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German Pages 48 [96] Year 1903
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DER IILTEJUDENFRIEDHOF .
QR, L. JERABEK
DER ALTE PRAGER UDENFRIEDHOF
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UBERSETZTt-VON A. MAJOR UND Dl\; SP. WUKADINOVIC. MIT BEITRÄGEN VON Dl\; J.-tPOLLAK.
KUNSTVERLAG B.
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PRAG 325-1. f tJ ~ .._ .......
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DRUCKDl!R K- U. K. HOfBUCHDRUCKEREI A. HMSE, PRAG.
VORWORT. Schon als Knabe habe ich den alten Prager Judenfriedhof, diesen wunderschönen, mitten im Schoß unseres majestätischen Prag gelegenen Erdenwinkel besucht und seine ungewöhnliche, von allem, was ich bis dahin .gesehen, durch ihre Eigenart so abweichende Schönheit nicht genug bewundern können, eine Schönheit, die auf das empfängliche Gemüt der Jugend einen für das ganze Leben unvergeßlichen Eindruck macht. Als dann nach Jahren die Freunde der SchönheitPeiPrags den schweren Kampl um die ungeschmälerte Erhaltung dieser ihrer Bedeutung nach europäischen Denkwürdigkeit zu kämpfen hatten, - ein Bemühen, das freilich vergeblich war - da erkannten wir, daß wir auch in diesem Falle nicht so sehr mit der jeder l(ulturnation unwürdigen religiösen Unverträglichkeit, als vielmehr mit einem Mangel an Gefühl und Verständnis für die älteren Denkmäler zu kämpfen haben, das sich bei gewissen Schichten und Persönlichkeiten so häufig findet, und dem nur durch eifrige Belehrung und emsige Verbreitung ästhetischer Bildung die Spitze geboten werden kann. In unserem Falle war diese Aufgabe umso schwieriger, als es - bei der gänzlichen Unzulänglichkeit der einschlägigen böhmischen, und bei der beträchtlichen Einseitigkeit der deutschen Literatur - an geeigneten Hilfsmitteln zu einer solchen Verbreitung wissenschaftlich ganz verläßlicher Angaben fehlte. Aus dem eifrigen Streben nach diesem Ziel ist auch die Stimmungsstudie über diesen Friedhof entstanden, die im vorigen Jahre in der „Narodni Politika" erschien, und deren Zweck es war, die Kenntnis über dieses Denkmal in die breitesten Volksschichten zu tragen. So wurde der Grund gelegt für die nachfolgende ausführlichere Studie, die umso schwieriger war, je weniger mir das umfassende, bis auf wenige, dafür desto wertvollere Ausnahmen, nicht genügend kritisch verarbeitete Material zugänglich war, das dieses bemerkenswerte, für Prag so charakteristische Denkmal längst vergangener Zeiten behandelt. Bei dieser schwierigen und wahrlich auch mühevollen Arbeit war mir die außerordentlich wirksame Beihilfe meines lieben Freundes, des eifrigen Anhängers der Bestrebungen zur Erhaltung Alt-Prags und Schriftstellers Herrn Johann Emler, Beamten der k. k. Universitäts-Bibliothek, der auch die Korrektur dieses Werkes freundlichst mitbesorgte, um so willkommener. Zu nicht geringerem Danke bin ich dem Orientalisten Herrn Dr. J. Pollak, Beamten der k. k. Universitäts-Bibliothek, verpflichtet, der mit seltener Bereitwilligkeit das gesammte in sein Fach einschlagende, in diesem Werke enthaltene Material durchgesehen und mit einzelnen wissenschaftlichen Anmerkungen bereichert hat.
Ich hoffe nun, daß diese bescheidene Studie einender obenerwähntenHauptzweckeerfüllen wird, eine Quelle der Belehrung und zugleich der Erkenntnis ,1llen Jenen zu werden, die die Bedeutung dieses Denkmals für unser schönes und uns allen so teueres Mütterchen Prag noch nicht voll zu würdigen verstanden. PRAG, im August 1903.
DR.LUBOMiRJERABEK.
ALTE GRABMÄLER AUS DEM EHEMAL. JÜD. FRIEDH OF IN DER WLADISLAWGASSE. (Unter denselben manche aus dem 14. Jahrh.)
I.
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enau westlich von der Alt-Neu-Synagoge, zwischen einer niedrigen, verwitterten Mauer und einer Reihe von alten Häusern zieht sich ein enges Sackgäßchen hin, .,Na Hampasu" genannt. An seinem blinden Ende erhebt sich, die ganze Breite der Gasse einnehmend, ein zweistöckiges, gelbgetünchtes Gebäude im Stil der Mietskasernen aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts; eine große, deutsch-böhmischeAufschrift zeigt an, daß sich hier die Kanzlei der israeli• tischen Beerdigungsbrüderschaft befindet. Bereitwillig bieten uns Angestellte derselben ihre Führung an, versehen uns mit Eintrittskarten und nach ein paar Schritten durch einen engen, arg vernachlässigten Hausflur stehen wir vor einer einfachen Glastür, hinter welcher sich eine der eigenartigsten Prager Sehenswürdigkeitenausbreitet, das „Beth-Chajim",das „Haus des Lebens", - der alte Prager Judenfriedhof, eine der ältesten der erhaltenen israelitischen Begräbnisstätten Europas. Dieser Friedhof ist einzig in seiner Art, ein alter Garten voll malerischer Grabmäler, von uraltem schwarzem Hollunder überwachsen, der dem Ort einen unaussprechlichen Reiz verleiht. Stein reiht sich hier an Stein, Denkmal an Denkmal, Grab an Grab - und dazwischen überall, wohin der Blick schweift, der üppige, schwarze Hollunder. Aus den zerfallenen Steinblöcken, aus den dunklen Winkeln alter Tumben und Sarkophage, aus den Spalten verwitterter und bemooster Steine, - von allen Seiten drängen und winden sich seine knorrig verschlungenen Stämme hervor und senden überallhin ihre langen, üppig frischen Triebe aus. Die schlanken Zweige verstricken sich nach oben zu einem dichten Gewirr, bilden mit ihrem grünen Gewölbe ganze Lauben und neigen sich tiefhinab zu den altersmorschen Grabsteinen und zur feuchten Friedhofserde, die mit üppigem, aber unförmigem, kränklich gelbgrün getöntem Graswuchs bedeckt ist. Und in dem geheimnisvollenDämmer dieser natürlichen Lauben, in dem matten Halbdunkel der düstern Gewölbe dieses Flieder-Urwaldes, dessen Dickicht nur mühsam die Lichtstrahlen durchdringen, zeichnen sich - hier rot, dort grau und da wieder schwar; -- die Ränder und Spitzen der größeren Grabdenkmäler ab, bunt umflimmert von gelblichen und grünlichen Lichtreflexen, die bei dem leisesten Windhauch in zitternde~ Farbenspiel über die alten Steine gleiten. Stattlich überragen diese mächtigen Tumben das Gewirr der umliegenden,zertrümmerten, bald umgestürzten, bald schräg geneigten Steine, - von weitem nicht unähnlich den ehrwürdigen Gestalten alter Patriarchen, die sich über die verfallenen Gräber von Tausenden und Abertausenden, längst schon auch im eigenen Volke Vergessenen, betend neigen.
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Hie und da nur melden uns verwittert ,e, vom Regen verwaschene Zeichen, welchem Stamme Israels der hier zum ewigen Schlaf Gebettete angehörte. Hier das Symbol der segnendenHände' auf dem geborstenen, abbröckelnden roten Marmor kündet, daß dies der Grabstein eines Nachkommen vom Stamme Ahrons ist, des ältesten Adels und des geachtetsten unter den Stämmen des auserwählten Volkes.• Da wieder bezeichnet eine kunstlos gemeißelte Kanne die ewige Behausung eines Angehörigen der Kaste der ehemaligen Tcmpelhüter vom Stamme Levi. • Dort die grobgemeißelte Traube schmückt die letzte Ruhestätte eines Toten vom Stamme Israel.• Auch Familiennamen sind hier symbolisch dargestellt, zumeist auf Steinen aus der zweiten Hälfte des 17. und aus dem 18. Jahrhundert, als sich die deutsche Sprache bei der Prager Judenschaft stärker ausbreitete. Aus dieser Epoche sieht rman hier vielfach das Zeichen des Löwen und des Hahnes, des Hirsches, des Karpfens, des Fisches etc. (Löwy, Hahn, Hirsch, Karpeles, • Fischl). Dagegen weisen die früheren, älteren :Inschriften entweder jüdische oder auch - und zwar selbst bei Frauen - böhmische Stammesnamen.auf." Manche Inschriften hat der Zahn der Zeit längst schon vernichtet. Gleichwohl erkennt man iiberall noch die nur Wenigen bekannte und schon schwer entzifferbare Quadratschrift der alten Hebräer, in streng symmetrische Zeilen geordnet, stets jedoch äußerst malerisch, mit ihren bizarren Zeichen, Strichen, Punkten und Pünktchen, mit ihren gleichsam hieroglyphenartigen, höchst dekorat iv wirkenden Vertiefungen und Erhebungen. ' Auf diese Weise wird die Hauptfunktion der Ahroniten, nämlich das Segnen bei manchen israelitischen fest· tagen, symbolisch dargestellt. • Die Ahroniten haben sich ihren Stammbaum - freilich nur im Mannesstamme - bis auf den heutigen Tag erhalten. Das war umso leichter, als ihnen, wie erwähnt, r ituell bestimmte religiöse Funktionen auferlegt waren, deren Aus• übung von Vater auf den Sohn übergeht, Außerdem wird bis heule noch - auch nach der Aufhebung der eigenen jüdischen Jurisdiktion irn J. 1784, - wenigstens in allen religiösen Urkunden und Bezeichnungen für die Ahroniten ein besonderes Zeichen verwendet u. zw. durch Beifügung der hebräi.schen Anfangsbuchstaben s··:,, nämlich I{. z., d. i. l\ohen• Zedek ~ ehrwürdiger Priester. Die Namen Kohn, Kohen, Cahen, sowie auch l{.ac, Katz, eine Abkürzung der Worte Kohen· Zcdek, bezeichnen ebenfalls den Stamm Ahrons. Überdfes ist das Geschlecht der Ahronilen immer, entweder auf die obenbezeichnetesymbolische Welse, oder wenigstens durch die eben erwähnten Abkürzungen auf den Denkrnlllcrn der der verstorbenen Ahroniten gekennzeichnet. Siehe foges-Podiebrad, Altertümer, 3. Auflage, Seile 15. ' Auf den Gräbern der Lewiten kommt auch die Kanne mit der Schüssel vor; sie ist das Symbol ihrer religi • Ösen Hauptfunktion. Auch der Stammbaum dieser Tempelhüter wurde auf ähnliche Weise erhalten und wurde in ähnlicher Weise mit den Anfangsbuchstaben ~--lO, d. i. Sgl = Segan Lewiim - Vorstand der Lewiten, gekennzeichnet. ' Die Traube Ist allgemeines Symbol der Israeliten. Doch seien hier noch weitere symbolische Bezeichnungen, welche einen bestimmten Stand kennzeichnen,angerührt. So bedeutet eine eingemeißelte Frauengestalt eine Jungfrau; eine Frauengestalt, die In der Hand eine Rose hält, bezeichnet, daß hier eine Braut begraben ist. • Es ist nicht uninteressant, hier zu bemerken, daß die Jiidisehen Namen mit den Endsilben , elcs" sogenannte „Matronymika" sind, d. i. die Bezeichnungder Abstammun_g von einer bestimmten Mutter, von deren Namen sie abgeleitet wurden. So bedeutet z. 8 . .,Jeiteles" den Sohn der „Gitte l", .,Pereles" den Sohn der „ Perl" u. s. w. Diese Notiz verdanke ich Herrn Dr. Bock, Beamten der k. k, Staatsbahnen in Prag. • Diese Aufschriften stammen zumeist aus dem Ende des 15. und dem 16. Jahrhundert, wo sich die Juden mehr zur böhmischen Nation bekannten. Da gibt es viele böhmische Namen. Hier schläft der Jude KrAsa, dort Zalud,
terny, da die tArka, Ludmlla, Släva, dort wieder Nez.i.mysl, Mäta und weiterhin die Dobruska,Sladka und libuscha (Liebsche) den ewigen Schlaf. Aus diesem Umstande läßt sich mit Recht schließen, daß sich In der Blütezeit der böhmischen Nation und ihrer Sprache auch die Prager Juden der böhmischen Sprache als Umgangssprache bedienten, Bemerkenswert ist vom böhmischen Standpunkte eine für die Verhältnisse der böhmischen Judenschaft besonders charakteristische Reflexion, welche in der mehrfach erwähnten Schrift Podiebrads wie folgt angeführt ist: ,,Erst als die böhmische Sprache aus Amt und Schule weichen mußte und den Juden der Zutritt zu den Institutionen, in denen die deutsche Sprache vorherrschte, bewilligt wurde, und schließlich, als der Schulbesuchszwang eintrat und besonders für die größeren Gemeinden nur deutsche Schulen behördlich vorgeschrieben wurden, verflogen auch die letzten Spuren der ehemals böhmischen Umgangs• Sprache bei den Juden und diese wurden Utraquisten auch dort, wo die umliegende Bevölkerung vollständig böhmisch Ist," (freilich nicht zum Vorteile der Juden),
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DER NORDWESTLIC HE THEIL DES FRIEDHOFES.
