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German Pages 79 [80] Year 1984
ALTDEUTSCHE TEXTBIBLIOTHEK Begründet von Hermann Paui Fortgeführt von Georg Baesecke und Hugo Kuhn Herausgegeben von Burghart Wachinger Nr. 3
Hartmann von Aue
Der arme Heinrich Herausgegeben von Hermann Paul
15., neu bearbeitete Auflage besorgt von Gesa Bonath
MAX N I E M E Y E R VERLAG TÜBINGEN 1984
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.
Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage Auflage
1882 1893 1904 1907 1912 1921 1930 1941 1949 1953 1958 1961 1966 1972
besorgt von Albert Leitzmann
besorgt von Ludwig Wolff
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hartmann (von Aue): Der arme Heinrich / Hartmann von Aue. Hrsg. von Hermann Paul. 15., neu bearb. Aufl. / besorgt von Gesa Bonath. - Tubingen : Niemeyer, 1984. (Altdeutsche Textbibliothek ; Nr. 3) NE: Paul, Hermann [Hrsg.]; G T ISBN 3-484-20061-8 kart. ISBN 3-484-21103-2 Gewebe 5 ©
ISSN 0342-6661
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Max Niemeyer Verlag Tübingen 1984 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Allgäuer Zeitungsverlag, Kempten Einband: Heinr. Koch, Tübingen
Einleitung
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Die Handschriften
Wir besitzen vom Armen Heinrich drei vollständige Handschriften und Reste von drei weiteren. Von diesen ist allem Anschein nach allein das Fragment C Rest einer Einzeledition 1 , alle übrigen Textzeugen sind Sammelhandschriften oder Reste von solchen. Nur C scheint aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu stammen, und wenn es der einzige erhaltene Textzeuge wäre, wüßten wir von der Existenz des Armen Heinrich wohl nichts. Denn die wenigen in C überlieferten Verse würden nicht einmal ausreichen, um die Fragmente als Rest eines Werkes von Hartmann zu identifizieren. Nur wenn ein Text dieses Umfangs in Sammelhandschriften Eingang fand, hatte er offenbar eine Chance, dem Untergang zu entgehen. Über die Beliebtheit des Armen Heinrich sagt die kümmerliche Überlieferung jedenfalls nichts. Durch die zahlreichen Zitate in verschiedenartigen literarischen Texten des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts wissen wir, daß er verbreitet, gelesen und bewundert wurde 2 . Die Einzeleditionen, in denen er zunächst vermutlich verbreitet wurde, waren jedoch anfällig für Beschädigungen und gingen leicht verloren 3 . Das Interesse, das man nach Ausweis der Zitate am Armen Hein-
1 Sammelhandschnften sind erst nach der Mitte des 13. Jahrhunderts bezeugt; vgl. A. Mihm, Überlieferung und Verbreitung der Märendichtung im Spätmittelalter. Heidelberg 1967. S. 45. 2 Zuletzt zusammengestellt von L. Wolff, 14. Aufl. der vorliegenden Ausgabe, Tubingen 1972, S. X V I I - X I X ; dort weitere Literatur. Die Zitate sind für die Textkritik wertlos, weil nicht zu ermitteln ist, welche der beiden Textfassungen benutzt wurde. Die Art, wie der Arme Heinrich zitiert wurde, zeigt m . E . deutlich. daß die Zitate nicht als Plagiat, sondern als rhetorischer Schmuck zu verstehen sind. Vielleicht gab es auch eine lat. Nachwirkung (vgl. Wolff, 14. Aufl , S. VIII, Anm. 4). Zu Verwechslungen Anlaß geben könnte, daß Enrico da Settimello (Elegia, hrsg. von G Cremaschi. Bergamo 1949) in den Hss. auch unter dem Namen Henricus Pauper erscheint (vgl. Ausg.. S. 26; außerdem U B Bonn, Ms. S 220. fol. 230'. - Hinweis H . Lomnitzer). 3 A. Mihm (s. A n m . 1), S. 2 1 - 2 3 .
