommt zu dem Ergebnis, dass sich frühchristliche Gemeinden deshalb zum gemeinsamen Mahl trafen, weil »es in der Antike zur Mahlgemeinschaft gar keine Alternative«961 gab. Aufgrund seiner strukturellen Analogien füge sich das korinthische Mahl als Gemeinschaftsmahl in die Mahlkonzeptionen des antiken Vereinswesens ein. Dieses Gemeinschaftsmahl stimme bei allen religiösen Gruppierungen überein, weshalb die Spezifika der Gruppe häufig allein durch ihre Mahlpraxis zum Ausdruck kämen.962 Das Mahl in Korinth beginne mit einem Mahleröffnungsgebet, für das nur jüdische Analogien existierten. Ihm folgten ein Sättigungsmahl, welches mit einem Nachtischgebet über den Wein (vgl. die Mahlabschlusslibation) geschlossen habe, sowie das Symposion – die charismatischen Redebeiträge würden in 1Kor 12–14 geregelt.963 Aus dieser Abfolge schließt Klinghardt, dass es sich um ein »›ganz normales‹ helle-

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A. a. O., 154 (Hervorhebung im Original). Ebd. A. a. O., 174. Ebd. Ebd. Anm. 1. S. a. a. O., 153–174.271. S. a. a. O., 24.42f.60.527. S. a. a. O., 58f.154.178f. S. a. a. O., 288. A. a. O., 156. S. a. a. O., 157. S. a. a. O., 364.

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nistisches Mahl«964 gehandelt habe: Christliche Gemeinden hätten sich um ein regelmäßiges Sättigungsmahl herum gebildet, das in seinen Abläufen wie seiner Bedeutung vom Vereinsmahl her zu verstehen sei.965 In den bestehenden Unterschieden, die besonders in den Mahlgebeten hervortreten, drückt sich Klinghardt zufolge das »gemeinschaftliche Selbstverständnis«966 und somit die »Unterscheidung von anderen Gemeinschaften«967 aus – die Mahlgebete dienen folglich der »Identitätsbestimmung der Gruppe«968. Problematisch erscheint mir bei Klinghardt, ob tatsächlich von einem idealtypischen Vereinsmahl, so wie er es rekonstruiert,969 ausgegangen werden kann und ob sich aus strukturellen Übereinstimmungen auf übereinstimmende Ideologien zurückschließen lässt. Die Konzentration auf die äußere Mahlgestalt liefert nicht automatisch Erträge für die Mahldeutung – ebenso wichtig ist es, die ›innere Mahlgestalt‹ in den Blick zu nehmen. Nennenswert ist in diesem Zusammenhang die Monographie »From symposium to Eucharist« von Dennis E. Smith. Er geht davon aus, dass es in der Antike verschiedene Mahltypen gegeben habe, doch seien diese alle unter den kulturellen ›Regenschirm-Begriff‹ der griechisch-römischen Bankett-Tradition, also der Tradition des feierlichen Gastmahls, zu fassen.970 Das Bankett hatte Smith zufolge drei Teile: Es bestand aus Mahlzeit, Trankspende und Symposion.971 Alle Formen des Gemeinschaftsmahls ordnet er dieser gemeinsamen Tradition unter, um dann die Charakteristika bestimmter Typen von Gemeinschaftsmählern herauszuarbeiten. So gelangt er zu einer Differenzierung zwischen dem philosophischem Bankett, dem Vereinsbankett, dem Opferbankett und dem jüdischen Bankett.972 Somit geht auch Smith davon aus, dass die hellenistisch-jüdischen Mähler von der hellenistisch-paganen Mahlform des Bankettes geprägt waren. Allerdings berücksichtigt er stärker als Klinghardt die Besonderheiten der verschiedenen Mahlpraktiken, wie seine Erläuterungen zum Pesachmahl zeigen: Aus der »Mishnah version of the Passover Seder«973, der frühesten Beschreibung einer 964 965 966 967 968 969

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A. a. O., 287. S. a. a. O., 57.524. A. a. O., 491. A. a. O., 367. Ebd. S. a. a. O., 24. Abweichungen versteht Klinghardt als (negative) Zeugnisse des »Normalen« oder »Typischen«. Vössing, Herrenmahl, 61, gibt zu bedenken, dass »es nicht den Verein gab (sondern eine Fülle von Formen und Variationen), man auch nicht den Vereinsvorsitz, die Vereinsstruktur oder das Vereinsbankett in dem Vereinslokal identifizieren kann. Was die Mähler angeht, ist zu betonen, daß sie keineswegs eine spezielle Kategorie darstellten, sondern je nach den Umständen variierten.« S. Smith, Symposium, 3. S. a. a. O., 27–38. S. a. a. O., 47–172. A. a. O., 147.

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Pesachmahl-Ordnung,974 folgert Smith, dass die Form von Pesachmahl und Bankett aufgrund der Einteilung in Abschnitte grundsätzlich identisch sei. Drei weitere Beobachtungen stützen diese Annahme: Beide Mähler finden übereinstimmend am Abend statt, weshalb er das Pesachmahl auch als δεῖπνον bezeichnet. Die Mähler beginnen mit einer Vorspeise, und es existiert ein gemeinsamer Mahlabschnitt, der von Smith so genannte »table talk« – gemeint ist die Pesachhaggada, die deutliche Analogien zur Symposion-Tradition aufweise. Allerdings sei das Pesachmahl aufgrund der vier Becher weiter ausgestaltet und durch das Auslassen des Nachtischs stärker reglementiert als das Bankett; Smith führt das auf eine Weiterentwicklung der Tradition zurück.975 In diesen Kontext der »banquet ideology«976 ordnet Smith auch die paulinische Mahltradition, das heißt die Mahlbeschreibungen des 1Kor und Gal, ein. Er kommt zu folgendem Ergebnis: »Thus the origin of early Christian meals is not to be found in any one type or originating event but rather in the prevailing custom in the ancient world for groups to gather at table.«977 Smith nimmt für den Ursprung der Herrenmahltradition folglich an, er liege in einem »generic meal model«978, also einem allgemeinen in der hellenistischen Zeit gängigen Mahltypen – die eingangs genannte Unterteilung gibt Smith folglich für die Bestimmung der frühchristlichen Mahltraditionen auf.979 Wie die Studie Klinghardts lässt auch diejenige von Smith offen, ob das Herrenmahl direkt aus dem Vereinsmahl bzw. dem Bankett abgeleitet werden kann, und zwar aus zwei Gründen:980 1. die Mähler haben eine divergierende soziale Ausrichtung. Im Unterschied zum egalitären Herrenmahl trägt das Vereinsmahl nur innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Schichten zur sozialen Kohäsion bei;981 durch vorgegebene Sitzordnungen werden Rangunterschiede der Teilnehmer nicht nivelliert, sondern deutlich betont.982 2. während das Vereinsmahl stets ein Sättigungsmahl war,983 wird schon in den ältesten Her-

974 Smith datiert die Pesach-Haggada nach 150 n. Chr., wobei sich die Grundlagen bereits wesentlich früher entwickelt hätten (vgl. ebd.). Zur problematischen Datierung s. II.3.2.1.1. 975 S. a. a. O., 147–150. Vgl. Klauck, Herrenmahl, 202. 976 A. a. O., 174. 977 Ebd. 978 A. a. O., 175. 979 Das Besondere sei das paulinische Verständnis und dessen Betonung einzelener Aspekte der Bankett-Tradition: Aufhebung sozialer Schranken, soziale Verpflichtungen gegenüber den Mahlteilnehmern und Gleichheit vor Gott (s. a. a. O., 216f.). 980 Weitere Gründe bei Öhler, Urgemeinde, 415. 981 Vgl. Gutsfeld, Kollegium, 163f. 982 Vgl. Klauck, Herrenmahl, 367. Anders Vössing, Herrenmahl, 56, demzufolge Egalität, soweit bekannt, zwar Teil des idealisierten, nicht aber des tatsächlichen Vereinslebens war; immerhin konnten z. B. auch Sklaven Ämter bekleiden. 983 Gutsfeld, Kollegium, 166, schätzt die Mahlzeiten als eher frugal, denn üppig ein. Nicht

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renmahlüberlieferungen die Tendenz sichtbar, es von einer Sättigungsmahlzeit zu trennen. Nimmt man an, das Herrenmahl folge als Doppelhandlung bereits in der korinthischen Praxis einem Sättigungsmahl,984 scheint es in der Mahlabschlusszeremonie des paganen Symposions eine Parallele zu haben: Die Libation als Mahlabschluss war religiös geprägt, und dem Weinkelch kam durch das dreimalige Ausgießen eine besondere Bedeutung zu. Athenaios zitiert Theophrast, demzufolge man »den ungemischten Wein, der nach dem Mahl gereicht wird«, nur schluckweise zu sich nimmt, »um sich durch das Kosten an seine Kraft und die Gabe des Gottes zu erinnern« (Deipn. XV 693c/d).985 In der Libation eine Parallele zum Herrenmahl zu sehen, ist kaum möglich, da das Herrenmahl weder etwas abschließt noch zu etwas überleitet, sondern ein selbständiger, vom Sättigungsmahl getrennter Vorgang ist. Das Herrenmahl steht also nicht in der Tradition des Vereinsmahls, sondern lässt sich eher als Gegenentwurf zu ihm verstehen. Das schließt nicht aus, dass die bzw. ein Teil der christlichen Korinther das Herrenmahl ihrem Sättigungsmahl so eingeordnet haben, wie es den paganen Vereinsvorbildern entsprach. Hinzukommt, dass sich die Kirche in der frühesten Zeit wohl wie Vereine oder Mysterienkulte (s. u.) organisierte: in den Räumen von Privathäusern der vermögenden Mitglieder (vgl. Mk 14,15; Lk 22,12). Es ist folglich anzunehmen, dass sich aus Sicht der pagan-sozialisierten korinthischen Gemeindemitglieder der Verlauf des Herrenmahls und der eines Vereinsmahls ähnelten. Der gravierendste Einwand gegen eine Ableitung des Herrenmahls aus der Vereinsmahlpraxis besteht jedoch darin, dass diese Mahlform praktisch nichts zur Erhellung der Deuteworte beitragen kann, die für das Herrenmahl des paulinisch-synoptischen Typs charakteristisch sind. Um die Ursprünge dieses Mahls zu klären, sind daher andere Traditionen zu untersuchen. II.3.2.2.2. Mysterienkultmähler Seit den Arbeiten der ›Religionsgeschichtlichen Schule‹986 wird erwogen, dass insbesondere zwischen den Mählern der Mysterienkulte und den Deuteworten des Herrenmahls eine Verbindung bestehe.987

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alltägliche Bedeutung komme eher dem übermäßigen Weinangebot zu, wodurch das Vereinsmahl vor allem als Trinkgelage erscheine. Zu den Gründen s. II.2.2.4.2.4. Kaibel, Athenaei, 534. In Athenaios (2./3. Jh.) Hauptwerk Δειπνοσοφισταί berichtet er von einem Gastmahl. Dessen (berühmte) Teilnehmer sprechen über Mahlsitten und -gebräuche. S. Anm. 408. Vgl. z. B. Heitmüller, Taufe und Abendmahl, 46f.52, der annimmt, die Mähler der Mysterienkulte, insbesondere des Mithraskults, hätten auf das Herrenmahl Einfluss gehabt; Loisy, mystères, 196.276, der ebenfalls von Beziehungen zwischen Herrenmahl und mithräischem Mysterienkultmahl ausgeht; Wetter, Liturgien, 66–69.74.150–152, erkennt Analogien zwi-

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Zur Untersuchung der Frage eines Zusammenhangs von Herrenmahl und Mysterienmahl ist die Arbeit »Herrenmahl und Hellenistischer Kult« von HansJosef Klauck wegweisend. Der Autor stellt darin umfangreiches alttestamentlich-jüdisches und griechisch-römisches Material zum Mahl im Opferkult und im Totenkult sowie zum Vereinsmahl mit dem Ziel zusammen, »das Phänomen des kultischen Mahls in der Umwelt«988 des frühen Christentums zu erhellen.989 Zur Klassifikation dieser Mähler dient ihm die »Korrelation der beiden Begriffe ›heilig‹ und ›Mahl‹«990, mit deren Hilfe er zur Unterscheidung von vier Mahltypen gelangt: Theoxenie (oder »Götterbewirtung«), Opfermahl, Vereinsmahl sowie Totenmahl.991 Andere für den religionsgeschichtlichen Hintergrund der Herrenmahltradition interessante Mahltypen, z. B. das Bündnismahl oder die Interpretation des Mahls als Kommunio, sind laut Klauck im Vergleichsmaterial lediglich singulär bzw. überhaupt nicht zu belegen. Aufgrund dieses – vor dem Hintergrund der Annahmen der älteren religionsgeschichtlichen Forschung überraschend gering anmutenden992 – Befundes setzt sich Klauck mit den Mählern der Mysterienkulte auseinander. Als Mysterien bezeichnet er »Sonderformen des griechischen und hellenistisch-römischen Kults«993. Der Mysterienkult war diesem offiziellen Kult zwar dadurch verbunden, dass er sich einer bekannten und verehrten Gottheit verschrieb, unterschied sich aber dadurch, dass sich die Mysten im Verborgenen trafen und ihren Kult abseits des Öffentlichen und unzugänglich für andere vollzogen.994 Von daher handelte es sich bei dem Mysterienkult um eine Kultpraxis abseits der öffentlichen Kultausübung. Ein weiteres Merkmal ist die so genannte Arkandisziplin – nur Eingeweihte kannten die Kultpraxis und sollten sie geheim halten. Gemeinsam ist vermutlich allen mit dem Begriff mysteria bezeichneten Kulten ein rituell vollzogener Initiationsakt, die Geheimhaltungspflicht sowie ein »Interesse am Leben nach dem Tode«995. Sowohl hierin besteht eine Gemeinsamkeit zum Christentum als auch darin, dass innerhalb der Mysteriengemeinschaft soziale Unterschiede aufgehoben waren; allerdings entstanden innere Differenzierun-

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schen Herrenmahl und den Mählern der Mysterienkulte (Anwesenheit der Gottheit, Erinnerung). Zur Darstellung der Forschungsgeschichte s. Klauck, Herrenmahl, 8–11. Klauck, Herrenmahl, 29f. S. a. a. O., 40–91. A. a. O., 31. S. a. a. O., 31–37.89–91.366. S. Anm. 987. Klauck, Herrenmahl, 91. Die bedeutenden Kulte sind: Eleusis, Dionysos, Isis, Kybele und Mithras. S. Klauck, Mysterienkulte, 179. Bremmer, Götter, 94.

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gen durch das Erreichen verschiedener Weihestufen (z. B. im Mithraskult, s. II.3.2.2.2.3.).996 Das den Mysterienkult kennzeichnende ›Wahren des Geheimnisses‹ erklärt die durchaus problematische Quellensituation.997 Trotzdem lässt sich, so Klauck, bei »geduldigem Umgang mit dem trümmerhaften Quellenmaterial«998, das sich aus den zugrunde liegenden Mythen, dem vereinzelten Geheimnisverrat sowie den Reden der Philosophen und Dichter zusammensetzt, ein ungefähres Bild zu Tage fördern. Im Folgenden gilt es, sich dem Mysterienkultmahl zuzuwenden, also den »Mahlriten in den antiken Mysterien«999. Klauck zeigt, dass die Mysterienmähler keinen eigenen Mahltypus bilden, sondern von verschiedenen Mahlformen geprägt sind, die ihrerseits den bereits erwähnten Mahltypen, wie dem Gemeinschafts- oder Gedächtnismahl, zuzuordnen sind.1000 Betrachtet werden sollen diejenigen Mysterienkulte, die Klauck für das Verständnis der Deuteworte für ergiebig erachtet,1001 nämlich der Dionysoskult, der sich im eleusinischen Demetermythos spiegelnde Kult und der Mithraskult. II.3.2.2.2.1. Dionysoskult Dionysos, der »Gott des Weins«, gilt als der vielgestaltigste unter den griechischen Göttern; sein Kult ist etwa seit dem 5. Jh. v. Chr. greifbar.1002 Er ist laut Euripides (5. Jh. v. Chr.) derjenige, »der den Sterblichen den Wein gebracht hat« (Ba. 651) und der beim Mahl der Götter die Gabe des Weinstocks verteilt (vgl. Ba. 383). Bei Euripides findet sich zudem folgendes, auf Dionysos bezogenes Bild: »Man gießt den Gott vor allen Göttern aus« (Ba. 284).1003 Obwohl Reben, Trauben und Wein traditionellerweise Zeichen seiner Epiphanie sind,1004 ist nicht eindeutig, ob die Gottheit mit der Substanz des Weins identisch ist; sicherlich ist sie eng mit ihr verbunden. Dionysos hat zudem eine rohe, blutrünstige Seite, da er sich als »Gott […] am Essen von rohem Fleisch«1005 erfreut. Weil er Stiergestalt annehmen kann, wird hinsichtlich des Kults überliefert, dass die Mysten, »Kultbilder des Dionysos in Stiergestalt« (Plut., De Is. 35 p. 364E) herstellen und nach seinem Vorbild lebende Tiere zerreißen und sein Stellvertreter (meist ein Stier) »zerstückelt und zum 996 997 998 999 1000 1001 1002 1003 1004 1005

S. Bultmann, Ur-Christentum, 170f.; zu den Weihestufen vgl. Merkelbach, Mithras, 77–133. S. Klauck, Herrenmahl, 91. A. a. O., 94. A. a. O., 37. S. a. a. O., 37.163. S. a. a. O., 94–163. S. Kloft, Mysterien, 23. Nauck, Euripidis, 100. Klauck, Herrenmahl, 107. Klauck, Herrenmahl, 110f.

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Mahl angeboten«1006 werde – eine Praxis, die als Omophagie zu bezeichnen wäre. Da sich die Teilnehmer des Kultmahls ein Opfertier einverleiben und dies womöglich in der Meinung, mit dem blutigen Fleisch den Gott substantiell in sich aufzunehmen, könnte der Dionysos-Ritus als Theophagie aufzufassen sein. Dazu passt ein Hinweis Plutarchs: Er teilt zum einen mit, dass sich die Bacchanten (Bacchus ist die römische Bezeichnung des Dionysos) Felle umhängen und »in Schreie und Gesten verfallen« (De Is. 35 p. 364E) und sich »die Anwesenheit des Gottes ›im Rinderfuß‹ herbei[wünschen] und zweimal singen: ›Würdiger Stier‹« (Quaest. Graec. 36 p. 299B; vgl. De Is. 35 p. 364F: sie rufen »den Gott im Gebet an, ›mit dem Fuße des Stieres‹ zu ihnen zu kommen«).1007 Dieser Beleg unterstützt die Annahme, dass die Mysten meinen, in der Omophagie die Gottheit zu verschlingen.1008 Im ersten nachchristlichen Jahrhundert tritt der Dionysoskult, der um die Zeitenwende den größten Zulauf verzeichnet, mit dem Christentum in Konkurrenz. Für Mysten stellt die Einweihung in einen Kult kein Hindernis dar, auch einem anderen Kult beizuwohnen. Für Christen ist dies jedoch undenkbar (vgl. 1Kor 10,20) (s. II.2.2.3.2.).1009 Für die Frage nach dem religionsgeschichtlichen Hintergrund des Herrenmahls ist bedeutsam, dass im Kult des Dionysos sowohl Weinassoziationen als auch die Vorstellung einer blutigen Theophagie eine Rolle spielen. Allerdings zeichnen die Quellen kein eindeutiges Bild und Klauck schränkt für die Annahme einer direkten Verbindungslinie zwischen Dionysoskult und Herrenmal ein, dass die »Stufe der Theophagie, die man für alle Mysterien in Anspruch genommen hat, […] mit einiger Evidenz nur für den Dionysoskult in einer bestimmten Entwicklungsphase«1010 nachzuweisen sei. Trotz möglicher Analogien zwischen Herrenmahl und Dionysoskult unter dem Aspekt der Theophagie oder Kommunio, sind Unterschiede unübersehbar: So wurde im Dionysoskultmahl – sofern die Quellen verlässlich sind – tatsächlich rohes Fleisch verzehrt, während im Herrenmahl Brot und Kelchinhalt als Mahlelemente dienten, die nur symbolisch auf Jesu Leib und Blut gedeutet wurden. Rechnet man mit einem Zusammenhang zwischen dem Mahl im Dionysos- und im Christuskult, ist beim frühchristlichen Mahl jedenfalls eine wesentlich höhere Abstraktion in der Deutung der Mahlelemente festzustellen.1011 1006 Ebd. Zur Darstellung aller sich um Dionysos rankenden Mythen s. Kerényi, Dionysos, 153– 163. 1007 Nachstädt/Sieveking/Titchener, Plutarchis Moralia, 353; Görgemanns, Plutarch, 194f. 1008 Vgl. Eckhardt, Initiationsmähler, 13, der diese Handlung als Initiationsalt wertet. 1009 S. Pilhofer, Dionysos und Christus, 83–87, geht zudem auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bezüglich der jeweiligen Jenseitsvorstellungen ein. 1010 Klauck, Herrenmahl, 164, der hiermit die Orphik (6./5. Jh. v. Chr.) meint. 1011 S. Petersen, Jesus zum »Kauen«, 125.

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II.3.2.2.2.2. Eleusinischer Demetermythos Eleusis, ein Ort in der Nähe von Athen, »beherbergte den berühmtesten Mysterienkult der Antike«1012. Der nachträglich Homer zugeschriebene Demeterhymnos1013 stammt aus dem 7./6. Jh. v. Chr.1014 und bietet den »ätiologischen Mythos zu den in Eleusis vollzogenen Riten«1015. Dem Demeterhymnos1016 zufolge wird Demeters Tochter Persephone von Hades, dem Gott der Unterwelt, geraubt und in sein Reich verschleppt. In Trauer um ihre verlorene Tochter durchzieht die Göttin suchend das Land. Sie gelangt an den eleusinischen Königshof, wo sie »ohne zu lächeln, ohne zu essen, ohne zu trinken« (Z. 200) eine Zeit verbringt. Sie trinkt einzig den Kykeon (κυκεών)1017 (Z. 210), einen Mischtrank aus Gerste(ngrütze), Wasser und Minze (Würzkraut), der ihr von einer Sterblichen gereicht wird. Folgendes wird dazu beschrieben: Sie nahm ihn und trank ihn, um »den heiligen Brauch zu begründen« (Z. 211).1018 Dies zeigt wohl, dass »ein bestehender Ritus […] durch die vorbildliche Handlung der Göttin legitimiert«1019 wird. »Im mythischen Denken ist sie diejenige, die den Ritus zugleich stiftet und als erste vollzieht«1020. »Damit begründet Demeter einen bestimmten Ritus, gleichzeitig agiert sie als Prototyp aller zukünftigen Mysten und vollzieht selbst nach, was sie gestiftet hat. ›Um des heiligen Brauches willen‹ bedeutet also: um den Ritus zu stiften, um ihn zu bewahren und einzuhalten, ihn vorzuexerzieren und einzuüben.«1021 Diesen Mischtrank als Analogie zum Herrenmahl zu strapazieren, ist kaum angebracht:1022 Das Trinken dieses Gebräus war ohne Frage von Bedeutung. Zur Weihehandlung kamen aber noch das Fasten hinzu sowie die Zuordnung eines Opferferkels zu jedem Mysten, damit er dieses für sich selbst darbringt.1023 Dadurch wird die Mahlkonzentration dieses Mysterienkults deutlich (Fasten, Trinken, Essen). Vorstellbar ist, dass das Fasten der rituellen Mahlvorbereitung diente, im Zentrum des Mahlvorgangs der Mischtrank stand und das individuelle

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Klauck, Herrenmahl, 94. S. Klauck, Umwelt I, 84. S. Gönna/Simon, Homerische Hymnen, 86. Klauck, Herrenmahl, 94. In ihm sind zwei unterschiedliche Mythen miteinander verwoben: Der Gründungsmythos der Stadt Eleusis wird gerahmt durch die Verschleppung der Persephone (s. Gönna/Simon, Homerische Hymnen, 87). Gemoll, Wörterbuch, 485. S. Gönna/Simon, Homerische Hymnen, 8 Z. 208–211. Klauck, Herrenmahl, 96. Ebd. Klauck, Umwelt I, 85. S. Jevons, Introduction, 364–366, meint, der Verzehr wurde von den Mysten so gedeutet, dass sie an der Göttin Anteil erhielten und die Verbindung zu ihr jedes Mal erneuerten. S. Klauck, Herrenmahl, 99.103f.

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zugeordnete Opferferkel,1024 das schließlich verspeist wurde, den Abschluss der rituellen Mahlfeier darstellte. Clemens von Alexandrien zitiert in seiner Schrift »Mahnrede an die Griechen« nach den einleitenden Worten κἄστι τὸ σύνθημα1025 Ἐλευσινίων μυστηρίων/kasti to synthe¯ma Eleusinio¯n mysterio¯n folgendes: »Ich fastete, ich trank den Kykeon, ich nahm aus der Kiste, ich tat etwas und legte dann in den Korb und aus dem Korb wieder in die Kiste« (Protr. 21,2).1026 Dieser Korb und diese Kiste sind zwar nicht im homerischen Demeterhymnos literarisch belegt, aber epigraphisch und ikonographisch.1027 Möglich wäre, dieses Hantieren mit Gegenständen aus der Kiste mit der Zubereitung des Kykeon in Verbindung zu bringen: Der Myste zerstößt z. B. mit einem Mörser die Gerste für die Gerstengrütze.1028 Die Handlungen der Göttin gelten für den Mysten als Vorbild – auf ihnen gründet sich der Weihevollzug. Der Myste orientiert sich an ihrem Verhalten und gibt die vorbildlichen Handlungen der folgenden Generation als verpflichtend weiter. So begründet sich die Vorstellung, der Myste werde durch Nachahmung in das Schicksal der Demeter hineingenommen.1029 Allerdings kehrten die Eingeweihten anschließend »in ihren Alltag zurück, ohne neue Bindungen einzugehen, auch ohne sich – wie bei jüngeren Mysterienkulten teils üblich – in Kultvereinen zusammenzuschließen.«1030 Die das Mahl begleitenden Handlungen erscheinen als zentral und werden von den Mysten nach dem Vorbild der Demeter vollzogen, so wie die frühen Christen die Mahlhandlungen des Kyrios vollzogen (vgl. 1Kor 10,16). Im Gegensatz zum Herrenmahl werden zwar keine deutenden Worte erwähnt, doch ist in dem Nachvollzug und der Zentralisierung von Mahlelementen eine Parallele erkennbar. Dazu besteht eine Analogie in der Vorstellung, durch das Mahlgeschehen, in eine Beziehung zu Christus bzw. Demeter treten. Allerdings scheint aus der Bindung an die Gottheit keine gegenseitige Bindung zwischen den Mys-

1024 In der Forschung wurde an ein stellvertretendes Sterben gedacht (vgl. a. a. O., 104). S. II.3.3.4.2. 1025 Gemeint ist die Zusammenfassung des Mysteriengeschehens. Klauck, Umwelt I, 87, meint, es könnte sich um eine Art Passwort handeln, womit sich der Myste als solcher zu erkennen geben konnte. 1026 Stählin, Clemens Alexandrinus I, 16. 1027 S. Klauck, Umwelt I, 88, der hierfür als Beleg eine Abbildung anführt, auf der Demeter sitzend auf einer Kiste dargestellt ist. Dazu sind Gefäße auf verschiedenen Abbildungen bei Leipoldt, Umwelt, Nr. 31.33.44, erkennbar. Häufig ist dort auch ein Ferkel zu sehen. 1028 S. a. a. O., 89, der noch eine weitere Deutungsmöglichkeit, vor allem der älteren Forschung, nennt: Kiste und Korb enthielten Sexualsymbole (Phallus und Schoß) – der Myste wird durch das Hantieren und ineinander fügen zum »Kind« der Gottheit, da er seinen »Zeugungsakt« nachstelle. 1029 S. Klauck, Herrenmahl, 101.105. 1030 Klauck, Umwelt I, 95.

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ten entstanden zu sein. Ähnliches wird auch von Paulus in Bezug auf die korinthische Herrenmahlfeier kritisiert (s. II.2.2.4.1.). II.3.2.2.2.3. Mithraskult Der Mithraskult hat sich im 1. Jh. n. Chr. zu einem bedeutenden Kult entwickelt. Für diesen Mysterienkult sind u. a. eine hierarchisch gegliederte Anhängerschaft (s. o.) sowie rituelle Mähler kennzeichnend.1031 Um die Gottheit Mithras rankt sich folgender Mythos: »Er verfolgt den Urstier […] und tötet ihn. Damit schafft er die Grundlagen für das Entstehen der kultivierten Welt. […] Er führt einen Kampf mit dem Sonnengott und versöhnt sich mit ihm. Beide schließen einen Bund, halten ein Abschiedsmahl und kehren zum Himmel zurück. Von dort wird Mithras wieder erwartet am Ende der Tage.«1032 Durch die Tötung des Stieres hat Mithras dafür gesorgt, dass die Menschen so leben können, wie sie es tun – in ihm liegt also der Grund für ihr Dasein.1033 Das gemeinsame Mahl der beiden Gottheiten wird auf Reliefs1034 so dargestellt, dass die Mysten gemeinsam mit den Göttern speisen. Die Abbildungen zeigen, wie höhere Mystengrade die Rollen der beiden Gottheiten übernehmen und wie die Mystengemeinschaft ein Mahl einnimmt (s. III.2.2.1.1.). Hieraus leitet sich die Annahme einer »kultischen Vergegenwärtigung des Mahls von Sol und Mithras«1035 ab. »Es handelt sich also um eine Vereinigung von Göttern und Menschen«1036. Diese Mahldarstellungen enthalten zudem Deutungssymbole, z. B. Mahlgaben oder Handlungen,1037 die nur für die Eingeweihten verständlich waren. Vermutlich stellen sie eine Verbindung zwischen Mythos und Mahlritus her. Tertullian parallelisiert in seiner Schrift »Vom Einspruch gegen die Häretiker« das christliche und mithräische Mahl: Der Teufel in den Mysterien des Mithras »feiert auch eine Darbringung von Brot« (40,2–4).1038 Auffällig ist, dass hier zum einen nicht von einem generellen Mahl und zum anderen nicht von Wein die Rede ist. Tertullian sieht nicht nur hinsichtlich der Mahlgabe Brot eine Parallele, sondern auch inhaltliche Ähnlichkeiten, da sowohl Christen wie auch die Mysten 1031 S. Kloft, Mysterien, 23. 1032 Klauck, Umwelt I, 120. 1033 Möglicherweise kommt hier die lebensförderliche Bedeutung des Blutes zum Ausdruck (s. Engster, Konkurrenz, 378). 1034 Zur Beschreibung s. Engster, Konkurrenz, 374–376. 1035 Klauck, Herrenmahl, 145. 1036 Engster, Konkurrenz, 378. 1037 Der Stier wird häufig in Form eines Tischs dargestellt. Trauben, Trinkhörner und Brotkörbe bilden die Mahlgaben (s. Merkelbach, Mithras, 132f.). Außerdem werden die Mysten als Raben oder Löwen gekleidet dargestellt (s. Merkelbach, Mithras, 86; Engster, Konkurrenz, 374f., die dies als Hinweis auf den jeweiligen Mystengrad deuten). 1038 Kellner, Tertullian, 349.

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des Mithraskults eine Verbindung zwischen Mahl und Auferstehungshoffnung herstellen.1039 Über das mithräisches Mahl teilt Justin (um 150 n. Chr.) in seiner »ersten Apologie« im Anschluss an die Zitierung der sog. Einsetzungsworte1040 Folgendes mit:1041 »Ebenso überliefern die bösen Dämonen, die dies in die Mysterien des Mithras imitieren, dasselbe zu tun: Denn Brot und ein Kelch Wasser werden mit bestimmten Worten (ἐπιλόγων) hingestellt bei den Ritualen zur Initiation, das wisst ihr« (66,4).1042

Justin nennt als Mahlsubstanzen Brot und Wasser, die einen Initiationsakt begleiten. Bemerkenswert ist, dass über diese Substanzen »bestimmte Worte« gesprochen werden. Laut Klauck sind für den Mysterienablauf gerade diese so genannten Legomena kennzeichnend. Bei ihnen handele es sich um Deuteworte, die als liturgischer Zuruf das Zeigen der kultischen Gegenstände (δεικνύμενα) begleiten.1043 Für diese Annahme führt er allerdings keine Belege an.1044 So besteht kein hinreichender Grund anzunehmen, dass Brot und Getränk auf den Kultgott hin gedeutet wurden. Offen ist auch, ob diese Mahlfeier der Initiation in einen Weihegrad diente oder ob sie regelmäßig gefeiert wurde.1045 Obwohl Klauck einräumt, dass die unsicheren und widerspruchsvollen Zeugnisse keine geschlossene Mahlkonzeption zulassen,1046 formuliert er folgende These: »Das heilige Mahl des Mithraskults, das in den Mythos hineinverflochten ist und ihn gegenwärtig setzt, vollzieht sich als ritualisierter Speisegestus mit einem Stückchen Brot oder Fleisch und einem Schluck Wasser oder Wein. Bei der Aufnahme in einen höheren Mystengrad wird es zum ersten Mal gereicht und von da an regelmäßig wiederholt. Sich daran anschließen oder vorausgehen konnte ein gemeinschaftliches Mahl aller Mysten, das der Sättigung

1039 S. Engster, Konkurrenz, 375. 1040 »Jesus nahm Brot, sprach das Dankgebet (εὐχαριστήσαντα) und sagte: Dies tut zu meiner Erinnerung. Dies ist mein Leib. Und er nahm den Weinkelch, sprach das Dankgebet und sagte: Dies ist mein Blut.« (66,3) S. den griechischen Text bei Minns/Parvis, Apologies, 256. 1041 Zur grundlegenden Analyse s. Harnack, Brod und Wasser, 130–143. 1042 S. den griechischen Text bei Minns/Parvis, Apologies, 256.258 (Hervorhebung und Übersetzung von mir). 1043 S. Klauck, Herrenmahl, 92. 1044 Dietrich, Mithrasliturgie, 102, nimmt aufgrund der Zentralität sakramentaler Mähler in der Spät-Antike an, dass sich in der Mithrasliturgie, ein langes Exzerpt im Pariser Zauberpapyrus (ca. 3. Jh. n. Chr.), diese deutenden Worte wiederspiegeln. Er begründet dies mit Justin, der belege, dass die »bestimmten Worte« »magische Wirkungen haben« (102). Es handelt sich hierbei um Zauberformeln (s. III.3.2.2.3.), die sich formal und inhaltlich von den Deuteworten des Herrenmahls unterscheiden. Zur Übersetzung und Auslegung der Mithrasliturgie s. Betz, Gottesbegegnung, 44–56. 1045 S. Engster, Konkurrenz, 375. 1046 S. Klauck, Herrenmahl, 148.

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und Geselligkeit diente«1047. So gelangt er zu dem Urteil, das Mithrasmahl komme »vom Erscheinungsbild her am nächsten an das Herrenmahl heran«1048. Jedoch sei »aus geographischen und zeitlichen Gründen die Verhältnisbestimmung«1049 zwischen Frühchristentum und den Mithrasmysterien problematisch.1050 II.3.2.2.2.4. Zusammenfassung Obwohl der Vollzug der Mysterienkulte der Geheimhaltung unterlag und nur wenig darüber bekannt geworden ist, kommt Klauck zu dem Schluss, das Herrenmahl sei »der tragenden Konzeption nach mit dem Mysterienmahl verwandt«1051, da »ohne mehrschichtigen hellenistischen Einfluss die sakramentale Herrenmahlkonzeption im Urchristentum nicht zustande gekommen wäre.«1052 Mythos und Mahl stehen im Sinne einer Kultätiologie in den Mysterienkulten miteinander in Verbindung:1053 Die Mysten trinken den Kykeon, weil Demeter ihn getrunken hat; die Mysten essen gemeinsam, weil Mithras und Sol gemeinsam gegessen haben. Doch dieser »göttliche Stiftungsakt«1054 spielt sich »nicht in der erlebten Menschheitsgeschichte ab, er ist zeitlos und eben deswegen ständig präsent und wiederholbar. Das schafft die Voraussetzung dafür, daß sich der Myste in den dargestellten Mythos hineingeben kann. Er gelangt zur Verbindung mit der Gottheit und ihrem Schicksal.«1055 Der Mythos wurde im Kult also konkret erlebbar. Der Kult diente dazu, in das Schicksal und den Mythos der Gottheit hineingenommen zu werden und diese nachzuvollziehen. Die Mysterienmähler ermöglichten den Mysten also, die Gottheit in kultischer Form zu zelebrieren, sie leiblich wahrzunehmen, sich ihr nahe zu fühlen. Dass sich hier eine Analogie zum Herrenmahl aufdrängt, ist kaum zu bestreiten. Klauck nennt noch zwei weitere Entsprechungen zwischen Mysterien- und Herrenmahl: Zum einen weist er auf die Stilisierung des Mysterienmahls zu einer Geste hin, z. B. seine Reduzierung auf ein Stück rohes Fleisch und das Kosten vom Brot, Wasser oder Wein.1056 Die Mahlgesten der Mysterienmähler tendieren also dazu, »nur noch in verkürzter und ritualisierter Form eingesetzt zu werden«1057, 1047 1048 1049 1050 1051 1052 1053 1054 1055 1056 1057

A. a. O., 149. A. a. O., 368. A. a. O., 166. Die Begegnung der frühen Christen mit anderen Mysterienkulten, z. B. mit Eleusis und dem Dionysoskult, hält Klauck aber für wahrscheinlich (s. ebd.). Klauck, Herrenmahl, 368. A. a. O., 372. Klauck sieht vor allem die Diaspora als Einflussbereich. S. Klauck, Mysterienkulte, 188. Stein, Frühchristliche Mahlfeiern, 7. Klauck, Herrenmahl, 164. S. ebd. Klauck, Leib Christi, 197.

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was zu einer Trennung des Kultaktes vom Sättigungsmahl führt.1058 Zum anderen stellt er fest, dass die Mysten aufgrund des gemeinsamen Kultvollzugs, Erlebens und Eingeweiht-Seins zu einer Sondergemeinschaft zusammengeschlossen sind.1059 Dass in der Antike eine große Nähe zwischen Mysterien und Christentum wahrgenommen wurde, zeigt folgendes Zitat aus dem »Octavius« des Minucius Felix: »[S]ie bilden eine gemeine Verschwörerbande, die sich in nächtlichen Zusammenkünften, bei Feierlichkeiten mit Fasten und menschunwürdiger Speise nicht im Kult, sondern im Verbrechen verbrüdert; eine obskure, lichtscheue Gesellschaft, stumm in der Öffentlichkeit, in Winkeln geschwätzig […]« (8,4)1060 – diese Vorwürfe bringt er nicht etwa gegen die Mysten, sondern die Christen vor (vgl. 9,4).1061 Klauck macht jedoch auch auf eine Reihe von Unterschieden aufmerksam: a) Verallgemeinernd attestiert er dem Mysterienmahl die Funktion einer »einmaligen Initiation«, während das Herrenmahl wiederholt begangen wird. b) Die Geheimhaltungspflicht der Mysten und der einladende Charakter des Herrenmahls widersprächen sich. c) Die Feier des Herrenmahls werde durch die von Paulus mitgeteilte Paradosis auf einen bestimmten Punkt der Geschichte zurückgeführt, während der Mythos des Mysterienkults die Geschichte transzendiere. d) Im Herrenmahl gehe es zentral um die Stiftung einer egalitären Gemeinschaft, während sich die Mysten aufgrund individueller Weihestufen differenzierten.1062 Trotz der genannten Differenzen und Schwierigkeiten, bestehen grundsätzliche Ähnlichkeiten in der Deutung und dem Verständnis ritueller Mahlvollzüge: a) Das Mahl ist zentraler Kultbestandteil vieler Mysterien. b) Die Taten der Gottheit bilden das Vorbild für den Mahlvollzug. c) Die Mahlfeier dient dem Hineintreten in eine Beziehung mit der Gottheit, sei es durch Einverleiben von Mahlelementen oder den Nachvollzug von Mahlgesten. Aus diesen Gründen wird zwar kein direktes Abhängigkeitsverhältnis angezeigt, aber eine gemeinsame Vorstellungswelt sichtbar.