Und ringsum Oberall die tiefe Stille der Friedhofseinsamkeit. Nicht einmal der Lärm der nahen Straßen dringt hieher. -
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Zuweilen nur ertönt abseits das scheue Aufkreischen einer schwerfällig von Ast zu Ast fliegenden Amsel, das nur schwach von den dunkeln Mauern der entlegenen Friedhofswinkel widerhallt. Und wieder breitet sich tiefe, reglose Friedhofsstille über die dunklen Baumkronen und es ist, als durchzöge sie die Trauer ganzer Jahrhunderte, erfüllt von der Klage und dem Jammer des einst so schwer geprüften Volkes.
II.
zeit -
Ein interessantes und höchst fesselndesBild bietet der Alte Friedhof gewiss zu jeder Jahres, schon durch sein eigenartiges Gepräge. Doch am allerschönsten ist's hier im Spätfrühling, zumal in den ersten Junitagen.
In dieser Zeit schmückt die Natur selbst diesen köstlichen Winkel und ziert ihn mit ihrem prächtigsten Schmuck; es ist, als lebte der alte, verfallene Friedhof wieder auf und verjüngte sich aufs Neue. Hinreißend schön ist dann, namentlich am Spätnachmittag, der Blick von dem entlegensten Teil, der westlichen Friedhofsmauer, auf seine dichten Laubengänge, auf die ganze ausgedehnte, sattgrüne Fläche seiner Baumwipfel mit den prachtvoll aufgeblühten, lieblich duftenden Dolden des schwarzen Hollunders. Und mit diesen großen Blüten ist jedes Zweiglein, jeder Ast, der ganze Fliederwald besät. Blüte an Blüte. -
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Und es ist, als saugten und schlürften die weißen Dolden den leuchtenden, blendenden Glanz des Sonnenlichts in ihre duftenden, weitgeöffneten Kelche, und würfen alle die tausende von Sonnentrahlen wieder zurück, - glänzend und funkelnd im Schimmer ihres sonnbeglänztenBlütentaues. Und unten auf den zertrümmerten Steinen, auf den marmornen Grabstätten, die durchglüht sind von den schrägen Strahlen der schwülen, zum Urntergang sich neigenden Sonne, beben und flim, mern ganze Ströme ihrer goldig glänzendenGluten und werfen lange bläuliche Schatten, durchbrochen von unzähligen zarten Reflexen und dem Abglanz des durchsichtigen Laubes. Auch die schattige, feuchte Friedhofserde, von blaßgrünem, üppig wucherndem Unkraut überwachsen, leuchtet in diesem goldigen Glanz als wäre sie mit Chromgelb bestreut. Sonne, überall Sonne, mit ihrem erwärmenden Hauch und ihrem zauberhaften, blendenden Glanz! Und die schwere, schwüle Lult ist erfüllt von dem würzigen Duft der in voller t lerrlichkeit aufgegangenen, im Sonnenlicht sich badenden Blüten. Darein mischt sich der freudige Sang der zahlreichen im f ricdhofsdickicht nistenden Amseln, begleitet von dem feinen, ununterbrochenenSurren ganzer Myriaden kleiner, im Sonnenglanzeglitzernder bunter Käfer und Fliegen und dem tieftönigen dumpferen Summen unzähliger Bienen, die emsig über den weitgeöflneten, wie Ambra duftenden Blüten hin und her schwirren. Das alles vereint sich zu einem einzigen jubelnden Frühlingslied, sorglos und froh, voll Zuversicht und Freude an Leben, Lenz und Jugend1 - - - -
In dieser kurzen Zeit, in den Tagen der Hollunderblüte, des betäubenden Dufts und des Gesangs der Frühlingsvögel erscheint uns der altehrwürdige Friedhof anders als sonst im ganzen Jahr: Nicht als ein seltenes, eigenartiges Denkmal voll unaussprechlichenpoetischen Zaubers, das stets mit unvergeßlichemEindruck auf uns wirkt, - er erscheint uns vielmehr als leuchtende Vision eines schönen Sommerabends,- als ein berückendes orientalisches Märchen voll Schönheit und Glanz. Da ist er in Wahrheit ein „Beth-Chajim", ein Haus des Lebens, ein Wunder des Orients in unserem nüchternen Occident1
111. Wie ganz anders, wie unsäglich bang und traurig ist's hier im Spätherbst, in den letzten trüben Oktobertagen. Von den kahlen Wipfeln der zerzausten Bäume, in deren letzten welken Blättern der feine Herbstregen rauscht, von den dünnen, schlanken Zweigen, von allen Seiten rinnen die Regentropfen, rieseln ganze Wasserbächlein nieder zur feuchten Friedhofserde. Da und dort fallen mit rhythmischer Regelmäßigkeit die schweren Tropfen auf die umgestürzten Friedhofssteine, die dann schwach und gedämpft wie in leisen Glockentönen von unbeschreiblicher Färbung erklingen. Die Steine erscheinen wie mit altem, mattem Silber überglänzt. Überall Wasser, überall Feuchtigkeit, Pfützen rings in allen Vertiefungen. Zwischen den schwarzen, feucht glänzenden Baumstämmen wogen Wasserdünste gleich einem schwachen, durchsichtigen Schleier. - - Und über all dem am trüben Himmel schwere, graue Wolken, gejagt von einem kalten Nordsturm. Dunkel heben sich von diesem Hintergrunde die geschwärzten, feuchtschimmernden Friedhofsmauern ab, voll düsterer Winkel, überragt von dem angrenzendenhohen Museumsgebäude. Nur die Dächer der umliegenden Häuser, feucht vom eben aufhörenden Regen, und das Gewirr der schmalen, von einer spiegelnden Wasserschichte überzogenen Wege schimmern und leuchten in dem dunklen Rahmen der Bäume, auf denen der rosige Widerschein des dämmernden Abendhimmels liegt. Und ringsum die Stille des träumenden Friedhofs, die unsere Gedanken fast unwillkürlich in andere, geheimnisvolle Welten entführt und uns all die Leidenschaften, all das Sehnen und Streben des Alltags vergessen läßt. In solch einem Augenblicke, unter dem unsäglich bangen Eindruck eines regnerischen Herbstabends, in der düstern Stimmung der öden Friedhofseinsamkeit, sind wir beinahe geneigt, all den geheimnisvollen Berichten und Mären zu glauben, die die Sage an diesen uralten Gottesacker knüpft, über den sich nunmehr das Abenddunke'Isenkt. Es ist uns, als trüge der Wind gedämpfte Seufzer aus diesen verlassenen, von Unkraut überwucherten Grabhügeln zu uns herüber, oder ein leises Wehklagen aus der nahen Grabstätte der unschuldigen Kinder, die in einem abseits gelegenen Friedhofswinkel seit jeher begraben zu werden pflegten. Richten wir dann unsern Blick nach den düstern Winkeln des bereits dunkelnden Friedhofs, dann scheint es uns, als sähen wir in den durchsichtigen, zwischen den Bäumen wallenden -8-
(Der siidliche Theil des l'riedholes.)
ANSICHT VON DER KLAUSSYNAGOGE GEGEN SÜDEN.