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rieh hatte, sicherte ihm kein besonderes Schicksal gegenüber den diversen, kleineren Reimpaardichtungen, in deren Nachbarschaft er uns überliefert ist. Bei der folgenden Zusammenstellung der Angaben zu den einzelnen Handschriften stütze ich mich auf die vorhandenen Beschreibungen; nur E habe ich im Original gesehen. Die gesamte Überlieferung ist in Schwarzweißreproduktionen zugänglich in der Sammlung Litterae: Hartmann von Aue, „Der arme Heinrich". Abbildungen und Materialien zur gesamten handschriftlichen Überlieferung, hrsg. von U. Müller, Göppingen 1971 (Litterae 3); Hartmann von Aue, „Der arme Heinrich". Fassung der Handschrift Bb - Abbildungen aus dem Kaloczaer Kodex, hrsg. von C. Sommer, Göppingen 1973 (Litterae 30). A
Straßburg, Stadtbibliothek, ehemals Bibliothek der Johanniter A 94, 1870 verbrannt. Über die Geschichte der Handschrift sowie über die auf Autopsie beruhenden Nachrichten über sie unterrichtet am besten G. A. Wolff, Diu halbe bir, S. LXXXIIff., auf dessen Zusammenstellungen ich mich hier stütze 4 . Die detaillierteste Beschreibung des Äußeren lieferte Prox 5 , sonst finden sich im allgemeinen nur Angaben über Material, Format und Alter der Hs. Nach den Auskünften der Benutzer war A eine Pergamenths. in Quart (Prox, Massmann, Pfeiffer) oder Kleinfolio (Scherz, Oberlin, Uhland) 6 , 80 Bll. (das letzte nach Prox beschädigt), zweispaltig, die Spalte zu ca. 32 Zeilen (errechnet), am Beginn eines neuen Stückes und zur Bezeichnung der Absätze blaue und rote Initialen (Prox), vor den meisten Stücken Überschriften. Nach Prox, Pfeiffer. Uhland und Massmann stammte die Hs. aus dem 14. Jahrhundert, nur J. und W. Grimm (Ausg., S. 146) vermuten die 2. Hälfte des O.Jahrhunderts als Entstehungszeit (anscheinend verführt durch die ver4 Die Angaben von G. A . Wolff habe ich weitgehend überprüft und für zuverlässig befunden. 5 J H. Prox, D e poetis Alsatiae eroticis medii aevi vulgo Von den elsaessischen Minnesingern praeside J. J. Oberlino, Straßburg (Argent.) 1786. zu A S 2f. und S. 25 - 3 0 (Inhalt). 6 Die Quellen sind bei G. A. Wolff. S. L X X X I I - I . X X X V I I I , genau zitiert. Die Formatangabe bei F. H. von der Hagen, Gesammtabenteuer III. Stuttgart und Tübingen 1850. S. 760. ..gr. 8 oder kl. 4". die vielfach übernommen wurde, beruht nicht auf Autopsie und ist sicher falsch.