1058 1059 1060 1061

S. Klauck, Herrenmahl, 367f. S. Klauck, Mysterienkulte, 186. Kytzler, Minucius Felix Octavius, 6f. S. Engster, Konkurrenz, 372. Umstritten ist, welchen Einfluss Mysterien auf das palästinische Judentum hatten: Sloyan, Jewish Ritual, 102f., ist der Meinung, ein Einfluss auf palästinische und auch auf antiochenische Juden sei auszuschließen. Lease, Jewish Mystery Cults, 872f., vertritt die Auffassung, das Diaspora-Judentum sei in unterschiedlicher Weise von seiner Mitwelt geprägt worden – insbesondere in Ägypten durch Konvertiten und die umgebenden Mysterienkulte. Dies zeige Philo in »De Spec. Leg.« (I, 319–325). 1062 S. Klauck, Herrenmahl, 304.368.

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II.3.2.2.3. Zauberpapyri Die griechischen Zauberpapyri, die in den »Papyri Graecae Magicae« gesammelt vorliegen, sind »Rezeptbücher«1063, um Gottheiten herbeizurufen, die helfen sollen, die Wünsche von Menschen zu erfüllen. Sie sind Klauck zufolge vor allem im 3. und 4. Jh. n. Chr. entstanden, obwohl eine längere Vorgeschichte anzunehmen sei.1064 Eine Brücke von den Mysterien, über die Zauberpapyri hin zum Herrenmahl möchte Hans Dieter Betz bauen. Den Zusammenhang begründet er damit, dass in den Zauberpapyri nicht zwischen den Begriffen »Magie/Zauber« und »Mysterium« differenziert wird und »Magie« ein grundlegendes Element der Gründungsmythen der Mysterienkulte darstelle. Diese Terminologie und die damit verbundenen Vorstellungen seien sowohl vom hellenistischen Judentum als auch vom Frühchristentum übernommen worden.1065 Bereits Richard Reitzenstein stellte einen Zusammenhang zwischen einem Zauberspruch und dem Herrenmahl her, als er im Jahr 1910 feststellte, dass der Erinnerungsbefehl der paulinischen Herrenmahlüberlieferung nicht im paganen Totenkult gründe (s. II.3.3.5.). Vielmehr komme als Parallele ein Zaubertext in Frage, in dem Osiris seiner Gattin Isis und seinem Sohn Horus einen Trank aus seinem Blut reicht, damit sie ihn nach seinem Tod nicht vergessen.1066 Reitzenstein gründet seine Schlussfolgerungen auf folgenden Vers;1067 er gehört zu einem Liebeszauberspruch, der in einen Kelch gesprochen werden soll: »Du bist Wein, nicht bist du Wein, sondern die Eingeweide des Osiris […]. Zu welcher Stunde du hinuntersteigst in die Eingeweide der NN, soll sie mich NN lieben auf die ganze Zeit ihres Lebens« (PGM VII 645f. (II,29)).1068 Reitzensteins Schlussfolgerung führt zu weit, denn nicht Osiris reicht den Trank und auch von einem dem Herrenmahl entsprechenden Erinnerungsmotiv ist keine Rede, da es um einen Liebeszauber geht. Bemerkenswert ist an dieser Stelle allerdings die Identifikation von Wein mit ›Körperteilen‹ der Gottheit, die sich der Trinkende 1063 Klauck, Umwelt I, 181. 1064 A. a. O., 181f.; Betz, Magic, 216, datiert ihre Entstehungszeit großzügiger, nämlich zwischen dem 2. Jh. v. und dem 5. Jh. n. Chr. 1065 S. Betz, Magic, 223 Anm. 53, der als Belege hierfür allerdings nur Stellen anführt, in denen das Herrenmahl keine Rolle spielt (Röm 11,25; 16,25; 1Kor 2,1.7; 4,1; 13,2; 15,51). 1066 S. Reitzenstein, Hellenistische Mysterienreligionen, 50, demzufolge Paulus den Wiederholungs- und Erinnerungsbefehl eingefügt habe, wodurch erst er die Herrenmahlüberlieferung »zur Einsetzung eines Mysteriums« mache. Das Herrenmahl sei in Folge kein Erinnerungsmahl im Sinne des Totenkults mehr, sondern lasse sich durch den genannten Zauberspruch mystisch deuten: Durch die Wirkung des Trankes können die Christen ihren Herrn nicht mehr vergesssen. 1067 S. Wessely, Zauberpapyri II, 44. 1068 Ebd., Z. 711. Vgl. Preisendanz, Papyri II, 29 Z. 644–651. Unter dem Begriff »Eingeweide« (σπλά(γ)χνα/spla(g)chna) ist das Herz als Sitz der Gefühle zu verstehen (s. Bauer, Wörterbuch, 1523).

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(der zu Verzaubernde) einverleibt (der Wein soll in seine Eingeweide, das heißt in das Herz, hinuntersteigen, Z. 650). An anderer Stelle wird die Anweisung des Verzehrs eines Herzens, immerhin das Organ, das mit Blut gefüllt ist und es durch den Köper pumpt, unter der Überschrift »Gedächtnishilfe« beschrieben: »Nimm einen Wiedehopf, reiß sein Herz aus, durchbohr es mit einem Rohr und zerstückle das Herz […] und dann zerreibe das Herz […], vermeng es mit dem Honig und iß es nüchtern, beim siebenmaligen Sprechen des folgenden Gebets, einmal mit dem Zeigefinger kostend […]« (PGM III 424–428 (I,50f.)).1069 Eine Mahlgabe (Herz) zusammen mit Worten (Gebet) führt also dazu, dass sich das Erinnerungsvermögen des Sprechenden steigert. Auch das Bluttrinken, allerdings von einem geopferten Hahn, ist in den Zauberpapyri belegt: »[…] schneide den Kopf eines tadellosen ganz weißen Hahnes ab, den du im linken Ellenbogen hältst […]. Halte den Hahn mit deinen Knieen fest und köpfe ihn so, ohne daß ihn ein anderer hält. Den Kopf aber wirf in den Fluß und das Blut fang auf mit der rechten Hand und trink es aus. Den übrigen Körper leg auf den brennenden Altar und spring in den Fluß; tauch unter in der Kleidung, die du anhast, dann rückwärts schreitend steig ans Ufer, kleide dich neu um und geh weg, ohne dich umzudrehen« (PGM IV 35–41 (I,68)).1070 Bemerkenswert ist, dass dieses Bluttrinken im Zuge einer Neu- oder Einweihung vollzogen werden soll. Nach diesem Zauberritual besitzt der Zaubernde gleichsam eine neue Identität. Ein Liebeszauber überträgt die Anweisung des Bluttrinkens wohl auf menschliches Blut: »Lass vom Brot, das du isst, ein wenig übrig, brich es (κλάσας) und mach es zu sieben Brocken und geh dahin, wo Heronen erschlagen wurden […], sprich das Gebet über die Brocken, wirf sie hin und heb Unrat auf von dem Ort, wo du handelst, und wirf ihn hinein zu der, die du begehrst« (PGM IV 1390– 1398 (I,118)).1071 Völlig eindeutig ist diese Stelle nicht; es ist aber wohl anzunehmen, dass die Zauberwirkung mit den Brotstücken, die die Überreste der Heronen aufgesogen haben, und dem Gebet in Verbindung steht.1072 Auch in den Zauberpapyri finden sich folglich keine strukturellen Analogien zu den Deuteworten. Ebenso wie beim Herrenmahl sind aber begleitende Handlungen zentraler Bestandteil der Zaubertätigkeit. Im Unterschied zum Herrenmahl erscheint die Gottheit jedoch nicht durch die Mahlgaben präsent, denn der angerufene Gott kann zwar mithilfe der Speisen und Zaubersprüche

1069 1070 1071 1072

Preisendanz, Papyri I, 51 Z. 424–428. A. a. O., 69 Z. 35–41. Vgl. Klauck, Herrenmahl, 156f. Anm. 430.435. A. a. O., 119 Z. 1291–1395. Vgl. Klauck, Herrenmahl, 157.

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herbeigerufen werden, »man zwingt ihn jedoch nicht in die Speisen hinein.«1073 Auch wenn die auf praktische Ziele hin ausgerichteten Zaubersprüche keine direkte Abhängigkeit zu den Deuteworten des Herrenmahls erkennen lassen, so begegnet in ihnen immerhin keine Scheu gegenüber der Vorstellung des Blutverzehrs oder des Zusammenhangs von Wein und Blut. Das Milieu, in dem die Zauberpapyri verkehrten, weist in dieser Hinsicht Ähnlichkeiten zur Christophagie des Herrenmahls auf. Bemerkenswert ist, dass in den Zauberpapyri Aspekte wie Erinnerung oder Weihung mit dem Bluttrinken in Verbindung gebracht werden, da sich ähnliche Vorstellung ebenfalls mit der Feier des Herrenmahls verbinden. II.3.2.3. Schlussfolgerungen Es lässt sich zum einen festhalten, dass das Mahl in der Antike gleichsam den sozialen ›Knotenpunkt‹ bildet und zum anderen, dass das antike Gastmahl vom Kultmahl kaum zu trennen ist. Deutende Worte begegnen sowohl im hellenistisch-jüdischen als auch hellenistisch-paganen Mahlkontext, wobei der Wortlaut der letztgenannten Legomena aufgrund der meist epigraphischen und ikonographischen Überlieferung nicht literarisch belegbar ist. Anders ist die Quellensituation hinsichtlich des Pesachmahls, das seit Jeremias als Ursprung für das Herrenmahl gewertet wird: Die Deutungsformel zum Brot wird mit »Dies ist« eingeleitet und entspricht somit formal der Einleitung der Deuteworte des Herrenmahls. Problematisch ist allerdings die Datierung dieser von der Pesach-Haggada überlieferten Deutungsformulierung – es ist nicht bekannt, welche Mahlelemente für das Pesachmahl zur Zeit Jesu kennzeichnend waren und ob überhaupt in seinem Verlauf deutende Worte formuliert wurden. Dafür, dass Pesachmahl und Herrenmahl bis auf diese formale Übereinstimmung nicht direkt voneinander abhängig sind, spricht insbesondere, dass im Herrenmahl nicht die für das Pesachmahl charakteristischen Mahlgaben gedeutet werden, dass die Synoptiker lediglich im narrativen Kontext vom Pesach berichten, Pesach-Hinweise in den Mahlzusammenhängen des 1Kor gänzlich fehlen und sich die Pesachmahldeutung eklatant von der personalisierten Herrenmahldeutung und der darin zum Ausdruck kommenden Kommunio-Deutung unterscheidet. Die formale Übereinstimmung hinsichtlich der Eingangsformulierung einer Mahldeutung mit »Dies ist« lässt sich für die hellenistisch-jüdische Tradition auch durch den Roman »Joseph und Aseneth« belegen (JosAs 16,14). Auch die 1073 A. a. O., 158. Zu den in den Zauberpapyri genannten Mahlgaben gehören z. B. die Milch einer schwarzen Kuh, das Herz eines Katers oder das Ei von einem Ibis.

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für die jüdische Mahlsitte charakteristischen Mahlgesten werden aufgeführt (JosAs 16,15). Zudem werden in dieser Schrift Mahlgaben soteriologisch qualifiziert und erhalten dementsprechend eine besondere Bezeichnung, wie »Segenskelch« oder »Lebensbrot«; Begriffe, die im Zusammenhang mit den neutestamentlichen Herrenmahlüberlieferungen stehen (1Kor 10, Joh 6). In der hellenistisch-jüdischen Mahltradition begegnen allerdings sowohl keine theophagische Mahldeutung als auch kein Kommunio-Verständnis. Formale Ähnlichkeiten lassen sich auch zu den Vereins- oder Bankettmählern erkennen. Allerdings besitzen diese Mähler gegenüber dem Herrenmahl eine divergierende soziale Ausrichtung, da ihre Mahlorganisation zur Rangunterscheidung beiträgt. Zudem steht bei Vereinsmählern und Banketten der sättigende Aspekt des Mahls im Vordergrund, während die ältesten Herrenmahltraditionen eine Tendenz zur Trennung von einer Sättigungsmahlzeit erkennen lassen. Hierin sind zentrale Unterschiede von Vereinsmahl und Herrenmahl zu sehen, wodurch das Herrenmahl geradezu als Gegenentwurf zum Vereinsmahl erscheint. Demgegenüber weisen das Herrenmahl und Mähler der Mysterienkulte inhaltliche Ähnlichkeiten auf: Beide sind ein zentraler Kultbestandteil, der Grund für den stilisierten Mahlvollzug liegt in den vorblichen Taten der Gottheit und durch die Mahlfeier treten sowohl Mysten als auch Christen in eine Beziehung zur Gottheit. Dazu erfahren sich Mysten und Christen aufgrund der Mahlbegehung jeweils als Gemeinschaft, wobei bei Mysterienkulten der hierarchisierende Gedanke die Mahlgestaltung bestimmt. Aus diesen Gründen wird zwar kein direktes Abhängigkeitsverhältnis angezeigt, aber eine gemeinsame Vorstellungswelt sichtbar. Wie die Überlieferung zum Dionysoskult und einige Zaubersprüche zeigen, ist die Vorstellung des Blutverzehrs, eine damit verbundene Erinnerungswirkung und die Nähe von Blut und Wein in der hellenistisch-paganen Gedankenwelt vertreten. Die inhaltliche Deutung des Herrenmahls als Ort der wiederholbaren leiblichen Erfahrbarkeit des Christus bzw. des Kyrios und der Vergewisserung, durch die Teilhabe an ihm in eine lebendige Gottesbeziehung hineingenommen zu sein, ist ein im hellenistisch-paganen Milieu vorkommender Aspekt. Abschließend ist also anzunehmen, dass die Struktur der Deuteworte ebenso wie die Mahlgesten, also das gesamte äußerliche Repertoire, des Herrenmahls auf die hellenistisch-jüdische Mahlsitte zurückgeführt werden können. Auch die soteriologischen Qualifizierungen der Mahlgaben haben Analogien in der hellenistisch-jüdischen Religiosität. Die Mahldeutung als Kommunio und der Aspekt der Christophagie stehen aber der hellenistisch-paganen Vorstellungswelt nahe.

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II.3.3. Inhaltliche Analogien: Mahlgaben und -Motive in der religiösen Mitwelt Für die neutestamentlichen Herrenmahlüberlieferungen des paulinischen, des synoptischen und wohl auch des johanneischen Typs sind übereinstimmende Mahlgaben – Brot und Kelch – sowie Mahlmotive kennzeichnend. Weil sie in allen Deuteworten begegnen, ist davon auszugehen, dass sie bereits früh diese Form der christlichen Mahlfeier prägten. Da sich in der antiken Mitwelt kein Mahl findet, dass durch eine Kombination dieser Motive charakterisiert ist, sollen sie nun auch einzeln betrachtet werden. Die in der Forschung zur Herkunft dieser Motive aufgestellten Thesen sind zu prüfen, um zu erkennen, welche Bedeutung dem jeweiligen Motiv zukommt und was es für das Verständnis des Herrenmahls austrägt. Neben der Kommunio-Deutung des Herrenmahls, die sich aus der Gabe und dem Verzehr des Leibes Jesu (1Kor, Synoptiker) bzw. dem Essen seines Fleisches (Joh) und Trinken aus dem Kelch seines (Bundes-)Blutes ergibt, sind das Bundesmotiv sowie die ὑπέρ-Wendung bestimmend. Bei der paulinischen und lukanische Herrenmahlüberlieferung tritt außerdem das Erinnerungsmotiv hinzu. Die formalen Analogien haben gezeigt, dass im Herrenmahl hellenistischjüdische und hellenistisch-pagan geprägte Mahlstrukturen und -deutungen erkennbar werden. Aus diesem Grund folgt eine Begriffs- bzw. Vorstellungsuntersuchung, die sich sowohl mit griechischen Begriffen und Vorstellungen als auch deren hebräischen Äquivalenten auseinandersetzt. Ziel ist es, darzustellen, welche Bedeutungen den Mahlgaben zukamen und welche Deutungen mit ihnen verbunden wurden. Dazu gilt es zu erarbeiten, in welchem Milieu der religiösen Mitwelt die kennzeichnenden Motive des Herrenmahls zu verorten sind. II.3.3.1. Brot und Kelch(-inhalt) Das Hauptnahrungsmittel der Antike war das als Fladen gebackene Brot (ἄρτος).1074 Es wurde in der Antike gemeinsam mit Wein,1075 Wasser oder einem Gemisch1076 und Gemüse gegessen. Zu unterscheiden ist es von den ungesäuerten Mazzen (‫)םצות‬,1077 welche nach alttestamentlicher Tradition als Proviant für den 1074 Der Brotfladen war ca. 2 mm bis 1 cm dick, hatte einen Durchmesser von etwa 20–50 cm und war gekerbt, um das Brechen oder Reißen zu erleichtern (s. Sigismund, Ernährung/ Lebensmittel, 31). 1075 S. Dubach, Trunkenheit, 200; Broshi, Bread, 129, die darauf hinweisen, dass Wein in ärmeren Bevölkerungsschichten reichlich getrunken wurde – Broshi, Bread, 121–143, gibt ein anschauliches Ranking der meistverzehrten Speisen im antiken Palästina. 1076 Nach 2.Makk 15,40 wurde die hellenistische Mischpraxis von der jüdischen Mahlpraxis aufgenommen, während sie in der prophetischen Tradition als verpönt galt (vgl. Jes 1,22) (s. Heilmann, Wein, 39). 1077 Vgl. Berger, Manna, 53.

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Exodus dienten und unter Bezug darauf zum Pesachmahl gereicht wurden (vgl. Ex 12,14–20; 13,3.6f.).1078 Dies ist zugleich »das für den Kult vorgeschriebene Brot«1079 (Lev 2,4) – Brot ist also neben Fett und Wein eine zentrale Opfergabe des antiken Judentums (vgl. Ez 44,7). Der Ausdruck »Brot essen« bezeichnete im allgemeinen Sinn eine Mahlzeit zu sich zu nehmen (vgl. Gen 3,19; 28,20; Ex 18,12; 1Kön 13,15; Jes 51,14; Jer 42,14), und »Brot brechen« meinte die Speisung und das Versorgen (vgl. Jes 58,7.10). Ferner kam dem Mahl als Bild für das erwartete endzeitliche Heil auch eine eschatologische Bedeutung zu (vgl. Jes 55,1f.; 65,13; Ps 132,15). Das hebräische Substantiv ‫כוס‬/kos (»Becher«, »Kelch«) wird von der LXX regelmäßig mit ποτήριον/pote¯rion wiedergegeben.1080 Es benennt ein »Trinkgefäß für Wein (Jer 35,5; Prov 23,31) und Wasser (2Sam 12,3)«1081 in der Form eines napfartigen Bechers oder einer Schale mit Standfuß.1082 In diesem Trinkgefäß befand sich der in allen Bevölkerungsschichten beliebte Wein, in den häufig das Brot getunkt wurde.1083 Brot und Wein bildeten die Bestandteile eines Festmahls und werden als »Sammelbezeichnung für Speisen und Getränke beim Mahl«1084 häufig zusammen genannt (vgl. Gen 14,18; Dtn 29,5; Ri 19,19; 1Sam 10,3; 16,20; 25,18; Neh 5,15; Jes 36,17). Das Brot dient der Stärkung, also Lebenserhaltung des Menschen, und der Wein erfreut sein Herz – beide Mahlgaben sind von Gott gegeben, ohne jedoch reine Naturprodukte zu sein, da sie des menschlichen Zutuns bedürfen (vgl. Ps 104,14f.). Im Gegensatz zur positiven Konnotation des Brotes verbinden sich mit dem Kelch in der alttestamentlichen Tradition ambivalente Bedeutungen:1085 Es gibt einerseits den Trostbecher, der dem Trauernden gereicht wird (vgl. Jer 16,7), sowie im Psalter den Becher, der dem Trinkenden Heil bzw. Segen bringt (116,13; vgl. 23,5). Diese positive Konnotation ist aber weniger häufig, als die in den prophetischen Texten begegnende negative Bedeutung des »Gerichtsbechers« (vgl. Jes 51,17–23; Jer 25,15–29; 51,7; Ez 23,31–34; Hab 2,16),1086 der in der LXX als Ausdruck des Zorns Jhwhs gedeutet wird.1087 Allerdings besitzt nicht eigentlich der Kelch in bzw. aus Jhwhs Hand (Ps 75,9; Jes 51,17; Jer 25,15) eine verheerende Wirkung, sondern das Trinken seines Inhalts: Das Getränk macht »wankend« – 1078 1079 1080 1081 1082 1083 1084 1085 1086 1087

Vgl. Merkel/Grimm, Brot, 142f. Balz, ἄρτος, 384. S. Mayer, ‫כּוֹס‬, 108; Feldmeier, Krisis, 176, nennt eine Ausnahme. Ebd. S. A. a. O., 109. S. Sigismund, Ernährung/Lebensmittel, 31. Heilmann, Wein, 40. Vgl. Dubach, Trunkenheit, 192f. Gleiches gilt auch für den Kelchinhalt Wein (vgl. Heilmann, Wein, 40f.). S. Feldmeier, Krisis, 177. S. Patsch, ποτήριον, 340. Vgl. Mayer, ‫כּוֹס‬, 109f.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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es handelt sich also um Wein1088 (»Taumel[wein]kelch«, Jer 25,15; 52,15 LXX; vgl. Jes 63,1–6; Ps 60,5; 59,5 LXX). Das Trinken ist das Bild für den »richtenden Zorn Gottes«1089 (»Kelch des Grimms«, Jes 51,17.22). Zudem lässt die Hebräische Bibel erkennen, dass der Wein in der religiösen Umwelt als Trankopfer dargebracht wurde (vgl. Dtn 32,38; Ps 16,4) und dem antiken Judentum, neben Öl, ebenfalls als Trankopfer diente (vgl. Gen 35,14; Ex 29,40; Sir 50,15 LXX). Für die hellenistisch-pagane Mitwelt Israels ist belegt, dass Wein und Brot bzw. Backwerk, neben Fleisch, ebenfalls zu den Opfergaben zählten.1090 Dionysius Halicarnassensis beschreibt, dass bei einer römischen Eheschließung die Eheleute gemeinsam ein gebrochenes Weizenbrot als Zeichen ihrer Verbindung essen und so zu Koinonoi werden (Ant. Rom. II, 25,3 p. 284).1091 Das geteilte Brot ist als Zeichen dafür zu verstehen, dass das in dieser Form geschlossene Ehebündnis nicht mehr getrennt werden kann.1092 Beim Bündnismahl, bei dem sich die Menschen verbrüdern, indem sie gemeinsam essen,1093 das in Verbindung mit einem Blutbündnisritual stehen kann (s. u.), kann an »die Stelle des Bluts oder des Gemischs von Blut und Wein […] purer Wein treten«1094 – auch in der hellenistisch-paganen Tradition gehört der Wein, neben der Bedeutung als konsumiertes Mahlelement, in den Kontext ritueller Vollzüge (vgl. Libation). Dazu ist der Wein im hellenistisch-paganen Milieu durchaus positiv konnotiert. Deutlich wird dies beispielsweise an einer von Athenaios zitierten Aussage des Sophokles: »Der Rauschzustand ist die Befreiung von Leid.« Dazu gibt Atheneios an, die anderen Dichter würden den »Wein eine Frohsinn stiftende Frucht des Ackers« nennen (Athen., Deipn. II, 11,40). Außerhalb des biblischen Zusammenhangs tritt ποτήριον recht selten auf, da die griechische Sprache für die Bezeichnung von Trinkgefäßen viele Begriffe hat (z. B. κύλιξ, σκύφος, κάνθαρος).1095 An Stelle von ποτήριον finden aber Begriffe

1088 Auch wenn der Wein das menschliche Herz erfreut, weiß das AT, dass sein ausgiebiger Genuss das Wesen des Menschen zumindest kurzfristig verändern und zu einem Rauschzustand führen kann (vgl. Gen 9,21; Jer 51,39.57; Ps 107,27). Aus diesem Grund ist wohl der Weingenuss verboten, wenn man sich in der Stiftshütte versammelt (vgl. Lev 10,9; Ez 44,21). Die Weinfülle ist aber auch ein Bild für den (messianischen) Heilszustand (vgl. Gen 49,10–12; Jes 25,6.65; Jer 31,5; Am 9,13). 1089 Goppelt, ποτήριον, 149. 1090 Vgl. Klauck, Herrenmahl, 48. 1091 Jacoby, Dionysi, 188f. 1092 S. Klauck, Herrenmahl, 53. 1093 S. a. a. O., 36. 1094 A. a. O., 52, mit Belegen, denen zufolge der Wein mit Blut assoziiert wird. 1095 S. Klauser, Becher, 37.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

wie πόμα/»Trank«, πόσις/»Trinken« und πότος/»Trinkgelage« häufige Verwendung (Hom., Od. 10,176).1096 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Apollonios’ Hinweis, man soll aus dem Kelch der Trankopfer nicht selbst trinken (μὴ πίνειν τοῦ ποτηρίου τούτου), sondern ihn für die Götter aufbewahren (Philostr., Vit. Apoll. 4,20).1097 Der Kelch ist ein beliebtes poetisches und in diesem Zusammenhang durchaus ambivalent verwendetes Motiv: »Becher der Liebe« (Theocr. 2,151f.), als Bild für das Schicksal (vgl. Plaut., Cas. 5,2,52), »Becher des Todes« (Cic., Pro. Cluent. 31).1098 Er wird jedoch hauptsächlich als Kultutensil aufgeführt (vgl. Hom., Il. 16,225– 232; SIG3 1099,12)1099 oder ist Gegenstand bei Bundesschlüssen: Das Trinken aus einem gemeinsamen Becher war gängiges Ritual bei Verbrüderungen – der Becher wurde in diesem Kontext »Freundschaftsbecher« (φιλοτησία) genannt (Athen. 11,502b; vgl. Xeno., An. 7,3,29–33).1100

II.3.3.2. Kommunio/Theophagie Der griechische Begriff σάρξ besitzt eine große Bedeutungsspanne: »Fleisch«, »(menschlicher) Körper« oder der »(ganze) Mensch«.1101 Das hebräische Nomen ‫בשׂר‬/bsr1102 sowie dessen Synonym ‫גויה‬/‫גף‬/gaf/gewijah bedeuten »Fleisch, Leib« und bezeichnen den Menschen (vgl. Lev 13,3; Num 8,7).1103 Ersteres drückt den Unterschied und den Abstand zu Jhwh aus, letzteres verweist eher auf den von Leid und Tod bedrohten Menschen,1104 in der LXX wird es mit σῶμα wiedergegeben (s. II.2.2.4.2.3.).1105 Das griechische σῶμα kann sowohl den leblosen »Körper« als auch den lebendigen »Leib« bezeichnen, der von der Seele abtrennbar ist (platonischer »Seele-Leib-Dualismus«1106). Ferner ist σῶμα Begriff für das Kollektiv als »ge1096 1097 1098 1099 1100 1101 1102

1103 1104 1105 1106

Weiher, Homer, 265. Mumprecht, Philostratos, 390. S. Klauser, Becher, 46f. Rupé, Homer, 547; Klauser, Becher, 43f.; Klauck, Herrenmahl, 70 Anm. 192. S. Klauser, Becher, 41; Müri, Xenophon, 411. S. Sand, σάρξ, 549. Dies »ist wohl der umfassendste, wichtigste und häufigste anthropologische Terminus für die äußere, fleischliche Substanz des Menschen […], das heißt das vorwiegend aus Fleisch bestehende Körperliche und seiner Gesamtheit, das überall im AT als Werk von Gottes Händen anerkannt wird (vgl. Jes 45,11f.; 64,8; Ps 119,73; 138,8; Hi 10,8ff.; 31,5)« (Bratsiotis, ‫בשׂר‬, 858). S. a. a. O., 850f., demzufolge es in fast allen atl. Schriften belegt ist, mit Ausnahme von Jos, Amos und Mal. S. Fabry, ‫גויה‬/‫גף‬, 975f. S. a. a. O., 978. Bratsiotis, ‫בשׂר‬, 860.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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ordnete[s] Ganze[s]«1107. Stark abweichend ist das Verständnis im Hebräischen: »Der Mensch hat nicht ein Fleisch und Seele, er ist beides«1108. Diese Dichotomie des Menschen wird mit den Begriffen ‫ בשׂר‬und ‫נפשׁ‬/ne¯fe¯ˇs ausgedrückt; sie sind »als zwei verschiedenartige Aspekte zu verstehen, die das Sein des Menschen als doppelseitiges Ganzes betreffen«1109 – also den inneren und äußeren Aspekt des Menschen zum Ausdruck bringen. Auch die Separierung eines Individuums vom Kollektiv, also von seinem Volk, widerspricht dem hebräischen Verständnis.1110 Die Vorstellung des Essens von menschlichem Fleisch begegnet in der Hebräischen Bibel als Gewaltmotiv gegenüber den Feinden Israels: Mose singt davon, wie Jhwhs Schwert das Fleisch der Feinde verzehren wird (καταφάγεται κρέα) (Dtn 32,42 LXX; vgl. Ez 39,17f. LXX). In Deuterojesaja wird angekündigt, dass Jhwh den Bedrückern ihr eigenes Fleisch zu essen geben wird (φάγονται οἱ θλίψαντές σε τὰς σάρκας αὐτῶν) (Jes 49,26). Das Essen von tierischem Fleisch begegnet sowohl in alttestamentlicher als auch in hellenistisch-paganer Tradition im Opferkontext:1111 Nach Ex 12,8 LXX sollen die Israeliten das Fleisch (des Pesachtieres) essen (φάγονται τὰ κρέα) (vgl. Gen 9,4; Jes 44,19). Auffällig ist hierbei die synonyme Verwendung von σάρξ und κρέας, wobei κρέας häufiger gebraucht wird. Das Blut wird in der Antike oft mit der Lebenskraft des Menschen in Beziehung gesetzt; zugrunde liegt die Beobachtung, dass »dort, wo es aus einem Lebewesen ausströmt, das Leben erlischt«1112. Das Blut galt zudem als mächtig. Die Blutwirkung wird im AT ambivalent beschrieben: Es kann sowohl reinigend (Lev 14,14.49ff.) oder schützend (vgl. Ex 12,7.13.22f.) als auch verunreinigend (Jes 59,3; Klgl 4,14) wirken. Das Judentum repräsentiert eine dem Blutgenuss entsagende Einstellung – er ist sowohl für die Israeliten als auch für Fremde streng verboten (Lev 17,10–14; Gen 9,4; Dtn 12,23; vgl. Apg 15,20.29; 21,25). Das Blutgenussverbot wird damit begründet, dass sich das Leben bzw. die Seele (‫ ;נפשׁ‬ψυχή) im Blut befindet (vgl. Gen 9,4 (LXX); Lev 3,17; 17,11.14 (LXX); Dtn 12,16), das von Gott gegeben ist (vgl. Gen 2,7 (LXX)). Das Blut soll vom Menschen im Kult genutzt werden (vgl. Lev 17,11), denn durch die Opferung und das Ausgießen des Blutes (vgl. Dtn 12,16) wird es Gott zurückübereignet (vgl. Lev 17,11). Nicht nur der Verzehr von Blut entzweit nach alttestamentlicher Vorstellung von Gott, schon der Blutkontakt ist zu vermeiden (vgl. 1Sam 14,32f.; Jes 59,3). Umso bemerkenswerter ist daher, dass einige Texte, vor allem aus prophetischer 1107 1108 1109 1110 1111 1112

Schweizer, σῶμα, 772. Ebd. (Hervorhebung im Original). Bratsiotis, ‫בשׂר‬, 860. S. Schweizer, σῶμα, 772. S. mit Beispielen Klauck, Herrenmahl, 45–76. Bergman, ‫דם‬, 251.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Tradition, Wein und Blut miteinander in Beziehung setzen, wenn sie dem Trinken von Blut eine ähnlich berauschende Wirkung zuschreiben wie dem Weingenuss (vgl. Jes 49,26; Ez 39,19). Dieser Zusammenhang von Bluttrinken und Trunkenheit findet sich in Bildern, die kriegerische Auseinandersetzung und Zerstörung beschreiben (vgl. Num 23,24; Dtn 32,42; Jes 34,7; Jer 46,10; Ez 33,25; 39,17–20; Sach 9,7.15). Auch in anderer Form kommt diese Wein-BlutBeziehung zum Ausdruck: Wein wird als »Traubenblut« bezeichnet (Gen 49,11; Dtn 32,14; Jes 63,1–6; Jer 13,12f.; 25,15–28; Sir 39,26; 50,15 LXX). Voreilige Schlüsse sind hier allerdings nicht angebracht, da das tertium comparationis in der Verbindung dieser beiden Substanzen zum einen wohl darin zu sehen ist, dass sie dieselbe Optik aufweisen und zum anderen, dass sie einen Rauschzustand auslösen können – eine Gleichsetzung über die metaphorische Ebene hinaus ist mit dem Blutgenussverbot unvereinbar und daher nicht anzunehmen.1113 Die Vorstellung vom Blut (αἷμα) als Träger des Lebens ist ebenso für den paganen Bereich anzunehmen,1114 auch wird ihm dort eine »allgemein stärkende und reinigende Kraft«1115 zugeschrieben. Von einer Blutscheu kann, wie bereits anhand der Zauberpapyri und des Mahls im Dionysoskult deutlich wurde (s. II.3.2.2.3.; II.3.2.2.2.1.), nicht gesprochen werden:1116 So wurde z. B. im »Blutbündnis […] Menschenblut tropfenweise in einen Kelch gegeben und von allen Teilnehmern in Wein getrunken«1117. Belegt werden kann dies beispielsweise durch Diodorus, der berichtet, dass Apollodorus einen Jungen tötet und dessen Eingeweide seinen Bündnispartnern zum Verzehr und ihnen dessen Blut mit Wein gemischt zum Trinken reicht (Bib. Histr. 22,5).1118 Dazu ist aus dem Kult der Dea Dia zu erfahren, dass seine Anhänger an ihrem Hauptfest das Blut eines Opferferkels trinken (ILS 5039,17).1119 Pausanias überliefert, dass eine Seherin des Apollos in der Umgebung von Korinth (Argolis) Blut eines Lammes trank und dadurch von Gott ergriffen prophezeite (Grec. Descr. 2,24,1).1120 Und bei

1113 S. Kedar-Kopfstein, ‫דם‬, 254. 1114 S. Rüsche, Blut, 46–56.109–111, demzufolge es pagane Vorstellung ist, dass »die ψυχή in Blut und Atem« lebt (49). 1115 Laubach, Blut, 131. 1116 Ebd. Vgl. Klauck, Herrenmahl, 43 Anm. 26. 1117 Ebd. Vgl. Klauck, Herrenmahl, 52, der schildert, dass sowohl von Catilina als auch von Apollodoros die Geschichte begegnet, sie hätten zum Bundesschluss das Blut eines dafür getöteten Jungen (mit Wein gemischt) getrunken. 1118 Wurm, Diodor′s von Sicilien, 2196. 1119 Kerényi, Mysterien, Abb. Nr. 7 (Sarkophag-Inschrift von Torre Nova, Rom, Palazzo Spagna). 1120 Meyer, Pausanias, 131.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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Euripides ist zu lesen, dass Archilleus seinen Vater auffordert: »Komm, damit du trinkest des Mädchens Blut, das dunkle, unvermischte« (Eur., Hek. 536f.).1121 Außerdem begegnet im griechischen Denken die Vorstellung, aus Brot und Wein entstehe im menschlichen Körper das Blut.1122 Dies lässt sich bereits in der Homer zugeschriebenen Ilias nachlesen: »Brot essen sie nicht, noch trinken sie funkelnden Wein, deshalb sind sie blutlos« (5,34f.).1123 Es wird deutlich, dass dem hellenistisch-paganen Milieu die Vorstellung Blut oder die mit Blut in engem Kontakt stehenden Eingeweide zu verzehren bzw. mit der Nahrungsaufnahme in Verbindung zu bringen nicht fremd ist.

