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German Pages 705 Year 2013
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 241
Der Allgemeine Teil des Betäubungsmittelstrafrechts Zugleich eine Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Betäubungsmittelstrafrecht seit 1982
Von
Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu
Duncker & Humblot · Berlin
MUSTAFA TEMMUZ OĞLAKCIOĞLU
Der Allgemeine Teil des Betäubungsmittelstrafrechts
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg
Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg
und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 241
Der Allgemeine Teil des Betäubungsmittelstrafrechts Zugleich eine Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Betäubungsmittelstrafrecht seit 1982
Von
Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu
Duncker & Humblot · Berlin
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Hans Kudlich, Erlangen-Nürnberg
Die Juristische Fakultät Rechts- und Wirtschaftswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14100-5 (Print) ISBN 978-3-428-54100-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-84100-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für S¸erife & Mustafa Marım Rahime & Mustafa Og˘lakcıog˘lu Süleyman Ocakog˘lu
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät des Fachbereichs Rechts- und Wirtschaftswissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen. Sie wurde mit dem Promotionspreis des Fachbereichs ausgezeichnet. Rechtsprechung und Literatur wurden bis Dezember 2012 berücksichtigt. Mein Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Hans Kudlich. Er hat mir die juristische Methodik überhaupt näher gebracht und meinen juristischen Werdegang maßgeblich beeinflusst. Bereits vor Beginn des Dissertationsverfahrens stand er mir stets zur Seite, und er schaffte es auch während der besonders vereinnahmenden Zeiten des Dissertationsprojekts durch das angenehme Klima, die hilfreichen Ratschläge und kritischen Anmerkungen, mich immer wieder aufs Neue zu motivieren. Bei Frau Privatdozentin Dr. Gabriele KettStraub bedanke ich mich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme in die Reihe „Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge“ danke ich den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder und Herrn Professor Dr. Andreas Hoyer. Besonderer Dank gilt meiner Familie. Meiner Mutter, die mich geformt und geprägt hat, meinem Vater, der stets dafür sorgte, dass es mir an nichts fehlt, sowie meiner Schwester Peribanu, die in allen Lebenssituationen für mich da war (und nicht zuletzt auch mit ihrer kritischen Durchsicht des Manuskripts einen Beitrag geleistet hat, für den ich mich nicht oft genug bedanken kann). Uttenreuth, im Februar 2013
Mustafa Temmuz Og˘lakcıog˘lu
Inhaltsübersicht Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
1. Teil Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
37
A. Begriff und Wesen des Betäubungsmittelstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Begriff des Betäubungsmittelstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Begriff des Allgemeinen Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweck des BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematik der §§ 29 ff. BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 38 40 40
B. Die Tatbestände im Einzelnen – Zugleich eine Vorschau auf die zu behandelnden Problemkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Grundtatbestand, § 29 I BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Qualifikationstatbestände der §§ 29a ff. BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassender Überblick zu den §§ 29 ff. BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . .
42 42 54 57
C. Zum Konzept der §§ 29 ff. BtMG als Nebenstrafrechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff des Nebenstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das BtMG als typisches Nebenstrafrechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Art. 1 EGStGB contra „Isolation“ des Nebenstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . .
58 58 59 60
2. Teil Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
67
A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Rechtsgüterschutz als Sinn und Zweck des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 71
B. Die von den §§ 29 ff. BtMG geschützten Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Rechtsgutsdoktrin nach herrschender Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72 72 76
C. Die Schutzgüter des BtMG im Fadenkreuz der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Individualrechtsgüterschutz – „Strafrecht zum Schutz des Menschen vor sich selbst?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Universalrechtsgüterschutz im BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
D. Gesamtergebnis und Folgen abweichender Rechtsgutskonzepte . . . . . . . . . . .
85
77 79
10
Inhaltsübersicht 3. Teil Die Anwendung der §§ 13–37 StGB auf die Deliktstatbestände des Betäubungsmittelrechts
87
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . 89 I. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 II. Vorsatz und Fahrlässigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . 230 IV. Schuld und betäubungsmittelstrafrechtliche Irrtumslehre . . . . . . . . . . . . . . . . 280 B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Tatbestand des unechten Unterlassungsdelikts im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Echte Unterlassungsdelikte im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtergebnis zum unechten und echten Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . .
326 326
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen im Betäubungsmittelstrafrecht I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Deliktsverwirklichungsstufen bei den Erfolgsdelikten des BtMG . . . . . III. Die Deliktsverwirklichungsstufen bei den schlichten Tätigkeitsdelikten des BtMG (ohne Handeltreiben als multiples Tätigkeitsdelikt) . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorbereitung, Versuch und Vollendung beim Handeltreiben als multiplem Tätigkeitsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Überlegungen de lege ferenda: Optionen der Kompensation früher Tatbestandsvorverlagerung im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Der Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gesamtergebnis zu den Deliktsverwirklichungsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
391 391 405
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorüberlegungen: Das restriktive Täterverständnis als „wackliges Fundament“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die unterschiedlichen Beteiligungsformen und ihre praktische Bedeutung für das Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtergebnis zu den Lehren von Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
527
331 385 390
426 430 507 521 524
527 533 573 623
4. Teil Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
625
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik A. Begriff und Wesen des Betäubungsmittelstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Begriff des Betäubungsmittelstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zum Begriff des Allgemeinen Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zweck des BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Systematik der §§ 29 ff. BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Tatbestände im Einzelnen – Zugleich eine Vorschau auf die zu behandelnden Problemkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Grundtatbestand, § 29 I BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 29 I Nr. 1 Var. 3 BtMG (unerlaubtes Handeltreiben) . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 29 I Nr. 1 Var. 1 und Var. 2 BtMG (unerlaubter Anbau und unerlaubtes Herstellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 29 I Nr. 1 Var. 4, 5 und § 29 Nr. 5 i.V. m. § 11 II BtMG (unerlaubte Einfuhr und Ausfuhr von Betäubungsmitteln, Durchfuhr entgegen § 11 II BtMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 29 I Nr. 1 Var. 6, 7, 8 BtMG (unerlaubtes Abgeben, Veräußern oder sonstiges Inverkehrbringen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. § 29 I Nr. 1 Var. 9, 10 BtMG (unerlaubter Erwerb, Sichverschaffen) . . . 6. § 29 I Nr. 3 BtMG (Besitz ohne zugleich im Besitz einer Erlaubnis für den Erwerb zu sein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. § 29 I Nr. 6 a, 6 b, 9 BtMG (Verschreiben, Verabreichen und zum unmittelbaren Verbrauch Überlassen entgegen § 13 BtMG) . . . . . . . . . . . . . 8. Sonstige Tathandlungen nach § 29 I BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Handeltreiben mit Pseudodrogen, § 29 VI BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Qualifikationstatbestände der §§ 29a ff. BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 29a I Nr. 1, § 30 I Nr. 2 und § 30a II Nr. 1 BtMG (Minderjährigenschutz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 29a I Nr. 2 BtMG (Handeltreiben in nicht geringen Mengen) . . . . . . . 3. §§ 30 I Nr. 1, 30a I Nr. 1, 30a II Nr. 2 BtMG (Bandenhandel und Handeltreiben mit Waffen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 37 38 40 40 42 42 43 45
46 48 48 49 50 52 53 54 54 55 55
12
Inhaltsverzeichnis 4. § 30 I Nr. 3 BtMG (Leichtfertige Todesverursachung durch Abgeben, Verabreichen und unmittelbarer Verbrauchsüberlassung) . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassender Überblick zu den §§ 29 ff. BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Zum Konzept der §§ 29 ff. BtMG als Nebenstrafrechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff des Nebenstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das BtMG als typisches Nebenstrafrechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck des Betäubungsmittelgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Akzessorietät der Regelungsmaterie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Häufige Anordnung von Fahrlässigkeitstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Art. 1 EGStGB contra „Isolation“ des Nebenstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil . . . . . . . . . . . . . . a) Funktion des Allgemeinen Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Notwendigkeit der Trennung von Allgemeinem und Besonderem Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil zueinander . 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 57 58 58 59 59 59 59 60 60 62 63 64 66
2. Teil Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
67
A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Rechtsgüterschutz als Sinn und Zweck des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 71
B. Die von den §§ 29 ff. BtMG geschützten Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Rechtsgutsdoktrin nach herrschender Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkretisierung der Rechtsgüter durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsgutsbestimmung durch das Bundesverfassungsgericht (Cannabis-Beschluss, BVerfGE 90, 145) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die klassischen Schutzgüter „körperliche Unversehrtheit“ und „Volksgesundheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Rechtsgüter für das BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72 72 73
C. Die Schutzgüter des BtMG im Fadenkreuz der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zum Individualrechtsgüterschutz – „Strafrecht zum Schutz des Menschen vor sich selbst?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Universalrechtsgüterschutz im BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Schutzgut der Volksgesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Rechtsgut „des von Rauschgift nicht beeinträchtigten, sozialen Zusammenlebens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Schutz vor Organisierter Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
73 74 75 76
77 79 79 81 82
Inhaltsverzeichnis
13
4. Jugendschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Gesamtergebnis und Folgen abweichender Rechtsgutskonzepte . . . . . . . . . . .
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3. Teil Die Anwendung der §§ 13–37 StGB auf die Deliktstatbestände des Betäubungsmittelrechts A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . I. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Strafrechtlicher Handlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragbarkeit des Handlungsbegriffs auf die §§ 29 ff. BtMG . . . . . c) Strafbarer Besitz gem. § 29 I 1 Nr. 3 BtMG – Strafbarkeit ohne Handlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sinn und Zweck der Besitzdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln – Grundlagen und Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besitz als Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auffassung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kritik in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Lagodny und Struensee – Verfassungswidrigkeit der Besitzdelikte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Lösung nach Eckstein: Das Zustandsdelikt . . . . . . . . . . . . (aa) Konzept und Rechtsnatur des Zustandsdelikts . . . . (bb) Zustandshaftung contra Verfassung . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zustandshaftung contra Allgemeinen Teil . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis zum Konstrukt des Zustandsdelikts . . (4) Rechtsdogmatische Notwendigkeit des Zustandsdelikts? . . . d) Strafbarer Besitz als echtes Unterlassungsdelikt und denkbare Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zum Begriff des „echten Unterlassungsdelikts“ . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Unterlassungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einwände gegen die Konstruktion einer Unterlassungsstrafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kriminalpolitische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Nachweiserfordernis einer strafrechtlichen Handlung? . (b) Entstehen von kriminalpolitischen Lücken, die mit Zustandshaftung erfasst werden sollten? . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis (3) Formulierungen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (4) Verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (a) Kriminalisierung durch Schaffung unverhältnismäßiger Solidaritätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (b) Das Problem der Strafbarkeit des gebotenen Verhaltens 113 e) Ergebnis für den Handlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Bedeutung und Anwendung der Kausalitätstheorien im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Objektive Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklung und Konkretisierung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . aa) Die Rechtsprechung bis in die Mitte der achtziger Jahre . . . . . . . bb) Die Kehrtwende: BGHSt 32, 262 (Heroinabgabefall) . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit: „Tatbestandsakzessorietät“ der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zurechnungsausschluss wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die grundlegende Entscheidung: BGHSt 37, 179 . . . . . . . . . . . . . bb) Die Tatbestandsmodalitäten des § 29 I BtMG und die eigenverantwortliche Selbstgefährdung – Getrennte Welten? . . . . . . . . . . . cc) Zur Indisponibilität des Rechtsguts – Allen Modalitäten gemeinsam? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis zur Einschränkung im Hinblick auf den Grundtatbestand, § 29 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Erfolgsqualifikation des § 30 I Nr. 3 BtMG – immer noch Universalrechtsgüterschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Ausführungen des BGH im Grundsatzurteil BGHSt 37, 179 bb) Der Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Trennbarkeit des Tatbestandes = Trennbarkeit des Rechtsgüterschutzes? Ein Vergleich mit anderen Strafvorschriften . (2) Trennbarkeit des Tatbestandes im Hinblick auf Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Drohender Funktionsverlust des § 30 I Nr. 3 BtMG durch Selbstgefährdungsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Telos der Norm contra Selbstgefährdungsdogmatik . . . . . . . . (a) Erfassen der Großtäter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Tod des Einzelnen als Beeinträchtigung von Kollektivrechtsgütern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118 119 119 121 122 122 124 127 128 128 129 131 133 133 134 136 136 139 140 141 141 142
Inhaltsverzeichnis (5) Zwischenergebnis zur Einschränkung i. R. d. § 30 I Nr. 3 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausnahme bei Drogenüberlassung zum Suizid? (BGHSt 46, 279) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sachverhalt und Lösungsansatz des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eigener Lösungsvorschlag für den Suizidfall im Hinblick auf § 30 I Nr. 3 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis zur Ausnahme bei Drogenüberlassung zum Suizid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Tatbestandsrestriktion durch Fallgruppen der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Gefahrrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Atypische Kausalverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die wesentliche Abweichung in der Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . bb) Fehlende Gefahrschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erlaubtes Risiko und Sozialadäquanz als Anknüpfungspunkt für eine Tatbestandsrestriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Anwendungsbereich der Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sozialadäquanz und berufsbedingtes Verhalten? . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Schutzzweck der Norm als Fallgruppe der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Exkurs: Die Einschränkung einer Strafvorschrift nach ihrem Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Risikoverringerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der Aspekt der Risikoverringerung im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis zur Risikoverringerung . . . . . . . . . . . . g) Gesamtergebnis zur objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorsatz und Fahrlässigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das vorsätzliche Betäubungsmitteldelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsätzliche Übertragbarkeit des allgemeinen Vorsatzbegriffs auf die §§ 29 ff. BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besondere Bezugspunkte und Maßstäbe des Vorsatzes im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinsamer Bezugspunkt: Betäubungsmittel i. S. d. § 1 BtMG
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143 144 145 148 149 150 150 150 152 153 154 154 155 155 156 156 156 156 158 158 158 159 164 164 166 167 167 169 170 170
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Inhaltsverzeichnis bb) Weitere Vorsatzbezugspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das unerlaubte „Handeltreiben“ mit Betäubungsmitteln und seine Einschränkung über den subjektiven Tatbestand? . . . . (2) Sonderfall „Ärzte“ und „Apotheker“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zu den Konsequenzen des Simultaneitätsprinzips im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anwendung und Berücksichtigung in der Rechtsprechung . . (2) Sonderfall „Einfuhr“ (zugleich Exkurs: Abgrenzung zur strafbaren Durchfuhr gem. § 29 I Nr. 5 entgegen § 11 I 2 BtMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auf der Suche nach der Zauberformel – Die Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Streitstand in der Lehre und höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Abgrenzung in der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur . . (1) Zur Bedeutung der Abgrenzung in der Praxis des Betäubungsmittelstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Problemkonstellationen und ihre „AT-gerechte“ Lösung durch den BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ein Indizienkatalog für die Abgrenzung im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Der dolus eventualis bezüglich nicht geringer Mengen nach § 29a I Nr. 2 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis zum subjektiven Tatbestand im Betäubungsmittelstrafrecht 2. Das fahrlässige Betäubungsmitteldelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sorgfaltspflichtverletzung und objektive Vorhersehbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Quellen der Sorgfaltspflicht und Verbotsindikation . . . . . . . . . . . . bb) Die unbewusste Fahrlässigkeit in der Rechtsprechung des BGH (1) Fahrlässige Einfuhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sonst fahrlässiger Umgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Speziell: Fahrlässige Ermöglichung des Drogenumlaufs nach § 29 I Nr. 10 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) „Todesverursachung“ – Objektive Vorhersehbarkeit und Leichtfertigkeit gem. § 30 I Nr. 3 BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis zur Sorgfaltspflichtverletzung und objektiven Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fahrlässiges Inverkehrbringen als Hauptfallgruppe der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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aa) Grundfälle des Inverkehrbringens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (1) Fahrlässiges Inverkehrbringen durch ungenügend sichere Aufbewahrung von Betäubungsmitteln und Betäubungsmittelrezepten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (2) Fahrlässiges Inverkehrbringen trotz ärztlich begründeter Verschreibung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (3) Mittelbares Inverkehrbringen durch fahrlässiges Verschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 d) Weitere Beispiele zur fahrlässigen Begehung aus der Literatur . . . . . 219 e) BGHSt 35, 57: Zum „fahrlässigen Handeltreiben“ – ein fragwürdiges Konstrukt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 aa) Die Eigennützigkeit als (subjektives) Tatbestandsmerkmal . . . . . 222 bb) Fahrlässig, aber eigennützig – ein Widerspruch in sich? . . . . . . . 223 cc) Der Wegfall des Bezugspunkts der Eigennützigkeit . . . . . . . . . . . 224 f) Systemtranszendente Überlegungen: Ein Plädoyer für die Modifikation der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 g) Ergebnis zur Fahrlässigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . 228 III. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . 230 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Überblick zu den Rechtfertigungsgründen und ihrer grundsätzlichen Relevanz im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3. Die Erlaubnis gem. § 3 BtMG: Tatbestandsmerkmal oder Rechtfertigungsgrund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Vorüberlegungen – Verwaltungsaktsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Zur Abgrenzung des Merkmals „unerlaubt“ als Tatbestands- oder Rechtswidrigkeitskomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 c) Die rechtliche Einordnung der Erlaubnis im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 aa) Die abweichenden Auffassungen in Rechtsprechung und Lehre . 239 bb) Eigener Standpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 d) Die erschlichene Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Die Anwendung der allgemeinen Rechtfertigungsgründe im Betäubungsmittelstrafrecht – insbesondere der Notstand gem. § 34 StGB . . . . 248 a) Die „unproblematischen“ Fallgruppen des § 34 StGB im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 aa) Altruistische Wegnahme oder Vernichtung von Drogen . . . . . . . . 249 bb) Keine „echte Konkurrenz“ – Rückgriff auf § 34 StGB bei nicht mehr von § 4 II BtMG gedecktem Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Zur Konstellation des Nötigungsnotstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Exkurs: Cannabis zur Schmerzlinderung und § 34 StGB . . . . . . . . . . . 260
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Inhaltsverzeichnis aa) Zur verwaltungsrechtlichen Situation: Von der „Zwickmühle“ zum „rechtspolitischen Mittelweg“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die betäubungsmittelstrafrechtliche Situation . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das gesetzlich geregelte Verfahren als Angemessenheitsbzw. Abwägungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Inkonsistente „Rechtsprechung“ vor der 25. BtMÄndV . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesamtergebnis zur Rechtswidrigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . IV. Schuld und betäubungsmittelstrafrechtliche Irrtumslehre . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anwendung des § 20 StGB beim Betäubungsmitteldelinquenten b) Zur actio libera in causa im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . 3. Weitere Schuldausschließungs- sowie Entschuldigungsgründe und ihre Bedeutung im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Irrtümer im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatsächliche Irrtümer im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Tatsachenirrtum bzgl. der Betäubungsmitteleigenschaft . . . . (1) Verwechslungen, Unkenntnis und der „Problemfall“ . . . . . . . (2) Beispiele aus der Rechtsprechung zum Irrtum über die „Betäubungsmitteleigenschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der umgekehrte Tatbestandsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige Tatsachenirrtümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtliche Fehlbewertungen im Betäubungsmittelstrafrecht im Spannungsfeld zwischen Vorsatz- und Schuldausschluss . . . . . . . . . . . aa) Rechtsirrtümer im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tatsachenkenntnis = Bedeutungskenntnis? . . . . . . . . . . . . . . . (2) Irrtum über die Notwendigkeit einer Erlaubnis . . . . . . . . . . . . (3) Irrtum über die Zugehörigkeit des Stoffes in eine bestimmte Anlage (I, II oder III?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonstige rechtliche Fehlbewertungen bei normativen Tatbestandsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenfazit: Herrschende Meinung und abweichende Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Betäubungsmittelbegriff und Verbotsirrtum gem. § 17 StGB . . . . . . . aa) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zum Kriterium der Vermeidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsprechungsanalyse – „Momentaufnahmen“ aus der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(1) Erkundigungspflicht (eigenes Nachdenken und Auskünfte) . (2) Gerichtsurteile und unklare Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Plädoyer für eine differenzierte Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vermeidbarkeit bei Irrtümern über die Aufnahme des Stoffes in die Anlagen des BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sonstige Modifikationen des Vermeidbarkeitsmaßstabs . . . . 5. Ergebnis zur Schuld im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Tatbestand des unechten Unterlassungsdelikts im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die erste Hürde: Das Einstehenmüssen für die Abwendung eines „Erfolges“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Begriff des Tätigkeitsdelikts als Pendant zum Erfolgsdelikt? . . . aa) Zum Tätigkeitsdelikt im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zur dogmatisch-terminologischen Notwendigkeit des Tätigkeitsdelikts im System der Deliktskategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die begrenzende Funktion des Erfolgsbegriffs und „entgrenzte“ Tätigkeitsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenfazit: „Deliktstrias“ Erfolgsdelikte – konkretisierte Tätigkeitsdelikte – multiple Tätigkeitsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kann der Erfolgsbegriff im StGB (in den §§ 9, 13, 78a StGB) einheitlich ausgelegt werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die herrschende Meinung und ihre „weite“ Auslegung des § 13 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Für eine etwas „engere“ Auslegung des § 13 StGB . . . . . . . . . . . . (1) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kriminalpolitische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Exkurs: Zur Nichtverhinderung von Straftaten als Unterlassungsunrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Garantenpflicht im Spiegel der Rechtsprechung zur Unterlassungsstrafbarkeit – zugleich eine Zusammenfassung der praktisch relevanten Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Beschützergarant als „Fremdkörper“ im Betäubungsmittelstrafrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Überwachergarant und seine unterschiedlichen Entstehungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die einzelnen Fallgruppen der Überwachergarantenstellung im Betäubungsmittelstrafrecht und ihre Behandlung durch die Obergerichte . . . .
326 326
319 322 323
331 333 334 334 336 341 343 345 346 348 348 349 351 353 355
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20
Inhaltsverzeichnis a) Unterlassungs(neben)täterschaft – Eine Seltenheit im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erfolgsdelikte durch Unterlassen (Inverkehrbringen, Abgabe und Einfuhr) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonderfall „Erfolgsqualifikation“ – § 30 I Nr. 3 BtMG durch Unterlassen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Exkurs: Betäubungsmittelüberlassung mit Todesfolge und Ingerenz bzgl. der §§ 212, 13; 222, 13 StGB? . . . . . . . . . . . . (a) Ingerenz aufgrund strafbaren Vorverhaltens in Fällen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung? . . . . . . . . . . . . . (b) Begrenzung der Ingerenzhaftung nach dem Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Unterlassungslösung der Rechtsprechung als Umgehung der Feststellungen bzgl. der Eigenverantwortlichkeit des Tatopfers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schlichte Tätigkeitsdelikte durch Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Beihilfe durch Unterlassen als eigenständige Fallgruppe – Das Dulden und Billigen von Betäubungsmitteldelikten als strafwürdiges Unrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Mit dir fühle ich mich sicherer“ – Gemeinsame Einfuhrfahrten bb) Die Garantenstellung des Wohnungsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Voraussetzungen der Unterlassungsstrafbarkeit (Entsprechungsklausel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Echte Unterlassungsdelikte im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein „Besitz durch (unechtes) Unterlassen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein „Gewähren und Verschaffen durch Unterlassen“? . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtergebnis zum unechten und echten Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . .
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen im Betäubungsmittelstrafrecht I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die systematisierende Funktion des § 22 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Deliktsverwirklichungsstufen und die praktische Relevanz der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbereitung, Versuch, Vollendung, Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das versuchte Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorprüfung und „Tatentschluss“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das unmittelbare Ansetzen gem. § 22 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Dreiteilung der Darstellung im Folgenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Geringe Bedeutung der Versuchsstrafbarkeit in der Praxis? . . . . II. Die Deliktsverwirklichungsstufen bei den Erfolgsdelikten des BtMG . . . . . 1. Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis a) Vollendung des Tatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Versuch trotz Grenzübertritt? Die Tatherrschaft zum Zeitpunkt des Grenzübertritts als Zurechnungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . cc) Sonderfall „Versuchsbeginn bei Mittäterschaft“: Der „Münzhändlerfall“ in betäubungsmittelstrafrechtlichem Gewand . . . . . . b) Die Bestimmung des Versuchsbereichs und die Abgrenzung zur straflosen Vorbereitung bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einfuhr zu Fuß, mittels Fahrrad oder PKW (Einfuhr auf dem Landweg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Drogen im Gepäck (Schiffs-, Bahn- und Flugreisen) . . . . . . . . . . cc) Einfuhr per Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenfazit zur versuchten Einfuhr von Betäubungsmitteln . . . . . . 2. Verfügungswechseldelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Deliktsverwirklichungsstufen bei den schlichten Tätigkeitsdelikten des BtMG (ohne Handeltreiben als multiples Tätigkeitsdelikt) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anbau und Herstellung (zum Eigenverbrauch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die sonstigen schlichten Tätigkeitsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenfazit: Streichung des § 29 II BtMG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorbereitung, Versuch und Vollendung beim Handeltreiben als multiplem Tätigkeitsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deliktstyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Vollendung des Handeltreibens und seine einzelnen Erscheinungsformen bzw. Teilakte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . a) Tatsächliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anbau/Herstellung von Betäubungsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besitzen/Lagern/Feilhalten von Betäubungsmitteln . . . . . . . . . . . (1) Ursprünglich restriktiver Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besitz als allein maßgebliches „Verhalten“? (Diebstahl als Handeltreiben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ambivalente Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Der aktuelle Trend – Wieder die Beteiligungslehre als Rettungsanker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorbereiten der Drogen zum Verkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einfuhr/Durchfuhr/Ausfuhr von Betäubungsmitteln sowie Transport im Inland (Kuriere) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Transporttätigkeiten mit Besitz von Betäubungsmitteln . . . .
21 405 405 407 411
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22
Inhaltsverzeichnis
3. 4. 5. 6.
7.
(2) Einbeziehung eines Kuriers von außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die andere Seite: Das Anwerben des Kuriers als vollendetes Handeltreiben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Finanzierung sowie sonstiger Umgang mit Tatwerkzeugen, Geräten, Fahrzeugen und Grundstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Sonstige tatsächliche Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das „klassische“ Handeltreiben als (nichtiges) Rechtsgeschäft . . . . . aa) Der „erfolgreiche An- und Verkauf“ von Betäubungsmitteln . . . bb) Die Problemfälle: Die frühe Tatbestandsvollendung beim Anund Verkauf von Betäubungsmitteln und ihre unterschiedlichen Spielarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einschränkung des Begriffs über den subjektiven Tatbestand? . . . . . . Die Versuchskonstellationen auf Basis der h. M. und ihre nicht dogmatische Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Fälle strafloser Vorbereitung (das konkretisierte Geschäft als Abgrenzungskriterium und Sperrwirkung des Anbautatbestands) . . . . . . . . . Exkurs: Beendigung des Handeltreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Nicht-„Dogmatisierbarkeit“ des Handeltreibens unter Zugrundelegung der h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsprechung als Praxis einer Manifestationstheorie? . . . . . . . b) Das ernüchternde Ergebnis (zugleich ein Zwischenfazit) . . . . . . . . . . Kritik und Alternativen – Zur „Dogmatisierung“ des Handeltreibens und zu „AT-verträglichen“ Einschränkungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Roxins Lehre vom Umsatzerfolg (Handeltreiben als Erfolgsdelikt) . . b) Handeltreiben als konkretes Gefährdungs- oder Eignungsdelikt? . . . c) Vertragstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die „umfassende Neubestimmung“ durch einen abgeschlossenen Handlungskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Eigener Vorschlag: Die Erklärungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt der Erklärungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgen der hier zugrundegelegten Erklärungslösung . . . . . . . . . . f) Die Demontage der h. M. oder: Warum das Betäubungsmittelstrafrecht keinen extensiven Begriff des Handeltreibens braucht . . . . . . . . aa) Der Klammerzusatz und seine Fehlinterpretation . . . . . . . . . . . . . bb) Der „liebgewonnene“ Begriff der Bewertungseinheit . . . . . . . . . . cc) Zur (nicht notwendig) einheitlichen Auslegung des Handeltreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gesetzgebungstechnische Friktionen – Das Malheur mit den Qualifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kriminalpolitische Bedenken: Von Strafanwendungsrecht, Nebenfolgen und Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Überlegungen de lege ferenda: Optionen der Kompensation früher Tatbestandsvorverlagerung im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Institut der tätigen Reue als Mittel zur Läuterung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Warum dem BtMG de lege lata eine tätige Reue-Vorschrift (nicht) fehlt 3. Überlegungen zur Ausgestaltung einer besonderen Strafmilderungsvorschrift im BtMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 30c BtMG-E – ein erster Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Der Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Praktisch geringe Relevanz des § 24 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: § 30 II StGB als Auffangbecken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gesamtergebnis zu den Deliktsverwirklichungsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
V.
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorüberlegungen: Das restriktive Täterverständnis als „wackliges Fundament“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die unterschiedlichen Beteiligungsformen und ihre praktische Bedeutung für das Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formen der Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Alleintäterschaft und Nebentäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbare Täterschaft, § 25 I Var. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eigenhändige Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zur Redundanz der mittelbaren Täterschaft im Betäubungsmittelstrafrecht oder: Wenn es immer einen „Täter hinter dem Täter“ gibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Mittäterschaft gem. § 25 II StGB – Ein ähnliches Bild . . . . . . . . aa) Mitwirkung im Vorbereitungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wechselseitige Zurechnung von Rauschgiftmengen . . . . . . . . . . . cc) Die Querelen rund um § 30a II Nr. 2 BtMG – Wechselseitige Zurechnung des Beisichführens einer Waffe oder eines sonstigen Gegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Exkurs: Bandenmitgliedschaft als persönliches Merkmal gem. § 28 II StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formen der Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Strafgrundtheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Notwendige Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anstiftung gem. § 26 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Objektive Voraussetzungen der Anstiftung: Bestimmen gem. § 26 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Subjektive Voraussetzungen der Anstiftung: Doppelter Anstiftervorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
507 508 511 514 518 521 521 523 524 527 527 533 533 533 535 535
537 540 541 543
544 545 546 546 546 547 550 550 551 552
24
Inhaltsverzeichnis dd) Sonderproblem: Strafbarkeit des „agent provocateur“? . . . . . . . . ee) Zwischenfazit zum Agent Provocateur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beihilfe gem. § 27 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Merkmal der Hilfeleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Förderung der Tat „im Sumpf des Handeltreibens“ . . . . . . . . cc) Beihilfe durch „neutrale“ bzw. „berufsbedingte“ Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Doppelter Gehilfenvorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auf der Suche nach einer Auflösung der faktischen Einheitstäterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rechtsprechung bis 2007 – Eine „vermutete“ Einzelaktsbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung bei An- und Verkauf von Rauschgift sowie Vermittlung von Betäubungsmittelgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgrenzung bei Anbau- und Herstellungstätigkeiten . . . . . . . . . . cc) „Ältere Kurierrechtsprechung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zur Abgrenzung beim Deponieren und Lagern . . . . . . . . . . . . . . . c) Die neuere „Kurierrechtsprechung“ (BGHSt 51, 219) – Maßgeblichkeit des Gesamtgeschäfts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenfazit zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben seit BGHSt 51, 219 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Abgrenzung nach dem hier vorgeschlagenen Modell . . . . . . . . . . aa) Auflösung der Einheitstäterschaft durch „Erklärungslösung“ . . . bb) Abwicklungshandlungen als Fälle der „sukzessiven Beteiligung“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei den sonstigen Tatmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfolgsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Transportdelikte (Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr) . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlerquelle 1: „Beihilfe“ trotz eigenhändiger Verwirklichung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlerquelle 2: „Mittäterschaft“ trotz Fehlen von Tatherrschaft („Bestell-Fälle“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Annex: Beteiligung Mehrerer während des eigentlichen Transportakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfügungswechseldelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
553 559 560 560 562 567 573 573 573 577 578 581 581 583 584 586 588 591 596 596 598 599 599 599 601 605 610 613 616
Inhaltsverzeichnis cc) Sonderfall „Besitz“ als echtes Unterlassungsdelikt . . . . . . . . . . . . b) Schlichte Tätigkeitsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anbau und Herstellung (ausgenommener Zubereitungen) . . . . . . bb) Sonstige Modalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesamtergebnis zu den Lehren von Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25 617 619 620 621 623
4. Teil Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686
Viele der (. . .) angesprochenen Möglichkeiten und Ansatzpunkte des materiellen Rechts für die Entwicklung einer Verteidigungsstrategie eröffnet das Betäubungsmittelstrafrecht nicht. Teile des Allgemeinen Teils des StGB sind hier außer Kraft gesetzt. Hans-Joachim Weider, Vom Dealen mit Drogen und Gerechtigkeit
Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit Das Betäubungsmittelstrafrecht gilt als forensisch wichtigstes Nebengebiet des Strafrechts, dessen stiefmütterliche Behandlung in der Wissenschaft nicht im rechten Verhältnis zu seiner erheblichen Bedeutung in der Praxis steht.1 Mit der kriminalpraktischen Relevanz geht eine verhältnismäßig hoch ausfallende Entscheidungsdichte einher2, die Anlass genug für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Materie wäre. Insoweit besteht ein ständiges „Aktualisierungsbedürfnis“. Aber von einem „Update“ kann im Folgenden nicht wirklich die Rede sein, da das Betäubungsmittelstrafrecht vor der Neuentfachung der Rechtsgutsdiskussion Mitte der Achtziger Jahre ein vollständiges Schattendasein in der Wissenschaft führte.3 Erst nachdem sich das „moderne“ bzw. „präventive“ Strafrecht4 1 Mit 3,9% in der polizeilichen Kriminalstatistik macht die Rauschgiftkriminalität einen beträchtlichen Anteil der Gesamtkriminalität aus, vgl. PKS 2011, S. 15. Laut Strafverfolgungsstatistik wurden im Jahre 2009 67.025 Straftaten nach dem BtMG (insgesamt) abgeurteilt, vgl. die tabellarische Auflistung bei Körner/Patzak § 29 Teil 2 Rn. 26. 2 Juris.de listet beim Eintrag „BtMG“ (für den Zeitraum zwischen 2010–2012) 366 Entscheidungen auf; beck-online.de zeigt beim gleichen Input 300 Entscheidungen an. 3 Vgl. Paeffgen in FS-BGH, S. 695 (717): „Hierbei fällt auf, dass die frühere Veröffentlichungspraxis im umgekehrten Verhältnis zur perhorreszierten Gefahr, aber auch zur statistischen Begehungshäufigkeit stand. Zwar war seinerzeit die Flut von Publikationsorganen noch nicht auf das heutige (Un-)Maß geschwappt. Aber man kann sich als Außenstehender nicht ganz des Eindrucks erwehren, man habe vielleicht aus gutem Grund die gesamte Pracht der dogmatischen Sumpfblütenflora dem etwaig kritischen Auge der wissenschaftlichen Botanisierer vorenthalten wollen.“ Zu den wenigen Ausnahmen zählen die Abhandlungen von Ellinger, Betäubungsmittel und Strafbarkeit und Becker, Betäubungsmittelgesetz – Möglichkeiten und Grenzen, welche mit der Änderung des OpiumG von 1929 zum Betäubungsmittelgesetz 1972 erschienen sind. Auf eine Darstellung der Historie der Drogengesetzgebung bis heute wird im Folgenden verzichtet, vgl. aber die Nachweise bei Fn. 5 in der Einleitung. Als weitere Ausnahme lässt sich die kriminologische Arbeit von Gülzow, Drogenmissbrauch und Betäubungsmittelgesetz nennen, vgl. noch Fn. 15 in der Einleitung. 4 Insofern wird das Betäubungsmittelstrafrecht auch von zahlreichen „allgemeinen“ Abhandlungen aufgegriffen die sich mit „modernen“ Straftatbeständen bzw. mit dem Begriff des Rechtsguts auseinandersetzen, vgl. nur Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter,
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Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit
als eigene Begriffskategorie fest etabliert hatte, wuchs das Interesse für das Betäubungsmittelstrafrecht als „Vorreiter“ 5 dieser „Deliktskategorien“.6 Die hierzu erschienenen Abhandlungen haben aber einzelne – wenn auch zentrale – Begrifflichkeiten des materiellen Betäubungsmittelstrafrechts im Fokus (wie die Tathandlung des Handeltreibens gem. § 29 I BtMG7, die Einfuhr8, die Bande gem. § 30 I Nr. 1 BtMG 9 oder „die nicht geringe Menge“ 10) oder behandeln den sankS. 142 ff.; Hesel, Modernes Strafrecht, S. 268 ff.; Anastasopolou, Deliktstypen, S. 261 ff., 303 f.; Wohlers, Deliktstypen, S. 178 ff., 197 ff.; Heghmanns geht in seiner Abhandlung zu Straftatbeständen zum Schutz von Verwaltungsrecht verhältnismäßig knapp auf das Betäubungsmittelrecht ein, was wohl auch damit zusammenhängt, dass das Betäubungsmittelrecht mehr als „Nebenstrafrecht“, denn als Verwaltungsrecht angesehen wird, vgl. Grundzüge, S. 126 f. 5 Hassemer KJ 1992, 64 (65). Zur Geschichte des deutschen BtMG vgl. die Zusammenfassung bei Körner/Patzak Einl. Rn. 1 ff.; Weber Einl. Rn. 1 ff., insbesondere zum Einfluss der US-amerikanischen Drogenpolitik Beke-Bramkamp, S. 1 ff. sowie Rommeney, FS-Heinitz, 1972, S. 611. 6 Wobei man allerdings auch einräumen muss, dass das Betäubungsmittelstrafrecht nicht von Anfang an – jedenfalls nicht derart – extensiv ausgestaltet war, bzw. nicht quantitativ solch einen hohen Stellenwert einnahm, wie dies heute der Fall ist. § 10 OpiumG sah Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor und auch der Besitz war nicht von der Strafvorschrift erfasst, vgl. hierzu auch Wohlers, Deliktstypen, S. 178 f.; Hesel, Modernes Strafrecht, S. 268; Hug-Beeli ZStR 115 (1997), 249 (251). 7 Hierzu Schwitters, Die Vorverlagerung der Strafbarkeit beim unerlaubten Handeltreiben im Betäubungsmittelstrafrecht (1998) sowie Bensch, Der Begriff des Handeltreibens im Betäubungsmittelgesetz (2005). Ausführlich Weber, Der Begriff des Handeltreibens, der allerdings nicht beim Betäubungsmittelstrafrecht stehenbleibt, sondern alle Normen mit einbezieht, die den Begriff als Tathandlung nennen. Ferner zum Handeltreiben auch Ebert, Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 I 1 Nr. 1 BtMG – Die Auslegung des Begriffs „Handeltreiben“ mit Betäubungsmitteln, dargestellt an der Strafbarkeit des Versuches, 1997. Auch Weider stellt die materiellen Unzulänglichkeiten des Betäubungsmittelstrafrechts in seiner Dissertation dar. Seine Arbeit „Vom Dealen mit Drogen und Gerechtigkeit“ (2000), aus der auch das Anfangszitat stammt, ist aber aus der Verteidigerperspektive geschrieben und berücksichtigt somit auch prozessuale Besonderheiten des Betäubungsmittelstrafverfahrens. Kurz vor Annahme der vorliegenden Abhandlung ist die Arbeit von Skoupil (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, 2012) publiziert worden, welche somit die aktuellste Arbeit zum materiellen Betäubungsmittelstrafrecht darstellt und insbesondere auch schon die Entscheidung des Großen Senats (vgl. noch im Folgenden) berücksichtigt. Insofern wird an den entsprechenden Stellen auf Überschneidungen bzw. Übereinstimmungen an entscheidenden Punkten der Abhandlung (dies betrifft aufgrund der sektoralen, aber dafür detaillierteren Betrachtung, sowohl bei Weber als auch bei Skoupil allerdings die Punkte „Rechtsgüterschutz“ und „Deliktsverwirklichungsstufen beim Handeltreiben“ zu 3. Teil C. IV., S. 430 ff. 8 Vgl. die Habilitationsschrift von Nestler zur „Transferkriminalität“, welche sich umfassend mit Phänomenologie, Dogmatik und formalen Rahmenbedingungen der Verbringungsverbote auseinandersetzt, im Erscheinen 2012. Auch Mack „pickt“ sich in seiner Arbeit zur Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch im Wirtschafts- und Nebenstrafrecht die Einfuhr und das Handeltreiben als „praktisch wichtigste“ Beispiele heraus. 9 So beispielsweise Rossmadl, Die Qualifikationstatbestände bei Bandenmitgliedschaft im Betäubungsmittelstrafrecht (§§ 30 I Nr. 1, 30a I BtMG).
Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit
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tions- bzw. strafzumessungsrechtlichen Bereich: Genannt seien das Zurückstellungsverfahren gem. §§ 35 ff. BtMG11, die Strafmilderung durch Aufklärungshilfe gem. § 31 BtMG12 oder die Einstellungspraxis nach den §§ 31a ff. BtMG.13 Erschienen sind zudem rechtsvergleichende Arbeiten.14 In kriminologischen Abhandlungen stehen die effektive Bekämpfung der Drogenkriminalität und Suchtprävention im Vordergrund.15 Auf die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG in ihrer Gesamtheit und die hierzu entwickelte Dogmatik geht man zumeist nur in Handbüchern für die Praxis und den gängigen Kommentaren ausführlicher ein.16 Dies mag zunächst ein wenig verwundern, da das Betäubungsmittelstrafrecht mit seinen besonderen Strukturen durchaus Anlass dazu gibt, die einzelnen Strafvorschriften genauer unter die Lupe zu nehmen und mit anderen neben- sowie kernstrafrechtlichen Regelungen zu vergleichen.
10 Haberl, Nicht geringe Mengen im Betäubungsmittelgesetz, ausführlich ab S. 21; Cürten, Nicht geringe Menge, S. 41 ff. 11 Becker/Van Lück, Die Therapievorschriften des BtMG, eine Effektivitätsanalyse; Egg, Die Therapieregelungen des Betäubungsmittelrechts – deutsche und ausländische Erfahrungen. 12 Buttel, Kritik der Figur des Aufklärungsgehilfen im Betäubungsmittelstrafrecht (§ 31 BtMG). Jeßberger, Kooperation und Strafzumessung. Der Kronzeuge im deutschen und amerikanischen Strafrecht, 1999; Mehrens, Die Kronzeugenregelung als Instrument zur Bekämpfung organisierter Kriminalität, 2001; Jäger, Der Kronzeuge unter besonderer Berücksichtigung von § 31 BtMG, 1986; Bocker, Der Kronzeuge, 1991; Mühlhoff/Mehrens, Das Kronzeugengesetz im Urteil der Praxis, 1999; Jung, Straffreiheit für den Kronzeugen?, 1974; zuletzt zur neu eingefügten „allgemeinen Kronzeugenregelung“ die Dissertationsschrift von Kneba, Die Kronzeugenregelung des § 46b StGB, 2011. 13 Aulinger, Rechtsgleichheit und Rechtswirklichkeit bei der Strafverfolgung von Drogenkonsumenten: Die Anwendung von § 31a BtMG im Kontext anderer Einstellungsvorschriften; mit Fragen der Gewinnabschöpfung befasst sich Schultehinrichs, Gewinnabschöpfung bei Betäubungsmitteldelikten – Problematik der geplanten Vorschrift über den erweiterten Verfall, 1991. 14 Hierzu beispielsweise Siebel, Drogenstrafrecht in Deutschland und Frankreich, 1997; sowie Schütz-Scheifele, Betäubungsmittelstrafrecht in der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien aus rechtsvergleichender Sicht, 1988; Reeg, Die Bekämpfung der organisierten Betäubungsmittelkriminalität im spanischen Strafrecht, 1992. 15 Egg, Drogenmissbrauch und Delinquenz, 1999; Stübing, Drogenmissbrauch und Drogenabhängigkeit, 1984; Altrock, Geschichte, Gegenwart und Perspektiven der Drogenpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Erwähnung bedarf noch die empirische Abhandlung von Knötzele, Strafjustizielle Entscheidungsfindung in Drogenstrafrecht und Drogentherapie – Ergebnisse einer Befragung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, 1996. 16 Weber § 29 Rn. 1 ff.; Malek, Betäubungsmittelstrafrecht Rn. 1 ff.; Körner/Patzak § 29 Teil 2 Rn. 1 ff.; Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 1.1. Patzak/Volkmer Betäubungsmittelrecht, Rn. 1 ff.; Franke/Wienroeder § 29 Rn. 1 ff.; in Strafrechtslehrbüchern ist selbst eine knappe Auseinandersetzung mit dem Betäubungsmittelstrafrecht eine absolute Ausnahmeerscheinung, etwa Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2 § 56 Rn. 20 ff.
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Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit
Es mag die von Anfang an beständige höchstrichterliche Rechtsprechung gewesen sein, welche die Wissenschaft von gründlicheren Abhandlungen zu den §§ 29 ff. BtMG abhielt: Die konstante Judikatur des BGH (vor allem im Hinblick auf die zentrale Tathandlung des „Handeltreibens“) ließ Rechtswissenschaftlern kaum eine Chance, durch innovative Vorschläge neue Impulse zu setzen; vielmehr war man auf rechtsvergleichende bzw. rechtshistorische Analysen beschränkt, die den „Praktiker“ wenig interessierten. Dieser „Alleingang“ der Rechtsprechung im Betäubungsmittelstrafrecht war der Anstoß für die von Verteidigern und Strafrechtswissenschaftlern mit Argusaugen beobachtete Entwicklung des Betäubungsmittelstrafrechts zu einem Rechtsgebiet mit „seinen ganz eigenen Regeln“, obwohl nach Art. 1 EGStGB die allgemeinen Vorschriften des StGB auch im Nebenstrafrecht Geltung beanspruchen. Teils war schon von „verderblicher Isolation“ des Betäubungsmittelstrafrechts die Rede17, als der Dritte Strafsenat mit seinen Beschlüssen vom 10.07.200318 und 13.01.200519 erstmals die – wegen ihrer 70 Jahre währenden Kontinuität unantastbar anmutende – Rechtsprechung anzuzweifeln begann und die seit ebenso langer Zeit bestehenden Bedenken aus der Literatur aufgriff.20 Die Kritik bezog sich hauptsächlich auf die extensive Interpretation der zentralen Tathandlung „Handeltreiben“, die eine derart extreme Subjektivierung mit sich bringe, dass eine Anwendung der allgemeinen Regeln zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, Versuch und Vollendung unmöglich sei.21 Daher schlug man einen an das Waffenrecht angelehnten, kasuistischen Katalog vor, der den Begriff des Handeltreibens näher konkretisieren und den Tatbestand auf diesem Wege bestimmter machen sollte. Der Große Senat wies diese Konzeption mit „großem“ Begründungsaufwand zurück, wodurch der angestrebte Neuanfang fehlgeschlagen schien.22 Doch jene Niederlage des Dritten Senats „nach Punkten“ hatte einen weitaus größeren Effekt, als zunächst vermutet: Bereits im gleichen Beschluss betonte der Große Senat, dass die Vorschriften des Allgemeinen Teils im BtMG unmittelbare Anwendung finden müssen und plädierte für eine angemessene Berücksichtigung der dort geltenden Regeln.23
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Köhler MDR 1992, 739. BGH StV 2003, 501, 619; BGH NStZ 2004, 105. 19 BGH NJW 2005, 1589, StV 2005, 334. 20 Vgl. die ausführliche Darstellung dieser Entwicklung ab 3. Teil C. VI. 4., S. 493 ff. 21 Roxin StV 1992, 517; Paul StV 1998, 623; Endriß/Kinzig NJW 2001, 3217; Kreuzer, FS-Miyazawa, 1995, S. 177 (185); Zaczyk JR 1998, 256; Liemersdorf/Miebach MDR 1979, 981; Weider, Deal, S. 15 ff. 22 BGHSt 50, 252. 23 So auch das erste Resümee von Weber BtMG in seinem Vorwort zur dritten Auflage. Den Bemühungen in der Kommentarliteratur – insbesondere auch von MK-StGB/ Kotz/Rahlf – bei einer Systematisierung des BtMG stets den Rahmen des Allgemeinen Teils zugrunde zu legen, muss stets ausreichend Tribut gezollt werden. 18
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Die Arbeit hat damit zum Gegenstand, inwieweit die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB sowie die hierzu entwickelten Lehren im Betäubungsmittelstrafrecht de lege lata überhaupt eingehalten werden können, und inwiefern die Rechtsprechung sie tatsächlich berücksichtigt. Damit unterscheidet sich die Arbeit von den bisher erschienenen Abhandlungen zum materiellen Betäubungsmittelstrafrecht, welche aus einer systemkritischen Position heraus operieren. Sie stehen der staatlichen (Drogen-)Gesetzgebungspolitik und dem häufigen Rückgriff auf Gefährdungsdelikte grundsätzlich kritisch gegenüber und ziehen die entstehenden Friktionen innerhalb der Dogmatik des Allgemeinen Teils als Anzeichen dafür heran, dass das Betäubungsmittelstrafrecht nicht mit einem liberalen bzw. rechtsstaatlichen Strafrecht vereinbar sei.24 Die vorliegende Abhandlung wird diese systemkritischen Erwägungen nicht vollständig ausblenden, umgekehrt soll ihre Aufgabe nicht darin bestehen, sie schlicht zu repetieren. Der „wissenschaftliche“ Teil der Arbeit (sprich: derjenige mit Erkenntniswert) kann also erst ab bzw. parallel zu dieser Feststellung beginnen, wobei man nun zwei Wege beschreiten könnte. Die radikale Lösung wäre eine umfassende Neukonzeption des geltenden Rechts, das nicht nur die Strafvorschriften, sondern die Normen des Betäubungsmittelrechts überhaupt beträfe. Diesen Beitrag kann der Verfasser – soweit er wirklich zielführend und ernsthaft sein soll – schon mangels Berufserfahrung und des damit einhergehenden interdisziplinären Fundus im Bereich der Drogendelinquenz nicht leisten. Aber im Hinblick darauf, dass weder 24 Dies gilt insbesondere für die Dissertation von Lang, Betäubungsmittelstrafrecht – dogmatische Inkonsistenzen und Verfassungsfriktionen. Die Arbeit unterscheidet sich sowohl in der Zielsetzung als auch in der Vorgehensweise wesentlich von der vorliegenden Abhandlung, da sie die dogmatische Inkonsistenz des Betäubungsmittelstrafrechts nicht anhand des allgemeinen Verbrechensaufbaus herausarbeitet, sondern in Beziehung zum verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 II GG und Rechtsgutsbegriff stellt. Die Unverträglichkeit der materiell-rechtlichen Vorschriften unter der Überschrift „Probleme im Zusammenhang mit einzelnen Tatbeständen“ (also dem Hauptgegenstand dieser Untersuchung) macht dort einen von S. 185–262 bearbeiteten Unterpunkt aus, in dem exemplarisch, ebenso wie in der Arbeit von Mack, die praktisch wichtigen Tathandlungen der Einfuhr und des Handeltreibens „herauspickt“ werden, um hieran die dogmatischen Inkonsistenzen aufzuzeigen. Insofern können an den entsprechenden Stellen die Ergebnisse von Lang und Mack den Ergebnissen hier gegenübergestellt werden, soweit sich interessante Überschneidungen oder umgekehrt abweichende Ergebnisse vermerken lassen. Ebenfalls aus verfassungsrechtlicher Perspektive – allerdings konkret am Cannabisbeschluss des Bundesverfassungsgerichts aufgehängt – betrachtet Büttner, Verfassungsrechtliche Bewertung, das Betäubungsmittelstrafrecht. An einem systemkritischen Rechtsgutsbegriff orientieren sich auch die neuere Abhandlung von Pasedach, Verantwortungsbereiche wider Volksgesundheit: Zur Zurechnungs- und Rechtsgutslehre im Betäubungsmittelstrafrecht, 2012 und die Analyse von Haas, Volksgesundheit, S. 86 ff. sowie Wang, Drogenstraftaten, S. 143 ff. Einen Mittelweg schlägt die „verteidigende“ Abhandlung von Weber ein, die alle Einwände gegen das Handeltreiben zurückweisen will, und somit sowohl auf die rechtsgutsbezogenen bzw. systemkritischen Einwände als auch auf die dogmatischen Friktionen eingeht. Skoupil blendet dagegen die Rechtsgutsproblematik weitestgehend aus und ist insofern näher am hier zugrundegelegten Konzept, wenn er sich mehr mit Fragen des Deliktstypus und der Anwendung der Allgemeinen Vorschriften befasst, vgl. Handeltreiben, S. 67 ff.
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der Gesetzgeber noch die Judikatur Interesse an solch einer vollständigen Reform des Betäubungsmittelrechts haben dürften,25 ist die Wahl des zweiten Pfads auch im Interesse der Praxis. Auf diesem vermittelnden Weg gilt das kritisch betrachtete System und man muss der Überlegung nachgehen, an welchen Stellschrauben der lex lata gedreht werden muss, um – plakativ und aus dem Blickwinkel eines Kritikers ausgedrückt – „das Beste“ für den Rechtsstaat herauszuholen oder – etwas ketzerisch formuliert – „zu retten, was noch zu retten ist“. Das Drehen an diesen „Stellschrauben“ kann kleinere, vom Gesetzgeber vorzunehmende Modifikationen mit sich bringen, die keinen Systemwandel voraussetzen. Überlegungen de lege ferenda werden dementsprechend gleichwohl auftauchen. Gegen solch einen Ausgangspunkt könnte man einwenden, dass die Dogmatik des Strafrechts nicht „unverrückbar“ ist und der Gesetzgeber sich folglich nicht an der bestehenden Dogmatik zu orientieren hat, sondern – demokratisch legitimiert – allein an grund- und verfassungsrechtliche Schranken gebunden ist, Art. 103 II GG. Ebenso wie man einen systemkritische Leistungsfähigkeit des Rechtsgutsbegriffs anzweifeln kann, gibt es auch „dogmatikkritische“ Haltungen, welche die hier gewonnenen Ergebnisse keinesfalls für zwingend halten dürften.26 Doch das müssen sie auch nicht. Abgesehen davon, dass eine in sich stimmige Dogmatik zur Bestimmtheit der Rechtsanwendung beiträgt und somit als Teilaspekt in das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot hineingelesen werden könnte, geht es der vorliegenden Abhandlung auch nicht darum, zwingende Schlüsse für die derzeitige Rechtslage aus verfassungsrechtlicher Perspektive zu ziehen, sondern Hinweise für eine optimierte Rechtsanwendung zu liefern. Wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber idealtypisch gerade dann, wenn dogmatische Friktionen entstehen, gehalten ist, diese durch eine „Anpassung“ aufzuheben27, kann es im Folgenden nur darum gehen zu einer Rechtsanwendung beizutragen, die jedenfalls besser mit der Verfassung vereinbart werden kann.28 25
Jedenfalls nicht im Sinne der systemkritischen Stimmen. Vgl. hierzu zuletzt Vogel StV 2012, 427 zur Frage von Unrecht und Schuld in einem Unternehmensstrafrecht. Dabei wird deutlich, dass zwischen „zugrundegelegter Dogmatik“ und Dogmatik, die sich aus bereits existierenden Normen entwickelt hat, differenziert werden muss; zum Einfluss der Rechtswissenschaft auf die Entwicklung einer Dogmatik und der Rollenverteilung zwischen Lehre einerseits Gesetzgeber und Rechtspraxis andererseits Schuhr, Rechtsdogmatik, S. 63, 92 ff. 27 Wie er dies etwa bei den §§ 153 ff. StGB getan hat, vgl. zu Fragen von Täterschaft und Teilnahme bei Aussagedelikten nur Kudlich/Henn JA 2008, 510. 28 Insofern ist schließlich auch die hier zugrundegelegte Verbrechenslehre (beginnend beim dreistufigen Deliktsaufbau hin zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen der Straftat) ständig im Fluss und entwickelt sich durch unterschiedlichste Streitpunkte an verschiedenen Stellen stetig fort. „Es gib keine Verbrechenslehre, die mehr sein kann als ein vergänglicher Entwurf“ (Jescheck/Weigend AT, S. 216, zit. von T. Walter, Kern des Strafrechts, S. V.), doch „eine Krisis der Grundbegriffe“, wie sie beispielsweise T. Walter anstrebt (oder auch Rotsch, der in seiner Habilitationsschrift „Einheits26
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Schließlich können ähnliche Argumentationsmuster aus verschiedenen Ansatzpunkten resultieren. Die Vorschriften des BtMG (vor allem die Tathandlung des Handeltreibens) ließen sich insofern auch aus dem Blickwinkel des Art. 103 II GG oder dem Schuld- oder Verhältnismäßigkeitsgrundsatz29 kritisieren bzw. begutachten.30 Wenn sich die Arbeit im Folgenden ausschließlich auf die Vereinbarkeit der Vorschriften mit dem „Allgemeinen Teil“ konzentriert, bedeutet dies nur die Wahl eines konkreten Ansatzpunkts, welcher die „Verletzung“ derartiger Grundsätze auf der Metaebene sogar deutlicher zu Tage treten lassen kann.31 Um auf das Eingangszitat zurückzukommen: Im Kern geht es also um die Frage, ob sich Weiders Behauptung bestätigen lässt, wonach Teile des Allgemeinen Teils im Betäubungsmittelstrafrecht „außer Kraft gesetzt“ sind.32 Dies wird sich erst nach einer Auswertung der seit 1982 ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum BtMG ergeben, und es wird sich herausstellen, ob das Betäubungsmittelstrafrecht tatsächlich ein „Eigenleben“ zu entwickeln droht, bzw. wie man solch einer Entwicklung vorbeugen kann, und welche Auswirkungen der Beschluss des Großen Senats auf die Judikatur der Instanzgerichte bis dato hat oder noch haben könnte. täterschaft statt Tatherrschaft“, 2009, für eine Abkehr von einem differenzierten Beteiligungsformensystem plädiert), hat nur Sinn, wenn diese Grundbegriffe de facto Geltung beanspruchen. Umgekehrt kann man aus den entstehenden Friktionen bzw. der „de facto-Nichtgeltung“ auch Rückschlüsse darauf ziehen, inwiefern die zugrundegelegte Dogmatik ihrerseits womöglich einer „Frischzellenkur“ bedarf. In diesem Zusammenhang wird aus dem Vorwort der Habilitation von T .Walter ein weiteres Zitat „abgespickt“, welches das Ziel der vorliegenden Abhandlung auf den Punkt bringt, namentlich von Tiedemann JZ 1980, 490: „Nur die Strafrechtsdogmatik kann die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit des strafrechtlichen Urteils und so seine Rechtsstaatlichkeit sichern.“ Oder wie es eben T. Walter, Kern des Strafrechts, S. VIII selbst ausdrückt: „Die Verbrechenslehre ist die Grundlage der Strafrechtsdogmatik und mit den Regelungen zum Irrtum nicht weniger als der Kern des Strafrechts“. 29 Vgl. etwa Gaede StraFo 2003, 392 (393, 394). 30 Weber beispielsweise verteidigt die extensive Auslegung des Handeltreibens gegenüber diesen zwei Einwänden, Handeltreiben, S. 243 ff.; vgl. bereits Fn. 24 in der Einleitung. 31 Anders gewendet: Art. 103 II GG erscheint mir als Anknüpfungspunkt zu abstrakt, als man eindeutige Schlüsse aus dessen behaupteter Verletzung ziehen könnte. Solch ein Ansatz hat bei einer systemkritischen Betrachtung den Vorteil, dass man ein ganzes „Arsenal“ an Argumentationssträngen zur Verfügung stehen hat und das Betäubungsmittelstrafrecht nicht eindimensional, sondern „aus verschiedensten Perspektiven“ begutachtet und kritisiert werden kann, vgl. die Abhandlung von Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, der sowohl rechtsgutsbezogene, rechtsdogmatische als auch einzelne Sonderaspekte des Bestimmtheitsgebots im Betäubungsmittelrecht aufgreift, man denke an den Begriff der nicht geringen Menge, oder an die Verordnungsermächtigung, S. 93 ff., 149 ff., 185 ff., 211 f., 226 ff.; zum Problem „unvollständiger Listen“ Og˘lakcıog˘lu StV 2011, 545. Hier werden derartige „Baustellen“ als aus dem positiven Recht resultierende Phänomene ausgeblendet bzw. nur mittelbar aufgegriffen, als sie die Anwendung der §§ 13 ff. StGB betreffen. 32 Weider, Deal, S. 15, die Untersuchung beginnt knapp zehn Jahre später nach Erscheinen dessen Monographie im Jahre 2000.
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Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit
Um eine umfassende und differenzierte Betrachtung zu gewährleisten, beschränken sich die Ausführungen nicht auf die Tathandlung des Handeltreibens.33 Vielmehr muss die Analyse sich auch auf die anderen Tatbestandsmodalitäten der §§ 29 ff. BtMG und deren Verträglichkeit mit dem Allgemeinen Teil des StGB beziehen.34 Aus der Perspektive des Allgemeinen Teils heraus betrachtet beschränken sich die Ausführungen nicht auf die „neuralgischen“ Punkte, also auf die Deliktsverwirklichungsstufen und die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Vielmehr gilt es, den gesamten strafrechtlichen Verbrechensaufbau, angefangen bei allgemeinen Zurechnungsfragen, über den Vorsatz, zur Rechtswidrigkeit bis hin zur Schuld abzuarbeiten, um erst im nächsten Schritt die besonderen Erscheinungsformen der Straftat unter die Lupe zu nehmen. Dann kann die „dogmatische Friktion“ jeweils an der passenden Stelle des Verbrechensaufbaus dargestellt und aufgelöst werden. Schon bei denkbar einfachen bzw. selbstverständlichen Zurechnungsfragen können Probleme entstehen; vorweggenommen sei der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln, wo es bereits angreifbar erscheint, von einer Tat-„Handlung“ zu sprechen. Wie ist es um Irrtümer über die „Betäubungsmitteleigenschaft“ bestellt? In welchem Verhältnis stehen behördliche Erlaubnis und der rechtfertigende Notstand? Sind die Überlegungen zur actio libera in causa auf das Betäubungsmittelstrafrecht übertragbar? Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit bei Betäubungsmitteldelikten? Kann es einen Anbau oder ein Verschreiben durch Unterlassen geben? All diese Fragestellungen dürften deutlich gemacht haben, dass über die Fragen der Versuchsstrafbarkeit und Lehren von Täterschaft und Teilnahme hinaus noch zahlreiche weitere „Nebenkriegsschauplätze“ existieren, deren Behandlung schon deswegen von Bedeutung ist, weil die Strukturgleichheit des Nebenstrafrechts bzw. die Ubiquität bestimmter Gesetzgebungsprinzipien35 eine Übertragung der hier gewonnenen Ergebnisse auf andere „verwandte“ Vorschriften ermöglicht, etwa auf das Waffen- oder Arzneimittelrecht. Die Untersuchung wird ergeben, in welchen Bereichen des BtMG eine „Anpassung“ im Hinblick auf den Allgemeinen Teil des StGB notwendig ist, bei welchen Tathandlungen entstehende Friktionen vermieden werden können, und welche Modalitäten keine Schwierigkeiten bereiten. Dies entspricht auch dem Ziel der Abhandlung: Die gewonnenen Erkenntnisse für eine Rechtsprechungsprognose zu verwerten, bestehende Vorschläge für eine andere Interpretation des Ge-
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So in der Dissertation von Weber, Handeltreiben. Insofern werden sich mit den Arbeiten von Nestler, Transferdelikte, Mack, Abgrenzung, und Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, an bestimmten Stellen Überschneidungen ergeben; da jede Arbeit allerdings einen anderen Schwerpunkt hat, siehe Fn. 7, 8 und 24 der Einleitung wird es eben nur bei „Überschneidungen“ bleiben. 35 Man denke an die Ausgestaltung als schlichte Tätigkeitsdelikte, den Erlaubnisvorbehalt sowie den häufigen Rückgriff auf die Blanketttechnik, zum Ganzen Kudlich/ Og˘lakcıog˘lu, Rn. 36 ff. 34
Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit
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setzeswortlauts (als derzeit) kritisch zu prüfen und „im Notfall“ auf Vorschläge de lege ferenda zurückzugreifen. Somit ergibt sich folgender Gang der Arbeit: Im ersten Teil erfolgt eine kurze Darstellung der Strafnormen des BtMG, wobei die Tathandlungen definiert werden, welche im Hinblick auf die verschiedenen Komplexe des AT genauerer Untersuchung bedürfen. Die knappe Zusammenfassung der §§ 29 ff. BtMG ermöglicht es zudem, erste Überlegungen zu den Deliktsstrukturen und Gesetzgebungsprinzipien im Betäubungsmittelstrafrecht anzustellen. Zudem gilt es zu klären, warum das Betäubungsmittelstrafrecht als Nebenstrafrechtsgebiet konzipiert wurde, was überhaupt unter dem Begriff des Nebenstrafrechts zu verstehen ist, und – für die weitere Bearbeitung des Themas von entscheidender Bedeutung – ob und welchen Geltungsanspruch der Allgemeine Teil des StGB überhaupt hinsichtlich der formellen Straftatbestände hat. Im zweiten Teil erfolgt eine Zusammenfassung der Schutzgüter des Betäubungsmittelstrafrechts, wobei diesem Abschnitt nur die Funktion von „Hintergrundwissen“ zukommen kann, welches die Behandlung bestimmter Problemkomplexe bzw. die Auslegung und Anwendung der Straftatbestände durch die Rechtsprechung besser nachvollziehen lässt, umgekehrt aber auch aufzeigen soll, auf welch tönernen Füßen die Praxis des Betäubungsmittelstrafrechts ohnehin steht. Wie bereits erläutert, handelt es sich vorliegend um eine dogmatische Analyse, bei der man das Fundament der herrschenden Meinung zugrundelegen muss, wenn hierbei praktikable Ergebnisse erzielt werden sollen. Diese Analyse erfolgt im anschließenden Kernstück der Abhandlung, welche sich an der herrschenden Verbrechenslehre (und somit auch am dreistufigen Deliktsaufbau sowie den anerkannten besonderen Erscheinungsformen der Straftat) orientiert. Die Arbeit beginnt „klassisch“ und in gewissem Grade auch lehrbuchartig mit dem „vorsätzlichen, vollendeten Begehungsdelikt“ – also mit den Grundlagen der Strafbarkeit, wobei überprüft wird, ob auf Tatbestandsebene bezüglich des Handlungsbegriffs, der Kausalität, der objektiven Zurechnung und des Vorsatzes besondere Regeln im BtMG gelten. In den Bereichen, in denen dies der Fall ist, erfolgt eine Ursachenanalyse, und es wird überprüft, ob der Geltungsanspruch des AT durch verschiedene Methoden besser durchgesetzt werden kann bzw. überhaupt muss. Dies wird nach dem Voranstellen allgemeiner Grundsätze mittels einer umfassenden Rechtsprechungsanalyse erreicht. Im Anschluss an das vorsätzliche, vollendete Begehungsdelikt werden nach dem gleichen Schema auf die besonderen Erscheinungsformen der Straftat, wie die der Unterlassungsstrafbarkeit und des versuchten Delikts oder auf die Strafbarkeit als Täter oder Teilnehmer dargestellt. Die Schwerpunkte der Arbeit bilden die in Rechtsprechung und Literatur am meisten diskutierten Fallkonstellationen, also die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme (bei Kuriertätigkeiten) und der Versuch des „Handeltreibens“. Innerhalb dieser Fallgruppen werden
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Einleitung: Gegenstand und Gang der Arbeit
in einem zunächst abstrakt gehaltenen Vorspann die allgemeinen Grund- und Leitsätze skizziert; dies vereinfacht eine strukturierte Diskussion und Analyse der Fallgruppen aus der Rechtsprechung, die es auf ihre Berücksichtigung der Vorschriften des Allgemeinen Teils zu überprüfen gilt. Im Rahmen der angestellten Überlegungen müssen auch stets strafrechtliche Leitprinzipien (ultima ratioGedanke bzw. fragmentarischer Charakter) und verfassungsrechtliche Grenzen (Übermaßverbot) Berücksichtigung finden. Am Ende steht eine Auswertung und Zusammenfassung der gewonnen Erkenntnisse. Sollte festgestellt werden, dass bestimmte Teile des StGB AT „außer Kraft gesetzt“ 36 sind, ist es das Anliegen des Verfassers, das Betäubungsmittelstrafrecht als forensisch wichtigtes Nebenstrafrechtsgebiet „salonfähig“ zu machen, wie dies einige Stimmen in der Literatur explizit fordern.37 Das extensiv ausgestaltete Betäubungsmittelstrafrecht muss klaren Regeln folgen und im Hinblick auf die hohen Strafandrohungen vorhersehbar sein. Dies kann nur durch eine stringente Anwendung und Umsetzung der Dogmatik des Allgemeinen Teils auf die §§ 29 ff. BtMG erreicht werden.
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Weider, Deal, S. 15. MK-StGB/Lagodny, Band 5 Einleitung, Rn. 16.
1. Teil
Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik A. Begriff und Wesen des Betäubungsmittelstrafrechts Im Folgenden wird dargestellt, was die Arbeit unter den Begrifflichkeiten „Betäubungsmittelstrafrecht“ (I.) und „Allgemeiner Teil“ (II.) versteht, um den Rahmen der Untersuchung festzulegen. Im Anschluss wird der Zweck des Gesetzes (III.) und die Systematik des Betäubungsmittelstrafrechts (IV.) knapp skizziert, um das zugrundegelegte Verständnis vom Umgang mit den Vorschriften offen zu legen.
I. Zum Begriff des Betäubungsmittelstrafrechts Das deutsche Betäubungsmittelstrafrecht ist in den Vorschriften der §§ 29–30a des Betäubungsmittelgesetzes vom 28.07.19811 geregelt, und sanktioniert den unerlaubten Umgang mit Opiaten und Betäubungsmitteln i. S. d. § 1 BtMG. Zweifellos fallen diese Vorschriften unter den Begriff des Betäubungsmittelstrafrechts. Möglich wäre es auch etwas allgemeiner vom „Drogenstrafrecht“ zu sprechen und hierfür die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegte Begriffsdefinition heranzuziehen, wonach als Drogen jeder Wirkstoff gilt, der in einem lebenden Organismus Funktionen verändern kann.2 Dann fielen auch die nebenstrafrechtlichen Vorschriften aus dem Grundstoffüberwachungs-, Chemikalien(§§ 19 ff. GÜG, § 27 ChemG) und Arzneimittelgesetz (§§ 95–96 AMG) unter diesen Begriff. Zu berücksichtigen wäre auch, dass der unerlaubte Umgang mit Betäubungsmitteln zur Verwirklichung kernstrafrechtlicher Vorschriften führen kann. Hierzu gehören Tötungs- und Körperverletzungsdelikte, wobei die objektiven Zurechnung und die rechtfertigende Einwilligung im Vordergrund stehen.3 Bedeutung im Bereich der Drogenkriminalität hat auch der Auffangtatbestand der Geldwä1
BGBl. I S. 681, 1187, in Kraft getreten am 1.1.1982. http://www.suchtmittel.de/seite/tags.php/droge.html. 3 Zum Ganzen Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor §§ 13 ff., Rn. 101 f.; Fischer Vor § 13, Rn. 36; Wessels/Beulke Rn. 185 ff.; Kühl AT § 4 Rn. 86 ff.; Rengier AT § 13 Rn. 77 ff.; Roxin AT I § 11 Rn. 107; Geppert Jura 2001, 490 ff.; häufig werden diese als „Vorfragen“ zur betäubungsmittelstrafrechtlichen Situation aufzugreifen sein, vgl. nur 3. Teil A. I. 3. a), S. 121 sowie 3. Teil B. II. 3. a) aa) (2), S. 368 ff. 2
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
sche, § 261 StGB.4 Schließlich kommt ein Raub bzw. Diebstahl von Drogen in Betracht, soweit man eine Eigentumsfähigkeit von Betäubungsmitteln anerkennt.5 Die Arbeit legt aber den in § 1 BtMG festgelegten Betäubungsmittelbegriff zu Grunde, und gibt einer engen Definition des Betäubungsmittelstrafrechts (§§ 29 ff. BtMG) den Vorzug. Die kernstrafrechtlichen Regelungen fallen damit schon aufgrund ihrer Verortung im Kernstrafrecht heraus.6 Die Strafvorschriften des AMG bleiben unberücksichtigt, weil sie sich strukturell gegenüber den Delikten des BtMG unterscheiden: Während in den §§ 29 ff. BtMG die einzelnen Tathandlungen – zumindest überwiegend – konkret umschrieben sind, verwendet § 95 AMG fast ausschließlich die Blanketttechnik.7 § 19 GÜG stimmt mit dem Grundtatbestand des § 29 BtMG in weiten Teilen überein, sodass eine zusätzliche Analyse nicht notwendig ist. Jenes Betäubungsmittelstrafrecht „im weiteren Sinne“, sprich die Normen des AMG und GÜG8 werden ggf. zur systematischen Auslegung der §§ 29 ff. BtMG herangezogen. Als Betäubungsmittelstrafrecht im Sinne dieser Abhandlung sind folglich „nur“ die Strafvorschriften der §§ 29–30a BtMG zu verstehen.
II. Zum Begriff des Allgemeinen Teils Die Wendung „Allgemeiner Teil“ ist aufgrund ihrer Weitläufigkeit etwas missglückt. Schließlich ist die Wendung „Allgemeiner Teil“ nicht dem StGB vorbehalten, sondern auch das BtMG selbst weist einen Allgemeinen Teil auf. Die §§ 1–79b StGB bilden den Allgemeinen Teil des StGB, doch werden viele dieser Vorschriften im Folgenden keine Rolle spielen. Dennoch ist hier – in gewissem Grade „plakativ“ – vom Allgemeinen Teil die Rede, weil der Begriff die richtige Assoziation hervorruft. Mit „Allgemeiner Teil“ sind im Folgenden die Vorschrif4
Zur Geldwäsche im „Lichte des BtMG“ vgl. Eberth/Müller/Schütrumpf, Rn. 71a ff. Vgl. hierzu Vitt NStZ 1992, 221; BGHSt 31, 145; NStZ-RR 2000, 234; Sch/Sch/ Eser/Bosch § 242 Rn.19; Engel NStZ 1991, 520 (der davon ausgeht, dass an Betäubungsmitteln kein Eigentum erworben werden kann); BGH NStZ 2006, 170 f.; Marcelli NStZ 1992, 220; parallel hierzu stellt sich die Frage, ob Drogen zum strafrechtlich „schützenswerten“ Vermögen gehören und somit einer Erpressung bzw. einem Betrug unterfallen können. Zum Ganzen zusammenfassend Og˘lakcıog˘lu, ZJS 2010, 340 ff. 6 Auch wenn sich die Umsetzung bzw. Anwendung der Vorschriften selbst im Kernstrafrecht von Delikt zu Delikt mehr oder weniger komplex gestalten kann. 7 Die Blanketttechnik ist ein im Nebenstrafrecht typisches Gesetzgebungsmuster: Hierunter ist die Verwendung „unvollständiger“ Tatbestände zu verstehen, die zu ihrer „Ausfüllung“ auf andere Regelungen verweisen. Die Struktur solch eines Tatbestandes kennzeichnet sich also durch die Aufzählung anderer Regelungen innerhalb der Strafvorschrift aus, gegen die der Täter verstoßen haben muss; umfassend zu Blanketttatbeständen LK/Dannecker § 1 Rn. 148; Enderle, Blankett, S. 173 ff.; Tiedemann AT, Rn. 99 f. 8 Die Vorschriften stellen ihren Anwendungsbereich in § 1 AMG bzw. § 1 GÜG mit Begriffsdefinitionen ihrerseits klar. 5
A. Begriff und Wesen des Betäubungsmittelstrafrechts
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ten des Allgemeinen Teils des StGB gemeint, welche die „Tat“ zum Gegenstand haben und somit das Fundament der Allgemeinen Verbrechenslehre bilden (mithin die §§ 13–37 StGB, sprich der Zweite Abschnitt des Allgemeinen Teils). Damit ist zugleich gesagt, dass mit Allgemeinem Teil auch die hierzu entwickelten Lehren in Rechtsprechung und Lehre einzubeziehen sind, wobei unterschiedliche Ansätze bzgl. der Auslegung einer konkrete Norm jeweils in den Grundlagen aufzugreifen sein werden, während den vorrangigen Maßstab für die zentrale Fragestellung („finden diese Lehren auch im Betäubungsmittelstrafrecht Anwendung?“) schon aus praktischen Gründen die „jeweils“ herrschende Meinung bilden muss. Damit ist das im BtMG teils modifizierte Sanktionsrecht (gemeint ist das Zurückstellungsverfahren gem. §§ 35 ff. BtMG) nicht Gegenstand der Untersuchung. Auch die Vorschriften zur Verjährung oder zum Strafanwendungsrecht werden nur herangezogen, soweit dies für ein besseres Verständnis der Argumentations für nötig erachtet wird. Gleiches gilt für die §§ 38 ff. StGB (minder schwere Fälle, Regelbeispiele sowie die Aufklärungshilfe gem. § 31 BtMG 9). Die Strafzumessung ist eine dem Richter vorbehaltene Einzelfallentscheidung, in der die persönlichen Verhältnisse sowie Einzelheiten bzw. spezifische Charakteristika der Tat in einer Gesamtschau betrachtet werden sollen. Es erfasst alle Regeln, die für Art und Höhe einer zu verhängenden Strafe maßgebend sind,10 vgl. § 46 StGB. Eine Analyse bezüglich der Frage, ob die „Regeln“ des Strafzumessungsrechts im BtMG ebenfalls modifiziert sind, wäre viel zu einzelfallbezogen, weswegen man einer Untersuchung diesbezüglich kaum einen gesicherten Kern entnehmen könnte. Zudem ist es bereits innerhalb des Kernstrafrechts absolut legitim, dass strafzumessungs- bzw. sanktionsrechtliche Erwägungen differieren; m. a. W.: Abweichende Ergebnisse innerhalb des Strafzumessungsrechts wären strafrechtsdogmatisch bzw. auch verfassungsrechtlich nicht derart gravierend wie eine befürchtete Isolation des Grundlagenstrafrechts. Im Gegenteil wäre die Feststellung divergenter Strafzumessungs- und Sanktionserwägungen als positive Entwicklung zu empfinden, weil dies ein Signal dafür wäre, dass Richter die Einzelfallbetrachtung ernst nehmen, und die besonderen Umstände des „Drogenstrafrechts“ ausreichend würdigen.11 Da zur Bildung des Strafrahmens auch die Konkurrenzlehre zählt, wird diese ebenfalls weitgehend auszublenden sein. 9
Vgl. hierzu Fn. 12 in der Einleitung. Roxin AT I § 1 Rn. 10; zum Strafzumessungsrecht im Allgemeinen grundlegend Streng, Strafzumessung und relative Gerechtigkeit; ders. Strafrechtliche Sanktionen, S. 233 ff. 11 Hierzu zählen Umstände, wie die Drogenabhängigkeit des Täters, die Wirkstoffmenge bzw. die Betäubungsmittelart, die Mitwirkung an der Aufklärung (unabhängig von § 31 BtMG) oder die Eigenverbrauchsabsicht etc., exemplarisch BGH StV 1992, 318; BGHSt 31, 163; BGH StV 1990, 303; BGH StV 2000, 613. Zur Strafzumessung 10
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
III. Zweck des BtMG Das BtMG beginnt mit einer Begriffsbestimmung (§ 1 BtMG). Dem Gesetz „fehlt“ also ein „§ 1“, der den Zweck der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften erläutern würde, wie dies beispielsweise im § 1 AMG oder § 1 WaffG der Fall ist. Allerdings hat die Rechtsprechung unter Hinzuziehung des § 5 I Nr. 6 BtMG den Zweck des BtMG im Einklang mit den Gesetzgebungsmaterialien in einer wertenden Gesamtschau der Vorschriften herausgearbeitet: Demnach hat das BtMG zum Ziel, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, und zugleich den Missbrauch von Betäubungsmitteln sowie das Bestehen oder Erhalten einer Abhängigkeit soweit wie möglich auszuschließen.12 Die nach § 1 BtMG erfassten Stoffe sollen nicht zu anderen Zwecken, als zur Heilung oder Forschung verwendet werden bzw. nicht in Widerspruch zu einem sonstigen öffentlichen Interesse an einen Verbraucher gelangen.13 Mit Blick auf die zunehmende Internationalisierung des Drogenmarkts verfolgt das BtMG inzwischen auch den Zweck, soziale bzw. gesellschaftspolitische Schäden zu verhindern, die durch finanzstarke kriminelle Vereinigungen hervorgerufen werden können.14 Dieser Zweck hat wesentlichen Einfluss auf die Systematik, Struktur, die Gesetzgebungsprinzipien der §§ 29 ff. BtMG und auch auf das geschützte Rechtsgut, was sich im Folgenden genauer herauskristallisieren wird.
IV. Systematik der §§ 29 ff. BtMG Systematisch lässt sich das Betäubungsmittelstrafrecht in den Grundtatbestand des § 29 BtMG und die anschließenden Qualifikationen der §§ 29a ff. BtMG aufteilen. Der Grundtatbestand enthält im ersten Absatz einen umfangreichen Katalog an Handlungsmodalitäten (§ 29 I BtMG Nr. 115–14), der jede erdenkliche Umgangsform mit Betäubungsmitteln erfassen soll, um den soeben erläuterten Zielen des BtMG möglichst effektiv nachzukommen. § 29 I BtMG sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor und ist somit als Vergehen gem. § 12 II StGB ausgestaltet. Im anschließenden Absatz II wird die Versuchsstrafbarkeit für bestimmte Begehungsweisen, wie dies § 23 I Var. 2 StGB vorschreibt, explizit angeordnet. Der Strafzumessungsregel in § 29 III BtMG folgt die Anordnung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit diverser Modalitäten in § 29 IV BtMG. Im Anschluss findet sich eine weitere Strafzumessungsregel, die dem Gericht die im Betäubungsmittelstrafrecht Schäfer/Sander/van Gemmeren, Strafzumessung, Rn. 961 bis 1015; ausführlich Weber Vor § 29, Rn. 593–1145 m.w. N. 12 Weber BtMG § 1 Rn. 2; MK-StGB/Rahlf Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 1. 13 Vgl. hierzu Fn. 852 in Teil 3. 14 BVerfGE 90, 145 (175). 15 Wobei § 29 I 1 Nr. 1 BtMG seinerseits schon 10 Handlungsvarianten beinhaltet.
A. Begriff und Wesen des Betäubungsmittelstrafrechts
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Möglichkeit eröffnet, unter bestimmten Voraussetzungen von einer Strafe abzusehen, § 29 V BtMG.16 § 29 VI BtMG erweitert die Strafbarkeit bei bestimmten Handlungsmodalitäten auf Betäubungsmittelimitate. Die Prüfung des Grundtatbestandes erfolgt in den meisten Fällen dreistufig: Zunächst ist zu überprüfen, ob der Anwendungsbereich des BtMG überhaupt eröffnet ist, also die Handlung sich auf ein Betäubungsmittel bezieht, das gem. § 1 BtMG im Katalog der Anlagen I–III aufgeführt ist.17 Das BtMG verwendet hierbei das so genannte System der „Positivliste“,18 d.h. alle Stoffe, die nicht in den Anlagen I–III aufgeführt sind, unterfallen nicht dem gesetzlichen Betäubungsmittelbegriff. Die Bundesregierung hat gem. § 1 II bis IV BtMG die Befugnis, die Anlagen jederzeit durch Verordnung abzuändern, was eine möglichst schnelle Reaktion auf den Drogenmarkt gewährleisten soll.19 Im zweiten Schritt ist darauf zu achten, ob die verwirklichte Handlung potentiell verwaltungsrechtlichen Beschränkungen unterliegt, wobei die bedeutendste Beschränkung das Erfordernis einer Erlaubnis für den Umgang mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 1 BtMG darstellt.20 Allerdings existieren auch andere bzw. zusätzliche verwaltungsrechtliche Vorschriften, gegen die verstoßen werden kann, exemplarisch seien hier Verschreibungsvoraussetzungen gem. § 13 I BtMG genannt. Erst im dritten Schritt ist zu überprüfen, ob eine konkrete Tathandlung unter Verstoß gegen die Verwaltungsvorschrift (meist die fehlende Erlaubnis) vorgenommen wurde. Eine dreistufige Prüfung entfällt, wenn ein Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften nicht notwendig ist. Hierzu zählen beispielsweise Modalitä16 Ihre Auslegung erfolgt weitgehend parallel zur Opportunitätsvorschrift des § 31a BtMG, MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 1620; vgl. auch Weber § 29 Rn. 1784. 17 Komprimierter und illustrierter Überblick zu den wichtigsten Drogen bei Patzak/ Bohnen, Rn. 1–31. Zusammenfassend zu den Strafvorschriften Maurach/Schroeder/ Maiwald, BT 2 § 56 Rn. 20. 18 Zum System der „Positivliste“ BVerfG NJW 1997, 444; Weber BtMG Rn. 9 ff.; das System der Positivliste wird im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt kritisch gesehen, vgl. nur Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 100 ff.; siehe auch Wang, Drogenstraftaten, S. 24 ff.; dabei gerät aus dem Blickfeld, dass die Alternative ein wesentlich unbestimmterer „materieller Betäubungsmittelbegriff“ wäre (man denke an einen § 1 I BtMG-E, welcher schlicht den Begriff des Betäubungsmittels allgemein definiert und in jedem Einzelfall eine Subsumtion zulässt), vgl. hierzu Og˘lakcıog˘lu ZIS 2011, 743 (746); umgekehrt ist man aber unter Zugrundelegung dieses Systems dazu gehalten, die Technik ohne systematische Friktionen umzusetzen, was in Einzelfällen wiederum schon missachtet wurde, vgl. beispielsweise nur Og˘lakcıog˘lu StV 2011, 545 f. 19 Zur verfassungsrechtlichen Problematik so genannter Blankettgesetze mit „Kompetenzsprung“ Körner (VI) § 1, Rn. 32 ff. m.w. N.; allgemeiner auch Tiedemann AT, Rn. 99 f. 20 Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens muss nach Betäubungsmitteln der Anlagen I und Betäubungsmitteln der Anlagen II und III differenziert werden, vgl. § 3 I und II BtMG.
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
ten, bei denen typische Vorbereitungshandlungen bereits als tatbestandsmäßige Handlung ausgestaltet sind, da in solchen Fällen der Verstoß gegen ein verwaltungsrechtliches Verbot nicht in Betracht kommt, etwa bei einer unrichtigen Angabe, um die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, § 29 I Nr. 9 BtMG. Ebenfalls scheidet eine dreistufige Prüfung aus, wenn typische Teilnahmehandlungen täterschaftlich ausgestaltet sind, da ein Teilnehmer auch sonst keine Erlaubnis bzw. verwaltungsrechtliche Vorschrift in seiner Person verletzt haben müsste. Dies wäre beispielsweise beim Bereitstellen von Geldmitteln der Fall, § 29 I Nr. 13 BtMG. Dem Grundtatbestand des § 29 I BtMG folgen die Qualifikationen der § 29a ff. BtMG, die ihrerseits partiell aufeinander aufbauen und als Verbrechenstatbestände ausgestaltet sind. Die enorme Strafrahmenverschiebung hatte der Gesetzgeber im Auge, und eröffnet jeweils im letzten Absatz der Regelungen die Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falles.
B. Die Tatbestände im Einzelnen – Zugleich eine Vorschau auf die zu behandelnden Problemkomplexe Im Folgenden sollen die wichtigsten Tathandlungen der Straftatbestände definiert und anhand von Beispielen etwas näher erläutert werden. Durch eine vorgeschaltete Erläuterung der Grundbegrifflichkeiten wird eine Unterbrechung der Gedankenführung im Rahmen der eigentlichen Analyse vermieden. Der Überblick dient auch dazu, schon jetzt den Blick auf vergleichbare Tathandlungen aus anderen Nebengesetzen zu richten, und die im Rahmen der Abhandlung zu behandelnden Probleme erstmals aufzugreifen. Zweckmäßig erscheint es, hierbei bestimmte Handlungs-„Gruppen“ zusammenzuziehen und gemeinsam zu erörtern, da so die Unterschiede zunächst ähnlich lautender Modalitäten anschaulich herausgearbeitet werden können, und zudem auch der Auffangcharakter einzelner Varianten besser zum Vorschein tritt.
I. Der Grundtatbestand, § 29 I BtMG Der Grundtatbestand des § 29 I BtMG ist in 14 Nummern aufgeteilt, wobei hier eine Orientierung an der verwaltungsrechtlichen Grundvorschrift erfolgt, gegen die man verstoßen haben muss, d.h.: Umgangsformen, die gem. § 3 BtMG einer Erlaubnis bedürfen, werden im praktisch wichtigsten § 29 I Nr. 1 BtMG (dem „Kernstück des BtMG“ 21) zusammengefasst, was zu der soeben beschriebenen dreistufigen Prüfung führt.
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Weber § 29 Rn. 16; MK-StGB/Rahlf Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 27.
B. Die Tatbestände im Einzelnen
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Ebenso wie das Merkmal des Betäubungsmittels selbst ist die Erlaubnis somit ein Begriff, der zentrale Tatbestände des Betäubungsmittelstrafrechts gemeinsam betrifft, sodass man die diesbezüglich gewonnen Ergebnisse auch einheitlich verwerten kann (im Übrigen muss die Arbeit zumindest nach Tathandlungsgruppen bzw. Deliktstypen differenzieren). Im Hinblick auf den Allgemeinen Teil des StGB gilt es zu untersuchen, wie die Erlaubnis rechtlich zu qualifizieren ist22 (Fehlen als Tatbestandsmerkmal? Oder Vorhandensein als Rechtfertigungsgrund?). Die anschließenden Vorschriften nennen weitere Tathandlungen, die entweder nur mittelbar „erlaubnisakzessorisch sind“ (also insb. die Herstellung ausgenommener Zubereitungen gem. § 29 I Nr. 2 BtMG sowie der Besitz, ohne im Besitz einer Erlaubnis zu sein, § 29 I Nr. 3 BtMG) oder die fehlende Erlaubnis nicht als „strafbarkeitsbegründendes Merkmal“ aufweisen und stattdessen andere Verwaltungsvorschriften in den Tatbestand aufnehmen. Hierzu zählen §§ 29 I Nr. 5, 6, 7, 8, 11 und 14 BtMG. Diese Tathandlungen sanktionieren nicht den „Umgang“ mit Betäubungsmitteln, sondern erfassen ebenso strafwürdige Verhaltensweisen. Man denke an Täter, die grundsätzlich nicht zum Kreis der Erlaubnispflichtigen zählen oder bereits im Besitz einer Erlaubnis sind, deren Erlaubnis allerdings nach bestimmten Vorschriften beschränkt ist oder denen die Rechtsordnung aufgrund dieses Umstands besondere Pflichten auferlegt. Angesprochen sind also Apotheker, Ärzte und deren Patienten einerseits, Ermittlungsbehörden andererseits vgl. § 4 BtMG. Daneben gibt es, wie bereits erläutert, noch Tathandlungen ohne „Verwaltungsgrundtatbestand“: die Nummern 9, 10, 12 und 13. 1. § 29 I Nr. 1 Var. 3 BtMG (unerlaubtes Handeltreiben) Bereits die 600-seitige Monographie von Weber23 lässt vermuten, welch überragende Bedeutung die dritte Alternative des § 29 I Nr. 1 Var. 3 BtMG, das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, hat. Dies liegt daran, dass die weite Definition des Handeltreibens alle anderen Handlungsmodalitäten des § 29 I Nr. 1 BtMG unter gegebenen Voraussetzungen bereits erfasst bzw. diese im Handeltreiben „aufgehen“:24 Als Handeltreiben ist jede eigennützige auf Umsatz gerichtete Tätigkeit anzusehen, auch wenn diese sich nur als gelegentlich oder ein22 Der Wortlaut des § 29 I Nr. 1 BtMG setzt voraus, dass der Täter „unerlaubt“ mit Betäubungsmitteln umgehe (und nicht etwa „ohne Erlaubnis“) und bringt damit zum Ausdruck, dass es auf das Recht des Begehungsorts gem. § 9 StGB nicht ankommt, näher hierzu Weber § 29 Rn. 21. 23 Weber, Handeltreiben. 24 Dies bedeutet, dass die übrigen Tatmodalitäten (Erwerb, Anbau, Einfuhr, Besitz etc.) nur dann eine Rolle spielen, wenn der Täter uneigennützig oder ohne Umsatzwillen handelt. Dies führt auch zu konkurrenzrechtlichen Besonderheiten, insbesondere macht es den Rückgriff auf das Modell der Bewertungseinheit notwendig, grundlegend BGHSt 25, 290; zusammenfassend Weber Vor § 29 Rn. 486.
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
malig darstellt.25 Die Eigennützigkeit ist als besonderes subjektives Merkmal im Sinne einer überschießenden Innentendenz zu qualifizieren.26 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff des Handeltreibens weit auszulegen.27 Erfasst sind in erster Linie „klassische“ Tathandlungen wie der Verkauf mit Gewinnabsicht28, die Vermittlung in Provisionserwartung29 oder der Ankauf in großen Mengen zum Zweck des Weiterverkaufs. Durch die weite Interpretation können auch Tätigkeiten erfasst sein, bei der nicht unmittelbar Betäubungsmittel „im Spiel“ sein müssen, wozu die Überwachung von Kurieren30 oder das Gewähren von Darlehen zur Drogenfinanzierung zählen.31 Die extensive Auslegung ist nach Auffassung der Rechtsprechung geboten, um dem Gesetzeszweck gerecht zu werden, also auf die besonderen Umstände des Rauschgifthandels angemessen reagieren zu können, der sich durch Tarnung, strukturiertes Zusammenwirken und Verdeckung auszeichne.32 Diese weite Auslegung des Handeltreibens war Ausgangspunkt für die von der Literatur befürchtete „Isolation“ des BtMG. Die extreme Subjektivierung der Tathandlung mache eine Unterscheidung zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung faktisch unmöglich, und die Strafbarkeit sei in bestimmten Fällen auf einen Zeitpunkt vorverlagert, zu dem nicht einmal eine abstrakte Gefahr für ein Rechtsgut besteht33. Dies sei auch auf die Einordnung der Tathandlung als unechtes Unternehmensdelikt zurückzuführen.34 Aus diesem Grund wird das Handeltreiben innerhalb der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Straftat einen Schwerpunkt der Bearbeitung bilden. Im 25 BVerfG NJW 2007, 1193; BGHSt 50, 252; BGH NStZ 2000, 207; BGH NStZ 2006, 455; 578; zu den einzelnen Erscheinungsformen noch ausführlich 3. Teil C. IV. 2, S. 437 ff. 26 BGHSt 28, 308; BGHSt 34, 124; BGH NStZ 2006, 578; BGH NStZ-RR 2005, 88; BGH StV 1999, 429; BGH StV 2000, 619; Weber BtMG § 29 Rn. 579 m.w. N. 27 Ein „Déjà-vu-Erlebnis“ für jeden Revisionsführer, vgl. NStZ-RR 1997, 85; NStZRR 1999, 467; NStZ-RR 2003, 434, BGHSt 50, 252; BVerfG NJW 2007, 1193; BGH NStZ 2000, 207; BGH NStZ 2006, 455; 578. 28 RG DJ 1932, Sp. 808; BGHSt 40, 208; BGHSt 31, 145; BayObLGSt 1972, 82; MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 283. 29 So bereits JW 1933, 2772; BGHSt 38, 58; BGH NStZ 1997, 136; StV 1993, 127; 2001, 406; MDR/H 1980, 45; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 373. 30 MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 293. 31 Allerdings muss das in Aussicht genommene Drogengeschäft einen gewissen Grad an Konkretisierung erfahren haben, vgl. BGH StV 1986, 300. 32 BGH StV 2006, 22. 33 Roxin StV 1992, 517; Krack JuS 1995, 585; NStZ 1998, 462; Paul StV 1998, 623; Endriß/Kinzig NJW 2001, 3217; Kreuzer, FS-Miyazawa, 1995, S. 177 (185); Zaczyk JR 1998, 256; Liemersdorf/Miebach MDR 1979, 981; Weider, Deal, S. 15 ff. 34 Kritisch zu dieser Bezeichnung BGH StV 2003, 501; Paul StV 1998, 623 (624); Neuhaus NStZ 2001, 39 (41); Schwitters, Handeltreiben, S. 87–90; vgl. hierzu noch 3. Teil C. IV. 1. b), S. 432 ff.
B. Die Tatbestände im Einzelnen
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Rahmen der Versuchsstrafbarkeit gilt es anhand einzelner Fallgruppen aus der Rechtsprechung zu analysieren, ob die weite Auslegung des Begriffs eine Anwendung des § 22 StGB unmöglich macht, und wenn ja, inwiefern eine Einschränkung des Begriffs zu einer Konkretisierung des Versuchsbereichs beitragen kann.35 Im Bereich des fahrlässigen Handeltreibens wird erörtert, ob bzw. wie sich besondere subjektive Merkmale (hier die Eigennützigkeit) mit einem Fahrlässigkeitstatbestand vertragen.36 Die extensive Auslegung erschwert auch die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme und führt zu der berechtigten Frage, ob eine Unterscheidung nach der gängigen Dogmatik („Tatherrschaft“) überhaupt möglich ist, bzw. wie die Rechtsprechung dieses Problem etwa in „Kurierfällen“ löst.37 2. § 29 I Nr. 1 Var. 1 und Var. 2 BtMG (unerlaubter Anbau und unerlaubtes Herstellen) Die Aufzählung des § 29 I Nr. 1 BtMG beginnt mit dem unerlaubten Anbau gem. § 29 I Nr. 1 Var. 1 BtMG bzw. dem unerlaubten Herstellen gem. § 29 I Nr. 1 Var. 2 BtMG von Betäubungsmitteln, was nicht überrascht, da sie chronologisch vor dem Handeltreiben liegen. Allerdings gehen Anbau und Herstellung mit Umsatzwillen im Handeltreiben auf, sodass der Modalität nach h. M. nur im Falle des Anbaus zum Eigenkonsum Bedeutung zukommt. Dies gilt im Übrigen für alle sonstigen Teilakte, die als Varianten im § 29 I BtMG genannt sind. Der Anbau war bereits vor 1982 der Erlaubnispflicht unterworfen, aber nicht im Handlungskatalog der ursprünglichen Strafvorschriften aufgeführt. Der Gesetzgeber sah die Bundesrepublik Deutschland wegen ihrer Witterungsverhältnisse nicht als potentielles „Anbau“-Land an, fügte aber 1982 dann doch die Strafbarkeit des unerlaubten Anbaus ein.38 Meist handelt es sich bei den erfassten Taten um Kleinzucht (von Cannabis) zum Eigenkonsum, was nicht selten in den Anwendungsbereich des § 31a BtMG fällt (Einstellung aus Opportunitätsgründen). Anbau bedeutet Produktion von Betäubungsmitteln mit landwirtschaftlichen Mitteln39. Als konkrete Tathandlung sind das vom menschlichen Willen getragene Aussäen und/oder die Aufzucht der Pflanzen zu sehen, wobei die Reife noch nicht eingetreten sein muss.40 Eine „erfolgreiche“ Aufzucht, an dessen Ende die Ernte eines wirkstoffhaltigen Betäubungsmittels steht, setzt man nicht 35 36 37 38 39 40
3. Teil C. V., S. 475. 3. Teil A. II. 2. e), S. 220. 3. Teil D. III., S. 573. Körner/Patzak § 29 Teil 2 Rn. 1 ff. OLG Hamburg NJW 1978, 2349. Slotty NStZ 1981, 321 (323).
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
voraus. Dieser Definition kann man bereits entnehmen, dass diese Variante des Tatbestands ein schlichtes Tätigkeitsdelikt darstellt.41 Schwierigkeiten bereitet die Frage, inwiefern man als Mitbewohner/Nutzungsberechtigter des Grundstücks und folglich als potentieller Garant aus Unterlassen für den Anbau haftet.42 Da die Handlung zeitlich vor dem Handeltreiben liegt, wird es interessant zu beobachten sein, welche systematischen Rückschlüsse dies auf die Auslegung des Handeltreibens zulässt.43 Parallel verhält es sich mit der Modalität des „Herstellens“, die wegen des Trends der Kreation und Produktion synthetischer Drogen eine immer größere Rolle spielt: Die Tathandlung ist in § 2 I Nr. 4 BtMG legal definiert.44 Ein Blick in die Vorschrift verrät, dass auch Handlungen erfasst sind, die eine im Herstellungsprozess eher untergeordnete Person verwirklicht haben könnte (Verarbeiten bzw. Reinigen der Drogen durch „Hilfs-“ bzw. Arbeitskraft?). Insofern stellt sich das Problem der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme.45 3. § 29 I Nr. 1 Var. 4, 5 und § 29 Nr. 5 i.V. m. § 11 II BtMG (unerlaubte Einfuhr und Ausfuhr von Betäubungsmitteln, Durchfuhr entgegen § 11 II BtMG) Formen des verbotenen „Transports“ von Betäubungsmitteln erfassen die unerlaubte Einfuhr und Ausfuhr gem. § 29 I Nr. 1, Var. 4, 5 BtMG. Die strafbare Durchfuhr gem. § 29 I Nr. 5 BtMG unterliegt den besonderen Voraussetzungen des § 11 BtMG.46 Ihre praktische Bedeutung ergibt sich daraus, dass sich das Verschaffen von Drogen im Ausland (allein schon aus rechtlichen Aspekten) einfacher gestalten kann, als in der Bundesrepublik Deutschland.47 Zudem führt eine unerlaubte Einfuhr nicht geringer Mengen von Betäubungsmitteln zu einer Strafrahmenverschiebung von bis zu fünf Jahren auf nicht unter zwei Jahren, vgl. § 30 41 Zum Begriff des schlichten Tätigkeitsdelikts, das im Betäubungsmittelstrafrecht eine überragende Bedeutung hat, vgl. noch ausführlich 3. Teil B. II. 1. a), S. 334. 42 3. Teil B. II. 3. c) bb), S. 378 ff. 43 3. Teil C. IV. 2. a) aa), S. 439 ff. sowie 3. Teil C. IV. 4., S. 472 f. 44 Es gibt auch Stoffe, die aufgrund ihrer geringen Gefährlichkeit vom Anwendungsbereich des BtMG ausgenommen sind, vgl. § 2 I Nr. 3 BtMG. Dies spielt vornehmlich in der Arzneimittelherstellung eine Rolle, da der Umgang mit solchen ausgenommenen Zubereitungen schon deswegen nicht strafbar ist, weil der Anwendungsbereich des BtMG nach § 1 BtMG nicht eröffnet ist. Zumindest die Herstellung solcher ausgenommenen Zubereitungen steht aber gem. § 29 I Nr. 2 BtMG i.V. m. § 2 I Nr. 3 BtMG unter Strafe, da es bei der Produktion leicht möglich wäre, zu höheren und somit gefährlicheren Konzentrationen zu gelangen, vgl. Weber, BtMG, § 2, Rn. 26. 45 3. Teil D. III. 3. b) aa), S. 620 ff. 46 Ausschließlich zur Dogmatik der Verbringungsverbote Nestler, S. 211 ff. 47 Kriminologische Grundlagen zur Transferkriminalität in der Bundesrepublik Deutschland zusammengefasst bei Nestler, S. 51 ff.
B. Die Tatbestände im Einzelnen
47
I Nr. 4 BtMG. Die Tatbestände spielen für die Gesamtanalyse eine nicht unerhebliche Rolle, da sie nach herrschender Auffassung als Erfolgsdelikte einzustufen sind48 und im Hinblick auf die Varianten des Handeltreibens bzw. Anbauens und Herstellens das „Gegenmodell“ bilden. Insofern ist im Rahmen der Urteilsauswertungen zu überprüfen, ob sich dies auch in der Rechtsprechung auswirkt.49 Unter Einfuhr ist, orientiert an § 2 II BtMG, jedes vom Einfuhrwillen getragene Verbringen von Betäubungsmittel aus dem Ausland in das deutsche Hoheitsgebiet zu verstehen50. Der Täter muss die Drogen in deutsches Hoheitsgebiet, also in den Geltungsbereich des BtMG verbringen, wobei eine Überschreitung der Grenze in Person nicht notwendig ist. Ausreichend ist bereits das „Verbringenlassen“, also der körperliche Übergang der Betäubungsmittel selbst.51 Als Spiegelbild hierzu fungiert die Ausfuhr, deren praktische Bedeutung jedoch gering ist, da die Bundesrepublik kein Drogenherstellungsland ist.52 Durchfuhr von Betäubungsmitteln ist gegeben, wenn der Täter diese in das Inland transportiert, darin befördert und wieder in das Ausland verbringt, ohne dass er im Inland eine tatsächliche Verfügungsmacht inne hat.53 Damit zeichnet sich bereits ab, dass der Vollendungszeitpunkt der Einfuhr „dynamisch“ ist: Er hängt nämlich davon ab, ob dem Täter die Betäubungsmittel innerhalb der Landesgrenzen tatsächlich zur Verfügung stehen. Dass der Vollendungszeitpunkt der Einfuhr von der jeweiligen Fallkonstellation abhängig sein soll, ist nicht unproblematisch, wurde aber bis dato von Rechtsprechung und Lehre als notwendige Folge des Abgrenzungskriteriums „Verfügungsmacht“ schlicht hingenommen.54 Nach einer kurzen Illustration anhand der so genannten „Transitfälle“ 55 soll daher der Frage nachgegangen werden, ob eine dogmatisch stimmige Lösung des Problems in Betracht kommt.56 Da es sich bei der Einfuhr auch nicht um ein eigenhändiges Delikt handelt, kommt bei Mitfahrern, Mitinsassen eines Flugzeugs und dem „Drahtzieher“, der den Akt des Einführens durch Organisation und Koordination unterstützt, eine Mittäterschaft oder eine Teilnahme in Betracht, deren Abgrenzung in Einzelfällen schwierig sein kann.57
48 49 50 51 52 53 54 55 56 57
BGH NStZ 2004, 110; Weber § 29 Rn. 744. 3. Teil C. II. 1. b), S. 413 ff. sowie 3. Teil D. III. 3. a) aa), S. 599 ff. BGH StV 2000, 620. BGHSt 34, 180. Körner/Patzak § 29 Teil 6 Rn. 1; Malek, 2. Kap. Rn. 204. BGHSt 31, 374; BGH StV 1983, 369; BGH StV 1983, 505. BGHSt 31, 374. Vgl. umfassend Weber § 29 Rn. 768 m.w. N. 3. Teil A. II. 1. c) cc) (2), S. 177 ff. 3. Teil D. III. 3. a) aa), S. 599 ff.
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
4. § 29 I Nr. 1 Var. 6, 7, 8 BtMG (unerlaubtes Abgeben, Veräußern oder sonstiges Inverkehrbringen) Personen, die uneigennützig handeln oder keinen Umsatzwillen aufweisen, können die Tatmodalitäten der Abgabe, des Veräußerns oder des sonstigen Inverkehrbringens verwirklichen, § 29 I Nr. 1 Var. 6, 7, 8 BtMG. Veräußern ist die rechtsgeschäftliche Übertragung von Betäubungsmitteln gegen Entgelt,58 während die Abgabe auch ohne den Abschluss eines (ohnehin nach § 134 BGB nichtigen) Rechtsgeschäfts angenommen wird.59 Die Deliktsnatur des Veräußerns (als Unternehmensdelikt?) bzw. der Abgabe (als Erfolgsdelikt?) sowie deren Beziehung zueinander sind umstritten, was sich auf die Versuchsstrafbarkeit auswirkt. Allen drei Tathandlungen ist gemeinsam, dass der Täter dem Dritten die Verfügungsmacht60 über die Drogen überlässt. Die zuletzt aufgeführte Variante des sonstigen Inverkehrbringens unterscheidet sich von den ersten beiden Handlungsmodalitäten lediglich dadurch, dass zwischen dem „Erwerber“ und dem „Inverkehrbringenden“ kein geistiger bzw. sozialer Kontakt bestehen muss. Sonstiges Inverkehrbringen ist jede Ermöglichung der tatsächlichen Verfügungsmacht über das Rauschgift durch einen anderen, also jede Verursachung des Wechsels der Verfügungsgewalt61. Die Variante spielt im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte eine größere Rolle, man denke an das sorgfaltswidrige Wegwerfen von Drogen, die ein Dritter findet62. Mit dieser Fallgruppe lassen sich auch der Fahrlässigkeitsvorwurf als solcher bzw. die Maßstäbe, die man für die Frage der Sorgfaltswidrigkeit setzt, gut veranschaulichen. 5. § 29 I Nr. 1 Var. 9, 10 BtMG (unerlaubter Erwerb, Sichverschaffen) Das Pendant zu den „Weggabedelikten“ stellen der Erwerb oder das Sichverschaffen in sonstiger Weise gem. § 29 I Nr. 1, Var. 9, 10 BtMG dar. Ein exaktes Spiegelbild ergibt sich hingegen nicht, weil auf „nehmender“ Seite lediglich zwei Tathandlungen existieren, während auf „gebender“ Seite drei Handlungsformen genannt sind. Unter Erwerb ist die Erlangung der eigenen tatsächlichen Verfügungsgewalt über ein Betäubungsmittel im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer durch ein Rechtsgeschäft zu verstehen;63 eine Entgeltlich-
58
Malek, 2. Kap. Rn. 253. Bei Zschockelt NStZ 1998, 238 (240). 60 Die Verfügungsmacht ist ein strafbarkeitsbegründendes Merkmal der §§ 29 I Nr. 1, Var. 6–8 BtMG, sodass § 28 I StGB Anwendung findet. 61 BGH StV 1981, 127; OLG Zweibrücken NStZ 1986, 558. 62 Hügel/Junge/Lander/Winkler, § 29, Rn. 9.3.1; Malek, 2. Kap. Rn. 264 f. 63 BGHSt 40, 208. 59
B. Die Tatbestände im Einzelnen
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keit ist jedoch im Gegensatz zum „Veräußern“ nicht notwendig.64 Der Erwerb ist somit, soweit man versucht ihn seinen gegenläufigen Begriffspaaren zuzuordnen, zwischen der Abgabe und dem Veräußern zu verorten. Das „Sichverschaffen in sonstiger Weise“ dagegen stellt als allgemeiner Auffangtatbestand das genaue Gegenstück zum sonstigen Inverkehrbringen dar und soll eventuell entstehende Nachweisschwierigkeiten bezüglich des Einvernehmens mit dem Vorbesitzer beseitigen.65 Die Modalität erfasst zudem das Finden, das betrügerische bzw. erpresserische Erlangen oder den Diebstahl von Drogen,66 wobei der Tatbestand dann ggf. mit den §§ 263, 253 StGB bzw. §§ 242, 246 StGB ideal konkurriert. Da diese Variante auch die rechtswidrige Erlangung von Drogen erfasst, leuchtet es ein, dass § 3 BtMG diese Modalität nicht erlaubnisfähig macht bzw. nicht in seinen Wortlaut aufnimmt. Sowohl die Weggabe- als auch die Annahmedelikte im BtMG sind spielen in der Praxis nur eine Rolle, wenn sie nicht zum Zwecke des Umsatzes bzw. Verbreitung von Betäubungsmitteln erfolgen. Der „Drogenverkehr“ ist in diesem Bereich bereits zur Ruhe gekommen, und die abstrakte Gefahr der Weitergabe wird immer geringer. Das Sichverschaffen kann auf sittlich gebilligten Motiven beruhen: Exemplarisch sei hier Wegnahme von Drogen genannt, um den besten Freund von Rauschmitteln fernzuhalten. Dementsprechend kommt in diesem Bereich die Anwendung allgemeiner Rechtfertigungsgründe (§ 34 StGB) grundsätzlich in Betracht. Daher muss auch geklärt werden, ob und inwiefern die Rechtsprechung die Anwendbarkeit allgemeiner Rechtfertigungsgründe akzeptiert, und welche Vorschriften des BtMG hierbei Berücksichtigung finden. 6. § 29 I Nr. 3 BtMG (Besitz ohne zugleich im Besitz einer Erlaubnis für den Erwerb zu sein) Aus dogmatischer Perspektive ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die Strafbarkeit des Besitzes von Betäubungsmitteln gem. § 29 I Nr. 3 BtMG67. Besitz an Betäubungsmitteln hat der Täter, wenn er ein bewusstes, tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Betäubungsmittel hat, das faktisch die unmittelbare 64
OLG Stuttgart NJW 1971, 2274. BGH v. 19.3.1982 – 2 StR 677/81 bei Schmidt MDR 1982, 882. 66 Malek, 2. Kap. Rn. 283; BGHSt 30, 77 67 Der Besitz ist nicht im Erlaubniskatalog des § 3 BtMG aufgeführt, da ihm im legalen Betäubungsmittelverkehr immer ein Erwerbstatbestand vorhergeht, der ohnehin einer Erlaubnis bedarf bzw. gem. § 4 davon freigestellt ist. Illustrieren lässt sich dies am Arzt, der Betäubungsmittel in seiner Praxis besitzt, um im Rahmen einer begründeten Anwendung das Betäubungsmittel medikamentös zu verabreichen. Es wäre merkwürdig, wenn dieser den Tatbestand des § 29 I Nr. 3 BtMG erfüllen würde. Vielmehr hat der Arzt gem. § 4 I Nr. 3 die Betäubungsmittel legal erworben, weil die abgebende Apotheke ihrerseits von der Erlaubnispflicht (im Bezug auf die Abgabe, vgl. § 3 I Nr. 1 Var. 6 BtMG) gem. § 4 I freigestellt ist. 65
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
Einwirkung auf die Sache unter Ausschluss Dritter ermöglicht.68 Hierbei soll es vollkommen unerheblich sein, welche Besitzform der Täter innehat: Ob mittelbarer oder unmittelbarer, Eigen- oder Fremdbesitz vorliegt, spielt für die Verwirklichung des § 29 I Nr. 3 BtMG keine Rolle, jedoch ist ein Mindestmaß an Verfügungsmacht zu verlangen, die bei nur kurzen Besitzzeitspanne anzuzweifeln ist.69 Die Strafbarkeit des Besitzes körperlicher Sachen ist dem Strafrecht inzwischen nicht mehr gänzlich fremd. So existiert neben dem Betäubungsmittelstrafrecht auch im Waffenrecht oder Arzneimittelrecht strafbarer Besitz, vgl. § 51 I Var. 1 WaffG, § 95 I Nr. 2 b AMG. Im Kernstrafrecht ist der Besitz kinderpornographischer Schriften unter Strafe gestellt, § 184 b IV 2 StGB. Im Gesetzgebungsverfahren noch simpel als Beweiserleichterung gedacht (die Ermittlungsbehörden sollen den illegalen Erwerb nicht nachweisen müssen),70 bringt der strafbare Besitz die Frage mit sich, an was für eine Tathandlung angeknüpft werden soll bzw. ob die rechtliche Möglichkeit des strafbaren Besitzes eine Abkehr vom klassischen Zurechnungsmodell „Handlung-Kausalität-Erfolg“ bedeutet.71 Mit Blick darauf, dass die Notwendigkeit einer strafrechtlich relevanten Handlung die Grundlagen der Strafbarkeit und somit den Allgemeinen Teil betrifft, muss diesbezüglich eine genauere Auseinandersetzung erfolgen, die alle bis dato vorgeschlagenen Lösungsansätze in der Literatur, sowie die Auffassung der Rechtsprechung kritisch einbezieht. 7. § 29 I Nr. 6 a, 6 b, 9 BtMG (Verschreiben, Verabreichen und zum unmittelbaren Verbrauch Überlassen entgegen § 13 BtMG) § 29 I Nr. 6 BtMG bezieht sich im Wesentlichen auf Ärzte, denen gem. § 3 i.V. m. § 13 BtMG die Möglichkeit eröffnet wird, Betäubungsmittel (der Anlage III, vgl. § 13 I 1, 3 BtMG) zur medikamentösen Verwendung zu verschreiben, zu verabreichen oder zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen. Hierbei soll § 29 I Nr. 6 BtMG im Wesentlichen gewährleisten, dass diese Kompetenzübertragung nicht missbraucht wird. Die Arzteigenschaft ist kein Tatbestandsmerkmal, dementsprechend handelt es sich bei § 29 I Nr. 6 BtMG nicht um ein echtes Sonderdelikt und kann von jedermann begangen werden.72
68 BGHSt 27, 380, 381 (somit ist der Besitzbegriff auch grundsätzlich nicht mit der zivilrechtlichen Definition gem. § 854 BGB gleichzustellen). 69 BGHSt 26, 117; BGHSt 27, 380; BGH NStZ 1996, 338; BayObLG StV 1988, 206; OLG Frankfurt StV 1989, 20; OLG Düsseldorf StV 1994, 23; BayObLG NStZ 1990, 395. 70 BGHSt 25, 385. 71 Vgl. noch ausführlich 3. Teil I. 1. c), S. 93 ff. 72 Weber § 29 Rn. 1336.
B. Die Tatbestände im Einzelnen
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Unter Verschreibung gem. § 29 I Nr. 6 a BtMG ist die auf einem Sonderrezept vorgenommene schriftliche Anweisung eines Arztes an einen Apotheker zu verstehen, Betäubungsmittel der genannten Art auszuhändigen.73 Auf der anderen Seite kann ein „Patient“, der seine Abhängigkeit nur vortäuscht, den Tatbestand des § 29 I Nr. 9 BtMG erfüllen (Erschleichen von Verschreibungen).74 Im Hinblick auf das Fahrlässigkeitsdelikt muss beurteilt werden, wie weit die Haftung von Ärzten und Apothekern reichen kann. In Konstellationen ob einer fahrlässig erfolgten Verschreibung erscheint der Vorwurf, fahrlässig Drogen in den Verkehr gebracht zu haben, zumindest fraglich.75 Die Tathandlung des Verabreichens gem. § 29 I Nr. 6 b Var. 1 BtMG erfasst die unmittelbare Anwendung von Betäubungsmitteln am oder im Körper eines anderen.76 Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch bedeutet dagegen die Hingabe des Betäubungsmittels an einen anderen zur Verwendung an oder im Körper, ohne dass dieser eine selbstständige Verfügungsgewalt erlangt.77 Hauptsächliches Unterscheidungskriterium ist somit die Tatherrschaft über die eigentliche Injektion, wobei der behandelnde Arzt bzw. überlassende Dritte stets die Verfügungsgewalt behält.78 „Abgeben“ im Sinne der oben bereits aufgeführten Definition darf somit auch der Arzt nicht. Die Tathandlungen des § 29 I Nr. 6 b BtMG sind nach § 30 I Nr. 3 BtMG durch den Eintritt eines Todeserfolgs qualifiziert (Verabreichen/Verbrauchsüberlassung mit Todesfolge). Im Rahmen dieser Erfolgsqualifikation muss im Hinblick auf den Allgemeinen Teil analysiert werden, ob die Regeln der objektiven Zurechnung, besser des tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhangs, auch im BtMG uneingeschränkt Anwendung finden. Als „letzte Station“ haben Apotheker ebenfalls eine besondere Verantwortung, weswegen § 29 I Nr. 7 BtMG die missbräuchliche Abgabe von Betäubungsmitteln in Apotheken etc. unter Strafe stellt. Als Täter des § 29 I Nr. 7 BtMG kommen nur Apotheker und Tierärzte bzw. das pharmazeutische und tierärztliche 73
RGSt 62, 284. Der Tatbestand wird im Rahmen der vorliegenden Abhandlung kaum aufzugreifen sein, da die Tathandlung des „Erschleichens“ einer Handlung, Leistung oder eines sonstigen Vermögenswerts kein Spezifikum des Betäubungsmittelstrafrechts darstellt, sondern als „typisches“ Vorbereitungsdelikt klassifiziert werden kann, für das auch im Kernstrafrecht schon „Verwandte“ aufzufinden sind (vgl. nur §§ 265b, 265 StGB). 75 3. Teil A. II. 2. c) aa) (2), S. 217 ff. 76 Körner (VI) § 29 Rn. 1601. 77 BGH StV 1998, 592; BayObLG NStZ 1990, 395; BGH NStZ-RR 1998, 149; mit Verfügungsmacht ist die Möglichkeit gemeint, das Betäubungsmittel ggf. auch „einstecken“ bzw. an Dritte weitergeben zu können; also eine Art „Verfügungsherrschaft“ über das Rauschgift zu haben. Dies fehlt, wenn der Verfügungsberechtigte die Droge zum Zwecke des alsbaldigen Konsums „überlässt“. 78 Zur Abgrenzung vgl. BGH StV 1992, 66; BayObLG NStZ 1990, 395; StV 2002, 263; OLG München NStZ 2006, 579; OLG Hamburg NStZ 2008, 287. 74
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Personal in Betracht, soweit sie innerhalb ihrer berufsrechtlichen Befugnisse handeln. Es handelt sich bei § 29 I Nr. 7 BtMG somit um ein echtes Sonderdelikt.79 8. Sonstige Tathandlungen nach § 29 I BtMG Die sonstigen Tathandlungen des § 29 I BtMG werden an den entsprechenden Abschnitten nur insoweit in vertiefter Form darzustellen sein, als sie Besonderheiten bezüglich der Dogmatik des Allgemeinen Teils aufweisen. Genannt sei schon an dieser Stelle das Bereitstellen von Geldmitteln und anderen Vermögenswerten gem. § 29 I Nr. 13 BtMG: Die Tathandlung umfasst jede Tätigkeit, die es einer dritten Person unmittelbar und ungehindert ermöglicht, auf die Geldmittel bzw. anderen Vermögenswerte zuzugreifen.80 Sinn und Zweck der Vorschrift ist das Erfassen der „Drahtzieher“ und Hintermänner, denen die Beteiligung an der konkreten Tat bzw. bestimmte Tatumstände und subjektive Merkmale nicht nachgewiesen werden können.81 Die Besonderheit an § 29 I Nr. 13 BtMG ist, dass typische Beihilfehandlungen täterschaftlich ausgestaltet sind.82 Die verbotene Werbung gem. § 29 I Nr. 8 BtMG, also öffentliche Anpreisung, die sich an nicht bestimmte Personen richtet und auf Absatzförderung zielt83 soll das Werbeverbot nach § 14 V BtMG flankieren, daher ist sie auch in Verbindung mit dieser Vorschrift zu prüfen. Dagegen schließt § 29 I Nr. 12 BtMG (Auffordern zum unbefugten Verbrauch) die Lücke, die § 111 StGB hinterlässt, weil der Konsum von Betäubungsmitteln als Ausprägung der Straflosigkeit von Selbstschädigungen in Deutschland nicht strafbar ist.84 In § 29 I Nr. 10 BtMG wird ein Handlungskatalog für einen Täterkreis geschaffen, der zwar keine direkten Rauschgiftgeschäfte betreibt, aber seinen Be79
Franke/Wienroeder § 29 Rn. 172. Weber § 29 Rn. 1642. 81 BT-Drs. 8/3551 S. 36. 82 Weber § 29 Rn. 1637; OLG Karlsruhe NStZ 2008, 43. 83 Körner/Patzak § 29 Teil 17 Rn. 7. 84 Strafbar bleibt aber die „Vorgeschichte“, d.h. der Erwerb bzw. der Besitz zum Eigenkonsum; problematisch wird die Abgrenzung in den Fällen, in denen der Täter zwar selbst keine Verfügungsmacht über die Drogen hat, allerdings (nach einmaligem Konsum) diese weiterreicht („Haschischrunde“); mangels Verfügungsmacht kann kein Erwerb angenommen werden, ein strafbarer Besitz scheidet ebenfalls aus; Teile der Rechtsprechung wollen hier eine unmittelbare Verbrauchsüberlassung annehmen, vgl. BayObLG NStZ 1998, 149. Stellt man dagegen darauf ab, dass die Gefahr von demjenigen ausgeht, der die Verfügungsmacht über die Drogen hat, sollte eine Strafbarkeit abzulehnen sein, vgl. AG Böblingen, NStZ 1992, 191. Bei kleineren Mengen ist stets an eine Einstellung nach § 31a ff. BtMG zu denken, wobei die Einstellungspraxis innerhalb der Staatsanwaltschaften von Bundesland zu Bundesland divergiert, zu diesem Rechtsproblem Aulinger, Rechtsgleichheit und Rechtswirklichkeit; Schäfer/Paoli, Drogen und Strafverfolgung: Die Anwendung des § 31a BtMG und anderer Opportunitätsvorschriften auf Drogenkonsumentendelikte, 2006. 80
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trieb als Umschlagplatz für Betäubungsmittel zur Verfügung stellt (Verschaffung und Gewährung der Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe85; Verleitung zum unbefugten Verbrauch86, eigennützige/öffentliche Mitteilung einer Gelegenheit87). Der Gesetzgeber bezweckt hier den Schutz junger, leicht beeinflussbarer Menschen. Auch hier handelt es sich bei den aufgezählten Tathandlungen hauptsächlich um Teilnahme-, genauer Beihilfehandlungen, die zu einer selbstständigen Begehungsvariante erhoben wurden. Die im Wesentlichen mit § 29 I Nr. 10 BtMG vergleichbare § 29 I Nr. 11 BtMG verfolgt das drogenpolitische Ziel, Betreiber und Personal zugelassener „Drogenkonsumräume“ gem. § 10a BtMG aus der Strafbarkeit herauszunehmen.88 Im § 29 I Nr. 14 BtMG stellt Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen (derzeit lediglich § 16 BtMVV) unter Strafe. 9. Handeltreiben mit Pseudodrogen, § 29 VI BtMG Eine gewisse Sonderstellung nimmt § 29 VI BtMG ein, der das Handeltreiben, die Abgabe sowie die Veräußerung von „Pseudo-Drogen“ unter Strafe stellt. Es handelt sich um einen eigenständigen Straftatbestand, bei dem der Täter wissentlich mit Stoffen handelt, die gerade nicht unter den Betäubungsmittelbegriff des § 1 BtMG fallen. Zweck der Vorschrift ist es, besonders listige Täter zu erfassen, die ihre Kunden mit billigen und harmlosen „Drogen“ zunächst locken wollen, um ihnen später echte Betäubungsmittel abgeben zu können und eine Abhängigkeit herbeizuführen.89 Da Fälle solcher Art bis dato nicht bekannt geworden sind, versucht man, den Zweck der Vorschrift damit zu legitimieren, potentielle Konsumenten bzw. Abhängige vor ebenso gesundheitsgefährlichen Imitaten zu schützen und dem betrügerischen Handel mit Pseudo-Drogen entgegenzutreten.90 85 Verschaffen einer Gelegenheit bedeutet die Herbeiführung günstiger äußerer Bedingungen, durch die der unbefugte Erwerb oder die unbefugte Abgabe von Betäubungsmittel wesentlich erleichtert wird, Weber § 29 Rn. 1542 f. 86 Verleiten ist die Willensbeeinflussung eines anderen im Sinne einer Anstiftung, also das Hervorrufen des Tatentschlusses, BGH NJW 1994, 3020. 87 Unter öffentlicher oder eigennütziger Mitteilung ist jede Bekanntgabe zu verstehen, die geeignet ist, einen anderen zu erreichen. Öffentlich ist die Mitteilung, wenn sie sich an einen unbestimmten Personenkreis bezieht, Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 23. 88 Zu den rechtspolitischen Bedenken vgl. Körner (VI) § 29 Rn. 1794. 89 BT-Drs. VI/1877, S. 10, vgl. auch Weber § 29 Rn. 1879 f. 90 So Körner, § 29 (VI) Rn. 2127; doch auch diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen: Die körperliche Integrität der Konsumenten bzw. die Volksgesundheit genießen gerade in solchen Fällen ausreichenden Schutz über die §§ 222, 229 StGB (eine eigenverantwortliche Selbstschädigung des Opfers scheidet wegen des „überlegenen Wissens“ des Abgebenden und dessen bewusster Täuschungsabsicht aus). Weiterhin ist es auch zweifelhaft, ob das Rechtsgut beim betrügerischen Handel mit Pseudodrogen überhaupt schützenswert ist (Stichwort „juristisch-ökonomischer“ Vermögensbegriff). Ob es also nach wie vor eines § 29 VI BtMG bedarf, darf durchaus angezweifelt wer-
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
II. Die Qualifikationstatbestände der §§ 29a ff. BtMG Die Tatbestandsqualifikationen der §§ 29a ff. BtMG sind als Verbrechen gem. § 12 I StGB ausgestaltet und sollen besonders „gefährliche und verabscheuenswürdige Angriffe gegen die Volksgesundheit“ 91 erfassen. Teils reichen einzelne Modifikationen gegenüber dem Grundtatbestand aus (§§ 29a I Nr. 2, 30 I Nr. 4, 30a II Nr. 1 BtMG), teils führt eine Kombination der Qualifikationsmerkmale zu einer Verschärfung der Strafrahmenverschiebung (§ 30 I Nr. 2 i.V. m. § 29a I Nr. 1 BtMG oder § 30a I BtMG als Zusammensetzung von § 29a I Nr. 1 und § 30 I Nr. 1 BtMG). Alle Paragraphen schließen im letzten Absatz mit einem minder schweren Fall ab, um dem Richter eine „Abfederung“ der zwingend eintretenden Strafrahmenverschiebung zu ermöglichen. 1. § 29a I Nr. 1, § 30 I Nr. 2 und § 30a II Nr. 1 BtMG (Minderjährigenschutz) Als besonders verachtenswert sieht der Gesetzgeber das Involvieren von Minderjährigen in die Drogenszene an, weil der Täter hier meist die Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit des Jugendlichen bewusst ausnutzt. Gibt der Betäubungsmittel an einen Jugendlichen unter 18 Jahren ab, verabreicht oder überlässt er sie ihm zum unmittelbaren Verbrauch, verschiebt sich daher der Strafrahmen gem. § 29a I Nr. 1 BtMG auf „nicht unter einem Jahr“. Die Vorschrift hat den Zweck, Jugendliche vor dem „Abrutschen“ in die Drogenszene zu schützen.92 Eine einmalige Abgabe ist bereits ausreichend.93 Dass die schwerwiegendere Variante des Handeltreibens im § 29a I Nr. 1 BtMG nicht genannt wird, ist nach Auffassung der Rechtsprechung ein Redaktionsversehen, weswegen auch das entgeltliche Veräußern mit Umsatzwillen unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen soll.94 Die Mitwirkung des Jugendlichen stellt einen Fall der „notwendigen Teilnahme“ dar, wobei dieser Begriff im Betäubungsmittelstrafrecht häufiger eine Rolle spielt und daher im Allgemeinen erörtert werden muss.95 Handelt der Täter gewerbsmäßig, verschiebt sich der Strafrahmen nochmals gem. § 30 I Nr. 2 BtMG.
den. Krit. zur kriminalpolitischen Zwecksetzung der Vorschrift, die im Folgenden weitestgehend auszublenden sein wird, vgl. Krack JuS 1995, 585 (588). 91 BT-Drs. 8/3551, S. 37. 92 BT-Drs. 12/989 S. 30. 93 Anders § 29a II Nr. 3 BtMG a. F., der eine wiederholte Abgabe forderte. 94 BGHSt 42, 162; BGH NStZ 2007, 339; nach BVerfG NJW 1991, 2823 ist solch eine extensive Auslegung nicht zu beanstanden, wobei man aber beachten sollte, dass diese Entscheidung vor der Erhebung des § 29a BtMG zu einem Verbrechen erging, vgl. Malek, 2. Kap. Rn. 375. 95 Ausführlich 3. Teil D. II. 2. a) bb), S. 547 ff.