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gleichsweise gute Textgestalt des Armen Heinrich, vgl. ihre Ausg., S. 139f.). Brandis 7 gibt als Datum 1330-1350 an; die Präzisierung erfolgte wohl aufgrund der in A überlieferten Texte. Vermutlich war A also jünger als B a und B b . Der Dialekt ist alemannisch. INHALT: Die genaueste Inhaltsangabe findet sich bei Graff, Diutiska I (1826) 314-317 (Anmerkung); zu ergänzen ist als vorletztes Stück „Das Auge" 8 . Die Hs. enthielt 26 Titel, überwiegend kürzere Reimpaargedichte mit Minnethematik (Mären, Reden) 9 , daneben Lieder und Gedichte mit diverser weltlicher Thematik; den Schluß bildete Rudolfs von Ems „Barlaam und Josaphat" v. 1 - 2 6 6 6 . Einziges Prosastück war Bl. 18/19 der luden eit (Incipit und Explicit bei Graff, S. 316, Nr. 10; Parallelen s. Massmanns Rezension S. 1214)10. Der Arme Heinrich stand als 16. Stück auf Bl. 23 v b -35 v a (nach Myller; 2 4 - 3 6 nach Graff). A B D R U C K E : Ch. H. Myller (Müller), Samlung (!) deutscher Gedichte aus dem XII. XIII. und XIV. Jahrhundert, Bd. I [Berlin] 1784, S. 197-208; Brüder Grimm, Der arme Heinrich von Hartmann von der Aue. Aus der Straßburgischen und Vatikanischen Handschrift hrsg. und erklärt, Berlin 1815. J. und W. Grimm haben den Myllerschen Abdruck mit der Hs. verglichen und ihn „genauer, als andere Werke der Müllerschen Sammlung; dennoch nicht fehlerfrei" gefunden (S. 139; zur Orthographie der Hs. S. 145ff.). Aber auch sie geben keinen buchstabengetreuen Abdruck. Ob ihre Abweichungen von Myller Korrekturen von dessen Fehlern gegenüber der Hs. oder Emendationen des Textes von A sind, läßt sich nur dann entscheiden, wenn sie sich in den Anmerkungen ausdrücklich dazu geäußert haben (vgl. Gierach, Ausgabe 11 , S. 86f.; U. Müller, Litterae 3, S. III).
7 T. Brandis. Mittelhochdeutsche, mittelniederdeutsche und mittelniederländische Minnereden. Verzeichnis der Handschriften und D r u c k e , München 1968 ( M T U 25), S. 261 f. 8 Vgl. von der Hagen (s. A n m . 6 ) . S . 760f. Im Verzeichnis von H. Fischer, Studien zur deutschen Märendichtung, Tübingen 1968. S. 299 unter Nr. 7. 9 Vgl. Brandis (zit. A n m . 7). S. 261f.; Fischer (zit. A n m . 8). S. 288. 10 H. F. Massmann, Rez. über Diutiska von E . G . Graff, Heidelberger Jahrbücher der Literatur 1826, H e f t 72 - 77, zu A S. !213f. 11 E. Gierach (Hrsg.). Der A r m e Heinrich von Hartmann von A u e . Überlieferung
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(in Auswahl): Die ältere Literatur verzeichnet G. A. Wolff, Diu halbe bir. Ein Schwank Konrads von Würzburg, Diss. Erlangen 1893, S. L X X X I I - L X X X V I I I ; A. Mihm (zit. Anm. 1), S. 121 und S. 141. LITERATUR
Heidelberg, Universitätsbibliothek, cpg. 341. Pergament, 374 Bll., 22,5 x 30,8 cm, zweispaltig, die Spalte in der Regel zu 40 Zeilen. Mehrere Schreiber (mindestens drei), von denen einer (Bl. 351—371) mit dem Schreiber der Káloczaer Hs. B b identisch ist. Rote und blaue Initialen am Beginn der Stücke und zur Absatzgliederung, vor den einzelnen Stücken in der Regel rote, gereimte Überschriften. 1. Drittel 14. Jh. (1320-1330), mitteldeutsch (Böhmen?). B"
INHALT: 213 Texte, überwiegend Reimpaargedichte geistlichen und weltlichen Inhalts (Mären, Reden usw.). Der Arme Heinrich steht auf Bl. 249 r a -258 v a als Nr. 133, davor (auf Rasur von einem anderen Schreiber) „Von der Barmherzigkeit". LITERATUR: Geschichte der Hs., ausführliche Beschreibung und detaillierte Inhaltsangabe bei G. Rosenhagen (Hrsg.), Kleinere mittelhochdeutsche Erzählungen, Fabeln und Lehrgedichte III. Die Heidelberger Handschrift Cod. Pal. Germ. 341, Berlin 1909, Neudruck Dublin/Zürich 1970 (DTM 17); O. R. Meyer, Der Borte des Dietrich von der Glezze. Untersuchungen und Text, Heidelberg 1915 (Germanistische Arbeiten 3), S. 7 - 3 0 ; A. Mihm (zit. Anm. 1), S. 47—61, S. 135; K. Bertau, Vorläufiges kurzes Verzeichnis der Handschriften der „Goldenen Schmiede" des Konrad von Würzburg, in: Germanistik in Erlangen. Hundert Jahre nach der Gründung des Deutschen Seminars, hrsg. von D. Peschel, Erlangen 1983 (Erlanger Forschungen, Reihe A, Bd. 31), S. 116 (Sigle C). Weiteres unter B b . früher Kálocza, Erzbischöfliche Bibliothek Ms. 1. jetzt Genf-Cologny, Fondation Martin Bodmer, Cod. Bodmer 72. Pergament, 338 Bll. (der letzte Ternio ist verloren), 34,2 x 25,5 cm, zweispaltig, die Spalte in der Regel zu 40 Zeilen, rote Bb
und Herstellung. Heidelberg 191?. 2. verbesserte Auflage 1925 (Germanische Bibliothek 3.3).