Wasserdünsten die lichten Erscheinungen jener, von deren Ruhm und Namen die alten Friedhofslegenden so schön zu berichten wissen. Uns ist, als erblickten wir im Kreise seiner 33 Schüler die mächtig ragende Gestalt des gelehrten und wundertätigen Rabbi Jehudaben Bezalel Löw, dessen Bild durch die Altprager Erzählungen des Mikovec, sowie durch Vrchlickys „Rabbinische Weisheit" auch uns erhalten wurde. Hier wieder blickt auf uns das blasse Antlitz des berilhmten Mystikers und Kabbalisten Aaren Spira und hinter ihm die würdevolle Gestalt der ersten jüdischen Adeligen dieses Königreichs, Hendel Bas-Schewi von Treuenberg. Dort wieder zaubert . unsere Phantasie uns das Bild des berühmten Rabbi Abigdor Karo hervor, der die Schicksale seiner Glaubensgenossenim Mittelalter so beredt besungen hat. Wir erinnern uns des freigebigen Wohltäters und Gründers der bis heute berühmten und bekannten Synagoge, des Rabbi Mardachai Meisl und zugleich mit ihm des berühmten Bibliophilen Rabbi Oppenheim. Eine Gruppe von hervorragenden Gelehrten taucht vor uns auf, unter ihnen der Mathematiker und Chronist David Gans, der Zeitgenosse und Freund Kepplers und Tycho Brahes, und die würdige Gestalt des berühmten Arztes und Gallilei-Schülers Salomo del Medigo de Candia, begleitet von der abgezehrten Erscheinung des jüdischen Sittenpredigers Ephraim Lenczycz. Und wie blasse Schemen steigen vor unserer Seele die Schatten der angeblich ältesten Schläfer dieses Friedhofes auf: des Vorbeters Josua und der Sara, Gattin des Josef Kohn, begleitet von dem letzten der hier Beerdigten, David Lippmann Beck. - - - Die Schatten werden länger und länger - es dunkelt. In der benachbarten Synagoge erstrahlen hell die großen Messingluster. Ihre hohen Fenster erschimmern goldig und senden gelblichen Schein durch den immer dichter werdenden Nebel des verdämmernden Abends, durch dessen Stille der Gesang des Kantors herüberdringt, der die melodiösen rituellen Gesängerezitiert, die wie Stimmen aus einer fremden, uns unbekannten W elt ertönen. Soeben beginnt er das „ma'riw", die Abendandacht der Juden. Und aus dem Herzen der Stadt, aus weiter ferne, ruft uns, wie vom Traum zum Leben, der Widerhall des lebhaften, abendlichen Treibens voll Freude und Leben, und lädt uns in die erleuchtete Stadt, die aufatmet von des Tages Arbeit.
IV. Dieser düstere Charakter des Friedhofs spiegelt sich getreu in den Sagen und Legenden, die sich an ihn knüpfen. Sie sind charakteristisch, wie der Friedhof selbst; schwermiitig und traurig wie seine Stimmungen im abendlichen Düster regnerischer Herbsttage, Manche dieser Sagen gehören mit Recht zu den fesselndsten Geistergeschichten, mit denen die Volksphantasie die Stätten der letzten Ruhe umwoben hat. Ich will hier eine kleine Auslese dieser Sagen geben und beginne mit der interessantesten, die uns folgendes erzählt: „Au f dem alten Friedhofe pflegen alle Seligen der Ruhe und schlafen ihren ewigen Schlaf im Schatten duftenden Gesträuch.s. Nichts stört hier ihren Frieden. Und doch liegl hier einer, der selbst im „Garten der Toten" nach seinem Tode keine Ruhe fand. Das fromme „Schalom alechem"
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weht wirkungslos über sein verödetes Grab. Der Mann, der hier begraben liegt, ist in seiner Jugend seinem Stamm abtrünnig geworden. Denn er nahm den katholischen Glauben an und wurde Priester und Kaplan bei St. Veit. Als aber seine letzte Stunde nahte, ward er seiner Abstammung eingedenk und wurde von der Sehnsucht erfüllt, im „Gart en der Toten" in der Judenstadt zu ruhen. Lag do eh dort ein junges jüdisches Mädchen begraben, das er einst in seiner Jugend heiß geliebt hatte. Und so starb er wieder als Jude und die Juden bestatteten ihn, wie er sichs gewünscht hatte, nahe dem Grabe seines geliebten Mädchens. Allein die Ruhe, die ihm zeitlebens nur selten beschieden war, fand er auch im Tode nicht. Allnächtlich steigt er aus dem Grab und eilt zur Moldau, wo ein Kahn mit einem gespensterhaften Knochenmann als Ruderer seiner harrt. Im Dunkel wie im Mondenschein, bei Unwetter und Kälte fährt er zum anderen Ufer hinüber. Dort steigt der treulose Priester ans Land, und der Ruderer begleitet ihn zur Prager Burg hinan, in die St. Veitskirche. Dort in der Kirche setzt sich der Priester-Jude zur Orgel und spielt, während der Knochenmann den Blasebalg tritt. Kirchliche Bittgebete und Bußpsalmen hallen dann durch den stillen und düstern Kirchenraum. Es ist der Priester, der in diesen erschütternden Klängen wehklagt und zu Gott um Vergebung fleht. Doch die ergreifenden Klagelieder verhallen unerhört. Ehe der Glockenschlag der Mitternachtsstunde am Kirchturme zu St. Veit austönt, ist die Orgel ver• stummt, und der Orgelspieler kehrt traurig wieder zum Fluß hinab. Der gespenstische Ruderer führt ihn wieder über den Fluß, und der Priester kehrt auf den Friedhof seiner Väter in sein Grab zurück, um in der nächsten Nacht wieder aufzustehen und über den Fluß zu fahren und zu St. Veit mit Bußpsalmen und Klageliedern seine endliche Vergebung zu erflehen". (Siehe Jirasek: Stare povesti ceskc!, Seite 243.) Ein anderes Märchen über diesen Friedhof erzählt: Vor undenklichen Zeiten lebte in Frankreich ein frommer Jude, namens lsak. Er war wohl ein sehr armer Mann, allein die Armut schmerzte ihn nicht so sehr wie der Umstand, daß er kinderlos war. Einst land er am Meeresgestade eine große, wunderschöne Perle und war hocherfreut, als er vom Juwelier hörte, welchen Wert sie habe. Sie waren schon handelseinig geworden, als der arme Mann fragte: .,Und wer kauft von dir einen so teueren Gegenstand?" Der Juwelier erwiderte, daß er die Perle sehr gut für eine kostbare Monstranz brauchen könne, die er eben für den Dom ausführe. Als lsak dies hörte, riß er dem luwelier die Perle aus der Hand und stürmte zur See hin, wo er sie in die Tiefe warf. Und aus den Wellen vernahm er da eine klare Stimme: .,Du hast recht getan; als Lohn soll dir ein Sohn zu teil werden, welcher unter den Gläubigen berühmt werden wird." In dieser Hoffnung trug der Jude gern den Verlust des großen Reichtums, dem er entsagt hatte. Da ihn aber der Juwelier wegen so großen Hasses gegen die Christen anzeigte, übersiedelte er nach Deutschland. Dort wurde ihm in der Stadt Worms ein Sohn geboren, der den Namen Jarchi erhielt und später ein berühmter Rabbi wurde.• Da aber damals aus den benachbarten Ländern alles nach Prag drängte, das zu dieser Zeit die bedleutendste Stadt Mitteleuropaswar, so kam auch Jarchi hieher, der wegen seiner Gelehrsamkeit von der hiesigen Judengemeindeberufen worden war. In kurzer Zeit ward der Rabbi wegen seiner Beredsamkeit von allen gepriesen. Aber auch böse Neider erstanden ihm unter den Glaubensgenossen, die schlimme Reden über ihn verbreiteten und schließlich auch nach seinem Leben trachteten. 1 Der ,farchi" der Sage ist der historische Rabbi Schelomo Jlzchaki, buchstaben) abgekürzt „Raschi" gena.nnt.
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gewöhnlich (nach den Anfangs-
PAHTlc VOM 1\UNST.-GEW. MUSl:'.UM AUS, IN DER UMGEBUNG VOM GRAB DES RAlfül LÖW, MIT DEH Wl:'.STSEITE DER I\LA USSYNAGOGE IM HINT ERGRUNDE.
fines Tages, es war an einem jüdischen Feiertage, verrichtete Jarchi in seinem Hause mit einigen Getreuen seine Andacht. Da sprengte plötzlich die aufgehetzte M'engedie fest verschlossene Tür und stürmte in das Haus. Alle Anwesenden erschraken derart, daß niemand den geliebten Meister verteidigte, und so geschah es, daß der Anführer der vermummten Mörder dem Rabbi mit einem Hiebe den Kopf spaltete. Nachdem die Mörder ihre Rachetat verübt hatten, entfernten sie sich, wie sie gekommen waren. Niemand verfolgte sie. Die Zurückgebliebenenbeweinten bitterlich ihren Meister und Lehrer. Nur seine Gattin Lea verzweifelte nicht und holte rasch einen Wunderbalsam, den sie in die klaffende Wunde goß. Und siehe da, die Wunde schloß sich, die Todesblässe wich, und der Erschlagene stand auf. Die Anwesenden waren verwundert, hielten es aber nach langer Beratung schließlich für das Beste, daß larchi trotz dieser Wunderkraft nicht in Prag bleibe, sondern insgeheim von da weg• ziehe. So traten sie denn auch dem Gerüchte, der Rabbi sei getötet worden, nicht entgegen und begruben statt seiner einen mit Steinen gefüllten Sarg. Ja sie errichteten ihm auch einen schönen Grabstein mit der Aufschrift, daß hier der gelehrte und fromme Rabbi Jarchi, Sohn lsaks, ruhe. Inzwischen war jedoch der Rabbi längst schon über alle Berge. Die Gegner, die so den verhaßten Rabbi beseitigt hatten, trugen aber auch das schwer, daß sein Andenken für alle Zukunft durch dieses Grab und das Denkmal gewahrt bleiben solle. Und als daher später ein fremder, der in Geschäften nach Prag gekommen war, hier starb, wurde er in dem Grabe Jarchis beerdigt - und von dem Grabsteine der Name „larchi" ausgemeißelt. Allein am anderen Morgen fand man den tags zuvor begrabenen Toten wieder außerhalb des Grabes und auf dem Steine prangte wieder der Name des Rabbi. Nun sagte man, das hätten des Nachts die heimlichen Verehrer Jarchis getan. Man legte daher die Leiche wieder ins Grab und entfernte abermals die Inschrift. Doch am nächsten Tage fand man das Grab wieder in dem früheren Zustande. Nun zertrümmerte man den Stein gänzlich; aber auch das half nicht, denn am anderen Morgen lag der Tote wieder neben dem Grabe und der Grabstein stand unversehrt auf seiner alten Stelle, samt dem verhaßten Namen. Und seit jener Zeit wurde das Grab nie mehr geschändet, und der Name Jarchis blieb dort, wiewohl der Rabbi selbst noch lange lebte und sein Leben irgendwo in Deutschland beschloß. Nach einiger Zeit geschah es, daß wieder ein anderer ausgezeichneter Rabbi namens Simon in Prag lehrte, der ein eifriger Verehrer des vor Jahren verstorbenen Jarchi war. Als auch dieser sein tugendsames Leben beschloß, begaben sich seine Freunde auf den Friedhof, um dort für ihn eine wilrdige Grabstätte aufszusuchen. Und als sie da zu dem ihnen gut bekannten Grabe Jarchis kamen, erblickten sie zu ihrem Erstaunen auf dem Grabsteine statt des Namens „Ja r chi" den frisch vergoldeten Namen „Simon". Sie erblickten darin einen höheren Willen und suchten nicht weiter, sondern öffneten das Grab Jarchis, das sie leer fanden, und beerdigten darin den Simon, der noch heute dort unter dem prächtigen Stein den Schlaf der Gerechten schläft." ' Eine andere Sage schildert uns den Ursprung des Grabhügels der unschuldigen ~inder im südlichen Teil des friedholes. ' Siehe „Panorama des Unlvers." V. 1838 S. 192 und Prof. Ruth's „l(ronlka kr.11, hl. mesta Prahy" S. 212.
