Der arme Heinrich: Nebst einer Auswahl aus der “Klage”, dem “Gregorius” und den “Liedern” [Reprint 2019 ed.] 9783111637396, 9783111254906


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Inhalt
Zur Einführung
Aus der „Klage"
Lieder
Aus dem „Gregorius"
Der arme Heinrich
Wörterverzeichnis
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Der arme Heinrich: Nebst einer Auswahl aus der “Klage”, dem “Gregorius” und den “Liedern” [Reprint 2019 ed.]
 9783111637396, 9783111254906

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SAMMLUNG

GÖSCHEN

BAND

18

HARTMANN VON AUE DER ARME

HEINRICH

nebst einer Auswahl aus der „ K l a g e " , dem „ G r e g o r i u s " und den „Liedern44 (mit einem Wörterverzeichnis) herausgegeben von F R I E D R I C H

M A U R E R

WALTER DE GRUYTER & CO. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp. B E R L I N

1958

© Copyright 1958 by Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35. — Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung v o n Photokopien und Mikrofilmen, von der Verlagshandlung vorbehalten. — Archiv-Nr. 11 0018. — Satz und Druck: Paul Funk, Berlin W 35. — Printed in Germany.

Inhalt Seite

Zur Einführung Aus der „Klage" Lieder

4 9 17

Minneleid (M. F. 205,1)

17

Unstaete

18

(M. F. 211,27)

Die Frauenklage (M. F. 217,14)

19

Kreuzlied (M. F. 209,25)

20

Kreuzlied (M. F. 218,5)

22

Aus dem „Gregorius"

24

Der Prolog (vs. 4 — 1 7 6 )

25

Das Gespräch mit dem Abt (vs. 1 3 8 5 — 1 7 3 8 ) . . . .

30

Die Lösung (vs. 3 7 9 3 — 3 8 3 0 )

39

Der Epilog (vs. 3 9 5 9 — 4 0 0 6 )

40

D e r arme Heinrich

43

Wörterverzeichnis

86

Zur Einführung Zwei große Ideen sind es, die die ritterliche Welt um 1200 beherrschen, zwei Hochziele werden mit allen Kräften erstrebt: die ewige Seligkeit und die Geltung in der höfischen Ritterwelt. Gotes hulde heißt das eine, d. h. also Gottes Gnade, die das Heil der Seele im ewigen Leben schenkt; und ere oder auch der werlt hulde, d. h. Anerkennung und Achtung der Gesellschaft, heißt das andere Ziel. Dabei muß uns deutlich bewußt sein, daß ere für jene Zeit in erster Linie die äußere Ehre meint, d. h. wie ich oben sagte, Geltung in der Gesellschaft; Anerkennung und Wertschätzung durch sie, eben der werlt hulde. Diese beiden Ideale haben sehr verschiedene Ausgangspunkte. War das Ideal der ere das Hochziel der vorchristlichen Welt, greifbar für uns und dichterisch gestaltet etwa in den großen Heldenliedern der Völkerwanderungszeit oder der Saga; so ist das Hochziel der gotes hulde im Lauf der Christianisierung, mit der Aneignung der christlichen Gedanken in die heimische Welt gelangt. Es gab eine lange Zeit, in der die dichterischen Gestaltungen diesem Ziel der gotes hulde die alleinige Geltung zusprachen und alles, was auf der werlt hulde zielte, als Hoffart und Sünde ablehnten. Die großen Dichtungen der Geistlichen der vorhöfischen Zeit des 11. und 12. Jahrhunderts waren es, die mit großartiger Einseitigkeit Alles auf das Jenseitige ausrichteten. Als mit der Ritterdichtung erneut auch das Diesseitige wieder entdeckt, erneut auch als ein Wert, als von Gott geschaffen und deshalb wertvoll anerkannt wurde: da war die große Aufgabe gestellt, beide Werte miteinander zu vereinen, beide Werte in ihrem Verhältnis zueinander zu ordnen. Die Bewältigung dieser Aufgabe ist das große Thema der ritterlichen Dichtung um 1200. Wie dieses Ziel verwirklicht werden kann und soll, das ist die Frage. Denn das Leben in der Welt ist in

Zur Einführung

5

der ständigen doppelten Gefahr: gotes hulde, d. h. das ewige Leben, zu verlieren und die Ehre, d. h. der werlt hulde, die Geltung in der Gesellschaft, zu verlieren; ja auch beide zugleich zu verlieren, da ja beide hohen Ideale weithin die gleichen Voraussetzungen haben: Wer etwa nicht die Treue hält, kann weder auf die ere noch auf Gottes Gnade rechnen. So hängen gotes und der werlt hulde direkt und eng zusammen; aber auch indirekt stehen Verlust oder Erringung der beiden Hochziele in engster Verbindung: wer die Gnade Gottes verliert, wen Gott verstößt und straft, der verliert auch seine Position in der Welt, und wer die Weltehre verliert, der steht in unmittelbarer Gefahr, sich gegen Gott aufzulehnen. Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach haben mit diesen Problemen in ihren Romanen gerungen. Dabei hat Hartmann noch eine einfachere und optimistischere Konzeption. Alle seine Werke, seine beiden großen Artusromane wie seine Legende vom Gregorius und die Geschichte des Armen Heinrich lassen sich in ihrem Aufbau auf das gleiche Grundgerippe zurückführen: Der Mensch (der Ritter) versagt und fällt in Schuld (Sünde); das bringt ihm schweres Leid, d. h. den Verlust seiner „Ehre", seiner Geltung und Stellung in der Gesellschaft; durch demütige Buße, gute Werke und innere Wandlung wird er reif für Gottes Gnade, und diese Gnade kommt im Wunder zu ihm und führt ihn zurück in seine ere, seine Stellung und seine ehrenvolle Tätigkeit in der Gesellschaft. Diese Ideenkette von Ehre, Sünde, Leid, Buße und innerer Wandlung und göttlicher Gnade beherrscht Hartmanns Denken; sie tritt uns überall in seinen Werken entgegen. Alle Lebensdaten Hartmanns sind höchst unsicher und sehr umstritten. Daß seine Spätwerke, der „Arme Heinrich" und der Artusroman „Iwein" dicht um 1200 entstanden sind, darüber ist man sich einig; heute schon nicht mehr so ganz darüber, ob der „Iwein" eindeutig das letzte von beiden ist. Voraus gehen die Legende von dem guoten sündaere Gregorius und der frühe Artusroman „Erec".

ty

Zur E i n f ü h r u n g

In die Frühzeit gehört auch jene „Klage", die Minnetheorie des sogen. „Büchleins". Für die Lieder wird man nicht einen einzigen festen Ansatz machen können; auch daß die Lieder „wohl in der Jugend" gesungen seien, wie man bisweilen anzunehmen geneigt war, ist bei den heute erkannten Voraussetzungen dieser Minnelieder kaum noch schlüssig. Aber wann hat Hartmann begonnen? Wann sind seine Jugendwerke, die „Klage" und der „Erec" entstanden? Die Entscheidung hängt von schwierigen philologischen Erwägungen ab, die hier nicht im Einzelnen angestellt werden können. In einem der Kreuzlieder (vgl. unten S. 23) macht Hartmann eine Bemerkung, die man je nach der Zeichensetzung (lebte min her, Saladin ... oder lebte min her Saladin, . ..) auf den Kreuzzug Barbarossas von 1189/90 oder auf den Heinrichs VI. von 1197/8 beziehen zu müssen glaubt. Man hat andere Bemerkungen Hartmanns im „Erec" und in der sogen. „Frauenklage", die den Tod von Hartmanns Herren zum Gegenstand haben soll (vgl. unten S. 19 f.), zu weiterer Datierungshilfe herbeigezogen. Abgesehen davon, daß man sich vor der biographischen Ausdeutung der Lieder sehr hüten muß — sie sind weniger Reflexe von „Erlebnissen" als kunstvolle formale Neugestaltungen alttradierter Themen und Motive —, die Hinweise sind nicht ausreichend. Mir scheint aus allgemeinen Erwägungen die Frühdatierung, der Bezug auf Barbarossas Kreuzzug wahrscheinlicher: „Klage" und „Erec" könnten dann um 1180, der „Gregorius" Anfang der neunziger Jahre, „Armer Heinrich" und „Iwein" um 1200 entstanden sein. Diese relative Reihenfolge der Werke steht jedenfalls nach der genauen Untersuchung der Vers- und Reimkunst wie der Sprache des Dichters fest. Man könnte dann die Geburt Hartmanns in das Jahrzehnt zwischen 1150 und 1160 setzen, um 1210 wäre er als Sechzigjähriger etwa gestorben: Gotfrid von Straßburg nennt ihn in dieser Zeit noch als Lebenden, während er um 1220 von Heinrich von dem Türlin in „Aller aventiure kröne" schon als Toter gefeiert wird. Fest steht.

Zur Einführung

7

daß Hartmann von Aue ein Ritter war, ein Ministeriale im Dienst eines freiherrlichen Geschlechts von Aue. Um welches „Aue" aber es sich handelt, auch das ist umstritten. Von den erörterten „Auen": Obernau bei Rottenburg am Neckar; Eglisau im Thurgau; Reichenau im Bodensee; Au bei Freiburg hat wohl diese letzte die größte Wahrscheinlichkeit für sich. Jedenfalls sagt uns wiederum die Sprache des Dichters, daß er im alemannischen Südwesten, am ehesten am Oberrhein gedichtet hat. Hartmann hat gelehrte Bildung genossen, bei einem Dichter und Formkünstler seines Ranges brauchten wir dafür nicht sein eigenes Zeugnis, das wir aber im Prolog des „Armen Heinrich" (s. u. S. 44 vs. 1—5) und des „Iwein" besitzen. Als Liederdichter, „Minnesänger", und als Schöpfer der großen Verserzählungen hat er im gleichen Maß die neue Kunst gefördert; ja er darf recht eigentlich als der Bahnbrecher des modernen Artusromans in Deutschland gelten. Es ist aus Raumgründen nicht möglich, eines der beiden großen Ritterepen hier als Beispiel wiederzugeben, etwa das schönste und reifste, den „Iwein". Audi in Auszügen läßt sich von diesen Werken, die über 8000 (Iwein) und über 10 000 Verse (Erec) umfassen, kein wirkliches Bild geben. Sinnvoller scheint es, das andere reife Spätwerk Hartmanns, den „Armen Heinrich", vollständig abzudrucken. Die Gedankenwelt des Dichters tritt uns hier in schönster Klarheit entgegen und auch in der Formkunst hat Hartmann seine Höhe erreicht. Es wird möglich sein, außer diesem vollständigen Werk noch größere Auszüge aus der Legende vom „Gregorius" hinzuzufügen. Einleitend werden die wichtigsten Stücke aus Hartmanns „Klage", dem sogen. „Büchlein", wiedergegeben, in dem der junge Hartmann seine Minnetheorie entwickelt, die bereits jene Grundzüge der Weltauffassung, des Ineinand e r von Gottes- und Frauendienst enthält; und es werden auch einige Minnelieder des Dichtersängers aufgenommen.