II.3.3.3. Bundesmotiv Der Bund (διαθήκη) ist, abgesehen von den Deuteworten, nie Inhalt der Verkündigung Jesu. Das ist ein wichtiges Argument, in diesen Worten nachösterliches Überlieferungsgut zu sehen.1124 Der Begriff καινὴ διαθήκη/kaine¯ diathe¯ke¯ findet sich in den neutestamentlichen Texten lediglich an wenigen Stellen – außer in dem paulinischen und lukanischen Kelchwort nur noch in 2Kor 3,6 und Hebr 8,8; 9,10; 10,16.1125 In der Septuaginta wird der hebräische Begriff ‫ברית‬/berit mit διαθήκη1126 wiedergegeben.1127 Er füllt die gesamte »Bezugs- und Bedeutungsbreite dieses atl. Zentralbegriffs«1128, hat aber als ein terminus technicus der Rechtsprache eher die Bedeutung »Verfügung«, »(Rechts-)Vertrag« oder »Anordnung«.1129 Im Deutschen wird ‫ ברית‬mit »Bund« wiedergegeben, um ausdrücken, dass es sich hierbei um ein »zweiseitiges Verpflichtungsverhältnis«1130 handelt. Allerdings ist dieser ursprünglich aus dem Vertragswesen stammende Begriff in einen neuen Verstehenshorizont gerückt, wenn es um den Bund mit Gott geht:1131 Jhwh »geht kein wechselseitiges Bündnis ein, sondern gewährt seinen Bund, verpflichtet sich selbst und nimmt in die Pflicht, wem er den Bund auferlegt«1132 (vgl. Dtn 26,17f.). Der Bundesbegriff bezeichnet also keineswegs eine gleichberechtigte Überein1121 1122 1123 1124 1125 1126 1127 1128 1129 1130 1131

Ebener, Euripides II. Hekabe, 241. S. Klauck, Herrenmahl, 40 Anm. 2. Rupé, Homer, 147. S. Gräßer, Bund, 9–16.115. S. Levin, Verheißung, 267. Zur Entwicklung des »Testaments«-Begriffs vgl. Kutsch, Neues Testament, 25f. S. Gräßer, Bund, 4, der wenige Abweichungen aufzählt. Hegermann, διαθήκη, 719. S. Quell, διαθήκη, 106f., der Abweichungen aufzählt. Hegermann, διαθήκη, 719. Das AT spricht auch von Bündnissen zwischen Menschen. Zur Differenzierung der beiden Bundesgruppen s. Quell, διαθήκη, 109–127. 1132 Gertz, Bund II. Altes Testament, 1863.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

kunft zweier Vertragspartner, sondern meint eine von göttlicher Seite gesetzte Verfügung »des einen für die vielen«1133, dessen Gebote von den Israeliten gewahrt werden müssen (»Vasallitätsverhältnis«1134). Im Blick ist folglich der besondere Bund zwischen Jhwh und dem Volk Israel, der immer mit dem von Jhwh auferlegten Gesetz verbunden ist.1135 Neben der Bekräftigung des Bundes durch einen Eid konnte der Bundesschluss auch mit einer Zeremonie begleitet werden, bei der ein »Bundesopfer« vollzogen wurde – wohl um zu zeigen, welche Strafe bei Missachtung des Bundes droht (vgl. Jer 34,18–20).1136 Aber auch eine feierliche Mahlzeit konnte dazu dienen, den Bund zwischen Menschen zu bestätigen (vgl. Gen 26,30; 31,46.54; Ex 24,11; 2Sam 3,20).1137 Der Bund zwischen Jhwh und Menschen, wie am Beispiel von Noah (Gen 9,1–17) sowie Abraham (Gen 15,7–21) zu sehen, wird allerdings nicht durch ein Mahl begleitet. Jedoch wird in Ex 18,12 LXX beschrieben, dass Jitro, Mose, Aaron und die Ältesten am Sinai ein Mahl im Angesicht Jhwhs abhalten (συμφαγεῖν ἄρτον […] ἐναντίον τοῦ θεοῦ), nachdem Jhwh Brand- und Schlachtopfer dargebracht wurden (vgl. Opfermahl).1138 Es wird zwar keine gemeinsame Mahlzeit von Gott und Mensch, aber eine Mahlzeit im Zusammenhang des Bundesschlusses am Sinai und von Jhwh umgeben beschrieben. Im Folgenden werden die den Deuteworten inhärenten Bundesmotive (»Bundesblut« und »neuer Bund«) in den Blick genommen, um zu erarbeiten, inwiefern die paulinische und synoptische Herrenmahlüberlieferung an alttestamentliche Bundesvorstellungen anknüpft. II.3.3.3.1. Bundesblut (Ex 24) Traditionskritisch ist umstritten, ob der in Mk 14,24 überlieferte Begriff »Bundesblut« direkt von Ex 24,8 (MT: ‫ ;הברית דם‬LXX: τὸ αἷμα τῆς διαθήκης) abhängig ist. Immerhin gibt es beachtliche Gründe: »Ohne den Hintergrund in Ex 24 betrachtet, bleibt das Wort vom Bund im markinischen Becherwort tatsächlich unverständlich. Auf dem alttestamentlichen Hintergrund gelesen, ergibt sich eine ganz bestimmte Deutung des Todes Jesu: Jesu Tod ist ein Opfertod; sein Blut besiegelt einen Bund zwischen Gott und Israel.«1139

1133 1134 1135 1136 1137 1138 1139

Sänger, Bund, 217. Hegermann, διαθήκη, 719. S. Behm, διαθήκη, 129f. Vgl. Weinfeld, ‫ברית‬, 790. Vgl. a. a. O., 791; Klauck, Herrenmahl, 61. S. Anm. 1233. Lang, Becher, 202.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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Der aus der so genannten Sinaiperikope stammende Abschnitt Ex 24,1–18 folgt den Bundesanweisungen (Ex 20,22–23,33) und geht dem Bundesbruch sowie dessen Neuerung (Ex 34,10–35) voran.1140 In dem Erzählstück um Ex 24,8,1141 das durch Jhwhs Auftrag an Mose, in Begleitung von Aaron, Nadab und Abihu sowie den 70 Ältesten zu ihm auf den Berg zu steigen (V. 1f.11), gerahmt ist,1142 sind zwei Erzählfäden miteinander verwoben: Zum einen geht es um die schriftliche Fixierung und Verlesung der Worte und Gesetze (‫ )המשׁפטים‬bzw. des Bundesbuches (‫)ספר הברית‬1143 Jhwhs, zu deren bzw. dessen Einhaltung sich das Volk verpflichtet (V. 3–4a.7). Zum anderen wird von einem von Mose errichteten Opferaltar berichtet, an den er einen Teil des Blutes von Jungstieren appliziert (V. 4b – 6; vgl. Lev 1,5). Miteinander verbunden werden diese Stränge durch die Notiz, dass Mose das Volk mit dem restlichen Opfertierblut besprengt. Dazu spricht er die deutenden Worte: »Siehe, das Blut des Bundes, den Jhwh mit euch aufgrund all dieser Worte schließt (MT: ‫ ;כרת‬LXX: διέθετο)1144« (V. 8).1145 Hierbei handelt es sich vermutlich um einen »Koinzidenzfall, d. h. der Bundesschluss fällt mit dem Aussprechen der Worte zusammen bzw. geschieht durch die Äußerung«1146. In der Rahmenhandlung wird berichtet, dass die von Jhwh Ausgewählten (vgl. V. 1f.) ihn »schauten« und aßen und tranken (V. 11). Bemerkenswert ist, dass beide Erzählfäden das Ritual analog beschreiben: Mose nahm (MT: ‫ ;לקח‬LXX: λαβών) und besprengte (MT: ‫זרק‬/zrq; LXX: προσέχεεν/prosecheen bzw. κατεσκέδασεν1147) ein ›Objekt‹ – Altar bzw. Volk – mit Blut derselben Herkunft (V. 6.8). Das Volk und der Altar werden sozusagen aufgrund des Blutes gleichgestellt – das Blut für den Altar unterscheidet sich nicht von dem für das Volk.1148

1140 Vgl. die Gliederung bei Dohmen, Exodus, 42f. 1141 Zu den Gründen V. 3–8 von dem Kontext zu separieren gehören z. B. der Ortswechsel von Mose sowie die unterschiedlichen Aktanten (s. Perlitt, Bundestheologie, 182.190). 1142 Hier wird der Erzählfaden von Ex 20,21 aufgenommen, wo Mose das Volk verlässt, um zu Jhwh zu gelangen. Die nun erfolgte Rückkehr wird mit dem Auftrag Jhwhs an Mose aus Ex 20,22; 21,1 verbunden, nämlich mit der Weitergabe der Gebote (s. Dohmen, Exodus, 198f.). 1143 Diese Unterteilungen begegnen im Bundesbuch nicht, weshalb versucht wurde, sie auf den Dekalog und das Bundesbuch zu beziehen. Allerdings erscheint die Beziehung zum Dekalog wenig sinnvoll, da Jhwh diesen in Ex 20 direkt an das Volk übermittelt. Zudem steht die in V. 4 erwähnte Verschriftlichung im Gegensatz zur Steintafeltradition (vgl. Ex 24,12) (s. a. a. O., 200f.). 1144 »Schneiden« ist der hebr. Ausdruck für das Schließen eines Bundes (s. Weinfeld, ‫ברית‬, 787). 1145 Vgl. Kutsch, Neues Testament, 28. Nach Graupner, Exodus 24, 130, gehört V. 8 zu einem redaktionellen Ergebnis aus nachprophetischer Zeit. 1146 Dohmen, Exodus, 198. 1147 Von κατασκεδάννυμι/»ausgießen« (s. Gemoll, Wörterbuch, 447). 1148 Vgl. Dohmen, Exodus, 203f.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Die Formulierung »Bundesblut« (V. 8) ist analog zum vorangehenden Ausdruck »Bundesbuch« (V. 7) konstruiert, wodurch ein Bezug zwischen ihnen hergestellt wird. Allerdings wird der Bund nicht durch das Bundesblut geschlossen, sondern weil das Volk die Worte des Bundesbuches einhält: »Das Bundesverhältnis konstituiert sich von der ›Annahme‹ der verkündeten Bundesurkunde her, nicht vom Blutritus. Dieser ist, wie die deutenden Worte […] anzeigen, ein äußeres Zeichen, das zur Antwort des Volkes gehört«1149 (vgl. Ex 20,24b). Somit wird in dieser Szene das Volk durch den Blutritus gewahr, dass sie durch ihre Einhaltung des Bundesbuches eine Verbindung mit Jhwh eingegangen sind. Zeichen für diese bestehende Gottesnähe ist die Blutapplikation mit demselben Blut, dass zuvor an Jhwhs Altar gesprengt wurde. Die unmittelbare Gottesnähe wird im Anschluss von den Repräsentanten des Volkes erlebt (V. 11).1150 »Die Feier unterstreicht somit die erfahrene Gottesnähe.«1151 Dieser Text wird in der Forschung unterschiedlich gedeutet: Eine Position geht davon aus, dass das Bundesblut Jhwh und das Volk zu Bundespartnern verbinde.1152 An dieser Position wird Kritik geübt, weil es eine kaum plausible und analogielose Vorstellung sei,1153 dass der Altar (auf dem zuvor Brandopfer dargebracht wurden) Jhwh repräsentiere. Ferner handele es sich bei dem zweimaligen Besprengen nicht um einen Bundesschließungsakt, sondern um zwei unabhängige Akte: Das Besprengen des Altars mit Opferblut lasse sich aus Lev 7,14 (vgl. Lev 16,14f.; 17,6) herleiten, wo beschrieben wird, dass der Priester das Blut des Dankopfers versprengt.1154 Bei dem Besprengen des Volkes handele es sich um die Bestätigung des von ihnen eingegangenen einseitigen Verpflichtungsbundes, sich an Jhwhs Worte zu halten.1155 Das äußerliche Besprengen mit Blut fungiere hier als »sign of this relationship«1156. Der Vergleich von Mk 14,24 und Ex 24,8 ergibt schließlich folgendes: In Ex 24 geht es um tatsächlich appliziertes Blut, während im Deuteworte Jesu Blut, das aber tatsächlich am Kreuz vergossen wurde, gedeutet wird. Es wird deutlich, dass 1149 1150 1151 1152 1153 1154

A. a. O., 203. S. a. a. O., 206. A. a. O., 206. Vgl. Quell, διαθήκη, 124. Zu den Positionen s. Kutsch, Neues Testament, 28 Anm. 92. S. Eberhart, Studien, 273, der Analogien in Jes 6,1–7; 1QSa 1,25–27 annimmt. »Die Targume verstanden die Blutbesprengung ’al-ha¯’a¯m/«auf das Volk« als eine zugunsten des Volkes und fühlten sich an das Ritual des Versöhnungstages erinnert – aus der zentralen berît-Aussage; aus dem reinen Verpflichtungsbund […] war ein auf gnadenhafte Entsündigung gegründeter Heilsbund geworden mit dem Blutritus als Zentrum« (Hegermann, διαθήκη, 722 (Hervorhebung im Original)). 1155 S. Kutsch, Neues Testament, 29.32–34, der die Deutung von Ex 24 als Verpflichtungsbund mit Analogien aus der religiösen Mitwelt belegt: Z. B. verpflichten sich Heerführer mit einem Blutritual – sie benetzen ihre Hände mit Opfertierblut – gemeinsam Theben einzunehmen (30). 1156 Hendel, Sacrifice, 388.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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unterschiedliche Ebenen in den Blick kommen: zum einen die Vorstellung einer tatsächlichen Blutapplikation und zum anderen die Deutung Jesu Kreuzesblutes. Das Blut wird in Ex 24 nicht als Getränk gereicht, sondern versprengt.1157 Das Versprengen von Opferblut ist in der Antike nicht auf den Jhwh-Kult beschränkt, sondern begegnet als gängige Praxis auch bei hellenistisch-paganen Opferzeremonien.1158 In den neutestamentlichen Herrenmahlüberlieferungen ist allerdings keine Rede von einem Opfer Jesu.1159 Im christlichen Mahl werden die Deuteworte zwar auch gehört, aber der Verzehr der Mahlgaben vermittelt die unmittelbare leibliche Erfahrung, die Gegenwart Christi bzw. des Kyrios zu ›verinnerlichen‹. Problematisch ist auch, dass der Sinaibund auf eine schriftliche Urkunde bezogen wird (Ex 24,4a.7ab), während der vom Kyrios Jesus gewährte Bund kein Verpflichtungsbund ist. Das im Kontext von Ex 24,8 beschriebene Mahl wird unter den Menschen abgehalten, nicht aber zwischen Jhwh und den Israeliten, obwohl sein Sichtbar-werden Auslöser für die gemeinsame Mahlzeit ist. Auch wenn die wörtliche Übereinstimmung von Ex 24,8 LXX und Mk 14,24 beeindruckend ist, macht das in der markinischen Tradition eingefügte Personalpronomen μου den entscheidenden Unterschied aus: Es handelt sich um Jesu Blut und nicht um einen Teil von Opfertierblut. Auch dass in der LXX das »Bundesblut« mit anderen Verben (προσέχεεν bzw. κατεσκέδασεν) und Präpositionen (der Kyrios schließt den Bund πρὸς ὑμᾶς περὶ πάντων τῶν λόγων τούτων) als bei Mk (ἐκχυννόμενον ὑπὲρ πολλῶν) verbunden ist, muss bei der Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses berücksichtigt werden. Die Summe der Unterschiede macht eine Abhängigkeit der markinischen Überlieferung von Ex 24 unwahrscheinlich. Plausibler erscheint der Befund, dass ein Bundesschluss in der hellenistischen Mitwelt mit einem Blutritual verbunden sein konnte. Im Hintergrund der Bezeichnung »Bundesblut« in Mk 14,24 steht dann das Bedeutungsspektrum der gesamtantiken Bundesschlusspraxis. Trifft das zu, wird Jesu Tod in der markinischen Überlieferung nicht als Opfer, sondern als Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Mahlteilnehmern gedeutet, den der Kyrios Jesus durch seinen Kreuzestod vermittelt. II.3.3.3.2. Neuer Bund (Jer 31) Nicht wenige Exegeten nehmen an, der »neue Bund« in der paulinischen und lukanischen Herrenmahlüberlieferung sei »die von Jeremia (31,31ff.) verheißene διαθήκη, die an die Stelle der διαθήκη vom Sinai treten soll.«1160 1157 Das Besprengen hat im hebräischen (‫ )נזה‬wie auch in der LXX (ῥαίνω) einen festen Terminus (s. Schlund, Knochen, 24). 1158 S. Klauck, Herrenmahl, 46. 1159 Vgl. Graupner, Exodus 24, 146f. 1160 Kümmel, Theologie, 83f. Vgl. Kutsch, Neues Testament, 110–112; Hegermann, διαθήκη, 722.

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Zur prophetischen Tradition gehört die Ankündigung eines weiteren Bundes (vgl. Jes 55,3; 61,8; Ez 11,19; 16,60; 18,2.31; 36,26), wobei dieser nur in Jer 31,31 (Jer 38,31 LXX) als »neu« (MT: ‫ ;ברית חדשׁה‬LXX: διαθήκην καινήν)1161 qualifiziert wird. Diese Formulierung ist auch in Jer singulär, obwohl es dort wiederholt um das Bundesthema geht (vgl. Jer 32,40; 33,20f.; 34,8–18).1162 In Jer 31,31–34 verheißt Jhwh einen zukünftigen Bund mit Israel und Juda, der sich vom nicht eingehaltenen Sinaibund der Väter,1163 der allerdings nicht das Attribut »alt« trägt, unterscheiden werde (V. 31f.). Es stehen sich in Jer 31 also der künftige »neue« Bund1164 und der nicht eingehaltene Väter-Bund gegenüber. Die beiden Bündnisse mit Jhwh unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ausgangssituation: Das Volk, das, wie die Väter, den Bund mit Jhwh gebrochen hat (vgl. Jer 11,10), ihn aber aufrechterhalten wollte (vgl. Jer 14,21), und Jhwh bleiben die Partner in diesem Bund und Jhwhs Gesetz (‫ ;תורה‬νόμος) sein Inhalt (V. 33). Die Qualifizierung als »neu« bedeutet also – in Korrektur der oben zitierten Auffassung – die Aufrichtung eines inhaltlich unveränderten Bundes, der Bekanntes gleichsam auffrischt. Damit Israel und Juda den zukünftigen Bund einhalten, ändert Jhwh die Strategie der Vermittlung:1165 Die Torah wird, anders als beim Sinaibund, nicht schriftlich fixiert, sondern in die Herzen der Israeliten gegeben, »so dass ein zukünftiger Bundesungehorsam […] unmöglich sein wird«1166 (vgl. V. 33). Ziel dieses Ins-Herz-Gebens bzw. -Schreibens ist die »unmittelbare Gotteserkenntnis«1167 (V. 34). Das Herz als Ort, an dem die Torah verinnerlicht werden soll, zeichnet sich als Sitz der Gefühle aber auch der Einsicht, des Willens und Gewissens aus.1168 Das Eingegebene ist damit auf Dauer angelegt und unveränderlich – Israel wird sich aus sich selbst heraus bzw. aus seinem Inneren bundesgemäß verhalten. Weil Gott der Schreibende ist, ist die »Erkenntnis Gottes gewährt und gewiss«1169. Dass Jhwh seinen Bund dem Volk neu vermittelt, ist zugleich Ausdruck für Jhwhs unerschütterlichen Beistand und seine Nachsicht mit der Schwäche der Israeliten – eher wird er ihnen ihre Schuld vergeben und nicht mehr ihrer Sünde gedenken, als dass er sein Volk im Stich lässt (vgl. V. 34). Wenn aber die Torah

1161 Καινός ist die in der LXX übliche Wiedergabe von ‫( חדשׁ‬s. North, hdsˇ, 779). 1162 S. Fischer, Jeremia, 171. 1163 Dies ist aus dem Hinweis des »Herausführens aus Ägypten« zu schließen (V. 32). Bemerkenswert ist, dass Mose in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird (s. a. a. O., 172). 1164 Nach Fischer, Jeremia, 171, nimmt das Attribut »neu« »das Stichwort aus V. 22 auf«. 1165 S. Kutsch, Neues Testament, 44; Schenker, Bund, 112. 1166 Horn, Verheißung, 188. 1167 Gräßer, Bund, 119. 1168 S. Schmidt, Jeremia, 145. 1169 Ebd.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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künftig in den Herzen der Israeliten ist, muss Jhwh keine Sünden mehr vergeben – denn es werden keine mehr begangen werden. Im Hinblick auf die Verwendung des Ausdrucks »neuer Bund« in der paulinischen und lukanischen Herrenmahlüberlieferung ist zunächst auffällig, dass die in Jer 31 zentralen Stichwörter Exodus, Bundesbruch, Gesetz, Erkenntnis und Vergebung (vgl. aber Mt 26,28, wo der Ausdruck »neuer Bund« fehlt) dort nicht begegnen. Zudem unterscheidet sich die dortige Wortstellung von derjenigen der LXX.1170 Umgekehrt ist in Jer 31 nirgends die Rede von einem Kelch oder Blut durch den bzw. durch das der Bund entsteht. Der Bund von Jer 31 wird »im Unterschied zum Sinaibund gerade nicht mittels eines Blutritus am Altar geschlossen«1171. In Jer 31 geht es um die »Erneuerung des Alten Bundes«1172 durch die Vorstellung einer ins Herz geschriebenen Thora, nicht aber das in Kraft treten eines neuen, davon unabhängigen Bundes.1173 Der »neue Bund« im Herrenmahl erscheint ebenfalls als einer mit einer neuen Qualität:1174 »Die Rede von der ›Neuheit‹ durchzieht früheste und unterschiedliche urchristliche Aussagen (vgl. Mk 1,27; 2,21; Joh 13,34; Röm 6,4; 7,6; 2Kor 3,6; 5,17; Gal 6,5; Eph 2,15; 4,24; 1Joh 2,7f.; Offb 2,17; 3,12)«1175. Es gibt also zumindest eine, insbesondere in der paulinischen Briefliteratur zum Ausdruck kommende, Linie in der frühchristlichen Reflexion über den Bund, die von Jer 31 inspiriert ist, auch wenn dies nicht die einzige Linie sein mag. Vorstellbar ist schließlich, dass durch die Einfügung des καινήν in die paulinische und lukanische Herrenmahlüberlieferung auf genau diese traditionsgeschichtliche Linie angespielt wird.

II.3.3.4. ὑπέρ-Wendung In der markinischen (Mk 14,24), paulinischen (1Kor 11,24) und lukanischen (Lk 22,19f.) Herrenmahlüberlieferung sowie im Anschluss an die johanneische Lebensbrotrede Jesu (Joh 6,51) findet sich eine ὑπέρ-Wendung. Im Gegensatz zur übrigen neutestamentlichen Überlieferung begegnet dieses Motiv aus dem Munde Jesu,1176 der seine Adressaten direkt anspricht. Auch die sonst bezeugte Verbindung mit dem Verb »sterben« (Röm 5,6.8; 2Kor 5,14f.; Joh 11,50f.; vgl. Gal 1170 1171 1172 1173 1174

In Jer 38 LXX steht das Adjektiv καινός hinter seinem Bezugswort. Weidemann, Bundesblut, 90 (Hervorhebung im Original). Gräßer, Bund, 120 (Hervorhebung im Original). Vgl. Kutsch, Neues Testament, 39. In diese Richtung argumentiert Wagner, Bedeutungswandel, 543. Vgl. 2Kor 3,6, wo Paulus von einem Bund spricht, der nicht von Buchstaben, sondern vom Geist bestimmt ist. 1175 Horn, Verheißung, 196. 1176 Das sog. »Lösegeldwort« in Mk 10,45; Mt 20,28 ist zwar als Logion überliefert, aber mit der Präposition ἀντί + πολλῶν formuliert.

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2,20; Joh 15,13) oder der Verweis auf die Beseitigung der Sünden (1Kor 1,3; Gal 1,4; vgl. Röm 8,32; 2Kor 5,21) fehlt, was Indizien dafür sind, dass die ὑπέρWendung der Deuteworte ein frühes Stadium der frühchristlichen Mahlinterpretation repräsentiert. Die Unterschiede zwischen den Herrenmahltraditionen bestehen darin, dass bei Markus ὑπέρ in Verbindung mit πολλῶν am Ende des Deuteworts zur Kelchhandlung steht, während in der paulinischen Tradition im Brotwort ὑπέρ mit ὑμῶν verbunden ist und Lukas beide Varianten überliefert. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Matthäus, der als einziger die Vergebung der Sünden in das Kelchwort redaktionell integriert (Mt 26,28), anstelle von ὑπέρ περί verwendet. Umso erstaunlicher erscheint die Annahme, die ὑπέρ-Wendung verweise auf die soteriologische Deutung Jesu Tod als ›Sühne‹. In der Forschung wird nämlich häufig angenommen, die ὑπέρ-Wendung, welche in etlichen neutestamentlichen Texten begegnet (vgl. Joh 11,50–52; 18,14; Röm 5,6.8; 8,32; 2Kor 5,14f.; Gal 1,4; 2,20), habe den frühen Christen als Deutungskategorie für Jesu Tod gedient,1177 dem im Sinne eines aus alttestamentlichjüdischer Tradition bekannten Opfertodes sühnende und/oder stellvertretende Funktion zukomme.1178 Diese Deutung der ὑπέρ-Wendungen setzt voraus, dass sich »im Urchristentum eine soteriologische Verwendung von ὑπέρ mit einem einheitlichen historischen bzw. traditionsgeschichtlichen Haftpunkt ausmachen ließe.«1179 Zu bedenken ist allerdings der Befund, dass sich ähnliche Aussagen auch mit anderen Präpositionen verbinden (Mk 10,45 par.) und sich die neutestamentlichen Texte unterschiedlicher religions- und traditionsgeschichtlicher Hintergründe bedienen, um Jesu Tod zu deuten.1180 Dazu wird die ursprünglich lokale Präposition ὑπέρ (mit Gen.)/»über (…hinaus), oberhalb«1181 in den neutestamentlichen Texten wie in der LXX in metaphorischer Weise mit der Bedeutung »für/zugunsten/anstelle von/im Hinblick auf/um – willen«1182 verwendet.1183 Diese Bedeutung eröffnet ein breites Spektrum an Möglichkeiten konkretisierender semantischer Aussagen.1184 Deshalb ist es aus philologischer Sicht 1177 Die ὑπέρ-Wendung in ihrer Langform Χριστὸς ἀπέθανεν ὑπὲρ τῶν ἁμαρτιῶν ἡμῶν/ »Christus starb für unsere Sünden« (1Kor 15,3; vgl. 1Thess 5,10) gehört zum Kernbestand der frühchristlichen Deutungstradition des Todes Jesu (s. Breytenbach, Christus, 448). 1178 Hergeleitet wird es in der älteren Forschung aus der Märtyrertradition (s. Lohse, Märtyrer, 75.113–116; Delling, Tod, 336–346). 1179 Schröter, Sterben, 266. 1180 Vgl. die Aufzählung bei Schröter, Sühne, 57. 1181 Das »über jmd./etw. sein« entspricht der Vorstellung »jmd./etw. schützend bedecken« (s. ebd.). 1182 Bauer, Wörterbuch, 1670–1673; Riesenfeld, ὑπὲρ, 511–517. 1183 Schröter, Sterben, 266, verweist auf die Austauschbarkeit vor allem mit der Präposition περί, weil beiden die »Vorstellung des Handelns zugunsten« als gemeinsamer Grundgedanke innewohne. 1184 Die Präposition kann folglich das »Eintreten zugunsten einer Sache, einer Überzeugung oder anderer Menschen, die Vertretung eines Menschen durch einen anderen, die Be-

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unmöglich, »die Deutung des Todes Jesu als eines stellvertretenden oder gar sühnenden Sterbens mit dem Vorkommen der Präposition«1185 herzuleiten, ohne den jeweiligen Kontext zu bedenken. Zudem handelt es sich bei den Begriffen ›Sühne‹ und ›Stellvertretung‹ nicht um biblisch geprägte Begriffe, sondern »um Interpretationsmodelle [….], die den quellensprachlichen Befund mit Termini und Vorstellungen deuten, […] und deshalb auch nicht den Autoren dieser Texte zugeschrieben werden dürfen«1186. Allenfalls können sie als weit gefasster abstrakter Oberbegriff, der keinen Bezug zum griechischen oder hebräischen Wortlaut hat, verwendet werden, um generelle Aussagen zu treffen. Daher muss im Folgenden der Frage nachgegangen werden, in welcher Weise die ὑπέρ-Wendung Jesu Tod im Kontext der Herrenmahlüberlieferung deutet. II.3.3.4.1. ›Sühne‹ bzw. ›Stellvertretung‹ Der Begriff ›Sühne‹, der häufig als Bezeichnung für die Deutung des Todes Jesu genannt wird, wird aus dem griechischen Wort ἱλάσκομαι/hilaskomai abgeleitet, da etwa vier Fünftel aller Belege der hebräischen Wurzel ‫כפר‬/kpr von der LXX mit Derivaten von ἱλάσκομαι wiedergegeben werden.1187 Es ist aber problematisch, den aus der germanischen Rechtsprache stammenden Begriff ›Sühne‹ aus ἱλάσκομαι herzuleiten, da ›Sühne‹ etymologisch mit »Aus- bzw. Versöhnung« – also der »Beilegung von Streitigkeiten bzw. Wiedergutmachung geschehenen Unheils«1188 – in Zusammenhang steht, während ἱλάσκομαι auf die Besänftigung göttlichen oder menschlichen Zornes oder auf kultische Reinigung zielt.1189 Außerdem begegnet ἱλάσκομαι als Verb im Neuen Testament lediglich in Lk 18,13; Hebr 2,17 und substantivisch in Röm 3,25; Hebr 9,5; (ἱλαστήριον; vgl. Lev 7,7; 17,11)1190 ; 1Joh 2,2; 4,10 (ἱλασμός; vgl. Lev 25,9)1191, wo es mit keiner Besänftigungsabsicht in Zusammenhang steht.1192 Aus den genannten Gründen ist der Begriff ›Sühne‹ somit als Kategorie zur Deutung des Todes Jesu auszuschließen.

1185 1186 1187 1188 1189 1190 1191 1192

zeichnung der Sache, im Hinblick auf die bzw. der Ursache, derentwegen etwas geschieht« meinen (s. Schröter, Sterben, 267. Vgl. Bieringer, Ursprung, 232). Schröter, Sterben, 267. Schröter, Sühne, 53. S. Knöppler, Sühne, 37. Schröter, Sühne, 61. S. a. a. O., 60f. Dies ist mit »Sühnmittel« zu übersetzen (Gemoll, Wörterbuch, 410). Dies ist mit »Versöhnung« zu übersetzen (Bauer, Wörterbuch, 762). Vgl. mit Belegen Breytenbach, Christus, 459.467f., demzufolge dieser Aspekt aber zentral sei; Knöppler, Sühne, 40, demzufolge im profanen Griechisch die Gottheit immer Objekt, in der LXX aber nie Objekt des Verbs ἱλάσκομαι sei.

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Die meisten Belege für ‫ כפר‬finden sich in der priesterschriftlichen Texttradition, in der das auf der Bundeslade liegende Kapporet am Versöhnungstag mit Opferblut bespritzt wurde, weshalb ihm eine besondere Bedeutung als Terminus der Opferkultsprache zukommt (vgl. Lev 16,14–17).1193 In Lev 4,7.18.25.30.34 wird beschrieben, dass zu diesem Ritual auch gehört, das Opfertierblut an den Sockel des Altars auszugießen (ἐκχεεῖ). Das von der LXX gebrauchte Verb begegnet als Partizip ebenfalls in der synoptischen Herrenmahlüberlieferung (ἐκχυννόμενον; Mk 14,24; Mt 26,28; Lk 22,20). Nicht nur in dieser terminologischen Analogie zur synoptischen Herrenmahlüberlieferung kann eine Gemeinsamkeit gesehen werden, denn in der Forschung wird zudem auf das so genannte Sündenbockritual verwiesen: In Lev 16,21f. ist das einzige Mal in der Hebräischen Bibel von »einer Übertragung der Sünden (Israels) mittels der Handaufstemmung die Rede«1194. Indem Aaron die Handaufstemmung vollzieht und gleichzeitig alle Schuld und Verfehlungen benennt, entsteht eine »›Subjektübertragung‹: Mit diesem Gestus überträgt der Opfernde sein der Sünde verfallenes Subjekt auf das Opfertier«1195, wodurch er an dessen als »den eigenen, von dem sterbenden Opfertier stellvertretend übernommenen Tod«1196 partizipiert. Dadurch, dass ein Mann den Ziegenbock in die Wüste bringen und der Sündenbock aus dieser auch nicht wieder zurückgeholt werden soll (V. 22), steht ein eliminatorischer Gedanke im Hintergrund1197 – die »ganze Ritualsequenz […] dient der Beseitigung der quasi ›substanzhaft‹ gedachten Verschuldungen Israels«1198. Nicht nur darin, dass der Bock am Leben bleibt, sondern auch aufgrund der Vorstellung eines wiederholbaren Opferritus mit einem Tier, bestehen Unterschiede zu der Deutung des Todes Jesu. Dazu gibt die LXX den beschriebenen Vorgang nicht mit ὑπέρ, sondern mit der Präposition περί (Lev 16,11.17.24; vgl. ebenso Mt 26,28) oder ἀπό (Lev 16,16) wieder. Die Bezeichnung des vorbildlichen Liebesdienstes einer rettenden Lebenshingabe mit dem Begriff ›Stellvertretung‹ begegnet erst seit der Aufklärung.1199 1193 1194 1195 1196 1197

S. Knöppler, Sühne, 6. Janowski, Sühne, 209. Knöppler, Sühne, 13. Janowski, Sühne, 359. S. a. a. O., 210, demzufolge die Grundstruktur auf einer »magischen Übertragung […] und anschließenden Entfernung […] der materia peccans durch ein dafür vorgesehenes Substitut« basiert (kursiv im Original), weshalb es sich hierbei auch nicht um den Stellvertretungsgedanken handelt (219): »Darum ist das Wesentliche bei der kultischen Stellvertretung nicht die Übertragung […], sondern die im Tod des Opfertieres, in den der Sünder hineingenommen wird, indem er sich mit diesem Lebewesen durch die Handaufstemmung identifiziert, symbolisch sich vollziehende Lebenshingabe des homo peccator« (220f., Hervorhebung im Original). Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund des Sündenbockrituals (211–215). 1198 Hartenstein, Bedeutung, 130. 1199 S. Menke, Stellvertretung, 82f.

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Dem Stellvertretungsbegriff wohnt der Gedanke inne, dass »das Schicksal Jesu Christi nicht von ihm selbst, sondern durch die Schuld anderer Menschen verursacht, von ihm jedoch an ihrer Statt getragen wurde.«1200 Es zeigt sich, dass unter dem Stellvertretungsbegriff verschiedene den neutestamentlichen Texten inhärente Vorstellungen zusammengefasst sind. Diese »stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sind häufig miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig. Atl.-jüdische Modelle wie […] der leidende Gottesknecht werden ebenso herangezogen wie Topoi der hellenistischen […] Aussagen über Opfer, rettende Lebenshingabe […] und vorbildliches Leiden«1201. Besondere Beachtung in der Forschung erhält in diesem Zusammenhang das vierte »Gottesknechtslied«1202 des Deuterojesaja (DtJes 53,4–7). Der Gedanke des »stellvertretenden Leidens«1203, der in diesem poetischen Text zum Ausdruck kommt, ist in der Hebräischen Bibel außergewöhnlich und einzigartig:1204 In dem Erzählstück DtJes 53,1–11a erzählt ein Kollektiv von einem, der in der Vergangenheit ihr Leid getragen hat. Ab 53,11b spricht Jhwh von seinem gerechten Knecht, der die Verfehlungen vieler trägt (V. 12; MT: ‫ ;רבים‬LXX: πολλοὺς bzw. πολλῶν; vgl. πολλῶν in Mk 14,24)1205 – das heißt der Leidende spricht, im Gegensatz zu den Deuteworten des Herrenmahls, nicht selbst. Die Gestalt des Knechts Jhwhs bleibt deutungsoffen; gerade »die poetische Unbestimmtheit, das Changieren zwischen individueller, kollektiver und repräsentativer Füllung der Gottesknechtsgestalt scheint bewusst gezeichnet zu sein. So wird dieser konkrete Diener Jhwhs zu einer Symbolgestalt, die zu immer neuer Identifikation einlädt«1206. Das Kollektiv beschreibt das Leid als äußerlich sichtbar und ihn als so gezeichnet, dass er kaum noch als Mensch erkennbar war (V. 3). Sie hielten es für seine eigenen bzw. selbstverschuldeten Plagen (V. 4), bis sie nach seinem Tod erkannten, dass er schuldlos war und seine ‫ נפשׁ‬als Schuldopfer (‫)אשׁם‬1207 für ihre Verfehlungen gegeben hatte (V. 9f.) – ohne dass er sich darüber beklagte

1200 Schröter, Sühne, 67. 1201 A. a. O., 70f. Vgl. Wengst, Formeln, 67–69, der den griechischen Gedanken stets mit dem alttestamentlichen ›Sühne‹gedanken verbindet und die Vorstellung des »stellvertretenden Sühnetodes« mit Lohse, Märtyrer, 71, im palästinischen Judentum verortet (62). 1202 Die Einteilung in vier »Gottesknechtslieder« geht auf Duhm, Jesaja, 311, zurück. 1203 Lohse, Märtyrer, 220. 1204 S. Kraus, Jesaja, 147. 1205 S. ebd.; Fohrer, Jesaja, 161, zufolge bezieht sie »die Vielen« auf die Heiden. Jeremias, Abendmahlsworte, 218; Schmithals, Mk, 617; Niemand, Abendmahl, 104, meinen, Jes 53 bilde den Hintergrund für die mk Herrenmahlüberlieferung. 1206 Woyke, Gottesknecht, 209. 1207 Gemeint ist hier wohl kein im kultischen Sinne dargebrachtes Opfer, sondern es geht um das »Ertragen von Schuld anderer, um Ersatzleistung zur Kompensierung von Schuld« (a. a. O., 207).

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(V. 7).1208 Damit enthüllt die Gruppe das »Geheimnis der Stellvertretung«1209, denn »an seinem schuldlosen Leiden geht dem Betrachter der Blick für die eigene Schuld auf«1210 : »Sein Eintreten bedeutet für die Betroffenen in jeder Hinsicht Schicksalswende«1211. Das Erkennen des Schuldig-Seins durch einen Anstoß von außen verändert den Blick des Schuldigen auf sich, wodurch eine Veränderung bewirkt wird und somit ein Umdenken beginnen kann.1212 Mit dieser Grundidee steht der Text durchaus in der Nähe zum Herrenmahl. Allerdings liegt auch hier ein entscheidender Unterschied vor: In DtJes 53 LXX begegnen nur die Präposition διά/dia (V. 5.12) und ἀπό/apo (V. 8), denen eine kausale bzw. finale Bedeutung zukommt,1213 weshalb die Übertretungen der Menschen im Blick sind. Es ist eher anzunehmen, dass kein direkter Bezug zum Herrenmahl besteht. Hierzu passt auch der auffällige Befund, dass die Vorstellung vom ›leidenden Gerechten‹ im Passionsbericht nicht dezidiert aufgegriffen wird. Das geschieht vielmehr erst in späteren neutestamentlichen Texten, in denen DtJes 53 »dann zumindest auch auf das vorbildliche geduldige Leiden Christi und nicht auf sein sündenbeseitigendes Sterben bezogen«1214 wird (vgl. Apg 8,32f.; 1Petr 2,22–25).1215 Abschließend ist festzuhalten, dass nicht jede ὑπέρ-Wendung zugleich den ›Stellvertretungsgedanken‹ repräsentiert, denn dieser begegnet nur dort, »wo Jesus an die Stelle anderer tritt und damit das eigentlich ihnen zugedachte Geschick auf sich nimmt.«1216 Zum anderen beschränkt sich der ›Stellvertretungsgedanke‹ nicht nur auf die Deutung des Todes Jesu, sondern bezieht sich auf »die Gesamtexistenz Jesu, d. h. das Leben, das Jesus in liebender Hingabe an die anderen gelebt hat, und den Tod, der die Konsequenz – und nicht das Ziel (Finalsinn) – dieses Lebens war«1217. Die Deuteworte verweisen folglich nicht nur auf die Passion, sondern beziehen Jesu Wirken ein. Deshalb muss im Folgenden auf den subsumierenden Begriff der ›Stellvertretung‹ zugunsten eines differenzierteren Terminus verzichtet werden, der diesen Mehrwert deutlich machen kann (s. u.). 1208 1209 1210 1211 1212 1213

1214 1215 1216 1217

S. Kraus, Jesaja, 151. A. a. O., 149. Fohrer, Jesaja, 164. Kraus, Jesaja, 150. Vgl. Janowski, Sünden, 324f. Vgl. Hofius, Gottesknechtslied, 42–439; Klauck, Herrenmahl, 308 Anm. 137; Riesenfeld, ὑπὲρ, 514, bringt das Fehlen zu der Annahme, die Anspielung auf Jes 53,12 stamme aus der »Zeit vor der Übersetzung der Abendmahlworte ins Griechische«. Laut Söding, Starke, 86, betonen diese Präpositionen stärker den Grund und Zwek als ὑπέρ. Schröter, Sühne, 65. Kraus, Jesaja 53 LXX, 179, nimmt an, dass Jes 53 MT erst nach Bestehen der soteriologischen Interpretation des Todes Jesu Bedeutung erlangt. Schröter, Sühne, 68. Janowski, Leben, 116 (Hervorhebung im Original).

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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II.3.3.4.2. ›Sterben-für‹ im hellenistischen Kontext Wie deutlich wurde, können die bisher vorgestellten, von der Forschung angenommenen Bezüge und Terminologien die Bedeutung der ὑπέρ-Wendung der Herrenmahlüberlieferung nicht zufriedenstellend erklären. Aus diesem Grund kommt im Folgenden die hellenistische Vorstellung des ›Sterbens für‹ in den Blick:1218 Neben verschiedenen Anlässen, für die ein ›Sterben für‹ in der hellenistischen Tradition bzw. Freundschaftsethik belegt ist, z. B. für das Vaterland oder ein Familienmitglied,1219 erscheinen folgende Beispiele als besonders erwähnenswert: a) Das Opferferkel: Wie bereits bei den Ausführungen zum eleusinischen Demetermythos erwähnt (s. II.3.2.2.2.2.), wurde jedem Teilnehmer der Kultmahlfeier ein Ferkel zugeordnet. Womöglich diente dieses Ritual, bei dem der Myste sein Ferkel im Gewässer wusch, ehe es geschlachtet und zu Ehren der Göttin verspeist wurde (vgl. Plut., Phoc. 28,3), der Initiation.1220 Von Karl Kerényi wird die Meinung vertreten, dass sich durch das Waschen der Myste mit dem Ferkel identifiziere. Daraus folgert er: »Das Schlachten der ›mystischen Ferkelchen‹ war ein wirkliches Sühnopfer, das Tierchen starb in Stellvertretung für den Initianden.«1221 Dies bestätigt die sich aus der vorangehenden Untersuchung ergebene Vermutung, dass der Ursprung des sich mit ὑπέρ verbindenden Gedanken nicht zufriedenstellend aus dem alttestamentlichen Kultopfer ableiten lässt, denn er scheint auch bei hellenistischpaganen Opferzeremonien anzutreffen zu sein. b) In seiner Tragödie »Heraclidae« verwendet Euripides die Formulierung θνῄσκειν […] ὕπερ/»sterben für« (Eur., Herac. 532),1222 um Makarias Versprechen, für ihre Geschwister zu sterben, auszudrücken. Herakles’ einzige Tochter wählte den Freitod, da laut eines Orakelspruches die mit den Herakliden verbündeten Athener Eurystheus nur besiegen konnten, wenn jemand von hoher Abstammung geopfert werden würde.1223 Hieran wird deutlich, dass das ›Sterben für‹ im hellenistischen Kontext »den Sinn hatte, diejenigen, denen es zugute kommt, aus einer lebensbedrohlichen Lage zu retten«1224. 1218 S. Henten, Jewish Martyrdom, 167f.; Avemarie, Lebenshingabe, 210, zufolge ist die »für das christliche Bekenntnis charakteristische Konzentration auf eine einzige Person und einen einzigen Heilstod von universaler Bedeutung […] dem rabbinischen Denken fremd«. 1219 S. mit Belegen Breytenbach, Christus, 456f. 1220 Ziegler, Plutarchi, 23. 1221 Kerényi, Mysterien, 69, der sich auf die Darstellung der Urna Lovarelli, Rom Museo Nazionale delle Terme, bezieht (s. Abb. 8a). 1222 Zum Text s. Ebener, Euripides III. Die Kinder des Herakles, 152. 1223 S. Tetzner/Wittmeyer, Götter- und Heldensagen, 177. 1224 Breytenbach, Christus, 470.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

c) Der Mythos von Alkestis: Alkestis, die Ehefrau des Admetos, will sterben, um das Leben ihres Mannes zu retten – das Motiv für dieses ›Sterben für‹ ist das selbstlose Handeln aus Liebe (Eur., Alk. 284).1225 Hieraus ergibt sich, dass das ›Sterben für‹ (mit der ὑπέρ-Wendung) in hellenistischer Tradition nicht nur das ›Sterben anstelle von‹ bezeichnen, sondern auch den Zweck und den Grund hervorheben kann.1226 Ähnlich ist die paulinische Verwendung der ὑπέρ-Wendung zu beurteilen; so lässt sich formulieren, Paulus »integriert die griechische Vorstellung des ›des Sterbens für‹ in sein Konzept vom Sterben Christi als Akt der Liebe Gottes zu den Menschen«1227 (vgl. Röm 5,6–8; 2Kor 5,14; 1Thess 5,10).1228 In dieser Vorstellung des ›Sterbens für‹ aus unbedingter Liebe als Einstehen bis zum Äußersten ist der deutlichste traditionsgeschichtliche Anknüpfungspunkt der ὑπέρ-Wendung der Deuteworte anzunehmen: Sie ist eine umfassende »Konzeption stellvertretender Gesamtexistenz, in welcher der Tod Jesu nicht als solcher, sondern als Teil und Höhepunkt des gesamten Lebens und Dienstes Jesu stellvertretende Bedeutung besitzt«1229.