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II -
„Als Rudolf II. in Böhmen regierte, brach unter der jüdischen Bevölkerung Prags eine Seuche aus, die merkwiirdigerweise stets nur die ganz jungen, unschuldigen Ki nder dahinraffte; ältere blieben davon verschont. Hunderte von Leichen wurden täglich, begleitet von den tiefunglücklichen Eltern und Geschwistern, nach dem Beth-Chajim, dem alten jüdischen Friedhofe gebracht, wo die kleinen Leichen oft tagelang unbeerdigt liegen mußten, da es nicht genug Hände gab, um so viele kleine Gräber zu graben. Dadurch wurde die Pest nur noch verschlimmert, denn die giftigen Ausdünstungen der auf dem Beth-Chajim liegenden Leichen verpesteten das ganze Ghetto. Der jammer und das Klagen der juden war groß - denn da die Seuche nur in ihrer Gemeinde herrschte, sahen sie darin eine Strafe Gottes, die eines unbekannten Verbrechens wegen die ganze Gemeinde traf. Fasttage wurden angeordnet und besondere Gebete verrichtet, doch alles war vergeblich, der Todesengel wütete weiter. Da versammelten sich die gelehrtesten Talmudisten und Rabbiner der Stadt, um zu erforschen, worin der Grund dieser entsetzlichen Strafe liege. Doch trotz aller Anstrengung wollte es keinem gelingen, die wahre Ursache herauszubringen. Unter denVersammelten befand sich auch Rabbi Bezalel Löw, der sich durch große Weisheit und Gelehrtheit, Kenntnis des Talmud, der Kabbalistik und Astrologie auszeichnete. Des Nachts lag er traurig und über das Unglück nachbrütend auf seinem Lager, er hörte im Geiste das Jammern und Wehklagen der unglücklichen Mütter und Väter, und Tränen entströmten seinen Augen. Mit größter Inbrunst betete er zu Gott, er möge ihm doch durch ein Zeichen kund tun, wie Hilfe geschaffen werden könne. Dann entschlief er und im Traume sah er den Propheten Elias, der ihn an der Hand nahm und zur Mitternachtsstunde nach dem Beth-Chajim führte; dort sah er die Leichen der kleinen Kinder aus ihren Gräbern steigen. Rabbi Löw er wachte und dachte über den sonderbaren Traum nach und sah darin einen Fingerzeig Gottes. Nachdem er diesem für die Gnade der Erleuchtung gedankt,. rief er einen Schüler zu sich und redete ihn also an: „Siehe, Gott ist erzürnt über uns, er hat Elend und Unglück über uns verhängt, denn wir haben schwer gesündigt. Nun müssen wir in Erfahrung bringen, welches Verbrechens wir uns schuldig gemacht haben. Darum fasse Mut und geh' heute um Mitternacht auf das Beth-Chajim, und wenn du die gestorbenen Kinder in ihren weißen Tachrichim (Sterbekleidern) aus ihren Gräbern aufstehen siehst, so entreiße einem von ihnen die Tachrichim und bringe sie mir !" Der Schüler tat, wie ihm befohlen war und begab sich vor Mitternacht auf das Beth-Chajim. Die Sterne strahlten über dem Gottesacker und tiefe Ruhe herrschte, nur das leise Säuseln des Windes in den Hollunderbüschenwar vernehmlich; doch mit dem Schlage zwölf veränderte sich das Bild. Voll Grauens sah der Schüler die Leichen der kleinen Kinder, in ihre Tachrichim gehüllt, den Gräbern entsteigen und einen sonderbaren Geistertanz aufführen. Die Haare standen ihm zu Berge und er hätte am liebsten die Flucht ergriffen, doch bannte ihn der Befehl des hohen Rabbi an der Stelle fest. Er r iß, seine Angst überwindend, einem der Kindlein die Tachrichim vom Leibe und lief eilends zum Rabbi, der ihn schon am Fenster erwartete und sich haarklein von dem Vorgefallenen berichten ließ. Plötzlich sahen sie ein kleines, nacktes ~indergespenst dahereil en, das flehentlich die Händchenzum Fenster des Rabbi emporstrecktc und händeringendum seine Tachrichim bat, da es sonst die Ruhe im Grabe nicht finden könne. Doch Rabbi Löw hielt das Kindchen fest und sagte ihm, dall es erst dann das Verlangte wieder bekommen solle, wenn es angegeben, weshalb diese fiirchterliche Pest herrsche. Doch das Kindlein blieb stumm und wollte den Grund nicht sagen; aber als cs sah, daß der Rabbi nicht nachgeben würde, teilte es ihm den wahren Grund mit: Eheleute, die in einer nahen Gasse wohnten, hätten durch ihren unsittlichen Lebenswandel den Zorn des Allerhöchsten heraufbeschworen, so daß er mit dieser Seuche die ganze Gemeinde str afend heimsuchte.
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(Der 111i1llcrcTl,cil de~ l'ricdh ok s l.
PAHT IE \ ' ON DER WESTSEl7rE DER t,LAUSSYNAl,OGt: UM DAS GRABMA L DES MARDACt-lAI l'IE ISEL.
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Um sich von der Wahrheit dieser Mitteilung zu überzeugen, nahm Rabbi Löw das Kindlein und ließ sich den Weg weisen. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß das Kindlein ihm wirklich die wahre Ursache mitgeteilt habe, gab er ihm wieder seine Tachrichim. Freudig eilte das Kind zum Beth-Chajim zurück, um endlich süße Ruhe zu finden. Rabbi Löw ließ die verbrecherischen Ehepaare bestrafen und siehe - sofort hörte die Seuche auf. All es lobte und dankte Gott, daß nun die Gefahr abgewandt und das Leben der unschuldigen Kindlein von nun an nicht mehr gefährdet sei. Die Gasse, wo die verbrecherischen Paare wohnten, erhielt vom Volke den Namen Belelesgasse, weil die eine der Unzucht treibenden Frauen Bella und die andere Ella hieß.' Ebenso interessant wie diese Sagen ist auch eine Sammlung, ja ein ganzer Kreis von Legenden, mit welchen die mündliche Über! ieferung ganzer Generationen die hehren Gestalten jener umwoben hat, deren Andenken ihnen lieb und teuer war, und die sich der Verehrung und Hochachtung des Volkes erfreuten, dessen Stolz und Zierde sie waren. Auf die Schönheiten dieser Legenden wurde von den christlichen Schriftstellern als erster der ausgezeichnete b ö h m i s c h e Ar chaeolog F. Mikovec, einer der besten l~enner dieses alten Friedhofes, aufmerksam. Allein die präzise Einteilung des Stoffes veranlasst mich, diese Legenden, soweit es der Raum gestattet, erst in einem späteren, biographischen Abschnitte anzuführen, u. zw. als geeignete Hilfsmittel zur Schätzung der Bedeutung und des Charakters jener Persönlichkeiten, deren Andenken diese Sagen so wirkungsvoll hervorheben. Noch mehr aber als alle die schönsten und i:nteressantesten Märchen und Legenden erhöht die Bedeutung und den Ruhm dieses in Europa in solcher Schönheit einzig dastehenden Ortes seine große und interessante, vom Ende des XIV. Jahrhunder ts ab ganz genau festgestellte Geschichte, die ich im nachfolgenden eingehender behandeln will.