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Zur Einführung

H . S p a r n a a y : Hartmann von Aue. Studien zu einer Biographie. Bd. 1. 2. H a l l e 1933 und 1938. Friedrich N e u m a n n : Wann dichtete Hartmann von Aue? ( I n : Festschrift für F. Panzer, 1950, S. 59 ff). C . v o n K r a u s : Des Minnesangs Frühling. Untersuchungen. Leipzig 1939, S. 430 ff. A. v a n d e r L e e : Noch einmal die Datierung von H a r t manns Werken. Leuvense Bijdragen 51 (1951), S. 110 ff. F r . N e u m a n n : H a r t m a n n von Aue. Mittelalters V (1955) Sp. 3 2 2 - 3 3 1 .

Verfasserlexikon des

Fr. M a u r e r : Hartmann von Aue. I n : Die Großen Deutschen. Bd. V (1957), S. 48 ff. d e r s . : Leid.

Bern und München 1951.

d e r s . : Die Welt des höfischen Epos. I n : Der Deutschunterricht 1954, H e f t 5.

Aus der „Klage" Das kleine Werk, das Hartmann selbst „Klage" nennt, das die Forschung meist als „Büchlein" bezeichnet, ist eine Minnetheorie in Versen. In Form eines Streitgesprächs zwischen herze und lip wird das Wesen und der Sinn der Minne und des Minnedienstes erörtert. Die neue Auffassung der Minne als sittigende Kraft, die den Ritter tiuret, wertvoller macht, sie ist kein Spiel, sondern eine ernste Aufgabe, die arebeit, die ständige hingebende Bemühung verlangt und neben zuchtvollem Wesen ethische Haltung und direkte Hinordnung zu Gott voraussetzt. Die folgende Auswahl gibt die entscheidenden Stellen. Der Text folgt in der Hauptsache der Ausgabe von M. H a u p t (1842); einige Male bin ich näher bei der Überlieferung geblieben; gelegentlich wurde ein rhythmisch glatterer Text bevorzugt. Minne waltet grozer kraft, wände si wirt sigehaft an tumben unde wisen, an jungen unde grisen, an armen unde an riehen. gar gewalteclichen betwanc si einen jungelinc, daz er alliu siniu dinc muose in ir gewalt ergeben und nach ir geböte leben, so daz er ze mäze ein wip durch schoene sinne und durch ir lip minnen begunde. do si im des niht gunde daz er ir wasre undertan

5

10

15

A u s der

„Klage"

(si sprach er solte si erlän), doch versuochte erz zaller zit. disen kumberlichen strit entorste er nieman gesagen: dar umbe wolt ern immer tragen, ob er si des erbiete daz si sinen willen taste, daz ez verswigen wasre. er klagete sine swasre in sinem muote und het in siner huote, so er beste künde, daz ez ieman befunde. daz was von Owe Hartman, der ouch dirre klage began durch sus verswigen ungemadi. sin lip zuo sinem herzen sprach: 'Owe, herze unde sin, wasrst du iht anders denne ich bin, du hastest wol versolt um mich daz ich klagete über dich allen den ich des getrüwe daz si min schade geruwe, daz si mich raschen an dir. und waere dar zuo State mir, zware ich txte dir den tot und gulte dir alsolhe not die du mir ofte bringest, wan. du midi leider twingest mit diner krefte swes du wil: wan des gewaltes ist so vil des dir an mir verläzen ist daz mir deheines mannes list fride da vor mac gegeben ichn müeze in dime gewalte leben, daz ich dem niht entwenken mac, des gewinne ich manegen swasren tac.

Aus der „Klage"

(Der lîp spricht:) Dû bist weizgot vil betrogen, ofte hâst dû mir gelogen unz daz nû dîn übeler rät vil ungenislîchen hât verleitet mich armen lîp mit dîme gewalte an ein wîp. Midi hiezen dîne sinne ir dienen umbe minne . . . (Das herze spricht:) Du verwîzest mir daz, bœser lîp, daz ich dir riet an daz wîp. daz hân ich weizgot getan: wan ich weiz daz wol âne wân, als mir mîn selbes sin verjach, do ich sî durch dîniu ougen sach, daz niht bezzers möhte sîn. ich riet dirz durch den willen dîn: war umbe wîzest dû mir? wie moht ich baz gebieten dir? nû wis dar nach veile: ez muoz dir komen von heile ob sî dîn dienest twinget daz dir an ir gelinget, dû wirst der sieligste man der in der werlt ie liep gewan. dû maht dich gerne wägen an nütze râtfrâgen nach alsolher 1ère dâ von dû immer mère von schulden muost geêret sîn, dû und ich daz herze dîn. Dû klagest âne nôt ze vil. jane ist ez niht ein kindes spil, swer daz mit rehte erwerben soi daz im von wîbe geschihet wol. swer ahte hât ûf minne,

Aus der „Klage"

der darf wol sdioener sinne und swer ir lere reht wil phlegen der muoz läzen under wegen swaz anders heizet denne guot und minnen rehtes mannes muot. da gehoeret arbeit zuo beide späte unde fruo und daz man vil gedenke an si. minne machet niemen fri ze grozem gemache, daz sint die selben sache da man ir mite dienen sol, wan si lonet vaste wol. Swer ir ingesinde wesen wil, der darf solhes muotes vil. daz er gedenke dar zuo wie er mere guotes getuo dann er da von gespreche: sin triuwe durch niemen breche: milte unde manheit ist ir ze dienste niht leit: sinen lip habe er schone nach der minne lone: er si zühteclichen balt. die tugent hän ich dir vor gezalt da mite du erwerben solt daz dir die frowen wesen holt. Du muost mit herten dingen nach ir hulden ringen, beide sele unde lip muoz man wägen durch diu wip, swer so lones von in gert: er ist sin anders ungewert. (Das herze spricht:) Der allez mankünne geschuof unde in siner gwalt hät,

Aus der „ K l a g e "

der gebe uns heil unde rät daz ich noch daz erringe daz uns an ir gelinge. Des gewerbes, unz ichz leben hän, läz ich dich nimmer abe gän. von diu vernim, lip, waz du tuo. grif vil manlichen zuo, wan ich erläze dich sin niht. swaz kumbers dir da von geschiht, des zel mir diu zwei teil, ja stät ez also umb daz heil, im enist ze niemen gäch, er enwerbe dar nach: ez lät sich vil gerne jagen unde entrinnet ouch dem zagen: swä ez den boesen jäger siht, den lät ez sich vähen niht: ez kan mit listen vliehen: man sol im zuo ziehen daz man ez nimmer vri gebe: man sol ez ze notstrebe ginendeclichen erloufen, mit kumber saslde koufen. Ouch hät diu werlt vil manegen man der nie ahte gewan üf dehein ere, und hät doch heiles mere dan einer der die sinne hät und dem sin muot ze tugenden stät. dem hät daz got enteil getän. den sulen wir ungenidet län, wan swaz dem liebe geschiht, ob er des immer mere giht ez körne von siner frumkeit, daz sl im gar widerseit: er sage im selben nimmer danc. ich erteile im fröude die sint kranc. Swem iz anders niht gefüeget

13

Aus der „Klage"

(des manegen doch genüeget) wan friundes hilfe und sîn guot, wil er dâ von sîn wol gemuot, des gan ich im vil sêre, wan est ein betrogen ère unde ein kintlîcher wân. als ich nû 'gesprochen hân, sô kan ich dir bescheiden wol wes ein man geniezen soi: tugende unde sinne, sô sint ez reine minne. Von diu swer des geruochet daz in daz heil verfluochet unde er niwan sînen gruoz mit fügenden verdienen muoz, als ez dir, lîp, ist gewant, dem muoz werden erkant wes er die liute dunket wert, erwirbet er iht des er gert, der mag im selben danc sagen und den muot dâ von wol höhe tragen. Jâ wsene ie dehein man âne kumber liep gewan. (Das herze lehrt den Kräuterzauber:) 'Lip, nü solt du volgen mir: daz ist niemen als guot als dir. ich hört dich zouber e versprechen: daz gelübede muost du brechen, wil du immer gwinnen heil oder liebes deheinen teil, so lerne einen zouberlist der benamen guot ist. maht du daz gewinnen wol daz man dar zuo haben sol, so muoz dir gelingen: ich brähte in von Kärlingen.

Aus der „Klage" N u sich daz du ez verdagest: doch enruoche ich wem duz sagest, ez ist dar umbe so getan, swer in ze rehte sol begän, der muoz haben driu krüt, diu tuont in liep unde trüt. der endarft du aber niht warten in deheines mannes garten, ouch vindt si niemen veile. ezn ste an sinem heile daz er si gewinne v o n dem mit schoenem sinne der si in sime gewalte hat, son hilfet in dehein rät, er, Wien, ir iemer enbasre. got der ist der würzasre, der phliget ir alters eine. sin kamer diu ist reine: dar üz git er si swem er w i l : der hat ouch immer heiles vil. D i u krüt sint dir unerkant: also sint si genant: milte zuht diemuot. ez ist kein krützouber so guot: swelich sasliger man diu driu krüt tempern k a n dar nach als in gesetzet ist, daz ist der rehte zouberlist. ouch hoerent ander w ü r z e derzuo e daz man im rehte tuo, triuwe unde staste: swer die dar zuo niht haete, so müese der list beliben: ouch muost dü dar zuo triben beide kiuscheit unde schäme: dannoch ist ein krütes name gewislichiu manheit:

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Aus der „Klage" sô ist daz zouber gar bereit, und swem also gelinget daz er sî zesamen bringet, der sol sî schütten in ein v a z : daz ist ein herze â n e h a z : dâ sol er sî inne tragen, sô wil ich dir daz z w â r e sagen daz im diu saslde ist bereit unz er sî bî im treit. Hetest dû der k r û t e gewalt diu ich dir, lîp, h â n v o r gezalt, nû sich, dez vazzes lîhe ich dir, w a n d a z erkenne ich a n mir. nu gebristet dir ir sêre. sô aber dû ir ie mère mügest gewinnen, lîp, daz tuo, w a n dâ r â t e ich dir zuo, u n d enblandez dînem lîbe: w a n sol dir von wîbe iemêr rehte wol ergân, sô muost dû d i t z e zouber hân. ouch ist ez eines dinges guot, daz m a n ez âne laster tuot und â n e grôze sünde. wol in der ir hât künde! daz ist zer werlte ein saslekeit und ist gote niht ze leit, ez ist bêdenthalp ein gewin, got u n d diu werlt minnet in: swer den selben zouber kan, der ist zer werlt ein sadec man.