II.3.3.5. Erinnerungsmotiv Das Erinnerungsmotiv der paulinischen und lukanischen Herrenmahltradition ist, wie gezeigt, auch bei der Deutung der Mahlelemente im Pesachmahl anzutreffen: Durch die Deutung der Mahlgaben auf das Exodusgeschehen wird das Heilshandeln Gottes an seinem Volk vergegenwärtigt. Wie erwähnt, liegt ein Unterschied zur Erinnerungsaufforderung im Herrenmahl darin, dass das zu erinnernde Geschehen in der Vergangenheit liegt, während die Vergegenwärtigung im Herrenmahl auf gegenwärtiges Erleben und als Vergewisserung für die Zukunft verstanden wird. Ein weiterer Unterschied liegt in dem, was erinnert wird: Beim Pesachmahl ist es ein heilvolles vergangenes Geschehen, beim Herrenmahl die Person Jesu samt der Bedeutung seines Wirkens, Leidens und Sterbens (s. II.3.2.1.1.).

1225 S. a. a. O., 457–459.463f. Die Übersetzung des griech. Texts lautet »Weil ich dich ehre und das Licht der Sonne dir an meiner Statt vergönnte, sterbe ich für dich (ὑπὲρ σέθεν), obwohl ich nicht sterben brauchte« (Ebener, Euripides II. Alkestis, 39). 1226 S. a. a. O., 462. Vgl. Versnel, Athenis, 186f.; zur Unterscheidung vgl. Jonge, Jesus’ death, 147f. 1227 A. a. O., 468. 1228 Zur Auslegungung s. a. a. O., 471–475. 1229 Röhser, Stellvertretung, 123.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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In ähnlicher, nämlich auf eine Person bezogene, Weise begegnet das Erinnerungsmotiv im antiken (Toten-)Gedächtnismahl1230, da es das »Andenken des Toten auch in zeitlichem Abstand wach zu halten und die Weiterführung seines Kults zu sichern«1231 vermag.1232 In diesem, meist auf eine testamentarische Stiftung zurückgehenden, Mahl verbindet sich die erinnernde Totenverehrung mit Elementen des Opfer-1233 und des Vereinsmahls. Das sei an einem Beispiel illustriert (ca. 2. Jh. v. Chr.): Eine Witwe namens Epiketa von der Insel Thera, die auch ihre Söhne verloren hatte, »richtet bei einem »Musenheiligtum, das ihr Mann erbaute, einen Heroenhain ein und gründet einen kapitalkräftigen Kultverein«1234. Die Zinserträge sollen für eine jährlich stattfindende Gedenkfeier verwendet werden, bei der sowohl für die Musen, als auch für das Elternpaar und seine Söhne geopfert werden soll.1235 Aus einem Beschluss dieses Vereins geht hervor, dass zwischen Mahlzeit und Symposion für die Stifter eine Libation (s. II.3.2.2.1.) erfolgte.1236 Aus dem Kontext von gestifteten Gedächtnismählern sei auf die Formulierung eines Erinnerungsbefehls verwiesen, der zu einer kaiserlichen Grabinschrift aus Bithynien gehört: ποιεῖν αὐτοὺς ἀνά[μ]νη[σ]ίν μου/poiein autous ana[m]ne¯[s]in mou.1237 Dieses Erinnerungsmotiv wird allerdings nicht zusammen mit einem Mahl genannt. Die übrigen terminologischen Bezüge zum Erinnerungsaspekt werden nicht mit ἀνάμνησις, sondern μνήμη ausgedrückt,1238 was Jeremias dazu bringt, eine direkte Abhängigkeit zum Herrenmahl in Frage zu stellen.1239

1230 Diese sind vom »Totenopfer« bzw. der »Totenspeisung«, bei dem Mahlgaben und Geschirr im Grab mit beigesetzt wurden (s. Klauck, Herrenmahl, 77–80), und dem »Leichenmahl«, das im Bestattungsritus dem Begräbnis vorausging oder folgte (s. a. a. O., 81–83), zu unterscheiden. Letzteres klingt wohl in Jer 16,7 an (Trauerbrot brechen (LXX: κλασθῇ ἄρτος ἐν πένθει αὐτῶν εἰς παράκλησιν), Trostbecher trinken (vgl. u. a. 2Sam 3,35; Ez 24,17.22)). Die dort anklingende negative Sicht des Totenkults begegnet auch in Dtn 14,1; Lev 19,28; Hos 9,4. 1231 Klauck, Herrenmahl, 83, demzufolge diese Stiftungen zwar im 3. Jh. v. Chr. begannen, ihre Blüte aber erst in den nachchristlichen Jahrhunderten erreichten. 1232 S. Lietzmann, Messe, 251, der den paulinischen Mahltyp aus dem hellenistischen Gedächtnismahl beeinflusst sieht. 1233 »Die Normalform des Opfers ist das Schlachtopfer mit anschließendem Opfermahl« (Klauck, Herrenmahl, 45). Das Opfermahl schließt sich dem Opferritual an oder gehört zum Ritual. Teile der Opfergabe (meist von Tieren) bilden den Götteranteil, andere werden von den Teilnehmern verzehrt (vgl. Hom., Od. 20,25f.). 1234 Klauck, Herrenmahl, 83. 1235 Laum, Stiftungen II, 43 Nr. 43. 1236 Vgl. mit Belegen Klauck, Herrenmahl, 83–85. 1237 Laum, Stiftungen II, 141 Nr. 203. 1238 S. Klauck, Herrenmahl, 84f. 1239 S. Jeremias, Abendmahlsworte, 232f.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

In der Forschung wurde die Annahme vertreten, zwischen den hellenistischen Gedächtnismählern und dem Herrenmahl bestehe eine Beziehung.1240 Aktuell bestimmt Angela Standhartinger das Herrenmahl »nicht nur als Symposium, Abschieds- und Freudenmahl, sondern ebenso als Totenmahlzeit, bei die Überlebenden mit dem Verstorbenen nunmehr Auferstandenen gemeinsam Mahl halten«1241. Ihr zufolge bildet die Totenklage1242 (vgl. Hom., Il. 24,722– 747)1243, die mit der Totenmahlzeit verbunden ist, den frühesten Bestandteil der Deutung des Todes Jesu.1244 Für sie ist der Verstorbene Gastgeber des Mahls, bei dem »symbolisch mit Hilfe von Brot und Wein die Grenze zwischen Tod und Leben überschritten«1245 werde. Dazu liege in der Totenklage die Möglichkeit, in der »der Verstorbene selbst das Wort ergreifen und zu den Hinterbliebenen sprechen«1246 kann. Dies leitet Standhartinger aus Grabinschriften ab, die in der 1. Pers. Sg. formuliert sind.1247 Gegen eine Abhängigkeit des Herrenmahls aus dem (Toten-)Gedächtnismahl spricht aber, dass die Analogie allein in der Erinnerungsfunktion besteht, dass das Gedächtnismahl der Sättigung dient und dass die Gedächtnisfeier meist auf den Geburtstag des Verstorbenen terminiert ist und nicht häufiger stattfand.1248 II.3.3.6. Schlussfolgerungen Zur Deutung ihres heiligen Mahls hat die frühchristliche Gemeinde keine neuen Inhalte erfunden, sondern sich an Vorstellungen aus ihrer Mitwelt orientiert – vorrangig, aber keineswegs ausschließlich an der alttestamentlich-jüdischen Tradition. Dadurch ist zu erklären, weshalb sich in der Herrenmahlfeier und den hierbei verwendeten Deuteworten hellenistisch-jüdische und hellenistisch-pagane Mahlaspekte und -deutungen mischen und aus dieser Verbindung ein speziell christliches, das heißt nicht unmittelbar aus einem Mahlkonzept ableitbares Mahl entstanden ist. Diese nachösterliche Perspektive kann auch erklären, dass der christlichen Mahlfeier der zentrale, aber in der authentischen Jesusüberlieferung fehlende, Bundesaspekt und die ὑπέρ-Deutung zugewachsen sind. 1240 S. Lietzmann, Messe, 223 Anm. 1; kritisch Jeremias, Abendmahlsworte, 230–235. 1241 Standhartinger, »Dies ist mein Leib«, 156. Vgl. Meding, Korinther, 544–552. 1242 Die Totenklage wird von Frauen übernommen und dient der Begleitung des Toten, vom Todeszeitpunkt bis zur Bestattung (s. a. a. O., 140.144–146). 1243 Rupé, Homer, 857. Sänger und Frauen trauern um den verstorbenen Hektor. 1244 Vgl. a. a. O., 141–143. Zur Differenzierung von Totenklage und -mahlzeit vgl. Klauck, Herrenmahl, 77–83. 1245 A. a. O., 156. 1246 Ebd. 1247 S. a. a. O., 149f. Anm. 86f. 1248 Vgl. Klauck, Herrenmahl, 85; Gutsfeld, Kollegium, 171.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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Es hat sich gezeigt, dass die Mahlgaben Brot und Kelch zu den Grundelementen eines jeden antiken Mahls gehören. Das Brot zu brechen und aus dem Kelch zu trinken hat insofern zunächst die grundsätzliche Bedeutung, ein Mahl abzuhalten. Dazu spielen beide in antiken Kultritualen eine zentrale Rolle. Sowohl in der griechischen Poesie als auch in der alttestamentlich-jüdischen Tradition verbinden sich ambivalente Vorstellungen mit dem Kelch (Liebe, Schicksal, Tod bzw. Trost, Segen, Zorn). Im Herrenmahl verbindet der Kyrios mit dem realen Mahlgeschirr die Deutung, dass er das Unheil auf sich genommen hat und versieht die Kelchgabe mit der neuen Deutung: An die Stelle des Zornes tritt unser Gerettetsein, das wir im Herrenmahl immerwährend erfahren können. Durch den Kelch nehmen wir das uns gegebene Heil wahr – aus dem Zorneskelch wird der Segenskelch (1Kor 10,16). Dem Brot kommt in der alttestamentlichjüdischen Tradition als Gottes Gabe durchgehend lebensförderliche Bedeutung zu. Vor diesem Traditionshintergrund ist die Deutung des Mahls als eschatologisches Zeichen, wie das Herrenmahl in den ältesten Überlieferungen gedeutet wird, zu verstehen. Als gemein antik hat die Vorstellung zu gelten, dass das Blut und das Leben in Beziehung zu einander stehen. Diese besondere Bedeutung des Blutes erklärt, weshalb es in der antiken Religiosität eine zentrale Rolle spielt. Jedoch verbindet sich in der frühchristlichen Mitwelt ein unterschiedlicher Umgang mit dieser Substanz des Lebens: Während das jüdische Blutgenussverbot von Blutscheu zeugt und im Alten Testament die Vorstellung des Bluttrinkens Ausdruck für Gewalt ist, existieren Belege dafür, dass Blut und Eingeweide in hellenistischpaganen Mahlritualen Verwendung gefunden haben. Auch ist überliefert, dass in der Bundesschlusspraxis ein Gemisch aus Blut und Wein zur Bundesbesiegelung getrunken wurde. Daraus ist zum einen zu schließen, dass der Kommunio-Gedanke in der Nähe der hellenistisch-paganen Vorstellungswelt einzuordnen ist. Zum anderen kann die markinische Bezeichnung »Bundesblut« (Mk 14,24) nicht auf ein alttestamentliches Vorbild zurückgeführt werden (Ex 24). In Frage kommt hierfür vielmehr das Bedeutungsspektrum der gesamtantiken Bundesschlusspraxis. Der in den Deuteworten zum Ausdruck kommende Bundesbegriff hat nichtsdestotrotz »einen ausgeprägten, aber zugleich sehr vielfältigen Rückhalt im jüdischen Denken«1249, »denn mit dem ›Bund‹ bleiben auch die Christen im Volk Israel und seiner Heiligen Schrift vorgegebenen Rahmen der Deutung des Gottesverhältnisses.«1250 Diese Beziehung zu Gott erhält aber bei Paulus und Lukas »neue« Qualität (vgl. Jer 31 (38 LXX)): Im Herrenmahl geht es um das Sein im Christus-Bund. 1249 Kirchschläger, Bund, 119. 1250 Dohmen, Exodus, 220.

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Es ist festzuhalten, dass die ὑπέρ-Wendung am ehesten auf den hellenistisch gedachten »Tod zugunsten anderer Menschen, speziell den Tod zu ihrem Schutz oder auch an ihrer Stelle«1251 zurückgeführt werden kann, ohne jedoch zu meinen, dass diese Deutungsmöglichkeit die einzige sein muss. Die ὑπέρ-Wendung bringt dann zum Ausdruck, dass der Kyrios sein ›Sterben für‹ die Mahlteilnehmer im Herrenmahl deutet. Dieses Sterben betrifft sie (vgl. DtJes 53,9f.) und ist Ausdruck der Liebe, die der Kyrios der Gemeinde entgegenbringt. Im paulinischen und lukanischen Brotdeutewort reicht der Kyrios seinen Leib. Lukas konkretisiert die Gabeabsicht durch das Einfügen von διδόμενον (s. II.3.3.2.3.). Auch bei Markus findet im Kelchwort eine Konkretisierung statt: Sein Bundesblut ist für viele vergossen. Der Zweck der ὑπέρ-Aussagen ist folglich darin zu sehen, dass der Kyrios nach seinem Tod weiter anwesend ist – präsent im Mahl durch die Gabe seines Leibes und präsent durch den geschlossenen Bund. Jesu Tod führt folglich nicht zur Trennung von der Gemeinde; im Mahl erfahren die Gemeindemitglieder weiterhin die Gemeinschaft mit ihm. Das Erinnerungsmotiv begegnet in antiken Mahlvollzügen (Pesachmahl, (Toten-)Gedächtnismahl). Hieraus direkte Abhängigkeiten zum Herrenmahl anzunehmen ist, aufgrund der bestehenden Unterschiede zwischen diesen Mählern, nicht stichhaltig. In diesem Zusammenhang sind die Zauberpapyri zu bedenken, in denen wie gezeigt, überliefert wird, dass das Erinnerungsvermögen durch den Verzehr eines Herzens gesteigert wird (s. II.3.2.2.3.).

II.3.4. Synthese Die von Jesus gereichten Mahlgaben bilden die Grundnahrungsmittel der Antike ab: das Brot, das zu jeder Mahlzeit gehört und daher auch synonym für diese stehen kann, und der Kelch, in dem sich das notwendige Getränk befindet. Beides war Teil eines jeden sättigenden Mahls – und somit auch eines jeden religiösen Mahls. Dass die Deutung der Mahlgaben im Kontext hellenistisch-jüdischer Mähler in formaler Analogie zum Herrenmahl eingeleitet wurden (»Das ist…«), konnte am Beispiel des Pesachmahls und des Romanes »Joseph und Aseneth« gezeigt werden. In diesem Zusammenhang wurden allerdings drei Schwierigkeiten der Annahme, das Herrenmahl sei vom Pesachmahl abzuleiten, deutlich: 1. werden im Herrenmahl nicht die Mahlgaben, sondern die gängigen jüdischen Mahlhandlungen gedeutet, 2. ist die Datierung sowie Praxis der antik-jüdischen Mahltraditionen unsicher und 3. ist eine Kommunio-Deutung in diesen Mählern nicht erkennbar. 1251 Schröter, Sühne, 64.

Analogien in der religiösen Mahlmitwelt

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Der Blick in hellenistisch-pagane Mahltraditionen zeigt, dass bei der Libation die Mahlhandlung des Kelchausgießens durch das Anrufen mit der Gottheit in Verbindung stand – ritualisierte Mahlgesten also durch Worte auf die Gottheit bezogen wurden. Für die Mysterienkulte sind dazu die Legomena, die rituelle Mahlhandlungen begleitenden Worte, in Betracht zu ziehen. Da es den Mysten zudem darum ging, auf leiblich wahrnehmbare Weise ins Schicksal der Gottheit einzutreten und an ihr zu partizipieren, ist vorstellbar, dass die TheophagieVorstellung in diesen Kontexten anzutreffen ist – belegbar ist sie wohl nur für den Dionysoskult, Hinweise begegnen aber in den Zauberpapyri. Ob in diesem Zusammenhang die Gottheit auch als Spender der Mahlgaben verstanden wurde, also von einer der Herrenmahldarstellung entsprechenden Kommunio-Vorstellung auszugehen ist, muss offen bleiben. Das grundlegende Problem hinsichtlich der Vereins- und Mysterienmähler ist, dass aufgrund der wenigen Quellen kein klarer Einblick in ihren Verlauf möglich ist: Es sind keine den Deuteworten des Herrenmahls formal entsprechende Deuteformeln überliefert, und aus der heutigen Sicht, das heißt ohne in das Mysterium eingeweiht zu sein, bleibt die Erschließung ikonographischer Darstellungen hypothetisch. Zu beachten ist, dass den Vereinsmählern eher ausgrenzende Funktion zukam; sie betonen gesellschaftliche Unterschiede, sodass unter den Mahlteilnehmern keine egalitäre Koinonia im Sinne des Herrenmahls entstand. Ein grundsätzlicher Unterschied besteht darin, dass die Vereinsmahlzeiten vor allem Sättigungsmahlzeiten waren, während das Herrenmahl als stilisiertes Mahl ausschließlich symbolische Bedeutung besitzt (das gilt selbstverständlich auch im Vergleich zu den hellenistisch-jüdischen Mählern). Eine Nähe scheint sich hinsichtlich der Mysterienkultmähler zu ergeben, deren Kultrituale anscheinend auch zu Gesten stilisiert waren, wenngleich der Sättigungsfunktion ihrer Mähler noch Bedeutung zukam. An diesem Punkt kann jedoch auch auf die hellenistisch-jüdischen Parallelen im Roman »Joseph und Aseneth« verwiesen werden: Hier werden der konvertierten Aseneth als zum ewigen Leben führende Mahlgaben Brot und Kelch (sowie Salböl) in Aussicht gestellt – Gaben, denen eine soteriologische, aber keine sättigende Funktion zukommt. Schließlich muss festgehalten werden, dass einerseits potenziell alle religiösen Mähler durch deutende Worte als solche qualifiziert werden konnten und andererseits kein antikes Mahlkonzept exakt dem Herrenmahl entspricht: Während auf formaler Ebene, also hinsichtlich der Mahlhandlungen und der Formulierung der Deuteworte, eine Nähe zum hellenistisch-jüdischen Mahl angenommen werden kann, so weisen insbesondere die Kommunio-Deutung und der Aspekt der Christophagie eine Nähe zum hellenistisch-paganen Milieu auf. Die weiteren inhaltlichen Deutungsaspekte des Herrenmahls begegnen zum einen in

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

der alttestamentlich-jüdischen (neuer Bund), in der hellenistisch-paganen Vorstellungswelt (ὑπέρ-Wendung, Kommunio) oder in beiden (Bundesblut). Als Konsequenz ergibt sich, dass die frühen Christen die das Herrenmahl prägenden Deuteworte unter dem Einfluss der Mahltraditionen ihrer Mitwelt umgebildet oder synkretistisch geprägte Vorbilder benutzt haben. Im Herrenmahl verbinden sich also antik-hellenistisch-jüdische und hellenistisch-pagane Mahlmotive zu einer neuen christlichen Mahlform. Zu erklären ist dieser innovative Vorgang dadurch, dass im Zuge der sich bildenden Gemeinden verschiedene Aspekte der religiösen Mahlmitwelt von neu hinzukommenden Gemeindemitgliedern in die Gemeinschaft hineingetragen und in diesen neuen Kontext ›übersetzt‹ wurden. Diese relative Offenheit hatte zur Folge, dass Christen hellenistisch-jüdischer und hellenistisch-paganer Sozialisation einige Kompromisse hinsichtlich ihrer Mahlgewohnheiten in Kauf zu nehmen hatten: Die Kommunio-Deutung des Mahls erschien Christen jüdischer Herkunft womöglich erträglich, da niemals reales Fleisch oder Blut verzehrt wurde. Dieser unblutige Mahlvollzug ermöglichte den Christen nicht-jüdischer Herkunft dennoch, den Kyrios leiblich wahrnehmen zu können. Für sie blieb aber die Teilnahme am Götzenopferkult, also das »Sitzen am Tisch der Dämonen« (1Kor 10,21), problematisch.

II.4. Ergebnis: Deutung und religionsgeschichtliche Bestimmung des Herrenmahls In der Herrenmahlfeier wird die Gabe von Brot und Kelch als Zeichen der Gegenwart Christi gedeutet. Bemerkenswert ist, dass die ältesten Herrenmahlüberlieferungen neben wesentlichen Übereinstimmungen (s. u.), nicht nur begrifflich, sondern auch in ihrer Darstellung und kontextuellen Einbettung erhebliche Unterschiede aufweisen: Paulus kommt zweimal im ersten Korintherbrief auf das Herrenmahl zu sprechen: Er stellt es zum einen paganen Opfermahlzeiten gegenüber (1Kor 10,3f.16f.21) und kritisiert zum anderen die unangemessene korinthische Herrenmahlpraxis mithilfe einer Zitation der Herrenmahltradition (1Kor 11,17–34). Diese vorpaulinische Tradition wird auf den Kyrios zurückgeführt – seine Mahlhandlungen wurden von den Korinthern im Zuge der christlichen Mahlfeier imitiert (1Kor 10,16) – und das Herrenmahlgeschehen in die »Auslieferungsnacht« datiert. Bei den Synoptikern bildet das Pesachmahl den narrativen Rahmen des letzten Mahls Jesu (Mk 14,12–26 parr.): Sie schildern, dass Jesus vor seiner Kreuzigung anlässlich des Pesachfests nach Jerusalem gekommen ist. Am Se-

Ergebnis

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derabend aß er gemeinsam mit seinen Jüngern und sprach beim Mahl die Deuteworte. Im Evangelium nach Johannes wird zwar im Passionskontext ein Mahl erwähnt (Joh 13,2), der Verfasser überliefert dort aber keine Deuteworte, sondern ausführlich Jesu Fußwaschung als Liebesdienst (Joh 13,4–20) und die Verrätermahlszene (Joh 13,23–30). Der Verfasser hatte jedoch schon im vorangehenden Zusammenhang des Speisungswunders der 5000 und im Anschluss an die Lebensbrotrede seine Deutung des christlichen Mahls entfaltet, indem der johanneische Jesus sein Fleisch mit dem Himmelsbrot identifiziert (Joh 6,51c). Die Didache bezeichnet die christliche Mahlfeier als Eucharistia (Did 9,1a). Auffällig ist, dass in ihrer Mahldarstellung weder ein Bezug auf Jesu Stiftung des Mahls, auf den Passionskontext noch auf die Deuteworte erkennbar ist. Vielmehr kommt den Gebeten, die über den Mahlgaben gesprochen werden, und dem Verzehr der Gaben eine herausragende Rolle zu (Did 9,2f.). Diese Unterschiede sind sicherlich auf eine differierende Überlieferungsintention zurückzuführen. Da die frühchristlichen, wie auch die in dieser Arbeit nicht näher betrachteten frühkirchlichen, Herrenmahlüberlieferungen kein einheitliches Bild der christlichen Mahlfeier und -liturgie zeichnen, ist davon auszugehen, dass auf verschiedene Art und Weise in den Gemeinden ein auf Christus bezogenes Mahl gehalten wurde. Dies führt zu der Einsicht, dass die Herrenmahltradition aus historischer Sicht nicht auf eine Einsetzung durch den irdischen Jesus zurückzuführen ist, sondern die frühchristliche Mahlpraxis und die damit verbundene Mahldeutung widerspiegelt. In diesem Zusammenhang eröffnete der Blick in die ältesten Herrenmahlüberlieferungen zudem die Möglichkeit anzunehmen, dass die so genannten Einsetzungsworte nicht beim frühchristlichen Mahl aller Gemeinden rezitiert wurden. Insbesondere hat dies wohl für die matthäische Gemeinde und die mit ihr in Beziehung stehende Gemeinde der Didache zu gelten, da Matthäus die markinische Vorlage ohne starke redaktionelle Eingriffe übernimmt – scheinbar ohne in der Narrativität eine Liturgie zu erkennen. Trotz der genannten Differenzen wird in der paulinischen und synoptischen Überlieferung eine gemeinsame Deutung des Herrenmahls erkennbar: Die der allgemeinen jüdischen Mahlsitte entsprechenden Rahmenhandlung des Brotbrechens und Dankens bzw. Lobens für die Mahlgaben vollzieht Jesus in der Rolle des Hausvaters. Im Gegensatz zu dieser Rolle isst er aber selbst nicht mit. Vielmehr verbindet Jesus bzw. der Kyrios das Mahl mit einer aus jüdischer Sicht erschreckenden (Kommunio-)Deutung, indem er sich selbst mit den Mahlgaben bzw. -gesten identifiziert: Das gebrochene und verteilte Brot wird mit seinem Leib identifiziert, der ausgeteilte Kelch mit seinem »Bundesblut« (Mk/

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

Mt) bzw. dem »neuen Bund in seinem Blut« (1Kor/Lk). Beide Deuteworte setzen folglich eigenständige Deutungsschwerpunkte, die sich aber sicherlich ergänzen: Der Leib steht dafür, dass der Mahlteilnehmer im Herrenmahl – also vermittelt durch die Mahlhandlungen und das Essen des Brotes – konkret Anteil an Jesus erhält. Indem diese Anteilnahme jedem Mahlteilnehmer in gleichem Maße zuteil wird, schließen auch sie sich zu einer Gemeinschaft (»einem Leib«) zusammen. Durch das Trinken aus dem Kelch erfährt der Mahlteilnehmer die Gewissheit, in den Bund hineingenommen zu sein, den Jesus durch sein Blut geschlossen hat. Diese Vorstellung, die den alttestamentlich-jüdischen Bundesgedanken auf Christus bezieht (s. II.3.3.3.), wird von den Tradenten unterschiedlich pointiert: Während es Markus und Matthäus um das Vergießen des Bundesblutes geht – sie also Jesu Tod als Grund und Beginn der Wirksamkeit des Bundes betonen –, steht bei Paulus und Lukas der Gedanke eines als »neu« qualifizierten Bundes im Vordergrund (vgl. Jer 31): Es geht um den Bund, den Christus mit den Mahlteilnehmern in der Taufe eingegangen ist. Kennzeichnend für diesen Bund ist in beiden Überlieferungen, dass er in Jesu Blut gründet – als Ausgangspunkt und Voraussetzung erscheint also Jesu Tod. Die Selbsthingabe Jesu wird weitergehend in den Deuteworten erklärt: Jesus gibt seinen Leib (1Kor/Lk) bzw. sein Bundesblut (Mk) für (ὑπέρ; s. II.3.3.4.) die christusgläubigen Mahlteilnehmer. Insbesondere in der paulinischen und lukanischen Formulierung wird deutlich, dass Jesus sich ›im Ganzen‹, das heißt in seiner Gesamtexistenz, gibt. Die ὑπέρ-Wendung zeigt demnach an, dass sowohl Jesu Sterben als auch – und das ist mit der Ganzheit gemeint – sein Leben bzw. Wirken zugunsten der christusgläubigen Menschen geschah – keineswegs ist es also auf die Deutung seines Todes zu beschränken. Im Kontext des jeweiligen Deuteworts erweitert die ὑπέρ-Wendung folglich dessen Aussage um den Aspekt des sich in Jesu Gesamtexistenz vermittelnden Heils: In seinem Leben und seinem Tod drückt sich seine und Gottes Liebe zu den Menschen aus. Das bedeutet, dass Markus mit der ὑπέρ-Wendung Jesus stärker auf seinen zukünftigen Tod vorausblicken lässt, während Paulus und Lukas den Kyrios zurück auf sein Leben und Wirken schauen lassen – das lukanische διδόμενον (Lk 22,19) bedeutet also nicht zuvorderst, dass Jesus stirbt, sondern, dass sein komplettes Dasein den Menschen galt. Die ὑπέρ-Aussage bringt zudem zum Ausdruck, dass der Kyrios auch nach seinem Tod weiterhin in der Gemeinde anwesend ist. Durch die Gabe seines Leibes und den geschlossenen Bund ist er im Mahl gegenwärtig. Jesu Tod bedeutet folglich keine Trennung von der Gemeinde, denn durch das Mahl werden die Mahlteilnehmer der Gemeinschaft mit ihm gewahr. Die Deuteworte des Herrenmahls, die erst in nachösterlicher Perspektive Sinn ergeben, drücken zusammenfassend aus, dass Mahlteilnehmer und Mahlgeber in einer direkten Beziehung zueinanderstehen, größtmögliche Nähe unter diesen

Ergebnis

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vermittelt wird und das Mahl dem Verzehrenden zur Vergewisserung dient, sowohl mit Christus als auch seinem Nächsten verbündet zu sein. Sichtbarer und leiblich spürbarer Ausdruck für diese Beziehung ist, dass die Mahlteilnehmer ihren Herrn und die damit verbundenen religiösen Hoffnungen durch den Verzehr der Mahlgaben in sich aufnehmen. Obwohl sich nach derzeitigem Wissen zu diesem in den Deuteworten manifestierten christlichen Mahlverständnis keine analoge Mahldeutung in der antiken Mahlmitwelt ausmachen lässt und das Mahl begleitende deutende Worte insgesamt rar belegt sind, lassen sich, sofern man keine historisch bedenkliche Analogielosigkeit für die Deuteworte des Herrenmahls voraussetzen möchte, folgende Perspektiven für eine religions- und traditionsgeschichtliche Bestimmung des Herrenmahls benennen: Einige Elemente der christlichen Mahlfeier, wie das Bundesmotiv, die Bezeichnung der Mahlgaben als »Brot des Lebens« (Joh 6; JosAs) und »Segenskelch« (1Kor 10; JosAs) sind in der hellenistisch-jüdischen Religiosität anzutreffen. Dazu erscheint dieses Milieu bestimmend für die Struktur des Herrenmahls zu sein: Die in den ältesten Überlieferungen übereinstimmend tradierten Mahlgesten sowie die Eingangsformulierung der Deuteworte (»Dies ist…«) begegnen auch in hellenistisch-jüdischen Mahlüberlieferungen (s. II.3.2.1.). Das grundsätzliche Herrenmahlverständnis – nämlich, dass sich Christus im Mahl gibt und er mit den Mahlgaben substantiell einverleibt wird – steht der hellenistisch-paganen Mahlwelt nahe, denn dieser Gedanke scheint zumindest in den Mählern der Mysterienkulte (Dionysos) und eventuell auch in den Zauberpapyri mitgedacht zu sein. Auch die Bezeichnung »Kyrios«, die ὑπέρ-Wendung, welche vermutlich Ausdruck des hellenistischen Gedankens des ›Sterbens für‹ ist (s. II.3.3.4.2.), sowie das Erinnerungsmotiv (s. II.3.3.5.) lassen sich aus dem hellenistisch-paganen Milieu erklären. Daraus ergibt sich die Annahme, im Herrenmahl formen sich auf synkretistische Weise sowohl hellenistisch-jüdisch als auch hellenistisch-pagan geprägte Mahlaspekte zu einem innovativen spezifisch christlichen Mahlkonzept, das sich möglicherweise folgendermaßen entwickelt hat: Die nachösterliche Gemeinde führt im Anschluss an Jesu Tod die von ihm vorgelebten Tischgemeinschaften fort. Diese sind gekennzeichnet durch die hellenistisch-jüdische Mahlpraxis, bei der zu Tisch gelegen wird, Mahlgesten vollzogen und -gebete gesprochen werden (vgl. 1Kor 11,23b; Mk 14,22b parr.; Did 14,1). Das Herrenmahl wurde also zu Beginn, das heißt in Palästina, ohne die in den ältesten Darstellungen überlieferten Deuteworte möglicherweise in der Form, wie sie die Didache überliefert, begangen – bestätigt wird diese Annahme durch den Umstand, dass es in bestimmten geographischen Bereichen (Mt, Did) bis zum dritten nachchristlichen Jahrhundert keine Bezeugung dieser Deuteworte gibt. Hinzu kommt, dass in der neutestamentlichen Tradition die Mahlgesten, insbesondere das Brotbrechen,

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Die frühchristlichen Herrenmahltraditionen

fest mit Christus verbunden sind, wie die Mahlhandlungen in den Speisungswundern (Mk 6,40) oder in den Auferstehungsberichten (Lk 24,35; Joh 21,13) zeigen (vgl. Apg 2,42). Es sind folglich zunächst die Handlungen, die das christliche Mahl an Jesus zurückbinden und nicht die Deuteworte, die nur in den paulinisch-synoptischen Herrenmahlüberlieferungen begegnen. Wie kam es also zur Entwicklung und Einbindung der für das Herrenmahl charakteristischen Deuteworte? Vorstellbar ist, dass heidnische Konvertiten ihre Mahlsozialisation und -ansprüche, wie die Gotteserfahrung im Mahl, in die christlichen Gemeinden eingebracht haben. Schon früh, aufgrund der Überlieferung im ersten Korintherbrief vor 55 n. Chr., ist mit diesen Einflüssen zu rechnen, weil bereits Paulus das Herrenmahl mit den speziellen Deuteworten kennengelernt hat – wohl in einer griechischsprachigen Gemeinde, in der auch die Rede vom Kyrios Jesus beheimatet ist. Im Zuge dieser Entwicklung fand eine Abgrenzung zur umgebenden Mahlkultur statt, von der sich das speziell christliche Mahl abhebt – das Herrenmahl erscheint als Gegenentwurf (Antimahl) zu den Mählern der religiösen Mitwelt: Für christusgläubige Juden war der Kommunio-Mahlcharakter dadurch akzeptabel, dass nicht tatsächlich (auf Christus gedeutetes) Fleisch gegessen und (auf Christus gedeutetes) Blut getrunken wurde, sondern Mahlgaben mit Deutungen versehen wurden. Der hellenistisch-pagane Einfluss trug dazu bei, diese Deutungen zu personalisieren, also auf Christus zu beziehen und so dessen Präsenz in den Mahlgaben denken zu können. Im Gegensatz zum Vereins- oder Mysterienmahlkonzept ist das Herrenmahl prinzipiell für alle Menschen offen und egalisiert soziale Unterschiede. Diese doppelte Grenzüberschreitung bildet sich in der Breite der Traditionen ab, die auf die Ausbildung des Herrenmahls Einfluss genommen haben mögen. Abschließend lässt sich festhalten, dass das Herrenmahl in Analogie zu der Mahlkultur seiner Mitwelt eine Verbindung zwischen Ritual und Mythos herstellt: Wie das Pesachmahl oder die Mysterienmähler deutlich machen, war es in der Antike nicht ungewöhnlich, eine erlebte Urerfahrung durch ein Mahl zu aktualisieren bzw. zu erinnern. Dazu kommt ihm in Übereinstimmung mit den umgebenden Mahlkonzepten gemeinschaftsstiftende bzw. -stärkende Funktion zu: Das gemeinsame Essen bot die Möglichkeit, sich auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu festigen. Hierarchisierende Aspekte, wie das eigene Ansehen durch Wohltätigkeit und Großzügigkeit zu verbessern oder Gästen Ehre zu erweisen, widersprechen hingegen der Intention des Herrenmahls. Dazu sind die Mahlgaben des Herrenmahls in der Antike die gewöhnlichen Grundnahrungsmittel: Das Brot mit seiner Besteck-Funktion war immer gegenwärtiger Mahlbegleiter und auch der Kelch bzw. ein Trinkgefäß gehörte zur

Ergebnis

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Minimalausstattung eines antiken Mahls. Hieraus kann sich erklären, wie es gerade zu diesen das Herrenmahl kennzeichnenden Mahlgaben kam. Als Unterschied zur Mahlmitwelt hat die Separierung vom Sättigungsmahl (1Kor 11,20f.25a; Did 10,1; vgl. Mk 14,22a par.; Lk 22,14f.) sowie die Stilisierung des Herrenmahls zu zwei Mahlgaben bzw. -handlungen zu gelten – wobei letzteres durchaus auch im Mysterienmahl zu belegen ist. Eine Besonderheit ist schließlich, dass das Herrenmahl an einem konkreten Punkt der Menschheitsgeschichte verortet ist, an dem es laut Tradition vom irdischen Jesus eingesetzt wurde. Dies bildet den Ausgangspunkt für die Herrenmahlfeier. Die Deuteworte, die nur bei Kenntnis der Passionserzählung verständlich sind (nur Christen sind also eingeweiht), ermöglichen den Mahlteilnehmern, Jesus auch nach seinem Tod immerwährend wahrnehmen zu können – sie bauen also eine Brücke von der erinnerten Vergangenheit in die erlebte Gegenwart.

III. Kapitel: Religionspädagogische Konkretionen

III.1. Einleitung So wie die Lebenswelt des frühen Christentums von einer religiös-pluralen Gesellschaftsstruktur geprägt war, so ist auch die aktuelle Lebenswelt der Lernenden von einer Vielfalt religiöser Vorstellungen bestimmt. Wenn über diese grundsätzliche Analogie hinaus davon auszugehen ist, dass es sich bei religionsgeschichtlichen Themen nicht um »unterhaltsame Kuriositäten«1252 handelt, sondern um Zugangsmöglichkeiten, »ernsthaft Einblick zu nehmen in andere Welten«1253, die »in Texten und Monumenten in der Erinnerung aufgehoben«1254 sind, dann bietet sich die Chance, Lernende für die Vorstellung zu sensibilisieren, dass das christliche Mahl sich im Kontext seiner Mahlmitwelt entwickelt hat. Gewiss gibt es zentralere Themen für den Religionsunterricht als den religionsgeschichtlichen Hintergrund der Herrenmahltradition. Allerdings sollte diese bisher unbehandelte Thematik nicht vorschnell im didaktischen Selektionsprozess aussortiert werden, da sie den Aspekt einer Vielfalt im Christentum von Beginn an verdeutlicht, damit fragwürdige Absolutheitsansprüche zurückstellt und die heutige Pluralität mitbedenkt. Das Mahlthema eignet sich für die Thematisierung der religionsgeschichtlichen Perspektive im Religionsunterricht in mehrfacher Hinsicht: Es bietet durch seine Anknüpfung an das menschliche Bedürfnis nach Nahrung einen alle Zeit grundlegenden und nachvollziehbaren Erfahrungshorizont, es fungiert früher wie heute als sozialer Begegnungs- und Austauschort und es ist seit Menschengedenken religiös konnotiert. Wesentlich für die Berücksichtigung dieses Themas im Religionsunterricht ist auch, dass das Abendmahl eine häufig vollzogene und bewusst erlebbare sa1252 Betz, Gottesbegegnung, 40. 1253 Ebd. 1254 Ebd.