B. Die Tatbestände im Einzelnen
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Einen weitaus höheren Unwertgehalt hat die Veranlassung Minderjähriger zum Umgang mit Betäubungsmitteln gem. § 30a II Nr. 1 BtMG, da der Täter hier den Jugendlichen nicht nur in die Sucht, sondern auch noch in den illegalen Handel einbezieht. 2. § 29a I Nr. 2 BtMG (Handeltreiben in nicht geringen Mengen) Praktisch bedeutsamer ist das unerlaubte Handeltreiben, Anbauen, Herstellen, Abgeben oder Besitzen (ohne Erlaubnis) in nicht geringen Mengen gem. § 29a I Nr. 2 BtMG. Die Vorschrift basiert auf der simplen Überlegung, dass eine höhere Menge von Drogen, eine höhere abstrakte Gefährlichkeit für die Volksgesundheit mit sich bringt (je höher der Vorrat, desto höher die Wahrscheinlichkeit der Verbreitung).96 Drogenhändler mit Vorratshaltung sollen hart bestraft werden. Nach Körner hat die Strafschärfung des unerlaubten Besitzes in hohen Mengen eine Beweiserleichterungsfunktion: Der ertappte Dealer könne sich bei hoher Menge nicht auf einen beabsichtigten Eigenverbrauch stützen.97 Die nicht geringe Menge ist auch bei den §§ 30 I Nr. 4,98 30a I und 30a II Nr. 2 BtMG als Tatbestandsmerkmal miteinbezogen. Bedenkt man, dass auf der anderen Seite eine geringe Menge zu einer Einstellung nach § 31a BtMG bzw. zu einem Absehen von Strafe nach § 29 V BtMG führen kann, ist es nur verständlich, dass der Begriff (und seine Bestimmung) in der Praxis aus Sicht des Strafverteidigers einen überragenden Stellenwert einnimmt.99 Für die vorliegende Untersuchung hat der Begriff nur untergeordnete Bedeutung, weil es sich um ein besonderes Tatbestandsmerkmal des Betäubungsmittelstrafrechts handelt, das im Bezug auf den Allgemeinen Teil im engeren Sinn keine eigenständigen Probleme mit sich bringt. 3. §§ 30 I Nr. 1, 30a I Nr. 1, 30a II Nr. 2 BtMG (Bandenhandel und Handeltreiben mit Waffen) Die sonstigen strafschärfenden Merkmale sind solche, die auch im Kernstrafrecht häufiger vorkommen. Hierzu gehört das Handeln als Mitglied einer Bande, das in den §§ 244 I Nr. 2, 244a, 260, 260a StGB, aber auch in anderen Neben96 Maßgeblich für die Frage, ob eine nicht geringe Menge vorliegt, ist der Wirkstoffanteil, vgl. nur BGH NJW 2009, 863. 97 Körner (VI) BtMG § 29a Rn. 26. 98 Die Verhältnismäßigkeit dieser Vorschrift erscheint zweifelhaft, vgl. Malek 2. Kap. Rn. 370 und BGHSt 31, 163, wonach in den Fällen des § 30 I Nr. 4 BtMG eine sorgfältige Prüfung hinsichtlich eines etwaigen minder schweren Falles gem. § 30 II BtMG erfolgen soll. 99 Zum Mengenbegriff und seiner Bedeutung für die vorliegende Abhandlung vgl. Fn. 2171 in Teil 3.
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
strafrechtsgebieten, beispielsweise in § 373 II Nr. 3 AO wiederkehrt. Die hierzu im Kernstrafrecht entwickelte Dogmatik ist nach herrschender Meinung im Wesentlichen auf das Betäubungsmittelstrafrecht übertragbar.100 Eine „Bande“ i. S. d. BtMG ist somit eine Verbindung von mindestens 3 Personen, die sich mit dem ernsthaften Willen zusammengeschlossen haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige Straftaten der in §§ 30 I Nr. 1, 30a I BtMG genannten Art zu begehen.101 Der Strafrahmen verschiebt sich gem. § 30a I Nr. 1 BtMG, wenn der Bandenhandel nicht geringe Mengen betrifft: Dies überrascht und mutet systemwidrig an, da eine Bande fast immer mit nicht geringen Mengen Handel treiben wird.102 Die herrschende Auffassung löst diese Diskrepanz mit der Begründung, dass im Rahmen des § 30 I Nr. 1 BtMG die nicht geringe Menge nicht nachgewiesen werden müsse und der Vorschrift damit die Funktion einer Beweiserleichterung zukomme.103 In § 30a II Nr. 2 BtMG ist das Handeltreiben mit (Schuss-)Waffen aufgeführt und birgt typische Probleme hinsichtlich der Begriffsbestimmung „sonstiger Gegenstand“ und der Tathandlung „Beisichführen“, die auch im Kernstrafrecht i. R.d §§ 244 I Nr. 1a, 250 I Nr. 1a StGB auftreten.104 Bedenkt man, dass Literatur und Rechtsprechung bis dato keine befriedigende Lösung diesbezüglich entwickeln konnten, und der BGH den Gesetzgeber auf dieses Manko hingewiesen hat,105 ergeben sich im Betäubungsmittelstrafrecht umso schwierigere Probleme.106 Beide Merkmale, sowohl der Begriff der „Bande“ als auch der der „Waffe“ betreffen allerdings klassische Problembereiche des Besonderen Teils und werden damit auszublenden sein.107 100
BGH StV 2001, 407. BGHSt 46, 321. 102 Endriß StV 1999, 445. 103 Weber BtMG § 30 Rn. 5. 104 Zur Problematik rund um § 244 I Nr. 1a, 250 I Nr. 1a StGB vgl. Rengier BT I § 4 Rn. 8; SSW/Kudlich § 244 Rn. 10; Sch/Sch/Eser/Bosch § 244 Rn. 4; Fischer § 244 Rn. 3 ff. 105 Zuletzt BGH NJW 2008, 2861; siehe auch BGH NStZ 2002, 594; NStZ 1999, 616; NStZ 2002, 594; NStZ 2002, 86; NStZ 2003, 662. 106 Zum Ganzen noch Fn. 1443, 1724, 2043, 2179 in Teil 3. Zumindest die Auslegung des Merkmals „Gegenstand“ vereinfacht sich etwas durch die Formulierung in § 30 II Nr. 2 2. Alt BtMG, wonach dieser dazu bestimmt sein muss, andere Menschen zu verletzen. Solch eine nähere Erläuterung ist den kernstrafrechtlichen Vorschriften dagegen nicht zu entnehmen, sodass es fraglich erscheint, ob die Dogmatik zum § 244 I Nr. 1a StGB, der eben auch sonstige Werkzeuge erfasst, die nicht bestimmt sein müssen, andere Menschen zu verletzen, unbesehen auf § 30a II Nr. 2 BtMG übertragen werden kann. Umgekehrt könnte diese Formulierung eine „Vorbildfunktion“ gegenüber § 244 I Nr. 1a StGB entfalten und man müsste sich nicht mehr mit der Frage befassen, ob eine subjektive Zweckbestimmung ausreicht oder der Gegenstand nicht bereits objektiv dazu geeignet bzw. bestimmt sein muss, andere Lebewesen zu verletzen. 107 Vgl. aber 3. Teil D. II. 1. c) bb), S. 544 ff. sowie Fn. 1443, 1724, 2043, 2179 in Teil 3. 101
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4. § 30 I Nr. 3 BtMG (Leichtfertige Todesverursachung durch Abgeben, Verabreichen und unmittelbarer Verbrauchsüberlassung) Besonderes Augenmerk ist auf § 30 I Nr. 3 BtMG zu legen, welcher die einzige Erfolgsqualifikation im Betäubungsmittelstrafrecht darstellt. Für die qualifizierende Folge des Todes reicht gem. § 18 StGB Fahrlässigkeit in Form von Leichtfertigkeit aus. Die Vorschrift scheint im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Qualifikationstatbestände, vorrangig professionell und rücksichtslos agierende Dealer zu erfassen, verfehlt, da sie gerade auch Kleinkriminelle bzw. einfache Erwerber (die Drogen mit Freunden teilen etc.) erfasst.108 Die Strafschärfung des § 30 I Nr. 3 BtMG soll aber auch die Lücken im Bereich der §§ 222, 229 StGB schließen, die wegen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Opfers meist ausscheiden (es sei denn, der Täter verfügt über ein überlegenes Sachwissen109). Nimmt man die Deliktsnatur des § 30 I Nr. 3 BtMG allerdings ernst, muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Norm ihrer Auffangfunktion gerecht werden kann. Schließlich setzt auch eine Erfolgsqualifikation einen tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhang voraus, der durch das selbstschädigende Drittverhalten unterbrochen sein könnte. Diese Problematik wird im Rahmen der Grundlagen der Strafbarkeit, genauer objektiven Zurechnung, näher zu erörtern sein.
III. Zusammenfassender Überblick zu den §§ 29 ff. BtMG Die §§ 29 ff. BtMG erfassen nahezu jeden erdenklichen Umgang mit Betäubungsmitteln, wobei die praktisch wichtigsten Tathandlungen das Handeltreiben, die Einfuhr, der Erwerb zum Eigenkonsum und der strafbare Besitz sein dürften.110 Der Konsum als solcher ist straflos. Strafschärfende Wirkung gegenüber dem Grunddelikt haben hierbei zum einen typische Merkmale, wie sie aus dem Kernstrafrecht bekannt sind (Bandenmitgliedschaft, Beisichführen von Waffen, Schädigung Minderjähriger), aber auch BtMG-spezifische Eigenheiten, wie der Umgang mit nicht geringen Mengen. Kernstrafrechtliche Tatbestände (§§ 242, 261 StGB) sowie weitere nebenstrafrechtliche Vorschriften (§§ 95 ff. AMG, 19 ff. GÜG) ergänzen die Strafnormen des BtMG. Zu erwähnen sind weiterhin die Ordnungswidrigkeiten nach § 32 BtMG, welche die Interessen der Exekutive an einer möglichst effizienten Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs tangieren, aber noch keinen derart gravierenden Unrechtsgehalt aufweisen, dass sie als Straftatbestand ausgestaltet sein müssten.111 108
Joachimski/Haumer § 30 Rn. 11. Im Betäubungsmittelstrafrecht ohnehin selten und überdies schwerlich nachweisbar, vgl. Franke/Wienroeder § 30 Rn. 13 a. E. 110 So auch Wagner/Kallin/Kruse Betäubungsmittelstrafrecht Rn. 53, 66. 111 Näher MK-StGB/Kotz § 32 BtMG Rn. 2. 109
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
C. Zum Konzept der §§ 29 ff. BtMG als Nebenstrafrechtsgebiet Betäubungsmittelstrafrecht ist Nebenstrafrecht. Der Grund für diese Bezeichnung liegt darin, dass sich die Strafvorschriften der §§ 29 ff. BtMG außerhalb des so genannten „Kernstrafrechts“ (bzw. des Besonderen Teils des StGB, §§ 80– 358 StGB) befinden. Der Gesetzgeber hatte sich bereits beim Vorgänger des BtMG, dem OpiumG aus dem Jahre 1929112, gegen eine Eingliederung des Betäubungsmittelstrafrechts in das Kernstrafrecht entschieden und eine Konzeption des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln als Nebenstrafrechtsgebiet präferiert. Diese Zuordnung hat nicht nur einen terminologischen Wert, sondern kann, wie es im Folgenden darzustellen gilt, auch im Rahmen der Auslegung der Strafvorschriften eine Rolle spielen. Wenn das Betäubungsmittelstrafrecht strukturelle bzw. phänomenologische Eigenheiten mit sich bringt, die auch bei anderen nebenstrafrechtlichen Vorschriften vorkommen, gilt es diese im Rahmen einer systematischen sowie teleologischen Interpretation stets ausreichend zu berücksichtigen. Daher sollen im Folgenden der Begriff des Nebenstrafrechts kurz erläutert, und die Vor- und Nachteile einer Regelung im Nebenstrafrecht skizziert werden, um anschließend jene eigentümlichen Gesetzgebungsprinzipien darzulegen, welche in Wechselwirkung mit dem Gesetzeszweck noch wesentlichen Einfluss auf den Gang der Arbeit haben könnten.
I. Der Begriff des Nebenstrafrechts Beim Nebenstrafrecht handelt es sich um Strafvorschriften, die in engem Zusammenhang mit anderen Rechtsnormen stehen und daher i. d. R. in dem für die „Hauptmaterie“ (meist verwaltungsrechtliche Aufgaben) einschlägigen Gesetz geregelt sind.113 Die Verortung von Strafvorschriften in anderen Gesetzen hat den Vorteil der Vereinfachung des Gesetzgebungsprozesses, zumal auf diesem Wege eine „Überfrachtung“ des StGB vermieden wird.114 Zudem hat es den Nutzen, Strafvorschriften einen systematischen Bezug zu verleihen und somit deren Auslegung zu erleichtern. Letztlich ist gerade in Bereichen, in denen der Gesetzgeber ständig „up-to-date“ sein muss, eine Regelung in Nebengesetzen zweckmäßig, da auf diesem Wege das StGB keine ständige Reform des StGB notwendig ist.115
112 113 114 115
RGBl. I, S. 215. LK/Weigend Einleitung, Rn. 18. Maurach/Zipf AT I § 8 Rn. 26. Naucke Strafrecht § 4 Rn. 15.
C. Zum Konzept der §§ 29 ff. BtMG
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II. Das BtMG als typisches Nebenstrafrechtsgebiet 1. Zweck des Betäubungsmittelgesetzes Diese Überlegungen passen auf die Strafvorschriften des BtMG. Das Betäubungsmittelgesetz als solches hat (bzw. hatte zumindest) nicht den Hauptzweck, den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln zu sanktionieren, sondern den Umgang mit Betäubungsmitteln insgesamt zu regeln.116 Die meisten Vorschriften des BtMG liegen im exekutiven Bereich und beinhalten verwaltungsrechtliche Fragen wie Erlaubnisfristen, Antragserfordernisse und Sicherungsmaßnahmen. Das Instrument des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts soll die Durchsetzung und Beachtung des BtMG flankieren.117 Eine allumfassende Regelung des Betäubungsmittelstrafrechts im StGB wäre nicht vorstellbar, ohne die Deliktstatbestände aus ihrem Zusammenhang zu reißen118. Außerdem gehört das Betäubungsmittelrecht in Zeiten von Designerdrogen und ständig neu entdeckten Giften sicherlich zu den Rechtsgebieten, in denen die Rechtsordnung flexibel sein muss, um auf neue Entwicklungen möglichst schnell reagieren zu können und so auch dem Gesetzeszweck zum Erfolg zu verhelfen.119 2. Akzessorietät der Regelungsmaterie Das Betäubungsmittelstrafrecht weist auch im Übrigen die typischen Gesetzgebungscharakteristika anderer Nebenstrafrechtsgebiete auf, wenn auch nicht in einer derart ausgeprägten Form. Die Blanketttechnik (die eben im BtMG gerade nicht so stark ausgebildet ist) bzw. Verwaltungsakzessorietät wurden diesbezüglich schon genannt. Die Akzessorietät der Regelungsmaterie schlägt sich auch in der Existenz der aufgezeigten Sonderdelikte nieder. Hierzu sind die Tatmodalitäten zu zählen, bei denen der Täter die Verfügungsmacht über das Betäubungsmittel haben muss. Ebenfalls zu nennen ist die Apothekereigenschaft im Rahmen des § 29 I Nr. 7 BtMG. 3. Häufige Anordnung von Fahrlässigkeitstatbeständen Hinzu tritt die Anordnung von Fahrlässigkeitstatbeständen. Der denkbaren Kritik systemfremder Ausweitung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit könnte man entgegnen, dass die Vorschriften auch die körperliche Unversehrtheit bzw. Gesundheit 116
Siehe bereits 1. Teil A. II., S. 40 f. Normtheoretische Grundlagen des Nebenstrafrechts bei MK-StGB/Lagodny Einleitung Rn. 9 ff. 118 Zumal die verwaltungsrechtliche Erlaubnis zumindest nach h. M. ein Tatbestandsmerkmal darstellt, vgl. hierzu noch ausführlich und m.w. N. 3. Teil A. III. 3., S. 230 ff. 119 Weber § 1 Rn. 192–198, 559 f. 117
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
anderer schützen wird, für die auch das Kernstrafrecht Fahrlässigkeitstatbestände parat hält, §§ 222, 229 StGB.120 Dennoch sollte man im Hinblick auf den ultimaratio Grundsatz darüber nachdenken, ob eine generalisierende Abdeckung der fahrlässigen Begehungsweise überhaupt zweckmäßig ist.
III. Art. 1 EGStGB contra „Isolation“ des Nebenstrafrechts Die entscheidende Gefahr eines nebenstrafrechtlichen Konzepts besteht darin, die Vorschriften psychologisch bereits als „Nebensache“ zu empfinden und die Bedeutung der Regelungen als solche zu unterschätzen.121 Denn damit geht das Risiko einher, sich immer weiter vom Kernstrafrecht zu entfernen und die Vorschriften des Allgemeinen Teils bei der tatsächlichen Rechtsanwendung zu vernachlässigen.122 Das gesetzlich normierte Verbindungsglied zwischen den Deliktstatbeständen des Nebenstrafrechts und dem Kernstrafrecht ist Art. 1 EGStGB. Demnach finden die Vorschriften des Allgemeinen Teils auf sonstiges Bundes(straf)recht Anwendung und hat insofern „rein deklaratorischen“ Charakter. Es ist aber gerade Gegenstand der Untersuchung, ob man dieser Vorschrift in der Praxis auch nachkommt bzw. überhaupt nachkommen kann. Dies setzt voraus, dass der Allgemeine Teil überhaupt einen – wie auch immer gearteten – Geltungsanspruch hat. 1. Das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil Hierfür muss geklärt werden, in welcher Beziehung der Allgemeine Teil des StGB und die formellen Straftatbestände zueinander stehen. Im Allgemeinen Teil des StGB (§§ 1–79b StGB) sind gemeinsame Voraussetzungen und Folgen strafbaren Handelns „gewissermaßen vor die Klammer gezogen“.123 Durch diese Technik schafft man es, die Deliktstatbestände im Interesse der Rechtssicherheit
120
Zu den Schutzgütern des BtMG siehe 2. Teil B., S. 72. Die rechtspolitische Frage, ob eine Verortung des „Drogenstrafrechts“ im Kernstrafrecht (wie dies in anderen Ländern teilweise gehandhabt wird) keine bessere Signalwirkung für die Bevölkerung hätte, sei an dieser Stelle dahingestellt, vgl. hierzu Og˘lakcıog˘lu ZIS 2011, 743 (744). 122 Die Grundsatzdiskussion rund um die Frage nebenstrafrechtlicher Gesetzgebung und ihrer Risiken kann an dieser Stelle nur angerissen werden, vgl. hierzu allen voran Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 70 ff.; MK-StGB/Lagodny Band 5 Einleitung Rn. 5. 123 Naucke Strafrecht § 6 Rn. 4; Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 308; Tiedemann, FSBaumann, 1992, S. 7 ff.; Rengier AT § 1 Rn. 2; Baumann/Weber/Mitsch § 5; Roxin/ Arzt/Tiedemann, Einführung, S. 46 f.; nach Wieacker geht diese Metapher auf Gustav Boehmer zurück, vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, S. 475 Fn. 19. Roxin bezeichnet die Vorschriften als „Produkt der Abstraktion“, Roxin AT I § 1 Rn. 15. 121
C. Zum Konzept der §§ 29 ff. BtMG
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(bzw. Bestimmtheit i. S. d. Art. 103 II GG) in ein festgelegtes System zu platzieren. Das gesetzgeberische Konzept, den Straftatbeständen einen Allgemeinen Teil voranzustellen, hat sich bereits früh etabliert und wird in der Strafrechtswissenschaft auch nicht mehr in Frage gestellt.124 Diskutiert wird aber darüber, welchen Inhalt der Allgemeine Teil haben darf bzw. sollte,125 und ob er nicht in bestimmten Belangen – sei es mittels teleologischer Auslegung, sei es mittels gesetzgeberischer Eingriffe – modifiziert werden muss, um den modernen Erscheinungsformen des Strafrechts gerecht zu werden.126 Tiedemann illustriert am Beispiel des Wirtschaftsstrafrechts, dass der Allgemeine Teil im Bereich des Schutzes abstrakter Rechtsgüter „angestaubt“ wirkt und den Rechtsanwender dazu zwingt, die AT-Dogmatik den Eigenheiten des Besonderen Teils anzupassen.127 Wie weit diese „Anpassung“ gehen darf, ist nicht abschließend geklärt und hängt unmittelbar mit der Frage zusammen, welches Verhältnis AT und BT zueinander haben. Die Methoden, dieses Beziehungsverhältnis zu konkretisieren, ist eine vielschichtige und komplexe Aufgabe, was auch auf den Umstand zurückzuführen ist, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, an die Lösung dieser Frage heranzugehen. Denkbar wäre es, das Verhältnis mittels einer Funktionsanalyse zu bestimmen und die so gewonnen Erkenntnisse für dessen Bestimmung zu verwerten.128 Versucht man dagegen, die Dogmatik des Allgemeinen Teils und seine Trennung vom Besonderen Teil zu legitimieren bzw. die Systematik näher zu erläutern, wird in gewisser Weise bereits ein bestimmtes Verhältnis vorausgesetzt.129 Im Sinne einer Synthese erscheint es sachgerecht, nicht nur die Funktion des Allgemeinen Teils als solche, sondern (den systematisierenden Ansatz einbezogen) auch die Beweggründe für seine räumliche Abgrenzung zum Besonderen Teil für die Beantwortung der Frage heranzuziehen, in welchem Verhältnis die beiden Abschnitte zueinander stehen. Im Folgenden sollen diese zwei wesentlichen Aspekte – Funktion des Allgemeinen Teils „für sich“ und Zweckmäßigkeit der Trennung vom BT (in begrifflicher sowie gesetzestechnischer Hinsicht) – 124 Sch/Sch/Eser/Hecker Vor § 1 Rn. 7/8; Fischer Einleitung, Rn. 1; SSW/Satzger Vor § 1 Rn. 1; Rengier AT § 1 Rn. 1; Naucke Strafrecht § 6 Rn. 4; Roxin/Arzt/Tiedemann, Einführung, S. 69 f.; Kühl/Reichold/Ronellenfitsch, Einführung, § 33 Rn. 1 ff.; das deutsche StGB folgt somit in seinem Aufbau dem preußischen ALR von 1974, zu den historischen Hintergründen Fincke, Verhältnis, S. 3 ff. 125 Vgl. nur Naucke, Gesetzlichkeit und Kriminalpolitik (1999), S. 241 ff., der auf die zahlreichen Lücken und Überschneidungen des Allgemeinen Teils hinweist und einen noch weiter abstrahierten Allgemeinen Teil einführen will. 126 Tiedemann ZStW 86 (1974), 303 ff. 127 Tiedemann AT Rn. 10. 128 Naucke, FS-Welzel, 1974, S. 761 ff. 129 Hierzu grundlegend Zimmerl, Aufbau des Strafrechtssystems, S. 1 f.
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
kurz skizziert werden, um in einem anschließenden Resümee das „Verhältnis“ von Allgemeinem und Besonderem Teil festzulegen, welches der Arbeit zu Grunde gelegt wird. a) Funktion des Allgemeinen Teils In der Ausbildungsliteratur wird der Zweck des AT häufig mit der eingangs genannten, einprägsamen Metapher beschrieben, allgemeine Lehren, die auf jeden Deliktstatbestand passen, „vor die Klammer zu ziehen“.130 So wird eine Überfrachtung der einzelnen Straftatbestände vermieden, und das StGB (auch im Sinne der Bestimmtheit) in einem angemessenen Umfang gehalten. Es wäre vollkommen überflüssig, Fragen der Schuldfähigkeit, der Verjährung oder der örtlichen Geltung des Rechts für jeden Tatbestand extra zu formulieren. Dies würde den Tatbestand nicht nur unübersichtlich machen sondern auch dazu führen, dass der Rechtsaddresat die wesentlichen Unrechtsgehalte des Straftatbestands kaum mehr wahrnehmen könnte. In dieser technischen Vereinfachung erschöpft sich die Existenzberechtigung des Allgemeinen Teils allerdings nicht. Die Einteilung führt zu einer grundlegenden Systematisierung, welche die Anwendung der Straftatbestände und ihre Weiter- bzw. Neuentwicklung wesentlich prägt. Wenn „die Strafrechtsordnung eine Ordnung und keine Unordnung“ 131 sein soll, muss der Gesetzgeber ein geschlossenes System haben, an dem er sich orientieren kann. Der Allgemeine Teil stellt ein ergiebiges Fundament für die Lehre von der Straftat dar132 und ist zumindest ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die „allgemeine Verbrechenslehre“. Dies darf man nicht dahingehend missverstehen, dass der Allgemeine Teil (für sich) die Grundlage des Strafrechtssystems bilde. Fincke weist explizit darauf hin, dass der AT des StGB nicht das „genus proximum“ darstellt, und die Normen des BT hierbei stets als „differentiae specificae“ auf dem AT basieren;133 die Vorschriften des Allgemeinen Teils sind „heterogener Natur“, d.h. ihr Inhalt und ihre Anwendung können akzessorisch zum einschlägigen Deliktstatbestand sein.134 130 Die Differenzierung wird dadurch erschwert, dass diese Technik an einigen Stellen des StGB durchbrochen wird, indem AT-rechtliche Vorschriften im Besonderen Teil wiederzufinden sind (Rechtfertigungsgründe wie § 193 StGB, objektive Strafbarkeitsbedingungen wie bei § 231 StGB oder besondere Schuldausschließungsgründe wie § 113 IV StGB) und umgekehrt. Hinzu tritt, dass bestimmte Vorschriften „allgemeiner“ als andere formuliert sind. Als griffiges Beispiel sei § 1 StGB genannt: Es ist bis heute umstritten, ob das Gesetzlichkeitsprinzip auf die sonstigen Vorschriften des AT anzuwenden ist, siehe hierzu Dannecker FS-Otto, 2007, S. 25 ff.; Jähnke, FS-BGH, 2000, S. 393 ff.; MK-StGB/Schmitz § 1 StGB Rn. 1; 13–15 m.w. N. 131 Bei Fincke, Verhältnis, S. 33 nach Zimmerl, Aufbau des Strafrechtssystems, S. 1 f. 132 Bringewat, Grundbegriffe, Rn. 310. 133 Fincke, Verhältnis, S. 8.
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Die abstrakt gehaltenen „allgemeinen“ Vorschriften dienen zugleich auch der Individualisierung und Gerechtigkeit im „konkreten“ Einzelfall.135 Denn regelt man Irrtums-, Schuld-, und Strafzumessungskriterien im Zusammenhang mit einer Strafvorschrift – was im Besonderen Teil häufiger vorkommt –, bringt man sie immer in einen systematischen Kontext mit der jeweiligen Deliktsgruppe, was die Anwendung und Auslegung der Vorschrift von vornherein beeinflusst. Während die formellen Straftatbestände den Handlungsunwert einer Tat typisieren, kennt der AT keine Handlungsbeschreibung, d.h. er ist „neutral“ und daher weder rechtspolitischen noch schutzgutorientierten Einflüssen ausgesetzt.136 Ob der Allgemeine Teil dagegen zur Rechtssicherheit beiträgt, indem er durch die Systematisierung dem Rechtsanwender einen grundlegenden Leitfaden an die Hand gibt,137 ist schwer zu ermitteln, da die Folgen eines Fehlens kaum prognostiziert werden können.138 Naucke sieht die wesentliche Aufgabe des Allgemeinen Teils darin, Wertungsprobleme bzw. begriffliche Schwierigkeiten, wie sie der Besondere Teil mitbringt, lösbar zu machen, indem das konkrete Problem (Auslegung und Reichweite eines bestimmten Begriffs139) auf eine abstrakte Ebene verschoben, dort dogmatisch verarbeitet und daraufhin wieder dem Besonderen Teil zur Verfügung gestellt wird. Er fungiert sozusagen als „Problemlöser“, den man heranzieht, um begriffliche Schwierigkeiten im Besonderen Teil in einen verwandten Kontext zu bringen und ein im Einzelfall gerechtes sowie im strafrechtlichen Gesamtkontext stimmiges Ergebnis zu erlangen. Zudem sieht er die Möglichkeit, durch den „Übersetzungsvorgang“ veränderte, staats- und straftheoretische Vorstellungen in die Praxis des Besonderen Teils einzubetten und somit auch den kriminalpolitischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, die der Gesetzgeber mit dem Straftatbestand abgedeckt wissen wollte.140 b) Zur Notwendigkeit der Trennung von Allgemeinem und Besonderem Teil Es liegt auf der Hand, dass sich diese gesetzestechnischen Funktionen des Allgemeinen Teils nur mittels einer räumlichen Trennung entfalten können. Positiv134 Hierzu gehören die Vorschriften über den Strafantrag, §§ 77 ff. oder die der Verjährung gem. §§ 78 ff., 79 ff. StGB. 135 Roxin AT I § 7 Rn. 2. 136 Mit Blick auf § 30 II StGB müsste man sagen: „Ausnahmen bestätigen die Regel“. 137 Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 6; Hassemer, Strafrechtsdogmatik und Kriminalpolitik, S. 177 ff.; Tiedemann, FS-Baumann, 1992, S. 7 (19). 138 Fincke, Verhältnis, S. 9. 139 Bei Naucke FS-Welzel, 1974, S. 761 ff. am Beispiel der „Unzumutbarkeit“ gem. § 323c StGB (303c StGB a. F.) illustriert. 140 Naucke Strafrecht § 6 Rn. 20, 26.
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
rechtlich ist eine Abgrenzung schon deshalb notwendig, weil bestimmte Normen selbst bereits die Differenzierung von AT und BT voraussetzen; etwa § 1 EGStGB als Ausgangspunkt der Diskussion oder § 12 III StGB, der zwischen den allgemeinen Milderungsgründen und denen des BT unterscheidet (gleiches gilt für § 78 IV StGB, der den Gedanken des § 12 III StGB letztlich nur für die Verjährungsfristberechnung fortsetzt). Bereits angedeutet wurde auch, dass der Standort einer Vorschrift deren historische, systematische und teleologische Auslegung in erheblichem Maße beeinflusst. Der Gesetzgeber kann also die Trennung von AT und BT im Einzelfall durchbrechen und mit diesem „Systembruch“ eine gewünschte Signalwirkung auslösen. Letztlich ist die begriffliche Abgrenzung auch deshalb von Relevanz, weil bis heute noch umstritten ist, ob bzw. wie der nullumpoena-sine-lege-Grundsatz (Art. 103 II GG) auf den Allgemeinen Teil Anwendung findet.141 c) Das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem Teil zueinander Fasst man die bisher angestellten Überlegungen zusammen, ist Naucke nur beizupflichten, wenn er feststellt, dass es eine „autopoietische“, sich von sich aus entwickelnde Strafrechtsdogmatik niemals geben kann; der Besondere Teil ist also stets Voraussetzung für die Entwicklung einer Dogmatik im Allgemeinen Teil.142 Diese Feststellung reicht bis auf die Fortentwicklung des Allgemeinen Teils als solchem zurück: So ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die geltende Zurechnungsdogmatik samt Rechtfertigungstatbeständen und Schuldlehre auf das vorsätzliche, vollendete Erfolgsdelikt zugeschnitten ist (also beispielsweise auf den Totschlag nach § 212 StGB). Anhand verschiedener Beispiele demonstriert Naucke, dass der Besondere Teil eine Ausstrahlungswirkung auf die Dogmatik des Allgemeinen Teils hat.143 Folgerichtig zieht er den Schluss, dass es ein „Primat“ des Allgemeinen Teils nicht geben kann. Bedeutet dies nun umgekehrt, dass der Besondere Teil vorrangig wäre bzw. die Vorschriften des Allgemeinen Teils denen des Besonderen Teils Rechnung tragen müssten?144 Die 141
Vgl. hierzu Fn. 130 in Teil 1. Naucke, FS-Welzel, 1974, S. 761 f. 143 Hierzu gehört die Entwicklung der „Zwischenaktstheorie“ im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens gem. § 22 StGB: Mit Auftreten abstrakter Gefährdungsdelikte war der Ansatz, wonach der Täter unmittelbar ansetzt, wenn eine Rechtsgutgefährdung eintritt kein taugliches Kriterium mehr, weil bei diesem Deliktstypus mit Eintritt der Rechtsgutgefährdung das Delikt bereits vollendet ist, vgl. hierzu noch 3. Teil C. I. 2. b) bb), S. 398 ff. Als weiteres Beispiel nennt Tiedemann die Anforderungen an die Fahrlässigkeit, wobei der Rückgriff auf die vorwerfbare Gefahrschaffung als Sorgfaltspflichtverletzung dann versage, wenn bereits die fahrlässige Gefahrschaffung als solches sanktioniert werde, FS-Baumann, 1992, S. 7 (14 f.); vgl. hierzu auch 3. Teil C. I. 2. b) bb), S. 398; zur „Verformung“ des AT durch Einflüsse des BT auch Arzt/Weber § 1 Rn. 15. 144 Tiedemann, FS-Baumann, 1992, S. 7 (20); vgl. auch Arzt/Weber § 1 Rn. 15–16. 142
C. Zum Konzept der §§ 29 ff. BtMG
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Frage beantwortet sich von selbst, wenn man sich die soeben genannten Funktionen des Allgemeinen Teils vor Augen führt: Wenn der Allgemeine Teil dazu dient, Begrifflichkeiten des Besonderen Teils in einen „vertrauten“ Kontext zu bringen, kann es ein „Verhältnis“ im Sinne einer Subordination nicht geben. Vielmehr ergänzen sich Allgemeiner Teil und Besonderer Teil gegenseitig und stehen in ständiger Wechselwirkung.145 Den Geltungsanspruch des Allgemeinen Teils kann man somit nicht in Abrede stellen. Wenn sich der Gesetzgeber (u. a. aus Gründen der Übersichtlichkeit und Vereinfachung) für diese Technik entschieden hat, ist sowohl er als auch der Rechtsanwender daran gehalten, diese Systematisierung optimal umzusetzen. Der Allgemeine Teil findet Anwendung, soweit die formellen Straftatbestände einer Ergänzung bzw. einer systematischen Erläuterung bedürfen. Dann muss die Anwendung des Allgemeinen Teils aber auch ohne Einschränkungen erfolgen. Schließlich hat der Gesetzgeber bei Schaffung neuer Deliktstatbestände das grundsätzliche Konstrukt des StGB und die geltende Lehren und die Rechtsprechung zu den Vorschriften des Allgemeinen Teils ständig im Auge; von einer vollständig losgelösten Gesetzgebung darf man nicht ausgehen, wenn man einer Entwicklung des Allgemeinen Teils zu einem „Bedarfskatalog“ vorbeugen will, auf den man nur zurückgreift, wenn die Vorschriften auf den formellen Straftatbestand passen. Dem Gesetzgeber steht es in begrenztem Maße offen, ggf. den Allgemeinen Teil selbst zu modifizieren. Daraus ergibt sich auch, dass der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs den Gesetzgeber nicht dergestalt bindet, dass dieser von den dortigen Regeln niemals abweichen dürfte. Wenn er dies aber tut, muss der Gesetzgeber sich durch die Schaffung entsprechender Modifikationsvorschriften im jeweiligen Spezialkontext (vgl. die §§ 157 ff. StGB) offen dazu bekennen. Eine freie Rechtsschöpfung „praeter legem“, die den Regelungen des Allgemeinen Teils zuwiderläuft, is zugleich „contra legem“ und damit unzulässig. Eine „Anpassung“ des Allgemeinen Teils erfolgt nur insoweit, als eine Anpassung möglich ist. Jede andere Auffassung würde schlicht dem Zweck der Aufteilung von Allgemeinem und Besonderem Teil zuwiderlaufen, was seinerseits kaum mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 II GG vereinbar wäre. Diese Prämisse deckt sich mit dem Gegenstand der Untersuchung: Wann funktioniert eine reibungslose Anwendung der Dogmatik des Allgemeinen Teils und wie viel „Integration“ des Allgemeinen Teils ist im Betäubungsmittelstrafrecht möglich.
145 Dieser Ergänzungs- und Wechselwirkungscharakter, wie ihn Fincke (Fn. 138 in Teil 1) beschreibt, ergibt sich bereits aus dem verschiedenartigen Inhalt von AT und BT: Während der Besondere Teil Verhaltensregeln aufstellt, gibt der Allgemeine Teil vor, wann und wem gegenüber diese Verhaltensregeln gelten.
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1. Teil: Die Strafnormen des BtMG: Überblick und Systematik
2. Zwischenergebnis Für die Untersuchung bleibt festzuhalten, dass der Allgemeine Teil einen Geltungsanspruch genießen muss, die besonderen nebenstrafrechtlichen Tatbestände letztlich aber den „Rahmen“ dafür vorgeben, inwieweit sie der Allgemeine Teil ergänzen muss. Es gilt also zu ermitteln, inwiefern die § 29 ff. BtMG ein Zusammenspiel mit dem Allgemeinen Teil zulassen, und Lösungen für Konstellationen und Begrifflichkeiten zu finden, bei denen sich das BtMG zumindest auf den ersten Blick nicht mit dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs zu „vertragen“ scheint.
2. Teil
Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht Dass die Anwendung der allgemeinen Vorschriften auf die formellen Straftatbestände Probleme bereitet, wenn der Besondere Teil atypische Gesetzgebungsstrukturen mit sich bringt, die dem traditionellen Strafrecht AT fremd sind, wurde bereits angedeutet. Dies basieren auf einem typischen Charakteristikum des „modernen Strafrechts“:1 dem Schutz abstrakter Rechtsgüter. Der anfangs dargelegte Zweck der Strafvorschriften ließ bereits andeuten, dass die §§ 29 ff. BtMG nicht nur die körperliche Unversehrtheit des Individuums schützen, sondern auch kollektive Rechtsgüter („Gemeinwohl“) erfassen. Abstrahierte Rechtsgüter führen zu abstrakten Gefährdungsdelikten,2 die ihrerseits in Kumulation mit der Anordnung von Versuchstatbeständen zu einer enormen Vorverlagerung der Strafbarkeit führen. Dass die Rechtswissenschaft gegen diese „Entmaterialisierung“ des Rechtsgutsbegriffs – nicht nur im Betäubungsmittelstrafrecht – Bedenken äußert, dürfte bekannt sein.3 Ob man allerdings die Schaffung von abstrakten Gefährdungsdelikten bzw. „Gefährlichkeitstatbeständen“ – mithin u. a. als Präventionsstrafrecht, Risikostrafrecht,4 Feindstrafrecht oder Zweckstrafrecht5 bezeichnet – für zweckmäßig und rechtstaatlich legitimierbar hält, ist eine Grundsatzfrage, mit der man sich bereits in zahlreichen Beiträgen beschäftigt hat6 und die (vielleicht vornehmlich, aber) nicht allein die Betäubungsmittelstrafgesetzgebung betrifft. Wenn man sich 1
Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 115 f. Zum abstrakten Gefährdungsdelikt vgl. bereits Brehm, Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, S. 89 ff.; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 63 ff.; Kindhäuser, Gefährdung, S. 277 ff.; Zieschang, Gefährdungsdelikte, S. 52 ff.; Hefendehl Kollektive Rechtsgüter, S. 156 ff.; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 232 ff.; zur „weitgehenden Ausgestaltung der BtMG-Tatbestände als abstrakte Gefährdungsdelikte Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 149 ff. sowie Wang, Drogenstraftaten, S. 143 ff.; Koriath GA 2001, 51; Roxin AT I § 10 Rn. 123 f.; § 11 Rn. 153 ff., vgl. Fn. 4 m.w. N. 3 Allgemein zu dieser Problematik NK/Hassemer Vor § 1 Rn. 265; Eser, FS-Mestmäcker, 1996, S. 1005 (1013). 4 Zum Rechtsgüterschutz in der Risikogesellschaft vgl. auch Baratta, FS-Kaufmann, 1993, S. 393. 5 Hierzu zusammenfassend Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 285 ff. 6 Albrecht KritV 1993, 163; ders., Abschied vom Recht, S. 3 ff.; Dencker StV 1988, 262. 2
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
die Funktion des Rechtsguts vergegenwärtigt, wird deutlich, warum derartige Ausführungen an dieser Stelle erfolgen: Der Rückgriff auf den Begriff des Rechtsguts hat genau die Funktion, jene Grundlagendiskussion anzustoßen bzw. Ursachenanalyse zu betreiben. Denn idealtypisch führt das zugrundegelegte Rechtsgutskonzept zur jeweiligen Ausgestaltung und Anwendung der betroffenen Straftatbestände, sodass etwaige Änderungen am Fundament das gesamte System „zum Einstürzen“ bringen können.7 Doch unabhängig davon, ob man die Diskussion über einen systemkritischen Rechtsgutsbegriff ankurbeln oder anderweitig über die Legitimität der Ausgestaltung moderner Delikte nachdenken will:8 Einen „Einsturz“ bzw. eine Neukonzeption bezweckt die vorliegende Abhandlung – wie eingangs dargelegt – nicht. Vielmehr gilt es zu überprüfen, ob die Dogmatik des Allgemeinen Teils auch auf Delikte mit „kritischen Rechtsgütern“ Anwendung finden kann,9 weswegen sich die Darstellung im Folgenden darauf beschränkt, das von der h. M. (mehr oder weniger) entwickelte und vertretene Schutzgutkonzept zum besseren Verständnis nachzuzeichnen, während die damit verbundene Kritik aus der Literatur nur kursorisch behandelt werden können. Eine vertiefte Auseinandersetzung bzw. kritische Würdigung macht an dieser Stelle wenig Sinn, da die vorliegende Arbeit Lösungsansätze für die Anwendung der lex lata anstrebt, die das (m. E. zu Recht) kritisierte Rechtsgutskonzept schlicht zugrundelegt und auch kein Umdenken diesbezüglich prognostiziert werden kann.
A. Grundlagen I. Der Rechtsgüterschutz als Sinn und Zweck des Strafrechts Dem Strafrecht wird die Funktion zugeteilt, Rechtsgüter zu schützen.10 Daher wird das Strafrecht als Schutzrecht qualifiziert.11 Da das Strafrecht kein „ethi7 Man denke etwa daran, das Schutzgut des § 242 StGB von Eigentum in „Vermögen“ oder umgekehrt in „Besitz“ umzuwandeln. Der Wortlaut der Vorschrift würde nicht mehr passen, die bisher ergangene Rechtsprechung wäre nicht mehr übertragbar und die angedrohten Sanktionen wären womöglich nicht mehr angemessen. 8 Denn der Rechtsgutslehre steht kein „perfektes“ und unangreifbares Erklärungsmodell gegenüber; anders gewendet: bei aller Kritik gegen diese Art der Legitimation staatlichen Strafens muss auch gesehen werden, dass auch die sonstigen Lösungsansätze – man denke an den „normativistischen Funktionalismus“, Jakobs AT, 1/9 und 2/1 – angreifbar sind, vgl. hierzu Amelung, Recht und Moral, S. 269 (278); Vormbaum ZStW 107 (1995), 734 (752), vgl. auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 53 ff. 9 Aus diesem Grund entfernt sich die Arbeit auch von rechtsgutsorientierten Deliktsklassifikationen (Verletzungs-, konkrete- und abstrakte Gefährdungsdelikte) und sieht allein die tatbestandliche Ausgestaltung als maßgeblich an, vgl. hierzu noch ausführlich 3. Teil B. II. 1, S. 333 sowie 3. Teil C. I., S. 391 ff. 10 Roxin AT I § 2 Rn. 1; SK/Rudolphi Vor § 1 Rn. 2 ff.; Jescheck/Weigend AT § 1 Rn. 1; Baumann/Weber/Mitsch § 3 Rn. 10 ff.; eingeführt wurde der Begriff wohl durch Birnbaum Archiv des Criminalrechts, Neue Folge, 1834 S. 149 ff.; zur Entstehungsgeschichte Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 15 ff.; Sina, Dogmengeschichte, S. 3 ff.; spe-
A. Grundlagen
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sches Minimum“ darstellt12, welches bei schwerwiegenden Verstößen gegen das Sittengesetz zur Anwendung kommt, vielmehr sozialschädliches Verhalten von erheblicher Bedeutung sanktionieren soll13, muss seine Aufgabe darin liegen, die wichtigsten Bereiche des sozialen Miteinander mit einem effektiven Schutz auszustatten.14 Dies ist eben die Kriminalstrafe, die neben dem Verlust von Eigentum und Freiheit auch die extremste Form der sozialen Missbilligung darstellt und daher nur als letztes Mittel zur Anwendung kommen darf (ultima-ratio-Charakter und fragmentarische Natur des Strafrechts15). Das Strafrecht soll darauf beschränkt sein, die elementaren Grundwerte des Gemeinschaftslebens zu beschützen.16 In der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat sich diese Funktion des Rechtsguts bzw. die umgekehrte Aufgabe des Strafrechts im Rechtsgüterschutz fest etabliert; auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist „das strafrechtliche Delikt die schuldhafte Verletzung eines für alle gewährleisteten Rechtsgutes“.17 Soll das Rechtsgut eine Strafnorm erst legitimieren, muss auch die Anwendung der Strafgesetze vom Gebot des Rechtsgüterschutzes geprägt sein,18 d.h. die Interpretation der Straftatbestände muss sich am jeweils bezweckten Rechtsgüterschutz orientieren.19 Das Rechtsgut entfaltet sich so zum „Arbeitsinstruziell zu Birnbaum siehe auch Neubacher Jura 2000, 514; zum Rechtsgüterschutz im Strafrecht allgemein auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter; ders. GA 2002, 21; ders., Rechtsgutstheorie, S. 155 ff.; Koriath GA 1999, 561; Stratenwerth, FS-Lenckner, 1998, S. 377; Wohlers GA 2002, 15; SSW/Kudlich Vor § 13, Rn. 5; LK/Weigend Einleitung, Rn. 7. 11 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 48 ff. m.w. N.; ders. GA 2002, 21 (23). 12 So aber Jellinek, Die sozialethische Bedeutung von Recht, Unrecht und Strafe, S. 45. 13 BVerfGE 51, 324 (242). 14 BVerfGE 88, 203 ff. (257). 15 Vgl. BVerfGE 39, 1 (47); NK/Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn. 72; erstmals Binding, Lehrbuch BT 1 Bd.1, S. 20; vgl. auch Peters ZStW 77 (1965), 470 (475). 16 BVerfGE 45, 187, 253; Naucke Strafrecht § 1 Rn. 154 ff. 17 BVerfGE 25, 269/286; vgl. auch BVerfG NJW 1984, 967, wonach die Strafverfolgung „dem verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsgüterschutz“ dient. Grundsätzlich vermeidet das Bundesverfassungsgericht (um auf ihre verfassungsrechtlichen Terminologie zurückzuführen) den Begriff des Rechtsguts: Teils ist von überragend wichtigen Gemeinwohlzielen (BVerfG NJW 2006, 1261), teils von „elementaren Werten des Gemeinschaftslebens“ (BVerfGE 45, 187/253) die Rede. Siehe auch Weber, Handeltreiben, S. 310 m.w. N. 18 Zur systemimmanenten Funktion Gaede, Rechtsgutstheorie S. 183 ff.; Roxin AT I § 2 Rn. 4; LK/Weigend Einleitung, Rn. 7. 19 Vgl. Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 135: Die „Auslegung des Straftatbestandes nach seinem ,Rechtsgut‘ ist eine Selbstverständlichkeit“; Stratenwerth FS-Lenckner, 1998, S. 377 (378): „zentrale Bedeutung [. . .] als Leitlinie der Auslegung“; Jescheck/ Weigend AT § 26, I: „Das Rechtsgut ist die anerkannte Grundlage [. . .] der Auslegung der Tatbestände“.
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
ment“ für die teleologische Auslegung eines Straftatbestandes. Dass dem Rechtsgutsbegriff solch eine systemimmanente Funktion zukommt20, ist weitgehend unbestritten.21 Allerdings wäre solch ein „methodischer Rechtsgutsbegriff“ letztlich nur eine Umschreibung bzw. Zusammenfassung gesetzgeberischer Intentionen und würde den Rechtsgutsbegriff auf eine hermeneutische, ausschließlich innerhalb des bereits geltenden Strafrechts zu berücksichtigende, Bedeutung beschränken.22 Diskutiert wird, ob ihm neben seiner Eigenschaft als „strafrechtliches Arbeitsinstrument“ auch eine transzendente bzw. begrenzende Funktion zukommt23, er also außerhalb der geltenden Rechtsordnung die Grenzen des Strafrechts abzustecken vermag, mithin eine kriminalpolitische Bedeutung erfährt. Dieser systemkritische Rechtsgutsbegriff hat sich erst im Zuge der neueren Strafrechtsreformen (in den siebziger Jahren) etabliert und überschneidet sich in gewissem Grade auch mit dem materiellen Verbrechensbegriff.24 Hiernach ist das Rechtsgut der Anknüpfungspunkt für das Verbot der Überkriminalisierung und für die Diskussion, inwiefern die Schaffung neuer Rechtsgüter bzw. deren Schutz berechtigt ist.25 Die zeitlich aufeinanderfolgende Entwicklung der zwei Rechtsgutfunktionen bedeutet indessen nicht, dass jene zwei „Stränge“ – Systemimmanenz und 20 Teils auch als „positivistisch-dogmatische“ Funktion bezeichnet, vgl. NK/Hassemer/Neumann Vor § 1 Rn. 113. 21 Soweit man die Aufgabe des Strafrechts überhaupt im Rechtsgüterschutz sieht: Welzel, S. 4 sieht die zentrale Aufgabe des Strafrechts allenfalls mittelbar im Rechtsgüterschutz, vorrangig aber in der Absicherung der Geltung positiver sozialethischer Aktwerte, wie der Achtung von fremder Gesundheit, Freiheit oder fremdem Eigentum, ders. ZStW 58 (1939), 491. Zu den Konsequenzen dieser Auffassung Otto Strafrecht AT, § 1 Rn. 43 f.; auch für Jakobs, Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende, S. 47 ff., ist die Aufgabe des Strafrechts nicht der Rechtsgüterschutz, sondern die Verhinderung eines Normgeltungsschadens (vgl. bereits Fn. 8 in Teil 2). Durch Strafe wird die ablehnende Haltung des Täters gegen die Rechtsordnung für unmaßgeblich erklärt, und der unveränderte Geltungsanspruch der Norm signalisiert; zur scharfen Kritik, die dieser gesellschaftstheoretischen Konstruktion, welche sich in gewissem Grade an Hegels Strafttheorie orientiert (Strafe als Negation der Negation des Rechts), entgegengebracht wird vgl. Mir Puig GA 2003, 866. 22 Roxin AT I § 2 Rn. 12; Honig spricht von einer „Abbreviatur des Zweckgedankens“, Einwilligung des Verletzten, S. 94. 23 Zur Terminologie, die auf Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, S. 19 ff. zurückgeht; ders., Rechtsgutstheorie S. 57 (59); Roxin bevorzugt die Wendung „gesetzgebungskritisch“ AT I § 2 Rn. 12 (in Fn. 26); siehe auch Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 19; A. v. Hirsch GA 2002, 2. 24 Siehe diesbezüglich auch Zipf, Kriminalpolitik (1980), S. 107, der einer systemkritischen Funktion des Rechtsguts kritisch gegenübersteht und ausschließlich auf den materiellen Verbrechensbegriff abstellend anmerkt, dass dieser „vorgeprägt durch die Verfassungsordnung und durch die Straftheorie“ sei. Dabei komme vor allem „dem Bekenntnis zu einem pluralistischen Staats- und Gesellschaftsbild [. . .] Bedeutung“ zu. Zipf führt somit nur den Gedanken von Jescheck/Weigend AT § 26 I 2 fort, wonach das Rechtsgut keine Antworten für kriminalpolitische Wertentscheidungen liefern kann, sondern das Grundgesetz die Vorgaben für rechtspolitische enthält.
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Systemtranszendenz – vollkommen beziehungslos nebeneinander stehen: Soweit man eine systemtranszendente Beschränkung des Strafrechts über den Begriff des Rechtsguts zulässt, kann es angezeigt sein, innerhalb der Auslegung jene rechtspolitisch bezweckte Beschränkung erst „aufleben“ zu lassen.26
II. Der Begriff des Rechtsguts Der Begriff des Rechtsguts ist lebhaft umstritten27 und erlebte seit seinen Ursprüngen bis heute eine wechselhafte Interpretation.28 Den Streit sollte man indessen nicht zum Anlass nehmen, sich vom Rechtsgutsbegriff zu distanzieren oder diesen vollständig aufzugeben, mit dem Argument, der liberale Rechtsgutsbegriff werde einem modernen Strafrecht nicht mehr gerecht. Denn die Diskussion um das Rechtsgut und seine „Überforderung“ hat seinen Ursprung in seiner systemkritischen Funktion, m. a. W.: Der Begriff und seine Legitimationswirkung stoßen immer dort an Grenzen, wo auch über eine Überkriminalisierung bzw. einem Verstoß gegen den ultima-ratio-Grundsatz diskutiert wird.29 Indessen ist die Validität der Konzepte innerhalb der Befürworter des Rechtsgutsbegriffs darauf zurückzuführen, dass die Bedeutung des Rechtsguts und seine Position in der Strafrechts- bzw. Verfassungslehre grundsätzlich schon umstritten sind. Je nachdem, ob ein Rechtsgut dem Individuum oder der staatlichen Gemeinschaft zuzuordnen ist, spricht man von Individual- oder Kollektivrechtsgütern. Während zu den Individualrechtsgütern beispielsweise das menschliche Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Bewegungsfreiheit oder das Eigentum zählen, lassen sich als Universalrechtsgüter exemplarisch die Rechtspflege, der Weltfrieden oder die Umwelt nennen.30 Strittig ist allerdings das Verhältnis der beiden Begrifflichkeiten zueinander:31 Teils wird schlicht von zwei Rechtsgütergruppen ausgegangen (dualistische Lehren32), teils geht man von einem einheitlichen 25
Zustimmend Roxin AT I § 2 Rn. 120 f.; zum systemtranszendenten Rechtsgutsbegriff im Rahmen einer Entmaterialisierungstendenz des Rechtsguts Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 62 ff., S. 80. 26 In diese Richtung auch Haberl, Nicht geringe Mengen im Betäubungsmittelgesetz, S. 52; zu den Grenzen einer solchen Unterscheidung zwischen systemimmanenter und systemtranszendenter Funktion Barreta, FS-Kaufmann, 1993, S. 393 (395). 27 Roxin AT I § 2 Rn. 9 ff. spricht von einem „Dschungel von Streitfragen“; im Einzelnen zur Diskussion: Frisch, FS-Stree/Wessels, 1993, S. 69 ff. (71); Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 1 ff.; ders. in Rechtsgutstheorie, S. 155 ff.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 5 ff.; Krey AT 1, Rn. 7; Lampe, FS-Welzel, 1974, S. 151 ff. 28 Zur Geschichte des Rechtsgutsbegriffs Amelung, Rechtsgüterschutz, S. 12 ff.; Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 17 ff. 29 Roxin AT I § 2 Rn. 11. 30 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 19. 31 Zum Ganzen NK/Hassemer/Neumann vor § 1 Vorb 126, 127. 32 Hefendehl GA 2002, 21 (24); Koriath GA 1999, 561 (564); Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 37 f.
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
Rechtsgutskonzept aus (monistischer Ansatz), bei dem die zwei Unterarten letztlich in unmittelbarer Beziehung zueinander stehen. Als wichtige „Untergruppe“ der monistischen Lehren ist die personale Rechtsgütertheorie Hassemers zu nennen:33 Sie orientiert sich bei der Rechtsgüterbestimmung immer am Individuum, lässt also insofern auch Universalrechtsgüter zu, solange diese der personalen Entfaltung des Individuums dienen.34 Eine monistisch-personale Rechtsgutslehre steht aber gerade wegen dieser Einschränkung Universalrechtsgütern grundsätzlich misstrauisch gegenüber: Man könnte insofern sagen, dass sie sich gegenüber den Anhängern der personalen Rechtsgutslehre immer erst „bewähren“ müssen.
B. Die von den §§ 29 ff. BtMG geschützten Rechtsgüter I. Zur Rechtsgutsdoktrin nach herrschender Auffassung Die Rechtsgutsbestimmung im BtMG erlebte von seinen Ursprüngen bis heute eine wechselhafte Entwicklung:35 Die schwankenden, gesellschaftspolitischen Umstände wirkten sich auch auf die Zwecksetzungen und gesetzgeberischen Intentionen aus, die ihrerseits einen unmittelbaren Einfluss auf die Rechtsgutsbestimmung hatten.36 Das BtMG verfolgt das Ziel, die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen und zugleich den Missbrauch von Betäubungsmitteln sowie das Bestehen oder Erhalten einer Abhängigkeit soweit wie möglich auszuschließen.37 Hinzu tritt der Wille, soziale bzw. gesellschaftspolitische Schäden zu verhindern, die finanzstarke kriminelle Vereinigungen hervorrufen.38 Orientiert an diesen gesetzgeberischen Intentionen erfasst das BtMG nach h. M. dementsprechend mehrere Schutzgüter: Die Gesundheit des Einzelnen und die der Bevölkerung im Ganzen (Volksgesundheit).39 33 NK/Hassemer/Neumann Vorb 126, 127 vor § 1; Marx, Definition des Begriffs Rechtsgut, S. 80 bis 83; SK/Rudolphi Vorb 1, 9 Vor § 1; MK-StGB/Joecks Einleitung, Rn. 32; Hassemer NStZ 1989, 553 (557); ders. ZRP 1992, 378 (383); ders. JuS 1992, 110 (113); ders., Rechtsgutstheorie, S. 57; Köhler ZStW 104 (1992), 3 (15, 16, 27, 28); ders. MDR 1992, 739; ders. NJW 1993, 762 (763, 764); Hohmann GA 1992, 76 (77 bis 79); Paeffgen, FS-BGH, 2000, S. 695. 34 Hassemer ZRP 1992, 378 (383). 35 Nachgezeichnet bei Weber, Handeltreiben, S. 315 ff. 36 Zur historischen Entwicklung der §§ 29 ff. BtMG vgl. bereits Fn. 5 in der Einleitung. 37 Siehe hierzu BGHSt 1, 130; 9, 370. 38 Vgl. die Gesetzesunterlagen, in chronologischer Reihenfolge RGBl. 1917, S. 256; RT-Dr. IV/1386 S. 6; BT-Drs. VI/1877 S. 5; BT-Drs. VIII/3551 S. 23; IX/27 S. 25; BGBl. 1976 I S. 1477; BGBl. 1977 II S. 111. 39 Ständige Rechtsprechung: RGSt 60, 365; RGSt 61, 161; BGH NJW 1979, 1259; BGHSt 31, 168; BGHSt 37, 179; BGH StV 1983, 202; BGHSt 34, 180; BGH NStZ 1991, 392; BGH NStZ 1994, 496; NStZ 1996, 139; krit. hierzu Lang, Betäubungsmittel-
B. Die von den §§ 29 ff. BtMG geschützten Rechtsgüter
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1. Konkretisierung der Rechtsgüter durch den BGH Der BGH konkretisiert den Begriff der „Volksgesundheit“ erstmals im Jahre 1990 etwas näher und merkt an, dass dessen Schutz Schäden vorbeugen soll, die sich für die Allgemeinheit aus dem verbreiteten Konsum allem „harter“ Drogen und den daraus resultierenden Gesundheitsschäden des Individuums ergeben.40 Der Senat stellt damit klar, dass das Rechtsgut „Volksgesundheit“ jedenfalls nicht „nur“ die Summe der Gesundheit von Individuen darstellt, sondern ein normatives „Mehr“ enthält.41 Jene „Schäden“ erläutert er BGH zumindest exemplarisch in einem Urteil vom 25.08.199242 etwas genauer, wenn von drogenbedingten Leistungsausfällen in Schule, Ausbildung und Beruf die Rede ist, die auch mit beträchtlichen Kosten und Mühen für Dritte verbunden sein sollen. Die nachfolgenden Urteile bzw. Beschlüsse, die sich mit dem Rechtsgut „Volksgesundheit“ befassen,43 sind vom viel diskutierten „Cannabis-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts geprägt, in denen sich der BGH im Wesentlichen den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts anschließt. 2. Die Rechtsgutsbestimmung durch das Bundesverfassungsgericht (Cannabis-Beschluss, BVerfGE 90, 145) Mit der Intervention des Bundesverfassungsgerichts findet die Rechtsgutsdiskussion ihren vorläufigen Höhepunkt:44 In seinem Beschluss vom 09.03.199445 gibt das Bundesverfassungsgericht eine umfassende Stellungnahme zum Rechtsgut des BtMG ab und bestätigt seine Auffassung mit mehreren weiteren Kammerbeschlüssen (hauptsächlich im Bereich des illegalen Umgangs mit Cannabis).46 Die Besonderheit am Cannabis-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts liegt darin, dass das Gericht nicht nur auf das bereits bekannte zweigliedrige Schutzkonzept eingeht, sondern auch neue (Universal-)Rechtsgüter als Legitimationsbasis für die Strafvorschriften des BtMG einbezieht.47 Schünemann kritisiert, dass das Bundesverfassungsgericht es vermeidet, von „Rechtsgütern des strafrecht, S. 55 ff.; erstmals wird das Schutzgut der Volksgesundheit im Rahmen der Strafzumessung genannt, BGH v. 29.10.1975 – 3 StR 373/75; vgl. auch BGHSt 27, 30, ein Urteil, das sich mit dem Weltrechtsprinzip befasst und auf die verfolgten Zwecke zumindest mittelbar unter Bezugnahme auf das Einheitsübereinkommen eingeht. 40 BGHSt 37, 179. 41 Wobei auf dieses „Mehr“ nochmals genauer einzugehen sein wird; krit. Büttner, Verfassungsrechtliche Bewertung, S. 89 ff.; Haas, Volksgesundheit, S. 86. 42 BGHSt 38, 339. 43 BGHSt 42, 1. 44 Vgl. hierzu auch Wang, Drogenstraftaten, S. 31 ff. 45 BVerfGE 90, 145, NJW 1994, 1577. 46 BVerfG NJW 2004, 3620 und BVerfG v. 30.06.2005 – 2 BvR 1772/02. 47 Was zugleich Auslöser für eine erneute Rechtsgutdiskussion war.
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
BtMG“ zu sprechen und stattdessen auf die „verschwommene Redeweise vom ,Gemeinschaftsbelang‘ ausgewichen“ ist.48 Hierbei handelt es sich, wie Weber zuzustimmen ist, nur um eine terminologische Eigenheit der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, die den Begriff „Gemeinschaftsbelang“ als Synonym für „Universalrechts-“ bzw. „Universalschutzgut“ verwendet.49 a) Die klassischen Schutzgüter „körperliche Unversehrtheit“ und „Volksgesundheit“ Auch das Bundesverfassungsgericht greift das zweispurige System auf, wobei es aber die Gesundheit des Einzelnen als Individualrechtsgut an erster Stelle nennt und deutlich macht, dass die Bewahrung der körperlichen Unversehrtheit des Individuums ein vollständig autonomes Rechtsgut darstellt.50 Erst nach der Gesundheit des Einzelnen führt das Bundesverfassungsgericht den Schutz der „Bevölkerung im Ganzen“ an: Hierbei knüpft das Gericht an die Erwägungen des BGH und stellt nochmals klar, dass das Interesse gemeint ist, welches die Allgemeinheit an der Gesundheit der Bürger hat. Auffallend ist, dass das Bundesverfassungsgericht den Begriff der „Volksgesundheit“ vermeidet und keine weiteren Ausführungen diesbezüglich mehr macht51, also nicht – wie der BGH – nun die Schäden der Volksgesundheit in Leistungsabfall und Sozialschäden sieht; diese Aspekte verortet das Bundesverfassungsgericht in neu konzipierten „Sonderrechtsgütern“.
48
So Schünemann, Rechtsgutstheorie, S. 133; Staechelin („rechtsgutlos“) JA 1994,
245. 49 Vgl. Weber, Handeltreiben, S. 328; in der Methodik, nicht auf strafrechtstheoretische Begrifflichkeiten zurückzugreifen, könnte man auch schlicht eine Konsequenz des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs sehen. Zum Rechtsgüterschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht Appel KritV 1999, 278. 50 BVerfGE 90, 145/174; insofern zustimmend Weber § 1 Rn. 5; Hardtung NStZ 2001, 206 (208), MK-StGB/Rahlf vor § 29 BtMG Rn. 4, 24. 51 Als Grund hierfür den „nationalsozialistischen Beiklang“ im Begriff „Volksgesundheit“ zu sehen, erscheint m. E. verfehlt, so aber Schwitters, Handeltreiben, S. 67; vgl. allerdings auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 55, Fn. 317 („historisch vorbelastet“, heute „mindestens ein irreführender Anachronimus, weil unstreitig nicht nur Deutsche hierdurch geschützt werden sollen, Nestler HdBBtMStR § 11 Rn. 28 [Fn.55]); nur eingeschränkt zuzustimmen ist Schwitters, wenn er als zweiten Grund aufführt, dass das Bundesverfassungsgericht „neue Rechtsgüter“ konzipieren wollte und deswegen den „angestaubten“ Begriff der „Volksgesundheit“ nicht nochmals aufgriff. Dies würde aber bedeuten, dass er das alte Rechtsgut der Volksgesundheit vollkommen hätte aufgeben wollen; dann ergäbe die Bezugnahme auf die Gesetzesbegründungen vom BtMG 1972, 1982 allerdings keinen Sinn. Eher wird es wohl so gewesen sein, dass sich das Gericht bereits zu diesem Zeitpunkt über die Kritik zum Begriff „Volksgesundheit“ Gedanken gemacht hatte und der Literatur zumindest „terminologisch“ etwas entgegenkommen wollte. Zu diesen Spekulationen auch Kniesel ZRP 1994, 352.
B. Die von den §§ 29 ff. BtMG geschützten Rechtsgüter
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b) Neue Rechtsgüter für das BtMG Hierzu zählt zum einen das Rechtsgut des von Rauschgift nicht beeinträchtigten sozialen Zusammenlebens. Das Bundesverfassungsgericht trennt also gesundheitliche und sonstige Belastungen voneinander und gibt letzterer Gruppe einen eigenen Namen.52 Hieraus ergibt sich zumindest mittelbar der Unterschied zwischen dem Schutzgut der Volksgesundheit und dem des von Rauschgift nicht beeinträchtigten Zusammenlebens: Während die Volksgesundheit die sozialen und wirtschaftlichen Schäden erfasst, die aufgrund der Gesundheitsschädigung durch den Konsum entstehen,53 berücksichtigt das Rechtsgut des nicht von Rauschgift beeinträchtigten Zusammenlebens Schäden, die sich nicht aus der Gesundheitsbeeinträchtigung ergeben. Als wichtigen Teilaspekt nennt das Bundesverfassungsgericht hier den Jugendschutz: Der illegale Umgang mit Betäubungsmitteln birgt stets die Gefahr in sich, Jugendliche in eine Kriminalitätsspirale zu ziehen und ein Heranwachsen in einem sozial stabilen Umfeld zu verhindern.54 Ferner muss man an die materiellen, sowie immateriellen Schäden denken, die durch die Folgekriminalität entstehen. Das Bundesverfassungsgericht nennt in diesem Zusammenhang als weiteren Gesichtspunkt die Gewährleistung der internationalen Zusammenarbeit bei der Suchtstoffkontrolle, die allein für sich kein Rechtsgut bildet, sondern vielmehr als Zielsetzung zu verstehen ist, ein nicht von Rauschgift beeinträchtigtes Zusammenleben zu erreichen55. „Trennbar“ dagegen, und somit als eigenes Schutzgut qualifizierbar, ist eine Gemeinschaft, die nicht durch die Organisierte Kriminalität beeinträchtigt wird. Wurde dieser Aspekt bis zu jenem Beschluss meist im Rahmen der kriminalistischen und kriminalwissenschaftlichen Befunde immer wieder diskutiert und als Argument für die weite Auslegung des Handeltreibens herangezogen56, ist es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ein legitimes Anliegen, die Gesellschaft und das deutsche Rechtssystem vor der Organisierten Kriminalität zu beschützen. Das Bundesverfassungsgericht verweist diesbezüglich auf das Suchtstoffübereinkommen von 1988, wonach die Organisierte Kriminalität die rechtmäßige Wirtschaft untergräbt, die Stabilität, Sicherheit und Souveränität der 52
BVerfG NJW 1994, 1577 (1579). U. a. die Belastung der sozialen Sicherungssysteme durch Abhängige, die psychische Belastung bzw. Erschütterung der Familien durch lebenszerstörerische Sucht, eine HIV-Infektion und der dadurch eintretenen Verlust der Zukunftschancen. 54 Da der Jugendschutz als eigenständiges Rechtsgut anerkannt ist, muss man ihn nicht als „Untergruppe“ des Rechtsguts des von Rauschgift nicht beeinträchtigten sozialen Zusammenlebens qualifizieren. Allerdings bringt ein „alleine stehendes“ Jugendschutzrechtsgut das methodologische Problem mit sich, dass er nur schwerlich als Rechtsgut für das gesamte Betäubungsmittelstrafrecht herangezogen werden kann. 55 So Weber, Handeltreiben, S. 331; vgl. BVerfGE 90, 145. 56 BGH NStZ 1992, 191. 53
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
Staaten gefährdet und durch rechtswidrige (Drogen-)Geschäfte hohe finanzielle Gewinne macht, die es ihr wiederum ermöglichen, rechtmäßige Handels- und Finanzgeschäfte und die Gesellschaft zu durchdringen und zu korrumpieren.57 Weil in der Entscheidung die Ausbreitung der Organisierten Kriminalität ausdrücklich als eine schädliche Auswirkung des illegalen Umgangs mit Drogen behandelt wird, will Weber dieses Schutzgut ebenfalls nur als weiteren Aspekt des bereits genannten Schutzgutes des von Rauschgift nicht beeinträchtigten sozialen Zusammenlebens ansehen.58 Allerdings zeigt ein Vergleich auf andere Vorschriften, beispielsweise §§ 261, 128 StGB, dass man den Schutz gegen die Korrumpierung und Schädigung der Gesellschaft durch die Organisierte Kriminalität auch als eigenständiges Rechtsgut qualifizieren kann.
II. Zwischenergebnis Das BtMG schützt somit nach h. M.59 die körperliche Unversehrtheit des Individuums und das Universalrechtsgut der Volksgesundheit. Über den Inhalt und die Ausprägung der „Volksgesundheit“ ist auch nach dem Cannabis-Beschluss keine hinreichende Klärung erfolgt, was damit zu begründen ist, dass das Bundesverfassungsgericht sozialschädliche Folgen des illegalen Rauschgiftumgangs als ein eigenständiges Universalrechtsgut konzipiert und zwischen mittelbaren Schäden, die auf der Gesundheitsschädigung beruhen, und sonstigen Gefahren des Drogenkonsums differenziert. Ob eine Unterscheidung notwendig ist, sei an dieser Stelle dahingestellt.60 Jedenfalls nennt die h. M. als weitere (Teil-)Aspekte das von illegalen Drogen nicht beeinträchtigte soziale Zusammenleben, der Jugendschutz und die Gewährleistung der internationalen Zusammenarbeit bei der Suchtstoffkontrolle.
C. Die Schutzgüter des BtMG im Fadenkreuz der Literatur Das zweispurige Konzept der Rechtsprechung – Individual- und Universalrechtsgüterschutz – wird auch „zweispurig“ kritisiert:61 Bei den Universalrechts57
BVerfGE 90, 145 (174). So auch Graßhof in BVerfGE, 145 (207). 59 Die betäubungsmittelrechtliche Literatur hat sich der Auffassung der Rechtsprechung weitgehend angeschlossen, vgl. Weber § 1 Rn. 5 f.; Malek § 2 Rn. 2; offen gelassen bei Körner (VI) § 29 Rn. 237 f., nunmehr Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 4. 60 Anders dagegen MK-StGB/Rahlf vor § 29 BtMG, Rn. 234, der keine Trennung vornimmt. 61 Hierzu Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 2 § 56 Rn. 5; vgl. die Stellungnahme von Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, der ebenfalls zweispurig vorgeht und in seinem Resümee die wichtigsten Einwände gegen das bestehende Konzept prägnant zusammenfasst, vgl. 58 ff.; Lang wendet sich dann sogleich im Anschluss an die Problematik der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 67 ff. (ähnlich 58
C. Die Schutzgüter des BtMG im Fadenkreuz der Literatur
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gütern der „Volksgesundheit“ bzw. „des nicht von Drogen beeinträchtigten, sozialen Zusammenlebens“ wird bereits deren Existenzberechtigung angezweifelt und diskutiert, ob sie dem (systemtranszendenten) Rechtsgutsbegriff überhaupt gerecht bzw. als Legitimationsbasis für die Strafbarkeitsvorverlagerung herangezogen werden können.62 Anders bei den Rechtsgütern Leben und körperliche Unversehrtheit: Als solches unbestritten anerkannt,63 geht es hier nur um die Frage, ob das BtMG die körperliche Unversehrtheit des Einzelnen schützen darf.
I. Zum Individualrechtsgüterschutz – „Strafrecht zum Schutz des Menschen vor sich selbst?“ Das Rechtsgut der Gesundheit des Einzelnen ist als solches jedenfalls anerkannt.64 Das Interesse des Einzelnen an seiner körperlichen Unversehrtheit gehört geradezu den „klassischen“ Rechtsgütern an, die das Strafrecht schützt und mit jeder zugrundegelegten Rechtsgutstheorie funktioniert. Unbestritten ist allerdings auch, dass der Inhaber des Rechtsguts als Ausprägung seiner im Grundgesetz verankerten Freiheitsrechte frei über seine körperliche Integrität verfügen kann.65 Der strafrechtliche Schutz endet dort, wo der eigene Verantwortungsbereich des Betroffenen beginnt, so genanntes Autonomieprinzip.66 Will also der Inhaber des Rechtsguts die Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit oder ist er damit einverstanden, darf das Strafrecht nicht zum Einsatz kommen und das grundsätzlich nicht nur, wenn der Rechtsgutsträger sich selbst schädigt, sondern auch wenn er sich von einem Dritten schädigen lässt.67 geht auch Wang, Drogenstraftaten, S. 59 ff. vor); dies passt in seine rechtsgutsbezogene Betrachtung, während vorliegend diese Fragen als Fallgruppe der objektiven Zurechnung beim Grundfall des Begehungsdelikts aufzugreifen sein werden und das Rechtsgutskonzept nur mittelbar nochmals eine Rolle spielen wird, vgl. 3. Teil A. I. 3. a), S. 121 ff. 62 Aus dem umfangreichen Schrifttum exemplarisch Hassemer NStZ 1989, 553 (557); ders. ZRP 1992, 378 (381); ders. JuS 1992, 110 (113); Nestler-Tremel StV 1992, 273 (275); Hohmann/Matt JuS 1993, 370 (373); Hoyer StV 1993, 128 (129); Kniesel ZRP 1994, 352 (355); Ebert, Handeltreiben, S. 73; Böllinger KJ 1994, 405; Schwitters, Handeltreiben, S. 76; Kreuzer, FS-Miyazawa, 1995, S. 184 ff.; Büttner, Verfassungsrechtliche Bewertung, S. 119; Wohlers, Deliktstypen, S. 43 (44). 63 Vgl. nur NK/Hassemer/Neumann Vorb 127 vor § 1; Rudolphi, FS-Honig S. 151 (163); Marx, Definition des Begriffs Rechtsgut, S. 65 f. 64 NK-Hassemer/Neumann Vorb 127 vor § 1; Rudolphi, FS-Honig, 1970, S. 151 (163); Marx, Definition des Begriffs Rechtsgut, S. 65 f. 65 Roxin AT I § 2 Rn. 33. 66 LK/Walter Vor § 13 Rn. 113 ff. 67 Soweit es um eine gewollte Verletzung durch einen Dritten geht, verortet man diese Problematik in die rechtfertigende Einwilligung; steht dagegen eine Gefährdung des Rechtsguts im Raum, diskutiert man diese Fälle im Rahmen der objektiven Zurechnung (Fälle der einverständlichen Fremdgefährdung), vgl. Og˘lakcıog˘lu ZJS 2010, 340; Kühl Jura 2010, 81.
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
Geht es der Strafvorschrift dagegen ausschließlich darum, den Adressaten vor sich selbst zu schützen, könnte dies als „aufgedrängter, staatlicher Schutz vor Selbstschädigung“ illegitim sein. Diese Problematik wird unter der Überschrift des angloamerikanisch geprägten Begriffs des „Paternalism“ (= Paternalismus) diskutiert.68 Paternalistische Regelungen sind solche, mit denen der Gesetzgeber dem Betroffenen bestimmte Entscheidungen bzw. Handlungen untersagt, weil sie für ihn gefährlich bzw. schädlich seien.69 Durch die drohende Sanktionierung wird dem Rechtsgutsträger somit ein von ihm eventuell nicht gewollter staatlicher Schutz aufgedrängt.70 Einen harten Paternalismus in Form des Konsumverbots kennt das deutsche Betäubungsmittelstrafrecht nicht.71 Als unmittelbar paternalistische Regelung und somit illegitime Regelung wird z. T. die Strafbarkeit des Erwerbens und Besitzens von Drogen gem. § 29 I Nr. 1 BtMG angesehen. Das Verbot einer konsumorientierten Verhaltensweise führe letztlich dazu, dass man dem Bürger den Verbrauch (allein schon im Hinblick auf die schwierige Verfügbarkeit) erschwert, und dieser sich überdies strafbar macht, auch wenn er keinerlei Fremdschädigung bzw. Einbeziehung eines Dritten bezweckt.72 Dagegen könnte man einwenden, dass selbst in dieser Konstellation der „Erwerb“ und Besitz auch zum Zweck des Verschenkens bzw. Mitkonsum durch Dritte erfolgen kann; die Absicht zum Eigenkonsum ist (zumindest in § 29 I Nr. 1 und Nr. 3 BtMG) kein Tatbestands68 Übersicht bei Möller, Paternalismus, S. 31 bis 43; 158 bis 176; zur Debatte Schroth, FS-Roxin, 2001, S. 869 (875 ff.); v. Hirsch/Neumann GA 2007, 671; Schwabe JZ 1998, 67. 69 Schroth JZ 1997, 1149. 70 Zum Paternalismus im Betäubungsmittelstrafrecht Weber, Handeltreiben S. 362; vgl. auch Wang, Drogenstraftaten, S. 37 ff. Die Diskussion kann betrifft nur Fälle, in denen der Endkonsument als Person, die sich u. U. selbst schädigt, auch tatsächlich eigenverantwortlich handelt. Konstellationen, in denen jemand einem Dritten gegen dessen Willen Drogen verabreicht oder ihn bei der Abgabe über die Drogeneigenschaft des Stoffes täuscht, fallen nicht unter die Fallgruppe der Eigenverantwortlichkeit. Außerdem sind Konsumenten herauszunehmen, die wegen ihres geistigen Zustands nicht im Stande sind, freiverantwortlich zu entscheiden; Die praktisch zwei wichtigsten Gruppen dürften die Minderjährigen bzw. Heranwachsenden auf der einen Seite und die krankhaft Betäubungsmittelabhängigen auf der anderen Seite sein, die in ihrer Summe eine nicht unerhebliche Anzahl ausmachen; zur fehlenden Eigenverantwortlichkeit im Betäubungsmittelstrafrecht noch etwas ausführlicher 3. Teil B. I. 3. a) bb) (2), S. 368 ff. sowie Fn. 1330–1332 in Teil 3 m.w. N. 71 Zur Straflosigkeit des Konsums vgl. bereits 1. Teil B. I. 8., S. 52 f. 72 Hiermit soll zum Ausdruck kommen, dass der Paternalismus unmittelbar bleibt, auch wenn der Bürger letztlich die Drogen konsumieren kann; denkbar wäre es auch, gerade hierin den Unterschied zu tatsächlich unmittelbar paternalistischen Regelungen zu sehen, also nur dann von unmittelbar paternalistischen Regelungen auszugehen, wenn der „Erfolg“ (Verletzung, Konsum etc.) sanktioniert wird. Dann müsste auch der Erwerb bzw. Besitz von Drogen als Straftat lediglich als mittelbarer Paternalismus qualifiziert werden. Die Frage kann – wie sich im Folgenden zeigen wird – dahinstehen, da die Anforderungen an die Rechtfertigung solcher paternalistischer Regelungen im Ergebnis nicht gravierend divergieren dürften.
C. Die Schutzgüter des BtMG im Fadenkreuz der Literatur
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merkmal. Der Straftatbestand lässt sich also auch auf Interessen Dritter stützen, was einem „harten Paternalismus“ entgegenstünde. Andererseits wäre der Aspekt der Drittgefährdung alleinstehend mehr als fragwürdig:73 Schließlich ist es nur selbstverständlich, dass der Kauf bzw. Erwerb von gefährlichen Gegenständen nicht schon strafbar ist, weil sie in die falschen Hände gelangen können (etwa das Küchenmesser in die Hände des Kleinkinds). Erst wenn dies unter Verletzung einer Sorgfaltspflicht passiert und dadurch Rechtsgüter verletzt werden, existieren spezielle Fahrlässigkeitsdelikte (§§ 222, 229 StGB), welche genau diese Gefahrrealisierung erfassen.
II. Der Universalrechtsgüterschutz im BtMG Noch kritischer von der „nicht-betäubungsmittelrechtlichen“ Literatur werden die Universalrechtsgüter gesehen,74 wobei etwaige Bedenken bereits vor dem kontroversen Cannabis-Beschluss geäußert wurden.75 Diese verschärften sich allerdings nach der Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts.76 Die Kritik ist hierbei vielschichtig: Während die personalen Rechtsgutslehren eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber Universalrechtsgütern einnehmen,77 bemängeln andere den nach ihrer Ansicht kaum konkretisierbaren Inhalt jener benannten Schutzgüter.78 1. Zum Schutzgut der Volksgesundheit Vertreter der personalen Rechtsgutslehre wollen die Rechtsgüter der Allgemeinheit nur insoweit anerkennen, als diese mittelbar auch Güter von Personen sind.79 Allgemeininteresse und Staatsinteresse müssten von der Einzelperson her 73 Köhler ZStW 104 (1992), 3 (39 ff.); Haffke ZStW 107 (1995), 781; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 143; Paeffgen, FS-BGH, 2000, S. 695 (705); Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 265 f. 74 Selbst die Vertreter einer funktionalistischen Strafrechtslegitimation (vgl. Fn. 8 und 21 in Teil 2) stehen – außerhalb der „Rechtsgutsdiskussion“ – den Begrifflichkeiten der Volksgesundheit kritisch gegenüber; die einzelnen Auffassung können hier allerdings nicht dargestellt werden, eine kleine Zusammenfassung findet sich bei Haberl, Nicht geringe Mengen im Betäubungsmittelgesetz, S. 72 ff. 75 Hassemer NStZ 1989, 553 (557). 76 Nestler-Tremel StV 1992, 273 (275, 276); Hohmann/Matt JuS 1993, 370 (373); Hoyer StV 1993, 128 (129); Hassemer ZRP 1992, 378 (381); ders. JuS 1992, 110 (113). 77 Hassemer JuS 1992, 113. 78 Vgl. Haberl, Nicht geringe Mengen im Betäubungsmittelgesetz, S. 80; Köhler ZStW 104 (1992), 4 (38); Schünemann GA 1995, 208; ders. Rechtsgutstheorie, S. 133 (152, 153); Roxin AT I § 9 Rn. 46 f.; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 270 f.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 143; Haffke ZStW 107 (1995), 761 (780); Schwitters, Handeltreiben, S. 75; Kreuzer FS-Miyazawa, 1995, S. 184 bis 186. 79 Zur personalen Rechtsgutslehre Günther, Personale Rechtsgutslehre, S. 15 ff.
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funktionalisiert sein.80 Dies treffe auf das Schutzgut der „Volksgesundheit“ nicht zu, da nicht konkrete menschliche Interessen aufgegriffen würden. Insofern habe ein unscharfer Begriff wie der der Volksgesundheit keinen „kriminalpolitischen Biss“.81 Schüler Hassemers und andere Vertreter des Frankfurter Kreises greifen die Konturenlosigkeit des Rechtsguts auf 82 und mahnen an, dass unter Zugrundelegung solch unbestimmter Schutzgüter moralische Imperative mit dem Strafrecht bekämpft würden83, was unter Zugrundelegung eines systemkritischen Rechtsgutsbegriff unzulässig ist. Weitaus emotionaler ist die Kritik Böllingers geraten, der den Begriff der Volksgesundheit als „faschistoid“ bezeichnet84 und dem Gesetzgeber sowie der Rechtsprechung vorwirft, dass solche „nicht operationalisierbare“ Rechtsgüter dazu instrumentalisiert würden, kriminalpolitische Schwierigkeiten des Kausalitäts- und Schadensnachweises zu umgehen.85 Ein eingetretener Schaden für die Volksgesundheit sei nämlich niemals feststellbar, geschweige denn im Einzelfall messbar. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Feststellungen Haberls, der vergeblich nach einem positiv existierenden Zustand „Volksgesundheit“ sucht.86 Da das Volk kein organisches bzw. belebtes Gebilde sei (also weder über Schmerz noch über Wohlbefinden empfinden könne),87 ließe es sich in der Realität als beschreibbarer Sachverhalt nicht auffinden.88 Nur ein realer Zustand könne real verletzt werden.89 Aber auch die Kritik derjenigen, die der personalen Rechtsgutslehre grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen,90 geht in eine ähnliche Richtung: So wird dem Rechtsgut der Volksgesundheit vorgeworfen, dass es keinen eigenständigen Gehalt habe.91 Im Betäubungsmittelstrafrecht werde die Summe der einzelnen Individualrechtsgüter zu einem Kollektivrechtsgut zusammengefasst92 und sei daher 80
Hassemer, Theorie und Soziologie des Verbrechens, S. 232. Hassemer JuS 1992, 113. 82 Hohmann, Umweltschutz, S. 150. 83 Albrecht BewHi 1993, 5 (7). 84 Böllinger, KJ 1994, 405 (411). 85 Böllinger, KJ 1994, 405. 86 Haberl, Nicht geringe Mengen im Betäubungsmittelgesetz, S. 77. 87 Zum Verständnis des Begriffs „Volk“ Blaschke, Volk, Nation, interner Kolonialismus, Ethnizität, S. 262 ff. 88 Köhler MDR 1992, 739; Hesel, Modernes Strafrecht, S. 273. 89 Haberl, Nicht geringe Mengen im Betäubungsmittelgesetz, S. 77. 90 Insbesondere Schünemann, welcher der Auffassung ist, dass es ein Schritt in die falsche Richtung sei, den „Pseudo-Individualismus“ zum höchsten Schutzgut zu erheben (wobei diese Kritik sich seinerzeit auf die Ablehnung des Umweltstrafrechts durch die personalen Rechtsgutlehren bezog), GA 1995, 208. 91 Köhler ZStW 104 (1992), 38; Wang, Drogenstraftaten, S. 81; Schneider StV 1994, 86. 92 So auch Schünemann, Rechtsgutstheorie, S. 133 (152, 153); so auch Roxin AT I § 2 Rn. 76, 79: Da das Volk keinen physischen Körper habe, könne die Volksgesundheit lediglich als Gesundheit der Einzelnen betrachtet werden; weitere terminologische Ab81
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als „Scheinrechtsgut zu entlarven“. Dies stelle eine unzulässige „Hypostasierung“ 93 dar, da man ein konkretes Gut allgemein gehaltenen, undurchsichtigen Universalrechtsgütern unterstelle, obwohl der Tatbestand ihn als real existierender Bezugspunkt – „klassenlogisch näher“ 94 – benennen könnte. Ist eine Hypostasierung zu einem „Scheinrechtsgut“ erfolgt, muss man das Universalrechtsgut idealerweise wieder in seine einzelnen Individualrechtsgüter „zerlegen“.95 Soweit Kollektivrechtsgut und Individualrechtsgut keinen jeweils für sich eigenständigen Gehalt hätten, würde der Gesetzgeber den gleichen Aspekt dem Täter doppelt zum Vorwurf machen.96 Teilweise wird auch die Legitimität, Belastungen der Allgemeinheit überhaupt zu berücksichtigen, angezweifelt.97 Der personale Lebensentwurf des Einzelnen überwiege bei einer Abwägung gegenüber den Versicherungsinteressen. Die Funktionalisierung der sozialen Folgekosten als Strafgrund hebe die „bewundernswerte, äußerst feinfühlige Balance zwischen individueller Selbstbestimmung und sozialer Risikoabsicherung auf“.98 Denn das öffentlich-rechtliche Sozialversicherungssystem habe gerade auch die individuelle Bereitschaft, riskante bzw. selbstgefährdende Handlungen vorzunehmen im Auge.99 2. Zum Rechtsgut „des von Rauschgift nicht beeinträchtigten, sozialen Zusammenlebens“ Mit dem Rechtsgut des von Rauschgift nicht beeinträchtigten, sozialen Zusammenlebens gehen die Kritiker wesentlich strenger ins Gericht. Das benannte Rechtsgut gleiche mehr einer Beschreibung des Gesetzeszwecks. Das Schutzgut dürfe aber, soweit ihm eine transzendente Funktion zukomme, nicht den bloßen Gesetzeszweck illustrieren, was aber beim Rechtsgut „des von Rauschgift nicht wandlungen bei Weber, Handeltreiben, S. 374, der diese Umschreibungen aber im Rahmen der personalen Rechtsgutslehren aufzählt. Da hier allerdings gewisse Überschneidungen mit dem Begriff des Scheinrechtsguts bzw. der Hypostasierung bestehen, ist dies insofern nachvollziehbar. 93 Schünemann, Rechtsgutstheorie, S. 133 (149); Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 139 ff. 94 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 139, ders. in Rechtsgutstheorie S. 119 (128); zust. Wohlers, Deliktstypen, S. 190 (191). 95 Als Alternative schlägt Hefendehl in diesen Sonderkonstellationen vor, in Ausnahmefällen Straftatbestände ohne Rechtsgut als so genannte „Verhaltensdelikte“ – angelehnt an das anglo-amerikanische Modell – zuzulassen GA 2007, 2 (7, 8); ders. in Rechtsgutstheorie, S. 119 (128). 96 Amelung, Rechtsgutstheorie, S. 155 (175, 176, 178) aber in Bezugnahme auf das Rechtsgut der Sicherheit des Straßenverkehrs. 97 Haffke ZStW 107 (1995), 761 (780). 98 Haffke ZStW 107 (1995), 761 (780). 99 Ähnlich auch Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 270 f.; Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 143.
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
beeinträchtigten, sozialen Zusammenlebens“ gerade der Fall sei.100 Auf diese Weise verliere das Rechtsgut seine Funktion und gerate zu einem allgemeinen Wertbegriff.101 Das Strafrecht hätte bei solch zugrunde gelegten Rechtsgütern nur noch eine symbolische Funktion,102 was sich in den Vollzugsdefiziten der Betäubungsmittelstrafrechtspraxis 103 (Steckenbleiben im Ermittlungsstadium104, weites Dunkelfeld105 und fehlende Ausschöpfung der Strafrahmen106) deutlich niederschlage. Mit diesem „grenzenlos symbolischen Strafrecht“ 107 werde das illusionäre Ziel der Drogenabstinenz verfolgt108, weswegen man das Rechtsgut und somit die Legitimationsbasis für das Strafrecht nicht mehr ernst nehmen könne. 3. Zum Schutz vor Organisierter Kriminalität Diese Einwände haben ihre Berechtigung; blickt man dagegen auf die „Teilaspekte“ dieses Guts, wird das Konzept des Bundesverfassungsgerichts wieder in ein besseres Licht gerückt. Dazu zählt der Schutz der Gesellschaft vor Organisierter Kriminalität, der nicht nur ein Anliegen des BtMG, sondern vieler Tatbestände des Kernstrafrechts (§§ 129, 261, 244 I Nr. 2, 260 StGB) darstellt.109 Der Inhalt des Rechtsguts ist in Relation zum „unbeeinträchtigten Zusammenleben“ konkreter: Die Organisierte Kriminalität untergrabe die Wirtschaft und finanziere sich durch rechtswidrige (Drogen-)Geschäfte, wodurch wiederum die Korrumpierung rechtmäßiger Handels- und Finanzgeschäfte ermöglicht werde.110 Das BtMG soll also verhindern, dass sich die Organisierte Kriminalität durch den Rauschgifthandel (re-)finanziert und seine illegalen Vermögensmassen zur Begehung neuer Straftaten verwendet. Doch auch das Rechtsgut des Schutzes vor Organisierter Kriminalität ist nicht frei von Kritik geblieben, diese betrifft jedoch hauptsächlich dessen Inhalt. Das Schutzgut sei schon wegen seiner fehlenden, exakten Definition fragwürdig.111 100
Roxin AT I § 2 Rn. 14. Schwitters, Handeltreiben, S. 75. 102 Kreuzer, FS-Miyazawa, 1995, S. 184 bis 186. 103 Büttner, Verfassungsrechtliche Bewertung, S. 119; Wohlers, Deliktstypen, S. 43 f.; Hassemer ZRP 1992, 378 (382); ders. JuS 1992, 110 (113). 104 Hassemer StV 1995, 483 (486). 105 Hassemer StV 1995, 483 (486); ders. ZRP 1992, 378 (382); ders. in FS-Roxin, 2001, S. 1001 (1008). 106 Hassemer ZRP 1992, 378 (383); ders. FS-Roxin, 2001, S. 1001 (1008). 107 Böllinger KJ 1994, 405. 108 Kniesel ZRP 1994, 405; Ebert, Handeltreiben, S. 73; Kerner Kriminalistik 1993, 19 (25); Hassemer JuS 1992, 110 (113). 109 Aus dem umfangreichen Schrifttum Fischer § 261 Rn. 2; Lampe JZ 1994, 125; NK/Altenhain § 261 Rn. 10 ff. 110 BVerfGE 90, 145/174. 111 Wohlers, Deliktstypen, S. 197; Ebert, Handeltreiben, S. 77 f. 101
C. Die Schutzgüter des BtMG im Fadenkreuz der Literatur
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Außerdem unterliege man einem Zirkelschluss, wenn man Verhaltensweisen pönalisiere, welche die Organisierte Kriminalität erst zum Entstehen bringe (nämlich die Illegalität des Umlaufs von Rauschgift).112 Außerdem verlagere man den Schutz ohnehin bereits geschützter Rechtsgüter vor. Hierzu sei gleich angemerkt, dass der Aspekt des „vorverlagerten Schutzes“ nichts mit dem Rechtsgut an sich, sondern mit der Tatbestandsstruktur (nämlich der Ausgestaltung als abstraktes Gefährdungsdelikt) zu tun hat. Dies ist aber, wenn überhaupt, nur eine Folge des eingeschlagenen Rechtsgutskonzepts. Insofern muss man die Frage der Legitimität des Schutzes durch eine bestimmte Tatbestandsfassung streng von der Frage der grundsätzlichen Anerkennung des Rechtsguts trennen. Dazu kommt, dass im BtMG auch die übrigen „ohnehin bereits geschützten Rechtsgüter“ zu einem frühen Zeitpunkt geschützt werden, die Beeinträchtigung des Schutzes vor Organisierter Kriminalität und die Beeinträchtigung der sonstigen Schutzgüter (Jugendschutz und Individualrechtsgüter) ergo fast immer gleichzeitig eintritt. Aber auch die übrigen Einwände gegen das Rechtsgut des Schutzes vor Organisierter Kriminalität vermögen nicht zu überzeugen. Zwar hat man sich bis dato noch nicht bzgl. der Definition der Organisierten Kriminalität geeinigt. Allerdings lässt deren Fehlen nicht den Schluss zu, dass es sich um ein Rechtsgut handele, das überhaupt keine Konturen erfahren habe.113 Insofern kann auf die kriminalwissenschaftlichen Befunde zurückgegriffen werden, wonach sich die Organisierte Kriminalität dadurch kennzeichnet, dass die Taten gewerbsmäßig erfolgen bzw. geschäftsähnlich geplant sind, Einfluss auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz und Wirtschaft genommen wird und Einschüchterung, sowie Anwendung von Gewalt zum Handlungsrepertoire gehören.114 Im Gegensatz zu einer einfachen Bande fehlt es in der Regel an einem „Corpsgeist“, die Taten sind vielmehr von Anonymität geprägt.115 Da zumindest partiell Überschneidungen mit dem Begriff der Bande bzw. der kriminellen Vereinigung existieren, lassen sich die kriminalpolitischen Überlegungen zu den §§ 129, 244 I Nr. 2 StGB sowie §§ 30, 30a 30b BtMG heranziehen.116 Da man das Phänomen der Organisierten Kriminalität wegen der Vielgestaltigkeit 112 Gusy JZ 1994, 863 (864); Wohlers, Deliktstypen, S. 198; Anastasopoulou, Deliktstypen, S. 273; Ambos MschrKrim 1995, 47 (50 f.); Paeffgen in FS-BGH, 2000, S. 695 (712). 113 Eine Begriffsdefinition findet sich bei Weber, Handeltreiben, S. 393: Unter Organisierter Kriminalität ist die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten zu verstehen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wobei die Begehung von mehr als zwei Personen auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig erfolgt. In diese Richtung auch das Ergebnis der BundLänder-Arbeitsgruppe Justiz/Polizei, abgedruckt als Anlage E zu den RiStBV in Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 42. Auflage, Nr. 2.1, S. 1789. 114 Vgl. auch die Gesetzesbegründung zum OrgKG vom 15. Juli 1992 BT-Drs. 12/ 989, S. 24. 115 Ausführlich Schwind Kriminologie § 28, Rn. 5; § 29 Rn. 2. 116 Malek 2. Kap. Rn. 419 ff.
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
ihrer Erscheinungsformen niemals abschließend definieren kann, erscheint es nicht sachgerecht, diesen Umstand als Argument gegen die Schutzwürdigkeit des Guts anzuführen. Außerdem ergibt sich aus den Ausführungen, was geschützt werden soll. Insofern ist es ohne Belang, durch was das Rechtsgut konkret beeinträchtigt wird. Jedenfalls zurückzuweisen ist die These, dass die Pönalisierung erst zur Organisierten Kriminalität führe und man die Beeinträchtigung des Rechtsguts, das man schützen wolle, selbst „heraufbeschwöre“. Denn die Kriminalisierung bestimmter Verhaltensweisen ist eine rechtspolitische Frage, die das Rechtsgut nicht tangiert. Hat der Gesetzgeber sich für eine bestimmte Drogenpolitik entschieden, darf man ihm nun nicht zum Vorwurf machen, dass ein illegaler Markt entstehe. Letztlich entfällt durch die Entstehung der organisierten Kriminalität, die ein Gesetzgeber innerhalb einer bestimmten Legislaturperiode „verursacht“ hätte, nicht die Schutzwürdigkeit des nunmehr beeinträchtigten Rechtsguts. Außerdem ist der Betäubungsmittelhandel nicht der einzige illegale Markt, mit dem sich die Organisierte Kriminalität finanziert. Daher bleibt der Schutz vor der Organisierten Kriminalität ein schützenswerter Belang. Denn im Gegensatz zu den Begrifflichkeiten der Volksgesundheit bzw. des nicht von Drogen beeinträchtigten Zusammenlebens beinhaltet der Schutz vor der Organisierten Kriminalität einen zugänglichen, realen Sachverhalt, welcher Veränderungen unterliegen kann (wirtschaftliche Stärkung des konkret vorhandenen Machtapparats durch finanzielle Zuwendungen, wachsende Mitgliederanzahl etc.). Die Organisierte Kriminalität ist auch keine mittelbare Folge des Konsums bzw. der Gesundheitsschädigung des Individuums. Insofern wird dieses universelle Schutzgut den Anforderungen eines begrenzenden Rechtsgutsbegriffs gerecht. 4. Jugendschutz Ein weiteres eigenständige Rechtsgut, und nicht nur etwa einen „Teilaspekt“ des nicht von Drogen beeinträchtigten sozialen Zusammenlebens stellt der Jugendschutz dar.117 Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Rauschgift ist ein verfassungsrechtlich legitimiertes Ziel (Art. 1, 6 GG) und vermag daher auch Strafvorschriften des BtMG zu rechtfertigen.118 Es gehört zum staatlichen 117 Roxin AT I § 2 Rn. 33. Selbst an dieser Stelle könnte man den universellen Charakter des Rechtsguts anzweifeln, da sich der Jugendschutz aus den persönlichen Interessen (Willensfreiheit der Jugendlichen, Recht auf unbeeinträchtigte Erziehung seitens der Erziehungsberechtigten) zusammensetzte. 118 Maunz/Dürig/Di Fabio Art. 2 Rn. 51; Nestler in HdbBtMStrR § 11 Rn. 222; Gusy JZ 1994, 863; Paeffgen, FS-BGH, 2000, S. 695; Ebert, Handeltreiben, S. 76; Hassemer KritV 1993, 198 (211); Roxin AT I § 2 Rn. 19; Haffke ZStW 107 (1995), 761 (782); Wohlers, Deliktstypen, S. 199; Anastasopolou, Deliktstypen, S. 147 bis 151; Schünemann, Rechtsgutstheorie S. 133 (152); Bensch, Handeltreiben, S. 50 f.
D. Gesamtergebnis und Folgen abweichender Rechtsgutskonzepte
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Schutzauftrag, Jugendliche und Minderjährige, die mangels Reife das Risiko des Drogenkonsums nicht abschätzen können, vor einer Beeinträchtigung bzw. Störung ihrer Entwicklung zu bewahren;119 Dieses Rechtsgut von Verfassungsrang120 hat in den Strafvorschriften des Jugendschutzgesetzes eine besondere Konkretisierung erfahren.121
D. Gesamtergebnis und Folgen abweichender Rechtsgutskonzepte Das BtMG erfasst nach h. M. die Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit des Individuums und die Universalrechtsgüter der Volksgesundheit sowie das nicht von Drogen beeinträchtigte soziale Zusammenleben. Da der Schutz der Individualrechtsgüter körperliche Unversehrtheit sowie Willensfreiheit außer Frage steht, sind die Vorschriften des BtMG nicht paternalistischer Natur. Problematischer gestalten sich dagegen die Universalrechtsgüter: Das Bundesverfassungsgericht scheint hierbei zwischen mittelbaren Schäden, die auf der Gesundheitsschädigung beruhen (Volksgesundheit) und sonstigen Gefahren des Drogenkonsums zu unterscheiden. Den Jugendschutz sowie den Schutz vor der Organisierten Kriminalität sieht man als Teilaspekte jener Rechtsgüter an. Die derzeitige Fassung der §§ 29 ff. BtMG kann man nur schwerlich mit einem systemtranszendenten Rechtsgutskonzept vereinbaren. Dies nicht etwa, weil die Schutzgüter keinen eigenständigen Inhalt bzw. Wert hätten, wohl aber wegen des Umstandes, dass die Beeinträchtigung des Rechtsguts nicht nachgewiesen werden kann. Es würde daher nahe liegen, die konkreteren Universalrechtsgüter (Schutz vor Organisierter Kriminalität und Jugendschutz) zu „verselbstständigen“ und die kritisierten Rechtsgüter der „Volksgesundheit“ bzw. „des nicht von Drogen beeinträchtigten sozialen Zusammenlebens“ vollständig zu verwerfen. Solch ein Konzept ist denkbar einfach gestrickt: Es ist wie wenn man als kleines Kind die Zuckerwatte in den Händen zerdrückt. Dann wird sichtbar, dass sich die gesamte Watte auf einen kleinen Kern minimieren lässt und das entstandene Konzentrat auch bei weitem nicht mehr so gut „schmeckt“. Denn nimmt man solch ein „vertretbares“, weil „konkretisiertes Rechtsgutskonzept“, ernst, macht es grundlegende Modifikationen de lege ferenda erforderlich: Im Hinblick auf die Individualrechtsgüter würde dies beispielsweise die Konzeption der Eigenkonsumabsicht als unrechtsausschließendes Tatbestandsmerkmal notwendig machen. Darüber hinaus müsste man sehen, dass nicht jede „Berührung“ mit Betäubungsmitteln bereits eine Beeinträchtigung der Jugend bzw. eine Förderung der Or119 BVerfGE 47, 109 (119); 77, 346 (356); BVerfG NJW 1977, 2207; 1986, 1241; BGHSt 37, 55. 120 BGHSt 37, 55; BVerfGE 83, 130 (139). 121 Hierzu Liesching/Schuster/Scholz § 27 JSG Rn. 1 ff.
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2. Teil: Die Rechtsgutslehre und das Betäubungsmittelstrafrecht
ganisierten Kriminalität bedeutet und insofern zahlreiche Modalitäten eingeschränkt bzw. vollständig gestrichen werden müssten. Beim Handeltreiben wäre beispielsweise eine merkliche Veränderung des Markts (durch Angebot und Nachfrage bzw. durch einen Umsatz) zu fordern; das Verschreiben und die unmittelbare Verbrauchsüberlassung als „ärztliche Fehlgriffe“ müsste man als Sonderrecht neu verorten, und ein echtes Jugendschutzrecht würde stets eine Altersgrenze als Tatbestandsmerkmal voraussetzen. Letztlich wäre eine Handlungsmodalität des BtMG kaum mit einem systemkritischen Rechtsgutskonzept vereinbar: Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln gem. § 29 I Nr. 3 BtMG. Durch den Besitz wird die Gefahr des Umlaufs und somit die potentielle Beeinträchtigung von Dritten nicht weiter intensiviert. Wenn der Schutz der Rechtsgüter durch andere Modalitäten bereits gewährt wird, ist dem Besitz kein eigenständiger Gehalt zu entnehmen. Das waren nur ein paar Beispiele dafür, welch grundlegende Veränderungen ein modifiziertes Rechtsgutskonzept mit sich brächte. Damit wird weder zum Ausdruck gebracht, dass solch eine Neukonzeption undenkbar wäre noch dass im Folgenden grundsätzlich keine Überlegungen de lege ferenda angestellt werden. Soweit aber das Ziel der Arbeit sein soll, eine Analyse der derzeitigen Rechtsanwendung vorzunehmen und Vorschläge für die Rechtsprechung bzw. Praxis de lege lata zu erarbeiten, muss sie zumindest ein gemeinsames und somit das (angreifbare) Konzept der h. M. zugrundelegen.
3. Teil
Die Anwendung der §§ 13–37 StGB auf die Deliktstatbestände des Betäubungsmittelrechts Es wurde bereits dargestellt, dass eine wesentliche Funktion des Allgemeinen Teils darin zu sehen ist, Straftatbestände durch die Vorgabe eines bestimmten Aufbaus zu systematisieren und somit den Anknüpfungspunkt für die allgemeine Verbrechenslehre zu bilden.1 Dem StGB lässt sich diese allgemeine Lehre von der Straftat nicht so ohne Weiteres entnehmen, allerdings kann man sich die allgemeinen Strafbarkeitsvoraussetzungen aus den Vorschriften des zweiten Abschnitts („Die Tat“) „zusammenlesen“. Ungeschriebene Grundsätze ergänzen diese allgemeinen Voraussetzungen, etwa die Notwendigkeit einer Kausalität zwischen Handlung und Erfolgseintritt.2 Die Erweiterung des Allgemeinen Teils durch richterliche Rechtsfortbildung (beispielsweise in Bereichen der Kausalität und objektiven Zurechnung) stellt trotz der grundsätzlichen Geltung des nullapoena Grundsatzes keinen Verstoß gegen Art. 103 II GG dar3, da viele der Regelungen eher zu einer Einschränkung der Strafbarkeit führen, und gewisse Abstriche der Einzelfallgerechtigkeitsfunktion des Allgemeinen Teils im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz immanent sind.4 Unter einer Straftat im Sinne der allgemeinen Verbrechenslehre ist die rechtswidrige und schuldhafte Begehung eines Straftatbestandes zu verstehen.5 Da diese grundsätzliche Definition und die damit einhergehende Systematisierung noch keinen Aussagegehalt bzgl. der Anwendung und Reichweite der Allgemeinen Vorschriften beinhalten, kann der dreistufige Deliktsaufbau auch für die Straftatbestände des BtMG als Fundament dienen. Mit dieser „Basis“ wird der Einstieg in die drei Stufen der Straftat (Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, 1 Vgl. 1. Teil C. III., S. 60 ff.; zur allgemeinen Verbrechenslehre Roxin, AT I § 2 Rn. 97; Kühl AT § 1 Rn. 4 ff.; Jescheck/Weigend AT, S. 560; vgl. bereits Fn. 28 in Teil 1. 2 Kühl AT § 1 Rn. 5. 3 Der Geltungsanspruch des Art. 103 II GG im Allgemeinen Teil des StGB ist im Detail umstritten, vgl. hierzu Jähnke, FS-BGH S. 393 ff.; LK/Dannecker § 1 Rn. 82 ff.; ders. FS-Otto, 2007, S. 30 ff.; MK-StGB/Schmitz § 1 StGB Rn. 1; 13–15 m.w. N. 4 SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 1; Tiedemann, FS-Baumann, 1992, S. 7 (15). 5 Diese Trennung von Tatbestandsmäßigkeit (vgl. § 16 StGB), Rechtswidrigkeit (§§ 32, 24 StGB) und Schuld ergibt sich zumindest mittelbar aus dem Wortlaut der Vorschriften; da diese drei Voraussetzung einer Strafbarkeit des Täters sind, spricht man vom dreistufigen Deliktsaufbau, vgl. Wessels/Beulke Rn. 129, zur Kritik vgl. Fn. 28 in Teil 1.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Schuld) ermöglicht. Da es bei der Frage der „Tatbestandsmäßigkeit“ um Grundfragen der Erfolgszurechnung, wie die Kausalität und objektive Zurechnung geht, bietet es sich an, die Analyse auch mit dem „Grundfall“ zu beginnen, also dem • vorsätzlichen Begehungsdelikt (Abschnitt A.).6 Dabei wird hier vom vollendeten Betäubungsmitteldelikt ausgegangen, ohne auf die einzelnen Deliktsverwirklichungsstufen einzugehen, da diese im Zusammenhang mit dem versuchten Betäubungsmitteldelikt dargestellt werden müssen. Innerhalb des ersten Abschnitts wird also nur herausgearbeitet, inwieweit die allgemeinen (also jedem Tatbestand gemeinsamen) Zurechnungsregeln Anwendung finden können, wobei objektive (I.) und subjektive Tatbestandszurechnung (II.) getrennt analysiert werden. Da die vorsätzliche und fahrlässige Begehung eines Tatbestands u. U. eng beieinander liegen können, bietet es sich an, Bedeutung und Besonderheiten des betäubungsmittelrechtlichen Fahrlässigkeitsdelikts trotz ihrer kategorialen Differenzierung bereits in diesem ersten Abschnitt darzustellen. Im Anschluss (III.) kann begutachtet werden, inwiefern die allgemeinen Rechtfertigungsgründe des StGB im BtMG Anwendung finden. Bei der Schuld (IV.) wird der Fokus dagegen auf die allgemeine Irrtumslehre gelegt. Nachdem die Grundlagen der Strafbarkeit diskutiert worden sind, können in den darauffolgenden drei großen Abschnitten die sonstigen Erscheinungsformen der Straftat bzw. des Strafbeteiligten erörtert werden: • das Unterlassungsdelikt (Abschnitt B.) • die Deliktsverwirklichungsstufen (Abschnitt C.) • die Beteiligungsformen (Abschnitt D.) Diese „sektorale“ Einteilung wird im Rahmen der Analyse eventuell durchbrochen, da man ein fahrlässiges Delikt beispielsweise auch durch Unterlassen begehen oder ein bloßer Teilnehmer eine Tat nur versuchen kann. Zudem sei an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen, dass es nicht zweckmäßig erscheint, jede Tatmodalität der §§ 29 ff. BtMG in jeder erdenklichen Form der Begehung (versucht, fahrlässig, als Täter oder Teilnehmer) auf ihre Kompatibilität mit dem Allgemeinen Teil zu untersuchen, sondern diese nach Deliktskategorien bzw. sonstigen Eigenschaften der Tatbestandsalternativen zu einzuordnen. In jedem Abschnitt wird die allgemein geltenden Lehren kurz skizziert, um im Anschluss die ggf. bestehenden Abweichungen im Betäubungsmittelstrafrecht deutlicher hervorzuheben. Kommt es zu Friktionen mit der Dogmatik des Allgemeinen Teils, erfordert ein „Harmonisierungsprozess“ eine umfassende Ursachenanalyse mittels Urteilsauswertungen und systematischer bzw. teleologischer Auslegung.
6 Wobei sich an dieser Stelle bereits abzeichnet, dass der Deliktstypus ein wesentlicher Koordinationspunkt im Rahmen der Untersuchungen sein wird, vgl. noch ausführlich 3. Teil B. II. 1., S. 333 ff.
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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Wie bereits erläutert muss man der Untersuchung (auch im Interesse der praktischen Verwertung der hier gewonnen Erkenntnisse) die staatliche Drogenpolitik bzw. die gesetzgeberische Wertentscheidung, die Strafbarkeit bzgl. des Umgangs mit Betäubungsmitteln weitreichend und früh einsetzend zu regeln, durchgehend zu Grunde legen. Allgemeine rechtsstaatliche Bedenken können nur dort greifen, wo sie innerhalb dieses Systems nicht notwendig wären bzw. stark ins Gewicht fallen. Schließlich geht es nicht primär darum, mit der Anwendung des Allgemeinen Teils die lex lata umzugestalten, sondern mit einer konsequenten Übertragung und Geltung der Dogmatik des Allgemeinen Teils für Rechtssicherheit innerhalb der vom Gesetzgeber vorgegebenen Drogenpolitik zu sorgen. Insofern wird sich die Arbeit nur selten und auch nur mit systemtranszendenten Überlegungen auseinandersetzen, wenn diese nicht eine vollständige Restrukturierung der Drogenstrafgesetzgebung voraussetzen.
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht Das derzeit herrschende Verständnis vom Verbrechen lässt sich als Synthese neoklassischer sowie finalistischer Erwägungen bezeichnen.7 So setzt sich ein Verbrechen zunächst aus den Merkmalen des Unrechts (als „Außenseite“) und der Schuld (als „Innenseite“) zusammen, was sich u. a. aus den §§ 17, 20, 26, 27 StGB ergibt. Dieses klassisch-kausal anmutende Modell8 wird wegen der Erkenntnis, dass sich das tatbestandliche Unrecht nicht nur aus objektiven Elementen zusammensetzt und umgekehrt die Schuld auch von objektiven Umständen abhängig sein kann, durch finalistische Erwägungen modifiziert: Demnach liegt dem gesamten System die Überdetermination des Handelns in Gestalt der Antizipation des Kausalverlaufs durch den Täter zugrunde, d.h. der Täter handelt nur tatbestandlich bzw. verwirklicht Unrecht, wenn er durch gedankliche Antizipation den Kausalverlauf final auf ein bestimmtes Ziel hinlenkt.9 Dies führt systematisch gesehen zur wichtigen Konsequenz, dass die innere Tatseite bereits auf der Tatbestands- bzw. Unrechtsebene berücksichtigt wird. Dem Vorsatz kommt damit eine „Doppelfunktion“ zu.10 Einerseits beschreibt er die Verhaltensform
7 Zur geschichtlichen Entwicklung des Verbrechensbegriffs umfassend Roxin AT I § 7 Rn. 15 ff. m.w. N. 8 Übersichtlich zu den „Epochen strafrechtlicher Systembildung“ Schünemann, 1984, S. 18 ff. 9 Jedoch geht die heute h. L. im Gegensatz zur finalistischen Lehre nicht so weit, dass eine Tötungshandlung nicht mehr vorliege, wenn der Täter nicht vorsätzlich handle. Vielmehr wird zwischen Erfolgs-, Handlungs- und Gesinnungsunwert einer Tat unterschieden, vgl. Roxin AT I § 7 Rn. 24 f. 10 Während nach dem klassischen Verbrechenssystem auch der Vorsatz als Schuldform anzusehen wäre.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
(also die Begehungsweise der Tat), andererseits bleibt er nach wie vor Element der Schuld. Auf Grundlage dieses Verbrechensbegriffs lässt sich die Tat in die drei Abschnitte Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld aufteilen.11 Die Tatbestandsmäßigkeit eines Handelns enthält ein allgemeines Unwerturteil über die Tat; es handelt sich um „vertyptes Unrecht“,12 das von der Rechtsordnung grundsätzlich nicht geduldet wird.13 Tatbestandsmäßig ist die Handlung, wenn sie der abstrakten Beschreibung eines Strafgesetzes entspricht.14 Das vorläufige Unwerturteil wird durch die Rechtswidrigkeit des Tuns bestätigt (sprich: wenn ein Erlaubnissatz das Unrecht nicht ausnahmsweise gestattet). Im dritten Schritt muss man ein Unwerturteil über den Täter treffen, also überprüfen, ob dem Täter die Tat persönlich vorwerfbar ist, er mithin schuldhaft gehandelt hat. Auch dem BtMG ist dieser dreistufige Deliktsaufbau zugrunde zu legen.15 Eine betäubungsmittelrechtliche Tat setzt dementsprechend die rechtswidrige sowie schuldhafte Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestandes voraus. Der objektive Tatbestand setzt sich klassischerweise aus tatbestandsmäßiger Handlung und Erfolg zusammen, welche die Verbindungsglieder der Kausalität und objektiven Zurechnung zusammenhalten. Viele Tatmodalitäten des BtMG verzichten aber auf das Erfordernis eines Erfolgseintritts.16 Daher kommt 11 Zur historischen Entwicklung Jescheck ZStW 93 (1981), 3 f.; 98 (1986), 1 f.; es gehört nicht zum Gegenstand der vorliegenden Abhandlung, dieses angreifbare Modell in Frage zu stellen; schließlich wurde bereits in der Einleitung betont, dass man der derzeit herrschenden Verbrechenslehre grundsätzlich kritisch gegenüberstehen kann; gegen einen dreistufigen Deliktsaufbau und krit. zum Unrechtsbegriff der h. M. mit überzeugenden Argumenten T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 60 f., S. 81; eine Zusammenfassung seines dort konzipierten postfinalistischen Verbrechensmodells findet sich ab S. 196 ff., wobei bestimmte Begrifflichkeiten des herrschenden Modells wieder auftauchen und wesentliche Überlegungen der vorliegenden Abhandlung auch auf dieses Modell übertragen werden könnten. Eine Ausnahme dürfte hierbei als „Kernstück“ der Abhandlung die Neukonzeption der Irrtumslehre bilden (die ihrerseits auf dem „Zusammenrücken“ von Unrecht und Schuld basiert), S. 217 ff. Dies ist für die vorliegende Abhandlung interessant, da insbesondere das Betäubungsmittelstrafrecht mit seinem besonderen Tatbestandsbezugspunkt und der tatbestandlichen Ausgestaltung des § 29 I Nr. 1 BtMG die derzeitige Dogmatik schnell an ihre Grenzen stoßen lässt, vgl. noch Fn. 1095 in Teil 3. 12 Die Lehre von der Tatbestandsvertypung geht auf Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 23 f. zurück. 13 SSW/Kudlich, Vor § 13 Rn. 2. 14 Lackner/Kühl, Vor § 13 Rn. 6. 15 Diese „Selbstverständlichkeit“ ergibt sich allerdings nur partiell aus dem Gesetz, vgl. etwa § 29 I Nr. 13 BtMG [. . .] Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach [. . .], da dem BtMG ein eigener Allgemeiner Teil ja gerade fehlt. 16 Diese hier beiläufige Feststellung ist – wie sich noch zeigen wird – einer der wesentlichen Gründe, die zu einem „Auseinanderklaffen“ von betäubungsmittelrechtlichen Straftatbeständen und dem Allgemeinen Teil führen. Die Ausgestaltung betäubungsmittelrechtlicher Straftatbestände als schlichte Tätigkeitsdelikte wirkt sich aber bei den be-
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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dem Kausalitätserfordernis im Rahmen des BtMG nur selten Bedeutung zu, vielmehr stehen die Tathandlungen selbst im Fokus. Diese sind im Tatbestand als deskriptive oder normative Merkmale17 näher beschrieben. Deren konkrete Bedeutung ist spezifische Materie des Besonderen Teils und wurde im ersten Abschnitt bereits skizziert.18 Gegenstand der Untersuchung kann also nur die grundsätzliche, für jeden Deliktstatbestand gleichsam geltende Dogmatik sein, mithin der abstrahierte Begriff der Handlung, der Kausalität und die Lehre von der objektiven Zurechnung. Beim subjektiven Tatbestand gelten ähnliche Erwägungen. Denn Bezugspunkt des subjektiven Tatbestands ist die konkret umschriebene Tathandlung, sodass nur „abstrahierbare“ Problemkomplexe der Untersuchung zugänglich sind: Hierzu zählen gemeinsame Bezugspunkte des Vorsatzes bei jedem Betäubungsmitteldelikt, die Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit und der zugrunde gelegte Maßstab für die objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei einer fahrlässigen Deliktsbegehung.