Lieder Aus den etwa 20 Liedern sind hier zwei Kreuzlieder und die „Frauenklage" ausgewählt; ferner zwei Lieder vom Leid der Minne, die die Theorie Hartmanns voraussetzen und sich mit den Gedanken von Schuld und Leid und stcete berühren, wie sie in den erzählenden Dichtungen gestaltet sind. Die Texte der Lieder schließen sich, von einigen Abweidlungen abgesehen, an den Text der Vogtschen Ausgabe von „Minnesangs Frühling" (1923) an; der von C. von Kraus neu gestaltete Text entfernt sich gelegentlich zu weit von der Überlieferung. Ebenso hat, glaube ich, Kraus zu Unrecht die „Frauenklage" Hartmann abgesprochen. Warum ich das Lied M. F. 205,1 — 206,18 als Einheit betrachte, wird an anderer Stelle begründet, an der auch meine Abweichungen von Vogts Text erörtert werden. Minne1eid 1. Sit ich den sumer truoc riuw unde klagen M . F. 205,i so ist ze fröiden min trost niht so guot, min sanc ensül des winters wäpen tragen: daz selbe daz tuot ouch min sender muot. 5 5 wie lützel mir min staete liebes tuot! wan ich vil gar an ir versümet hän die zit, den dienst, dar zuo den langen wän. ich wil ir anders ungefluochet län wan so, si hat niht wol ze mir getan. 2.

5

2

Ich han des reht daz min lip trüric si, wan mich betwinget ein vil senediu not. swaz fröiden mir von kinde wonte bi, die sint verzinset als ez got gebot. midi hat beswasret mines herren tot; dar zuo so trüebet mich ein varnde leit; mir hat ein wip genäde widerseit, Maurer, Hartmann von Aue

206,io

15

18

Lieder der ich gedienet hân mit staîtekeit sît der stunt deich ûf mîme Stabe reit.

3.

5

4.

Wolt ich den hazzen der mir leide tuot, 205,ki sô möchte ich wol mîn selbes vient sîn. vil wandels hât mîn lîp und ouch der muot: deist an mîm ungelücke worden schîn. mîn vrowe gert mîn niht: diu schulde ist mîn. sît sinne mâchent sseldehaften man und unsin staste saslde nie gewan, ob ich mit sinnen niht gedienen kan, dâ bin ich alterseine schuldec an.

5

Dô ir mîn dienest niht ze herzen gie, dô dûhte mich an ir bescheidenlich daz sî ir werden lîbes mich erlie: dar an bedâhte sî vil rehte sich. zürn ich, daz ist ir spot und altet mich, grôz was mîn wandel: dô sî den entsaz, dô meit sî mich, vil wol geloube ich daz, mê dur ir ère danne ûf mînen haz: sî waenet des, ir lop stê deste baz.

5

Sî hâte mich nâch wâne unrehte erkant, dô sî mich ir von erste dienen liez: dur daz sî mich sô wandelbaren vant, mîn wandel und ir wîsheit mich verstiez. sî hât geleistet swaz sî mir gehiez; swaz sî mir solde, des bin ich gewert: er ist ein tump man, der iht anders gert: sî lônde mir als ich sî dûhte wert: michn sieht niht anders w a n mîn selbes swert

5

1.

206,i

.5

U nstx te Der mit gelücke trûrec ist, M. F. 211,27 der wirt mit ungelücke selten gemellîchen vrô. für trûren hân ich einen list,

Lieder s w a z mir geschiht ze leide, so gedenke ich iemer so: 'nu la varn, ez solte dir geschehen: schiere k u m t daz dir gefrumt.' sus sol ein man des besten sich versehen.

19 30

35 Swer anders giht, der misseseit, w a n daz man stastiu w i p mit stxtekeit erwerben muoz. des hat mir m i n unst£etekeit ein stxtez w i p verlorn, diu bot mir also schoenen gruoz, daz si mir erougte lieben w ä n . 212,i do si erkos mich stxtelos, do muose ouch diu genade ein ende hän.

Ez ist mir iemer mere guot daz m i n unstaste an statten fröiden mich versümet hat: nü kere ich mich an stasten muot, und m u o z mit heile mines ungelüdces werden rät. ich bin einer statten undertän: an der wirt sdiin diu sta:te min und deich an s t x t e meister nie gewan.

5

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Frauenklage M. F. 217,14 ' D i z wahren wünnecliche tage, der si mit fröiden m ö h t e leben. nü hat mir got ein swasre klage ze dirre schoenen zit gegeben, der mir leider niemer wirdet buoz. ich h ä n verloren einen man, 20 daz ich für w ä r w o l sprechen m u o z d a z w i p nie liebern friunt g e w a n . do ich sin pflac, do f r ö i t e er mich: nü pflege sin got, der pfliget sin baz dan ich.

20 2.

5

10

3.

5

10

Lieder

Min schade wxr niemen rehte erkant, ern diuhte in grozer klage wert. an dem ich triuwe und ere ie vant und swes ein w i p an manne gert, der ist alze gahes mir benomen. des mac mir unz an minen tot niemer niht ze staten komen, ich en miieze liden sende not. der nü iht lieibers si geschehen, diu läze ouch daz an ir gebserden sehen. Got hat vil wol zuo zir getan, sit liep so leidez ende git, diu sich ir beider hat erlän: der gät mit fröiden hin diu zit. ich hän klage so manegen liehten tac, und ir gemüete stät also daz si mir niht gelouben mac. ich bin von liebe worden f r o : sol ich der järe werden alt, daz giltet sich mit leide tüsentvalt.'

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35

218,i

Kreuzlied 1.

5

2.

Dem kriuze zimt wol reiner muot u n d kiusche site: M. F. 209,25 so mac man sadde un allez guot erwerben mite, ouch ist es niht ein kleiner h a f t dem tumben man 30 der sime übe meisterschaft niht halten kan. ez wil niht daz man si 35 der werke drunder f r i : waz touc ez üf der wät, ders an dem herzen niene hat? N ü zinsent, ritter, iuwer leben und ouch den muot

Lieder

5

3.

5

4.

5

5.

durch in der iu d a h a t gegeben l i p u n d e guot. swes schilt ie w a s zer werlt bereit üf hohen pris, ob er den gote nü verseit, der ist niht wis. w a n swem d a z ist beschert d a z er d a wol gevert, d a z giltet beidiu teil, der werlte lop, der sele heil. D i u werlt mich lachet triegend an u n d winket mir. nü h ä n ich als ein tumber m a n gevolget ir. der hacchen h ä n ich m a n e g e n t a c geloufen nach: d a niemen staste vinden mac, dar w a r s mir gäch. nü hilf mir, herre K r i s t , der m i n d a v ä r e n d ist, d a z ich mich dem entsage mit d i n e m zeichen deich hie trage. Sit midi der t o t beroubet hat des herren min, swie nü diu weit nach im gestät, d a z l ä z e ich sin. der f r ö i d e min den besten teil hat er d a hin, u n d schliefe ich nü d e r sele heil, d a z wa:re ein sin. m a g i m e ze helfe k o m e n m i n v a r t diech hän genomen, ich wil i r m halber jehen: v o r gote m ü e z e ich in gesehen. M i n f r ö i d e w a r t nie sorgelos u n z an die t a g e d a z ich mir Kristes bluomen kos die ich hie trage.

21 209,1 5

10

15

20

25

20

22

5

6. 10

1.

5

2.

5

Lieder die kündent eine sumerzit diu also gar in süezer ougenweide lit: got helfe uns dar hin in den zehenden kor, dar üz en hellemor sin valsch verstozen hat, und noch den guoten offen stat. Midi hat diu werlt also gewent, daz mir der muot sich zeiner maze nach ir sent: dest mir nü guot. got hat vil wol ze mir getan, als ez nü stät, daz ich der sorgen bin erlan, die maneger hat gebunden an den fuoz, daz er beliben muoz swenn ich. in Kristes schar mit fröiden wünneclichen var.

211;i 5

10 15

K r euz1ied Ich var mit iuwern hulden, herren unde mäge: M. F. 218,5 liut unde lant diu miiezen saslic sin. es ist unnot daz iemen miner verte vrage: ich sage wol f ü r war die reise min. mich vienc diu Minne und lie midi varn üf mine Sicherheit, 10 nü hat si mir enboten bi ir liebe daz ich var. ez ist unwendic: ich muoz endelichen dar: wie küme ich brasche mine triuwe und minen eit! Sich rüemet maneger waz er dur die Minne tsete: wä sint diu werc? die rede hoere ich wol. doch s«he ich gerne dazs ir eteslichen baste daz er ir diente als ich ir dienen sol. ez ist geminnet, der sich dur die Minne eilenden muoz.

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Lieder

nü seht wies mich üz miner zungen ziuhet über mer. und lebte min her, Salatin und al sin her, dienbrashten mich von V r a n k e n niemer einen fuoz. Ir minnesinger, iu muoz o f t e misselingen: d a z iu den schaden tuot d a z ist der wän. ich wil midi rüemen, ich mac wol von minne singen, sit mich diu Minne hat und ich si hän. d a z ich da wil, seht d a z wil alse gerne haben mich: so müezt ab ir Verliesen under wilen wänes vil: ir ringet umbe liep d a z iuwer niht enwil: wan müget ir armen minnen solhe minne als ich?