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Religionspädagogische Konkretionen

kramentale Handlung ist, die im Zentrum des christlichen Gemeindelebens steht. Aus dieser Zentralstellung des Mahls resultiert unter anderem wohl auch, dass es kirchen- und dogmengeschichtlich in seinem Verständnis umstritten ist, mit der Folge, dass es bis heute keine Mahlgemeinschaft zwischen der römischkatholischen und den evangelischen Kirchen gibt. Allerdings steht im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen nicht das Thema »Abendmahl als Sakrament«. Es gilt vielmehr aufzuzeigen, dass die religionsgeschichtliche Perspektive den Religionsunterricht, hier am Beispiel des Herrenmahls, bereichern kann, indem sie bisher nicht berücksichtigte Aspekte (Kommunio-Vorstellung, hellenistisch-pagane Bezüge) einführt und Einseitigkeiten in der Wahrnehmung der Forschungslage (Ableitung des Herrenmahls aus dem Pesachmahl) vermeidet. Um die Voraussetzungen für die unterrichtliche Umsetzung der Herrenmahlthematik angemessen zu reflektieren, werden im folgenden Kapitel zwei Blickrichtungen eingenommen: Einerseits wird es um die Lernenden, andererseits um die Lehrenden gehen. Mit Blick auf die Lernenden wird (unter 2.) zunächst im Sinne einer allgemeinen Bestimmung der Lernausgangslage den entwicklungspsychologischen Voraussetzungen nachgegangen, die das Jugendalter charakterisieren. Zentral sind hier die Fragen: Wie verstehen Jugendliche das Abendmahl? Nehmen sie an ihm trotz des Traditionsabbruchs teil? Ist ihnen die Herrenmahldeutung als Kommunio – dass also die Deuteworte Jesu ›göttliche‹ Seite zeigen – zugänglich? Verfügen Jugendliche über ein Bewusstsein für Religionsgeschichte – können sie also wahrnehmen, dass sich das Christentum in Auseinandersetzung mit seiner Mitwelt entwickelt hat? Ausgehend von den sich hierzu ergebenden Befunden werden dann unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Lehrwerksanalyse (s. I.2.7.) und anfangs erläuterten religionspädagogischen Konzepte (s. I.3.) Umsetzungsmöglichkeiten diskutiert sowie sachanalytische, didaktische und methodische Überlegungen zum Thema angestellt. Mit Blick auf den Lehrenden wird (unter 3.) ein Beispieltext für ein Lehrerhandbuch konzipiert, der die aktuelle fachwissenschaftliche Diskussion komprimiert aufbereitet und als Grundalge für die Gestaltung des Unterrichts und der Reflexion seiner Inhalte dienen soll. Es schließen sich Anregungen für den Lehrenden zur weiteren Reflexion und Diskussion der Abendmahlthematik (speziell vor dem Hintergrund lehrtraditioneller Deutungen) an, die sich aus der exegetischen Erarbeitung ergeben haben. Diese Überlegungen münden in eine Zusammenfassung, die die didaktische Relevanz des Themas abschließend reflektiert und zeigt, welche Chancen und Grenzen mit religionsgeschichtlichen Perspektiven im Religionsunterricht verbunden sind.

Konkretionen mit Blick auf die Lernenden

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III.2. Konkretionen mit Blick auf die Lernenden III.2.1.

Entwicklungspsychologische Bedingungen des Jugendalters

Eine Voraussetzung für religionspädagogische Konkretionen ist es, nach den entwicklungspsychologischen Bedingungen des Jugendalters1255 zu fragen. Entwicklungspsychologische Untersuchungen widmen sich häufiger dem Kindes- als dem Jugendalter. Deshalb sind die Erkenntnisse über die Entwicklung des Gottes- und des Christusbildes im Jugendalter lückenhafter und unsicherer. Dieser Sachverhalt lässt sich zum einen darauf zurückführen, dass sich die Lebenssituation sowie das Erreichen bestimmter Entwicklungsstufen bei Jugendlichen individueller gestaltet, als es bei Kindern der Fall ist. Zum anderen resultiert die mangelnde Kenntnis aus der – insbesondere von psychoanalytischen Autoren vertretenen – Annahme, dass alle für die Entwicklung des Gottesbildes relevanten Erfahrungen bereits im Kindesalter gemacht werden. Vergeblich scheint es zu sein, Aussagen über die Entwicklung eines religiösen Geschichtsbewusstseins bei Jugendlichen treffen zu wollen, da diese Frage in der Religionspädagogik offenbar bislang nicht untersucht wurde. Um mich diesem anzunähern, bediene ich mich im Folgenden der Erkenntnisse, die in der Geschichtsdidaktik gewonnen wurden, und übertrage sie auf die Religionspädagogik. Anzumerken bleibt, dass die Ausführungen zu den entwicklungspsychologischen Voraussetzungen nur auf der Basis von Generalisierungen möglich sind, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit besitzen – alle Lernenden bringen ihre individuellen Voraussetzungen in den Unterricht mit. Nach Erik Erikson ist davon auszugehen, dass die Adoleszenz der Suche und dem Finden der eigenen Identität dient. Ziel ist es, die kindlichen Verhaltensund Vorstellungsmuster abzulegen, um sich die Erwachsenenmuster anzueignen.1256 »Gleichzeitig aber fürchtet sich der Jugendliche vor einer törichten, allzu vertrauensseligen Hingabe und drückt sein Bedürfnis nach Glauben paradoxerweise in lautem und zynischem Mißtrauen aus«1257. Diese Beobachtungen machen deutlich, wie stark die Adoleszenz von einem Hin und Her zwischen Kind- und Erwachsensein, zwischen Anpassung und dem Wunsch nach Indivi1255 Es gibt selbstverständlich nicht die Jugendlichen, da es sich um einen Begriff mit nicht feststehender Definition handelt. Mit Blick auf die Sekundarstufe I sind Lernende im Alter von 10 bis 16 Jahren gemeint, obgleich das Jugendalter durchaus früher beginnen und erheblich später enden kann. Allerdings können im Folgenden die individuell-lebensgeschichtlichen, geschlechtsspezifischen sowie bildungsspezifischen Differenzen kaum berücksichtigt werden (vgl. die Definition von Stein/Stummbaum, Kindheit und Jugend, 11). 1256 S. Erikson, Jugend, 131–138. Vgl. Schweitzer, Religionsunterricht, 212. 1257 A. a. O., 131.

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Religionspädagogische Konkretionen

dualität sowie zwischen kindlicher Glaubenshoffnung und -frustration geprägt ist. III.2.1.1. Glaube an Gott In der Forschung sind, im Anschluss an die kognitiv-strukturelle Entwicklungspsychologie von Jean Piaget1258 und die Theorie der moralischen Entwicklung von Lawrence Kohlberg1259, zwei wichtige Stufen-Modelle der Entwicklung des Gottesglaubens entstanden: Fritz Oser/Paul Gmünders1260 Stufen der religiösen Entwicklung und James W. Fowlers1261 Stufen des Glaubens. Das von Oser/Gmünder entwickelte Modell der Entwicklung des religiösen Urteils besagt,1262 dass sich das Subjekt von einer ersten Stufe, die von der Hegemonie Gottes sowie »absoluter Heteronomie« bestimmt ist (deus-ex-machina), über eine zweite Stufe, die mit einer wechselseitigen Einflussnahme von Gott und Subjekt rechnet (do-ut-des), zu einer dritten Stufe, die durch »absolute Autonomie« des Subjekts gekennzeichnet ist (Deismus), entwickelt. Nach einer vierten Stufe, in der der göttliche Plan als Verbindung zwischen göttlicher Transzendenz und menschlicher Freiheit sowie Verantwortung erkannt wird (Apriori/ Korrelation), erreicht das Subjekt schließlich eine fünfte Stufe »religiöser Intersubjektivität«, in der der göttliche Plan in Zwischenmenschlichkeit begegnet und das Transzendente in dieser interaktiven Dynamik erfahrbar wird (Kommunikation). Nach dem Modell von Fowler1263 bildet sich der »erste Glaube«1264 in der frühen Kindheit (»Vor-Stufe«).1265 Die erste Entwicklungsstufe ist durch einen »intuitiv-projektiven« Glauben gekennzeichnet,1266 der sich in phantasievollen, wirklichkeitsfernen Vorstellungen ausdrückt. In der zweiten Stufe glaubt das Subjekt auf »mythisch-wörtliche« Weise;1267 es versteht biblische Erzählungen 1258 1259 1260 1261 1262 1263 1264 1265

S. Piaget/Inhelder, Psychologie; Piaget/Inhelder, Logik. S. Kohlberg, Psychologie. S. Oser/Gmünder, Stufen. S. Fowler, Stufen, 136–229. Im Folgenden beziehe ich mich auf Oser/Gmünder, Stufen, 80–96. Im Folgenden beziehe ich mich auf Fowler, Stufen, 136–229. Schweitzer, Lebensgeschichte, 144. Im Säuglingsalter, auf der »Vor-Stufe«, ist der Glaube undifferenziert. In Anlehnung an Erikson spricht Fowler von der Entwicklung des Urvertrauens und ersten Beziehungserfahrungen. 1266 Diese phantasieerfüllte, imitative Phase ist nach Fowler für Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren kennzeichnend. Das Kind hat noch keine festen »Erkenntnisoperationen« ausgebildet. Der Übergang zur nächsten Stufe wird maßgeblich durch die Entstehung des »konkret-operationalen« Denkens (Piaget) bestimmt. 1267 Auf dieser Stufe werden Symbole eindimensional und wörtlich verstanden. Der Übergang

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wörtlich und erkennt darin ein anthropomorphes Gottesbild.1268 Der »synthetisch-konventionelle« Glaube der dritten Stufe orientiert sich an Glaubensvorbildern aus der Umwelt des Subjekts, die unreflektiert nebeneinander bestehen.1269 Es wird vom »individuierend-reflektierenden« Glauben der vierten Stufe abgelöst, den eine absolute Individualität charakterisiert.1270 Das Absolute dieser Stufe wird auf der fünften Glaubensstufe zugunsten einer »dialogischen Haltung und Offenheit«1271 gegenüber anderen Wahrheiten abgelöst, die von Fowler als »verbindender Glaube« bezeichnet wird.1272 Die sechste und höchste Stufe ist vom »universalisierenden Glauben« bestimmt, der sich durch das Zurücktreten der eigenen Selbsterhaltung zugunsten »absoluter Liebe und Gerechtigkeit«1273 auszeichnet. Für das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung ist die in beiden Stufen-Modellen festzustellende unterschiedliche Beurteilung des Gottesglaubens im Jugendalter wichtig: Während Fowlers Modell den Glauben der Jugendlichen vor allem auf der »synthetisch-konventionellen« Stufe verortet, die durch einen wenig reflektierten Glauben gekennzeichnet ist, und den Übergang zum »individuierend-reflektierenden« Glauben frühestens bei älteren Jugendliche erkennt,1274 ist die Jugendzeit für Oser/Gmünder geprägt von der deistischen Stufe – also von völliger menschlicher Autonomie.1275 Wahrscheinlich ist mit Oser/Gmünder davon auszugehen, dass die Jugendlichen zwischen Gott und Welt eine scharfe Grenze ziehen; dadurch rückt Gott in weite Ferne, obwohl seine Existenz kaum ausgeschlossen wird.1276

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zur folgenden Stufe wird durch das Wahrnehmen von und Nachdenken über Widersprüche oder Gegensätze der übernommenen Glaubensinhalte eingeleitet. S. Büttner/Rupp, Konzepte, 35f. Diese dritte Glaubensstufe beginnt und entfaltet sich im Jugendalter. Die Erfahrungswelt geht nun über den familiären Horizont hinaus, wodurch eine Vielzahl von Eindrücken synthetisiert werden müssen, um eine eigene Identität und Weltanschauung entwickeln zu können. Das Selbst ist jedoch noch nicht sicher genug, eine unabhängige Perspektive zu bilden. Der meist (junge) Erwachsene ist nun in der Lage, Identität und Weltanschauung kritisch zu reflektieren. Diese Stufe ist »entmythologisierend«. Schweitzer, Lebensgeschichte, 150. Es entwickelt sich die Fähigkeit der »ironischen Imagination«, die es ermöglicht, eigene Weltanschauung und Sinngehalte oder die der Bezugsgruppe wahrzunehmen und mit ihnen zu leben, aber gleichzeitig zu erkennen, dass sie relativ sind. Schweitzer, Lebensgeschichte, 152. Hierfür sind nur wenige Beispiele zu finden, z. B. das gewaltlose Leiden Gandhis. S. Fowler, Stufen, 191. Vgl. Schweitzer, Lebensgeschichte, 148; Streib/Gennerich, Jugend, 22. S. Streib/Gennerich, Jugend, 22: Wenngleich beiden Modellen keine festgelegten Alterszuordnungen zugrunde liegen, ist doch eine gewisse Korrelation von Stufe und Alter erkennbar (vgl. Schweitzer, Lebensgeschichte, 152f.). Vgl. Streib/Gennerich, Jugend, 23; Blum, Wundererzählungen, 37.

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Religionspädagogische Konkretionen

Auch ist nicht damit zu rechnen, dass Jugendliche erst gegen Ende der Adoleszenz beginnen, ihren Glauben zu reflektieren. Vielmehr scheinen sie verunsichert, wie eine überzeugende Gottesvorstellung aussehen könnte und wie sie sich das Wirken des transzendenten Gottes in ihrer Lebenswelt vorstellen sollen.1277 Möglicherweise liegt der Grund hierfür in der Ablösung von den anthropomorph-mythologischen Vorstellungen der Kindheit. Die dadurch entstehende Leerstelle ist einerseits durch die Internalisierung von – z. B. im Religionsunterricht vermittelten – Abstrakta zur Beschreibung Gottes sowie kirchlich kommunizierten Glaubensvorstellungen gekennzeichnet und andererseits durch die Ausbildung eines unabhängigen individuellen Gottesbildes, an das viele Fragen gestellt werden.1278 Dieser Abstraktionsprozess, der von indirekt-symbolischen Vorstellungen, die nicht mehr bildlich darstellbar sind, bestimmt wird, kann auch dazu führen, dass sich der Jugendliche Gott gar nicht mehr vorstellen kann. Besonders eine unbefriedigende Antwort auf das Theodizeeproblem lässt Jugendliche fragen: Ist Gott nur eine Fiktion oder gibt es ihn wirklich?1279 Karl E. Nipkow nennt in diesem Zusammenhang vier mögliche »Einbruchstellen des Glaubens«1280 – Enttäuschungen darüber, dass Gott z. B. nicht der geglaubte Nothelfer ist und als Schöpfer nicht in das naturwissenschaftliche Verständnis der Weltentstehung zu passen scheint.1281 Festzuhalten bleibt, dass im Jugendalter eine bedeutsame Entwicklung des Gottesglaubens stattfindet, die als »gleichzeitige Verinnerlichung, Verpersönlichung und Abstraktion«1282 bezeichnet werden kann. Beispielhaft stehen dafür Gottesbilder, wie: Gott ist im »Herzen«1283, »Gott kann man sich nicht vorstellen, Gott kann man nur ›spüren‹«1284 oder »in der Liebe ist für mich Gott«1285. Die Gottesbilder sind durch Emotionalität und Abstraktheit geprägt,1286 wobei die Jugendlichen »bewusst von einer personalen Redeweise«1287 Abstand nehmen. 1277 S. Kuld, Religionsunterricht, 22. 1278 Vgl. Schweitzer/Biesinger/Conrad/Gronover, Dialogischer Religionsunterricht, 20f.53; Kuld, Entscheidende, 64f.; Wegenast, Religionsdidaktik, 81; Schweitzer, Suche, 40. 1279 S. Schweitzer, Lebensgeschichte, 222–226; Schweitzer, Elementarisierung, 22. 1280 Nipkow, Erwachsenwerden, 49. Als Grundlage dienen ihm die Ergebnisse einer Befragung aus dem Jahr 1984, die sich an Berufsschülerinnen und Berufsschüler im Alter von 16 bis über 20 Jahre richtete – also an Jugendliche gegen Ende der Adoleszenz; seine Ergebnisse dürfen deshalb für die Sekundarstufe I nicht unüberlegt übernommen werden. 1281 S. a. a. O., 52f.62f. 1282 Schweitzer, Lebensgeschichte, 222. 1283 Kuld, Entscheidende, 62. 1284 Ebd. 1285 A. a. O., 64. 1286 S. Ziebertz/Kalbheim/Riegel, Signaturen, 332.336. 1287 Baumann, Schwierigkeiten, 184. Auch Goldman beschreibt in seiner Entwicklungsstufentheorie, dass auf der »religiösen« Stufe (13–15 Jahre) Gott als unsichtbar begriffen wird

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Eine qualitativ-empirische Studie aus dem Jahr 2006 kommt zu dem Ergebnis, dass Jugendliche nicht unbedingt auf ein Gottesbild in Analogie zur jüdischchristlichen Tradition zurückgreifen: Gott wird nicht selbstverständlich als allmächtig oder gerecht begriffen, sondern kann genauso »als völlig hilflos, gelegentlich ungerecht und lieblos, distanziert beobachtend«1288 verstanden werden, was den genannten Stellenwert des Theodizeeproblems relativiert. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Entwicklungspsychologie das Jugendalter als ›Umbruchszeit‹ beschreibt. Die Jugendlichen bewegen sich in dieser Phase zwischen den Axiomen ›Bewahrung‹ und ›Offenheit für Wandel‹. Sie entwickeln ein individuell-reflexives Denken, das Neuinterpretationen, Dekonstruktionen bestehender Systeme und, damit verbunden, Unsicherheit hervorbringt.1289 Diese allgemeinen Einstellungen von Jugendlichen zum Glauben im Jugendalter lassen sich nach Petra Freudenberger-Lötz in verschiedene Glaubenshaltungen differenzieren, die die zunehmende Ausbildung eines individuellen Glaubens sichtbar machen:1290 1. der »ruhende Glaube«, der kindliche Glaubenszüge aufweist; 2. der »gefestigte bzw. reflektierte Glaube«, der auf einer christlichen Sozialisation gründet und von Bereitschaft zur Transformation geprägt ist; 3. die unter Jugendlichen am häufigsten vertrete »kritisch-suchende oder kritisch-ablehnende« Haltung, die durch die unzureichend reflektierte Konfrontation mit ›Einbruchstellen‹ und eine ambivalente Einstellung zum Glauben gekennzeichnet ist; 4. Die vereinzelt auftretende »indifferente« Glaubenshaltung, die eine grundsätzliche Ablehnung von Glauben und religiöser Reflexion vertritt. Abschließend ist festzuhalten, dass ein speziell für das Jugendalter vorauszusetzender Glaube ebenso wenig festzumachen ist wie der für das Kinder- oder Erwachsenenalter. Die Jugendlichen befinden sich in einer Lebensphase, in der sie bestehende Konzepte kritisch hinterfragen; versuchen, eigene Antworten und Sichtweisen zu entwickeln und diese argumentativ zu vertreten.

III.2.1.2. Christologie Während die frühkindliche Vorstellung weitgehend von einer »Vermischung«1291 und Austauschbarkeit von Jesus und Gott geprägt ist, gelangen Kinder durch einen Differenzierungsprozess im Laufe der Zeit allmählich zu einer Zuordnung

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und anthropomorphe Beschreibungen symbolisch ausgelegt werden können, während auf der vorangehenden »subreligiösen« Stufe (9–12 Jahre) Gott noch »übernatürlich« von der Welt getrennt verstanden wird (s. Goldman, Religious Thinking, 234–239). Ritter/Hanisch/Nestler/Gramzow, Leid und Gott, 119. S. Streib/Gennerich, Jugend, 184f. S. Freudenberger-Lötz, Gespräche, 36–42. Büttner/Rupp, Konzepte, 34.

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sowie Unterscheidung von Jesus- und Gottesbild.1292 Allerdings haben Jugendliche grundsätzlich Schwierigkeiten bei der Verbindung zwischen Jesu Worten und Taten sowie dem Glauben an Gott.1293 Trotzdem kommen Untersuchungen zu dem Urteil, dass Schülerinnen und Schüler bereits auf der Stufe des mythisch-wörtlichen Glaubens in der Lage sind, eine schlüssige Christologie zu entwickeln, sofern sie Zugänge zur Tradition erfahren haben.1294 Mit zunehmendem Alter rückt der historische Jesus in den Mittelpunkt der christologischen Auseinandersetzung Jugendlicher und das Abrücken von artifizialistischen Vorstellungen1295 nimmt zu.1296 Zudem geht mit dem Erreichen der Stufe des synthetisch-konventionellen Glaubens eine deutlichere Differenzierung christologischer Vorstellungen einher. Gründe hierfür liegen wahrscheinlich in den sich nun bemerkbar machenden kulturellen, konfessionellen und geschlechtsspezifischen Unterschieden.1297 In der Grundschule und im Übergang zur Sekundarstufe I werden von den Schülerinnen und Schülern mittelalterliche Jesusdarstellungen bevorzugt, die Jesus als helfenden und freundlichen Menschen mit Heiligenschein darstellen.1298 Gegen Ende der Sekundarstufe I vertritt die Schülerschaft hingegen kein einheitliches Jesusbild mehr. Gegen die mittelalterliche Darstellung spricht ihrer Ansicht nach vor allem der Heiligenschein: Die Jugendlichen sehen Jesus nicht mehr als Wundertäter, obwohl er für sie »mehr als ein normaler Mensch«1299 ist. Seine Besonderheit lässt sich für sie jedoch nicht bildlich darstellen.1300 Zur Entwicklung des Jesusbildes im Jugendalter ist daher zunächst festzuhalten, dass die Jesusvorstellung stetig menschlichere Züge gewinnt. Jesu übernatürliche Macht verliert zunehmend an Bedeutung, ohne dass er seine Besonderheit einbüßt.1301

1292 S. a. a. O., 34–36. 1293 S. Ziegler, Jesus, 503f., zufolge lasse »sich der zentrale christologische Konflikt vieler Jugendlicher in der Perspektive des religiösen Urteils als Übergang von Stufe 2 nach Stufe 3 deuten«. 1294 Vgl. Büttner/Rupp, Konzepte, 36f. 1295 Nach Piaget wird damit die Vorstellung beschrieben, für das Schaffen von Gegenständen und der Natur sei Gott verantwortlich. 1296 S. Büttner, Jesus, 178.189.266, der dies dies anhand der Wundergeschichte der »Sturmstillung« zeigt, bei der die Schülerinnen und Schüler Jesu bzw. Gottes Hilfe in Einklang mit Naturgesetzen bringen. 1297 Vgl. Büttner/Rupp, Konzepte, 37. 1298 S. a. a. O., 40. 1299 Ebd. Die stetige Abnahme der Akzeptanz eines wundertätigen Jesus korreliert mit der Entstehung eines nicht-mysthischen Weltbildes und dem Wissen um naturwissenschaftliche Erkenntnisse (s. Ziegler, Abschied, 109; Blum, Wundererzählungen, 145). 1300 S. a. a. O., 41; Büttner, Jesus, 266. 1301 S. ebd.

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Beschäftigt man sich mit der Frage, ob Jesus im Alltag als präsent wahrgenommen wird, so scheint dies für die meisten Schülerinnen und Schüler zu Beginn der Sekundarstufe I unbestritten.1302 Jedoch variieren bereits hier die Vorstellungen deutlich: Die überwiegende Anzahl an Schülerinnen und Schülern einer Klasse beschreiben Jesus Christus als innerlich (in »Gedanken«1303) oder äußerlich (als »Luft« oder »Schutzengel«1304) immanent gegenwärtig.1305 Selten wird Jesu Gegenwart in menschlicher Gestalt angenommen.1306 Andere Jugendliche lassen die Beschreibung seiner Anwesenheit offen.1307 Demgegenüber lehnen einige Jugendliche seine Gegenwart mit der Begründung gänzlich ab, dass er tot sei.1308 Auch am Ende der Sekundarstufe I ist für viele Schülerinnen und Schüler Jesu Gegenwart evident. Seine Gegenwart vermag Hoffnung, Trost und Glauben zu spenden.1309 Er begegnet im Inneren des Menschen durch den Glauben an ihn, in Gedanken oder er ist Ausdruck ethischen Handelns.1310 Aus diesen unterschiedlichen Christusbildern ergibt sich ein ambivalentes Bild der Christologie in der Adoleszenz: Einerseits verliert Jesus Christus im Gegensatz zum Kindesalter an Bedeutung.1311 Andererseits spielt die Christologie in der Vorstellungswelt nicht weniger Jugendlicher eine zentrale Rolle: Sie stellen sich einen menschlichen Jesus mit besonderen Eigenschaften vor, der häufig als ethisches Vorbild verstanden wird. Jugendliche, die von einer Gegenwart Christi ausgehen, deuten diese sehr unterschiedlich. Die sehr disparaten Reflexionen der Jugendlichen stellen an den Religionsunterricht die Herausforderung, Jesus nicht nur auf einer historischen Betrachtungsebene zu thematisieren, sondern auch eine Auseinandersetzung mit dem kerygmatischen Christus anzubieten. Jesus wird gegenüber Gott im Jugendalter zwar abgestuft, aber seine Göttlichkeit wird nicht grundsätzlich bestritten.1312 1302 1303 1304 1305

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Vgl. Büttner, Jesus, 207. Büttner/Rupp, Konzepte, 42. Vgl. Büttner, Jesus, 200. A. a. O., 43. Vgl. Büttner, Jesus, 188.200. Büttner/Rupp, Konzepte, 39, legen eine Stichprobe von 4 Klassen zugrunde. Büttner, Jesus, 195.200f., gibt Antworten von 12 Schülerinnen und Schülern einer Klasse von 23 Lernenden an. Wo Schülerinnen und Schüler immanente Jesusvorstellungen bevorzugen, begegnen häufig die Attribute »Wohltäter« und »Wundertäter«. Daher kann – jedenfalls zu Beginn der Sekundarstufe I–im Fowlerschen Sinne noch von »mythisch-wörtlichen« Vorstellungen ausgegangen werden kann. In diesem Alter scheint die (kritische) Reflexion zu beginnen (vgl. Büttner, Jesus, 59–61). S. Büttner/Rupp, Konzepte, 42. S. ebd. S. ebd. Nach ebd., denken einige Schülerinnen und Schüler über Jesu Gegenwart im Abendmahl nach. Dagegen Ziegler, Jesus, 504, demzufolge Jesus nur selten als ethisches Vorbild fungiere. Vgl. Ziegler, Abschied, 108; Kuld, Entscheidende, 111f. Beispiele gibt Spaeth, Theologisieren, 163f.

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Daraus ergibt sich: Für die Entwicklung eines Verstehens der biblischen Überlieferung darf es im Unterricht nicht ausschließlich um die Vermittlung von historischem Faktenwissen über die Jesusgestalt gehen.1313 Vielmehr sollte Jesu Eigenschaft, »zugleich Mensch und Gott« zu sein, als Zentrum christlichen Glaubens besprochen und Angebote gemacht werden, wie diese Gleichzeitigkeit zu denken ist. In diesem Rahmen könnte die in den Deuteworten zum Ausdruck kommende Kommunio-Vorstellung bedacht werden: Jesus wird beim Mahl als irdischer Hausvater dargestellt, doch durchbrechen die Deuteworte diese historisierende Ebene, indem sie auf Jesu Passion und Erhöhung verweisen (s. II.2.2.4.2.3.). III.2.1.3. Religionsgeschichtliches Bewusstsein Die religionspädagogische Forschung geht davon aus, dass Jugendliche etwa ab dem Alter von 13 Jahren ein Geschichtsverständnis entwickeln1314 – eine Untersuchung zum religionsgeschichtlichen Bewusstsein liegt aber bisher nicht vor. Daher bildet die Grundlage der folgenden Ausführungen ein geschichtsdidaktischer Terminus,1315 das »Geschichtsbewusstsein«.1316 Mithilfe dieses Begriffs sollen Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die auf ein religionsgeschichtliches Bewusstsein Jugendlicher hinweisen. Grundlegend hierfür sind die sieben von Hans-Jürgen Pandel bestimmten Dimensionen des Geschichtsbewusstseins, von denen drei für das Religionsgeschichtsbewusstsein zentral sind: das Wirklichkeitsbewusstsein (die Lernenden können zwischen real und fiktiv unterscheiden), das Wandel- bzw. Historizitätsbewusstsein (die Schülerinnen und Schüler entwickeln ein Bewusstsein dafür, dass Geschichtlichkeit sowohl von statischen als auch veränderlichen Bedingungen bestimmt ist) sowie das Identitätsbewusstsein (die Lernenden können sich selbst und andere einer Gruppe zuordnen).1317 Den Lernenden begegnet Geschichte »als ein auf Überreste und Tradition gestützter Vorstellungskomplex von Vergangenheit, der durch das gegenwärtige Selbstverständnis und durch Zukunftserwartungen strukturiert und gedeutet 1313 Vgl. Büttner, Jesus, 62f. 1314 S. Godin, Developmental Tasks, 121. 1315 Auch die Kirchengeschichtsdidaktik verweist auf die Erkenntnisse der Geschichtsdidaktik (s. Ruppert/Thierfelder/Gutschera/Lachmann, Einführung, 16–21; König, Kirchengeschichtsdidaktik, 225–228; Hasberg, Kirchengeschichte, 301–313.406–414, wendet die von der Geschichtsdidaktik entwickelten Kategorien zum Geschichtsbewusstsein auf den Kirchengeschichtsunterricht an). 1316 »Geschichtsbewusstsein« ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, dem sich unter anderem auch die Psychologie, Linguistik und Sozialwissenschaften widmen (s. Sauer, Geschichte unterrichten, 9). 1317 S. Pandel, Geschichtsdidaktik, 137–150.

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wird.«1318 Es muss darum gehen, Anknüpfungspunkte in der Lebenswelt der Lernenden zu finden, damit ein Interesse an Geschichte entwickelt werden kann. Deshalb darf das Geschichtsbewusstsein nicht auf die Thematisierung von Vergangenheit beschränkt bleiben, sondern muss zugleich durch Gegenwartsund Zukunftsbezug bestimmt sein. Jedenfalls ist zu bedenken, dass dem Lerngegenstand Geschichte, der Ereignisse und Erfahrungen der Vergangenheit thematisiert, naturgemäß ein verminderter Gegenwartsbezug innewohnt, und die Unverfügbarkeit sowie unmögliche Kontrolle »alle ›historischen Denkprozesse‹ per se zu ›formalen Operationen‹ im Sinne Piagets macht«1319. Das bedeutet, dass kritischer Geschichtsunterricht bei Schülerinnen und Schülern erst ab Erreichen der »formaloperativen«1320 Entwicklungsstufe, also im Alter ab ca. 11 Jahren, angebahnt werden sollte. Jüngeren Schülerinnen und Schülern kann noch nicht zugetraut werden, »historische Strukturen zu erkennen, zu analysieren und aufzuarbeiten«1321. Diese Einschätzung teilt auch Bodo von Borries, demzufolge vier Stufen die individuelle Entwicklung des Geschichtsbewusstseins markieren:1322 Dem fehlenden Bewusstsein für Geschichte aus Unkenntnis der Historie (1. Stufe: »unbewusste Präsenz«) folgt durch das Kennenlernen legendarischer Geschichtserzählungen ein ästhetisches Wahrnehmen solcher Erzählungen, das allerdings keinen kritischen Umgang einschließt (2. Stufe: »diffuse Beschäftigung«). Daran schließt sich eine bewusstere Auseinandersetzung mit erlangtem historischen Wissen an (3. Stufe: »Auseinandersetzung«), und bei Erreichen der vierten Stufe verfügen die Lernenden über eine Einsicht in historische Zusammenhänge – sie können diese kritisch reflektieren sowie Konsequenzen erklären und benennen (4. Stufe: »handlungsleitende Erkenntnis«). Für religionsgeschichtliche Perspektiven ist daraus abzuleiten, die Lernenden zu Beginn der Sekundarstufe I, z. B. mithilfe bildlicher Darstellungen, behutsam für die antike Lebenswelt zu sensibilisieren. Das textbasierte Eintauchen in diese fremde Lebenswelt und das Anliegen, diese mit den frühchristlichen Wurzeln zu verbinden, wäre hier noch zu früh und würde die meisten Schülerinnen und Schüler überfordern.

1318 Jeismann, Geschichte, 49. 1319 Borries, Historisch Denken, 77. Vgl. Günther-Arndt, Lernen, 26. 1320 Im Sinne Piagets bilden die Schülerinnen und Schüler im Übergang zur Sekundarstufe I die Fähigkeit zum »formal-operatorischen« Denken aus. Somit sind sie ab dieser Stufe in der Lage über Konkretes und über symbolisch-metaphorische Strukturen nachzudenken (s. Piaget/Inhelder, Logik, 321–338; Bucher, Jugend und Religion, 42). Der Primarbereich ist durch eine narrative Geschichtsvermittlung geprägt (s. Ruppert/Thierfelder, Umgang, 299). 1321 Ruppert/Thierfelder, Umgang, 299. Vgl. Borries, Historisch Denken, 77. 1322 Im Folgenden beziehe ich mich auf Borries, Geschichtslernen, 12.

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Für Jugendliche ist der Aufbau von historischem Wissen besonders für die Frage nach der historischen Wahrheit schwierig. Sie verlangen nach eindeutigen Antworten, die sie aber aufgrund des Wesens der Geschichte nicht unbedingt finden können.1323 Eine weitere Schwierigkeit besteht für Jugendliche darin, dass sie sich »die Vergangenheit kaum anders als die Gegenwart in einer anderen Epoche vorstellen«1324. Der historische Wandel wird Schülerinnen und Schülern offenbar nicht automatisch durch einen chronologisch ausgerichteten Geschichtsunterricht deutlich. Um historisches Wissen zu entwickeln, müssen sich die Lernenden mit den besonderen Lebensumständen der jeweiligen Epoche vertraut machen. Nur so können sie das Leben der damaligen Menschen nachempfinden. Dieser Graben zwischen den Lebenswelten stellt auch die besondere Herausforderung für eine religionsgeschichtliche Perspektive im Unterricht dar: Wie sollen die Lernenden mit einer Zeit in Kontakt treten, die sich von ihrer Erfahrungswelt grundsätzlich unterscheidet und deren faktische Realität auch für die Fachwissenschaft hypothetisch bleibt? Bei der Entwicklung des Geschichtsbewusstseins spielen sowohl exogene, wie das soziale Umfeld, als auch endogene Faktoren, wie die altersgemäße Entwicklung, eine Rolle.1325 Zudem korreliert die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins mit der der narrativen Kompetenz.1326 Der narrativen Kompetenz werden in der Geschichtsdidaktik mehrere Einzelkompetenzen zugeordnet. Hierzu zählt die Fähigkeit von Schülerinnen und Schülern, Widersprüche zwischen Quellen zu entdecken, sowie das Vermögen, sich in verschiedene Perspektiven hineinzuversetzen zu können.1327 Dieselben Kompetenzen sind auch für Schülerinnen und Schüler anzubahnen, die sich mit religionsgeschichtlichen Fragestellungen auseinandersetzen wollen. Empirische Untersuchungen zum Geschichtsbewusstsein Jugendlicher aus den 1990er Jahren ergaben,1328 dass die Bedeutung, die Religionen für geschichtliche und zukünftige Entwicklungen beigemessen wird, mit zunehmendem Alter sinkt. Trotzdem sind gegensätzliche Trends festzustellen: So ergab 1323 S. Günther-Arndt, Lernen, 26: Historisches Wissen ist immer perspektivisch und fragmentarisch. 1324 A. a. O., 29. 1325 S. Sauer, Geschichte, 12.22f. 1326 »Narrative Kompetenz ist die Fähigkeit, aus zeitdifferenten Ereignissen durch Sinnbildung eine kohärente Geschichte herzustellen und mit erzählter Geschichte umzugehen« (Pandel, Erzählen, 127. Vgl. Wolf, Ontogenese, 137–176). 1327 S. Pandel, Erzählen, 128. 1328 Im anglo-amerikanischen Raum besteht bereits seit Beginn der 1970er Jahre ein Forschungsinteresse auf diesem Gebiet (s. Godin, Developmental Tasks, 109–154). Anknüpfungen an Entwicklungstheorien sind im deutschsprachigen Raum auf theoretischer, aber kaum auf empirischer Ebene erfolgt (s. Rüsen, Einleitung, 11; von Borries/Pandel/Rüsen, Geschichtsbewusstsein empirisch).

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eine Studie eine Abnahme des Interesses an Ausgrabungen und fremden Kulturen sowie stetig weniger Interesse an Religions- und Kirchengeschichte1329, andererseits verzeichnete sie aber eine Zunahme des Interesses an historischen Quellen und Dokumenten.1330 Borries begründet dieses Ergebnis mit dem vorhandenen »Rest an Abenteuerlichkeit im Geschichtsinteresse«1331. Zudem spielten Faktoren wie die Fremdartigkeit und das Geheimnisvolle einer Epoche eine wichtige Rolle.1332 Für religionsgeschichtliche Inhalte, in denen sich Geschichte und Religion verbinden, ist ein Ergebnis besonders interessant: »Die Intensität der religiösen Bindung […] spielt für das allgemeine Interesse an Epochen eine beachtliche Rolle.«1333 In der Ergebnisdarstellung der Untersuchung von Borries wird dieser Gesichtspunkt leider nicht weiter vertieft. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass zu Beginn des Geschichtsunterrichts in der Sekundarstufe I geradezu eine Geschichtsbegeisterung herrscht, die jedoch in der achten und neunten Klasse deutlich abnimmt. Erst ab der zehnten Klasse nimmt das Geschichtsinteresse bei einem Teil der Lernenden wieder zu.1334 In Hinblick auf den Religionsunterricht bleibt grundsätzlich zu fragen, ob sich die Erkenntnisse zum Geschichtsbewusstsein ohne Weiteres auf die religionspädagogischen Voraussetzungen übertragen lassen.1335 Die angesprochenen Parallelen stimmen grundsätzlich positiv, doch bleibt zu bedenken, dass die vorgestellten Untersuchungsergebnisse einer historischen Disziplin gelten, die den religiösen Aspekt nicht dezidiert in den Blick nimmt – sie lassen sich daher nur mit Vorsicht übertragen.

1329 In der Untersuchung wird nicht zwischen den beiden Geschichtsgebieten differenziert. 1330 S. Borries/Körber, Jugendliches Geschichtsbewusstsein, 330–345.368.388f. Die Studie vergleicht das Geschichtsverständnis von Neuntklässlern in den Jahren 1992 und 1994. Aus religionspädagogischer und religionsgeschichtlicher Sicht ist zu bedauern, dass neben Themen der Alten Geschichte verständlicherweise auch solche der Neueren und Neuesten Geschichte treten. Deshalb sind nur wenige Einzelergebnisse für die vorliegende Arbeit weiterführend. 1331 Borries, Jugend und Geschichte, 41f. 1332 S. a. a. O., 42. 1333 A. a. O., 43. 1334 S. Günther-Arndt, Lernen, 35. 1335 Dies wird von der Kirchengeschichtsdidaktik getan. Falls das zu Recht geschieht, würden sich die Unterrichtsfächer Religion und Geschichte lediglich dahingehend unterscheiden, dass »das Proprium des Religionsunterrichts, in dem die Ausbildung von Geschichtsbewußtsein mit der Auseinandersetzung um die Gottesfrage unmittelbar und zentral – im Geschichtsunterricht peripher – zusammenhängt« (König, Grundregeln, 189).