I. Objektiver Tatbestand 1. Vorliegen einer strafrechtlich relevanten Handlung Die Untersuchung beginnt mit einem Merkmal, welches für die heutige Strafrechtsdogmatik derart selbstverständlich ist, als ihm faktisch nur noch eine begrenzende Funktion zukommt19: Der strafrechtliche Handlungsbegriff.20 Seine Entwicklung nahm ein ganzes Jahrhundert in Anspruch, wobei seine Bedeutung mit stetiger Weiterentwicklung des strafrechtsdogmatischen Zurechnungsapparates (bzw. der objektiven Zurechnung) „proportional“ abnahm. Da auch der Gesetzgeber während der 100 Jahre fortwährenden Diskussion nicht untätig blieb und die Möglichkeit einer Strafbarkeit durch Unterlassen positivrechtlich im § 13 StGB anerkannte, ließen sich die vielen Spielarten des Handlungsbegriffs auf ein Konsensminimum reduzieren,21 ohne dass sich hiermit einschneidende Änderungen für die geltende Rechtsanwendung ergaben.22 sonderen Erscheinungsformen der Straftat aus, sodass erst i. R. d. Unterlassungsdelikts erstals eine ausführlichere Erörterung erfolgt, vgl. 3. Teil B. II. 1. a), S. 334. 17 Vgl. zu diesem Begriffspaar ausführlich 3. Teil B. II. 1. b), S. 341 f. 18 Siehe 1. Teil B., S. 42 ff. 19 SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 14; Engisch, FS-Kohlrausch, 1944, S. 141 ff.; Kühl AT § 2 Rn. 3; Hassemer, Einführung, S. 206. 20 Zum Handlungsbegriff ausführlich Roxin AT I § 8 Rn. 1 ff.; Kühl AT § 2 Rn. 1 ff.; NK/Puppe vor § 13 Rn. 35 ff.; LK/Walter vor § 13 Rn. 29 ff.; ders. Der Kern des Strafrechts, S. 25 ff.; Jescheck/Weigend AT § 23 III–V; Wessels/Beulke Rn. 29 ff.; Fischer vor § 13 Rn. 3; Sch/Sch/Lenckner/Eisele, Vor § 13 ff. Rn. 36; grundlegend zu den Funktionen des Handlungsbegriffs Maihofer, Handlungsbegriff, S. 6 ff. 21 Vornehmlich bzgl. der negativen Feststellung, wann keine Handlung vorliegt.
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a) Strafrechtlicher Handlungsbegriff Inzwischen hat sich die prägnante Formel durchgesetzt, wonach unter einer Handlung im strafrechtlichen Sinn eine Persönlichkeitsäußerung in Gestalt menschlichen Verhaltens zu verstehen ist, die vom Willen beherrscht oder doch wenigstens beherrschbar ist.23 Der Begriff der strafrechtlichen Handlung avanciert so zum kleinsten gemeinsamen Nenner jedes strafrechtlichen Tatbestandes und fungiert sozusagen als „Grundelement“ der Strafbarkeit. Da grundsätzlich jedes strafbare Verhalten eine Handlung voraussetzt, entfaltet der Begriff seine anfangs geschilderte „limitierende“ Wirkung: Exemplarisch seien Verhaltensweisen von Tieren oder juristischen Personen genannt, wo mangels menschlicher Persönlichkeitsäußerung eine Handlung ausscheidet.24 Auch Bewegungen, die nicht beherrschbar sind, stellen keine Handlungen dar (Reflexe oder Bewegungen während des Schlafes bzw. der Bewusstlosigkeit).25 b) Übertragbarkeit des Handlungsbegriffs auf die §§ 29 ff. BtMG Seine begrenzende Funktion kann der Handlungsbegriff auch im Betäubungsmittelrecht entfalten. Fast alle Tatbestände der §§ 29 ff. BtMG setzen ein Verhalten voraus, das vom Willen beherrscht wird. Zwar mögen viele Delikte im Betäubungsmittelstrafrecht auf den Eintritt eines tatbestandlichen Erfolgs verzichten; die Handlung bleibt stets „elementar“, auch im BtMG. Das Verkaufen von Betäubungsmitteln, die Übergabe des Rauschgifts, das Werben oder das Betreten der Grenze mit inkorporierten Betäubungsmitteln stellen allesamt Verhaltensweisen dar, die unter den Begriff der strafrechtlichen Handlung subsumierbar sind. Vorübergehende Bewusstseinsstörungen durch Drogenkonsum bzw. Abhängigkeit ändern nichts daran, dass das Verhalten grundsätzlich steuerbar ist. Seine begrenzende Funktion entfaltet der Handlungsbegriff also in den Fällen, in denen Personen während dem Schlaf oder während etwaiger Bewusstlosigkeit Rauschgift zugesteckt oder umgekehrt gestohlen werden. In beiden Fällen kann man dem Täter mangels relevanter Handlung kein Erwerb bzw. ein Inverkehrbringen i. S. d. § 29 I Nr. 1 BtMG anlasten. Diese Funktion kann der Handlungsbegriff nur entfalten, wenn der konkrete Tatbestand überhaupt irgendeine Handlung voraussetzt. Eine Sonderstellung scheint diesbezüglich § 29 I 1 Nr. 3 BtMG einzunehmen: Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln. 22 Insofern wird hier auf eine ausführliche und um Vollständigkeit bemühte Darstellung der historischen Entwicklung bewusst verzichtet, siehe hierzu T. Walter, Der Kern des Strafrechts, S. 25 ff. m.w. N. 23 So auch SK/Rudolphi Vor § 1 Rn. 18. 24 MK-StGB/Freund Vor § 13 StGB Rn. 131; Wessels/Beulke Rn. 94. 25 Übersicht bei SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 15 f.; Wessels/Beulke Rn. 29 f.
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c) Strafbarer Besitz gem. § 29 I 1 Nr. 3 BtMG – Strafbarkeit ohne Handlung? § 29 I 1 Nr. 3 BtMG stellt den Besitz von Betäubungsmitteln unter Strafe, wenn der Täter nicht zugleich im Besitz einer Erlaubnis für den Erwerb ist.26 Wenn man den tatsächlichen Zustand der Herrschaft über das Rauschgift sanktioniert, tut sich die Frage auf, ob dies mit dem hier zugrundegelegten Handlungsbegriff vereinbar ist.27 Der Gesetzgeber sowie der BGH weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht der Zustand als solcher, sondern seine Herbeiführung und Aufrechterhaltung bestraft werde.28 Dieser Lösung haben sich weite Teile der Literatur angeschlossen.29 Nur einzelne Abhandlungen, wie die von Lagodny,30 Struensee31 oder von Eckstein32 haben sich genauer mit der dogmatischen Tragfähigkeit der Besitzdelikte befasst und die allmählich abklingende Diskussion um den Handlungsbegriff wieder neu entfacht; nur geht es in dieser Diskussion nicht mehr um die genauere Definition des Handlungsbegriffs, sondern um seine grundsätzliche Notwendigkeit.33 Ein Straftatbestand wird nicht bereits dadurch zu einem Besitzdelikt, dass er den Begriff in irgendeiner Form als Tatbestandsmerkmal nennt. Vielmehr muss der Besitz alleiniger bzw. wesentlicher Anknüpfungspunkt für das tatbestandlich vertypte Unrecht sein.34 Lässt man hierbei den bloßen Besitz des körperlichen Gegenstands für eine Tatbestandsverwirklichung ausreichen, scheint der Tatbestand nur einen Zustand zu sanktionieren. Diese Lesart kommt der gesetzlichen Formulierung am nächsten, da § 29 I 1 Nr. 3 BtMG nüchtern festlegt: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein.“
26 Die Strafbarkeit nach § 29 I Nr. 3 BtMG machte im Jahre 2002 19,1% aller abgeurteilten Straftaten aus und tritt damit zahlenmäßig direkt an zweite Stelle nach dem unerlaubten Handeltreiben gem. § 29 I Nr. 1 BtMG auf. 27 Dies unter der Prämisse, dass der Besitztatbestand mit dem Handlungsbegriff vereinbar sein muss, dazu später. 28 BGHSt 27, 380; BT-Drs. 6/1877. 29 Malek 2. Kap. Rn. 213; Weber BtMG § 29 Rn. 1171, der ebenfalls pragmatisch feststellt: „Tathandlung ist das Besitzen von Betäubungsmitteln, ohne zugleich Inhaber einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein“. 30 Lagodny, Schranken, S. 335 ff. 31 Struensee, FS-Grünwald, 1999, S. 713 (722), dazu Scheinfeld GA 2007, 721 (725). 32 Eckstein, Besitz, S. 1 ff. 33 Vgl. nur Kühl AT § 2 Rn. 11, der diese Problematik in die 6. Auflage aufnahm. 34 Insofern wurde hier die von Eckstein, Besitz, S. 20 sicherlich bewusst vorgenommene, aber dennoch unglückliche Wendung vermieden, Besitzdelikte zeichneten sich dadurch aus, dass der Besitz die Tathandlung bilde.
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Liest man die Vorschrift so, dass der Besitz von Rauschgift nur die tatbestandliche Umschreibung für einen Zustand sein soll, den der Täter nicht herbeiführen darf,35 bleibt auch im Rahmen der Besitzdelikte die Handlung ein notwendiges Merkmal für die Deliktsverwirklichung. Mit dieser Fragestellung ist der zentrale Streitpunkt vorweggenommen: Ist der Besitz eine besondere Form strafbaren Verhaltens ohne Handlung, das man als „Zustandsdelikt“ bezeichnen könnte?36 Oder verzichten auch die Besitzdelikte nicht auf eine Handlung (Tun oder Unterlassen)? Um diese Frage beantworten zu können, müssen die denkbaren Funktionen der Besitzstrafbarkeit dargelegt (aa) und das Tatbestandsmerkmal „Besitz“ gem. § 29 I 1 Nr. 3 BtMG näher erörtert werden (bb). Im Anschluss daran ergibt sich, ob der Tatbestand mit dem strafrechtlichen Handlungsdogma vereinbar ist (cc). Hier müssen nach einer kurzen Rechtsprechungsanalyse die Lösungsvorschläge der Literatur auf den Prüfstand gestellt werden. Abschließend erfolgt eine eigene Stellungnahme (dd). In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass § 29 I 1 Nr. 3 BtMG nicht der einzige Straftatbestand ist, welcher den unerlaubten Besitz sanktioniert: Zahlreiche weitere Nebenstrafrechtstatbestände stellen den Besitz von Gegenständen unter Strafe (vgl. nur die §§ 53 WaffG, 22a KWKG).37 Auch das StGB beinhaltet mit § 184d StGB (Besitz von kinderpornographischen Schriften) ein Besitzdelikt.38 Mittelbar ergibt sich die Strafbarkeit des Besitzes auch aus Strafschärfungen, die an den Besitz bzw. an das Beisichführen eines Gegenstands (§§ 244 I Nr. 1, 250 I Nr. 1 StGB) oder den Verstoß gegen Führungsaufsichten anknüpfen, § 145a StGB. Der Besitz muss nicht als solcher im Tatbestand umschrieben sein. Damit ließen auch das Feilhalten, das Aufbewahren oder das Mitsichführen als Besitzdelikt kategorisieren, soweit der Tatbestand nicht weitere besondere Verhaltensweisen oder Außenwelterfolge voraussetzt (vgl. nur § 328 StGB). Seit dem Ende der sechziger Jahre haben sich derartige Tatbestände nach und nach – vornehmlich im Nebenstrafrecht – gehäuft, weswegen das Besitzdelikt keine Eigentümlichkeit des Betäubungsmittelrechts darstellt.39 § 29 I Nr. 3 BtMG wurde schon am 22.12.1971 (damals noch OpiumG) eingeführt und nimmt dementsprechend nicht nur eine Vorläuferstellung ein, sondern dürfte auch das praktisch wichtigste Besitzdelikt darstellen. Da andererseits der Begriff der Handlung als „selbstverständlich“ für die Grundlagen der Strafbarkeit dahin35 Bzw. falls es ohne sein Zutun zu diesem Zustand gekommen ist, so schnell wie möglich wieder aufzuheben hat, soweit ihm das physisch real möglich und zumutbar ist. 36 Gemeint ist der neu eingeführte Begriff des Zustandsdelikts nach Eckstein, Besitz, S. 123; dieser weist in Fn.3 richtigerweise daraufhin, dass der Begriff des Zustandsdelikts bereits vorher existierte, aber dessen Bedeutung sich als Pendant zum Dauerdelikt erschöpft, siehe hierzu auch Sch/Sch/Stree Vorb § 52 ff. Rn. 82. 37 Fast abschließende Zusammenfassung aller Besitzdelikte bei Eckstein, Besitz, S. 39 ff. 38 SSW/Hilgendorf § 184b, Rn. 1 ff. 39 Zur geschichtlichen Entwicklung siehe Eckstein, Besitz, S. 19 ff.
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gestellt wurde, wird im Folgenden überprüft, ob § 29 I 1 Nr. 3 BtMG einen ersten „Bruch“ im Hinblick auf die Allgemeine Strafrechtsdogmatik darstellt. aa) Sinn und Zweck der Besitzdelikte Den zahlreichen Gesetzesbegründungen zu den Besitzdelikten sind häufig ähnliche Zielsetzungen zu entnehmen.40 Während man bei manchen Gegenständen allein aufgrund ihrer physischen Gefährlichkeit deren Existenz (so beispielsweise beim unerlaubten Besitz von Sprengstoff) oder bereits ihre Herstellung (beim Verbot des Besitzes kinderpornographischer Schriften) verhindern will, steht im BtMG vorrangig die Abwendung einer weiteren Gefahr der Fremdschädigung durch Übertragung des Rauschgifts im Vordergrund. Kriminalpolitisch weitaus bedeutender ist sein Zweck erleichterter Strafverfolgung. In der Gesetzesbegründung zu § 29 I 1 Nr. 3 BtMG hat man sich offen dazu bekannt.41 Der strafbare Besitz soll die Nachweisschwierigkeiten bzgl. des illegalen Betäubungsmittelerwerbs aufheben.42 Der kriminalpolitische Sinn des Tatbestands liegt nach Auffassung des Gesetzgebers und der Rechtsprechung vornehmlich darin, Personen zu erfassen, denen man nur die Verfügungsmacht über ein Betäubungsmittel, nicht aber die konkrete Art des Erwerbs nachweisen kann.43 bb) Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln – Grundlagen und Begriffsdefinition Besitz an Betäubungsmitteln hat der Täter, wenn er ein bewusstes, tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Betäubungsmittel hat, das faktisch die unmittelbare Einwirkung auf die Sache unter Ausschluss Dritter ermöglicht.44 Hinzutreten muss ein Herrschaftswille, d.h. der Täter muss wissen, dass sich der Gegenstand in seiner Verfügungsgewalt befindet und er muss die Verfügungsgewalt für sich oder einen Dritten auch ausüben oder aufrechterhalten wollen.45 Der Herrschaftswille muss darauf gerichtet sein, eine tatsächliche Sachherrschaft von gewisser Dauer herzustellen. Dieser Zeitaspekt des Herrschaftswillens hat sich wegen seiner guten „Objektivierbarkeit“ und Feststellbarkeit (wie lange hatte der Täter Besitz?) inzwischen zum wichtigsten Abgrenzungsmerkmal in der Praxis entwickelt. Die dogmatische Einordnung des Herrschaftswillens gestaltet sich indessen etwas komplexer als bei sonstigen subjektiven Merkmalen, weil der Besitz sich nicht einfach in einen objektiven und subjektiven Tatbestand aufteilen 40 41 42 43 44 45
Übersicht bei Eckstein, Besitz, S. 67 ff. BT-Drs. VI/1877 S. 9. BT-Drs. VI/1877 S. 9. BGHSt 25, 385; zustimmend Malek 2. Kap. Rn. 213. BGHSt 27, 380, 381. Körner/Patzak § 29 Teil 13 Rn. 55. Dolus eventualis genügt.
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lässt.46 Nach umstrittener Auffassung soll ein fehlender Herrschaftswille bereits den objektiven Tatbestand des § 29 I Nr. 3 BtMG ausschließen.47 Die h. M. bestimmt den strafrechtlichen Besitzbegriff autonom, also unabhängig von der zivilrechtlichen Begriffsbildung.48 Dementsprechend kann auch ein Besitzdiener gem. § 855 BGB, der zivilrechtlich keinen Besitz inne hat, strafrechtlich als Besitzer einzustufen sein.49 Eine Unterscheidung in mittelbaren, unmittelbaren bzw. Fremd- und Eigenbesitz kennt das BtMG nicht.50 Insoweit kann auch derjenige Besitzer sein, der das Rauschgift nicht unmittelbar bei sich führt, sondern ohne Schwierigkeiten auf die Drogen zugreifen kann.51 Entscheidend ist die objektive Zugriffsmöglichkeit, die sich über einen nicht unerheblichen Zeitraum erstrecken muss. Bei der Erheblichkeit soll nicht nur die Dauer, sondern auch Art und Intensität der Zugriffsmöglichkeit eine Rolle spielen. In unmittelbarer Wechselwirkung steht der Grad des Besitzwillens. Strittig ist, ob auch Zwecksetzungen des Täters, wie beispielsweise der beabsichtigte sofortige Konsum bzw. die Intention, die Rauschgifte alsbald zu entsorgen, maßgeblich für den Herrschaftswillen sind.52 Die h. M. verneint dies53, muss aber i. E. Zwecksetzungen des Täters doch berücksichtigen, wenn der Herrschaftswille abhängig von Dauer und Zugriffsmöglichkeit sein soll. cc) Besitz als Zustand Festzuhalten bleibt für das Tatbestandsmerkmal „Besitz“, dass dieses einen dynamischen Zustand der Sachherrschaft mit tatsächlichem Herrschaftswillen beschreibt, der jederzeit Änderungen unterworfen sein kann. Weder für den Beginn 46 Wie etwa bei der Heimtücke beim Mord gem. § 211 StGB, bei der ein Täter zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzt. Ähnlich bei der Finalität nach § 249 StGB, bei der die Gewalt zum Zwecke der Wegnahme erfolgen muss. 47 Dieses Phänomen wirkt sich zumindest rechtstatsächlich im BtMG nicht aus, da sie den zulässigen Inhalt einer Fahrlässigkeitstat bestimmt; diese ist aber im Rahmen des BtMG nicht unter Strafe gestellt, vgl. § 29 IV BtMG. Zum Ganzen Joachimski § 29 Rn. 154; Franke/Wienroeder § 29, Rn. 117; Eckstein, Besitz, S. 108. Der „Herrschaftswille“ als integraler Bestandteil des Gesamtunrechtstatbestandes wird aber noch im Rahmen der Feststellung eine Rolle spielen, wie das Besitzdelikt dogmatisch einzustufen ist. 48 Vgl. nur Franke/Wienroeder § 29 Rn. 115; siehe auch BGHSt 26, 12 (16); im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber hier nicht auf eine andere Wendung (Gewahrsam, Verfügungsmacht) ausweicht, überrascht es schon, dass man eine zivilrechtsakzessorische Betrachtung von vornherein außer Betracht lässt. 49 BGHSt 26, 177. 50 Körner/Patzak § 29 Teil 13 Rn. 19. 51 BGHSt 27, 380 (381 f.). 52 Zum Streitstand Eckstein, Besitz, S. 104. 53 BGH StV 1988, 432; BGH NJW 1996, 1604; Baae NStZ 1987, 214; Malek 2. Kap. Rn. 227; Weber § 29 Rn. 619.
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noch für das Ende dieses Zustands (sprich dieses Tatbestandsmerkmals) ist eine Handlung des Normadressaten von Nöten, es liegt aber in der Natur der Sache, dass der Besitz „handlungsakzessorisch“ bleibt, also dass zumindest irgendjemand durch eine Handlung diesen Zustand herbeigeführt hat und ihn auch wieder aufheben kann. Insofern ist sowohl Lagodny als auch Eckstein zuzustimmen, wenn sie festgestellen, dass der Besitz für sich keine Tathandlung im Sinne des Strafrechts darstellt, auch wenn dies der Wortlaut – „Besitzen“ als Tätigkeit – suggeriert.54 Weiterhin bleibt die Frage offen, welche Konsequenzen man hieraus zieht. (1) Auffassung der Rechtsprechung Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht in der Strafbarkeit des Besitzes kein Problem: Ähnlich wie die Gesetzesbegründung weist sie darauf hin, dass § 29 I 1 Nr. 3 BtMG keinen Zustand, sondern eine Handlung sanktioniere.55 Strafbar seien also kausale Verhaltensweisen, nämlich die Herbeiführung sowie die Aufrechterhaltung des Zustands.56 Der Besitz sei somit kein Zustands- sondern Dauerdelikt.57 (2) Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Pragmatischer sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, das die Verfassungsmäßigkeit der Besitzdelikte nicht in Frage stellt.58 Interessant an dem Beschluss (der kurz nach der Cannabis-Entscheidung veröffentlicht wurde) ist aber das Begründungsmodell, das vom betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum, sowie der Auffassung des BGH etwas abweicht. So stellt das Bundesverfassungsgericht das Fehlen einer Handlung nicht in Abrede, sieht dies aber auch nicht als schädlich an, da der Gesetzgeber grundsätzlich bei der Ausgestaltung der strafrechtlichen „Tat“ eine Einschätzungsprärogative hätte. Außerdem spreche nichts dafür, dass sich der Gesetzgeber über Art. 103 II GG auf einen bestimmten „Tat-“ bzw. Handlungsbegriff festgelegt hätte, wenn dieser im Strafrecht bis heute umstritten sei. Seine Feststellungen relativiert die Kammer dann doch etwas, da sie am Ende des Beschlusses explizit auf die Definition der Handlung Bezug nimmt: 54 So auch Schroeder, GS Zipf S. 153 (157) dem zuzustimmen ist, wenn er feststellt, dass die Tatbestandsfassung der klassischen täterbezogenen Wer-Fassung der Straftatbestände geschuldet ist. 55 BT-Drs. 6/1877, S. 9. 56 Ständige Rechtsprechung seit BGHSt 27, 380; BGH StV 1984, 286; OLG Düsseldorf NStZ 1985, 415; 1992, 443; BayObLG StV 1986, 145; StV 1988, 206; OLG Frankfurt am Main StV 1989, 20; KG Berlin NStE 1990 Nr. 39 zu § 29 BtMG – Besitz; StV 1991, 520; OLG Hamm StV 1989, 438. 57 BGH StV 1981, 127; 2002, 240. 58 BVerfG NJW 1994, 2412.
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„Die Verletzung oder Gefährdung kann durch jedes verbotene Verhalten eines Menschen, das von seinem Willen beherrschbar und damit auch vorwerfbar ist verwirklicht werden. Eine Beschränkung des Tatbegriffs auf willensgetragene Körperbewegungen ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen.“ (3) Kritik in der Literatur Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16.06.1994 wurde wohl aufgrund der „Cannabis-Entscheidung“ vom 09.03.199459 kaum rezipiert, obwohl dessen Bedeutung mit Blick auf die sich abzeichnende Loslösung von einem eigenständigen strafrechtlichen Handlungsbegriff nicht zu unterschätzen war. Lagodny griff die Handlungsproblematik in seiner Habilititation aus dem Jahr 1996 erstmals auf.60 Weitere Abhandlungen von Struensee61 und Eckstein62 folgten. Den Abhandlungen ist gemeinsam, dass sie allesamt das Besitzdelikt mit dem derzeitigen Handlungsdogma für unvereinbar erklären. Da das Bundesverfassungsgericht dies zumindest nicht in Abrede stellt, richtet sich die Kritik vornehmlich an die „unbekümmerte“ Rechtsprechung des BGH sowie das betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum, welches sich der Auffassung des BGH angeschlossen hat. (a) Lagodny und Struensee – Verfassungswidrigkeit der Besitzdelikte? Lagodny erklärt Besitzdelikte für verfassungswidrig.63 Neben den rechtsgutsbezogenen Bedenken (enorme Vorverlagerung der Strafbarkeit, symbolisches Strafrecht etc.) trete hinzu, dass keine strafrechtlich relevante Handlung existiere, an die ein Straftatbestand anknüpfen könne. Eine Deutung dahingehend, an ein kausales Verhalten, mithin an ein Unterlassen, anzuknüpfen, sei nicht möglich.64 Mangels strafrechtlich relevanter Handlung wird der Besitztatbestand auch von Struensee kritisiert und als „legislatorischer Fehltritt“ bezeichnet.65 Der Besitztatbestand erfasse Verhaltensweisen, deren Verwirklichung bereits der „Kerntatbestand“, also § 29 I 1 Nr. 1 BtMG unter Strafe stelle (Erwerb bzw. das Sichverschaffen in sonstiger Weise).66 Dieses Argument kann nicht überzeugen, da Überschneidungen von Tatbeständen auch sonst keine Seltenheit sind, schon gar 59
Welcher Anstoß für die Rechtsgutsdiskussion wurde, siehe oben. Lagodny, Schranken, S. 335 ff. 61 Struensee, FS-Grünwald, 1999, S. 713. 62 Eckstein, Besitz, vgl. im Einzelnen noch im Folgenden. 63 Lagodny, Schranken, S. 335. 64 Insbesondere letztere These wird im Rahmen des eigenen Lösungsvorschlags nochmals aufzugreifen sein. 65 Struensee, FS-Grünwald, 1999, S. 713. 66 Siehe 1. Teil B. I. 6., S. 49 ff. 60
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nicht im Betäubungsmittelstrafrecht, welches der umfassende Handlungskatalog erst ausmacht. Solch gelagerte Fälle sind über die Konkurrenzen zu lösen, d.h. § 29 I 1 Nr. 3 BtMG tritt gegenüber den spezielleren Erwerbstatbeständen zurück. Außerdem wenden sowohl Lagodny als auch Struensee ein, dass die Besitzdelikte dem Normadressaten Pflichten abverlangen würden, die ihrerseits strafbar wären;67 diese These gilt es im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überlegungen zu überprüfen. (b) Lösung nach Eckstein: Das Zustandsdelikt Eckstein stimmt Lagodny nur insofern zu, als im Rahmen der Besitzstrafbarkeit eine Deliktsverwirklichung ohne Handlung erfolge.68 Allerdings deklariert er nun nicht die Verfassungswidrigkeit der Besitzdelikte, sondern sucht orientiert an den Grenzen der Verfassung eine eigene Lösung. In Anlehnung an den Kammerbeschluss erstrebt er eine Abkehr vom strafrechtlichen Handlungsdogma und will eine neue Deliktskategorie einführen, die er als „Zustandsdelikt“ bezeichnet.69 Sein Kernangriffspunkt ist das grundsätzliche Konzept der Rechtsprechung, den Besitz selbst als Handlung anzusehen bzw. in ein „Konglomerat von Handlungen“ umzudeuten.70 Eckstein geht in seiner Abhandlung davon aus, dass eine Einordnung des Besitzes selbst in die Kategorien Tun und Unterlassen (schon mangels Abgrenzbarkeit) kaum möglich ist.71 Das derzeitige Besitzdelikt sei daher nur mit einer vom Handlungsbegriff unabhängigen Zustandshaftung erklärbar. Dagegen erscheint ihm das Handlungsdogma als „künstliches Skelett, das einem Fremdkörper Gestalt geben soll“ 72. Hierfür entwickelt er eine eigenständige Dogmatik für die neue Kategorie des Zustandsdelikts und überprüft diese auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung. Dafür muss er die geltende Strafrechtsdogmatik modifizieren.73 (aa) Konzept und Rechtsnatur des Zustandsdelikts Auch für das Zustandsdelikt legt Eckstein den dreistufigen Deliktsaufbau zugrunde.74 Der Zustand sei im Gesetz als objektiver Tatbestand umschrieben, so67
Lagodny, Schranken, S. 330; Struensee FS-Grünwald, 1999, S. 713 ff. Eckstein, Besitz, S. 224. 69 Eckstein, Besitz, S. 226. 70 Sofern man die Ausführungen der Rechtsprechung so verstehen will, Eckstein, Besitz, S. 124; vgl. in diesem Zusammenhang Horn NJW 1977, 2329; Grünwald StV 1986, 243. 71 Eckstein, Besitz, S. 148, 149, 170. 72 Eckstein, Besitz, S. 225. 73 Den alternativen Reaktionsweg einer Modifikation des Handlungsbegriffs will er nicht einschlagen. 74 Eckstein, Besitz S. 229. 68
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dass der Täter den Gesamtunrechtstatbestand verwirkliche, wenn er Vorsatz bezüglich des Zustands hätte.75 Die §§ 15, 16 StGB ließen sich auf das Zustandsdelikt übertragen. Auch die Anwendung von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen sei denkbar.76 Da der Besitz einen tatsächlichen Zustand beschreibe, müssten Konstruktionen wie die der mittelbaren Täterschaft oder Mittäterschaft ausscheiden, wenn der Täter selbst keine Sachherrschaft inne habe.77 Dies ist unbedenklich, da auch andere Deliktstypen existieren, bei denen (unabhängig vom Handlungsbegriff) konkrete Beteiligungsformen per se ausgeschlossen sind, man denke nur an die eigenhändigen Delikte der § 153 ff. StGB.78 Demgegenüber geht er davon aus, dass eine Mittäterschaft sowie eine Teilnahme beim Besitzdelikt ohne Weiteres möglich sind; dagegen schließt Eckstein den Versuch des „Zustands“ konsequent aus (alles, was der Täter „versuchen“ könnte, wäre die Herbeiführung des Zustands und nicht der Zustand selbst), während nach seiner Auffassung eine fahrlässige Verantwortlichkeit für den Zustand denkbar bleibt, soweit der Tatbestand dies ausdrücklich unter Strafe stellt.79 (bb) Zustandshaftung contra Verfassung Will man eine neue Deliktskategorie einführen, muss das Modell in erster Linie mit der Verfassung vereinbar sein und sich an Art. 103 II GG messen lassen. Diesbezüglich wurde die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bereits dargelegt, welches seine Haltung auch im Rahmen des Waffenrechts nochmals wiederholt hat.80 Demnach ergeben sich die konkreten Bedenken nicht im Hinblick auf den „Tatbegriff“, da dieser verfassungsrechtlich eigenständig zu ermitteln ist bzw. der Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative bei der Ausgestaltung etwaiger Straftatbestände hat. Entscheidende Hürde für die Zustandsdelikte ist nach Auffassung Ecksteins das verfassungsmäßig verankerte und durch das Bundesverfassungsgericht anerkannte Schuldprinzip, Art. 20 III, Art. 1 i.V. m. Art. 2 GG (nulla poena sine culpa).81 Dieser Schuldbegriff beinhaltet nicht nur den normativen Schuldbegriff als dritte Stufe im Verbrechensaufbau, sondern ist als Legiti75 Daher lehnt Eckstein auch die Konstruktion eines Unterlassens ab, weil das echte Unterlassen erst ab dem Entstehen des Zustands möglich sei. Das echte Unterlassungsdelikt hinke somit immer eine juristisch logische Sekunde hinterher, eine These, die nochmals aufzugreifen sein wird. 76 Siehe hierzu BT-Drs. VI/2673, S. 4; Joachimski § 29 Rn. 153; Malek 2. Kap. Rn. 227. 77 Eckstein, Besitz, S. 228, 229. 78 Fischer Vor § 153 Rn. 2; Geppert Jura 2002, 173 (178). 79 Eckstein, Besitz, S. 228, 229. 80 BVerfG NJW 1995, 248. 81 BVerfG 20, 323 (331); 50, 125 (133); Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor § 13 ff. Rn. 103.
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mationsbasis für eine Straftat als Ganzes zu verstehen, die neben das objektive Merkmal des Rechtsgüterschutzes tritt. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Schuldbegriff kann hier nicht erfolgen.82 Fest steht, dass das Schuldprinzip das Verbot der reinen Erfolgshaftung begründet, und das Erfordernis einer Tatschuld die Bestrafung der bösen Gesinnung bzw. Gedanken verbietet, selbst wenn sich der böse Gedanke des Täters durch äußere Faktoren (Naturereignisse, Tötung durch Dritte) verwirklicht hat. Das Schuldprinzip macht also ein Verbindungsglied zwischen objektiver Tat und innerer Tatschuld erforderlich. Dies ist auch der Grund dafür, dass eine reine Zustandshaftung als unvereinbar mit dem Schuldprinzip und somit für verfassungswidrig gehalten wird. Eckstein sieht die innere Verknüpfung zwischen Tat und Täter in der Notwendigkeit eines Herrschaftswillens und des Vorsatzes. Da die innere Tatseite konstitutiver bzw. „integraler“ Bestandteil des Gesamtunrechtstatbestands sei,83 entscheide erst der böse Gedanke über das Vorliegen des nach außen hervortretenden Lebensvorgangs, sprich des Besitzes.84 Diese Form subjektiver Beherrschbarkeit, sowie die hinzutretende „Handlungsakzessorietät“ des Besitztatbestandes ermöglichten den Schuldvorwurf. Diese Auffassung ist nicht frei von Einwänden: Man kann bereits darüber streiten, ob der Herrschaftswille „integraler Bestandteil“ des Besitztatbestandes ist. Insofern könnte der Herrschaftswille nur einen Hinweis auf die Notwendigkeit einer besonderen Vorsatzform (dolus directus 1. Grades) oder auch eine überschießende Innentendenz darstellen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Tatbestand „Besitz“ nicht objektiv und subjektiv teilbar ist,85 lässt diese These nicht den Rückschluss zu, dass der Besitztatbestand (zumindest im Hinblick auf das Schuldprinzip) anders zu behandeln wäre, als sonstige Gesamtunrechtstatbestände. Im Gegenteil müsste für das Schuldprinzip stets der Gesamtunrechtstatbestand maßgeblich sein. Insofern schafft es Eckstein nicht, die Bedenken auszuräumen, dass der bloße Gedanke („ich habe Herrschaftswillen und Vorsatz bezüglich der tatsächlichen Sachherrschaft an Betäubungsmitteln“) bestraft wird.86 Entscheidend dürfte vielmehr für den Schuldvorwurf sein, dass der Täter diesen Zustand herbeigeführt bzw. wenn er dies nicht getan hat, jederzeit wieder aufheben kann,87 was sich in der beschriebenen „Handlungsakzessorietät“ nieder82
Zum Schuldbegriff etwas ausführlicher mit m.w. N. noch 3. Teil A. IV. 1., S. 280 ff. Siehe hierzu bereits 3. Teil A. I. 1. c) bb), S. 95 ff. 84 Eckstein, Besitz, S. 240. 85 Zumindest im Hinblick auf den Zustand; trennbar ist er jedenfalls hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals Betäubungsmittel i. S. d. § 1 BtMG. 86 So auch Deiters GA 2004, 60. 87 Dabei weist zu Recht auf das passive Tun als „dritte Handlungsform“ Streng hin, ZStW 122 (2010), 1; soweit – wie hier – der Besitz als echtes Unterlassungsdelikt klassifiziert wird, so wird damit nur zum Ausdruck gebracht, dass der Täter eine Handlung vornehmen muss. Im Rahmen der Ausführungen zum Unterlassungsdelikt wird sich in83
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schlägt („ich habe gerade Herrschaftswillen und Vorsatz bezüglich der tatsächlichen Sachherrschaft an Betäubungsmitteln, tue jedoch nichts dagegen, obwohl ich könnte“). Diese „Handlungsakzessorietät“ kann man aber im Rahmen eines konsequent angewendeten Zustandsdelikts gerade nicht als Legitimationsbasis heranziehen. Insofern bleiben die verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. (cc) Zustandshaftung contra Allgemeinen Teil Auch innerhalb der Strafrechtsdogmatik ist das Zustandsdelikt nicht unbedenklich. Bereits beim Tatbestand zeichnet sich ab, dass die Neukonzeption Probleme mit sich bringt: § 15 StGB spricht von einem vorsätzlichen „Handeln“: Konsequenterweise dürften die § 15, 16 StGB nur analoge Anwendung finden. Gleiches gilt für den Wortlaut der Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe. Eckstein sieht diese Probleme und spricht daher nur von einer „Übertragung“ der Regelungen auf das Zustandsdelikt. Da im Übrigen einheitlich von der „Tat“ die Rede ist, ist diese Diskrepanz auch nicht weiter gravierend, weil man den Begriff der „Tat“ dann auch im „zustandsdeliktsspezifischen“ Sinne verstehen kann. Schwieriger wird dieser Rückgriff bei der Teilnahme. Hier spricht bereits die Grundstruktur des Zustandsdelikts gegen eine Teilnehmerhaftung: Der Dauerdeliktscharakter des Zustandsdogmas führt dazu, dass zumindest im Bereich der Anstiftung immer nur eine sukzessive Anstiftung in Betracht kommt. Eine dritte Person kann schon begrifflich nicht zu einem Zustand anstiften, sondern nur zu dessen Herbeiführung. Aber auch eine sukzessive Anstiftung88 würde sich stets auf die Aufrechterhaltung des Zustands beziehen, mithin auf ein weiteres Unterlassen. Selbst bei einer Modifikation der Teilnehmerstrafbarkeit dahingehend, dass eine Anstiftung zu einem tatsächlichen Zustand für möglich erachtet würde, ändert nichts an dem Umstand, dass das Konstrukt der Teilnehmerhaftung wegen des besonderen Verhältnisses zwischen Täter und Besitz kaum passt. Diese Ungereimtheiten sind darauf zurückzuführen, dass der Allgemeine Teil auf das Begehungsdelikt in Form des Erfolgsdelikts zugeschnitten ist. Dies sieht auch Eckstein, empfindet entstehende Komplikationen mit den Vorschriften des Allgemeinen Teils aber als „unkritisch“, weil er den Geltungsanspruch des Allgemeinen Teils a priori zurückweist:89 Seine Begründung diesbezüglich überzeugt in mehrfacher Hinsicht nicht. Er behauptet, dass Tat, Tun und Unterlassen an dessen ergeben, dass das echte Unterlassungsdelikt als Kategorie missverständlich ist und somit nur als „Arbeitsbegriff“ fungieren kann, vgl. 3. Teil B. I., S. 326; insoweit erscheint der von Streng vorgeschlagene Begriff des „passiven Tuns“ griffiger und bringt gerade die „Zwitterstellung“ derartiger Verhaltensweisen besser zum Ausdruck. 88 Soweit man solch eine Form der Anstiftung anerkennt (und nicht etwa nur eine psychische Beihilfe für möglich erachtet), zur sukzessiven Anstiftung vgl. Börner Jura 2006, 415; Grabow Jura 2009, 408. 89 Eckstein, Besitz, S. 228.
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keiner Stelle selbst Regelungsgegenstand des Allgemeinen Teils seien.90 Zwar ist es richtig, dass kein „§ Vor 13“ StGB existiert, der ein Handlungserfordernis deklariert, dies aber deswegen, weil der gesamte zweite Abschnitt des Allgemeinen Teils (die „Tat“) eine Handlung stillschweigend voraussetzt, was sich auch aus den einzelnen Vorschriften (wenn auch nur mittelbar ergibt), vgl. nur §§ 8, 13 StGB. Außerdem weist Eckstein auf den fragmentarischen Charakter des Allgemeinen Teils hin und erklärt, dass sich der Gesetzgeber durch die Schaffung spezieller Straftatbestände über den Allgemeinen Teil hinwegsetzen könne, die Vorschriften des Allgemeinen Teils dann im Konfliktfall den Besitzdelikten weichen müssten. Diese Argumentation entspricht der des Bundesverfassungsgerichts und ihr ist partiell sicherlich beizupflichten, was aber in der konkreten Diskussion wenig zielführend ist:91 Letztlich gehört es zum Fundament dieser Abhandlung, dass der Allgemeine Teil auch auf neue Deliktstypen92 Anwendung findet, wobei dies auch von der h. M. im Grundsatz anerkannt ist, wenn sie im ersten Schritt den Allgemeinen Teil zu Grunde legt und an „problematischen Stellen“ diskutiert bzw. die Dogmatik fortentwickelt. Wie bereits anfangs erörtert, kann es nicht um ein grundsätzliches Postulat bzw. eine bindende Festschreibung der Allgemeinen Vorschriften gehen, sondern um eine gegenseitige Ergänzung. Hierfür muss der Gesetzgeber unabhängig von strafrechtsdogmatischen bzw. verfassungstheoretischen Fragen sorgen, wenn er sich für das zweigliedrige System (Allgemeiner und Besonderer Teil) entschieden hat.93 Aber selbst wenn man „Zugeständnisse“ im Rahmen des Zustandsdelikts macht und den Geltungsanspruch des Allgemeinen Teils vollständig ausblendet, stellen sich weitere Fragen: Wenn von einer „Handlungsakzessorietät“ die Rede ist und behauptet wird, dass Zustandsdelikte „Begehungs- und echte Unterlassungsdelikte + x“ seien94, bleibt offen, welche Rolle dann die Handlung im Rahmen des Zustandsdelikts spielt. „Verdrängt“ die Handlung bei Vorliegen sozusagen den Zustand oder hat sie nur einen Beweiswert? So fragt man sich, wie die Aufhebungshandlung, also die Aufgabe des Besitzes des Täters zu qualifizieren ist. Führt das sofortige Entsorgen der Betäubungsmittel zu einer negativen objektiven Manifestation des Besitzwillens, sodass der Vorsatz bezüglich des objektiv verwirklichten Besitztatbestandes widerlegt ist und somit der Täter tatbestandslos handelt?95 Oder muss man konsequenterweise davon ausgehen, dass es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund handelt? 90 91 92 93 94 95
Eckstein, Besitz, S. 228. Zur „Dogmakritik“ vgl. bereits Fn. 28 in der Einleitung. Auch auf das schlichte Tätigkeitsdelikt, vgl. SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 25 ff. Vgl. insofern bereits 1. Teil C. III. 2., S. 66. Eckstein, Besitz, S. 170. In diese Richtung die Ausführungen Ecksteins, Besitz, S. 243.
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(c) Zwischenergebnis zum Konstrukt des Zustandsdelikts Die Neukonzeption des Zustandsdelikts verzichtet auf eine strafrechtlich relevante Handlung und geht einem „hohen Begründungsaufwand“ 96 im Hinblick auf die klassische Verhaltenszurechnung geschickt aus dem Weg. Die Auffassung hat den Wortlaut des § 29 I 1 Nr. 3 BtMG sowie auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf ihrer Seite, wonach der Gesetzgeber frei bei seiner Interpretation und Ausgestaltung des Begriffes „Tat“ ist. Bei genauerer Betrachtung hat sich gezeigt, dass die Loslösung von der „Zwangsjacke“ Handlungsdogma nur neue Probleme mit sich bringt: Blendet man das grundsätzliche Problem aus, dass fast der gesamte Allgemeine Teil des StGB auf das „Begehungsdelikt“ zugeschnitten ist, bleiben auch innerhalb des neuen Systems Fragen offen. Es ergibt sich nicht, welche Stellung die Aufhebungshandlung (gemeint ist die Aufgabe des Besitzes) haben soll. Die neue Kategorie des Zustandsdelikts hebt insofern die Probleme der tatbestandlichen Konstruktion auf, eckt aber sowohl verfassungsrechtlich als auch strafrechtsdogmatisch an mehrerlei Stellen an und bedarf insofern sicherlich noch der Verfeinerung. Letztlich ergibt sich aus den Ausführungen Ecksteins auch nicht, weswegen trotz einer angenommen „Handlungsakzessorietät“ eine Lösung nach dem Verhaltensdogma ausgeschlossen sein soll. (4) Rechtsdogmatische Notwendigkeit des Zustandsdelikts? Man muss sich fragen, ob es einer vollständig neuen Deliktskategorie bedarf, wenn sich der deliktische Besitz in die geltende Strafrechtsdogmatik, mithin in das Konstrukt der Verhaltenszurechnung einfügen lässt. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung eines Straftatbestandes zweifellos eine Einschätzungsprärogative. Allerdings ist es auch im Sinne der Bestimmtheit, sich auf das geltende, etablierte System zu beziehen, da eine von der allgemeinen Verbrechenslehre völlig losgelöste Gesetzgebung dem Zweck der Ordnung, Vorhersehbarkeit und Verwertung bisher ergangener Rechtsprechung zuwiderlaufen würde.97 Grundsätzlich ist ein Neukonzept zu begrüßen, wenn es ein gesetzgeberisches Phänomen besser erklären kann bzw. mit der Gesetzeslage und zugleich mit der Verfassung im Einklang steht.98 Wenn Besitzdelikte dagegen mit dem Handlungsdogma vereinbar sind, erschiene die Einführung einer bis dato „unbestimmten“ Deliktskate-
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Eckstein, Besitz, S. 170. Vgl. insofern bereits die Ausführungen zum Geltungsanspruch des Allgemeinen Teils, 1. Teil C. III. 2., S. 66. 98 Letzteres sei – trotz der dargestellten offenen Fragen – unter Bezugnahme auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung und die Tatsache, dass jedes Neukonzept einer Konkretisierung und Verfeinerung bedarf, im Hinblick auf das Zustandsdelikt unterstellt. 97
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gorie nicht notwendig.99 Dies soll – soweit sich die Besitzhaftung mit dem Handlungsdogma vereinbaren lässt – nicht zugleich bedeuten, dass die strafrechtliche Handlung unabdingbares Element eines Straftatbestands sei und immer bleibt: Vielmehr muss es in einem pragmatischen Sinn auch darum gehen, die Dogmatik nicht unnötig zu überfrachten. Daher soll im Rahmen des folgenden Lösungsvorschlags auch keine Modifikation des Handlungsbegriffs angestrebt, sondern ausschließlich überprüft werden, ob sich das Besitzdelikt mit dem dargelegten Arbeitsbegriff der strafrechtlichen Handlung erklären lässt. d) Strafbarer Besitz als echtes Unterlassungsdelikt und denkbare Einwände § 29 I 1 Nr. 3 BtMG soll seine praktische Bedeutung in Konstellationen entfalten, in denen man dem Täter die Herbeiführung des Zustands „Besitz“ nicht nachweisen kann. Dann macht man ihm zum Vorwurf, dass er den Besitzzustand nicht beseitigt, mithin es unterlässt, die tatsächliche Sachherrschaft über das Betäubungsmittel aufzugeben. Dies führt zur Frage, ob man den strafbaren Besitz nicht (zumindest auch) als Unterlassungsdelikt bewerten könnte. aa) Zum Begriff des „echten Unterlassungsdelikts“ Die Strafrechtslehre unterscheidet zwischen echten und unechten Unterlassungsdelikten.100 Von einem unechten Unterlassungsdelikt spricht man, wenn der Täter den „Erfolg“ eines eigentlich als Begehungsdelikt konzipierten Straftatbestands nicht verhindert.101 Da somit fast jeder Straftatbestand einschlägig sein kann, braucht es hinsichtlich der Gleichstellung von Tun und Unterlassen einer entsprechenden Rechtspflicht, vgl. § 13 StGB (so genannte „Garantenpflicht“).102 Wollte man den Besitztatbestand als unechtes Unterlassungsdelikt verstehen, also das Unterlassen des Sichentledigens dem (zurücktretenden) Erwerbsakt gleichstellen, ergeben sich auf den ersten Blick keine Probleme. Ein Täter, welcher Drogen erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, handelt deliktstatbestandsmäßig, sodass eine Garantenstellung aus pflichtwidrigem Vorverhalten („Ingerenz“) in Betracht kommt.103 Solch eine Konstruktion hätte indessen kriminalpolitisch keinen Sinn bzw. könnte sich trotz Existenz niemals entfalten: 99
In diese Richtung auch Deiters GA 2004, 60. MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 55; Roxin AT II § 32 Rn. 16; SSW/Kudlich § 13 Rn. 2; zur missverständlichen Differenzierung noch ausführlich 3. Teil B. I., S. 326 ff. 101 SSW/Kudlich § 13 Rn. 2. 102 Zur Garantenpflicht im Betäubungsmittelstrafrecht noch ausführlich 3. Teil B. II. 2., S. 357 ff. 103 Zur Garantenstellung aus Ingerenz RGSt 24, 339 (340); BGHSt 4, 20 (22); BGH NStZ 1998, 84 (84); Roxin AT II § 32 Rn. 143 ff.; SSW/Kudlich, § 13 Rn. 22. 100
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Wenn man eine Garantenstellung aus Ingerenz nachweisen kann, kann man auch den Erwerbstatbestand nachweisen, sodass das Unterlassen regelmäßig zurücktreten würde.104 Da aber der Besitztatbestand auch dann greift bzw. greifen soll, wenn die Strafverfolgungsbehörden den konkreten Erwerb nicht nachweisen können, ist davon auszugehen, dass der Tatbestand als echtes Unterlassungsdelikt ausgestaltet ist. Echte Unterlassungsdelikte sind solche, die sich unabhängig von einer besonderen Rechtspflicht an jedermann richten und damit allgemeine Handlungs- bzw. Solidaritätspflichten statuieren.105 Zu den echten Unterlassungsdelikten des StGB zählen etwa § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) oder § 323c StGB (unterlassene Hilfeleistung).106 Ist ein Tatbestand als echtes Unterlassungsdelikt ausgestaltet, trifft die Hilfspflicht jeden Einzelnen, soweit ihm eine Rettungshandlung physisch-real möglich und im Übrigen zumutbar ist.107 Dies würde somit auf § 29 I 1 Nr. 3 BtMG zutreffen, soweit sich der Tatbestand mit der grundsätzlichen Konstruktion des echten Unterlassungsdelikts vereinbaren lässt. § 29 I 1 Nr. 3 BtMG müsste dann als Mischtatbestand qualifiziert werden, der sowohl Begehungsformen des Tuns als auch Unterlassungshandlungen erfasste.108 Dies ist dem Strafrecht im Übrigen nicht fremd, vgl. nur § 142 StGB oder § 123 StGB, die sowohl aktive Verhaltensweisen sanktionieren als auch echte Unterlassungstatbestände enthalten. bb) Der Unterlassungstatbestand In der Terminologie des § 323c StGB könnte man die Drogenerlangung bzw. den Zustand des Besitzes von Rauschgift (also auch ohne vorhergehende Handlung des Normadressaten) als „Unglücksfall“ sehen, den der Täter wieder zu beseitigen hat, sobald er Kenntnis von diesem Zustand erlangt. Der Besitz ist somit nur ein Tatbestandsmerkmal von mehreren und begründet die Strafbarkeit nicht allein. Hinzu tritt die Unterlassungshandlung, die ihrerseits physisch-real möglich und dem Täter zumutbar sein muss. Insofern kann man sich an die allgemeine Dogmatik des Unterlassungsdelikts (allerdings eben ohne Garantenstellung) bzw. an die der echten Unterlassungsdelikte des StGB anlehnen. Da der abzuwendende Erfolg kein bestimmtes Ereignis (wie ein Unglücksfall), sondern ein Zustand ist, sind die Grenzen der Vollendung des Tatbestandes fließend: Dem Täter ist insofern ein zumutbarer, zeitlicher Handlungsspielraum (abhängig von 104
In diese Richtung auch Lagodny, Schranken, S. 327. SSW/Kudlich, § 13 Rn. 2. 106 Zur unterlassenen Hilfeleistung umfassend SSW/Schöch § 323c Rn. 1 ff.; Fischer § 323c Rn. 1; vgl. auch Streng JZ 1984, 114. 107 Vgl. nur Neumann JA 1987, 244 (255) und Pawlik GA 1995, 360 (365 f.), welche die mitmenschliche Solidarität bzw. die soziale Stabilisierung der Gesellschaft zum Schutzgut des § 323c StGB erheben. 108 Wobei es auch denkbar (wenn nicht sogar näherliegend) wäre, ausschließlich auf ein Unterlassen abzustellen. 105
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den Umständen, nicht aber länger als 24 Stunden) zu gewähren, um den Zustand aufzuheben, m. a. W. darf nicht bereits das Verstreichenlassen der ersten Aufhebungsmöglichkeit zu einer Tatbestandsmäßigkeit führen. Im Regelfall verlangt die Aufhebungshandlung (Wegschmeißen, Zerstören) nicht viel Zeit, weswegen der Besitz über mehrere Stunden in den meisten Fällen als tatbestandsmäßiges Unterlassen angesehen werden kann. Auf diese Weise können auch Fälle gelöst werden, in denen dem Täter die Betäubungsmittel unfreiwillig abhandenkommen: Hatte er bis zum Zeitpunkt des Verlustes die Möglichkeit, sich des Rauschgifts zu entledigen, war der Tatbestand schon vor dem Verlust vollendet. Im Übrigen können auch die allgemeinen Rechtfertigungs- und Entschuldigungstatbestände Anwendung finden: Richtigerweise muss dann stillschweigend davon ausgegangen werden, dass Personen, die aus billigenswerten Motiven einem Dritten Betäubungsmittel entwenden und somit vorübergehend besitzen, gem. § 34 StGB gerechtfertigt sind.109 Streng genommen ist dann aber davon auszugehen, dass die Nicht-Vornahme der Handlung (und eben nicht der Zustand) vorübergehend gerechtfertigt ist. Der Rechtfertigungstatbestand entfaltet in diesem Zusammenhang wegen des Dauerzustandes einen temporären Charakter, wirkt also nur so lange, bis dem Besitzenden eine Aufgabe des Besitzes (Entsorgen, Zerstören der Betäubungsmittel) wieder abverlangt werden kann. Mit dieser Konstruktion ergeben sich im Hinblick auf das strafrechtliche Handlungserfordernis keine Probleme mehr. Fraglich ist, ob sie auch den strafrechtsdogmatischen, kriminalpolitischen sowie verfassungsrechtlichen Bedenken stand hält. cc) Einwände gegen die Konstruktion einer Unterlassungsstrafbarkeit (1) Kriminalpolitische Bedenken (a) Nachweiserfordernis einer strafrechtlichen Handlung? Ein Unterlassungsdelikt würde tatbestandlich den Nachweis einer Handlung erfordern.110 Dies ist nach den Gesetzesmaterialien gerade nicht erwünscht.111 Allerdings bezieht sich diese kriminalpolitische Erwägung nur auf den Nachweis der Erwerbsdelikte, da der bloße Besitz noch keinen Nachweis für den illegalen Erwerb darstellen muss. Dagegen ist der Besitz gutes Indiz für eine physisch reale Aufhebungsmöglichkeit. Somit bestehen im Rahmen des Unterlassungsdelikts keine Beweisschwierigkeiten. 109 So zumindest die h. M. Es wird sich zeigen, dass derartige Fälle auch über den Gesichtspunkt der Risikoverringerung lösbar sind und somit bereits kein tatbestandsmäßiges Handeln angenommen werden muss, vgl. 3. Teil A. I. 3. f) bb) (3), S. 158 ff. 110 Daher kritisch Schroeder ZIS 2007, 444 (448). 111 Zum kriminalpolitischen Zweck der Beweiserleichterung insofern eindeutig BGHSt 25, 385; 26, 118.
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(b) Entstehen von kriminalpolitischen Lücken, die mit Zustandshaftung erfasst werden sollten? Gegen die Konstruktion eines Unterlassungsdelikts führt Eckstein ins Feld, dass es nicht alle Fälle erfasse, die der Gesetzgeber mit der Besitzstrafbarkeit im Auge habe. Er weist diesbezüglich auf Fallkonstellationen hin, in denen dem Täter Betäubungsmittel zugeschoben würden, er also ohne Handlung eine tatsächliche Sachherrschaft über die Drogen erlange.112 Hierbei ist zwischen zwei Situationen zu unterscheiden: Der Täter erkennt erst im Nachhinein, dass er objektiv im Besitz der Betäubungsmittel ist. In dieser Konstellation besitze der Täter mit Kenntnisnahme, sodass der Tatbestand zu diesem Zeitpunkt verwirklicht sei. Eine Unterlassungsstrafbarkeit könne dementsprechend erst eine juristisch logische Sekunde danach konstruiert werden.113 Dies ist in sich nicht stimmig und wird auch von Eckstein relativiert; schließlich könnte man gerade diesen Zeitpunkt als Entstehen der Handlungsmöglichkeit sehen, sodass Tatbestandszustand und physisch-reale Aufhebungsmöglichkeit zeitlich zusammenfallen. Außerdem ist die Subsumtion auch im Hinblick auf die sonstigen Ausführungen Ecksteins nicht konsequent, da sich der Herrschaftswille im Sinne des Schuldprinzips durch ein Nichtstun gegen den Zustand erst manifestieren muss. Für die Unterlassungstäterschaft gilt somit, dass der Täter bis zur Erkenntnis des Besitzes keinen Vorsatz bezüglich der Nicht-Vornahme einer Rettungshandlung haben kann und dementsprechend eine Kriminalisierung nicht sachgerecht ist. Schließlich würde auch nach Eckstein eine Strafbarkeit entfallen, wenn der Täter mit Erkenntnis den Besitzzustand aufhebt.114 Etwas schwieriger gestaltet sich die zweite Konstellation, in welcher der Täter während des Schlafes den Besitz erlangt, um die Besitzbegründung jedoch weiß, er also die Lieferung in der Nachtzeit erwartet hatte. Werden nun die Betäubungsmittel noch vor dem Erwachen des Täters beschlagnahmt, habe er zwar nicht gehandelt, aber dennoch den Besitztatbestand verwirklicht.115 Die über das 112 Zu den Fallgruppen Eckstein, Besitz, S. 216 ff.: In der Sache überschneiden sich diese Konstellationen aber mit dem typischen Anwendungsbereich des § 29 I 1 Nr. 3 BtMG: Schließlich soll dieser zur Anwendung kommen, wenn kein konkreter Erwerbstatbestand nachgewiesen werden kann. 113 Eckstein, Besitz, S. 223. 114 Überzeugen kann auch nicht das Beispiel von Schroeder ZIS 2007, 449: „Der im Ausland weilende A erhält von seinem Nachbarn die Mitteilung, dass auf seinem Grundstück ein Packet mit Rauschgift deponiert worden sei. Es gibt niemanden, der das Rauschgift von dem Grundstück entfernen könnte. A beschließt, das Rauschgift zu behalten.“ Nach Auffassung Schroeders liegt hier weder eine Handlung noch eine Unterlassung vor, was allerdings kaum tragbar ist: Wenn der Täter beschließt die Drogen zu behalten, beschließt er diesen Zustand nicht aufzuheben. An einer physisch-realen Aufhebungsmöglichkeit ist nicht zu zweifeln, da er die gebotene Handlung auch durch andere vornehmen lassen kann. Zweifeln könnte man nur an einer zumutbaren Aufhebungshandlungsmöglichkeit. 115 Eckstein, Besitz, S. 223.
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gesamte Geschehen überdauernde Handlungsunfähigkeit des Täters trotz Besitzes demonstriere, dass Handlung und Zustand auseinanderfallen könnten. Richtig ist an dieser Feststellung nur, dass § 29 I 1 Nr. 3 BtMG verwirklicht wurde, im Übrigen ist das Fehlen einer Handlung in mehrerlei Hinsicht nicht haltbar. Will man wie Eckstein den Besitz als Zustandshaftung einführen, darf in dieser Konstellation die rechtlich-soziale Zuordnung (im Sinne des generellen Herrschaftswillens während des Schlafes) nicht für eine Besitzbegründung ausreichen. Der Besitz muss auch personal zum Zeitpunkt des strafrechtlichen Anknüpfungspunktes beherrschbar sein.116 Mit anderen Worten würde vielmehr das Zustandsdelikt diese Konstellation nicht erfassen, sondern es müsste auf das im Verhaltensdogma anerkannte Modell der actio bzw. omissio libera in causa zurückgegriffen werden.117 Wenn der Täter weiß, dass in jener Nacht Lieferungen erfolgten, ist es auch sachgerecht, die ihm (durch die Beschlagnahme, die während dem Schlaf erfolgt ist) nicht mehr mögliche Rettungshandlung im Nachhinein zuzurechnen. Die Rechtsordnung kann dem Täter durchaus abverlangen, „Tag und Nacht Wache zu halten“, wenn der Täter selbst den Stein durch eine illegale Handlung ins Rollen gebracht hat.118 Weiß er es dagegen nicht, gilt das in der ersten Konstellation Gesagte, d.h. er hat keinen Unterlassungsvorsatz. Von kriminalpolitischen Lücken bei Konstruktion eines strafbaren Unterlassens kann daher keine Rede sein.119 Was die „kriminalpolitischen Lücken“ angeht, sollte man sich ohnehin über Folgendes im Klaren sein: Sollten die mehr oder weniger „pathologischen“ Beispielsfälle durch das Zustandsdelikt erfasst werden können, die unter Zugrundelegung des Handlungsdogmas abgeschieden werden müssten, wäre dies kriminalpolitisch wohl kein großer Gewinn. Umgekehrt dürfen „minimale“ Lücken nicht als derart erheblicher Verlust angesehen werden, die eine Abkehr vom Handlungsdogma legitimierten, da sie eher Extremfälle betreffen, in denen eine weitere Ausdehnung der Strafbarkeit eher zweifelhaft als wünschenswert ist. 116
Auf diese Unstimmigkeit weist zutreffend Lampe ZStW 113 (2001), 885 (895)
hin. 117 Zur omissio libera in causa Hruschka, FS-Bockelmann, 1979, S. 421; SSW/Kudlich § 13 Rn. 9; Roxin AT II § 31 Rn. 103 ff.; Dehne-Niemann GA 2009, 150, der aber mit guten Gründen die Möglichkeit der Anwendung dieser Grundsätze bei echten Unterlassungsdelikten in Frage stellt. 118 Zumal dies eine spezifische Frage der Zumutbarkeit und Überkriminalisierung im Rahmen des Unterlassungsdelikts ist und mit dem Vorliegen einer Handlung gar nichts mehr zu tun hat. 119 Umgekehrt kommt in diesen Konstellationen vielmehr die kriminalpolitische Schwäche des Zustandsdelikts zum Vorschein. Denn auf subjektive Merkmale, die in der Regel schwieriger nachzuweisen sind, verzichtet das Besitzdelikt eben nicht. Zwar gilt dieses Problem für alle Straftatbestände, wirkt sich aber beim Zustandsdelikt gravierender aus, da dem objektiven Zustand kein Beweiswert zu entnehmen ist.
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(2) Wortlaut Gegen eine Unterlassungsstrafbarkeit scheint zudem der anfangs in Feld geführte Wortlaut der Vorschrift zu sprechen.120 Dieser greift lediglich den Besitz als Tatbestandsmerkmal auf und gibt nichts für das Erfordernis einer Aufhebungshandlung her. Lagodny weist darauf hin, dass eine verfassungskonforme „Umdeutung“ des handlungslosen Besitzdelikts in ein echtes Unterlassungsdelikt nicht möglich sei, weil sich weder die Pflichtbegründung aus dem Delikt ergebe noch das erwartete Verhalten umschrieben sei.121 Dies ergibt sich allerdings aus dem atypischen Charakter des § 29 I Nr. 3 BtMG als Mischtatbestand, der sowohl Begehungs- als auch Unterlassungsvarianten erfasst. Außerdem ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber mit solch einem Wortlaut eine Signalwirkung herbeiführen wollte. Eine extensive Lesart des § 29 I 1 Nr. 3 BtMG dahingehend, dass zusätzlich eine Aufhebungshandlung notwendig wäre, verstößt auch nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gem. Art. 103 II GG, da es sich einerseits um eine Beschränkung der Strafbarkeit handelt und andererseits aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich ist, dass nicht ein Zustand, sondern eine Handlung sanktioniert werden sollte. Zwar ist die Vollständigkeit der tatbestandlichen Vertypung für Unterlassungstatbestände ausschlaggebend;122 dies kann allerdings nur dort gelten, wo eine Unterscheidung von Begehungs- und Unterlassungsdelikten notwendig ist. Da § 29 I 1 Nr. 3 BtMG, wie bereits dargelegt, beide Varianten erfasst und auch in seiner Begehungsform wegen seines Charakters als Auffangtatbestand die Tathandlungen des aktiven Tuns nicht nennt, ist die „Unvollständigkeit“ dem Wortlaut immanent. Im Ergebnis lässt sich die Handlung in Form des Unterlassens ebenso hineinlesen, wie die (in der Praxis nicht nachweisbaren) Handlungsformen des aktiven Tuns. (3) Formulierungen der Rechtsprechung Auch die Formulierungsweise der Rechtsprechung, die im Rahmen der Besitzdelikte typisch ist, macht das Unterlassungsdogma angreifbar: Für die Verwirklichung des Tatbestandes reiche die Innehabung eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses und der sicheren Verfügungsmacht über die Betäubungsmittel aus, die es dem Täter ermöglicht, sich jederzeit Zugang zu dem an irgendeiner Stelle verwahrten Rauschgift zu verschaffen.123 Mag dies auf den ersten Blick so verstanden werden, dass auch die Rechtsprechung nur auf den Zustand abstellt, liegt dies daran, dass sie das Unterlassen bereits stillschweigend voraussetzt. Etwas 120
Schroeder ZIS 2007, 444 (447); Lagodny, Schranken, S. 327. Lagodny, Schranken, S. 327. 122 Insofern ist der Wendung Ecksteins zuzustimmen, wonach „Echtheit heißt, nicht auf die Krücken des § 13 StGB angewiesen zu sein“, vgl. Besitz, S. 162. 123 BGH StV 2005, 270; zur Rechtsprechung vgl. bereits Fn. 56 in Teil 3. 121
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deutlicher bekennt sich der BGH zum Unterlassungsmodell in seiner bereits zitierten Grundsatzentscheidung124 vom 03.03.1978: „Schon in der Begründung zum Entwurf eines Opiumgesetzes vom 18.12.1970 wird die Erweiterung des strafbaren Tatbestandes auf den illegalen Besitz damit begründet, daß nicht etwa ein Zustand, sondern ein kausales Verhalten, nämlich die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung dieses Zustandes unter Strafe gestellt werden sollte [. . .] Strafbar sollte allein schon die im Innehaben der Verfügungsmacht liegende Aufrechterhaltung des illegalen Zustands sein.“ Zwar spricht der BGH nicht offen von einer echten Unterlassungshaftung, jedoch stellt er ausdrücklich klar, dass gerade kein bloßer Zustand sanktioniert werden darf. Da der strafbare Besitz ein Dauerdelikt sein soll, bringt diese Wendung nur zum Ausdruck, dass es dem Täter bis zum letzten Moment physisch-real möglich ist, den Zustand durch eine Handlung zu beseitigen. So auch in weiteren höchstrichterlichen Beschlüssen und Urteilen, die sich mit der Besitzstrafbarkeit beschäftigen: In seinem Beschluss vom 14.08.2008 stellt der BGH darauf ab, ob der Täter die Sachherrschaft „erlangt“ hat und begründet die Verfügungsmacht (und stillschweigend die damit einhergehende Möglichkeit, sich in dieser Zeit der Drogen zu entledigen) mit einem „nicht unerheblichen Zeitraum“.125 Auch das OLG Oldenburg betont den Dauerdeliktscharakter des Besitztatbestands.126 Das OLG Düsseldorf wiederholt127: „Die Strafbarkeit knüpft nicht an einen illegalen Zustand, sondern an dessen Herbeiführung und Aufrechterhaltung und damit an einem kausalen Verhalten an. Der unerlaubte Besitz ist daher kein Zustands- sondern ein Dauerdelikt.“ Dies führt auch dazu, dass weiteres Nichteinschreiten nach einer Verurteilung wegen illegalem Erwerb sowie Besitz von Betäubungsmitteln als weitere eigenständige prozessuale Tat gem. § 264 StPO angesehen werden kann, wenn auch nur der Zeitraum, der seit der letzten Tatsachenverhandlung verstrichen ist.128 Diese Rechtsprechung kann als wichtiges Indiz gegen eine Zustandshaftung gewertet werden. Denn nach dem Zustandshaftungsmodell dürfte keine neue Aburteilung in Betracht kommen, solange sich der der Zustand nicht irgendwie intensiviert (Abänderung der Menge etc.). Da die Rechtsprechung aber auf die Nichtaufhebung des Zustands abstellt, kann sie den Besitz der gleichen Betäubungsmittel nochmals zum Gegenstand einer Hauptverhandlung machen.129
124
BGHSt 27, 380. BGH NStZ-RR 2008, 212. 126 OLG Oldenburg StV 2002, 240. 127 OLG Düsseldorf StV 2008, 13. 128 BayObLG v. 28.05.2001 – 4 St RR 67/2001 abgedruckt bei Kotz/Rahlf NStZ-RR 2002, 130. 129 BGH NStZ 1997, 446. 125
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(4) Verfassungsrechtliche Grenzen Letztlich muss überprüft werden, ob die Qualifizierung der Besitzstrafbarkeit als echtes Unterlassungsdelikt verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt. Auf übergeordneter Ebene stellt sich die Frage, ob die Schaffung allgemeiner Solidaritätspflichten, deren Nichtbeachtung man mit Strafe bedroht, das verfassungsrechtliche Übermaßverbot tangiert. Tatbestandsspezifisch stellt sich das Problem, dass das vom Tatbestand gebotene Verhalten unzumutbar sein könnte, weil es seinerseits strafbar ist bzw. gegen den Grundsatz „nemo-tenetur-se-ipsum-accusare“ verstößt. (a) Kriminalisierung durch Schaffung unverhältnismäßiger Solidaritätspflichten Die Seltenheit des echten Unterlassungsdelikts im Strafrecht ist kein Zufall, sondern basiert darauf, dass die Schaffung allgemeiner Solidaritätspflichten einen erheblichen Eingriff in die negative Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG darstellt und jeder Person auferlegt, eine Handlung vorzunehmen, unabhängig davon, ob sie in irgendeiner Weise an dem rechtlich missbilligten Zustand mitgewirkt hat.130 Schließlich ergibt sich auf das Problem, dass sich Solidaritätspflichten nur dort begründen lassen, wo allgemeine Gefahren existieren, deren Abwendung ein legitimer Zweck für die Schaffung eines strafrechtlich abgesicherten Verbots darstellt.131 Zu nennen wäre hier als plastisches Beispiel das Gefahrstoffrecht.132 Aus der extensiven Ausgestaltung des BtMG ergibt sich allerdings, dass der Gesetzgeber im Umlauf von Betäubungsmitteln bzw. in deren Erwerb und Besitz eine hochgradige Allgemeingefahr sieht, die selbst zu einem Verbot des Besitzes zum Eigenkonsum führt. Zwar muss man diese Gefahr – etwa im Vergleich zu § 323c StGB, wo es um akute Gefahren für Leib und Leben geht – als wesentlich „geringfügiger“ einstufen. Dafür hat im Rahmen der Besitzhaftung der in Pflicht genommene potentielle Straftäter die Gefahr „in den Händen“, d.h. die Gefahr stammt im Gegensatz zu § 323c aus seiner Sphäre,133 mag er auch ursprünglich nicht dafür verantwortlich gewesen sein. Da der Eingriff in die Rechte der Normadressaten u. U. nicht gravierender ist, als durch andere Straftatbestände des BtMG, kann im Ergebnis die Verfassungsmäßigkeit einer allgemeinen Solidaritätspflicht bejaht werden.134 130 Im Gegensatz zu Verboten verlangen Gebote den Bürgern einen „Energieeinsatz“ ab, so Engisch, FS-Gallas, 1973, S. 163 (173); zu den verfassungsrechtlichen Bedenken im Rahmen des § 323c StGB Haubrich, Die unterlassene Hilfeleistung, S. 34 ff. 131 In diese Richtung auch Scheinfeld GA 2007, 725. 132 Deiters GA 2004, 61. 133 Genau dieser Gesichtspunkt vermag auch die geringfügigere Beeinträchtigung (sowohl im Hinblick auf Rang als auch Intensität der Beeinträchtigung des Rechtsguts) echte Unterlassungsdelikte im Kernstrafrecht legitimieren, vgl. nur die §§ 142 II, 123 I Var. 2 StGB.
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(b) Das Problem der Strafbarkeit des gebotenen Verhaltens Auf zweiter Ebene stellt sich das Problem, dass das gebotene Verhalten seinerseits strafbar sein bzw. den Täter dazu zwingen könnte, sich selbst zu belasten. Beide Varianten würden eine Kollision beinhalten, welche die Strafnorm in sich widersprüchlich machen würde. Der Normadressat muss aber die gebotene Handlung vornehmen können, ohne sich dadurch strafbar zu machen.135 Dabei sei vorab darauf aufmerksam gemacht, dass der Unterlassungstatbestand mit dem Erfordernis der rechtlichen Zumutbarkeit für derartige Fälle ein Korrektiv bereitstellt. Das heißt, dass allein die rechtliche Möglichkeit in Einzelfällen, sich durch die Aufhebungshandlung (gemeint ist also die Besitzaufgabe, wie Entsorgung oder Zerstörung) strafbar zu machen, die Vorschrift nicht per se verfassungswidrig macht.136 Insofern fungiert hier das Tatbestandsmerkmal der Zumutbarkeit als verfassungsrechtlicher „Rettungsanker“. Die Behauptungen bewahrheiten sich im Übrigen allerdings auch nicht: Denkbar sind typischerweise drei Handlungen, mit denen sich der Täter den Drogen entledigen will, wobei hier das Entledigen „mit guten Absichten“ gemeint ist, mithin Handlungen, durch die der Täter den Drogenverkehr nicht weiter fortführt.137 Jedoch muss dem Täter zumindest die Möglichkeit bereitstehen, die Handlung so vorzunehmen, dass er sich nicht strafbar macht oder selbst bezichtigt. Als Aufgabehandlungen kommen das Zerstören, das Wegwerfen oder das Abliefern der Drogen an einer zuständigen Stelle in Betracht. Während die ersten beiden Handlungen ihrerseits strafbar sein könnten, entsteht bei einer Ablieferung die Gefahr, den Verdacht der Strafbarkeit auf sich zu ziehen. Die Zerstörung der Drogen und somit eine etwaige Sachbeschädigung scheitert regelmäßig nicht am Tatbestandsmerkmal der Fremdheit,138 kann allerdings nach § 34 StGB oder bei abgeleitetem Erwerb wegen mutmaßlicher Einwilligung
134 Dieses Ergebnis gilt – wie bereits betont – innerhalb der Diskussion um die Möglichkeit eines Unterlassungsdelikts. An den grundsätzlichen – rechtsgutsbezogenen – Bedenken gegen eine Besitzstrafbarkeit, die hiermit unmittelbar verknüpft sind, ändert sich nichts; soweit man in den §§ 29 V, 31a BtMG „legitime Korrekturmechanismen“ sieht, greifen diese auch hier 135 Lagodny, Schranken, S. 330. 136 So aber Lagodny, Schranken, S. 330, dessen Argumente ausschließlich auf verfassungsrechtlichen Aspekten beruhen und aus Gründen der Übersichtlichkeit daher auch erst an dieser Stelle aufgegriffen werden. 137 Insbesondere steht es außer Frage, dass der Täter neues Unrecht verwirklicht, wenn er nunmehr gefundene Drogen an Dritte abgibt, sei es auch nur aus dem Grund, „nichts damit zu tun haben zu wollen; insofern ist Scheinfeld GA 2007, 725 zuzustimmen, wenn er konstatiert, dass es dem Belieben des Täters überlassen ist, wie er sich den Betäubungsmittel entledigt. 138 Zur Eigentumsfähigkeit von Drogen BGH NStZ 2006, 170 (171), mit Bspr. Kudlich, JA 2006, 335 (336); BGH NStZ-RR 2000, 234; Rengier BT I § 2 Rn. 7.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
gerechtfertigt sein.139 Bereits hier könnte man eine weitergehende Prüfung abbrechen, da dem Täter bereits eine zumutbare Handlung bereitsteht. Aber auch das Wegwerfen (soweit hierdurch nicht bereits die Drogen zerstört werden) ist trotz des eventuell einschlägigen Tatbestands Inverkehrbringen gem. § 29 I 1 Nr. 1 BtMG140 im Ergebnis nicht verwirklicht. Denn regelmäßig fehlt es dem Täter am Vorsatz, einer Dritten Person die Verfügungsmacht über die Drogen zu verschaffen. Ob die Handlung dann als fahrlässig angesehen werden kann, weil der Täter damit rechnen musste, dass ein Dritter im Müll stöbert und die Verfügungsgewalt über das Rauschgift erlangt, ist Tatfrage, wohl aber nur in den seltensten Fällen zu bejahen.141 Die Müllabfuhr als Entsorgungspflichtiger dürfte indessen schon nicht zum Personenkreis des § 29 I 1 Nr. 1 BtMG gehören, weil der Drogenverkehr durch die Entsorgungshandlung zur Ruhe gebracht und nicht weiter gefördert wird.142 Somit könnte der Täter jedenfalls die Drogen zerstören, allerdings auch Wegschmeißen, ohne sich dem Risiko einer Strafverfolgung auszusetzen. Es bleibt die Frage offen, ob die Ablieferung der Drogen an einer zuständigen Stelle rechtlich zumutbar ist. Das Rechtsstaatsprinzip garantiert dem Straftäter das Recht, nicht an seiner eigenen Überführung mitwirken zu müssen (negative Mitwirkungsfreiheit,143 „nemo tenetur se ipsum accusare“).144 Ob das nemo tenetur Prinzip auf Unterlassungsdelikte Anwendung findet, ist umstritten. Die Frage muss allerdings nicht weiter erörtert werden, da dem Täter zum einen die Möglichkeit einer anonymen Abgabe möglich ist und ohnehin andere Verhaltensbefehle zur Verfügung stehen. Damit steht keine zwanghafte Selbstbezichtigung im Raum.145 Der Täter kann also dem Normbefehl nachkommen, ohne sich strafbar zu machen bzw. an seiner Überführung mitzuwirken. Auch die übergeordnete These Lagodnys, dass das Besitzdelikt schon in sich widersprüchlich sei, weil der Täter den Tatbestand schon verwirkliche, während
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Malek 2. Kap. Rn. 220; Eckstein, Besitz, S. 251. Siehe hierzu 1. Teil B. I. 4., S. 48 f. 141 Der Täter schmeißt gut sichtbar eine größere Tüte Kokain auf einen offenen Mülleimer, der sich hinter einer Drogenszenedisco befindet. 142 Eckstein, Besitz, S. 251; zum Ganzen Weber § 29 Rn. 490; Malek 2. Kap. Rn. 263; diese Restriktion lässt sich auch mit dem Gesichtspunkt der Risikoverringerung begründen, vgl. noch 3. Teil A. I. 3. f) bb), S. 158 ff. 143 Eser ZStW 79 (1967), 565; Rogall, nemo tenetur, S. 60. 144 Zum nemo tenetur Grundsatz grundlegend Rogall, nemo tenetur, S. 1 ff. 145 Denkbar ist auch die anonyme Abgabe an eine Apotheke. Eine Besitzentledigung mit solch einer Zwecksetzung dürfte mittels einer Tatbestandsrestriktion aus dem Begriff der Abgabe bzw. sonstigen Inverkehrbringens nach § 29 I BtMG herauszunehmen sein. Problematisch bleibt lediglich die Ordnungswidrigkeit nach § 32 I Nr. 7 BtMG, wonach der Abgebende meldepflichtig und das Unterlassen der Meldung bußgeldbewehrt ist. Aber auch die fehlende Meldung dürfte gem. § 34 StGB gerechtfertigt sein. 140
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er die von eben diesem Tatbestand gebotene Handlung vornehme,146 greift zu kurz: Innerhalb eines Unterlassungsmodells würde der bloße Besitz samt Vorsatz diesbezüglich ohnehin nicht für eine Tatbestandsmäßigkeit reichen. Doch selbst bei einer Zustandshaftung, wie sie Eckstein konstruiert, wäre dieser Widerspruch nur vermeintlicher Natur, weil der Täter mit Vornahme der gebotenen Handlung nach außen hin manifestiert, dass er keinen Herrschaftswillen und somit keinen Besitz hat.147 e) Ergebnis für den Handlungsbegriff Der strafrechtliche Handlungsbegriff ist vollumfänglich im Betäubungsmittelstrafrecht anwendbar, wobei ihm auch hier nur eine begrenzende Funktion zukommt. Alle Tatbestandsmodalitäten der §§ 29 ff. BtMG beinhalten Tathandlungen, auch der auf den ersten Blick problematische Besitztatbestand. Mit Blick auf die verfassungsrechtlichen sowie systematischen Schwierigkeiten des Zustandsdelikts kann man nicht nur, sondern sollte auch Besitzdelikte stets so auslegen, als dass sie ein Verhalten in Form eines echten Unterlassens erfordern.148 Zwar bringt auch die Konstruktion eines echten Unterlassungsdelikts Schwierigkeiten mit sich, jedoch wiegen diese nicht wesentlich schwerer, als die Probleme im Zusammenhang mit dem Zustandsdelikt. Wenigstens bewegt man sich auf „vertrautem Terrain“, wenn man das Verhaltensdogma nicht aufgibt und kann die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Besitzdelikts besser zuordnen. Somit ist im Ergebnis davon auszugehen, dass § 29 I 1 Nr. 3 BtMG einen Mischtatbestand darstellt, der zum einen jegliche Erwerbstatbestände in Form eines Erfolgsdelikts erfasst, die konkurrenzrechtlich gegenüber den leges speciales der § 29 I 1 Nr. 1 BtMG zurücktreten, und zum anderen als echtes Unterlassungsdelikt ausgestaltet ist, das dem Täter auferlegt den Zustand aufzuheben. Ein Bruch mit der allgemeinen Verbrechenslehre und somit auch mit der Dogmatik des Allgemeinen Teils wird auf diesem Wege vermieden.149
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Lagodny, Schranken, S. 330. Eckstein, Besitz, S. 244. 148 So auch LK/Walter Vor § 13 Rn. 36; Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor § 13 Rn. 42; i. E. zustimmend Deiters GA 2006, 60; Scheinfeld GA 2007, 725. 149 Die verfassungsrechtlichen Bedenken (Stichwort „Angemessenheit“) im Hinblick auf die Überkriminalisierung lassen sich nicht vollständig beseitigen, überschneiden sich aber, wie bereits dargelegt, in gewissem Rahmen auch mit den bereits dargelegten Bedenken bei der Rechtsgutsdiskussion. Insofern sollte außerhalb der hier angestellten Überlegungen und Analysen darüber nachgedacht werden, den Besitz bzw. die unterlassene Besitzaufhebung nach § 29 I 1 Nr. 3 BtMG zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen (wobei es sicherlich merkwürdig anmuten dürfte, den Besitz einer nicht geringen Menge Heroin als Ordnungswidrigkeit zu ahnden). Vgl. Zieschang, Die Gefährdungsdelikte, der diese Lösung im Allgemeinen für abstrakte Gefährdungsdelikte präferiert, S. 393 f. 147
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2. Kausalität a) Grundlagen Den notwendigen Zusammenhang zwischen tatbestandsmäßigem Erfolg und der strafrechtlich relevanten Handlung stellen die Kausalität sowie die objektive Zurechnung her.150 Das Erfordernis des Ursachenzusammenhangs ergibt sich selten aus dem Wortlaut, wohl aber aus der Struktur bzw. Systematik des Gesamtunrechtstatbestands. Nur bei erfolgsqualifizierten Delikten schlägt sich die Notwendigkeit einer Kausalität auch im Wortlaut nieder („verursacht“, vgl. §§ 227, 251, 239 IV StGB). Nach der „traditionellen“ Äquivalenztheorie151 ist ein Kausalzusammenhang anzunehmen, wenn die Handlung des Täters nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.152 Dieses Kausalitätserfordernis kommt zum Vorschein (und bereitet regelmäßig auch nur dann Probleme), wenn der Tatbestand an ein Zielglied knüpft, konkreter für die Strafbarkeit nicht nur eine Handlung, sondern auch der Eintritt eines bestimmten Außenwelterfolges notwendig ist.153 Solche Tatbestände werden Erfolgsdelikte genannt154 und sind im StGB der Regelfall.155 Im BtMG sind Erfolgsdelikte (jedenfalls im hier verstandenen Sinne156) relativ selten, sodass auch dem Kriterium der Kausalität nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Die zentrale Tathandlung des „Handeltreibens“ gem. § 29 I Nr. 1 150 Rengier AT § 13 Rn. 2; Roxin AT I § 8 Rn. 1 ff.; Kühl AT § 2 Rn. 1 ff.; NK/ Puppe vor § 13 Rn. 35 ff.; LK/Walter vor § 13 Rn. 29 ff. 151 Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor § 13 Rn. 73; zu den einzelnen Kausalitätstheorien umfassend Lackner/Kühl Vor § 13, Rn. 10; SSW/Kudlich Vor § 13, Rn. 2; ders. PdW AT S. 27 ff.; Roxin AT I § 8 Rn. 1 ff.; Kühl AT § 2 Rn. 1 ff.; LK/Walter vor § 13 Rn. 29 ff.; Wessels/Beulke Rn. 156 f.; Fischer Vor § 13 Rn. 16 bis 20a; vgl. auch T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 47, der zu Recht betont, dass die Kausalitätstheorien davon leben, „dass bekannt ist, was welcher Umstand verursacht hat“, S. 48 und beispielhaft drei Fallgruppen nennt, in denen die „echten Problemfälle“ von diesen Theorien ziemlich unabhängig sind; hierzu zählen u. a. naturwissenschaftliche Zweifel über die Wirkweise eines bestimmten Stoffes, das vor allem im Betäubungsmittelstrafrecht Relevanz entfalten kann, vgl. Fn. 164 in Teil 3. 152 Ständige Rechtsprechung vgl. nur BGHSt 33, 322; 39, 195; 45, 270; 49, 1. 153 Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass schlichte Tätigkeitsdelikte keinen Kausalverlauf durchlaufen würden, aber hier wird das „Band der Kausalität“ regelmäßig keine Probleme bereiten, vgl. noch etwas ausführlicher 3. Teil B. II. 1. a), S. 334 ff. 154 Zum Begriff des Erfolgsdelikts Lackner/Kühl Vor § 13, Rn. 6; SSW/Kudlich, Vor § 13, Rn. 2; Roxin AT I § 8, Rn. 1 ff.; Kühl AT § 2 Rn. 1 ff.; LK/Walter vor § 13 Rn. 29 ff.; Wessels/Beulke Rn. 29 ff.; Fischer vor § 13 Rn. 3; Sch/Sch/Lenckner-Eisele, Vor § 13 ff. Rn. 36. 155 Rengier AT § 13 Rn. 1; das Pendant zum Erfolgsdelikt bildet das schlichte Tätigkeitsdelikt, bei dem die Tatbestandsverwirklichung nicht vom Eintritt eines Außenwelterfolgs abhängt, vgl. SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 27; Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor § 13 Rn. 130; zu deren „Existenzberechtigung“, vgl. 3. Teil B. II. 1. a), S. 334 ff. 156 Zum hier zugrundegelegten Begriff vom Erfolgsdelikt vgl. Fn. 155 in Teil 3.
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BtMG stellt nach ganz herrschender Meinung kein Erfolgsdelikt dar.157 Dennoch verbleiben einige – auch praktisch wichtige – Tatmodalitäten, bei denen die deutliche Trennung zwischen Handlung und Erfolg die explizite Feststellung eines Kausalzusammenhangs erforderlich machen kann. Dazu zählen: • Delikte, deren Verwirklichung vom tatbestandlichen Erfolg des Wechsels der Verfügungsmacht an Betäubungsmitteln abhängig ist (unerlaubte Abgabe, Erwerb, sonstiges Inverkehrbringen, Sichverschaffen gem. § 29 I Nr. 1 BtMG, missbräuchliche Abgabe in Apotheken gem. § 29 I Nr. 7 BtMG, sowie nach strittiger Ansicht auch der Besitz gem. § 29 I Nr. 3 BtMG), • die „Transport-“Delikte, deren Verwirklichung vom tatbestandlichen Erfolg der Grenzüberschreitung abhängig ist (unerlaubte Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr von Betäubungsmitteln gem. §§ 29 I Nr. 1, Nr. 5 BtMG) sowie • das erfolgsqualifizierte Delikt der leichtfertigen Todesverursachung durch unerlaubtes Verabreichen bzw. zum Verbrauch Überlassen von Betäubungsmitteln gem. § 30 I Nr. 3 BtMG.158 Nur innerhalb dieser Tatbestände können sich betäubungsmittelstrafrechtsspezifische Kausalitätsprobleme ergeben. Wegen der Struktur der ersten beiden Deliktsgruppen erfährt das Kausalitätskriterium nur im Rahmen des § 30 I Nr. 3 BtMG eine Bedeutung. Da bei den Verfügungs- sowie Transportdelikten Handlung und Erfolg (trotz ihrer vertypten Trennung) regelmäßig zeitlich zusammenfallen, kommt die „empirische Funktion“ der Kausalität nicht zur Geltung.159 Anders verhält es sich in Konstellationen, in denen es um die „Wirkung“ von Betäubungsmitteln geht, so eben bei § 30 I Nr. 3 BtMG. 157 Welchem Deliktstypus dagegen das Handeltreiben angehört, wird später genauer zu erörtern sein, vgl. 3. Teil B. II. 1. a), S. 334 ff. 158 Wobei diese Vorschrift statistisch gesehen wiederum nur eine geringe Bedeutung hat und im Bericht der Bundesregierung als „totes Recht“ bezeichnet wird, vgl. BT-Drs. 11/4329; bei MK-StGB/Rahlf § 30 BtMG Rn. 123. 159 Wie bei den schlichten Tätigkeitsdelikten eben auch, vgl. bereits Fn. 155 in Teil 3. Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel der unerlaubten Einfuhr: Regelmäßig wird der Täter das Rauschgift durch Übertreten der Grenze (= Handlung) in das Inland verbringen (= Erfolg). Gleiches gilt für die Übergabe von Rauschgift, wo Abgabehandlung und Wechsel der Verfügungsmacht (als Außenwelterfolg) zeitlich fast immer zusammenfallen. Eine Kausalität zwischen Handlung und Erfolg ist in solchen Fällen offensichtlich und bedarf keiner näheren Überprüfung. Nur in Ausnahmekonstellationen können auch hier Kausalitätsprobleme auftreten, etwa wenn der Täter die Betäubungsmittel aus der Hand gibt und einen Kausalverlauf in Gang setzt, an deren Ende erst der tatbestandliche Erfolg steht: Denkbar wäre dann ein (atypischer) Kausalverlauf dergestalt, als ein als Päckchen versendetes Rauschgiftpaket noch vor der Grenze von einem Dritten abgefangen wird und dieser dann doch die Grenze überschreitet. Da dies im Regelfall allenfalls zu einem vorsatzausschließenden Irrtum (über den Kausalverlauf) führt, werden diese Fälle im Rahmen des Vorsatzes nochmals aufzugreifen sein bzw. bereits im Rahmen der objektiven Zurechnung, wenn man die Fälle des atypischen Kausalverlaufs nicht erst über den subjektiven Tatbestand löst, vgl. noch 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 150 ff. sowie 3. Teil C. II. 1. a) bb), S. 407 ff.
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b) Bedeutung und Anwendung der Kausalitätstheorien im Betäubungsmittelstrafrecht Soweit es um die Wirkweise bzw. Schädigung durch Rauschgift geht, kann man die Überlegungen und die bis dato im Allgemeinen Teil geltende Dogmatik (im Bezug auf vorsätzliche bzw. fahrlässige Tötungen durch Gifte) ohne Weiteres auf das Betäubungsmittelstrafrecht, also inbesondere auf § 30 I Nr. 3 BtMG übertragen.160 Friktionen im Hinblick auf den Allgemeinen Teil ergeben sich in diesem kleinen Teilbereich nicht. Die betäubungsmittelrechtliche Judikatur wendet die allgemeine Kausalitätsdoktrin, soweit diesbezüglich Äußerungen erfolgen, ohne Einschränkungen an.161 Da sich somit keine besonderen Probleme im Hinblick auf die Kausalität ergeben, soll dies im Folgenden nur exemplarisch und knapp belegt werden. Zunächst gilt (vornehmlich für § 30 I Nr. 3 BtMG) die klassische conditiosine-qua-non-Formel: Eine Handlung ist kausal, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Todeserfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.162 Dass die aus Lehrbüchern bekannten „Giftdosenfälle“ 163 dort eine Rolle spielen können, wo es um den Umgang mit (Rausch-)Giften geht, dürfte niemanden überraschen. So beispielsweise, wenn der Dritte nach der Verbrauchsüberlassung weitere Drogen einnimmt, und die vom Täter überlassenenen Drogen nur mitursächlich für den Tod waren (kumulative Kausalität) oder nicht geklärt werden kann, welches der abgegebenen Rauschgifte konkret zum Tod des Konsumenten geführt hat (Problematik der ungewissen Wirkungsweise164). Rauschgiftsachverhalte sind insofern der „Nährboden“ für die Dogmatik bzw. für die „Regeln“, die sich hierzu im Allgemeinen Teil entwickelt haben. Daher ist hier keine „Isolierung“ des BtMG zu befürchten, im Gegenteil passen die Kausalitätslehren, die der BGH sowie die herrschende Lehre im Rahmen der Produkthaftung (für chemische Substanzen) entwickelt haben, bestens auf § 30 I Nr. 3 BtMG: Demnach reicht auch eine Mitursächlichkeit der Verabreichung bzw. Verbrauchsüberlassung von Drogen. Die Kausalität entfällt also nicht dadurch, dass der Konsument sich einen zweiten „Schuss“ setzt oder weitere chemisch-wirkende Substanzen (Tabletten, Alkohol etc.) einnimmt. Dass mehrere Handlungen je für sich bereits den Tod herbeigeführt hätten (alternative Kausalität), hebt den Ursachenzusammenhang nicht auf.165 160
Weber § 30 Rn. 126 ff. BGHSt 39, 322; 46, 279; BGH StV 1992, 375; BGH NStZ 1983, 72. 162 Malek, 2. Kap. Rn. 410; MK-StGB/Rahlf § 30 BtMG Rn. 135 f. 163 Wessels/Beulke Rn. 157 f. 164 Hierzu instruktiv Kudlich/Og ˘ lakcıog˘lu, Rn. 129 m.w. N. unter Bezugnahme auf den Ledersprayfall BGHSt 37, 106; zur strafrechtlichen Produkthaftung statt vieler nur Samson StV 1991, 182. 165 Zur Modifikation der condicio-Formel in den Fällen der alternativen Kausalität BGHSt 39, 195; Kühl AT § 4 Rn. 19 ff. 161
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Bezüglich des Eingriffs Dritter in den Kausalverlauf gelten ebenfalls keine Besonderheiten: Da die Tathandlung der unmittelbaren Verbrauchsüberlassung bereits eine irgendwie geartete (sei es auch zwanghaft erfolgte) Mitwirkung des Konsumenten voraussetzt, unterbricht die das eigenverantwortliche Drittverhalten den Kausalzusammenhang nicht.166 Führt dagegen nicht die unmittelbare Wirkung des Rauschgifts zum Tode, sondern erst weitere selbstschädigende Handlungen durch den Konsumenten (Selbsttötung nach einem halluzinogenen „Horrortrip“) so führt dies zwar regelmäßig nicht zum Abbruch des Kausalzusammenhangs,167 wohl ist aber der Vorsatz des Täters einer genaueren Prüfung zu unterstellen. Gerade bei Designerdrogen kann es häufiger vorkommen, dass nicht nachgewiesen werden kann, welcher konkrete psychotrope Stoff den Tod verursacht hat. Dann muss auf die aus dem „Lederspray-Urteil“ 168 bekannte Formel des BGH zurückgegriffen werden, wonach der Ursachenzusammenhang in solch einer Konstellation bejaht werden kann, solange nach den tatrichterlichen Feststellungen andere in Betracht kommende Ursachen auszuschließen sind. Da im Gegensatz zum Produktstrafrecht nicht immer das „gleiche Produkt“, sprich regelmäßig verschiedenartige Drogengemische Gegenstand der Beweisaufnahme sind, lässt sich die richterliche Überzeugungsbildung nach § 261 StPO hier selten derart „verfestigen“, wie dies der Senat in seinem Lederspray-Urteil zu fordern scheint.169 Praktisch gesehen ist dies aber auch nicht weiter schädlich, da derartige Fälle, in denen der tödliche Wirkstoff der Droge nicht nachgewiesen werden kann, im praktisch ohnehin unbedeutsamen § 30 Nr. 3 BtMG gegen Null tendieren dürften. c) Zwischenergebnis Soweit ein betäubungsmittelrechtlicher Straftatbestand eine Kausalität voraussetzt, kann die diesbezüglich entwickelten Überlegungen ohne Einschränkungen fruchtbar gemacht werden. Eine „besondere“ Kausalitätsdogmatik ergibt sich im Betäubungsmittelrecht nicht, was wegen ihrer geringen Relevanz – selbst wenn ein Tatbestand an einen kausal einzutretenden Erfolg anknüpft – auch nicht überrascht. 3. Objektive Zurechnung Die Lehre von der objektiven Zurechnung bzw. die Überlegungen zur Abschichtung der Strafbarkeit nach Verantwortungsbereichen entwickelte sich im 166
BGH NStZ 1983, 72; BGH bei Holtz MDR 1980, 985; BGHSt 46, 279. Insbesondere weil Überreaktionen des Konsumenten nach Rauschgiftkonsum nicht vollkommen außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit liegen, vgl. auch BGHSt 37, 106; 39, 322; 46, 279. 168 BGHSt 37, 106. 169 Vgl. diesbezüglich auch BGHSt 41, 206 (Holzschutzmittel). 167
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Kernstrafrecht vornehmlich im Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz fort, weswegen sie auch im Betäubungsmittelstrafrecht selbst eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Allgemein bezweckt die – weitestgehend in der Literatur entwickelte – objektive Zurechnung die rein empirische Äquivalenztheorie „normativ“ einzuschränken bzw. zu korrigieren. Es ist danach zu fragen, ob man den eingetretenen Erfolg letztlich als das „Werk“ des Täters170 ansehen kann.171 Objektiv zurechenbar soll nach h. M. der Erfolg dann sein, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert.172 Da diese Definition alleinstehend nur einen geringen Aussagegehalt hat, gerät sie zumindest in der konkreten Rechtsanwendung in den Hintergrund, sodass die einzelnen Fallgruppen der objektiven Zurechnung in den Fokus rücken.173 Auch die Rechtsprechung trägt zu diesem eher „kasuistischen“ Charakter der objektiven Zurechnung bei, da sie nur in bestimmten Fallgruppen auf die objektive Zurechnung bzw. deren Existenz Bezug nimmt.174 Bei der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung tut sie das, was man darauf zurückführen kann, dass es keinen anderen Platz im allgemeinen Verbrechensaufbau gibt, in dem die Rechtsprechung das Problem „platzieren“ könnte.175 Im Betäubungsmittelstrafrecht drängt sich der Aspekt der Selbstgefährdung geradezu auf, sodass er den Schwerpunkt der Analyse im Folgenden bildet. Allerdings muss auch herausgearbeitet werden, welche sonstigen Fallgruppen zu einer Einschränkung der Zurechnung führen können. Dabei kann die Tatbestandsfassung (ähnlich wie schon bei der Kausalität), etwa die Ausgestaltung als Erfolgs- bzw. schlichtes Tätigkeitsdelikt das Ergebnis beeinflussen, doch da es um die Zurechnung „objektiver Tatbestandsmerkmale“ 170 So Kühl AT § 4 Rn. 4. Zusammenfassend zur objektiven und subjektiven Zurechnung tatbestandsmäßiger Erfolge Kudlich JA 2010, 681. 171 Grundlegend zur objektiven Zurechnung Roxin FS-Honig, 1973, S. 133 (Schünemann GA 1999, 212 bezeichnet die zitierte Fundstelle als „Geburtsstunde“ der objektiven Zurechnung); im Übrigen vgl. auch Roxin AT I § 11 Rn. 44 ff.; Wessels/Beulke Rn. 176; SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 48 ff.; zur Geschichte der objektiven Zurechnung Hruschka ZStW 96 (1984), 661. 172 Wessels/Beulke, Rn. 179; letztlich nur eine leichte Modifikation der ursprünglichen Formel Roxins, FS-Honig, 1973, S. 133 (135): Demnach muss die Handlung eine rechtlich verbotene Gefährdung des geschützten Handlungsobjekts geschaffen und die Gefahr sich in dem tatbestandsmäßigen und vom Schutzzweck der verletzten Norm erfassten Erfolg verwirklichen. 173 Zu den wichtigsten Fallgruppen vgl. SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 51 ff. Die Fallgruppenbezogenheit darf dennoch nicht den Blick dafür trüben, dass es sich dennoch um ein normatives für den Einzelfall bestimmtes Zurechnungskorrektiv handelt. 174 In der Terminologie insofern eindeutig OLG Stuttgart NJW 2008, 1971 m. Anm. Kudlich JA 2008, 740. 175 Auch hier ist nur selten von einer objektiven Zurechenbarkeit die Rede, sondern von einer „Abschichtung nach Verantwortungsbereichen“, vgl. nur SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 48. Während beispielsweise das Problem atypischer Kausalverläufe von der Rechtsprechung auf die Ebene des subjektiven Tatbestandes verlagert wird, so im berühmten Jauchegrubenfall BGHSt 14, 193, vgl. hierzu Og˘lakcıog˘lu JR 2011, 103.
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geht, muss grundsätzlich jeder Tatbestand „objektiv zugerechnet“ werden. Damit ist folgendes gemeint: Nur weil man die die Lehre der objektiven Zurechnung weitgehend am (fahrlässigen) Erfolgsdelikt in Form des Verletzungsdelikts fortentwickelt hat, darf man nicht davon ausgehen, dass es nur um die Zurechnung eines Verletzungserfolgs gehe.176 Fragen, wie die des Fehlens eines strafrechtlich relevanten Risikos sowie der Sozialadäquanz knüpfen nicht selten auch an die tatbestandsmäßig umschriebene (ggf. eben risikoverringernde) Handlung, sodass die objektive Zurechnung auch bei schlichten Tätigkeitsdelikten grundsätzlich Berücksichtigung erfahren bzw. ihre einschränkende Wirkung entfalten kann.177 Da die meisten und bedeutsamen Tatmodalitäten der §§ 29 ff. BtMG auf einen tatbestandsmäßigen Außenwelterfolg verzichten, darf man diesen Ansatzpunkt für die Diskussion rund um den Zurechnungsausschluss im Folgenden nicht unterschätzen. In einem ersten Schritt gilt es, die Überlegungen zur eigenverantwortlichen Selbstgefährdung im Allgemeinen darzustellen (a). Sodann können, basierend auf der geschichtlichen Entwicklung der Fallgruppe in der Rechtsprechung (b) die theoretischen Grundlagen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zusammengefasst werden (c). Daraufhin wird von der Rechtsprechung vertretene These begutachtet, die Dogmatik der Eigenverantwortlichkeit sei nicht auf die Vorschriften des BtMG übertragbar (d). Im nächsten Punkt ist zu überprüfen, ob die Tatmodalitäten (Tathandlungen einerseits, Grundtatbestand und Qualifikationen anderseits) nicht eine unterschiedliche Behandlung erfahren müssen (e). Nachdem die praktisch wichtigste Fallgruppe der objektiven Zurechnung analysiert wurde, kann noch der Überlegung nachgegangen werden, welche weiteren Fallgruppen der objektiven Zurechnung im BtMG eine Rolle spielen können (f). a) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur ist es inzwischen unbestritten, dass derjenige, der an einer eigenverantwortlich gewollten (oder in Kauf genommenen) und verwirklichten Selbstgefährdung teilnimmt, nicht den Tatbestand eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Erfolgsdelikts der Körperverletzung bzw. Totschlags verwirklicht.178 De lege lata existiert keine Strafbarkeit der Selbst176 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Handeln und Zurechnung des Erfolgs, der auf diese terminologische Ungenauigkeit bereits durch den Titel seiner Abhandlung aufmerksam macht. 177 Zum Ganzen Frisch, Tatbestandsmäßiges Handeln und Zurechnung des Erfolgs; ders. GA 2003, 719 (733 ff.); Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 22 f.; Samson, FS-Grünwald, 1999, S. 585 (594). 178 BGHSt 32, 262; 39, 322 m. Anm. Derksen NJW 1995, 241; m. Anm. Amelung NStZ 1994, 338; m. Anm. Günter StV 1995, 78; BGHSt 46, 279; 49, 34; BGH NJW 2000, 2286 BGH NJW 2003, 2326; BGH NStZ 2004, 1; BayObLGSt 1996, 96; Fischer Vor § 13 Rn. 36; SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 59; Kühl AT § 4 Rn. 89; Roxin AT I § 11 Rn. 107 ff.
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verletzung in Form der Selbsttötung bzw. Selbstverstümmelung, sodass auch eine Teilnahme an derartigen Handlungen mangels vorsätzlicher rechtswidriger Haupttat ausscheidet (Akzessorietät der Teilnahme).179 Wenn bereits die vorsätzliche bzw. fahrlässige Teilnahme an einer selbstverletzenden Handlung straflos ist, muss die Teilnahme an einer Selbstgefährdungshandlung ebenfalls straflos sein.180 Diese positiv-rechtlich verankerte Wertentscheidung des Gesetzgebers181 hat ihren Ursprung im strafrechtlichen Rechtsgüterschutz einerseits, und im verfassungsrechtlichen „Autonomieprinzip“ andererseits.182 Der Schutzbereich einer Norm zugunsten eines Einzelnen endet dort, wo dessen eigener Verantwortungsbereich beginnt.183 Das Strafrecht soll vor Eingriffen Dritter und nicht das Opfer bzw. den Täter vor sich selbst schützen.184 Das Institut der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung musste sich im Laufe der letzten Jahrzehnte etablieren und konnte sich erst nach seiner grundsätzlichen Anerkennung ständig fortentwickeln. Hierbei machten Rauschgiftsachverhalte (tödliche Folgen freiwillig erfolgten Heroinkonsums) einen Großteil der Fälle aus, in denen sich der BGH mit Fragen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung auseinandersetzen mussten. Dies vorrangig im Hinblick auf die Verletzungsdelikte der §§ 212, 222 StGB, die nicht zum Gegenstand der Untersuchung gehören.185 Die Entwicklung der Lehren zur eigenverantwortlichen Selbstgefährdung im Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz macht deutlich, dass die entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung von Anfang an eine Ausstrahlungswirkung auf die §§ 29 ff. BtMG hatten. b) Entwicklung und Konkretisierung in der Rechtsprechung aa) Die Rechtsprechung bis in die Mitte der achtziger Jahre Bis Anfang der achtziger Jahre kannte die Rechtsprechung die Fallgruppe der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung nicht bzw. wollte diese nicht anerkennen. Sachverhalte, in denen sich das Opfer eigenverantwortlich selbst gefährdete, 179
BGHSt 32, 262 (264 f.). Dieser „doppelte“ Erst-Recht-Schluss ist nicht frei von Einwänden, vgl. Renzikowski JR 2001, 248. Seine Legitimationswirkung kann erst in Kumulation mit dem Schutzzweckgedanken sowie dem Verantwortungsprinzip bestehen bleiben. Zur Einschränkung bei Fahrlässigkeitsdelikten Dölling GA 1984, 70 ff. 181 Roxin, GS-Kaufmann, 1989, S. 237 ff. 182 Zum Autonomieprinzip als verfassungsrechtlich abgeleitetes Recht vgl. Tenthoff, Autonomieprinzip, S. 19 (dort in Bezug auf § 216 StGB). Zur grundrechtlichen Verankerung der Verfügungsfreiheit auch Murmann, Selbstverantwortung, S. 226 ff. 183 „Jeder ist grundsätzlich nur für seine eigenes Verhalten verantwortlich“ Kühl AT § 4 Rn. 84. 184 Stree JuS 1985, 179 (181) 185 Da die Beteiligten nur die Gefahr in Kauf nehmen, scheidet eine Vorsatztat regelmäßig aus, weswegen sich die Fallgruppen meist auf Fahrlässigkeits-Erfolgsdelikte beschränken. 180
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löste man über das Merkmal der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung. Regelmäßig führte dies zu Strafbarkeit des Gefahrinitiators wegen einer Fahrlässigkeitstat (§§ 222, 229 StGB). So statuierte BGHSt 7, 112 schon im Jahre 1955 den Grundsatz,186 dass der „Veranstalter“ einer Motorradwettfahrt bei einem tödlichen Unfall strafbar nach § 222 StGB sein kann.187 Der BGH hielt das Verhalten des Angeklagten für „ursächlich, weil er überhaupt die Wettfahrt machte“ und der Tod anderen Fahrers im Zusammenhang mit dem Überholungsversuch des Angeklagten stand. Hierbei sollte es gerade keine Rolle spielen, dass das spätere Opfer unabhängig von der Fahrweise des Angeklagten infolge eigener Fahrfehler stürzte bzw. eigenverantwortlich an einem waghalsigen Wettrennen teilnahm. Der einfache Kausalzusammenhang (Opfer wäre nicht gestürzt, wenn der Angeklagte keine Wettfahrt mit ihm verabredet und ausgeführt hätte) in Kumulation mit der Sorgfaltspflichtverletzung reichte für eine Haftung des Veranstalters aus. In mehreren Beschlüssen wiederholte der BGH diesen Rückgriff auf die Sorgfaltspflichtverletzung, als weiteres Beispiel sei der von Roxin besprochene „Pockenfall“ BGHSt 17, 359 aus dem Jahre 1962 genannt.188 Mit der Erkenntnis, dass diese Vorgehensweise den gesetzgeberischen Wertungen kaum Rechnung trug und auch die Fahrlässigkeitshaftung ein nicht gewolltes Ausmaß zu erreichen schien, formierten sich erste Gegenstimmen, die für eine konsequentere Berücksichtigung des strafrechtlichen Autonomieprinzips sowie des Schutzzweckzusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg plädierten.189 Mit den Reformbemühungen zum BtMG im Jahre 1979 (deren Anlass nicht nur die steigende Rauschgiftkriminalitätsrate, sondern auch die unzureichenden Therapieregelungen waren) musste der BGH sich nun immer häufiger mit Betäubungsmittelsachverhalten auseinandersetzen. Urteile, in denen es um den tödlichen Ausgang von Drogenkonsum ging, häuften sich. Der BGH blieb zunächst seiner Linie treu, wenn es im amtlichen Leitsatz eines Urteils vom 24.04.1981 heißt:190 „Verursacht ein Heroinhändler den Tod eines Heroinabhängigen durch 186
BGH JR 1955, 347; BGH NJW 1955, 472. Dass diese Konstellation an ihrer Aktualität und Schwierigkeit bis heute nichts eingebüßt hat, beweist BGH NStZ 2009, 148 (Autorennfall). 188 Der BGH verurteilte einen Arzt wegen fahrlässiger Körperverletzung aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens, trotz einer Pockeninfektion die Arbeit in der Klinik aufzunehmen. Dass der Mitarbeiter sich trotz der Kenntnis des Risikos der Ansteckung gemeinsam mit dem Arzt in Quarantäne begab, sollte keine Rolle spielen; vgl. Roxin AT I § 11 Rn. 109, der in diesem Zusammenhang auf die terminologischen Ungenauigkeiten des Senats hinweist, wenn in dem Urteil eine „rechtfertigende Einwilligung“ geprüft wird. Allerdings ist dies dem Umstand zu verdanken, dass der Senat eben gerade keine Dogmatik der Eigenverantwortlichkeit hatte, sodass sie die Überlegungen der Einwilligung – ähnlich wie bei der einverständlichen Fremdgefährdung – übertragen wollte. 189 So schon Roxin, FS-Gallas, 1973, S. 241 (246); vgl. auch Schünemann JA 1975, 715; Rudolphi JuS 1969, 549. 190 BGH NStZ 1981, 350. 187
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Verkauf und Übergabe von Heroin, so reicht es für die Annahme von Fahrlässigkeit im Sinne des § 222 StGB in der Regel aus, wenn ihm bekannt ist oder er damit rechnen muß, daß der Käufer das Rauschgift injiziert und wenn er von der Gefährlichkeit des überlassenen Stoffes gewußt hat oder – z. B. durch die eingehenden Darstellungen und Berichte in Presse, Rundfunk und Fernsehen – hätte wissen können.“ Die Vorinstanz, das LG Ravensburg hatte eine fahrlässige Tötung nach § 222 StGB an der Sorgfaltspflichtverletzung scheitern lassen, eine etwaige Straflosigkeit wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung also ebenfalls überhaupt nicht in Betracht gezogen. Dementsprechend konnten schon von vornherein keine Überlegungen im Hinblick auf die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften angestellt werden. Diese Linie des BGH (bzw. die des Ersten Senats) schien auch im Hinblick auf Drogensachverhalte bereits „festgefahren“. In einem Urteil vom 31.07.1979,191 stellt der BGH beiläufig und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit fest, dass der Anwendung des § 222 StGB nicht entgegen stehe, „daß K. sein Leben bewußt der Gefährdung ausgesetzt hat“. Dies bestätigte der gleiche Senat ein Jahr später in seinem Urteil vom 03.06.1980192, wenn der amtliche Leitsatz einmal mehr lediglich die Voraussetzungen der objektiven Vorhersehbarkeit konkretisiert und das Gericht in den Urteilsgründen unter Bezugnahme auf das so eben genannte Urteil repetiert, dass der Anwendung des § 222 StGB nicht entgegen stehe, dass das Opfer „sich die tödliche vom Angeklagten zubereitete Heroindosis selbst injiziert und hierdurch ihren Tod (mit-)verursacht hat“. Schünemann warnte nach diesen drei Urteilen des ersten Senats vor der Entwicklung einer „ständigen Rechtsprechung“, die mit der modernen Zurechnungslehre nicht mehr zu vereinbaren war.193 Die in der Literatur vorgebrachte Kritik sollte alsbald erhört werden. bb) Die Kehrtwende: BGHSt 32, 262 (Heroinabgabefall)194 Schon drei Jahre später, am 14.02.1984 kam die aufsehenerregende Kehrtwende mit BGHSt 32, 262.195 Einmal mehr ging es um die unerlaubte Abgabe 191 Soweit ersichtlich nur bei Holtz MDR 1980, 985; der Schwerpunkt des Falles liegt beim subjektiven Merkmal der Eigennützigkeit i. R. d. unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. 192 BGH NStZ 1981, 94; die in diesem Zusammenhang oftmals zitierte Entscheidung des ersten Senats vom 18.07.1979 BGH JR 1979, 429 soll an dieser Stelle ausgeblendet werden, da es sich dort wegen der Beteiligung eines Arztes um einen Sonderfall handelt; vgl. auch OLG Celle MDR 1980, 74; OLG Stuttgart MDR 1981, 157. 193 Schünemann NStZ 1982, 60 (61 f.). 194 Es erscheint passender, vom Heroinabgabefall zu sprechen, auch wenn die Spritze überlassen wurde; somit wird deutlich gemacht, dass es sich bei BGHSt 32, 262 um einen Fall handelte, in welchem der Dritte die Tatherrschaft über die unmittelbare Injektion hatte. Im Unterschied hierzu der „Heroinspritzen“-Fall BGHSt 49, 34, indem sich der Dritte wegen Zittern und körperlicher Schwäche das Heroin injizieren ließ.
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einer Heroinspritze an einen Dritten, der das Rauschgift eigenverantwortlich injizierte.196 Der BGH billigte nunmehr die Möglichkeit eines Zurechnungsausschlusses, wenn der Dritte sich eigenverantwortlich einer Gefahr aussetzte: „Eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdungen unterfallen nicht dem Tatbestand eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts, wenn das mit der Gefährdung bewußt eingegangene Risiko sich realisiert. Wer lediglich eine solche Gefährdung veranlaßt, ermöglicht oder fördert, macht sich nicht wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts strafbar.“ Das Urteil, das auffällig oft die Literatur (auch die Kritik Schünemanns) zitierte, fand absolute Zustimmung197 und sollte sich bald zu einer „ständigen Rechtsprechung“ entwickeln. So bestätigte der BGH, dass es in diesem Zusammenhang auch keinen Unterschied macht, ob die Spritze oder das Heroin überlassen werde, solange der Konsument das Rauschgift eigenverantwortlich zu sich nehme.198 Nachdem sich der Grundsatz „Zurechnungsausschluss bei eigenverantwortlicher Selbstgefährdung“ etabliert hatte, galt es lediglich zu konkretisieren, was unter Eigenverantwortlichkeit zu verstehen ist.199 Jedenfalls betonte der BGH bereits im Heroinabgabefall, dass ein „Wissensgefälle“ 200 zwischen Gefahrinitiator und Drittem eine Eigenverantwortlichkeit ausschließt, was der BGH kurz danach in seinem ebenso bekannten „HIV-Infektion“-Urteil (BGHSt 36, 1) nochmals bestätigte.201 Im Übrigen griff der BGH im Einklang mit der Literatur202 in den 195 M. Anm. Horn JR 1984, 513; m. Anm. Kienapfel JZ 1984, 751; m. Anm. Roxin NStZ 1984, 411; m. Anm. Stree JuS 1985, 179; m. Anm. Dach NStZ 1985, 24; m. Anm. Otto Jura 1984, 536. 196 Man könnte sagen, dass für die Kritiker die „Sterne gut standen“ und es sich nach den tatrichterlichen Feststellungen um die eher unproblematische Konstellation der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung handelte. Ob der BGH bereits zu diesem Zeitpunkt den gleichen Weg eingeschlagen hätte, wenn es sich um eine einverständliche Fremdgefährdung gehandelt hätte, bleibt zweifelhaft. 197 Roxin BGH NStZ 1984, 410; Wessels/Beulke Rn. 185; Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor § 13 Rn. 101 f.; NK/Puppe Vor § 13 Rn. 192 ff.; SK/Rudolphi Vor § 1 Rn. 79 ff.; Fischer Vor § 13 Rn. 36. 198 BGH NJW 1985, 690 (691), BGH NJW 2000, 2286 m. Anm. Hardtung NStZ 2001, 206. 199 Das Kriterium wird problematisch, wenn die Eigenverantwortlichkeit nicht etwa wegen empirisch nachweisbarer bzw. tatsächlich vorhandener „Mängel“ des Gefährdungsopfers (etwa Schuldunfähigkeit nach §§ 19, 20 StGB oder Unterliegen eines Irrtums) ausgeschlossen ist, sondern weil das Individuum zur Selbstgefährdung herausgefordert wurde (etwa weil er sich in einer notstandsähnlichen Situation befand), so in den Retterfällen BGHSt 39, 322; BGH NStZ 2000, 583; OLG Stuttgart NJW 2008, 1971 m. Anm. Kudlich JA 2008, 740; zur Verantwortlichkeit eines Drogenabhängigen umfassend Amelung NJW 1996, 2393. 200 So SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 59; vgl. auch Duttge NStZ 2006, 266 (271). 201 BGHSt 36, 1 (17), zustimmend Kühl AT § 4 Rn. 8, 9; Roxin AT I § 11 Rn. 107 ff. Zuletzt verzichtete der BGH allerdings auf ein derartiges Wissensgefälle: In BGHSt 53, 288 wurde eine Eigenverantwortlichkeit bereits dann verneint, wenn beide Beteiligten Art und Umfang der Gefahr unterschätzen bzw. nicht kennen, etwa weil der Täter bei
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Urteilsgründen meist auf den Maßstab der Einwilligungsfähigkeit zurück,203 allerdings nur innerhalb einer umfassenden Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls.204 In den Urteilen aus neuerer Zeit konzentriert sich der BGH nicht auf die Frage, wie die Kriterien der Eigenverantwortlichkeit im engeren Sinne zu bestimmen sind,205 sondern darauf, wie die eigenverantwortliche Selbstgefährdung zur einverständlichen Fremdgefährdung206 abgegrenzt werden kann bzw. ob eine Gleichstellung der beiden Fallgruppen möglich ist.207 Im „Heroinspritzen“-Fall208 (Täter injiziert Drittem auf dessen Bitte hin eine Portion Heroin) legt der BGH als „maßgebliches Abgrenzungskriterium“ die „Trennungslinie zwischen Täterschaft und Teilnahme“ fest.209 Dementsprechend nimmt der Senat eine Fremdgefährdung210 an und löst den Sachverhalt nach den Regeln der Einwilligung. Ob diese
der Übergabe des Rauschgifts einer Verwechslung unterliegt und statt Kokain dem nichtsahnenden Opfer reines Heroin zum Schnupfen bereitstellt, hierzu nochmals etwas ausführlicher Fn. 1331 und 1332 in Teil 3. Zur Ingerenzhaftung bei eigenverantwortlichem Vorverhalten vgl. 3. Teil B. II. 3. a) bb) (2), S. 368 ff. 202 Krey AT, Rn. 320–322; Lackner/Kühl Vor § 211 Rn. 12; Otto, FS-Tröndle, 1989, S. 157 (174); Rengier BT II, § 8 Rn. 23; Sch/Sch/Lenckner Vor § 32 ff. Rn. 52a; Wessels/Beulke Rn. 189; Christmann Jura 2002, 679 (681): „Risikoeinschätzung“. 203 Zur Eigenverantwortlichkeit bei Jugendlichen AG Saalfeld JA 2006, 570 ff. m. Anm. Kudlich. 204 Ebenfalls hierzu BGHSt 53, 288 m. Anm. Kühl NJW 2009, 1155 (1157). 205 Dies ist kritisch zu sehen, da an der „Eigenverantwortlichkeit“ der Entscheidung nun einmal die Strafbarkeit „hängt“ und man sich der schwierigen Feststellung, ob das Opfer freiverantwortlich agiert hat, das Risiko überblickte und einwilligungsfähig war, nicht entledigen kann, indem man durch die Annahme einer Ingerenzgarantenstellung den Gefahrinitiator zur Verantwortung zieht, sobald die Tatherrschaft wieder auf diesen übergeht (etwa weil das Opfer zwischenzeitlich bewusstlos geworden ist), zum Ganzen noch 3. Teil B. II. 3. a) bb) (2), S. 368 ff. m.w. N. 206 Siehe hierzu Fischer Vor § 13 Rn. 37; Dölling JR 1990, 474; Lackner/Kühl Vor § 211 Rn. 12. 207 Zuletzt im „Autorennfall“ BGHSt 53, 55 m. Anm. Jahn JuS 2009, 370; Kudlich JA 2009, 389. 208 BGHSt 49, 34 m. Anm. Trüg JA 2004, 597. 209 Kurz darauf bestätigt in BGHSt 49, 166 („Fesselspiele“) m. Anm. Arzt JZ 2005, 103. 210 Die Diskussion rund um die Gefährdung des Beifahrers im Rahmen der Straßenverkehrsdelikte §§ 315 ff. StGB wurde allerdings unabhängig von diesen Fragen schon in den siebziger Jahren geführt, vgl. nur BGHSt 23, 261; OLG Stuttgart NJW 1976, 1904. Schließlich wird das Problem heute noch im Rahmen der Einwilligung in die Gefahr verortet (Rengier BT I § 44 Rn. 9), was dem kleinen Unterschied zu verdanken ist, dass im Rahmen der §§ 315 ff. der Eintritt einer konkreten Gefahr der Außenwelterfolg ist. Derjenige, der also in die konkrete Gefahr zustimmt, stimmt in den tatbestandsmäßigen Erfolg ein, sodass korrekterweise nur eine rechtfertigende Einwilligung in Betracht kommt. Nimmt der Dritte (was regelmäßig der Fall sein wird) allerdings doch nur eine abstrakte Gefahr in Kauf, ist man wieder bei der objektiven Zurechnung angelangt. Es verwundert aber nicht, dass die Rechtsprechung das Problem bei der Rechtswidrigkeit
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Abgrenzung der zwei Fallgruppen für das Betäubungsmittelstrafrecht überhaupt eine Rolle spielt, bedarf genauerer Betrachtung. Die grundsätzliche Anerkennung der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung nach BGHSt 32, 262 im Jahre 1984 galt zunächst nur für die Verletzungsdelikte der §§ 212, 222, 223, 229 StGB, sodass sich die Dogmatik zur Eigenverantwortlichkeit auch nur hier (weiter-)entwickeln konnte. Mit der „Kehrtwende“ schuf man zumindest die Grundlage für die Fragestellung, ob bzw. inwiefern die neue Rechtsprechung auf andere Delikte wie die § 29 ff. BtMG übertragen werden kann. In einem Grundsatzurteil im gleichen Jahr (BGHSt 33, 66)211 zur leichtfertigen Verbrauchsüberlassung wurde eine Übertragung dieser Einschränkungen ins Betäubungsmittelstrafrecht noch nicht in Erwägung gezogen. Es war somit nur eine Frage der Zeit, bis sich der BGH hiermit auseinandersetzen musste. c) Zwischenfazit: „Tatbestandsakzessorietät“ der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung? Es ist kein Zufall, dass sich die Dogmatik zur eigenverantwortlichen Selbstgefährdung weitgehend im Rahmen der Verletzungsdelikte gegen Leib und Leben entwickelt hat.212 Dieses Phänomen ist vielmehr auf den eingangs dargelegten und von der Rechtsprechung partiell zu eigen gemachten Schutzzweckgedanken bzw. Rechtsgutsbezug der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zurückzuführen,213 die zu einer „doppelten Akzessorietät“ der Selbstgefährdungsdogmatik führt:
verortet hat, wenn zum Zeitpunkt der Diskussion der allgemeine Zurechnungsausschluss noch gar nicht anerkannt war. 211 Ebenfalls häufig als Heroinabgabefall zitiert, vgl. Anm. Roxin NStZ 1985, 320. 212 Ebenso hat es seine Gründe, dass die Anwendbarkeit der aufgestellten Grundsätze im Hinblick auf § 315c StGB umstritten ist. Vgl. nur Geppert ZStW 83 (1971), 947; Otto Jura 1991, 443; Schroeder JuS 1994, 846. 213 Der Schutzzweckbezug führt nach Roxin zur Qualifizierung der Fallkategorie als „Untergruppe“ des fehlenden Schutzzweckzusammenhangs, vgl. Roxin AT I § 11 Rn. 106, wobei diese Einordnung nicht der bereits dargestellten These entgegensteht, dass Schutzzweck und Rechtsgut nicht gleichgesetz werden dürfen; wieder andere wollen die Zurechnung in Selbstgefährdungsfällen bereits am tatbestandsmäßig-missbilligten Verhalten im Sinne eines Tötungs- bzw. Verletzungsdelikts scheitern lassen, vgl. nur Frisch, Tatbestandsmäßiges Handeln und Zurechnung des Erfolgs, S. 156 ff.; Hardtung NStZ 2001, 206 (207). Der BGH nimmt solch eine Einordnung nicht vor, was nicht erstaunt, da er sich bis heute noch nicht ausdrücklich zur objektiven Zurechnung als „Modell“ bekannt hat, stattdessen nur auf bestimmte Fallgruppen Bezug nimmt. Der Rückgriff auf gesetzessystematische Argumente sowie die häufige Betonung des Verantwortungsprinzips lassen eher andeuten, dass die Rechtsprechung eine „eigene Fallgruppe“ der Abschichtung nach Verantwortungsbereichen kreiert hat. Vgl. auch Kühl AT § 4 Rn. 83; Rengier AT § 13 Rn. 77. Wie bereits in den einleitenden Überlegungen aufgegriffen wurde.