Aus dem „Gregorius" Die Geschichte vom guoten sündiere Gregorius ist eine Legende. Wie Heinrich von Veldeke im „St. Servas", Wolfram von Eschenbach im „Willehalm", so hat Hartmann, in diesem Werk sein „Seelgerät" gedichtet, um die gröze sware seiner Sündenlast zu erleichtern. Der Legendendichter tut ein Gott wohlgefälliges Werk, indem er die ewige Wahrheit verkündet und im Bild und Vorbild seiner Geschichte christliche Lehre und christliche Warnung erteilt. Die Warnung aber ergeht gegenüber dem zwivel, der Verzweiflung an Gottes Gnade, d. h. dem Unglauben; die Lehre lautet: auch die schwerste Sünde kann vergeben werden, wenn die wahre Reue und rechte Buße geschieht. Zum Erweis^ dieser Lehre wird die schreckliche Geschichte vom Inzest des Gregorius erzählt: sogar diese furchtbare Sünde wird durch Gottes Gnade vergeben, weil es ein guoter sündiere ist, einer, der sich in seiner Sündenschuld richtig verhält. Gregorius stammt aus der sündhaften Verbindung seiner Eltern, die Geschwister sind. Aber nicht das ist s e i n e Schuld, Hartmann sagt es ausdrücklich Ivs. 476' daz ein kint nicht treit / sines vater schulde. Gregors Sünde ist es vielmehr, daß er eine bewußte und gewollte Fehlentscheidung trifft, als er das Kloster verläßt, um Ritter zu werden. Nicht daß etwa Hartmann damit den Ritterstand abwerten wollte; aber Gregorius hätte allen Grund gehabt, im Kloster zu bleiben und Gott specialiter zu dienen. Ausdrücklich macht ihn der Abt in dem großen Gespräch darauf aufmerksam. Gregorius fällt seine Entscheidung, obwohl er weiß, welche schwere Sündenschuld auf seinen Eltern liegt, und obwohl er die Tafel gelesen hat, in der ihn seine Mutter bittet daz er ze gote sinen muot / wenden begunde und durch siner triuwen rat (d. h. durch die Hilfe seiner liebenden Verbundenheit) für sines vater missetät

Aus dem „Gregorius"

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und f ü r seine Mutter stellvertretend sein Leben lang Buße tun und dadurch gegen die mors aeterna der Eltern helfen möge. Diese freiwillige Fehlentscheidung, diese Sünde Gregors f ü h r t ihn in die zweite noch schwerere, unfreiwillige Sünde, den Inzest mit der Mutter, die im Sinn der Moraltheologie der Zeit als Folge jener ersten Sünde gilt. Aber er erkennt seine Schuld und bereut sie zutiefst. Demütig und geduldig tut er in schwerster Form Buße, siebzehn Jahre auf einem Felsen im Meer angeschmiedet, bis Gottes Gnade seine Reue und Buße annimmt und ihn auf wunderbare Weise befreit und erhöht. Vgl. Fr. M a u r e r : Leid. 1951, S. 50 ff. Gabriele S c h i e b : Schuld und Sühne in Hartmanns Gregorius. Paul und Braunes Beiträge 72 (1950), S. 51 ff.

Der folgende Text schließt sich an die Ausgabe von H . P a u l an, Altdeutsche Textbibliothek, N r . 2, in den neueren Auflagen besorgt von Albert L e i t z m a n n (8. Aufl. 1948 u. 1953). Der

Prolog

Min herze hat betwungen dicke mine zungen daz si des vil gesprochen hat daz nach der werlde lone stät: daz rieten im diu tumben jar. nü weiz ich daz wol vür w a r : swer durch des helleschergen rät den trost ze siner jugend hat daz er dar üf sündet, als in diu jugent schündet und er gedenket dar an: 'du bist noch ein junger man, aller diner missetät der wirt noch vil guot r ä t :

Aus dem „Gregorius" dû gebüezest sie in dem alter wol', der gedenket anders danne er soi. er wirt es lîhte entsetzet, wände in des willen letzet diu êhafte nôt, sô der bitterliche tôt den vurgedanc richet und im daz alter brichet mit einem snellen ende. der gnaden eilende hat danne den boesern teil erkorn. und wa:re aber er geborn von Adâme mit Abele und solde mit im sîn sêle weren âne sünden slac unz an den jungesten tac, sô haîte er niht ze vil gegeben umb daz ewige leben daz anegenges niht enhât und ouch niemêr zegât. Durch daz waere ich gerne bereit ze sprechenne die wârheit daz ez gotes wille wsere und daz diu grôze swsere der süntlichen bürde ein teil ringer würde die ich durch mîne müezikeit ûf mich mit Worten hân geleit. wan dâ enzwîvel ich niht an: als uns got an einem man erzeiget und bewxret hat, sô enwart nie mannes missetât ze dirre werlde sô grôz, er enwerde ir ledic unde blôz, ob si in von herzen riuwet und. si niht wider niuwet. Von dem ich iu nû sagen wil, des schulde was grôz unde vil

Aus dem „Gregorius"

daz si vil starc ze hoerenne ist, wan daz man si durch einen list niht verswigen getar: daz d a bi neme war alliu sündigiu diet die der tiuvel verriet üf den wec der helle, ob ir deheiner welle diu gotes kint meren und selbe wider keren üf der saelden sträze, daz er den zwivel laze der manigen versenket. swer sich bedenket houbethafter missetät der er vil lihte manige hat, so tuot er wider dem geböte, und verzwivelt er an gote daz er sin niht enruoche, ob er genäde suoche, und entriuwet niemer wider komen: so hat der zwivel im benomen den wuocher der riuwe. daz ist diu wäre triuwe die er ze gote solde hän: buoze nach bihte bestan. wan diu vil bitter süeze twinget sine viieze üf den gemeinlichen wec: der enhät stein noch stec, mos, gebirge noch walt, der enhät ze heiz noch ze kalt. man vert in änes libes not und leitet üf den ewigen tot. So ist der sselden sträze in eteslicher mäze beide rüch und enge, die muoz man die lenge

Aus dem „Gregorius"

wallen unde klimmen, waten unde swimmen, unz daz si hin leitet da si sich, wol breitet üz disem eilende an ein vil süezez ende, den selben wec geriet ein man: zer rehten zit er entran üz der morda:re gwalt. er was komen in ir gehalt: da haten si in nider geslagen und im vrevelliche entragen aller siner sinne kleit und haten in an geleit vil marterlidie wunden, ez was zuo' den stunden siner sele armuot vil groz. sus liezen si in [vinger] bloz unde halp tot ligen. do enhäte im got niht verzigen siner gewonlichen erbarmekeit und sande im disiu zwei kleit, gedingen unde vorhte, diu got selbe worhte daz si im ein schirm wseren und allen sündsren: vorhte daz er erstürbe, gedinge daz er iht verdürbe, vorhte liez. in da niht ligen. doch w x r e er wider gesigen, wan daz in der gedinge machete also ringe daz er doch weibende saz: dar zuo so starcte in baz diu geistliche triuwe gemischet mit der riuwe. si taten im vil guotes und ervurpten in des bluotes.

Aus dem „Gregorius" si guzzen im in die w u n d e n sîn beidiu öl u n d e w î n : d i u salbe ist linde und tuot doch wê daz öl diu gnâde, der w î n diu ê, die der s ü n d x r e haben m u o z : sô w i r t im siechtuomes buoz. alsus h u o p in bî sîner h a n t diu gotes gnâde als si in v a n t ûf ir miltez ahselbein und truoc in durch beruochen hein. dâ w u r d e n im verbunden sîne verchwunden daz er â n e mâsen genas und sît ein wärer kemphe was, er eine über al die kristenheit. noch enhân ich iu niht geseit, weih die w u n d e n sint gewesen der er sô k û m e ist genesen, wie er die w u n d e n emphie u n d wie er sich ir ergie âne den ewigen tôt. des ist ze hcerenne nôt u n d ze merkenne in allen die dâ sint vervallen under b e r c s w s r e n schulden, ob er ze gotes hulden dannoch wider gâhet, daz in got gerne emphâhet. w a n sîner gnâden ist sô vil daz er des niht enwil und ez gar verboten h â t d a z man durch deheine missetât an im iht z w î v e l h a f t beste. ez enist dehein sünde mê, man enwerde ir mit der riuwe ledic unde niuwe, schœne u n d e reine, n i u w a n der zwîvel eine:

Aus dem „Gregorius"

der ist ein mortgalle ze dem ewigen valle den nieman mac gesüezen noch wider got gebüezen. Der dise rede berihte, in tiusche getihte, daz was von Ouwe Hartman, hie hebent sich von erste an diu seltsamen mxre von dem guoten sündxre. Die Fehlentscheidung im G e s p r ä c h m i t d e m A b t Er sprach: 'vil lieber herre, ich kan iu niht so verre gedanken mit dem munde, als, ob ich künde, vil gerne taste, nü belibe ich dar an staete daz ich unz an mins todes zil den dar umbe biten wil der deheiner guottät niemer ungelonet lat daz er iu des lone mit der himelischen kröne (deswar des hän ich michel reht) daz ir midi eilenden kneht von einem vunden kinde vür allez iuwer gesinde so zärtlichen habet erzogen, leider ich bin des betrogen, ich enbin niht der ich wände sin. nü sult ir, lieber herre min, mir durch got gebieten, ich sol und muoz midi nieten not und angest (daz ist reht) als ein eilender kneht.

Aus dem „Gregorius"

mir hat min amme des verjehen (in einem zorne ist daz geschehen) daz ich vunden bin. beidiu lip unde sin benimet mir diu unere, vernim ichs iemer mere. ich enhoere sie weizgot niemer me, wände ich niht langer hie beste. ja vinde ich eteswä daz lant daz da niemen ist erkant wie ich her komen bin. ich hän die kunst und ouch den sin, ich genise wol, und wil ez got. so sere vürhte ich den spot: ich wolde e sin da nieman ist, e daz ich über dise vrist belibe hie ze lande. ja vertribet midi diu schände. diu wip sint so unverdaget: sit siz eines hat gesaget, so wizzenz vil schiere drie unde viere und dar nach alle die hie sint/ Der abbet sprach: ,vil liebez kint, nü lose: ich wil dir raten wol als ich minem lieben sol den ich von kinde gezogen hän. got hat vil wol ze dir getan: er hat von sinen minnen an libe unde an sinnen dir vil vrie wal gegeben, daz du nü selbe din leben maht schephen unde keren ze schänden oder ze eren. nü muostü disen selben strit in disen jären, ze dirre zit under disen beiden nach diner kür scheiden,

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Aus dem „Gregorius" s w a z du dir wilt erwerben, genesen oder verderben, d a z du des nü beginnen solt. sun, nü wis dir selben holt und volge miner lere (so hästu tugent und ere vür laster und vür spot erkorn), daz dir durch dinen tumben zorn der werke iht werde so gäch daz 3ich geriuwe dar nach, du bist ein saelic jungelinc: ze wünsche stänt dir diniu dinc, din begin ist harte guot, die liute tragent dir holden muot die in disen landen sint. nü volge mir, min liebez kint. du bist der phafheit gewon: nü enziuch dich niht da von. dü wirst der buoche wise: so bin ich der järe grise, min lip ist schiere gelegen. nü wil ich dir vür war verphlegen daz ich dir nü erwirbe, swenne ich dar nach erstirbe, umbe unser samenunge, alte unde junge, d a z si dich nement ze herren. nü w a z mac dir gewerren einer toerinne klaffen? ouch trüwe ich wol geschaffen d a z diu rede vür dise stunt niemer kumet vür ir munt.' Gregorjus sprach: 'herre, ir habet got vil verre an mir armen geret und iuwer heil gemeret und nü daz beste vür geleit. nü ist mir min tumpheit