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Religionspädagogische Konkretionen

III.2.1.4. Abendmahlsverständnis und -praxis Während katholische Jugendliche die Erstkommunion als spirituelle Einführung in die Gemeinde etwa im Alter von acht Jahren erhalten, kann bei evangelischen Jugendlichen von einer eigenen Abendmahlspraxis in der Regel erst nach der Konfirmation, also etwa ab dem achten Schuljahr, ausgegangen werden.1336 Vor diesem Zugang zum Abendmahl der Konfirmierten wird in vielen Gemeinden ein Kinderabendmahl in unterschiedlicher Form angeboten: Das Spektrum reicht von der Teilnahme der Kinder am Abendmahl der Gemeinde – wenn ihnen Brot und Kelch nicht gereicht werden, können sie vom Pastor ein Segenszeichen erhalten – bis zur räumlichen Trennung der Kinder von den Erwachsenen.1337 Eine aktuelle Studie zum Abendmahlsverständnis Jugendlicher liegt nicht vor – die derzeitige religionspädagogische Forschung hat vor allem die jüngeren Kinder im Blick.1338 Laut Heinz Schmidt gingen 1985 noch 15–20 % der jungen Menschen (bis 24 Jahre) regelmäßig zum Gottesdienst – haben also potentiell am Abendmahl teilgenommen.1339 Dagegen kommen Hans-Georg Ziebertz u. a. zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2003 nur noch etwa 10 % der (katholischen) Jugendlichen regelmäßig am Gottesdienst teilnahmen.1340 Die Tendenz ist also sinkend. Die Gründe für diese Entwicklung können u. a. darin liegen, dass die Jugendlichen die Abendmahlsfeier als »zu steif«, »unpersönlich« und »kühl« empfinden.1341 Ihrer Meinung nach sollte das Abendmahl also in Hinblick auf seinen Gemeinschaftscharakter feierlicher begangen werden.

1336 Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass alle Schülerinnen und Schüler konfirmiert werden. 1337 Meyer-Blanck/Kuhl, Konfirmandenunterricht, 15–17, schlagen vor, eine erste Phase des Konfirmandenunterrichts um vier Jahre vorzuziehen, da J. W. Fowlers Stufentheorie zufolge in diesem Alter von einem »mythisch-wörtlichen« Glauben der Kinder ausgegangen werden kann und F. Osers religionspsychologischen Erkenntnissen zufolge ein »heteronomes« Gottesbild besitzen – sie also besonders »empfänglich« für das Thema Abendmahl wären (vgl. Waltemathe, Abschied, 117). 1338 Vgl. Waltemathe, Abschied, 117–125. So kommt auch Sandt, Religiosität, 143, zu der Einsicht, dass »für viele Jugendliche ihre Religiosität nicht […] explizit in eine Tradition eingebunden ist«, sondern sich privat und individuell vollziehe. In dessen quantitativer Untersuchung kommt Sandt aber nicht auf das Abendmahl zu sprechen. 1339 S. Schmidt, Jugend und Abendmahl, 216. Schmidt hat insgesamt 127 Schülerinnen und Schüler befragt (Klasse 9–12). 1340 S. Ziebertz/Kalbheim/Riegel, Signaturen, 131. Nach Weihnachten steht Ostern mit etwa 38 % an zweiter Stelle der »sehr oft« wahrgenommenen kirchlich-religiösen Praxis Jugendlicher. Dazu differenzieren sie fünf Typen religiöser Orientierung im Jugendalter: kirchlich-religiös, christlich-autonom, konventionell-religiös, autonom-religiös und nichtreligiös (390–403). 1341 S. Schmidt, Jugend und Abendmahl, 224–227.

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Ein weiterer Grund der geringen Beteiligung Jugendlicher am Abendmahl bildet die folgende von Schmidt angeführte Aussage einer 16-jährigen Schülerin ab: »Ich halte nichts vom Abendmahl. Denn ich denke, wenn ich an Gott glaube, brauche ich dazu kein Abendmahl.«1342 Die meisten Jugendlichen stehen der Abendmahlsfeier neutral gegenüber – sie empfinden es also nicht als störend, wenn es von anderen begangen wird.1343 Jugendliche, die sich positiv zum Abendmahl äußern, begründen dies entweder mit dem gemeinschaftsstiftenden und feierlichen Charakter oder mit dem Gefühl, Christus zu begegnen; Jesu Gegenwart im Abendmahl gehe eine Konzentration auf ihn voraus, wie aus einer von Schmidt angeführten Aussage eines 18-jährigen Schülers hervorgeht: »Es ist zwar eine Art Einbildung, aber man fühlt eine gewisse Gottesnähe, und das finde ich gut.«1344 Aufgrund dieser und anderer Ausführungen gelangt Schmidt zu der zusammenfassenden Einsicht: »Die Suche nach einer intensiven inneren Beziehung zu Gott und der Wunsch, in lebendiger Gemeinschaft zu feiern, diese beiden ›Motive‹ bilden das Koordinationskreuz für die Abendmahlvorstellung«1345 der von ihm befragten Jugendlichen. Sowohl im Gemeinschaftsaspekt als auch in der Möglichkeit der Gottesbegegnung sind folglich Zugänge für Jugendliche zum Abendmahl zu erkennen.1346 Dazu scheinen sie sich eine erlebnis- und erfahrungsorientierte Einbettung zu wünschen.1347 Bemerkenswert ist hieran, dass die Jugendlichen das einfordern, was sich auch im frühen Christentum mit der christlichen Mahlfeier verbunden hat – es ging um erfahrbare Gottesnähe. An diesem Punkt treffen sich also die religionsgeschichtliche Perspektive und die Lebenswelt der Jugendlichen. III.2.1.5. Konsequenzen Aus den entwicklungspsychologischen Voraussetzungen ergibt sich, dass sich das Gottesbild im Jugendalter von den personal-anthropomorphen Vorstellungen der Kindheit hin zu sehr individuellen, symbolisch-emotionalen Beschreibungen entwickelt. Die religionsgeschichtliche Perspektive zum Herrenmahl könnte daran anknüpfen, dass Gottes Existenz von einigen Jugendlichen nicht geleugnet wird und er für sie ›da‹ zu sein scheint. Aber das ›Wie‹ und ›Wo‹ seiner Anwesenheit zu denken, kann ihnen Schwierigkeiten bereiten.

1342 1343 1344 1345 1346

A. a. O., 225. Ebd. A. a. O., 228. Ebd. Vgl. Adam, Abendmahl, 19; Biehl, Symbole II, 97.106; Prokopf, Religiosität Jugendlicher, 231f. 1347 S. (mit Beispielen) Streib/Gennerich, Jugend, 66f.

272

Religionspädagogische Konkretionen

Die Entwicklung christologischer Vorstellungen in der Adoleszenz unterliegt einem Prozess deutlicher Differenzierungen, der in einigen Fällen zu Distanz und Ablehnung führen kann. In Äußerungen von Jugendlichen zum Verhältnis von Gott und Jesus kommt zum Ausdruck, dass die Schülerinnen und Schüler Gott mächtiger einschätzen, Jesus ihnen jedoch näher ist. Dies spiegelt sich auch in den Jesusvorstellungen der Jugendlichen wider: Sie besitzen meist ein vom Menschen Jesus geprägtes Bild, das ihnen als ethisches Vorbild dient. Das schließt jedoch nicht aus, dass Jugendliche auch Jesu göttliche Seite wahrnehmen – es ist Aufgabe des Religionsunterrichts, solche Deutungs- bzw. Verständnismöglichkeiten zu unterstützen. Weil das Jugendalter durch sehr viel individuellere Gottes- und Jesusbilder geprägt ist als die Kindheit, ist es ferner erforderlich, diese differenten Vorstellungen gleichermaßen zu berücksichtigen und möglichst viele individuelle Lernzugänge anzubieten. Religionsgeschichtliche Fragestellungen können sinnvollerweise erst im Übergang zur Sekundarstufe I eingeführt werden. Sensibilisierungen für dieses Thema lassen sich bereits in der fünften Klasse anbahnen, eine intensive Behandlung z. B. der Herrenmahlthematik ist aber erst ab der siebten oder achten Klasse im Zusammenhang eigener Abendmahlserfahrung möglich. Die Ergebnisse zur Entwicklung des Geschichtsbewusstseins stützen diesen Ansatz, obwohl sich in den Untersuchungen zu diesen Klassenstufen eine Abnahme des Geschichtsinteresses andeutet. Dieses abnehmende Interesse erscheint jedoch nicht ganz eindeutig, da zugleich eine Zunahme des Interesses an historischen Quellen und Dokumenten sowie an einer Beschäftigung mit der als fremd und reizvoll empfundenen Welt des Altertums festgestellt wurde. Der sehr individuelle Prozess der adoleszenten Entwicklung führt zu einer zunehmenden Biographisierung der Religion, das heißt, die religiöse Tradition verbindet sich zunehmend mit individuellen Erfahrungen. Für die Thematisierung von religiöser Praxis ergibt sich daraus, dass sie für den persönlichen Bereich der Jugendlichen von Bedeutung sein muss. Zu beachten bleibt weiter, dass für das Jugendalter die Infragestellung auch der religiösen Tradition charakteristisch ist. So ist bei der Behandlung der Herrenmahlthematik mit der Distanz von Jugendlichen zu rechnen, die dieses Mahl als unwichtig für ihren Glauben empfinden.

III.2.2.

Umsetzungsmöglichkeiten

Wenn die Entwicklungspsychologie das Jugendalter als ›Umbruchszeit‹ versteht, dann bedeutet das für den Religionsunterricht, die kritische und fragende Haltung der Lernenden aufzugreifen. Theologische Themen werden, nimmt man die aktuellen religionspädagogischen Konzepte ernst (s. I.3.), nur dann für die Ju-

Konkretionen mit Blick auf die Lernenden

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gendlichen relevant, wenn sie für sie lebensweltliche Bezüge und persönliche Relevanz haben. Eine existenzielle Bedeutsamkeit wird dort erkennbar, »wo Jugendliche auf der Suche nach individueller und gemeinschaftlicher Orientierung sind«1348. Daraus ergibt sich die religionspädagogische Herausforderung, die Lebenswelt der Lernenden mit theologischen Themen in Beziehung zu setzen. Damit dies erfolgreich geschehen kann, müssen in der Religionspädagogik Erklärungen, Informationen und in gewissem Grade ein interpretierendes oder transformierendes Neu-, Anders- oder Umsprechen der biblischen Texte eingesetzt werden.1349 »Dieser Vorgang ist im NT selbst bezeugt und findet darin seine Berechtigung – und sein Maß«1350. Dies gilt in besonderer Weise für die religionsgeschichtliche Perspektive, da sich die soziale und kulturelle Welt der frühen Christen von der heutigen strak unterscheidet. Dieser Graben zwischen antiker und heutiger Lebenswelt scheint jedoch überwindbar: Die religiöse Praxis der frühen Christen berührt sich mit der Glaubenswelt der Jugendlichen in dem Wunsch nach erfahrbarer Gemeinschaft und Gottesbegegnung. Diese in beiden Welten analogen grundmenschlichen Bedürfnisse lassen sich als »anthropologische Konstanten«1351 beschreiben, die es ermöglichen, den vergangenen mit dem gegenwärtigen Horizont zu verbinden. Ziel der folgenden religionspädagogischen Konkretisierungen ist es, Anregungen zu bieten, inwiefern der religionsgeschichtliche Hintergrund der Herrenmahltradition im Unterricht sinnstiftend und als Ergänzung zu bestehenden Aufbereitungen umgesetzt werden könnte. Die Vorschläge sollen also kein neues Konzept darstellen, sondern Anknüpfungsmöglichkeiten an vorhandene Aufbereitungen des Themas in den Schul- und Lehrerhandbüchern aufzeigen. Zunächst werden materialgestützte Ideen zur unterrichtlichen Thematisierung antiker Mahlgemeinschaften, der Kommunio-Deutung bzw. der Theophagie-Vorstellung sowie zu den Deuteworten vorgestellt (s. III.2.2.1.). Anschließend wird auf inhaltliche Konkretisierungsmöglichkeiten dieser Themen eingegangen (s. III.2.2.2.). Anknüpfungspunkte an die in Schulbüchern bereits vorhandenen Umsetzungsvorschläge werden jeweils benannt und in den Anmerkungen auf die curricularen Bezüge hingewiesen, um auch die Möglichkeit des Aufbaus prozessbezogener Kompetenzen mitzubedenken. Zu jedem Beispiel wird ferner angegeben, inwiefern der Unterrichtsgegenstand sachanalytisch zu 1348 1349 1350 1351

Schlag, Jugendtheologie, 22. Vgl. Langer, Grundregeln, 49. Ebd. A. a. O., 51.

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bedenken ist, welche Lernchance mit dem Einsatz verfolgt wird, welche methodischen Überlegungen sich mit der Umsetzungsmöglichkeit verbinden und welche Vertiefungsmöglichkeiten möglich sind. Am Ende dieses Teils findet sich ein Vorschlag für einen Lehrerhandbuchtext (s. III.3.1.). Ihm folgt ein Ausblick in Thesenform auf mögliche Konsequenzen der vorliegenden Arbeit für das Verständnis des Abendmahls im Kontext christlicher Lehrtraditionen (s. III.3.2.). III.2.2.1. Materialgestützte Konkretionen III.2.2.1.1. Ästhetische Erschließung der Mahlthematik Wie in den Schulmaterialien bereits vorgeschlagen, ermöglicht die große Zahl an Abendmahldarstellungen eine ästhetisch ausgerichtete Erschließung. Deren Gegenstand sind ausschließlich mittelalterliche (Leonardo Da Vinci) oder moderne Abendmahldarstellungen (u. a. Ben Willikens, Willy Fries oder Sieger Köder). Die dort rar angeregten Vergleiche zwischen frühem Christentum und seiner Mitwelt zielen ferner auf ein Erkennen von Unterschieden. Weiterführend ist es, die Gemeinsamkeiten nicht auszuschließen, sondern sowohl Differenzen als auch Analogien zu thematisieren. Anregungen hierfür kann vor allem ikonographisches Material bieten. An die vorgegebene ästhetische Erarbeitung könnte angeknüpft und diese würde um antikes Material erweitert werden. Aus fachwissenschaftlicher Sicht ergibt sich bei dem Einsatz von ikonographischen Belegen die Anforderung, aus dem antiken Vergleichsmaterial etwas herauszugreifen, das sowohl in seiner Darstellungsform als auch seiner Datierung Vergleichbarkeit ermöglicht. Beim Umgang mit den antiken Quellen ist zu beachten, dass diese nicht objektiv beurteilt werden können, sondern aus heutiger Sicht interpretiert werden.1352 Dennoch bilden sie die Grundlage für Deutungen und sind insofern »›authentisches Material‹ […], das Geschichte ›aus erster Hand‹ greifbar macht«1353. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben könnte das folgende Beispiel zur ästhetischen Erschließung eingesetzt werden:

1352 Vgl. Grosch, Quellen, 64. 1353 Ebd.

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M 1:

Quelle: Leipoldt, Umwelt, Abbildung Nr. 115. Quelle: Baumann/Wermke, Religionsbuch 7/8, (Mithräisches Kultbild, ca. 4. Jh.) 170. (Abendmahl-Relief, ca. 4. Jh.)1354

III.2.2.1.1.1. Sachanalyse Das mithräische Kultbild, das auf einer Stele in Konjic, einer Stadt im heutigen Bosnien und Herzegowina, gefunden und etwa auf das 4. Jh. n. Chr. zu datieren ist, zeigt zwei Mysten beim Mahl auf einer Liege (Kline). Sie heben ihre rechte Hand und sind wohl als die beiden Götter Mithras und Sol dargestellt, wodurch ein Bezug zur Kultlegende des Mithras, der mit dem Sonnengott Sol isst, hergestellt wird (s. II.3.2.2.2.3.). Die beiden werden von Eingeweihten mit niedrigerem Weihegrad bedient, die ihnen ein Trinkhorn anbieten. Vor ihnen sind links ein Löwe und rechts ein Rind dargestellt, die wohl ebenfalls auf den Kult und seinen Mythos anspielen – der Löwe ist ein Weihegrad und der Urstier wurde von Mithras getötet. Vor dem Tisch steht ein Dreifuß, auf dem Brote liegen, die als Brechhilfe mit einer X-Kerbe versehen sind.1355 Auch auf dem rechten Relief, das ebenfalls aus dem 4. Jh. n. Chr. stammt und eine christliche Mahlfeier zeigt, sind die Brote in dieser Form dargestellt. Der Mahlteilnehmer rechts außen hält einen Kelch in der Hand. Neben identischen Mahlgaben sind weitere Gemeinsamkeiten der Reliefs in der Gemeinschaft und der Tischhaltung der Mahlteilnehmer sowie in der Darstellungsweise (Perspektive) zu erkennen. Die Unterschiede der beiden Darstellungen bestehen darin, dass in der christlichen Mahlfeier alle Mahlteilnehmer auffallend gleich gekleidet sind. Die Geste des Mahlteilnehmers mit dem Kelch wirkt wie eine Einladung an diejenigen, die von rechts an den Tisch herantreten. Die Reliefs unterscheiden sich folglich vor allem in der Hierarchisierung der Mahlteilnehmer: Während beim Mithrasmahl die verschiedenen Weihegrade betont werden, gibt es beim christlichen Mahl, zu dem prinzipiell alle eingeladen sind, keine sozialen Unterschiede. 1354 Die Relief-Abbildung, die aus dem genannten Religionsbuch entnommen ist, wird dort kontextuell in den Zusammenhang der markinischen Speisungswunder eingebettet (Mk 6,14–8,30). 1355 Zur Bildauslegung vgl. Leipoldt, Umwelt, 33; Engster, Konkurrenz, 374–377.

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Religionspädagogische Konkretionen

III.2.2.1.1.2. Lernchance Die Schülerinnen und Schüler beschreiben die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Mahl-Reliefs, die ein mithräisches und ein christliches Mahl darstellen. Sie erkennen, dass antike Mähler als Gemeinschaftsmähler begangen wurden.1356 Sie benennen Besonderheiten der beiden Mähler und erläutern die Eigenschaften des christlichen Mahls.1357 III.2.2.1.1.3. Methodische Hinweise und Vertiefungsmöglichkeiten Es ist möglich, diese Vergleiche im Rahmen einer Projektarbeit anzubieten, bei der in Zusammenarbeit mit dem Fach Geschichte ein Ausflug zu Ausgrabungsorten, ins Museum oder zu Ausstellungen organisiert wird. Die fächerübergreifende Thematisierung kann die Einblicke in die antike Welt durch Einbeziehung weiterer Beispiele vertiefen. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Schülerinnen und Schüler eine eigene Collage oder ein Standbild mit Foto zum Thema erstellen, wie sie eine heutige Mahlszene gestalten würden. Das Arbeitsergebnis könnte als drittes Medium zum Vergleich eingesetzt werden, um zu erarbeiten, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen antiken und heutigen Mahlzeiten bestehen. In höheren Klassen kann sich im Anschluss an den Vergleich auf ästhetischer Ebene eine Erarbeitung auf literarischer Ebene anschließen. Als Grundlage könnten die paulinischen Ausführungen in 1Kor 10,20f. dienen, in denen Paulus den »Tisch der Dämonen« mit dem »Tisch des Herren« kontrastiert. Paulus schließt die gleichzeitige Teilnahme am Herren- und Dämonenmahl aus – ihm geht es also nicht um das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten. Hierin wird aus fachwissenschaftlicher Sicht, also ohne Geltungsnotwendigkeit für die Frömmigkeitspraxis, die Besonderheit religiöser Rituale deutlich – sie schließen sich sachlich aus, ohne sich strukturell eindeutig zu unterscheiden. Dies vermag der religionsgeschichtliche Vergleich zu verdeutlichen.1358

1356 Begleitend kann z. B. die Übersicht in Feinberg Vamosh, Land und Leute, 60f., eingesetzt werden, wo typische Nahrungsmittel zur Zeit Jesu sowie ein Speiseplan für ein Festmahl aufgeführt sind. 1357 Es werden die Deutungs- sowie Wahrnehmungs- und Darstellungskompetenz aufgebaut, indem die Schülerinnen und Schüler »religiöse Motive in […] ästhetisch-künstlerischen […] Ausdrucksformen erläutern« sowie »grundlegende religiöse Ausdrucksformen wahrnehmen und in verschiedenen Kontexten wiedererkennen« (niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 18. Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 15). 1358 Vgl. Öhler, Taufe und Abendmahl, 254.

Konkretionen mit Blick auf die Lernenden

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III.2.2.1.2. Kommunio/Theophagie III.2.2.1.2.1. Text: Dionysoskult und Herrenmahl Wie in Kapitel I dargestellt, verwenden einige Schulbücher Texte, die die Lernenden mit der antiken Lebenswelt vertraut machen sollen: Anhand von fiktiven Aktanten im selben Alter der Schülerinnen und Schüler wird aus der antiken Lebenswelt berichtet, in die die Lernenden durch Identifikation hineingenommen werden sollen. Das folgende Material ist stilistisch an solche Schulbuchtexte angelehnt.1359 Im Unterschied zu diesen Vorlagen, die sich ausschließlich der antik-jüdischen Perspektive widmen, soll das folgende Beispiel die Möglichkeit aufzeigen, dass pagane Bezüge ebenso im Unterricht thematisiert werden können wie antik-jüdische. M 2: Der folgende Text kann mit den Worten: »Heute machen wir eine Zeitreise und landen im Jahr 50 n. Chr.«, eingeleitet werden. Du bist der junge Christ Daniel1360. Du wohnst im antiken Korinth – in Griechenland. Gerade bist du auf dem Weg zum sonntäglichen Gottesdienst und freust dich darauf, wieder den Gelehrten Paulus zu hören, der von Jesus Christus viel zu erzählen hat. Besonders schön ist der Gottesdienst für dich, weil du dort mit vielen gemeinsam singst, betest und isst. Kurz bevor du an eurem Versammlungsort ankommst, an dem deine Eltern schon mit den Vorbereitungen beschäftigt sind, triffst du Kornelius, einen Freund aus Kindertagen. Du freust dich sehr, ihn wiederzusehen, und fragst ihn: »Können wir uns später nochmal treffen? Ich bin auf dem Weg zum Gottesdienst. Der fängt gleich an.« Kornelius fragt verwundert: »Gottesdienst – was genau machst du dort?« Dir fällt ein, dass Kornelius kein Christ ist, sondern sein Gott einen anderen Namen hat. Darum antwortest du: »Ach ja, ich habe gar nicht daran gedacht, dass du das nicht kennst. Wir treffen uns dort, um von Jesus Christus zu hören, um zu singen, zu beten und zu essen. Ist das bei euch eigentlich auch so?« Kornelius sagt verwundert: »Ja, das hört sich sehr ähnlich an wie bei unseren Treffen – nur dass es bei uns um die Geschichten des Gottes Dionysos geht.« Das findest du spannend und fragst dich, was es mit Dionysos auf sich hat und wie Kornelius mit seiner Gemeinde feiert – ihr verabredet euch für später. Nach dem Gottesdienst wartet Kornelius bereits auf dich und hat eine Schriftrolle in der Hand. Du bist sehr neugierig und fragst ihn sofort: »Was hast du denn da mitgebracht?« »Das habe ich von unserem Gemeindeleiter ausgeliehen, um dir von Dionysos zu erzählen. Aber es ist eigentlich streng geheim und du musst versprechen, das Geheimnis für dich zu behalten!«, sagt Kornelius. Du antwortest ungeduldig: »Jetzt mach es nicht so spannend.« »Na gut«, beginnt Kornelius und fährt fort: »wir glauben an Dionysos. Wenn wir ge-

1359 Vgl. Baumann/Wermke, Religionsbuch 5/6, 126. 1360 Der blutrünstige Inhalt kann insbesondere männliche Schüler ansprechen, weshalb ich männliche Namen gewählt habe. Diese können aber leicht durch die weibliche Form (Daniela, Kornelia) ersetzt werden.

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meinsam feiern, setzen wir uns Masken auf, die aussehen wie er. Dann erzählt der Gemeindeleiter Geschichten von ihm. Zum Beispiel diese:« Er rollt die Schriftrolle aus und liest vor: »Dionysos hetzt hungrig über Feld, Wald und Wiese, um sich ein Leckerbissen zu jagen. Er hat Verlangen nach einem saftig-zarten Stierfilet. Während wir diese Geschichte hören, essen auch wir rohes, blutiges Stier-Fleisch und singen im Chor ›Dionysos, du bist der Stier!‹« Dir fehlen die Worte. Du kannst nur fragen: »Warum macht ihr das?« Kornelius antwortet: »Um uns an Dionysos zu erinnern und eins mit ihm zu werden.« Dann fragt er dich: »Warum und wie feiert ihr denn in eurem Gottesdienst?«

III.2.2.1.2.1.1. Sachanalyse Die Mitwelt der griechischsprachigen frühchristlichen Gemeinden war sowohl hellenistisch-jüdisch als auch hellenistisch-pagan geprägt. Als Beispiel für eine in diesem Sinne multikulturell geprägte Stadt kann Korinth gelten. Von Paulus ist in seinem ersten Brief an die christliche Gemeinde in Korinth zu erfahren, dass einige Gemeindemitglieder in engem Kontakt mit paganen Mitbürgern standen oder selbst am Götzendienst teilnahmen (s. II.2.2.2.). Wie im vorangehenden Kapitel dargestellt, sind genauere Einsichten in die Mysterienkulte wegen deren Arkandisziplin und des unzureichenden Quellenmaterials nicht möglich (s. II.3.2.2.2.). Der Erzähl- bzw. Schulbuchtext kann deshalb nicht auf gesicherten Fakten beruhen, sondern muss fiktional sein. Historisch ganz unwahrscheinlich, aber didaktisch erforderlich, ist der Geheimnisverrat des Kornelius. III.2.2.1.2.1.2. Lernchance Die Schülerinnen und Schüler versetzen sich in die Rolle des Daniel hinein und beschreiben die Unterschiede zwischen christlicher und paganer Glaubenspraxis, um zu erkennen, dass auch die antike Gesellschaftsstruktur multikulturell geprägt war: Es bestanden mehrere Religionen bzw. Kulte nebeneinander. Diese Thematik kann folglich zur Ausbildung von Toleranz beitragen. In der Beantwortung von Kornelius’ abschließender Frage fassen die Schülerinnen und Schüler ihre Kenntnisse über die Abendmahlsfeier zusammen. Sie erläutern, dass es Berührungspunkte und Differenzen zwischen dem christlichen und paganen Mahl gibt.1361

1361 Es werden Dialog- sowie Urteilskompetenzen erworben, indem die Schülerinnen und Schüler »Gemeinsamkeiten und Unterschiede von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen benennen […]« und »aus konfessioneller Perspektive einen eigenen Standpunkt zu religiösen […] Fragen einnehmen und argumentativ vertreten (niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 18. Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 16).

Konkretionen mit Blick auf die Lernenden

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III.2.2.1.2.1.3. Methodische Hinweise und Vertiefungsmöglichkeiten Um den Lernenden den Dionysoskult näher zu bringen, kann der Text durch Bildmaterial, z. B. vom antiken Korinth oder von Dionysos-Masken, begleitet werden. Als Vereinfachung ist es vorstellbar, dass der Text nicht offen endet, sondern Daniels Beschreibungen und Erklärungen den Text beenden. Die Schülerinnen und Schüler können Daniels und Kornelius’ Äußerungen miteinander vergleichen. Anhand der erarbeiteten Unterschiede und Gemeinsamkeiten können sie darstellen, inwiefern sich Parallelen zwischen dem christlichen Gottesdienst bzw. Herrenmahl und dem Dionysoskult bzw. -mahl ergeben. Um der Frage nachzugehen, wie Christen lernen können, mit anderen Religionen umzugehen, kann die unterrichtliche Behandlung von Mk 7,24–30; Mt 15,21–28 (»Die kanaanäische Frau«) weiterführend sein: Jesus weist die Heidin zunächst zurück, lässt sich aber von ihr überzeugen und wendet sich ihr bzw. ihrer Tochter zu. III.2.2.1.2.2. Impulskarten Während sich die ersten beiden Vorschläge (M1 und M2) eher an die Klassenstufen fünf bis acht richten, können nach der Konfirmation der Schülerinnen und Schüler Impulskarten eingesetzt werden, die verschiedene Deutungen des Herrenmahls symbolisch darstellen. Diese können entweder als Folien, Karten, die den Lernenden ausgehändigt werden, oder als Darstellungen im Schulbuch eingesetzt werden. Dadurch werden den Lernenden verschiedene Deutungen des Herrenmahls vorgestellt, die sie um die von ihnen selbst erarbeiteten ergänzen können (s. I.3.3.3.).1362 Neben Darstellungen von Broten, die den sättigenden Aspekt betonen, einer Mahlgemeinschaft1363 sowie dem Brot und dem Kelch als religiöse Symbole, könnte die unten gezeigte Impulskarte den Kommunio-Aspekt des Herrenmahls herausstellen.1364 Wichtig ist, dass nicht nur eine Deutung genannt wird, sondern alle Deutungsaspekte angesprochen und diskutiert werden.

1362 Im Sinne der Symboldidaktik bilden »präsakramentale Erfahrungen« die Grundlage für ein tiefergehendes Verständnis (s. Biehl, Symbole II, 257f.). 1363 Z. B. Emil Nolde (1909); Sieger Köder: »Das ist mein Leib« (Lk 22). Abendmahl. Vgl. auch Oberthür, Symbol-Kartei. 1364 Sofern keine symbolische Erarbeitung erfolgen soll, kann hierfür auch die Darstellung von Duwe, Abendmahl, herangezogen werden.

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Religionspädagogische Konkretionen

M 3:

III.2.2.1.2.2.1. Sachanalyse Die Impulskarte zur Kommunio-Deutung drückt die Identifikation von Mahlgeber und Mahlgabe aus, die in Jesu Brotwort Ausdruck findet: Zu sehen ist in der Mitte ein Brotlaib (X-Kerbe, s. III.2.2.1.1.), von dem Arme und Beine abgehen. Die Darstellung soll aussagen, dass sich Jesus Christus im Zuge des Herrenmahls selbst an die Mahlteilnehmer austeilt, indem er die Mahlhandlungen vollzieht und die Mahlgaben in Verbindung mit deutenden Worten reicht. III.2.2.1.2.2.2. Lernchance Die Schülerinnen und Schüler beschreiben unterschiedliche Impulskarten, um die Fülle der Deutungsaspekte des Herrenmahls zu erkennen. Die Lernenden identifizieren das Motiv der Theo- bzw. Christophagie als Sprachbild, das für antike Christen paganer Herkunft Ausdruck für die größtmögliche, nämlich leiblich erfahrbare Nähe zu Jesus Christus darstellte. Sie deuten die Impulskarten und vergleichen ihre eigenen Deutungen mit den genannten und den Deutungen anderer Schülerinnen und Schüler, um eine eigene Position zum Verständnis zu entwickeln.1365 III.2.2.1.2.2.3. Methodische Hinweise und Vertiefungsmöglichkeiten Der Aspekt der Theophagie könnte für Lernende Konfliktpotential enthalten: Schülerinnen und Schüler könnten Schwierigkeiten mit diesem Deutungs-Aspekt haben, was folgendes auf Harald Duwes Abendmahldarstellung bezogenes Zitat deutlich macht: »Ich habe das Gefühl, die nehmen das wörtlich. Das ist ja Kannibalismus«1366. Daher sollte die in den Deuteworten zum Ausdruck kommende symbolische Christophagie im Unterricht thematisiert werden. Anschließend können, bezogen auf die Frage, wie das ›ist‹ in den Deuteworten zu

1365 Die Gestaltungskompetenz wird erweitert, indem die Schülerinnen und Schüler »religiös relevante Inhalte ästhetisch, künstlerisch und medial ausdrücken« sowie »religiöse Symbole […] gestalten« (niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 19. Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 16). 1366 Biehl, Symbole II, 103.

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verstehen ist, die konfessionsbedingten Deutungsunterschiede angesprochen werden.1367 Mit einer Schülergruppe, die den österlichen Charakter des Herrenmahls verstanden hat, das heißt die es nicht als eine Station im Leben Jesu auffasst, weil ihr der Unterschied zwischen dem historischen Jesus und dem verkündeten Christus einsichtig ist, kann die Bedeutung der ὑπέρ-Wendung thematisiert werden: Christus deutet sein ›Sterben für‹ die Mahlteilnehmer im Herrenmahl. Sein Tod, der ohne seine Taten und Worte für die Menschen unverständlich bliebe, ist Ausdruck der Liebe, die von Christus bzw. Gott den Menschen entgegen gebracht wird (s. II.3.3.4.). III.2.2.1.3. Deuteworte Die Annäherung auf symbolischer Ebene kann anschließend auf literarischer Ebene anhand des Brotdeuteworts fortgeführt werden. M 4a: Aus der Erzählung (Haggada) zum Ritual am Sederabend des Pesachfests erfahren wir, dass der Hausvater die ungesäuerten Brote (Mazzen) bricht und danach folgende Worte spricht: »Das ist das Brot des Elends, das unsere Väter im Land Ägypten gegessen haben.«

M 4b: Aus dem Evangelium nach Markus erfahren wir, dass Jesus im Zuge eines abendlichen Pesachmahls Brot nahm, ein Dankgebet darüber sprach, es brach und seinen Jüngern mit den Worten gab: »Das ist mein Leib.« (Mk 14,22)

III.2.2.1.3.1. Sachanalyse Der Vergleich des Seder-Ritus mit der Feier des Herrenmahls macht Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich: Beide Mähler sind in literarischen Zeugnissen belegt, die allerdings unterschiedlich zu datieren sind. Bei Markus wird Jesus analog zum Hausvater der Pesachhaggada vorgestellt, er teilt jedoch ein Brot aus und keine Mazzen. In beiden Beschreibungen wird im Anschluss an die Mahlhandlungen ein Deutewort gesprochen, das in formaler Analogie mit »Das ist…« eingeleitet wird. Der Unterschied liegt in der Deutung der Mahlgabe: Die Mazzen werden in der Pesachhaggada als »Brot des Elends« bezeichnet und auf den Exodus bezogen, während sich der markinische Jesus angesichts seiner Passion mit dem Brot identifiziert. Übereinstimmend werden durch die Deuteworte Ritus und Mythos miteinander in Beziehung gesetzt – durch das Ritual

1367 Zu den Unterschieden und zur Umsetzung s. a. a. O., 103–105.

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treten Juden wie Christen mit einem vergangenen rettenden Ereignis erinnernd in Verbindung. III.2.2.1.3.2. Lernchance Die Lernenden vergleichen die Deuteworte miteinander und benennen anhand dieses Beispiels Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Brothandlung und des Brotworts von Pesach- und Herrenmahl: Der äußere Mahlvollzug sowie die Mahlintention ähneln sich, während sich die Deutung unterscheidet.1368 III.2.2.1.3.3. Methodische Hinweise und Vertiefungsmöglichkeiten Als kreativ-künstlerischer Zugang zur Herrenmahlüberlieferung kann es sich anbieten, dass die Lernenden den markinischen Text entweder umschreiben oder mithilfe verschiedener Schriftarten, -größen und -farben darstellen. Leitfragen könnten sein: Was berührt dich? Was fühlst du? Was provoziert dich? Was ist fragwürdig? Im Sinne des interreligiösen Lernens kann ein Mitglied der jüdischen Glaubensgemeinschaft eingeladen werden, das die Pesachfeier aus seiner Sicht beschreibt (s. I.3.6.). Hierbei ist zu beachten, dass jüdische Theologen überwiegend den jüdischen Kontext des Abendmahls Jesu stark machen. Die Lernenden sollen dafür sensibilisiert werden, dass ein inhaltlicher und struktureller Zusammenhang zwischen Pesach- und Herrenmahl unabhängig von direkten historischen Abhängigkeiten besteht.1369 III.2.2.2. Inhaltliche Konkretionen III.2.2.2.1. Soziale Gerechtigkeit Da das Herrenmahl zwar von einer sättigenden Mahlzeit getrennt ist, aber nach der frühchristlichen Überlieferung in einem engen Zusammenhang damit begangenen wurde, und da im Herrenmahl, im Gegensatz zu anderen paganen Mahlkonzepten, gesellschaftliche Unterschiede aufgehoben werden, erscheint es sinnvoll, es im Unterricht mit dem Thema »soziale Gerechtigkeit« zu verbinden.1370 Um einen Bezug zwischen Herrenmahl- und Gerechtigkeitsthematik

1368 Die Deutungs- sowie Wahrnehmungs- und Darstellungskompetenz werden aufgebaut, indem die Schülerinnen und Schüler »religiöse Sprachformen unterscheiden und deuten« sowie »grundlegende religiöse Ausdrucksformen wahrnehmen und in verschiedenen Kontexten wiedererkennen« (niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 18. Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 15). 1369 Vgl. Haarmann, Gedenken, 45–47.59f. 1370 Das Mahlthema wird in religionspädagogischen Konkretionen derzeit insbesondere anhand des symboldidaktischen Zugangs zum Thema »Brot« als Symbol für »Nahrung« –

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herzustellen, kann die konfliktträchtige Situation in der antiken korinthischen Gemeinde behandelt werden. Denkbar wäre eine bibliologische Erarbeitung (s. I.3.2.2.):1371 »Die Spannungen zwischen sozial Bessergestellten, die sich beim Abendmahl an den Speisen und Getränken gütlich tun, und Armen, denen nichts übrig bleibt, stellen die Gemeinschaft auf die Probe. Wird dies im Spiel aufgenommen und aus beiden Perspektiven jeweils erlebt, kann ein wesentliches Moment frühchristlicher Mahlgemeinschaft deutlich werden.«1372 Folgender Text könnte sukzessive erzählt werden: M 5: Heute machen wir eine Zeitreise und landen im Jahr 55 n. Chr. in der griechischen Stadt Korinth. Die Korinther treffen sich einmal pro Woche in der Gemeinde, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Da die Gemeinde wenige Mitglieder hat, die sehr reich sind, und einige, die wohlhabend sind, aber sehr viele, die arm sind und hart arbeiten müssen, um überleben zu können, ist die Organisation der gemeinsamen Feier nicht einfach. Heute ist es wieder soweit: Die Gemeindemitglieder treffen sich, um Gottesdienst zu feiern und das Abendmahl einzunehmen. Rufus, der reichste Christ in Korinth, hat sich bereiterklärt, dass heute alle zur Feier in sein Haus kommen können. – Stell dir vor, du wärst Rufus: Wie würdest du dich bei den Vorbereitungen des Gottesdienstes verhalten? Drei Stunden bevor der Gottesdienst beginnt, kommen einige andere Gemeindemitglieder zu Rufus und bringen in Körben Brote, Obst, Gemüse sowie Krüge mit Wasser und Wein mit. Rufus empfängt seine Gäste und lässt sie von seinen Dienern zu ihren vorgesehenen Plätzen bringen. Neben den beiden angesehensten Gästen nimmt er Platz, unterhält sich mit ihnen und weist die Übrigen an, bei der Vorbereitung des Essens zu helfen. – Stell dir vor, Rufus würde dich auffordern, nun das Essen zu kochen: Was würdest du denken? Die übrigen Gäste kommen Rufus’ Aufforderung nach und beginnen zu kochen und den Gottesdienst vorzubereiten: Sie legen Schriftrollen mit Liedern und Gebeten aus und verteilen Sitzkissen. Eine Stunde bevor der Gottesdienst beginnt, ist alles fertig. – Stell dir vor, wie das Essen duftet und welche Speisen aufgetischt sind: Würdest du vorschlagen, nun mit dem Essen zu beginnen? Die Gäste können es nicht abwarten. Die dampfenden Schüsseln werden serviert und sie nehmen sich aus ihren Körben Brot und Getränke und beginnen mit dem Mahl. Pünktlich zur verabredeten Zeit kommen nun auch die Gemeindemitglieder, die bis dahin auf dem Feld oder einer Baustelle arbeiten mussten. Sie sind hungrig, weil sie nur ein Stück Brot zum Frühstück gegessen hatten, und freuen sich auf eine üppige Mahlzeit. Beim Eintreten in Rufus’ Speisesaal sehen sie, dass die anderen schon mit dem Essen fertig sind. Sie haben sich satt und zufrieden zurückgelehnt. Einige scheinen sogar zu viel gemeint ist körperliche, geistige und emotionale Nahrung – erschlossen (s. Biehl, Symbole II, 60–93; Adam, Abendmahl, 18). 1371 Möglich ist auch, erzählerische Anstöße zu geben, z. B. aus Theißen, Der Schatten des Galiläers, 155–165 (s. Öhler, Taufe und Abendmahl, 255 Anm. 9). 1372 A. a. O., 254.