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und blaue Initialen am Beginn der Stücke und zur Absatzgliederung, vor den einzelnen Stücken in der Regel rote, gereimte Überschriften. 1. Drittel 14. Jahrhundert (1320-1330), mitteldeutsch (Böhmen?). Die Hs. B b stammte offenbar aus der gleichen Schreibstube wie Ba und ist teilweise aus dieser abgeschrieben 12 . Die Hs. wurde von einem Schreiber angefertigt, dessen Identität mit dem Schreiber der Bll. 351-371 in Ba von O. R. Meyer (Der Borte, S. 19ff.) entdeckt und von Zwierzina (S. 222f.) bestätigt wurde. INHALT: Weitgehend identisch mit cpg. 341. Der Arme Heinrich steht auf Bl. 256 ra -265 rb am Beginn der Lage XXXIII. Er folgt hier auf eine Reihe von Mären, mit denen der Schreiber nach einer von B a unabhängigen Quelle den Rest der Lage XXXII nach der in Ba vorausgehenden „Barmherzigkeit" gefüllt hat (vgl. Zwierzina, S. 219ff.; Mihm, S. 52). LITERATUR: Rosenhagen (S. XVff.), Meyer, Mihm (S. 4 7 - 6 1 , S. 135f.), Bertau (S. 115f., Sigle A) s.o. unter B a ; J. N. Graf Mailäth/J. P. Köffinger (Hrsgg.), Koloczaer Codex altdeutscher Gedichte, Pesth 1817 (Beschreibung, Inhaltsverzeichnis; vgl. dazu Rosenhagen, S. XV); K. Zwierzina, Die Kalocsaer Handschrift, in: Festschrift Max H. Jellinek, Wien und Leipzig 1928, S. 209 - 232 (zum Verhältnis von Ba und B b , Beschreibung S. 230ff.); C. Sommer, Litterae 30, Vorwort. C
Berlin, Staatsbibliothek. Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 923, Nr. 7a, aus der Bibliothek des reg. Chorherrenstiftes St. Florian. Vier Pergamentstreifen; die beiden breiteren sind aus der Mitte von zwei verschiedenen Blättern herausgeschnitten; die beiden schmaleren stammen vom unteren Rand derselben Blätter. Nach Pfeiffer „zierliches Klein-Octav", Text fortlaufend einspaltig geschrieben, pro Seite sind 21—22 Zeilen mit 29—30 Versen Text zu errechnen. 1. Hälfte 13. Jahrhundert. 12 Im Armen Heinrich spricht nichts gegen die Möglichkeit, daß B b aus B" abgeschrieben wurde. An den wenigen Stellen, wo B" zu A stimmt, während B' eine Sonderlesart hat, handelt es sich immer um Kleinigkeiten, die entweder durch Zufall oder als naheliegende Konjektur des Schreibers von B b erklärt werden können.