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A u s d e m „Gregorius"

also sere erbolgen, si enlat mich iu niht volgen. midi vertribent drie sache ze minem ungemache üzer disem lande. daz eine ist diu schände die ich von itewize hän. so ist diu ander so getan diu mich ouch verjaget hin: ich weiz nü daz ich niene bin disse vischsres kint. nü waz ob mine vordem sint von solhem geslähte daz ich wol werden mähte ritter, ob ich haste den willen undz gerxte? weizgot nü was ie min muot, haste ich die geburt und daz guot, ich würde gerne ritter. daz süeze honec ist bitter einem ieglichen man der ez geniezen niene kan. ir habet daz süeziste leben daz got der werlde hat gegeben: swer imz ze rehte hat erkorn, der ist saelic geborn. ich belibe hie lihte staste, ob ich den willen hxte des ich leider niht enhan. ze ritterschefte stät min wän.' 'Sun, din rede enist niht guot: durch got bekere dinen muot. swer sich von phaffen bilde gote machet wilde unde ritterschaft begät, der muoz mit maniger missetat verwürken sele unde lip. swelh man oder wip 3 Maurer, Hartmann von Aue

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Aus dem „Gregorius" sich von gote wendet, der wirt da von geschendet und der helle verselt. sun, ich hete dich erweit ze einem gotes kinde: ob ich ez an dir vinde, des wil ich iemer wesen vro.' Gregor jus antwurte im do: 'ritterschaft daz ist ein leben, der im die mäze kan gegeben, so enmac nieman baz genesen, er mac gotes ritter gerner wesen danne ein betrogen klosterman.' 'sun, nü vürhte idi din dar an: du enkanst ze ritterschefte niht. so man didi danne gesiht unbehendeclichen riten, so muostü zallen ziten dulden ander ritter spot. noch erwint, vil lieber sun, durdi got 'herre, ich bin ein junger man und lerne des ich niht enkan. swar ich die sinne wenden wil, des gelerne idi sdiiere vil.' 'sun, mir saget vil maniges munt dem ze ritterschaft ist kunt: swer ze sdiuole belibe unz er da vertribe ungeriten zwelf jär, der müeze iemer vür war gebären nach den phaffen. du bist vil wol geschaffen ze einem gotes kinde und ze korgesinde: diu kutte gestuont nie manne baz.' 'Herre, nü versuodit ouch daz und gebet mir ritterliche wat: deswar ob si mir missestät,

Aus dem „Gregorius" so gan ich ir wol eim andern man und lege die kutten wider an. herre, iu ist vil war geseit: ez bedarf vil wol gewizzenheit, swer guot ritter wesen sol. ouch han ich ez gelernet wol von kinde in minem muote hie: ez enkam üz minem sinne nie. ich sage iu, sit der stunde daz ich bedenken künde beidiu übel unde guot, so stuont ze ritterschaft min muot. ich enwart nie mit gedanke ein Beier noch ein Vranke: swelh ritter ze Henegou, ze Brabant und ze Haspengou ze orse ie aller beste gesaz, so kan ichz mit gedanken baz. herre, swaz ich der buoche kan, da engerou mich nie niht an und künde ir gerne mere: iedoch so man mich sere ie unz her zen buochen twanc, so turnierte min gedanc. so man midi buoche wente, wie sich min herze sente und min gedanc spilte gegen einem sdiilte! ouch was mir ie vil ger vür den griffel zuo dem sper, vür die veder zem swerte: daz ist des ich ie gerte. minen gedanken wart nie baz dan so ich ze orse gesaz und den schilt ze halse genam und daz sper ze hant alsam und daz undern arm gesluoc und mich daz ors von Sprunge truoc.

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Aus dem „Gregorius"

so liez ich Schenkel vliegen: die künde ich so gebiegen daz ich daz ors mit sporen sluoc weder zen lanken noch in den buoc, da hinder eines vingers breit da der surzengel ist geleit. neben der mane vlugen diu bein: ob des sateles ich schein als ich wa:re gemälet dar, ders möhte hän genomen war. mit guoter gehabe ich reit änes libes arbeit: ich gap im senften gelimph als ez wa:re min schimph, und so ich mich mit sporen vleiz üf einen langen puneiz, so künde ich wol gewenden daz ors ze beiden henden. gejustierte ich ie wider keinen man, da gevälte ich nie an, min merken würde wol bewant ze den vier nageln gegen der hant. nü helfet, lieber herre, mir daz diu ritterliche gir mit werken müeze volgän: so habet ir wol ze mir getan.' 'Sun, du hast mir vil geseit, manic tiusch wort vür geleit, daz mich vil sere umbe dich wundern muoz, crede midi, und weiz niht war zuo daz sol: ich vernaeme kriechisch also wol. unser meister, der din phlac mit lere unz an disen tac, von dem hästü si niht vernomen. von swannen si dir zuo si komen, du bist, daz merke ich wol dar an, des muotes niht ein klosterman.

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Aus dem „Gregorius" nû wil ich dichs niht wenden mê. got gebe daz ez dir wol erge und gebe dir durch sîne kraft heil ze dîner ritterschaft.' Nû schuof er daz man im sneit von dem selben phelle kleit den er dâ bî im vant: ez enkam nie bezzer in daz lant. er sach wol daz im was gâch unde machete in dar nach ritter als im wol tohte sô er schierest mohte. Grêgorjus, dô er ritter wart, dannoch hete er im niht enbart umbe sine tavel und umbe sin golt. er was im also starke holt daz erz in hai durch einen list, er gedâhte: 'sît er nû ritter ist und er des guotes niene hat, sô hœrt er lîhte mînen rät und belìbet nodi durch guot gemach.' er versuochtez aber unde sprach: 'noch belîp, lieber sun, bî mir. dêswâr ich gevüege dir ein also riche hîrât diu wol nâch dînem willen stàt unde gibe dir al die vrist daz dû vil schöne varende bist, dû hast gewunnen ritters namen: nû muostû dich dîner armuot schämen, nû waz touc dîn ritterschaft, dû enhetest guotes die kraft? nû enkumestû in dehein lant dâ dû iemen sîst erkant: dâ enhâstû vriunt noch vorder habe, sich, dâ verdirbestû abe. noch bekêre dînen muot und belîp: daz ist dir guot.'

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Aus dem „Gregorius"

Gregorjus sprach: 'herre, versuochetz niht so verre. wolde idi gemach vür ere, so volgete ich iuwer lere und lieze nider mlnen muot: wan min gemach waere hie guot. ja tuot ez manigem schaden der der habe ist überladen: der verlit sich durch gemach, daz dem armen nie geschadi der da rehte ist gemuot: wan der urbort umbe guot den lip manigen enden, wie möhte erz baz gewenden? wan ob er sich gewirden kan, er wirt vil lihte ein sselic man unde über diu lant vür manigen herren erkant. daz ich heize ein arm man, da bin ich unschuldic an. ich trage si alle samet hie, die huobe die mir min vater lie. sitz mir nü so geziuhet daz diu Sselde von mir vliuhet und ich niuwan ir gruoz mit vrümikeit gedienen muoz, deswar ich kan si wol erjagen, si enwelle sich mir me versagen, dan si sich noch versagete der si ze rehte jagete. sus sol man si erloufen, mit kumber sselde koufen. da enzwivel ich niht an, wirde ich ein rehte vrumer man an übe und an sinne, ich engediene wol ir minne: unde bin ich aber ein zage, so enmüeze ich niemer drie tage

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Aus dem „Gregorius" geleben, sô ich hinnen kêre. w a z solde ich âne ère? ob ich mit rehter arbeit, mit sinne und mit manheit erwirbe guot und ère, des prîset man mich mère dan dem sîn vater wunder lie und daz mit schänden zegie. wes bedarf ich mê danne ich hân? mîn ors sint guot und wol getan, mîn knehte biderbe unde guot und hânt getriuwelîchen muot: sô bin ich ze harnasche wol. swâ man guot bejagen soi, dâ'getrûwe ich harte wol genesen, diz soi der rede ein ende wesen: herre, iuwern gnaden sî genigen und des mit hulden verzigen d a z ich iht langer hie bestê.' 'Sun, sô wil ich dich niht mê sûmen vür dise vrist (idi sähe wol daz dir ernest ist), swie ungerne ich dîn enbir. lieber sun, nû ganc mit mir: wan ich wil dich sehen lân w a z ich noch dînes diinges h i n . '

Die

Lösung

Er künde wol ze rehte leben, wan im diu mäze was gegeben von des heiligen geistes lere, des rehten huote er sere. ez ist reht daz man behalte diemüete in gewalte (da genesent die armen mite) und sol doch vrevelliche site

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Aus dem „Gregorius"

durch die vorhte erzeigen und die mit rehte neigen die wider dem rehten sint. ob aber ein des tiuvels kint durch die stole niene tuo, da hoeret danne gewalt zuo. des sint diu zwei gerihte guot: si lerent reht, slänt hohen muot. man sol dem sündsere ringen sine swajre mit senfter buoze, daz im diu riuwe suoze. daz reht ist also sw;ere, swer dem sündasre ze vaste wil nach jagen, daz enmac der lip niht wol vertragen. ob er genäde suochen wil, git man im gähes buoze vil, vil lihte ein man da von verzaget, daz er sich aber gote entsaget und wirt wider des tiuvels kneht. da von gät gnade vür daz reht. sus künde er rehte maze geben über geistlichez leben, da mite der sündxre gnas und der guote stsete was. von siner starken lere so wuohs diu gotes ere vil harte starcliche in rcemischem riche.

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Epilog

Bi disen guoten masren von disen sündajren, wie si nach grozer schulde, erwürben gotes hulde,

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Aus dem „Gregorius"

da ensol niemer an dehein sündiger man genemen bcesez bilde, si er gote wilde, daz er iht gedenke also: 'nu wis du vrevel unde vro: wie soldestü verwäzen wesen? sit daz dise sint genesen nach ir grozen meintät, so wirt din also guot rät : und ist daz ich genesen sol, so genise ich also wol.' swen des der tiuvel schündet daz er üf den trost sündet, den hat er überwunden und in sxnen gwalt gebunden: und ist joch sin sünde kranc, so kumet der selbe gedanc mit tüsentvalter missetät und wirt sin niemer mere rät. da sol der sündige man ein sslic bilde nemen an, swie vil er gesündet hat, daz sin doch wirt guot rät, ob er die riuwe begät und rehte buoze bestät. Hartman, der sin arbeit an diz buoch hät geleit gote und iu ze minnen, der gert dar an gewinnen daz ir im lät gevallen ze lone von in allen die ez hoeren oder lesen daz si im bittende wesen daz im diu sadde geschehe daz er iuch noch gesehe in dem himelriche. des sendet alle geliche

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Aus dem „Gregorius"

disen guoten sündasre ze boten umb unser swxre, daz wir in disem eilende ein also genislich ende nemen als sie da nämen. des gestiure uns got. amen.