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gegessen und zu viel Wein getrunken zu haben und halten sich den Bauch. – Stell dir vor, du wärst einer von denen, die erst jetzt zu Rufus gekommen sind: Was denkst du? – Stell dir vor, du wärst einer der satten Reichen: Was denkst du dann?

III.2.2.2.1.1. Sachanalyse Grundlage für den Text zur bibliologischen Erarbeitung bildet der Abschnitt 1Kor 11,20f. Darin wirft Paulus den Korinthern vor, dass sie bei ihrer Zusammenkunft nicht das Herrenmahl einnehmen, da jeder ein eigenes Mahl zu sich nimmt, was zur Folge hat, dass einige (Reiche) betrunken sind, während andere (Arme) hungern. III.2.2.2.1.2. Lernchance Die Schülerinnen und Schüler versetzen sich in die korinthische Gemeindesituation. Sie bringen ihre eigene Position bzw. ihre Gefühle und Gedanken bezüglich der antiken gesellschaftlichen Strukturen und der damaligen Bedeutung des Mahls zum Ausdruck. Dadurch nehmen sie Einsicht in die antike Lebenswelt und können die korinthische Mahlsituation nachvollziehen.1373 III.2.2.2.1.3. Methodische Hinweise und Vertiefungsmöglichkeiten In diesem Text geht es primär nicht um das frühchristliche Herrenmahl, sondern insbesondere jüngere Schülerinnen und Schüler sollen mithilfe der bibliologischen Methode einen Einblick in die antike Mahlwelt erhalten. Die beispielhafte bibliologische Textgrundlage, die sich erweitern und verändern lässt, sollte von der Lehrperson frei erzählt werden. Es empfiehlt sich, diese ›Zeitreise‹ atmosphärisch zu untermalen, z. B. durch eine entspannte Körperhaltung, Sitzkissen auf dem Boden, Gegenstände, die im Text genannt werden. An den Stellen, wo die Lernenden in der Rolle des jeweiligen Akteurs zu Wort kommen sollen, ist es wichtig, ihnen genügend Zeit zu Empathie und Überlegung zu geben. Die Äußerungen sollen in dieser Situation sowohl von der Klassengemeinschaft als auch der Lehrperson zunächst unkommentiert bleiben und freiwillig erfolgen. Es ist möglich, die Ergebnisse auch als Einzelarbeit in vorbereitete Sprechblasen aufschreiben zu lassen. Es bietet sich (auch als Einstieg) an, die Lerngruppe in die beiden Lager der Reichen und Armen zu unterteilen. In einer Gruppenarbeitsphase können sie sich in die jeweilige Situation hineinversetzen. Zwei Texte (M 6a und 6b) werden hierzu aus der Sicht eines reichen bzw. eines armen Gemeindemitglieds in die 1373 Die Dialogkompetenz wird ausgebaut, indem die Schülerinnen und Schüler bereit sind, »die Perspektive des anderen einzunehmen […]« (niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 18. Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 16).

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Gruppe eingegeben. Betont werden können die Unterschiede z. B. dadurch, dass die Reicheren auf ihren Stühlen sitzen und von der Lehrperson Kekse o. ä. bekommen, während die Ärmeren stehen müssen und nichts erhalten. Eine Variante wäre, dass die Schülerinnen und Schüler in Partner- oder Gruppenarbeit selbst einen Brief aus der einen oder anderen Perspektive schreiben. Danach treffen die beiden Gruppen aufeinander. Um die konfliktträchtige Situation zu bearbeiten, sollen die Lernenden überlegen, wie sie bereinigt werden könnte. Anschließend besteht die Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern zu erzählen, dass Paulus an dieser Stelle die Herrenmahltradition zitiert und mit ihnen zu überlegen, welche Intention dahinter stehen könnte. M 6a: Brief aus der Sicht eines Reichen: Lieber Paulus, du kannst dir nicht vorstellen, was für Zustände in unserer Gemeinde herrschen: Gestern haben wir uns alle getroffen, um den Gottesdienst vorzubereiten und Essen zu kochen. Als alles fertig war, waren die ärmeren Gemeindemitglieder noch nicht da. Wir hatten von der Vorbereitung solch einen Appetit bekommen, dass wir mit dem Essen begonnen haben. Als dann endlich die Armen zum Gemeindehaus kamen, waren wir gerade fertig mit dem Essen. Sie haben sich lautstark darüber beschwert, dass für sie nichts übrig geblieben sei. Wir haben sie darauf hingewiesen, dass wir nur unser selbst mitgebrachtes Essen verspeist haben und dass wir uns ja wohl treffen, um das Abendmahl zu feiern – hierfür war für jeden noch ein Stück von unserem Brot und ein Schluck von unserem Wein übrig. Dieses fordernde Verhalten geht uns zu weit. So möchten wir nicht mehr gemeinsam mit den Armen Gottesdienst feiern. Bitte schreib den Armen einen Brief, in dem du ihnen ihr unrechtes Verhalten aufzeigst! Es grüßt dich dein Theodor

M 6b: Brief aus der Sicht eines Armen: Lieber Paulus, du kannst dir nicht vorstellen, was für Zustände in unserer Gemeinde herrschen: Ich bin gestern mit anderen rechtzeitig vom Feld losgegangen, um pünktlich zu Beginn des Gottesdienstes im Gemeindehaus zu sein. Wir haben uns sehr beeilt, weil wir riesigen Hunger hatten. Doch als wir dort ankamen, war alles aufgegessen: Die Reichen, die nicht arbeiten müssen, haben ohne uns begonnen und waren fertig, noch bevor wir kamen. Einige hatten so viel gegessen, dass ihnen übel war. Wir waren sehr empört, dass sie uns nichts übrig gelassen hatten. Als wir uns bei ihnen beschwerten, haben sie gelacht und gesagt: Wir treffen uns, um das Abendmahl zu feiern – hierfür sei für jeden noch ein Stück Brot und ein Schluck Wein übrig. Dieses hochmütige Verhalten geht uns zu weit. So möchten wir nicht mehr gemeinsam mit den Reichen Gottesdienst feiern. Bitte schreib den Reichen einen Brief, in dem du ihnen ihr unrechtes Verhalten aufzeigst! Es grüßt dich dein Theophilus

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Religionspädagogische Konkretionen

An die unterrichtliche Thematisierung der »sozialen Gerechtigkeit«, einem wesentlichen Element der Herrenmahlfeier, kann sich eine konkrete Umsetzung in Form eines Sozialprojektes anschließen: Im Mahl verbinden sich die menschlichen Grundbedürfnisse nach Nahrung und Gemeinschaft. Ein Besuch oder ein Praktikum in Einrichtungen, die diese Bedürfnisse stillen, bietet sich an (z. B. Tafel e.V., Bahnhofsmission). Auch hier könnte sich die Zusammenarbeit mit anderen Fächern als lohnend erweisen, denn das Thema »Arm und Reich« wirft eine soziale Frage auf, die in mehreren Fächern (Geschichte, Deutsch, Ethik) reflektiert wird.1374 III.2.2.2.2. Gemeinschaft Der in der gegenwärtigen religionspädagogischen Praxis vielfach behandelte gemeinschaftsstiftende Aspekt des Herrenmahls wurde bisher darauf zurückgeführt, dass es sich bei der christlichen Mahlfeier um ein Gemeinschaftsmahl handelt. Jedem Gemeinschaftsmahl, ob in der Antike oder heute, komme diese Funktion zu – folglich sei dieser Aspekt auch bei Herrenmahl zentral.1375 Bei der Behandlung des Abendmahls sollte deutlicher betont werden, dass es um die Gemeinschaft der Mahlteilnehmer mit Christus geht. Die Gemeinschaft entsteht durch die Teilhabe aller an denselben Mahlgaben und durch die gemeinschaftsstiftende Erfahrung, dass jede und jeder den gleichen Anteil an Christus in sich trägt. Das frühchristliche Mahl ist sichtbarer Ausdruck der Einheit mit Christus und untereinander und grenzt gleichzeitig die christliche Gemeinde nach außen ab (s. II.4.). Um den gemeinschaftsstiftenden Aspekt im Unterricht herauszustellen, bietet sich eine performative Erarbeitung an (s. I.3.4.). Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Abendmahl nicht als Sakrament, sondern in Form der synoptischen Erzählung vom letzten Mahl inszeniert wird – es geht also um eine Verbindung aus Probehandeln und bibliodramatischer Erschließung. Die Tischszene sollte mit entsprechenden Materialen (Brot, Kelch, Kissen zum Liegen) nachgestellt werden. 13 Schülerinnen und Schüler nehmen je die Rolle eines Jüngers bzw. die des irdischen (!) Jesus ein. Die Jesus-Rolle sollte mit Bedacht besetzt werden, um die Ernsthaftigkeit des Spiels zu wahren. Es empfiehlt sich, den Schüler bzw. die Schülerin, der bzw. die Jesu Rolle einnimmt, zuvor mit den Deuteworten vertraut zu machen. 1374 Zu diesem Thema entwickelte bereits Klafki, Grundzüge, 43–81, ein innovatives Lehrkonzept: Zu den epochaltypischen Schlüsselproblemen der Gegenwart und der zu erwartenden Zukunft zählt er u. a. die gesellschaftliche Ungleichheit (59). Zur Thematisierung dieser Grundprobleme entwickelt er einen »Problemunterricht«, zugunsten dessen sich das klassische Stundenband hin zu einem fächerübergreifenden Unterricht auflösen solle (66). 1375 Vgl. Biehl, Symbole II, 247f.

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Die nicht agierenden Lernenden könnten in der Rolle stiller Beobachter ihre Wahrnehmungen notieren – etwa anhand von Leitfragen: Wer nimmt teil? Wer handelt und spricht? Was könnten die Mahlteilnehmer denken/fühlen? Diese Notizen können anschließend mit der biblischen Überlieferung verglichen werden. An die Inszenierung sollte sich eine individuelle Reflexionsphase und eine Diskussion mit der Lerngruppe anschließen, um die Eindrücke der Lernenden zu sammeln, zu vergleichen und miteinander ins Gespräch bringen zu können. III.2.2.2.2.1. Sachanalyse Die ältesten Herrenmahltraditionen lassen übereinstimmend erkennen, dass es sich bei der Mahlfeier um ein gemeinschaftlich begangenes und Gemeinschaft konstituierendes Ereignis handelt (s. II.2.6.). Im Vordergrund steht die Gemeinschaft zwischen den Mahlteilnehmern und Christus, die aufgrund der Teilhabe aller an Christus auch eine Gemeinschaft der Mahlteilnehmer untereinander herstellt. III.2.2.2.2.2. Lernchance Die Schülerinnen und Schüler inszenieren die biblische Abendmahlüberlieferung, um sie kennenzulernen und einen persönlichen Bezug zu ihr und ihren Aktanten herzustellen.1376 III.2.2.2.2.3. Methodische Hinweise und Vertiefungsmöglichkeiten Da die Gefahr besteht, dass die Ernsthaftigkeit dieser Szene von den Lernenden verkannt wird, kann der synoptische Bericht vom letzten Mahl auch narrativ in den Unterricht eingebracht werden: Die Lehrperson erzählt – von der Tradierung biblischer Texte in Form mündlicher Überlieferung inspiriert –, dass sich die frühen Christen Jesu letztes Mahl in dieser Form erzählt haben. Um Schülerinnen und Schüler insbesondere der niedrigeren Klassenstufen für den Gemeinschaftsaspekt des Abendmahls zu sensibilisieren und um herauszustellen, worin Unterschiede zwischen antiken und heutigen Mahlzeiten bestehen, können die Lernenden ein Essenstagebuch führen, in dem sie notieren, wann sie was, wo und mit wem gegessen haben. In einer vorher festgelegten Phase der Unterrichtseinheit können diese Tagebücher entweder im Plenum oder anonym durch die Lehrperson ausgewertet werden. So lässt sich erarbeiten, wodurch die heutige bzw. die Mahlkultur der Lernenden gekennzeichnet ist. 1376 Die Deutungs- sowie Gestaltungskompetenzen werden erweitert, indem die Schülerinnen und Schüler »biblische […] Texte erschließen« sowie »biblische Texte durch kreative Gestaltung in die eigene Lebenswelt übertragen« (niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 18f. Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 16).

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Religionspädagogische Konkretionen

Angesprochen werden kann, ob die Lernenden ein ritualisiertes gemeinschaftliches Mahl im Kreis der Familie kennen und wie sie Gespräche während einer solchen Mahlzeit empfinden. Daran anschließend kann, wie in einigen Schulbüchern angeregt (s. I.2.4.2.1.1.), ein gemeinsames Essen innerhalb der Lerngruppe veranstaltet werden. Dadurch soll die Erfahrung des Gemeinschaftsmahls mit dem zentralen Aspekt verknüpft werden, dass Christus alle individuell Geprägten miteinander versammelt (vgl. Mk 2,15–17 parr.). Eine weitere Vertiefungsmöglichkeit bietet der folgende Bildausschnitt, der mittels einer gelenkten Bildbetrachtung erarbeitet werden kann. Zu diesem Material (M 7a), das als Overhead-Folie aufbereitet werden kann, sollen sich die Schülerinnen und Schülern zunächst assoziierend äußern. Anhand ihrer Äußerungen kann die Szene des letzten Mahls rekonstruiert werden; dabei sollte vor allem auf den Gemeinschaftsaspekt Bezug genommen werden. Anschließend wird den Lernenden das Gesamtbild (M 7b) gezeigt. Deren Reaktionen und Fragen (etwa: Warum laufen sie weg?) sollen im Sinne der Jugendtheologie (s. I.3.5.) aufgegriffen werden. Die Lehrperson kann mit provozierenden Fragen (etwa: Ist hier überhaupt das Abendmahl dargestellt?) das Gespräch lenken, um mit den Lernenden den Gemeinschaftsaspekt des Mahls herauszuarbeiten. M 7a.b:

Quelle: © SPIEGEL 52/1997

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III.2.2.2.3. Gott begegnen – früher und heute Im Anschluss an den Gemeinschaftsaspekt, der den Jugendlichen an der Abendmahlsfeier wichtig ist, soll es um den der Gottesbegegnung im Mahl gehen (s. III.2.1.4.). Als Einstieg in dieses Thema kann der Beginn des Gedichts »Patmos« von Friedrich Hölderlin dienen, um mit den Jugendlichen über die immanente und transzendente Seite Gottes zu theologisieren. Um der Frage nach der Gottesbegegnung aus religionsgeschichtlicher Perspektive nachzugehen, wie also Gott für jüdische, pagane und christliche Menschen der Antike wahrnehmbar wurde, können fiktive Interviews mit je einem Vertreter dieser Religionen von den Lernenden analysiert werden. M 8: »Nah ist Und schwer zu fassen der Gott.« (Friedrich Hölderlin, Patmos)

M 9a: Rabbi Ben-Jizchaq: »Wie ich dem Herrn begegne? In Wort und Schrift: ich lese und höre seine Heilstaten am Volk Israel – wie er es aus der ägyptischen Gefangenschaft geführt und durch die Wüste bis ins verheißene Land begleitet hat. Wie er uns gesegnet und beigestanden hat. Der Herr ist also unserem Volk alle Zeit nahe. An seine Heilstaten erinnern wir uns beim Pesachmahl, wenn wir die Mahlgaben im Rückblick auf das Exodus-Geschehen deuten. Wir sprechen bei den Mahlzeiten Dankgebete, um dem Herrn zu sagen, dass wir beim Essen an ihn denken.«

M 9b: Claudius: »Wie ich Dionysos begegne? Indem ich ihn anrufe und ihn körperlich spürbar wahrnehme: Wir erleben die Geschichten, die von Dionysos erzählt werden, indem wir seine Taten nachahmen und nachspielen. Beim gemeinsamen Mahl singen und tanzen wir. Dionysos erscheint dann als Stier. Den töten und verspeisen wir, ebenso wie Dionysos einen Stier gejagt und verschlungen hat – so trägt jeder von uns ein Stück seiner Göttlichkeit in sich.«

M 9c: Johannes: »Wie ich Jesus Christus begegne? Indem ich im Gebet zu ihm spreche, um ihm zu danken und ihm von meinen Hoffnungen und Ängsten zu erzählen. Oder indem ich gemeinsam mit anderen das Abendmahl feiere: Durch die Mahlhandlungen, die Christus, unser Herr, selbst vollzogen hat, erinnern wir uns an ihn und an seine Liebe zu den Menschen. Durch

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Religionspädagogische Konkretionen

das Kosten des Brotes und Trinken aus dem Kelch schmecken wir in diesem Moment, dass Jesus bei uns ist.«

III.2.2.2.3.1. Sachanalyse Der Beginn des Gedichtes »Patmos« von Friedrich Hölderlin (1770–1843) (M 8) bringt zum Ausdruck, dass Gott für die Menschen zwei Seiten hat – er ist »nah« und damit spürbar und zugleich »schwer zu fassen« und deshalb unverfügbar. In dieser Gleichzeitigkeit von Erfahrbarkeit und Unfasslichkeit trifft sich die Herrenmahlwahrnehmung der frühen Christen und Jugendlichen: Christus wird im Mahl wahrnehmbar, aber nicht verfügbar. Bei den fiktiven Interviews (M 9) handelt es sich um plakative Texte, die keinen historischen Wert besitzen, sondern mögliche Antworten antiker Menschen in die Sprach- und Gedankenwelt der Jugendlichen transformieren möchten. So sollen die verschiedenen Möglichkeiten der Gottesbegegnung antiker Menschen vermittelt werden – im antiken Judentum erfolgte diese stärker über das Wort, in der paganen Mitwelt stärker über leibliche Erfahrung und im Christentum verbinden sich beide Motive. Das Mahl erscheint durch die körperlichen Grunderfahrungen des Sehens, Schmeckens, Riechens und Fühlens sowie des begleitenden Hörens als besonders ursprünglicher Ort der Gotteserfahrung. III.2.2.2.3.2. Lernchance Die Schülerinnen und Schüler reflektieren eigene Formen der Gottesbegegnung. Sie beschreiben die antiken Möglichkeiten der Gottesbegegnung, um zu erkennen, dass der Wunsch nach solcher Begegnung schon immer in den Menschen angelegt war und auch im Herrenmahl seinen Ausdruck findet.1377 III.2.2.2.3.3. Methodische Hinweise und Vertiefungsmöglichkeiten Im Sinne des interreligiösen Lernens können zur Frage der Gottesbegegnung Juden und Muslime befragt bzw. in den Unterricht eingeladen werden (s. I.3.6.). Dadurch lässt sich ein lebendiger Austausch über die jeweiligen Mahltraditionen ermöglichen. Eine sehr anspruchsvolle, möglicherweise erst für die Sekundarstufe II geeignete, textbasierte Vertiefungsmöglichkeit bietet die Rede des Paulus auf dem Areopag in Athen (Apg 17,27f.), denn dort spricht Paulus in missionarischer Absicht vom »Ertasten Gottes«, in dem »wir leben«. Lesen die Lernenden diese 1377 Die Urteils- sowie Dialogkompetenzen werden erweitert, indem die Schülerinnen und Schüler »Argumentationen zu Fragen nach Gott […] unterscheiden und beurteilen« sowie »Gemeinsamkeiten und Unterschiede von religiösen […] Überzeugungen benennen« (niedersächsisches Kerncurriculum HS und RS – Ev. Religion, je 18f. Vgl. niedersächsisches Kerncurriculum Gym – Ev. Religion, 16).

Konkretionen mit Blick auf den Lehrenden

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Rede im Vergleich zur Pfingstpredigt des Petrus (Apg 2,14–36), können sie anhand der unterschiedlichen Ausdrucksweise adressatenbezogene Formulierungen und Vorstellungen feststellen.

III.3. Konkretionen mit Blick auf den Lehrenden Der Lehrende des Religionsunterrichts ist grundsätzlich von vier Bezugsgrößen bestimmt, die er in ein glaubwürdiges und authentisches Gleichgewicht zu bringen hat: 1. Er ist Didaktiker: Der Lehrende hat die Lebens- und Erfahrungswelt sowie die entwicklungspsychologischen Voraussetzungen abzuschätzen und muss die Lerninhalte dementsprechend aufbereiten. Diese Dimension war Gegenstand der vorangegangenen Konkretisierungen. 2. Er ist Fachkundiger: In der Lehrerausbildung werden zwar grundlegende fachwissenschaftliche Erkenntnisse und historisch-kritisches Denken vermittelt, aber eine tatsächliche Auseinandersetzung mit aktuellen Forschungsthemen kann selbst von Interessierten nur am Rande erfolgen. Die Kenntnis der gegenwärtigen Forschungslage kann deshalb nicht von der Lehrperson verlangt werden, bildet aber die sachanalytische Voraussetzung für die zeitgemäße didaktische Aufbereitung eines Unterrichtsthemas. Um den Lehrenden verlässlich zu informieren, sollen Lehrerhandbücher als Informations- und Nachschlagemedium dienen. Eine sich dafür eignende Darstellung zum religionsgeschichtlichen Hintergrund der Herrenmahltradition wird im anschließenden Teil entworfen. 3. Er besitzt eine individuelle religiöse Prägung und Einstellung: Aus der Feststellung »nur in der gelebten Religion sind jene Anhaltspunkte und Motive aufgehoben, die Religion überhaupt erst lehrbar machen«1378, folgt, dass die Lehrperson ihre religiöse Biographie bei der Unterrichtsvorbereitung stets mitreflektieren sollte. Insbesondere für die Thematisierung des Abendmahls kommt der Reflexion der eigenen Abendmahlspraxis und -deutung eine wichtige Rolle zu. Folgende Fragen könnten diesen Prozess anstoßen und begleiten: Wie habe ich mein erstes Abendmahl in Erinnerung? Was habe ich gefühlt? Nehme ich gegenwärtig am Abendmahl teil? Wie läuft eine Abendmahlsfeier in meiner Gemeinde ab? Wie verstehe ich das Abendmahl? Was bedeutet es für mich? 4. Er ist Kirchenmitglied: Durch die Kirchenzugehörigkeit steht die Lehrkraft in der Tradition einer bestimmte Abendmahlsauffassung (Stichwörter: Trans1378 Feige/Dressler/Lukatis/Schöll, ›Religion› bei ReligionslehrerInnen, 34 (Hervorhebung im Original).

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Religionspädagogische Konkretionen

substantiation vs. Konsubstantiation sowie Realpräsenz vs. Spiritualpräsenz). Um Lehrenden Anregungen zum kritischen Weiterdenken zu geben, erfolgt ein Ausblick zum Umgang mit den traditionellen Abendmahlsverständnissen (s. III.3.2.).

III.3.1. Beispieltext für ein Lehrerhandbuch Das Lehrerhandbuch dient dazu, fachwissenschaftliche Erkenntnisse präzise und verständlich zusammenzufassen. Ferner sollte es methodisch-didaktische Anregungen sowie Zusatzmaterialien bieten und erläutern, wie diese in den Unterricht eingebunden werden können. Da solche als Vertiefungsvorschläge bereits genannt und erläutert wurden (s. III.2.2.), soll hier versucht werden, eine Zusammenfassung der aktuellen fachwissenschaftlichen Diskussion zu formulieren, die den Anforderungen an ein Lehrerhandbuch gerecht werden kann: Essen und Trinken ist lebenserhaltende Notwendigkeit. Dass die Nahrungsaufnahme religiös konnotiert ist, erklärt sich aus der Abhängigkeit menschlichen Überlebens von der Natur: Vegetationsmythen zeigen, dass die Jahreszeiten und die davon abhängigen Ernten in einen transzendenten Horizont gestellt wurden. Menschen danken den Göttern für Fruchtbarkeit auf kultische Weise oder bitten sie in dieser Form um gelingende Ernten. Allerdings ist das Repertoire an menschlichen Ritualen und Gesten, um diese religiöse Dimension (in theistischen Religionen: die Beziehung zwischen Gott und dem Empfang lebensnotwendiger Nahrung) auszudrücken, begrenzt. Daher ähneln sich viele Kulturen in den Ausdrucksformen, die Dankbarkeit für Gottes Gaben und die Zugehörigkeit zu ihm ausdrücken sollen, auch wenn sie alle charakteristische Züge und Deutungen ausgebildet haben. In diesen Zusammenhang gehört auch das christliche Mahl. Im Zuge seiner Feier wird die Gabe von Brot und Kelch als Gegenwart Christi gedeutet. Die ältesten christlichen Mahlüberlieferungen weisen neben Übereinstimmungen (Mahlgaben, Trennung von Sättigungs- und Herrenmahl) erhebliche Unterschiede in der Terminologie1379 sowie in der Darstellung des Mahls und seiner kontextuellen Einbettung auf. Paulus stellt das Herrenmahl zum einen paganen Opfermahlzeiten gegenüber (1Kor 10,3f.16f.21) und zum 1379 Die Bezeichnung »Herrenmahl« gründet in der paulinischen Formulierung κυριακὸν δεῖπνον/kyriakon deipnon (1Kor 11,20), bei der das Adjektiv das Mahl (δεῖπνον/deipnon) als das »zum/dem Herrn gehörende« qualifiziert. Indem Luther den griechischen Ausdruck mit »des Herrn Abendmahl« übersetzte, prägte er die evangelischen Sakramentsbezeichnung »Abendmahl«, die auf den Zeitpunkt des Mahls verweist: in Mk 14,17 par. am Abend und 1Kor 11,23 in der Nacht. Die katholische Bezeichnung »Eucharistie« geht auf das griechisches Verb εὐχαριστέω/eucharisteo¯ zurück, das »danken/ein Dankgebet sprechen« bedeutet, und bereits in der Didache (Did 9,1.5) die Mahlfeier benennt. Die Bezeichnung »letztes Mahl« resultiert aus der Darstellung der synoptischen Evangelien, die dieses (Abschieds-)Mahl Jesu mit seinen Jüngern als Ereignis vor seiner Auslieferung darstellen, bei dem Jesus die christliche Mahlfeier eingesetzt habe.

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anderen verortet er die Mahlhandlungen des Kyrios, die von den Korinthern in der christlichen Mahlfeier imitiert werden (1Kor 10,16), in der »Auslieferungsnacht« (1Kor 11,23). Bei den Synoptikern bildet das Pesachmahl den narrativen Rahmen des letzten Mahls Jesu (Mk 14,12–26 parr.). Diese und andere frühchristliche Herrenmahlüberlieferungen (Johannesevangelium Kap. 6; Didache Kap. 9f; 14) zeichnen kein einheitliches Bild der christlichen Mahlfeier und -liturgie. So ist davon auszugehen, dass das Herrenmahl nicht auf eine nachösterliche Mahltradition zurückzuführen ist. Vielmehr wurde in den frühchristlichen Gemeinden auf verschiedene Art und Weise ein auf Christus bezogenes Mahl gehalten. Daraus ist zu schließen, dass das Herrenmahl aus historischer Sicht nicht auf eine Einsetzung durch den irdischen Jesus zurückzuführen ist, sondern eine Deutung der frühchristlichen Mahlpraxis darstellt. Jesus hat kein Herrenmahl gefeiert, wie wir es heute tun. Bei den Einsetzungsworten handelt es sich um eine christologische Deutung, die die Mahlfeier in einem Teil der frühchristlichen Gemeinden erhalten hat. Daraus folgt auch, dass die These, das Herrenmahl sei aus dem Pesachmahl hervorgegangen (Joachim Jeremias), so nicht haltbar ist. Dass das Herrenmahl bei den Synoptikern sekundär als Pesachmahl gestaltet wurde, ergibt sich aus zwei Gründen: 1. Das Pesach mit seinen besonderen Mahlelementen spielt in den Deuteworten keine Rolle. 2. Es wird nur von den Synoptikern und dort nur im Kontext der Herrenmahlschilderung erwähnt, nicht in ihr selbst. Trotz dieser Differenzen lassen sich auch Ähnlichkeiten zu nicht-christlichen Traditionen erkennen, die einen Einblick in die frühchristliche Mahlpraxis gewähren: Die der allgemeinen jüdischen Mahlsitte entsprechende Rahmenhandlung des Brotbrechens und Dankens bzw. Lobens für die Mahlgaben versieht Jesus bzw. der Kyrios mit einer aus jüdischer Sicht erschreckenden Deutung: Das gebrochene und verteilte Brot wird mit seinem Leib identifiziert, der ausgeteilte Kelch mit seinem Bundesblut (Mk/Mt) bzw. dem »neuen Bund« in seinem Blut (1Kor/Lk). Diese Worte deuten das Herrenmahl als Kommunio – der Mahlspender identifiziert sich mit den Mahlgaben, die die Mahlteilnehmer verzehren. Die beiden Deutungen korrespondieren nicht direkt miteinander, sondern bieten zwei eigenständige, sich ergänzende Deutungen des Herrenmahls: Der Leib steht dafür, dass der Mahlteilnehmer – vermittelt durch die Mahlhandlungen und das Essen des Brotes – konkret Anteil am Kyrios erhält. Da jeder Mahlteilnehmer diese Teilhabe in gleichem Maße empfängt, schließen sich alle Teilnehmer zu einer Gemeinschaft (»einem Leib«) zusammen. Durch das Trinken aus dem Kelch erfährt der Mahlteilnehmer die Gewissheit, in den Bund hineingenommen zu sein, den Jesus durch sein Blut geschlossen hat. Für diese Bundesvorstellung, die den alttestamentlich-jüdischen Bundesgedanken auf Christus bezieht, ist kennzeichnend, dass er in Jesu Blut gründet – als Ausgangspunkt und Voraussetzung erscheint also Jesu Tod. Jesu Selbsthingabe wird in den Deuteworten gedeutet: Jesus gibt seinen Leib (Paulus/ Lk: ὑπέρ) bzw. sein Bundesblut (Mk: ὑπέρ /Mt: περί) für die christusgläubigen Mahlteilnehmer. Insbesondere in der paulinischen und lukanischen Formulierung wird deutlich, dass Jesus sich in seiner Gesamtexistenz gibt. Das ›Für‹ zeigt also an, dass sowohl Jesu Sterben als auch – und das ist mit der Ganzheit gemeint – sein Leben bzw. Wirken zugunsten der ihm vertrauenden Menschen geschah.

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Nach derzeitigem Forschungsstand lässt sich zu dem in den Deuteworten zum Ausdruck kommenden Mahlverständnis keine Analogie in der antiken Mahlmitwelt ausmachen. Auch Worte, die den Vollzug des Mahls deuten, sind in der hellenistisch-jüdisch und hellenistisch-paganen Mahlwelt nur rar belegt. Dennoch gibt es Anhaltspunkte für die religions- und traditionsgeschichtliche Ursprünge des Herrenmahls: Ein Großteil der Deutungselemente des Herrenmahls lässt sich auf die alttestamentlich-jüdische Tradition zurückführen. Auch die Struktur der Deuteworte scheint eine Nähe zur hellenistischjüdischen Mahltradition zu besitzen: Die in den ältesten Überlieferungen übereinstimmenden Mahlgesten sowie die Eingangsformulierung der Deuteworte (»Dies ist…«) ist so nur dort zu belegen. Das grundsätzliche Verständnis des Herrenmahls als Kommunio bzw. der Aspekt Christophagie (Christus selbst wird verzehrt) steht der hellenistisch-paganen Mahlwelt nahe (Parallelen im Dionysoskult). Dies führt zu der Annahme, dass sich im Herrenmahl auf synkretistische Weise Mahlaspekte der Mitwelt zu einem innovativen christlichen Mahlkonzept verbinden. Für christusgläubige Juden wird es dadurch akzeptabel, dass nicht tatsächlich auf Christus gedeutetes Fleisch gegessen und Blut getrunken wurde, sondern, jüdischer Tradition entsprechend, Mahlgaben mit Deutungen versehen wurden. Der pagane Einfluss zeigt sich darin, dass diese Deutungen personalisiert, also auf Christus bezogen wurden, um so dessen Präsenz in den Mahlgaben denken zu können. Anders als das pagane Vereins- (Matthias Klinghardt) bzw. Mysterienmahl (Hans-Josef Klauck) ist das Herrenmahl prinzipiell für alle Menschen offen und egalisiert in seinem Vollzug soziale Unterschiede. Weitere Unterschiede zur Mahlmitwelt sind die Separierung vom Sättigungsmahl (1Kor 11,20f.25a; Did 10,1; vgl. Mk 14,22a par. Mt 26,26; Lk 22,14f.) sowie die Reduktion des Herrenmahls auf zwei Mahlgaben bzw. -handlungen. Das Herrenmahl ist auf einen Punkt der Menschheitsgeschichte bezogen und an diesem nach frühchristlicher Tradition vom irdischen Jesus eingesetzt. Dieser Mythos bildet die Grundlage für das Ritual der paulinischen und synoptischen Herrenmahlfeier. Die Deuteworte, die nur bei Kenntnis der Passionserzählung und aufgrund des Osterglaubens verständlich sind (das heißt nur für Christen), ermöglichen den Mahlteilnehmern, Jesus auch nach seinem Tod als gegenwärtig wahrzunehmen – sie bauen also eine Brücke von der erinnerten Vergangenheit in die erlebte Gegenwart.

III.3.2.

Mögliche Konsequenzen für den Umgang mit christlichen Lehrtraditionen zum Abendmahl (vielleicht nicht nur?) im Religionsunterricht

Werden die exegetischen Einsichten zum Herrenmahl ernstgenommen und mit der eigenen religiösen Praxis in Verbindung gebracht, ergeben sich zwangsläufig Fragen nach dem Umgang mit den traditionellen Abendmahlslehren. So gilt es zu reflektieren, ob lehrtraditionelle Vorentscheidungen die religionspädagogische Umsetzung in Lehrmaterialien beeinflussen. Der Verdacht, dass es sich so verhält, wurde im Verlauf der Arbeit durch begleitende Diskussionen bestätigt, in denen insbesondere von gemeindepädagogischer Seite die Befürchtungen aufkamen. Gefragt wurde: »Welche Bilder bleiben bei Lernenden hängen, die die

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›gruselige‹ pagane Seite im Unterricht kennenlernen?« »Wie soll damit im Konfirmandenunterricht umgegangen werden?« Um dem in der Einleitung formulierten Anliegen zu entsprechen, dass sich Fachwissenschaft und Religionspädagogik annähern sollen, erscheint es notwendig, abschließend in Thesenform anzudenken, wie ein Umgang mit dogmatisch geprägten bzw. lehrtraditionellen Mahlvorstellungen aus religionspädagogischer Sicht aussehen könnte:1380 1. These Die frühchristliche Mahlfeier wurde in unterschiedlicher Art und Weise begangen. Insbesondere im Osten des Römischen Reiches gehörten die Einsetzungsworte lange Zeit nicht zur Mahlliturgie. Nur in einem Teil der frühchristlichen Gemeinden wurde das Mahl mit Deuteworten und dem ihnen inhärenten Kommunio-Verständnis verbunden. Welche Konsequenz ergibt sich hieraus für das Verständnis des Abendmahls? Die Vielfalt der frühchristlichen Mahltraditionen lässt eine vielfältige Deutung der christlichen Mahlfeier zu. Aus religionspädagogischer als auch lehrtraditioneller bzw. dogmatischer Sicht sollte die Vielfalt aller frühchristlichen Deutungsschwerpunkte, wie Gemeinschaft, Erinnerung, Kommunio, Bund und eschatologische Hoffnung, berücksichtigt werden. »Daß Vielfalt nicht Beliebigkeit meint, wird trotz aller Divergenz exegetisch deutlich«1381. 2. These Die exegetische Erarbeitung macht es aus historischer Sicht wahrscheinlich, dass die Einsetzungsworte nicht vom historischen Jesus gesprochen wurden, sondern es sich bei diesen um Mahldeutungen der frühen Christen handelt. Was bedeutet dies für die konfessionsgebundenen Abendmahlslehren, deren Ausgangspunkt die Annahme einer Einsetzung dieses Mahls durch Jesus Christus ist? Die Wahrnehmung, dass die Mahlfeier erst in frühchristlichen Gemeinden christologisch gedeutet wurde, eröffnet erneut die Möglichkeit pluraler Mahldeutungen wahrzunehmen, ohne dass eine davon einen Anspruch auf absolute Wahrheit beanspruchen kann – ein »individueller Wahrheitsanspruch« (»Für mich hat das Abendmahl diese oder jene Bedeutung«) wird damit keinesfalls negiert. Aus frühchristlicher Zeit ist heute zu lernen, dass religiöse Deutungen in einer bestimmten Zeit von Menschen in einer konkreten historischen Situation formuliert wurden und von daher Gültigkeit besitzen. Aus dieser Kontextabhän1380 Vgl. Grümbel, Abendmahl, 40–75. 1381 A. a. O., 76.

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gigkeit ergibt sich aber auch, dass in gewandelten Lebens- und Zeitumständen aktualisierende Formulierungen dieser Deutungen möglich und sinnvoll sind. Die dadurch veränderten Deutungsschwerpunkte sind also keineswegs bedeutungslos, sondern unterliegen einem zu reflektierenden Wandel und können aus der Kontextgebundenheit relative Gültigkeit beanspruchen. Von daher sind auch die theologischen Anfragen und Deutungen der Jugendlichen legitim. Für das Aufgreifen und gemeinsame Bearbeiten dieser Fragen muss der Religionsunterricht einen Ort bieten. 3. These Der aus lehrtraditioneller Sicht dem Abendmahl innewohnende Aspekt der Sündenvergebung1382 wird von den frühchristlichen Darstellungen in diesem Maße nicht bezeugt. Was heißt das für die satisfactorische Hoffnung, die sich mit dem Abendmahl verbindet? Die Kategorien von ›Schuld‹ und ›Strafe‹ sind aus dogmen- und kirchengeschichtlicher Sicht der prägende Ansatzpunkt mit dem Ziel, Vergebung der begangenen Sünden zu erlangen. Der gläubige Mensch wünscht sich einen Ort, an dem die Vergebung für ihn (in wiederholter Weise) erfahrbar wird. Aus liturgischer Sicht wäre dieser Ort die Buße bzw. Beichte. Da diese aber aus dem lutherischen Sakramentsprinzip herausfällt, bleibt dem ›simul iustus et peccator‹ hierfür aus liturgiepraktischer Sicht nur das Abendmahl, in dem die vergebende Wirkung der Taufe aktualisiert wird (vgl. Röm 6). Da der Aspekt der Sündenvergebung nach frühchristlichem Mahlverständnis allerdings nicht zum Grundbestand der Deutungen gehört, sondern hierzu Gemeinschaft und Erinnerung zählen, kommt diese exegetische Einsicht der Lebenswelt der Jugendlichen sogar näher, als die lehrtraditionelle Schwerpunktsetzung. 4. These Das Herrenmahl ermöglicht Gemeinschaft und egalisiert Unterschiede. Wie ist dies vor dem Hintergrund der Abendmahlslehren als derzeit trennendem Moment der Konfessionen zu denken? Die Zerwürfnisse, zu denen die Abendmahlslehren der Konfessionen geführt haben, missachten die gemeinschaftsstiftende Funktion des christlichen Mahls. Die Konsequenzen dieser Streitigkeiten, dass nämlich – um es mit Paulus zu sagen – »Spaltungen« entstehen (1Kor 11,18), widersprechen der gemeinschaftsstiftenden Funktion des Herrenmahls. Daher sollten sich die Christen auf den grundlegenden Anspruch des Herrenmahls besinnen und das Ziel der ge1382 S. WA 316f.