V. Nach alten Überlieferungen der Prager Juden wurde dieser Friedhof," der, wie die Geschichte der Juden in Böhmen überhaupt, von großem historischen Interesse ist, angeblich schon Ausführlicher in „Slppurlm", Sammlung iüd. Volkssagen etc. Prag J. B. Brandeis „Jüd. Unlv,•Bibllothek". • Über den Friedhof handeln folgende Werke: t. . D I e Fa m i I i e n Prags. Nach den Epitaphien des alten jüdischen Friedhofs in Prag zusammenge .stellt von Simon Hock. Aus dessen Nachlasse herausgegeben..• und biographisch eingeleitet von Prof. Dr. David Kaufmann." Pressburg, 1892. Das Werk enthält die wichtigsten Daten der hebräischen Grabstein-Inschriften, wie sie auf Veranlassung der isr. Beerdigungsbruderschaftin Prag durch David Podiebrad und Leopold Popper abgeschriebenworden waren. Die lesens· werte Einleitung Prof. Kaufmanns entwirft im Rahmen einer Biographie Hocks ein interessantes Kulturbild aus den letzten Tagen des Prager Ghetto. 2.• Gai• Ed. Grabsteininschriften des prager isr. alten Friedhofs mit biographischen Notizen herausgegebenvon Koppelmann Lieben." Prag, Landau 1856. - Dem Werk geht eine wertvolle hebr. geschriebene Studie des gelehrten Prager Oberrabbiners Satomo JehudaRappoport als Einleitung voran. 3. ,,Altertümer der Prager Josefstadt ... Herausgegebenvon David J. Podiebrad, verfaßt und zum Teil nach gesammelten Daten des Herausgebers bearbeitet von Benedikt Foges." Prag, 1855. (Als historische Quelle ist dieses Buch, wenn überhaupt, so nur mit großer Vorsicht zu benutzen.) 3. Auflage 1870, nach der hier zitiert ist. 4•• Die Inschriften des alten Prager Judenfriedhofes zum erstenmal vollständig entziffert von Leopold M. Popper. Kulturhistorisch und historisch bearbeitet von Moritz Popper. Erstes Heft." Braunschweig, 1893. 42 Seiten.) Die Inschriften sind nach der Erwerbsart und Beschäftigung der Verstorbenen angeordnet; zunächst werden die Handwerker, dann die Richter, Schreiber, Diener, zum Schluß die Kunst• und Gewerbetreibenden(darunter die Ärzte, Apotheker und Buchdrucker) angeführt. 5. ,,Dr. N. G riln. Sage und Geschichte aus der Vergangenheit der isr. Gemeinde In Prag., Prag 1888. 6•• Dr. M, Grünwald . Der israelitische fricllhof zu Prag." In: Pascheles'ill ustr. isr. Volkskalenderfür d. Jahr 1889. (Seite 99- 107.) 1
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im grauen Altertum gegründet. ' Glaubwürdige Belege für diese Überlieferung~ gibt es allerdings nicht. Auch die ursprünglich allgemein geglaubte Annahme einer ganzen Reihe von Schriftstellern, welche den Nachweis führten, daß der jüdische Friedhof schon im 7. Jahrhunderte nach Chr. gegründet worden sei, erwies sich als vollkommen unrichtig. Urkundliche Belege für dir. Richtigkeit ihrer Voraussetzungen hatten jene Schriftsteller freilich nicht bei der Hand. Doch wurden als Beweis ' Solcher allerdings jeder historischer Grundlage entbehrender Sagen gibt es eine ganze Reihe. Nach einer derselben wurde die Prager jüdische Niederlassung, der Friedhof und die Synagoge, wenige Jahre nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer gegründet. Allein diese Gründung in der Gegend des jetzigen Prag soll nur eine zeltwilllge und bedingte (,,bedingt" =hebräisch: ,,al tenai," woraus einige den Namen der Synagoge „Alt -neu" als Volksetymologie ableiten wollen) gewesen sein, da die Juden damals noch die feste Hoflnung auf die Wiederherstellung ihres Tempels und ihrer Stadt in Jerusalem hegten. (Siehe Dr. Nath. Grün •Sage und Geschichte aus der Vergangenheit der Israel. Gemeinde in Prag.• Seite 5.) Eine andere Sage gibt ein noch älteres Datwm der Gründung nicht nur der Prager Judengemeinde,sondern auch der Stadt Prag selbst an. Nach dieser Sage soll Prag schon zur Zeit Josuas, des Sohnes Nun's, eine belcstigte Stadt gewesen sein. Ein mächtiger König, namensßojo, soll im Jahre 1306 vor Christus diese Stadt erbaut haben. (Siehe Zemach David II., fol. 3, auf welchen sich die oben zitierte Schrill beruft.) Auf dieser Sage soll auch der alte rituelle Brauch beruhen, nach welchem in einigen PragerSynagogen nach den Vorschriften des Talmud am zweiten Tage Purim die ~1cgllla (Megillath Esther) gelesen wird, welche auch am 15. Adar in Städten gelesen werden soll, deren Gründung in die Zeit Josuas, des Siegers über Amalek fällt. (Siehe dieselbe Schrift, sowie die • Altertümer der Prager Josefstadt•. Seite 6 und Anm. 11.) ' Im Gegenteil: viele andere jüdische Sagen widersprechen geradezu dieser Überlieferung und verlegen die Anfänge der israelitischen l(ultusgemelnde in eine v i e I spätere Periode, und zwar in die Regierungszeit der heidnischen fürsten Böhmens. Zu den inte ressantesten dieser Sagen zählt jene, die sich unter den Manuskripten der von dem berühmten Prager Rabbi Oppenheim begründctc11und gesammelten Bibliothek befindet, die jetzt Eigentum der Oxforder Universität ist. Wegen ihrer Bedeutsamkeit und patriotischen Tendenz sei diese Sage hier in Kürze, aber möglichst treu wiedergegeben. Die Sage berichtet: Libuscha, welche Prag und zwar im lahre 730 begründet hat, galt als Wahrsagerin. Auf ihrem Sterbelager ließ sie sich ihren Sohn Nezamysl rufen und sagte zu Ihm: •Ich kehre zu meinenVorfahren heim und will Dir vor meinem Tode die Zukunft enthüllen. Wenn Dein Enkel über mein Volk herrschen wird, wird ein kleiner verfehmter und verfolgter Stamm, der nur einen einzigen Gott anbetet, kommen und wird In den Gauen unseres Landes Zuflucllt suchen. Diese sei ihm gewährt, denn dieses Volk wird Glück In unser Land bringen.• Nach diesen Worten starb Libuscha. Ihre Prophezeiungaber lebte in der Erinnerung der folgenden Herrscher fort. Als dann nach Jahren Hosti vit den Thron seiner Vorfahren bestieg, erschien ihm im Traum die Ahnfrau Libuscha und sagte ihm: .Die Zeit ist gekommen, wo meine Prophezeiung sich erfüllt. Ein kleines Volk, das einen einzigen Gott anbetet, wird kommen und Dich um Hilfe und Schutz anflehen. Nimm es in Gnaden auf und gewähre ihm Fürsorge und Schutz." Und so geschahes auch. Im Jahre850 von den Wenden, die sich in Lithauen und Rußland ansiedelten, vertrieben, kamen die Juden nach zehnjährigem Leiden und Verfahnden nach Böhmen, wo sie durch zwei ihrer Ältesten beim fü rsten Hostivit eine Audienz erbaten. Fürst Hostivit nahm sie freundlich auf und fragte: Wer seid Ihr und was ist Euer Begehrf Die Abgesandten fielen auf die Knie und sagten, ,.Hochmilchtiger Herzog! Wir sind von einem kleinen Stamme und nennen uns nach unseren Vätern Hebräer. Wir sind mit Weibern und t(indcrn 150 Köpfe stark. Wir lebten friedlich im Moskauer Land, da kam ein mächtiger Feind, der das Land eroberte und die Bewohner verjagte. Ohne Ruhe und Rast zogen wir durch die weite Welt. Die kalte Haide war unser Lager, harter Stein unser Polster und der blaue Himmel unsere Decke. Wir sind ein ruhiges Volk, klein an Zahl und sthwach an Kräften. Wir folgen der Lehre Mosls und glauben an einen einzigen Gott, der allwissend, allmächtig, allgerecht und barmherzig ist. Wir bitten Dich, o Herzog, in tiefer Ergebenheit, es möge Dir gefallen, uns zu gestatten, daß wir uns In diesem lande niederlassen und hier unsere Hütten bauen dürfen. Dein Land ist weit genug, und Dein Volk scheint ehrlich und gut zu sein. Gewähre uns Deinen Schutz, o Herzogl Wir werden Dir treue Untertanen sein und werden zu unserem·,Gottbeten, er möge Deiner Nation
Ruhm spenden urid Sieg verleihen," Nachdem die Abgesandtenalso gesprochen hatten, erkannte der Herzog sofort, daß sie von jenem Volke seien, dessenAnkunft ihm angekündigtworden war. Doch er war vorsichtig und sagte: .,Kommt übermorgen zu mir und ich werde Euch mitteilen, ob ich Euerer Bitte willfahren kann." Und er rief seine Ältesten (Kmeten) und Vladyken, und teilte ihnen seinen Trau,n und auch die Prophezeiung seiner Ahnfrau mit und zugleich die Bitte des Volkes, dessen Abgesandten bei ihm erschienen waren. Und er rügte hinzu: ,.fch will ihnen In meinem Lande Raum gewähren, denn sie werden uns Glück und Segen bringen, wie meine Ahnfr.iu Llbuscha gesagt hat. Trotzdem habe ich sie auf morgen bestellt, um vorher Euere Stimme zu hören, edle Kmcten und VladykenI" „Tue, wie Du gesagt hast, erhabener fürst", sagten diese, ,.Dein Wille Ist auch unser Wille; Llbuscha hat es so beschieden, mögen uns denn jene Männer Glück und Segen ins Land bringen." Hostivit ließ darauf den luden den Raum
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(Der miltlc.-rc TI1til des I ricdhofesJ
PARTIE MIT ~tAROACIIAI MEISELS GRAUMAL IN DEI{ MITTE.
des Alters der Gründung sowohl des Friedhofes selbst als auch der Prager jüdischen Kultusgemeinde drei vermeintlich älteste Grabsteine aus den Jahren 606, 942 und 980 n. Chr. ' angeführt, von denen später noch eingehender gesprochen werden wird. Es ist wohl außer allem Zweifel, daß ein aus dem siebenten Jahrhundert nach Christi stam• mender Grabstein ein sehr schlagender Beweis nicht bloß für das Alter der Gründung des Friedhofes in Prag auf welchemOrte immer, sondern zugleich auch für das Alter der Prager israelitischen Kultusgemeinde wäre, deren Bestand in diesem falle um volle hundert Jahre über den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Gründung Prags zurückreichen würde. Allein diese Annahme, deren Opfer nebst anderen Geschichtsschreibern und Lokalhistorikern selbst Gelasius Dobner, Jaroslaw Schaller,• Josef Schiffner• u. a. wurden, ist frühzeitigwiderlegtworden. Denn das vermeintliche Alter dieser Steine bestand nicht vor der strengen paläographischen Kritik und dem Scharfblick des ausgezeichneten Gelehrten und Prager Oberrabbbiners Salomon Jehuda Rappoport,' der als Begründer des modernen Studiums der jüdischen historischen Wissenschaften bald alle bisherigen Dogmen, die das Alter des Friedhofes nach den 3 besprochenen Steinen bestimmten, im Grunde erschütterte. Dieser Ansicht schlossen sich bald viele andre Schriftsteller an, nicht nur christliche,• sondern auch hervorragende jüdische Fachmänner - unter ihnen außer dem schon erwähnten Rabbiner Dr. Nathan Grün,° auch der Prager jüdische forscher Simeon Hock,' sowir der Rabbi Dr. M. Grünwald.8 Auch anderswo finden wir erwähnt, daß die Juden in Böhmen erst im 10. Jahrh. ansäßig waren. Als Beweis hiefür kann man die Raffolstädter Schrift aus dem Jahre 906 anführen, in der es heißt: ,.Judaei et ceteri mercatores, undecunque venerint de ista patria vel de aliis patriis (ut de Baemanis vel Moravis) justum theloneum solvant tarn de mancipiis, quam de aliis rebus, sicut semper am linken Ufer der Moldau, dort wo jetzt der A ujezd steht, als Wohnstätte anweisen. Und die luden sollen ihr gegebenesWort treu gehalten haben, denn schon der älteste böhmis,che Chronist Cosmas erziihlt, daß die Pr.tger Judenden Hostivit, als er die bekriegte, mit Geld und Nahrungsmitteln derart versorgten, daß es ihm gelang, die Deutschen aus Böhmens Gauen zu vertreiben. Siehe: Sippurim II, S. 150. In Brandeis' Jüd. Universalbibliothek. Prag. ' Es ist dies das Grab der Sarah, der Gattin des Josef Katz vom Stainme Aron, lerner der Grabstein des Vor· betcrs Josua,des Sohnes Jehudas,und das Grab der Schendl, Gattin. des Gabriel . • Beschreibung Prags 3 Band. • Böhm, Seltenheiten 5. Band. 'Siehe die hebräische Vorrede Rappoports zu der Schrift Koppelman Liebens: Ga l -Ed. 'Siehe z.B. die Schriften von Herein-Jansa: Sta.ra Praha (Alt-Prag) S. 187, Teige-Win te r-Her• mann: Prafsk6 Ghetto (Prager Ghetto) ; Prof. Ruth: Kronlka kräi. hl. mesta Prahy (Chronik der kg!. Haupt· stadt Prag) Seite 209. • Siehe dessen Schrift „Sage und Geschichte aus der Vergangenheit der israel. Gemeinde in Prag." 1888, Seite 6, wo dieser Schriftsteller sich äußert: .,Allein diese Zeugen aus altersgrauer Zeit sind durch die gelehrten Untersuchungen des hochsel. Oberrabbiners Rappoport um ein Jahrtausend,beziehungsweise700 Jahreverjüngt worden; der verew. Forscherhat nämlich unwiderleglich nachgewiesen,daß diese 3 Grabsteine dem Anfange des 17. Jahrh. angehören. Haben sich aber diese Zeugen aus der hohen Vergangenhe it unserer Gemeinde als falsch erwiesen, so findet sich ein anderer zuverliissig historischer Bericht, aus welchem sich folgern läßt, daß die Begründung der Prager jüdischen Gemeinde nicht um vieles später als die Erbauung der Altstadt in Prag (79.Sn. übt. d. Zeitr.) fällt. " Daraus geht deutlich hervor, daß dieser Autor das Alter der Grabsteine ähnlich wie Rappoport beurteilt. ' Autor der biographischen BemerkungenIn Lieben's G:al·Ed, • Siehe dessen interessante Studie: Der israelitische Friedhof zu Prag. Pascheles' Kalender J. 1889, 98- 107, wo auf Seite 103 ausdrilcklich bemerkt wird: .,Sicher ist jedoch, daß der gegenwärtig sogenannte alte Friedhof in Prag erst Grabinschriften nach dem Jahre 1389 enthlllt. Es wäre somit der terminus a quo gefunden, nach welchem wir diesem Friedhof das Alter von 500 Jahren vindizieren dilrfen." Die Ansicht der Schrift von Foges.-Podlcbrad•Altertümer der Prager Josefstadt,• Seite 23, In welcher dem Urteile Rappoports aus dem Grunde opponiert wird, weil dieserals Ahronlt den Friedhof nicht besucht habe, steht ganz vereinzelt da.