Der arme Heinrich Der „Arme Heinrich" ist diejenige Dichtung Hartmanns, die heute noch die unmittelbarste Wirkung hat. In ihrer sprachlichen Gestalt und dichterischen Form zeigt sie den Künstler auf der Höhe seines Könnens. Die Durchsichtigkeit und lautere Klarheit seiner „cristallinen worteltn", die Glätte und der Fluß der makellosen Verse fügen sich mit den Sätzen und Gedanken zu einer völligen Einheit zusammen. Jene tiefen Gedanken von menschlicher Existenz in der Welt und vor Gott gewinnen in dieser Dichtung von schlichter Schönheit ihre eindrucksvollste Abbildung. Zu dem Ritter Heinrich kommt das Leid in der Gestalt des Aussatzes: in ergreif diu miselsuht. Eis ist ein furchtbares Leid. Es bedeutet nicht bloß unheilbare Krankheit bis zum Tod, sondern es bedeutet zugleich Ausschluß aus der menschlichen Gemeinschaft, aus der ritterlichen Gesellschaft. Mit einem Aussätzigen will niemand verkehren, die Krankheit nimmt ihm die Voraussetzung seines ritterlichen Daseins, den gesunden Körper; sie bedeutet ein Auslösdien seiner ritterlichen Existenz. Das Leid ist dem Armen Heinrich von Gott geschickt: diu swäre gotes zuht heißt der Aussatz (120); das Leid ist die Strafe für seine Hof fart: Ritter Heinrich gibt selber in seiner großen Rede die genaue Analyse der Ursachen und Hintergründe •seines Leides (383 ff.). Heinrich bekennt, daß er das Leid und die Schande von Gott verdient hat, er hat es verschuldet; er hat sich als Welttor benommen, hat nicht daran gedacht, daß er sein Leben und seine Herrlichkeit Gottes Gnade verdankt. Er bildete sich vielmehr ein, ère unde guot âne got haben z>u können, das war seine hôcbvart. Und nun das Entscheidende: Gott hat diese Gottlosigkeit verdrossen, er hat den Sünder für seine Sünde bestraft (404 f.). Dem entspricht auf der anderen Seite auch die Lösung: Gott nimmt, nachdem sich Heinrich bewährt hat, auch das Leid wieder weg. Heinrich hat

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Der arme Heinrich

seine Gesinnung geändert, er hat B u ß e getan. Gott erkennt die W a n d l u n g u n d n i m m t i h m das Leid; er macht den Ritter Heinrich wunderbarerweise wieder gesund, setzt ihn in seine frühere Ehre u n d W ü r d e ein, und Heinrich regiert glücklich als Fürst u n d Ritter bis an sein Ende. Vgl. Fr. M a u r e r : Leid. München und Bern 1951, S. 39 ff. Fr. N e u m a n n : Der „Arme Heinrich" in H a r t m a n n s Werk. Zs. f. dt. Philologie 75 (1956), S. 225—255; setzt sich kritisch mit der Interpretation von Bert N a g e l (Tübingen 1952) auseinander. Werner F e c h t e r : Ober den „Armen Heinrich" H a r t manns von Aue. Euphorion 49 (1955), S. 1—28. Der folgende Text stützt sich auf die Ausgabe von Erich G i e r a c h (Heidelberg 1913), die die gesamte Uberlieferung buchstabengetreu abdruckt und einen kritischen Text bietet; verglichen sind die Ausgaben von Moritz H a u p t , 2. Aufl. besorgt von B. M a r t i n (Leipzig 1881), von H . P a u l (Halle 1882) und ihre neueren Auflagen von A. L e i t z m a n n (seit der 7. Aufl. 1930) und L. W o l f f (seit der 10. Aufl. Tübingen 1953), schließlich die von W a c k e r n a g e l - S t a d l e r (Basel 1911), die die gehaltreichsten Anmerkungen bietet, und die von Friedrich R a n k e (Basel 1943), die die schöne Übertragung von Wilhelm G r i m m hinzufügt. Ein ritter so geleret w a s daz er an den buochen las s w a z er dar an geschriben vant. der was H a r t m a n genant, dienstman w a s er ze O u w e . er nam im m a n i g e schouwe an mislichen buochen, dar an begunde er suochen ob er iht des f u n d e , da mite er swsere stunde m ö h t e senfter machen, u n d v o n so g e w a n t e n Sachen daz gotes eren töhte und d a mite er sich m ö h t e

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Der arme Heinrich gelieben den liuten. nu beginnet er iu diuten ein rede die er geschriben vant dar umbe hat er sich genant, daz er sîner arbeit die er dar an hât geleit iht âne lôn belîbe, und swer nach sînem lîbe sî hoere sagen oder lese, daz er im bitende wese der sêle heiles hin ze gote. man giht, er sî sîn selbes bote un.de erlœse sich dâ mite, swer für des andern schulde bite. Er las ditze masre, wie ein herre wsere ze Swâben gesezzen: an dem enwas vergezzen deheiner der tugende die ein ritter in sîner jugende zu vollem lobe haben soi. man sprach dô niemen also wol in allen den landen, er hatte ze sînen handen geburt und dar zuo rîcheit: ouch was sîn tugent vil breit, swie ganz sîn habe wiere, sîn geburt unwandelbasre und wol den fürsten gelîch, doch was er unnâch also rîch der geburt und des guotes so der êren und des muotes. Sîn name was erkennelich und hiez der herre Heinrich und was von Ouwe geborn. sîn herze hâte versworn valsch und alle dörperheit und behielt ouch vaste den eit

Der arme Heinrich staete unz an sin ende. an alle missewende stuont sin geburt und sin leben im was der rehte wünsch gegeben ze werblichen eren: die künde er wol gemeren mit aller hande reiner tugent er was ein bluome der jugent, der Werlte fröude ein spiegelglas, staster triuwe ein adamas, ein ganziu kröne der zuht. er was der nothaften fluht, ein schilt siner mäge, der milte ein glichiu wäge: ime enwart über noch gebrast. er truoc den arbeitsamen last der eren über rücke. er was des rätes brücke und sanc vil wol von minnen. alsus kund er gewinnen der werlte lop unde pris. er was hövesdi und dar zuo wis. Do der herre Heinrich alsus geniete sich eren unde guotes und froeliches muotes und werblicher wünne (er was für al sin künne gepriset unde geeret), sin hochmuot wart verkeret in ein leben gar geneiget, an im wart erzeiget, als ouch an Absalone, daz diu üppige kröne werblicher süeze vellet under füeze ab ir besten werdekeit, als uns diu schrift hat geseit.

Der arme Heinrich

ez spricht an einer stat dâ: „media vitâ in morte sûmus"; daz bediutet sich alsus, daz wir in dem tôde sweben so wir aller beste wa:nen leben. Dirre werke veste, ir stiete unde ir beste unde ir grceste magenkraft, diu stât âne meisterschaft. des muge wir an der kerzen sehen ein wârez bilde geschehen, daz sî zeiner aschen wirt enmitten dô sî lieht birt. wir sîn von brœden Sachen, nû sehet wie unser lachen mit weinen erlisdiet. unser süeze ist vermischet mit bitterer gallen. unser bluome der muoz vallen, so er allergrüenest warnet sîn. an hem Heinrîdie wart wol schîn, der in dem höchsten werde lebet ûf dirre erde, derst der versmähte vor gote. er viel von sînem geböte ab sîner besten werdekeit in ein smashelîchez leit: in ergreif diu miselsuht. dô man die swa:ren gotes zuht gesach an sînem lîbe, manne unde wîbe wart er dô widerzaeme. nû sehet wie genaeme er ê der werlte wasre, und wart nû als unmasre daz in niemen gerne ane sach: aise ouch Jôbe geschach,

Der arme Heinrich

dem edeln und dem riehen, der vil jsemerlichen dem miste wart ze teile mitten in sime heile. Do der arme Heinrich alrest verstuont sich daz er der werke widerstuont, als alle sine geliehen tuont, do schiet in sin bitter leit von Jobes geduldikeit. wan ez leit Job der guote mit geduldigem muote, doz ime ze lidenne geschach, durch der sele gemach den siechtiiom und die swacheit die er von der werke leit, des lobet er got und fröute sich, do tet der arme Heinrich leider niender also: wan er was trürec unde unfro. sin swebendez herze daz verswanc sin swimmendiu fröude ertranc, sin hochvart muose Valien, sin honec wart ze gallen. ein swinde vinster donerslac zebrach im sinen mitten tac; ein trüebez wölken unde die bedaht im siner sunnen blic. er sente sich vil sere daz er so manege ere hinder im müese läzen. verfluochet und verwäzen wart vil dicke der tac, da sin geburt ane lac. Ein wenic fröuwete er sich doch von eime tröste dannoch: wan im wart dicke geseit, daz disiu selbe siecheit

Der arme Heinrich

wasre vil mislich und etelichiu genislich. des wart vil maneger slahte sin gedinge und sin ahte. er gedähte daz er wasre vil lihte genisb;ere, und fuor also dräte nach der arzäte rate gegen Munpasiliere. da vant er vil schiere niuwan den untrost, daz er niemer würde erlost. Daz horte er vil ungerne, und fuor gegen Sälerne und suochte ouch da durch genist der wisen arzäte list. den besten meister er da vant, der seite ime zehant ein seltssene mxre, daz er genislich w:ere und wser doch iemer ungenesen. do sprach er: „wie mac daz wesen? diu rede ist harte unmügelich. bin ich gnislich, so genise ich: und swaz mir für wirt geleit von guote oder von arbeit daz trüwe ich voilebringen." „nü lat daz gedingen," sprach der meister aber do, „iuwer sühte ist also (waz frumet daz ichz iu kunt tuo?) da hoeret arzenie zuo: des wxret ir genislich. nu enist ab nieman so rieh noch von so starken sinnen, der si müge gewinnen, des sit ir iemer ungenesen, got enwelle der arzät wesen." Hartmann v o n A u e