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meinsamen Mahlfeier den der Kirchen- und Theologiegeschichte geschuldeten Dogmen überordnen. 5. These Übereinstimmend ist der frühchristlichen Überlieferung zu entnehmen, dass das christliche Mahl im Kontext – zu Beginn eventuell sogar im Zuge – eines Sättigungsmahls gefeiert wurde. Was bedeutet dies für alternative Liturgiekonzepte? Die Verbindung der Abendmahlsfeier mit einem Agapemahl hat aus historisch-kritischer Sicht eine stärkere Berechtigung, als es in der gegenwärtigen kirchlichen Praxis akzeptiert zu sein scheint. Aus diesem Grund ist auch die in der gegenwärtigen religionspädagogischen Praxis verbreitete unterrichtliche Umsetzung der Mahlthematik durch ein gemeinschaftliches Essen vertretbar – allerdings nicht ohne einen Bezug zur christlichen Mahlfeier herzustellen, z. B. durch den Gemeinschaftsaspekt. 6. These Auch wenn die exegetischen Ergebnisse aufgrund der Quellensituation nicht umfassend gesichert sind und aufgrund der zeitlichen Differenzen stets als Wahrscheinlichkeitsurteile gelten müssen, führt der historische Blick zum Überdenken des bewussten oder unbewussten Eintragens lehrtraditioneller bzw. dogmatischer Grundsätze in religionspädagogische Aufbereitungen. Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse dieser Arbeit für den Umgang mit christlichen Lehrtraditionen bzw. Dogmen im Religionsunterricht? Der Religionsunterricht hat die Möglichkeit, neben christlichen Lehrtraditionen bzw. Dogmen auch die exegetischen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Hierbei können dann im Sinne des lutherischen Prinzips ›sola scriptura‹ lehrtraditionell nicht berücksichtigte Aspekte der paganen Einflüsse, wie die Christophagie, angesprochen werden, um den Lernenden einen möglichst umfassenden und unbeschränkten Einblick in ein religiöses Thema zu ermöglichen. 7. These Zusammenfassend ergibt sich, dass die exegetischen Erkenntnisse nicht mit dem lehrtraditionell vermittelten Abendmahlsverständnis in Einklang stehen. Inwieweit ergeben sich Konsequenzen aus historisch-kritischen Einsichten für die Lehrtradition bzw. Dogmatik? Die exegetische Arbeit, die gewiss Wahrscheinlichkeitsurteile hervorbringt, hat hier am Beispiel des Herrenmahls gezeigt, dass in frühchristlicher Zeit zwar ein auf Christus bezogenes Mahl gefeiert wurde, dies aber in unterschiedlicher Weise geschah und auch mit unterschiedlichen Deutungen verbunden wurde. Hieraus kann gefolgert werden, dass es sowohl in den religionspädagogischen als

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auch lehrtraditionellen Überlegungen nicht um das Streben nach dem einen Gemeinsamen gehen sollte, sondern um das Tolerieren von Unterschieden und das Wahrnehmen der Vielfalt als etwas, das das Christentum von Beginn an prägt. Ziel soll also weder ein In-Konkurrenz-Treten noch die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner sein, sondern die gegenseitige Akzeptanz und Besinnung auf die Gemeinsamkeit in der Verschiedenheit: Christus. Die Konsequenz dieser Forderung ist eine gemeinsame Mahlfeier, die verschiedene, aber keinesfalls beliebige Deutungen zulässt. Auf den Umstand, Widersprüche zwischen Befunden der historisch-kritischen Exegese und Lehrtraditionen ernstzunehmen, weist die vorliegende Arbeit aufgrund ihrer exegetischen Erkenntnisse hin – die Lehrtradition ist eingeladen, neue Überlegungen zu den möglichen Konsequenzen exegetischer Arbeiten anzustellen und Denkräume zu eröffnen.

III.4. Schlussfolgerungen: Relevanz religionsgeschichtlicher Perspektiven für den Religionsunterricht Aufgrund der Komplexität des Themas und der schwierigen fachwissenschaftlichen Diskussionslage kann in der Sekundarstufe I nur eine Annäherung an das frühchristliche Verständnis des Herrenmahls erfolgen. Im Zuge der Erarbeitung der religionspädagogischen Konkretionen wurden bestimmte Chancen und Grenzen der religionsgeschichtlichen Perspektive im Religionsunterricht deutlich. Zunächst sollen die Chancen bedacht werden: Das Unterrichtsthema des religionsgeschichtlichen Hintergrundes der Herrenmahltradition fällt mit der Lebens- und Erfahrungswelt durch den menschlichen Wunsch nach Gemeinschaft und Gottesbegegnung zusammen. Insbesondere der religionspädagogisch bisher unberücksichtigte Aspekt der Christophagie, den die religionsgeschichtliche Betrachtung als kennzeichnend für das Herrenmahl erarbeitet hat, kann in der religionspädagogische Praxis zu theologischen Gesprächen mit Jugendlichen anregen. Die religionspädagogischen Umsetzungsvorschläge dieses Kapitels, die dem Anspruch gerecht werden möchten, einerseits an vorhandene Aufbereitungen in den Schulbüchern anzuknüpfen und andererseits auf die paganen Hintergründe der christlichen Mahlfeier als Neuerung hinzuweisen, bedürfen der kritischen unterrichtlichen Erprobung: Wie reagieren die Lernenden auf eine religionsgeschichtliche Betrachtungsweise des Herrenmahls? Ergibt sich ein ›Mehrwert‹ aus dieser thematischen Einbettung? Die hier vorgelegte religionsgeschichtliche Betrachtung des Herrenmahls macht jedenfalls deutlich, dass der Religionsunterricht gegenüber gemeinde-

Schlussfolgerungen

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pädagogischen Arbeitsfeldern weiterführende Fragestellungen und Perspektiven zulässt. Er kann unabhängiger von kirchlichen Lehrtraditionen Räume eröffnen, christologische Vorstellungen zu ›übersetzen‹ und danach zu fragen, welche ihrer Aspekte für die Jugendlichen heute bedeutsam sind. Damit wird die das Jugendalter bestimmende Frage nach dem ›Wie‹ und ›Wo‹ der Gottesbegegnung ernst genommen. Dieser offene Umgang mit der Herrenmahlüberlieferung entspricht insofern der frühchristlichen Praxis, als sie selbst von den Deutungsvorbildern ihrer Zeit Gebrauch gemacht hat. Jedenfalls wird die religionsgeschichtliche Sicht die Lernenden dafür sensibilisieren können, dass das christliche Mahl nicht im luftleeren Raum, sondern durch Inkulturation und Abgrenzung entstanden ist (genetisches Lernen). Die Wahrnehmung des kulturellen Beziehungsgeflechts, aus dem das Christentum erwachsen ist, kann den Blick für das heutige Miteinander der Religionen prägen und somit zur Ausbildung von Toleranz beitragen. Auch die Betrachtung des Mahls als Ort der Befriedigung von Grundbedürfnissen trägt hierzu als verbindendes Moment bei. Die religionsgeschichtliche Perspektive erlaubt es, die besonderen Züge der Abendmahlsfeier und -deutung in Abgrenzung zu Mählern anderer Religionen und Kulturen zu erkennen, Anders gesagt: Durch die Auseinandersetzung mit dem Fremden kann den Lernenden die Eigenart ihrer Religion in neuer Weise sichtbar werden. Dieser Lernzuwachs verbindet sich auch mit anderen Themen, die sich für eine religionsgeschichtliche Erarbeitung im Religionsunterricht anbieten. Zu nennen sind hier neben bereits erwähnten Themen wie »Schöpfung« und »Wunder« auch beispielsweise »Gottesbilder«, »Hoheitstitel«, »Gebet«, »Auferstehung« sowie »Jenseitsvorstellungen«. Mit einer religionsgeschichtlichen Perspektive im Religionsunterricht gehen allerdings auch besondere Problemstellungen einher. Als Grenzen einer religionsgeschichtlichen Betrachtung des Herrenmahls im Religionsunterricht sind in folgenden Punkten zu erkennen: Da eine Herrenmahlfeier nicht im Religionsunterricht nachgespielt werden kann, muss sich eine konkret erfahrbare Umsetzung des Mahlthemas auf ein sättigendes Gemeinschaftsmahl, z. B. in Form eines Agapemahls, beschränken. Hier entsteht allerdings das Problem, dass nach paulinischer Auffassung ein solches Sättigungsmahl gerade vom Herrenmahl zu unterscheiden ist. Es wäre viel gewonnen, wenn die religionsgeschichtliche Perspektive den Lernenden bewusst machen könnte, dass die religiöse Mitwelt des frühen Christentums plural war – doch ist für religionsgeschichtliche Lerninhalte vermutlich dasselbe anzunehmen wie für andere geschichtliche Themen: Nur ein Teil der Lernenden wird Interesse daran entwickeln.

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Religionspädagogische Konkretionen

Das grundsätzliche Anliegen der religionsgeschichtlichen Perspektive, Vergangenes gegenwärtig verständlich zu machen, läuft schließlich auch Gefahr, die Sprache und Denkwelt der Jugendlichen zu verfehlen. Es stellt somit eine besondere Herausforderung an den Lehrenden dar, antike Quellen mit Jugendlichen zu entschlüsseln und ihr Sinnpotential angemessen zu erschließen. Im Fall des Herrenmahls ist anzunehmen, dass die Lernenden den irdischen Jesus als Sprecher der Einsetzungsworte wahrnehmen, sodass es auf die Kompetenz der Lehrenden ankommt zu vermitteln, dass in diesen Worten eine christologische Deutung früher Christen zum Ausdruck kommt. Aus diesen Schlussfolgerungen ergeben sich weiterführende Fragen: 1. Da von einer Abendmahlspraxis der Jugendlichen nicht ausgegangen werden kann, ist zu prüfen, ob der religionsgeschichtlichen Auseinandersetzung eine Auseinandersetzung mit christlichen Positionen zum Herrenmahl vorangestellt werden muss. 2. Religionsgeschichtliche Bestimmungen sind aus fachwissenschaftlicher Sicht kaum eindeutig zu treffen. Sie erfordern ein hohes Maß an Kenntnis der antiken Welt, bedürfen der Einsicht, dass das Christentum aus seiner Mitwelt hervorgegangen ist, sowie einer kritischen Distanz zu den biblischen Texten. So bleibt zu fragen, ob diese Kompetenzen für ein religionsgeschichtliches Verstehen bei Schülerinnen und Schülern angebahnt werden können. Klarheit hierüber kann nur die unterrichtliche Erprobung der Vorschläge und eine empirische Untersuchung bei Schülerinnen und Schülern zu Abendmahl und religionsgeschichtlichem Denken schaffen. Letztlich kann sich nur in der Praxis erweisen, ob die religionsgeschichtliche Perspektive zumindest für einige Lernende dazu beitragen kann, den Graben zwischen der frühchristlichen Lebenswelt und der Lebenswelt der Jugendlichen zu überbrücken.

Resümee und Ausblick

Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es zu klären, ob die religionsgeschichtliche Perspektive als bisher unberücksichtigte religionspädagogische Fragestellung zum religiösen Lernen beitragen kann. Beispielhaft wurde dies am religionsgeschichtlichen Hintergrund der Herrenmahltradition dargestellt. Deutlich wurde, dass sich das Mahlthema in mehrfacher Hinsicht für diese Untersuchung eignet: Im Gemeinschaftsmahl verbindet sich die lebensnotwendige Nahrungsaufnahme mit sozialer Interaktion und kommunikativem Austausch. Zudem besitzt das Mahl seit archaischer Zeit eine religiöse Bedeutung; sie schlägt sich in theistischen Religionen u. a. darin nieder, dass der Gottheit für die Nahrung gedankt wird. Das Herrenmahl kennen und erfahren allerdings nur diejenigen Schülerinnen und Schüler, die durch Konfirmation oder Firmung kirchlich sozialisiert sind. Daher kommt dem Religionsunterricht die Aufgabe zu, die mit diesem Mahl verbundenen Deutungen und Traditionen zu vermitteln. Andererseits existiert ein umfangreicher fachwissenschaftlicher Diskurs über Ursprung und Sinn der frühchristlichen Mahlfeier. So erscheint es lohnenswert, das Mahlthema aus religionspädagogischer und fachwissenschaftlicher Sicht zu betrachten und beide Perspektiven in Beziehung zu setzen. Um die religionspädagogische Ausgangslage zu bestimmen, wurde eine Analyse der Kerncurricula, Religionsschul- und Lehrerhandbücher sowie der aktuellen religionspädagogischen Konzepte durchgeführt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass in der gegenwärtigen religionspädagogischen Theorie und Praxis der religionsgeschichtliche Hintergrund der Herrenmahltradition entweder nicht bedacht oder ohne Berücksichtigung der gegenwärtigen Forschungslage aus dem Pesachmahl abgeleitet wird. In den Kerncurricula werden die Texte zur so genannten Einsetzung des Herrenmahls nicht explizit als biblische Basistexte angeführt, sind aber implizit aufgrund des Passionszusammenhangs mitberücksichtigt. In einigen Kerncurricula findet das Abendmahl als Sakrament im Zusammenhang der konfessionellen Auseinandersetzung Erwähnung. Religionsgeschichtliche Inhalte werden implizit bedacht, wenn die Lernenden christliche Gottesbilder von nicht-

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Resümee und Ausblick

christlichen unterscheiden sollen. Dieser Differenzgedanke wird in den Schulbüchern weitergeführt; religionsgeschichtliche Themen finden dort insbesondere im Rahmen eines Vergleichs von Schöpfungsmythen Berücksichtigung. Die Thematisierung des (Abend-)Mahls scheint in den Schulbüchern zuzunehmen: Entweder wird es als Station des Passionsweges Jesu, als Fest im Kirchenjahr oder anhand des Brotsymbols im Rahmen der Auseinandersetzung mit sozialer Ungerechtigkeit aufgegriffen. Bei den beiden einzigen umfassenden Umsetzungsvorschlägen zum Thema »Abendmahl« im Religionsunterricht handelt es sich um ein, der aktuellen religionspädagogischen Theorie nicht entsprechendes, deduktives Konzept (H. Halbfas) und um eine symboldidaktische Annäherung (P. Biehl). Im Zuge der Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen religionspädagogischen Konzepten wurde der Grundsatz entwickelt, dass ausgehend von der Lebenswelt der Jugendlichen zu fragen ist, welche fachwissenschaftlichen Inhalte für die Lernenden bedeutsam sind und wie sie sinnvoll nach dem Maßstab der Elementarisierung aufbereitet und unterrichtlich umgesetzt werden können. Für den geringen Umfang der Thematisierung des Abendmahls im Religionsunterricht lassen sich zwei Hauptgründe nennen: Entweder wird das Thema dem Konfirmandenunterricht zugeordnet oder aufgrund der geringen Abendmahlserfahrung der Lernenden als eher schwierig bewertet und vermieden. Beides wird der hohen Bedeutung des christlichen Sakraments, das bewusst und in wiederholbarer Form Gemeinschaft mit Christus und dem Nächsten ermöglicht, nicht gerecht. Um den bisherigen Aufbereitungen der Herrenmahlthematik für den Religionsunterricht den aktuellen Stand der fachwissenschaftlichen Forschung gegenüberstellen zu können, wurden die ältesten frühchristlichen Herrenmahlüberlieferungen exegetisch betrachtet sowie deren Mahldeutungsaspekte und -konzepte religions- und traditionsgeschichtlich bestimmt. Diese exegetische Erarbeitung führte zu folgenden Hauptergebnissen: Die frühchristlichen Gemeinden haben ein auf Christus bezogenes Mahl in unterschiedlicher Weise und mit unterschiedlichen Deutungsschwerpunkten gefeiert. Gemeinsam sind allen Mahlformen die Mahlgaben Brot und Trank, die den Mahlteilnehmern Anteil am Heil vermitteln, der Zusammenhang mit einem sättigenden Mahl sowie der Aspekt der Gemeinschaftsstiftung. In einem Teil der frühchristlichen Überlieferung ist es der irdische Jesus selbst, der bei der Austeilung der Mahlgaben an die Mahlgemeinschaft Worte spricht, die diese Gaben deuten. Aus historischer Sicht erscheint diese Darstellung kaum plausibel; wahrscheinlicher ist, dass es sich bei diesen Worten um christologische Deutungen handelt, die in frühchristlichen Gemeinden entstanden sind.

Resümee und Ausblick

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Die so genannten Einsetzungstexte des Paulus und der synoptischen Evangelien lassen eine Vielzahl von Aspekten und Interpretamenten des Herrenmahls erkennen: Die Rahmenhandlung des Mahls (nehmen, das Dank- oder Lobgebet sprechen, brechen, geben), die auf die allgemeine jüdische Mahlsitte zurückgeht, deutet Jesus bzw. der Kyrios als Vollzug einer Kommunio, indem er, der Mahlspender, sich mit der Mahlgabe identifiziert. Weitere gemeinsame Deutungsaspekte sind der Bund, der in Jesu Tod gründet und dem sich die Mahlteilnehmer im Mahl vergewissern, und die ὑπέρ-Wendung, durch die den Mahlteilnehmern Anteil an Jesu Leben und Sterben – und somit an der hierin zum Ausdruck kommenden Liebe Gottes – zugesprochen wird. Erst als nachösterliche Deutungen lassen sich diese Aspekte schlüssig erklären. Sie unterscheiden das Herrenmahl von einer gewöhnlichen Mahlzeit und qualifizieren es als Ort der Begegnung: Die Mahlfeier ermöglicht den Mahlteilnehmern die wiederholbare und leiblich wahrnehmbare Vergewisserung, mit Christus und dem Nächsten in Beziehung zu stehen. Da die genannten Mahlaspekte den gemeinsamen Kern der Herrenmahlüberlieferung bilden, ist davon auszugehen, dass sie bereits früh – die Bezeugung im ersten Korintherbrief verweist auf die Zeit vor 55 n. Chr. – die Herrenmahlfeier in Teilen des griechischsprachigen Raums prägten. Im Osten des Römischen Reichs (Syrien) sind die Einsetzungsworte nicht vor dem 3. Jh. n. Chr. zu belegen. Dort wurde das christliche Mahl in anderer Gestalt und ohne Deuteworte gefeiert. Der wichtigste Beleg hierfür ist die Eucharistieüberlieferung der Didache. Somit darf als sicher gelten, dass das christliche Mahl erst sekundär mit deutenden Worten verbunden wurde. Die frühesten Überlieferungen zeigen, dass sich in diesem Prozess verschiedene Ausformungen der Mahlfeier entwickeln konnten. So lässt sich erklären, warum ein kontextueller Zusammenhang zum Pesachmahl, der in den Deuteworten nicht erkennbar ist, erst bei Markus um 70 n. Chr. hergestellt wird. Das in den Deuteworten zum Ausdruck kommende Herrenmahlverständnis lässt sich religionsgeschichtlich nicht einlinig aus der antiken Mahlmitwelt ableiten, da die christliche Mahlfeier in keinem antiken Mahlkonzept ein eindeutiges Vorbild besitzt. Beim Versuch, den religionsgeschichtlichen Hintergrund des Herrenmahls zu präzisieren, konnte auf folgende Zusammenhänge hingewiesen werden: Für das Bundesmotiv, die Mahlgaben Brot und Kelch, die Beschreibung der Mahlgesten sowie die Eingangsformulierung (»Dies ist…«) bietet das hellenistisch-jüdische Milieu deutliche Entsprechungen. Die Vorstellung der wiederholbaren Wahrnehmbarkeit der leiblichen Präsenz Christi, der sich selbst zum Verzehr austeilt (Kommunio-Gedanke), steht in der Nähe hellenistischpaganer Religiosität. Möglicherweise begegnet diese Vorstellung ähnlich im Dionysoskult und in den Zauberpapyri. Die ὑπέρ-Wendung lässt sich am besten mit der hellenistischen Freundschaftsethik erklären.

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Resümee und Ausblick

Hieraus ergibt sich, dass das christliche Mahl des paulinisch-synoptischen Typs als synkretistisches Phänomen aufzufassen ist. In dieser Mahlform haben Christen in Anlehnung an und in Abgrenzung von Mahlkonzepten und -deutungen ihrer Mitwelt ein eigenes Mahlverständnis ausgebildet, in dem sich ihr Selbstverständnis als Gemeinde Jesu Christi wiederspiegelt. Die Grundlagen für die Entwicklung einer christlichen Mahlfeier waren zum einen das gemein antike Mahlverständnis, demzufolge das Mahl die wichtigste Ausdrucksform der Gemeinschaft ist, und zum anderen die von Jesu gepflegten Mahlgemeinschaften, die in den nachösterlichen Gemeinden fortgeführt wurden. Angesichts dieser komplexen fachwissenschaftlichen Rekonstruktion kann das Mahlthema in seiner Gesamtheit unmöglich Gegenstand des Religionsunterrichts sein. Dennoch zeigt diese Betrachtung, dass grundlegende Aspekte, wie die Vielfalt der Herrenmahlüberlieferungen, der Kommunio-Gedanke oder die Analogien aus der paganen Mitwelt, im Religionsunterricht durchaus eine Rolle spielen können. Diese Aspekte ermöglichen den Jugendlichen einen Zugang zur Entwicklung theologischen Denkens und eine differenzierte Wahrnehmung der religiösen Mitwelt, aus der das Christentum hervorgegangen ist. Die religionsgeschichtliche Perspektive kann daher ein Hilfsmittel sein, durch Einblicke in die vielfältige antike Lebenswelt die gegenwärtige Vielfalt zu begreifen und zu tolerieren. Sie kann den Lernenden Antwortversuche auf Lebensfragen bieten, die ohne diese historische Perspektive in der religionspädagogischen Praxis unberücksichtigt bleiben würden. Die Arbeit bietet daher eine komprimierte Zusammenfassung von Vorschlägen, wie die in der Religionspädagogik bisher nicht bedachte religionsgeschichtliche Wahrnehmung des Herrenmahls im Religionsunterricht umgesetzt werden kann, sowie eine Aufbereitung der derzeitigen fachwissenschaftlichen Diskussionslage, die Religionspädagogen und Schulbuchautoren einen schnellen und leicht verständlichen Zugang zu diesem Thema ermöglichen soll. Diese Vorschläge stoßen in mancherlei Hinsicht an Grenzen, da bei vielen Jugendlichen kaum von einem Interesse an religionsgeschichtlichen Fragen auszugehen ist. Ein weiteres Hindernis liegt in der religionspädagogisch bisher nicht untersuchten Fähigkeit zum religionsgeschichtlichen Denken und Verstehen bei Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I. Hier kann die Religionspädagogik von der Geschichtsdidaktik lernen, um deren Erkenntnisse weiterzuentwickeln. Die vorgestellten Möglichkeiten religionspädagogischer Konkretisierungen, die noch nicht im Unterricht eingesetzt wurden, mögen deshalb konstruiert wirken, obwohl sie das Ziel verfolgen, Anknüpfungen an die Lebenswelt der Lernenden herzustellen. Ob der Vorschlag, Religionsgeschichte im Religionsunterricht zu thematisieren und paganen Einflüssen auf das Christentum in der

Resümee und Ausblick

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Antike in ihrer Analogiefähigkeit Geltung zu verschaffen, zu einem Lerngewinn führen wird, kann sich daher nur durch eine unterrichtliche Erprobung erweisen. Die Arbeit schließt mit einem Nachdenken über die Konsequenzen, die sich aus der religionsgeschichtlichen Perspektive für den religionspädagogischen Umgang mit Lehrtraditionen ergeben könnten. Diese Gedanken gehen von dem Befund aus, dass in der Herrenmahltradition verschiedene frühchristliche Deutungen des Todes Jesu zum Ausdruck kommen. Obwohl diese Deutungen nicht uneingeschränkt mit dem Abendmahlsverständnis christlicher Lehrtraditionen übereinstimmen, handelt es sich um Versuche, die Christuserfahrung als Gotteserfahrung verstehbar zu machen. Den Lernenden zu vermitteln, dass das Herrenmahl von christologischen Deutungen früher Christen geprägt ist und dass alle christlichen Mahldeutungen kirchengeschichtlich gewachsen sind, ist Grundlage für das gemeinsame theologische Gespräch, in dem die eigenen Deutungsmöglichkeiten der Jugendlichen ihren Platz finden können. Insgesamt zeigt diese Arbeit, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen den Fachwissenschaften und der Religionspädagogik notwendig ist, damit kein Potential unbeachtet bleibt, das einem kreativen Religionsunterricht zugutekommen kann. Sie schließt deshalb mit den beiden folgenden, einander bedingenden Thesen: 1. Religionspädagoginnen und Religionspädagogen sind eingeladen, aktuelle exegetische Diskussionen sowie deren Erkenntnisse wahr- und ernstzunehmen. Dieser Wunsch kann sich nur erfüllen, wenn die Religionspädagogik mit ihren besonderen Aufgaben in das Blickfeld der Exegeten rückt. 2. Exegetinnen und Exegeten sind eingeladen, ihre Erarbeitungen mit Blick auf das religionspädagogische Arbeitsfeld verständlich zu formulieren und auf das Wesentliche reduziert darzustellen. Nur so können die aktuellen fachwissenschaftlichen Diskussionen in der Unterrichtspraxis Berücksichtigung erfahren und sie bereichern.

Literaturverzeichnis

I.

Quellen und Hilfsmittel

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Textstellenregister (in Auswahl)

1. Altes Testament/ LXX

32,42

Genesis 1,29 192 2,7 229 18,8 191 47,18 111 49,11 230

1. Samuel 14,32f. 229

Exodus 12 27, 29, 93, 113, 154, 192, 226, 229 13 29 18,12 192, 232 20 233f. 24 233 24,8 133, 232–235, 247 29,38 153 32 96 Levitikus 4 240 7,14 234 13,3 228 14 229 16 234, 240 17,10–14 163, 229 Numeri 6,4 134 9,1–14 193 Deuteronomium 16,3 194f. 26,17f. 231

229

2. Samuel 12,3 226 1. Chronik 10,12 111 Proverbien 11,16 97 Psalmen 33,21 154 40,10 167 78,24 158 Jesaja 32,12 134 41,29 93 44,19 229 49,26 229 51,17.22 227 53 241f. 55,3 236 58,7 87, 226 Jeremia 10,14 93 11,10 236 14,21 236 16,7 226

338 25,15 226f. 31,31 235–237, 247, 252 35,5 226 Ezechiel 1,11 111 39,17f. 229 44,7 226 Nahum 3,3 111

Textstellenregister (in Auswahl)

7,37f. 157 13,1–20 166–169, 193 19,31 193 19,34 169 21,1–14 169f. Apostelgeschichte 2,42 149 9,19 108 11,20f. 108 15,20.29 229 20,7 102

2. Neues Testament Matthäus 6,13 175 26,16–29 135–138 26,26 110, 150 26,28 237f., 240 Markus 3,20 145 6,8 145 6,35–44 146f. 14,1f. 154 14f. 126f. 14,12–26 126, 166, 250, 293 14,17–21 87, 127–130, 150 14,22 88, 130f., 150, 255, 281 14,23f. 131–133, 235, 237, 241, 247 14,25 133–135, 150, 186 14,36 148 15,42 127, 153f. Lukas 14,15 145 15,17 145 22,15–120 138–145 24,30f.35 145, 148

Brief an die Römer 3,25 239 5,6.8 237f., 244 1. Brief an die Korinther 5,7 93, 154 8,4–7 94 10,1–7 96f. 10,16f.19–21 97–101 10,25.27 95, 101 11,17–22 102–106 11,23–26 106–119 11,27–34 119–221 15,3–5 112 2. Brief an die Korinther 3,6 231, 237 Brief an die Galater 1,17–21 108 2,11–14 51, 108 Apk 14,10 16,19

91 91

3. Jüdische Schriften Johannes 1,29.36 152f. 2,1–10 91, 155f. 4,10.13f. 156f. 6,48–58.60–66 157–166

Qumran 1QS 6,1–6 191 1QSa 2,17–21 191

339

Textstellenregister (in Auswahl)

Joseph und Aseneth 8,5.9 179, 200f. 15,5 200f. 15,14 202 16,14f. 202f., 223f. 16,16 200 19,5 200 21,21 200 4. Frühchristliche Schriften Clemens Alexandrinus Protreptikòs eis toùs Héllenas 21,2 216 Didache 9,1–5 88, 91, 99, 174–178, 181, 251 10,1–8 178–181, 255 14,1 181f., 253 Justin 1. Apologie 66,4 218 67,1 88 Tertullian De praescriptione haereticorum 40,2–4 217 5. Pagane Autoren Athenaios Deipnosophistai II 11,40 227 XV 693c/d 211 Diodorus Bibliotheca Historica 22,5 230

Dionysius Halicarnassensis Antiquitatum Romanarum quae supersunt II 25,3 p. 284 227 Euripides Akestis 284 244 Bakchen 284 213 651 213 Heraclidae 532 243 536f. 231 Homer Ilias 16,225–232 228 34,722–747 246 Odyssee 10,176 228 Minucius Felix Octavius 8,4 220 Plutarch De Iside 35 p. 364E 213f. Quaestiones Graecae 36 p. 299B 214 6. Zauberpapyri PGM III 424–428 (I,50f.) 222 IV 35–41 (I,68) 222 1390–1398 (I,118) 222 VII 645f. (II,29) 221

Sachregister

Abendmahl 13, 15, 17–26, 39–52, 54f., 57– 61, 63f., 72, 75, 84f., 87, 89, 91, 96, 99, 103, 110–113, 117, 120f., 130, 135, 138, 141, 143–146, 149, 153, 156f., 179, 191f., 197, 211, 241, 257f., 265, 270f., 274–276, 279, 282f., 285–289, 291f., 294–296, 300–302 Abendmahlbericht 39–41, 57 Agapemahl 51, 88, 175, 179, 297, 299 Bibeldidaktik 67f. Bibliolog 69 Blut 53, 55, 91, 94f., 97–99, 111, 115f., 119f., 123f., 132f., 150, 157, 160, 162– 165, 169, 171–173, 183, 186f., 194, 196, 202, 213f., 217f., 221–225, 227, 229–235, 237, 247, 250, 252, 254, 277, 293f. Brot 21f., 29, 43–47, 49f., 52–57, 59, 72, 88, 91, 95, 97–101, 103f., 106, 109–114, 116– 118, 120, 122–124, 126f., 129–131, 134– 136, 138, 142f., 145–147, 149f., 157–161, 163–165, 169–172, 174–178, 180f., 183– 188, 191, 193–197, 199–205, 207, 214, 217–219, 222f., 225–227, 231, 246–254, 270, 275, 279, 281–283, 285f., 290, 292f., 302f. – Brotbrechen 42, 44, 46, 53, 87, 91, 97, 135, 142, 148–150, 177, 181f., 186, 251, 253, 293 – Brothandlung 87, 103, 109f., 112–117, 119, 130f., 136, 141–144, 147f., 150, 171, 187, 282 – Brotwort 110, 114–116, 123, 132, 141– 144, 150, 160, 187, 193, 238, 280, 282

Bund 49, 90, 115f., 120, 123, 132f., 150f., 164, 173, 183, 186f., 189, 217, 225, 231– 237, 247f., 250, 252, 293, 295, 303 Christophagie 294, 297f.

169, 172, 223f., 249, 280,

Dankgebet 88f., 97f., 109, 113f., 146, 174, 176f., 179f., 182, 184, 218, 281, 289, 292, 303 deipnon 88, 292 Demetermythos 213, 215, 243 Deuteworte 55, 90, 97, 113–117, 122f., 128, 131f., 136, 139, 143, 146, 149–151, 164, 166, 168f., 172, 174, 177, 183, 185–191, 193–195, 198, 205, 211, 213, 218, 222– 225, 231f., 234f., 238, 241f., 244, 246f., 249–255, 258, 266, 273, 280–282, 286, 293–295, 303 Didache 88f., 91, 173–187, 192, 251, 253, 292f., 303 Dionysos 155, 212–214, 219, 224, 230, 249, 253, 277–279, 289, 294, 303 Einsetzungsworte 23, 40, 42f., 45f., 54, 56– 59, 61, 63, 89, 109, 114, 138, 151, 154, 168, 170, 183f., 188, 218, 251, 293, 295, 300, 303 Elementarisierung 64–67, 81, 262, 302 Erinnerung 43f., 46, 58, 90, 109, 113, 116, 123, 142–144, 148, 151, 173, 186f., 189, 195, 212, 218, 221, 223, 225, 244f., 248, 253, 291, 295f.

342

Sachregister

Essen 9, 13, 20, 32, 43, 45–47, 50–52, 55f., 59, 62f., 94–96, 103–105, 110–114, 117, 120f., 124, 126, 129–131, 134–136, 139– 142, 146, 150, 154, 158–160, 162–164, 166, 169, 172, 187, 191f., 194, 201–203, 213, 215, 219, 225–227, 229, 231, 252, 254, 277f., 283, 285, 288f., 292f., 297 eucharisteo¯ 88, 97, 109, 292 Eucharistie 13, 15, 17–19, 21–26, 40–42, 46–48, 50, 52–60, 84, 87–89, 91, 101, 105, 141, 149, 152f., 155, 163–165, 173–186, 200, 292, 303 eulogeo¯ 97 Firmung 17, 41, 52, 61, 301 Fleisch 53, 55, 94f., 157, 159–165, 172f., 186, 207, 213f., 218f., 225, 227–229, 250f., 254, 278, 294 Fußwaschung 44, 167, 171, 251 Gedächtnis 54, 113, 245f. Gemeinschaft 13, 40–43, 45, 47, 50–53, 56, 63, 84, 91, 93, 98–100, 105f., 112, 114, 118–120, 123, 129, 137, 146, 149, 154, 163, 167, 169f., 172f., 182, 184, 197, 205, 208f., 213, 220, 224, 248, 250, 252, 271, 273, 275, 283, 286–289, 293, 295–298, 302, 304 Hellenistisch 9, 14, 16, 108, 133, 168, 188, 190f., 197–199, 201, 204f., 207–210, 212, 219, 221, 223–225, 227, 229, 231, 235, 241, 243–250, 253f., 258, 278, 294, 303 Herrenmahl 9, 13f., 16, 22, 35, 51, 87–95, 97, 99–109, 111–118, 120–124, 128–131, 135, 137–140, 142–152, 154–157, 162, 164–175, 177, 179f., 184–195, 197–206, 209–225, 227–232, 235, 237–255, 257f., 271, 273, 277, 279–282, 284–287, 290– 294, 296–305 hyper 111, 133 Interreligiöses Lernen

63, 66, 80f.

Joseph und Aseneth 198–203, 223, 248f. Justin 88, 91, 134, 161, 173, 218 Kauen 152, 154, 157–163, 167–169, 172f., 186, 214 Kelch 47, 49, 88, 91, 95, 97–100, 114–116, 118, 120, 122–124, 126f., 131–138, 141, 143, 145, 147–150, 173–176, 180, 182– 188, 195–197, 200–204, 218, 221, 225– 228, 230, 237, 247–252, 254, 270, 275, 279, 286, 290, 292f., 303 – Kelchhandlung 103f., 114–118, 131f., 136, 140–144, 150, 185–187, 238 – Kelchwort 114–117, 123, 132–137, 139– 143, 150, 187, 193, 195, 231, 238, 248 Kinder- und Jugendtheologie 76, 78f. Koinonia 97–100, 105, 112, 114, 121–124, 249 Kommunio 90, 112f., 151, 164, 168, 172, 186, 188–191, 204, 212, 214, 223–225, 228, 247–251, 254, 258, 266, 273, 277, 279f., 293–295, 303f. Konfirmation 22, 52, 61, 270, 279, 295, 301f. Korinth 13, 22, 47, 51, 92f., 100–102, 104– 106, 108, 113, 118–122, 124, 208, 211, 230, 246, 277–279, 283 Leben 14, 21, 25, 27–33, 36f., 42–47, 49–53, 56f., 59, 62, 65f., 70f., 74, 78, 82, 84, 92f., 98, 124, 151, 156–165, 169, 172, 174f., 177f., 180f., 183–187, 199–204, 212, 217, 221, 229f., 240, 242, 244, 246f., 249, 252f., 261, 268, 281, 290f., 293, 296, 298, 303 – Lebensbrot 54, 159, 162f., 171, 203, 224 Legomena 218, 223, 249 Leib 44, 51, 91, 93, 95, 97–99, 110–112, 115, 119f., 123f., 131f., 142, 148, 150, 157, 164, 173, 183, 186, 191, 194, 214, 218f., 225, 228, 246, 248, 251f., 279, 281, 293 Libation 133, 143, 207f., 211, 227, 245, 249

Sachregister

Mazzen 139, 144, 192, 195–197, 225, 281 Mithraskult 211–213, 217–219, 275 Mysterienkultmahl 88, 94, 97, 100, 197, 199–201, 207, 211–214, 219f., 223, 255, 294 Mythos 27, 32–34, 36–39, 58, 60, 215, 217– 220, 244, 254, 275, 281, 294 Opfermahl 32, 92–95, 97, 99, 101f., 105, 205, 212, 232, 245 pagan 14f., 22, 32, 39, 62, 93–95, 100f., 105–107, 113, 164, 185, 190, 201, 203, 205, 208f., 211, 221, 223–225, 227, 229– 231, 235, 243, 246f., 249f., 253f., 258, 277f., 280, 282, 289f., 292, 294f., 297f., 303f. Performativer Religionsunterricht 73f., 84 Pesachhaggada 192, 194–196, 210, 281 – Pesachlamm 93, 127, 135, 140, 152–154, 192, 195–197 – Pesachmahl 20, 47–50, 57, 60, 89, 97, 117, 126f., 129f., 140f., 143–145, 151, 153f., 166, 168, 192–198, 203–205, 209f., 223, 226, 244, 248, 250, 254, 258, 281, 289, 293, 301, 303 Religionsgeschichte 9, 14, 18, 20, 22–24, 26, 31, 35, 58, 62, 79f., 83, 258, 304 – Religionsgeschichtlicher Hintergrund 15, 31–34, 87 – Religionsgeschichtlicher Vergleich 58, 60 – Religionsgeschichtliches Bewusstsein 266 – Religionsgeschichtliche Schule 90, 211 Sakrament 13, 20, 22, 24, 41f., 46f., 52–55, 58–61, 72, 87f., 96, 99, 106, 117, 161, 169, 177, 218f., 258, 279, 286, 301f. Sättigungsmahl 43, 50f., 103f., 106, 114, 116–118, 120f., 123, 149, 164, 172, 175, 179, 181, 186, 198, 208–211, 220, 224, 249, 255, 294, 297, 299

343 Segen 98, 176, 201, 226, 247 Speise 90, 94–96, 98f., 101, 103f., 117, 122, 157, 159, 163–165, 172, 178, 180, 183, 185f., 201, 203, 207, 217, 220, 222f., 225f., 283 Speisungswunder 45, 63, 91, 124, 146f., 149, 154–158, 161, 163–165, 169–172, 186, 251, 254, 275 Stellvertretung 116, 133, 239f., 242–244 Sterben für 243f., 248, 253, 281 Sühne 115f., 133, 144, 194, 238–242, 248 Symboldidaktik 70–72, 279 Taufe 40, 44, 49, 52, 99, 101, 124, 148, 164, 168f., 175, 177, 180, 183, 204, 211, 252, 276, 283, 296 Theophagie 189, 214, 228, 249, 273, 277, 280 Trank 13, 95f., 99, 131, 136, 141, 157, 163, 165, 172, 178, 180, 182f., 186, 191, 201, 215f., 221, 228, 230, 233, 302 Trinken 20, 43, 46, 50–52, 56, 100, 105, 115f., 118, 120, 124, 131–134, 136, 139– 141, 143, 148, 150, 160, 162–164, 171f., 183, 187, 201–203, 215, 219, 225–228, 230f., 245, 247, 252, 290, 292f. Vereinsmahl 206–212, 224, 245 Vergebung 40, 43, 46, 50, 58, 65, 133, 137f., 237f., 296 Verrätermahl 43, 127f., 130, 134f., 149f., 197 Wasser 91, 116, 134, 155–157, 169, 186, 191, 200, 206f., 215, 218f., 225f., 283 Wein 43, 46, 50, 53, 55f., 91, 116, 134, 150, 155–157, 159, 161, 163f., 169, 176, 183, 186, 190f., 193, 196, 200, 202f., 205, 207f., 211, 213, 217–219, 221–227, 230f., 246f., 283–285 Wiederholungsbefehl 142, 149–151, 186 Zauberpapyri 221–223, 230, 248f., 253, 303