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in prioribus temporibus regum fuit." (Die Juden und andre Handelsleute, ob nun aus diesem oder jenem Lande ( aus Böhmen oder Mähren) kommend, müssen den bestimmten Zoll für Sklaven oder andere Dinge bezahlen, wie es in früheren Zeiten üblich war.) (Siehe Erben, Reg. Boh. et M. 1. Nr. 58.) Deshalb will ich hier nur der Merkwürdigkeit und der Vollständigkeit halber bemerken, daß eine andere nicht minder interessante jüdische Sage' dieser Ansicht vollkommen entspricht. Auffallend ist ferner die Tatsache, daß die ältesten glaubwürdigen Nachrichten über die Prager Juden uns als deren Sitz nicht, wie nach der allgemeinen Ansicht und der jüdischen Überlieferung anzunehmenwäre, d i c AI ts t ad t, sondern die unterhalb der beiden Burgen Prags gelegenen Gebiete bezeichnen. Nach einer dieser Versionen war schon im Jahre 1067 der Sitz der Prager juden in dem damaligen Dorfe Oujezd,• also auf der jetzigen Kleinseite. Eine zweite, etwas spätere, in der Chronik des Kosmas verzeichnete Nachricht bezeichnet uns als den Hauptsitz der Prager Juden das Wyschehrader Burggebiet." Diese geschichtliche Angabe bestätigt übrigens auch die alte Prager Formel der Rabbiner, wie sie bei Ausfertigung des sogenanntenScheidebriefesbei jüdischen Ehescheidungen• gebräuchlich ist. In dieser Formel wird ausdrücklich hinter dem Worte „Prag" stets die Bezeichnung: genannt Mezigradi, gelegen am Flusse Vltava und am Bache Botic,° angeführt. Aus dieser Formel geht klar hervor, ' Diese im „Slppurim", Bd. II., Seite, 15aus!Ührlich wieder gegebene Sageist gleichfalls einem alten Manuskript der Bibliot hek Oppenheim, die sich gegenwärtig in Oxford befindet, entnommen und erzählt über diese Gründung folgendes: „Unter der Regierung des fürsten Bolivoj, welcher im J. 900 (nach Palacky schon 871) getauft wurde, haben sich die Juden bedeutend vermehrt, so daß der ihnen zugewiesene Raum zu eng wurde, weshalb sie sich beim fürsten einen anderen Platz erbaten. Der Fürst wies ihnen tatsächlich einen anderen Platz an u. zw. am rechten Ufer der Moldau, dort, wo gegenwärtig die Judenstadt liegt. Diese große Fläche wurde der jüdischen Gemeinde vom fürsten g eschen kt und die weniger vermiigenden von ihnen wurden beim Baue ihrer Hütten vom Fürsten großherzig unterstützt. Später wurde ihnen auch in der Nähe der Judenstadt eine weite fläche zum Friedhof angewiesen. Mit dem Baue der Stadt, welche anfänglich bloß aus 30 zumeist hölzernen Hausehen best.,nd, wurde im J. 907 begonnen. Da die Baukunst zu jener Zeit In Biihmen nur wenig bekannt war, so mußten bei größeren Bauten Meister von fernher, bis aus Italien berufen werden, was aber nur dem Fürsten und einzelnen Vtadyken miiglich war. Deshalb Ist auch die erste Synagoge der Prager Israelitischen Kultusgemeinde bloß aus Holz errichltet worden. Da die Prager Juden aus dem Moskauer lande gekommen waren, kleideten sie sich nach polnischer Art und führten auch in ihrer Synagoge polnische Gebräuche ein, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. Der erste Rabbi der Prager Gemeinde hieß Reb Matehl, war in Krakau geboren und wurde durch seine Gelehrsamkeit berühmt." ' Im Jahre 1067 erlaubte Herzog Vratislav den Juden, am Oujezd (damals noch Dorf) 12 Häuser anzukaufen und sie zu bewohnen, und in demselben Jahre, am 14. Juli, übersiedelte die Hälfte von ihnen dahin. Auch die Schrift des Rabbiners Adolf Stein •Geschichte der Juden in Böhmen•, schließt sich dieser Nachricht an, sich hiefür aul die Chronik Neplach's in der Dobnerischen hist. bohem. T. IV., pag. 102 berufond. Dieser Bericht bestätigt merkwürdigerweise auch die Angaben der oberwähnten Sage aus dem Manuskript der Bibliothek Oppenheim. • Siehe auch W. W. Tomeks: Dejepis mesta Prahy (Geschichte der StadtPrag),Seite 64, Kosmas „Letopis cesky" in Tomcks Übersetzung, Prag 1882, Seite 99. Nach dieser Nachricht vom J. 1091 macht die Gemahlin Konrads Hilburg (Virbig) den König Vratislav auf den Reichtum ,der Im Prager Burggebiete und In der Wyschehrader Straße an• sässigen Juden aufmerksam, indem sie sagt: ,.Denn nirgends wirst Du Dich mehr bereichern, nirgends Dir besser aufhelfen, als im Prager Burggebiete und in der Wyschehrader Straße, Dort gibt es die an Cioldund Silberreichsten Juden, die vermögensten Kaufleute von allen Völkern, die wohlhabendsten Gctdmilnncr, dort gibt es einen Marktplatz an Beute reich und mehr als genug werden Deine Mannen dort finden." Diese Nachricht zeugt zugleich von der großen geschäftlichen Potenz der Prager Juden und von ihrem Aulbtithen in Prag, wiewohl nach den Berichten des oben zitierten Chronisten Herzog Vladistav Im J. 1076 verfügte, daß bloß 1000 Juden in Prag wohnen dürfen - ihre Zahl betrug aber damals 5250 Seelen. Siehe des Rabbiners Adolf Stein .Geschichte der Juden in Böhmen" Seite 3. • Nach .den strengen rituellen Grundsätzen muß immer der Ort, in welchem eine solche Urkunde ausgestellt ist, genau nach dem Flusse, Bache oder der Quelle, an welclilem er liegt, bezeichnet werden. • Deutsch lautet die formet wie folgt: .,Prag genannt J\lezlgradi, gelegen an dem Fluße VI ta v a", a t so nicht „Moldau", was von dem Tschcchentum der damaligen Juden zeugt,deneneinzigdieseBenennungdesflusses
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(Der nördliche Thcil des Friedhofes.)
PARTIE GEGEN NORDWEST IN DER NÄHE DER PINKAS -SYNAGOGE. \Vor dc1 Aufstellung der Steine aus dem cassirten Fricdhoflhcile.)