Der arme Heinrich

Dô sprach der arme Heinrich: „war umbe untroestet ir mich? jâ hân ich guotes wol die kraft: ir enwellet iuwer meisterschaft und iuwer reht ouch brechen und dar zuo versprechen beidiu min silber und min golt, ich mache iuch mir also holt daz ir mich harte gerne ernert." „mir wa:re der wille unerwert," sprach der meister aber dô, „und waere der arzenîe also daz man sî veile funde oder daz man sî künde mit deheinen dingen erwerben, ich enlieze iuch niht verderben, nu enmac des leider niht sîn: dâ von muoz iu diu helfe mîn durch alle nôt sîn versaget, ir müeset haben eine maget diu vollen vrîba:re und ouch des willen w s r e daz si den tôt durch iuch lite. nu enist ez niht der liute site daz ez iemen gerne tuo. sô hoert ouch anders niht dar zuo niwan der megede herzebluot: daz wxr f ü r iuwer suht guot." Nu erkannte der arme Heinrich daz daz wxre unmügelich, daz iemen den erwürbe der gerne für in stürbe, alsus was im der trôst benomen ûf den er dar was komen, und dar nach für die selben frist hâte er ze sîner genist dehein gedinge mère, des wart sîn herzesêre

Der arme Heinrich

also kreftec unde groz, daz in des aller meist verdroz, ob er langer solte leben. er fuor heim und begunde geben sin erbe und ouch sin varnde guot, als in do sin selbes muot und wiser rät lerte, da erz aller beste kerte. er begunde bescheidenlichen sine armen friunt riehen und beriet ouch frömede armen, daz sich got erbarmen geruochte über der sele heil; gotes hiusern viel daz ander teil. alsus tet er sich abe bescheidenlichen siner habe unz an ein geriute: dar floch er die liute. disiu jasmerliche geschiht, diu was sin eines klage niht: in klageten elliu diu lant, da er inne was erkant, und ouch von fremeden landen, die in nach sage erkanden. der e ditz geriute und der ez dannoch biute, daz was ein frier büman, der vil selten ie gewan dehein groz ungemach, daz andern gebüren doch geschach, die wirs geherret wären, und si die niht verbären beidiu mit stiure und mit bete. swaz dirre gebüre gerne tete, des dühte sinen herren gnuoc; dar zuo er in übertruoc daz er dehein arbeit von fremedem gewalte leit. .

D e r arme Heinrich

des was deheiner sin gelich in dem lande also rieh, zuo deme zoch sich sin herre, der arme Heinrich, swaz er im het e gespart, wie wol daz nü gedienet wart und wie schone er sin genoz! wan in vil lützel des verdroz swaz ime. geschach durch in. er hete die triuwe und oudi den daz er vil willecliche leit den kumber und die arbeit diu ime ze lidenne geschach: er schuof ime rieh gemach. Got hete dem meier gegeben nadi siner ahte ein reinez leben, er het ein wol erbeiten lip und ein wol werbendez wip, dar zuo het er schoeniu kint, diu gar des mannes fröude sint, unde hete, so man saget, under den eine maget, ein kint von ahte jaren, daz künde gebären so rehte güetlichen: diu wolte nie entwichen von ir herren einen fuoz umb sine hulde und sinen gruoz, so diente si ime alle wege mit ir güetlichen pflege, si was ouch so genseme daz si wol gezajme ze kinde deme ridie an ir wastliche. Die andern hetten den sin daz si ze rehter mäze in wol gemiden künden: so floch si zallen stunden

D e r arme Heinrich

zuo ime und niender anders war. si was sin kurzwile gar si hete gar ir gemüete mit reiner kindes güete an ir herren gewant, daz man si zallen ziten vant under ir herren fuoze, mit süezer unmuoze wonte si ir herren bi. dar zuo liebet er ouch si, swä mitte er mähte, und daz der maget tohte zuo ir kintlichen spil, des gap der herre ir vil. ouch half in sere, daz diu kint so lihte ze wenenne sint. er gewan ir, swaz er veile vant, Spiegel unde härbant, und swaz kinden liep sol sin, gürtel unde vingerlin. mit dienste bräht ers üf die vart, daz si im also heimlich wart, daz er si sin gemahel hiez. diu guote maget in liez beliben selten eine: er dühte si vil reine. swie starke ir d a z geriete diu kindische miete, iedoch geliebte irz aller meist von gotes gebe ein süezer geist. ir dienest was so güetlich. do der arme Heinrich driu jär da entweite unde im got gequelte mit grozem sere den lip, nü saz der meier und sin w i p unde ir tohter, diu maget, von der ich iu hän gesaget,

Der arme Heinrich

bi im in ir unmüezekeit und begunden klagen ir herren leit. diu klage tet in midiel not, wan si vorhten daz sin tot si sere solte letzen und vil gar entsetzen eren unde guotes, und daz herters muotes würde ein ander herre. si gedähten also verre, unz dirre selbe büman alsus fragen began. Er sprach: „lieber herre min, möht ez mit iuwern hulden sin, ich frägete vil gerne, so vil zuo Sälerne von arzenien meister ist, wie kumt daz ir deheines list ze iuwerm ungesunde niht geraten künde? herre, des wundert mich." do holte der arme Heinrich tiefen süft von herzen, mit bitterlichem smerzen, mit solher riuwe er do sprach daz ime der süft daz wort zerbrach „Ich hän den schemelichen spot vil wol gedienet umbe got. wan du sashe wol hie vor daz hoch offen stuont min tor nach werblicher wünne. und daz niemen in sim künne sinen willen hete baz dan ich; und was daz doch unmügelich: wan ich enhäte sin niht gar. do nam ich des vil kleine war der mir daz selbe wunschleben von sinen gnaden hete gegeben.

D e r arme Heinrich

daz herze mir do also stuont als alle werlttoren tuont. den daz rastet ir muot, daz si ere unde guot äne got mügen hän. sus trouc ouch mich min tumber wän, wan ich in lützel ane sach von des genäden mir geschach vil eren unde guotes. do des hochmuotes den hohen portenasr verdroz, die sslden porte er mir besloz. da kum ich leider nierner in, daz verworhte mir min tumber sin. got hat durch räche an mich geleit ein sus gewante siecheit die niemen mac erlcesen. nu versmähe ich den bcesen, die biderben ruodient min niht. swie boese er ist der mich gesiht, des boeser muoz ich dannoch sin; sin unwert tuot er mir schin: er wirfet diu ougen abe mir. nü schinet erste an dir dine triuwe die du häst, daz du mich siechen bi dir last und von mir niene fliuhest. swie du mich niht enschiuhest, swie ich niemen liep si wan dir, swie vil dins heiles ste an mir, du vertrüegest doch wol minen tot. nü wes unwert und wes not wart ie zer werlte merre? hie vor was ich din herre und bin din dürftige nü. min lieber friunt, nü koufest dü und min gemahel und din w i p an mir den ewigen lip

Der arme Heinrich

daz du mich siechen bi dir last. des du mich gefraget hast, daz sage ich dir vil gerne ich enkunde ze Sälerne deheinen meister vinden der sich min underwinden getörste oder wolte. wan da mite ich solte miner sühte genesen, daz müeste ein solhiu sadie wesen, die in der Werlte raieman mit nihte gewinnen kan. mir wart niht anders da gesaget wan daz ich müese han ein maget diu vollen vrib;ere und ouch des willen wa:re daz si den tot durch mich lite und man si zuo dem herzen snite, und mir wsere niht anders guot wan von ir herzen daz bluot. nü ist genuoc unmügelich daz ir deheiniu durch mich gerne lide den tot. des muoz ich schäntliche n6t tragen unz an min ende. daz mirz got schiere sende!" Daz er dem vater hete gesaget, daz erhörte ouch diu reine maget, wan ez hete diu vil süeze ir lieben herren fiieze stände in ir schozen. man möhte wol genozen ir kintlich gemüete hin zuo der engel güete. siner rede nam si war unde marhte si ouch gar: si enkam von ir herzen nie, unz si des nahtes slafen gie,

Der arme Heinrich z'ir vater füezen, da si lac, und ouch ir muoter, so si pflac, do si beide entsliefen, manegen süft tiefen holte si von herzen, umbe ir herren smerzen wart ir riuwe also groz daz ir ougen regen begoz der släfenden füeze. sus erwahte si diu süeze. D o si der trehene enpfunden, si erwachten und begunden si fragen waz ir w z r e und welher hande swaere si also stille möhte klagen, nu enwolte si es in niht sagen, do ir vater aber tete vil manege dro unde bete daz siez in müese sagen, si sprach: „dr mähtet mit mir klagen waz kan uns me gewerren danne umb unsern herren, daz wir den suln Verliesen und mit ime verkiesen beide guot und ere? wir gewinnen niemer mere deheinen herren also guot der uns tuo daz er uns tuot." Si sprächen: „tohter, du hast war. nü frumt uns leider niht ein här unser riuwe und diu klage, liebez kint, da von gedage. ez ist uns also leit so dir. leider nu enmuge wir ime ze keinen staten komen. got der hat in uns benomen: het ez iemen anders getan, der müese unsern fluoch hän."

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Der arme Heinrich

Alsus gesweigten si si do. die naht beleip si unfro und morne allen den tac. swes aber iemen anders pflac, diz enkam von ir herzen nie, unz man des andern nahtes gie släfen nach gewonheit. do si sich häte geleit an ir alte bettestat, si bereite aber ein bat mit weinenden ougen: wan si truoc also tougen nähe in ir gemüete die aller meiste güete, die ich von kinde ie vernam. welch kint getete ouch ie alsam? des einen si sich gar verwac, gelebetes morne den tac, daz si sä zuohant ir leben umbe ir herren wolte geben. Von dem gedanke wart si do vil ringes muotes unde fro und hete deheine sorge me, wan ein vorhte diu tete ir we, so siz ir herren sagete, daz er da an verzagete, und swenne siz in allen drin getaste kunt, daz si an in der geh enge niht enfunde daz mans ir iht gunde. Des wart so groz ir ungehabe daz ir muoter dar abe unde ir vater wart erwaht als ouch an der vordem naht, si rihten sich üf zuo ir und sprächen: „sich, waz wirret du bist vil alwxre daz du so manege swasre

Der arme Heinrich von solher klage hast an genomen der niemen mac zeim ende komen. w a n lazestü uns släfen?" sus begunden si si s t r a f e n : w a z ir diu klage töhte, die niemen doch enmöhte verenden noch gebüezen? sus w a n d e n si die süezen h a n gesweiget an der stunt, d o was ir wille in vil u n k u n t . Sus a n t w u r t e in diu maget: „als uns min herre hat gesaget, s6 mac m a n in vil wol ernern. zewäre, irn weit mirz d a n n e w e m , so bin ich zarzenie guot. ich bin ein maget u n d hän den muot, e ich in sehe verderben, ich wil e f ü r in sterben." V o n dirre rede wurdens do trürec unde u n f r o beide muoter unde vater. sine tohter die bater, daz si die rede lieze u n d ir herren gehieze, daz si geleisten möhte, w a n ir diz niht entöhte. „tohter, d u bist ein kint u n d dine t r i u w e die sint ze groz an disen dingen, du enmaht es niht f ü r bringen als du uns hie hast verjehen. du hast des todes niht gesehen, swenne ez dir kumet üf die frist daz des dehein r a t ist, du enmüezest sterben, u n d mühtest duz erwerben, du lebetest gerner dannoch, du e n k x m e nie in leider loch.