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Zum einen hängt die Anwendbarkeit der aufgestellten Grundsätze vom konkreten Straftatbestand ab. Sie können keine Anwendung finden, wenn die Tatbestandsfassung nicht die Verletzung bzw. konkrete Gefährdung eines durch ein Individuum kontrollierten Schutzguts erfasst. Denn dann existiert kein Risiko eines Außenwelterfolgs, dem sich der Dritte aussetzen könnte, sprich: Knüpft das Delikt nur an eine tatbestandsmäßige Handlung, liegt diese bei Vornahme durch den Täter selbst immer in dessen Verantwortungsbereich.214 Dem gegenüberstehend scheidet die Anwendung der Selbstgefährdungsdogmatik aus, wenn der gesetzliche Straftatbestand die freiwillige Mitwirkung eines Dritten (im Sinne einer notwendigen Teilnahme215) an der Rechtsgutverletzung zwingend voraussetzt, also der Gesetzgeber von einer Einbeziehung des Dritten ausgeht.216 Zum anderen sind die Grundsätze der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung „rechtsgutsakzessorisch“, weil das Autonomieprinzip nur dort greifen kann, wo der Dritte überhaupt autonom ist. Ihm muss folglich eine Dispositionsbefugnis bzgl. des durch die Gefahr beeinträchtigten Rechtsguts zukommen.217 Dies ist bei überindividuellen Rechtsgütern nicht der Fall. d) Zurechnungsausschluss wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung im Betäubungsmittelstrafrecht Mit dieser doppelten Einschränkung sind die Weichen für die Übertragbarkeit der Selbstgefährdungsdogmatik auf die Straftatbestände des BtMG gestellt: Es war daher zu erwarten, dass der BGH kurz nach seinem aufsehenerregenden „Heroinabgabe“-Urteil klarstellt, dass das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit im Betäubungsmittelstrafrecht nicht oder nur beschränkt Geltung beanspruchen kann. aa) Die grundlegende Entscheidung: BGHSt 37, 179 Am 25.09.1990, also noch während der Entwicklung der Selbstgefährdungsdogmatik zu einer „ständigen Rechtsprechung“, erteilte der BGH der Übertragbarkeit des Selbstgefährdungsgedankens auf die § 29 ff. BtMG (also auch auf die Erfolgsqualifikation des § 30 I Nr. 3 BtMG) eine eindeutige Absage: Der 214
Man könnte im untechnischen Sinn von „opferlosen“ Delikten sprechen. Zur notwendigen Teilnahme etwas ausführlicher 3. Teil D. II. 2. a) bb), S. 547 ff. 216 Und zwar auch in den Fällen, in denen das berüchtigte „Wissensgefälle“ (SSW/ Kudlich Vor § 13 Rn. 59) existiert. Schließlich kann der Tatbestand so ausgestaltet sein, dass er eben nur dann einschlägig ist, wenn kein Wissensgefälle vorhanden ist. 217 Diese Ausnahme greift genauso, wenn die Eigenverantwortlichkeit bereits zur Nichtannahme eines tatbestandsmäßig-missbilligten Verhaltens führen soll; denn als Anknüpfungspunkt nicht den Erfolg, sondern die Handlung auszuwählen, ändert nichts an dem Umstand, dass die Frage der Eigenverantwortlichkeit „rechtsgutakzessorisch“ bleibt. 215
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Schutzzweck der Vorschriften des Betäubungsmittelrechts verlange eine Einschränkung des Prinzips der Selbstverantwortung und somit der Grundsätze zur bewussten Selbstgefährdung.218 Der Senat greift also auf das Schutzgut der betäubungsmittelrechtlichen Strafnormen zurück und betont, dass nicht allein bzw. nicht in erster Linie Leben und Gesundheit des Einzelnen (wie bei den §§ 211, 222, 223 ff. StGB) geschützt würden, sondern auch Schäden vorgebeugt werden soll, die sich für die Allgemeinheit aus dem verbreiteten Konsum (harter) Drogen und den daraus herrührenden Gesundheitsbeeinträchtigungen des Einzelnen ergeben (Volksgesundheit). Diesen schutzgutbezogenen Aspekt untermauert der Senat mit dem unmittelbar damit zusammenhängenden systematischen Argument, welches sich auf die Tatbestandsfassung bezieht: Bei der Beurteilung der Tathandlungen als gefährlich sei der Aspekt der Selbstgefährdung denknotwendig eingeschlossen, weil der zu verhindernde Konsum in aller Regel eine Selbstgefährdung bedeute. Diese doppelte Argumentationslinie des BGH, die sich in gewissem Grad mit den so eben dargelegten Anwendbarkeitsvoraussetzungen der Fallgruppe „eigenverantwortliche Selbstgefährdung“ überschneidet, erfährt in der Literatur zumindest im Hinblick auf den Grundtatbestand fast einhellig Zustimmung.219 Man diskutiert lediglich darüber, ob eine pauschale Ablehnung des Selbstgefährdungsgedankens bezüglich aller Tatmodalitäten und Qualifikationen der § 29 ff. BtMG sachgerecht ist.220 Die relativ knappe Begründung des BGH und der schwerpunktmäßige Rückgriff auf den Rechtsgüteraspekt legen die Befürchtung nahe, dass der Senat keine differenzierte Betrachtung vorgenommen hat. Daher sollen die Argumente des BGH unter Heranziehung der drei einschränkenden Momente der Fallgruppe der Selbstgefährdung im Folgenden näher begutachtet werden, wobei eine Einteilung in das Grunddelikt und den Qualifikationen (nicht nur aus Gründen der Übersichtlichkeit) zweckmäßig erscheint. bb) Die Tatbestandsmodalitäten des § 29 I BtMG und die eigenverantwortliche Selbstgefährdung – Getrennte Welten? Die Anwendbarkeit der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung ist, wie bereits dargestellt, tatbestandsakzessorisch, allerdings nicht – wie dies die Ausführungen des BGH andeuten lassen – nur dergestalt, dass sie stets eine Gefährdung des Dritten bereits denknotwendig miteinschließen würden. Bereits im Rahmen der Einleitung wurde herausgearbeitet, dass viele der Tatbestandsmodalitäten des 218
BGHSt 37, 179. Beulke/Schröder NStZ 1991, 393; Rudolphi JZ 1991, 572; Otto Jura 1991, 443; Weber § 30 Rn. 145 f.; Roxin AT I § 11 Rn. 12 („Eine Bestrafung [. . .] nach § 29 BtMG ist [. . .] völlig ausreichend“). 220 Kritisch im Hinblick auf die Erfolgsqualifikation § 30 I Nr. 3 BtMG Körner (VI) § 30 Rn. 88; nun aber Körner/Patzak § 30 Rn. 97; Köhler MDR 1992, 739; NestlerTremel StV 1992, 273; Roxin NStZ 1985, 320; siehe ausführlich im Folgenden. 219
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§ 29 I BtMG nicht auf eine konkrete Gefährdung von Leib, Leben oder ein sonstiges Individualrechtsgut eines anderen gerichtet sind, mag auch die körperliche Unversehrtheit ein gleichrangig geschütztes Rechtsgut im BtMG darstellen. Am deutlichsten kommt dies bei Tathandlungen wie dem „Anbau“ gem. § 29 I Nr. 1 Var. 2 BtMG und der „Herstellung“ von Betäubungsmitteln gem. § 29 I Nr. 1 Var. 2 (sowie § 29 I Nr. 2) BtMG zum Vorschein, bei denen ein Dritter schon rein tatsächlich nicht beteiligt sein kann und man auch rein „intuitiv“ nicht an eine „Eigenverantwortlichkeit“ denken würde.221 Die Erwerbsdelikte dagegen (unerlaubter Erwerb gem. § 29 I Nr. 1 Var. 9 BtMG, unerlaubtes Sichverschaffen gem. § 29 I Nr. 1 Var. 10 BtMG222) erfassen unmittelbar die „andere Seite“, also denjenigen, der sich der potentiellen Gefahr aussetzt. Auf diese Delikte passt die eigenverantwortliche Selbstgefährdung schon von der „Zielgruppe“ her nicht.223 Das Argument des BGH der „denknotwendig miteingeschlossenen“ Gefahraussetzung greift also nur bei den Tathandlungen des Veräußerns, der Abgabe, dem sonstigen Inverkehrbringen sowie der unmittelbaren Verbrauchsüberlassung gem. § 29 I Nr. 1 Var. 6, 7, 8, § 29 I Nr. 6b Var. 2 BtMG:224 Da alle vier Tathandlungen eine Mitwirkungshandlung des Dritten – in Form des rechtsgeschäftlichen bzw. einvernehmlichen oder nicht einvernehmlichen Empfangs der Drogen voraussetzen – kommt hier aus gesetzessystematischer Sicht keine Einschränkung in Betracht. Es ist vom BGH nur etwas ungenau, wenn vom Aspekt der Selbstgefährdung bzw. von Gefährdungshandlungen die Rede ist. Dies trifft streng genommen nur auf die unmittelbare Verbrauchsüberlassung zu. Die Abgabe der Drogen bedeutet noch nicht, dass sich der Erwerber auch selbst gefährden müsste, auch wenn dies regelmäßig der Fall ist. Besser wäre es daher gewesen, wenn der BGH den Aspekt hervorgehoben hätte, dass viele Tathandlungen im BtMG nicht auf die Gefährdung einer individualisierten Person gerichtet sind, 221 Ein Betäubungsmittelhersteller hat unabhängig davon „hergestellt“, ob ein Dritter später die Drogen eigenverantwortlich zu sich nimmt oder nicht. Ähnliche Überlegungen gelten für weitere „opferlose“ Delikte wie das Werben gem. § 29 I Nr. 8 BtMG oder das Bereitstellen von Geldmitteln gem. § 29 I Nr. 13 BtMG als strafrechtlich verselbstständigte Vorbereitungshandlung. Auch die zentrale Tathandlung des Handeltreibens ist nicht auf „Verletzung“ sondern, wie es die Definition bereits verrät auf „Umsatz“ gerichtet, sodass Handeltreiben auch dann in Betracht kommt, wenn sich die Beteiligten am Geschäft überhaupt nicht selbst gefährden (etwa durch einen unverantwortlichen Drogenkonsum), sondern nur Profit machen wollen. Der Aspekt der Selbstgefährdung passt auch nicht auf die Erfolgsdelikte der Ein-, Aus- und Durchfuhr gem. § 29 I BtMG: Der Eintritt des Außenwelterfolges ist nicht an ein Individuum, sondern an das abstrakte Merkmal der Grenzüberschreitung geknüpft. 222 Im weitesten Sinn gehört hierzu auch die unrichtige bzw. unvollständige Angabe für eine Betäubungsmittelverschreibung gem. § 29 I Nr. 9 BtMG. 223 Strafbaren Besitz gem. § 29 I Nr. 3 BtMG kann dagegen sowohl Geber- als auch Nehmerseite haben, sodass auf den Besitz, der zwischen diesen Fallgruppen liegt, jedenfalls der ein oder andere Aspekt zutrifft. 224 Im weitesten Sinne gehört hierher wieder auch das Verschreiben gem. § 29 I Nr. 6a BtMG.
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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und überdies bestimmte Tatbestände zu ihrer Verwirklichung eine irgendwie geartete Teilnahme des potentiellen Drogenkonsumenten voraussetzen. Als einzige Tatbestandshandlung, die einerseits auf eine Verletzung des Individuums gerichtet ist, andererseits aber nicht notwendig (!) eine Mitwirkung voraussetzt, bleibt das Verabreichen i. S. d. § 29 I Nr. 6a StGB. Die Verabreichung ist eine konkretisierte Körperverletzungshandlung, die regelmäßig, aber nicht zwingend mit Willen des Dritten erfolgt. Doch gerade bei dieser Handlung nimmt die unmittelbare Verletzungshandlung der Gefahrinitatior (Arzt bzw. sonstige natürliche Person) vor, sodass man allenfalls über eine einverständliche Fremdgefährdung diskutieren kann. Solch eine würde, soweit man den Maßstab der Einwilligung zugrunde legt – wie es die h. M. tut225 – spätestens an der Dispositionsbefugnis des Dritten scheitern.226 cc) Zur Indisponibilität des Rechtsguts – Allen Modalitäten gemeinsam? Die pauschale Ablehnung durch den BGH leuchtet ein, wenn man sich den zweiten (für den BGH „ersten“ und wesentlichen) Aspekt vergegenwärtigt, der einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung entgegensteht: Alle Modalitäten des § 29 I BtMG schützen überindividuelle Rechtsgüter.227 Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung setzt voraus, dass das vom Tatbestand geschützte Rechtsgut der Disposition des Gefährdeten unterliegt. Wenn es bei der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung um eine Abschichtung nach Verantwortungsbereichen geht bzw. es sich um eine Fallgruppe des fehlenden Schutzzweckzusammenhangs handeln soll, muss die Verantwortung für die Verletzung des Rechtsguts vollständig auf den Dritten „überwälzt“ werden können. Dies funktioniert nicht, wenn der Tatbestand (auch) überindividuelle Rechtsgüter schützt, die niemals in der Verantwortung eines Einzigen allein stehen. Der Schutz überindividueller Rechtsgüter führt hierbei meist zur beschriebenen Tatbestandsfassung, die eine Selbstgefährdung schon strukturell ausschließt. Aus dem Kernstrafrecht seien exemplarisch die Tatbestände der schweren Brandstiftung gem. § 306a StGB oder der Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB genannt, bei denen eigenverantwortliche Selbstgefährdungen (Dritter, der sich in das brennende Haus begibt oder in das Auto steigt, obwohl der Fahrer sichtlich betrunken ist) nichts an der Tatbestandsvollendung ändern.228 Auch für das Betäubungsmittelstrafrecht trifft dies 225 Kühl NJW 2009, 1158; Sch/Sch/Lenckner Vor § 32 ff. Rn. 103–105; Dölling, FSGössel, 2002, S. 209 (214); Wirsch JuS 2006, 400; Murmann, Selbstverantwortung, S. 432 (535 f.); a. A. OLG Nürnberg NJW 2003, 454 (Russisches Roulette). 226 Mit der Wendung „spätestens“ sei zum Ausdruck gebracht, dass dies auch für alle anderen Modalitäten des § 29 I BtMG gelten würde, vgl. im Folgenden. 227 Zu den Rechtsgütern des BtMG siehe 2. Teil B., S. 72 ff. 228 Im Übrigen kristallisiert sich auch hier heraus, dass die Unterscheidung, ob eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung möglich ist oder nicht, niemals nach dem Krite-
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zu: Das BtMG schützt nach h. M. die körperliche Unversehrtheit des Individuums und das Universalrechtsgut der Volksgesundheit, das sich u. a. aus den Teilaspekten des von illegalen Drogen nicht beeinträchtigten sozialen Zusammenlebens, des Jugendschutzes etc. zusammensetzt. Auch wenn man ein abweichendes Rechtsgüterkonzept vertritt (bspw. wie hier vorgeschlagen, lediglich den Jugendschutz sowie den Schutz vor Organisierter Kriminalität als geschützte Rechtsgüter ansieht), ändert sich nichts. Auch diese Interessen sind der Disposition des Einzelnen entzogen. Dies dürfte auch für die unmittelbar auf den Konsum gerichteten Modalitäten gelten. Schließlich können hier bereits zum Zeitpunkt der Gefährdungshandlung Rechtsgüter beeinträchtigt sein, die nicht vom Konsum als „Verletzungshandlung“ abhängen. Da bereits vor der Konsumhandlung Rechtsgüter wie der Jugendschutz oder (zumindest abstrakt) die körperliche Unversehrtheit eines Außenstehenden beeinträchtigt sind und somit nicht der Disposition des Drittbeteiligten unterliegen, braucht es keines Rückgriffs auf die mittelbaren Folgen des Konsums.229 Dann kann auch das Argument nicht greifen,230 dass mit der Bestrafung derartiger Handlungsweisen die gesetzgeberische Wertung, den Konsum straflos zu stellen, unterlaufen werde.231 Das sei an dieser Stelle hervorgehoben, da man schließlich auch daran denken könnte, dass bestimmte Modalitäten (vornehmlich das Verabreichen sowie die unmittelbare Verbrauchsüberlassung) ausschließlich die körperliche Unversehrtheit schützen, sodass eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung denkbar bleibt.232 Der Universalrechtsgüterschutz, der jedenfalls gleichsam für alle Modalitäten des § 29 I BtMG gilt, schließt einen Zurechnungsausschluss wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährrium erfolgen darf, ob es sich bei dem einschlägigen Tatbestand um ein Erfolgs- oder schlichtes Tätigkeitsdelikt handelt. Nur wenn der „Außenwelterfolg“ die Verletzung oder konkrete Gefährdung eines real aufweisbaren Gutes voraussetzt, kann von einem Verletzungsdelikt die Rede sein, das einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zugänglich ist. Da der Außenwelterfolg des § 306a I StGB in der Inbrandsetzung bzw. Zerstörung durch Inbrandlegung liegt, kommt eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung nicht in Betracht (und zwar unabhängig davon, ob rechtsgutstechnisch die Gesundheit nach Nr. 1 oder das religiöse Tabu gem. Nr. 2 geschützt wird). Umgekehrt erfasst der Tatbestand auch nicht das Unrecht, das der Täter durch die ggf. fahrlässige Tötung „zusätzlich“ verwirklicht hat. 229 Es hinterlässt einen etwas faden Beigeschmack, den Ausschluss mit mittelbaren Folgen der Verletzung zu begründen, da sich diese Folgen auch im Rahmen des §§ 223, 222, 229 StGB (Belastung der Sozialversicherung nach Drogenkonsum oder waghalsigem Autorennen) ergeben können. Zu behaupten, dass diese Verletzungsdelikte (§§ 212, 222, 223, 229 StGB) ja auch nicht die Volksgesundheit schützten, stellt einen Zirkelschluss dar, da die Berücksichtigung der mittelbaren Auswirkungen Folge des gewählten Rechtsgutskonzepts ist. 230 I. S. e. „Rechtsgütersplitts“, welcher bei der Erfolgsqualifikation des § 30 I Nr. 3 BtMG auf jeden Fall in Betracht gezogen werden muss, vgl. im Folgenden. 231 In diese Richtung Hoyer StV 1993, 128; Hohmann MDR 1991, 1117. 232 Im Hinblick darauf, dass die fehlende Dispositionsbefugnis somit nicht stets als „Totschlagsargument“ fungieren kann, wird nun deutlich, warum die „systematische“ Unzulänglichkeit der einzelnen Modalitäten derart ausführlich behandelt wurde.
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dung aus. Soweit im Falle des Verabreichens von Drogen, der Dritte in die Handlung des Täters zugestimmt hat, scheitert ein Zurechnungsausschluss nach den Grundsätzen der einverständlichen Fremdgefährdung daran, dass dem Dritten die Dispositionsbefugnis über die Rechtsgüter „Jugendschutz“ und „Schutz vor Organisierter Kriminalität“ fehlt. dd) Zwischenergebnis zur Einschränkung im Hinblick auf den Grundtatbestand, § 29 BtMG Nach ständiger Rechtsprechung schließt eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Dritten eine Bestrafung des Gefahrinitiators wegen etwaiger Verletzungsdelikte gem. §§ 212, 222, 223 ff., 229 StGB aus. Diese Grundsätze zur eigenverantwortlichen Selbstgefährdung lassen sich nicht auf den Grundtatbestand des § 29 I BtMG übertragen. Diesbezüglich ist dem BGH im Ergebnis zuzustimmen, wenn auch seine Argumentation etwas zu eindimensional geraten ist. Für alle Straftatbestände des Grundtatbestandes gilt, dass sie neben der körperlichen Unversehrtheit des Individuums auch Universalrechtsgüter im Auge haben. Somit kann sich ein Dritter schon begrifflich nicht „eigen-“verantwortlich den Gefahren des § 29 I BtMG aussetzen. Dieses Rechtsgutskonzept hat eine unmittelbare Ausstrahlungswirkung auf die Tatbestandsstruktur, die eine Anwendung der Selbstgefährdungsdogmatik weitgehend ausschließt: Die Untersuchung hat gezeigt, dass das Institut der Eigenverantwortlichkeit auf keines der Handlungsmodalitäten des BtMG passt, weil diese nicht auf eine unmittelbare bzw. konkrete Gefahrschaffung gerichtet sind, dem sich der Dritte „riskanterweise“ aussetzen könnte. Als einzige Ausnahmen konnten hierbei die unmittelbare Verbrauchsüberlassung sowie das Verabreichen gem. § 29 I Nr. 6a BtMG herausgearbeitet werden. Während aber erstere Tathandlung eine Selbstgefährdung des Konsumenten zwingend voraussetzt, ergibt sich beim Verabreichen die Besonderheit, dass stets der Gefahrinitiator die Tatherrschaft inne hat, also nur eine Fremdgefährdung in Betracht kommt. Eine „Einwilligung in die Gefahr“ wäre mangels Dispositionsbefugnis nicht möglich. e) Die Erfolgsqualifikation des § 30 I Nr. 3 BtMG – immer noch Universalrechtsgüterschutz? Die Anwendbarkeit der Selbstgefährdungsdoktrin bestimmt sich maßgeblich durch die geschützten Rechtsgüter sowie der jeweiligen Tatbestandsstruktur. Daher muss man zwischen dem Grundtatbestand und etwaigen Qualifikationen einer Strafvorschrift unterscheiden. Schließlich knüpfen die Strafschärfungen regelmäßig an die zusätzliche bzw. intensivere Beeinträchtigung der Rechtsgüter und sind u. U. anders ausgestaltet (nicht selten als Erfolgsqualifikation). Da diese Tatbestände aber eine ähnliche Struktur aufweisen und ebenfalls Universalrechtsgüter schützen, scheidet eine Einschränkung bei den §§ 29a ff. BtMG auch
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grundsätzlich aus. Etwas anderes könnte § 30 I Nr. 3 BtMG gelten, welcher die Abgabe, das Verabreichen sowie die unmittelbare Verbrauchsüberlassung mit Todesfolge erfasst.233 Die Vorschrift hat aus zweierlei Gründen Ausnahmecharakter. Zum einen ist sie die einzige Erfolgsqualifikation des BtMG und zum anderen die einzige Vorschrift, die das Leben eines anderen als Tatobjekt nennt. Da bei Erfolgsqualifikationen eigenverantwortliche Selbstgefährdungen zu einem Abbruch des tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhanges führen können234 und es nicht fern liegt, die strafschärfende Wirkung einer Erfolgsqualifikation allein in der Beeinträchtigung des Individualrechtsguts „Leben“ zu sehen, diskutiert man bis heute noch darüber, ob die Einschränkung durch den BGH auch für § 30 I Nr. 3 BtMG gelten kann. aa) Die Ausführungen des BGH im Grundsatzurteil BGHSt 37, 179 Der BGH hat in seinem Grundsatzurteil BGHSt 37, 179 explizit auch auf § 30 I Nr. 3 BtMG Bezug genommen und diesen in die Einschränkung mit einbezogen: An den aufgestellten Grundsätzen ändert sich demnach nichts, „wenn sich die abstrakte Gefährlichkeit für das Schutzgut in Einzelfällen darin konkretisiert, daß Menschen infolge des Genusses zu Tode kommen oder an der Gesundheit beschädigt werden. Der Regelungsinhalt der §§ 30 I Nr. 3, 29 III Nr. 2 BtMG deutet gerade darauf hin, daß der bei ihrem Erlaß zwangsläufig zu bedenkende Aspekt der Selbstgefährdung nach positivrechtlicher Entscheidung des Gesetzgebers die objektive Zurechnung der sich aus dem Konsum von Betäubungsmitteln ergebenden schweren Folgen nicht hindern soll. Waren es doch nicht zuletzt die steigenden Zahlen der auf Rauschgiftgenuß unmittelbar oder mittelbar zurückzuführenden Todesfälle, die eine Verschärfung des Betäubungsmittelstrafrechts mitbewirkt haben.“ 235 Auch bei der Erfolgsqualifikation des § 30 I Nr. 3 BtMG soll der Gedanke der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung somit keine Berücksichtigung fin233 Allerdings ist es in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass ein „Handeltreiben“ bzw. „Veräußern“ mit Todesfolge in Betracht kommt, wenn die Abgabe, Verabreichung oder unmittelbare Verbrauchsüberlassung der Drogen in diesen Handlungen „aufgehen“, vgl. Körner/Patzak § 30 Rn. 88. Auf eine rechtliche Ausweitung der Vorschrift im Allgemeinen verzichtete man wohl auch deswegen, weil in den Fällen des einfachen Handeltreibens oder des Anbaus selten ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Tathandlung und Erfolg festgestellt werden könnte, vgl. auch BT-Drs. 8/3551 S. 37; im Ergebnis hat das „Hineinlesen“ des Handeltreibens bzw. Veräußerns also keine Auswirkung auf die Auslegung der Vorschrift, weil letztlich immer einer der drei „unmittelbaren“ Handlungen vorliegen muss. 234 Vgl. nur die umfangreiche Rechtsprechung zu § 227 sowie § 306c StGB. 235 BGHSt 37, 179 (182).
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den.236 Diesen Grundsatz und seine Geltung für § 30 I Nr. 3 BtMG hat der BGH in den Jahren 1992 (allerdings in einem Urteil zur Strafzumessung)237 und 2000 nochmals bestätigt.238 Bevor man sich nun den denkbaren Einwänden gegen diese Auffassung widmet, sollte man sich die rechtspolitische Situation zum Zeitpunkt des Urteils vor Augen führen. Der Tatbestand ersetzte im Jahre 1982 den alten § 11 IV Nr. 2 BtMG (1972), dessen praktische Bedeutung gering war, weil er als Vorsatz-Vorsatz-Kombination ausgestaltet war, sprich der Täter auch zumindest dolus eventualis hinsichtlich der Todesfolge haben musste.239 Als man aber die Vorschrift 1982 einfügte, um damit die rapide ansteigenden Todesfälle durch Drogenüberlassung bzw. Verabreichung zu erfassen,240 war man noch drei Jahre von der berühmten Kehrtwende im „Heroinabgabe“-Fall entfernt. Ab 1985 mussten wegen der sofortigen Umsetzung der Rechtsprechung auch im Betäubungsmittelstrafrecht viele Verfahren vor den Landgerichten wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung eingestellt werden und die Vorschrift konnte ihren ursprünglichen Zweck241 nicht mehr erfüllen, da nur noch Fälle erfasst waren, in denen der Dritte die tödlichen Risiken nicht überblickte, also nicht eigenverantwortlich handelte.242 Dieser Aspekt scheint die Rechtsprechung dazu zu bewegen, die Einschränkung auch für § 30 I Nr. 3 BtMG gelten zu lassen. Dennoch bleibt die Frage offen, ob der Todeseintritt eines Individuums überhaupt Aspekte der Volksgesundheit beeinträchtigen kann bzw. noch stärker beeinträchtigt, als der bloße Konsum und – unterstellt, dies wäre so – ob dies einen Strafrahmen von 236 Der BGH nimmt in BGHSt 37, 179 explizit auch auf das benannte Regelbeispiel des § 29 III Nr. 2 BtMG Bezug. Da diese Vorschrift eine Strafzumessungsregel ist, soll sie im Folgenden nicht tiefer gehend erörtert werden. Da sie aber die „Gefährdung mehrerer Menschen“ voraussetzt, ist eine Übertragung der Eigenverantwortlichkeitsdogmatik schon nach allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen. 237 BGH NStZ 1992, 489 m. Anm. Hoyer StV 1993, 128 m. Anm. Helgerth JR 1993, 419. 238 BGH NJW 2000, 2286 m. Anm. Renzikowski JR 2001, 249 ff.; das Urteil enthält allerdings keine neuen Argumente, sondern bezieht sich ausdrücklich auf BGHSt 32, 262. 239 BGH NJW 1976, 381. 240 Körner/Patzak § 30 Rn. 82 f. 241 Die Vorschrift soll den besorgniserregend ansteigenden Todesfällen entgegenwirken, vgl. die Tabelle bei Körner/Patzak § 30 Rn. 131. 242 Nach dem Bericht der Bundesregierung vom 11.04.1989 gab es in den Jahren 1985–1987 lediglich zwei Verurteilungen nach § 30 I Nr. 3 BtMG; dass dieser statistische Befund keinen hohen Aussagegehalt hat, ergibt sich schon aus dessen weiterem Verlauf bis heute: Während in den Jahren 1990–1992 (also kurz nach der Aufhebung der Einschränkung) die PKS-Rate rapide bis auf 346 anstieg, ließ diese trotz des extensiven Verständnisses bis heute wieder nach; im Jahre 2008 kam es bei ganzen 13 Personen zu einer Aburteilung nach § 30 I Nr. 3 BtMG, vgl. Tabelle 2 des Statistischen Bundesamts, Abgeurteilte. Die Probleme scheinen also eher beim Kausalitäts- und Leichtfertigkeitsnachweis zu liegen, als beim Tatbestandsausschluss wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung.
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nicht unter zwei Jahren legitimiert. Die Rechtsprechung steht also trotz des Rückgriffs auf die Volksgesundheit auf tönernen Füßen. In der Literatur ist man sich uneins über die Fragestellung, ob die Einschränkung durch die Rechtsprechung im Rahmen des § 30 I Nr. 3 nicht ihrerseits eingeschränkt werden müsste. bb) Der Meinungsstand in der Literatur Eine herrschende Auffassung hat sich in der Literatur nicht herausgebildet. Selbst im betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum gehen die Meinungen auseinander. Weber stimmt der rechtsgutsorientierten Argumentation des BGH zu243 und stellt ohne nähere Begründung fest, dass § 30 I Nr. 3 BtMG auch Universalinteressen schütze.244 Mit der Überlassung des Rauschgiftes verstärke sich die Gefährdung des Rechtsgutes der Volksgesundheit. Da es aber nicht fern liegt, die Legimitation der Strafvorschrift ausschließlich im Schutz des Individualrechtsguts „Leben“ zu sehen, bedarf es einer näheren Begründung.245 In der Literatur war man daher bemüht, den Argumentationsstrang des BGH etwas näher zu konkretisieren. Durchaus häufig zu lesen ist, dass durch eine Übertragung der Selbstgefährdungsdogmatik das Betäubungsmittelrecht kaum mehr zur Anwendung käme. Derartige Einwendungen suggerieren, dass die eigenverantwortliche Selbstgefährdung auch für den Grundtatbestand Anwendung finden soll, was man aber – siehe oben – einhellig ablehnt.246 Ebenso dreht man sich im Kreis, wenn man auf die überindividuellen Schutzgüter der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften verweist, die einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung entgegenstünden. Ob dies nämlich auf § 30 I Nr. 3 BtMG zutrifft oder doch etwa eine „Zerlegung“ des Tatbestandes in indisponiblen Grundtatbestand (somit stets verwirklicht) und disponibler Qualifikation (allein Individualrechtsgüterschutz) möglich sein muss, ist gerade die Frage. (1) Trennbarkeit des Tatbestandes = Trennbarkeit des Rechtsgüterschutzes? Ein Vergleich mit anderen Strafvorschriften Dies sehen Beulke/Schröder247 und werfen daher die wichtige Vorfrage auf, ob geschützte Rechtsgüter von Qualifikation und Grundtatbestand auseinanderfallen 243
Weber § 30 Rn. 145 f. So auch Franke/Wienroeder § 30 Rn. 35; dem BGH zustimmend auch Rudolphi JZ 1991, 571; Beulke/Schröder NStZ 1991, 393; Joachimski/Haumer § 30 Rn. 17; MKStGB/Rahlf § 30 BtMG Rn. 141; Wessels/Beulke Rn. 188; Helgerth JR 1993, 419; Otto Jura 1991, 443. 245 Kritisch im Hinblick auf die Erfolgsqualifikation § 30 I Nr. 3 BtMG Körner § 30 Rn. 88; Köhler MDR 1992, 739; Nestler-Tremel StV 1992, 273; Roxin NStZ 1985, 320; siehe ausführlich im Folgenden. 246 In diese Richtung allerdings Rudolphi JZ 1991, 571 (572). 244
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können, mit der Formulierung: „Schlägt nicht dann, wenn die Gesundheit eines einzelnen konkret gefährdet oder verletzt ist, der Schutz der Volksgesundheit in den alleinigen Schutz dieses Individualrechtsguts um?“ 248 Der BGH verneint dies bereits in seinem Grundsatzurteil, wenn es in einer Passage heißt249: „Daran ändert sich nichts, wenn sich die abstrakte Gefährlichkeit für das Schutzgut in Einzelfällen darin konkretisiert, dass Menschen infolge des Genusses zu Tode kommen.“ Dies hilft im Hinblick auf die Beantwortung der konkreten Fragestellung nicht weiter, da im Rahmen des § 30 I Nr. 3 BtMG der Todeseintritt gerade nicht der „Einzelfall“, sondern zwingende Voraussetzung für dessen Verwirklichung ist. Beulke/Schröder stimmen dem BGH nur im Ergebnis zu und versuchen ihre These, mit einem nicht fern liegenden Vergleich zu § 315c StGB zu untermauern.250 Nach einer „beachtlichen Mindermeinung“ sei nämlich dort eine Einwilligung in die Gefahr durch den Beifahrer möglich.251 Daher sei eine Übertragung der dort gemachten Überlegungen auf § 30 I Nr. 3 BtMG grundsätzlich denkbar (schließlich schützt diese Vorschrift ebenfalls ein indisponibles Universalrechtsgut, nämlich die „Sicherheit des Straßenverkehrs“). Weil aber der Regelfall in § 315c StGB nicht die Gefährdung des Beifahrers sei und die Vorschrift somit im Gegensatz zu § 30 I Nr. 3 BtMG weiterhin größtenteils Anwendung finden könne, lehnen sie im Ergebnis eine Übertragbarkeit der Überlegungen zu § 315c StGB ab.252 Der Vergleich mit § 315c StGB lässt allerdings keine Rückschlüsse auf § 30 I Nr. 3 BtMG zu. Dies nicht nur, weil die Einwilligungsmöglichkeit i. R. d. § 315c StGB „nur eine Mindermeinung“ vertritt, sondern weil sich der Tatbestand strukturell von § 30 I Nr. 3 BtMG unterscheidet: § 315c StGB ist ein eigenständiger Grundtatbestand. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt in Form einer Vorsatz-Vorsatz-Kombination.253 § 30 I Nr. 3 BtMG ist dagegen unstrittig eine Erfolgsqualifikation, auf die § 18 StGB Anwendung findet. Während § 315c StGB also einen Gesamtunrechtstatbestand konstruiert, kann § 30 I Nr. 3 BtMG theoretisch getrennt werden, nämlich in das schlichte Tätigkeits-Grunddelikt (§ 29 I Nr. 1 Var. 8, 6b BtMG) und dem strafschärfenden Erfolg des Todeseintritts. Ist diese Trennung vollzogen und sieht man in dieser Möglichkeit der Trennung zugleich eine Aufteilung des Rechtsgüterschutzes, kommt eine Zustimmung in die Gefahr der Qualifikation in Betracht, während der Grundtatbestand davon unberührt bleibt. Dies führt zum gegenteiligen Schluss: Wenn bereits bei einem 247 248 249 250 251 252 253
StGB.
Beulke/Schröder NStZ 1991, 393. Beulke/Schröder NStZ 1991, 393. BGHSt 37, 179 (182 a. E.). Beulke/Schröder NStZ 1991, 393. Zum Ganzen Rengier BT II § 44 Rn. 9 m.w. N. Beulke/Schröder NStZ 1991, 393. Möglicherweise auch als Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination, vgl. § 315c III
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Gesamtunrechtstatbestand die Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung denkbar sein soll,254 muss dies bei einer auf einem Grundtatbestand basierenden, aber bereits „technisch getrennten“ Qualifikation erst recht gelten. Schließlich bleiben die Kollektivrechtsgüter nicht schutzlos gestellt, da § 29 I BtMG anwendbar bleibt.255 Im Gegensatz zu § 316 StGB fungiert diese Vorschrift überdies nicht als „Auffangnorm“, sondern bildet den Grundtatbestand.256 Auch dieses Verhältnis der Tatbestände zueinander lässt andeuten, dass sich i. R. d. § 30 I Nr. 3 BtMG alles auf den Individualrechtsgüterschutz konzentriert. Eine grundsätzlich bessere Vergleichsgrundlage liefern erfolgsqualifizierte Delikte, die an den Tod eines Individuums knüpfen, allerdings im Grundtatbestand Universalinteressen schützen. Hierzu zählt beispielsweise 306c StGB: Als „Grundtatbestand“ des § 306c StGB kommt nicht nur das „spezielle Sachbeschädigungsdelikt“ des § 306 StGB in Betracht, sondern auch das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 306a StGB. Diese Vorschrift schützt ihrerseits zumindest in § 306a I Nr. 2 StGB neben Individualinteressen ebenso kollektive Rechtsgüter.257 Würde nun ein Dritter (Angehöriger, Pfarrer oder Feuerwehrmann) sich eigenverantwortlich in die brennende Kirche begeben und hierbei den Tod finden, würde niemand die grundsätzliche Erwägung des Zurechnungsausschlusses anzweifeln, obwohl eine Zustimmung in die Gefahr des kirchlichen Tabus der Disposition des verunglückten Retters entzogen ist. Gleiches gilt für den (grundsätzlich denkbare, im Regelfall allerdings ausgeschlossene) eigenverantwortlichen Tod eines Minderjährigen i. R. d. § 235 V StGB. Die Vorschrift schützt die elterliche Sorge, welche der Disposition des Drittbeteiligten ebenfalls entzogen ist. Als deutlichstes Beispiel sei § 330 II Nr. 2 i.V. m. § 324 StGB genannt, die Gewässerverunreinigung mit Todesfolge. Während das Grunddelikt nach h. M. die „Gewässergüte“ und somit (ausschließlich) Allgemeininteressen schützt258, dient die Strafschärfung ihrerseits allein Individualinteressen. Daher könnte man im Falle des § 330 II Nr. 2 StGB über einen Zurechnungsausschluss diskutieren, wenn das spätere Opfer aus einem ersichtlich dreckigen und vergifteten Gewässer trinkt und daraufhin an einer Vergiftung stirbt.259 In diesen Fällen bleibt die eigenverantwortliche Selbstgefährdungsdogmatik also anwendbar, d.h. eine „Tren-
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Vgl. auch v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 315c Rn. 67. Speziell zu den §§ 315 ff. StGB findet sich diese Argumentation der Trennbarkeit aufgrund ausreichenden Schutzes über sonstige Vorschriften bei Hillenkamp JuS 1977, 166 (170). 256 Zu diesem Vergleich auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 99. 257 Einerseits Leib und Leben der Kirchgänger, andererseits das „kirchliche Tabu“; str. dagegen, ob § 306a I Nr. 2 StGB allein Kollektivinteressen schützt, siehe SSW/ Wolters § 306a Rn. 3, Geppert, FS-Weber, S. 427 (437); a. A. Sch/Sch/Heine § 306a Rn. 1. 258 SSW/Saliger § 324 Rn. 2. 259 SSW/Saliger § 330 Rn. 1. 255
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nung“ von Delikten in indisponiblem Grundtatbestand und disponiblem Strafschärfungsgrund ist grundsätzlich anerkannt. Ob man wegen der im Grundsatz vergleichbaren Tatbestandsstruktur diese Erwägungen auf § 30 I Nr. 3 BtMG übertragen kann, bleibt dennoch fraglich, wenn man den wesentlichen Unterschied zu § 30 I Nr. 3 BtMG berücksichtigt, den die Fallgestaltungen zu Tage gebracht haben: Zwischen den Beteiligten besteht in den Fällen der §§ 306c, 325 V, 330 II Nr. 2 StGB keine „unmittelbare Verknüpfung“ bzw. kein „Näheverhältnis“ dergestalt, als bereits bei der Tathandlung des Grundtatbestandes der Dritte stets unmittelbar gefährdet sein müsste. Dies ist bei § 30 I Nr. 3 BtMG aber der Fall, da der Grundtatbestand immer die „Mitwirkung“ des Dritten an der Selbstverletzung voraussetzt. (2) Trennbarkeit des Tatbestandes im Hinblick auf Wortlaut und Systematik Die soeben getroffene Feststellung kommt der anfangs beschriebenen systematischen Erwägung nahe, dass der Aspekt der Selbstgefährdung bei den Vorschriften des BtMG denknotwendig eingeschlossen sei. Diesen Gesichtspunkt greifen die Befürworter der Einschränkung auch im Hinblick auf § 30 I Nr. 3 BtMG auf: Da die Tathandlungen aus dem Grundtatbestand stammen und unmittelbar Bezug auf den Todeserfolg nehmen („und dadurch“) schlage das Argument der denknotwendigen Selbstgefährdung auf § 30 I Nr. 3 BtMG durch und führe somit zu einer „Unzertrennbarkeit“ von Grundtatbestand und Erfolgsqualifikation.260 Der Wortlaut der Vorschrift verstärkt diesen Eindruck, weil er nicht zwischen Eigenund Fremdgefährdung differenziert und die Tathandlungen des Verabreichens und Abgebens gleichsetzt. Dies scheint dafür zu sprechen, dass der Gesetzgeber keine Abschichtung nach Verantwortungsbereichen vornehmen wollte und dementsprechend die Eigenverantwortlichkeit des Konsumenten keine Rolle spielen soll. Zumindest letztere Erwägung kann man dadurch entkräften, dass § 30 I Nr. 3 BtMG zu einer Zeit entstand, in der die grundsätzliche Einschränkung noch nicht anerkannt und somit auch die Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdgefährdung nicht herausgearbeitet war.261 Insofern darf die Eigenverantwortlichkeit in den Fällen der unmittelbaren Verbrauchsüberlassung bzw. Abgabe geprüft werden, während bei einer Verabreichung „analog“ diskutiert werden müsste, ob eine einverständliche Fremdgefährdung die Strafbarkeit ausschließt. Problematisch bleibt aber der im Unterschied zu anderen Erfolgsqualifikationen unmittelbare Bezug zwischen Tathandlung und Todeserfolg. An dieser Stelle muss einmal mehr differenziert werden: Denn es wurde bereits betont, dass der 260 In diese Richtung wohl Franke/Wienroeder § 30 Rn. 35; Rudolphi JZ 1991, 571; Beulke/Schröder NStZ 1991, 393; Joachimski/Haumer § 30 Rn. 17. 261 Vgl. 3. Teil A. I. 3. b), S. 122 ff.
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Aspekt der Selbstgefährdung nur bei der unmittelbaren Verbrauchsüberlassung denknotwendig eingeschlossen ist, während die Abgabe von Betäubungsmitteln nicht notwendig eine Selbstgefährdung des Konsumenten bedeuten muss und die Verabreichung auch gegen den Willen des Opfers erfolgen kann.262 Schwieriger gestaltet sich solch eine Trennung zwischen Grundtatbestand und Erfolgseintritt also bei der unmittelbaren Verbrauchsüberlassung gem. § 29 I Nr. 6b BtMG. Die Sonderstellung dieser Tathandlung ergibt sich aus ihrer besonderen Eigenschaft, nämlich dass sie unmittelbar auf den Konsum der Droge (also der Selbstgefährdung des Dritten) ausgerichtet ist, aber die Tatherrschaft eben nicht der Gefahrinitiator inne hat (wie dies etwa beim Verabreichen der Fall ist). Hier könnte man die Erwägung anstellen, dass eine Trennung von Grunddelikt und qualifizierender Folge nicht möglich ist, weil die Tathandlung ein selbstgefährdendes Verhalten voraussetzt. Das Argument der denknotwendigen Selbstgefährdung kann allerdings nur bei Delikten greifen, die bereits eine bloße Tathandlung für die Tatbestandsverwirklichung ausreichen lassen. Kumuliert die Tathandlung mit der Notwendigkeit eines Außenwelterfolges in Form des Todeseintritts, bleibt es zwar zunächst dabei, dass der Dritte sich (auch für den Erfolgseintritt) selbst gefährden muss. „Denknotwendig“ ist allerdings nicht, dass sich der Dritte durch die Verbrauchsüberlassung einer Lebensgefahr aussetzt. Anders gewendet: Jede Verbrauchsüberlassung von Drogen, ist mit einer in Kauf genommenen Gefahr der Gesundheit verbunden, nicht jede Überlassung muss aber den Tod bedeuten. Da sich also die „Qualität“ der Gefahren unterscheiden kann (nicht muss), erscheint es durchaus vertretbar, auch im Rahmen der unmittelbaren Verbrauchsüberlassung eine Trennbarkeit des Tatbestandes anzunehmen. (3) Drohender Funktionsverlust des § 30 I Nr. 3 BtMG durch Selbstgefährdungsdogmatik Ebenfalls verfehlt ist die bereits angedeutete These, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift der „Rechtsgütersplit“ und die damit einhergehende Ermöglichung der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung extrem eingeschränke.263 Es wurde aufgezeigt, dass eine Eigenverantwortlichkeit beim Konsumenten nicht selten fehlt, weil er zu jung ist, krankhaft süchtig ist oder die Gefahr nicht überblicken kann.264 Dies schlägt sich statistisch darin nieder, dass die Verurteilungsraten für § 30 I Nr. 3 BtMG seit der „Klarstellung“ des BGH nicht merklich an262 Was an dem Umstand, dass der Tatbestand nicht auf eine konkretisierte Fremdgefährdung gerichtet und somit eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung ausgeschlossen ist, nichts ändert, siehe oben. 263 So aber Beulke/Schröder NStZ 1991, 393 (394); Rudolphi JZ 1991, 572 (573). 264 Insbesondere BGHSt 53, 288 („Kokainverwechslung“) lässt eine weitere Extension in diesem Bereich erwarten, da Irrtümer zu Lasten der Konsistenz und Drogenart zu Lasten des Überlassenden gehen können.
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gestiegen sind, im Gegenteil seit 1996 kontinuierlich zurückgehen.265 Die Anwendung der Vorschrift scheitert in der Praxis somit nicht an eigenverantwortlichen Selbstgefährdungen der Konsumenten, sondern meist am Kausalitäts- sowie Leichtfertigkeitsnachweis. (4) Telos der Norm contra Selbstgefährdungsdogmatik Letztlich weist die Rechtsprechung auch häufig auf den ursprünglich angestrebten, speziellen Sinn der Strafnorm hin. (a) Erfassen der Großtäter? Sie bezwecke ein effektives Vorgehen gegen „Großtäter“,266 wobei die Umsetzung dieser Zielrichtung bei Anerkennung der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung im Rahmen des § 30 I Nr. 3 BtMG kaum umsetzbar. Dies überzeugt nicht. Es ist bereits fraglich, was man unter einem so genannten „Großtäter“ verstehen soll:267 Schließlich könnte man hierunter gewerbsmäßig agierende Einzelgänger, in einer Bande bzw. mafiaähnlichen Struktur handelnde Täter oder auch Gelegenheitsdealer verstehen, die einmalig mit großen Mengen Handel treiben. Die Anwendung der Eigenverantwortlichkeitsdogmatik hat allerdings keinen Einfluss darauf, wer im konkreten Einzelfall Drogen an Dritte abgibt: Regelmäßig ist dies gerade nicht der „Großtäter“ i. S. d. oben genannten Personen. Meist erhält der Konsument die letztlich tödliche Dosis von seinem „Dealer des Vertrauens“ (sprich einem Zwischenhändler), der u. U. selbst abhängig ist und sich durch die entgeltliche Abgabe refinanziert.268 Die Ausgestaltung als Erfolgsqualifikation und die damit verbundene Notwendigkeit eines tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhangs (teils auch als „Unmittelbarkeitszusammenhang“ bezeichnet) steht einer weiten Kausalkette, die einen Rückgriff auf den Großhändler bzw. auf den Hintermann ermöglichen würde, gerade entgegen.269 Außerdem ist diese Argumentation schon deswegen angreifbar, weil sich die gesetzgeberische Intention auf den gesamten Qualifikationstatbestand bezieht. Die „Großtäter“ werden im BtMG wesentlich effektiver durch andere Qualifikationen wie den Bandenhandel gem. § 30a BtMG sowie dem Handeltreiben in nicht ge265
MK-StGB/Rahlf § 30 BtMG Rn. 124. Beulke/Schröder NStZ 1991, 393 (394); Rudolphi JZ 1991, 572 (574). 267 Auch wenn der Begriff häufiger in Gesetzesunterlagen vorkommt, vgl. BT-Drs. 8/ 3551, S. 37; Nestler-Tremel StV 1992, 273 (276) weist auf die Berichterstattung der Bundesregierung hin, wonach Beschuldigte als „Großtäter“ gelten sollen, die wegen Delikten mit über 20 g (reinem) Heroin verurteilt werden. 268 Es gibt also auch ein „Handeltreiben“ mit Todesfolge, wenn die Abgabe, Verabreichung oder unmittelbare Verbrauchsüberlassung der Drogen in diesem „aufgehen“, vgl. Fn. 233 in Teil 3. 269 Nestler-Tremel StV 1992, 273 (276). 266
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ringen Mengen gem. § 29a I Nr. 2 BtMG erfasst. Gegen den angeführten Gesetzeszweck spricht i. Ü. auch der Wortlaut, der die umsatzbezogenen Abgabehandlungen wie „Handeltreiben“ oder das „Veräußern“ nicht aufgenommen hat, sondern diese erst in erweiternder Auslegung durch die Rechtsprechung in den Handlungskatalog des § 30 I Nr. 3 BtMG hineingelesen werden müssen.270 Beharrt man auf der These, dass die Vorschrift tatsächlich diesen Zweck verfolgt, muss sie als „kriminalpolitisch verfehlt“ betrachtet werden.271 (b) Tod des Einzelnen als Beeinträchtigung von Kollektivrechtsgütern? Doch auch unter der Prämisse, dass die Strafschärfung des § 30 I Nr. 3 BtMG „die mit dem Todeseintritt bewirkte Intensivierung der Beeinträchtigung [anderer] universeller Interessen erfassen soll272, bleiben Fragen offen. Soweit man, wie der BGH mit dem Rechtsgut der Volksgesundheit u. a. Schäden wie drogenbedingten Leistungsausfällen in Schule, Ausbildung und Beruf bzw. Belastung der Sozialversicherungssysteme etc. vorbeugen will, muss man zugeben, dass der Tod des Konsumenten diese Belange gerade nicht beeinträchtigt, sondern diesen „entgegenkommt“. Stellt man auf die Volks-„Gesundheit“ ab, ist diesbezüglich anzumerken, dass der Tod für das „Volk“ eher eine abschreckende Wirkung hat. Präventiv wirkt also insofern nicht der Tatbestand, sondern der Erfolgseintritt, der verhindert werden soll. Dies betont auch Nestler-Tremel, der eine unterschiedliche Behandlung von § 29 I BtMG und § 30 I Nr. 3 BtMG gerade auch aus diesem Gesichtspunkt heraus legitimieren will. Während der Grundtatbestand eine präventive Wirkung entfalten soll,273 hat § 30 I Nr. 3 BtMG als Reaktion auf den Todeseintritt schwerpunktmäßig eine repressive Funktion.274 Im Hinblick auf den „wirtschaftlichen“ Teilaspekt der Volksgesundheit entfallen durch den Tod gerade die befürchteten „Folgekosten“ für die Gesellschaft.275 Dies mag in gewissem Grade zynisch klingen, ist aber bei solch einem Rechtsgutskonzept der Sache nach zutreffend. Wesentlich zynischer wäre es nun zu behaupten, der Staat sanktioniere mit der Strafschärfung des Todeseintritts einen 270 Wobei dies zumindest im Hinblick auf das „Handeltreiben“ noch nachvollziehbar ist, da dessen Weitläufigkeit eine nicht gewollte Extension hätte verursachen können. Solange der BGH wie jetzt bei der erweiterten Auslegung die Verwirklichung der drei Grundhandlungen zwingend voraussetzt, ist sie im Hinblick auf Art.103 I GG auch nicht weiter bedenklich. 271 Joachimski/Haumer § 30 Rn. 11; Malek 2. Kap. Rn. 406. 272 So Rudolphi ohne nähere Begründung JZ 1991, 572 (574). 273 Insbesondere die Unterbindung des Umlaufs und Konsums. 274 Nestler-Tremel StV 1992, 273 (276). 275 Man denke an Aufwendungen für Entziehungskuren, weitere Vermögensschäden durch Beschaffungskriminalität etc.
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„entgangenen Gewinn“ in Folge nicht erbrachter Sozialleistungen bzw. nicht rentierter Ausbildungskosten.276 Solch eine Zwecksetzung wäre nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich, sondern ist auch den Gesetzesmaterialien des BtMG nicht zu entnehmen. Der Todeseintritt des Individuums kann die Gesellschaft nicht stärker beeinträchtigen, als dieses selbst.277 Es kann der Schutzgutargumentation des BGH also letztlich nicht entnommen werden, wie mit der Statuierung einer Erfolgsqualifikation, die an den Tod eines Einzelnen knüpft, weitere Aspekte der Volksgesundheit beeinträchtigt werden sollen. Ein zusätzlicher Schutz der Volksgesundheit kann letztlich nicht in das strafschärfende Merkmal des § 30 I Nr. 3 BtMG hineingelesen werden.278 (5) Zwischenergebnis zur Einschränkung i. R. d. § 30 I Nr. 3 BtMG Die angestellten Überlegungen haben gezeigt, dass die systemimmanente und somit im Grundsatz auch Zustimmung verdienende Einschränkung der Selbstgefährdungsdogmatik im BtMG nicht ohne Weiteres auf § 30 I Nr. 3 BtMG übertragen werden kann. Historische Überlegungen helfen nicht weiter, da bei der Entstehung des Tatbestandes die eigenverantwortliche Selbstgefährdung grundsätzlich noch nicht anerkannt war. Auch ein Vergleich mit anderen vergleichbaren Vorschriften, wie § 315c StGB oder § 330 II Nr. 3 StGB ist nicht ergiebig, da diese Delikte strukturelle Unterschiede aufweisen, die einer Übertragbarkeit entgegenstehen. Bei den Erfolgsqualifikationen des StGB hat sich gezeigt, dass dort die Grundtatbestände und die qualifizierenden Folgen nicht unmittelbar aufeinander aufbauen, sprich anders als beim § 30 I Nr. 3 BtMG keine Mitwirkung im Grundtatbestands-„Stadium“ notwendig ist. Dennoch bleibt die Einschränkung bedenklich, da die vorgebrachten Argumente der Rechtsprechung und ihrer Befürworter durchweg Einwänden ausgesetzt sind. Die Überlegung, der gesetzgeberische Zweck der Vorschrift, Großtäter zu erfassen, könne mit einer Anwendung der Eigenverantwortlichkeitsdogmatik nicht erreicht werden, kann in doppelter Hinsicht nicht überzeugen. Zum einen beziehen sich die vorgebrachten gesetzgeberischen Intentionen auf die Qualifikationstatbestände des BtMG insgesamt (also auch auf die Mengen- und Bandenqualifikationen). Zum anderen handelt es sich in phänomenologischer Hinsicht bei den Abgebenden regelmäßig nicht um Großhändler, sondern nur um Zwischenlieferanten. Wollte man die Vorschrift mit dem Willen des Gesetzgebers begründen, die Gefahr des Todeseintritts durch § 30 I Nr. 3 BtMG verhindern zu wollen, muss man darauf aufmerk276
Siehe diesbezüglich auch Hoyer StV 1993, 128 (129). Der Tod ist kein „Verrechnungsposten“ in einer gesamtgesellschaftlichen Bilanz, vgl. Renzikowski JR 2001, 248 (250). 278 Zustimmend Köhler MDR 1992, 739; Nestler-Tremel StV 1992, 273; Roxin NStZ 1985, 320; kritisch, aber hauptsächlich schon im Hinblick auf das Rechtsgutskonzept Paeffgen, FS-BGH, 2000, S. 696 ff.; unklar LK/Walter Vor § 13 Rn. 115; offen gelassen auch von Kühl AT § 4 Rn. 87 sowie Frisch NStZ 1992, 62. 277
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sam machen, dass der Tatbestand regelmäßig an anderen Merkmalen scheitert (meist am Nachweis der Kausalität und der Leichtfertigkeit des Täterverhaltens). Letztlich ist auch die Behauptung, durch den Tod des Einzelnen werde die Beeinträchtigung des Kollektivrechtsguts „Volksgesundheit“ intensiviert, nicht fundiert. Unterstellt, der Schutz dieses Rechtsguts ginge dem des Individualrechtsgüterschutzes vor, ist fraglich, worin man die Beeinträchtigung des Rechtsguts zu sehen hat. Die finanziellen Kosten des Todeseintritts als Schutzposten heranzuziehen, ist nicht hinnehmbar. Da der „Erfolg“ der Erfolgsqualifikation somit ausschließlich Individualinteressen tangiert, unterliegt dieses „Teilunrecht“ der Disposition des Einzelnen. Fällt dieses Teilunrecht durch eine Zustimmung des Einzelnen in die Gefährdung weg, muss die Verwirklichung des Gesamtunrechtstatbestandes verneint werden.279 Problematisch bleibt lediglich die systematische Verknüpfung von Tathandlung und Taterfolg. Diese kann jedenfalls bei der Abgabe durchbrochen werden, da nicht jede Abgabe zugleich eine Selbstgefährdung des Opfers bedeuten muss bzw. eine Zustimmung in die Selbstgefährdung voraussetzt, sodass auch das Argument der denknotwendigen Selbstgefährdung zumindest im Hinblick auf § 30 I Nr. 3 BtMG nicht greift. Problematischer dagegen sind die Tathandlungen der unmittelbaren Verbrauchsüberlassung sowie der Verabreichung; für beide Modalitäten gilt allerdings, dass die Tathandlung zwar denknotwendig eine Selbstgefährdung, nicht jedoch eine Lebensgefahr voraussetzt. Diese potentiell unterschiedliche Gefahrintensität macht eine Trennung des Tatbestandes in Grunddelikt und qualifizierender Folge möglich. Dies ändert jedoch zumindest beim „Verabreichen“ nichts daran, dass der Gefahrinitiator die Tatherrschaft hat, was eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung bereits strukturell ausschließt. Soweit man allerdings die Möglichkeit einer einverständlichen Fremdgefährdung anerkennt, können die hier gemachten Überlegungen zumindest insofern fruchtbar gemacht werden, als dass der Täter über die Gefahr disponieren kann. Im Ergebnis muss die eigenverantwortliche Selbstgefährdung des späteren Todesopfers auch bei § 30 I Nr. 3 BtMG Berücksichtigung finden. Das bereits verwirklichte Unrecht (bzw. die Verletzung der Volksgesundheit, die Beeinträchtigung des Jugendschutzes sowie die Förderung der Organisierten Kriminalität) durch die Abgabe etc. erfasst der Grundtatbestand des § 29 I BtMG. cc) Ausnahme bei Drogenüberlassung zum Suizid? (BGHSt 46, 279) Eine Ausnahme von seiner Rechtsprechung will der BGH bei einer Betäubungsmittelüberlassung an einen unheilbar Schwerstkranken zum Zwecke des ernsthaften Suizids machen.280 Da das Urteil eine „Ausnahmekonstellation“ zum 279 280
So auch im Ergebnis Renzikowski JR 2001, 248 (250). BGHSt 46, 279.
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Gegenstand hat und die Strafbarkeit nach § 30 I Nr. 3 BtMG nicht den Schwerpunkt der Urteilsbegründung bildet, wurde die Entscheidung nicht in die bisherigen Überlegungen mit einbezogen. Häufig führen Sterbehilfesachverhalte wegen ihres rechtspolitischen Einschlags nur zu Leitsätzen, die ausschließlich auf Sachverhalte mit „altruistischem“ bzw. „empathischem“ Hintergrund passen, im Gesamtkontext aber angreifbar sind. Man denke nur an die klassische Mordtatbestandsrestriktion der „feindseligen Willensrichtung“ 281, die ebenfalls im Rahmen eines Suizid-Sachverhalts entstand und von der Literatur im konkreten Fall „toleriert“ wurde, im Übrigen aber weitgehend auf Ablehnung stieß.282 Auch BGHSt 46, 279 leidet an diesen „Symptomen“, da sich dem Urteil nicht einmal entnehmen lässt, woran der BGH eine potentielle Strafbarkeit nach § 30 I Nr. 3 BtMG konkret scheitern lassen will. Zwar deutet der BGH darauf hin, dass der Täter nicht leichtfertig handele, begründet diese fehlende grobe Fahrlässigkeit aber nicht mit Sorgfaltspflichterwägungen, sondern mit einer spezifischen teleologischen Reduktion des Tatbestands, die ihrerseits den Schutzzweckgedanken als „Aufhänger“ hat. (1) Sachverhalt und Lösungsansatz des BGH Verurteilter in der Leitsatzentscheidung des BGH (BGHSt 46, 279) ist ein 83jähriger Gemeindepfarrer, der sich aktiv mit dem Problembereich „Sterbehilfe und Sterbebegleitung“ beschäftigt. Eine an Multipler Sklerose im Endstadium erkrankte Frau kontaktiert und bittet diesen um Sterbebegleitung. Der Angeklagte beschafft daraufhin in der Schweiz 10 g Natrium-Pentobarbital, um diese gem. Anlage III des BtMG als Betäubungsmittel qualifizierten Stoffe in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen. Daheim bei der Frau angekommen löst er den Stoff in einem Glas Wasser auf und reicht das Glas der nach wie vor sterbewilligen Frau, die in vollem Besitz ihrer geistigen Kräfte ist. Eine halbe Stunde später verstirbt diese an den Wirkungen des Betäubungsmittels. Der Täter geht hierbei das ganze Geschehen über von einer Straflosigkeit seines Tuns aus, weil die Teilnahme an der Selbsttötung in der Bundesrepublik straflos ist. Er übersieht also, dass eine Strafbarkeit wegen unerlaubter Einfuhr und Verbrauchsüberlassung mit Todesfolge gem. §§ 29, 30 I Nr. 3 BtMG im Raum steht. Tatsächlich verurteilte das LG Berlin den Angeklagten „nur“ nach § 29 I BtMG. Der BGH stellte in seinem Leitsatzurteil keine Rechtsfehler zugunsten oder zu Lasten des Angeklagten fest. So sei die Verneinung des § 30 I Nr. 3 BtMG nicht zu beanstanden. Den Schwerpunkt der Urteilsausführungen bildet hierbei die Frage, inwiefern eine Rechtfertigung bzw. Entschuldigung der Grundtatbestände gem. §§ 34, 35 StGB in Betracht kommt. Dies liegt nahe, erklärt die h. M. doch die Straflosig281 282
BGHSt 9, 385 (390); 37, 376 (377). Mitsch JuS 1996, 214; SSW/Momsen § 211 Rn. 49 f.
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keit der indirekten Sterbehilfe283 mit einer Anwendung des § 34 StGB, indem man zwischen der einverständlichen Ermöglichung eines schmerzfreien Todes gegenüber einer etwas längeren Lebensdauer, dafür unter Erleiden qualvoller Schmerzen abwägt.284 Da die Schmerzlinderung mit Betäubungsmitteln aber eine spezielle Frage ist, welche die Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgründe des Allgemeinen Teils betrifft, sollen diese Passagen des Urteils gesondert an entsprechender Stelle analysiert werden.285 Da die Vermeidbarkeit des Irrtums gem. § 17 StGB außer Frage steht, kommt man zu der interessanten Frage, warum weder das LG noch der BGH eine Verwirklichung des § 30 I Nr. 3 BtMG annehmen wollen. Legt man der Lösung des Falles die hier vertretene Auffassung zugrunde, dass eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung – in diesem Fall sogar Selbstverletzung in Form des Suizids – den tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhang bzw. die objektive Zurechenbarkeit des Verhaltens ausschließt, ist das Ergebnis nicht zu beanstanden. Während der Grundtatbestand des § 29 I Nr. 1, 6b BtMG unproblematisch verwirklicht ist286, führt die Zustimmung in die Lebensgefährdung sowie tatherrschaftliche Vornahme des unmittelbar lebensbeendenden Akts bei § 30 I Nr. 3 BtMG zu einem Abbruch des Zurechnungszusammenhangs. Wenn § 30 I Nr. 3 BtMG ausschließlich bzw. vorrangig Individualinteressen schützt, muss die autonome Entscheidung des Suizidenten nicht nur bei den §§ 212, 211 StGB, sondern auch bei den Erfolgsqualifikationen des Kern- und Nebenstrafrechts Anwendung finden. Hinzu tritt, dass Erfolgsqualifikationen sowohl im Hinblick auf ihre grundsätzliche Ausgestaltung als auch auf ihren Strafrahmen nicht auf Selbsttötungen zugeschnitten sind.
283 Linderung unerträglicher Schmerzen mit Medikamenten, die dabei als nicht vermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen. 284 Rengier BT II § 7 Rn. 4. 285 3. Teil A. III. 4. b), S. 260 ff., insb. Fn. 883. 286 Daran ändert auch nichts, dass das zur Verfügung-Stellen der Drogen nur als Teilnahmehandlung zur tatbestandslosen Selbsttötung zu qualifizieren wäre. Die limitierte Teilnehmerakzessorietät begründet kein universell geltendes „Bestrafungsverbot“, sondern ist nur eine systematische Konsequenz der Notwendigkeit einer vorsätzlich, rechtswidrigen Haupttat. Der Gesetzgeber ist frei darin, Handlungen – die im Einzelfall eventuell als Teilnahmehandlungen zu qualifizieren wären – eigenständig zu pönalisieren, wie etwa den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln. Ob diese rechtspolitisch fragwürdige Situation nicht durch einen Rückgriff auf die §§ 34, 35 StGB oder mittels Tatbestandsrestriktionen erreicht werden kann, gilt es nochmals aufzugreifen, vgl. Fn. 883 in Teil 3; Heuchemer JA 2001, 627 (631) weist zu Recht darauf hin, dass der Gehilfe straflos bleibt, wenn er bei einem „grausameren“ Suizid Hilfe leistet (wie etwa durch Zyankali, dessen Erwerb straflos ist oder das Reichen des Föns im Badezimmer), als wenn er dabei hilft, die Schmerzen durch den Erwerb und die Einfuhr von Betäubungsmitteln möglichst gering zu halten; zu diesem „Auseinderdriften“ von kernstrafrechtlicher Wertung und betäubungsmittelrechtlicher Strafandrohung vgl. auch Roxin AT I § 16 Rn. 58 f.
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Der BGH hat dagegen einen wesentlich höheren Begründungsaufwand, weil er der Eigenverantwortlichkeit i. R. d. § 30 I Nr. 3 BtMG keine Bedeutung beimisst. Man merkt dies dem Urteil an, da der Senat ständig darum bemüht ist, keine „Abkehr“ von seiner bisherigen Rechtsprechung zu signalisieren bzw. den „Ausnahmecharakter“ des Falles zu betonen. So hebt er bereits im Leitsatz die besondere Situation hervor, wenn es heißt: „Das Überlassen eines Betäubungsmittels zum freien Suizid an einen unheilbar Schwerstkranken, der kein Betäubungsmittelkonsument ist, erfüllt nicht den Tatbestand der Betäubungsmittelüberlassung mit leichtfertiger Todesverursachung gemäß § 30 I Nr. 3 BtMG.“ Die Begründung weist allerdings im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung einige Unstimmigkeiten auf, was Anlass scharfer Kritik war (jedoch nicht was das Ergebnis anbetrifft).287 Zunächst weist der BGH noch zutreffend darauf hin, dass der Kausalzusammenhang nicht durch die Eigenverabreichung unterbrochen wurde. Auch der Senat kommt nicht um die Feststellung herum, dass der Gemeindepfarrer vorsätzlich hinsichtlich der Todesfolge handelte, wobei § 30 I Nr. 3 als schwächere Form des Verschuldens „nur“ Leichtfertigkeit voraussetzt, vgl. auch § 18 StGB. Der Senat betont bereits an dieser Stelle, dass „jedenfalls in anderen Regelungszusammenhängen“ vorsätzliches Handeln als stärkere Verschuldensform jedenfalls Leichtfertigkeit beinhalte und deutet somit an, dass er das in dieser Konstellation nicht so handhaben will. Da unter Leichtfertigkeit solche Handlungen fielen, bei denen die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs des Geschehens „aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit“ 288 außer Acht gelassen werde, könne sie bei einer in jeder Hinsicht selbstverantwortlichen Handlung, nicht bejaht werden. Insoweit erfasse der Vorwurf der Leichtfertigkeit „ausnahmsweise nicht ,erst recht‘ auch vorsätzliches Handeln“.289 Mit dieser Argumentation versperrt sich der BGH jegliche Schutzzwecküberlegungen, sodass die diesbezüglich angestellten Erwägungen nur deplatziert wirken und die Überzeugungskraft des Urteils eher mindern, als bekräftigen. So ist der Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht verkehrt, spricht allerdings nicht für eine Lösung des Falles über das Merkmal der Leichtfertigkeit. Die zweite 287 So heißt es bei Duttge NStZ 2001, 546: Die hier besprochene Entscheidung zählt somit eindeutig zu jenen, die im Sinne der von Meurer vorgeschlagenen Einteilung als dezidiert „pragmatisch“ gelten können, nicht „als Beispiel dogmatischer Trennschärfe und hoher Auslegungskunst“. 288 Siehe auch BGHSt 33, 66 (67). 289 Durch dieses „ausnahmsweise“ lässt der BGH zumindest andeuten, dass er bei festgestelltem Vorsatz grundsätzlich auch von einer Leichtfertigkeit ausgehen will. Damit tritt er Stimmen in der Literatur entgegen, die aus der Tatsache, dass das 6. StrRG bei den erfolgsqualifizierten Delikten des StGB das Wort „wenigstens“ vor „leichtfertig“ eingefügt und dies bei § 30 I Nr. 3 BtMG nicht getan hat ableiten wollten, dass Vorsatz und Leichtfertigkeit in einem Exklusivitätsverhältnis stünden. Wie MK-StGB/ Rahlf § 30 BtMG Rn. 149 zutreffend hinweist, hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass er bei seinem Reformvorhaben das Nebenstrafrecht unberücksichtigt ließ, BT-Drs. 13/7164, S. 22.
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Argumentationslinie des BGH führt den Rechtsanwender auf die falsche Fährte: Der Strafrahmen des § 30 I BtMG von zwei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe erfasse eine Unrechtsdimension, hinter der Fälle vorliegender Art von vornherein weit zurückblieben. Wenn der BGH aber in sonstigen Fällen der Eigenverantwortlichkeit § 30 I Nr. 3 BtMG bejahen will, scheint er ausschließlich auf das Milieu des Geschehens sowie auf den „guten Willen“ des Gefahrinitiators abzustellen. Bei der Einschränkung der Strafbarkeit geht es allerdings nicht primär um die Bevorzugung des Teilnehmers an der Selbstverletzung bzw. Selbstgefährdung, sondern um die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie des Suizidenten bzw. sich Selbstverletzenden. Die Ansicht des BGH vermittelt dagegen den Eindruck, als könne die Empathie des Einzelnen den Schutzzweck der Vorschriften umwandeln. Aus der konkreten Begründung ergibt sich deutlich, dass sich der BGH um eine Feststellung windet, wonach eigenverantwortliche Selbstgefährdungen im Einzelfall auch im Betäubungsmittelstrafrecht den Zurechnungszusammenhang ausschließen können. Dies, weil der Senat sich wegen der grundsätzlichen Einschränkung gehindert sah, § 30 I Nr. 3 BtMG an der Eigenverantwortlichkeit scheitern zu lassen.290 (2) Eigener Lösungsvorschlag für den Suizidfall im Hinblick auf § 30 I Nr. 3 BtMG Doch selbst unter Zugrundelegung des Schutzzweckkonzepts des BGH lassen sich derartige Fälle sachgerecht lösen, ohne eine missglückte „Verbiegung“ des Leichtfertigkeitsbegriffs vorzunehmen. Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung scheitert nach Auffassung der Rechtsprechung regelmäßig daran, dass die Volkgesundheit nicht der Disposition des Einzelnen unterliegt. Daher müsste § 30 I Nr. 3 BtMG bejaht werden, wenn man explizit auf die eigenverantwortliche Selbstgefährdung zurückgreift. Auf diese käme es allerdings erst an, wenn die Zurechnung grundsätzlich zu bejahen wäre bzw. die Vorschrift grundsätzlich auf derartige Fälle Anwendung finden würde. § 30 I Nr. 3 BtMG setzt als erfolgsqualifiziertes Delikt allerdings einen tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhang voraus, d.h. der Erfolg muss Ergebnis der „typischen Gefahren“ des Grunddelikts sein. Die „typischen Gefahren“ i. S. d. Vorschrift legt der Gesetzgeber durch seine „Zweckwidmung“ fest. Die §§ 29 ff. BtMG wollen den Umlauf bzw. den Konsum von Betäubungsmitteln, die Gefahren eines Drogenrausches sowie die dauernde Abhängigkeit verhindern. Als „typische Gefahr“ i. S. d. § 30 I Nr. 3 BtMG kann man dagegen nicht den Konsum der Drogen zu Suizidzwecken ansehen. Drogen sind als Suizidmittel austauschbar; anders gewendet: Die Verwendung von Drogen zur absichtlichen Selbsttötung ist nur ein Mittel von vielen und stellt daher keine typische Gefahr dar, 290 Ähnlich auch Duttge NStZ 2001, 546 (548), der von einer „offensichtlichen Divergenz“ spricht, welcher der BGH ausweichen musste.
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die das BtMG verhindert wissen will. Die Vorschrift des § 30 I Nr. 3 BtMG hat die (eigenverantwortliche oder nicht eigenverantwortliche) Inkaufnahme bloßer Lebensgefahren im Auge. Der Schutzzweck der Vorschrift ist auf Opfer beschränkt, welche selbst nur eine Lebensgefahr in Kauf nehmen, den Tod als solches aber keinesfalls herbeiführen wollen. Wenn der BGH innerhalb seines Konzepts konsequent bleiben will, darf es keinen Unterschied machen, ob derjenige, der die Drogen überlässt, aus altruistischen Motiven handelt oder nicht. Dies sind subjektive Schuldmerkmale, die allenfalls zu einem minder schweren Fall nach § 30 II BtMG führen könnten,291 worauf es mangels eines tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhangs nicht mehr ankommt. All die historischen sowie schutzzweckorientierten Erwägungen hätte der BGH somit in eine klare teleologische Reduktion des Tatbestandes platzieren können, wobei diese durch eine exakte Verortung am Merkmal der „spezifischen“ Gefahrschaffung nicht zu allgemein geraten wäre (bzw. streng genommen also nicht als teleologische Reduktion bezeichnet werden müsste). So erschließt sich auch die Ungleichbehandlung von Grundtatbestand gem. § 29 I BtMG und Erfolgsqualifikation gem. § 30 I Nr. 3 BtMG. Der Grundtatbestand pönalisiert abstrakte Gefahren, die nie eintreten müssten und ist somit durch die Einfuhr und Verbrauchsüberlassung vollendet.292 Die Strafrahmenverschiebung des § 30 I Nr. 3 BtMG tritt dagegen erst ein, wenn sich diese abstrakte Gefahr in „spezifischer“ Form realisiert. Schließt man sich der hier vertretenen Ansicht an, wonach eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung ohnehin den Zurechnungszusammenhang abbricht, wären diese Thesen nur „ÜberdiesArgumente“, auch wenn sie ebenfalls schon früher (nämlich am Anwendungsbereich der Vorschrift/am tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhang) ansetzten. (3) Zwischenergebnis zur Ausnahme bei Drogenüberlassung zum Suizid Dem Urteil des BGH zur Betäubungsmittelüberlassung zum Suizid lassen sich keine weiteren Argumentationen bezüglich der Selbstgefährdungsdogmatik entnehmen. Es handelt sich um einen speziellen Einzelfall-Leitsatz, der keine Kehrtwende von dem Grundsatz bedeutet, dass die Eigenverantwortlichkeit auch bei § 30 I Nr. 3 BtMG keine Rolle spielt.293 Es bleibt insofern bei den grundsätz291 Duttge NStZ 2001, 546 (548) sieht in einer Anwendung des § 30 II BtMG die angemessene Lösung. 292 Eine andere Frage ist dagegen, ob nicht bereits diese Tatbestände teleologisch reduziert bzw. über sonstige Kriterien der objektiven Zurechnung oder Rechtswidrigkeit eingeschränkt werden können. Der BGH hat durch die Annahme einer Tatbestandsmäßigkeit und die Verneinung einer Rechtfertigung gem. § 34 StGB solchen Einschränkungen eine Absage erteilt. Dies wird noch umfassender zu analysieren sein. 293 Zu diesem Befund vgl. auch MK-StGB/Rahlf § 30 BtMG Rn. 151.
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lichen Bedenken, die bereits aufgezeigt wurden. Der BGH hat es allerdings zusätzlich verpasst, dem Rechtsanwender klarere Strukturen für eine teleologische Reduktion betäubungsmittelrechtlicher Straftatbestände an die Hand zu geben bzw. festzulegen, wann solch eine „restriktive Auslegung“ nicht nur möglich, sondern geboten ist. Da sich Tatbestandsrestriktionen gut in die Fallgruppen der objektiven Zurechnung integrieren lassen, soll im Folgenden begutachtet werden, wann die übrigen Fallgruppen der objektiven Zurechnung im Betäubungsmittelstrafrecht eine Rolle spielen bzw. für eine Einschränkung der Strafbarkeit herangezogen werden. f) Tatbestandsrestriktion durch Fallgruppen der objektiven Zurechnung Bereits in der Einleitung wurde darauf hingewiesen, dass die objektive Zurechnung nicht ausschließlich auf eine reine „Erfolgszurechnung“ beschränkt ist. So indiziert bereits die Grundformel der objektiven Zurechnung, dass zwischen der rechtlich missbilligten Gefahrschaffung (sprich „Handlung“) und einer Erfolgsrealisierung (die möglicherweise fehlt) zu differenzieren ist.294 Zumindest bei der zweiten Einschränkungskomponente handelt es sich aber um Fallgruppen, die auf das Erfolgsdelikt zugeschnitten sind. Insofern gelten hier dieselben Vorüberlegungen, die bereits im Rahmen der Kausalität angestellt wurden.295 Als Fallgruppen der fehlenden Gefahrrealisierung sind atypische Kausalverläufe sowie der fehlende Pflichtwidrigkeitszusammenhang anerkannt.296 Da ihr denkbarer Anwendungsbereich im BtMG schmal bzw. ausgeschlossen ist, werden diese zuerst dargestellt (trotz des Umstands, dass phänomenologisch bzw. chronologisch die fehlende Gefahrschaffung der fehlenden Gefahrrealisierung vorangeht). aa) Fehlende Gefahrrealisierung (1) Atypische Kausalverläufe Der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges kann nicht mehr als das „Werk“ des Täters angesehen werden, wenn er auf einem atypischen Kausalverlauf beruht. Von atypischen Kausalverläufen ist die Rede, wenn der eingetretene Erfolg völlig außerhalb dessen liegt, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung noch in Rechnung zu stellen ist.297 Ein unge294 Die dritte Einschränkung („Schutzzweck der Norm“) deckt sich weitgehend mit der missbilligten Gefahrschaffung, sodass diese beiden Aspekte zusammengezogen werden können, zum Verhältnis der Fallgruppen zueinander SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 51, 60. 295 Siehe 3. Teil A. I. 2. c), S. 119. 296 Vgl. Wessels/Beulke Rn. 179; SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 51 ff.; Lackner/Kühl Vor § 13 Rn. 14. 297 BGHSt 3, 62; OLG Stuttgart JZ 1980, 618; Wessels/Beulke Rn. 196.
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wöhnlicher Geschehensablauf kommt allerdings nur in Konstellationen in Betracht, die eine gewisse Zeit andauern; zunächst drängt sich hier die „klassische“ Situation auf, bei der das Opfer wegen einer Überdosis nach Drogenverabreichung bzw. Überlassung gem. § 30 I Nr. 3 BtMG ins Krankenhaus gebracht werden soll, allerdings dann von der Trage fällt, weil diese nicht stabil genug ist und einen Genickbruch erleidet.298 Das Überlassen des Rauschgifts mag hier kausal im Sinne der Äquivalenztheorie sein, eine Zurechnung wäre aber im Ergebnis wegen des Zufallscharakters des Geschehens im Ergebnis abzulehnen. Neben der Erfolgsqualifikation des § 30 I Nr. 3 BtMG ist an die weiteren Erfolgsdelikte im Betäubungsmittelstrafrecht zu denken, also an Einfuhr- bzw. Durchfuhrkonstellationen sowie die Abgabe von Rauschgift über den Postweg (ohne Umsatzwillen299). Hier kann die Problematik allerdings umso häufiger vorkommen, was damit zusammenhängt, dass die Einfuhr kein „eigenhändiges Verbringen“ der Drogen voraussetzt und der Tatbestand objektiv mit Überschreitung der Grenze vollendet ist.300 Daher lassen sich bei diesen Tatmodalitäten, die zu den wenigen Erfolgsdelikten des BtMG zählen, atypische Kausalverläufe relativ „lebensnah“ konstruieren; als diskussionswürdiges Beispiel sei der Täter genannt, dem kurz vor der Grenze seine Drogen abhandenkommen, der dann aber nach Überschreitung der Grenze den Dieb wieder auffinden und sich das Rauschgift zurückholen kann.301 Denkbar ist auch, dass ein einfuhrwilliger Täter auf dem Fußwege seine Drogen unabsichtlich in einen grenzüberschreitenden Fluss fallen lässt und diese dann von selbst die Grenze überqueren. Bei einer Einfuhr über den Postweg ist an die Konstellation zu denken, dass ein Postbediensteter das von dem Täter in einem Paket auf den Weg gebrachte Rauschgift unterwegs entdeckt, unterschlägt und nach Umadressierung weiterleitet und einführt.302 Während die herrschende Lehre in derartigen Fällen einen atypischen Kausalverlauf und damit eine Verneinung der objektiven Zurechnung prüft,303 verlagert die Rechtsprechung das Problem auf die subjektive Ebene und prüft, ob die eingetretene Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf wesentlich ist oder nicht.304 298 Angelehnt an Wessels/Beulke Rn. 196; für den BGH macht es keinen Unterschied, ob die Verabreichung freiwillig oder unfreiwillig erfolgt, während die Literatur eine Zurechnung dann schon wegen der Eigenverantwortlichkeit ablehnen könnte. 299 Denn ansonsten wäre man beim Veräußern bzw. Handeltreiben, das als schlichtes Tätigkeitsdelikt verstanden wird, siehe noch ausführlich 3. Teil B. II. 1. a), S. 334 ff. 300 Siehe noch ausführlich 3. Teil C. II. 1. a) aa), S. 405 ff. m.w. N. 301 Wobei es in solch einem Fall – zumindest für die Vollendung – nicht darauf ankommen darf, ob der Täter die Drogen wiedererlangt oder nicht. 302 Ein vom BGH BGHSt 38, 32 (33) selbst konstruiertes Beispiel, das mit BGHSt 56, 162 Realität wurde, vgl. noch ausführlich 3. Teil C. II. 1. a) bb), S. 407 ff. 303 Wobei dies nicht bedeuten soll, dass in den zwei genannten Beispielen auch unbedingt ein atypischer Kausalverlauf gesehen werden muss. 304 So auch im berühmten Jauchegrubenfall BGHSt 14, 193; krit. Wolter ZStW 89 (1977), 649; Noltensmeier/Henn JA 2007, 772; Hruschka JuS 1982, 317; Og˘lakcıog˘lu JR 2010, 103; Sch/Sch/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rn. 55.
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Welchem der beiden Lösungswege der Vorzug zu gewähren ist, kann an dieser Stelle offen bleiben, da für beide das entscheidende Kriterium die wesentliche Abweichung ist. (a) Die wesentliche Abweichung in der Rechtsprechung des BGH Bei der Frage der Wesentlichkeit stellt der BGH schwerpunktmäßig auf die fehlende Kontrollmöglichkeit bzw. nicht vorhandene „Tatherrschaft“ ab. Sobald der Täter das Geschehen nicht mehr (in irgendwie gearteter Form) kontrollieren kann, scheidet auch eine Fremdgefährdung bzw. Beeinträchtigung der Volksgesundheit durch diesen Täter aus. In einem Beschluss des BGH vom 11.07. 1991305 ging es um einen Kurier, der Haschisch mit einem Reisebus in die Bundesrepublik verbringen sollte. Während einer Übernachtung in Spanien wurde ihm von einem im Bus mitreisenden Dritten das Haschisch entwendet. Der Dritte legte stattdessen zwei Handfeuerlöscher ins Gepäck, so dass der Kurier die Entwendung nicht bemerkte. Der Dieb brachte das Haschisch – vermutlich in seinem eigenen Reisegepäck – am Grenzübergang Lindau in die Bundesrepublik. In objektiver Hinsicht sind die Drogen also in die Bundesrepublik verbracht worden. Der BGH stellt diesbezüglich zutreffend fest, dass sich dennoch weder der Kurier noch sein Auftraggeber wegen einer vollendeten Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar machen. Werde dem Kurier vor der geplanten Einfuhr das mitgeführte Haschisch gestohlen und später vom Dieb eingeführt, liege für den Auftraggeber eine wesentliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf vor. Denn die Einfuhr durch den Dieb ist durch den ursprünglichen Täter nicht mehr kontrollierbar, stammt also auch nicht aus dessen Sphäre. Dieses Ergebnis beruht auch auf dem Prinzip, dass Eingriffe Dritter – etwa Diebstahl oder Unterschlagung – einen vollkommen neuen Kausalverlauf in Gang setzen.306 Entsprechend dieser Überlegungen hat der BGH in einem früheren Urteil offen gelassen, ob eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf in Betracht kommt, wenn der Kurier wegen eines Unfalls an der Weiterfahrt (sprich Einfuhr) gehindert ist und die übrigen Beteiligten den Transport mit einem anderen Fahrzeug ohne dessen Mitwirkung fortführen.307 Schließlich muss das erkennende Gericht dann feststellen, inwiefern der Kurier bzw. Auftraggeber mit dieser Alternative gerechnet hatte bzw. rechnen konnte. In Fällen, in denen der Auftraggeber ein zweites Fahrzeug als „Notlösung“ schon parat hielt, dürfte einer Zurechnung trotz des Zwischenfalls nichts entgegenstehen; somit bleibt es auch bei einer vollendeten Einfuhr, wenn der Täter wegen geplatzter Reifen die letzten 305
BGHSt 38, 32. Vgl. nur OLG Rostock 2001, 199; Geppert Jura 2001, 490; Roxin AT I § 11 Rn. 26; Sch/Sch/Lenckner Vor § 13 Rn. 100; Wessels/Beulke Rn. 192; Kühl AT § 4 Rn. 49, 85, 98. 307 BGH StV 1989, 477. 306
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Kilometer bis zur Grenze zu Fuß absolvieren muss. Eine unwesentliche Abweichung hat der BGH angenommen, wenn der begleitende Einfuhrgehilfe bei einem Drogentransport mit mehreren Personen (und somit zwei PKW) das Rauschgift im Fahrzeug vor ihm wähnt.308 Denn diese Abweichung ändert nichts am Gesamtplan des Täters sowie der Tatsache, dass der Transport aus dessen Sphäre stammt bzw. als sein „Werk“ angesehen werden kann. Unwesentliche Abweichungen sind auch bei bloßen Motivirrtümern anzunehmen: Dass die eingesetzte Transportperson ein V-Mann der Polizei ist, der das Rauschgift von vornherein seiner Dienststelle übergeben will, soll nichts an der Vorstellung des Auftraggebers ändern, man würde die Drogen auf diese Art und Weise (aufgrund dieses Kausalverlaufs) in die Bundesrepublik einführen.309 (b) Zwischenergebnis Atypische Kausalverläufe können im Betäubungsmittelstrafrecht im Rahmen von Einfuhrsachverhalten eine Rolle spielen. Bei der Frage der Wesentlichkeit einer Abweichung ist darauf abzustellen, ob sich diese innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung hält und nicht ein vollkommen neuer Kausalverlauf in Gang gesetzt wird. Stammen die Einfuhrhandlungen also noch aus der „Sphäre“ des Täters bzw. hat dieser noch die Kontrolle über den konkreten Grenzübertritt (mag dieser auch nicht eigenhändig erfolgen), scheidet ein atypischer Kausalverlauf regelmäßig aus. Ob man den Weg der Rechtsprechung gehen und die Fälle atypischer Kausalverläufe über den subjektiven Tatbestand lösen muss, braucht an dieser Stelle nicht weitergehend erörtert zu werden.310 Schließlich ist das Kriterium der wesentlichen Abweichung für beide Lösungswege maßgeblich. Allerdings fällt bereits an dieser Stelle auf, dass der BGH im Bereich der Erfolgsdelikte bemüht zu sein scheint, seine allgemeine Dogmatik aus dem Kernstrafrecht schnörkellos zu übertragen. Er lässt die objektiv gegebene Fremdgefährdung (für die Volksgesundheit) nicht auf das Merkmal der „wesentlichen Abweichung“ durchschlagen. Schließlich wäre eine extensiv-schutzgutorientierte (im Ergebnis nicht überzeugende) Interpretation dahingehend denkbar gewesen, als die tatsächlich eingetretene Fremdgefährdung – nämlich durch die Einfuhr des Dritten – zu einem unwesentlichen Irrtum führt. Da die fahrlässige Einfuhr gem. § 29 I Nr. 1, IV BtMG unter Strafe gestellt ist, kann verwirklichtes Unrecht über die Fahrlässigkeitshaftung erfasst werden. Zu beachten ist allerdings, dass ähnlich 308
BGH v. 27.07.1994 – 3 StR 149/94. Worauf auch der BGH in seinem Beschluss hinweist BGHSt 32, 33 (34). Jedoch hat man in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob der Täter objektiv überhaupt noch Tatherrschaft über das Geschehen hat bzw. nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalles doch eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf in Betracht kommt. 310 Aus der umfangreichen Literatur vergleiche nur Roxin AT I § 11 Rn. 45, 69; Wolter ZStW 89 (1977), 649. 309
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wie im bereits zitierten, klassischen „Jauchegrubenfall“ auch eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommt, wenn der Täter schon das Versuchsstadium überschritten hatte, als die Abweichung eintritt311 (etwa wenn ihm die Drogen direkt an der Grenze gestohlen werden).312 (2) Fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang Als zweite Fallgruppe der fehlenden Gefahrrealisierung ist der fehlende Pflichtwidrigkeitszusammenhang anerkannt.313 Bei fahrlässigen Erfolgsdelikten muss der eingetretene Erfolg Ergebnis einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung sein. Dieser Pflichtwidrigkeitszusammenhang soll fehlen, wenn der Erfolg auch bei einem pflichtgemäßen Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre.314 Man durchbricht also das Verbot des Hinzudenkens von Reserveursachen aufgrund des besonderen Fahrlässigkeitsvorwurfs. Die doppelte Einschränkung (fahrlässiges Erfolgsdelikt) für sich führt bereits zu einer verschwindend geringen Bedeutung dieser Fallgruppe im Betäubungsmittelstrafrecht. Zudem lässt sich ein fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang nur bei „offenen“ Tatbeständen wie § 222 StGB feststellen,315 bei denen die Sorgfaltspflichtverletzung nicht als Tathandlung (etwa fahrlässige „Abgabe“) konkretisiert ist. Ist die fahrlässige Tathandlung tatbestandlich umschrieben,316 indiziert die Vornahme dieser Handlung bereits den Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Ein fehlender Pflichtwidrigkeitszusammenhang kommt im Betäubungsmittelstrafrecht strukturell selten vor. bb) Fehlende Gefahrschaffung Die Fallgruppen der fehlenden Gefahrschaffung können, da sie sich zwar regelmäßig, aber nicht notwendig auf Erfolgsdelikte beziehen, auch bei schlichten Tätigkeitsdelikten eine Rolle spielen. Anerkannt sind hier die fehlende Gefahrschaffung bzw. erlaubtes Risiko, die fehlende Einschlägigkeit des Schutzzwecks sowie die Fallgruppe der Risikoverringerung. Die Fallgruppe des Zurechnungsausschlusses durch eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers wurde bereits ausführlich dargestellt. 311
Weber § 29 Rn. 318; BGH NJW 2002, 1057. Zum Versuch der Einfuhr ausführlich 3. Teil C. II. 1. b), S. 413 ff. 313 Zur Fallgruppe des fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhangs Kühl AT § 4 Rn. 73; Roxin AT I § 11 Rn. 88 ff.; grundlegend BGHSt 11, 1 (7); 33, 61 (63); 49, 1 (4); Wessels/Beulke Rn. 197 u. 675 ff.; Maurach/Gössel/Zipf AT 2, 43/105. 314 Wessels/Beulke Rn. 197. 315 In diese Richtung auch Rengier AT § 11 Rn. 76. 316 Dieses Phänomen wird nochmals aufzugreifen sein, vgl. 3. Teil A. II. 2. c) bb), S. 219 ff. 312
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(1) Erlaubtes Risiko und Sozialadäquanz als Anknüpfungspunkt für eine Tatbestandsrestriktion (a) Anwendungsbereich der Fallgruppe Die Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr i. S. d. Grundformel der objektiven Zurechnung scheidet aus, wenn der Grad der bewirkten Gefährdung das allgemeine Lebensrisiko nicht übersteigt bzw. die Rechtsordnung das vorhandene Risiko billigt.317 Auf diese Restriktion lässt sich beispielsweise zurückgreifen, wenn eine Person über Rauschgift aufklärt und hierbei in Kauf nimmt, dass er den Dritten hierdurch auf die Idee des Drogenkonsums bringt. Eine Anstiftung bzw. sonst irgendwie geartete Beteiligung am unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln muss in derartigen Fällen abgelehnt werden, da es eine drogenfreie Gesellschaft nicht gibt und daher immer die Gefahr existiert, dass man in unerlaubter Form mit Drogen in Kontakt kommt. Solange der Täter den Kausalverlauf nicht beherrschen kann, mithin nur über die hypothetische Möglichkeit der Drogenerlangung etc. redet, ist eine objektive Zurechnung ausgeschlossen. Auch § 29 I Nr. 10 BtMG ist im Hinblick auf die fehlende Gefahrschaffung einzuschränken: Ankündigungen in Presse, Funk und Fernsehen über das Marktgeschehen, über das „ungestörte Fixen in Bahnhofstoiletten“, Beschreibungen in Romanen und Zeitschriften über eine Drogenszene führen unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Gefahrschaffung zu einem Tatbestandsauschluss.318 Im Übrigen hat diese Fallgruppe keine Bedeutung. § 29 I Nr. 1 BtMG knüpft als zentraler Tatbestand an ein unerlaubtes Verhalten. Die Rechtsordnung billigt somit keinen der konkret umschriebenen Handlungsformen. Diese können weder sozialadäquat sein noch ausnahmsweise in den Bereich des rechtlich erlaubten Risikos fallen. Denn die Voraussetzungen des „rechtlich Erlaubten“ sind in den §§ 3, 4 BtMG näher konkretisiert. Sobald es um den Umgang mit Rauschgift geht, ist folglich die Sozialwidrigkeit des Verhaltens positiv festgestellt. Somit kann sich ein Drogendealer, der in einem populären Drogenviertel unerlaubt Handel treibt, nicht darauf berufen, dass es in dieser Gegend zum erlaubten bzw. allgemeinen Lebensrisiko gehöre, mit Drogen in Berührung zu kommen. Zwar ist der Begriff des erlaubten Risikos nicht streng akzessorisch zur Erlaubnis gem. 317 Kühl AT § 4 Rn. 46 ff.; Roxin AT I § 11 Rn. 55; Wessels/Beulke Rn. 183; Hruschka, Strafrecht, S. 404; Hilgendorf will in derartigen Fällen bereits die Kausalität verneinen Jura 1995, 514 (521). Zum erlaubten Risiko SK/Rudolphi Vor § 1 Rn. 62; Prittwitz JA 1988, 439; vgl. im Übrigen Frisch, Tatbestandsmäßiges Handeln und Zurechnung des Erfolgs, S. 141 f. der an dieser Stelle den entscheidenden Unterschied zwischen Tatbestandsausschluss und Erfolgszurechnung herausarbeitet. 318 Körner spricht von einer einschränkenden, verfassungskonformen Auslegung (VI) § 29 Rn. 1746; dies deswegen, weil der Wortlaut der Vorschrift die schlichte Tätigkeit der Ankündigung genügen lässt. Aber auch das schlichte Tätigkeitsdelikt setzt eine kontrollierbare Gefahrschaffung voraus, sodass eine Einschränkung über die objektive Zurechnung wesentlich konkreter erscheint.
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§ 3 BtMG (als Tatbestandsmerkmal), allerdings führt die gesetzgeberische Wertentscheidung dazu, dass ein Zurechnungsausschluss wegen „erlaubtem“ Risiko bei einer fehlenden Erlaubnis faktisch ausgeschlossen ist. (b) Sozialadäquanz und berufsbedingtes Verhalten? Eine in diesem Zusammenhang nach wie vor umstrittene Frage ist, inwiefern berufsbedingtes, „neutrales“ Verhalten zu einer Strafbarkeit führen kann.319 Auch im Betäubungsmittelstrafrecht scheint die Notwendigkeit solch einer Restriktion auf den ersten Blick nicht fernzuliegen; schließlich gibt es genügend Berufsgruppen, die häufiger mit Drogen in Kontakt kommen, etwa Polizisten, Zollbeamte, Gutachter, Ärzte, Apotheker, Chemiker etc. Da die Strafrechtslehre die Problematik der „professionellen“ Adäquanz meist im Zusammenhang mit der Beihilfe gem. § 27 StGB aufgreift, wird sie erst im Abschnitt „Täterschaft und Teilnahme“ vertieft dargestellt.320 (c) Zwischenergebnis Erlaubtes Risiko und sozialadäquates Verhalten sind im praktisch bedeutsamsten Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts, dem Grundtatbestand des § 29 I Nr. 1 BtMG unergiebig, da diese Handlungsmodalitäten ein „unerlaubtes“ Verhalten voraussetzen. In diesem wichtigen Bereich existiert somit kein erlaubtes Risiko; dieses reguliert der Tatbestand selbst; inwiefern Berufsträger zumindest in den Fällen der berufsbedingten Strafbarkeit in den Genuss einer Strafbarkeitseinschränkung kommen, gilt es nochmals aufzugreifen. Einschränkend wirkt sozialadäquates Verhalten somit nur bei völlig unbeherrschbaren Kausalverläufen, etwa bei einer allgemeinen Aufklärung über Drogen, die der Dritte nunmehr zur Drogenerlangung nutzt. Inwiefern der Gesichtspunkt der Sozialadäquanz bei „konkreteren“ Teilnahmehandlungen (sei es dogmatisch verselbstständigt gem. § 29 I Nr. 10 BtMG, sei es „klassisch“ limitiert-akzessorisch) Berücksichtigung finden kann, soll im Rahmen des Abschnitts „Täterschaft und Teilnahme“ näher erörtert werden. (2) Der Schutzzweck der Norm (a) Der Schutzzweck der Norm als Fallgruppe der objektiven Zurechnung Die rechtliche Missbilligung der Gefahr hängt auch davon ab, ob der eingetretene Erfolg bzw. die Tatbestandsverwirklichung gerade im Schutzbereich der319 An dieser Stelle bereits statt vieler Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 66 ff.; Hassemer wistra 1995, 41; Lackner/Kühl § 27 Rn. 2a; Sch/Sch/Cramer/Heine § 27 Rn. 10a, b; Wohlers NStZ 2000, 169; LK-Schünemann § 27 Rn. 17–28. 320 3. Teil D. II. 2. c) cc), S. 567 ff.
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jenigen Verhaltensnorm liegt, deren Verletzung die Strafbarkeit bzw. die Sorgfaltspflicht begründet.321 Damit gehört diese Einschränkung ebenfalls zu den Fallgruppen der objektiven Zurechnung, die nicht allein auf das Erfolgsdelikt zugeschnitten ist. Schließlich kann der Täter auch bei Tätigkeitsdelikten gegen Verhaltensnormen verstoßen, die nicht vom Schutzzweck der konkreten Strafnorm erfasst sind. Zugleich kommt aber hier zum Vorschein, dass nur Fälle von dieser Einschränkung erfasst sind, in denen das durch die Tathandlung beeinträchtigte Schutzgut und der Schutzzweck einer Verhaltensnorm auseinanderfallen, etwa weil letztere „räumlich begrenzt“ ist.322 Man denke an den in der Lehre häufig als Beispiel genannten „Schilder- bzw. Geschwindigkeitsüberschreitungsfall“ 323 oder den vom Reichsgericht entschiedenen „Radleuchtenfall“ 324. Hier verstoßen die Beteiligten gegen Verhaltensvorschriften, die im StVG niedergelegt sind und beeinträchtigen somit jedenfalls das Rechtsgut der Straßenverkehrssicherheit (an einer konkret geschützten Stelle). Da es allerdings um eine Strafbarkeit nach dem weitläufigen Tatbestand der fahrlässigen Tötung gem. § 222 StGB geht, soll eine Zurechnung dann zu verneinen sein, wenn die Verhaltensnorm (zumindest im konkreten Fall) nichts dazu beitragen kann, das Leben anderer zu schützen. Die Einschränkung basiert also auf der Tatbestandsstruktur des § 222 StGB, der grundsätzlich jede Pflichtverletzung zu erfassen scheint. Daraus ergibt sich, dass diese Einschränkung auf das BtMG nicht übertragbar ist. Die „rechtliche Missbilligung“ ist im BtMG durch einen umfangreichen Handlungskatalog deutlich umschrieben, m. a. W. ist ein „Rückgriff“ auf Verhaltensnormen außerhalb des BtMG (die hypothetisch begrenzt sein könnten) nicht denkbar.325 Insofern unterscheiden sich BtMG und StVG hier nicht. Beide Gesetze können eine Ausstrahlungswirkung auf offene Delikte (wie eben § 222 StGB) haben, weil sie wegen ihrer Ausgestaltung als Verbotsnorm (sei es als Straftatbestand, sei es als Ordnungswidrigkeit) einen Sorgfaltspflichtverstoß indizieren. Gerade deswegen scheidet aber eine fehlende Beeinträchtigung des konkreten Schutzzwecks aus. Insofern gelten hier ähnliche Erwägungen, die bereits
321 Roxin AT I § 11 Rn. 84; Wessels/Beulke Rn. 182 u. 674; Rengier AT § 52 Rn. 37; Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor § 13 ff. Rn. 95 f.; kritisch gegenüber der Fallgruppe des Schutzzweckzusammenhangs MK-StGB/Freund Vor § 13 StGB Rn. 326; LK-Vogel § 15 Rn. 202; NK-Puppe Vor § 13 Rn. 215. 322 So treffend bei Kühl AT § 4 Rn. 74. 323 Dieses Beispiel fehlt in keinem Lehrbuch, vgl. nur Wessels/Beulke Rn. 179; Kühl AT § 4 Rn. 74 angelehnt an BGHSt 33, 61 (64). 324 RGSt 63, 392, weitere besondere Schutzzweckzusammenhang-Fallkonstellationen bei Roxin AT I § 11 Rn. 84. 325 Dabei wird sich bei den Ausführungen zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ergeben, dass dieser Umstand im Allgemeinen zu einer phänomenologisch seltenen fahrlässigen Verwirklichung von Tätigkeitsdelikten führt, vgl. ausführlich 3. Teil A. II. 2. f), S. 226 ff.
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bei der Fallgruppe des fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhangs angestellt wurden.326 (b) Exkurs: Die Einschränkung einer Strafvorschrift nach ihrem Sinn und Zweck Die Fallgruppe des fehlenden Schutzzweckzusammenhangs hat nichts mit einer teleologischen Auslegung eines Tatbestands zu tun. Es wurde schon häufiger vorgeschlagen, auch im BtMG auf das Instrument der teleologischen Reduktion zurückzugreifen, um die Weitläufigkeit der betäubungsmittelstrafrechtlichen Tatbestände etwas einzudämmen. Diesbezüglich haben zahlreiche Kritiker der extensiven Interpretation (vornehmlich beim unerlaubten Handeltreiben) vorgeschlagen, bei „fehlender Fremdgefährdung“ den Tatbestand teleologisch einzuschränken. So schlägt Roxin im obigen Suizid-Fall vor, wegen der niemals konkret gefährdeten Volksgesundheit auch die Tatbestände der Verbrauchsüberlassung sowie Einfuhr zu verneinen.327 Das Problem an dieser Vorgehensweise ist, dass das Rechtsgüterkonzept der h. M. zu diffus ist bzw. in jede Richtung ausschlagen und zumindest auch eine extensive Interpretation tragen kann, was sich in der Rechtsprechung auch niederschlägt. Im Rahmen der Analyse des Handeltreibens wird sich zeigen, dass die Rechtsprechung mit dem Sinn und Zweck der Vorschriften ihre extensive Auslegung erst legitimiert. Eine teleologische Reduktion ist nur insoweit möglich, als dies das Telos zuließe. Dementsprechend kann bereits an dieser Stelle prognostiziert werden, dass eine teleologische Reduktion kein „handfestes“ Restriktionsinstrument darstellt, das hier tiefergehend untersucht werden müsste. Insofern ist es praktikabler und im Sinne des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 II GG), Tatbestandsrestriktionen konkret zuzuordnen und spezifische Voraussetzungen für eine Strafbarkeitseinschränkung festzulegen. Relativ „nah“ am Sinn und Zweck der Vorschriften, aber wesentlich konkreter ist die dritte Fallgruppe, die es im Folgenden zu analysieren gilt: Die Risikoverringerung. (3) Risikoverringerung (a) Grundlagen Eine objektiv missbilligte Gefahrschaffung soll abzulehnen sein, wenn jemand bei einem bereits angelegten Kausalverlauf das Verletzungsrisiko für den Betroffenen oder den Umfang des drohenden Schadens dadurch mindert, dass er Angriffe Dritter oder sonstige Schadensereignisse in ihren nachteiligen Wirkungen 326 Nahezu in jedem Lehrbuch werden diese beiden Fallgruppen erst im Rahmen des Fahrlässigkeitsdelikts näher erörtert, vgl. nur Kühl AT § 4 Rn. 73; Rengier AT § 13 Rn. 75 (beide dort aufzufindenden Fußnoten beziehen sich auf Passagen, bei denen auf das Fahrlässigkeitsdelikt verwiesen wird). 327 Roxin AT I § 11 Rn. 159.
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abschwächt, ohne zugleich eine eigenständige, andersartige Gefahr für den Dritten zu begründen.328 Dies beruht auf der Überlegung, dass es dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter widersprechen würde, wenn man ein auf Schadensbegrenzung gerichtetes Verhalten sanktionieren würde.329 Da es sich oftmals um Sachverhalte handelt, bei denen der Täter mit „Rettungsabsichten“ agiert, sind Überschneidungen mit Rechtsfertigungsgründen (insbesondere den §§ 32, 34 StGB) die Folge.330 Dabei darf man allerdings nicht aus den Augen verlieren, dass es bei der Risikoverringerung nicht um die Auferlegung von Duldungspflichten geht, sie also keine Eingriffe in fremde Rechte betrifft. Insofern können Risikoverringerung und Notstand gem. § 34 StGB unterschiedliche Bezugspunkte haben, sodass kein pauschales Konkurrenzverhältnis aufgestellt werden kann. Bspw. dürfte eine Risikoverringerung auch dann nicht zu einer Strafbarkeit führen, wenn ein konkreter Rechtfertigungsgrund wegen seiner speziellen Voraussetzungen (hypothetisches Interesse bei mutmaßlicher Einwilligung, rechtswidriger Angriff bei einer Nothilfe) nicht greift.331 Dass man über die „rechtlichen Wirkungen“ der Risikoverringerung als Fallgruppe der objektiven Zurechnung oder eben als „Rechtfertigungsgrund sui generis“, die von § 34 StGB getrennt zu betrachten ist, diskutieren könnte, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Unabhängig von der Frage, wo man das Problem letztlich verortet und welche Überschneidungen man sieht, gilt gleichsam die Einschränkung, dass eine Straflosigkeit wegen Risikoverringerung dann ausscheidet, wenn der Täter eine neue Gefahr schafft oder eben das Risiko auf einen Dritten „abwälzt“.332 Diese muss nicht einmal den Intensitätsgrad der ursprünglichen Gefahr erreichen.333 In derartigen Situationen kommt allenfalls eine Abwägung zwischen „größerem und kleinerem Übel“ nach § 34 StGB in Betracht. (b) Der Aspekt der Risikoverringerung im Betäubungsmittelstrafrecht Würde man den Anwendungsbereich der Risikoverringerung, wie dies die eingangs beschriebene Formel vermuten ließe, auf die Abmilderung etwaiger 328 Zur bereits im Grundsatz umstrittenen Fallgruppe der Risikoverringerung Wessels/Beulke AT Rn. 194; Jescheck/Weigend AT, S. 287 f.; Roxin AT I § 11 Rn. 53 f.; Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor § 13 ff. Rn. 94; SK/Rudolphi, Vor § 1 Rn. 58; Puppe, Erfolgszurechnung, S. 23; Schumann Jura 2008, 408 (415); Otto NJW 1980, 417 (422). 329 Kühl AT § 4 Rn. 54. 330 Dabei darf man nicht aus den Augen verlieren, dass man bei der Risikoverringerung nach der Legitimität des Eingriffs in das Gut fragt, das man „retten“ will, während es bei Rechtfertigungsgründen wie § 34 StGB primär um Duldungspflichten bzw. der Rechtfertigung von Eingriffen in Rechtsgüter Dritter geht. 331 Vgl. Seher Jura 2001, 814; Puppe ZStW 99 (1987), 598 f. 332 SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 52. 333 Sch/Sch/Lenckner/Eisele Vor § 13 Rn. 94; Wessels/Beulke Rn. 195, Kühl AT § 4 Rn. 55; krit. StK/Joecks Vor § 13 Rn. 43; LK/Walter Vor § 13 Rn. 93.
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„Kausalverläufe“ beschränken, wäre auch diese Fallgruppe im Betäubungsmittelstrafrecht praktisch bedeutungslos. Die Legitimation der Straflosigkeit der Risikoverringerung muss auch für Gefährdungs- bzw. Tätigkeitsdelikte gelten: Das Problem an Gefährdungsdelikten ist, dass das gesamte Unrecht mit Vornahme der schlichten Tätigkeit bereits verwirklicht ist, sprich das zu verhindernde „Risiko“ des Tatbestandes eingetreten ist. Anders gewendet: Bei den §§ 29 ff. BtMG handelt es sich um Tatbestände, die eine nie endende, stets „existente“ Risikoschaffung sanktionieren, sodass auf den ersten Blick eine Risikoverringerung niemals denkbar erscheint.334 Würde man solch ein Verständnis zugrundelegen, könnte ein Dritter mit seiner Handlung nicht mehr das geschützte Risiko verringern bzw. abmildern. Solch ein Ansatz verträgt sich aber nicht mit dem Prinzip der Risikoverringerung: Denn das Gefährlichkeitspotential bestimmter Handlungen für die Rechtsgüter des BtMG kann immer wieder divergieren. Niemand würde in Abrede stellen, dass eine bestimmte Handlung als weniger „gefährlich“ (und somit weniger „risikobehaftet“) ist, als eine andere. Darüber hinaus muss die Ausgestaltung eines Tatbestandes als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht bedeuten, dass sich bestimmte Gefahren für die geschützten Rechtsgüter nicht bereits „konkretisiert“ hätten. Auch die Folgen dieser Konkretisierung kann der Täter durch seine Handlungen dezimieren. Ob der ursprüngliche Täter bereits einen Tatbestand des BtMG verwirklicht hat, muss für die Rechtsordnung und für den „Risikoverringerer“ unbeachtlich sein. Die hier konzipierte Einschränkung liegt nicht fern von den Ideen Schröders, abstrakte Gefährdungsdelikte generell einzuschränken, wenn der „Gegenbeweis der Ungefährlichkeit“ geführt werden könne.335 H. Schröder will bei abstrakten Gefährdungsdelikten eine Zurechnung ausschließen, wenn der Tatbestand dem Schutz bestimmter konkretisierter Objekte dient, bei denen im Einzelfall mit Sicherheit festgestellt werden kann, dass sie tatsächlich niemals in Gefahr gebracht worden sind.336 Diese Auffassung lehnt man weitgehend ab, da die Notwendigkeit eines Nachweises einer konkreten Gefahr das abstrakte Gefährdungsdelikt in ein konkretes Gefährdungsdelikt umwandeln würde.337 Dieser Kritik ist nur insofern zuzustimmen, als dieser Ansatz das Problem nur auf die Ebene der „Beweislast“ verlagert. Diesbezüglich braucht es keiner vertieften Diskussion.338 Denn im Unterschied zu den „Grundfällen“ der Einschränkung (etwa das Anzünden eines leeren Wohnhauses bei § 306a I Nr. 1 StGB), hat der Täter in den Fällen der Risikoverringerung die abstrakte Gefahr durch seine Tätigkeit nicht ins 334 Zu diesem Paradoxon nochmals bei den Ausführungen zum agent provocateur, 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff. 335 H. Schröder ZStW 81 (1969), 7. 336 H. Schröder ZStW 81 (1969), 7 (17). 337 Roxin AT I § 11 Rn. 154; SK/Horn Vor § 306 Rn. 17; Sch/Sch/Heine Vor § 306 Rn. 4. 338 Zum Streitstand Liesching, Brandstiftung, S. 96 ff.
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Leben gerufen, sondern greift seinerseits mit einer abstrakt-gefährlichen Tätigkeit in eine bereits bestehende abstrakte Gefahr ein und verringert dadurch die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts. Somit sind viele Modalitäten des BtMG dem Aspekt der Risikoverringerung zugänglich, wobei bereits gleich eine wichtige Einschränkung vorgenommen werden muss: Bereits aus normativen Gesichtspunkten sollte eine Risikoverringerung bei Umsatzgeschäften (also dem unerlaubten Handeltreiben und dem Veräußern gem. § 29 I Nr. 1 BtMG) ausgeschlossen sein, da hier der Umsatzwille des Täters einen „altruistischen Zweck“ bzw. einen „Rettungswillen“ von vornherein widerlegt, genauer formuliert: Eine neue Gefahrschaffung ist regelmäßig indiziert. Als erste Prämisse darf es sich also nicht um Tatmodalitäten handeln, die mit Umsatzwillen vorgenommen werden. Als zweite Einschränkung müssen die Drogen bereits im Umlauf bzw. die abstrakten Gefahren für die Rechtsgüter des BtMG durch eine Tathandlung eines Dritten bereits entstanden und konkretisiert sein. Der Umlauf der Drogen darf nicht aus der Sphäre des risikoverringernden Täters stammen. Denn dann würde der Täter – wie im häufig zitierten „Brand-Rettungsfall“ 339 nur ein Risiko durch ein anderes, neues Risiko ersetzen, sodass von vornherein nur eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht käme.340 Dritte und letzte Voraussetzung ist, dass der Täter durch seine Handlung die Gefahr signifikant verringert, indem er die Wahrscheinlichkeit ihres „Umschlagens“ in eine konkret gefährliche Situation für ein Gut vermindert. Basierend auf diesen drei Einschränkungen, lassen sich folgende Fallgruppen unter der Einschränkung der Risikoverringerung subsumieren: Hauptsächlich können hier die in der betäubungmittelrechtlichen Literatur häufig diskutierten Fälle der Drogenwegnahme „zum Besten“ des Dritten verortet werden, etwa wenn ein Vater seinem Sohn die Drogen wegnimmt und diese zerstört, um deren Konsum zu verhindern. Mit der Wegnahme scheint er den Tatbestand des Sichverschaffens zu verwirklichen, § 29 I Nr. 1 BtMG. Vorsatzrestriktionen helfen nicht weiter, da der Vater gerade absichtlich im Hinblick auf das Sichverschaffen handelt. Einen Fremdschädigungsvorsatz setzen die § 29 ff. BtMG nicht voraus. Die wohl herrschende Meinung will derartige Fälle über § 34 StGB lösen, indem sie die nach wie vor beeinträchtigten Interessen (der Volksgesundheit) gegenüber den Interessen des Vaters (Gesundheit des Sohnes, Erziehungsgedanke) zurückstehen lässt.341 Dies ist nicht notwendig, wenn man den Gedanken der Risikoverringerung heranzieht. Das tatbestandsmäßige Sichverschaffen mit der Intention, die Drogen zu zerstören, beinhaltet nach wie vor 339
BGH JZ 1973, 173. Kühl AT § 8 Rn. 119. 341 Malek 2. Kap. Rn. 227; anders dagegen Teile der Rechtsprechung, die tatbestandlich schon gar keinen Besitzwillen annehmen wollen, vgl. OLG Stuttgart MDR 1978, 595, OLG Hamm NStZ 2000, 600; LG Freiburg StV 1984, 250; OLG Zweibrücken NStZ 1986, 558. 340
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ein Risiko für die Volksgesundheit, da die Droge zum Zeitpunkt der Handlung noch im Umlauf ist bzw. existiert. Er schafft aber durch die Wegnahme erst eine neue Gefahr, wenn er die Drogen erneut in Umlauf bringt bzw. an andere Dritte abgibt. Die Wegnahme und anschließende Zerstörung mildert die Gefahr des Eintritts einer konkreten Gefahr für die geschützten Rechtsgüter erheblich ab, sodass es sachgerecht ist, bereits die Tatbestandsmäßigkeit des § 29 I Nr. 1 BtMG abzulehnen (Stichwort „Signalwirkung“). Wirft der Vater die Drogen nur weg, statt sie zu zerstören, reicht eine Restriktion im Hinblick auf das Sichverschaffen nicht mehr aus. Nun muss zusätzlich der Frage nachgegangen werden, ob das Wegschmeißen nicht als „Sonstiges in Verkehr Bringen“ zu werten ist. In diesem Spezialfall muss der Gedanke der Risikoverringerung für diese Tatbestandsmodalität grundsätzlich gelten, da jede Entsorgung von Drogen eine geringere Gefahr bedeutet, als ihre sonstige Existenz in der Umwelt. Damit verschafft man i. Ü. der „allgemeinen Tatbestandsrestriktion“ 342 des „sonstigen in Verkehr Bringens“ gem. § 29 I Nr. 1 eine dogmatisch tragfähige Grundlage. Die Wegnahme von Drogen zum Zwecke der Zerstörung bzw. Bewahrung vor einem Konsum (in denen die Modalitäten des Erwerbs, Besitzes, Sichverschaffens und sonstigen Inverkehrbringens verwirklicht werden können) gehört wohl zum praktisch wichtigsten Fall, in denen die Risikoverringerung ihre einschränkende Wirkung entfaltet, wobei sich i. R. d. Ausführungen zu Täterschaft und Teilnahme noch ergeben wird, dass letztlich auch die Fälle des agent provocateur343 über den Gedanken der Risikoverringerung, wenn auch in etwas konkretisierterer Form gelöst werden müssen.344 Als weiteres Beispiel zu nennen wäre die Aufforderung an Schwerabhängige, bestehende Fixerräume aufzusuchen.345 Die kriminalpolitisch misslungene Vorschrift des § 29 I Nr. 12 BtMG stellt die öffentliche Aufforderung zum Verbrauch von (nicht zulässigerweise verschriebenen) Betäubungsmitteln unter Strafe. Wenn die Gemeinde nun öffentlich anschreibt, dass in städtischen (nach § 10a BtMG genehmigten) Konsumräumen zu bestimmten Zeiten und unter hygienischen Bedingungen Heroin injiziert werden könne, handelt es sich hierbei dennoch um Heroin, das nicht verschrieben worden ist. Der Wortlaut erfasst somit zunächst solch ein Verhalten. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Auffordernde hier das bereits bestehende Risiko des Konsums durch den Hinweis auf hygienische, weniger riskante Konsumbedingungen etwas verringern will. Insofern muss im 342
Körner/Patzak § 29 Teil 13 Rn. 61 löst diese Fälle ebenso vertretbar über § 34
StGB. 343 Der sich allenfalls an fremdumsatzbezogene Handlungen beteiligt, selbst aber keinen Umsatzwillen aufweist und die Drogen sichergestellt wissen bzw. etwas zur Zerschlagung des illegalen Markts beitragen will. 344 Vgl. noch ausführlich 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff. 345 Zu dieser Konstellation Körner StV 1994, 514 (516).