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Durch Anwendung von Reagenzien und Abbröckeln der Ränder stark beschädigt. Überliefert sind mit Textverlusten Verse aus den Bereichen 644 - 695 und 827-888. Fr. Pfeiffer, Bruchstücke aus dem Iwein und dem Armen Heinrich, Germania 3 (1858) 347-350 (Herkunft, Beschreibung, Textabdruck); E. Gierach, ZfdA 54 (1913) 257-270 (u.a. Ergänzungen zu der Lesung Pfeiffers). LITERATUR:
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München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm. 5249, Nr. 29, aus dem Kloster Indersdorf (abgelöst aus dem clm. 7595). In München ist am Standort derzeit nur eine Fotografie, das Original war nicht auffindbar. Ein ganzes und ein weiteres, unten beschnittenes, Pergamentdoppelblatt. Die eine Hälfte der Doppelblätter enthält jeweils Stücke aus Freidank, die andere den Armen Heinrich v. 1266-1372 (mit einigen weggeschnittenen Zeilen, Lücken, Mehrversen). Vermutlich handelte es sich um das äußere und das nächstfolgende Blatt einer Lage, in der auf den Schluß des Armen Heinrich die Freidank-Auszüge folgten. Oktav, Schriftraum 12 x 7 cm, einspaltig fortlaufend beschrieben, die Spalte zu 2 2 - 2 3 Zeilen (32-34 Verse Text). Anfangsbuchstaben der Verse mit Mennige getupft, keine besonderen Absätze, 14. Jahrhundert (2. Hälfte), bairisch. Keinz, Mittheilungen aus der Münchener Kön. Bibliothek IV, Germania 31 (1886) 8 0 - 8 3 (Beschreibung, Herkunft, Abdruck); E. Gierach, ZfdA 54 (1913) 270-295 (u.a. Korrekturen und Ergänzungen zum Abdruck von Keinz). LITERATUR: F .
E
München, Bayerische Staatsbibliothek, cgm. 5249, Nr. 29b, aus dem Kloster Benediktbeuern. 11 Pergamentstreifen, ca. 31,5 x 5,5 cm. Sie wurden 1964/65 von P. K. Mindera SDB bei Restaurierungsarbeiten an der 1695 erstellten Orgel der ehem. Klosterkirche Benediktbeuern entdeckt, wo sie zur Abdichtung von Orgelpfeifen dienten. Durch die Verleimung sind die Streifen verzogen und fast durchsichtig, die Tinte ist verblaßt und z.T. auf den Orgelpfeifen haften geblieben. Die Bleinumerierung der Streifen erfolgte vor ihrer wissenschaftlichen Auswertung. H. Rosenfeld konnte mit Hilfe von Luminiszenz-Aufnahmen des VetusLatina-Instituts Beuron einige der Streifen entziffern und die TexX
te als Fragmente des Armen Heinrich (Streifen 4 und 5) und einer unbekannten Fassung von „Aristoteles und Phyllis" (Streifen 2 und 3) identifizieren. Die Texte der anderen, sehr ungünstig geschnittenen Streifen entzogen sich bisher der Entzifferung. Die Streifen 2—5 und 9 stammen sicher von demselben Schreiber; auf den Streifen 10 und 11, vielleicht auch auf 8 könnte ein anderer vermutet werden. Auf dem unteren Rand von 4V, 5V und 6V finden sich Einträge in einer späteren, sehr zierlichen Schrift. Die Hs. war dreispaltig angelegt mit breitem Rand, sehr sorgfältig geschrieben. Die Verse sind abgesetzt (Ausnahme 8V), meist 55, aber auch 57, 58 und 61 Zeilen pro Spalte. Anscheinend folgten normalerweise die einzelnen Stücke unmittelbar aufeinander, ihr Beginn wurde ausgezeichnet mit roten Initialen. Auf Streifen 11 findet sich im Schriftblock eine rot geschriebene Zeile (Überschrift ?). Zur Abschnittsgliederung wurden im Armen Heinrich Paragraphenzeichen in zwei verschiedenen Formen verwendet (§ und P). Die Anfangsbuchstaben der einzelnen Verse sind rot gestrichelt. Alle Rubrizierungen, einschließlich der Tilgung von dieselbe A H v. 29 durch eine fein gepunktete Linie, sind in derselben Tinte ausgeführt. Eine andere rote Tinte wurde für die über dem Schriftspiegel von späterer Hand nachgetragene Überschrift verwendet. Auffällig ist, daß die Spalte vor dem Armen Heinrich freigelassen wurde; dies, wie die durch den Punkt unter div vielleicht z.T. rückgängig gemachte Tilgung von div selbe v. 29 zeigt wohl, daß der Schreiber durch den ungewöhnlichen Beginn irritiert war und einen Textverlust vermutete. Die Schrift ist nach meinem Eindruck eher aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Die Sprache zeigt alemannische Merkmale. Überliefert sind die w . 2 9 - 2 5 5 (mit größeren Auslassungen, die vermutlich durch mechanischen Textverlust in einer Vorstufe entstanden sind) 13 .