daß der ursprüngliche Sitz der Juden in Prag an der Moldau und dem Boticbache, also unter dem Wyschehrad lag. Mit Rücksicht auf diese zwei nicht nur vollständig glaubwürdigen,sondern auch ört• !ich so genau lautenden Angaben über die Wohnsitze der Juden in Prag ist es in der Tat fragt ich, ob man die weitere wichtige Nachricht über die Prager Juden, welche im Jahre 1142der fortsetzer der Kosmas'schen Chronik, der „Mönch von Sa za u" verzeichnet hat, etwa auf die Wohnsitze der Juden in der Prager Altstadt beziehen kann. Die Nachricht, welche in diesem falle die erste über die Ansiedlung der Juden in diesem Teile Prags wäre, lautet einfach: ,,In jenem Jahre brannten die jüdische Schule und viele Gebäude im Prager Burggebiete ab."' Wiewohl namentlich· Tomek• den Ausdruck „Prager Burggebiet" häufig auch für den Teil Prags am rechten Moldauuferanwendet, ließe sich aus dem bündigenWortlaute der Nachricht ganz gut auch auf jüdische Wohnsitze am linken Moldauufer, also auf dem eigentlichen Prager Burggebiet, schließen, worauf eben auch nicht nur jene älteren, schon zitierten Nachrichten, sondern auch die Ansichten mancher jüdischer Schriftsteller hindeuten würden.3 Deshalb ist es umsomehr zu bedauern, daß auch in den späteren Quellen jede Nachricht über die Existenz einer Begräbnisstätte und einer jüdischen Gemeinde in der Nähe der Altstadt fehlt, obwohl sonst vom Ende des elften Jahrhunderts angefangen, Nachrichten über die Prager Juden überhaupt immer bestimmter und ausführlicher in verschiedenen Quellen und Chroniken auftreten.• geläufig war. Zugleich ist aber auch diese formet ein Beleg der uralten, allgemein gebriuchlichen Benennung„Prags". Auch im hebräischen Texte wird ausdrücklich das Wort „Vltava" gebraucht. Siehe die bereits zitierte Schrift D. J. Podlebrads „Altertümer der PragerJosefstadt", Seile 6, worin ausgeführt wird, daß es in der Formel ursprünglich auch Wysehrad geheißen haben mag, was aber durch eine unbedeutendeÄnderung der hebräischen Zeichenorthographie in „Mezigrade" umgeändert worden sein dürfte. Diese Vermutung ist jedoch schon aus dem Grunde hinfällig, weil gerade solche Urkunden nach dem füd. Gesetze mit peinlichster Genauigkeit geschriebenwerden müssen. Mezigradi (= mezl hrady) dürfte sieh vielmehr auf das Gebiet .zwischen den Burgen", (Hradschin und Wyschehrad) beziehen. 1 Siehe Monachus Sazaviensls In Scrfptores rer. :boh. T. 1. pag. 339, wo gesagt wird: ,.Eodem anno synagoga Judeorum et multa aedlflcla combusta sunt in suburbio Pragensi." Siehe auch die Edition Emler•Tomek in den Pram. dej lSes.II., S. 261. ' Derselbe erwähnt jenes Ereignis auf Seite 127 seiner Geschichte der Stadt Prag mit folgenden Worten: .,Einen grclßerenSchaden erlitt das Burggebiet auf der rechten Seite der Moldau durch eine zufällige Feuersbrunst, durch welche die jüdische Synagoge und viele Häuser auf dieser Seite in Asche gelegt wurden." • Siehe die Schrift Podiebrads „Altertümer der Prager Josefstadt", Seite 8, wo angeführt wird, daß es auf der Kleinseite nicht bloß eine jüdischeGemeinde,sondern aucheine Synagoge(an der Stelle der jetzigen Gendarmerlekaserne)und einen Friedhof gab. Dieser soll sich im unteren Teile des Strah.ower Stiftgartens befunden haben. Seine Grabsteine sollen teils zu den Fundamenten der Karfsbrücke verwendet, teils an Ort und Stelle noch beim Umbaue der Gartenrotunde nach der preußischen Invasion vom J. 17# vorgefunden worden sein. Diese letzteren Angaben sind angeblich aus den Urkunden des Strahower Klosters geschöpft worden, u. zw nach Aussage des bereits verstorbenen Bibliothekars P. Adolf Fischer. Es Ist wahrlich zu bedauern, daß diese Quellen nicht verläßlicher sichergestellt sind. Sonst sind aber auch die anderen Zitierungen dieser Nachricht, welche sich z. B. auf Cosmas noch im J. 1f 24 beruft, nicht richtig. ' Mit Rücksicht darauf, daß erst in der zweiten Hallte des XIV. Jahrhunderts aus verl/iJlllchen urkundlichen Quellen die Existenz des alten jüdischen Friedhofes festgestellt ist, will ich hier In gedrängter Kürze, aber erschöpfend Alle wichtigeren Nachrichten Gber die Prager Juden bis zu jener Zell anführen, besonders lnsolernc sie in irgendeiner Weise der ö r 111c h e n Nieder fass u n g der Juden in Prag Erwähnung tun. Aus dieser Übersicht, aus welcher absichtlich alle weniger verläßlichen, namentlich die Hijekschen Angaben ausgeschieden wurden, wird sich der geehrte Leser selbst von dem absoluten Mangel tatsächlicher Nachrichten über den Friedhof selbst, wie über die Jüdische Gemeinde in der jetzigen Josefstadt überzeugen. Ich betone aber gleichzeitig, daß es nicht Aufgab c dieser Studie ist, die Geschichte der Juden in Prag überhaupt zu schreiben. - - Unter den Nachrichten aus dem Ende des XI.Jahrhunderts gibt es eine solche des Chronisten Cosmas, welcher uns im Jahre 1096, leider wieder ohne irgend eine ö rll I c he Bezeichnung, von der gewaltsamen Taufe der Prager Juden durch die deutschen und französischen Kreuzfahrer unter der Führung Walthers von Habenichts und Peters von Amlens berichtet. Vergeblich war die Einsprache des Prager Bischofs Cosmas, daß eine solche unfreiwillige Bekehrung zum
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Um so schlimmer ist es, daß dieser Mangel an Nachrichten über die Altstädter jüdische Gemeinde, wie eben gezeigt wurde, auch durch das ganze dreizehnte und vierzehnte Jahrhundert an, dauert, was desto unbegreiflicher erscheint, als gerade in dieser Zeit den Prager Juden von den böhmischen Königen' sehr w e r t vo IIe Pr i v i Ie g i e n erteilt wurden. Allein auch in diesen gewißsehr sorgfältig redigierten Urkunden findenwir nicht die geringste Erwähnung der Örtlichkeit, der die vorliegende Studie gewidmet ist. Christentum ge.gen die kirchlichen Gesetze verstoße. Jener Chronist bemerkt, daß die Juden ln wenigen Tagen wieder zu ihrer Religion zurückkehrten. Siehe Cosmas „Lct.opisy", S.108 und W. W. Tomeks: Deiepis mesta Prahy, S. 113. Derselbe Autor erzählt nach den Auszeichnungen des •Cosmas, daß im J. 1098 Fürst Bietislav, als er erfuhr, daß eine An• zahl Juden genohen sei, andere wieder heimlich ihre Reichtiimer nach Polen und Ungarn geschafft hätten, streng gegen sie einschritt und, ihr Vorgehen als Beeinträchtigung seiner Einkünfte betrachtend, befahl, daß den Prager Juden ihr Vermögen abgenommen werde. (Siehe Tomck ebcndaselbst.) -Wörtlich fiigt dann Cosmas hinzu: .,Wie viel Geld an jenem Tage den armen Juden abgenommen wurde, so viel Reichtum Ist nicht einmal aus dem In Brand gesteckten Troja am Eubocischen Gestade zusammengetragen worden." Siehe Cosmas „Lctopls". Tomcks Übersetzung 1882, Seite 109. Nur nebenbei erwähnt dann der Chronist, daß es im J. 1107 „keinen Abt, keinen Propst, weder einen Geistlichen, noch einen Laien, und auch keinen Juden, keinen Kaufmann, keinen Tuchscherer und keinen Zitherspieler gegeben habe, der dem fürsten nicht beigesteuert hätte (dem ß,orivoj nämlich, damit er dem deutschen König Heinrich IV. die zehn tausend Pfund bezahlen könne, um welche er seinen Bruder Otto In Pfand ·gegeben hatte). Siehe ebenda S. 122. Offenbar nach Cosmas teilt uns Tomek aus dem J. 1124 eine andere interessante Nachricht über die Prager Juden mit: .,In den letzten Regierungsjahren dieses fürsten brach ein neues Ungemach über die Juden herein. Nach der vorangegangenen Verfolgung zu Beginn der Kreuzfahrerkri ege wanderten nicht alle aus dem lande aus. Bald darauf mussen sie sich wieder derart erholt haben, daß sie sogar wieder großen Reichtum erwarben. Ja am Hofe Wladislaw 1. erlangte ein Jude, namens Jakob (Apella), einen so grollen Einfluß, daß seine Macht der eines Stellvertreters des fürsten gleichkam .• Siehe Tomeks Geschichte, Seite 121. Interessant ist, hier wörtlich Cosmas zu zitieren, der sich über den Juden Jakob wie folgt äußert: .,Er, derselbe, der nach der Taufe abtrünnig wurde, hat den Altar, der in ihrer Schule erbaut und eingeweiht wurde, in der Nacht zerstört ... " Es ist bedauerlich, daß hier nicht erwähnt wird, wo sich das Bethaus der 1u den, von dem hier die Rede Ist, befand. Cosmas fügt dann hinzu: .,Diesen Gottcsl/!sterer und Verbrecher ließ Fürst Wladislaw am 22. Juli einziehen und in strenge Halt setzen." Zugleich wird hier das Bestreben der Juden erwähnt, Ihn zu befreien, wofür die Juden angeblich dem Fürsten drei tausend Pfund Silber und hundert Pfund Gold erlegten. .,Der Fürst habe dann durch die Eingebung der Gnade Gottes die christlichen Sklaven von allen /uden befreit, damit hinfort kein Christ Ihnen diene." Auch hier vermissen wir alle örtll chen An gaben. Trotzdem ist diese Nachricht von großer Wichtig· kcit, da sie der erste historische urkundliche Beleg ist, in dem der Existenz einer jüdischen Synagoge in Prag Erwähnung getan wird. Es ist nur mit Rücksicht auf die verschiedenen Ansiedlungen der Juden in Prag sehr zu bedauern, daß nicht angegeben wird, wo sich dieses Gotteshaus befunden hat. Eine interessante Angabe befindet sich ferner in Tomeks Geschichte der Stadt Prag, Seite 180, wo es heißt, daß zu Ende der Regierung Wenzels 1. um das fahr 1250, den Juden von deutschen Kreuzfahrern, welche durch Böhmen in das gelobte Land zogen, neuerlich Gefahr drohte, Als sich die Juden wehrten, griffen die Kreuzfahrer zur Gewalt. Die Juden aber, vom Könige heimlich unterstützt, setz:ten sich zur Wehr und warfen die Kreuzfahrer zurück. Auch hier vermissen wir absolut jede to po gr a ph Ische An gab e. Der Vollständigkeit halber möge auch minder wichtigen Andeutungen über die Prager Juden in der bereits zitierten Schrift Tomeks, Teil 1, Seite 287, 295 und 335, Beachtung ge· schenkt werden. Eine viel ausführlichere Nachricht führt derselbe aus der Regierungszeit des Königs Johann von Luxem· burg an, welcher, da er sich stets in Geldnöten befand, am 3. Juni 1336 alle Juden in Prag und dem ganzen Königreiche durch seine Soldaten gefangen nehmen ließ. Aus dieser Gefangenschaft mußten sich die Juden durch bedeutende Summen Geldes loskaufen. Endlich gedenkt derselbe Autor auf Seite 549 der gegen die Juden gerichteten Unruhen, welche neuer• dings Im Jahre 1338 in Prag ausbrachen. Allein auch hier finden wir leider keine örtlichen Andeutungen. ' Im Jahre 1254 am 29. März gewährt der König von Böhmen Premysl Otokar II. mittelst aus Wien datierter indem er sie aus der Kompetenz der ordentllchen Ämter und Gerichte eximiert und die gegen sie geführten Klagen einem eigenen jüdischen Richter zuweist, Unter anderen enthält diese Urkunde auch folgende Feststellung bezüglich der jüdischen Friedhöfe und Gotteshäuser: "Wer einen gewaltsamen Angriff auf einen jüdischen Friedhof tun würde, soll es mit dem Leben und seinem Vermögen büßen, welches der kilniglichen Kammer verfällt.• Ebenso wird darin bestimmt, daß die Juden, wenn sie den Leichnam eines Freundes oder Verwandten von einem entfernten Orte zu Grabe tragen, von der Wegmaut befreit sein sollen. Siehe Prof. Dr. Jaromir Celakovskys : Codex juris municipalis Regnl Bohemiae 1, pag. 5. Ein ahnliches Privilegium erhielten die Br1inner Juden von Pfemysl Otokar II. im Jahre 1268.Derselbe König publizierte mit einer von Sadskä an der Elbe am 23. Oktober 1254 datierten Urkunde die zwei bekannten Bullen des Papstes lnnozenz IV., mit welchen den Christen unter Androhung der Exkommunikation aus
Urkunde allen in seinen Ländern wohnendenJuden viele Re~hte und frcihcilen,
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JOSUA 131:Nj Et-lUUA (VOIWETEI~).