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Einklang mit der herrschenden Meinung § 29 I Nr. 12 BtMG in derartigen Fällen eingeschränkt werden346, wobei die täterschaftliche Zurechnung aber nicht durch das diffuse Mittel der teleologischen Reduktion, sondern über die Risikoverringerung verneint werden kann. Weiterhin ist beispielsweise an einen (als Teilnehmer am Handeltreiben zu qualifizierenden) Kurier zu denken, der die ihm überlassenen Drogen mit Milchzucker enorm streckt, um die Wirkstoffmenge und damit die Gefährlichkeit der Droge etwas abzumildern. Für eine (täterschaftliche) Herstellung i. S. d. § 29 I Nr. 1 Var. 2 BtMG gilt das Hinzusetzen von Streckmitteln als „Zubereiten“ i. S. d. § 2 II BtMG. Das ist zunächst auch sachgerecht, da viele Drogenhändler aus „wirtschaftlichen“ Aspekten ihre Drogen strecken, um mehr (Gewichts-)Mengen an Drogen parat zu haben. Für den Kurier, der hier nur aufgrund der weiten Tatbestandsfassung als „Hersteller“ von Drogen gelten würde, kann in diesem speziellen Einzelfall der Gesichtspunkt der Risikoverringerung greifen (an seiner Teilnahme am Handeltreiben ändert sich aufgrund des „Umsatzbezugs“ nichts!). Die Drogen sind bereits existent (bzw. hergestellt), deren Umlauf stammt nicht aus der Sphäre des Kuriers. Tatfrage bleibt lediglich, ob durch das Hinzusetzen von Streckmitteln das Risiko für die geschützten Rechtsgüter merklich reduziert ist.347 Solch eine Restriktion kann im Hinblick auf seine Gehilfenstellung, vgl. § 27 II StGB) und das verwirklichte Gesamtunrecht entscheidend sein. Diese zwei weiteren Beispiele wirken im Verhältnis zur Drogenwegnahme etwas konstruiert, wobei sie ja nur demonstrieren sollten, dass die Risikoverringerung nicht ausschließlich auf den erst genannten Beispielsfall beschränkt ist. Ob die Fälle der „Abstiftung“ dagegen über das Modell der Risikoverringerung gelöst werden sollten, wäre eine spezifische Beteiligungsfrage, die aber mangels praktischer Bedeutung der Anstiftung selbst nicht mehr aufgegriffen wird.348 Daher an dieser Stelle nur so viel: Auch im Betäubungsmittelstrafrecht lassen sich derartige Sachverhalte konstruieren, in denen jemand einem (zu einer qualifizierten Tat nach den §§ 29a, 30 BtMG entschlossenen) Dritten rät, das „kleinere Übel“ zu begehen, etwa statt nicht geringen Mengen nur normale Mengen an seinen Erwerber abzugeben. Als Befürworter der Risikoverringerungslehre müsste man dann den „Anstifter“ zum Grunddelikt straflos stellen und dürfte konsequenterweise auch keine psychische Beihilfe bejahen.349 Nochmals: Die hier befürwortete Restriktion ist nicht auf Fälle übertragbar, bei denen der Täter zwar aus sittlich achtenswerten Motiven handelt, aber die ab346
So jedenfalls noch Körner (VI) § 29 Rn. 1897. Denn die Gefährlichkeit des Wirkstoffs kann für die Beeinträchtigung der Volksgesundheit nicht allein maßgebliches Kriterium sein. 348 Zur geringen Bedeutung der Anstiftung innerhalb des Betäubungsmittelstrafrechts vgl. 3. Teil D. II. 2. b) aa), S. 550 f. 349 Grundsätzlich SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 52; ders. JuS 2005, 592. 347
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strakte Gefahr durch einen Erwerb bzw. durch eine Einfuhr den Drogenverkehr aktiv (also aus eigener Initiative) in Gang setzt. Der beschriebene Gemeindepfarrerfall350 hat nichts mit einer Risikoverringerung zu tun, da der Täter durch den Kauf und die Einfuhr des Barbiturats den Stein erst ins Rollen gebracht hat. Ebenso wenig sind Fälle erfasst, bei denen ein Lehrer zu Demonstrationszwecken Betäubungsmittel an seiner Schule ankauft, um damit auf das bestehende Drogenproblem aufmerksam zu machen.351 Damit kann man in Konstellationen, in denen es zu keinerlei konkreten Fremdgefährdungen kommt bzw. kommen soll, die Strafbarkeit über den Aspekt der Risikoverringerung einschränken. Es sind nur Täter erfasst, die den bereits bestehenden Verkehr (durch Zerstörung, Abgabe an die Polizei oder sonst zuständigen Stellen) eindämmen. Somit verbleibt auch der Risikoverringerung nur ein schmaler Anwendungsbereich, zumindest ermöglicht sie aber eine Zuordnung der in der Praxis vorgenommenen Tatbestandsrestriktion. (c) Zwischenergebnis zur Risikoverringerung Die Risikoverringerung stellt auch im Betäubungsmittelstrafrecht ein probates Mittel dar, Fallkonstellationen „auszusieben“, die vom Wortlaut der Vorschriften erfasst sind, aber nicht mit dem Gesetzeszweck sowie der allgemeinen Strafrechtsdogmatik in Einklang gebracht werden können. Soweit die drei genannten betäubungsmittelrechtsspezifischen Voraussetzungen (Tatmodalität ohne Umsatzbezug + konkretisierter Drogenverkehr + signifikante Verringerung der Gefahr intensiverer Schäden) erfüllt sind, muss man die Zurechnung zum objektiven Tatbestand verneinen. Ihre wichtigste Anwendungsgruppe bleibt die Wegnahme von Drogen zum Zwecke der Zerstörung. g) Gesamtergebnis zur objektiven Zurechnung Die objektive Zurechnung hat, da sie nicht ausschließlich auf eine Erfolgszurechnung beschränkt ist, auch im BtMG einen relativ hohen Stellenwert. Dabei diskutiert man intensiv über die Fallgruppe der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, wobei dies nicht nur auf die Kehrtwende des BGH im Kernstrafrecht zurückzuführen ist, sondern darauf, dass sich die Abschichtung nach Verantwortungsbereichen wegen des Rechtsgutsbezugs hervorragend dazu eignet, als „Kanal“ für den allgemeinen Unmut über die Drogenstrafgesetzgebung zu fungieren. Die rechtspolitischen Bedenken ändern aber nichts an dem Umstand, dass der h. M. absolut zuzustimmen ist, wenn sie die Grundsätze zur eigenverantwortlichen Selbstgefährdung nicht auf den Grundtatbestand des § 29 I BtMG über350 351
Vgl. 3. Teil A. I. 3. e) cc), S. 144 ff. Siehe hierzu Körner (VI) § 29 Rn. 1297 f.
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trägt. Der Universalrechtsgüterschutz „sperrt“ grundsätzlich eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung, wobei das Rechtsgutkonzept auch eine unmittelbare Ausstrahlungswirkung auf die Tatbestandsstruktur des Grundtatbestandes hat, die eine Anwendung der Selbstgefährdungsdogmatik weitgehend ausschließt. § 29 I BtMG sanktioniert keine konkrete Gefahr, der sich ein Dritter „riskanterweise“ aussetzen könnte. Die systemimmanente und somit im Grundsatz auch Zustimmung verdienende Einschränkung der Selbstgefährdungsdogmatik darf nicht auf den lediglich den Individualinteressen dienenden § 30 I Nr. 3 BtMG durchschlagen. Da sowohl die teleologischen als auch systematischen Bedenken hinsichtlich einer „Trennbarkeit“ des Tatbestandes weitgehend ausgeräumt wurden, kann entgegen der Auffassung des BGH eine eigenverantwortliche Zustimmung in die Gefahr durch den Konsumenten den Tatbestand des § 30 I Nr. 3 BtMG ausschließen. Bereits verwirklichtes Unrecht erfasst der Grundtatbestand des § 29 I BtMG. Soweit man sich der hier vertretenen Ansicht anschließt, ergeben sich auch keine Probleme bei einer Betäubungsmittelüberlassung zum Suizid. Geht man dagegen davon aus, dass eigenverantwortliche Selbstgefährdungen auch im Rahmen des § 30 I Nr. 3 BtMG unbeachtlich sind, darf nun nicht aus Billigkeitserwägungen die Leichtfertigkeit des Handelns verneint werden, um zu einer Straflosigkeit bei einem Täter zu gelangen, der mit dolus directus ersten Grades hinsichtlich der Verbrauchsüberlassung handelt. Vielmehr sollte auf den Aspekt des tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhangs zurückgegriffen werden, da es sich beim Tod durch Suizid nicht um eine spezifische Gefahr handelt, die das BtMG verhindern will. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass i. R. d. § 30 I Nr. 3 BtMG Einiges an Korrekturbedarf besteht. Bei den übrigen Fallgruppen der objektiven Zurechnung machte sich immer wieder bemerkbar, dass es sich um Konstruktionen handelt, die fast durchweg auf das Erfolgsdelikt im Sinne des Verletzungsdelikts oder auf das offene Fahrlässigkeitsdelikt des § 222 StGB zugeschnitten sind, was einer Übertragbarkeit dieser Fallgruppen auf das BtMG von vornherein etwas entgegensteht. Es fiel aber (positiv) auf, dass der BGH im Rahmen atypischer Kausalverläufe auf seine „allgemeine“ Rechtsprechung zurückgreift, also insofern hier nicht von einer „Isolierung vom Grundlagenstrafrecht“ die Rede sein kann. Als praktisch wichtige Fallgruppen der objektiven Zurechnung wurden der atypische Kausalverlauf bei Einfuhrfällen sowie die Risikoverringerung für altruistische Drogenwegnahmen herausgearbeitet. Insofern konnten „allgemeine Tatbestandsrestriktionen“ dogmatisch anerkannten Fallgruppen des Allgemeinen Teils bzw. der Allgemeinen Lehren zugeordnet werden.352 352 Da diese Fallgruppen auch im Hinblick auf kernstrafrechtliche Tatbestände noch nicht explizit von der Rechtsprechung anerkannt sind, der BGH insbesondere die Risikoverringerung eher über die §§ 32, 34 StGB löst, kann auch kein „Urteil“ darüber gefällt werden, ob hier nicht ein Auseinanderdriften von Allgemeinem Teil und BtMG in der Rechtsprechung erfolgt ist.
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II. Vorsatz und Fahrlässigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht Bei der Untersuchung der Vorsatzdogmatik im Betäubungsmittelstrafrecht (1.) gelten konzeptionell ähnliche Überlegungen wie beim objektiven Tatbestand. Schließlich ist der wichtigste Bezugspunkt des Vorsatzes die gesetzlich umschriebene Tathandlung. Es ist aber nicht Ziel dieser Arbeit, die betäubungsmittelstrafrechtsspezifischen Anforderungen an den Vorsatz jeder einzelnen Tathandlung darzustellen. Vielmehr soll ausgehend von der „allgemeinen“ Dogmatik (a) herausgearbeitet werden, ob prinzipiell andere Voraussetzungen bei der Bestimmung des Vorsatzes bzw. dessen Bezugspunkten existieren (b). Soweit derartige Besonderheiten bestehen, sollen praktisch wichtige Eigenheiten näher erläutert werden. Nachdem der Geltungsanspruch des Simultaneitätsprinzips überprüft wurde (c), kann im Anschluss die Abgrenzung eines bloßen dolus eventualis zur bewussten Fahrlässigkeit näher begutachtet werden (d). Da speziell bei dieser („tatbestandslosgelösten“) Abgrenzungsfrage der konkrete Einzelfall maßgeblich ist, lassen sich kaum gesicherte Erkenntnisse darüber entnehmen, dass bzw. inwiefern die Abgrenzung im Betäubungsmittelstrafrecht anders erfolgt als im Kernstrafrecht. Einmal mehr sei betont: Wenn hier von „tatbestandslosgelösten“ Fragen und einer „allgemeinen“ Analyse die Rede ist, soll dies nicht implizieren, dass jede Materie des Allgemeinen Teils tatbestandsunabhängig gelöst werden kann.353 Der Allgemeine Teil und die gesetzlich umschriebenen Tatbestände ergänzen sich gegenseitig354, sodass eine tatbestandsunabhängige Vorsatz-, Fahrlässigkeitsund Irrtumslehre zweifellos kritisch zu betrachten ist.355 Mit „tatbestandsunabhängig“ ist folglich nur gemeint, dass sich der erörterte Problemkomplex bei jedem Tatbestand stellen kann. Insofern wird die einschlägige Rechtsprechung lediglich dahingehend überprüft, ob sie bei der Bestimmung vorsätzlichen Verhaltens generell einen anderen Maßstab zu Grunde legt. Allgemein gilt für den „dolus“, dass dessen Bestimmung in besonderem Maße von den tatrichterlichen Feststellungen sowie von der freien Beweiswürdigung gem. § 261 StPO abhängt.356 Die konkrete Beweislage 353
Kritisch LK/Vogel § 15 Rn. 50. 1. Teil C. III. 2., S. 66 f. 355 Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 15 Rn. 110a weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Fahrlässigkeitsdogmatik „perspektivisch verzerrt“ sei, weil sie sich durchweg an den fahrlässigen Erfolgsdelikten orientiere und somit (für die im Nebenstrafrecht häufigen) Tätigkeitsdelikte kaum verwertbar sei. Derartige Besonderheiten werden aber an entsprechender Stelle im Folgenden nicht übergangen, sondern im Gegenteil immer wieder aufgegriffen, um letztlich auch darzulegen, dass eine allumfassende Fahrlässigkeitshaftung „durchdacht“ sein muss, vgl. noch 3. Teil A. II. 2. f), S. 226 f. 356 Die Vorsatzprüfung ist somit der revisionsrechtlichen Kontrolle entzogen, solange die Beweiswürdigung nicht an Darstellungsmängeln im Hinblick auf die §§ 15, 16 StGB leidet, vgl. hierzu BGH NStZ 2008, 451. 354
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und die Einlassung des Angeklagten verzerren u. U. die grundsätzlichen Anforderungen, die ein Richter bei der Vorsatzbestimmung zu Grunde legt. Ähnliche Überlegungen – bezüglich der Einzelfallabhängigkeit – gelten für die strafrechtliche Fahrlässigkeitshaftung, etwa was die Annahme einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung bzw. die objektive Vorhersehbarkeit des Geschehens angeht. Daher wird das fahrlässige Betäubungsmitteldelikt im Anschluss nach den gleichen Prinzipien analysiert (Grundlagen – Übertragbarkeit auf die §§ 29 ff. BtMG – Rechtsprechungsanalyse) (2). Das Thema „Vorsatz“ ist mit diesem Abschnitt nicht endgültig abgehakt: Weitere „Berührungspunkte“ werden noch an anderer Stelle aufgegriffen, man denke an den Irrtum über Tatumstände, der erst im Gesamtzusammenhang mit sonstigen Irrtümern (also bei der Schuld) behandelt wird. Zudem spielt die Tätervorstellung weiterhin eine bedeutsame Rolle bei der Versuchsstrafbarkeit. Die sich hieraus ergebenden Fragen rund um den Tatentschluss sowie das unmittelbare Ansetzen werden daher erst dort behandelt. Letztlich beeinflusst der „Gesamtvorsatz“ bzw. tatbestandsunabhängige subjektive Wille des Beteiligten die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, also seine Qualifizierung als Mittäter oder bloßer Gehilfe. Aufgrund der Tatbestandsstrukturen favorisiert der BGH hier die „Animus“-Theorie nicht nur, sie wird ihm (zumindest partiell) regelrecht aufgezwungen. 1. Das vorsätzliche Betäubungsmitteldelikt a) Grundlagen Gegenstand der Untersuchung waren bis zu diesem Abschnitt ausschließlich ungeschriebene Merkmale der Tatbestandszurechnung. Das vorsätzliche Handeln ist eine Zurechnungsvoraussetzung, die § 15 StGB explizit nennt.357 Das Merkmal lässt sich als Scheidepunkt zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstat bezeichnen, wobei Letztere als Ausprägung des fragmentarischen Charakters des Strafrechts nur bei ausdrücklicher Anordnung unter Strafe gestellt ist, § 15 StGB. Weder § 15 StGB noch § 16 StGB liefern jedoch konkrete Definitionen zu den Begrifflichkeiten „Vorsatz“ und „Fahrlässigkeit“.358 Ihre Interpretation hat der Gesetzgeber vollständig der Rechtsprechung und Lehre überlassen359, sodass § 15 StGB nur der „semantischen Entlastung“ der Vorschriften des Besonderen Teils dient.360 In der Rechtsprechung hat sich die Kurzformel durchgesetzt, wo357 Zu den Grundlagen des subjektiven Tatbestandes ausführlich v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 1 ff. 358 Auch wenn sich aus dem „Kehrseitencharakter“ der Vorschrift Rückschlüsse auf den Inhalt des Vorsatzes, insbesondere der Notwendigkeit eines intellektuellen Moments ziehen lassen. 359 Wessels/Beulke Rn. 203; Kühl AT § 5 Rn. 6. 360 SSW/Momsen § 15 Rn. 5; zur „Klammerfunktion“ des Allgemeinen Teils vgl. bereits 1. Teil C. III. 1. a), S. 62.
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nach Vorsatz „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung“ sei.361 Die knappe und daher ungenaue Definition ist Kritik ausgesetzt, weil sie ein voneinander losgelöstes Nebeneinander von Wissen und Wollen suggeriert.362 Existente und vom Täterwillen unabhängige Umstände (etwa die Trunkenheit bei § 316 StGB) können nicht verwirklicht, sondern allenfalls vom Täter wissentlich hingenommen werden.363 Somit ist die in BGHSt 19, 295 statuierte Formel wesentlich präziser, wenn der Senat den Vorsatz als „der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände“ definiert.364 Der subjektive Tatbestand beinhaltet somit ein kognitives und ein voluntatives Element. Die mehr oder weniger intensive Ausprägung dieser Komponenten (auch im Verhältnis zueinander) führt zu der allgemein anerkannten Abstufung in dolus directus ersten Grades (Absicht365), zweiten Grades (sicheres Wissen) und der schwächsten Vorsatzform, dem dolus eventualis.366 Neben den allgemeinen Tatbestandsvorsatz treten bei bestimmten Tatbeständen die besonderen subjektiven Merkmale, wie etwa die Zueignungsabsicht beim Diebstahl gem. § 242 StGB oder die Bereicherungsabsicht beim Betrug gem. § 263 StGB.367 Bezugspunkt des Vorsatzes ist das tatbestandlich vertypte Unrecht.368 Auch hinsichtlich der ungeschriebenen Merkmale eines Tatbestandes (vornehmlich der objektiven Grundlagen der Strafbarkeit wie Kausalität und objektive Zurechnung) 361
Roxin AT I § 12 Rn. 4; Ebert, Handeltreiben, S. 54. So auch Hruschka, Strafrecht, S. 436; Kühl AT § 5 Rn. 6 Fn. 14 m.w. N. 363 Beispiele hierzu bei SK/Horn/Wolters § 223 Rn. 22c, 316 Rn. 8; vgl. v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 3.1.: „So macht es bei der Prüfung des subjektiven Tatbestandes des Diebstahls wenig Sinn zu fragen, ob der Täter ,wollte‘, dass die Sache fremd ist“. 364 BGHSt 19, 295 (298). 365 Zur uneinheitlichen Terminologie beim Absichtsbegriff Kühl AT § 5 Rn. 30. 366 Übersichtlich bei v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 20 ff.; die Unterscheidung in die drei Intensitätsformen spielt im Betäubungsmittelrecht keine Rolle, da die Tatbestände grundsätzlich keine bestimmte Vorsatzintensität – zumindest nach ihrem Wortlaut (etwa durch eine Wendung wie „wider besseres Wissen“) – voraussetzen. Ausnahmen bestätigen hierbei die Regel: Das Erschleichen einer Verschreibung nach § 29 I Nr. 9 BtMG setzt nach umstrittener Ansicht direkten Vorsatz hinsichtlich des Handlungsziels voraus, siehe MK-StGB/Rahlf Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 103. Nach Weber § 29 Rn. 1510 soll unter Bezugnahme auf Fischer § 184 Rn. 31 i. R. d. § 29 I Nr. 10 (Verschaffen oder Gewähren einer Gelegenheit) direkter Vorsatz notwendig sein, wenn die Infos in einem elektronischen Netz zugänglich gemacht werden. Beim Handeltreiben gem. § 29 I Nr. 1 BtMG können höhere Anforderungen an den Vorsatz als Restriktionsmerkmal fungieren, vgl. hierzu 3. Teil A. II. 1. c) bb) (1), S. 172; Bedeutung erlangt der dolus eventualis stets, soweit man wie T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 441, (m. E. zustimmungswürdig) für eine Herabsetzung des Strafrahmens im Falle eines dolus eventualis plädiert. 367 Die h. M. liest in die Tathandlung des Handeltreibens hinein, dass der Täter eigennützig agieren muss. Insofern existieren auch im Betäubungsmittelstrafrecht zumindest ungeschriebene, besondere subjektive Merkmale, vgl. hierzu noch, 3. Teil A. II. 2. d) aa), S. 222 ff. 368 Lackner/Kühl § 15 Rn. 7. 362
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muss der Täter vorsätzlich handeln.369 Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen des Tatbestandsvorsatzes ist die „Begehung der Tat“, vgl. § 16 StGB („Simultaneitätsprinzip“).370 b) Grundsätzliche Übertragbarkeit des allgemeinen Vorsatzbegriffs auf die §§ 29 ff. BtMG Auch im Betäubungsmittelstrafrecht ist streng zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Begehung zu unterscheiden. Der in § 15 StGB statuierte Grundsatz findet über Art. 1 EGStGB selbstredend Anwendung, wie sich schon aus der Anordnung von Fahrlässigkeitsdelikten gem. § 29 IV BtMG ergibt.371 Im Gegensatz zu vielen sonstigen Institutionen des Allgemeinen Teils372 ist der allgemeine Vorsatzbegriff auch nicht auf das Erfolgsdelikt zugeschnitten, d.h. die entwickelte Vorsatzlehre kann (wie im Kernstrafrecht auch, vgl. §§ 153 ff., 316 StGB) auf die zahlreichen Tätigkeitsdelikte der §§ 29 ff. BtMG übertragen werden.373 Auch die §§ 29 ff. BtMG setzen also den Willen des Täters zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis der Tatumstände voraus. Hieran ändert auch nichts, dass bestimmte Delikte bereits einen subjektiven Einschlag im objektiven Tatbestand haben, wie etwa der Besitz374 gem. § 29 I Nr. 3 BtMG oder das Handeltreiben gem. § 29 I Nr. 1 BtMG, das eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit voraussetzt.375 Schließlich sind derart objektiv-subjektive „Mischtatbestandsmerkmale“ auch im Kernstrafrecht existent, man denke an die Heimtücke gem. § 211 StGB376 oder an den Täuschungsbegriff gem. § 263 StGB.377 Der enge Bezug des Vorsatzbegriffs zum gesetzlich umschriebenen Tatbestand erlaubt die zugegebenermaßen pauschale Feststellung, dass § 15 StGB bzw. die 369 Fischer § 16 Rn. 7; SSW/Momsen § 15 Rn. 11; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 4. 370 Roxin AT I § 12 Rn. 89 ff. 371 MK-StGB/Rahlf Vor §§ 29 ff. BtMG Rn. 99; Weber Vor § 29 Rn. 301 ff. 372 Etwa die Kausalität, die objektive Zurechnung, der Versuch. 373 Vgl. aber Fn. 355 in Teil 3. 374 Weiß der Täter beispielsweise nichts von seiner Sachherrschaft oder will er sich der Sache so schnell wie möglich entledigen, fehlt ihm schon der Herrschaftswille, sodass der Besitztatbestand zu verneinen ist; wobei dies speziell beim Besitz auch davon abhängt, als welche Art von Delikt man es einstuft, vgl. 3. Teil A. I. 1. d), S. 105 ff. 375 So zumindest Körner (VI) § 29 Rn. 1421, der auf der Ebene des Vorsatzes auch die Fälle der Drogenwegnahme zu altruistischen Zwecken lösen will. Nach der hier vertretenen Ansicht wäre bereits die objektive Zurechnung zu verneinen, vgl. 3. Teil A. I. 3. f) bb) (3), S. 158 ff.; schlicht fehlendes Wissen um den Besitz müsste dagegen dogmatisch als fehlender Vorsatz im Hinblick auf die Nichtvornahme der Rettungshandlung gewertet werden. 376 BGHSt 11, 144; SSW/Momsen § 211 Rn. 37 ff.; Fischer § 211 Rn. 48, 80. 377 BGHSt 18, 235 (237); Wittig § 14 Rn. 21; v. Heintschel-Heinegg/Beukelmann § 263 Rn. 9.
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Vorsatzlehre auf das BtMG ohne Einschränkungen Anwendung finden kann. Eigenständige bzw. tatbestandsunabhängige Lehren des Allgemeinen Teils (wie etwa beim Versuch oder der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme) existieren beim Vorsatz – bis auf die Frage der Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit – kaum.378 Die wenigen Probleme, die aus dem Allgemeinen Teil bekannt sein dürften, stellen sich im Betäubungsmittelstrafrecht erst nicht bzw. nur bedingt. Bei den meisten Varianten des § 29 I BtMG fallen u. U. problematische Vorsatzbezugspunkte, wie der tatbestandsmäßige Erfolg bzw. der Kausalverlauf weg.379 Die Ausgestaltung als schlichtes Tätigkeitsdelikt führt dazu, dass der Täter regelmäßig nur mit Wissen und Wollen im Hinblick auf die beschriebene Tathandlung handeln muss. Ein gewollter oder ungewollter Verletzungserfolg (hier im Sinne einer konkreten Gefährdung der Volksgesundheit bzw. des Individualrechtsguts Leben) wandelt sich in ein tatbestandlich nicht vertyptes, sprich unbeachtliches Motiv um. c) Besondere Bezugspunkte und Maßstäbe des Vorsatzes im Betäubungsmittelstrafrecht aa) Gemeinsamer Bezugspunkt: Betäubungsmittel i. S. d. § 1 BtMG Gemeinsamer Bezugspunkt aller Tatbestände ist die Eigenschaft der Substanz, um die es geht, nämlich als Betäubungsmittel i. S. d. § 1 BtMG.380 Weiß der Täter also nicht um die tatsächliche Beschaffenheit der Substanz, auf die sich seine Tathandlung bezieht, handelt er ohne Vorsatz,381 wobei unerheblich ist, ob man im Begriff des Betäubungsmittels ein normatives Tatbestandsmerkmal382 oder ein Blankett sieht. Im Einzelfall muss genauer überprüft werden, ob ein Täter, der ein mysteriöses Päckchen von einem Freund entgegennimmt, aber nichts vom Drogeninhalt weiß, einen dolus eventualis hinsichtlich der Betäubungsmitteleigenschaft hat oder eben nur fahrlässig handelt (vgl. im Folgenden d.). Dabei darf man nicht übersehen, dass der Vorsatzbezugspunkt „Betäubungsmittel“ noch nichts darüber aussagt, was der konkrete Deliktstatbestand zur Voll-
378 Eine weitere abstrahierte Fragestellung ist die der Behandlung eines dolus alternativus, vgl. hierzu v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 26 f.; zum dolus alternativus wird i. R. d. Irrtumslehren nochmals einzugehen sein, vgl. noch 3. Teil IV. 4. b) aa) (4), S. 299 ff. 379 Dies entspricht auch den kriminalpolitischen Intentionen, da durch den Wegfall zahlreicher Bezugspunkte ebenso viele Nachweiserfordernisse für die ermittelnden Behörden wegfallen. 380 Bei manchen Tatbeständen allerdings nur mittelbar, vgl. § 29 I Nr. 14 BtMG. 381 Zu dieser missverständlichen Wendung noch ausführlich i. R. d. Irrtumslehre, 3. Teil A. IV. 4. b) aa) (1), S. 292 m.w. N. 382 So Weber Vor § 29 Rn. 311.
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endung voraussetzt. Anders formuliert: Nur weil der subjektive Tatbestand stets einen (zumindest mittelbaren) Bezug zum Betäubungsmittelbegriff nach § 1 BtMG hat, heißt dies nicht, dass der Tatbestand das „reale“ Vorliegen von Betäubungsmitteln voraussetzt. Dies wirkt sich beim umgekehrten Tatbestandsirrtum aus: Geht der Täter mit einem Stoff um, das er für Heroin hält, obwohl es sich um Mehl handelt,383 kann dieser Irrtum einmal zu einem untauglichen Versuch führen.384 Der Irrtum kann aber auch die Vollendung des Tatbestands unberührt lassen, weil allein der Vorsatzbezugspunkt bzw. die subjektive Zweckwidmung in Kumulation mit einer bestimmten Tätigkeit das tatbestandlich vertypte Unrecht ausmacht. Praktisch betrifft dies das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gem. § 29 I Nr. 1 BtMG.385 Deutlicher tritt dies bei der Geldmittelbereitstellung „für“ eine Betäubungsmitteltat nach § 29 I Nr. 14 BtMG zu Tage, bei der die Haupttat (also der Betäubungsmittelumlauf) nicht einmal versucht sein muss, um eine Strafbarkeit anzunehmen. Die Art des Betäubungsmittels ist für den Vorsatz ist dagegen unerheblich.386 Man kann von einem unbeachtlichen error in „obiecto“ sprechen, wenn der Täter entgegen seiner Vorstellung mit Heroin statt Kokain Handel treibt.387 Da die Handlung nicht immer den Umgang mit Betäubungsmitteln bedeuten muss, ist im Gegensatz hierzu die fehlende Erlaubnis nicht bei allen Tatbeständen ein Bezugspunkt für den Vorsatz.388 bb) Weitere Vorsatzbezugspunkte Überdies existieren weitere Vorsatzbezugspunkte, die nicht nur die Vornahme einer Tat-„Handlung“ betreffen.389 Deutlich tritt dies bei strafschärfenden Qualifikationsmerkmalen gem. §§ 29a ff. BtMG hervor, wie etwa der nicht geringen Menge, der Abgabe an einen Jugendlichen, der Bandeneigenschaft oder dem 383 Probleme bereiten Irrtümer rund um die Betäubungsmitteleigenschaft, wenn der Täter keine konkrete Vorstellung über den Stoff hat, mit dem er umgeht [Fälle der tatsächlichen Unkenntnis, 3. Teil A. IV. 4. b) aa) (1), S. 292 m.w. N.]. 384 Weil der Tatbestand eine „erfolgreiche“ bzw. „wirkliche“ Betäubungsmitteleinfuhr voraussetzt. 385 3. Teil C. IV. 2. b) bb), S. 461 ff. 386 Weber Vor § 29 Rn. 302. 387 Dies bedeutet nicht, dass dieser Umstand nicht im Rahmen des Schuldspruchs bzw. der Strafzumessung berücksichtigt werden muss, vgl. Weber Vor § 29 Rn. 371 bis 373. 388 Siehe hierzu schon 1. Teil A. III., S. 41 f.; wie sich im Übrigen Irrtümer über die Erlaubnis auswirken, wird im Rahmen der Irrtumslehre ausführlich dargestellt, 3. Teil A. IV. 4. c) aa) (2), S. 306 ff. 389 Wobei die Tathandlung selbst ja auch nicht immer „simpel“ strukturiert sein muss, auch wenn dies bei Umgangsverboten regelmäßig der Fall ist; eine Ausnahme bilden insbesondere die Transferdelikte, zu Irrtümern rund um den Grenzübertritt Nestler, Transferdelikte, S. 304 ff.
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Mitsichführen einer Waffe. Im Einzelfall kann es die ratio legis erforderlich machen, zusätzliche Anforderungen an den Vorsatz zu stellen.390 So können bestimmte Motive oder sonstige äußere Umstände zum Zeitpunkt der Tätigkeit (auch schon durch den Gesetzgeber und nicht nur durch den Rechtsanwender) zum Vorsatzbezugspunkt gemacht werden (etwa der notwendige Umsatzwille beim Handeltreiben gem. § 29 I Nr. 1 BtMG,391 die Geldmittel für rechtswidrige Taten gem. § 29 I Nr. 13 BtMG).392 Dann muss man im Einzelfall genau überprüen, ob neben dem Vorsatz der schlichten Vornahme der Handlung auch die übrigen Voraussetzungen vom Täter ins Auge gefasst wurden. (1) Das unerlaubte „Handeltreiben“ mit Betäubungsmitteln und seine Einschränkung über den subjektiven Tatbestand? Bei einer derart subjektivierten Tathandlung wie dem Handeltreiben ist der Umsatzwille der einzige Anknüpfungspunkt neben dem besonderen subjektiven Merkmal der Eigennützigkeit393, welcher eine Einschränkung des Tatbestands ermöglicht. Im Laufe der Untersuchung wird sich zeigen, dass die Vollendung des Handeltreibens nicht von objektiven Kriterien abhängt, wie etwa der Existenz der Drogen394, einer sicheren Bezugsquelle oder Liefermöglichkeit.395 Der Täter (also „Dealer“) muss nur die reelle Chance sehen, sich die Betäubungsmittel beschaffen zu können, also seinerseits lieferfähig zu sein.396 So verkümmert jeglicher, objektiver Aspekt zu einem „Indiz“, der für oder gegen einen Umsatzwillen spricht, es sei denn, dieser ist aufgrund anderer Umstände eindeutig festgestellt. So fehlt es am Umsatzwillen bzw. am Vorsatz, wenn jemand ohne Zutun in ein Rauschgiftgeschäft verwickelt wird und zum Ausdruck bringt, dass er den Um390 Etwa an den Vorsatz des Anstifters auf Vollendung der Tat, auch wenn der Haupttäter im Versuchsstadium stecken geblieben ist, Wessels/Beulke Rn. 208 f. 391 Vgl. hierzu BGH StV 1981, 72. 392 Umgekehrt können bestimmte subjektive Motive des Täters auch einen Ausschluss bewirken, etwa der Anbau zu Zierzwecken bei der speziellen Pflanze papaver bracteatum, die in Anlage II des BtMG aufgeführt ist. Streng dogmatisch ist dieses Beispiel jedoch etwas ungenau, da das Motiv nicht als zusätzliches Tatbestandsmerkmal fungiert, sondern in der Anlage selbst aufgeführt ist und zu einer Verneinung der Betäubungsmitteleigenschaft führt, zum Ganzen Weber § 29 Rn. 49. 393 Das besondere subjektive Merkmal der Eigennützigkeit ist spezifische Materie des BtMG, weswegen dessen Voraussetzungen im Einzelnen hier nicht vertiefend dargestellt werden sollen; vgl. hierzu die Rechtsprechungsübersicht bei Weber § 29 Rn. 290. Grundsätzlich erscheint aber fraglich, ob sich dieses subjektive Merkmal auch mit einer Fahrlässigkeitshaftung verträgt, vgl. hierzu noch 3. Teil A. II. 2. e), S. 220 ff. 394 BGHSt 6, 246; BGH NJW 1986, 2869; BGH NJW 1999, 2683; BGH NStZ 2006, 577. 395 RG DJZ 1992, Sp. 808; BGHSt 38, 58; BGHSt 25, 290; BGH NStZ 1992, 87. 396 Weber BtMG § 29 Rn. 266 m.w. N.
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satz von Betäubungsmitteln nicht fördern will.397 Entsprechendes gilt, wenn er sich ernsthaft bemüht, die Polizei zu verständigen, aber diese ihn aufgrund seiner sprachlichen Schwierigkeiten nicht ernst nimmt und der Täter es daher nicht schafft, die Ermittler aufzuklären.398 Ein Umsatzwille ist auch abzulehnen, wenn der Täter zwar die Betäubungsmittel verkauft, aber ernsthaft mit der Anwesenheit und dem Eingreifen der Polizei rechnet bzw. nur im Vertrauen darauf das Geschäft fördert.399 Der BGH hat im einschlägigen Fall das Handeltreiben am Vorsatz bzw. am Umsatzwillen scheitern lassen, obwohl der Angeklagte zugleich die Gefahr gesehen hat, dass es entgegen seinen Erwartungen und Hoffnungen doch zur „Vollendung“ bzw. zu einem Umsatz im Rahmen der von den Haupttätern geplanten Tat kommen könnte.400 Aber nicht nur bei „gutmütigen“ Personen ist ein Vorsatzausschluss denkbar. Entscheidend ist, ob der Täter einen ernsthaften und verbindlichen Umsatz- bzw. Verkaufswillen hat. Diese Ernsthaftigkeit kann aber auch dann fehlen, wenn der Täter offensichtlich übertriebene Angebote macht, um zu prahlen401 oder seinen potentiellen Vertragspartner betrügen will.402 Begrüßenswert ist der Beschluss des BGH vom 04.08.1999403, in dem der Senat einer unzulässigen „Vermutung“ des Umsatzwillens entscheidend entgegentritt: Der BGH verneint einen verbindlichen Verkaufswillen, obwohl der Täter drei Wochen lang eine größere Menge an Heroin besaß und sich nicht klären ließ, ob er die Betäubungsmittel gewinnbringend weiterveräußern wollte. Da er sich am Ende dafür entschied, die Drogen an die Ermittlungsbehörden zu übergeben, sei zum Ausdruck gekommen, dass er bis zum Ende im Hinblick auf den Umsatz unschlüssig war. Unschlüssigkeit reiche aber für einen verbindlichen Verkaufswillen nicht aus. Ob der Senat damit zugleich andeuten will, dass es „mehr“ als eines dolus eventualis braucht, um einen Umsatzwillen zu bejahen, steht aufgrund des besonderen Einzelfalles nicht sicher fest. Die Wendung „unschlüssig“ schließt die Annahme eines dolus eventualis nicht unbedingt aus, d. h. es lässt sich nicht eindeutig klären, ob der BGH zwar einen Eventualvorsatz annimmt, der für einen Umsatzwillen nicht ausreichen soll oder bereits einen dolus eventualis ablehnt. Ob sich eine Restriktion des weitläufigen Tatbestands des Handeltreibens durch schärfere Anforderungen an den Vorsatz erreichen lässt, 397
BGH StV 1981, 72. BGH StV 1981, 549; siehe hierzu auch BGH MDR 1973, 454; BGH MDR 1981, 208; BGH NStZ 1988, 558; LG Heilbronn StV 1988, 304; BGH NStZ 1996, 338. 399 BGH NStZ 1988, 558; vgl. auch LG Heilbronn StV 1988, 304. 400 BGH NStZ 1988, 558; BGH StV 1981, 549. 401 Malek 2. Kap, Rn. 104; vgl. auch LG Frankfurt 90 Js 35 220/86 – 29 KLs bei Körner (VI) § 29 Rn. 414. 402 Das hierbei verwirklichte Unrecht wird über § 263 StGB erfasst, vgl. hierzu noch Fn. 1782 in Teil 3. 403 BGH NStZ 1999, 572. 398
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mag an dieser Stelle noch dahinstehen.404 Festzuhalten bleibt, dass Instanzgerichte eine Vorsatzprüfung durch eine Vermutung des Umsatzwillens nicht vollständig übergehen dürfen. (2) Sonderfall „Ärzte“ und „Apotheker“ Ein weiteres Beispiel für besondere Vorsatzbezugspunkte im BtMG liefert das unerlaubte Verschreiben durch einen Arzt gem. § 29 I Nr. 6a BtMG: Hier bezieht sich der Vorsatz nicht nur auf die Verschreibungshandlung selbst, sondern auch auf die tatsächlichen Umstände der ärztlichen Indikation gem. § 13 BtMG. In BGHSt 37, 383 stellt der BGH beiläufig fest, dass eine Tatbestandsverwirklichung verneint werden muss, sobald die Verabreichung bzw. Verschreibung aus tatsächlichen Gründen ärztlich indiziert ist.405 Zum Verständnis: § 29 I Nr. 6 BtMG nimmt auf § 13 BtMG Bezug und soll damit sicherstellen, dass auch im Rahmen einer ärztlichen Behandlung Betäubungsmittel nur dann eingesetzt werden, wenn dies nach den aktuellen, medizinischen Erkenntnissen unbedingt erforderlich ist. Die Vorschrift des § 13 BtMG erfasst allerdings nur Fälle, in denen ein Arzt (bzw. im Rahmen des § 29 I Nr. 6b BtMG ein Apotheker) die Tathandlung vornimmt und es sich um Betäubungsmittel der Anlage III handelt.406 Bei der ärztlichen Indikation nach § 13 BtMG als Tatbestandsmerkmal muss man neben ihrer grundsätzlich strittigen Bestimmung407 berücksichtigen, dass sie u. a. davon abhängt, ob der Arzt gegen seine 404 Zur Einschränkung des Handeltreibens über den subjektiven Tatbestand vgl. noch ausführlich 3. Teil IV. 2. c), S. 465 ff. 405 Der Schwerpunkt der Entscheidung lag aber auf der Frage, wonach sich die ärztliche Indikation ihrerseits zu richten hat, insbesondere ob es auf das eigene Ermessen des Arztes ankommt oder ob er Stellungnahmen der Ärztekammer bzw. die Regeln der Schulmedizin zu berücksichtigen hat bzw. diese sein Ermessen sozusagen auf „Null reduzieren“, zum Ganzen Körner/Patzak § 13 Rn. 25 ff. 406 Das heißt: Sobald man als Nichtarzt Betäubungsmittel überlässt, handelt man automatisch entgegen § 13 BtMG und somit rechtswidrig. 407 Strittig ist insbesondere, ob bzw. inwieweit dem Arzt ein eigener Ermessensspielraum bei der Behandlung zu gewähren ist oder ob eine Art „Richtlinienkompetenz“ der allgemeinen ärztlichen Wissenschaft (bzw. der höherrangigen Standesorganisationen) besteht. Während nach BGHSt 1, 318 „die anerkannten Regeln der ärztlichen Wissenschaft“ maßgeblich sein sollten, entscheidet sich der BGH (nach einer Novellierung des § 13 BtMG, bei welcher die Wendung „ärztliche“ Indikation wegfiel) in der bereits zitierten Entscheidung BGHSt 37, 383 für einen Mittelweg, den er auch bei sonstigen prognostischen Entscheidungen von Fachleuten geht (wobei dies im Wirtschaftsstrafrecht, vgl. Tiedemann AT Rn. 111 ff., 120 an der Maßstabsfigur selbst ausgemacht wird, hier ginge es ja im weiteren Sinn um die Zugrundelegung einer „Maßstabsfigur“ überhaupt): Demnach muss man Ärzten eine eigene Risikoprognose und somit auch abweichende Ansichten zubilligen. Der Richter darf im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung gem. § 261 StPO nur überprüfen, ob diese Grenze eindeutig bzw. evident überschritten ist, wobei die Empfehlungen der ärztlichen Berufsorganisation als Entscheidungshilfe fungieren, siehe hierzu Moll NJW 1991, 2334 f.; Hellebrand NStZ
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ärztlichen Sorgfaltspflichten verstoßen hat.408 So muss der Arzt bei der Verschreibung von suchtgefährdenden Mitteln eine umfassende Anamnese, spezifische Untersuchungen sowie eine Dokumentation dieser und letztlich laufende Kontrollen vornehmen.409 Die Verletzung dieser Sorgfaltspflichten führt zur Unbegründetheit der Indikation, bezüglich welcher der Arzt wiederum vorsätzlich handeln muss. Dies bedeutet, dass sich der Arzt bezüglich der Unbegründetheit, also auch seiner Verletzung der Sorgfaltspflichten, zumindest im Nachhinein bewusst gewesen sein muss oder diese billigend in Kauf genommen hat. Dies darf man nicht unterschätzen, da die fahrlässige Verschreibung nicht unter Strafe gestellt ist410 (vgl. § 29 IV BtMG). Denn die so eben dargestellte mittelbare Verknüpfung von Sorgfaltspflichtverstoß und Vorsatz führt dazu, dass der Arzt sich im Regelfall bei bewusst fahrlässigen Sorgfaltspflichtverstößen im Rahmen der Behandlung nach § 29 I Nr. 6b BtMG strafbar macht, während ihm bei unbewusster Fahrlässigkeit selten die (nachträgliche) Kenntnis vom Verstoß angelastet werden kann. Zum Stichwort „Kenntnis“ sei noch folgendes angemerkt: Sonderwissen von Ärzten und sonstigen Fachleuten spielt allenfalls im Rahmen der Fahrlässigkeitshaftung eine Rolle und dann auch nur, wenn das Wissen einen konkreten Bezugspunkt zur Sorgfaltspflichtverletzung hat. Im Übrigen gilt für Ärzte und Apotheker der gleiche Wissensmaßstab wie für jedermann. Dies bedeutet, dass bestimmte Fachkenntnisse einem Arzt nicht einfach unterstellt werden dürfen. Gehört es beispielsweise zum allgemeinen, medizinischen Fundus zu wissen, dass nicht alle Drogenabhängigen polytoxikoman sind, heißt das nicht automatisch, dass dies der Arzt im konkreten Fall wusste. Somit darf man aufgrund fachspezifisch allgemein bekannter Erwägungen nicht a priori auf eine konkrete Kenntnis des Arztes schließen.411
1992, 13 ff.; Köhler NJW 1993, 762; Kühne NJW 1992, 1547 f.; Hügel/Junge/Lander/ Winkler § 29 Rn. 16.2.3 m.w. N. 408 Zu den Sorgfaltspflichten im Rahmen der Indikation BGHSt 29, 6; Weber § 13 Rn. 18; Malek 2. Kap., Rn. 302. 409 Weber § 13 Rn. 18; Malek 2. Kap., Rn. 304. 410 Zur Kritik MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1035, der auf diese rechtspolitische Diskrepanz hinweist, die sich daraus ergibt, dass Ärzte bei der fahrlässigen Verschreibung eines Betäubungsmittel straflos bleiben, während sie sich bei der Verabreichung zum unmittelbaren Verbrauch unter Verstoß gegen die ärztlichen Sorgfaltspflichten nach § 29 I Nr. 6 b, IV BtMG strafbar machen. Dies, obwohl durch die Verschreibung des Stoffes und der sich daraus ergebenden Bezugsmöglichkeit des Rauschgifts eine weitaus größere Gefahr für das Rechtsgut der Volksgesundheit gegeben ist; vgl. hierzu auch Kreuzer ZRP 1975, 209. Dieses rechtspolitisch fragwürdige Ergebnis systemwidrig mit der Annahme eines fahrlässigen Inverkehrbringens abzufangen, erscheint umso zweifelhafter, vgl. noch 3. Teil A. II. 2. c) aa) (2), S. 217 ff. 411 BayObLG JR 2003, 428.
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cc) Zu den Konsequenzen des Simultaneitätsprinzips im Betäubungsmittelstrafrecht Der Vorsatz muss auch im Betäubungsmittelstrafrecht „bei Begehung der Tat“ vorliegen. Objektive Tatbestandsverwirklichung und Vorsatz müssen nach dem „Simultaneitätsprinzip“ bzw. „Koinzidenzprinzip“ gleichzeitig gegeben sein.412 (1) Anwendung und Berücksichtigung in der Rechtsprechung Eine konsequente Anwendung dieser Maxime bedeutet, dass eine nachträgliche Kenntnis (dolus subsequens) von der Tatbestandsverwirklichung für eine subjektive Zurechnung nicht ausreicht. Dies ist auch in der betäubungsmittelrechtlichen Rechtsprechung anerkannt. Der BGH hob ein Urteil gegen den Inhaber einer Wohnung wegen strafbaren Besitzes auf, weil er von dem Umstand der Aufbewahrung erst später und fernab von seiner Wohnung Kenntnis erlangte.413 Gleiches muss für alle Delikte gelten, bei denen sich die Tatmodalität in einem kurzen Übergabeakt erschöpft, also bei allen Delikten, die einen Wechsel der Verfügungsgewalt voraussetzen. Wissen die Beteiligten nichts von der Rauschgifteigenschaft, führt eine nachträgliche Erkenntnis nicht zu einer Strafbarkeit wegen des Verfügungsakts, wohl kommt aber eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im Hinblick auf den Erstakt sowie eine Unterlassungsstrafbarkeit in Betracht, soweit man die Betäubungsmittel weiterhin besitzt.414 Häufiger fallen Deliktsbegehung und Vorsatz aufgrund des schlichten Tätigkeitsdeliktscharakters zwingend zusammen. Das Simultaneitätsprinzip verdient aber besonderes Augenmerk, soweit es sich um einen Tatbestand handelt, bei dem Außenwelterfolg und die Handlung nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich auseinanderfallen wie bei den Transportmodalitäten. Besonderheiten gelten zudem, wenn es um die Verwirklichung von Delikten geht, deren tatbestandliche Verwirklichung über einen gewissen Zeitraum andauert,415 man denke an den unerlaubten Anbau gem. § 29 I Nr. 1 BtMG. Hier bedeutet „nachträgliche“ Kenntnis u. U. auch aktueller Vorsatz, soweit die Tatbestandsverwirklichung – etwa der Anbau- bzw. Herstellungsprozess oder der Besitz – noch fortdauert. Dies hängt mit der spezifischen Deliktsstruktur zusammen, die eine fortwährende Verwirklichung des Tatbestands zulässt, obwohl man das Rechtsgut bereits (fahrlässig) beeinträchtigt hat. Nichts anderes würde 412
v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 9 f. Insbesondere erfuhr der Angeklagte erst nach Aufhebung des objektiv gegebenen Herrschaftsverhältnisses von dem zwischenzeitlichen Besitz, vgl. BGH v. 12.02.1980 – 5 StR 47/80. 414 Nach der hier vertretenen Ansicht in Form eines echten Unterlassens, vgl. 3. Teil A. I. 1. d), S. 105 ff. 415 Sozusagen „iterativ“, nicht unbedingt im Sinne eines Dauerdelikts. 413
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schließlich bei einem Trunkenheitsfahrer gelten, dem erst während der Fahrt bewusst wird, dass er fahruntüchtig i. S. d. § 316 StGB ist. In derartigen Fällen kann von einer Verletzung des Simultaneitätsprinzips keine Rede sein. (2) Sonderfall „Einfuhr“ (zugleich Exkurs: Abgrenzung zur strafbaren Durchfuhr gem. § 29 I Nr. 5 entgegen § 11 I 2 BtMG) Der praktisch bedeutsame Qualifikationstatbestand der unerlaubten Einfuhr nicht geringer Mengen gem. § 30 I Nr. 4 BtMG kann im Hinblick auf das Simultaneitätsprinzip häufiger Probleme bereiten. Die Ausgestaltung als Erfolgsdelikt macht ein Auseinanderfallen von Einfuhrhandlung und Grenzübertritt möglich. Der Täter muss die Betäubungsmittel nicht „eigenhändig“ über die Grenze verbringen. Mindestvoraussetzung ist aber, dass eine Einfuhr nach Deutschland geplant war. Daher stellt es einen beachtlichen Irrtum über den Kausalverlauf dar, wenn die Beteiligten eine Lieferung von Kokain aus Medellin (Kolumbien) nach Den Haag (Niederlande) vereinbaren und ohne Wissen Angeklagten kein Direktflug, sondern eine Zwischenlandung in Frankfurt a. M. erfolgt. Solange nicht positiv festgestellt ist, dass der Besteller mit diesem Umweg einverstanden war bzw. dies stillschweigend vereinbart wurde, hat der Täter schon keinen Vorsatz bezüglich der Tathandlung Einfuhr.416 Hat der Täter dagegen schon unmittelbar zur Einfuhr angesetzt, kann die konkrete Grenzüberschreitung anders erfolgen, als sich dies der Täter vorgestellt hat. Wie bereits dargestellt, verfährt die Rechtsprechung nach dem bekannten Muster und prüft, ob die Fehlvorstellung wesentlich ist oder nicht.417
416 BGH v. 23.02.1994 – 2 StR 674/93: Die Besonderheit des Falles lag darin, dass der Besteller während die Drogen in Deutschland an einer sicheren Stelle deponiert waren, angerufen wurde und somit die Einfuhr nachträglich billigte. Der BGH hat vollkommen zurecht entschieden, dass selbst nach den Grundsätzen der sukzessiven Mittäterschaft eine nachträgliche Zurechnung der Einfuhr unmöglich war, weil die Einfuhr nicht nur vollendet, sondern schon beendet war, zur sukzessiven Mittäterschaft nochmals genauer 3. Teil D. III. 3. e) bb), S. 598 ff. 417 Siehe bereits 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 150 ff. Da der Irrtum über den Kausalverlauf bereits ausführlich dargestellt wurde und daher auch bei der Irrtumslehre nicht nochmals aufgegriffen wird, sei noch folgende Nebenbemerkung zu diesem Problemkomplex angebracht: Auch bei der Einfuhr sind Irrtümer über den Kausalverlauf in mehraktigen Geschehen denkbar (ein „Jauchegrubenfall“ à la BtMG sozusagen): Ein Täter versteckt in den Niederlanden einen vermeintlich mit Heroin gefüllten schwarzen Koffer in einem Güterzug und will diesen später von einem Rangierbahnhof in der Bundesrepublik abholen. Tatsächlich hat er den Koffer mit seinem Aktenkoffer verwechselt. 3 Stunden später fährt er mit seinem vermeintlichen Aktenkoffer über die Grenze und erkennt am Rangierbahnhof seinen Irrtum. Nach dem typischen Lösungsmuster der Rechtsprechung müsste man den Täter wohl wegen vollendeter Einfuhr gem. § 29 I Nr. 1 BtMG bestrafen, indem man auf den vorsätzlichen (aber letztlich untauglichen) Erstakt abstellt, die den zweiten Akt erst adäquat verursacht hätte („sichereres“ Nachfahren mit dem eigenen PKW). Dass die Drogen letztlich nicht mit dem Zug, sondern
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Eine echte Besonderheit ergibt sich bei der unerlaubten Einfuhr gem. § 29 I Nr. 1 BtMG, wenn man sie zur unerlaubten Durchfuhr gem. § 29 I Nr. 5 i.V. m. § 11 I 2 BtMG abgrenzen muss. Dies ist der Fall, wenn nach dem Täterwillen Bestimmungsort der Drogen nicht die Bundesrepublik sein soll. Wie bereits erläutert,418 stellt die h. M. in Anlehnung an § 11 I 2 BtMG darauf ab, ob dem Täter während seinem Aufenthalt die Drogen tatsächlich zur Verfügung stehen.419 Es ließe sich bereits über die grundsätzliche Berechtigung dieses Abgrenzungsmerkmals diskutieren, da § 11 I 2 BtMG nur zusätzliche Pflichten i. R. e. Durchfuhr von Betäubungsmitteln festlegt, ohne die Tathandlung selbst zu definieren. Vielmehr spricht der Passus „durchführt, ohne dass das Betäubungsmittel zu irgendeinem Zeitpunkt tatsächlich zur Verfügung steht“ dafür, dass das Gesetz unterschiedliche Arten der Durchfuhr kennt, u. a. auch solch eine, in der dem Täter die Drogen tatsächlich zur Verfügung stehen (die dann eben nicht den besonderen Vorbehalten des § 11 I 2 BtMG unterliegt). Faktum ist, dass die Strafvorschriften zwischen diesen drei Tathandlungen differenzieren und sich eine (ebenso denkbare) subjektive Betrachtungsweise nicht durchsetzen konnte.420 Ohne ein solches Abgrenzungsmerkmal wäre die Durchfuhrmodalität aber niemals einschlägig bzw. würde immer von der Einfuhr verdrängt, da tatsächlich gesehen, jeder Täter, welcher durchführt, erst einmal einführen muss.421 Solch eine Konkurrenz bzw. Konsumtion sieht das BtMG allerdings nicht vor, was sich darin äußert, dass nur die Einfuhr in nicht geringen Mengen gem. § 30 I Nr. 4 BtMG, nicht dagegen die Durchfuhr in nicht geringen Mengen als Verbrechen ausgestaltet ist. Insofern sei dieses Abgrenzungsmerkmel den folgenden Ausführungen zugrundegelegt, ohne es endgültig zu akzeptieren. Eine tatsächliche Verfügungsgewalt als Tatbestandsmerkmal der Durchfuhr422 nimmt man an, wenn der Verbringende ohne Schwierigkeiten an die Betäubungsmittel herankommen kann.423 Dies macht die Abgrenzung in gewissem Grade
mit dem Auto eingeführt wurden, wäre eine unwesentliche Abweichung vom Kausalverlauf. Ob solch eine Vorgehensweise letztlich eine Verletzung des Simultaneitätsprinzips bedeutet, kann zumindest an dieser Stelle offen bleiben, da sie insofern keine Besonderheit des Betäubungsmittelrechts darstellte, vgl. aber hierzu ausführlich Noltensmeier/Henn JA 2007, 772; Hruschka JuS 1982, 317; Og˘lakcıog˘lu JR 2010, 103; SSW/ Momsen §§ 15, 16 Rn. 33. 418 Siehe 1. Teil B. I. 3., S. 46 f. 419 BGH StV 1983, 280. 420 Dabei stellt sich in anderen Regelwerken die Frage, ob die fehlende Kriminalisierung der Durchfuhr den systematischen Rückschluss zulässt, dass Durchfuhrfälle nicht als „Einfuhr“ bewertet werden dürfen, Nestler, S. 269, die solch eine „teleologische Reduktion“ ablehnt. 421 Vgl. auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 186. 422 BGHSt 31, 374; Malek, 2. Kap. Rn. 170; Weber § 29 Rn. 767; Körner (VI) § 29 Rn. 1024. 423 Weber § 11 Rn. 21.
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„transportartakzessorisch“.424 Die bedeutet aber nicht, dass bei einer bestimmten Transportart per se eine Durchfuhr oder eine Einfuhr anzunehmen wäre. Innerhalb der Dogmatik des Allgemeinen Teils führt dies zu zweierlei Problemen: Zum einen „dynamisiert“ sich der Vollendungszeitpunkt, was entscheidend für die Versuchsstrafbarkeit ist. Zum anderen verschiebt sich mit dem Vollendungszeitpunkt auch der Vorsatzbezugspunkt des Täters. Dies hat keine Konsequenzen, wenn der Täter ohne Weiteres auf die Drogen im Inland zugreifen kann, beispielsweise wenn er die Betäubungsmittel in seinem PKW versteckt hat oder als Handgepäck bei sich führt. Dann spielt es keine Rolle, ob der Täter einen Durchfuhrwillen hat, da er ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die Drogen zugreifen kann und ihm somit das Rauschgift tatsächlich zur Verfügung steht.425 Dann kann eine vollendete Einfuhr ohne Weiteres bejaht werden. Umgekehrt ist unproblematisch von einer der Durchfuhr auszugehen, wenn der Täter während dem Transportvorgang selbst nicht „vor Ort“ ist, etwa wenn er die Betäubungsmittel in einem Zug/Flugzeug/LKW/Schiff von den Antillen über Deutschland nach Russland versteckt, aber in eigener Person anderweitig zum Zielort gelangt und sich dort die Drogen holt. Zum Schwur kommt es, wenn der Täter „vor Ort“ ist, aber der Zugriff auf die Betäubungsmittel eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen würde, die nach dem Plan des Täters länger als der Aufenthalt in der Bundesrepublik dauert. Rein tatsächlich stehen dem Täter die Drogen nicht zur Verfügung, allerdings rückt die Verfügungsmöglichkeit mit jeder Minute näher, was dem Täter auch bewusst ist. Die Rechtsprechung legt bei der Abgrenzung von Einfuhr und Durchfuhr ein extensives Verständnis vom „tatsächlichen zur Verfügung stehen“ i. S. d. § 11 I 2 BtMG zu Grunde und kann so auch die Tatsache und das Bewusstsein, erst nach längerer Zeit auf die Drogen zugreifen zu können, als ausreichend erachten. U. a. stellt sie den Begriff des tatsächlichen zur Verfügung Stehens mit dem der Verfügungsmacht, Verfügungsgewalt oder sogar dem des Gewahrsams gleich. Dennoch sind Differenzierungsbemühungen in der Rechtsprechung je nach Fallgestaltung erkennbar. Dabei haben sich drei Fallgruppen herausgebildet, in denen der sofortige Zugriff innerhalb der Aufenthaltszeit problematisch sein kann: • Bei kurzzeitigen Transitaufenthalten, also Zwischenlandungen auf dem Flughafen, bei denen der Täter sein Frachtgepäck heraus verlangen müsste.426 424 Zu den einzelnen Fallgruppen ausführlich Weber § 29 Rn. 773; exemplarisch BGH NStZ 1993, 326; OLG Düsseldorf NStZ 1994, 548 (bei PKW); BGHSt 36, 249 (gleiche Grundsätze für Radfahrer und Fußgänger); BGHSt 34, 180; BGH NJW 1983, 369 (Postweg); BGH NStZ 1986, 274 (Eisenbahn); wobei die dogmatischen Ergebnisse zur Einfuhr im Allgemeinen „transportartakzessorisch“ sind, vgl. noch 3. Teil C. II. 1. b), S. 413 ff. 425 H.M. BGHSt 51, 219; Franke/Wienroeder § 29 Rn. 81; Weber § 29 Rn. 773. 426 BGHSt 31, 374 ff.; BGH StV 1983, 280; StV 1983, 369; MDR 1984, 90; StV 1983, 505; NStZ 1984, 365; NStZ 1986, 273; NStZ 2003, 92; NStZ 2004, 693; NStZ 2004, 693.
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• Bei so genannten „Bodypackern“, welche die Drogen schlucken oder implantiert haben und nun das Ausscheiden oder Herausoperieren der Betäubungsmittel (nicht notwendig im Transitbereich) abwarten müssten.427 • Bei aufwendigen Drogenverstecken, bei denen ein Zugriff während dem Transport faktisch unmöglich ist oder lange Zeit in Anspruch nimmt. Der BGH hat in allen Fallgruppen zunächst eine vollendete Einfuhr bejaht. Bei den Flughafentransitfällen könne der Reisende in der Zwischenzeit unproblematisch auf Verlangen sein Gepäckstück erhalten und wisse dies regelmäßig auch.428 Bei den Instanzgerichten hat dies, nicht nur was § 244 II StPO anbetrifft, die bedenkliche Signalwirkung, dass tatrichterliche Feststellungen im Hinblick auf die objektive Zugriffsmöglichkeit und subjektive Kenntnis hiervon unterbleiben. Daher hat der BGH zwischenzeitlich seinen „absolut“ geratenen Leitsatz relativiert und Instanzgerichte dazu angehalten, in jedem Einzelfall auch konkret zu überprüfen, ob eine Verfügungsmöglichkeit bestand und dies dem Täter auch bewusst war.429 Mit einem weiten Verständnis von der objektiven Verfügungsmacht umgeht man das Simultaneitätsprinzip, denn durch die Extension erweitert sich auch der Vorsatzbezugspunkt. Insofern handelt es sich streng genommen nur um eine „mittelbare Verletzung“ des Koinzidenzprinzips. Anders gewendet: Innerhalb der vom BGH zugrundegelegten Auslegung liegt keine Verletzung des Simultaneitätsprinzips vor, da er durch sein weites Verständnis den Begriff der Verfügungsmacht zu einem „Dauertatbestandsmerkmal“ umwandelt, der objektiv in diesen Fällen niemals verneint werden kann. Allerdings ist die weite Auslegung dogmatisch kaum tragfähig, da es keinen Anlass für eine extensive Auslegung des § 11 I 2 BtMG gibt. In den Fällen des Körperschmuggels fällt auf, dass die Befürworter dieses extensiven Ansatzes die Wendung „tatsächlich zur Verfügung Stehen“ „aufweichen“ bzw. durch die des „Gewahrsams“ ersetzen.430 Eine Person kann aber auch die tatsächliche Sachherrschaft an einer Sache haben (etwa weil diese ihr sozial-normativ zuzurechnen ist), obwohl ihr die Sache tatsächlich nicht zur Verfügung steht. Da eine Extension auch mit Blick auf den hohen Strafrahmen sowie die sonstigen Fallgruppen des § 30 I BtMG verfehlt ist, muss man einen engen Verfügungsbegriff zu Grunde legen.
427 Zu dieser Fallgruppe eingehend Og ˘ lakcıog˘lu/Bruns/Wittau NStZ 2011, 73; Körner StV 1983, 471; ders. StV 1988, 448; Kraushaar, Der Körperschmuggel von Kokain; Strafprozessual war lange Zeit umstritten, ob der Brechmitteleinsatz zur Beweismittelsicherstellung zulässig ist, wurde aber durch den EGMR im Fall „Jalloh“ geklärt, vgl. hierzu Schuhr NJW 2006, 3538 ff. 428 BGHSt 31, 374. 429 Vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 164. 430 So zutreffend Kotz NStZ 2006, 456.
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Bei anderen Strafvorschriften, die auf eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit abstellen, wie etwa das Beisichführen i. R. d. § 244 I Nr. 1a StGB oder § 30a II Nr. 2 BtMG, muss der Täter ohne nennenswerten Zeitaufwand, streng genommen sofort auf den Gegenstand zugreifen können.431 Bis dato ruderte der BGH als Reaktion auf zahlreiche kritische Stimmen (auch aus der betäubungsmittelrechtlichen Literatur432) nur in den „Transitgepäckfällen“ etwas zurück.433 Dies ist zu begrüßen, aber wirft die berechtigte Frage auf, warum man in vergleichbaren Fällen nicht dieselbe Auffassung vertritt. Denn sowohl beim Bodypacker als auch bei aufwendigen Verstecken bejaht die Rechtsprechung regelmäßig eine Einfuhr,434 obwohl auch hier der Täter keine Zugriffsmöglichkeit hat. Die unterschiedliche Behandlung von Transit- zu anderen Einfuhrsachverhalten mag darauf zurückzuführen sein, dass ein Transitreisender „erzwungenermaßen“ kurz in der Bundesrepublik verweilt.435 Dagegen hätten Bodypacker, die mit dem PKW unterwegs sind, stets die hypothetische Möglichkeit, länger in der Bundesrepublik zu bleiben und somit die Verfügungsmöglichkeit entstehen zu lassen. Doch besteht diese Möglichkeit auch beim Transitreisenden, wenn auch in abgeschwächter Form.436 Maßgeblich ist aber nicht die Länge und die Notwendigkeit des Aufenthalts, sondern das tatsächliche zur Verfügung Stehen.437 Es kann somit nicht darauf ankommen, ob der Aufenthalt erzwungenermaßen kurz ist. Wenn der „Bodypacker“ oder der Transporteur auf die Drogen nicht zugreifen kann, schadet ihm die hypothetische Möglichkeit abzuwarten so lange nicht, bis sich das Zeitfenster für den Einfuhrwillen wieder geöffnet hat, also in dem Moment, in dem die Drogen dem Täter wieder zur Verfügung stehen.438 Die derzeitige Auffassung des BGH, Körperschmuggler stets wegen vollendeter 431
BGHSt 31, 105; BGH StV 2002, 120 (121), SSW/Kudlich, § 244 Rn. 17 m.w. N. MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 536; ders. NStZ 2006, 456; Malek 2. Kap. Rn. 171. 433 BGH StV 1986, 252. 434 So zuletzt BGH NStZ 2010, 522; vgl. auch BGH v. 17.07.1985 – 2 StR 221/85; v. 19.02.1992 – 2 StR 568/91; BayObLG 2003, 12; BGH NStZ 1990, 109. 435 Daher dürfte es nach allen Ansichten als überholt empfunden werden, wenn eine vollendete Einfuhr inkorporierter Drogen bejaht wird, obwohl der Zwischenaufenthalt des Bodypackers nur 80 Minuten betrug, so aber noch BGH NStZ 1984, 365; krit. Malek 2. Kap., Rn. 172; so auch zu Recht Kotz NStZ-RR 2006, 457. 436 Insofern soll klargestellt werden, dass der Verfasser ebenfalls die Auffassung vertritt, dass bei einer Einfuhr die potentielle Zugriffsmöglichkeit genügt (siehe aber Nestler, Transferkriminalität, S. 275, Fn. 1264), da hier das Abgrenzungsmerkmal des „tatsächlichen zur Verfügung Stehens“ auch nicht herangezogen werden muss. Im zitierten Beitrag (NStZ 2011, 71 [75]) geht es um eine konsequente Anwendung des – nach Auffassung des Verfassers missglückten – Abgrenzungsmerkmals. 437 Zumal die „armen Schlucker“ (vgl. Puppe JR 2007, 299 ff.) regelmäßig unter einem wesentlich stärkeren psychischen Druck (also einem Zwang anderer Qualität) stehen, ausgeübt durch ihre Arbeitgeber, die einen reibungslosen Ablauf der Durchfuhr erwarten. 438 Durch baldige Ausscheidung bzw. Demontage. 432
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Einfuhr zu bestrafen, führt nicht nur zu einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte,439 sondern mittelbar auch zur Verletzung des Simultaneitätsprinzips. Der Täter muss nämlich unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung – hier in Form des Erlangens der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit – gem. § 22 StGB angesetzt haben, um ihm einen diesbezüglichen Vorsatz anlasten zu können. Sind aber nach der Tätervorstellung wesentlichen Zwischenakte erforderlich (Abwarten, Besorgen von Brechmitteln/Verdauungsbeschleunigern/Darmspülungen, Ausscheiden) und ist nach dem Tatplan gerade keine Einfuhr beabsichtigt, hat der Täter auch nicht unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.440 Hiergegen könnte man einwenden, dass geschickt bzw. tückisch agierende Täter mit erhöhter krimineller Energie bevorzugt werden, weil sie aufgrund des Verstecks bzw. des Schluckens von Drogen nicht wegen vollendeter Einfuhr in nicht geringen Mengen gem. § 30 I Nr. 4 BtMG bestraft werden. Aber solange der Täter keine Bemühungen macht, bereits im Inland an die Drogen heranzukommen, ist der erhöhte Strafrahmen auch nicht legitim. Dies gilt vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Wertentscheidung, ausschließlich die Einfuhr in nicht geringen Mengen zu einer Qualifikation zu erheben. Es steckt wohl kaum die Grundidee dahinter, die Verletzung der „innerdeutschen Volksgesundheit“ sei schwerwiegender als die Verletzung anderer „Volksgesundheiten“. Solch eine Überlegung ist mit internationalen Suchtstoffübereinkommen nicht zu vereinbaren.441 Der Gesetzgeber hat es in der Hand, die Streitfrage zu einer ausschließlich theoretischen zu „degradieren“, indem er die fragwürdige Vorschrift des § 30 I Nr. 4 BtMG streicht.442 Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass der deutsche Gesetzgeber nicht zwischen In- und Ausland differenzieren wollte, kann die erhöhte Strafandrohung des § 30 I Nr. 4 BtMG nur mit der pragmatischen Überlegung legitimiert werden, dass die Einfuhr in nicht geringen Mengen „irgendwo“ zwischen dem Handeltreiben in nicht geringen Mengen nach § 29a I Nr. 2 BtMG und dem Bandenhandel gem. § 30 I Nr. 1 BtMG liegt; der Strafrahmen des § 30 I BtMG mithin greifen soll, wenn dem Täter kein Umsatzwille, keine Gewerbsmäßigkeit oder keine Bandenbetätigung nachgewiesen werden kann. Dies verträgt sich weder mit systemkritischen noch mit gesetzessystematischen Erwägungen. Eine Angleichung würde diese Streitfragen weitgehend obso-
439 Insofern sind Drogen im Magen bzw. im Darmtrakt mit Drogen in nicht zugänglichen Gepäckstauräumen der Flughafenbehörde vergleichbar. 440 Zum unmittelbaren Ansetzen im Betäubungsmittelstrafrecht ausführlich 3. Teil C. II., S. 405 ff. 441 Zu diesen Überlegungen vgl. auch Nestler, Transferkriminalität, S. 277. 442 Krit. Malek, 2. Kap. Rn. 372; nochmals: Die Streitfrage spielt dann keine Rolle, wenn die Einfuhr zum Zwecke des Handeltreibens erfolgt und somit die Einfuhrhandlungen im Handeltreiben „aufgehen“. Überdies bleibt die Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitz gem. § 29 I Nr. 3 BtMG (auf den die Überlegungen zum Gewahrsam dagegen übertragen werden können) hiervon unberührt.
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let machen.443 Im Übrigen müsste man die Instanzgerichte nicht mehr zwingen, in derartigen „Grenz“-Fällen in revisionsrechtlich angreifbarer Weise exzessiv einen minder schweren Fall nach § 30 II BtMG anzunehmen.444 dd) Zwischenergebnis Die Weitläufigkeit der §§ 29 ff. BtMG entbindet die Instanzgerichte nicht von einer umfassenden Vorsatzprüfung. § 15 StGB kann und muss ohne Einschränkungen im Betäubungsmittelstrafrecht Anwendung finden, wobei u. U. besondere Bezugspunkte des Vorsatzes als gesetzlich oder richterrechtlich festgelegte Einschränkungsmerkmale fungieren können. Der BGH scheint, wie sich aus den exemplarisch genannten Entscheidungen ergibt, die Vorsatzprüfung in konsequenter Weise durchzuführen, was bei den Erörterungen zum atypischen Kausalverlauf bzw. dem „Irrtum über den Kausalverlauf“ deutlich wurde.445 Lediglich im Bereich der Abgrenzung der Einfuhr von der Durchfuhr führt die zum Teil weite Auslegung des tatsächlichen zur Verfügung Stehens zu einer mittelbaren Verletzung des Simultaneitätsprinzips. Der BGH sollte mit Blick auf die hohe Strafandrohung des § 30 I Nr. 4 BtMG zumindest in den Abgrenzungsfällen eine restriktive Interpretation des Abgrenzungs- und Tatbestandsmerkmals „tatsächlich zur Verfügung Stehen“ präferieren und anmahnen, dass in allen Fällen, in denen der Zugriff nicht so ohne Weiteres möglich ist, nähere tatrichterliche Feststellungen notwendig sind. Im Übrigen könnte der Gesetzgeber korrigierend eingreifen, und zwar entweder durch ein Abgrenzungsmerkmal, das die weite Auslegung des BGH zulässt oder – wie hier vorgeschlagen – durch eine Angleichung der Modalitäten, wobei es rechtspolitisch wesentlich sinnvoller erscheint, § 30 I Nr. 4 BtMG vollständig zu streichen. d) Auf der Suche nach der Zauberformel – Die Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht Beim dolus eventualis sind weder das kognitive noch das voluntative Element stark ausgeprägt.446 Daher kommt es häufig zu Überschneidungen mit der bewussten Fahrlässigkeit.447 Dabei lässt das Anhängsel „bewusst“ vermuten, dass die Fahrlässigkeitshaftung kognitive Elemente enthält. Die Abgrenzung des Even443 Soweit man dies für sinnvoll erachtet, wäre auch eine „umgekehrte“ Angleichung dahingehend vorstellbar, dass die Handlungsmodalitäten des § 30 I Nr. 4 BtMG um die Durchfuhr und Ausfuhr erweitert werden. 444 Körner (VI) § 29a Rn. 3. 445 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 153 f. 446 Geppert Jura 1986, 610 (abgeschwächtes Vorhandensein beider Vorsatzerfordernisse). 447 Wessels/Beulke Rn. 216.
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tualvorsatzes als schwächste Vorsatzform zur bewussten Fahrlässigkeit ist dementsprechend problematisch und ist Gegenstand einer kaum mehr überschaubaren Diskussion.448 Ihren „Ursprung“ haben die Abgrenzungsformeln bei den Verletzungsdelikten, also bei § 212 oder § 222 StGB bzw. § 223 oder § 229 StGB. Sie sind dementsprechend auf das Verletzungsdelikt „zugeschnitten“, was nicht bedeutet, dass sie nicht auf andere Tatbestände übertragbar wären.449 Auch im Betäubungsmittelstrafrecht kann es zu Situationen kommen, in denen der Täter um den Erfolgseintritt (in Form des Wechsels der Verfügungsgewalt oder der Grenzüberschreitung) nicht sicher weiß und dies auch nicht unbedingt will. Schwierigkeiten ergeben sich aber nicht nur bei Erfolgsdelikten: Zwar weiß der Täter eines Tätigkeitsdelikts immer sicher, dass er etwas tut, sodass sein Vorsatz im Hinblick auf die „Handlung“ bzw. schlichte Tätigkeit unproblematisch ist; jedoch heißt dies nicht unbedingt, dass er auch sichere Kenntnis von den übrigen Umständen bezüglich der Tatbestandsverwirklichung hat.450 Der betrunkene Fahrer weiß, dass er das Auto „führt“; dies muss jedoch nicht heißen, dass er sicher davon ausgeht, betrunken zu sein. Im Betäubungsmittelstrafrecht dürfte dies einen der wenigen praktisch denkbaren Fälle ausmachen, bei der eine Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit vorgenommen werden muss: So, wenn der Täter nicht sicher um die Eigenschaft der Substanz weiß, mit der er „umgeht“ (durch Aufbewahrung, durch Transport, durch Annahme etc.), aber – weil er sich keine weiteren Gedanken macht oder „keinen Ärger“ haben will – keine weiteren Nachforschungen mehr anstellt. Ob er dann bereits die Vorsatzschwelle überschritten hat, welche Kriterien hierbei eine Rolle spielen und welcher Maßstab im Betäubungsmittelrecht gilt, wird im Folgenden anhand einzelner Beispiele aus der Rechtsprechung näher beleuchtet.451 Hierfür muss feststehen, welche Abgrenzungsformel die h. M. „theoretisch“ zu Grunde legt, wobei bereits an dieser Stelle vorweggenommen sei, dass man trotz einer generationenübergreifenden Suche noch keine alles klärende „Zauberformel“ gefunden hat.452 Somit ist auch die Folgefrage, wie die Abgrenzung „praktisch“ erfolgen soll,
448 Zum Ganzen SSW/Momsen § 15 Rn. 45 ff.; Geppert Jura 2001, 55; Hermanns/ Hülsmann JA 2002, 140; Küpper ZStW 100 (1988), 758; NK/Puppe § 15 Rn.90 ff.; Wessels/Beulke Rn. 216 ff.; Kühl AT § 5 Rn. 43 ff.; Roxin AT I § 12 Rn. 36; Kaufmann ZStW 70 (1958), 64; Sieg Jura 1986, 326. 449 So auch Wessels/Beulke, Rn. 227 wo darauf hingewiesen wird, dass gleiche Regeln gelten, wenn die Tatbestandserfüllung nicht von einem drohenden Verletzungserfolg abhängt. 450 Siehe hierzu Kühl AT § 5 Rn. 86, der daher auch die Wendung „Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs“ durch „die Tatbestandsverwirklichung“ ersetzen will. 451 Umfangreiche Rechtsprechungsanalysen zur Abgrenzung im Kernstrafrecht bei Köhler, Bewusste Fahrlässigkeit, S. 45–102; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 304–339 und S. 379–406. 452 So Kühl AT § 5 Rn. 45, der wiederum Weigend ZStW 93 (1981), 657 (661) zitiert.
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welche Indikatoren also zur Ausfüllung einer etwaigen Begriffsdefinition herangezogen werden können, ebenso wenig abschließend geklärt. aa) Der Streitstand in der Lehre und höchstrichterlichen Rechtsprechung Die Vorsatzdefinition ebnet den Weg für zwei Grundpositionen, die sich bei der Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit herausgebildet haben.453 Die zwei „Lager“ unterscheiden sich dadurch, dass sie entweder das kognitive oder eben das voluntative Element in den Mittelpunkt rücken.454 Als gemeinsamer Nenner fungiert das kognitiv schwächste Element: Der Täter muss die Tatbestandsverwirklichung für möglich halten.455 Dies für einen dolus eventualis ausreichen zu lassen (so die „Möglichkeitstheorie“ 456), geht zu weit, da sie streng genommen auch die bewusste Fahrlässigkeit umfasst.457 Andere kognitive Theorien verzichten weiterhin auf das Wollenselement und schrauben dafür die Anforderungen auf der Wissensseite hoch, etwa in der Form, dass der Täter für den Erfolgseintritt für wahrscheinlich halten muss.458 Normative Risikotheorien machen das erforderliche Maß an Wissen vom beeinträchtigten Rechtsgut abhängig, wobei (teils schon im objektiven Tatbestand) sie teils danach differenzieren, ob die Gefahr abgeschirmt ist459 bzw. durch einfache Gegenmaßnahmen verringert werden kann. Wieder andere unterscheiden danach, ob es sich aus Sicht des Täters um eine abstrakte Gefahr oder konkrete Gefahr handelt.460 Da es sich bei der Gefahr461 bzw. dem geschaffenen Risiko um ein objek453 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Abgrenzungstheorien ist nicht erklärtes Ziel dieser Abhandlung. Dennoch ist zumindest eine kursorische Darstellung des Theorienstreits notwendig, damit konzeptionelle Abweichungen in der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur besser lokalisiert werden können. Daher wird auf die einschlägige Literatur verwiesen, vgl. Fn. 448 in Teil 3. 454 Zur Theorienanzahl allgemein Dannecker JuS 1989, 215; Brammsen JZ 1989, 77; Roxin AT I § 12 Rn. 32–65. 455 Kühl AT § 5 Rn. 53; Gropp AT § 5 Rn. 86. 456 Jakobs AT § 8 Rn. 21; Otto NJW 1979, 2414; vgl. T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 171 ff., der sich ebenfalls der Möglichkeitstheorie anschließt und konsequenterweise das Konstrukt einer bewussten Fahrlässigkeit ablehnt; zur modifizierten Möglichkeitstheorie, die auf die konkrete Gefahr im Einzelfall abstellt Schmidthäuser JuS 1980, 244; Kritik zur Auffassung Schmidthäusers bei Küpper ZStW 100 (1988), 758 (761); Sch/Sch/Cramer/Sternberg-Lieben § 15 Rn. 75. 457 Wessels/Beulke Rn. 217. 458 H. Mayer AT, S. 121; Schumann JZ 1989, 427 (433); Prittwitz JA 1988, 486; Welzel, Strafrecht (11. Aufl.), S. 68 ff. 459 Herzberg JuS 1986, 249; ders. JZ 1988, 635 (639); wobei diesem Ansatz die Gleichsetzung von Gefährdungs- und Verletzungsvorsatz vorgeworfen wird, so insbesondere Schünemann FS-Hirsch, 1999, S. 363 (369). 460 Unter anderem als Modifikation der Möglichkeitstheorie Schmidthäuser, JuS 1980, 244 f.; Joerden, Strukturen, S. 153. 461 Oder „Vorsatzgefahr“, so Puppe ZStW 103 (1991), 1 (31).
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tives Kriterium handelt, werden die entscheidenden Weichen bereits auf der objektiven Ebene gestellt.462 Nach der inzwischen wohl h. M. reicht allein das Wissen um die Tatbestandsverwirklichung nicht aus, da der Handlungsunwert einer Vorsatztat stets auch ein „Wollen“ des Täters voraussetzt.463 Aber das notwendige Maß an Wollen ist im Einzelnen heftig umstritten und steht in einer direkten Wechselwirkung zum geforderten Grad an Kenntnis. Die voluntativen Theorien stellen u. a. darauf ab, ob dem Täter der Eintritt des Erfolgs gleichgültig ist464 oder er die geschaffene Gefahr ernst genommen hat.465 Kritiker bemängeln speziell an diesen Vorgehensweisen, dass sie nur einen Teilaspekt der Abgrenzungsfrage erfassen bzw. zu konkret gefasst sind, dass sie als allgemeine Formel herangezogen werden könnten.466 Die Rechtsprechung teilt die Auffassung, dass allein kognitive Elemente für die Annahme eines dolus eventualis nicht ausreichen können. Der BGH legt in seiner bekannten Lederriemen-Entscheidung fest, dass der Täter den für möglich gehaltenen Erfolg billigend in Kauf nehmen müsse.467 In der Literatur betont man, dass dieses „Billigen“ nicht in einem emotionalen Sinne verstanden werden darf.468 Wie der BGH in seiner Entscheidung ebenfalls hervorhebt, ist ein Billigen im „Rechtssinn“ auch dann gegeben, wenn dem Täter der Eintritt des Erfolgs höchst unerwünscht war, dieser sich jedoch damit abgefunden hat. Somit kann auch bei unerwünschten Tatbestandsverwirklichungen ein Vorsatz bejaht werden, solange der Täter trotz Kenntnis den Erfolg „hinnimmt“ bzw. sich mit diesem abfindet. Da eine starke Ausprägung des kognitiven Elements für ein „Billigen“ im Rechtssinn sprechen soll, handelt es sich bei der Vorgehensweise des BGH letztlich einen normativen „Kombinationsansatz“ 469 aus kognitiven und voluntativen Elementen. So im Ergebnis auch die griffige „Abschlussdefinition“ Kühls, der die wesentlichen Aspekte der herrschenden Meinung in sich trägt, und die Analyse im Folgenden zu Grunde legt: „Eventualvorsatz liegt vor, wenn sich der Täter für die Ausführung einer Handlung entscheidet, obwohl er die von dieser 462
So v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 20.1. Köhler JZ 1981, 35 f.; Küper GA 1987, 508. 464 Zur Gleichgültigkeitstheorie Engisch NJW 1955, 1688; krit. Kindhäuser, FS-Eser, 2005, S. 345 (356 ff.). 465 Schroth NStZ 1990, 324. 466 Wessels/Beulke Rn. 220. 467 BGHSt 7, 363; hierzu Langer GA 1990, 460; vgl. im Übrigen aus der Rechtsprechung BGHSt 36, 262; BGH NStZ 2001, 475 (476); BGH NStZ 2002, 314; BGH StV 2004, 79 (80). 468 D.h. Willensmomente, die eher die Gefühlseinstellung betreffen wie Mitleid oder Bedauern, stehen der Annahme eines Eventualvorsatzes nicht notwendig entgegen, haben aber praktisch eine indizielle Wirkung. 469 Zu den Kombinationsansätzen Schünemann JR 1989, 93; Roxin AT I § 12 Rn. 51; MK-StGB/Joecks § 16 StGB Rn. 35; LK/Schroeder § 16 Rn. 93; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 22; Kühl AT § 5 Rn. 47 f. 463
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Handlung ausgehende Gefahr für die Tatbestandsverwirklichung erkannt, ernst genommen und sich mit ihr abgefunden hat. Dagegen handelt der Täter bewusst fahrlässig, wenn er beim Entschluss zur Tat ernsthaft darauf vertraut, dass es nicht zur Rechtsgutverletzung kommen werde, im Einzelfall auch, wenn er ernsthafte Vermeidungsbemühungen tätigt.“ 470 An diesem Punkt angelangt, erkennt man schnell, dass es sich bei der theoretischen Ermittlung der Abgrenzungsformel nur um einen „Zwischenschritt“ handelt, da noch nichts über ihre Anwendung im realen Lebenssachverhalt gesagt wurde. Die meisten höchstrichterlichen Entscheidungen zum dolus eventualis haben die Beweiserhebung, die Urteilsbegründung bzw. die Frage einer eventuell fehlerhaften Beweiswürdigung zum Gegenstand.471 Die Frage nach § 15 StGB ist in der Praxis somit eine Frage der §§ 261, 267 StPO.472 Dies deswegen, weil das „hinreichende Billigen im Rechtssinn“ nicht als „psychologischer Befund“ bereits feststeht, sondern anhand objektiver Kriterien festgemacht bzw. „zugeschrieben“ werden muss.473 Dann macht sich der skizzierte Theorienstreit allerdings „bezahlt“, da die dort aufgegriffenen Gesichtspunkte – soweit sie „greifbar“ bzw. objektivierbar sind – nun fruchtbar gemacht werden können. Für die Verletzungsdelikte der §§ 212, 222, 223, 229 StGB, die als typischer „Aufhänger“ für den Streit fungieren, haben sich im Laufe der Jahre folgende Kriterien herausgebildet, die für oder gegen die Annahme eines dolus eventualis sprechen:474 Ein stark ausgeprägtes Wissenselement, die objektive Gefährlichkeit der Handlung für das Rechtsgut bzw. das Risiko des Erfolgseintritts,475 das Vermeidungsverhalten des Täters, emotionale Nähe zum Opfer, die Wahrnehmungszeit,476 die affektive Belastung des Täters, seine Beeinträchtigung durch Alkohol und Rauschmittel,477 sein Nachtatverhalten478 sowie das Fehlen eines einleuchtenden Motivs.479 Der Indizienkatalog darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, 470
Kühl AT § 5 Rn. 85. Dies hängt damit zusammen, dass Verteidiger und Staatsanwälte die theoretisch zu Grunde gelegte Abgrenzungsformel hinnehmen werden und müssen, solange keine praktisch besser umsetzbare Formel existiert. In der Praxis ist somit immer die auf dieser Formel basierende Vorsatzbegründung des Richters entscheidend und angreifbar, die ihrerseits auf der Einlassung des Angeklagten, den Zeugenaussagen sowie den objektiven Tatumständen beruht. 472 Zu den Darstellungsanforderungen der inneren Tatseite im Urteil Meyer-Goßner § 267 StPO Rn. 7. 473 v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 22. 474 Übersicht bei v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 23; weitere Beispiele bei Kühl AT § 5 Rn. 87. 475 BGH NStZ 2000, 583 (584); NStZ 2007, 150; OLG München NJW 2006, 3364 (3365). 476 BGH NStZ 1994, 483 (484). 477 BGH NStZ 2004, 329 f.; BGH NStZ-RR 2004, 140 f. 478 BGH NStZ 2002, 314 f.; BayObLG NStZ-RR 2004, 44. 479 BGH NStZ 1983, 407. 471
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dass stets eine Gesamtbetrachtung aller – über den Gefahrengrad der Handlung hinausgehenden – Umstände erforderlich ist,480 sodass der Eventualvorsatz im Einzelfall selbst bei gefährlichen Gewalthandlungen ausgeschlossen sein kann.481 Die Untersuchung beinhaltet im Folgenden die Frage, ob und inwieweit diese Grundsätze auch im Betäubungsmittelstrafrecht gelten, um im Anschluss „passende“ Vorsatzindikatoren für das Betäubungsmittelstrafrecht zusammenzustellen. Schließlich sind die Indikatoren „rechtsguts- und tatbestandsakzessorisch“: Nachtatverhalten sowie die Nähe zum „Opfer“ (Volksgesundheit?) können bei den Delikten der §§ 29 ff. BtMG bzw. für die Ermittlung des Vorsatzes keine Rolle spielen, während milieubedingte Umstände als besondere Indikatoren hinzutreten können.482 Gleiche Überlegungen gelten auch innerhalb der betäubungsmittelrechtlichen Handlungsmodalitäten, d.h. die Indikatoren für ein Handeltreiben können anders aussehen, als die für einen rechtswidrigen Besitz. bb) Die Abgrenzung in der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur (1) Zur Bedeutung der Abgrenzung in der Praxis des Betäubungsmittelstrafrechts Entscheidungen zur Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit kommen in der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur selten vor. Grund hierfür sind zum einen die Tatbestandsstrukturen: Sowohl die Erfolgsdelikte als auch die Tätigkeitsdelikte kennzeichnen sich dadurch, dass sie einen relativ klar umschriebenen Inhalt haben.483 Ein Täter, der die gesetzlich beschriebene Handlung vornimmt, weiß daher (im Sinne eines dolus directus) regelmäßig um seine vorgenommene Tätigkeit. Man könnte auch sagen, dass der Tatbestand nicht zielgerichtetes Handeln i. S. e. besonderen Vorsatzintensität (sprich Absicht) voraussetzt, aber dies zwingend mit der objektiv beschriebenen Tathandlung einhergeht.484 Einzig problematische Bezugspunkte bleiben die Substanz selbst bzw. 480 MK-StGB/Joecks § 16 StGB Rn. 30; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 25; SSW/Momsen § 15 Rn. 56; zu den Risiken eines Indizienkatalogs Köhler JZ 1981, 35 (36); Volk, BGH-FS, 2000, S. 739 (744); Trück NStZ 2005, 233 (234 f.); Hermanns/ Hülsmann JA 2002, 140 (143) weisen aber zu Recht darauf hin, dass es bislang keine Alternative „zur Objektivierung der Vorsatzgrenze“ gibt. 481 Was bei Tötungsdelikten auch mit dem Rückgriff auf die Hemmschwellentheorie zusammenhängt, vgl. hierzu aus der neueren Rechtsprechung BGH NStZ-RR 2000, 327; zust. Geppert Jura 2001, 55 (59). 482 Etwa das Aussehen der Drogen, Ruf der Gegend bzw. der Kontaktperson. 483 Mit Ausnahme des Handeltreibens gem. § 29 I Nr. 1 BtMG sowie der unerlaubten Verschreibung gem. § 29 I Nr. 6 BtMG. 484 In diese Richtung auch MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 69: Zur Annahme fahrlässiger Begehungsweise wird man wegen der vom Tatbestand vorausgesetzten Zielgerichtetheit der Tathandlung, die für pflichtwidriges Verhalten wenig denkbaren Raum lässt, wohl nur über den („vermeidbaren“) Tatbestandsirrtum (§ 16 I 2 StGB) kommen.
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die Erlaubnispflicht. Derartige Konstellationen, in denen der Täter nicht um einen strafbarkeitsbegründenden Umstand weiß, werden über § 16 StGB abgeschieden; zumindest führen die Einlassungen der Angeklagten in der Praxis zu einem „Alles-oder-Nichts“-Prinzip. Es überrascht somit nicht, dass die Rechtsprechung zur betäubungsmittelrechtlichen Irrtumslehre wesentlich ausgeprägter und umfangreicher ist, als diejenige zur Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit. Die Lösung dieser Konstellationen führt wegen § 16 I 2 StGB dazu, dass die hier ermittelten Indikatoren für und gegen eine (Fehl-)Vorstellung des Täters dann eben nicht unter der Überschrift „Abgrenzung dolus eventualis/bewusster Fahrlässigkeit“ herangezogen werden müssen, sondern bei der Frage, ob es sich um einen beachtlichen oder unbeachtlichen Irrtum handelt. Die geringe Bedeutung der Abgrenzung ist auch auf die Verfolgungspraxis zurückzuführen: Soweit es sich um Straftaten aus der mittelschweren und schweren Betäubungsmittelkriminalität handelt, hat man aufgrund der hohen Rauschgiftmengen keine Schwierigkeiten, dem Täter einen Umsatzwillen bzw. Vorsatz bezüglich der Betäubungsmittelqualität nachzuweisen. Häufig handelt es sich dann um Wiederholungstäter, die in der Szene bekannt oder schon seit längerer Zeit als Dealer tätig sind. Die innere Tatseite hat dann bei der konkreten Strafzumessung bzw. beim Vorsatz bezüglich der nicht geringen Menge nach § 29a I Nr. 2 BtMG eine Bedeutung; ob der Täter den Straftatbestand vorsätzlich verwirklicht hat, steht nicht zur Debatte. Im Bereich der Kleinkriminalität dagegen stellen die Staatsanwaltschaften bei Ersttätern meist nach § 31a ff. BtMG ein bzw. sehen die Gerichte von Strafe gem. § 29 V BtMG ab, sodass man sich zur inneren Tatseite nicht verhalten muss (bzw. Überlegungen diesbezüglich zumindest nicht veröffentlicht). Dass es im Jahre 2008 nach den Statistiken des Bundesamts zu einer einzigen Aburteilung wegen eines fahrlässigen Betäubungsmitteldelikts kam, stützt diese Überlegung.485 Damit steht zugleich fest: Soweit man auf die praktisch geringe Bedeutung der Abgrenzungsfrage aufmerksam macht,486 mag dies im Hinblick auf die Aburteilungspraxis zutreffen, sagt aber nichts über ihre „praktische“ Bedeutung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens aus. (2) Die Problemkonstellationen und ihre „AT-gerechte“ Lösung durch den BGH Erst wenn die Einlassung des Angeklagten, Zeugenaussagen oder sonstige äußere Umstände darauf hindeuten, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung „für möglich hielt“, aber auf das Gegenteil vertraute, muss u. U. genauer überprüft werden, ob der Täter nocht mit Eventualvorsatz agierte. Solch eine Situation liegt typischerweise vor, wenn andere Personen den Täter innerhalb eines 485 Im Jahr 2009 waren es dagegen „schon“ vier, vgl. Statistisches Jahrbuch 2011, S. 279. 486 So MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1609.
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Drogenumlaufs für bestimmte Absicherungshandlungen „instrumentalisieren“, er etwa Drogen in der Wohnung aufbewahren, als Fahrer von einem Ort zum anderen fahren oder Gegenstände (Koffer, Taschen) für andere mitnehmen soll. Als Tathandlungen kommen somit die unerlaubte Einfuhr, der Besitz ohne Erlaubnis, der unerlaubte Erwerb oder sogar Handeltreiben in Betracht. Da man sich eher Personen bedient, die man kennt, besteht zwischen den Beteiligten häufig ein Näheverhältnis, sodass der „Kurier“/Verwahrer möglicherweise weiß, dass das von ihm zu transportierende/aufzubewahrende Päckchen Drogen enthält, er aber auf das Gegenteil hofft bzw. die Wahrheit nicht herausfinden will.487 Solch eine Konstellation beinhaltet auch einer der wenigen Entscheidungen, wo der BGH auf die allgemeine Abgrenzungsformel zurückgreift („Billigungstheorie“, siehe oben). Der Angeklagte begab sich in seinem Pkw mit seinem Freund nach Amsterdam. „Dort kam ihm der Gedanke, dass seine Begleitperson möglicherweise Drogen einkaufen und nach Deutschland mitnehmen könnte. Nach den Feststellungen der Vorinstanz war er damit „nicht einverstanden und vertraute darauf, dass [sein Freund] ihn nicht derart benutzen werde“. Tatsächlich hatte sich der Begleiter Heroin verschafft und legte es – von dem Angeklagten unbemerkt – in das Handschuhfach des Pkw, mit dem beide wieder nach Deutschland zurückfuhren. Auf Revision der Staatsanwaltschaft hin stellte der BGH in seinem Urteil vom 19.01.1988 fest, dass die Annahme der Vorinstanz, der Angeklagte habe sich nur der fahrlässigen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln schuldig gemacht, nicht zu beanstanden sei.488 Dass der Angeklagte auf Grund der gesamten Umstände der Tat ein Einschmuggeln für möglich hielt, reiche (unter Bezugnahme auf die Lederriemen-Entscheidung) für die Annahme eines bedingten Vorsatzes nicht aus. Da der Angeklagte mit einem Transport von Heroin von Amsterdam nach Deutschland nicht einverstanden gewesen sei und darauf vertraute, dass ihn sein Partner „nicht derart benutzen werde“, sei eine vorsätzliche Einfuhr von Betäubungsmitteln nicht gegeben. Der Senat bezieht sich explizit auf die Argumentation der Staatsanwaltschaft, die es für einen dolus eventualis als ausreichend erachten wollte, dass der Angeklagte den Transport lediglich für möglich hielt. Auch im Betäubungsmittelstrafrecht scheint der BGH – soweit ersichtlich – an der „Billigungstheorie“ festzuhalten und erteilt einem strengeren Maßstab ausdrücklich eine Absage. Dies ist im Hinblick weitläufige Ausgestaltung des Betäubungsmittelstrafrechts und seiner ebenso extensiven Anwendung durch die Strafgerichte keine Selbstverständlichkeit. Der Geltungsanspruch der Billigungstheorie ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH zur Strafzumessung: Demnach muss bei einer Verurteilung we487 Daneben wurde bereits angesprochen, dass die Ermittlung des dolus eventualis beim Umsatzwillen eines potentiellen Drogen-Dealers im Einzelfall ebenso einer kritischen Prüfung zu unterziehen ist, 3. Teil A. II. 1. c) bb) (1), S. 172 ff. 488 BGH v. 19.01.1988 – 1 StR 649/87.
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gen des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln dem Urteil zur inneren Tatseite zu entnehmen sein, ob der Angeklagte die Betäubungsmittelart, die Betäubungsmittelmenge und die Betäubungsmittelqualität kannte, sofern sich diese Feststellungen nicht von selbst aus der Schilderung des äußeren Sachverhalts ergeben.489 In weiteren Urteilen zur Strafzumessung stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung ebenfalls auf die Billigung490 bzw. Gleichgültigkeit491 des Täters ab, ohne dies weiter zu erläutern. Das Strafzumessungsrecht ist für die Abgrenzungsfrage an sich nur bedingt ergiebig, da höhere Wirkstoffmengen auch dann strafschärfend berücksichtigt werden können, wenn den Täter der Vorwurf der Fahrlässigkeit trifft.492 (3) Ein Indizienkatalog für die Abgrenzung im Betäubungsmittelstrafrecht Hält man vorübergehend fest, dass man eine Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit vornehmlich bei „Instrumentalisierungs-Sachverhalten“ sowie beim eventuell fehlenden Umsatzwillen i. R. d. Handeltreibens vornehmen muss, wird verständlich, dass sich hierzu noch keine ausgeprägte Kasuistik entwickeln konnte. Da sich der BGH auch im Betäubungsmittelrecht für die Billigungstheorie entschieden hat, müssen hier ebenfalls bestimmte Indikatoren für die Annahme eines „Billigens“ im Rechtssinn existieren. Diese lassen sich nur vermuten, da sich die wenigen Urteile zu dieser Fragestellung selten detailliert zur inneren Tatseite verhalten. Beispielsweise sagt das persönliche Verhältnis der Beteiligten untereinander nicht viel aus, da eine Freundschaft und das darauf beruhende Vertrauen zwischen den Beteiligten das Problem u. U. erst „aufleben“ lassen, aber zugleich gegen einen Eventualvorsatz sprechen. Jedenfalls können Gespräche über Rauschgift, frühere Ereignisse oder Sonderwissen der betroffenen Person das Vertrauen erschüttern.493 Unabhängig vom Vertrauensverhältnis kann ein unbefangener Umgang des Täters mit dem „ominösen Päckchen“ gegen einen Vorsatz sprechen, während ein heimliches, bedeckt gehaltenes oder auch erregtes Verhalten einen dolus eventualis indiziert. Auch das Aussehen des Gegenstands selbst (Schwere, Größe bzw. Volumen, Verpackung, Geruch) spielt eine Rolle. Häufiges Nachfragen bzw. Zusichern-Lassen des Inhalts dagegen sprechen weder für494 noch gegen einen dolus eventualis.495 489
BayObLG StV 1998, 590. BGH NStZ-RR 1997, 121. 491 BGH NStZ 1999, 467. 492 Weber § 29 Rn. 793. 493 Etwa das Wissen darum, dass der Partner immer am Wochenende seine Drogen bezieht. 494 Schließlich könnte man behaupten, der Täter gehe seinem Verdacht nach, was gegen ein billigendes Inkaufnehmen spricht. 490
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Zu nennen ist in diesem Zusammenhang der Beschluss des BGH vom 24.2. 1995, wonach die Annahme eines bedingten Vorsatzes nahe liegt, wenn sich ein Täter bewusst/absichtlich unwissend hält, obwohl er einen konkreten Verdacht hat; allerdings muss das Urteil dann entsprechende Feststellungen dazu enthalten, dass sich der Kurier einem aufkeimenden Verdacht entziehen wollte.496 Da derartige Feststellungen im Urteil fehlten, musste der BGH ein „Billigen“ und somit einen dolus eventualis bezüglich des unerlaubten Handeltreibens gem. § 29 I Nr. 1 BtMG verneinen. Die Entgeltlichkeit der Handlung – auch für „Freundschaftsdienste“ – kann ebenso für einen Vorsatz sprechen,497 wie der Aufwand bzw. die Vorbereitung auf die Handlungen im Vorfeld. Schließlich ist die Unerfahrenheit, Leichtgläubigkeit und Leichtsinnigkeit des Täters (die sich wiederum am Alter dessen „objektivieren“ lassen) in Bezug auf den Umgang mit Drogen zu berücksichtigen. Besondere Grundsätze gelten beim Handeltreiben, wenn der Täter zwar um die Beschaffenheit der Substanz weiß, aber sein Umsatzwille fraglich ist. Diesbezüglich wurden schon an anderer Stelle die objektiven Indizien wie fehlende Bezugsquellen, exorbitante (und daher nicht umsetzbare) Angebote, aber auch die Milieuerfahrung des Täters als Indikatoren herausgearbeitet.498 Da der Umsatzwille von der Verbindlichkeit und Ernstlichkeit des Angebots abhängt, muss man bei ausländischen Tätern überprüfen, ob überhaupt ein verbindlicher und seriöser Vertragsschluss nach Tätervorstellung möglich war. Weitere Indizien sind hier außerdem der Bekanntheitsgrad der Beteiligten untereinander sowie die Erfahrung des Täters im Hinblick auf Drogengeschäfte. Ob auch i. R. d. §§ 29 ff. BtMG die Anwendung einer „Hemmschwellentheorie“ denkbar ist (beispielsweise diejenige, die zwischen „weichen“ und „harten“ Drogen verläuft), betrifft eine kriminologische Vorfrage, die hier nicht erörtert werden kann.499 Tatsächlich unterscheidet die Literatur zwischen Dealern, die
495 Da man andererseits behaupten könnte, dass der Täter bei so viel Misstrauen auch selber hätte den Inhalt kontrollieren können (und das oberflächliche Nachfragen nur der Vorbereitung einer „Schutzbehauptung“ dient). 496 BGH StV 1995, 524. 497 Wobei es nach einem Urteil des BGH vom 30.06.1993 – 2 StR137/93 keinen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils darstellt, wenn der Tatrichter in Ansehung des vereinbarten Entgelts für eine Fahrt (1.000 DM für eine Fahrtstrecke von 1.300 km) und des Umstands, dass die Mitangeklagten darauf bestanden, einen Rucksack im Kofferraum zu verstauen, nicht geprüft hat, ob dem Angeklagten nicht wenigstens fahrlässiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anzulasten sei. Derartige Umstände mussten den Angeklagten nicht zu der Annahme drängen, er beteilige sich an einem Rauschgifttransport, da 1000 DM aufgrund der langen Fahrtstrecke und sonstigen Aufwendungen angemessen seien. 498 3. Teil A. II. 1. c) bb) (1), S. 172 ff. 499 Wobei die Hemmschwellentheorie des BGH selbst bei den Tötungsdelikten eher auf einem allgemeinen bzw. „gesunden“ Empfinden beruht, als auf gesicherten empiri-
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mit „allem“ handeln und denjenigen, die dem Kodex nachgehen, nur mit weichen Drogen (Haschisch) zu dealen.500 (4) Der dolus eventualis bezüglich nicht geringer Mengen nach § 29a I Nr. 2 BtMG Beim professionellen Dealer kommt es nicht auf den Vorsatz bezüglich des Betäubungsmittels, sondern auf die möglicherweise „gleichgültig“ hingenommene, nicht geringe Menge nach § 29a I Nr. 2 BtMG an. Hier bezieht sich die Abgrenzung dolus eventualis/bewusste Fahrlässigkeit auf die Frage, ob der Täter neben dem Grundtatbestand auch die Qualifikation verwirklicht hat. Da es hier nur im weiteren Sinne um eine „Abgrenzung“ von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit geht,501 wurde diese spezielle Fallgruppe zurückgestellt; doch belegt die Judikatur in diesem Bereich, dass die Rechtsprechung auch im Betäubungsmittelstrafrecht die gleichen Kriterien für einen dolus eventualis zugrundelegt (wie etwa bestehendes Vertrauen, Prüfungsmöglichkeiten, äußere Umstände etc.). Als Beispiel sei der Beschluss des BGH vom 31.03.1999 zitiert,502 bei dem einem Kurier eine wesentlich höhere Menge an Rauschgift in einem Koffer versteckt übergeben wurde, als abgesprochen war. Da keimt die Frage auf, ob dieses Mehr (bzw. die nunmehr „nicht geringe Menge“ gem. § 29a I Nr. 2 BtMG) dem Kurier „zugerechnet“ werden kann: Der Senat greift auf, dass man im Ganovenmilieu nur ein geringes Maß an Vertrauen gegenüber seinen Lieferanten aufbringen darf. Der Kurier müsse in der Regel damit rechnen, dass man ihm mehr Rauschgift zum Transport übergibt, als man ihm offenbart. Liegt kein Vertrauensverhältnis vor und fehlt es dem Kurier auch nicht an Erfahrung, ist sein dolus eventualis indiziert, den nur besondere Gegebenheiten im Einzelfall widerlegen können. In concreto sah der BGH einen solchen Umstand in der angemessenen Höhe des Kurierlohnes. Dies gilt aber nur, wenn der Auftraggeber damit rechnen muss, dass sein Kurier irgendwann erfährt, wie viel Rauschgift er tatsächlich transportiert hat. Im Übrigen führt eine fehlende Kontrolle bzw. die zu Tage getretene Gleichgültigkeit des Täters zur Vermutung, er habe die Mehrmenge gebilligt bzw. sich mit dieser abgefunden. e) Ergebnis zum subjektiven Tatbestand im Betäubungsmittelstrafrecht Als Ergebnis halte man fest, dass die allgemeine Vorsatzdogmatik ohne erhebliche Einschränkungen auf das Betäubungsmittelstrafrecht übertragen werden schen Erkenntnissen, vgl. hierzu MK-StGB/Schneider § 212 StGB Rn. 10; speziell zu den empirischen Untersuchungen Verrel NStZ 2004, 309. 500 Bauer, Rauschgift, S. 38. 501 Schließlich bleibt der Vorsatz im Hinblick auf das Grunddelikt erhalten und die Fahrlässigkeit hat keine weiteren Folgen. 502 BGH NStZ 1999, 467.
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kann und die Rechtsprechung dies auch konsequent zu berücksichtigen scheint. Der Aussagegehalt dieser Feststellung ist wegen der relativ geringen Anzahl von Urteilen zur Vorsatzdogmatik nicht hoch. Daher ist es begrüßenswert, dass der BGH dazu tendiert, Instanzgerichte vor einer allzu schnellen Bejahung des Vorsatzes zu warnen und die Notwendigkeit einer umfassenden Vorsatzprüfung zu betonen. Neben den tatbestandsspezifischen Vorsatzbezugspunkten gibt es keine weiteren Besonderheiten zu berücksichtigen. Die meist zielgerichteten Tatbestandsmodalitäten führen aufgrund geringer Vorsatzbezugspunkte503 selten zu Problemen. Fehlende Kenntnis bzw. Fehlvorstellungen bezüglich des Hauptbezugspunkts „Betäubungsmittel“ werden im Regelfall als Irrtümer behandelt und sind daher auch erst in diesem Zusammenhang vertieft darzustellen.504 Dementsprechend lassen sich auch Konstellationen, in denen eine Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit vorzunehmen ist, auf zwei Fallgruppen minimieren. Da der BGH hier seiner Linie treu bleibt und die „Billigungstheorie“ anwendet, wurden zahlreiche Kriterien herausgearbeitet, die für oder gegen ein „Billigen“ im Rechtssinne sprechen. Im Übrigen spielen die verschiedenen Vorsatzstufen im BtMG eine noch geringere Rolle als im StGB. Bei der zentralen Tatmodalität des Handeltreibens bleibt ungeklärt, ob die Rechtsprechung für die Annahme eines Umsatzwillens bereits die Anforderungen an den Vorsatz oder nur an die tatrichterliche Beweiswürdigung „hochschraubt“. Bezüglich der zeitlichen Grenzen des Vorsatzes gelten ebenfalls die allgemeinen Regeln. Nur bei der Abgrenzung von der Einfuhr zur Durchfuhr führt die weite Auslegung des BGH vom „tatsächlichen zur Verfügung Stehen“ zu einer (vermeidbaren) Verletzung des Simultaneitätsprinzips. 2. Das fahrlässige Betäubungsmitteldelikt „Kann der Nachweis vorsätzlichen Handelns nicht geführt werden, so hat das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur erschöpfenden Aburteilung die fahrlässige Begehung zu prüfen.“ 505 Soweit eine Vorsatztat ausscheidet, muss überprüft werden, ob dem Täter zumindest eine Fahrlässigkeitstat zur Last gelegt werden kann. Hierbei besteht zwischen Vorsatztat und Fahrlässigkeit allenfalls bei wertender Betrachtung ein „Gefälle“, weswegen die h. M. auch von einem normativen Stufungsverhältnis ausgeht. Die Fahrlässigkeitstat stellt jedoch kein „Minus“ zur Vorsatztat dar,506 mithin unterscheidet sie sich also nicht (nur) in quantitativer, sondern in qualitativer Hinsicht von der Vorsatztat.507 503
Handlung + Betäubungsmittel + eventuell ohne Erlaubnis + eventuell Erfolg. Siehe 3. Teil A. IV. 4., S. 289 ff. 505 BGH NStZ 1983, 174. 506 Dies würde bei einem konsequenten Verständnis dazu führen, dass ein vorsätzlich handelnder Täter auch sorgfaltswidrig handeln müsste, was nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen führt, vgl. v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 29.2; ders. Berufsbe504
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Im Betäubungsmittelstrafrecht existieren fast ebenso viele „reine“ Fahrlässigkeitsmodalitäten wie im gesamten Kernstrafrecht.508 Während das StGB ca. 25 Fahrlässigkeitsstraftatbestände beinhaltet, generiert § 29 IV BtMG durch den kaum eingeschränkten Verweis ganze 21 Fahrlässigkeitsmodalitäten. Damit bestätigt sich der im ersten Teil behauptete „Trend“ häufiger Anordnung von Fahrlässigkeitsdelikten im Neben- sowie Wirtschaftsstrafrecht.509 § 29 IV BtMG klammert u. a. den fahrlässigen Besitz, das fahrlässige Verschreiben von Betäubungsmitteln, die fahrlässige Abgabe aus Apotheken, sowie die fahrlässige Werbung aus. Die geringen Aburteilungsraten in der Praxis konterkarieren diesen gesetzgeberischen „Fahrlässigkeitsexzess“. Höchstrichterliche Entscheidungen und damit verbundene Überlegungen zum Fahrlässigkeitsvorwurf sind rar bzw. erfolgen meist im Zusammenhang zur Vorsatztat.510 Die bisherigen Ausführungen zum subjektiven Tatbestand können folglich als „Kehrseite“ bewusster Fahrlässigkeit verwertet werden. Der Schwerpunkt der folgenden Überlegungen liegt dementsprechend bei den noch nicht besprochenen Formen der Fahrlässigkeit (der unbewussten sowie groben Fahrlässigkeit in Form der leichtfertigen Begehungsweise).511 Wie beim Vorsatz, wird nach einer kurzen Darstellung der Grundlagen des Fahrlässigkeitsdelikts (a), genau jener für die Sorgfaltspflichtverletzung zugrunde gelegte Maßstab ermittelt, um Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der fahrlässigen Betäubungsmittelstraftat gegenüber den klassischen Fahrlässigkeitsdelikten des StGB herauszuarbeiten (b). Hierbei macht die Modalität des sonstigen Inverkehrbringens, welche „typologisch“ am besten auf die Fahrlässigkeitshaftung passt, einen Schwerpunkt aus (c). Nachdem weitere „konstruierbare“ Fallgruppen aus der Literatur zusammengefasst wurden (d), wird im letzten Schritt das fahrlässige Handeltreiben zu begutachten sein, das von der h. M. zwar anerkannt, aber schwerlich mit der derzeit anerkannten Fahrlässigkeitsdogmatik zu vereinbaren ist (e). Die gewonnenen Erkenntnisse werden nicht nur für klarere Vorgaben de lege lata, sondern (im Hinblick auf die prak-
dingtes Verhalten, S. 323 ff.; zum Verhältnis von Vorsatz und Fahrlässigkeit vgl. auch Kudlich, 2008, FS-Benakis, S. 265 ff. 507 SSW/Momsen § 15 Rn. 58; Fischer § 15 Rn. 13; Lackner/Kühl § 15 Rn. 35. 508 Unter „reinen“ Fahrlässigkeitsdelikten sind Tatbestände zu verstehen, die nicht einmal partiell vorsätzliches Handeln verlangen. Im StGB zählen hierzu u. a. §§ 163, 222, 229, 306d, 316 II, 317 III. Häufiger im StGB ist dagegen die Anordnung von „Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen“, die hinsichtlich eines Teils (meist die Handlung, aber manchmal auch ein Zwischenerfolg) Vorsatz verlangen und hinsichtlich der eingetretenen Folgen Fahrlässigkeit genügen lassen, vgl. nur §§ 315b StGB. 509 Vgl. 1. Teil C. II. 3., S. 59 f.; siehe hierzu auch Kudlich/Og ˘ lakcıog˘lu Wirtschaftsstrafrecht Rn. 43; Tiedemann AT Rn. 62 f. 510 Siehe bereits Fn. 485 in Teil 3. 511 Zumal der Maßstab, den die Rechtsprechung der Fahrlässigkeit im Betäubungsmittelrecht zu Grunde legt, bei den „Knotenpunkten“ der Fahrlässigkeitshaftung besser zum Vorschein tritt, als bei der bewussten Fahrlässigkeit.
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tisch geringe Bedeutung des Fahrlässigkeitsdelikts) in erster Linie für systemkritische Überlegungen de lege ferenda fruchtbar gemacht (f). a) Grundlagen Die Fahrlässigkeitshaftung lässt sich als Tatbestandsverwirklichung ohne Vorsatz bezeichnen; soweit also ein Tatbestand als Erfolgsdelikt ausgestaltet ist, gelten dieselben Zurechnungskriterien (Erfolg, Handlung, Kausalität etc.) wie beim Vorsatzdelikt.512 Die Fragen der Kausalität und objektiven Zurechnung im Betäubungsmittelstrafrecht wurden bereits ausführlich dargestellt.513 Die Einordnung der weiteren Merkmale ist im Einzelnen – zumindest im Hinblick auf ihre dogmatische Verortung – umstritten, was nicht näher dargelegt werden muss.514 Entscheidend ist der Fahrlässigkeitsvorwurf: Statt einer vorsätzlichen Begehung, legt man dem Täter zur Last, einen „vermeidbaren Fehler“ begangen zu haben, durch den er Rechtsgüter anderer beeinträchtigt.515 Im Tatbestand äußert sich diese „Nachlässigkeit“ in der Notwendigkeit einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung und der objektiven Vorhersehbarkeit des Erfolges zum Zeitpunkt des pflichtwidrigen Verhaltens. Diese treten an die Stelle des subjektiven Tatbestands.516 Die objektive Vorhersehbarkeit ist als besondere Ausprägung der objektiven Zurechnung gesondert zu prüfen, da sie in einem engen Beziehungsverhältnis zur Sorgfaltspflichtverletzung steht.517 Schließlich bemessen 512 Kühl AT § 17 Rn. 8; Fischer § 15 Rn. 12; SSW/Momsen § 15 Rn. 61; Lackner/ Kühl § 15 Rn. 35. 513 Siehe 3. Teil A. I. 2., S. 116 und 3. Teil A. I. 3., S. 119. In diesem Zusammenhang sei der Begriff der kumulativen Kausalität aufgegriffen, da er strukturell meist bei vorsatzlos handelnden Tätern eine Rolle spielt. Im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität, im Bereich des § 30 I Nr. 3 BtMG wirken die berüchtigten „Giftdosenfälle“ nicht vollkommen konstruiert: Man denke hier an die Verabreichung einer normalerweise nicht tödlichen Menge an Heroin, die mit einem kurz vorher eingenommenen (ebenfalls verbotenen) Betäubungsmittel zu einer tödlichen Wirkung „kumuliert“. Die Haftung des Heroinverabreichenden ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht dadurch ausgeschlossen, dass seine Handlung alleine nicht ursächlich gewesen wäre, vgl. SSW/ Kudlich Vor § 13 Rn. 38 (auch zur Korrektur über die objektive Zurechnung, wobei es im Betäubungsmittelrecht nicht immer vollkommen atypisch sein dürfte, dass sich die Wirkungen von Rauschgift, insbesondere bei süchtigen bzw. ständig konsumierenden Personen in lebensgefährlicher Form potenzieren. Da es zumindest im Rahmen des § 30 I Nr. 3 BtMG nicht notwendig ist, dass der Täter Vorsatz im Bezug auf den Todeseintritt hat, entschärft sich das Problem. Zugleich wird aber deutlich, dass bei Vorsatztaten unter dem Strich für den Täter entscheidend sein kann, ob man bereits die objektive Zurechnung ablehnt oder die bejahte Erfolgshaftung – wie die Rechtsprechung – erst auf subjektiver Ebene korrigieren will). 514 Zum Streitstand Wolter in Wolter (Hrsg.), 140 Jahre Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, 1993, S. 269 (310). 515 So Kühl AT § 17 Rn. 9. 516 H.M. BGHSt 10, 369; OLG Köln NStZ-RR 2003, 304; Lackner/Kühl § 15 Rn. 36; NK/Kindhäuser § 15 Rn. 41; SSW/Momsen § 15 Rn. 61. 517 Fischer § 15 Rn. 14.
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sich Art und Maß der Sorgfalt nach der Vorhersehbarkeit des Geschehens.518 Im Bereich der Tätigkeitsdelikte fällt die objektive Vorhersehbarkeit des „Außenwelterfolges“ als Unrechtstatbestandsmerkmal weg. Da aber auch die Verwirklichung des Tätigkeitsdelikts „Zwischenerfolge“ bzw. eben die Tatbestandsverwirklichung als solche voraussetzt, bleibt die eigenständige Prüfung erhalten (ob eben diese Verwirklichung „vorhersehbar“ war).519 Im Hinblick auf die zahlreichen Tätigkeitsdelikte ist dies für das Betäubungsmittelstrafrecht von besonderer Relevanz. Soweit der Täter ein potentielles Unrechtsbewusstsein aufweist und das normgemäße Verhalten, also die Einhaltung der Sorgfaltspflicht rechtlich zumutbar ist,520 kann der Tatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts bejaht werden. Auf die „technische“ Unterscheidung zwischen „reinen“ Fahrlässigkeitsdelikten und Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen sei nochmals hingewiesen. Beide Deliktstypen kommen im BtMG vor, da die leichtfertige Todesverursachung nach § 30 I Nr. 3 BtMG als Erfolgsqualifikation eine spezifische Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination gem. § 11 I Nr. 8 StGB darstellt. Ebenso wurde bereits zwischen den drei Arten der Fahrlässigkeit differenziert, vom groben Sorgfaltspflichtverstoß in Form der Leichtfertigkeit521 (welche nur bei bestimmten Vorsatz-Fahrlässigkeitskombinationen von Nöten ist, wie bei § 30 I Nr. 3 BtMG), über die bewusste Fahrlässigkeit hin zur schwächsten Form der unbewussten Fahrlässigkeit.522 Wenn die Annahme von Fahrlässigkeit voraussetzt, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung in keiner Form billigt bzw. in Kauf nimmt, scheidet ein Versuch denknotwendig aus.523 Ähnliche Erwägungen stehen auch dem Konstrukt einer „fahrlässigen Mittäterschaft“ entgegen, da die Zurechnungsnorm des § 25 II StGB nur bei Tätern Anwendung findet, die den Tatbestand auf einem gemeinsamen Tatentschluss basierend verwirklichen.524 Wegen der limitierten Akzessorietät der Teilnahme scheidet auch eine Anstiftung bzw. eine Bei518 Weigend, FS-Gössel, 2002, S. 129; a. A. Wolter GA 1977, 257; Roxin AT I § 24 Rn. 8 ff. 519 Vgl. Wessels/Beulke Rn. 665; Kühl AT § 17 Rn. 12. 520 Zur Zumutbarkeit als „Ausnahmefallgruppe“ vgl. v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 68 f. 521 Monographisch Birnbaum, Die Leichtfertigkeit zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz. 522 Es ist hier bewusst von „Arten“ und nicht „Stufen“ die Rede, da eine quantitative Abstufung nicht unangreifbar ist, wenn man bedenkt, dass das „Mehr“ an Fahrlässigkeit bei der leichtfertigen Begehung nichts mit „bewusst“ oder „unbewusst“ zu tun hat, sondern dass der Sorgfaltspflichtverstoß gravierender Natur sein muss; siehe hierzu Kretschmer Jura 2000, 267 (268). Auch ein unbewusst fahrlässig handelnder Täter kann also leichtfertig handeln, vgl. nur BGH NStZ-RR 2000, 366. 523 Der Versuch setzt Tatentschluss und somit Vorsatz voraus, vgl. auch Wessels/ Beulke Rn. 659. 524 Str., vgl. Rengier AT § 52 Rn. 4 ff.; zum Modell einer fahrlässigen Nebentäterschaft vgl. BGHSt 47, 224; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, 1999.