13 Vgl L Wolff, Z f d A 99 (1970) 180. Wenn man als Vorlage eine kleinformatige Hs. mit ca. 30 Zeilen Text pro Blatt annimmt (entsprechende Formate finden sich z . B . bei Konrad von Fussesbronnen. Die Kindheit Jesu. hrsg. von H. Fromm und K. Grabmüller, Berlin/New York 1973. S. 12f.. Fragmente D und G ) , hatten im ersten Q u a t e m i o Bl. I und die zusammenhängenden Bll. III und VI gefehlt. Die Lücken in E haben, wenn man eine Überschrift und die Mehrverse von B in ihrem Bereich einrechnet, auf eine Zeile genau den gleichen Umfang.
XI
LITERATUR: H. Rosenfeld, Ein neu aufgefundenes Fragment von Hartmanns „Armem Heinrich" aus Benediktbeuern. ZfdA 98 (1969) 4 0 - 6 4 (Geschichte, Beschreibung, Textabdruck und -kritik, Abbildung); ders., Aristoteles und Phillis. Eine neu aufgefundene Benediktbeurer Fassung um 1200, ZfdPh 89 (1970) 321-336 (Beschreibung, Textabdruck, Abbildung, literarhistorische Einordnung); H. Blosen, Nachlese zur Hs. E des Armen Heinrich, Text und Kontext 3 (1975) Heft 1, S. 152-154 (Korrekturen zum Textabdruck Rosenfelds); L. Wolff, Das Benediktbeurer Fragment des „Armen Heinrich", ZfdA 99 (1970) 178-186; W. Roll, Zu den Benediktbeurer Bruchstücken des „Armen Heinrich" und zu seiner indirekten Überlieferung, ZfdA 99 (1970) 187-199; G. Bonath, Überlegungen zum ursprünglichen Versbestand des „Armen Heinrich", ZfdA 99 (1970) 200-208 1 4 . Auf eine verlorene Hs. weist der von K. Kunze (ZfdA 108 [1979] 31—33) bekannt gemachte Eintrag der w . 199 - 204 des Armen Heinrich in der Hs. 381 der Universitätsbibliothek Freiburg/Br. (der ich für eine Fotografie der entsprechenden Seite danke) hin. Wegen seines geringen Umfangs und seiner textkritischen Belanglosigkeit behandele ich den Eintrag nicht als eigenständigen Textzeugen. Ich halte ihn aber wegen seines Interesses für die Rezeptionsgeschichte des Armen Heinrich für bemerkenswert. In der Freiburger Hs. 381 sind ein Papierteil (ca. 1475-78) und ein Pergamentteil zusammengebunden. Letzterer stammt aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts und enthält in der Hauptsache Glossen zu Ovid-Texten. Die sechs Verse aus dem Armen Heinrich sind hier auf dem unteren Rand von Bl. 12' eingetragen, fortlaufend geschrieben, die Verse durch Reimpunkte getrennt. Der vorhandene Raum ist nicht ganz ausgenutzt. Die Schrift des Eintrags, nach Kunze noch aus dem 13. Jahrhundert, ist in ihrem Charakter merkwürdig widersprüchlich, was eine sichere Datierung erschwert. Der Text des Eintrags stimmt fast durchweg zu A (200 gegen E), weist aber einige Sonderlesarten auf (199 des]