Der arme Heinrich

dâ von tuo zuo dînen munt, und wirstû für dise stunt der rede iemer mère lût, ez gât dir ûf dîne hût." alsus sô wände er sî dô beidiu mit bete und mit drô gesweigen: dô enmohter. sus antwurt ime sîn tohter: „Vater mîn, s wie tump ich sî, mir wonet iedoch diu witze bî daz ich von sage wol die nôt erkenne daz des lîbes tôt ist starc unde strenge, swer ouch dan die lenge mit arbeiten leben sol, dem ist iedoch niht ze wol. wan swenne er hie geringet und ûf sîn alter bringet den lîp mit micheler nôt, sô muoz er lîden doch den tôt. ist ime diu sêle dan verlorn, sô wiere er bezzer ungeborn. ez ist mir komen ûf daz zil, des ich got iemer loben wil, daz ich den jungen lîp mac geben umb daz ewige leben, nû suit ir mirz niht leiden ich wil mir und iu beiden vil harte wol mite varn. ich mac uns eine wol bewarn vor schaden und vor leide, als ich iu nû bescheide. wir hân ère unde guot: daz meinet mînes herren muot wan er uns leit nie gesprach und ouch daz guot nie abe gebrach, die wîle .daz er leben soi sô stêt unser sache wol,

Der arme Heinrich

und läze wir den sterben so müezen wir verderben. den wil ich uns fristen mit also schoenen listen da mite wir alle sin genesen. nü gunnet mirs, wan ez muoz wesen." Diu muoter weinende sprach, do si der tohter ernest sach: „gedenke, tohter, liebez kint, wie groz die arbeite sint die ich durch dich erliten hän, und la mich bezzern Ion enpfän dan ich dich hoere sprechen, du wilt min herze brechen, senfte mir der rede ein teil, ja wiltü allez din heil an uns verwürken wider got. wan gedenkest du an sin gebot? ja gebot er unde bater daz man muoter unde vater minne und ere biete, und geheizet daz ze miete daz der sele rät werde und lanclip uf der erde, du gihest du wellest din leben umb unser beider fröude geben: du wilt iedoch uns beiden daz leben vaste leiden, daz din vater unde ich gerne leben, daz ist durch dich, waz solte uns lip unde guot waz solte uns werblicher muot, swenne wir din enbieren? du ensolt uns niht beswxren. ja soltü liebiu tohter min, unser beider fröude sin, unser liebe äne leide, unser liehtiu ougenweide,

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Der arme Heinrich

gar unsers libes wünne, ein bluome in dime künne, unsers alters ein stap. und lästü uns über din grap gestan von dinen schulden, du muost von gotes hulden iemer sin gescheiden: daz koufest an uns beiden. wiltü uns, tohter, wesen guot, so soltü rede und den muot durch unsers herren hulde län, diu ich von dir vernomen hän." „Muoter, ich getrüwe dir und minem vater her ze mir a H e r d e r genäden wol, der vater unde muoter sol leisten ir kinde, als ich ez wol bevinde an iu allertegelich. von iuwern gnaden hän ich die sele und einen schoenen lip. mich lobet man unde wip, und alle, die midi sehende sint, sprechent, ich si daz schcenste kint, daz si zer werke haben gesehen. wem solt ich der genäden jehen me dan iu zwein nach gote? des sol ich ziuwerem geböte iemer vil gerne stan; wie michel reht ich des hän! muoter, sadigez wip, sit ich nü sele unde lip von iuwern genäden hän, so lätz an iuwern hulden stän daz ich ouch diu beide von dem tiuvel scheide und mich gote miieze geben, jä ist dirre werlte leben

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niuwan der sele verlust. ouch hat midi werblich gelust unz her noch niht berüeret, der hin zer helle füeret. nü wil ich gote gnade sagen daz er in minen jungen tagen m j r d j e s i n n e hät gegeben daz ich üf diz brcede leben ahte harte kleine, ich wil mich alsus reine antwürten in gotes gewalt. ich fürhte, solt ich werden alt, daz mich der werke süeze zuhte under füeze, als si vil manegen hat gezogen den ouch ir süeze hat betrogen; so würde ich lihte gote entsaget. gote müeze ez sin geklaget daz ich unz morne leben sol: mir behaget diu werlt niht so wol. ir gemach ist michel arbeit, ir meiste liep ist herzeleit, ir süzer Ion ein bitter not, ir lanclip ein gxher tot. wir hän niht gewisses me wan hiute wol und morne we, und ie ze jungest der tot. daz ist ein jasmerlichiu not. ez enschirmet geburt noch guot, schcene, Sterke, hoher muot; ez enfrumet tugent noch ere für den tot niht mere dan ungeburt und untugent. unser leben und unser jugent ist ein nebel unde ein stoup; unser stiete bibet als ein loup. e r i s t e j n vil verschaffen gouch, der gerne in sich vazzt den rouch,

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Der arme Heinrich ez sî w î p o d e r m a n , der d i z niht w o l b e d e n k e n k a n u n d der w e r l d e v o l g e n d e ist. w a n uns ist über d e n f û l e n mist der p f e l l e l hie gespreitet: s w e n nû der blic verleitet, der ist zer helle g e b o r n unde e n h â t niht mê v e r l o r n w a n b e i d e sêle u n d e l î p . nû g e d e n k e t , sasligez w î p , miieterlîdier t r i u w e und senftet iuwer riuwe die ir d â h a b e t u m b e mich, so b e d e n k e t ouch der v a t e r sich. ich w e i z w o l d a z er mir heiles gan. er ist ein alsô w î s e r m a n d a z er e r k e n n e t w o l d a z ir u n l a n g e doch mit m i r iuwer f r ö u d e müget hân, ob ich joch lebende bestân. b e l î b e ich â n e m a n b î iu z w e i jâr o d e r driu, sô ist m î n herre l î h t e tôt, u n d k u m e n in so g r ô z e n ô t vil lîhte v o n armuot d a z ir mir alsolhez g u o t z e i n e m m a n niht m u g e t geben, ich e n m ü e z e alse swache leben, d a z ich iu lieber wsere tôt. nû g e s w î g w i r aber d e r n ô t ; d a z uns n i h t e n w e r r e u n d uns m î n lieber herre w e r u n d also l a n g e lebe, u n z d a z m a n m i d i z e i m m a n n e gebe der rîche sî u n d e w e r t : sô ist geschehen, des ir dâ gert, u n d wasnet, mir sî w o l geschehen. anders h â t m î n m u o t v e r j e h e n .

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Der arme Heinrich

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wirt er mir liep, daz ist ein not; wirt er mir leit, daz ist der tot, so hän ich iemer mer leit und bin mit ganzer arbeit gescheiden von gemache mit maneger hande sadie, diu den wiben wirret und si ze fröuden irret. Nu setzt mich in den vollen rät, der da niemer zergat. m { n g e r t e j n f r } e r büman, dem ich wol mines libes gan. zewäre, dem sult ir mich geben: so ist geschaffen wol min leben, im gät sin pfluoc harte wol; sin hof ist alles rätes vol; da enstirbet ros noch daz rint; da enmüent diu weinenden kint; da enist ze heiz noch ze kalt; da enwirt von jären niemen alt: der alte wirt junger; da enist durst noch hunger; da enist deheiner slahte leit: da ist ganziu fröude an arbeit, ze dem wil ich mich ziehen und solhen bü fliehen, den der schür und hagel sieht und der wäc abe twent, mit dem man ringet unde ie ranc. swaz man daz jar alse lanc dar üf gearbeiten mac, daz verliuset schiere ein halber tac. den bü den wil ich läzen; er si von mir verwäzen. ir minnet mich, deist billich. nü sihe ich gerne daz midi iuwer minne iht unminne. ob ir iuch rehter sinne

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Maurer, Hartmann von

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Der arme Heinrich

an mir verstân kunnet und ob ir mir gunnet guotes unde êren, sô lâzet mich kêren ze unserm herren Jesu Krist, des gnâde also stiete ist daz sî niemêr zergât, und ouch zuo mir armen hat also grôze minne als zeiner kiiniginne. Ich soi von mînen schulden uz iuweren hulden niemer komen, wil ez got. ez ist gewisse sin gebot daz ich iu sî undertân, wan ich den lîp von iu hân, daz leiste ich âne riuwe. ouch soi ich niht mîn triuwe an mir selber brechen, ich hörte ie daz sprechen: swer den andern fröuwet so daz er selbe wirt unfrô, u n c j s w e r Jen andern krcenet und sich selben hoenet, der triuwen sî joch ze vil. wie gerne ich iu des volgen wil daz ich. iu triuwe leiste, mir selber doch die meiste. weit ir mir wenden mîn heil, sô lâze ich iuch ein teil ê nach mir geweinen, ich enwelle mir erscheinen (i es m ] r selber schuldic bin, ich wil iemêr dâ hin, da ich volle fröude vinde. ir habet ouch mê kinde, diu lât iuwer fröude sin und getrcestet ir iuch mîn.

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Der arme Heinrich

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ü e b e r herre, daz ir mir also verre hat die wärheit gesaget, entriuwen ich bin ein teil verzaget, mir ist ein zwivel geschehen. ich wil iu rehte bejehen wie der zwivel ist getan den ich nü gewunnen hän. ich fiirhte daz unser arbeit gar von iuwer zageheit under wegen belibe. iuwer rede gezieme eim wibe. ir sit eines hasen genoz. iuwer angest ist ze groz dar umbe daz ich sterben sol. deswär ir handelt ez niht wol mit iuwer grozen meisterschaft. ich bin ein w i p und hän die k r a f t ; geturret ir mich sniden, ich getar ez wol erliden. ¿je angestliche arbeit die ir mir vor hat geseit, die hän ich wol a n iuch vernomen. z w ä r e ich enwasre her niht komen, wan daz ich mich weste des muotes also veste daz ich ez wol mac dulden. mir ist, bi iuwern hulden, diu broede v a r w e gar benomen und ein muot also vester komen

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