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hilfe zum fahrlässigen Handeln aus, wobei eine pflichtwidrige „Teilnahmehandlung“ zu einer nebentäterschaftlichen Fahrlässigkeitsstrafbarkeit führen kann.525 Derartige Grundsätze, die man auf logische bzw. systemimmanente Schlussfolgerungen und nicht auf normative Erwägungen stützt, stellt man auch im Betäubungsmittelstrafrecht nicht in Frage.526 b) Sorgfaltspflichtverletzung und objektive Vorhersehbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht Untersucht wird im Folgenden, wann die Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden von einem Sorgfaltspflichtverstoß und einer objektiven Vorhersehbarkeit der Tatbestandsverwirklichung ausgehen können. Im Allgemeinen handelt es sich hierbei um die umstrittensten Fragen der Fahrlässigkeitshaftung, wobei die einzelnen Ansätze aus Literatur und Rechtsprechung hier nicht einmal im Ansatz nachgezeichnet werden können.527 Vom grundsätzlichen Erfordernis einer Sorgfaltspflichtverletzung gehen die folgenden Untersuchungen aus, da man bei dieser dogmatischen Streitfrage das gleiche Ziel verfolgt, nämlich eine schuldprinzipkonforme Einschränkung der Fahrlässigkeitshaftung.528 Bei der Bestimmung der Sorgfaltspflichten darf man nicht vergessen, dass der „Weg“ zum fahrlässigen Betäubungsmitteldelikt zweierlei ausgestaltet sein kann: Einerseits „originärer“ Natur, d.h. der Täter handelt schlicht fahrlässig im Bezug auf ein konkretes Bezugsobjekt „Droge“, mag er dies „vor Augen“ haben oder nicht; andererseits „abgeleitet“, indem der Täter über einen Stoff, mit dem er „umgeht“ tatsächlich irrt und somit über § 16 I 2 StGB dem Vorwurf der Fahrlässigkeit ausgesetzt ist. Bei letzterer Fallgruppe ist schon die „Vorstufe“ nicht unproblematisch, wenn man bedenkt, dass nicht jeder Irrtum des Täters einen Fall des § 16 StGB darstellt (Irrtum über die Beschaffenheit? Über psychotrope Eigenschaft? Oder über die Aufnahme in das BtMG?) und man ihn seinerseits rechtlich klassifizieren muss.529 Nicht selten handelt es sich um Fälle der „Rechtsfahrlässigkeit“ (die Täterin denkt, der von ihr im Laden verkaufte „Faserhanf“ unterfiele wegen seines geringen THC-Gehalts nicht dem Betäubungsmittelbegriff 530), bei denen die
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Rengier AT § 52 Rn. 3. Einhellig Weber § 29 Rn. 1772 f.; MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1607. 527 Zur Herleitung, näheren Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs und ihrer dogmatischen Verortung aus der inzwischen kaum mehr überschaubaren Literatur, übersichtlich v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 35 ff. m.w. N. 528 So auf den Punkt gebracht bei SSW/Momsen § 15 Rn. 63. 529 Ob man dagegen die Maßstäbe bei der Sorgfaltspflichtverletzung allein schon deswegen divergieren (sollen), weil man – wie hier formuliert – „originär“ oder eben nur „abgeleitet“ zur Fahrlässigkeit gelangt, ist eine Frage, über die man schon im Allgemeinen ausgiebig diskutieren könnte. 530 LG Ravensburg NStZ 1998, 806. 526
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Grenzen zwischen einem allenfalls nach § 17 StGB zu behandelnden vermeidbaren Verbotsirrtum und einem tatsächlichen Irrtum fließend sind.531 Gerade wegen dieses Umstands fällt es in derartigen Fällen allerdings auch leichter, „zumindest“ eine Fahrlässigkeitshaftung der handelnden Personen zu konstruieren. aa) Quellen der Sorgfaltspflicht und Verbotsindikation Die Sorgfaltspflichtverletzung als „Handlungsunwert“ des Fahrlässigkeitsdelikts hängt an den Anforderungen, die man innerhalb eines bestimmten Verkehrskreises an einen einsichtigen und besonnenen Menschen in der konkreten Tatsituation des Täters stellt.532 Jene „Anforderungen“ können in Sondernormen konkretisiert sein, deren Verletzung bzw. Nicht-Beachtung die Sorgfaltswidrigkeit indiziert.533 Derartige Sondernormen enthält das BtMG selbst, weswegen bei einer Betäubungsmittelabgabe an eine nicht eigenverantwortlich handelnde Person mit tödlichen Folgen bereits der Verstoß gegen § 3 BtMG die Sorgfaltspflichtverletzung i. R. d. § 222 StGB bedeuten kann. Diese Verbotsindikation hat nur eine „Außenwirkung“ und kann nicht innerhalb des Verbots selbst zu einer gleichartigen Indizwirkung führen: Die Quelle der Sorgfaltspflicht darf nicht mit der Verbotsnorm identisch sein.534 Daher muss man beim unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln auf die sonstigen „Quellen“ der Sorgfaltspflichten zurückgreifen: Dies sind die Standards bestimmter Verkehrskreise oder das Verhalten, das man von einem „Durchschnittsbürger“ erwarten würde.535 Es ist danach zu fragen, wie ein besonnener und gewissenhafter Mensch in der konkreten Lage und der sozialen 531 Erst im Rahmen der Ausführungen zum Irrtum wird nachvollziehbar, was mit „Rechtsfahrlässigkeit“ gemeint ist. Trotzdem wird die vorliegende Abhandlung den Begriff im Folgenden nicht mehr allzu oft verwenden, da er als „Sinnbild“ für die Unzulänglichkeit der geltenden Irrtumslehre kritisches Potential hat bzw. allzu „aufgeladen“ ist, sodass er nicht als „Arbeitsbegriff“ innerhalb einer Arbeit fungieren kann, welche die herrschende Dogmatik weitgehend zu Grunde legt. An dieser Stelle zur Erläuterung nur so viel. Wenn die h. M. davon ausgeht, dass der Täter den rechtlichen Bedeutungsgehalt einer Tatbestandsnorm erfassen muss (gemeint ist die berüchtigte „Parallelwertung in der Laiensphäre“ bei normativen Tatbestandsmerkmalen), so wäre es nur konsequent, diese rechtlich-tatbestandlichen Komponenten innerhalb des objektiven Fahrlässigkeitsdelikts fortwirken zu lassen. Bis heute ist noch nicht abschließend geklärt, wann von einem rechtlichen Tatbestandsirrtum und wann von einem echten Verbotsirrtum auszugehen ist, der nur die Unrechtseinsicht betrifft und somit nach § 17 StGB zu behandeln ist. 532 BGH NJW 2000, 2754; BGH NStZ 2005, 446. 533 Wobei aber im Ausnahmefall ein Verhalten trotz des Verstoßes gegen eine Sondernorm sorgfaltsgemäß oder umgekehrt trotz Berücksichtigung aller Vorgaben pflichtwidrig sein kann, Roxin AT I § 24 Rn. 16; Rengier AT § 52 Rn. 17; vgl. aber Kudlich in FS-Otto, 2007, S. 373 ff., der diesen Hinweis als „salvatorische Klausel“ entlarvt. 534 v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 36. 535 Zu den einzelnen Quellen Neubacher Jura 2005, 857.
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Rolle des Normadressaten gehandelt hätte536, wobei nach h. M. etwaiges Sonderwissen nicht nur eine Schuldfrage ist, sondern bereits den objektiven Sorgfaltsmaßstab beeinflusst.537 Auf diese Grundformel greift das betäubungsmittelrechtliche Schrifttum einheitlich zurück.538 Die Sorgfaltspflicht kann man im Betäubungsmittelstrafrecht – trotz zahlreicher sowie verschiedener Tatbestandshandlungen bzw. sogar divergierender Deliktstypen – im ersten Schritt einheitlich bestimmen, da sich der Normbefehl und somit auch Bezugspunkt der zu bestimmenden Sorgfaltspflicht für alle Tatbestände gleichmäßig folgendermaßen zusammenfassen lässt: „Wende die im konkreten Fall erforderliche Sorgfalt an, um nicht mit Drogen umzugehen“.539 Während bei den Erfolgsdelikten der Täter sowohl im Hinblick auf das zentrale Tatbestandsmerkmal der Betäubungsmitteleigenschaft als auch auf den eingetretenen Außenwelterfolg fahrlässig handelt, bleibt bei den schlichten Tätigkeitsdelikten nur die Drogeneigenschaft als Bezugspunkt für den Fahrlässigkeitsvorwurf, konkreter: Bei der Einfuhr als Außenwelterfolgsdelikt kann der Täter irrtümlich bzw. ungewollt weiß glänzende Cracksteine statt weiß glänzende Heilsteine über die Grenze verbringen. Er kann aber auch wissend um die Cracksteine entgegen seiner Vorstellung die deutsche Grenze übertreten, obwohl er nur kurz vor der deutschen Grenze Handel treiben wollte. Bei den schlichten Tätigkeitsdelikten bleibt alleiniger Bezugspunkt die „Droge“, weswegen der Sorgfaltsmaßstab allein an diesem Merkmal hängt. Diesen Maßstab gilt es „hochzuschrauben“, wenn der Täter schon um die Eigenschaft des Stoffes als Droge weiß, etwa bei der fahrlässigen Grenzüberschreitung. Als weiteres Beispiel sei der Erwerb zum Eigenkonsum genannt, bei dem der Täter die Drogen auf dem Weg nach Hause verliert bzw. wegwirft, weil er es sich doch anders überlegt oder nicht richtig aufbewahrt hat, und ein anderer nun mit den Drogen in Berührung kommt. In derartigen Situationen tritt die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit meist nur „neben“ eine vorsätzlich, vollendete Tat nach § 29 I Nr. 1 BtMG. Gleiches gilt für Fälle, in denen man dem Täter den Stoff aushändigt bzw. „vor die Nase“ hält und dieser auf Anhieb als Droge erkennbar ist. In derartigen Fällen bereitet der Fahrlässigkeitsvorwurf keine Probleme, sofern nicht schon ein dolus eventualis vorliegt.540 Als „echte“ Fahrlässigkeitsfälle sollen 536
BGH NStZ 1991, 30; 2003, 657; Roxin AT I § 23 Rn. 32; Duttge GA 2003, 451
(457). 537 MK-StGB/Duttge § 15 StGB Rn. 120; Castaldo GA 1994, 495 (497 ff.); SSW/ Momsen § 15, 16 Rn. 64 f. 538 Weber § 29 Rn. 1777; MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1613. 539 Dass sich innerhalb der verschiedenen Tathandlungen teils unterschiedliche Gefahrintensitäten für die Volksgesundheit – schwächer beim Anbau bzw. Erwerb, stärker beim Inverkehrbringen – feststellen lassen, ist dann aber keine Frage des Sorgfaltsmaßstabs mehr, sondern führt zu der Überlegung, ob bestimmte fahrlässige Begehungsweisen nicht vollständig entkriminalisiert werden müssten, 3. Teil A. II. 2. f), S. 226 ff. 540 Vgl. OLG Hamburg NJW 1975, 1472: Erwerb von zwei Plastiktüten voll mit Haschisch zur Verwahrung.
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Fallgruppen bezeichnet und im Folgenden genauer untersucht werden, bei denen der Täter unbewusst fahrlässig nicht um die Betäubungsmitteleigenschaft weiß, dies aber unter Wahrung der notwendigen Sorgfalt hätte erkennen können. bb) Die unbewusste Fahrlässigkeit in der Rechtsprechung des BGH Wie schon bei der Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit, wird es auch in den Fällen der unbewussten Fahrlässigkeit um Fälle gehen, in denen Dritte den Täter für den Drogenumlauf „instrumentalisieren“, hier allerdings mit dem Unterschied, dass kein besonderes Näheverhältnis zwischen den Beteiligten besteht und ein dolus eventualis ausscheidet. (1) Fahrlässige Einfuhr Spontan mag einem hier der Reisende am Flughafen einfallen, welcher fahrlässig nicht erkennt, dass ihm Drogen zugesteckt wurden und so das Rauschgift in die Bundesrepublik einführt. Das Ausnutzen naiver und leichtgläubiger Touristen stellt hierbei eher eine Ausnahme dar,541 was aber die Pflicht der Gerichte und Verfolgungsbehörden unberührt lässt, in jedem Einzelfall nicht nur die vorsätzliche, sondern auch fahrlässige Einfuhr sorgfältig zu überprüfen.542 In einem Urteil vom 04.03.1986 setzt sich der BGH verhältnismäßig ausführlich mit der „Kofferträger“-Problematik auseinander543: Nach den tatrichterlichen Feststellungen des Landgerichts hatten die beiden Angeklagten ihren Urlaub in Indien verbracht und sind bei einem Ortsansässigen untergekommen. Dieser übergab ihnen kurz vor der Abreise einen Hartschalenkoffer, in dessen Deckel eine nicht geringe Menge Heroin versteckt war. Die Angeklagten wurden von ihrem „Gastgeber“ gebeten, für diesen einige Kleidungsstücke mit nach Europa zu nehmen, die er dann bei seiner bald folgenden Europareise wieder abholen werde; in dem Koffer, den er ihnen für diesen Zweck mitgebe, sei auch noch Platz für ihre Souvenirs und Geschenkartikel. Das Heroin wurde während der Fahrt mit der Eisenbahn auf deutschem Hoheitsgebiet entdeckt und sichergestellt. Das LG Freiburg ging davon aus, dass beiden Angeklagten nichts vom Heroin wussten und ihrem Gastgeber den Gefallen nicht abschlagen wollten. Der BGH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz, die sowohl eine vorsätzliche als auch fahrlässige Einfuhr von Betäubungsmitteln abgelehnt hatte.
541 Entgegen dem Bild, das einem in Film und Fernsehen womöglich vermittelt wurde. 542 Wobei es eine andere Frage ist, ob ein derartiges Verhalten – „fahrlässig einführen, indem man sich fahrlässig instrumentalisieren lässt“ – strafbar sein muss. Zu den systemkritischen Erwägungen vgl. 3. Teil A. II. 2. f), S. 226 ff. 543 BGH NStZ 1986, 462.
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Es sei in der Regel Vorsicht geboten, wenn einem Touristen bei der Heimfahrt aus einem Land, in dem erfahrungsgemäß Rauschgift produziert und auf den Markt gebracht wird, von einer weitgehend fremden Person etwas übergeben wird. Unter Bezugnahme auf die betäubungsmittelrechtliche Literatur stellt der BGH daraufhin fest, dass bei derartigen „Kofferträgerfällen“ eine Fahrlässigkeit des Reisenden durchaus in Betracht komme. Als entscheidendes Kriterium gegen eine Sorgfaltspflichtverletzung in concreto sieht er in der intensive Freundschaft zwischen den beiden Angeklagten und ihrem Gastgeber und im Fehlen von Anzeichen dafür, dieser sei in den Rauschgifthandel verstrickt. In dieser besonderen Situation wären sie nicht gehalten, den ihnen überlassenen Koffer näher zu untersuchen. Der BGH lässt offen, ob man bei einer rechtsguts- bzw. systemakzessorischen Auslegung strengere oder (im BtMG lockerere?) Anforderungen an die Fahrlässigkeit stellen muss; er merkt lediglich an, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass „die Strafkammer an den Begriff der Fahrlässigkeit zu hohe Anforderungen gestellt habe“.544 Kernaussage des Urteils ist folglich: Dass man in einem Drogenherstellungsland Urlaub gemacht hat, kann ausreichen, um erhöhte Kontroll- und Sorgfaltspflichten anzunehmen bzw. von den Beteiligten ein gesteigertes Maß an Misstrauen zu erwarten. Das entstandene Vertrauensverhältnis senkt die Sorgfaltspflicht wiederum herab, ein Gedanke, welcher der Fahrlässigkeitshaftung im Allgemeinen nicht fremd ist.545 Dieser zunächst im Zusammenhang mit der Einfuhr herausgearbeitete Aspekt lässt sich dahingehend abstrahieren, dass der „Täter“ bei länger andauernden zwischenmenschlichen Beziehungen darauf vertrauen kann, dass nichts „Illegales passiert“, wenn objektiv überhaupt keine verdächtigen Anhaltspunkte im Bezug auf kriminelle Tätigkeiten, geschweige denn im Bezug auf Rauschgiftgeschäfte des Dritten bestehen. (2) Sonst fahrlässiger Umgang Diese Linie setzt der BGH in weiteren Einfuhrfällen fort, so in einem Urteil vom 11.02.1998546, wo man bei einem geplanten Goldhandel Heroin im Koffer des Angeklagten versteckte. Da dieser nach den tatrichterlichen Feststellungen nichts vom Heroin wusste, scheide zwar eine Vorsatztat aus, der Senat mahnt aber an: „Das Landgericht hätte aufgrund seiner Pflicht zur erschöpfenden Aburteilung der Tat aber auch prüfen müssen, ob sich der Angeklagte nicht jedenfalls der fahrlässigen Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 IV BtMG schuldig 544
BGH NStZ 1986, 462 (463). Gemeint ist hier der „Vertrauensgrundsatz“, mag dieser auch einem anderen Kontext entstammen; zum Vertrauensgrundsatz vgl. Kühl AT § 17 Rn. 36; Lackner/Kühl § 15 Rn. 39; Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 15 Rn. 211; SSW/Momsen § 15, 16 Rn. 67; MK-StGB/Duttge § 15 StGB Rn. 139; grundlegend BGHSt 7, 118. 546 BGH v. 11.02.1998 – 3 StR 546/97. 545
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gemacht hat. . .Anlaß dazu hätte bestanden, denn das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte durchaus meinte, mit dem ihm von H. angesonnenen Goldtransport etwas Ungesetzliches zu tun.“ Diese Vorstellung des Täters, irgendwie illegal zu handeln bzw. die Anrüchigkeit des Sachverhalts führe zu einer erhöhten Sorgfaltspflicht. Jene Grundhaltung des BGH ist auch in weiteren Entscheidungen zu erkennen, die den Fahrlässigkeitsvorwurf zum Inhalt haben. Schon in einem Urteil aus dem Jahre 1974 tritt der „Vertrauensgedanke“ offen zu Tage, bei dem die Verlobte eines Mannes nach den tatrichterlichen Feststellungen nichts von den Rauschgiftgeschäften ihres künftigen Ehegatten wusste. Daher sei ihre Handlung, Kartons mit Drogeninhalt von einem LKW umzuladen, nicht als „fahrlässiges Handeltreiben“ 547 zu bewerten. Die zur Tatzeit noch nicht reife Angeklagte sei von einer „völlig unreflektierten Liebe“ zu ihrem Verlobten beherrscht gewesen, so dass aufgrund dieses erhöhten Vertrauens kein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen sei, wenn bis zu jenem Zeitpunkt überhaupt kein Anlass zu Misstrauen bestand.548 In weiteren Entscheidungen stellt der BGH Indizien dafür bereit, wann die Situation objektiv als „merkwürdig“ oder „verdächtig“ zu bewerten ist. In einem Urteil zu einem fahrlässigen PKW-Drogentransport549 merkt der Senat an, dass die Entgeltlichkeit des Geschehens550 für eine Sorgfaltspflichtverletzung sprechen könne. Sei der Preis aber für die Fahrt allein schon angemessen (im konkreten Fall 1000 DM für eine Fahrtstrecke von 1300 km bei 2–4 Personen), bestehe kein Anlass für die Vermutung, nach der Einreise umgehend in kriminelle Kreise zu geraten, nur weil man Ausländer ist und die Sprache nicht beherrscht. Den „Vertrauensaspekt“ lässt der BGH ebenfalls anklingen. Zwar kannte der Fahrer seine Kunden nicht, aber diese wirkten seriös, indem sie ein überhöhtes Entgelt für den Fahrdienst in Höhe von 2000 DM ablehnten.551 Das OLG Nürnberg begründet in einem Urteil vom 17.01.2006, den Fahrlässigkeitsvorwurf damit, dass sich der Täter beim Handel um die Betäubungsmitteleigenschaft seiner Stoffe und Waren nicht oder unzureichend kümmerte, vielmehr auf die Angaben seiner Bezugsperson „vertraute“.552 Ein einfacher geschäftlicher Kontakt kann demnach für ein Vertrauensverhältnis im oben genann-
547 Zur Frage, was von der Möglichkeit eines fahrlässigen Handeltreibens zu halten ist, vgl. noch im Folgenden 3. Teil A. II. 2. e), S. 220 ff. 548 BGH v. 17.12.1974 – 5 StR 629/74. 549 Strafbar als „fahrlässiges Handeltreiben“ – zu diesem fragwürdigen Konstrukt ausführlich 3. Teil A. II. 2. e), S. 220 ff. 550 Wie schon bei der Abgrenzung dolus eventualis/bewusster Fahrlässigkeit auch, 3. Teil A. II. 1. d), S. 183 ff. 551 BGH v. 30.06.1993 – 2 StR 137/93. 552 OLG Nürnberg v. 17.01.2006 – 2 St OLG Ss 243/05.
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ten Sinne jedenfalls nicht ausreichen, wenn man in früherer Zeit illegale (oder zumindest nah an der Grenze zur Illegalität liegende) Geschäfte getätigt hat.553 Die Sorgfaltswidrigkeit könne man deshalb nur dann verneinen, wenn die Angeklagten aus anderen Gründen darauf vertrauen durften, es handelte sich um ein THC-freies Produkt, etwa weil ein Zertifikat des Großhändlers über regelmäßig durchgeführte Kontrollen bzw. sonstige Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit und Produktüberprüfungen im Hinblick auf einen etwaigen THC-Gehalt durch den Großhändler vorlagen. Der bloße Hinweis des Berufungsgerichts auf den Bezug des Hanftees von einem „Großhändler“ entlastete die Angeklagten daher nicht von ihrer Prüfpflicht, zumal über die Firma des Großhändlers und dessen Zuverlässigkeit im Urteil keine näheren Feststellungen getroffen wurden. (3) Speziell: Fahrlässige Ermöglichung des Drogenumlaufs nach § 29 I Nr. 10 BtMG Die gleichen Grundsätze wendet der BGH auch bei der fahrlässigen Ermöglichung von Absatz- und Erwerbsgeschäften nach § 29 I Nr. 10 BtMG an. So hat der BGH bei einem Cafébetreiber, der über mehrere Jahre hinweg als Vertrauensperson tätig war, eine fahrlässige Absatzermöglichung nach § 29 I Nr. 10, IV BtMG nicht ausgeschlossen, weil er – aufgrund seiner Tätigkeit als Kontaktperson – mit den Gepflogenheiten im Drogenhandel vertraut war und nach seiner Einlassung „vermutete“ oder vermuten konnte, dass einer seiner Gäste „in Drogengeschäfte verstrickt war“.554 Daher hätte er auch damit rechnen können bzw. müssen, dass seine Tätigkeit (das Überlassen der Räumlichkeiten als Handelsort bzw. die Ermöglichung telefonischer Erreichbarkeit bestimmter Individuen über die Festnetznummer des Cafés) als eine Gewährung von Gelegenheit zur Abgabe und zum Erwerb von Betäubungsmitteln verstanden werden konnte. In diesem Zusammenhang: Die Aufnahme des § 29 I Nr. 10 BtMG in den Fahrlässigkeitskatalog erscheint aus mehrerlei Gesichtspunkten bedenklich: Die Literatur kritisiert die Ausgestaltung der Vorschrift genauso scharf wie das Handeltreiben, weswegen man mit Blick auf die „doppelte Strafbarkeitsvorverlagerung“ 555 selbst im betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum eine restriktive Interpretation fordert.556 Diese Bedenken greifen bereits im Vorsatzbereich, sodass 553 Nach den Urteilsdarstellungen zu den bereits in der Vergangenheit durchgeführten Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten betreffend Hanflollies und Knasterhanf wussten diese, dass sie in ihren Läden bereits Hanfprodukte verkauft bzw. zum Verkauf bereitgehalten hatten, die THC enthielten. 554 BGH NStZ 2000, 208; zum dolus eventualis bei der Absatzermöglichung und den Anforderungen an die Urteilsfeststellungen vgl. BayObLGSt 2003, 69. 555 Grünewald KJ 2000, 54 m.w. N. 556 Die „Ermöglichung“ stellt eine Vorfeldhandlung zum „Erwerbsgeschäft“ dar, das in vielen Fällen seinerseits nur eine Vorfeldhandlung darstellt, vgl. hierzu auch MKStGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1195; BayObLGSt 1982, 100.
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die Pönalisierung spätestens im Fahrlässigkeitsbereich nicht mehr legitimierbar ist: Zum einen handelt es sich bei § 29 I Nr. 10 BtMG um Handlungen, bei denen der Täter nicht am Drogenumlauf i. e. S. beteiligt ist, sodass schon aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten eine Fahrlässigkeitshaftung bedenklich erscheint. Eng damit korrespondiert, dass § 29 I Nr. 10 BtMG „beihilfeähnliche“ Handlungen zum Handeltreiben erfasst, die gesamte Norm allerdings täterschaftlich ausgestaltet ist.557 Da es keine „fahrlässige Teilnahme“ gibt, steht die Strafbarkeitslegitimation einer Fahrlässigkeitshaftung bei derart weit vorverlagerten Handlungen mit geringem Unwertgehalt auf tönernen Füßen. Stark ins Gewicht fällt, dass sich der Tatbestand nach seinem Telos an bestimmte Berufsträger richtet, wobei es sich schon aufgrund der Schuldform nur um eine „berufsbedingte“ Beihilfe und nicht um eine Beihilfe „bei Gelegenheit“ handeln kann.558 Da mag es einen nicht überraschen, dass der BGH „zur Not“ auf die – in ihren Einzelheiten noch kaum konturierte – Rechtsfigur der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens zurückgreift:559 Dem Angeklagten wurde in dem benannten Fall für seinen Deutschlandbesuch von dessen Schwager angeboten, in der Wohnung eines Vetters zu wohnen. Der Vetter nutzte die Wohnung dafür, Heroinbestände zu deponieren, wovon der Angeklagte keine Kenntnis hatte; er wusste allerdings, dass seine Verwandten einschlägig wegen eines Betäubungsmitteldelikts vorbestraft waren und dass diese oftmals Heroin konsumierten. Eines Tages wurde der Angeklagte von seinem Schwager dazu aufgefordert, die Wohnung für kurze Zeit zu verlassen. Obwohl er die Bitte seines Schwagers „irgendwie merkwürdig“ fand, kam er ihr nach. Auch bei der Abwicklung des eigentlichen Geschäfts wurde er nochmals aufgefordert die Wohnung zu verlassen. Die Vorinstanz hatte dieses Verhalten als fahrlässige Ermöglichung eines Drogengeschäfts gem. § 29 I Nr. 10, IV BtMG bewertet. Der BGH betonte dagegen, dass eine Sorgfaltspflichtverletzung nach den bereits genannten Aspekten (Erkennbarkeit des Drogenbezugs) bejaht werden konnte, es aber rechtlich fehlerhaft gewesen sei, dass das Landgericht keine Ausführungen dazu gemacht hat, ob dem Angeklagten ein anderes (den Erfolg vermeidendes) Verhalten zumutbar war. Der Angeklagte musste fürchten, dass er sein Aufenthaltsrecht in der Wohnung auf Dauer verlieren würde, wenn er sich dem Wunsch seiner Verwandten, die Wohnung zu verlassen widersetzt. Unter diesen Umständen sei es ihm nicht zumutbar gewesen, gegen den Willen der beiden anderen Anwesenden in der Wohnung zu verharren.
557 Somit fallen sowohl die Nachweiserfordernisse im Hinblick auf den Umsatzwillen als auch die Milderungsmöglichkeit nach § 27 II BtMG weg. 558 Zur Frage einer berufsbedingten Beihilfe noch ausführlicher 3. Teil D. II. 2. c) cc), S. 567 ff., insbesondere zur Einschränkung bei § 29 I Nr. 10 BtMG als Fall der berufsbedingten Tatbestandsverwirklichung, 3. Teil D. II. 2. c) cc), S. 571 ff. 559 BGH NStZ 1992, 86.
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Die Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens als besondere Strafbarkeitsvoraussetzung (bzw. als Entschuldigungsgrund?) ist als normative Einschränkung der Fahrlässigkeitshaftung grundsätzlich umstritten.560 Die Anforderungen gelten als streng: Es muss sich um außergewöhnliche Umstände handeln, die dem Sorgfaltspflichtigen die Erfüllung seiner Obliegenheiten unmöglich machen. Man könnte dieses „recht unscharfe Institut“ 561 auch als letzte Notbremse i. R. d. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ansehen, die man in der Praxis für Fälle heranzieht, bei der eine Strafbarkeit ausnahmsweise nicht angemessen erscheint. An dieser Stelle nur so viel: Wenn nach Auffassung des Senats für eine derartige Unzumutbarkeit schon die Befürchtung ausreichen soll, dass man seine Unterkunft verliert und seine „Verwandten enttäuscht“, dürfte auch die Angst um Leib und Leben über die Folgen der Aufdeckung eines Drogengeschäfts ausreichen. Mag die Grundtendenz des BGH, solch ein Verhalten nicht als strafbar zu bewerten, begrüßenswert sein, erscheint der Rückgriff auf das weitgehend „unbestimmte“ Rechtsinstitut des unzumutbaren Verhaltens missglückt; besser wäre es gewesen, im beschriebenen Fall klar und deutlich die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens zu verneinen.562 Im Übrigen bestätigen diese Ausführungen, dass eine Fahrlässigkeitskriminalisierung nicht zweckmäßig sein kann, wenn bereits i. R. d. vorsätzlichen Begehung eine einschränkende Auslegung notwendig ist. cc) „Todesverursachung“ – Objektive Vorhersehbarkeit und Leichtfertigkeit gem. § 30 I Nr. 3 BtMG Besondere Regeln für den Fahrlässigkeitsmaßstab gelten bei der leichtfertigen Todesverursachung nach § 30 I Nr. 3 BtMG. Die Vorschrift wurde im Rahmen der objektiven Zurechnung ausführlich behandelt, wobei die geringen Verurteilungsraten nicht (hauptsächlich) auf den Zurechnungsausschluss wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung, sondern auf die übrigen Anforderungen dieser 560 Zum Ganzen Roxin AT I § 24 Rn. 116; SSW/Momsen § 15, 16 Rn. 86; Wortmann, Inhalt und Bedeutung der Unzumutbarkeit, S. 111 (130); abl. Achenbach Jura 1997, 631 (635). 561 v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 69. 562 Schließlich hatte es der Angeklagte gerade aufgrund der Zwangssituation nicht „in der Hand“ bzw. nicht die Tatherrschaft über die Verschaffung einer Gelegenheit, oder anders formuliert: Er hat keine Gelegenheit verschafft, sondern er wurde faktisch dazu gezwungen. Somit scheidet selbst ein Unterlassen aus, soweit man überhaupt eine Garantenstellung des Bewohners annimmt, nur weil dieser auf Zeit und kostenlos bzw. ohne Vertrag in den Räumlichkeiten verbleibt. Fairerweise sei darauf hingewiesen, dass der BGH dies auch sieht, den Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit also eher als „Hilfsargumentation“ heranzieht, wenn angemerkt wird: „Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Angeklagten B. – wie das Landgericht ohne weitere Begründung annimmt – als ,Wohnungsinhaber‘ eine Pflicht im Sinne der oben genannten Vorschriften traf, die er durch das Verlassen der Wohnung verletzte. Daran könnten im Hinblick auf seine rechtlich schwache Position als nur vorübergehend Anwesender und vom Mieter E. geduldeter Gast bereits Zweifel bestehen.“
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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Erfolgsqualifikation zurückzuführen sind.563 So muss neben der Kausalität des Erfolgseintritts nachgewiesen werden, dass der Täter auch leichtfertig handelte, und der Todeseintritt objektiv sowie subjektiv vorhersehbar war. Häufig vergleicht man die Leichtfertigkeit564 mit der groben Fahrlässigkeit des Bürgerlichen Rechts.565 Es handelt sich um Fälle, in denen der Täter die sich aufdrängende Möglichkeit eines Todesverlaufs aus besonderem Leichtsinn bzw. einer verwerflichen Gleichgültigkeit außer Acht lässt.566 Der grobe Verstoß steht hier in einem engen Verhältnis zur objektiven Vorhersehbarkeit des Todeseintritts. Es handelt sich nicht um eine „Erfindung“ des Betäubungsmittelrechts, sondern tritt häufiger in „Kombination“ mit erfolgsqualifizierten Delikten auf, vgl. §§ 251, 306c, 178, 176b, 239a III, 239b II, 307 III, 308 III, 316a III, 316c III StGB.567 Soweit eine Leichtfertigkeit nach § 30 I Nr. 3 BtMG zu prüfen ist, hat der Täter das Grunddelikt bereits vorsätzlich verwirklicht und somit eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen bzw. pflichtwidrig agiert.568 Die floskelartige Feststellung „Drogen seien gefährlich und bergen stets eine Lebensgefahr in sich“, reicht für die Annahme von Leichtfertigkeit dementsprechend nicht aus.569 Schließlich ist dies ein übergeordneter Aspekt, welcher den Fahrlässigkeitsvorwurf bezüglich des Umgangs allgemein legitimiert. Dagegen bezieht sich der Leichtfertigkeitsmaßstab bei § 30 I Nr. 3 BtMG auf die Erkennbarkeit im Hinblick auf das Unrecht, das die Strafschärfung herbeiführt, nämlich die des Todeseintritts. Für den Gefahrinitiator muss zum Zeitpunkt der Tathandlung die Gefährlichkeit der verabreichten Droge im Einzelfall erkennbar gewesen sein. Dies hängt von mehrerlei Aspekten ab, wobei als wichtigste Koordinaten der Wirkstoffgehalt der Droge einerseits und der konkrete Abnehmer (Konsumgewohnheiten bzw. körperliche Verfassung) andererseits zu nen563 Siehe bereits 3. Teil A. I. 3. e) cc), S. 144 ff.; diesbezüglich sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass die Leichtfertigkeit als erhöhter Grad an Fahrlässigkeit von der Rechtsprechung systemwidrig als Restriktionstor für Fälle der passiven Sterbehilfe herangezogen wird. Eine Leichtfertigkeit kann aber aufgrund des normativen Stufungsverhältnisses von Vorsatz und Fahrlässigkeit nicht verneint werden, wenn der Erfolgseintritt gewollt war. 564 Zum Begriff der Leichtfertigkeit allgemein MK-StGB/Duttge § 15 Rn. 185 ff.; monographisch Birnbaum, Die Leichtfertigkeit – zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz; Maiwald GA 1974, 257; Tenckhoff ZStW 88 (1976), 897; Wegscheider, Zum Begriff der Leichtfertigkeit; Uekötter, Leichtfertigkeit. 565 BGH StV 1994, 480. 566 Vgl. v. Heintschel-Heinegg/Eschelbach § 227 Rn. 16. 567 Muss es allerdings nicht, vgl. nur § 261 V, 264 IV StGB. 568 BGHSt 3, 203. 569 So aber BGH v. 31.07.1979 – 1 StR 324/79; v. 03.06.1980 – 1 StR 20/80; zu pauschal Weber § 29 Rn. 171, wenn es dort heißt: „Vorhersehbarkeit ist immer dann gegeben, wenn der Täter mit der Zufuhr eines gefährlichen Betäubungsmittels (etwa Heroin) in den Körper rechnete oder rechnen konnte“, unter Bezugnahme auf BGH NStZ 1981, 350.
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nen sind.570 Gerade zu Beginn der „großen“ Diskussion im Jahre 1984 rund um das eigenverantwortliche Opferverhalten571 verlieh der BGH in seinem Urteil vom 09.11.1984572 dem Begriff der Leichtfertigkeit wichtige Konturen, die ihn bis heute noch prägen:573 In dem Fall überließ der (selbst Heroin konsumierende) Angeklagte dem späteren Todesopfer eine Portion Heroin. Dieser hatte an dem Abend bereits zwei bis drei Bier getrunken. Nach den tatrichterlichen Feststellungen wirkte das Opfer vor seinem Konsum schon „aufgekratzt“ und benebelt. Die Beteiligten dachten, er habe vielleicht „Speed“ genommen; der Angeklagte bemerkte auch dessen „leichte Alkoholfahne“. Dennoch händigte er ihm das Heroin aus, wobei der Täter darauf hinwies, dass der Stoff nicht gestreckt sei und eine starke Wirkung habe. Wenig später nach der Einnahme kippte das Opfer um und verlor das Bewusstsein. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.574 Der BGH lehnt aufgrund der Eigenverantwortlichkeit des Heroinkonsumenten zunächst eine Strafbarkeit wegen Verletzungsdelikten des StGB durch den Überlassungsakt ab. Sodann geht er auf § 30 I Nr. 3 BtMG über575 und bestätigt den 570 So auch die entscheidenden Befunde bei MK-StGB/Rahlf § 30 BtMG Rn. 155: Vorhersehbarkeit setzt[. . .]das Wissen um besondere Umstände[. . .]voraus, z. B. in der Person des Abnehmers (erkanntermaßen ein Erstgebraucher oder ein Entwöhnter, d.h. eine Person mit wieder normaler oder jedenfalls geringer Toleranz gegenüber der Substanz, oder eine bereits aktuell unter Rauschmitteleinfluss stehende, z. B. auch alkoholisierte, Person), in der konkreten Beschaffenheit des Betäubungsmittel (hoher Reinheitsgehalt, hohe Beimengung toxisch wirkender oder zusätzlich sedierender Substanzen oder schwere Folgen bei anderen Abnehmern, wie z. B. Intoxikationsnotfälle bei anderen Gebrauchern dieser Substanz). 571 3. Teil A. I. 3. a), S. 121 ff. 572 BGHSt 33, 66. 573 Auch bezüglich der zeitlichen Grenzen des Beurteilungsmaßstabs stellt der Senat klar, dass die Erwägung des Landgerichts fehlgehe, „der Angeklagte habe insbesondere deshalb leichtfertig im Sinne des § 30 I Nr. 3 BtMG gehandelt, weil er ,nach Eintritt der Bewußtlosigkeit‘ [des Opfers] nicht alsbald dessen ärztliche Behandlung veranlasste. Die verschärfte Strafdrohung des Gesetzes gilt demjenigen, der Betäubungsmittel abgibt und dadurch leichtfertig den Tod eines anderen verursacht.“ Der Vorwurf der Leichtfertigkeit beziehe sich demgemäß auf die Tathandlung der Abgabe, nicht auf ein danach liegendes Verhalten. 574 Der interessante Aspekt des Falles im Hinblick auf die Verletzungsdelikte des Kernstrafrechts war nun, dass trotz der Eigenverantwortlichkeit eine fahrlässige Tötung durch Unterlassen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit angenommen wurde und der Senat damit klarstellte, dass eine Ingerenz jedenfalls dann nicht ausscheidet, wenn die „Pflichtwidrigkeitsquelle“ nicht aus der vorangegangenen Körperverletzung stammt, sondern auf einem Verstoß gegen das BtMG gründet, zur Garantenstellung aus pflichtwidrigem vorangegangenem Tun vgl. etwas ausführlicher 3. Teil B. II. 3. a) bb) (2), S. 368 ff. 575 Zu damaliger Zeit war das Problem der Eigenverantwortlichkeit noch „frisch“, sodass man keine Ausführungen dazu findet, ob eine Übertragung dieser Grundsätze auf das Betäubungsmittelrecht in Betracht zu ziehen ist. Man könnte auch vermuten, dass der 2. Senat schon zu diesem frühen Zeitpunkt davon ausging, dass die Entschei-
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oben dargelegten Befund, indem er bei der Frage, ob der Angeklagte leichtfertig gehandelt hätte, das Opfer, dessen Konstitution und die subjektiven Kenntnisse des Überlassenden in Relation zur subjektiven Vorstellung von der Gefährlichkeit der Droge im Einzelfall setzt. Entscheidend sei folglich, dass das Opfer dem Angeklagten als Heroinkonsument bekannt war und diese noch eine Woche zuvor gemeinsam Heroin gespritzt hätten, offenbar ohne auffällige Folgen („guter Allgemeinzustand“). Diese Überlegungen verbindet der Senat mit einer Gefährlichkeitsprognose ex ante bezüglich des Drogenwirkstoffs im Einzelfall: Da sich der Angeklagte die gleiche Menge kurz vorher gespritzt hätte und nicht nur alkoholisiert war, sondern sogar einige Pfeifen Haschisch geraucht hätte, sei es für ihn (subjektiv) nicht vorhersehbar gewesen, dass es beim Opfer, dem die gleiche Menge überlassen worden und der nur alkoholisiert war, zu einer tödlichen Reaktion kommen könne. Eine Leichtfertigkeit scheide nach alledem aus.576 Dem ist zuzustimmen: Die Leichtfertigkeit knüpft an Grunddelikte, die per se gefährlich sind. In der Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination wirft man dem Täter also die intensivste Form der Verwirklichung des Gefahrpotentials vor. Daher muss genau dieses spezielle Gefahrverwirklichungspotential objektiv sowie subjektiv vorhersehbar gewesen sein und dies in einem auffälligen Maße. Sobald sowohl in objektiver („körperlich guter Allgemeinzustand“ bei vorherigem Konsum, gleiche Dosis) als auch in subjektiver Hinsicht (Wissen um die Eigenschaft als Heroinkonsument) Anhaltspunkte existieren, die gegen eine Verwirklichung dieses „Höchstgefahrpotentials“ sprechen, scheidet eine leichtfertige Begehungsweise aus. Die zwei genannten objektiven Hauptkriterien lassen sich Gewichte für die „normative Waage der Leichtfertigkeit“ bezeichnen. Das soll heißen: Sobald beide Aspekte in die gleiche Waagschale gelegt werden,577 ist eine Leichtfertigkeit gegeben (starke Wirkung der Droge und physisch kritische Verfassung). Ist es dagegen so, dass der Stoff wie im geschilderten Sachverhalt stark wirkt, kann die Eigenschaft des Opfers als ständiger Heroinkonsument und seine gute körperliche Verfassung gegen eine Leichtfertigkeit sprechen. Dies ist der erste Schritt für die Feststellung des groben Sorgfaltspflichtverstoßes: Die tatsächliche Kenntnis spielt also noch keine Rolle, da die Schwere des Fahrlässigkeitsvorwurfs vom Grad der Vermeidbarkeit abhängt.578 Erst wenn die objektiv evidente Gefährlichkeit des Tuns festgestellt ist, muss auf zweiter Stufe nun geprüft wer-
dung des 1. Senats vom 14.02.1984 (BGHSt 32, 262), wonach die eigenverantwortliche Selbstgefährdung bzgl. der Verletzungsdelikte zurechnungsausschließend wirken sollte, nicht auf das Betäubungsmittelrecht übertragbar sei. 576 Weitere Beispiele zur Leichtfertigkeit aus der Rechtsprechung BGH NStZ 1981, 350; BGH StV 1992, 278. 577 Also das Opfer eine gebrechliche Konstitution aufweist bzw. Erst- oder Gelegenheitskonsument ist und das Rauschgift wegen seiner Reinheit bzw. starken Wirkung besonders gefährlich ist. 578 Weber § 30 Rn. 166.
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den, ob sich der Täter über diese „Prognose“ oder über das wahrgenommene oder wahrnehmbare Gefahrpotential579 schlicht „gleichgültig“ hinweggesetzt oder ob er sich „Gedanken“ im Bezug auf die besondere Gefahrrealisierung gemacht hat und bestimmte objektive Umstände diese Gefahreinschätzung nicht fälschlich beeinflussten. Denn ein Täter, welcher sich wenigstens Gedanken macht, handelt erst dann rücksichtslos bzw. grob sorgfaltswidrig, wenn diese „Gedanken“ ihn von seiner Handlung abhalten müssten. Von einem besonders rücksichtlosen bzw. leichtfertig handelnden Täter kann nicht mehr die Rede sein, wenn er subjektiv davon ausgehen durfte, seine Handlung sei nicht lebensgefährlich. Dies ist der Fall, wenn äußere Gegebenheiten die Gefahrprognose des Täters manipulieren und diese unerkennbare „Manipulation“ nicht in dessen Verantwortungssphäre liegt. Es ist schwierig, dem Begriff der Leichtfertigkeit Konturen zu verleihen, da ein (zumindest unmittelbarer) Rückgriff auf Kenntnisgrade und voluntative Elemente „doppelt versperrt“ ist: Zum einen läuft man Gefahr, die Grenzen zum dolus eventualis zu kaschieren. Und zum anderen wurde bereits dargelegt, dass Leichtfertigkeit auch bei unbewusster Fahrlässigkeit denkbar ist. Da aber die Frage des grob sorgfaltswidrigen Handelns auch von den subjektiven Kenntnissen abhängt (bzw. diese zumindest ein grob fahrlässiges Verhalten widerlegen können), scheint man auf kognitive Elemente nicht verzichten zu können. Dies erschließt sich, wenn man bedenkt, dass sich i. R. d. Leichtfertigkeit Charakter und Bezugspunkt der kognitiven Elemente ändern. Gemeint ist folgendes: Kenntnis, Gleichgültigkeit, Billigen oder für Wahrscheinlich-Halten beziehen sich bei der Abgrenzung Vorsatz/Fahrlässigkeit auf den Eintritt des „Erfolges“, wobei die Kenntnis unabdingbares Element der Vorsatztat ist. Der Bezugspunkt des Wissens ist hier klar die Tatbestandsverwirklichung. Bei der Leichtfertigkeit dagegen bezieht sich das kognitive Element auf die Gefahrprognose. Überdies ist das Wissen hier nicht konstitutiv, „Wissenmüssen“ reicht also aus. Dann lässt sich bei unbewusster Fahrlässigkeit eine Leichtfertigkeit bejahen, wenn sich der Täter einer offensichtlich vorliegenden Lebensgefahr schlicht versperrt, diese aufgrund seiner Leichtsinnigkeit überhaupt nicht wahrnimmt oder ihm die gesamte Gefahr schlicht gleichgültig ist. Liegt dagegen tatsächlich positives Wissen im Hinblick auf die erhöhte Gefahr vor, spricht dies erheblich für eine Leichtfertigkeit; andere Wissenselemente können als Gegenindikatoren herangezogen werden. Basierend auf diesem Prüfungsmuster kann einem Täter, der 100% reines Heroin von einem Kleinhändler zu einem verhältnismäßig günstigen Preis erworben hat, keine Leichtfertigkeit vorgeworfen werden, wenn die Weitergabe des Heroins an einen Dritten tödlich endete: Zwar mag (auf erster Stufe) der starke Wirkstoff und die normale Opferkonstitution im Allgemeinen für eine Leichtfertigkeit spre579 Bei zumindest wahrnehmbarem Gefahrpotential handelt es sich dann um Fälle der unbewussten Fahrlässigkeit.
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chen. Das erhöhte Gefahrpotential war für den Täter – zumindest subjektiv – nicht vorhersehbar, da es nicht üblich ist, reines Heroin von einem Kleinhändler zu erwerben, noch dazu zu solch einem günstigen Preis.580 Mangels korrekter Kalkulation konnte sich der Täter auch nicht darüber hinwegsetzen. Dagegen könnte man schon eine objektive Gefährlichkeit verneinen, wenn der Angeklagte aus einer Apotheke eine größere Menge Betäubungsmittel entwendet und davon eine (handelsübliche) Ampulle Morphiumhydrochlorid (1 ml) an einen Dritten abgibt, der wenige Stunden später an einem Kreislaufschock nach der Morphininjektion verstirbt. Der BGH merkt an, dass die Wirkungsweise von Morphium berechenbar sei und im Allgemeinen als schmerzstillendes Mittel angesehen werde. Daher ist es für den Täter nach zutreffender Ansicht schon objektiv nicht vorhersehbar, dass eine handelsübliche Ampulle tödlich wirke.581 Ob man auf Grundlage dieser Feststellungen auch dann die Leichtfertigkeit verneinen kann, wenn der Angeklagte dem Abnehmer Heroin übergibt, das erst kurz zuvor bei einem anderen Abnehmer ein Koma ausgelöst hatte, erscheint fraglich.582 Dass der Angeklagte seinen Abnehmer gewarnt hätte583 und dieser eigenverantwortlich das Heroin konsumiert hat, kann keine Rolle spielen, da die Vorstellungen des Opfers und sein Verhalten nicht in einem Bezug zum Leichtfertigkeitsvorwurf stehen. Da ein gefährlicher Verlauf objektiv vorhersehbar war und die Warnungen des Täters eher dafür sprechen, dass dieser sich Gedanken über das erhebliche Gefahrpotential gemacht hat, könnte ein grober Sorgfaltspflichtverstoß angenommen werden, zumal keine subjektiven Gegenindikatoren existierten, welche die Gefahrprognose des Angeklagten irgendwie beeinflussten. dd) Zwischenergebnis zur Sorgfaltspflichtverletzung und objektiven Vorhersehbarkeit Im Rahmen der Sorgfaltspflichtverletzung ließen sich keine „übergreifenden“ Spezifika herausfiltern, da die Fahrlässigkeit von jedem einzelnen Tatbestand abhängt und der Maßstab daher innerhalb des Betäubungsmittelstrafrechts unterschiedlich zu beurteilen ist. Insofern wurden nur – ähnlich wie bei der Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit“ – Handlungsfallgruppen und Indizien für das Vorliegen einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung bzw. 580
BGH StV 1992, 278. BGH MDR 1985, 2 bei Schmidt: Hinzu trat die Besonderheit, dass die Ursächlichkeit des Morphiums für den Todeseintritt bereits fraglich war; nach den tatrichterlichen Feststellungen war der Todeseintritt möglicherweise erheblich durch eine eitrig entzündliche Herzmuskelerkrankung beeinflusst, die ihre Ursache darin hatte, dass bei früheren Rauschgiftinjektionen Bakterien in sein Blut gelangt waren. 582 NStZ 2001, 205; vgl. auch MK-StGB/Rahlf § 30 BtMG Rn. 159. 583 Wenn auch nur „halbgar“: Der Angeklagte hatte nur betont, dass es sich um besonders gefährliches Heroin handelte; dagegen wies er nicht darauf hin, dass das Heroin bereits kurz zuvor eine andere Person ins Koma beförderte. 581
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der objektiven Vorhersehbarkeit zusammengestellt. Der wichtigste Bezugspunkt ist hierbei die Erkennbarkeit des Drogenbezugs bei den Umlaufhandlungen. Diese besteht regelmäßig bei hinreichenden Verdachtsmomenten für Drogengeschäfte oder Tätigkeiten mit Drogenbezug bestehen. Sie kann sich aus äußeren Umständen,584 aber auch aus persönlichen Eigenschaften der Person oder ergeben.585 Begründen allein äußere Umstände die erhöhte Sorgfaltspflicht, kann sie durch besondere Umstände des Einzelfalles wieder herabgesenkt sein. Im Hinblick auf die Abgrenzung dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit verschiebt sich das Muster also nur. Stellt man dort darauf ab, dass das positive Wissen um die Eigenschaft des Beteiligten als Mitglied in der Rauschgiftszene für einen Vorsatz spricht, ist dies bei der unbewussten Fahrlässigkeit dahingehend zu modifizieren, ob zumindest ein irgendwie gearteter Rauschgift- oder Kriminalitätsbezug erkennbar war. Bei Tätern, die knapp an einem dolus eventualis „vorbeischrammen“, kann man derartige Sorgfaltspflichtverstöße regelmäßig bejahen, sodass die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ihre „Auffangfunktion“ entfalten kann. Beim unbewusst fahrlässig handelnden Täter dagegen muss man einen „weicheren“ Maßstab zugrundelegen, um auf diesem Wege der Überkriminalisierung de lege lata entgegenzutreten. Die Tendenz des BGH, umso höhere Anforderungen an sonstige objektive Verdachtsmomente zu stellen, wenn zwischen den Beteiligten ein Vertrauensverhältnis besteht,586 ist daher absolut zu begrüßen. Ob die geringen Aburteilungsraten in der Praxis tatsächlich auf solch einem restriktiven Verständnis basieren, kann aber aus den bereits beim Vorsatz genannten Gründen nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Dies lässt die Frage aufkeimen, ob die allumfassende Fahrlässigkeitskriminalisierung durch den Gesetzgeber überhaupt noch zweckmäßig ist oder nicht etwa auf einen „fahrlässigkeitstypischen“ Tatbestand beschränkt werden sollte: Dem bis dato außen vor gelassenen fahrlässigen Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln gem. § 29 I Nr. 1 i.V. m. § 29 IV BtMG. c) Fahrlässiges Inverkehrbringen als Hauptfallgruppe der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit? 587 Die im Nebenstrafrecht „populäre“ Tathandlung des unerlaubten Inverkehrbringens musste im BtMG als Auffangtatbestand und „Oberbegriff“ für alle Ent584 Wie der Eigenschaft einer Örtlichkeit als Drogenumschlagsplatz oder Drogenherstellungsland. 585 Frühere Tätigkeit als Dealer, andauernde Sucht, V-Mann-Tätigkeit. 586 Und somit alleine der Umstand, dass man in ein Drogenherstellungsland reist oder der Freund in einer „verruchten“ Gegend wohnt, für eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nicht ausreichen kann. 587 Näher zur Tathandlung des Inverkehrbringens als „Zentralbegriff des Nebenstrafrechts“ Horn NJW 1977, 2329.
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äußerungsdelikte auftauchen,588 da diese Tathandlung in jedem Gesetz zu finden ist, welches den Umgang mit gefährlichen Stoffen, Zubereitungen oder Gegenständen etc. regelt.589 Als Beispiele seien genannt: § 95 I Nr. 1 AMG, § 58 I Nr. 2 LFBG, § 27 I Nr. 2 ChemG. Auch dem „Kernstrafrecht“ ist der Begriff des Inverkehrbringens nicht fremd (§§ 219 b590, 146 StGB) und man definiert ihn genauso wie in weiten Teilen des Nebenstrafrechts.591 Es handelt sich nach einhelliger Auffassung um ein Erfolgsdelikt, welches den Übergang der tatsächlichen Verfügungsmacht über Rauschgift auf einen neuen Inhaber voraussetzt.592 Unter sonstigem Inverkehrbringen ist jedes gleichwie geartete Eröffnen der Möglichkeit zu verstehen, dass ein anderer die tatsächliche Verfügung über das Rauschgift erlangt (kurz: Jede Verursachung des Wechsels der Verfügungsgewalt).593 Es ist somit im Unterschied zu den sonstigen Entäußerungsdelikten keine einvernehmliche Übertragung von Betäubungsmitteln erforderlich. Hier wird bereits deutlich, dass die Unterschiede zwischen Veräußern, Abgabe und Inverkehrbringen im Fahrlässigkeitsbereich allenfalls Auswirkungen auf die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs haben können. Die Einvernehmlichkeit bzw. Entgeltlichkeit der Handlungen ändern dagegen nichts am Fahrlässigkeitsvorwurf hinsichtlich der Unkenntnis bzgl. des Umgangs mit einer verbotenen Substanz. Gerade deswegen handelt es sich auch um eine Tatmodalität, deren hauptsächlicher Anwendungsbereich im Gebiet der Fahrlässigkeit liegt.594 aa) Grundfälle des Inverkehrbringens Zu denken ist an die Dereliktion von Drogen, etwa das Wegwerfen von Rauschgift auf der Flucht vor der Polizei (es sei denn, die Dereliktion führt zu einer Zerstörung der Betäubungsmittel). Auch die fahrlässige Aufbewahrung von 588 Dementsprechend kommt dem Begriff nur dann Bedeutung zu, wenn er nicht hinter die spezielleren Tatbestandsalternativen, namentlich denen des Handeltreibens, der Veräußerung und der Abgabe, zurücktritt, vgl. BGH NStZ 1982, 190; BGH v. 12.09. 1991 – 4 StR 418/91. 589 Zum Zweck der Vorschrift vgl. BayObLGSt 1960, 182; Hügel/Junge/Lander/ Winkler Rn. 9.1. 590 Auch v. Heintschel-Heinegg/Eschelbach § 219b Rn. 2 deutet mit seinem Rückgriff auf die im Nebenstrafrecht gebräuchlichen Definitionen an, dass diese Tathandlung „nebenstrafrechtstypisch“ ist. 591 Hierzu umfassend SSW/Wittig § 146 Rn. 5 ff. 592 MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 726. 593 RGSt 62, 369 (389); BayObLG v. 28.07.1960 – RevReg. 4 St 84/60, BayObLGSt 1960, 182 (184); BGH NStZ 1982, 190; BGH v. 12.09.1991 – 4 StR 418/91. 594 Im Vorsatzbereich hat die Modalität nur im Falle eines absichtlichen „Unterschiebens“ von Drogen eigenständige Bedeutung, vgl. Malek, 2. Kap. Rn. 321; Hügel/ Junge/Lander/Winkler Rn. 9.4.1; Joachimski/Haumer Rn. 105; MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 758.
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Drogen kann zu einer Fahrlässigkeitshaftung führen.595 Bei der Tathandlung des Inverkehrbringens muss die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabs u. U. anders erfolgen, als bei den Erwerbsdelikten, da der Täter bereits die Verfügungsmacht über die Drogen hat. Hierbei ist zu differenzieren: Handelt es sich um einen Täter, der schon ungewollt bzw. fahrlässig mit den Drogen in Kontakt gekommen ist, kann sich die Fahrlässigkeit beim Erwerb auf das Inverkehrbringen erstrecken.596 Dann können die bisher gemachten Überlegungen597 auch für das Inverkehrbringen verwertet werden. Etwas anderes gilt für Täter, die bewusst die Herrschaftsmacht über die Drogen haben. Wie bereits angedeutet, gilt hier per se ein strengerer Haftungsmaßstab. Auch innerhalb dieser Fallgruppe muss differenziert werden: Bei Tätern, welche keine erforderliche Erlaubnis für den Umgang haben, ist das fahrlässige Inverkehrbringen praktisch selten, und überdies das geringere „Problem“, da sie sich bereits wegen Vorsatztaten strafbar machen. Bedeutung erfährt der striktere Fahrlässigkeitsmaßstab für Personen, die erlaubt im Besitz von Drogen sind bzw. die Sachherrschaft über diese haben, namentlich Apotheker, Chemiker, u. U. auch Ärzte, Krankenhauspersonal und Polizeibeamte. Hier reicht „allein“ die unzureichend abgesicherte Aufbewahrung regelmäßig aus, um einen Sorgfaltspflichtverstoß annehmen zu können. Nach § 15 BtMG haben die „legitim agierenden Teilnehmer“ am Betäubungsmittelverkehr598 die Pflicht, Betäubungsmittel, die sich in ihrem Besitz befinden, gesondert aufzubewahren und gegen unbefugte Entnahmen zu sichern. Da § 15 BtMG keine Verbotsnorm darstellt und § 29 I Nr. 1 BtMG nicht auf diese Vorschrift „blankettartig“ verweist, kann sie als eine der eingangs genannten „Sondernormen“ qualifiziert werden, deren Nichtbeachtung die Sorgfaltspflichtverletzung indiziert. Jenseits dieser Indikation stellen sich bei Ärzten und Apothekern spezifische Rechtsfragen im Hinblick auf die Tathandlung des Inverkehrbringens, die hauptsächlich auf der rechtlichen Entscheidung des Gesetzgebers gründen, die fahrlässige Verschreibung durch den Arzt straflos zu lassen, vgl. § 29 IV BtMG. Der zugrundegelegte Sorgfaltsmaßstab bei Ärzten und Apothekern beinhaltet arzthaftungs- bzw. medizinrechtliche Sonderfragen, deren Behandlung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Wann eine ärztlich nicht begründete Behandlung nach § 13 BtMG vorliegt bzw. wann der Arzt im Hinblick auf eine Substitutionsbehandlung nach § 5 BtMVV pflichtwidrig handelt, gehört nicht zum Gegenstand dieser Abhandlung.599 Daher werden im Folgenden nur potentielle 595
Weber § 29 Rn. 490. Etwa eine Person, die fahrlässig mit Drogen in Kontakt gekommen ist und nun das Rauschgift wieder verliert oder unachtsam aufbewahrt. 597 Insbesondere die Erkennbarkeit des Drogenbezugs, der Vertrauensaspekt etc. 598 Gemeint ist der Kreis derjenigen Personen, die eine Erlaubnis haben oder von der Erlaubnispflicht befreit sind, vgl. § 4 I, II BtMG. 599 Dies gilt auch für „Abgaben“ i. R. e. Take-Home-Verschreibung. Abgegeben werden dort nicht die Dosen, sondern die Verschreibungen zur eigenen Verantwortung. Zur 596
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Sorgfaltspflichtverletzungen des Arztes dargestellt, die nicht die ärztliche Behandlung als solche betreffen. (1) Fahrlässiges Inverkehrbringen durch ungenügend sichere Aufbewahrung von Betäubungsmitteln und Betäubungsmittelrezepten Zum Verständnis: Die §§ 29 I Nr. 6a, b BtMG setzen keine Erlaubnis nach § 3 BtMG voraus, da das Verschreiben, Verabreichen und zum Verbrauch überlassen nicht im „Umgangskatalog“ des § 3 BtMG aufgeführt sind. Die Vorschriften nehmen vielmehr auf den speziell hierfür geschaffenen § 13 BtMG Bezug, welcher die Voraussetzungen für eine Verschreibung i.V. m. mit der BtMVV näher regelt. Ärzte dürfen ohne Erlaubnis in keinem Fall Betäubungsmittel abgeben, sondern stets nur verschreiben, verabreichen oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen.600 Weder bei der Abgabe noch beim Inverkehrbringen gelten also Besonderheiten im Hinblick auf die Ärztestellung. Wie bereits erörtert, indiziert dann der Sorgfaltspflichtverstoß gegen § 15 BtMG die Pflichtverletzung für den Fahrlässigkeitsvorwurf, soweit durch eine ungenügend sichere Aufbewahrung (typischerweise von Substitutionsmitteln wie Levomethadon, Buprenorphin oder Codein, vgl. § 5 IV 2 BtMVV) ein Dritter die Verfügungsmacht über die Betäubungsmittel erlangt hat. Nach überwiegender Auffassung kann auch die ungenügend sichere Aufbewahrung von Betäubungsmittel-Rezepten Inhalt des Fahrlässigkeitsvorwurfs sein. Man beachte: Die ungenügend sichere Aufbewahrung von Rezepten ist als Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 32 I Nr. 6, 13 III 2 Nr. 2 BtMG, §§ 8 IV, 17 Nr. 5 BtMVV mit Geldbuße bedroht.601 Hier fungiert § 8 IV BtMVV als Sondernorm, wonach der Arzt auch Rezepte gegen die Entwendung zu sichern hat. Da die deliktische Verwertung gestohlener Betäubungsmittelrezepte nicht unüblich ist, könnte auch die objektive Vorhersehbarkeit des Geschehens bejaht werden.602 Meist handelt es sich um Blanko-Rezepte, die der Arzt bereits unterschrieben hat, sodass deren Fälschung nicht aufwendig ist.603 Ob auch bei bereits individualisierten Rezepten eine Fahrlässigkeitshaftung in Betracht kommt (etwa aufwendige Fälschungshandlungen des Betäubungsmittelabhängigen noch dem Arzt zugerechnet werden können), erscheint zumindest fraglich. Substitutionsbehandlung ausführlich Weber § 13 Rn. 54; Kreuzer, NStZ 1998, 218; Köhler NJW 1993, 762; Böllinger MedR 1989, 290. 600 BGH NJW 2008, 2596. 601 Weber § 29 Rn. 1012; MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 747; Malek, 2. Kap. Rn. 321; Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 9.4.1; Joachimski/Haumer § 29 Rn. 109; a. A. Pfeil/Hempel/Schiedermair/Slotty § 29 Rn. 123. 602 Malek, 2. Kap. Rn. 321; Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 9.4.1; Joachimski/Haumer § 29 Rn. 109; Weber § 29 Rn. 1012. 603 Körner (VI) § 29 Rn. 1266.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Die Erfassung dieser Fallgruppen über den Begriff des Inverkehrbringens bedeutet noch keine Systemwidrigkeit im Hinblick auf den Umstand, dass die fahrlässige Verschreibung nicht strafbar ist. Denn die Verschreibung selbst erfolgte in diesen Fällen gerade nicht fahrlässig: Vielmehr hängt der Fahrlässigkeitsvorwurf an einer Handlung (genau genommen an einem Unterlassen), bei der (bzw. bei dem) der Verschreibungsakt bereits vorüber ist. Abgesehen davon kann es in den Fällen des Abhandenkommens auf den Verschreibungsakt nicht mehr ankommen, da das auf eine Person zugeschnittene Rezept nun in den Händen von „irgendjemandem“ liegt, es sei denn, es handelt sich um ein Blanko-Rezept. Somit überdehnt man den Begriff des fahrlässigen Inverkehrbringens nicht systemwidrig auf die Bereiche des fahrlässigen Verschreibens. Eine Ungereimtheit lässt sich dagegen nicht beseitigen: Zieht man das fahrlässige Inverkehrbringen als Tathandlung für den Fahrlässigkeitsvorwurfs heran, so muss man beachten, dass der Arzt nur über das Rezept, nicht aber über die Betäubungsmittel die Sachherrschaft innehat. Somit fehlt es an einer tatbestandlichen Voraussetzung für ein fahrlässiges Inverkehrbringen. Körner will diese Ungereimtheit durch eine „Besitzmittlungskette“ beseitigen:604 Der Wechsel der Verfügungsgewalt werde durch den Apotheker bewirkt, welcher den Besitz der Betäubungsmittel für den Arzt mittle. Mag es faktisch der Fall sein, dass der Apotheker auf die Verschreibung hin das Betäubungsmittel aushändigt, so ändert dies nichts daran, dass es sich bei dem beschriebenen Mittlungsverhältnis (bzw. der „Werkzeugeigenschaft“ des Apothekers) um eine Fiktion zu Lasten des Arztes handelt. Denn der Arzt dürfte schon nach § 3 BtMG Betäubungsmittel weder besitzen noch mittelbar abgeben.605 Allenfalls im vorsätzlichen Bereich könnte man davon ausgehen, dass eine Verbindung dadurch erhalten bleibt, dass der Arzt durch die vorsätzlich unbegründete Verschreibung den Apotheker als vorsatzloses Werkzeug missbraucht und somit die Droge als mittelbarer Täter „abgibt“ bzw. „sonst in den Verkehr“ bringt (wobei in solch einer Konstellation eben das vorsätzliche Verschreiben als lex specialis das vorsätzliche Inverkehrbringen in mittelbarer Täterschaft verdrängen würde). Im Fahrlässigkeitsbereich fehlt diese Konnexität, da der Arzt, welcher fahrlässig verschreibt oder fahrlässig Betäubungsmittelrezepte aufbewahrt, auch keinen Tatherrschaftswillen bilden kann. Somit muss man davon ausgehen, dass eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit wegen fahrlässigen Inverkehrbringens ausscheidet, wenn der Arzt Betäubungsmittelrezepte sorgfaltswidrig aufbewahrt.606 Fahrlässiger Umgang mit Betäubungsmittelrezepten bedeutet nun einmal noch keinen fahrlässigen Umgang mit Betäubungsmitteln. Das „Unrecht“ der Tat erfassen ausreichend die genannten Ordnungswidrigkeit nach §§ 32 I Nr. 6, 13 III 2 Nr. 2 BtMG, §§ 8 IV, 17 Nr. 5 BtMVV. Der 604 605 606
Körner (VI) § 29 Rn. 1265; vgl. hierzu auch RGSt 62, 388 ff. Krit. auch Horn NJW 1977, 2329 ff. So im Ergebnis auch Pfeil/Hempel/Schiedermair/Slotty § 29 Rn. 123.
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Gesetzgeber hat es in der Hand, durch eine ausdrückliche Einbeziehung des fahrlässigen Rezeptumgangs eine Kriminalisierung herbeizuführen. Dieses Ergebnis ebnet auch den Weg für die weiteren „Problemkonstellationen“ des fahrlässigen Inverkehrbringens. Denn in der Literatur ist es umstritten, ob dem Arzt ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann, wenn vorhersehbar war, dass der Patient das begründete Rezept missbraucht607 oder wenn der Arzt zum Zeitpunkt der Verschreibung – also im Hinblick auf die ärztliche Begründetheit gem. § 13 BtMG – fahrlässig handelt und somit ein Rezept ausstellt, das so nicht hätte ausgestellt werden dürfen.608 Beide Konstellationen muss man nach hier vertretener Ansicht erst recht als straflos bewerten. Denn in diesen Fällen dehnt man den Begriff des fahrlässigen Inverkehrbringens systemwidrig auf Bereiche aus, in denen der Gesetzgeber auf eine Fahrlässigkeitshaftung explizit verzichtet hat. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass im „Fahrlässigkeitsbereich“ die Erhebung eines allgemeinen Vorwurfs auch sonst kein ungewöhnliches Phänomen ist, obwohl für eine spezielle Verhaltensnorm keine spezifische Fahrlässigkeitsstrafbarkeit angeordnet ist. So etwa bei den Tötungs- und Körperverletzungsdelikten. Bei den §§ 229, 222 StGB ist die Verhaltensnorm aber auch nicht im Fahrlässigkeitstatbestand explizit festgelegt. Wenn sich der Gesetzgeber dafür entscheidet die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit kraft Verweis anzuordnen und keinen eigenständigen Sondertatbestand kreiert, hat er auch die Konsequenzen dieser „Gemütlichkeit“ hinzunehmen. Hierzu zählt, dass es dabei bleibt, dass der Wortlaut des fahrlässigen Inverkehrbringens eine Verfügungsmacht des Arztes als objektives Sonderdeliktsmerkmal voraussetzt. Somit kann dem Arzt nur ein Vorwurf hinsichtlich Betäubungsmittel gemacht werden, die sich in seiner Verfügungsgewalt befinden (im Krankenhaus, in der Praxis etc.). (2) Fahrlässiges Inverkehrbringen trotz ärztlich begründeter Verschreibung? Mit der erst genannten Fallgruppe sind Sachverhalte angesprochen, in denen der Patient das auf die Verschreibung hin erhaltene Betäubungsmittel entgegen der in der Verschreibung enthaltenen Anweisung missbräuchlich abgibt, veräußert oder damit Handel treibt. Hierin soll das durch den verschreibenden Arzt bewirkte Inverkehrbringen liegen, sofern es für ihn objektiv vorhersehbar war.609 Dem ist entschieden entgegenzutreten. Es erscheint bereits fraglich, ob dem Arzt überhaupt ein Sorgfaltswidrigkeitsvorwurf gemacht werden kann, wenn ihm die 607 Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 9.4.1; Joachimski/Haumer § 29 Rn. 105; BayObLGSt 1960, 182 in einer Entscheidung zu § 10 I Nr. 1 OpiumG. 608 Vgl. Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 9.4.2 einerseits (Strafbarkeit); Joachimski/Haumer § 29 Rn. 110 andererseits (Straffreiheit infolge Privilegierung durch § 29 IV BtMG); MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 758. 609 Vgl. MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 750.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Rechtsordnung die Verschreibung des Mittels erlaubt. Die Diskussion mündet also in die Frage der berufsbedingten Adäquanz, wobei es im Bereich der Fahrlässigkeit eben nicht mehr um die strafbare Teilnahme bzw. der Abgrenzung eines dolus eventualis und luxuria gehen kann. Vielmehr muss nach den Grundsätzen der „professionellen Adäquanz“ bzw. dem Gesichtspunkt des erlaubten Risikos die objektive Zurechnung verneint werden, da das allgemeine Berufsrisiko des Arztes zu keiner Haftung für Straftaten seiner Patienten führen kann. Dem trägt der Gesetzgeber für Apotheker dadurch Rechnung, dass er auch die fahrlässige Abgabe aus Apotheken straflos gestellt hat. Vertieft wird auf diesen Aspekt des berufsbedingten Verhaltens nochmals im Abschnitt Täterschaft und Teilnahme einzugehen sein.610 An dieser Stelle hierzu nur so viel: Niemand würde auf die Idee kommen, Mitarbeiter des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte wegen fahrlässigen Inverkehrbringens bzw. fahrlässiger Abgabe zu bestrafen, weil diese die missbräuchliche Verwendung der Erlaubnis nach § 3 BtMG hätten erkennen können. Gleiches muss auch für den im Hinblick auf die Verschreibung sorgfältig handelnden Arzt gelten: Ein Missbrauch von Betäubungsmitteln zur Verfügung eines Abhängigen lässt sich niemals ausschließen.611 Somit kommt nur bei vorsätzlichem Handeln des Arztes bzw. sicherer Kenntnis im Hinblick auf die deliktische Verwendung bzw. den Missbrauch der Betäubungsmittel eine Strafbarkeit in Betracht.612 In diesem vorsätzlichen Bereich könnte dann ein Inverkehrbringen über das Modell der mittelbaren Täterschaft begründet werden. Denkbar wäre auch, die Voraussetzungen des § 13 BtMG trotz grundsätzlich positiver Indikation a priori abzulehnen, wenn eine Missbrauchsabsicht festgestellt ist. Dann könnte auch eine Strafbarkeit über § 29 I Nr. 6a BtMG unproblematisch angenommen werden. Hat der Arzt keine positive Kenntnis von den deliktischen Absichten seines Patienten, kann die objektive Erkennbarkeit keine Fahrlässigkeitshaftung begründen, solange die Verschreibung als solche indiziert war. (3) Mittelbares Inverkehrbringen durch fahrlässiges Verschreiben Das straflose fahrlässige Verschreiben613 durch ein extensives Verständnis vom fahrlässigen Inverkehrbringen zu kriminalisieren, ist nicht nur systemwidrig, sondern verkennt auch die qualitativen Unterschiede zwischen Verabreichen bzw. zum Verbrauch überlassen gem. § 29 I Nr. 6b BtMG einerseits und dem Ver610
3. Teil D. II. 2. c) cc), S. 567 ff. MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 750. 612 So auch MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 750; weitergehend, aber noch vor den gesetzlichen Regelungen über großzügigere Ermöglichung von Substitutionbehandlungen, BGHSt 29, 6. 613 Kreuzer ZRP 1975, 209 äußert kriminalpolitischen Bedenken im Hinblick auf die Straflosigkeit des fahrlässigen Verschreibens bzw. der Privilegierung der Ärzte. 611
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schreiben gem. § 29 I Nr. 6a BtMG als Tathandlung andererseits. Bei einer fahrlässigen Verschreibung muss der Täter noch selbst aktiv werden und die Apotheke als „letzte Instanz“ aufsuchen. Bei § 29 I Nr. 6b BtMG dagegen ist es der Arzt, der unmittelbar handelt und die Rechtsgutsverletzung herbeiführt. Sicherlich führt dies – wie Rahlf anmerkt – zur Ungereimtheit, dass Ärzte bei einer fahrlässigen Verschreibung von Betäubungsmitteln straflos bleiben, während sie bei einer fahrlässigen Verabreichung zum unmittelbaren Verbrauch (also sorgfaltswidrig im Hinblick auf die ärztliche Indikation gem. § 13 BtMG) tatbestandsmäßig handeln, obwohl durch die Verschreibung des Stoffes und der sich daraus ergebenden Bezugsmöglichkeit des Betäubungsmittels eine weit größere Gefahr für das Rechtsgut der Volksgesundheit gegeben ist.614 Schließlich kann sich der Patient den Stoff zur freien Verfügung abholen. Allerdings geht diese erhöhte Gefahr nicht vom Arzt, sondern vom Patienten aus, der womöglich die Absicht hat, das Rezept zu missbrauchen. Unabhängig hiervon bestünde die Gefahr des Missbrauchs auch bei einer ärztlich begründeten Verschreibung, wie bereits erläutert wurde. Daher darf man entgegen weit verbreiteter Ansicht615 kein fahrlässiges Inverkehrbringen annehmen, wenn der Arzt sorgfaltswidrig Betäubungsmittel verschreibt. bb) Zwischenergebnis Das fahrlässige Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln ist eine der wenigen Modalitäten, die sich mit dem typischen Verständnis der Fahrlässigkeitshaftung bestens vereinbaren lässt. Der Tatbestand setzt jedoch in jedem Fall eine Sachherrschaft des Täters voraus. Der Fahrlässigkeitsvorwurf knüpft nämlich gerade an die erhöhte Sorgfaltspflicht an, die sich aus der Stellung als Gewahrsamsinhaber einer grundsätzlich „verbotenen“ Sache ableitet. Somit darf man das fahrlässige Verschreiben von Betäubungsmitteln oder die fahrlässige Aufbewahrung von Betäubungsmittelrezepten nicht als fahrlässiges Inverkehrbringen werten. Der Anwendungsbereich der Vorschrift bleibt im Fahrlässigkeitsbereich auf die eingangs genannten Fallgruppen beschränkt (ungenügend gesicherte Aufbewahrung von Betäubungsmitteln). d) Weitere Beispiele zur fahrlässigen Begehung aus der Literatur Die verhältnismäßig geringe Anzahl von Urteilen zur Fahrlässigkeit sorgte in der Kommentarliteratur für eine teils blühende Phantasie im Hinblick auf die sonstigen Fahrlässigkeitsmodalitäten. Auf eine ausführliche Darstellung sei verzichtet, weil bereits die folgenden Beispiele belegen, dass diese Modalitäten nicht auf die Fahrlässigkeitshaftung zugeschnitten sind. Im Gegenteil: Es handelt 614 615
MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 758. So im Ergebnis auch Horn NJW 1977, 2329.
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sich um zielgerichtete Handlungen, bei denen der Gesamtunrechtstatbestand ein vorsätzliches Handeln voraussetzt616 bzw. subjektive Komponenten bereits in den objektiven Tatbestand „integriert“ sind (wie dies am deutlichsten beim Besitz gem. § 29 I Nr. 3 BtMG zu Tage tritt). So führt Körner als Beispiel für einen fahrlässigen Anbau von Betäubungsmitteln das Auswerfen von Cannabissamen als Vogelfutter auf, wenn der Samenhändler beim Auswerfen unachtsam ist und einen Wildwuchs von THC-haltigen Pflanzen verursacht.617 Eine fahrlässig unmittelbare Verbrauchsüberlassung komme in Betracht, wenn der Täter sich gerade eine eigene „Kokain-Linie“ vorbereitet hat und dann das Zimmer verlässt. Gleiches gelte für eine Mutter, die Drogen konsumiert hätte und dies nun über die Muttermilch an den Säugling „verabreiche“.618 Ein fahrlässiges Sichverschaffen komme beim Stehlen von Sachgesamtheiten in Betracht, bei denen der Täter ungewollt auch einen Karton voll Kokain mitgehen lässt. Ob die Rechtsprechung weitere neue Fallgruppen der Fahrlässigkeit „entdeckt“, bleibt abzuwarten, erscheint aus den genannten Gründen fraglich. Eine tatbestandlich konkret beschriebene Handlung „passiert“ nicht einfach so. Je genauer die Vorschrift eine konkrete Verhaltensweise beschreibt, desto unwahrscheinlicher ist, dass der Täter gerade diese Handlung „ungewollt“ bzw. „unachtsam“ vornimmt. Rein phänomenologisch passt das verhaltensregulierende Strafrecht nicht auf das typische Fahrlässigkeitsunrecht, bei dem man einem Täter typischerweise den Eintritt eines „Schadens“ vorwirft, das er durch sein sorgfaltspflichtwidriges Verhalten verursacht hat.619 Umgekehrt erstaunt es nicht, dass sich das fahrlässige Inverkehrbringen – bei dem man dem Täter den Eintritt eines Außenwelterfolgs vorwirft – am besten mit dem klassischen Verständnis von Fahrlässigkeit verträgt. e) BGHSt 35, 57: Zum „fahrlässigen Handeltreiben“ – ein fragwürdiges Konstrukt? Dagegen stellt das vom BGH ausdrücklich anerkannte Modell des fahrlässigen Handeltreibens einen „offenen Bruch“ in der Systematik dar. Dabei sei in Erinnerung gerufen, dass es sich wegen der Zielgerichtetheit des Handeltreibens um Fälle handeln muss, bei denen der Beschuldigte um die Qualität des Stoffes als Rauschgift irrt und man über § 16 I 2 StGB zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gelangt.620 Denkbar ist auch, dass die Person im Bezug auf dieses Merkmal nicht i. e. S. „irrt“, sondern schlicht fahrlässig nichts von einem Rauschgiftgeschäft weiß.621 616
Dies sieht auch MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 69. Körner (VI) § 29 Rn. 88. 618 Körner (VI) § 29 Rn. 1638. 619 Daher macht es auch Sinn zwischen Erfolgsdelikten und Tätigkeitsdelikten i. e. S. zu differenzieren, vgl. noch 3. Teil B. II. 1. a) dd), S. 343 ff. 620 So zutreffend MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG BtMG Rn. 371. 617
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Schon in einem Urteil aus dem Jahre 1975 schließt der BGH die fahrlässige Verwirklichung des Handeltreibens nicht aus, wenn ein Kurier sich nicht über die Art des Schmuggelguts informiert.622 In einem bereits zitierten Urteil vom 16.12.1982 lässt der BGH nochmals die Möglichkeit eines fahrlässigen Handeltreibens bei einem Angeklagten anklingen, der sich darauf einließ, dass er für einen Drogenschmuggel missbraucht wurde und Dritte Rauschgift in seinem Koffer versteckt hatten.623 Explizit geht er erst in einer Entscheidung vom 09.09. 1987 auf das fahrlässige Handeltreiben ein: Dort heißt es im vierten amtlichen Leitsatz, dass auch fahrlässiges unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln eine eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit voraussetze.624 Im Sachverhalt bittet der Partner der Angeklagten, sich den Wagen ihrer Schwester für einen gemeinsamen Ausflug mit einem weiteren Bekannten zu leihen. Sie weiß hierbei nicht, dass ihr Freund gemeinsam mit dem Dritten einen Zwischenstopp bei einer Gaststätte für ein Drogengeschäft ausnutzen will. Die Chauffeurtätigkeit als Handlung, die auf ein Drogengeschäft gerichtet ist, könnte grundsätzlich unter den Begriff des Handeltreibens subsumiert werden.625 Der Senat weist aber darauf hin, dass es der Angeklagten nicht darauf angekommen sei, dass sie für ihre Fahrt eine Belohnung bzw. einen Vorteil erhalten sollte, sondern ihrem Partner ohne Gegenleistung einen Gefallen erweisen wollte. Ein fahrlässiges Handeltreiben dagegen scheide aus, weil sie nur fahrlässig im Hinblick auf das Gesamtgeschehen, nicht aber auf Umsatz gerichtet bzw. eigennützig gehandelt habe. Auf den ersten Blick scheint der Senat also eine Einschränkung vorzunehmen, weil man den Regeln der Vorsatztat entsprechend auch bei der fahrlässigen Begehungsweise nicht auf den subjektiven Umsatzwillen und die Eigennützigkeit verzichtet. Die grundsätzliche Anerkennung eines fahrlässigen Handeltreibens626 und die damit einhergehende Differenzierung ist aber aus mehrerlei Aspekten problematisch und im Ergebnis kaum haltbar.627
621 Die Unterscheidung erscheint hier deswegen angebracht, weil die Annahme von dolus eventualis schlicht näher liegt, wenn der Betroffene den Stoff „in den Händen hält“ und irrt, als wenn sich er bei einem dubiosen Gesamtsachverhalt keine weiteren Gedanken macht (so bei BGH NStZ 1992, 86: „komische und verdächtige Situation . . .“). 622 BGH v. 15.04.1975 – 5 StR 36/75. 623 BGH NStZ 1983, 174. 624 BGHSt 35, 57. 625 Zur Definition des Handeltreibens ausführlich noch 3. Teil C. IV. 2., S. 437 ff. 626 So die h. M.: Neben BGHSt 35, 57 vgl. auch BGH MDR 1993, 200 (bei Schmidt); BGH v. 30.06.1993 – 2 StR 137/93; BGH v. 28.02.1992 – 2 StR 501/91 sowie zuletzt OLG Nürnberg v. 17.01.2006 – 2 St OLG Ss 243/05. 627 Dagegen werden im betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum diese Gegebenheiten schlicht hingenommen, vgl. Weber § 29 Rn. 1771; Malek, Kap. 2 Rn. 111; lediglich MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 339 zeigt Problembewusstsein, wenn angemerkt wird: „. . .Auf den ersten Blick scheint dieses Erfordernis einer zielgerichtet auf Gewinn
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aa) Die Eigennützigkeit als (subjektives) Tatbestandsmerkmal Dies wird deutlich, wenn man sich die rechtliche Klassifizierung der Eigennützigkeit vor Augen führt: Es handelt sich um ein ungeschriebenes Merkmal, welches durch ständige richterliche Rechtsfortbildung entwickelt worden ist, um der Tathandlung des Handeltreibens Konturen zu verleihen.628 Eigennützig handelt der Täter, wenn es ihm auf einen persönlichen Vorteil, also auf die Erzielung von Gewinn ankommt.629 Das Erfordernis einer Eigennützigkeit soll das verwerfliche Motiv des Täters markieren, nämlich sein Gewinnstreben über Individualinteressen der Gesundheit und Allgemeinbelange zu stellen.630 Über die rechtliche Qualität des Merkmals lässt sich streiten, weil seine rechtlichen Erscheinungsformen im Strafrecht mannigfaltig sein können: Gesetzeshistorisch lässt sich sagen, dass es früher häufiger als explizit genanntes Tatbestands- bzw. Strafzumessungsmerkmal vorkam631 als heute.632 Inzwischen fungiert das Merkmal oftmals als abstrakter Oberbegriff,633 welches das jeweilige Verhalten erst strafwürdig634 macht. Beim unerlaubten Handeltreiben führt erst jene Vorteilsmotivation bzw. das Gewinnstreben des Täters dazu, das Handeltreiben strenger zu bewerten als beispielsweise die bloße Abgabe von Drogen. Der Eigennutz als richterlich fortentwickeltes Tatbestandsmerkmal ist Einschränkung und Legitimation der extensiven Auslegung zugleich. Während Teile des Schrifttums in der Eigennützigkeit ein besonderes subjektives Merkmal sehen und klar zwischen den Begriffen Tätigkeit, Umsatzwille und Eigennutz als einzelne Tatbestandsmerkmale des Delikts „Handeltreiben“ trennen635, weist Rahlf darauf hin, dass der Eigennutz eine Teilkomponente der Tathandlung „Handeltreiben“ sei.636 Ein klares Bekenntnis lässt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entnehmen. Im Hinblick auf die im Folgenden dargelegten Bedenken ergeben sich keine Unterschiede. Da es für die Tatbestandsverwirklichung nicht auf die tatsächliche Erlangung eines Vorteils ankommt, sondern lediglich das Streben nach Gewinn ausreicht, spricht orientierten Handlung nicht zu einem Verhalten zu passen, das naturgemäß nachlässig oder unüberlegt ist. . .“ 628 Vgl. bereits; zur strafbarkeitseinschränkenden Funktion BayObLG v. 24.08.1999 – 4 St RR 139/99; BGHSt 28, 308; 31, 145; Weber § 29 Rn. 286 m.w. N. 629 BGH StV 1984, 248; BGH NJW 1986, 2584; BGH NJW 1993, 76; die Rechtsprechung gebraucht die Begriffe Eigensucht und Eigennutz nicht selten synonym; vgl. Malek, 2. Kap. 106; Weber § 29 Rn. 290 m.w. N. 630 Näher zum Begriff Beisheim, Eigennutz als Deliktsmerkmal im Strafrecht, insbesondere bezüglich § 29 BtMG, S. 161 ff. 631 So beispielsweise § 180 I a. F. StGB: Eigennützige Kuppelei. 632 Vgl. etwa den besonders schweren Fall der Subventionserschleichung nach § 264 II Nr. 1 StGB. 633 Man denke nur an den 25. Abschnitt des StGB: „Strafbarer Eigennutz“. 634 So bei den Straftaten des 25. Abschnitts des StGB. 635 Körner § 29 Rn. 420; Malek 2. Kap. Rn. 106. 636 MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG BtMG Rn. 315.
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jedoch viel dafür, die Eigennützigkeit als besondere Form der Bereicherungsabsicht zu bezeichnen.637 bb) Fahrlässig, aber eigennützig – ein Widerspruch in sich? Bei einem fahrlässigen Handeltreiben (fahrlässig im Bezug auf das Rauschgiftgeschäft) setzt die Rechtsprechung also weiterhin das subjektive Merkmal der Eigennützigkeit voraus. Fahrlässige Delikte mit überschießender Innentendenz bzw. sonstigen subjektiven Merkmalen existieren jedoch nicht und sind vom Gesetzgeber auch nicht vorgesehen. Die Kombination ist auch nicht dem Gesetzgeber geschuldet, da die Rechtsprechung die Eigennützigkeit in den Tatbestand „hineinlaß“, um im Vorsatzbereich Einschränkungen zu erreichen. Dies belegt ein Blick ins Kernstrafrecht: Dort existieren keine Straftatbestände, die i. R. d. fahrlässigen Begehung zusätzlich die Verwirklichung subjektiver Merkmale voraussetzen. Aus gesetzestechnischer Sicht wäre solch eine Konstruktion nur bei Delikten denkbar, bei denen das Merkmal nicht erst den Unwert der Tat ausmacht,638 sondern eine strafschärfende Wirkung hat. Mithin müsste das Grunddelikt auch ohne das Merkmal sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig verwirklicht werden können. Hierzu zählen objektive Qualifikationsmerkmale, die entweder an eine bestimmte Position des Täters knüpfen (etwa die Amtsträgereigenschaft bei der Körperverletzung im Amt, § 340 StGB) oder an eine verwerfliche Begehung der Tat (die heimtückische bzw. hinterlistige Begehungsweise oder das Beisichführen von Waffen). Ohne die Sinn- und Zweckmäßigkeit solch einer Gesetzgebung postulieren zu wollen, wäre es denkbar, eine Fahrlässigkeit „schärfer“ zu bestrafen, wenn der Täter zusätzlich ein subjektives Merkmal aufweist.639 Der Eigennutz ist im Gegensatz hierzu ein wesentliches, oder besser formuliert „charakterisierendes“ Merkmal der Tatbestandshandlung „Handeltreiben“; ein Splitting des Handeltreibens in seine einzelnen Bestandteile wie bei den oben genannten Merkmalen ist nicht möglich. Diesen Befund kann man nicht dadurch „umschiffen“, dass man aufgrund der Möglichkeit eines fahrlässigen Handeltreibens annimmt, der Eigennutz sei „von der Schuldform“ unabhängig.640 Dieser Ansatz erweist sich bei genauerem Hinsehen als Zirkelschluss: Denn ob der Eigennutz unabhängig von der Schuldform existieren kann, kann das Gesetz nicht bestimmen oder vorgeben, weil der Eigennutz selbst erst im Wege richterlicher Rechtsfortbildung in den Begriff des Handeltreibens hineingelesen wurde. Wenn 637
Körner (VI) § 29 Rn. 420. Zu derartigen Delikte, bei denen die überschießende Innentendenz „unrechtskonstitutiv“ wirkt, lassen sich die „klassischen“ Vermögensdelikte zählen, vgl. etwa die Bereicherungsabsicht gem. §§ 253, 263 StGB oder die Zueignungsabsicht gem. § 242 StGB. 639 Also z. B. eine fahrlässige Körperverletzung im Amt oder eine fahrlässige Verletzung eines Dritten aufgrund einer aberratio ictus i. R. e. heimtückischen Mordversuchs. 640 So wohl MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG BtMG Rn. 315. 638
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man den durch die Rechtsprechung entwickelten Tatbestand und die in diesem Zusammenhang entwickelten Begrifflichkeiten „Betäubungsmittel“, „Tätigkeit“, „Umsatzwille“ und „Eigennutz“ nicht isoliert betrachten will, muss man davon ausgehen, dass der Begriff des vorsätzlichen Handeltreibens mit dem des Eigennutzes „steht und fällt“. Das Unrecht des Handeltreibens liegt nicht in der Entgeltlichkeit allein, sondern in der Verknüpfung von Entgeltlichkeit und Missachtung der vom Betäubungsmittelgesetz geschützten Interessen. Solch ein rücksichtsloses Hinwegsetzen, das die enorme Tatbestandsextension bzw. die Strafbarkeitsvorverlagerung legitimiert, liegt gerade nicht vor, wenn dem Täter nicht bewusst ist, dass er diese Interessen verletzt. Mit anderen Worten: Solange die betroffenen Personen nichts von Betäubungsmittelgeschäften wissen, darf die Frage der Entgeltlichkeit des Gesamtgeschehens keine Rolle spielen. Würde das Verhalten im obigen Sachverhalt etwa strafwürdiger, wenn ein guter Bekannter statt der Freundin – allerdings gegen Entgelt – gefahren wäre? Die Antwort lautet Nein. Denn dass die Beförderung entgeltlich und zum eigenen Vorteil erfolgt, würde lediglich den Sorgfaltsmaßstab im Hinblick auf das Gesamtgeschehen erhöhen. Bliebe es trotzdem bei der Verneinung der Sorgfaltspflichtverletzung, spielt die Eigennützigkeit oder sogar „Raffgier“ des Chauffeurs keine Rolle, da dies alleine nicht strafwürdig ist.641 Würde man dagegen die Fahrlässigkeit aufgrund des nunmehr erhöhten Sorgfaltsmaßstabs bejahen, wäre der Aspekt der Entgeltlichkeit nunmehr „verbraucht“, d.h. er dürfte keine strafschärfende Wirkung mehr entfalten.642 cc) Der Wegfall des Bezugspunkts der Eigennützigkeit Damit ist man am entscheidenden Punkt angelangt: Das „Hauptproblem“ an einem fahrlässigen Handeltreiben ist nicht, dass die Eigennützigkeit (auch nach hier vertretener Ansicht) ein besonderes subjektives Merkmal darstellt und damit ein subjektives Deliktsmerkmal innerhalb eines Fahrlässigkeitsdelikts auftaucht.643 Derartige Konstruktionen sind, wie oben aufgezeigt, nicht a priori aus641 Dass hier häufiger mit dem Begriff der „Strafwürdigkeit“ gearbeitet wird, liegt daran, dass der weite Begriff des Handeltreibens viele „Handlungen“ erfasst, die für sich gesehen nicht durch andere „Fahrlässigkeitstatbestände“ aufgefangen werden; in concreto beispielsweise käme es „zum Schwur“, da dem Chauffeur (wenn er nicht fahrlässig eine Grenze überfuhr) allenfalls noch ein „fahrlässiger Besitz“ zum Vorwurf gemacht werden könnte, der aber vgl. § 29 IV BtMG straflos ist. Mit anderen Worten geht es bei der Frage eines fahrlässigen Handeltreibens nicht nur um eine „strengere Tenorierung“, sondern kann im Einzelfall grundsätzlich über die Strafbarkeit des Täters entscheiden, siehe gleich im Folgenden. 642 Damit ist zugleich angedeutet, dass auch aus Strafzumessungsaspekten ein fahrlässiges Handeltreiben nicht schwerer beurteilt werden dürfte, als eine fahrlässige Abgabe oder ein fahrlässiges Inverkehrbringen. 643 Hierbei kann aber nicht damit argumentiert werden, dass es ohnehin umstritten sei, ob nicht im Hinblick auf die verschiedenen Fahrlässigkeitsgrade auch beim Fahrläs-
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geschlossen. Der „Unwert“ einer eigennützigen Tätigkeit ergibt sich aber erst im Kontext zum (verbotenen) Geschäft. Somit kann er in diesem Zusammenhang auch nicht dafür herangezogen werden, den Tatbestand einzuschränken. Wenn nun aber ein derart weiter Begriff wie das „Handeltreiben“ als jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit Anknüpfungspunkt für den Fahrlässigkeitsvorwurf ist, droht im Fahrlässigkeitsbereich eine „ausufernde“ Haftung, die bereits im Vorsatzbereich kaum legitimiert werden kann.644 Nur damit die potentielle Reichweite der Haftung nochmals deutlich hervortritt, stelle man sich bei allen folgenden Konstellationen vor, dass der Handelnde nichts vom Drogengeschäft weiß, aber Geld für seine Tätigkeit bekommt, sprich „eigennützig“ handelt. Neben Drogentransportakten ist hier an das Helfen beim Umschichten von Drogenpaketen, Eintreiben des Kaufpreises oder das Beschaffen von Laborgeräten für die Herstellung von Drogen zu denken, die zu einer Strafbarkeit führen können. Selbst der „fahrlässige Besitz“ fiele streng genommen unter den Begriff des fahrlässigen Handeltreibens;645 ein systemwidriges Ergebnis, v. a. mit Blick auf die ausgenommene Strafbarkeit des fahrlässigen Besitzes. Personen, die nicht einmal die Verfügungsmacht über die Drogen haben, gelangen so ins Fadenkreuz des Gesetzes. Nun denke man sich bei allen Beispielen die Entgeltlichkeit des Geschehens weg: Soll nun die Strafbarkeit wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen? Spätestens jetzt wird deutlich: Die Tathandlung des Handeltreibens kann durch seine subjektive Konturierung seitens der Rechtsprechung nur noch vorsätzlich verwirklicht werden, da sich der Eigennutz als Tatbestandsmerkmal im praktisch bedeutsameren Bereich entwickelt hat und sich auf vorsätzliche, umsatzfördernde Betäubungsmittelgeschäfte bezieht. Dies bedeutet, dass es vorsätzliche und umsatzfördernde Tathandlungen geben kann, die nicht eigennützig erfolgen;646 umgekehrt existiert keine eigennützige Handlung, die sich nicht auf ein vorsätzliches Betäubungsmittelgeschäft bezieht. Dem Rechtsanwender ist daher zu raten, vom Konstrukt des fahrlässigen Handeltreibens vollständig Abstand zu nehmen. Unzumutbare Rechtslücken ergeben sich hierdurch nicht: In Fällen, in denen unmittelbar der Handeltreibende einem tatbestandsausschließenden Irrtum unterliegt, hat dieser auch die Verfügungsmacht über den Stoff, den er „in den Verkehr bringt“. So beispielsweise im bereits zitierten „Nürnberger Hanfteefall“ 647, indem die Angeklagten „Hanftee“ von einem Großhändler bezogen, ohne zu wissigkeitsdelikt ein subjektiver Tatbestand existiert. Denn diese „Aufbaufrage“ bezieht sich jedenfalls nicht auf „echte“ subjektive Merkmale. 644 Wobei sich die „wahren“ Schwierigkeiten im vorsätzlichen Bereich von Täterschaft und Teilnahme, sowie der Versuchsstrafbarkeit ergeben, vgl. hierzu eingehend 3. Teil C. IV., S. 430 ff. sowie 3. Teil D. III., S. 573 ff. 645 Man denke an die Überwachung von ominösen Päckchen ohne Übertragung der Verfügungsgewalt. 646 Und dann auch nicht als vorsätzliches Handeltreiben, wohl aber als vorsätzliches Veräußern oder Abgeben bewertet werden können. 647 Vgl. OLG Nürnberg v. 17.01.2006 – 2 St OLG Ss 243/05.
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sen, dass die Packungen THC enthielten und diese weiterverkauften. Selbst wenn man nun ein fahrlässiges Handeltreiben verneint, könnte man jedenfalls ein fahrlässiges Inverkehrbringen nach § 29 IV BtMG bejahen. f) Systemtranszendente Überlegungen: Ein Plädoyer für die Modifikation der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im BtMG Die vorstehenden Überlegungen zum fahrlässigen Handeltreiben und zur fahrlässigen Absatzermöglichung legen die Befürchtung nahe, dass der Gesetzgeber bei der Anordnung von Fahrlässigkeitstatbeständen nicht an den Rechtsgüterschutz gedacht, sondern ausschließlich als Auffangtatbestände im Hinblick auf einen nicht gelungenen Vorsatznachweis konzipiert hat. Dies macht sich auch bei den übrigen Modalitäten des § 29 I Nr. 1 BtMG bemerkbar. Die Abstufung zwischen Erwerb/Sichverschaffen und Handeltreiben/Veräußern/Abgeben/sonst in Verkehrbringen macht im Fahrlässigkeitsbereich keinen Sinn (der feine Unterschied zum fahrlässigen Verschreiben dagegen wurde herausgearbeitet). Das Konzept des Gesetzgebers ist alles andere als durchdacht, sondern nur auf eine allumfassende Kriminalisierung gerichtet. Dieser gesetzgeberische „Plan“ kann nicht aufgehen, da bei den meisten Fahrlässigkeitsmodalitäten die Schuld des Täters so gering ist, dass man entweder bereits den Tatbestand der Fahrlässigkeit verneint oder von einer Verfolgung der Straftat absieht. Bei strafbaren Verhaltensformen, die konzeptionell nicht auf einen Umlauf gerichtet sind (Erwerb, Sichverschaffen) oder bei denen der Umlaufakt noch weit in der Zukunft liegt (Herstellen, Anbauen), macht die Vorsätzlichkeit die Tat erst strafwürdig, da sich dann die Gefahr der Beeinträchtigung der Rechtsgüter signifikant erhöht. Dies scheint der Gesetzgeber im Hinblick auf den Besitz gem. § 29 I Nr. 3 BtMG gesehen zu haben, weswegen dieser im Anordnungskatalog des § 29 IV BtMG nicht zu finden ist.648 Ob es nun wegen „gesetzgeberischer Bequemlichkeit“ versäumt wurde, einzelne Modalitäten bzw. Varianten des zentralen Grundtatbestandes (§ 29 I Nr. 1 BtMG) auszuklammern, bedarf hier keiner eingehenden Erörterung.649 Fest steht, dass der Gesetzgeber trotz des Trends der häufigen Anordnung von Fahrlässigkeitstatbeständen im Nebenstrafrecht stets zu berücksichtigen hat, dass der Fahrlässigkeitsvorwurf einen strafrechtslegitimierenden Inhalt hat und die richtige Signalwirkung ausstrahlt.650 Bei einer derart 648 Wobei der Grund für die Ausklammerung des Besitzes auch sein kann, dass es sich um ein gemischt „objektiv-subjektives“ Merkmal handelt, d.h. der objektive Zustand „Besitz“ erst bei Vorsatz bejaht wird. 649 Der Umstand, dass § 29 I Nr. 2 und Nr. 5 BtMG nicht ausgeklammert wurden, mag zunächst gegen eine derartige These sprechen, allerdings ist bei diesen Modalitäten wiederum zu berücksichtigen, dass sie „verwandte“ Alternativen im Grundtatbestand enthalten. 650 Zur Anordnung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit und gesetzgeberischen Reformüberlegungen im Allgemeinen Schlüchter, Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit, 1996; We-
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exzessiven Anordnung von Fahrlässigkeitstatbeständen lässt sich dem derzeitigen § 29 IV BtMG der Normbefehl entnehmen „pass auf, dass du nicht mit Drogen in Kontakt kommst (siehe oben: ,umgehst‘), da sonst andere wegen dir mit Drogen in Kontakt kommen könnten“. Dieser „Ratschlag“ kann aber keinen Straftatbestand legitimieren, da spätestens im unvorsätzlichen Bereich die abstrakte Gefahr der Weitergabe nicht mehr für ein schuldangemessenes Strafen ausreicht. Für einen Fahrlässigkeitsvorwurf muss die vom Täter geschaffene Gefahr unmittelbarer sein als im Vorsatzbereich. Die abstrakten Gefahren der Weitergabe bei Erwerb, Sichverschaffen, Einfuhr, Herstellung, Anbau reichen nicht mehr aus. Vielmehr sollte sich der Umlauf durch ein unerlaubtes Inverkehrbringen realisieren und somit der Abstraktionsgrad der Gefahr etwas herabgesenkt werden. Der Normbefehl muss also vielmehr lauten: „Pass auf, dass andere deinetwegen nicht mit Drogen in Kontakt kommen!“ Bestraft werden darf also nicht derjenige, der ungewollt bzw. bewusst fahrlässig mit Drogen in Kontakt kommt, sondern erst derjenige, der andere eben in diese Gefahr bringt, in die er vorher womöglich selbst „hineingetappt“ ist. Solch ein Abstufungssystem entspricht der allgemeinen Strafrechtsdogmatik, wonach man beim Vorsatztäter einen früh eintretenden Rechtsgüterschutz und somit eine weitreichendere Zurechnung eher begründen kann als beim Fahrlässigkeitstäter. Es macht durchaus Sinn, den Fahrlässigkeitstatbestand des § 29 IV BtMG auf das fahrlässige Inverkehrbringen sowie die fahrlässige Verabreichung und unmittelbare Verbrauchsüberlassung zu reduzieren. Durch diese Einschränkung entstehen keine unzumutbaren Strafbarkeitslücken, da ein Täter, welcher entgegen seiner Vorstellung mit „Haschisch statt mit Henna“ Geschäfte macht, im Anschluss die Verfügungsgewalt überträgt und somit Haschisch „in den Verkehr bringt“. Ein früherer Zugriff wie beim vorsätzlichen Handeltreiben ist bei einem fahrlässig handelnden Täter weder zweckmäßig noch schuldangemessen. Auch bei sonstigen Irrtumskonstellationen verbleiben keine Lücken: Sobald der ursprünglich fahrlässig agierende Täter bemerkt, dass er mit Drogen in Kontakt gekommen ist, kommt ohnehin eine Strafbarkeit wegen vorsätzlichen Besitzes gem. § 29 I Nr. 3 BtMG in Betracht, soweit er diesen Zustand nicht aufhebt. Merkt der Täter es dagegen nicht und gibt das Rauschgift seinerseits fahrlässig ab, kommt nach dem hier vertretenen Konzept eine Strafbarkeit wegen fahrlässigen Inverkehrbringens in Betracht. Weber weist darauf hin, dass § 29 IV BtMG der „Tradition“ des deutschen Strafrechts entspreche, den fahrlässigen Umgang mit gefährlichen Stoffen zu sanktionieren.651 Dies ist richtig, wenn damit eben nur das fahrlässige Inverkehrbringen bzw. darauf aufbauende Handlungen wie die Abgabe oder das Veräußern gemeint sind, so bei §§ 314 I Nr. 2 StGB, § 27 I Nr. 2 ChemG, § 58 I bel, Strafbarkeit leicht fahrlässigen Verhaltens, 1999; MK-StGB/Duttge § 15 StGB Rn. 60–80. 651 Weber § 29 Rn. 1767.
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Nr. 2 LFBG. Auch der von Weber zitierte § 95 IV i.V. m. § 95 I AMG sanktioniert schwerpunktmäßig das rechtswidrige Inverkehrbringen von Arzneimitteln.652 Letztlich sei angemerkt, dass die Bundesrepublik Deutschland auch nicht aufgrund internationaler Suchtstoffübereinkommen zur Fahrlässigkeitskriminalisierung verpflichtet ist.653 Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ist somit schwerpunktmäßig auf Fälle der unachtsamen Drogenaufbewahrung zum Eigenkonsum, der Weitergabe in fahrlässiger Unkenntnis von der Drogeneigenschaft und der fahrlässigen Dereliktion zu beschränken. Im Übrigen sind die Erkenntnisse zum Fahrlässigkeitsmaßstab, der sich auch auf den Erwerb, auf die Einfuhr und das Handeltreiben etc. bezog, nicht obsolet. Schließlich wirkt im Regelfall die fahrlässige Unkenntnis von der Drogeneigenschaft beim Erwerb bis zum Inverkehrbringen „fort“, d.h. dass der Täter fahrlässig im Hinblick auf das Inverkehrbringen war, kann sich schon aus seiner Fahrlässigkeit beim Erwerbsakt ergeben. Schwerpunktmäßig bzw. „originär“ soll die Fahrlässigkeitshaftung allerdings Personen treffen, die „erlaubt“ mit dem Stoff umgehen und gerade aufgrund dieser Stellung eine erhöhte Sorgfaltspflicht gegenüber der Bevölkerung haben, also Chemiker, Ärzte, Apotheker, Polizisten oder Zoll- oder Bundeskriminalbeamte. 654 g) Ergebnis zur Fahrlässigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht Im Aufbau ergeben sich auch beim betäubungsmittelstrafrechtlichen Fahrlässigkeitsdelikt keine Besonderheiten, und die hierzu entwickelte Dogmatik im Allgemeinen Teil ist im Grundsatz übertragbar. Dass es sich bei vielen Modalitäten des § 29 BtMG um schlichte Tätigkeitsdelikte handelt, hat keine gravierenden Folgen, da die objektive Vorhersehbarkeit sich nicht auf einen Erfolg beziehen muss, sondern auch allein Tatbestandsverwirklichung betreffen kann. Bei den Untersuchungen zur Sorgfaltspflichtverletzung hat sich bei den wenigen hierzu
652 Eine Ausnahme bildet beispielsweise § 95 I Nr. 9 AMG, wonach der Erwerb entgegen § 57 I AMG strafbar ist. Da § 95 IV AMG diese Vorschrift nicht ausnimmt, gelten zumindest ähnliche Erwägungen auch dort. Unabhängig hiervon „hinkt“ der aufgestellte Vergleich etwas, wenn man bedenkt, dass der Erwerb von Betäubungsmitteln (insbesondere zum Eigenkonsum) eine überragend höhere Bedeutung hat, als der in § 95 I Nr. 9 AMG gemeinte Erwerb entgegen § 57 AMG. 653 Keines der drei Übereinkommen (1961, 1971, 1988) verpflichtet die Vertragsstaaten, auch den fahrlässigen Umgang mit Betäubungsmittel unter Strafe zu stellen, vgl. MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1610. Die Übereinkommen sind abgedruckt bei Weber A 1–3. 654 Nur zur Klarstellung: Die rechtfertigende bzw. tatbestandsausschließende Wirkung der §§ 3, 4 II BtMG umfasst nicht auch das pflichtwidrige „Inverkehrbringen“ von Betäubungsmitteln durch Polizisten und Zollbeamte. Dies würde dazu führen, dass Polizisten niemals für ihre Pflichtverletzungen einstehen müssten, vgl. hierzu BGH NJW 1998, 767.
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veröffentlichten Urteilen eine restriktive Tendenz herausgebildet: Entscheidend ist, ob für den Täter ein irgendwie gearteter Rauschgift- oder Kriminalitätsbezug zumindest erkennbar war, wobei die objektiven Verdachtsmomente (Drogenherstellungsland, Drogenumschlagsplatz) durch besondere Umstände des Einzelfalles – die Entstehung eines besonderen Vertrauensverhältnisses – entkräftet werden können. Sobald man aber nicht mehr den Umgangsbezugspunkt, sondern die Fahrlässigkeitshandlung als solche detailliert betrachtet, ergeben sich einige Ungereimtheiten, die am Beispiel des fahrlässigen Handeltreiben deutlich werden. Der BGH scheint der exzessiven Anordnung der Fahrlässigkeitstatbestände mittels Restriktionsbemühungen und Notlösungen begegnen zu wollen. Stattdessen wird hier eine moderate Entkriminalisierung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit und eine Reduktion auf das fahrlässige Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln vorgeschlagen:655 Bei einzelnen Tatbestandsvarianten trat offen zu Tage, dass diese auf die vorsätzliche Begehungsweise „zugeschnitten“ sind (wie etwa das Handeltreiben gem. § 29 I Nr. 1 BtMG und die Absatzermöglichung nach § 29 I Nr. 10 BtMG) und die hierzu denkbaren Fahrlässigkeitsfälle nicht nur konstruiert wirken, sondern im Hinblick auf den ultima-ratio-Grundsatz auch nicht strafwürdig anmuten. Letzterer Gesichtspunkt greift auch bei Umlaufmodalitäten, bei denen eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nicht vollkommen atypisch erscheint: Gemeint sind die Tatbestände, die einen fahrlässigen „Erstkontakt“ oder Handlungen unter Strafe stellen, die nicht unmittelbar auf den Umlauf gerichtet sind (Einfuhr von Betäubungsmitteln). Im unvorsätzlichen Bereich reicht die abstrakte Gefahr der Weitergabe nicht mehr für ein schuldangemessenes Strafen aus, vielmehr muss diese sich durch ein unerlaubtes Inverkehrbringen realisieren. Der Fahrlässigkeitsvorwurf trifft nach hier vertretener Ansicht nur Personen, deren Sorgfaltspflichtverletzung unmittelbar dazu führt, dass andere unerlaubt mit Drogen in Kontakt kommen. Diese systemkritischen Erwägungen gelten m. E. unabhängig davon, ob man dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts nur eine „empirisch-beschreibende Funktion“ zukommen lassen will oder darin ein normatives Gebot sieht, das die Legislative bei ihrer Gesetzgebung stets zu berücksichtigen hat. Denn auch, wenn sich „praktisch sowieso nichts ändert“, da die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zahlenmäßig keine große Bedeutung entfaltet und nach wie vor ein(e) fahrlässige(s) Inverkehrbringen/Verabreichen/Verbrauchsüberlassung strafbar bliebe, kann die Legislative mit einer derart differenzierten Betrachtungsweise und einer saubereren Gesetzgebungsarbeit das Schutzkonzept souveräner vermitteln und einer – über dieses Schutzkonzept hinaus – nicht gewollten Extension vorbeugen.
655 Es wird sich noch zeigen, dass das berühmte Zitat Paracelsus’, die Dosis mache erst das Gift, ausgerechnet auf das deutsche Betäubungsmittelstrafrecht häufiger gut passt.
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III. Rechtswidrigkeit und Rechtfertigung im Betäubungsmittelstrafrecht 1. Grundlagen Im dreistufigen Deliktsaufbau bildet die Rechtswidrigkeit eine eigenständige Wertungskategorie656, die von der Tatbestandsmäßigkeit des Täterverhaltens zu trennen ist.657 Auf dieser Ebene trifft man ein abschließendes Unwerturteil, in der man die besonderen objektiven Umstände des Einzelfalles in die Gesamtbewertung einbezieht und begutachtet, ob das grundsätzlich zur Störung des „Wertekonsenses“ 658 geeignete bzw. konfliktträchtige Täterverhalten659 im Einzelfall gestattet bzw. sogar geboten ist.660 Diese besonderen Umstände sind als gesetzlich normierte, allerdings auch als ungeschriebene Erlaubnissätze661 auf bestimmte Lebenssachverhalte zugeschnitten, sodass es nahe liegt, von umgekehrten Tatbeständen662 oder „Gegennormen“ zu sprechen.663 Mögen jene Erlaubnissätze geschrieben664 oder ungeschrieben,665 konkret für eine Deliktsgruppe kreiert666 oder abstrahiert für alle Delikte anwendbar sein: Allen sind bestimmte Grundideen gemeinsam, die sich auf Basis der so genannten „pluralistischen Theorie“ 667 auf die zwei gegenüberstehenden Prinzipien des mangelnden 656
SSW/Rosenau § 32 Rn. 3; SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 4 und 67 ff. Siehe hierzu bereits 3. Teil A., S. 89 f., vgl. zur grundsätzlichen Kritik am dreistufigen Verbrechensaufbau Fn. 11 in Teil 3. 658 v. Heintschel-Heinegg/Momsen § 32 Rn. 7. 659 Dies erfährt durch einen gesetzlich umschriebenen Tatbestand eine Konkretisierung. 660 Lackner/Kühl Vor § 13 Rn. 17; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 4; Roxin AT I § 10 Rn. 19; Fischer vor § 13 Rn. 43; Wessels/Beulke Rn. 281a; Gallas ZStW 67 (1955), 1 (27); Hruschka in FS-Dreher, 1977, S. 189 ff.; Noll ZStW 77 (1965), 1 (8); SK/Günther Vor § 32 Rn. 26. 661 Wobei sich (insbesondere bei den ungeschriebenen Erlaubnissätzen) die schon mehrmals angedeutete Vorfrage stellt, ob der Bestimmtheitsgrundsatz gem. Art.103 II GG auch i. R. d. dieser Erlaubnissätze des Allgemeinen Teils Geltung beansprucht, vgl. hierzu bereits Fn. 130 in Teil 1, Fn. 3 sowie noch 1113 in Teil 3. 662 Dies soll allerdings kein Bekenntnis zur Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen bedeuten, welche Straftatbestände und Erlaubnistatbestände zu einem Gesamtunrechtstatbestand zusammenzieht, somit einen zweistufigen Deliktsaufbau zugrundelegt und letztlich die „prinzipielle Wertdifferenz“ zwischen Tatbestand und Rechtfertigung verkennt, vgl. Jescheck/Weigend AT S. 250; HK-GS/Duttge § 1 Rn. 14. Zu diesem Modell und der vorgebrachten Kritik im Übrigen vgl. Roxin AT I § 10 Rn. 16 ff.; LK/Rönnau Vor § 32 Rn. 11 ff.; NK/Paeffgen § 32 Rn. 17; SK/Günther StGB Vor § 32 Rn. 26. 663 So Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 4. 664 Wie etwa im 4. Titel des Allgemeinen Teils, die §§ 32 ff. StGB. 665 Wie z. B. die rechtfertigende Einwilligung. 666 So beispielsweise § 193 StGB. 667 Lenckner GA 1985, 302; übersichtlich bei SSW/Rosenau Vor § 32 Rn. 8 sowie Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 5 m.w. N. 657
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Interesses und des überwiegenden Interesses reduzieren lassen.668 Entweder birgt die Konstellation tatsächlich kein Konfliktpotential, weil es am Interesse der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung mangelt.669 Oder man kann den Konflikt aufgrund des überwiegenden Interesses des deliktisch Handelnden zugunsten dessen lösen und somit nicht als Unrecht ansehen.670 2. Überblick zu den Rechtfertigungsgründen und ihrer grundsätzlichen Relevanz im Betäubungsmittelstrafrecht Rechtfertigungsgründe haben unterschiedliche Quellen. Der Gesetzgeber hat im vierten Titel des zweiten Abschnitts im Allgemeinen Teil des StGB die „klassischen“ Erlaubnissätze, also Notwehr und Notstand gem. §§ 32, 34 StGB vorangestellt.671 Bei Rechtfertigungsgründen, die typischerweise nur bei einer bestimmten Deliktskategorie in Betracht kommen, gewährte er der Übersicht gegenüber systematischen Überlegungen den Vorrang und platzierte diese jeweils bei den Deliktstatbeständen im Besonderen Teil.672 Darüber hinaus existieren normierte Erlaubnissätze für jedermann im BGB673 sowie in § 127 I StPO („Jedermanns“-Festnahmerecht).674 Die genannten Beispiele machen deutlich: Die Deliktstatbestände müssen den Erlaubnissätzen „zugänglich“ sein, um über ihre Anwendung im BtMG diskutieren zu können. Beispielsweise kommt den Selbsthilfe- und Festnahmerechten im BtMG schon per se keine Relevanz zu, da es sich um Normen handelt, welche die Verwirklichung von Deliktstatbeständen mit dem Schutzgut „Freiheit“ (§§ 239, 240 StGB) legitimieren. Der bereits mehrfach angesprochene unge668 Die monistische Lehre versucht dagegen die pluralistischen Ansätze auf einen Nenner zu bringen und die genannten Prinzipien auf eine einzige Grundidee zu minimieren: Als besondere Ausprägung hiervon ist die so genannte „Zwecktheorie“ zu nennen, wonach die Tat nicht rechtswidrig ist, wenn sie sich als die Anwendung des angemessenen Mittels zur Verfolgung des rechtlich anerkannten Zwecks darstellt, bei Sch/ Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 6 m.w. N. 669 Dies gilt, wenn der Rechtsgutsträger auf den strafrechtlichen Schutz verzichtet oder wegen seinem eigenen Verhalten den Schutz der Rechtsordnung verwirkt hat („volenti non fit iniuria“). 670 Der Grundsatz ultra posse nemo obligatur und der auf dieser Überlegung beruhende Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision passt zugegebenermaßen nicht in dieses zweigleisige Konzept, da bei der Pflichtenkollision gerade kein überwiegendes oder mangelndes Interesse festgestellt werden kann, vgl. Lenckner GA 85, 202 (304 ff.). 671 Als Pendant hierzu im Ordnungswidrigkeitenrecht, vgl. die §§ 15, 16 OWiG. 672 Man denke an den bereits genannten § 193 StGB oder auch an die §§ 218a II, III StGB; zur Einordnung des „mysteriösen“ § 228 StGB vgl. Bott/Volz JA 2009, 421. 673 Gemeint sind die Sicherungs- und speziellen Notstandsvorschriften, §§ 228, 229, 230, 859, 904 BGB. 674 Überdies seien als spezifische Rechtfertigungsgründe außerhalb des StGB genannt: § 81a StPO, §§ 117, 178 GVG, § 87 StVollzG, § 23 BJagdG.
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schriebene Rechtfertigungsgrund der Einwilligung ist wegen des überindividuellen Rechtsgüterschutzes ebenfalls ausgeschlossen, es sei denn der Tatbestand lässt sich – wie dies nach hier vertretener Ansicht bei § 30 I Nr. 3 BtMG der Fall ist – in verschiedene Schutzrichtungen „splitten“.675 Auch die lebhafte Diskussion, ob verfassungsmäßig garantierte Rechte im Einzelfall rechtfertigend wirken können676, spielt im BtMG keine Rolle.677 So schweift der Blick zu den anfangs genannten zwei allgemeinen Rechtfertigungsgründen des StGB zurück. Dem für akute Gefahren modellierten Erlaubnissatz der Notwehr gem. § 32 StGB (als „Urrecht“) kann schon rein tatsächlich nur eine geringe Bedeutung zukommen. Motivation der Verteidigung bzw. der Nothilfe ist der Schutz von Individualinteressen wie der körperlichen Unversehrtheit, Freiheit, Ehre oder Eigentum. Mag bereits fraglich sein, ob sich ein Täter überhaupt zum „Retter“ der Volksgesundheit aufschwingen kann, so ist dies für die Notwehr unerheblich. Die h. M. geht zu Recht davon aus, dass Kollektivrechtsgüter678 nicht nothilfefähig sind,679 es sei denn die Beeinträchtigung des überindividuellen Guts (beispielsweise Tierschutz) betrifft zugleich das Individualinteresse (Eigentum des Hundeherren). § 32 StGB kann somit nur in Konstellationen greifen, in denen dem Täter oder dem hilfebedürftigen Dritten unfreiwillig Drogen injiziert bzw. verabreicht werden, § 29 I Nr. 6a BtMG.680 Bei einem akuten Angriff auf die körperliche Unversehrtheit erfüllt die Gegenmaßnahme aber regelmäßig keinen Tatbestand des BtMG. Das kurzzeitige Weg- bzw. An-sich-Nehmen der Drogen wäre weder als Erwerb noch als Sichverschaffen oder Besitz zu qualifizieren. Regelmäßig wehrt sich die Notwehr ausübende Person – soweit derartige Fälle nicht vollkommen konstruiert wirken sollen – schlicht tätlich, so675 Zur Diskussion rund um § 30 I Nr. 3 BtMG vgl. 3. Teil A. I. 3. e), S. 133 ff. Da sich die Einwilligungsfrage auf diesen Problemkreis im BtMG beschränkt, erfolgen an dieser Stelle keine weiteren Erörterungen. 676 Wie das politische Widerstandsrecht, Art. 20 IV GG oder Grundrechte wie Art. 5 III GG. Vgl. hierzu ausführlich LK/Rönnau Vor § 32 Rn. 60; krit. Böse ZStW 113 (2001), 40 (61 ff.); zum Widerstandsrecht aus Art. 20 IV GG Jahn, Staatsnotstand, S. 502 ff. 677 Wobei insbesondere der zitierte Art. 5 III GG zumindest mittelbar eine Rolle spielt, indem ihm zwar keine rechtfertigende, sondern bereits tatbestandsreduzierende Wirkung bei § 29 I Nr. 12 BtMG zukommt. Die rechtspolitisch umstrittene Vorschrift stellt die öffentliche Aufforderung zum unbefugten Verbrauch unter Strafe. Art. 5 III GG gebietet es nach wohl h. M., dass politische, religiöse und künstlerische Äußerungen in Versammlungen, Konzerten, mittels CDs- und Schallplatten (mögen sie in den Liedtexten eine Aufforderung zum Drogengebrauch zum Inhalt haben) nicht als tatbestandsmäßig gewertet werden dürfen. Anschaulich mit zahlreichen Songtexten bei Körner (VI) § 29 Rn. 1912. 678 Wie etwa die Sicherheit des Straßenverkehrs, der Jugendschutz oder das nicht von Drogen beeinträchtigte Zusammenleben. 679 BGHSt 5, 245 (247); LK/Rönnau/Hohn § 32 Rn. 82; MK-StGB/Erb § 32 StGB Rn. 9; SSW/Rosenau § 32 Rn. 8. 680 Als Sonderfall einer vorsätzlichen Körperverletzung.