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Diese unliebsame Tatsache, mit der man sich vorläufig wenigstens abfinden muß, wird übrigens ausdrücklich auch von jüdischen Schriftstellern zugegeben,' wiewohl diesen aus jener Zeit eine ganze Reihe hebräisch geschriebener jüdischer Quellen zur Verfügung steht.• Und so müssen wir uns mit allerdings viel späteren, dafür aber völlig verläßlichen Quellen begnügen, durch die mit absoluter Bestimmtheit das Bestehen des alten jüdischen Friedhofes freilich in bedeutend kleinerem Umfange als heute - in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahr• hunderts sichergestellt ist. Denn aus den Klagen der Rabbiner über die Verwüstung und Zerstörung der Judenstadt im Jahre 1389 erhalten wir zum ersten Mal eingehendereKunde über diesen Friedhof, der aller Wahrscheinlichkeit nach damals schon 1ä n g er e Z e i t bestand. In einer wunderschönen hebräischen Elegie, die bis auf unsere Tage als für das Mincha• gebet des Versöhnungstages bestimmte Selicha a (Bussgebet) überliefert ist, schildert der berühmte Rabbi Abigdor Karo jenes blutige Ereignis mit beredten Worten. In dem bedeutsamen Berichte - den selbst die nüchternsten und kritischesten Schrift, steiler' als eine gewichtige Quelle für die Existenz des Friedhofes zu Ende des 14. Jahrhunderts zitieren wird nicht nur die Verwüstung des Friedhofes, sondern auch dessen bedeutendes AI ter zur Zeit des Ereignisses selbst u. zw. mit folgenden am Schlusse der Elegie enthalt enen der Kirche verboten wird, d I e Juden zu unterdrücken, ihnen während der religiösen feste Unbill anzutun, und ihre Friedhöfe zu zerstören; besonders aber befiehlt der König in jener Urkunde seinen Beamten und der Bevölkerung, die Juden und ihre Schulen und Friedhöfe in Ruhe zu lassen. Siebe Prof. Dr. J. Cclakovsky ibidem Seite 9. Von diesen Privilegien macht auch W. w. Tomek In seiner Geschichte, 1. Teil, Seite 277 und Z79 Erwähnung. Gleiches Wohlwollen bezeugte den Juden auch der "Vater des Vaterlandes", König Karl IV., denn im Jahre 1348 gewährt er mittelst einer in Prag, vom 8. März datierten Urkunde allen Bewohnern, die sich auf der Neustadt ansiedeln, die Befreiung von allen Gieblgkclten, Steuern und anderen Lasten auf 12 Jahre (bis 1360), selbst die Juden nicht ausge, nommen; u. zw. wird diesen die Bedingung gestellt, daß sie, wenn sie sich ansiedeln, ihre Häuser gründli ch aus Stein bauen müssen. Siehe Prof. Dr. J. Celakovsky ibidem S. 83. Allein die Fürsorge dieses ausgezeichnetenböhmischen Königes um die Juden ging noch weiter; so sehen wir, daß er im Jahre 1~ mitt elst Urkunde von 30, September den Prager Juden die bereits oben erwähnten Privilegien Prcmysl Otokars bestätigt. Siehe ebenda S, 99. Der Vollständigkeit halber sei hier eine Nachricht desselben Autors auf Seite 166 und 167 über die Maut· gebühren der Juden auf der Karlsbrücke erwähnt. ' Siehe Podiebrads Altertümer der Prager Josefstadt, Seite 10. • Ich verweise hier namentlich auf die bemerkenswerten Nachrichten aus jüdischen Quellen in der bereits zitierten, ernst angelegten Schrift des Rabbiners Dr. Nathan Grüm, die er auf Seite 9- 14 anführt. Vom böhmischen Stand· punkte Ist darin die Bemerkung auf Seite 14 sehr interessant, daß die vorzüglichen und gewiegten jüdischen Talmudisten Abraham ben Asrlel und lsak Or Sarua schwierige Ausdrücke des Talmud durch böhmische Worte erläutern, woraus mit Recht geschlossen wird, dllß ihre Umgangsspracheund wahrscheinlich auch die Umgangsspracheihrer Lehrer in dieser Wissenschaft d I e b ö h m i s c h e Sprache war. Diese bemerkenswerte f!rscheinung erklärt Dr. Grün unter Hinweis auf Benjamin de Tudela, Güdemann und Zunz damit, daß in dem Li nderkomplexe, dessen äußerste Punkte Prag und Kiew bilden, und den die Juden selbst in jener Zeit mit dem Worte Kanaan bezeichneten, Juden ansässig waren, die ursprünglich mit den Handelsexpeditionen der Bulgaren zugewandert waren, wobei sie zugleich Vermittler eines regen Handelsverkehreszwischen Europa und Asien wurden. Böhmen erhielt auf diese Weise aller Wahrscheinlichkeit nach seine jüdische Bevölkerung, deren Umgangssprache die slawische war, aus den byzantinischen Lindern, Zweifellos hat diese Hypothese die übrigens Dr. Grün auch durch die eigenartigen rituellen Gebräuche der älteren Prager Synagogenbe• gründet, viel für sich, • Siehe die Schrift Dr. Nathan Grüns Seite 21, sowie die Studie Dr. M. Grünwalds in Pascheles' illust. isr. Volkskalender aus dem J. 1889,Seite 102, der sich richtig auf Josef JirecleksStudie: ,.Mitteilune von der Massakrlerung der Juden Im J. 1389 In Prag nach dem Krakauer Manuskript", (vorgetragen am 25. Oktober 1880 In der böhmischen wlssenschaftl. Gesellschaft) beruft. In dieser Quelle werden nicht nur die Angaben des R, Ablgdor Karo in allem bestätigt, sondern auch der Name des damaligen Primas der Prager jüdisdlen Gemeinde, Jonas, erwähnt, • Unter anderen auch der gewiegte Kenner der Prager Altertümer Konservator J, H er a 1n, welcher auf Seite 188 der Schrift .Att•Prag • folgendes bemerkt: .Aus den Klagen der Rabbiner über die Zerstörung der Judenstadt Im Jahre 1389 erkennen wir, daß selbst der friedhof bei den Raub- und Mordtaten aufgewühlt wurde. Das betrifft doch viel eher den Friedhof im Ghetto als jenen in der Wladislawgasse."
Worten erwähnt: ,.Die Gräber wurden ausgegraben, die Gebeine längst vermoderter Ahnen aus der Stätte des ewigen Friedens hervorgezerrt, die Grabsteine vernichtet und die Grabstätten der Erde gleichgemacht."• Die wichtigen und bedeutsamen Wo:rte: ,,Die Gebeine längst vermoderter Ahnen," liefern den Beweis, daß dort schon seit langem - also gewiß durch mehrere Menschenalter h In durch - die Juden ihre Toten beerdigten, und sie zeugen von dem bedeutend höheren Alte r des Friedhofes, der hiernach wenigstens bis in die zweite Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts zurückreichen würde, also in eine Zeit, aus welcher auch ihrem Charakter und Stil nach die benach• barte romanisch-gothische „Alt-Neu-Schule"stammt, die sicherlich mit diesem altertümlichen Friedhofe in Beziehung stand. Mit Rücksicht auf das Vorerwähnte kann man auch völlig der Ansicht Winters• beipflichten, daß die Altstädter Juden hier seit altersher ihren Friedhof hatten, während die umwohnenden Juden ihre Toten im sogenannten Judengarten (in der jetzigen Vladislavovaulice auf der Neustadt) beerdigten. Daß es sich hier ohne Zweifel um den Friedhof Im Ghetto und nicht um einen anderen jüdischen Friedhof handelt, geht aus einer anderen Stelle der zitierten wichtigen Quelle (Selicha) hervor. Es heißt da wörtlich: ,,Die in der Nähe der Altneuschule Wohnenden kamen im Bet hause mit ihren Familien und Gesinde zusammen" und weiter: ,,Diese Wüteriche haben sowohl das alte als das neue Bethaus gestürmt," 3 - woraus ersichtlich ist, daß es sich hier - worüber übrigens auch die verschiedensten Schriftsteller einig sind - um die Altneuschule und ihren Sprengel handelt. Man kann also d i ese Ereign isse weder auf die jüdische Gemeinde in der Umgebung des sog. Judengartens, (der jetzigen Wladislawgasse)• noch auf die schon mehrfach erwähnte jüdische Kolonie auf der Kleinseite beziehen. Darauf deutet übrigens auch eine andere Stelle der Elegiedes RabbiAbigdor Karo hin, wo es im deutschen Texte heißt: ,,Die in der Umgebung zerstreut Wohnendenseufzen und jammern ob ihrer
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1 So lautet die freie Übersetzung der betr. Stelle bei foge s-Podleb rad (Anhang, S. 12111.). Wörtlich über· setzt lautet der In allen Ausgaben des Prager Machzor (f-cstgebetbuch) übereinstimmende Text: ,,Sie verwüsteten die Stätte der Freiheit (d. h. den Friedhof), den Ort der Gräber meiner Ahnen; sie legten dort die Gebeine bloß und zertrümmerten meine Grabmäler; sie wühlten auf meine Tiefen und meine Höhen machten sie der Erde gleich." Immerhin beweist auoh dieser Text, sowie der Sinn der ganzen Stelle, daß es sich um einen Begräbnisort von relativ hohem Alter handelt. Vgl. auch die Skizze Dav. Liebens im: •Jahrbuch für die isr. ~ultusgemeind. Böhmens 1893. S. 109 1. ' Siehe Tcigc·Wint er-Hcrrmann: .Ghetto" Seile 6. - Darauf weist übrigens auch eine Urkunde aus dem Jahre 1403 (. Novomestsl