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dass es nicht um die Rechtfertigung von Betäubungsmittelstraftatbeständen, sondern beispielsweise um Körperverletzungsdelikte geht. In umgekehrten Fällen, in denen Drogen verwendet werden, um den Angreifer außer Gefecht zu setzen,681 muss der Angegriffene sich die Drogen zu einem Zeitpunkt beschafft haben, in denen der Angriff nicht gegenwärtig i. S. d. § 32 StGB ist.682 Der Anwendungsbereich des rechtfertigenden Notstands nach § 34 StGB ist dagegen nicht von vornherein erheblich eingeschränkt. Es sind einige Gefahrsituationen denkbar, in denen der Täter keine andere Wahl hat, als kurzzeitig mit Drogen „umzugehen“: Als Schulfall, der nach hier vertretener Ansicht bereits auf Ebene der objektiven Zurechnung gelöst werden muss,683 wurde die altruistische Wegnahme von Drogen genannt, um beispielsweise eine nahe stehende Person vor Straftaten (Verkauf, Abgabe der Droge) oder dem Konsum als Selbstschädigungsakt zu bewahren.684 Hierbei ist es wegen der zahlreichen Tätigkeitsdelikte im BtMG systemimmanent, dass tatbestandsmäßiges Verhalten und Rettungshandlung zusammenfallen. Die Rettungshandlung (Schlag mit dem eigenen Stock) ist also nicht trennbar von einem Erfolgsobjekt (beschädigte Sache) auseinanderfallen. Denkbar ist auch, dass der Täter zu seinem eigenen „Wohl“ mit Drogen umgeht, gemeint ist die Verwendung von Opiaten zur Schmerzlinderung. In derartigen Fällen scheint ein Rückgriff auf § 34 StGB nicht a priori ausgeschlossen.685 Die bessere „Verträglichkeit“ des Notstandsparagraphen mit Straftatbeständen im Allgemeinen ist auf seinen höheren Abstraktionsgrad und den Umstand zurückzuführen, dass die „Gefahr“ i. S. d. § 34 StGB zumindest nicht in derart ausgeprägtem Maße akut sein muss wie beim schneidigen Notwehrrecht.686 § 34 StGB setzt keinen Angriff durch menschliches Verhalten voraus,687 sodass bei objektiv gefährlichen Umständen für den Täter die Tür zur Interessensabwägung eröffnet ist und nun geprüft werden kann, ob bei einem Vergleich der widerstrei681
Etwa die Ruhigstellung eines gewalttätigen Ehegatten durch Opiate. Ob solch ein Verhalten wegen der „Dauergefahr gewalttätiger Ehemann“ (vgl. Fn. 681 in Teil 3) dann über § 34 StGB gerechtfertigt sein kann, erscheint in hohem Grade zweifelhaft. 683 Siehe bereits 3. Teil A. I. 3. f) bb) (3), S. 158 ff. 684 Da der Täter in diesen Konstellationen meist zielgerichtet handelt, wird die Frage des Fehlens eines subjektiven Rechtfertigungselements wohl nie eine Rolle spielen, anders als im Kernstrafrecht, vgl. statt vieler nur Streng, FS-Otto, 2007, S. 469 ff. 685 Hierzu ausführlich im Folgenden 3. Teil A. III. 4. b), S. 260 ff. 686 Unter Gefahr ist ein Zustand zu verstehen, in dem aufgrund tatsächlicher Umstände die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädigenden Ereignisses für ein Rechtsgut in allernächster Zeit besteht, vgl. BGHSt 18, 271; 48, 255 (259); BGH NStZRR 2006, 200 (201). Zum Begriff der Dauergefahr Küper, FS-Rudolphi, 2004, S. 151 (163), wonach dem Begriff dogmatisch keine eigenständige Bedeutung, sondern allenfalls Orientierungsfunktion zukomme; vgl. auch Wessels/Beulke, Rn. 306; Kühl AT § 8 Rn. 65. 687 Kühl AT § 8 Rn. 55. 682
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
tenden Interessen, das geschützte gegenüber dem beeinträchtigten Interesse überwiegt.688 Diese beeinträchtigten Interessen sind im Falle des BtMG die überindividuellen Schutzgüter „Volksgesundheit“ und „Drogenfreie Gesellschaft“ bzw. der Jugendschutz und der Schutz vor organisierter Kriminalität. Damit ist man an einem problematischen Punkt angelangt: Die Abwägungskomponenten setzen sich bei Eingriffen, welche zu einer Deliktsverwirklichung im BtMG führen, nicht aus zwei Individualinteressen zusammen. Im typischen Fall der Rechtfertigung stehen sich zwei Individuen gegenüber, von denen einer „den Kürzeren zieht“ und das Eingriffsrecht des Täters zu dulden hat.689 Bei Eingriffen, welche die Tatbestandsmäßigkeit einer BtMG-Vorschrift betreffen, ist das Äquivalenzverhältnis bzw. die vorzunehmende Abwägung von Anfang „gestört“, da auf einer Seite der Waagschaale ein „Kollektiv“ steht. Lässt man den Betäubungsmitteltäter in den Genuss der Notstandsregelung nach § 34 StGB kommen, so legt man nicht nur einem Individuum, sondern der gesamten Rechtsordnung auf, diesen Eingriff „dulden“.690 Dies bedeutet nicht, dass man von Anfang an ein „Mehr“ an Interesse auf der anderen Seite der Waagschale (also auf der des Betäubungsmitteldelinquenten) verlangen müsste, da sich die Interessen qualitativ und nicht quantitativ unterscheiden.691 Im „Einzelfall“ kann es sich um eine akute bzw. unmittelbar bevorstehende Gefahr handeln, sodass dem Täter nichts anderes übrig bleibt, als selbst die Abwägung vorzunehmen.692 Im „Normalfall“ hat die Rechtsordnung die Abwägung dem Täter abgenommen, indem man nicht eine durchweg geltende Strafnorm aufstellt, sondern zunächst eine außerstrafrechtliche Lösung des Konflikts ermöglicht. Die Rechtsordnung entscheidet dann „im Einzelfall“, ob das Verhalten des Täters rechtswidrig bzw. tatbestandsmäßig ist, indem sie – personifiziert als Ins-
688 Zu den Kriterien für die Interessensabwägung allgemein SSW/Rosenau § 34 Rn. 16; Kühl AT § 8 Rn. 97 ff.; Wessels/Beulke Rn. 310; Fischer § 34 Rn. 8 ff. 689 Silva Sánchez GA 2006, 382; Kühl in FS-Hirsch, S. 264 ff.; SSW/Rosenau § 34 Rn. 1; insofern kommt dem Beeinträchtigten aber nach § 904 BGB ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch zugute. 690 Diese besondere Abwägungssituation ist nicht auf betäubungsmittelrechtliche Sachverhalte beschränkt, man denke an den Fahrer, der trotz seiner Trunkenheit eine schwer verletzte Person zum Krankenhaus fährt, weil ein Rettungswagen nicht herbeigerufen werden kann. Hier kollidiert das Kollektivinteresse „Sicherheit des Straßenverkehrs“ mit dem Rechtsgut „Leben“, zu diesem Beispiel OLG Hamm NStZ 1996, 344; Mitsch JuS 1989, 964; Kühl AT § 8 Rn. 117. 691 Dieses Problem darf nicht mit der Frage verwechselt werden, ob Allgemeininteressen überhaupt notstandsfähig sind (was im Übrigen für § 32 StGB überwiegend abgelehnt, für § 34 StGB von der h. M. zutreffenderweise bejaht wird, vgl. OLG Koblenz NJW 1963, 1991; zur Volksgesundheit BGH StV 1988, 433 zust. Sch/Sch/Lenckner/ Perron § 34 Rn. 10). Schließlich handelt der Täter nicht „für“ die Volksgesundheit, sondern er beeinträchtigt sie eben. 692 Wobei es möglich bleibt, die Richtigkeit jener Abwägung im Anschluss einer tatrichterlichen ex-ante-Kontrolle zu unterwerfen, vgl. noch im Folgenden.
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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tanz – durch einen behördlichen Akt entscheidet, ob der konkrete Einzelfall verboten ist oder nicht. Im Rahmen einer „Vorabwägung“ legt man als Resultat eines rechtlich geordneten Verfahrens fest, ob die (tatsächlichen oder rechtlichen) Interessen des Individuums ausnahmsweise gegenüber den öffentlichen Interessen überwiegen. Damit ist gemeint, dass die meisten überindividuellen Interessen durch Verwaltungsgesetze reguliert werden und der Eingriff in das kollektive Interesse nach einer umfassenden Einzelfallentscheidung ausnahmsweise gestattet werden kann.693 Der Tatbestand beinhaltet dann nicht mehr lediglich die Beschreibung eines verbotenen Verhaltens, sondern nimmt seinerseits Bezug auf die genannte „Vorentscheidung“ einer Behörde und wird somit „instanzakzessorisch“. Dies ist bei kollektiven Rechtsgütern häufig so, da es zwar keinen Rechtsgutsträger, wohl aber zumindest einen Kompetenzträger geben muss, der das Rechtsgut „bewirtet“.694 Verwehrt sich der Teilnehmer diesem Abwägungsvorgang, handelt er von vornherein unerlaubt bzw. ist ihm sein Verhalten nicht gestattet, was die ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung, ggf. aber eben auch die strafrechtliche Verfolgung zur Konsequenz haben kann; in phänomenologischer Hinsicht ist dies das primäre Charakteristikum des Neben- oder besser „Verwaltungsstrafrechts“.695 Als derartige Kollektivinteressen, die das Verwaltung(straf)recht reguliert, sind Natur und Umwelt (§§ 324 ff. StGB), der Weltfrieden (§ 22a KWKG) oder der Straßenverkehr (§ 21 StVG) zu nennen. Auch die Strafbarkeit nach den Vorschriften des BtMG hängt unmittelbar oder mittelbar von der verwaltungsrechtlichen Erlaubnis nach § 3 BtMG ab, welche das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn erteilt.696 Wenn dem Täter die Erlaubnis verwehrt wurde oder er schlicht ohne eine Erlaubnis mit Betäubungsmitteln umgeht (ergo sich eigenmächtig der behördlichen Kontrolle entzieht), erscheint es zweifelhaft, ihm die Vornahme einer „eigenen“ Abwägung nach § 34 StGB zu gestatten; eine Frage, welche die h. M. bekanntlich beim Merkmal der „Angemessenheit“ des Tuns nach § 34 S. 2 StGB lokalisiert. Da die rechtliche Einordnung der Erlaubnis nach § 3 BtMG also als wichtige Vorfrage im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 34 StGB zu qualifizieren ist,
693 Was dann entweder als Genehmigung oder Erlaubnis bezeichnet wird. Die Begrifflichkeiten unterscheiden sich nicht, insbesondere ist die Genehmigung nicht als „nachträgliche“ Zustimmung – wie im Zivilrecht, vgl. § 184 BGB – zu verstehen, da im Strafrecht nachträgliches Opferverhalten das Unrecht nicht ausschließen kann, vgl. MKStGB/Schlehofer Vor § 32 StGB Rn. 147. 694 Zu dieser Wendung vgl. Heghmanns, Grundzüge, S. 183 ff.; Sch/Sch/Lenckner/ Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 61. 695 Die Erlaubnis ist auch im Kernstrafrecht kein „Fremdkörper“, vgl. nur § 327 StGB; zur Wirkung einer Genehmigung i. R. d. § 331 III umfassend Krey BT 1 Rn. 670. 696 Die formalen Erfordernisse für einen Antrag, der beim benannten Institut einzureichen wäre, sind im § 7 BtMG geregelt.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
soll sie im Folgenden näher dargestellt werden (3.). Unabhängig von der potentiellen „Sperrwirkung“ der Erlaubnis bezüglich § 34 StGB wird bereits die grundsätzliche Einordnung verwaltungsakzessorischer Erlaubnisse bzw. Genehmigungen unterschiedlich beurteilt und hängt auch von der jeweiligen Regelungsmaterie ab. Teils misst man verwaltungsrechtlich erteilten Erlaubnissen und Genehmigungen rechtfertigende Wirkung bei, weswegen man bei § 3 BtMG im Verhältnis zu § 34 StGB über eine verdrängende Wirkung i. S. e. „lex specialis“ nachdenken könnte. Die h. M. geht dagegen davon aus, dass die Erlaubnis zum gesetzlich umschriebenen Tatbestand gehöre. Dann ergibt sich kein „echtes“ Konkurrenzverhältnis zu § 34 StGB. Da sich an der Existenz eines rechtlich geordneten Verfahrens nichts ändert, lässt dies den oben genannten Angemessenheits- bzw. Abwägungsgesichtspunkt unberührt. Die Streitfrage hat zudem – wenn auch im Ergebnis unerhebliche – Auswirkungen auf die Irrtumslehre.697 Erst im Anschluss an die Erläuterungen zu § 3 BtMG kann geklärt werden, in welchen Fällen dem § 34 StGB ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleibt. Neben den Nötigungsnotstandsfällen, sticht der Cannabiserwerb zur Schmerzlinderung als besonders strittige Fallgruppe hervor. 3. Die Erlaubnis gem. § 3 BtMG: Tatbestandsmerkmal oder Rechtfertigungsgrund? a) Vorüberlegungen – Verwaltungsaktsakzessorietät Die Erlaubnis nach § 3 BtMG ist ein begünstigender Verwaltungsakt und somit richtet sich das Verfahren zur Erteilung der Erlaubnis nach den allgemeinen Grundsätzen des VwVfG.698 Zuständig ist das Bundesinstitut für Arznei- und Medizinprodukte. Die Behörde kann den Verwaltungsakt mit betäubungsmittelrechtsspezifischen Auflagen und Beschränkungen nach § 9 BtMG versehen. Dann stellt sich die Frage, inwieweit die Strafbarkeit nach den §§ 29 ff. BtMG von der verwaltungsrechtlichen Wirksamkeit der Erlaubnis abhängt.699 Hier sollte man im gesamten Verwaltungsstrafrecht für ein einheitliches Konzept 697 Denn es bleibt bei der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Irrtümern über Tatsachen und Rechtsirrtümern. Soweit die Erlaubnis nur die Rechtswidrigkeit ausschließen soll, befände man sich also in einem Erlaubnistatbestandsirrtum und nicht in einem einfachen Tatbestandsirrtum. Da auf diesen zumindest nach h. L. die Rechtsfolgen des § 16 StGB Anwendung finden sollen, vgl. nur Wessels/Beulke Rn. 478; Fischer § 16 Rn. 16 f.; LK/Spendel § 32 Rn. 342 f. und die Rechtsprechung ohnehin keine einheitliche Linie (weder in rechtlicher noch terminologischer Hinsicht) im Hinblick auf die Behandlung von Irrtümern rund um die Erlaubnis fährt, wird in der Praxis auf diese Unterscheidung auch nicht viel Wert gelegt, vgl. hierzu noch die Ausführungen i. R. d. Schuld, 3. Teil A. IV. 4. c) aa) (2), S. 306 ff. 698 Zum Erlaubnisverfahren ausführlich MK-StGB/Kotz § 3 BtMG Rn. 7 f.; Körner/ Patzak § 3 Rn. 23 ff. 699 Unabhängig von der Frage, ob diese tatbestandsausschließend oder rechtfertigend wirkt.
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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eintreten und eine formelle Akzessorietät700 der Straftatbestände zu Grunde legen.701 Bei einer Nichtigkeit der Erlaubnis nach § 44 VwVfG ist somit auch von einem unerlaubten Handeln im strafrechtlichen Sinne auszugehen.702 Im Übrigen haben weder die grundsätzliche Erlaubnisfähigkeit703 noch die Anfechtbarkeit der Erlaubnis eine strafrechtliche Relevanz, solange die Behörde die Erlaubnis tatsächlich nicht erteilt oder umgekehrt widerrufen bzw. zurückgenommen hat. Etwaige Rücknahmen, die auf der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts beruhen, wirken mit Blick auf das Simultaneitätsprinzip und § 8 StGB im Strafrecht ausschließlich ex nunc (auch wenn sie verwaltungs- oder zivilrechtlich rückwirkend gelten, also einen ex tunc-Effekt haben).704 b) Zur Abgrenzung des Merkmals „unerlaubt“ als Tatbestandsoder Rechtswidrigkeitskomponente Die kleineren Streitigkeiten rund um die Reichweite der Verwaltungsakzessorietät münden aus der Vorfrage, ob die Erlaubnis den tatbestandsausschließend oder „nur“ rechtfertigend wirkt.705 Dabei darf man sich nicht vom zwischenzeitlich abgeänderten Wortlaut der Vorschrift verwirren lassen:706 Während § 29 I BtMG a. F. noch voraussetzte, dass der Täter „ohne Erlaubnis nach §§ 3 I Nr. 1“ handelt, wurde dieser Passus in „unerlaubt“ abgeändert. Damit wollte man klarstellen, dass entsprechend § 6 Nr. 5 StGB auch Auslandstaten strafbar sind, wenn es an der Erlaubnis der dort zuständigen Behörde fehlt.707 Der Wortlaut gibt also nichts her, was wohl der Grund dafür ist, weshalb sich die Einordnung von verwaltungsrechtlichen Genehmigungen und Erlaubnissen als rechtlich derart komplex gestaltet.708 700
Die schlicht an den Bestand der Erlaubnis knüpft. So Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 62; einschränkend Paeffgen, FS-Stree/Wessels, 1993, S. 592 ff. 702 Vgl. LK/Rönnau Vor § 32 Rn. 279. 703 Winkelbauer NStZ 1986, 149; ders. NStZ 1988, 201 (203); Rudolphi NStZ 1984, 193 (198); Dölling JZ 1985, 461 (462 f.); zur Erlaubnisfähigkeit ausführlich Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, 1988. 704 Zur ex-tunc Wirkung und der Behandlung zivilrechtlicher Rückwirkungsfiktionen im Strafrecht vgl. Rengier BT I § 2 Rn. 8; Wessels/Hillenkamp Rn. 70; SSW/Kudlich § 242 Rn. 12 („Ausnahme von der Zivilrechtsakzessorietät“), vgl. auch Fischer § 242 Rn. 5; Kudlich/Noltensmeier JA 2007, 863 (865 f.); Weber, GS-Schlüchter, 2002, S. 243 (245). 705 Hierzu auch Nestler, Transferdelikte, S. 311. 706 Die Änderung erfolgte im Jahre 1993 durch das Ausführungsgesetz Suchtstoffübereinkommen 1988. 707 Weber § 29 Rn. 21; Erbs/Kohlhaas-Pelchen/Bruns § 29 Rn. 2; MK-StGB/Kotz § 3 BtMG Rn. 12; BT-Drs. 12/3533. 708 Zum Ganzen ausführlich Rengier ZStW 101 (1989), 874 (884); Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 18 ff.; ders. NStZ 1988, 201; Roxin AT I § 17 Rn. 59 ff.; Kühl 701
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Einigkeit besteht insofern, dass hier die verwaltungsrechtliche Regelungsmaterie eine Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung hat. Somit ist auch diese rechtliche Einordnung ist in gewissem Grade „verwaltungsrechtsakzessorisch“.709 Die Abgrenzung erfolgt nach demselben Muster, das auch im Kernstrafrecht Anwendung findet, wenn es um die Einreihung von Tatbestandszusätzen wie „unbefugt“, „widerrechtlich“ oder „rechtswidrig“ geht.710 Insofern lassen sich die dort gemachten Überlegungen partiell übertragen. Von einem Tatbestandsausschluss ist folglich auszugehen, wenn sich das tatbestandlich vertypte Unrecht auf ein Handeln ohne Erlaubnis beschränkt.711 Dies lässt sich bei einer Genehmigung bzw. Erlaubnis annehmen, wenn die erfassten Handlungen grundsätzlich als „sozialadäquat“ einzustufen sind712, und das Erfordernis einer Zustimmung nur die Kontrolle der Behörde aufrechterhalten soll713 (das Verbot ist präventiv, die Erlaubnis somit idealtypisch der Regelfall und dient lediglich zur Kontrolle714). Umgekehrt ist von einer rechtfertigenden Wirkung des verwaltungsrechtlich begünstigenden Zustimmungsakts auszugehen, wenn es sich um eine Ausnahmegenehmigung handelt, das Verhalten also als grundsätzlich unerwünscht und nicht mehr als sozialadäquat eingestuft werden kann715 (das Verbot ist repressiv, die Erlaubnis somit eher ein Einzelfall und wird aufgrund höherrangiger Interessen bewilligt oder besser noch „gebilligt“).716
AT § 9 Rn. 119 ff.; Gänßle, Das behördliche Zulassen strafbaren Verhaltens – eine rechtfertigende Einwilligung? 709 BGH NStZ 1993, 594 (595): „Die Frage, ob in Fällen des Irrtums über das Genehmigungserfordernis Tatumstandsirrtum nach § 16 I StGB oder Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB vorliegt, kann nur differenzierend . . .entschieden werden.“ Wiederum unter Bezugnahme Rengier ZStW 101 (1989), 874 (884); Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 18 ff. 710 Vgl. zum Merkmal „unbefugt“ u. a. zu § 303 II StGB Wessels/Hillenkamp Rn. 13c; Satzger Jura 2006, 428 (434 f.); SK/Hoyer § 303 Rn. 24 f.; SSW/Saliger § 303 Rn. 17; Schuhr JA 2009, 169 ff.; zu § 238 StGB SSW/Schluckebier § 238 Rn. 14; Mitsch Jura 2007, 401; oder etwa zu § 127 StGB SSW/Fahl Rn. 12; NK/Ostendorf § 127 Rn. 17; zum Merkmal „widerrechtlich“ bei § 123 StGB Fischer § 123 Rn. 30; zum Begriff „rechtswidrig“ Wessels/Beulke Rn. 135. 711 SSW/Rosenau Vor § 32 Rn. 24. 712 Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 61. 713 NK/Paeffgen Vor § 32 Rn. 201; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 61. 714 Rengier ZStW 101 (1989), 874 (878); Goldmann, Die behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund, 1967, S. 93 f. (105). 715 Lenckner, FS-Pfeiffer, 1988, S. 27; Steindorf, FS-Salger, 1995, S. 167 (171 f.); Dölling JZ 1985, 461. 716 Für diese grundsätzliche Differenzierung auch Altenhain, FS-Weber, 2004, S. 441 (442); Roxin AT I § 17 Rn. 59 ff.; Tiedemann/Kindhäuser NStZ 1988, 337 (342 f.); SSW/Rosenau Vor § 32 Rn. 24; im Grundsatz zustimmend, aber einschränkend Kühl AT § 9 Rn. 124 („widerlegbare Vermutung“); umfassend LK/Rönnau Vor § 32 Rn. 274 m.w. N.
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c) Die rechtliche Einordnung der Erlaubnis im Betäubungsmittelstrafrecht Die neuere Kommentarliteratur ordnet das BtMG keiner Seite ausdrücklich zu: Als typische Beispiele für die tatbestandsausschließende Wirkung von Erlaubnis bzw. Genehmigung werden § 34 AWG, § 95 I Nr. 2 AufenthaltsG, § 21 StVG, § 54 I Nr. 2 KWG, § 23 ApothekenG oder § 284 StGB genannt, während man die Verbote im Waffengesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz als repressive Verbote mit Ausnahmebewilligungsmöglichkeit bewertet (§ 52 I Nr. 2 WaffG, § 22a I KWKG, § 75 IfSG).717 Zu § 3 BtMG hält man sich weitestgehend bedeckt.718 Erschwert wird die Zuordnung auch dadurch, dass gesetzgeberische Zielsetzungen und Motive ständig im Fluss sind; ein ursprünglich präventiv orientiertes Gesetz kann durch zahlreiche Reformen und europarechtliche Einflüsse in ein repressives Normgefüge umschlagen.719 aa) Die abweichenden Auffassungen in Rechtsprechung und Lehre Im betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum geht man weitestgehend davon aus, dass die Erlaubnis nach § 3 BtMG Teil des gesetzlich umschriebenen Tatbestands sei.720 Dabei nimmt man weitestgehend nur auf die Rechtsprechung des BGH Bezug, ohne diese „praktisch irrelevante Frage“ näher zu begründen. Tatsächlich ließ die höchstrichterliche Rechtsprechung bis dato in mehreren Entscheidungen andeuten, dass sie von einer tatbestandsausschließenden Wirkung der Erlaubnis ausgeht.721 Die soeben häufig als Beleg hierzu zitierte Fundstelle führt zu einem Urteil des BGH vom 07.03.1996 (eine Entscheidung, die es im Hinblick auf § 34 StGB nochmals aufzugreifen gilt): Der Schwerpunkt der Entscheidung liegt – wie sollte es auch anders sein – in der rechtlichen Qualifikation eines Irrtums 717 Vgl. BGH NStZ 1993, 594; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 61; Dölling JZ 1985, 461. 718 So zumindest in den Standardkommentaren, vgl. Sch/Sch/Lenckner/SternbergLieben Vor § 32 Rn. 61; Lackner/Kühl Vor § 32 Rn. 25; SSW/Rosenau Vor § 32 Rn. 24; Fischer Vor § 32 Rn. 5; LK/Rönnau Vor § 32 Rn. 274; MK-StGB/Schlehofer Vor § 32 StGB Rn. 149; auch Nestler verhält sich zum § 3 BtMG in ihren Ausführungen zur behördlichen Genehmigung nicht, Transferdelikte, S. 322. 719 Was im Übrigen auch die anfangs geschilderte Abgrenzungsformel angreifbar macht. 720 So die wohl h. M. MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 10; Eberth/Müller/Schütrumpf Rn. 22 (aber zurückhaltend: „In der Regel“); Franke/Wienroeder § 29 Rn. 36; Weber § 29 Rn. 25; Winkelbauer NStZ 1988, 201; Roxin AT I § 17 Rn. 60; Pfeil/Hempel/ Schiedermair/Slotty § 29 Rn. 35 (uneinheitlich Körner, der teilweise von Rechtswidrigkeitsmerkmalen, § 29 VI Rn. 239, teilweise aber von Tatbestandsmerkmalen spricht, § 29 Rn. 17; wobei diese „Ungenauigkeit“ mit Blick darauf, dass sie im Zusammenhang mit dem Handeltreiben erfolgt auf einer tatbestandsakzessorischen Betrachtungsweise basieren kann und somit auch gewollt sein dürfte). 721 BGH NStZ 1996, 338.
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und der Frage, wann ein Verbotsirrtum vermeidbar ist. Es geht um einen VMann, der Betäubungsmittelgeschäfte für das LKA abwickelt, ohne dieses darüber aufzuklären und denkt, dass sein Verhalten von der Ausnahmevorschrift des § 4 II BtMG gedeckt sei. Im Rahmen seiner Erläuterungen zur betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnis stellt der Senat (sozusagen als Prämisse für die weitere Behandlung des Irrtums) fest: „. . .Das Fehlen der [schriftlichen] Erlaubnis gehört. . .zum Tatbestand. . .; die irrige Annahme einer Erlaubnis ist daher ein Tatbestandsirrtum.“ Der BGH verwendet innerhalb der Irrtumsdogmatik keine in sich geschlossene Nomenklatur. Jedoch wiegen Ungenauigkeiten bei Irrtümern „rund um die Erlaubnis“ wesentlich schwerer, weil der Begriff der „Erlaubnis“ ja auch Teil der Irrtumsterminologie ist, man denke an den Erlaubnisnorm- und Erlaubnistatbestandsirrtum.722 Bei einer etwas genaueren Analyse dieses Urteils723 sticht sofort ins Auge, dass der BGH am Ende von einem „Erlaubnistatbestandsirrtum“ spricht.724 Die betäubungsmittelrechtliche Literatur bewertet dies als „terminologische Ungenauigkeit“ 725, obwohl die verwendete Begrifflichkeit auch als richtig empfunden bzw. als Bekenntnis zur Erlaubnis als Rechtfertigungsgrund interpretiert werden könnte.726 Die Urteilsbegründung insgesamt und die eingangs dargelegte Formulierung, die Erlaubnis gehöre zum Tatbestand, sprechen dann trotz jener (gerade in diesem Kontext kritisch zu bewertender) Missverständlichkeit relativ eindeutig für eine Interpretation dahingehend, dass die Rechtsprechung die Erlaubnis als Teil des Unrechtstatbestandes ansieht. Mithin meint der BGH keinen Erlaubnistatbestandsirrtum i. S. e. Fehlvorstellung über Tatsachen, bei deren Vorliegen das Verhalten des Täters gerechtfertigt wäre, sondern einen „Erlaubnis-Tatbestandsirrtum“, d.h. eine Fehlvorstellung über Tatsachen, welche die Erlaubnis i. S. d. § 3 BtMG betreffen. Die Gegner dieses Konzepts lassen sich an einer Hand abzählen.727 Sie sehen in der Erlaubnis nach § 3 BtMG eine Bewilligung, die aufgrund eines repressiven Verbots die Ausnahme darstelle. Die behördliche Erlaubnis habe dementsprechend nur rechtfertigende Wirkung.
722 Der Begriff dient der Einordnung für Irrtümer auf der Rechtswidrigkeitsebene. Je nachdem, ob der Irrtum tatsächlicher oder rechtlicher Natur ist, spricht man vom Erlaubnistatbestands- oder eben Erlaubnis(norm)irrtum, vgl. Wessels/Beulke Rn. 484. 723 Welches häufig zum Beleg einer tatbestandsausschließenden Wirkung des § 3 BtMG zitiert wird. 724 BGH NStZ 1996, 338 (339). 725 Weber § 29 Rn. 31 („undeutlich“). 726 Optisch sticht es ebenfalls ins Auge, dass der Senat am Ende des Urteils den Teil „Erlaubnis“ der Begrifflichkeit „Erlaubnistatbestandsirrtum“ in Klammern setzt. 727 Hierzu zählen insbesondere Malek, 2. Kap. Rn. 47 sowie Ebert, Handeltreiben, S. 10. Für eine Qualifizierung der Erlaubnis als Rechtfertigungsgrund auch Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 2 § 56 Rn. 25.
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bb) Eigener Standpunkt Die zwei Gegenpositionen kommen nicht von ungefähr und sind beide nachvollziehbar, da die oben dargestellte Abgrenzungsformel gegenläufige Ergebnisse trägt und somit kaum weiterhilft.728 Der Grund hierfür liegt darin, dass die dogmatische Einordnung eines Verhaltens als „grundsätzlich missbilligt“ doppelt akzessorisch ist, einerseits vom gesetzlich umschriebenen Tatbestand729, andererseits vom tatrichterlich festgestellten Sachverhalt. Zur letzteren These: Über die Frage, ob die Zustimmung in eine Körperverletzung tatbestandsausschließend oder rechtfertigend wirkt, diskutiert man vornehmlich, wenn ein Arzt die „Verletzung“ verursacht;730 eine Gegebenheit, die mit der tatbestandlichen Umschreibung des Verhaltens nichts zu tun hat. Als Beispiel zur Tatbestandsakzessorietät sei aus dem Kernstrafrecht der im Jahre 2008 eingeführte Stalking-Tatbestand (§ 238 StGB) genannt731, bei dem sich das Merkmal „unbefugt“ sowohl auf grundsätzlich sozialadäquate Verhaltensweisen bezieht (Telefonieren oder die räumliche Nähe aufsuchen, § 238 I Nr. 1 StGB) als auch Verhaltensweisen nennt, die man schon per se als rechtswidrig empfinden muss (Drohung mit einem empfindlichen Übel,732 § 238 I Nr. 4 StGB). Dass es derartige Unwert-„Abstufungen“ auch im BtMG gibt, dürfte sich bereits bei den Ausführungen zur Fahrlässigkeit ergeben haben, man denke nur an den Unterschied zwischen Handeltreiben, Inverkehrbringen und Verschreiben.733 Das System der Positivliste, das nicht zwischen „harten“, „weichen“ und mit Arzneimitteln vergleichbaren Betäubungsmitteln unterscheidet, tut hier sein Übriges. Tatsächlich kann der Hauptbezugspunkt des Tatbestands734 – das Betäubungsmittel – den Schutzgütern des BtMG sowohl zu Gute kommen als auch diese in gravierender Form schädigen. Diese potentiell vollkommen konträre Zweckrichtung fehlt beispielsweise bei Kriegswaffen (Bomben, Sprengköpfe), die niemals eine „positive“ Wirkung im soeben gemeinten Sinne haben können, weswegen im Rahmen des § 22a KWKG auch weitestgehend Übereinstimmung herrscht, dass es sich dort um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt, die Erlaubnis also „nur“ rechtfertigend 728 Vgl. hierzu die Darstellung bei Heghmanns, Grundzüge, S. 179 ff., der die einzelnen Kriterien für die im Einzelfall schwierige Differenzierung zusammenfasst. 729 SSW/Rosenau Vor § 32 Rn. 24; Kühl AT § 9 Rn. 124; Schwarz GA 1993, 381 (327 f.). 730 Vgl. BGH NStZ 2004, 35 zum ärztlichen Heileingriff SSW/Momsen § 223 Rn. 22; Fischer § 223 Rn. 9; SK/Horn § 223 Rn. 35. 731 BGBl. I S. 354 (355). 732 Schließlich muss dieses nicht „unerlaubt“ sein, um eine Strafbarkeit nach § 240 I StGB auszulösen (wobei man gegen dieses Argument anbringen muss, dass es sich bei § 240 StGB um einen „offenen“ Tatbestand handelt, bei dem die Rechtswidrigkeit über die Verwerflichkeitsprüfung nach Absatz 2 erst positiv festgestellt werden muss). 733 Vgl. 3. Teil A. II. 2. f), S. 226 ff. 734 Also die aufgeführten Stoffe und Zubereitungen in den betäubungsmittelrechtlichen Anlagen.
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wirkt.735 Dagegen können Betäubungsmittel einerseits zur Therapie verschrieben, andererseits zu Ausbeutungszwecken und mit Gewinnerzielungsabsicht an Jugendliche veräußert werden. Nimmt man diese Feststellungen ernst, müsste die Abgrenzung nicht nur verwaltungsakzessorisch,736 sondern zudem streng tatbestands- sowie „sachverhaltsakzessorisch“ erfolgen,737 sodass man einen kasuistischen Katalog bilden müsste, in der je nach Tathandlung und Sachverhaltskonstellation die tatbestandsausschließende oder rechtfertigende Wirkung der Erlaubnis festgelegt ist. Diese Vorgehensweise wäre weder praktikabel noch friktionslos umsetzbar. Schließlich setzt die Sachverhaltsakzessorietät eine Umgestaltung des Wortlauts bzw. Normensystems voraus.738 Überdies lässt sich im Einzelfall nicht ermitteln, ob die Erlaubnis den „Unrechtsgehalt der Tat“ mitbegründet, was sich anhand des Tatbestandes der Abgabe von Betäubungsmitteln gut illustrieren lässt. Unabhängig von der Erlaubnis ergeben sich erhebliche Unterschiede in der Unrechtsbeurteilung zwischen der Abgabe an einen Schwerstkranken mit der Absicht dessen Schmerzen zu lindern, an einen Erstkonsumenten, an ein Kleinkind oder an die Polizei. Das Fehlen der Erlaubnis bei einer Abgabe an die Polizei oder als krasses Gegenbeispiel an das Kleinkind macht die Tat nicht mehr oder weniger verwerflich, während man in den übrigen zwei Beispielen das Unrecht erst in der Entscheidung des Täters sehen könnte, sich über die rechtspolitische Wertentscheidung des Gesetzgebers (also die Notwendigkeit einer Erlaubnis) hinwegzusetzen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit der Rechtsordnung erscheint es daher sachgerecht, die von vielerlei Faktoren abhängige Unterscheidung zwischen Tatbestandsausschluss und Rechtfertigung zumindest bei Verwaltungsgesetzen aufzugeben und der behördlichen Erlaubnis durchgehend eine rechtfertigende Wirkung beizumessen. Dies lässt sich auf folgende Überlegung stützen: Auch in Fällen, in denen die Behörde durch das Erfordernis nur die 735 BGH NStZ 1993, 594; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 61; Dölling JZ 1985, 461. 736 Nach Rengier ZStW 101 (1989), 878 kann die verwaltungsrechtliche Materie allenfalls indiziell, aber nicht „präjudiziell“ wirken. 737 So im Ergebnis auch Kühl AT § 9 Rn. 124; Rengier ZStW 101 (1989), 878 f. 738 Gerade an dieser Stelle fällt nochmals deutlich auf, dass die Vermengung von Jedermanns-Handlungen und ärztlich indizierten Tathandlungen in einem einheitlichen Tatbestand (§ 29 I BtMG) missglückt ist. Eine der wichtigsten Baustellen des BtMG ist und bleibt die Sonderstellung von Ärzten sowie Apothekern und die medizinisch indizierte Verschreibung, Verabreichung und Verbrauchsüberlassung von Stoffen i. S. d. BtMG. Hier ist es dringend angezeigt, klar strukturierte und deutlich abgegrenzte Sondertatbestände zu schaffen, die etwaige Strafausschließungsgründe, Milderungsvorschriften und (reformierte) Regelungen zur Substitutions- und Schmerzmittelbehandlung enthalten, ohne dass ein mehrfaches „Hin und Her“ zwischen BtMG, AMG, BtMVV und den Anlagen I–III notwendig ist.
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„Kontrolle“ aufrechterhalten will (also „präventiv“ agiert), bringt die Rechtsordnung damit zugleich zum Ausdruck, dass sie das Verhalten ohne jenes Kontrollverfahren eben nicht duldet. Beim Erlaubnisverfahren handelt es sich um eine Art „Vorurteil“, das ein sozialadäquates Verhalten zu einem nicht erwünschten bzw. verbotenen Tun umwandelt. Was hier womöglich als „Zirkelschluss“ anmutet, leuchtet ein, wenn man jene Wertdifferenz bei Tatbeständen des Kern- und Nebenstrafrechts aufrecht erhält, denen kein rechtlich geordnetes Verfahren vorgeschaltet ist, aber welche die Wörter „unerlaubt“, „unbefugt“ und „widerrechtlich“ beinhalten. Schließlich ist bei diesen Verbotsnormen das einzelne Individuum die „Kontrollinstanz“. Die hier vorgeschlagene Lösung stellt insofern ein simplifiziertes „Gegenmodell“ zum Vorschlag Heghmanns dar, der eine strikte Tatbestandslösung präferiert:739 Dies nicht wie sonstige Vertreter der Tatbestandslösung als Konsequenz der zugrundegelegten Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen,740 sondern mit einem rechtsgutsorientierten Modell. Heghmanns erhebt die Funktionsfähigkeit der behördlichen Zugangskontrolle zu einem „Zwischenrechtsgut“,741 sodass ein unerlaubtes Handeln als Konkretisierung dieses Rechtsguts ein Tatbestandsmerkmal sei.742 Dagegen führt nach der hier vertretenen Ansicht jene von Heghmanns als Zwischenrechtsgut titulierte „behördliche Zugangskontrolle“ dazu, das Verhalten als grundsätzlich unerwünscht zu klassifizieren. Somit ist man bei den Erläuterungen zu Beginn dieses Abschnitts angelangt und es schließt sich der Kreis: Die Notwendigkeit einer Erlaubnis oder Genehmigung stellt sich in Konstellationen eines Interessenskonflikts, nämlich den Kollektivinteressen einerseits und dem Begehren des Individuums andererseits. Interessenskonflikte zu lösen, bedeutet immer einen Eingriff in Rechte. Simpel ausgedrückt: Was man dem einen gibt, nimmt man dem anderen weg. Daher muss in Anlehnung an Rudolphi davon ausgegangen werden, dass jede Lösung eines Interessenskonflikts letztlich eine tatbestandliche Rechtsgutsbeeinträchtigung bedeutet, die aber aufgrund des individuellen Interesses gerechtfertigt ist bzw. im konkreten Einzelfall doch kein Unrecht bedeutet.743 Heghmanns wendet hiergegen ein, dass gesetzgeberische Abwägungsentscheidungen nicht nur auf der Rechtfertigungsebene, sondern auch beim Tatbestand zu finden sind. Dies ist für 739
Heghmanns, Grundzüge, S. 172 f. So beispielsweise MK-StGB/Schlehofer Vor § 32 StGB Rn. 150; SK/Samson Vor § 32 Rn. 90. 741 Heghmanns, Grundzüge, S. 172 f. 742 Die Bedenken gegen dieses Modell greift Rengier ZStW 114 (2002), 201 (203) auf: Er weist zu Recht darauf hin, dass die Erhebung der Funktionsfähigkeit der behördlichen Zugangskontrolle als Zwischenrechtsgut nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen könne, durch solch ein Vorgehen die eigentlichen Interessen und Zweckbestimmungen der Verwaltungsgesetze in den Hintergrund zu drängen, zustimmend etwa LK/Rönnau Vor § 32 Rn. 275. 743 So Rudolphi NStZ 1984, 193 (196), ders. ZfW 1982, 197 (201). 740
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sich gesehen zutreffend, was sich schon aus dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts ergibt, vermag aber in der Sache nicht zu überzeugen, da die konkrete Abwägungsentscheidung nach § 3 BtMG gerade nicht bloß „gesetzgeberischer“ Natur ist, sondern einen konkreten, behördlichen Exekutivakt darstellt. Genehmigungen und Erlaubnisse sind daher nach hier vertretener Ansicht – basierend auf dem allgemeinen Grundsatz des überwiegenden Interesses – stets als besondere Rechtfertigungsgründe einzustufen, die aber nicht notwendig den Anwendungsbereich allgemeiner Rechtfertigungstatbestände (vornehmlich § 34 StGB) sperren.744 Soweit man einem derart generalisierenden Ansatz kritisch gegenübersteht, muss man zumindest im Hinblick auf das BtMG eingestehen, dass sich das Bild vom ursprünglichen OpiumG, das noch vorrangig die Versorgung der Bevölkerung mit Schmerzmitteln und die schlichte Regulierung des Opiumverkehrs im Auge hatte, im Laufe zahlreicher Reformen stetig gewandelt hat. Die meisten Reformen machte das BtMG in den letzten Jahren im Bereich der Strafvorschriften, und es kam zu einer kontinuierlichen Ausweitung des tatbestandsmäßigen Verhaltens (bzw. zu immer höheren Strafrahmen), so etwa durch das OrgKG745, der Einführung des GÜG746 und des Verbrechensbekämpfungsgesetzes.747 Diese „repressive Grundtendenz“ verstärkte sich durch eine umso extensivere Rechtsanwendung, wobei präventive Reformbemühungen und -erfolge (wie die §§ 35 ff. BtMG) diesen Eindruck nicht wesentlich abmildern. Es ergibt sich das Gesamtbild einer Rechtsordnung, in welcher der Umgang mit Betäubungsmitteln nicht „unerlaubt“ sein muss, um es für rechtlich missbilligt anzusehen. Der Erwerb eines Betäubungsmittels ist grundsätzlich nicht sozialadäquat, und lässt sich qualitativ auch nicht mit dem Kauf sonstiger Stoffe gleichsetzen. Dass hierbei einzelne Sachverhalte herauszunehmen sind, etwa der Erwerb von „weichen“ Drogen, ist dem gesetzgeberischen System der Positivliste verschuldet und somit unerheblich. Das BtMG will unabhängig vom Vorliegen der Erlaubnis den Betäubungsmittelumlauf unterbinden und bekämpfen.748 Es hat eine Vielzahl von Verhaltensweisen eine tatbestandliche Konkretisierung erfahren, denen man schon technisch keine Erlaubnis erteilen kann, wie der Besitz, die Durchfuhr oder die Geldmittelbereitstellung. Es existieren folglich Tatbestände, die nicht an eine Erlaubnis knüpfen und nur einen Teilausschnitt der vom BtMG erfassten Handlun744 Jedenfalls dann nicht, wenn es sich – als „unproblematische Fälle“ deklariert – um dringliche Gefahren handelt, bei denen die Einholung einer Erlaubnis bzw. die Einhaltung des rechtlich geordneten Verfahrens rein tatsächlich gar nicht möglich ist, so auch Roxin AT I § 16 Rn. 52. 745 v. 15.07.1992, BGBl. I S. 1302. 746 v. 07.10.1994, BGBl. I S. 2835. 747 v. 28.10.1995, BGBl. I S. 3186. 748 Körner (VI) § 29 Rn. 239.
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gen betreffen oder sogar noch weit im Vorfeld liegen (wie eben § 29 I Nr. 14 BtMG). Die fehlende Erlaubnis kann man somit nicht als unrechtskonstitutiv einstufen. Schließlich erfasst das BtMG Verhaltensweisen, die unmittelbar auch Individualrechtsgüter (Leib und Leben) tangieren können (man denke an die Verabreichung), deren Beeinträchtigung allenfalls nur gerechtfertigt, nicht aber tatbestandslos sein kann.749 Letztlich belegt auch die Existenz und Ausgestaltung des § 4 BtMG den hier vertretenen Ansatz. Diese Norm nimmt Sachverhalte aus dem Kreis der Erlaubnispflicht heraus, bei denen der Umgang rechtlich gerade nicht missbilligt ist. Es handelt sich um Fallgruppen der tatbestandsausschließenden Sozialadäquanz (§ 4 I BtMG) oder „Risikoverringerung“ (§ 4 II BtMG) in Gesetzesform gegossen.750 § 4 BtMG setzt positiv fest, dass in bestimmten Konstellationen keine Erlaubnis notwendig ist: Wortlaut und Systematik des § 4 BtMG sprechen dafür, die Vorschrift gerade nicht als besonderen „Rechtfertigungsgrund“ für die dort genannten Sonderfälle zu sehen. Würde man nun in § 3 BtMG ein Tatbestandsmerkmal sehen, gäbe es trotz einer dreistufigen Prüfung (Handeln, Erlaubnis, Ausnahme?) kein „normatives Stufungsverhältnis“. Jedenfalls im Betäubungsmittelrecht wirkt die Erlaubnis nach alledem „nur“ rechtfertigend, nicht tatbestandsausschließend. Konsequenterweise ist dagegen § 4 BtMG eine tatbestandsausschließende Wirkung beizumessen. Während der normale Bürger also tatbestandlich, ausnahmsweise nach § 3 BtMG gerechtfertigt handelt, ist das sozialadäquate Verhalten von Ärzten, Apothekern und Strafverfolgungs- Sicherheits- und Zollbehörden nicht tatbestandliches Unrecht, was in § 4 BtMG eine Konkretisierung erfährt.751 Dass dieser besondere „Tatbestandsausschluss“ nicht im Tatbestand selbst aufgeführt ist, hängt mit dem im BtMG angelegten System zusammen und ist daher nicht weiter bedenklich. Zur Klarstellung: § 3 BtMG ist nicht der Rechtfertigungstat749 Dies kommt bei der Verabreichung als typische Tatbestandshandlung eines Arztes deutlich zum Vorschein. Denn auch innerhalb des Kernstrafrechts geht die wohl h. M. davon aus, dass man den Interessen des Patienten besser Rechnung trägt, wenn man im ärztlichen Heileingriff eine tatbestandliche Körperverletzung sieht, die allenfalls gerechtfertigt sein kann. Auf einem gänzlich anderen Papier steht, inwiefern die behördliche Erlaubnis auch die Haftung für die sonstigen Tatbestände ausschließt bzw. Verletzung von Individualrechtsgütern rechtfertigt, allgemein hierzu Roxin AT I § 17 Rn. 68; vertiefend Schall, FS-Roxin, 2001, S. 927 (928). 750 Insofern weist Weber § 4 Rn. 1 richtigerweise darauf hin, dass es sich um zwei vollkommen verschiedene Fallgruppen handelt, die keinen Bezug zueinander haben. Während § 4 I BtMG den Umgang zu therapeutischen Zwecken regelt, greift § 4 II BtMG den Gedanken der „Risikoverringerung“ auf und nimmt Personen aus dem Fadenkreuz der Strafbarkeit, welche den (il-)legalen Betäubungsmittelmarkt zugunsten der Volksgesundheit kontrollieren wollen. 751 Auch der „normale Bürger“ ist über § 4 I Nr.3 BtMG handelt sozialadäquat, wenn er die Betäubungsmittel aufgrund einer Verschreibung erwirbt. In diesen Fällen braucht er gerade keine Erlaubnis, vielmehr ergibt sich die Legitimation des Umgangs aus dem Rezept. Anders dagegen BGH StV 1988, 432: „[. . .] allgemeiner Erlaubnistatbestand des § 4 II BtMG [. . .]“.
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bestand „im engeren Sinn“, da er die Notwendigkeit einer Erlaubnis nur festlegt; vielmehr ist in der Erlaubnis selbst als begünstigender Verwaltungsakt ein nicht normierter Rechtfertigungsgrund zu sehen. d) Die erschlichene Erlaubnis Bei den „praktisch“ relevanten752 Fragen ergeben sich keine Unterschiede: Nach hier vertretener Ansicht, wonach die Erlaubnis nur einen speziellen Rechtfertigungsgrund darstellt, ließe sich darüber streiten, ob man sich auf die Erlaubnis überhaupt berufen kann, wenn die Behörde sie täuschungsbedingt erteilte, der Antragssteller sie als erschlich. Sieht man die Erlaubnis als Teil des gesetzlich umschriebenen Tatbestands, unterliegt auch sie der Wortlautschranke und man kann einen Täter mit (rechtswidriger, aber bis zur Anfechtung wirksamer) Erlaubnis beispielsweise nicht wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln gem. § 29 I Nr. 1 BtMG bestrafen.753 Dagegen besteht bei einer Klassifikation als Rechtfertigungsgrund zumindest die Möglichkeit, den Gesichtspunkt des mangelnden Interesses aufzugreifen und davon auszugehen, dass dem Täter eine Berufung auf diesen speziellen Rechtfertigungsgrund verwehrt ist.754 Dass die Erlaubnis verwaltungsrechtlich nicht nichtig, sondern lediglich rechtswidrig ist, würde dann strafrechtlich gesehen keinen Unterschied machen. Resultat wäre eine „Lockerung“ der verwaltungsrechtlichen Akzessorietät, sodass man bei rechtsunwirksamen Erlaubnissen (etwa solchen, die auf einer Bestechung oder Erpressung der Erlaubnisbehörde beruhen) eine Strafbarkeit des Täters annehmen könnte.755 Bei solch einem Vorgehen geht man von einer falschen Prämisse aus. Man kann darüber diskutieren, inwiefern der Bestimmtheits- und Gesetzlichkeitsgrundsatz gem. § 1 StGB, Art. 103 II GG auf die Vorschriften des Allgemeinen Teils Anwendung findet.756 Jedoch wird auch im Rahmen dieser Streitfrage eine Einschränkung des Art. 103 II GG nur für zulässig erachtet, wenn sie die strafrechtliche Haftung begrenzt,757 nicht dagegen wenn sie die Strafbarkeit zu Las752 So Roxin AT I § 17 Rn. 64, aber auch Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 61. 753 Zur erschlichenen Erlaubnis vgl. auch BGHSt 50, 105; Breuer NJW 1988, 2072 (2080); Kühl AT § 9 Rn. 130; Winkelbauer NStZ 1988, 201; Dölling JZ 1985, 464; Otto Jura 1991, 308 (313); Steindorf, FS-Salger, 1995, S. 167 (182); Schwarz GA 1993, 327; Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 63a. 754 Sch/Sch/Lenckner/Sternberg-Lieben Vor § 32 Rn. 63. 755 Dahinter steckt die Idee, dass der nullum crimen Grundsatz nach Art.103 II GG bei Merkmalen, die nicht den gesetzlich umschriebenen „Tatbestand“ betreffen, nur in eingeschränktem Maße gilt, vgl. auch Roxin AT I § 17 Rn. 64 unter Bezugnahme auf Lenckner, FS-Pfeiffer, 1987, S. 39 ff. 756 Vgl. hierzu grundlegend Jähnke, FS-BGH, 2000, S. 393 ff. 757 Wie etwa die Lehren zur Kausalität, die Zurechnungslehre oder die rechtfertigende Einwilligung.
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ten des Täters begründen soll.758 Hinzu tritt, dass es sich beim „Erlaubnistatbestand“ des § 3 BtMG nicht um eine derart abstrahierte Norm wie beispielsweise § 34 StGB handelt. Sie ist vielmehr auf eine bestimmte Materie zugeschnitten. Der Rechtsmissbrauchsgedanke kann im BtMG somit keine Berücksichtigung finden, zumal der Gesetzgeber in Bereichen, in denen er einen derartigen Missbrauch verhindern wollte, durch die Schaffung eigenständiger Vorfelddelikte bereits reagiert hat,759 vgl. § 330 d Nr. 5 StGB, § 34 VIII AWG, § 16 VI CWÜAG.760 Auch aus systematischen Gründen scheidet somit eine Lockerung der Akzessorietät aus; viel wichtiger ist, dass der nullum crimen-Grundsatz auch im Bereich der Rechtfertigungsgründe uneingeschränkt Anwendung finden muss, damit keine Strafbarkeiten konstruiert werden können.761 Dem wird eine „allgemeine Missbrauchsklausel“ in keiner Weise gerecht.762 Selbst wenn der Täter die verwaltungsrechtliche Erlaubnis (durch Falschangaben etc.) erschlichen hat, bleibt der Umgang strafrechtlich rechtmäßig, bis die Behörde die Erlaubnis zurücknimmt oder widerruft.763 Da das BtMG allerdings viele Tatbestände enthält, die „dauerdeliktsähnlich“ sind, kann die spätere Rücknahme der Erlaubnis zu einer strafrechtlichen Haftung führen, sobald der Täter Kenntnis davon erlangt und den Handel, Besitz oder Anbau fortführt. Im Übrigen bleibt in diesem Bereich eine Rechtslücke, die für das BtMG vielleicht atypisch sein mag, aber keinesfalls „kriminalpolitisch bedenklich“ anmuten sollte. Denn keine natürliche Person kann ohne größeren Aufwand einen Antrag bei der Bundesbehörde einreichen und eine Erlaubnis erschleichen. Die phänomenologisch wichtigste Fallgruppe hat im Übrigen der Gesetzgeber mit § 29 I Nr. 9 BtMG erfasst. Die Fälle sind praktisch häufiger, aber parallel gelagert. Dass der Täter in diesen Fällen keine Erlaubnis, sondern eine Verschreibung erschleicht, ist schlicht darauf zurückzuführen, dass der Gesetzgeber bei den Betäubungsmitteln der Anlage III die Kom758 NK/Hassemer/Kargl § 1 Rn. 72; Dannecker, FS-Otto, 2007, S. 25 (33 f.).; SSW/ Satzger § 1 Rn. 36; MK-StGB/Schmitz § 1 StGB Rn. 59; Roxin AT I § 5 Rn. 42; SSW/ Kudlich Vor § 13 Rn. 1; SK/Rudolphi § 1 Rn. 25a m.w. N. 759 Zu dieser Schlussfolgerung Rogall GA 1995, 299 (317); im Betäubungsmittelgesetz selbst findet sich mit § 29 I Nr. 9 BtMG eine Vorschrift, die den besonders missbrauchsanfälligen Bereich eigenständig pönalisiert (ein Arzt „fällt eher“ auf seinen Patienten herein, als die Behörde). 760 Wobei sich diese Rechtsmissbrauchsklauseln allesamt auf erschlichene Erlaubnisse beziehen, denen nach h. M. eine tatbestandsausschließende Wirkung zukäme; Wegener NStZ 1998, 608 (609) sieht dieses Problem und weist darauf hin, dass der Gesetzgeber auch den Bereich der rechtfertigenden Genehmigungen habe regeln wollen; dagegen LK/Rönnau Vor § 32 Rn. 282. 761 LK/Rönnau Vor § 32 Rn. 286 (strenge Verwaltungsakzessorietät); vgl. auch Rengier ZStW 101 (1989), 888; zust. etwa Roxin AT I § 17 Rn. 64. 762 Vgl. hierzu auch BGH NJW 2005, 2095 (2098), bei der die Idee solch einer allgemeinen Rechtsmissbrauchslösung ebenfalls verworfen wird, krit. auch MK-StGB/ Schlehofer Vor § 32 StGB Rn. 152; Heghmanns, Grundzüge, S. 219. Zum Rechtsmissbrauchsverbot im Strafrecht auch Kölbel, GA 2005, 36. 763 So auch i. E. Körner (VI) § 3 Rn. 92.
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petenz des Umgangs auf Ärzte übertragen hat.764 Somit ist der wichtigste Fall der mittelbaren Erschleichung von Betäubungsmitteln im BtMG dann doch eigenständig kriminalisiert. 4. Die Anwendung der allgemeinen Rechtfertigungsgründe im Betäubungsmittelstrafrecht – insbesondere der Notstand gem. § 34 StGB Bei der Aufarbeitung der rechtfertigenden Erlaubnis nach § 3 BtMG deutete sich an, dass die tatsächliche Gefahrenlage als „Dauergefahr“ bzw. „schleichende“ Bedrängnis beschaffen sein kann, so dass der Notleidende die Gelegenheit hat, die Abwägung der rechtsgutsbewirtenden Behörde zu überlassen und eine Erlaubnis für seinen Einzelfall zu beantragen. In akuten Gefahrsituationen erscheint ein Rückgriff auf § 34 StGB dann weniger bedenklich, muss ggf. jedoch aus anderen Gründen abgelehnt werden. Letztere Fallgruppe sei im Folgenden vorab dargestellt, bevor sich die Arbeit dem Problemfall in Gestalt der heraufbeschworenen Angemessenheitskollision widmet: Gemeint sind Konstellationen, in denen sich der Täter trotz tatsächlich getroffener Entscheidung oder der Möglichkeit solch einer, über die Entscheidung(skompetenz) der Behörde hinwegsetzt, objektiv aber die gesundheitlichen Interessen des Täters in der konkreten Situation gegenüber dem beeinträchtigten Rechtsgut überwiegen könnten. Die Zuordnung dieses Problemfalles zum Merkmal der „Angemessenheit“ dient lediglich der terminologischen Vereinfachung; eine in der Literatur im Vordringen befindliche Ansicht geht (wohl zu Recht) davon aus, dass der Angemessenheitsklausel gem. § 34 S. 2 StGB keine sachlich-rechtliche Bedeutung, sondern allenfalls eine mahnende Kontrollfunktion i. S. e. „Notstandsprobe“ zukommen könne765, weil der historische Gegensatz von Güterabwägungs- und Zwecktheorie durch das Erfordernis einer umfassenden Interessensabwägung (und eben nicht nur Güterabwägung) vollständig aufgehoben sei.766 Alle Fallgruppen, die in diesem Zusammenhang aufgezählt werden,767 müssten schon über die umfassende Interessensabwägung nach § 34 S. 1 StGB gelöst werden. 764 Zu dieser Kompetenzübertragung vgl. noch ausführlich 3. Teil A. III. 4. b) aa), S. 262 ff. 765 LK/Zieschang § 34 Rn. 78 f. 766 Roxin AT I § 16 Rn. 91; Sch/Sch/Perron § 34 Rn. 46; vgl. im Übrigen Küper GA 1983, 289; Stree JuS 1973, 464; Krey ZRP 1975, 98; abweichend NK/Neumann § 34 Rn. 21; Gallas ZStW 80 (1968), 1 (26 f.); MK-StGB/Erb § 34 StGB Rn. 169; sowie Teile der Rechtsprechung vgl. BGH NJW 1976, 680; OLG Stuttgart DVBl. 1976, 798 (800); offen gelassen bei Wessels/Beulke Rn. 318a; Rengier AT § 19 Rn. 48 f. 767 Günther nennt hierbei u.A. die fehlende Angemessenheit bei Existenz eines rechtlich geordneten Verfahrens, vgl. SK/Günther § 34 Rn. 52, auch wenn dieser i. E. wie hier auch nur von einer „kasuistischen“ bzw. „terminologisch-vereinfachenden“ Funktion des § 34 S. 2 StGB auszugehen scheint, vgl. Sch/Sch/Perron § 34 Rn. 46.
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Wenn hier das Problem des „rechtlich geordneten Verfahrens“ doch bei der Angemessenheit lokalisiert wird, dann dies nur der Übersichtlichkeit halber. a) Die „unproblematischen“ Fallgruppen des § 34 StGB im Betäubungsmittelstrafrecht aa) Altruistische Wegnahme oder Vernichtung von Drogen Bei einer Wegnahme von Drogen durch Familienangehörige, Streetworkern oder sonst dem Täter nahe stehenden Personen zum Zwecke der Beendigung des Drogenumlaufs bzw. zum Wohl des Betäubungsmittelkonsumenten wendet die wohl h. M. § 34 StGB an, um zu einer Straflosigkeit zu gelangen.768 Dass man diese Fälle der Risikoverringerung zuordnen muss,769 wird i. R. d. § 34 StGB selbst deutlicher, da dieser typischerweise bei „Interessenskollisionen“ zur Anwendung kommt. In diesen Fällen wägt man aber Volksgesundheit gegen Volksgesundheit ab.770 Schließlich führt die Wegnahme zu einer Beeinträchtigung der Volksgesundheit; diese leichte Beeinträchtigung erfolgt aber wiederum im Interesse der Schutzgüter, damit die Gefahr durch eine Veräußerungshandlung des ursprünglichen Besitzers nicht in eine intensivere Gefahr umschlägt. Hinzu tritt, dass Eltern oder Therapeuten als Überwachergaranten einzustufen sind, also gem. § 13 StGB die Pflicht haben, Straftaten der zu beaufsichtigenden Person zu unterbinden.771 Es handelt sich um eine „Pflichtenkollision“ i. w. S., da der Gesetz zugleich festsetzt, jeglichen Kontakt mit Betäubungsmitteln zu vermeiden. Höchstrichterliche Entscheidungen zu dieser Frage gibt es wenige, da trotz der extensiven Ausgestaltung des BtMG Konsens darüber besteht, dass solch ein (ggf. tatrichterlich festgestelltes) Verhalten nicht strafwürdig ist. So ist es begrüßenswert, dass die Instanzgerichte bereits die Tatbestandsmäßigkeit solch eines Verhaltens verneinen wollen: In einem Urteil des LG Freiburg 768 Malek, 2. Kap. Rn. 220; Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 10.4; ausführlicher MK-Kotz § 29 Rn. 944 ff.; unklar Körner (VI) § 29 Rn. 1354, 1425 („. . .bleibt dies straflos“; „Pflichtenkollision“); wobei selbst der Gesetzgeber von einer Rechtfertigung ausgeht vgl. BT-Drs. VI/2673, S. 4. 769 Siehe bereits 3. Teil A. I. 3. f) bb) (3), S. 158 ff. 770 Wobei dies nicht bedeuten soll, dass in solch einer Konstellation ein Rückgriff auf § 34 StGB per se ausgeschlossen wäre. Vielmehr genießt aber der Aspekt der Risikoverringerung so lange den Vorrang, bis der Täter nicht mehr nur eine bestehende Gefahr abschwächt, sondern eine neue Risikosphäre schafft, vgl. bereits 3. Teil A. I. 3. f) bb) (3), S. 158 ff.; diese Überlegungen beziehen sich nur auf die betäubungsmittelstrafrechtlichen Tatbestände, sprich auf die strafbare Wegnahme nach § 29 I BtMG. Die Abwägung nach § 34 StGB kann anders ausfallen, wenn es um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, sprich um die Rechtfertigung eines Diebstahls gem. § 242 StGB geht, zum Diebstahl von Betäubungsmitteln als res extra commercium vgl. bereits Og˘lakcıog˘lu, ZJS 2010, 340 ff. sowie Fn. 5 in Teil 1 m.w. N. 771 Zur Unterlassungsstrafbarkeit ausführlich 3. Teil B., S. 357 ff.
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vom 29.08.1983 heißt es im redaktionellen Leitsatz: „Es fehlt am ,Besitzwillen‘, wenn jemand einem süchtigen Familienmitglied aus Gründen der Fürsorge Betäubungsmittel abnimmt und kurzfristig bei sich verwahrt und sich keine Hinweise dafür ergeben haben, dass danach in rechtswidriger Weise über das Rauschgift verfügt werden soll.“ Sowohl normativ als auch praktisch stimmt das Ergebnis mit der hier vertretenen Risikoverringerungslösung überein, die ebenfalls bereits zur Verneinung der objektiven Deliktstatbestandsmäßigkeit führt. Allerdings ändert sich nichts daran, dass es sich um „tatbestandsspezifische“ Lösungen handelt und damit Widersprüche bleiben; Bspw. begründet man die Straflosigkeit mit dem fehlenden „Besitzwillen“, obwohl in sonstigen Fällen des Besitztatbestandes der „Zweck“ der Sachherrschaft keine Rolle spielen soll und man keinen besonderen Vorsatzgrad für die Tatbestandsverwirklichung voraussetzt (wie etwa der Begriff „Wille“ vermuten lässt).772 Solange man dieses Verständnis vom Besitzwillen – gemeint ist die Notwendigkeit eines gewissen Zeitraums für die Annahme eines Besitzwillens773 – konsequent durchhält, gibt es an dieser Tatbestandslösung nichts auszusetzen. Denn auf der anderen Seite lässt sich nicht jeder Fall, der nicht strafwürdig ist, über den Aspekt der Risikoverringerung lösen: In einem Beschluss des OLG Stuttgart nahm eine Frau kurzzeitig Betäubungsmittel ihres Verlobten an sich, um sie vor den Strafverfolgungsbehörden zu verstecken.774 Da das Verbergen von Drogen oder „unachtsame Entsorgen“ noch keine Risikoverringerung bedeutet,775 wäre man hier gezwungen, auf § 34 StGB zurückzugreifen.776 Problematisch wird es auch, wenn der Täter den Umlauf selbst veranlasst, aber den Täter andere Motive als der Konsum bzw. die Weiterveräußerung zu seinem tatbestandsmäßigen Verhalten veranlassten. Der Drogenerwerb kann hierbei aus 772 So heißt es auch bei BGH StV 1988, 432: „Bei der Beurteilung des Besitzes von Betäubungsmittel durch den Angeklagten ist davon auszugehen, daß der von ihm verfolgte Zweck, die Stoffe letztlich der Polizei zuzuspielen, den Tatbestand des unerlaubten Besitzes nach § 29 I Nr. 3 BtMG nicht in Frage stellt. Für Besitz i. S. des Betäubungsmittelstrafrechts genügt ein bewußtes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis (BGHSt 27, 380 [381]). Der dazu erforderliche Wille äußert sich allein darin, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (. . .); die Motivlage ist dabei unbeachtlich. Würde anderes angenommen, würde damit der Zweck der Vorschrift verkannt, der darauf zielt, kausales und nicht finales Verhalten zu erfassen. . .“. 773 So auch bei OLG Hamm NStZ 2000, 600; OLG Frankfurt StV 1987, 443; nach hier vertretener Ansicht wäre dieser Zeitraum beim Unterlassungsvorsatz zu verorten, vgl. 3. Teil A. I. 1. d) bb), S. 106 ff. 774 OLG Stuttgart MDR 1978, 595. 775 Nach der bei 3. Teil A. I. 3. f) bb) (3) (c), S. 164 hergeleiteten Definition könnte man sagen, dass es eben an der „signifikanten Verringerung der Gefahr“ fehlt. 776 Wobei man darüber diskutieren kann, ob solch ein Verhalten denn überhaupt gerechtfertigt sein muss. Nur weil das Verhalten aufgrund des Angehörigenprivilegs ggf. nicht als Begünstigung bzw. Strafvereitelung gem. §§ 257, 258 StGB zu bewerten wäre, sagt dies noch nichts über die Verwirklichung der §§ 29 ff. BtMG aus.
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Gründen erfolgen, die für sich gesehen eher als „verdienstlich“ denn als verächtlich eingestuft werden müssten. Als Beispiel sei der Erwerb aus rechtspolitischen oder demonstrativen Gründen Rauschgift genannt, etwa um auf Missstände in einer bestimmten Institution aufmerksam zu machen. Körner nennt den Lehrer, der Drogen auf dem Schulhof ankauft und dies öffentlich anprangert.777 Das starre Konzept der Risikoverringerung passt hier nicht, da der Täter durch seinen Kauf selbst ein neues Risiko schafft. Die Fragestellung, ob der Zweck die Mittel heiligt (im Falle des Lehrers wohl zu verneinen), kann man nur innerhalb des normativen Gefüges von Interessensabwägung und Erforderlichkeit einer Handlung innerhalb des § 34 StGB befriedigend lösen. Als passender Originalfall hierzu sei die mitunter tragisch anmutende Geschichte eines Palästinensers geschildert:778 Am 19.11.1985 sprach der Angeklagte bei seinem Anstaltsleiter der JVA Tegel vor, um mit ihm über den Rauschgifthandel in der JVA zu sprechen; dabei legte er ein Stanniolpapierbriefchen mit Heroinhaftungen vor. Er fand aber nicht im erwarteten Umfang Gehör. Diese für ihn enttäuschende Situation führte dazu, dass er sich im Tausch gegen 15 Schachteln Zigaretten 53 mg Heroin von einem Araber beschaffte, der Heroin von einem Beamten der Anstalt gekauft haben soll. Er wollte den Senator für Justiz und Bundesangelegenheiten auf den Heroinhandel in der JVA aufmerksam machen und schrieb ihm einen Brief, dem er als Beweis für seine These die 53 mg Heroin beifügte. Zwei Tage später, am 29.11. 1985, übergab er diesen Brief an einen Justizverwaltungsbeamten zur Weiterleitung. Er ließ sich bei seiner Handlung von religiösen Motiven leiten und wollte außerdem etwas dagegen unternehmen, dass sich die Anstaltsinsassen „totfixen“. Während das Schöffengericht den Angeklagten freisprach, lehnte die Kammer eine Rechtfertigung aus § 34 StGB ab. Hierbei lässt sich aus der relativ knappen Begründung lediglich vermuten, dass die Rechtfertigung nicht an der Interessensabwägung i. e. S. scheitern soll. Sie greift hierbei auf „allgemeine Erwägungen“ zurück, indem sie schlicht die Erforderlichkeit der Erwerbshandlung verneint. Die Kammer betont nämlich, dass der Angeklagte andere und wirkungsvollere Möglichkeiten gehabt hätte, „die Gefahr für Leib und Leben anderer abzuwenden. Ein gezielter Hinweis an Vollstreckungsbeamte, die Anstaltsleitung oder die Polizei wären hier wirksamere Mittel gewesen, um die Gefahren durch den Heroinhandel für Leib und Leben anderer Mitgefangener abzuwenden.“ Die Entscheidung trifft den Angeklagten hart, basiert aber auf der Überlegung, dass er „auf eigene Faust“ einen neuen Drogenabsatz bewirkt hat, obwohl eine Darstellung der Missstände auch ohne dieses rechtswidrige Vorgehen möglich gewesen wäre. Hierbei reicht zur Entkräftung dieses Arguments nicht aus, dass er bereits 777 Körner (VI) § 29 Rn. 1297, die Strafbarkeit wegen unerlaubten Erwerbs gem. § 29 I Nr. 1 BtMG bejahend. 778 LG Berlin NStZ 1987, 233.
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den Kontakt zum Anstaltsleiter gesucht hätte. Die Handlungen des Angeklagten waren durchdacht, weswegen er beispielsweise mittels eines Briefes an den Senator eine kontrollierte Drogenübergabe hätte veranlassen oder schlicht ohne Beweise auf diesen Missstand hätte aufmerksam machen können. Überdies kann man bei derartigen Handlungen schon die generelle Geeignetheit des Tuns anzweifeln: Der Betäubungsmittelumlauf in deutschen Justizvollzugsanstalten ist ein allgemeines Phänomen, das durch Wissen bzw. Demonstration nicht beseitigt werden kann. Derzeit diskutiert man über eine Strafschärfung bzw. Einführung eines benannten Regelbeispiels für in Gefängnissen abgewickelte Drogengeschäfte diskutiert.779 Es liegt die Vermutung nicht fern, dass dieser allgemeine Missstand dem Senator nicht fremd gewesen sei, sodass die Demonstration durch den Angeklagten weder geeignet noch erforderlich war. Die Entscheidung ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Konstellation unterscheidet sich von den oben genannten Fällen darin, dass die konkrete Handlung die Gefahr nicht unmittelbar signifikant verringert. bb) Keine „echte Konkurrenz“ – Rückgriff auf § 34 StGB bei nicht mehr von § 4 II BtMG gedecktem Verhalten? Fraglich ist, ob § 34 StGB Anwendung finden kann, wenn die Grenzen der Tatbestandsausschlussnorm des § 4 II BtMG überschritten werden. Hierfür gilt es zu klären, wann von einer Überschreitung des § 4 II BtMG die Rede sein kann. Dabei ist zwischen sachlichem und persönlichem Anwendungsbereich der Vorschrift zu differenzieren: Der sachliche Anwendungsbereich des § 4 II BtMG ist auf „dienstliche Tätigkeiten“ beschränkt, wozu alle Handlungen zählen, die der Strafverfolgung dienen. Wer als Polizist Betäubungsmittel sicherstellt und wer als Bediensteter einer polizeilichen Verwahrungsstelle die Drogen entgegennimmt, erfüllt gem. § 4 II BtMG nicht den Tatbestand des Besitzes, der Abgabe bzw. des Erwerbs von Betäubungsmitteln.780 Solange Drogen aus dem illegalen Verkehr gezogen werden, braucht es keines Rückgriffs auf § 34 StGB. Schwieriger wird es dagegen, wenn die Polizei selber den Umgang „ankurbelt“ bzw. erst den Stein ins Rollen bringt, beispielsweise bei einer so genannten „sell-bust-operation“, bei der Drogen verkauft und abgegeben werden, um professionell agierende Dealer zu ertappen.781 Ob derartige Einsatzformen noch vom Begriff der „dienstlichen Tätigkeit“ bzw. von § 4 II BtMG erfasst sind, erscheint in hohem Grade zweifelhaft.782 Nach einem Beschluss des ersten Senats vom 27.11.1997 779
Vgl. BT-Drs. 17/429. Körner/Patzak § 4 Rn. 23 ff. 781 Wendung bei Weber § 4 Rn. 124. 782 Zum Streitstand vgl. Endriß/Kinzig StraFo 1998, 299 (301); v. Danwitz StV 1995, 431 (434); Weber § 4 Rn. 123; MK-StGB/Kotz § 4 BtMG Rn. 26; HdbBtMStrR/Hund § 12 Rn. 489; Körner/Patzak § 4 Rn. 29. 780
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sei es bisher „nicht anerkannt, daß auch ein Inverkehrbringen von Drogen durch Ermittlungsbehörden zur weiteren Sachaufklärung erlaubt ist.“ 783 Auch der dritte Senat lässt in seinem Beschluss vom 24.07.2007 anklingen: „Auf die Frage, ob es rechtlich zulässig ist, dass eine V-Person im Auftrag der Polizei Drogen einführt und in den Verkehr bringt, kommt es somit nicht an. Dies wäre im Übrigen durchaus zweifelhaft . . .“.784 Wenn solch ein Inverkehrbringen nicht vom Anwendungsbereich des § 4 II BtMG erfasst ist (also kein Tatbestandsausschluss erfolgt), muss dies nicht gleich heißen, dass eine Rechtfertigung nach § 34 StGB ausscheidet. Insofern besteht kein „echtes“ Konkurrenzverhältnis zwischen § 4 II BtMG und § 34 StGB. Unabhängig von seiner dogmatischen Einordnung im Strafrecht handelt es sich bei § 4 II BtMG um eine speziell für Hoheitsträger bereitgestellte Befugnisnorm. Im Falle der Existenz solch einer lex specialis für Hoheitsträger denkt man zu Recht über eine Sperrwirkung gegenüber allgemeinen Rechtfertigungsgründen nach.785 Diese im Detail äußerst komplexe Streitfrage braucht an dieser Stelle nicht weiter erörtert zu werden. Hoheitliches Handeln ist im Rechtsstaat (Art.20 III GG) stets gesetzesgebunden. Solange es sich also in strafprozessualer oder präventiv-polizeirechtlicher Hinsicht um eine rechtswidrige Maßnahme handelt, können Tätigkeiten, die den Betäubungsmittelverkehr nicht zur Ruhe bringen, sondern im Gegenteil erst anregen oder sogar verstärken, nicht nach § 34 StGB gerechtfertigt sein.786 Tatprovokationen erfüllen den Tatbestand, wenn sie die Grenzen des Zulässigen überschreiten.787 Eine ganz andere Frage ist dagegen, wie weit der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift reicht und inwiefern sich Personen auf § 34 StGB berufen dürfen, die nicht in den Kreis des § 4 II BtMG fallen. Der Wortlaut des § 4 II BtMG spricht von Bundes- und Landesbehörden sowie den von ihnen mit der Untersuchung von Betäubungsmitteln beauftragten Behörden. Behörden sind alle 783 BGH NJW 1998, 767 m. Anm. Gullo/Murmann wistra 1998, 261 (allerdings im Hinblick auf den Leitsatz der Entscheidung, wonach ein „in Italien verhängter Hausarrest nach Art. 284 Codice di Procedura Penale (CPP) i. d. F. vom Oktober 1988 „nicht auf eine in Deutschland verhängte Strafe angerechnet werden“ kann. 784 BGH v. 24.07.2007 – 3 StR 216/07 (DRspRom 2007/15772), wiederum unter Bezugnahme auf die Entscheidung des ersten Senats, vgl. Fn. 783 in Teil 3. 785 Dieser Einwand sollte unabhängig von der Frage greifen, ob § 4 II BtMG als nicht näher qualifizierbare Ausschlussnorm, als Tatbestandsausschlussgrund oder als Rechtfertigungsvorschrift einzuordnen ist. 786 Im Ergebnis auch Malek, 2. Kap. Rn. 53; LK/Roxin § 26 Rn. 75 f.; Endriß/Kinzig StraFo 1998, 299 (301); v. Danwitz StV 1995, 431 (434); lediglich einschränkend Weber § 4 Rn. 124 (möglich, „wenn absolut sichergestellt ist, dass das Rauschgift nicht außer Kontrolle gerät“). 787 Zu den Voraussetzungen für eine „zulässige Tatprovokation“ und den Folgen für den „agent provocateur“ ausführlich 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff.; im Übrigen umfassend Weber § 4 Rn. 107 ff.; grundlegend BGHSt 45, 321; zum notwendigen Verdachtsgrad Gaede/Buermeyer HRRS 2008, 279 ff.
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Stellen, die zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind (Staatsanwaltschaften und Gerichte; wobei sich die Freiheit von der Erlaubnispflicht auf die natürlichen Personen, also Bediensteten dieser Behörden bezieht). § 4 II BtMG kommt somit Verdeckten Ermittlern788, die vgl. § 110a II StPO Beamtenstatus haben sowie NOEP (sonstige nicht öffentlich ermittelnde Polizeibeamte 789) zu Gute. Umstritten ist dagegen, ob sich Vertrauenspersonen der Polizei (V-Leute)790 auf § 4 II BtMG berufen können.791 Der Wortlaut der Vorschrift lässt eine Einbeziehung der V-Leute nicht zu, da diese nach h. M. gerade nicht als Ermittlungsbeamte zu qualifizieren sind, es sei denn sie wurden nach § 1 VerpflichtungsG förmlich verpflichtet und werden strafrechtlich Beamten gleichgestellt, vgl. § 11 I Nr. 4 StGB.792 Dies braucht an dieser Stelle nicht weitergehend erörtert zu werden: Wenn bereits der persönliche Anwendungsbereich des § 4 II BtMG nicht eröffnet ist, greifen die Überlegungen zur verdrängenden Spezialität nicht und man muss als Konsequenz der Behandlung des V-Manns als „Privaten“ § 34 StGB für anwendbar halten. Kühl greift dieses Beispiel auf und er stellt zutreffend fest, dass bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen die Volksgesundheit als grundsätzlich notstandsfähiges Rechtsgut hinter der von „freischaffenden V-Leuten“ betriebenen Bekämpfung des Rauschgifthandels steht.793 Auch die Instanzgerichte sehen dies nicht anders, wobei das LG Heilbronn in seinen Urteilsbegründung aufgreift, dass man in diesen Fällen die Volksgesundheit ge788 Polizeibeamte, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln, vgl. Kühne, Strafprozessrecht, Rn. 534 ff.; zu den Eingriffsbefugnissen des VE übersichtlich Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 481a ff. 789 Im Unterschied zum Verdeckten Ermittler ist die Tätigkeit des NOEP nicht auf Dauer angelegt; er kommt im Betäubungsmittelstrafrecht, beispielsweise als einmaliger Scheinaufkäufer, zum Ganzen Schmidt Kriminalistik 2000, 162 ff. 790 Privatpersonen, die sich bereit erklären, den Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit zu unterstützen, vgl. auch Kreysel MDR 1996, 991. 791 MK-StGB/Kotz § 4 BtMG Rn. 26; Franke/Wienroeder § 4 Rn. 2; Weber § 29 Rn. 95; a. A. Malek 2. Kap. Rn. 52. 792 Soweit der V-Mann in einen Einsatzplan der Behörde eingebunden ist und diesem Plan entsprechend handelt, sei dessen Tätigkeit „ähnlich wie bei einem Werkzeug“ der Behörde zuzurechnen, vgl. Weber § 4 Rn. 101 unter Bezugnahme auf BGH NStZ 1996, 338; dieser Gesichtspunkt spielt aber nur für die Behördentätigkeit eine Rolle, deren Handeln von § 4 BtMG gedeckt ist. Insofern bleibt es dabei, dass die Handlung des VManns für sich betrachtet und eigenständig als „straflos“ erklärt werden muss; insbesondere darf die Straflosigkeit des Vordermanns nicht damit begründet werden, dass § 4 II BtMG für die Ermittlungsbehörden sonst ins Leere liefe, da sich diese dann wegen Anstiftung gem. § 26 StGB strafbar machten: Schließlich unterliegt auch die Anstiftung einer eigenen Tatbestands- und Rechtswidrigkeitsprüfung, und die Anwendbarkeit des § 4 II BtMG hängt nicht von der Beteiligungsform ab (vgl. aber Weber § 29 Rn. 101). Zur Strafbarkeit des Vordermanns als agent provocateur noch ausführlich, 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff. 793 Kühl AT § 8 Rn. 29; zust. Sch/Sch/Lenckner/Perron § 34 Rn. 10.
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gen sich selbst abwägt. In einem Urteil vom 22.12.1987 heißt es dort: „Der Besitz von Rauschgift zu diesem Zweck ist gem. § 34 StGB gerechtfertigt. Der Besitz der relativ geringen Menge Haschischs diente dazu, bereits im Umlauf befindliches Haschisch in größeren Mengen aus dem Verkehr zu ziehen. Es sollte durch die Tat die erhebliche gegenwärtige Gefahr, die für die Volksgesundheit aufgrund des im Umlauf befindlichen Haschischs bestand, verringert werden. Zu diesem Zweck erscheint der tatbestandsmäßige Besitz gerechtfertigt.“ 794 Dass man solch ein Verhalten nach § 34 StGB rechtfertigt, wäre hier nur vom Ergebnis her nicht zu beanstanden: Zwar könnte man darauf abstellen, dass ungeschulte Privatpersonen die Rettungshandlung vornehmen und bei einem unkoordinierten sowie nicht arbeitsteiligen Handeln die Gefahr einer Eskalation des Geschehens nicht unerheblich erhöht ist. Streng genommen handelt es sich aber wieder um Fälle der Risikoverringerung, da der Täter in einen bereits existenten Drogenumlauf eingreift und der Umgang zum Zwecke der Vernichtung oder Sicherstellung durch die Polizei erfolgt. Insoweit müsste man bereits die Tatbestandsverwirklichung verneinen, da es keinen Unterschied machen darf, ob es sich um die besorgte Mutter handelt, die ihren Sohn vor Drogengeschäften bewahren will, oder ein „couragierter“ Bürger agiert, der die Drogen der Polizei zuführen will. Inwiefern andere Regeln gelten müssen, wenn der Täter auf „eigene Faust“ vorgehend ein neues Risiko schafft und einen Dritten zum Verkauf von Drogen und damit zum Handeltreiben „anstiftet“, gilt es ausführlich im Rahmen der Lehren von Täterschaft und Teilnahme zu analysieren.795 cc) Zur Konstellation des Nötigungsnotstands Neben dem Drogenerwerb und Besitz zum Zwecke der Sicherstellung796 ist es in der Betäubungsmittelkriminalität – die sich durch mafiöse Strukturen auszeichnet – denkbar, dass der Täter zum Umgang mit Betäubungsmitteln gezwungen wird bzw. sich hierzu gezwungen sieht. Da die Volksgesundheit jedenfalls beeinträchtigt ist und der Umgang nicht „um deren Willen“ erfolgt, bahnt sich 794 LG Heilbronn StV 1988, 304; wird der Besitz aber über längere Zeit aufrechterhalten, dann ergeben sich keine Unterschiede mehr zum oben beschriebenen Fall der Ehefrau, der es nicht um die alsbaldige Risikoverringerung geht; da der Besitz dann keine risikoverringernde Wirkung mehr hat, wäre ein Tatbestandsausschluss zu verneinen. Mit jeder verstreichenden Minute konkretisiert sich allerdings auch die Untauglichkeit der Handlung für die „Rettung der Volksgesundheit“ i. S. d. § 34 StGB, da das geschützte Risiko ja doch aufrechterhalten wird. Ein tatsächlicher Umstand, der den BGH im Falle des LG Heilbronn dazu zwang, das Urteil im Hinblick auf die Straflosigkeit des Besitzes aufzuheben; dabei betont das Gericht, dass § 34 StGB grundsätzlich anwendbar wäre, vgl. BGH StV 1988, 432. 795 Dann wird sich einem auch erschließen, warum das Verb „anstiftet“ in Anführungszeichen gesetzt wurde, vgl. 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff. 796 Welche Handlungen darstellen, die „im Interesse“ der Volksgesundheit vorgenommen werden.
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eine echte Interessenskollision an, die nicht so leicht zu beheben ist wie in den Risikoverringerungsfällen. Man denke an die filmreifen Fälle des Drogenschmuggels in ein fremdes Land, um auf diese Weise aus seinem alten, „kriminellen“ Leben auszubrechen. „Im Strudel des Verbrechens“ haben die Hintermänner bzw. „großen Drahtzieher“ ein erhebliches Interesse daran, ihre Identität geheim zu halten und müssen ggf. Kleindealer und Ersttäter dazu zwingen, weiterhin für diese zu arbeiten. Dies kann mittels Drohungen für Leib und Leben geschehen (gegenüber ihm und dessen Familienmitglieder). So in einem nicht veröffentlichten Beschluss des BGH vom 06.08.1991797: Nach den tatrichterlichen Feststellungen wurde der Angeklagte bereits durch drei Schüsse seiner Gläubiger verletzt. Als „lebensnah. . ., jedenfalls nicht widerlegbar“ hat es die Vorinstanz angesehen, dass der Angeklagte die Einfuhr von 5.678,2 g Heroin aus der Türkei unter dem Druck dieser „Rauschgift-Mafia“ und „aus Angst um seine Kinder und seine Familie begangen“ habe. In der Türkei sei ihm von Mittelsmännern erklärt worden, „wenn er nicht mitmachen würde, müßte er sterben“. Der BGH beanstandet zu Recht, dass das LG Traunstein als Vorinstanz nicht die Voraussetzungen des § 35 StGB (entschuldigender Notstand) geprüft hätte. Damit ist aber eines schon vorweg genommen: In derartigen Fällen des „Nötigungsnotstands“ schließt sich die betäubungsmittelrechtliche Judikatur der herrschenden Auffassung im Allgemeinen an798, wonach ein Täter, den ein Dritter nötigt, eine Straftat zu begehen nicht gerechtfertigt, sondern allenfalls entschuldigt handelt.799 Der Täter mache sich – wenn auch aufgrund erheblicher Gefahren für Leib und Leben – zum „verlängerten Arm des Unrechts“ und es sei nicht „angemessen“,800 der Handlung die Rechtswidrigkeit und somit dem beeinträchtigten „Dritten“ das Notwehrrecht zu nehmen.801 Damit macht man das Problem 797 BGH v. 06.08.1991 – 1 StR 439/91 DRspRom 1997/17050 bei Körner (VI) § 29 Rn. 448. 798 So auch in BGH MDR 1993, 1148 (bei Schmidt): Der Senat bemängelt, dass die Voraussetzungen eines entschuldigenden Notstands gemäß § 35 StGB nicht geprüft wurden, da aufgrund der Angaben des Angeklagten nicht ausschließbar gewesen sei, dass er erst „unter der ernsten Bedrohung, . . . (es) könne seiner Verlobten und deren beiden Kindern etwas passieren“, bereit war, sich an Kokaingeschäften zu beteiligen, nachdem er zuvor noch Aufforderungen „eines unbekannten italienischen Landsmannes . . ., Abnehmer für Heroin und Kokain zu besorgen, . . . strikt abgelehnt hatte.“ 799 F.Meyer GA 2004, 356 (368); Wessels/Beulke Rn. 443; Sch/Sch/Lenckner/Perron § 34 Rn. 41 b; Bünemann/Hömpler Jura 2010, 184. 800 Wessels/Beulke Rn. 443. 801 Niemand dürfe aber rechtmäßig auf Seiten des Unrechts agieren, da bei solch einer Bewertung eine erhebliche Erschütterung des Vertrauens in die Geltungskraft der Rechtsordnung drohe, vgl. Kühl AT § 8 Rn. 129. Freilich passt die Notwehrprobe als im Betäubungsmittelstrafrecht nicht, da es nicht um wechselseitige Rechtfertigung von physischen Gewalteinwirkungen geht, vgl. im Folgenden; trotzdem müsste man sehen, dass zumindest Unterbindungshandlungen gegen die konkrete Handlung nicht gerechtfertigt sein können, da es stets an der „rechtswidrigen“ Notwehr- bzw. Notstandslage fehlt.
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am Begriff der „Angemessenheit“ fest.802 Die Anknüpfung an die Duldungspflicht ebnet den Weg für differenzierte Betrachtungsweisen, welche die Angemessenheit des Tuns bzw. das Ergebnis der Interessensabwägung von den beeinträchtigten Rechtsgütern abhängig machen und somit in Bagatellfällen (Bagatellen im Bezug auf das beeinträchtigte Gut) eine Rechtfertigung bejahen können, da dann eine Duldungspflicht konstruierbar erscheint.803 Allerdings plädieren zahlreiche Stimmen in der Literatur auch für eine durchgehende Rechtfertigung des Tuns, soweit die Interessen des Täters gegenüber dem beeinträchtigten Gut überwiegen.804 Denn § 34 StGB differenziere nicht nach Art und Ursprung der Gefahr und der genötigte Täter verdiene das gleiche Maß an Solidarität wie jeder andere Notstandstäter auch.805 Bei solch einer Argumentation geht ein bereits aufgegriffener Aspekt etwas unter, der i. Ü. nicht nur das Betäubungsmittelstrafrecht, sondern auch sonstige Fälle des Nötigungsnotstands betrifft, wie die abgenötigte Falschaussage oder Schutzgeldzahlungen, mit denen terroristische Vereinigungen finanziert werden.806 Schließlich legt man der gesamten Diskussion ein Drei-(„natürliche“) Personen-Verhältnis zu Grunde, wenn von Notwehrproben und Duldungspflichten die Rede ist. Die berüchtigte Notwehrprobe wandelt sich aber im Rahmen des BtMG zu einer „Nothilfe- bzw. Notstandsprobe“ um, da das beeinträchtigte Gut ein Universalrechtsgut ist. Die Möglichkeit des „beeinträchtigten Dritten“ zur Abwehr des Angriffs steht faktisch nicht zur Debatte. Da sich der Eingriff auf ein gesamtes Kollektiv „verteilt“, erscheint es auch wesentlich einfacher, eine Rechtfertigung des Tuns anzunehmen. Letztlich lässt sich aber das Gesamtbild, das man von dem Geschehen hat – keine „Rechtsbewährung“ durch den Abgenötigten, sondern Unrechtsverwirklichung durch den Nötigenden807 – nicht kaschieren. Hinzu tritt, dass der Täter rein tatsächlich nicht „einfach so“ in eine derartige Situation gerät. Im Gegenteil: Meist betrat er eigenverantwortlich die Szene und geriet somit auch auf eigenes Risiko in diese Situation, wobei dieser Aspekt bei kleineren Gefahren für Eigentum und Freiheitsrechte des Täters zu einer Verneinung des überwiegenden Interesses führen muss. Bei akuten Gefahren von Leib und Leben für den Täter und dessen Angehörige reicht dagegen
802 Soweit man der Angemessenheit überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommen lässt, siehe oben. 803 Baumann/Weber/Mitsch AT § 17 Rn. 81; Neumann JA 1988, 329; Britz/MüllerDietz JuS 1998, 242; Roxin AT I § 16 Rn. 59. 804 Die Mitverantwortung des Täters kann hier – insbesondere der Einstieg in das Drogengeschäft als solches – ein Umstand sein, der die Interessensabwägung zu seinen Lasten beeinflusst. 805 Felber, Die Rechtswidrigkeit des Angriffs in Notwehrbestimmungen, 1979, S. 164; Küper, Darf sich der Staat erpressen lassen?, 1986, S. 59. 806 Vgl. hierzu Kühl AT § 8 Rn. 127. 807 Kühl AT § 8 Rn. 132.
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eine mögliche Straflosigkeit über § 35 StGB, sodass die Auffassung der Rechtsprechung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Ist dieser erste Schritt getan, heißt das nicht, dass jedes Handeltreiben, jeder Besitz und jede Abgabe von Betäubungsmitteln, die aus Angst um Leib und Leben erfolgt, nach § 35 StGB entschuldigt ist. Vielmehr gelten die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Zumutbarkeitserwägungen; entscheidend sind demnach das Ausmaß der Beeinträchtigung (wobei der Gesetzgeber mit seiner Mengenstrafschärfung hier ein wichtiges Signal gegeben hat), Intensität und Ursprung der Gefahr808, besondere Gefahrtragungspflichten809 sowie die Größe der Rettungschancen für den Betäubungsmitteldelinquenten. 810 Der soeben aufgegriffene Aspekt der eigenverantwortlichen Gefahrverursachung erfährt im Rahmen des entschuldigenden Notstands in § 35 I 2 StGB eine Konkretisierung.811 Instruktiv zur Abwägungsfrage und Anwendung der §§ 34, 35 StGB im Betäubungsmittelstrafrecht ist das Urteil des LG München vom 05.03.1991: Der Kapitän teilt seiner Frachtschiffbesatzung erst während der Schifffahrt einen „658 kg schweren“ Kokaintransport mit und weist die Mitglieder darauf hin, dass der Transport der Drogen gegen eine zusätzliche Belohnung erfolge. Als die Besatzung bei einem Zwischenaufenthalt einheitlich das Schiff verlassen will, droht der Kapitän jedem mit Todesgefahr (einschließlich der Familien). Das LG München verneint im Ergebnis daher eine Rechtfertigung nach § 34 StGB bzw. Entschuldigung nach § 35 StGB. Die Begründung vermag nur bedingt zu überzeugen: „. . . Selbst wenn wegen der Todesdrohung für den Fall des Abheuerns in Paramaribo eine gegenwärtige Gefahr für das Leben der Angeklagten und ihrer Angehörigen vorhanden war, die nur durch ihren Verbleib an Bord der Don Juan V und damit den Weitertransport der Kokainfracht abgewendet werden konnte, so handelten die Angeklagten dennoch nicht ohne Schuld. Sie blieben nämlich nicht nur deshalb an Bord, weil sie die Todesgefahr für sich und ihre Angehörigen abwenden wollten, sondern sie alle wollten den Kokaintransport durchführen bzw. unterstützen, wobei sie allerdings damals noch davon ausgingen, daß das Abladen des Kokains auf hoher See vor Spanien erfolgen würde. Die Besatzungsmitglieder wollten sich mit ihrer Beteiligung die zusätzliche Heuer verdienen. 808 Der Gefahrengrad dürfte gerade bei Kollisionen von abstrakten mit konkreten Gefährdungen eine erhebliche Rolle spielen, vgl. hierzu die umfangreiche Rechtsprechung zu Notstandstaten, die den Straßenverkehr beeinträchtigen bei KK-OWiG/Rengier § 16 Rn. 31 ff. 809 Küper JZ 1980, 755 ff.; Sch/Sch/Lenckner/Perron § 34 Rn. 34; krit. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, 2002, S. 144. 810 Wessels/Beulke Rn. 311; Kühl AT § 8 Rn. 123 f. 811 Vgl. Körner (VI) § 29 Rn. 1078 unter Bezugnahme auf BGH v. 11.01.1994 – 5 StR 690/93.
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Deswegen erklärten sie sich auf Frage des Kapitäns im Hafen von Paramaribo ausdrücklich mit der Weiterfahrt einverstanden. Ihnen und auch R. war aber wegen der exorbitant großen Menge der Kokainfracht und der davon für Leben sowie körperliche und seelische Gesundheit einer außerordentlich großen Anzahl von Menschen ausgehenden Gefahr zuzumuten, die Todesgefahr, die nicht konkret vorhanden war, hinzunehmen und sich ihr zunächst durch Untertauchen zu entziehen . . .“ Die Kammer scheint die Entschuldigung an subjektiven Erwägungen scheitern zu lassen; wegen dem hinzutretenden (Begleit-)Motiv „Geld für Transport“ liege die Annahme eines Rettungswillens fern. Im Bezug auf § 35 I StGB ist es umstritten, ob das subjektive Element so beschaffen sein muss, dass nicht die bloße Kenntnis um den Entschuldigung begründenden Umstände reicht, sondern ein „Mehr“ i. S. e. Gefahrabwendungswillens notwendig ist. Auch wenn man dies (wie die h. M.812) verlangte, stellt die Kammer selbst fest, dass solch ein Gefahrabwendungswille gegeben ist. Nach wohl allgemeiner Auffassung verdrängen sonstigen Begleitmotive813 diesen nicht.814 Allein auf einen fehlenden Rettungswillen kann man die Ablehnung der Entschuldigung nach § 35 StGB nicht stützen. Daher muss man der Überlegung nachgehen, ob im Wechselspiel von Gefahrprognose und Erforderlichkeit der Rettungshandlung die objektiven Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands noch gegeben sind. Dies ist eine Frage der tatrichterlichen Beweiswürdigung. Für wie akut und ernst die Matrosen die Drohung des Kapitäns nehmen durften, hängt beispielsweise von den Gesamtumständen ab (Kenntnis der Hintermänner um die Identität der Besatzung, vorheriger Tatplan, Wahrscheinlichkeit der Umsetzung der Drohung und tatsächliche Möglichkeit diesbezüglich). Es ist auch umstritten, welcher Gefahrengrad i. R. d. § 35 I StGB überhaupt notwendig ist815 und selbst dass die Besatzung in der konkreten Situation in der „Überzahl“ war, mag eine Rolle spielen. Im Ergebnis ging das LG München (m. E. vertretbar) davon aus, dass der Besatzung die Vornahme milderer Mittel, wie das Untertauchen und das Einschalten der Polizei zugemutet werden konnte. Fazit: „Äußerlich“ ergeben sich bei der Anwendung der Notstandsvorschriften keine Besonderheiten, da die Rechtsprechung die typische Terminologie verwendet und allgemeine Dogmatik zugrundelegt. Sie nimmt Interessensabwägungen vor (§ 34 StGB) und greift Zumutbarkeitserwägungen (§ 35 StGB) auf. Welchen Stellenwert die Rechtsprechung „innerlich“ der Volksgesundheit bei einer Kolli812 LK/Hirsch § 35 Rn. 38; Bernsmann, Entschuldigung durch Notstand, 1989, S. 106; Sch/Sch/Lenckner/Perron § 34 Rn. 16 m.w. N. 813 Mögen derartige Motive auch die „Schutzwürdigkeit“ der Insassen herabsetzen. 814 Roxin JA 1990, 103. 815 SK/Rudolphi § 35 Rn. 7 („höchstwahrscheinlich“); a. A. Roxin JA 1990, 99 („10%ige Wahrscheinlichkeit“).
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sion mit Individualinteressen beimisst, kann man den Urteilsbegründungen kaum entnehmen. Aufgrund der Formulierungsweisen und der häufigen Betonung, dass eine Rechtfertigung nach § 34 StGB die Ausnahme darstellt, lässt sich vermuten, dass die extensive Drogenpolitik eine Ausstrahlungswirkung auf das Rangverhältnis hat. Es kann kein Zufall sein, dass § 34 StGB nur in Fällen bejaht wurde, in denen der Täter wiederum im Interesse der Volksgesundheit agierte, mag die Rechtsprechung auch in den Nötigungsnotstandsfällen eine Prüfung der Voraussetzungen angemahnt haben. b) Exkurs: Cannabis zur Schmerzlinderung und § 34 StGB Die Prüfung des § 34 StGB gestaltet sich als bereits etwas komplexer, wenn der Täter nicht mehr im Interesse der Volksgesundheit selbst handelt, sondern ausschließlich eigene Interessen verfolgt. Tritt nun hinzu, dass es sich um eine Gefahr handelt, die nicht derart akut (wie in den Nötigungsnotstandfällen) ist und zudem nicht die körperliche Unversehrtheit bzw. das Leben als solches, sondern „nur“ das körperliche Wohlbefinden betrifft, wird der Rückgriff auf den rechtfertigenden Notstand umso komplizierter. Nach dem (für die Strafbarkeit unbedeutenden) materiellen Betäubungsmittelbegriff handelt es sich bei den in den Anlagen des BtMG aufgelisteten Substanzen typischerweise um Stoffe, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen ihrer Wirkungsweise eine Abhängigkeit hervorrufen können, deren betäubende Wirkungen wegen des Ausmaßes einer missbräuchlichen Verwendung unmittelbar oder mittelbar Gefahren für die Gesundheit begründen.816 Viele Betäubungsmittel können trotz dieser Gefahren auch positive Effekte für das körperliche Wohlbefinden (schwerkranker) Patienten haben: Opiate stillen Schmerzen, Weckamine bzw. Stimulantia fördern die Aktivität von Kranken. Sedativa (Tranquilizer) helfen über Schlafstörungen, Verspannungszuständen und Reizbarkeit hinweg. Die medizinische Effizienz kann aufgrund des konkreten Wirkstoffs bei bestimmten Drogen wesentlich höher sein als bei Arzneimitteln, ohne zugleich schwerwiegende Nebenwirkungen auszulösen. Erwirbt und besitzt also ein Schwerkranker Betäubungsmittel zur effektiven Linderung seiner körperlichen Schmerzen, muss man darüber nachdenken, ob sein tatbestandsmäßiges Verhalten gem. § 34 StGB gerechtfertigt ist. Das körperliche Wohlbefinden ist ein rechtliches Gut von hohem Stellenwert (Art. 2 II 1 GG), das im Einzelfall gegenüber den Kollektivinteressen überwiegen kann. Der Diskurs dreht sich um die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis mit dem Wirkstoff THC, das bis vor kurzem noch ausschließlich in der Anlage I (weder verkehrs- noch verschreibungsfähig) aufgelistet war. Als „ältestes Arzneimittel der Menschheitsgeschichte“ 817 ist es unbestritten, dass es zu therapeutisch 816 817
BVerfG NJW 1997, 444; 1998, 669. Vgl. Körner C 1 Rn. 234 ff.
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positiven Ergebnissen818 im Bereich der Schmerzlinderung führt.819 Über die Zweckmäßigkeit einer Cannabis-Behandlung in Relation zu ihren Risiken scheiden sich die Geister:820 Häufig verweist man auf andere Behandlungsmöglichkeiten und Ersatzpräparate, bei denen man die Gefahr des Missbrauchs als wesentlich geringer einschätzt. In diesem Zusammenhang sind in Deutschland die verkehrs- und verschreibungsfähigen Cannabis-Präparate Nabilon und Dronabinol zu nennen,821 die den Stoff Delta9-THC enthalten. Diese synthetisch hergestellten Drogen sind um ein Vielfaches teurer als Haschisch, und nur wenige Patienten können sich diese Ersatzpräparate leisten.822 Der rechtlichen Problematik geht also ein ebenso leidenschaftlich geführter Streit in der Medizin voraus, die mit den Fragen über die Zweckmäßigkeit der Abgabe bzw. Verbrauchsüberlassung von Heroin i. R. e. Substitutionsbehandlung vergleichbar ist.823 Die rechtliche Schwierigkeit des Cannabis Erwerbs zu Therapiezwecken liegt darin, dass der Schmerz kein gefährliches „Ereignis“ (wie die Drohung für Leib und Leben), sondern ein therapierbarer Prozess ist. Der in „Leidensnot“ befindliche Täter hat genug Zeit, um das mildeste Mittel zur Schmerzlinderung auszuwählen. Er muss nicht sofort zu illegalen Mitteln greifen, um seine Leiden zu verringern, sondern kann einen Arzt aufsuchen und sich umfassend beraten lassen. Ob der Erwerb von Betäubungsmitteln in seinem Einzelfall zulässig ist, kann er im Übrigen nicht entscheiden, da die Lösung dieser Frage bzw. dieses Interessenkonflikts (körperliches Wohlbefinden contra Volksgesundheit) einer besonderen Institution vorbehalten ist,824 die bei Heilbehandlungen die Fachkompetenz auf den Arzt überträgt. Der Erwerber hat sich an diese Behörde bzw. an seinen Arzt zu richten und kann ggf. den Verwaltungsrechtsweg beschreiten, um an jenen speziellen Rechtfertigungsgrund der Erlaubnis zu gelangen. Im Falle einer verweigerten Verschreibung besteht die Möglichkeit, sich eine zweite Meinung einzuholen und die Diagnose des Arztes ggf. auf den Prüfstand zu stellen. Ob dieses „rechtlich geordnete Verfahren“ ihm einen Rückgriff auf § 34 StGB ver818 Ausführliche Aufzählung bei Weber § 1 Rn. 238; vgl. auch Flenker/Möller DÄBl 2001, 98. 819 Insofern ist auch die Aufnahme dieses Stoffs in die Anlage I des BtMG rechtspolitisch nicht unbedenklich, vgl. zu dieser Rechtsfrage als „Glaubenskrieg“, der seit jeher Schauplatz rechtspolitischer Grundsatzstreitigkeiten war, etwa zur Gefährlichkeitseinschätzung Krumdiek NStZ 2008, 437 einerseits; Patzak/Goldhausen NStZ 2011, 76 andererseits. 820 Vgl. nur Weber § 1 Rn. 229 „soll“. 821 Körner (VI) § 2 Rn. 15, 17. 822 Die sozialgerichtliche Judikatur verneinte bis vor kurzem noch eine Erstattungspflicht bezüglich dieser Stoffe, hierzu umfassend MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 963; AG Berlin-Tiergarten v. 28.04.2004 – (284) 6 Op Js 2234/02 Ls (26/03), NStZ-RR 2004, 281; LSG Baden-Württemberg v. 25.04.2003 – L 4 KR 3828/01 – DRsp Nr. 2005/1372. 823 Siehe hierzu Weber § 13 Rn. 54. 824 Siehe bereits 3. Teil A. III. 1., S. 230 ff.
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sperrt bzw. das stets mildere Mittel i. S. d. § 34 StGB darstellt, wird nach einer kurzen Beschreibung der verwaltungsrechtlichen Situation näher erörtert. aa) Zur verwaltungsrechtlichen Situation: Von der „Zwickmühle“ zum „rechtspolitischen Mittelweg“? Die verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erlaubnis hängen davon ab, auf welches Betäubungsmittel sich der Antrag bezieht und in welcher Anlage der Stoff aufgeführt ist. Die Erlaubnis ist ein begünstigender Verwaltungsakt, deren Erteilung im Ermessen des Bundesinstituts für Arznei- und Medizinprodukte steht.825 Im Rahmen einer ärztlichen Behandlung kann sich der Patient Betäubungsmittel der Anlage III von seinem Arzt verschreiben lassen und bedarf keiner zusätzlichen Erlaubnis für den Erwerb, vgl. § 4 I Nr. 3 BtMG. Betäubungsmittel der Anlage II unterliegen dem schlichten Erlaubnisvorbehalt des § 3 I BtMG, sind jedoch ebenfalls nicht verschreibungsfähig. Bei den nicht verkehrsund verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln der Anlage I, wozu bis vor kurzem noch uneingeschränkt auch Cannabis zählte, kann allenfalls eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 II BtMG erteilt werden. Sie knüpft an besondere Voraussetzungen, weil man die Betäubungsmittel der Anlage I – zumindest in nicht präparierter Form – als „gesundheitsschädliche Stoffe“ qualifiziert, die für medizinische Zwecke ungeeignet sind oder deren therapeutischer Wert außer Verhältnis zu den Gefahren steht, die aus der Schädlichkeit des Betäubungsmittels rühren.826 Eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 II BtMG kann die Behörde nur bewilligen, wenn der Antragssteller einen öffentlichen oder wissenschaftlichen Zweck827 verfolgt.828 Aus verwaltungsrechtlicher Sicht hat man im Falle des § 3 II BtMG auch keinen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis, sondern nur auf eine fehlerfreie Ermessensausübung.829 Schon aus dieser grundlegenden Differenzierung ergibt sich, dass die Bundesbehörde nicht dafür zuständig ist, Erlaubnisse für eine spezielle Heilbehandlung im Einzelfall zu erteilen. Vielmehr legt der Verordnungsgeber eine Stufe vorher fest, welche Betäubungsmittel zur Heilbehandlung dienen können. Bei diesen Stoffen überträgt die Rechtsordnung die „Verschaffungs“- bzw. Umgangsgewalt den Ärzten als kompetentere Entscheidungsträger. 825 Als oberste Bundesbehörde ist diese zugleich Widerspruchsbehörde, vgl. § 73 I Nr. 2 VwGO. 826 Körner (VI) § 1 Rn. 7. 827 Wohl als spezieller Unterfall des öffentlichen Zwecks, h. M.: Weber § 3 Rn. 86; Eberth/Müller/Schütrumpf Rn. 27; Franke/Wienroeder § 3 Rn. 6; Joachimski/Haumer § 3 Rn. 45; Hügel/Junge/Lander/Winkler § 3 Rn. 17.1. 828 Wobei man selbst bei Anträgen zum Anbau zu Forschungszwecken streng verfährt und Biologen und Mediziner darauf verweist, sich die Pflanzenteile aus dem Ausland zu verschaffen. Dieses Phänomen führte aktuell zu einer kleinen Anfrage im Bundestag, welche die Frage nach einer „spezialisierten Cannabis-Agentur“ im Inland zum Gegenstand hat, vgl. BT-Drs. 17/10232 v. 02.07.2012. 829 BVerfG NJW 2000, 3126; BVerwGE 123, 352; vgl. auch Weber § 3 Rn. 124 f.
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Dieses System geht nicht auf, wenn ein Stoff in den Anlage I oder II aufgeführt ist, obwohl er u. U. therapeutischen Zwecken dienen könnte. Im Hinblick auf Cannabis hat dies zur in der Überschrift geschilderten „Zwickmühle“ bzw. zu einem „gesetzgeberischen Notstand“ geführt. Die ärztliche Heilbehandlung erfolgt nicht primär zu „Forschungszwecken“, sodass man seinen Antrag ausschließlich auf die Erwägung stützen könnte, dass die Erlaubnis auch „öffentlichen Zwecken“ dient. Doch würde selbst bei solch einer Argumentation einen öffentlichen Zweck fingieren, wo keiner ist. Bei der Heilbehandlung geht es ausschließlich um das gesundheitliche Interesse des Patienten, sodass ein Antrag für die Erlaubnis zum Umgang mit Stoffen der Anlage I rein technisch keine Aussicht auf Erfolg haben kann. Auch das Bundesministerium hat die Therapierung des Einzelnen „zur Privatsache“ erklärt.830 Das Wort „öffentlich“ spricht dafür, dass der Antrag einer „unbestimmten Anzahl von Personen“ zu Gute kommen muss.831 Dementsprechend war es kürzlich noch gängige Praxis beim Bundesinstitut, einschlägige Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis gem. § 3 II BtMG mit der Begründung abzulehnen, die Therapie eines Einzelnen sei kein öffentlicher Zweck.832 Das Bundesverfassungsgericht ließ dieses „Totschlagargument“ nicht gelten und betonte in seinem Kammerbeschluss vom 20.01.2000833, dass der Antrag auch einem gegenwärtigen Anliegen der Allgemeinheit entsprechen kann, wenn nur die Behandlung eines Einzelnen im Raume steht: „. . .Die Annahme, auch jeder andere Erwerb und jede andere Verwendung von Betäubungsmittel zu therapeutischen Zwecken könne grundsätzlich nicht Gegenstand einer Erlaubnis sein, findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze. Ihr steht zudem § 5 I Nr. 6 BtMG entgegen. Danach besteht ein Versagungsgrund für die Erteilung einer Erlaubnis, wenn die Art und der Zweck des beantragten Betäubungsmittel-Verkehrs nicht mit dem Zweck des BtMG, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, daneben aber den Missbrauch von Betäubungsmittel – soweit wie möglich – auszuschließen, vereinbar sind. Ohne einen solchen Versagungsgrund ist die Erteilung einer Erlaubnis rechtlich möglich. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist danach auch ein öffentlicher Zweck, der im Einzelfall die Erteilung einer Erlaubnis gemäß § 3 II BtMG rechtfertigen kann. . .“ 834 830
Krit. MK-StGB/Kotz § 3 BtMG Rn. 8. Vgl. die einzelnen Beschlüsse des BfArM u. a. B v. 19.07.2000 – 8-7650-44.41 089; zust. Wagner PharmR 2008, 18 (19); Hügel/Junge/Lander/Winkler § 3 Rn. 17.3. 832 Körner (VI) § 3 Rn. 56. 833 BVerfG NJW 2000, 3126 sowie nochmals BVerfG B v. 12.07.2005 – 2 BvR 1772/02. 834 BVerfG NJW 2000, 3126; Hügel/Junge/Lander/Winkler § 3 Rn. 17.3 sind der Auffassung, dass die Entscheidung der Kammer vielfach missverstanden und fehlzitiert werde, weil das Bundesverfassungsgericht in seinen Ausführungen keinesfalls die medizinische Anwendung von Cannabis zugelassen, sondern lediglich ausgesprochen habe, 831
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Trotz des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses hatte das VG Köln in vier Fällen835 Klagen gegen die Ablehnung der Erlaubnis nach § 3 II BtMG durch das Bundesinstitut abgewiesen,836 jeweils unter Bezugnahme auf die Argumentationsstruktur der Bewilligungsbehörde. Erst das Bundesverwaltungsgericht schien die mahnenden Worte des Bundesverfassungsgerichts ernst zu nehmen und hob eine dieser Entscheidungen mit Urteil vom 19.05.2005837 auf. Auch das Bundesverwaltungsgericht wollte unter Bezugnahme auf § 5 I Nr. 6 BtMG nicht gelten lassen, dass die Behandlung eines Einzelnen keinem öffentlichen Zweck diene: „§ 5 I Nr. 6 BtMG nennt die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung neben der Verhinderung des Betäubungsmittelmissbrauchs als Gesetzeszweck. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist kein globaler Akt, der sich auf eine Masse nicht unterscheidbarer Personen bezieht. Sie realisiert sich vielmehr stets durch die Versorgung einzelner Individuen, die ihrer bedürfen. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung erfasst nie alle Mitglieder der Bevölkerung zugleich, sondern richtet sich an Personen, die ein bestimmtes Krankheitsbild aufweisen.“ 838 Sodann stützte das Bundesverwaltungsgericht seine Argumentation auf den schwerwiegenden Eingriff in Art.2 II 1 GG und wies zutreffend darauf hin, dass es in derartigen Fällen nicht mehr nur um das „Recht auf Rausch“ gehe, sondern um das körperliche Wohlbefinden und das Recht des Individuums auf ein schmerzfreies Leben (sowie würdevollen Tod). Im Anschluss betonte das Bundesverwaltungsgericht nochmals, dass der therapeutische Einsatz von Betäubungsmitteln nicht wegen § 13 BtMG auf Stoffe der Anlage III des BtMG beschränkt sei. Gerade an dieser wichtigen Stelle wird man aber das Gefühl nicht los, dass es sich beim Rückgriff auf § 5 I Nr. 6 BtMG um eine verwaltungsrechtliche „Notlösung“ handelt.839 Es wird sich noch zeigen, dass bereits die Strafgerichte mit der Anwendung des § 34 StGB systemwidrige Ausnahmen konzipieren mussten, um die unbefriedigende Gesetzeslage zu umgehen. Die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts hinkt bereits im Hinblick darauf, dass § 5 I BtMG Fälle dass mangels Erschöpfung des Rechtswegs keine Sachentscheidung getroffen werden könne. Doch die weiteren zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts deuten gerade darauf hin, dass die Annahme eines öffentlichen Zwecks bei der Therapierung Einzelner nicht von vornherein ausgeschlossen sein soll. 835 VG Köln v. 17.02.2004 – 7 K 1979/01; v. 17.02.2004 – 7 K 8281/01; v. 17.02. 2004 – 7 K 36/02, DRsp Nr. 2005/1375; v. 17.02.2004 – 7 K 8135/02. 836 Die Berufung zum OVG Nordrhein-Westfalen bzw. Sprungrevision wurde zugelassen. 837 BVerwG NJW 2005, 3300. 838 BVerwG NJW 2005, 3300 (3301). 839 Krit. aber im Ergebnis dem Bundesverwaltungsgericht zustimmend Weber § 3 Rn. 103 f. („Fremdkörper“).
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regelt, in denen die Erlaubnis zu versagen und nicht zu erteilen ist. Aus einer verneinten „Muss-Versagung“, lässt sich im Umkehrschluss allerdings keine „Muss-Erteilung“ ableiten. Denn der Sinn der Aufnahme von Drogen in die Anlage I ist gerade der, dass bestimmte Drogen nicht durch die „Hintertür“ des Verwaltungsermessens verkehrsfähig gemacht werden.840 Drogen sollen nicht bereits aufgrund ihrer „Konsumierbarkeit“ 841 verkehrsfähig gemacht werden, obwohl sie nicht einmal verschreibungsfähig sind.842 Insofern war das Argument des Bundesinstituts bzw. die frühere Rechtsauffassung nicht rein rechtspolitischer Natur, sondern hatte systematisch berechtigten Hintergrund: Es mutete schlicht merkwürdig an, den Erwerb zu therapeutischen Zwecken zu erlauben, obwohl die Droge nicht verschreibungsfähig ist und somit auch nicht den Voraussetzungen des § 13 BtMG unterliegen soll.843 Wenn das Bundesverfassungsgericht darauf hinweist, dass § 13 BtMG zwar nicht über die Hürde der Verschreibungsfähigkeit, wohl aber über die Hürde der Verkehrsfähigkeit hinweg helfe, so ändert das nichts daran, dass Betäubungsmittel der Anlage I gerade nicht zu therapeutischen Zwecken überlassen werden sollen. Dass Ärzte nicht daran gehindert seien, einen Patienten medizinisch zu betreuen und zu begleiten, der auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 3 II BtMG solche Mittel im Rahmen der Selbsttherapie bei sich anwendet, mag stimmen844, beinhaltet aber die Feststellung, dass sie es nicht müssten, obwohl es sich bei Drogen der Anlage I um die gefährlicheren Stoffe handelt.845 Die Widersprüchlichkeit kommt im hier zugrundegelegten Schema deutlich zum Vorschein, da man im Falle des § 3 II BtMG das Verhalten des Patienten rechtfertigte, während man bei einem Erwerb eines verschriebenen Betäubungsmittels nicht einmal den Tatbestand verwirklicht, § 4 I Nr. 3 BtMG, obwohl beide Fälle eine Heilmaßnahme betreffen. Wenn man sich also mit Cannabis therapieren lassen wollte, bestand nach alter Rechtslage das Risiko, gleich dem Hauptmann von Köpenick von einer Behörde zur nächsten verwiesen zu werden. Kotz hat es anschaulich auf den Punkt ge840
Weber § 3 Rn. 80. Meist handelt es sich bei den Stoffen in den Anlagen I und II allerdings um „grundstoffähnliche“ Substanzen, vgl. Weber § 1 Rn. 416. 842 In diesem Zusammenhang argumentiert das Bundesinstituts auch mit dem stets „illegalen Handel“: Da Cannabis nicht verkehrsfähig ist, gibt es schlicht keine Behörden, Läden oder Apotheken, bei denen man Haschisch „legal“ erwerben kann. Mag der Erwerber von Haschisch durch die Erlaubnis nach § 3 II BtMG gerechtfertigt handeln, so wird der Abgebende seinerseits stets illegal handeln, es sei denn man hat sich „gemeinsam“ die Erlaubnis eingeholt, was praktisch nicht vorstellbar ist, da ein legaler „Cannabismarkt“ gerade nicht gewollt ist. 843 In diese Richtung auch Wagner PharmR 2004, 18 (19). 844 So BVerwG NJW 2005, 3301. 845 Das BVerwG umgeht dies, indem es die Voraussetzungen des § 13 BtMG in das „öffentliche Interesse“ hineinlesen will. Daher bestehe bei ärztlich nicht indizierten Behandlungen schon gar kein öffentliches Interesse (BVerwGE 123, 352). 841
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bracht:846 „Vor dem Hintergrund der vormaligen Rechtswirklichkeit, die hier einem Billardspiel glich, in dem der Erkrankte als Kugel diente, die vom Bundesverfassungsgericht an die Bande der Verwaltungsgerichtsbarkeit gestoßen wurde, von dort aber mit der Begründung, ein öffentlichen Interessen dienender Zweck im Sinne des § 3 II BtMG könne schon nicht anerkannt werden, weil sich der Erkrankte nicht einmal einem Dronabinol-Forschungsversuch unterzogen habe,847 die Türe in Richtung Sozialgerichtsbarkeit gewiesen bekam, an der dortigen Bande mit dem Bemerken abprallte, die Krankenkassen bräuchten die verschreibungsfähigen Präparate nicht zu bezahlen,848 und zuletzt vor dem Strafrichter landet, erschien es in der Tat so, als hätte der Erkrankte keine andere Möglichkeit, als zum illegalen Umgang mit Cannabis zu greifen.“ Mit der 25. BtMÄndV849 vom 18.05.2011 beabsichtigt man, diese präkere Rechtslage etwas zu entschärfen. Nunmehr hat der Verordnungsgeber CannabisZubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind, in die Anlage III aufgenommen und lässt sie als verschreibungsfähig gelten. Auch die Verkehrsfähigkeit wurde durch die Aufnahme in die Anlage II gewährleistet, solange der „Verkehr“ zum Zwecke der Schmerzlinderung erfolgt. Anstoß für diese Entwicklung dürfte nicht einmal die unklare Rechtslage im Inland gewesen sein, als vielmehr die Tatsache, dass auf dem europäischen Binnenmarkt bereits THC-haltige Präparate als Arzneimittel zugelassen worden sind. Schmerzpatienten und andere an schwersten Krankheiten leidende Menschen dürften sich im Hinblick auf diese Modifikation auf den ersten Blick nicht mehr darauf berufen können, zur Linderung ihrer Leiden auf den illegalen Umgang mit Cannabis angewiesen zu sein (zumal die Kosten zugelassener Arzneimittel im Regelfall auch von den Krankenkassen zu übernehmen sind). Das Problem entschärft sich trotzdem nicht vollends, da die Zulassung als „Fertigarzneimittel“ ebenfalls durch die Behörde erfolgt. Derzeit ist erst ein einziges Arzneimittel mit Cannabispräparaten in Deutschland als Fertigarzneimittel zugelassen.850 Anders gewendet: Die Verschreibung von „Haschisch in Reinform“ ist nach wie vor nicht möglich. Es überrascht, dass man nicht von Anfang an über eine schlichte Neu- bzw. Umgestaltung der Anlagen des BtMG nachgedacht hat,851 statt eine extensive Auslegung des § 3 II BtMG vorzunehmen. Die therapeutischen Wirkungen von THC stellt man nicht mehr in Abrede, auch wenn man über die Eigenschaft von 846
MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 965. So VG Köln, vgl. bei Fn. 835 in Teil 3. 848 BSG v. 06.01.2005 – B 1 KR 51/03 B, DRsp Nr. 2005/4200. 849 BGBl. I, S. 821. 850 Den ersten Zulassungsantrag in Deutschland für ein Mundspray mit dem Handelnamen Sativex®, das THC und Cannabidiol enthält, hat die Firma Almirall gestellt, vgl. Körner/Patzak § 3 Rn. 79. 851 Allgemein zu dieser Unzulänglichkeit der Positivliste Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 106 f. 847
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Cannabis als „weiche Droge“ diskutieren kann. Verordnungs- und Gesetzgeber wollten vielmehr einer potentiellen Missbrauchsmöglichkeit durch Antragssteller und Ärzte entgegenwirken. Die Gefahr der Täuschung im Bezug auf die ärztliche Indikation und dem gegenüberstehend die indikationswidrige Verschreibung werden aber von den §§ 29 I Nr. 9 und 6 BtMG erfasst, sodass auch in diesem Bereich nach wie vor strafrechtlicher Schutz besteht. Insofern bleibt es bei präventiven Überlegungen dergestalt, Ärzten schon die hypothetisch-rechtliche Möglichkeit der Verschreibung zu nehmen und diesen somit keinen therapeutischen Verantwortungsbereich im Bezug auf Haschisch bzw. Cannabis zu überlassen. Warum diese strenge Betrachtungsweise ausgerechnet bei Cannabis erfolgt, leuchtet vielen nicht ein. Schließlich existieren verschreibungsfähige Drogen, die als wesentlich gefährlicher gelten und in hohen Dosierungen ebenfalls eine halluzinogene Wirkung haben können, wie etwa GHB (besser bekannt als „Liquid-Ecstasy“).852 Eine Droge kann auch mehrere und mitunter von der Dosis abhängige Wirkungsweisen853 haben, im Falle von Marihuana schmerzstillende (analgetische), beruhigende bzw. entspannende (sedative), aber eben auch psychoaktive (halluzinogene).854 Auch die gängigen Erwägungen, THC könne gefährliche Nebenwirkungen haben, berge ein enormes Suchtpotential855 und gelte als Einstiegsdroge (step-stone-Theorie856) spielen hier keine Rolle, da es nicht um eine Entkriminalisierung von „weichen Drogen“ geht857, sondern darum, die verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erlaubnis zu vereinfachen bzw. Cannabis als ein verschreibungsfähiges Betäubungsmittel zu klassifizieren. Auch 852 In diesem Zusammenhang sei angemerkt: Es stellt keinen Zufall dar, dass die wichtigsten Halluzinogene (LSD, Psylocin, Mescalin) in Anlage I des BtMG zu finden sind, da der Verordnungsgeber die meisten Halluzinogene als medizinisch untauglich (weil gefährlich sowie suchtfördernd) und daher verkehrsunfähig einstuft. Trotzdem wäre es nicht „systemwidrig“ halluzinogen wirkende Stoffe in Anlage III aufzunehmen, da der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet hat, die Betäubungsmittel nach ihrer Wirkweise einzuordnen; vgl. hierzu Joachimski/Haumer § 1 Rn. 6; Eberth/Müller/ Schütrumpf Rn. 25a, 25b. 853 Geschwinde, Rauschdrogen, Rn. 124; Patzak/Marcus/Goldhausen NStZ 2006, 259. 854 Zu den Wirkungen von Cannabis ausführlich Körner/Patzak Stoffe, Cannabis Rn. 16. 855 Von Körner (VI) als „Cannabismythen“ bezeichnet, vgl. Anlage C1 Rn. 254 f.; vgl. hierzu auch Kreuzer, Jugend Drogen Kriminalität, S. 107. 856 Vgl. Schwind, Kriminologie § 27 Rn. 56 ff.; Kreuzer, Jugend Drogen Kriminalität, S. 105 ff.; ders. DRiZ 1991, 173 ff.; vgl. auch BGH NJW 1992, 2976: „Was den „Umsteigeeffekt“ angeht, so ist zwar keine einlinige kausale Verknüpfung zwischen dem Konsum von Haschisch und dem Entstehen einer Heroinsucht gegeben. Doch kann Haschischkonsum zu Einstellungsänderungen führen, durch die gerade bei jungen Menschen die Anfälligkeit für den späteren Gebrauch harter Drogen um ein Vielfaches erhöht wird. . .So gibt es viele, die ihre ,Drogenkarriere‘ mit dem Konsum von Haschisch begonnen haben; oft fördert er den Übergang zu einer Polytoxikomanie.“ 857 Wie dies beim „Kieler Cannabisabgabeprojekt“ angestrebt worden war, vgl. BfArM, Beschluss vom 21.05.1997 – 8-7650-4297 770; zum Ganzen Körner/Patzak § 3 Rn. 60 ff.
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rechtspolitisch drohen keine Gefahren, da die Exekutive bei einem festgestellten Missbrauch von Cannabis zu therapeutischen Zwecken sofort reagieren und den momentanen Zustand wieder herstellen könnte. Da der Verordnungsgeber mit der 25. BtMÄndV nur cannabishaltige Fertigarzneimittel in die Anlage III aufnahm, kann allenfalls von einem rechtspolitischen „Mittelweg“ die Rede sein.858 Es bleibt abzuwarten, welche weiteren cannabishaltigen Präparate man als Fertigarzneimittel zulässt und wie sich die Pharmakologie und dementsprechend auch die Behandlungsmöglichkeiten des Patienten fortentwickeln. Vor dieser Änderung stellte sich bei demjenigen, der schlicht keine andere Wahl sah, als „illegal“ Haschisch zur Schmerzlinderung zu erwerben die Frage, ob sein Verhalten nach § 34 StGB gerechtfertigt werden kann. Nunmehr besteht zumindest die Möglichkeit, sich als Patient an seinen Arzt zu wenden und sich cannabishaltige Präparate verschreiben zu lassen.859 In beiden Konstellationen muss man sich mit der Frage beschäftigen, inwiefern eine Anwendung des § 34 StGB noch in Betracht kommt bzw. das von der Rechtsordnung vorgesehene Verfahren (Einholen einer Erlaubnis bzw. Verschreibung für den Erwerb) einen Rückgriff auf die Notstandsvorschriften „sperrt“. Dabei werden die Ausführungen im Folgenden auch zu Tage bringen, dass die Änderungen durch die 25. BtMÄndV dringend geboten waren, da man bis dato zumindest z. T. der Versuchung erlag, die unbefriedigende lex lata durch einen systematisch nicht hinnehmbaren Rückgriff auf § 34 StGB zu umgehen. bb) Die betäubungsmittelstrafrechtliche Situation Jeder Patient, der zur Schmerzlinderung Cannabis erwirbt, erfüllt unproblematisch den Tatbestand des § 29 I Nr. 1 BtMG. Soweit sich der Patient darauf beruft, dass er durch den Erwerb seine Schmerzen stille und sein Verhalten daher gem. § 34 StGB gerechtfertigt sei, könnte man ihm nach derzeitiger Rechtslage vorwerfen, dass er keinen ärztlichen Rat eingeholt und sich das Cannabis nicht als Präparat hat verschreiben lassen. Vor der 25. BtMÄndV galten ähnliche Erwägungen, da der Patient wenigstens versucht haben müsste, eine Erlaubnis bei der zuständigen Bundesbehörde (auch nach Absprache mit einem behandelnden Arzt) einzuholen. Gemeinsamer Grundgedanke ist, dass dem Patienten ein rechtlich geordnetes Verfahren zur Verfügung steht, mit dem er sein Begehren („weniger Schmerzen“) erreichen kann, sodass es ihm verwehrt sein könnte, über858 Da bis dato nur ein verschreibungsfähiges Präparat existiert (vgl. Fn. 850 in Teil 3) wird die 25. BtMÄndV bereits jetzt schon abfällig als „lex sativex“ bezeichnet, vgl. http://www.berliner-zeitung.de/archiv/arzneimittel-mit-thc-wirkstoff-soll-schmerzenvon-schwerstkranken-lindern-cannabis-auf-rezept,10810590,10736990.html. 859 Insofern wird man sich jedenfalls aus medizinischer Sicht damit beschäftigen müssen, ob und – wenn ja – warum das Rauchen von Haschisch im Einzelfall besser anschlägt, als cannabishaltige Präparate, vgl. hierzu noch im Folgenden.
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haupt eine eigene Interessensabwägung vorzunehmen. Um es mit den Worten Leschs zu beschreiben: Wo ein Regelwerk existiert, welches eine bestimmte Konfliktsituation einem Entscheidungsträger zuordnet, muss diese Entscheidung gegenüber dem eigenmächtigen Tätigwerden von Privatpersonen „immunisiert“ sein.860 Diese Überlegung gilt auch, wenn das Erlaubnisverfahren in concreto als „Behandlungs- und Verschreibungsverfahren“ ausgestaltet ist. (1) Das gesetzlich geregelte Verfahren als Angemessenheitsbzw. Abwägungsfaktor Grundsätzlich ist man sich einig darüber, dass ein rechtlich geordnetes Verfahren die Anwendung des § 34 StGB beschränkt.861 Dass die Nichtbeschreitung des Verfahrens aber nicht per se zu einer Sperre des § 34 StGB führt bzw. führen kann, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die Rechtsordnung „theoretisch immer ein Verfahren zur Verfügung stellt“, um die Gefahr abzuwenden.862 Das Vorliegen eines rechtlich geordneten Verfahrens könnte dem Täter immer zum Vorwurf gemacht werden, und § 34 StGB hätte keinen Anwendungsbereich mehr.863 Dass dies nicht sein kann, war bereits Prämisse der vorhergehenden Fallgruppen, in denen § 34 StGB ohne Weiteres für anwendbar erklärt wurde. Insofern ergab sich, dass zahlreiche Situationen denkbar sind, in denen aufgrund der akuten Gefahr eine Einholung einer rechtfertigenden Erlaubnis tatsächlich nicht möglich ist864 oder das Handeln des Notstandstäters zugunsten des von dem Verwaltungsgesetz bewirteten Rechtsguts erfolgt.865 Hinzu tritt, dass die 860
Lesch, Notwehrrecht, S. 54; vgl. auch Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 219. Mit weiteren Beispielen KK-OWiG/Rengier § 16 Rn. 41 ff.; SK/Samson § 34 Rn. 52; StK/Joecks § 34 Rn. 29; Kudlich, PdW AT, S. 90 f.; Kindhäuser AT, S. 293 f.; MK-StGB/Erb § 34 StGB Rn. 176 ff. So soll der unschuldig Inhaftierte auch dann wegen Körperverletzungen gem. §§ 223 ff. StGB und Sachbeschädigungen gem. § 303 StGB im Rahmen seiner Flucht strafbar sein, wenn er alle legale Möglichkeiten, welche ihm die deutsche Rechtsordnung zur Verfügung stellt (insbesondere das Wiederaufnahmeverfahren gem. §§ 456 ff. StPO) ausgeschöpft hat. Sch/Sch/Perron § 34 Rn. 41. Strafbar bleibt auch die Fälschung eines Passes durch einen Ausländer, dem zu Unrecht das Asylrecht versagt wurde, vgl. hierzu Abramenko NStZ 2001, 71 (72); vgl. Pawlik, Der rechtfertigende Notstand, S. 231 f. 862 Das Rufen der Polizei, das Einklagen der notwendigen Handlung, vgl. Keller, Provokation, S. 319 f. 863 Keller, Provokation, S. 320. 864 Passend hierzu das Beispiel von MK-StGB/Erb § 34 StGB Rn. 182: In einer akuten Bedrohungssituation, muss der Griff zu einer Waffe, auch wenn er ohne Erlaubnis erfolgt gerade aus dem Grund, dass der Normadressat keine Zeit hat, die Erlaubnis einzuholen nach § 34 StGB legitimierbar sein. Überdies wäre solch ein „abwägungsfestes“ Totalverbot nicht mit dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot vereinbar, vgl. hierzu auch BGH NJW 1991, 503; BGH StV 1996, 660. 865 Roxin spricht von „exorbitanten und atypischen“ Gefahren, die nicht in die gesetzliche Abwägung eingegangen sind, vgl. Roxin AT I § 17 Rn. 65; § 14 Rn. 48 ff. 861
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Erlaubnis bzw. die Verschreibung als „Verfahren“ schon vom Typus her kaum mit § 34 StGB vergleichbar ist: Über die Rechtfertigung nach § 3 BtMG bzw. Verschreibung gem. § 13 BtMG entscheidet man zu einem Zeitpunkt, in der die Rechtsgutsverletzung nicht unmittelbar bevorsteht, während bei 34 StGB der Zeitpunkt der tatbestandsmäßigen Handlung maßgeblich ist. Die „instanzielle“ Entscheidung erfolgt bei § 3 bzw. § 13 BtMG vor, bei § 34 StGB nach der Rechtsgutsverletzung.866 Letztlich trifft die Entscheidung nach § 3 BtMG nicht der Täter bzw. im Nachhinein ein Tatrichter, sondern eine qualifizierte Verwaltungsbehörde. Daher geht man in der Literatur867 überwiegend davon aus, dass § 3 BtMG bzw. die Verschreibung nach § 13 BtMG die allgemeine Rechtfertigung nach § 34 StGB nicht als „lex specialis“ verdrängt, sondern das Erlaubnisverfahren nur eine mittelbare Wirkung im Rahmen des Abwägungsvorgangs hat bzw. unter bestimmten Voraussetzungen die Angemessenheit der Notstandshandlung entfallen lässt.868 Dies ist von mehrerlei Faktoren abhängig: Welche Interessenskollision wird reguliert? Wie genau erfasst das rechtliche Verfahren den Konflikt? Und in welchen Fällen soll man dieses Verfahren beschreiten? Die Bedeutung dieser Vorfragen erschließt sich, wenn man den Charakter des rechtlichen Verfahrens als Abwägungsfaktor näher konkretisiert: Es dürfte sich um nichts anderes handeln, als um eine Einschränkung des individuellen bzw. später tatrichterlichen Beurteilungsmaßstabs im Hinblick auf die beschränkte Verwaltungsakzessorietät; es steckt also mehr dahinter als die Bindung des Notstandstäters sowie des Richters als Kontrollinstanz an gesetzlich niedergelegte, fundamentale Ordnungsprinzipien der Solidargemeinschaft.869 Aspekte der Interessensabwägung, die bereits durch die verwaltungsinstanzielle Entscheidung bzw. der ärztlichen Diagnose berücksichtigt und „verbraucht“ wurden bzw. werden könnten, darf der Strafrichter nicht mehr in seine Entscheidung einbeziehen. Der Tatrichter kann keine „neue oder eigene Entscheidung“ nach § 3 BtMG oder § 13 BtMG fällen; das ist die „mittelbare Sperrwirkung“ des § 3 bzw. § 4 I Nr. 3 BtMG, die auf der 866 Auch wenn man als Tatrichter einen ex-ante-Beurteilungsmaßstab zugrunde zu legen hat, SSW/Rosenau § 34 Rn. 13. 867 Nochmals: Diese Erwägungen gelten unabhängig davon, ob man sie bei der Interessensabwägung oder bei der Angemessenheit (als eigenständiger Prüfungspunkt, als Kontrollpunkt oder terminologisches Hilfsinstrument) verortet. Selbst wenn man diesen Gesichtspunkt der „Angemessenheit“ zuordnet, heißt das nicht, dass es sich um eine „starre Fallgruppe“ handeln würde, sodass bei Vorliegen eines rechtlich geordneten Verfahrens man stets eine Angemessenheit verneinen müsste. Im Gegenteil müsste man auch i. R. d. Angemessenheit diesen Gesichtspunkt wertend und „abwägend“ betrachten, wenn dieses normative Korrektiv seine Funktion erfüllen soll. 868 Dies gilt wohl unabhängig davon, ob man § 3 BtMG wie hier eine rechtfertigende oder wie die h. M. bereits tatbestandsausschließende Wirkung zukommen lässt. Daneben spielt es auch keine Rolle, dass es durch die 25. BtMÄndV seltener zu einer Überschneidung von § 34 StGB und § 3 BtMG kommen wird. 869 Ähnlich auch Sch/Sch/Perron § 34 Rn. 41 f.
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Überlegung beruht, dass eine kompetentere Instanz über die Zweckmäßigkeit der Erlaubnis entschieden oder zu entscheiden hat. Bei solch einem Verständnis des Angemessenheits- bzw. Abwägungsfaktors, dass der Tatrichter eine eigene Abwägung vornehmen kann, wenn kein Verwaltungsverfahren vorgesehen ist oder rein tatsächlich nicht vorgeschaltet sein kann. Das Verwaltungsverfahren ist nicht dafür gedacht, einer Mutter den Umgang mit Drogen zu gewähren, weil sie noch am gleichen Tag ihrem Sohn die Drogen wegnehmen will. Es ist geschaffen für „echte“ Erlaubnisanträge von natürlichen Personen und Institutionen, die über einen längeren Zeitraum hinweg (legal und offen) mit Rauschgift umgehen wollen. Das Verschreibungsverfahren gilt für Personen, die Betäubungsmittel zur Linderung ihrer Schmerzen konsumieren wollen. Hat man den Aspekt des „geordneten Verfahrens“ als Beschränkung des tatrichterlichen Beurteilungsmaßstabs i. R. d. ex-ante-Interessensabwägung des § 34 StGB charakterisiert, kann man auch differenzieren.870 Festgemacht ist das Ergebnis zumindest für die Fälle, in denen der Täter das jeweils einschlägige Verfahren nicht angestrengt hat. Denn in diesen Konstellationen hat die Kontrollinstanz nicht einmal die Möglichkeit, eine Einzelfallentscheidung zu treffen und der Täter „beraubt“ sie sozusagen ihrer Kompetenz. Der Täter setzt sich über das gesetzlich festgelegte „Ordnungsprinzip“ hinweg, nimmt die Möglichkeit einer Rechtfertigung nicht wahr und verschuldet seine Notstandslage nach § 34 StGB. Schuldhaft führt er zwar nicht die Erkrankung, wohl aber den Umstand herbei, dass er „rechtlich“ auf § 34 StGB angewiesen ist. Dem Tatrichter steht es nun nicht zu, das Verhalten des Täters (sofort ohne Erlaubnis zu agieren) als das „mildere“ Mittel zu beurteilen. Er darf auch keine eigenen Erwägungen zur Erlaubnisfähigkeit des Sachverhalts anstellen. Diesbezüglich hat er wegen der beschränkten Verwaltungsakzessorietät keine Kompetenz. Die – wenn auch atypische „Verschuldung“ der Notstandslage – führt als anerkannter Notstandsfaktor zu einem negativen Endresultat, und es scheidet eine Rechtfertigung nach § 34 StGB per se aus.871 Gleiches würde für die Abwägung i. R. d. § 35 StGB gelten, da dem Täter die Nichtbeschreitung des Rechtsweges „persönlich vorwerfbar“ wäre. Speziell im Hinblick auf den Cannabiserwerb zur Schmerzlinderung gilt daher, dass der Täter • nach heutiger Rechtslage (Cannabis als „Fertigarzneimittel“ nunmehr verschreibungsfähig) jedenfalls erst einmal einen Arzt aufsuchen und sich ggf. cannabishaltige Präparate verschreiben lassen muss, • nach alter Rechtslage (Cannabis ausschließlich in Anlage I und somit Erlaubnisverfahren einschlägig) zumindest hätte versuchen müssen, eine Erlaubnis vom Bundesinstitut einzuholen. 870 871
Vgl. hierzu KG StV 2003, 167; Fischer § 34 Rn. 5. So im Ergebnis auch Kühl AT § 8 Rn. 175; Sch/Sch/Perron § 34 Rn. 41.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Kam es dagegen zu einer Entscheidung, liegt bei einem ablehnenden Bescheid (bzw. bei einer Nichtverschreibung) der häufig anzutreffende „Erst-RechtSchluss“ nahe: Die Interessensabwägung müsse demnach erst recht scheitern, wenn der Täter das Verfahren angestrengt und ihm die Erlaubnis versagt wurde.872 Dies leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass die zuständige Kontrollinstanz nunmehr eine Einzelfallentscheidung getroffen hat und sich der Täter wissentlich über das behördliche Ermessen hinwegsetzt, wenn er dennoch Drogen zur Schmerzlinderung unerlaubt erwirbt. Gleichwohl soll dieser Erst-RechtSchluss nicht – zumindest nicht ohne Einschränkungen – gezogen werden, weil sich diese Konstellation von der so eben genannten fundamental unterscheidet und eine pauschale Gleichbehandlung daher nicht sachgerecht ist. Schließlich hat der Täter nunmehr die Notstandslage nach § 34 StGB nicht mehr zu „verschulden“,873 sondern hat der Erlaubnisbehörde die Möglichkeit überlassen, eine rechtmäßige Entscheidung zu treffen. Zwar hat sich auch an der Beschränkung des tatrichterlichen Beurteilungsmaßstabs nichts geändert, doch liegt nunmehr eine Entscheidung vor, die aus Sicht des Tatrichters als Parallelinstanz zum verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug zwar nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, wohl man aber auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen kann. Man kann insofern von einer Evidenzkontrollbefugnis des Strafrichters sprechen, der bei offensichtlichem (wenn auch rechtlich bedingtem) Ermessensausfall, eklatanten Abwägungsfehlern sowie evident nichtigen Verwaltungsakten die Befugnis zusteht, die Akzessorietät zu durchbrechen und die Entscheidung der Behörde durch eine eigene Interessensabwägung nach § 34 StGB zu ersetzen. Soweit die Entscheidung der Behörde also offensichtlich fehlerhaft ist, kann sie auch nicht das Abwägungsergebnis des Tatrichters beeinflussen. Hierbei spielt ein parallel laufendes Rechtsmittelverfahren im Verwaltungsprozess keine Rolle mehr. Da das Ermessen als solches immer bei der Erlaubnisbehörde bleibt und die Rechtsmittelinstanzn „nur“ eine eingeschränkte Ermessensprüfung vornehmen,874 ist es für die „verdrängende“ Abwägung unerheblich, ob der Täter von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, dem Ablehnungsbescheid mit einer Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gem. § 42 I 2. Alt VwGO zu begegnen.875 Mit rechtlich geordneten Verfahren, die den Anwendungsbereich des § 34 StGB beschränken, dürften nur solche Verfahrensarten gemeint sein, in denen eine Behörde auch tatsächlich eine Abwägungsentscheidung 872 Vgl. Kühl AT § 8 Rn. 177 im Bezug auf versagte Genehmigungen im Umweltund Immissionsschutzrecht. 873 Womit die Schuld jetzt nicht etwa der Erlaubnisbehörde zugeschoben werden soll, bloß stammt jetzt die Entscheidung aus deren Sphäre. 874 Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 735 ff. 875 Da es sich nicht um eine gebundene Entscheidung handelt, müsste die Behörde ein Verbescheidungsurteil fällen, das die Behörde zwingt, erneut – dann ermessensfehlerfrei – abzuwägen, vgl. Posser/Wolff/Decker § 113 Rn. 77.
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vornimmt. Das Verwaltungsgericht als erste Kontrollinstanz überprüft aber gem. § 114 VwGO nur, ob die Behörde ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (sie übt kein eigenes Ermessen aus, sondern kontrolliert das Ermessen nur876). Berufungs- und Revisionsinstanzen heben die Entscheidung bei weiterhin fehlerhaften Rechts- und Abwägungsentscheidungen zur „Neuabwägung“ zur Anfangsbehörde zurück, vgl. §§ 124 ff., 132 ff. VwGO. Dem Täter ist es i. Ü. weder zeitlich noch kostentechnisch zuzumuten, den ganzen verwaltungsrechtlichen Instanzenzug zu durchlaufen, um der Bewilligungsbehörde eine „zweite Chance“ zu gewähren, wenn er schon beim ersten Anlauf bei einer ermessensfehlerfreien Entscheidung an die Erlaubnis hätte gelangen können. Überträgt man diese allgemein gehaltenen Überlegungen auf die Fallgruppe „Cannabis zur Schmerzlinderung“ gilt Folgendes: • Nach neuer Rechtslage, wonach eine Verschreibung von Cannabispräparaten möglich ist, ergeht eine ärztliche Entscheidung, die keine „rechtlichen“ Fehler im so eben geschilderten Sinne beinhalten kann. Denn der Arzt trifft eine therapeutische Entscheidung. Auch im Falle eines Behandlungsboykotts besteht die Möglichkeit, sich sofort eine zweite Meinung einzuholen und die Diagnose des Arztes „überprüfen“ zu lassen. Der Tatrichter kann somit keine eigene „Diagnose“ nach § 34 StGB vornehmen. Interessant ist der Fall zu beobachten, in dem sich Arzt und Patient mehr Erfolg mit nicht zugelassenen Cannabispräparaten versprechen. Mit der partiellen Regulierung dürfte nun jedenfalls deutlich gemacht worden sein, dass ein Cannabiserwerb über die „Hintertür“ des § 3 II BtMG jedenfalls nicht mehr erwünscht ist und somit trotz der zwischenzeitlichen „Notlösung“ durch das Bundesverfassungsgericht nicht mehr legitimiert werden kann. Mit anderen Worten: Wer nunmehr auf den illegalen Markt ausweicht, kann erst recht nicht mehr auf eine Rechtfertigung seines Verhaltens über § 34 StGB hoffen. • Dagegen wäre nach alter Rechtslage ein Rückgriff auf § 34 StGB möglich gewesen, wenn die Behörde die Möglichkeit einer Rechtfertigung nach § 3 II BtMG nicht einmal in Betracht gezogen hätte. Dann tritt aber zu Tage, dass die Fälle „Cannabis zur Schmerzlinderung“ bis zur 25. BtMÄndV eigentlich nicht „richtig“ gelöst werden konnten, wenn man die oben angestellten Überlegungen konsequent anwendet. Denn aus den so verwendeten Formulierungen („Notlösung“ und „systematisch unhaltbare Rechtfertigung“) dürfte deutlich geworden sein, dass das Bundesverfassungsgericht und ihm sich anschließend das Bundesverwaltungsgericht eine kaum vertretbare Prämisse zugrundelegten, wonach das Erlaubnisverfahren nach § 3 II BtMG auch in Schmerzlinderungsfällen zur Anwendung kommen könne. Bei richtiger Rechtsanwendung müsste man dagegen davon ausgehen, dass der Umstand, eine Rechtfertigung nach § 3 II BtMG nicht in Betracht zu ziehen, speziell im Falle von Cannabis 876
Kopp/Schenke § 114 Rn. 1 ff.; Posser/Wolff/Decker § 114 Rn. 26.
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zur Schmerzbehandlung, eine rechtlich vertretbare Entscheidung darstellen würde und somit nicht beanstandet werden könnte. Ist aber erst einmal dieser Schritt gegangen, müsste man schlicht davon ausgehen, dass – so untragbar die Rechtslage auch sein mag – keine Korrektur dieses gesetzgeberischen „Notstands“ durch § 34 StGB und somit durch die Judikative erfolgen darf. Auf den Punkt gebracht: Der Tatrichter darf keine Abwägung nach § 34 StGB vornehmen. (2) Inkonsistente „Rechtsprechung“ vor der 25. BtMÄndV Blickt man auf die Rechtsprechung zu dieser Fragestellung bis zur 25. BtMÄndV, ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Dabei dürfen die allgemein gehaltenen Überlegungen zur Beschränkung des tatrichterlichen Beurteilungsmaßstabs nicht den Blick dafür trüben, dass diese Fragen mit einem aus medizinstrafrechtlich ubiquitären Grundproblem kumulieren: Man kann nämlich über die Zweckmäßigkeit bestimmter Behandlungsmethoden, über die Wirkung und Notwendigkeit bestimmter Heilmittel etc. diskutieren. Das Recht hinkt dieser medizinischen Diskussion stets hinterher, und das Phänomen muss anhand von Präzedenzfällen erst wahr genommen werden. Erst im Nachhinein macht der Verordnungsgeber – wie beispielsweise durch die 25. BtMÄndV – fest, dass ein bestimmtes Mittel bzw. eine Außenseitermethode inzwischen anerkannt ist. Während dieses Wahrnehmungsprozesses kann dann das Bedürfnis entstehen, gesetzgeberische Vorgaben durch die allgemein gehaltene Vorschrift des § 34 StGB (soz. als „salvatorische Klausel“ für überholtes Recht) zu umgehen. Obwohl man sich dieser Tatsache bewusst sein müsste, scheint die extensive Ausgestaltung des Betäubungsmittelstrafrechts anders als in sonstigen Gebieten des Medizinstrafrechts Staatsanwälte wohl dazu zu verleiten, selbst in Heilbehandlungsfällen erst einmal das Hauptverfahren zu eröffnen. Ist dies aber geschehen, muss die unbefriedigende (weil mit aktuellen medizinischen Erkenntnissen nicht mehr vereinbare) Rechtslage zur Anwendung kommen, es sei denn der Tatrichter macht von der Möglichkeit Gebrauch, das Verfahren unter den Voraussetzungen des § 153 II StPO bzw. § 31a BtMG einzustellen. Dieses Problem mag zu jenem judikativen „Fleckenteppich“ geführt haben, was den Topos „Cannabis zur Schmerzlinderung“ betrifft. Gemeinsam ist diesen Entscheidungen nur die allgemeine Verunsicherung im Umgang mit dieser Problematik, wobei nur die wenigsten Gerichte die grundlegenden Fragestellungen erkennen bzw. aufgreifen (Ist ein Rückgriff auf § 34 StGB einerseits möglich? Und wie ist damit umzugehen, dass das geltende Recht nicht mit den medizinischen Erkenntnissen vereinbar ist, da Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen als Heilmittel effektives Heilmittel eingesetzt werden kann?). Gerichte greifen das rechtlich geordnete Verfahren selten auf. Als eines von wenigen Ausnahmen weist das OLG Köln in seinem Beschluss vom 26.02.
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1999877 darauf hin, dass bei der Interessensabwägung nach § 34 StGB die Wertungen zu berücksichtigen sind, „die sich in gesetzlichen Regelungen außerhalb des § 34 StGB – hier also den Bestimmungen des BtMG über die Verkehrsfähigkeit von Betäubungsmitteln – niedergeschlagen haben“. Das Gericht beschreibt diese Überlegung nicht konkret als Einschränkung des Beurteilungsmaßstabs, steht aber einer Anwendung des § 34 StGB grundsätzlich kritisch gegenüber. Interessanterweise nimmt das OLG Köln auf die oben genannte Beschränkung Roxins Bezug, wonach eine Durchbrechung von diesem Grundsatz nur bei exorbitanten Gefahren in Betracht käme. In die genau entgegengesetzte Richtung, und somit fehl, geht der Kammergerichtsbeschluss vom 18.11.2002, der die beschränkende Wirkung des rechtlich geordneten Verfahrens grundsätzlich nicht anerkennen will. Das Gericht sieht es als rechtsfehlerhaft an, wenn man eine Anwendung der §§ 34, 35 StGB bereits ablehnt, wenn nicht der Versuch unternommen wurde, eine Erlaubnis vom Bundesinstitut einzuholen.878 Das Gericht versucht seine Auffassung damit zu stützen, dass der Antragssteller zu diesem Zeitpunkt ohnehin nicht mit einer Ausnahmebewilligung nach § 3 II BtMG hätte rechnen können. Dass die Behörden aber faktisch nur eine Rechtsauffassung vertreten mögen, spielt für den Antragssteller bzw. für den gemachten Vorwurf der fehlenden Rechtswegbeschreitung keine Rolle. Eine bestimmte Rechtspraxis kann den Rechtsadressat nicht davon befreien, das ihm vorgegebene Verfahren einzuschlagen. Es bleibt beim bereits oben Ausgeführten: Der Täter hätte trotz der präkeren Rechtslage zu diesem Zeitpunkt zumindest versucht haben müssen, eine Erlaubnis zu erlangen. Soweit ersichtlich, hat man in sonstigen Entscheidungen dem Aspekt des rechtlich geordneten Verfahrens keine weitere Beachtung geschenkt. Allseits ist eher diffus von „hohen Anforderungen“ für eine Rechtfertigung des Erwerbs die Rede. Kaum überraschend entwickelte sich eine Rechtsprechungspraxis, die nur noch gemeinsam hatte, dass sie eine Anwendung des § 34 StGB nicht per se ausschließt (und zwar unabhängig vom verwaltungsgerichtlichen Verfahren). Da nicht jedes Gericht von einer „Sperrwirkung“ ausging, soweit das Erlaubnisverfahren nicht angestrengt wurde, konnte jedes Gericht andere Vorstellungen davon haben, was „hohe Anforderungen“ für die Interessensabwägung sind. Denn das Schutzgut „Volksgesundheit“ ein außerordentlich unbestimmter Abwägungsparameter und es steht bis heute nicht fest, wie die einzelnen Abwägungsfaktoren als Gegebenheiten des Einzelfalles zueinander zu gewichten sind. Es volllzog sich in der Urteilsforensik das ungewollte Phänomen, welches man i. R. d. § 31a ff. BtMG als „Lokalgefälle“ (nicht unbedingt „Nord/Süd-Gefälle“) bezeichnet.879 877
OLG Köln StraFo 1999, 314. KG StV 2003, 167. 879 Zu diesem Problem zusammenfassend Aulinger NStZ 1999, 111; Kreuzer NJW 1994, 2400; Körner (VI) § 31 Rn. 27 („Rechtsbruch in Hamburg oder Frankfurt am 878
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Während das LG Mannheim beispielsweise den Notstand allein schon mit der Begründung ablehnen will, dass rezeptierfähige THC-Medikamente zur Verfügung stehen,880 will das OLG Karlsruhe auch den Gesichtspunkt der „nicht geringen Menge“ einbeziehen.881 Dabei handelt es sich auch um einen Aspekt, welcher die „ärztliche Indikation“ beträfe. Das AG Berlin-Tiergarten sprach einen Schwerkranken (AIDS, Hepatitis, Leberzirrhose etc.), der keine Ersatzpräparate einnehmen konnte (die im Übrigen die Krankenkasse auch nicht gezahlt hätte), trotz einer nicht geringen Menge von 962 g (mit 23 g THC) frei.882 Absolut bezeichnend ist der dritte Leitsatz des Urteils, zu dem sich das Gericht – nach der Feststellung der fehlenden Rechtswidrigkeit des Tuns – veranlasst sah: „Der Strafprozess ist nicht der geeignete Ort, um den Betroffenen eine legale Lösung ihrer erheblichen Probleme zu verschaffen. Es kann nicht angehen, dass den Betroffenen in Fällen vergleichbarer Art im Verwaltungsrechtsweg die Erlaubnis nach § 3 BtMG und damit die Möglichkeit zur legalen Nutzung von Cannabis versagt wird, die Sozialgerichte die Kostenübernahme für legale THC-haltige Medikamente ablehnen und das Strafgericht dem dadurch in die Illegalität getriebenen Betroffenen sagen soll, was er zu tun hat.“ Die Entscheidungen und Auszüge aus den Urteilsgründen dürften demonstriert haben, dass die Instanzgerichte etwas unbeholfen und die Entscheidungen dementsprechend uneinheitlich waren. Eine Rechtsänderung erschien dringend angezeigt und wurde von allen Seiten propagiert. Insofern ist es erfreulich zu sehen, dass der Verordnungsgeber reagiert hat und nun sowohl die Erwerberseite als auch den verschreibenden Arzt (und somit auch den abgebenden Apotheker) aus dem Tatbestand nimmt, indem er Cannabis zumindest partiell – nämlich als Fertigarzneimittel – in die Anlage III verschoben hat. Somit hat man bei ärztlich indizierten Verschreibungen keine Strafbarkeit mehr zu befürchten. Da aber nach wie vor Substanzen bzw. Konsumarten entdeckt werden können, die u. U. besser „anschlagen“ und noch nicht in der Anlage III aufgeführt sind, kann der Patient auch in Zukunft in den Fokus der Ermittlungen geraten, wenn er aus Eigeninteresse die gesetzlich nicht erlaubte Heilmethode wählt. Dann müssen Strafverfolgungsbehörden und Richter unter Zuhilfenahme der Möglichkeiten im Ermittlungs- und Zwischenverfahren Fingerspitzengefühl beweisen und ggf. unter Einholung von medizinischen Gutachten überprüfen, ob die Anlagen zwischenzeitlich überholt und somit eine Eröffnung des Hauptverfahrens nicht geboten ist.
Main in einem anderen Licht als die vordergründig gleiche Tat in Chiemgau oder Rupertiwinkel“). 880 LG Mannheim v. 20.03.2002 – 6 Qs 14/02. Unabhängig davon, dass die Krankenkasse die Kosten nicht übernimmt, vgl. Fn. 822 in Teil 3. 881 OLG Karlsruhe NJW 2004, 3645. 882 AG Berlin-Tiergarten NStZ-RR 2004, 281.
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(3) Zwischenergebnis Da das rechtspolitische Phänomen des ständigen Aktualisierungsbedürfnisses des BtMG im Hinblick auf seine „medizinische“ Komponente in die Problematik der Anwendbarkeit des § 34 StGB im Wechselspiel zu § 3 II, § 4 I Nr. 3 BtMG hineinwirkt, geriet die hier konzipierte Lösung etwas in den Hintergrund. Da man diese Grundsätze auf weitere erlaubnisakzessorisch übertragen kann, sei die beschränkende Wirkung des rechtlich geordneten Verfahrens nochmals zusammengefasst. Dabei kann man auch die Verschreibung von Betäubungsmitteln als solch ein Verfahren im weiteren Sinn bezeichnen, da es den Umgang, vornehmlich den Erwerb von Betäubungsmitteln unter bestimmten Voraussetzungen (Diagnose und ärztliche Indikation nach § 13 BtMG) reguliert. Dass diese Vorschrift im Gegensatz zu § 3 BtMG zu einem Tatbestandsausschluss führt, liegt daran, dass § 3 BtMG gerade nicht bei medizinischen Heilbehandlungen zur Anwendung kommen soll. Der verwaltungsrechtliche Erlaubnis- oder Genehmigungsprozess ist ein rechtlich geordnetes Verfahren, dass dem Antragssteller die Möglichkeit eröffnet, je nach Regelungsmaterie eine tatbestandsausschließende oder rechtfertigende Befugnis für einen Straftatbestand zu erlangen. Dieses rechtlich geordnete Verfahren könnte bereits eine genauer umschriebene Konfliktlösung darstellen, welche der allgemeiner formulierten Konfliktnorm des § 34 StGB vorgeht. Da sich die rechtfertigenden Normen allerdings in ihrem Typus und Anwender unterscheiden, kann dies kein Vorrang i. S. e. „lex specialis“ sein. Vielmehr handelt es sich um eine Kompetenzübertragung, in der die Rechtsordnung, personifiziert durch einen besonderen Entscheidungsträger, eine Vorentscheidung für einen Interessenskonflikt fällt. Diese Vorentscheidung bzw. Kompetenzübertragung ist nur legitimierbar, wenn feststeht, welche Art von Konflikt in welchem Fall gelöst werden soll. Die Kompetenzübertragung muss von rechtlichen sowie tatsächlichen Parametern abhängig gemacht werden, da ein umfassendes Totalverbot in strafrechtlicher Hinsicht (zumindest im Bezug auf bestimmte überindividuelle Rechtsgüter) gegen das Übermaßverbot verstieße. Daher kann keine pauschale Ausstrahlungswirkung des rechtlich geordneten Verfahrens auf § 34 StGB angenommen werden; vielmehr muss stets analysiert werden, für welchen Sachverhalt das Erlaubnisverfahren konzipiert ist, welche Umstände es nicht berücksichtigt und was konkreter Inhalt der Abwägungsentscheidung ist. Neben dem Beispiel mit der Mutter, die ihrem Sohn die Drogen wegnimmt, lassen sich hier auch Fälle des Drogenerwerbs zu Suizidzwecken verorten. Schließlich dient das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht dazu, einem potentiellen Suizidenten den Weg zum „weniger qualvollen Tod“ zu versperren.883 Hier dürfte § 34 StGB an883 Wobei in diesen Konstellationen von wichtigerer Bedeutung ist, ob sich der überlassende Dritte (Arzt, Therapeut, Privatperson) strafbar macht. In diesem Kontext sei nochmals der bereits beschriebene Gemeindepfarrer-Fall, BGHSt 46, 279 [vgl. 3. Teil
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
wendbar bleiben.884 Damit gilt einheitlich für alle Straftatbestände, die eine Genehmigung/Erlaubnis voraussetzen, dass der Vorrang des Verfahrens jedenfalls dann keine Rolle spielt, wenn
A. I. 3. e) cc), S. 144 ff.], aufgegriffen, bei dem ein Arzt Drogen einführte und dem Suizidenten überließ. In concreto handelte es sich bei dem abgegebenen Barbiturat sogar um ein verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage III, sodass an dieser Stelle deutlich wird, dass die oben gemachten Überlegungen zu atypischen Fällen auch auf das Verschreibungsverfahren und auch erst recht auf denjenigen Anwendung finden müssen, welcher im Normalfall der Verantwortliche für das Verfahren wäre (sprich der Arzt). Der Senat will in der Drogenüberlassung zum Suizid zwar keine leichtfertige Todesverursachung sehen, lehnt aber zugleich eine Rechtfertigung des Grundtatbestandes (§ 29 I Nr. 1 BtMG) ab und würde das Opfer also – wenn es bei einem „versuchten“ Suizid geblieben wäre – auch wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln bestrafen müssen. Dabei ist die Darstellung des Senats etwas missglückt, wenn angemerkt wird, dass das Handeln des Täters nicht primär vom Zweck der Schmerzlinderung (unter Inkaufnahme eines früheren Todeseintritts) getragen sei. „Vielmehr zielte seine Aktivität direkt auf den Tod.“ Während der Senat im Hinblick auf die Verletzungsdelikte des Kernstrafrechts aufgrund der Gehilfenstellung des Pfarrers zu einer Straflosigkeit gelangt (bzw. gelangen muss!), will er die zur täterschaftlichen Tathandlung erhobene Einfuhr und Abgabehandlung nicht nach § 34 StGB rechtfertigen. Dabei nimmt er eine Interessensabwägung nach § 34 StGB vor und geht somit von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit der Norm aus, ohne auf den Aspekt des vorgeschalteten Verfahrens einzugehen. Die Interessensabwägung als solche kann indessen nicht überzeugen: „[. . .] Zur Beantwortung der Frage, ob solches Verhalten unter den Gesichtspunkten des § 34 StGB gerechtfertigt oder unter den Aspekten des § 35 StGB entschuldigt sein kann, ist von den Grundentscheidungen der Rechtsordnung auszugehen. Das Leben eines Menschen steht in der Werteordnung des Grundgesetzes – ohne eine zulässige Relativierung – an oberster Stelle der zu schützenden Rechtsgüter. Die Rechtsordnung wertet eine Selbsttötung deshalb – von äußersten Ausnahmefällen abgesehen – als rechtswidrig, stellt die Selbsttötung und die Teilnahme hieran lediglich straflos. Dieser grundsätzliche Vorrang des Lebensschutzes ist zu beachten, wenn wie hier in eine Abwägung ein auch in Art. 1 I GG angelegtes Recht des Einzelnen auf ein Sterben unter ,menschenwürdigen‘ Bedingungen einzustellen ist. Dabei muß auch die Grundentscheidung berücksichtigt werden, die aus der Vorschrift des § 216 StGB spricht, wonach die Tötung auf Verlangen des Getöteten lediglich eine Strafmilderung gegenüber dem Totschlag auslöst. Dies zeigt an, daß die Rechtsordnung die Mitwirkung eines anderen am Freitod eines Menschen grundsätzlich mißbilligt [. . .]“ Der Rückgriff auf den „Rechtsgedanken“ des § 216 StGB ist aber schlicht verfehlt, da das Opfer beim eigentlich tödlichen Akt des Konsums immer noch die Tatherrschaft inne hat. Sicherlich hat, um das erste Zitat nochmals aufzugreifen, der Senat recht, wenn er auf die Besonderheit hinweist, dass die Handlung final auf den Tod gerichtet war. Die Dogmatik rund um die indirekte bzw. mittelbare Sterbehilfe wird aber hier durch den Umstand rechtlich „verzerrt“, dass es sich in dieser speziellen Konstellation um eine Teilnahmehandlung handelt, die im Kernstrafrecht mangels vorsätzlich, rechtswidriger Haupttat nicht strafbar wäre, aber im Betäubungsmittelstrafrecht täterschaftlich ausgestaltet ist. Die Abgrenzung des BGH zwischen indirekter Sterbehilfe, aktiver Fremdtötung und strafloser Teilnahme kann somit nicht mehr funktionieren; einfacher ausgedrückt: Es handelt sich bei der Einfuhr und Abgabe von Betäubungsmitteln nicht um eine Tötungshandlung. Nun muss aber gerade dieser Gesichtspunkt dazu führen, im Rahmen der Interessensabwägung nicht das „Tötungstabu“ in die Waagschale zu werfen, sondern die Autonomie des Konsumenten. Sicherlich steht es dem Gesetzgeber frei, bestimmte Handlungen, die man grundsätzlich als Beihilfehandlungen qualifizieren würde, täterschaftlich auszugestal-
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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• die Befugnis aufgrund einer akuten Gefahr nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, • es sich um einen atypischen Sachverhalt handelt, auf den das Erlaubnisverfahren weder konzeptionell noch vom angestrebten Zweck her Anwendung finden kann (etwa bei der Abgabe und dem Erwerb zum Suizid), • die Handlung dem Rechtsgut zu Gute kommt, dass durch das gesetzlich vorgegebene Verfahren geschützt werden soll. Im Übrigen ist es dem Täter nicht gestattet, eine eigene Abwägung nach § 34 StGB zu fällen, was sich auf Ebene der tatrichterlichen Überprüfung dadurch fortsetzt, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren eine eigene Abwägung des Tatrichters unmöglich macht. Ausnahmen von dieser mittelbaren Sperrwirkung sind nur dann zuzulassen, wenn der spezifische Entscheidungsträger keine Abwägung oder eine evident fehlerhafte Abwägung vorgenommen hat. Ob man diese Kompetenzfrage bzw. Abwägungsbeschränkung bei der Interessensabwägung verortet oder als spezifische Angemessenheitsfrage behandeln will, kann dahinstehen, solange man eine differenzierte bzw. normative Betrachtung vornehmen kann. 5. Gesamtergebnis zur Rechtswidrigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht Die beschriebenen Tatmodalitäten des BtMG beinhalten keine finalen Handlungen, die dazu geeignet sind, eine akute Gefahr abzuwenden. Dennoch kann der Umgang mit Drogen dazu geeignet sein, Gefahren für Rechtsgüter zu minimieren. Soweit der Täter aber die Handlung um die Schutzgüter des BtMG selbst willen vornimmt, schafft er schon kein rechtlich missbilligtes Risiko und handelt somit nicht einmal tatbestandlich. Die Rechtsprechung greift in derartigen Fällen auf (nicht konsequent durchgehaltene, sondern auf Einzelfälle beschränkte) Tatbestandsrestriktionen, und im „Notfall“ auf § 34 StGB zurück: Fälle der altruistischen Drogenwegnahme und Sicherstellung von Drogen durch V-Männer sowie ten, wie etwa § 29 I Nr. 14 BtMG. Bei den Tathandlungen der Einfuhr bzw. Abgabe hatte der Gesetzgeber allerdings gerade nicht derartige Konstellationen (sondern „wirklich“ täterschaftliche Einfuhrsachverhalte) im Auge, weswegen der Senat seiner Interessensabwägung falsche Komponenten zugrundegelegt hat. Dass er hierbei nicht konsequent bleibt und letztlich ergebnisorientiert auf zweiter Stufe dann den Begriff der Leichtfertigkeit i. R. d. § 30 I Nr. 3 BtMG „verbiegt“, wurde bereits aufgezeigt. Rigizahn befürwortet aufgrund der fehlenden Gefahr für das Rechtsgut Volksgesundheit eine teleologische Tatbestandsrestriktion (JR 2002, 426). Da nach dem hier vertretenen Modell die Handlung allerdings nicht der Risikoverringerung zugeordnet werden könnte (der Pfarrer hat die Betäubungsmittel selbst eingeführt und somit erst das Risiko aufleben lassen), ist in Anlehnung an Sternberg-Lieben eine Anwendung des § 34 StGB zu befürworten, vgl. Sternberg-Lieben JZ 2002, 152 (155). 884 Ob das Verhalten tatsächlich gerechtfertigt ist, bleibt eine Frage des Einzelfalls.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
sonstige Privatleute in Zusammenarbeit mit der Polizei löst man teils ebenfalls über diesen allgemeinen Rechtfertigungsgrund. Dabei verfährt die Rechtsprechung nach den allgemeinen Regeln, d.h. sie prüft die Notstandslage und wägt nach den gängigen Kriterien ab. Dass die gesetzliche Wertentscheidung, die Volksgesundheit möglichst allumfassend zu schützen, eine erhebliche Ausstrahlungswirkung beim Abwägungsvorgang hat und man verhältnismäßig strikt mit dem Notstandstäter verfährt (auch im Rahmen der Zumutbarkeit bei § 35 StGB), konnte mangels ausreichender Entscheidungen nur vermutet werden. Bei derart dringlichen Gefahren kann dem Täter zumindest nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er sich keine Erlaubnis nach § 3 BtMG eingeholt hat, die nach hier vertretener Ansicht abweichend von der h. M. als besonderer Rechtfertigungsgrund zu qualifizieren ist. In allen anderen Fällen kann das gesetzlich vorgegebene Verfahren den tatrichterlichen Beurteilungsmaßstab bzgl. § 34 StGB beschränken. Hierbei wurde herausgearbeitet, dass man dem Täter den Vorwurf der fehlenden Angemessenheit seines Verhaltens (bzw. des nicht überwiegenden Interesses) nur dann machen kann, wenn er entweder das Verfahren nicht einmal angestrengt hat oder es sich nicht um eine rechtlich evident fehlerhafte Ablehnungsentscheidung handelt. Dem Gericht ist dann eine erneute Überprüfung über § 34 StGB verwehrt. Er darf § 34 StGB nicht zu einer „gesetzgeberischen“ Notstandsvorschrift umfunktionalisieren und dessen Voraussetzungen nur deswegen bejahen, weil er beispielsweise eine Cannabis-Therapie zur Linderung von Schmerzen (zwischenzeitlich bzw. in concreto) als zweckmäßig und somit nicht strafwürdig empfindet.
IV. Schuld und betäubungsmittelstrafrechtliche Irrtumslehre 1. Grundlagen Das endgültige Unwerturteil bedeutet noch nicht die Bestrafung des Täters. Das deutsche Strafrecht beruht auf dem Schuld- und Verantwortungsprinzip (nulla poena sine culpa). Das das neoklassisch-finalistische Verständnis vom Verbrechen885 „entsubjektivierte“ 886 die Schuld zunehmend, sodass ihr (ähnlich wie der objektiven Zurechnung auf der Unrechtsebene) hauptsächlich eine normative Korrektivfunktion zukommt, diese allerdings im Hinblick auf den Täter und nicht auf die Tat. Man soll dem Täter soll nur das zum Vorwurf machen, „wofür er willentlich etwas kann, nicht dagegen das, was er von Natur aus 885
Siehe hierzu 3. Teil A., S. 89 f. Gemeint ist, dass die subjektiven Komponenten teils abnahmen, weil sie auch verlagert wurden (z. T. in den Tatbestand). Die neoklassisch-finalistische Schuldlehre beinhaltet (im Vergleich zu einer rein funktionalen Schuldlehre) noch subjektive Komponenten, wenn sie auf die „persönliche Vorwerfbarkeit“ abstellt und danach fragt, ob der Täter „willlentlich“ für die Tatbegehung etwas kann, vgl. Roxin AT I § 7 Rn. 18. 886
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ist887“. Auf dieser letzten Prüfungsstufe des Verbrechensbegriffs stellt der Tatrichter also fest, ob dem Täter das tatbestandsmäßige und rechtswidrige Verhalten auch persönlich vorwerfbar ist (i. S. e. „Dafürkönnens“ 888), so genannter normativer Schuldbegriff.889 2. Schuldfähigkeit a) Die Anwendung des § 20 StGB beim Betäubungsmitteldelinquenten Schuldhaftes Handeln setzt auch im Betäubungsmittelstrafrecht Schuldfähigkeit voraus, vgl. §§ 19, 20 StGB.890 Beim – volljährigen891 – Betäubungsmitteltäter kann man diese z. B. bei einem akuten Rauschzustand oder bei einer schweren Sucht in Frage stellen, da Drogeneinfluss neben Alkoholrausch und Medikamentenkonsum zu den typischen exogenen Psychosen892 i. S. d. § 20 StGB zählt. Die Betäubungsmittelabhängigkeit für sich soll dagegen zu Recht nicht per se zu einem Schuldausschluss nach § 20 StGB führen.893 Der BGH hat im Zuge einer Reihe von Entscheidungen894 rund um die Frage der Schuldfähigkeit bei Drogenkonsum eine „Ausnahmetrias“ entwickelt, dem sich das betäubungsmittelrecht887
Gallas ZStW 67 (1955), 1 (45). Rengier AT § 24 Rn. 1. 889 Es gehört nicht zum Gegenstand der Abhandlung, inwieweit der hier zugrundegelegte von Frank, Aufbau des Schuldbegriffs, 1907, begründete „normative Schuldbegriff“ der h. M. durch einen „funktionalen Schuldbegriff“ ersetzt bzw. ergänzt werden muss (wonach das Fehlen der Schuldfähigkeit beim Fehlen der generalpräventiven Bestrafungsnotwendigkeit bzw. des „Selbststabilisierungsbedürfnisses der Mitbürger“ in Betracht zu ziehen wäre, vgl. Jakobs in Henrichs [Hrsg.], Aspekte der Freiheit, 1982, S. 69 ff.); gleiches gilt für den durch die neueren Ergebnisse der Hirnforschung wieder entfachten Streit des (In)Determinismus und seiner Auswirkungen auf die Schuld bzw. den Schuldbegriff.vgl. hierzu ausführlich Streng, FS-Jakobs, 2007, S. 675 ff.; ders. ZStW 101 (1989), 273; ders., Freiheit, S. 46 ff.; Kudlich HRRS 2005, 51 ff.; Hillenkamp JZ 2005, 313; Marlie ZJS 2008, 41 (44 f.); Roxin AT I § 19 Rn. 18 ff. m.w. N. 890 Vgl. hierzu umfassend Kühl AT § 11; zum Ganzen auch MK-StGB/Streng § 20 StGB Rn. 12 ff.; Keiser Jura 2001, 376. 891 Zum minderjährigen Betäubungsmitteldelinquenten und den materiell-rechtlichen sowie prozessualen Folgen Weber Vor § 29 Rn. 1312 m.w. N. 892 Im Einzelnen ist die genauere Zuordnung umstritten (bzw. auch tatsächlich schwierig, da bei abhängigen Konsumenten Art bzw. Ausprägung der psychisch sowie körperlichen Folgen unterschiedlich sein können) und hängt auch von der Art des Drogeneinflusses ab: Soweit es sich um eine „pathologische Sucht“ mit körperlichen Auswirkungen handelt, geht man überwiegend von einer krankhaften seelischen Störung aus, vgl. SSW/Schöch § 20 Rn. 46, 75; Weber Vor § 29 Rn. 394. Im Übrigen werden Süchte der anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet, BGH StV 2001, 564; NStZ 2001, 83. Den akuten, nicht pathologischen Drogenrausch sieht man teils als tief greifende Bewusstseinsstörung (so Sch/Sch/Lenckner/Perron § 20 Rn. 13, 17 m.w. N.), zunehmend aber auch schon als krankhafte Störung an, BGHSt 43, 66; Fischer § 20 Rn. 11, 41. 893 Ständige Rechtsprechung und h. M.: BGH NJW 1988, 501; StV 2001, 451; NStZ 2006, 151; BGH NJW 2002, 150; 2002, 2043; StV 2005, 19; 2008, 76. 894 Vgl. Fn. 893 in Teil 3. 888
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liche Schrifttum weitgehend angeschlossen hat:895 Demnach sei das „erste Stockwerk“ 896 des § 20 StGB erst dann passiert, wenn ein langjähriger Betäubungsmittelkonsum zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat897 oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat898 oder u. U., wenn er das Delikt im Zustand eines aktuellen Rausches verübt hat.899 Erst in derartigen Ausnahmekonstellationen hat der Tatrichter im Anschluss zu prüfen, ob im Einzelfall die Steuerungsfähigkeit900 des Täters wegen des festgestellten Eingangsmerkmals vollständig aufgehoben ist. Dem BGH sagt man unter Bezugnahme auf diese Ausnahmetrias eine strenge bzw. restriktive Anwendung des § 20 StGB nach, doch weicht er dieses strenge Verständnis durch eine umso extensivere Anwendung des § 21 StGB auf.901 Eine ausführliche Darstellung und Analyse der Schuldfähigkeit im Betäubungsmittelstrafrecht kann nicht Gegenstand dieser Abhandlung sein, da sich die Dogmatik zur fehlenden Schuldfähigkeit bei Drogenkonsum am Täter (bzw. Betäubungsmitteldelinquenten) entwickelt. Mögen hier aufgrund fehlender Richtwerte902 und der u. U. aufwendigeren Nachweisbarkeit903 „Besonderheiten“ bzw. praktische Schwierigkeiten bestehen904, handelt es sich nicht um eine betäubungsmittelstrafrechtsspezifische Problematik, bei der ein Auseinanderdriften von „Allgemeiner“ und betäubungsmittelrechtlicher Dogmatik zu befürchten wäre. Die Schuldfähigkeit ist nicht „tatbestandsgebunden“,905 d.h. ihre grundsätzliche Feststellung erfolgt unabhängig von der Tat immer einheitlich, egal ob man die Schuldfähigkeit eines Cannabis rauchenden Fahrers, eines heroinkonsumierenden 895 Körner/Patzak Vor § 29 ff. Rn. 7 ff. („Gesamtwürdigung“); Eberth/Müller/Schütrumpf Rn. 179, 183; in diese Richtung auch die „allgemeine“ Kommentarliteratur MKStGB/Streng § 20 StGB Rn. 105; SSW/Schöch § 20 Rn. 46. 896 Zum zweistufigen Prüfmuster des § 20 StGB (biologisch/psychologisch sowie psychologisch/normativ) vgl. MK-StGB/Streng § 20 StGB Rn. 12 ff.; SSW/Schöch Rn. 13. 897 BGH NStZ-RR 2008, 274, vgl. auch Fischer § 20 Rn. 11a. 898 BGH NStZ 2006, 151. 899 BGH NStZ 2001, 82 f.; zu den relevanten Merkmalen im Einzelnen ausführlich Weber Vor § 29 Rn. 398. 900 Zum problematischen Verhältnis der Einsichtsfähigkeit nach den §§ 20, 21 StGB zu § 17 StGB MK-StGB/Streng § 20 StGB Rn. 50. 901 Theune NStZ 1997, 57 (61); zum Ganzen auch v. Heintschel-Heinegg/Eschelbach § 20 Rn. 28 m.w. N. 902 Im Vergleich zum Alkoholkonsum, zu diesem Problem ausführlich Theune NStZ 1997, 57 (61) sowie Täschner NJW 1984, 638; vgl. aus der umfangreichen Einzelfallrechtsprechung u. a. BGH StV 1988, 294; StV 1992, 569; StV 2005, 19 sowie OLG Köln StV 1992, 167. 903 Zum Ganzen auch Gerchow BA 1987, 233. 904 Zur Begutachtung vgl. Schretzenmayer, Die forensisch-psychiatrische Begutachtung von Störungen durch psychotrope Substanzen im Strafrecht, 2002; Venzlaff/ Foerster/Graw/Thieme Psychiatrische Begutachtung, 266 (272 ff.). 905 Im Gegensatz zu den bisher behandelten und noch zu behandelnden Fragen.
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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Diebs oder eines kokssüchtigen Dealers begutachtet. Hier wie bei sonstigen „tatbestandsunabhängigen Fragen“ (Verjährung gem. §§ 77 ff. StGB, Klassifikation einer Norm als Vergehen oder Verbrechen gem. § 12 StGB) bereitet daher die Umsetzung der in Art.1 EGStGB statuierten Vorgabe keine Probleme. b) Zur actio libera in causa im Betäubungsmittelstrafrecht Unmittelbar in diesem Zusammenhang bleibt ein Problemfall „tatbestandsakzessorisch“ im soeben genannten Sinn und wird auch etwas näher betrachtet: Die Strafbarkeitsbegründung trotz Schuldunfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat(bestandsverwirklichung) nach den gewohnheitsrechtlich entwickelten Grundsätzen der actio libera in causa.906 Diese Fallgruppe scheint für das BtMG nur eine geringe Bedeutung zu haben, da eine absolute Schuldunfähigkeit des Betäubungsmitteldelinquenten „bei Begehung der Tat“ ohnehin die Ausnahme darstellt. Überdies ist die actio libera in causa für Fälle konzipiert, in denen der Täter die Schuldunfähigkeit zeitlich nahe vor der Tatbegehung herbeiführt. Der sachliche Anwendungsbereich beschränkt sich auf herbeigeführte, akute Rauschsituationen, also auf einen der drei Ausnahmefälle der oben dargestellten Trias.907 Dennoch ist die praktische Bedeutung der a.l.i.c. nicht gänzlich zu unterschätzen908, zumal die Rechtsprechung sie auch auf die häufigeren Fälle der verminderten Schuldfähigkeit anwendet und so zur Ablehnung der „Kann“-Milderung nach §§ 21, 49 I StGB gelangt.909 Nach hier vertretener Auffassung ist eine Strafbarkeitsbegründung nach den Grundsätzen der actio libera in causa schon „im Allgemeinen“ nicht legitimier906 Zur actio libera in causa ausführlich Roxin AT I § 20 Rn. 56 ff.; Kühl AT § 11 Rn. 6; SSW/Schöch § 20 Rn. 95; Rönnau JA 1997, 599; NK/Schild § 20 Rn. 171 („allgemeines Zurechnungsproblem“); Satzger Jura 2006, 513; monographisch Sydow, Die actio libera in causa nach dem Rechtsprechungswandel des Bundesgerichtshofs, 2002; Zenker, actio libera in causa, 2003; Leupold, Die Tathandlung der reinen Erfolgsdelikte und das Tatbestandsmodell der actio libera in causa im Lichte verfassungsrechtlicher Schranken, 2005. 907 Damit ist gemeint, dass ein irgendwie geartetes „aktives“ Moment i. S. e. sichtbaren Anknüpfungshandlung vorliegen muss, was zur „a.l.i.c.-typischen“ Mehraktigkeit des Geschehens führt. Eine schleichende Persönlichkeitsveränderung bzw. starke Entzugserscheinungen basieren nicht auf einer Ersthandlung, sondern auf einem dynamischen und länger währenden Prozess, der eben nicht zum Anknüpfungspunkt für die Zweithandlung gemacht werden kann (auch nicht im Rahmen einer fahrlässigen a.l.i.c. bzw. allgemeinen Fahrlässigkeitshaftung). Die Rechtsprechung verortet diesen Aspekt bei der Vorsatzprüfung und weist darauf hin, dass sich der Täter in derartigen Konstellationen keine konkreten Vorstellungen über die Begehung einer bestimmten Rauschgifttat (meist Beschaffungsdelikte) gemacht hat, vgl. BGH NJW 1977, 590. 908 Was bereits die hierzu veröffentlichten Urteile belegen, vgl. nur BGH NJW 1977, 590. 909 BGH NStZ 2000, 584 m. Anm. Streng JuS 2001, 540; BGH NStZ 2002, 28; BGH NJW 2004, 3350 (3352).
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bar:910 Weder das Ausnahme-911 bzw. Ausdehnungsmodell912 noch der Rückgriff auf das Konstrukt der mittelbaren Täterschaft913 können überzeugen, da ihnen Wortlaut sowie Systematik der einschlägigen Vorschriften und das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot gem. Art.103 II GG entgegenstehen.914 Nach dem in §§ 16, 20 StGB statuierten Koinzidenz- bzw. Simultaneitätsprinzip muss der Täter „bei Begehung der Tat“ vorsätzlich bzw. schuldhaft handeln, wovon man aufgrund kriminalpolitischer Zweckmäßigkeitserwägungen bzw. dem inneren „Rechtsgefühl“ 915 keine Ausnahme machen darf. Die hier entstehenden Strafbarkeitslücken916 hat der Gesetzgeber zu korrigieren, wenn er dies für notwendig erachtet.917 Die wohl h. M. versucht den eklatanten Verstoß gegen das Koinzidenzprinzip dadurch zu umgehen, dass sie das Herbeiführen des Rauschzustands (hier der Heroin- oder Kokainkonsum) als „unmittelbares Ansetzen“ zum Erfolg i. S. e. Verletzungserfolgs bzw. konkreten Gefährdungserfolgs ansieht.918 Da ist es im Hinblick auf das zugrundegelegte Kausalverlaufskonstrukt nur konsequent, dass sie die a.l.i.c. auf Delikte beschränkt, die einen Außenwelterfolg voraussetzen.919 Man beschreibt diese Einschränkung mit der Floskel, dass die Grundsätze der actio libera in causa nicht auf „verhaltensgebundene“ bzw. „eigenhändige“ Delikte (wie beispielsweise auf die §§ 315c, 316 StGB) anwendbar seien.920 Dies greift zu kurz und führt zu Missverständnissen, wie ein Blick in betäubungsmittelrechtliche Kommentarliteratur verrät. Bei Weber heißt es: „Die Anwendbarkeit der actio libera in causa im Betäubungsmittelstrafrecht wird durch die Einschränkung dieses Rechtsinstituts, vor allem in den Fällen der eigenhändi910 Allen voran Hettinger GA 1989, 1; ders. FS-Geerds, 1995, S. 623; vgl. aber auch Paeffgen ZStW 97 (1985), 513 (516); Salger/Mutzbauer NStZ 1993, 561; Hruschka JZ 1996, 64 (71). 911 Wessels/Beulke Rn. 415; LK/Jähnke, 11. Aufl., § 20 Rn. 78; vgl. auch den Reg.Entw. EGStGB, BT-Drs. 7/550, S. 268. 912 MK-StGB/Streng § 20 StGB Rn. 128 ff.; ders. JZ 1994, 709. 913 Roxin AT I § 20 Rn. 61 m.w. N.; krit. BGHSt 42, 235 (240). 914 BGHSt 42, 235 (241); Sch/Sch/Lenckner/Perron § 29 Rn. 35a m.w. N. 915 Vgl. Kühl AT § 11 Rn. 8. 916 Im Hinblick auf § 323a StGB handelt es sich ohnehin nur um „Strafrahmen“-Lücken. 917 Ambos NJW 1997, 2296; vgl. hierzu auch Streng JZ 2000, 20 der ebenfalls eine Klarstellung im Gesetz empfiehlt, allerdings auf Basis der Ausdehnungslösung, so auch Wessels/Beulke Rn. 415 auf Grundlage des Ausnahmemodells. 918 Dabei wird kaschiert, dass der Täter regelmäßig noch weitere Zwischenakte i. S. d. § 22 StGB bis zur eigentlichen Verletzungshandlung durchlaufen muss. Statt des Koinzidenzprinzips werden also die Voraussetzungen des § 22 StGB aufgeweicht, und die Tatbestandslösung entpuppt sich als „verkapptes“ Ausdehnungsmodell; Kühl AT § 11 Rn. 18 befürwortet daher das Ausnahmemodell als „ehrlichere“ Lösung; zum Begriff des Erfolgs- und schlichten Tätigkeitsdelikts noch ausführlich 3. Teil B. II. 1. a), S. 334. 919 BGHSt 42, 235, vgl. auch Horn StV 1997, 264. 920 Kühl AT § 11 Rn. 24; Wessels/Beulke Rn. 416; SSW/Schöch § 20 Rn. 95 ff.
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gen Delikte [. . .] nicht berührt. Die Tatbestände des Betäubungsmittelrechts sind zum Teil zwar Tätigkeitsdelikte, sie können jedoch nicht nur eigenhändig verwirklicht werden.“ 921 Schlichte Tätigkeitsdelikte darf man nicht mit eigenhändigen Delikten gleichsetzen. Wesentliches Merkmal eines eigenhändigen Delikts ist,922 dass es nur der Täter selbst verwirklichen kann, d.h. eine mittelbare Täterschaft gem. § 25 I Var. 2 StGB ist ausgeschlossen.923 Der Eigenhändigkeitscharakter ergibt sich aus dem „nicht immer scharfen“ 924 Abgrenzungskriterium, ob der besondere Verhaltensunwert nur durch denjenigen realisiert werden kann, der unmittelbar und selbst den Tatbestand verwirklicht.925 Nach h. M. trifft dies auf keines der Verhaltensmodalitäten der §§ 29 ff. BtMG zu, da bei allen Tatbeständen des BtMG der Universalrechtsgüterschutz im Vordergrund stehe und nicht persönlich durch den Täter verwirklicht werden müsse.926 Diese Feststellung sei trotz ihrer Pauschalität an dieser Stelle nicht weiter in Abrede gestellt,927 da sie für die Frage, ob die actio libera in causa im Betäubungsmittelstrafrecht Anwendung findet, keine Rolle spielen kann.928 Dies ergibt sich aus den Ausführungen des 3. Senats in seiner einschränkenden Grundsatzentscheidung vom 22.08.1996, in der er das eigenhändige Delikt nennt, keinesfalls aber als Hauptgesichtspunkt für die Einschränkung der actio libera in causa heranzieht. Entscheidend ist vielmehr, ob der Tatbestand strukturell die Möglichkeit eröffnet, an frühere Handlungen anzu-
921
Weber Vor § 29 Rn. 444. Ein eigenhändiges Delikt wird meist zugleich auch ein Tätigkeitsdelikt sein, vgl. §§ 153, 316 StGB, muss es aber nicht, vgl. §§ 315 b, 315c StGB. 923 Monographisch Langrock, Das eigenhändige Delikt, 2002; vgl. auch Auerbach, Die eigenhändigen Delikte, 1978; zusammenfassend Haft JA 1979, 651; Herzberg ZStW 82 (1970), 896; zusammenfassend Satzger Jura 2011, 103. 924 SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 30; dagegen ist die in der Rechtsprechung BGHSt 6, 226 (227); 41, 242 (243) vorzufindende Formel zumindest missverständlich, wonach bei eigenhändigen Delikten das maßgebliche Unrecht nicht die Rechtsgutsgefährdung, sondern die eigenhändige Vornahme des Delikts sei. Schließlich handelt es sich gerade bei eigenhändigen Delikten oftmals um Tatbestände, bei denen aufgrund des hochrangigen Rechtsguts dessen bloße Gefährdung sanktioniert wird (vgl. §§ 153, 316 StGB). 925 U.a. wird dies auch für die §§ 323a, 339 StGB angenommen. Näher hierzu Haft JA 1979, 651; Herzberg ZStW 82 (1970), 896; Schall JuS 1979, 104. 926 So auch der BGH in einer Sammelbandentscheidung zum Waffenbegriff, BGHSt 48, 189; BGH NStZ 2002, 440; hierzu auch Weber NStZ 2002, 601, ders. Vor § 29 Rn. 183. 927 Dies wird im Rahmen der mittelbaren Täterschaft nochmals aufzugreifen sein, vgl. noch 3. Teil C. II. 1. a), S. 405 f., sowie 3. Teil D. II. 1. b) aa), S. 535 ff. 928 Dies gilt, soweit man der actio libera in causa nicht das zweifelhafte Modell der mittelbaren Täterschaft zugrunde legt (insofern konsequent Roxin AT I § 20 Rn. 61). Mag die Rechtsprechung früher noch dieses Konstrukt in Fortführung des Milchfahrerfalles des Reichsgerichts (RGSt 22, 413) akzeptiert haben, so hat sie spätestens in der zitierten Grundsatzentscheidung BGHSt 42, 235 explizit darauf aufmerksam gemacht, dass sie diesem Begründungsmodell kritisch gegenübersteht. 922
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knüpfen, an deren Ende ein Erfolg steht. So heißt es in den entscheidenden Passagen des Urteils:929 „Bei Tatbeständen aber, die wie die §§ 315c, 316 StGB und § 21 StVG ein Verhalten verbieten, das nicht auch als die Herbeiführung eines dadurch verursachten, von ihm trennbaren Erfolges begriffen werden kann, kann sie [Anm: die actio libera in causa] die Annahme schuldhafter Taten trotz schuldausschließenden Vollrausches bei der eigentlichen Tathandlung nicht rechtfertigen. . . Die Verkehrsstraftaten nach den §§ 315c StGB, 21 StVG setzen voraus, daß der Täter das Fahrzeug ,führt‘. Führen eines Fahrzeugs ist aber nicht gleichbedeutend mit Verursachen der Bewegung. Es beginnt erst mit dem Bewegungsvorgang des Anfahrens selbst. . .“ Der BGH stellt bei der Einschränkung also nicht darauf ab, dass es sich bei § 315c StGB um ein eigenhändiges Delikt handelt; entscheidend ist vielmehr, ob die Tathandlung mit der Tatbestandsverwirklichung zusammenfällt. Dies soll bei allen schlichten Tätigkeitsdelikten nicht der Fall sein.930 Das nach Auffassung des BGH einzig dogmatisch tragfähige Tatbestandsmodell findet also keine Anwendung auf schlichte Tätigkeitsdelikte.931 Dem kann man kritisch gegenüberstehen, wenn man bedenkt, dass auch derartige Delikte eine Kausalität durchlaufen. Insofern ist es nur eine Frage der Formulierung, ob man nicht behauptet, durch das Sichbetrinken setze der Täter eine Kausalkette in Gang, an deren Ende das „Inbewegungsetzen“ des Fahrzeugs stehe. Vielmehr sollte man wohl in den Mittelpunkt rücken, dass schlichte Tätigkeitsdelikte einen abgeschlossenen Prozess beschreiben und nur auf die tatbestandlich beschriebene Art und Weise verwirklicht werden können. Dagegen begrenzt das Erfolgsdelikt (bzw. Verletzungsdelikt) erst der Erfolg selbst.932 Die den Erfolg verursachenden Handlungen können mannigfaltig sein, sodass eine Anknüpfung an das Sichbetrinken statt an den Schuss bzw. an den Messerstich möglich bleibt. Somit können die Grundsätze der
929
BGHSt 42, 235 (239 f.) m. Anm. Hirsch JR 1997, 391. Krit. T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 21; Hirsch NStZ 1997, 230 (231); wobei man die Kritik an der Tatbestandslösung von der Frage trennen muss, ob das schlichte Tätigkeitsdelikt eine Existenzberechtigung als „Begriffskategorie“ hat, hierzu noch ausführlich, 3. Teil C. II. 1. a), S. 334 ff.; ob das Delikt dagegen Eigenhändigkeit voraussetzt, spielt für den Kausalverlauf und somit auch für das Tatbestandsmodell keine Rolle. 931 So ausdrücklich SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 27 sowie v. Heintschel-Heinegg/ Eschelbach § 20 Rn. 73; Rengier AT § 25 Rn. 12; nicht selten ist (verwirrenderweise) nur von einer Einschränkung bei verhaltensgebundenen und eigenhändigen Delikten die Rede, vgl. Wessels/Beulke Rn. 415; SSW/Schöch § 20 Rn. 98; Hardtung NZV 1997, 97 (101); Kühl AT § 11 Rn. 24. 932 Zu diesem Verständnis vom Erfolgsbegriff noch ausführlich, krit. T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 21, der unter Zugrundelegung eines weiten Erfolgsbegriffs das Tätigkeitsdelikt überhaupt eliminieren will. 930
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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actio libera in causa bei fast keiner Verhaltensmodalität des BtMG 933 zur Anwendung kommen.934 Eine Ausnahme bilden die Erfolgsdelikte des BtMG, also die Einfuhr/AusfuhrModalitäten und die Verfügungswechsel-Tatbestände des § 29 I Nr. 1 BtMG. Der BGH hat bisher auch nur in diesem Zusammenhang einen Rückgriff auf die actio libera in causa für möglich erachtet.935 Diese Rechtsprechung wiederholt der BGH drei Jahre später in seinem Urteil vom 20.09.1979:936 Nach den Urteilsfeststellungen hatte beim Angeklagten zum Tatzeitpunkt eine Psychose infolge seiner Heroinsucht vorgelegen, weswegen er keine Hemmungsmechanismen entgegensetzen konnte, erneut Heroin zu erwerben. Das Tatgericht stellt daher auf einen Heroinerwerb Ende 1978 ab. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Angeklagte gewusst, dass er durch einen erneuten Heroinkonsum wieder in eine körperliche Abhängigkeit und damit in eine Situation geraten würde, die es ihm unmöglich machte, dem Anreiz zu widerstehen, Heroin zu erwerben. Der BGH stimmt der Vorinstanz zu, da sich der Angeklagte beim erneuten Konsum noch nicht in einer aktuellen Entzugssituation befand, „denn er hatte seit mehr als einem Jahr kein Heroin mehr genommen, und die – bis dahin erfolgte – regelmäßige Einnahme von Polamidon hatte keine körperliche Abhängigkeit mit Entzugserscheinungen zur Folge gehabt“. Er habe damit den Geschehensablauf verantwortlich in Gang gesetzt, als er in verantwortlichem Zustand den Entschluss fasste, wieder Heroin zu konsumieren und zumindest billigend in Kauf genommen, dass er den Tatbestand des unerlaubten Erwerbs nunmehr fortlaufend erfüllen werde. Begrüßenswert an dieser Rechtsprechung ist, dass sie bis dato auf das Erfolgsdelikt des Erwerbs beschränkt blieb. Insofern ist auch die Rechtsprechung des BGH zum Betäubungsmittelstrafrecht mit dem Tatbestandsmodell kompatibel. 933 Insbesondere nicht beim unerlaubten Handeltreiben als (multiples Tätigkeitsdelikt), vgl. 3. Teil C. II. 1. a) dd), S. 343 f.; entgegen der Auffassung von Weber, siehe Fn. 921 in Teil 3; die mitunter uneinheitliche und nicht ernst genommene Terminologie im Hinblick auf die Deliktstypen (Eigenhändigkeit, Verletzungs-Erfolgs-Tätigkeitsdelikte, Sonderdelikte etc.) sowie Begründungstheorien (mittelbare Täterschaft als Unterfall der Tatbestandslösung? Gleichsetzung des Ausdehnungs- und Tatbestandsmodells etc.) führt zu derartigen Missverständnissen und Ungenauigkeiten, vgl. hierzu Fischer § 20 Rn. 53. 934 Eine ganz andere Frage ist, ob dies speziell beim weiten Begriff des Handeltreibens überhaupt notwendig ist, wenn bereits Vorbereitungshandlungen zu einer Vollendungsstrafbarkeit führen können, vgl. hierzu noch ausführlich 3. Teil C. IV., S. 430 ff. 935 Die Entscheidung betrifft den unerlaubten Erwerb als Verschaffungserfolgsdelikt, vgl. BGH NJW 1977, 590: Nach dem redaktionellen Leitsatz allerdings nur, wenn der Täter zuvor einen Vorsatz für bestimmte Straftaten gefasst hatte, die mit der Beschaffung von Betäubungsmitteln in Zusammenhang stehen. Wie in den übrigen actio libera in causa Fällen setzt der BGH also einen doppelten Vorsatz voraus, der im Hinblick auf die Tat – wenn auch nicht in allen Einzelheiten – bestimmt sein muss, vgl. bereits BGH NStZ 1992, 536. 936 BGH v. 20.09.1979 – 4 StR 472/79.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Problematisch bleibt sie nichtsdestotrotz, da sie den zeitlichen Rückgriffsbereich auf die dogmatisch ohnehin bedenkliche actio libera in causa nochmals enorm extensiviert, indem sie die Strafbarkeitsbegründung nicht auf akute Rauschsituationen beschränkt, sondern auch auf die Fälle anwendet, in denen die Schuldunfähigkeit suchtbedingt ist. Die Entstehung der pathologischen Sucht ist ein dynamischer Prozess, den man mit dem singulären Akt des Sichberauschens keinesfalls gleichsetzen kann. In tatsächlicher Hinsicht muss man die Anwendung der actio libera in causa m. E. auf Fälle der akuten Drogenintoxikation beschränken.937 Daher bleibt eine Anwendung der actio libera in causa im Betäubungsmittelstrafrecht in hohem Grade zweifelhaft, auch wenn man sie grundsätzlich für dogmatisch tragfähig hält. 3. Weitere Schuldausschließungs- sowie Entschuldigungsgründe und ihre Bedeutung im Betäubungsmittelstrafrecht Kann man dem Täter aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein rechtmäßiges Verhalten nicht mehr zumuten, mag dies nicht zu einem „Ausschluss“ der Schuld führen; man gelangt aber zum gleichen Ergebnis, da der Gesetzgeber derartige Konstellationen als besondere Entschuldigungsgründe näher konkretisiert hat und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen keinen Schuldvorwurf erhebt. Dazu zählt die Überschreitung der Notwehrgrenzen938 nach § 33 StGB: Diese Vorschrift spielt betäubungsmittelstrafrechtlich keine Rolle, da bereits § 32 StGB keine Bedeutung im BtMG erfährt.939 Ferner ist der entschuldigende Notstand nach § 35 StGB zu nennen, der im Rahmen der Ausführungen zum rechtfertigenden Notstand bereits aufgegriffen wurde und über den beschriebenen Nötigungsnotstandssituationen940 sowie Schmerzlinderungsfällen941 hinaus ebenfalls keine eigenständige Bedeutung entfaltet. Weitere Entschuldigungsgründe des Nebenstrafrechts (wie das Handeln aufgrund einer für verbind-
937 Wobei diese Feststellung „betäubungsmittelstrafrechtsunabhängig“ ist, d.h. auch bei der Verwirklichung anderer Straftatbestände Berücksichtigung finden sollte. Dabei geht der BGH in der zitierten Entscheidung sogar noch etwas weiter, wenn er nicht auf den Heroinkonsum, sondern (zumindest den Formulierungen nach) auf den Erwerb der suchtauslösenden Dosis abstellt. 938 § 33 StGB erfasst in erster Linie den intensiven Notwehrexzess, also die nicht „erforderliche“ Notwehrhandlung; zur Anwendbarkeit des § 33 StGB bei einem extensiven Notwehrexzess, d.h. bei einer Notwehrhandlung BGHSt 39, 133 (138 f.); BGH NStZ 1987, 20; 2002, 141; Roxin AT I § 22 Rn. 68 ff.; Otto Jura 1987, 604; Heuchemer JA 1999, 724; Wessels/Beulke Rn. 446; Kühl AT § 12 Rn. 141; Walther JZ 2003, 52 (56); Rengier AT § 27 Rn. 17; Fischer, Die straflose Notwehrüberschreitung, 1971. 939 3. Teil A. III. 1., S. 230 f. 940 3. Teil A. III. 4. a) cc), S. 255 f. 941 3. Teil A. III. 4. b), S. 260 ff.
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lich gehaltenen dienstlichen Weisung, vgl. §§ 56 II 3 BBG, 38 II 2 BRRG, 5 I WStG, 3 V VStGB) haben im Betäubungsmittelstrafrecht keine Relevanz. 4. Irrtümer im Betäubungsmittelstrafrecht Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich somit auf den Verbotsirrtum nach § 17 StGB und seiner Stellung in der Irrtumslehre allgemein. Nach einer kurzen Darstellung der Grundlagen [a)], sollen die verschiedenen Spielarten und Konstellationen des Irrtums im Betäubungsmittelstrafrecht dargestellt werden [b), c)]. Besonderheiten können sich zum einen aufgrund des Systems der Positivliste ergeben.942 Zum anderen stellt sich die im Nebenstrafrecht häufig aufgeworfene Frage,943 ob der Rechtsanwender den „Vermeidbarkeitsmaßstab“ für Verbotsirrtümer bzw. für Sorgfaltspflichtverstöße nach § 16 I 2 StGB „neu kalibrieren“ muss, da der Täter innerhalb eines verhältnismäßig komplexen Normgefüges einem Irrtum unterliegt [d)]. a) Grundlagen Den Grundstein für die Systematisierung strafrechtlicher Irrtümer bilden die §§ 16, 17 StGB. Beide legen Rechtsfolgen für Fehlvorstellungen des Täters fest. Irrt der Täter über Tatumstände, führt dies nach § 16 StGB zum Vorsatzausschluss; fehlt dem Täter dagegen die Einsicht, Unrecht zu tun, soll er allenfalls entschuldigt handeln, wenn sein Irrtum nicht vermeidbar war, § 17 StGB („Schuldtheorie“ 944). Die gesetzliche Formulierungsweise legt die zunächst durchaus griffige Differenzierung nahe, wonach § 16 StGB Irrtümer im „tatsächlichen“ Bereich erfasse, während der Irrtum über das „Unrecht“ nach § 17 StGB die „Normebene“ betreffe.945 Die auf fehlerhaften Rechtsvorstellungen basierende falsche Subsumtion unter ein strafrechtliches Verbot ließe den Tatbestandsvorsatz dementsprechend unberührt. Dabei bezieht sich die Rechtsfolge des § 16 StGB nicht ausschließlich auf den natürlich wahrnehmbaren, „tatsächlichen“ Sachverhalt, sondern auf alle Umstände, die zum gesetzlich umschriebenen Tatbestand gehören.946 Ein Deliktstat942 Aus dieser Formulierung ergibt sich die Art des Irrtums noch nicht, vgl. noch 3. Teil A. IV. 4. b) aa), S. 292 ff. 943 Hierzu einführend SSW/Momsen § 17 Rn. 30, 51. 944 Sch/Sch/Cramer/Sternberg-Lieben § 17 Rn. 3; hierzu v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer § 17 Rn. 4. 945 v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 16 Rn. 13. 946 „Der maßgebende Unterschied der [. . .] Irrtumsarten bezieht sich nicht auf den Gegensatz: Tatsache – Rechtsbegriff, sondern auf den Unterschied: Tatbestand – Rechtswidrigkeit“, vgl. Welzel, Strafrecht, § 22 III. Diese finalistische Erkenntnis war für die weitere Entwicklung der Irrtumsdogmatik von entscheidender Bedeutung, vgl. LK/Vogel § 16 Rn. 8, 13.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
bestand enthält aber nicht nur Merkmale, mit denen der Täter aufgrund ihrer feststehenden Beschreibung und Existenz in Beziehung treten kann (deskriptive Merkmale947), sondern setzt regelmäßig auch die Wahrnehmung „institutioneller Tatsachen948“ voraus, die nur geistig – nach Vornahme einer rechtlichen „Wertung“ bzw. eines Verstehensprozesses – in den Vorsatz aufgenommen werden können. Damit sind die normativen Tatbestandsbestandsmerkmale angesprochen, bei denen der Täter den sozialen Bedeutungsgehalt des jeweiligen Merkmals richtig erfassen muss.949 Diese Bedeutungskenntnis verlangt eine „Subsumtion“, die zwar nicht formaljuristischen Ansprüchen genügen muss,950 aber nichtsdestotrotz die Grenzen tatbestandlich unbeachtlichen Subsumtionsirrtum kaschiert. Tatumstands- und Verbotsirrtum rücken im Bereich normativer Tatbestandsmerkmale unangenehm nah zusammen, und weder Rechtsprechung noch die Literatur konnten klare Abgrenzungsregeln bezüglich der Frage schaffen, wann der rechtlich erwartete Bewertungsprozess nach § 16 StGB in eine irrelevante Subsumtion nach § 17 StGB umschlägt.951 Dies führt forensisch zu einer eher „intuitiven“ 947 Da selbst der Prototyp eines deskriptiven Merkmals, das Alter eines Tatsubjekts (eventuell als strafschärfendes Kriterium, vgl. § 29a I Nr. 2 BtMG) einen normativen Einschlag hat, indem deren Berechnung von Konventionen und Rechtsnormen abhängt (oder wie es Fischer § 16 Rn. 5 formuliert, deskriptive Merkmale schon durch ihre Einstellung in den Gesetzestext normative Gestalt annehmen), liegt es nicht fern, die Unterscheidung zwischen normativen und deskriptiven Merkmalen aufzugeben. Allerdings ist der Unterschied, dass bei den deskriptiven Merkmalen Bezugspunkt der rechtlichen Bewertung der empirisch festgestellte Sachverhalt bleibt bzw. sich die rechtliche Bewertung bei deskriptiven Merkmalen unmittelbar auf die natürlich existente Eigenschaft bezieht. Anschaulich zu diesem Abgrenzungsproblem im Bezug auf das BtMG und die Tathandlung der Einfuhr MK-StGB/Kotz Vor § 29 BtMG Rn. 107: „Deshalb wird man im Rahmen einer natürlichen Betrachtungsweise „Einführen“ noch als das Verbringen vom Ausland nach Deutschland verstehen können. Die umfassende Darstellung, wo im Einzelfall der Geltungsbereich deutschen Rechts bei der Einfuhr örtlich beginnt, bedarf indessen bereits einer juristischen Dissertation (. . .) Weiß etwa der Reisende, der sich von Polen aus auf Deutschland zu bewegt, gerade noch, dass er eine Einfuhrtat begehen würde, wenn er sich mit seinem Joint auf deutsches Hoheitsgebiet begäbe, und vermag er die Hoheitsgrenze zwischen den beiden Ländern aufgrund von Schlagbaum oder Beschilderung noch sinnlich wahrzunehmen, scheidet jede tatbestandsbezogene Wahrnehmungsmöglichkeit in den Fällen aus, in denen die Einfuhrtat rechtlich dadurch bereits als vollendet gilt, dass eine vorgeschobene Grenzabfertigungsstelle existiert, weshalb das Einführen hier im Ergebnis ein rein normatives Tatbestandsmerkmal darstellt.“ 948 So Kühl AT § 5 Rn. 92. 949 Roxin AT I § 12 Rn. 89; Warda Jura 1979, 71 (79 f.); v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 12 f. 950 Es reicht die richtige „Parallelwertung in der Laiensphäre“, vgl. hierzu Mezger, Lehrbuch, S. 328; bereits Binding Normen III, S. 148 ff.; Kaufmann, Die Parallelwertung in der Laiensphäre, 1982; Schlüchter, Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale, 1983; LK/Vogel § 16 Rn. 20 ff.; Herzberg/Hardtung JuS 1999, 1073. 951 Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 15 Rn. 43a, vgl. zu dieser Frage auch Kuhlen, Die Unterscheidung von vorsatzausschließendem und nichtvorsatzausschließendem Irrtum; diese Nicht-Abgrenzbarkeit zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum macht die herrschende Irrtumsdogmatik angreifbar, vgl. ausführlich T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 389.
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Handhabung952 der Abgrenzung, bei der man u. U. komplexen oder atypischen Bewertungsprozessen womöglich eher eine vorsatzausschließende Wirkung beimisst als Bewertungen, bei denen das Tatumstandswissen für sich ausreicht, um die Normappellfunktion beim Täter zu entfalten.953 Das gleiche Problem stellt sich bei den im Nebenstrafrecht häufigen Blanketttatbeständen954 als „unvollständige“ Normen, die zu ihrer „Ausfüllung“ auf andere Regelungen verweisen.955 Da hier die beschriebene Komplexität des rechtlichen Bewertungsvorgangs sogar einen Niederschlag im Tatbestand gefunden hat, verschärft sich der Streit rund um die Behandlung von Fehlbewertungen, etwa wenn dem Täter Irrtümer beim Zusammenlesen einer Norm unterlaufen.956 Bedenkt man, dass die Blanketttechnik nur dazu dient, den Gesetzestext zu stauchen, müsste die Strafnorm stets so zu lesen sein, als stünde in ihr der Text der Ausfüllungsnorm.957 Daher müsste man den Irrtum über das Bestehen bzw. die Gültigkeit der in Bezug genommenen Norm als solcher lediglich als Verbotsirrtum bewerten. Der gesetzgeberische Zweckmäßigkeitsgedanke958 ist aber schon der einzige Unterschied zum normativen Tatbestandsmerkmal. Der „Zusammenlesungsprozess“ kann genauso komplex sein wie die Parallelwertung in der Laiensphäre, weswegen es nicht überrascht, dass die von Fischer beschriebene „Bauchgefühls“-Rechtsprechung hier noch deutlicher hervorsticht. Der BGH konzipiert irgendwo zwischen § 16 StGB und § 17 StGB eine „weiche“ Schuld-
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Fischer § 17 Rn. 11; vgl. auch Tiedemann, Geerds-FS, 1995, S. 95 (100). Diese Vorgehensweise führt mitunter auch zu einer „negativen“ bzw. umgekehrten Probe, bei der man nachfragen kann, ob der Täter das Verbot (den Diebstahl) als solches gekannt bzw. akzeptiert hat. 954 Gerade aufgrund der Unklarheiten im Hinblick auf die Behandlung normativer Tatbestands- und Blankettmerkmale sollte zumindest feststehen, wann von einem Blankett auszugehen ist. Um weitere Unübersichtlichkeiten zu vermeiden, sollte man nur bei klaren Bezugnahmen auf andere, selbstständige Normen von Blanketten ausgehen. Dem dürfte nicht entgegnet werden können, dass es sich dann mitunter um Zufälligkeiten handele, weil sich der Gesetzgeber keine Gedanken über die Normausgestaltung und die Folgen für die Irrtumsdogmatik mache. Denn dies braucht der Gesetzgeber auch nicht zu tun, wenn sich hierzu noch keine einheitliche Kasuistik entwickelt hat bzw. entwickeln lässt. Sympathisch erscheint auch die Klassifizierung des Blanketttatbestands als gesetzestechnischer Sonderfall des normativen Tatbestandsmerkmals, vgl. LK/Vogel § 16 Rn. 38. 955 LK/Dannecker § 1 Rn. 148; Kudlich/Og ˘ lakcıog˘lu Wirtschaftsstrafrecht Rn. 46 ff.; umfassend hierzu Enderle, Blankettstrafgesetze: Verfassungs- und strafrechtliche Probleme von Wirtschaftsstraftatbeständen (2000), S. 173 ff. 956 T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 390: „Schauplatz der Rechtsunsicherheit“. 957 „Substituierbarkeitsthese“ bei NK/Puppe § 16 Rn. 37; vgl. zum Ganzen auch LK/ Vogel § 16 Rn. 37; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 16 Rn. 16; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 220 ff.; Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 15 Rn. 99; Lackner/Kühl § 17 Rn. 22 m.w. N. 958 Kohlrausch, Irrtum und Schuldbegriff im Strafrecht, 1903, S. 179 f. 953
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theorie959 oder wendet systemwidrig in Ausnahmefällen § 16 StGB an, obwohl sie von einem Blankett ausgehend das fehlerhafte Zusammenlesen von zwei Normen zumindest „technisch“ gesehen als Verbotsirrtum behandeln müsste.960 Diese Erwägungen sind nur relevant, wenn dem Täter Fehler im Rahmen eines rechtlichen Bewertungsprozesses nach richtiger Erfassung des Lebenssachverhalts unterlaufen.961 Fest steht somit, dass Irrtümer, welche die tatsächliche Wahrnehmung betreffen, jedenfalls § 16 StGB unterfallen. Diese Fallgruppe kann somit vorangestellt werden. b) Tatsächliche Irrtümer im Betäubungsmittelstrafrecht Tatsachenbezogene Tatumstandsirrtümer zu Gunsten des Täters können jedenfalls zum Vorsatzausschluss führen, ganz gleich, ob es sich um ein deskriptives, normatives oder Blanketttatbestandsmerkmal handelt. Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bleibt hiervon unberührt, vgl. § 16 I 2 StGB. aa) Der Tatsachenirrtum bzgl. der Betäubungsmitteleigenschaft (1) Verwechslungen, Unkenntnis und der „Problemfall“ Im Hinblick auf die Betäubungsmitteleigenschaft klingt dies einfacher, als die Zuordnung realiter erfolgen kann. Augenscheinlich sind damit Fälle angesprochen, in denen der Täter aufgrund einer tatsächlichen Fehlvorstellung nicht weiß, dass er mit „Drogen“ umgeht: Dies kann aufgrund schlichter Unkenntnis,962 ei959 So nimmt die Rechtsprechung beim Irrtum über das Bestehen einer Steuerpflicht einen Tatbestandsirrtum i. R. d. § 370 AO an, obwohl er die Vorschrift als Blankett bezeichnet, vgl. hierzu BGHSt 5, 90; OLG Köln StraFo 2004, 282 m. Anm. Kudlich JuS 2004, 1015; Kudlich/Og˘lakcıog˘lu Wirtschaftsstrafrecht Rn. 176. 960 Krit. Rolletschke, Rn. 122; Tiedemann ZStW 107 (1995), 597 (643 f.); erschwert wird die Bildung einer einheitlichen Kasuistik durch die Tatbestands- und Sachverhaltsakzessorietät: Schließlich macht es einen Unterschied, ob dem Futtermittelhersteller der Bewertungsfehler im Zusammenhang mit seiner „Spezialmaterie“, also beispielsweise dem LFBG bzw. WeinG unterläuft oder ob dieser andererseits Normen des WaffenG bzw. KWKG falsch „zusammenliest“. 961 Bereits der Prozess der Verwechslung setzt eine rechtliche „Vorbewertung“ des Täters („dieser Mantel gehört mir“) voraus, sodass jedem Tatsachenirrtum eine rechtliche Fehlbewertung immanent ist. Mit der Bezeichnung „Tatsachenirrtum“ sind also die Fälle gemeint, in denen die rechtliche Fehlvorstellung auf äußere Gegebenheiten und tatsächliche Zustände zurückzuführen ist (somit auch rechtliche Bewertung und Tatsachenirrtum zusammenfallen). Er soll hiermit von der Konstellation abgegrenzt werden, in welcher der Täter trotz Zugrundelegung einer richtigen Tatsachengrundlage nunmehr eine falsche rechtliche Bewertung vornimmt (also Tatsachenfeststellung und rechtliche Bewertung auseinanderfallen), etwa wenn der Täter den finanzierten Mantel wegen des Kaufvertrags (trotz damit verbundenem Eigentumsvorbehalt) in seinem Eigentum wähnt. 962 Beispielsweise bei zugeschobenen Drogen.
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ner Verwechslung oder faktischer Irrtümer über den Verwendungszweck963 der Fall sein.964 Doch ist hiermit nicht viel gewonnen, da die Anlagen die Betäubungsmitteleigenschaft positiv festlegen. Betäubungsmittel lassen sich nicht an einer bestimmten Grunddefinition festmachen, die ihrerseits bestimmte Tatsachen für die Qualifikation des Stoffes als Betäubungsmittel beinhaltete. Es erfolgt schlicht eine Zuweisung kraft Verordnung. Was ein Betäubungsmittel ist, ist quasi „legal definiert“, vgl. § 1 BtMG.965 Als Tatsache wären somit nur die konkrete, chemische Zusammensetzung des jeweiligen Stoffes einzustufen, von der praktisch nur die allerwenigsten Täter umfassend Kenntnis haben. Man müsste wissen oder zumindest davon ausgehen, dass der vorliegende Stoff die tatsächlichen Eigenschaften aufweist, die ihn zu Heroin, Kokain oder LSD machen. Die zwei unterschiedlichen „Varianten“ im vorhergehenden Satz (wissen oder zumindest davon ausgehen) dürfen nicht unterschätzt werden. Denn bei einem Täter, der eine konkrete Vorstellung hat, d.h. fest von einer bestimmten Substanz ausgeht, ergeben sich keine Probleme, da seine konkrete Vorstellung („dies ist Mehl“) der Wirklichkeit („dies ist Kokain“) gegenübergestellt werden kann.966 Dagegen tritt in der ersten Konstellation die Unzulänglichkeit des Betäubungsmittelbegriffs für die Irrtumslehre deutlich zu Tage. Denn wenn der Täter lediglich von der psychotropen Eigenschaft weiß, ihm aber weitere Kenntnisse bezüglich der Beschaffenheit insoweit fehlen, als dass er nicht fähig ist, dem Stoff einen Namen zu geben oder der Name für sich keinen Aussagegehalt hat, erscheint es schwierig einen Vorsatzausschluss kraft „Irrtums“ zu begründen.967 963 Soweit die Anlage die Betäubungsmitteleigenschaft hiervon abhängig macht; zu diesem „Sondervorsatzbezugspunkt“ siehe bereits 3. Teil A. II. 1. c), S. 170 ff. 964 Denkbar ist auch ein Irrtum über das Vorliegen von tatsächlichen Voraussetzungen für eine Herausnahme des Stoffes aus dem BtMG: Cannabis-Samen unterfallen trotz ihrer Eigenschaft als Pflanzenteile nicht dem BtMG. Ein Tatsachenirrtum läge vor, wenn die Zubereitung der Droge Samen ähnelt und der Täter denkt, es handele es sich um Cannabis-Samen; in diese Reihe gehören auch die Fälle, in denen der Täter irrtümlich davon ausgeht, das Saatgut sei zertifiziert, der THC-Gehalt halte sich innerhalb der vorgegebenen Grenzen oder der Betrieb erfülle die tatsächlichen Voraussetzungen für den Anbau von Nutzhanf, vgl. MK-StGB/Kotz § 3 BtMG Rn. 17. 965 Man könnte auch sagen: Wenn die Aufnahme des Stoffes selbst die Tatsache ist, über die geirrt wird. 966 So etwa, wenn jemand denkt, dass das im Besitz befindliche weiße Pulver das harmlose Streckmittel Lidocain sei, während es sich tatsächlich um reines Kokain handelt. Da das Lidocain einen gegenübergestellten Bezugspunkt (Kokain) hat, kann „tatsächlich“ festgestellt werden, dass Lidocain kein Kokain ist. Der Täter hat eine konkrete Vorstellung. Nun kann man dem Täter unterstellen, dass er davon ausgeht, dass der Stoff eine andere chemische Zusammensetzung hat, als Kokain. Es handelt sich wegen der Ungleichwertigkeit des Tatmittels um einen Fall des beachtlichen error in obiecto, der ggf. zur Fahrlässigkeitshaftung führt; Beispiel aus Franke/Wienroeder § 29 Rn. 36. 967 Die Betonung liegt auf tatsächlichen Unkenntnissen im Bezug auf die Beschaffenheit der Substanz! Insofern hilft die oft anzutreffende Floskel, der Täter irre um die „Eigenschaft des Stoffes als Betäubungsmittel“ überhaupt nicht weiter. Schließlich kann
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Kein Täter weiß jemals positiv um die chemische Zusammensetzung des konkreten Stoffes, mit dem er umgeht. Dann fragt es es sich, was überhaupt der Bezugspunkt des Vorsatzes sein soll: Der Name des Stoffes kann für die „Wissenskomponente“ keine Rolle spielen, da er keinen verlässlichen „Indikator“ darstellt: Die Bezeichnung eines Stoffes („Speed“) kann innerhalb der Szene divergieren und sagt somit nichts über dessen Eigenschaft als Substanz aus. Würde man verlangen, dass der Täter um die Aufnahme des Stoffes in den Anlagen weiß, würde man damit den klassischen Subsumtionsirrtum als „Tatbestandsirrtum“ behandeln müssen. Bei diesem „Problemfall“, in dem einem Täter schlicht tatsächliche Kenntnisse fehlen und er sich auch keine Vorstellungen bzgl. eines bestimmten Betäubungsmittels macht, kristallisiert sich heraus, dass die Positivliste nur „objektiv“ funktioniert, subjektiv allerdings um einen materiellen Betäubungsmittelbegriff erweitert werden muss.968 Zur Erläuterung: Der Täter geht beispielsweise davon aus, dass es sich um einen eventuell suchtfördernden bzw. gefährlichen Stoff handelt. Tatsächlich handelt es sich um Kokain, das in den Anlagen des BtMG aufgeführt ist. Nun gibt es drei Möglichkeiten. Entweder man geht streng „tatsachenakzessorisch“ davon aus, dass der Täter nicht um die Konsistenz des Stoffes als „Kokain“ weiß, weil ihm die Kenntnisse um die genaue chemische Zusammensetzung fehlen, die den Stoff zu Kokain machen. Da er auch nicht von einer bestimmten Zusammensetzung, sprich von einer bestimmten Drogenart ausgeht, müsste man mangels dolus directus ersten Grades eine Vorsatzstrafbarkeit ablehnen, auch wenn der Täter weiß, dass der weiße Stoff „high“ macht. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass man nicht erst auf die chemische Konsistenz der Stoffe abstellt, sondern die rechtliche Aufnahme des Stoffes und das Wissen hierum zum subjektiven Vorsatzanknüpfungspunkt macht. Dies fehlt hier auch (und wird wohl regelmäßig fehlen); solch eine Vorgehensweise würde überdies dazu führen, dass nahezu jede begriffliche bzw. rechtliche Unkenntnis über die genauere chemische Konsistenz zum Vorsatzausschluss führt, d.h. § 17 StGB käme nicht zur Anwendung.969 Vorzugswürdig ist die dritte Möglichkeit, in einem Zwischenschritt zu überprüfen, ob der Täter eine tatsächliche Beschaffenheit des Stoffes in Kauf nimmt, die denjenigen in den Anlagen aufgezählten Betäubungsmitteln entspricht.970 dieser Irrtum tatsachenbezogen sein, er kann allerdings auch auf der fehlerhaften Vorstellung beruhen, der Stoff sei nicht in die Anlage des BtMG aufgenommen, so auch Weber Vor § 29 ff. Rn. 363. 968 Eigentlich gelten die hier gemachten Überlegungen auch für die Fälle der Verwechslung, d.h. auch hier gilt erst einmal, dass der Täter schließlich nicht um die genaue chemische Zusammensetzung des Stoffes weiß. Aber da der Täter positiv davon ausgeht, dass es sich um Kokain handelt, nimmt er zugleich auch die chemische Zusammensetzung des Stoffes als Kokain in Kauf. 969 Möglichkeiten, von denen in der Rechtsprechung – wohl intuitiv – bereits Gebrauch gemacht wurden, vgl. noch im Folgenden, 3. Teil A. IV. 4. b) aa) (2), S. 296 ff.
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Nun braucht es allerdings anderer Tatsachenbezugspunkte als den Namen des Stoffes oder dessen chemische Zusammensetzung, da dieses Wissen beim Täter gerade fehlt. Diese tatsächlichen Parameter bilden dann Kriterien, die der Gesetzgeber seinerseits bei der Aufnahme von Betäubungsmitteln in den Anlagenkatalog berücksichtigt, also die Gefährlichkeit und unterschiedlichen Wirkungsweisen des Stoffs. M.a.W: Man kann sich aus diesem Dilemma nur befreien, indem man das tatsächliche Wissen des Täters um die „gefährliche“ und „suchtfördernde“ Eigenschaft als Indiz für einen dolus eventualis im Hinblick auf eine Gesamtbeschaffenheit des Stoffes bewertet, die es zu solch einem macht, welche zu einer Aufnahme in der Anlage des BtMG führt. Insofern würde der „Vorsatz“ des Täters im Hinblick auf einen „materiellen Betäubungsmittelbegriff“ 971 seinen dolus eventualis in Bezug auf eine konkrete chemische Beschaffenheit indizieren. Solch eine Vorsatzlösung bzw. „Indizlösung“ führt mittelbar dazu, dass tatbestandslosgelöste Aspekte zu („hinkenden“) Tatbestandsmerkmalen hochgestuft werden, doch hat man bei Tatsachenirrtümern dieser Art keine andere Wahl, weil der tatbestandliche Anknüpfungspunkt allein die chemische Konsistenz ist. Dieses Vorgehen bedeutet im Ergebnis allerdings kein Privileg desjenigen Täterkreises, der sich auskennt und sich konkrete Vorstellungen über den Stoff macht und somit häufiger Verwechslungen unterliegen kann. Schließlich geht von dem unwissenden Täter keine wesentlich niedrigere Gefahr aus, wenn dieser sich bewusst nicht weiter informiert bzw. absichtlich unwissend hält und u. U. besonders gefährliche Stoffe in den Umlauf bringt. Erst recht leuchtet dies ein, wenn man sich den Täter vor Augen führt, der positiv davon ausgeht, dass es sich tatsächlich um Kokain handle. Denn auch dieser Täter kann dies nur vermuten,972 d.h. auch hier kann der Vorsatz nur voluntative Elemente beinhalten. Niemand würde allerdings in dieser Konstellation an einer vorsätzlichen Verwirklichung eines Betäubungsmitteldelikts zweifeln. Der Unterschied ist eben, dass man in einer Konstellation unmittelbar die Beschaffenheit des Stoffes „in Kauf nimmt“ (weil man sicher von einem bestimmten Stoff ausgeht) oder erst mittelbar, indem man weiß, dass es sich jedenfalls um einen psychotrop wirkenden Stoff handelt. Bezugspunkt des Vorsatzes ist aber auch in diesen Fällen die Vorstellung des Täters von den Wirkungen des Stoffes, die er mit dem Namen in Verbindung bringt. 970 Je nachdem, ob es sich dann bei dem Stoff um Heroin statt Kokain handelt oder ob es tatsächlich nicht dem BtMG unterfällt, ist eine vollendete oder (untauglich) versuchte Begehungsweise zu prüfen. Zum Umgang mit Scheindrogen beim Handeltreiben vgl. noch ausführlich 3. Teil C. IV. 2. b) bb), S. 461 ff. 971 Das Bundesverfassungsgericht definiert Drogen als Stoffe, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen ihrer Wirkungsweise eine Abhängigkeit hervorrufen können oder deren betäubende Wirkungen wegen des Ausmaßes einer missbräuchlichen Verwendung unmittelbar oder mittelbar Gefahren für die Gesundheit begründen oder die der Herstellung solcher Betäubungsmittel dienen, vgl. BVerfG NJW 1998, 669. 972 Schließlich hat man im Regelfall kein Drogenlabor zur Verfügung, das einem die Überprüfung der konkreten Beschaffenheit des Stoffes ermöglicht.
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Konsequenterweise müsste man einen Vorsatz verneinen, wenn der Täter gehört hat, es handle sich um Kokain, aber positiv von einer unschädlichen Wirkung des Stoffes ausgeht. Erneut hat der Irrtum einen „tatsächlichen“ Einschlag und das vom Gesetzgeber tatbestandlich nicht vertypte „Motiv“ (Gefährlichkeit des Stoffes) findet Berücksichtigung. Das bloße Wort „Kokain“ als leere Hülse kann für den unwissenden Täter nicht unrechtsbegründend wirken.973 Man beachte aber, dass es sich trotz der missverständlichen Wendung „hinkendes Tatbestandsmerkmal“ um eine Indizienlösung bzw. Hilfskonstruktion handelt, die lediglich dazu führt, dass eine bestimmte Vorstellung des Täter („dieser Stoff wirkt psychotrop“) auf den dolus eventualis hinsichtlich „echter“ Tatbestandsmerkmale („dieser Stoff hat irgendeine Beschaffenheit“) deutet. Es ist somit nicht erforderlich, dass der Täter stets diese Vorstellung haben müsste. Anders gewendet: Die Einschätzung des Täters, dieser Stoff wirke nicht gefährlich, ist unerheblich, wenn er nichtsdestotrotz die chemische Beschaffenheit des Stoffes in seinen Vorsatz aufgenommen hat (er also aus anderen Gründen davon ausgeht, der Stoff weise die Eigenschaften auf, die es zu Kokain machen). Denn solch ein Vorgehen würde die Kompentenz des Gesetz- und Verordnungsgebers unterlaufen, zu entscheiden, welche Stoffe man für gefährlich halten bzw. als Droge bezeichnen darf und welche nicht. (2) Beispiele aus der Rechtsprechung zum Irrtum über die „Betäubungsmitteleigenschaft“ Die Vorgehensweise bzw. der Umgang der Rechtsprechung mit dem Irrtum über die Betäubungsmitteleigenschaft ist uneinheitlich und undurchsichtig, da man sich mit dem geschilderten Grundproblem des unklaren Vorsatzbezugspunkts noch nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat. Der BGH stellt in in einem Urteil aus dem Jahre 1975 fest, dass dem Täter kein vorsätzliches Handeln unterstellt werden darf, wenn er glaubhaft darlegen kann, dass er nicht von einer „rauschgiftäquivalenten“ bzw. gefährlichen Wirkung des Stoffes ausgegangen ist. Dies gilt selbst, wenn er den Namen des Stoffes (Haschisch) kennt, es aber für „so etwas Ähnliches wie Tabak“ hält, dessen Handel allein dem Staat zusteht.974 In eine ähnliche Richtung tendiert auch das LG Ravensburg975 in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 15.09.1997, wonach die Einlassung der Angeklagten, sie sei bei ihren Handlungen davon ausgegangen, Faserhanf könne zum Drogenkonsum nicht verwendet werden, zur Fahrlässigkeit führen soll. Auch hier sei ein 973 Dies ist auch eine Frage der Glaubhaftigkeit. Nur den Wenigsten wird man die Einlassung abnehmen, man habe gedacht, es handele sich bei Kokain um ein ungefährliches Reinigungsmittel. 974 BGH v. 15.04.1975 – 5 StR 36/75. 975 LG Ravensburg NStZ 1998, 306.
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„tatsächlicher“ Irrtum gegeben, wenn der Täter aufgrund der Untauglichkeit des Stoffes zum Konsum von einer fehlenden Betäubungsmitteleigenschaft ausgeht. Dass die Kammer den Irrtum letztlich „durchgehen“ lässt,976 ist bei solch einem atypischen Fall, der mit einem amtsgerichtlich abgelehnten Strafbefehl begann und an den Grenzen der drogenstrafrechtlichen Kriminalpolitik schrammt, keine echte Überraschung. Doch sie erscheint im Hinblick auf die oben gemachten Überlegungen zweifelhaft977, da die Angeklagte eben grundsätzlich wusste, womit sie umgeht, dem Stoff also einen Namen geben konnte und in ihren Vorsatz eben jene Grundkonsistenz (THC) aufnahm.978 Auch die Vorstellung, Cannabispflanzen mit einem geringen THC-Gehalt (unter 0,2%) seien ungefährlich979, führt nicht zum Vorsatzausschluss, da die positive Kenntnis des Täters um die Eigenschaft des Stoffes als Cannabis die „eigene Gefährlichkeitsprognose“ überlagert.980 Als weiteres Beispiel sei ein Urteil des BGH vom 12.11.1991 genannt981: Zwei US-Staatsbürger trieben Handel mit Ecstasy-Tabletten, wobei sie davon ausgingen, dass der Umgang mit MDMA in der Bundesrepublik noch nicht strafbar sei.982 Das Urteil beschäftigt sich weitgehend mit Strafanwendungsrecht und der Senat nimmt ohne Weiteres hin, dass die Vorinstanz mit Sorgfaltspflichtmaßstäben arbeitend bereits einen vorsatzausschließenden Irrtum zugrunde legt: „Bei Aufwendung der erforderlichen und ihnen zumutbaren Sorgfalt – so meint die 976 Bzw. die Behauptung, die Angeklagte habe den Faserhanf wegen seiner fehlenden Missbrauchsgefahr nicht als Betäubungsmittel qualifiziert. 977 Krit. auch Körner (VI) § 29 Rn. 95. 978 An dieser Stelle wird nochmals deutlich, dass es auch eine Frage der tatrichterlichen Überzeugungsbildung ist, ob man dem Täter solch einen Irrtum (er halte Kokain nicht für eine Droge, sondern für eine irgendwie anderweitig verbotene Sache) abnehmen kann. Im Falle des LG Ravensburg wusste die Täterin, dass Cannabis grundsätzlich ein Betäubungsmittel ist, wovon auch der Tatrichter überzeugt war. 979 LG Nürnberg-Fürth v. 10.02.1997 – 6 Ns 353 Js 17901/96. 980 Diese unterschiedliche Behandlung muss hingenommen werden, da der Gesetzgeber die Einordnung der Stoffe als Betäubungsmittel eben grundsätzlich nicht von ihrer Gefährlichkeit oder psychotropen Wirkung abhängig macht, d.h. der Rückgriff auf den materiellen Betäubungsmittelbegriff ist nur in den Fällen von tatsächlicher Unkenntnis notwendig. 981 BGH StV 1992, 155; in der betäubungsmittelrechtlichen Kommentarliteratur weiß man nichts mit dem Urteil anzufangen, vgl. Weber § 29 Rn. 32: „a. A. möglicherweise. . .“ 982 Dass die Beteiligten keinem tatsächlichen Irrtum unterlagen, ergibt sich aus den Urteilsfeststellungen, wo es heißt: „Den Angeklagten G. und Dr. G. war zum Zeitpunkt ihrer Beteiligung nicht bewußt, daß es sich bei MDMA um einen nicht verkehrsfähigen Stoff handelte, der aufgrund der Zweiten Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung vom 23. Juli 1986 (BGBl. I S. 1099) in die Anlage zu § 1 I BtMG aufgenommen worden war (. . .). Dies rührte vor allem daher, daß bei der Firma I. – Chemie GmbH für die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit von Produktionen niemand zuständig war und daß in diesem Unternehmen ein Text des geltenden Betäubungsmittelgesetzes und eine aktuelle Liste der verbotenen Stoffe nicht vorhanden waren.“
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Strafkammer – hätten die Angeklagten G. und Dr. G. jedoch unschwer erkennen können, daß die hergestellte Substanz zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln gehörte.“ Es ist nicht nachvollziehbar, warum man zur Fahrlässigkeit gelangt, obwohl die Täter kein tatsächliches Wissensdefizit aufweisen. Ob sich der BGH seinerseits von dieser Feststellung mit der Wendung „so meint die Strafkammer“ distanziert, bleibt offen. Im Ergebnis behandelt das Gericht aber die als typisches Beispiel für den unbeachtlichen Subsumtions- bzw. direkten Verbotsirrtum genannte Konstellation nach § 16 I 2 StGB. (3) Der umgekehrte Tatbestandsirrtum Im Bereich des umgekehrten Tatbestandsirrtums ergeben sich logischerweise ähnliche Probleme.983 Wenn der Täter irrtümlich von einem gefährlichen Stoff ausgeht (ohne die konkrete Vorstellung zu haben, es handele sich um Koks984 oder Haschisch), es sich jedoch tatsächlich um Koffeintabletten handelt, müsste man – basierend auf den oben angestellten Überlegungen – davon ausgehen, dass der Täter eine bestimmte Konsistenz mit in Kauf nimmt, sodass ein umgekehrter Irrtum in Form des untauglichen Versuchs und nicht nur ein strafloses Wahndelikt vorliegt.985 In eine andere Richtung tendiert das OLG Köln986 in seinem Beschluss vom 19.08.1983: Nach den tatrichterlichen Feststellungen wurde dem Angeklagten erklärt, das von ihm nach Deutschland zu transportierende Pulver habe sein Mittelsmann von einem Holländer als „Speed“ gekauft. Der Angeklagte ging daher davon aus, dass es sich bei dem Stoff jedenfalls um einen psychoaktiven, sucht983 Was im Hinblick darauf, dass der untaugliche Versuch des Handeltreibens letztlich zur Vollendungsstrafbarkeit führt nicht unterschätzt werden darf. 984 Geht der Täter von einem bestimmten Stoff aus, wie etwa Kokain, liegt insofern eindeutig ein untauglicher Versuch vor, dessen Behandlung von der konkreten Tathandlung abhängt, vgl. BGH NStZ 2002, 439; Kochsalz für Kokain bei BGH StV 1982, 347; Paracetamol statt Heroin bei BGH NStZ 1992, 191; Vitamintabletten statt Exstasy bei BGH StV 1997, 638 und Henna-Haarfärbemittel als Haschischpulver bei BGH NStZ 2000, 95. 985 Wobei über eine Anwendung des § 23 III StGB nachgedacht werden kann, wenn die Nicht-Betäubungsmitteleigenschaft (Verpackung der Droge etc.) evident war. Zum umgekehrten Verbotsirrtum („Wahndelikt“) Streng GA 2009, 529; ders. ZStW 109 (1997), 862 grundsätzlich zum Irrtum i. R.e. versuchten Delikts. 986 OLG Köln MDR 1979, 251; MDR 1984, 75: Das Tatgericht wird nicht davon entbunden, den konkreten Handel in den Urteilsfeststellungen genauestens zu benennen, vgl. hierzu Körner (VI) § 29 Rn. 243. Doch sind die Anforderungen an die Urteilsfeststellungen streng von der Frage zu trennen, welche Voraussetzungen man materiellrechtlich sowie prozessual (im Hinblick auf die richterliche Überzeugungsbildung) für die Bejahung des Vorsatzes bzgl. eines Betäubungsmittels stellt. Auch nach hier vertretener Auffassung bliebe das erstinstanzliche Urteil also anfechtbar, wenn es (1.) den Stoff selbst nicht konkret benannt hat und (2.), soweit die Angeklagten sich nicht hierzu geäußert haben, nicht ausreichend darlegt, warum man einen Vorsatz annimmt.
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fördernden Stoff handelte (auch wenn der Trivialname „Speed“ für verschiedene Amphetamin- und Weckaminarten in der Szene steht), wobei er tatsächlich nur das dem BtMG nicht unterfallende Prokain zu Fuß über die Grenze in die Bundesrepublik brachte. Das OLG Köln lässt die Vorstellung des Täters, es handele sich um „Speed“, nicht ausreichen, um den Vorsatz im Bezug auf die Betäubungsmitteleigenschaft zu bejahen. Wegen der Mehrdeutigkeit des Begriffes „Speed“ in der Drogenszene987 hätte die Strafkammer für den Angeklagten näher feststellen müssen, „ob er sich unter dem Ausdruck Speed eine Substanz vorstellte, die unter das BtMG fällt“. Diese Argumentation ist nichtssagend,988 weil sich aus ihr nicht ergibt, ob der Senat hiermit eine tatsächliche oder rechtliche Vorstellung meint. Sollte sie die tatsächliche Fehlvorstellung meinen, fragt es sich, welche sonstigen Sachverhaltsfeststellungen das Tatgericht hätte treffen sollen, um davon ausgehen zu können, dass der Täter von einer Betäubungsmitteleigenschaft ausging. Schließlich brachte er den Stoff geheim über die Grenze989; zudem spricht die Mehrdeutigkeit des Begriffes in der Szene gerade dafür, dass der Täter eine Betäubungsmitteleigenschaft billigend in Kauf nahm. Die Argumentation des OLG Köln bleibt somit nur konsequent bzw. tragbar, wenn man die volle Kenntnis von der Beschaffenheit des Stoffes oder das Wissen um die Aufnahme in die Anlagen des BtMG voraussetzt (die ersten zwei der genannten drei Möglichkeiten also). (4) Zwischenfazit Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das System der Positivliste den Rechtsanwender im ersten Schritt darüber im Unklaren lässt, auf welche „tatsächlichen Umstände“ sich der Vorsatz des Täters zu beziehen hat. Da außerhalb der Anlagen jede Menge weitere und ähnliche Substanzen existieren, die Positivliste allerdings „abschließend“ die unter das BtMG fallenden Stoffe aufzählen soll, wurde hier herausgearbeitet, dass allein die chemische Zusammensetzung der Substanz maßgeblich ist. Dies ist unschädlich, solange der Täter „glaubt zu wissen“, d.h. schlicht fest von einer bestimmten Zusammensetzung ausgehend die chemische Verbindung jeweils in seinen Vorsatz aufnimmt. Davon ist auszugehen, wenn sich der Täter eine ganz bestimmte Substanz (Heroin, Kokain) vorstellt. Problematisch wird es dagegen, wenn der Täter keine konkrete Drogenart und somit auch keine bestimmte chemische Zusammensetzung in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Handelt es sich nun objektiv um ein Betäubungsmittel, also um einen Stoff, der in den Anlagen I–III des BtMG aufgeführt ist,990 muss der 987
Zum Trivialnamen „Speed“ vgl. Körner (VI) C 1 Rn. 413. Siehe bereits Fn. 967 in Teil 3. 989 OLG Köln MDR 1984, 75. 990 Das heißt der Stoff muss nicht objektiv Berauschungsqualität haben oder bereits konsumfähig sein: Solch eine Auffassung würde geradezu dazu auffordern, die Stoffe 988
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subjektive Tatbestand durch einen „materiellen Betäubungsmittelbegriff“ angereichert werden. Hier könnte man sich an der Definition des Bundesverfassungsgerichts orientieren, wonach es sich dabei um Stoffe handelt, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen ihrer Wirkungsweise eine Abhängigkeit hervorrufen können oder deren betäubende Wirkungen wegen des Ausmaßes einer missbräuchlichen Verwendung unmittelbar oder mittelbar Gefahren für die Gesundheit begründen oder die der Herstellung solcher Betäubungsmittel dienen.991 Dabei gilt, dass die Vorstellung des Täters, er gehe mit solch einer Substanz um, nur indiziert, dass er irgendeine Substanz (von vielen!) in Kauf nimmt, die in concreto ebenfalls in den Anlagen aufgeführt ist. Fehlt es an diesem Indiz, wird der subjektive Tatbestand regelmäßig zu verneinen sein.992 Insofern entpuppt sich die Konstellation unvollständiger Tatsachenkenntnis um den Stoff also als eine betäubungsmittelstrafrechtliche Fallgruppe des „dolus alternativus“ 993: Es geht um Fälle, in denen eine vorsätzliche Handlung des Täters verschiedene Straftatbestände als Bezugspunkte hat, die regelmäßig994 nur alternativ eintreten können. Hier ist umstritten, ob dem Täter neben der Vollendungsstrafbarkeit wegen des tatsächlich verwirklichten Tatbestands auch der Versuch der alternativ in Betracht gezogenen Tatbestandsverwirklichung zum Vorwurf gemacht werden kann.995 Dies trifft auf die vorliegende Konstellation zu. Da der Täter „irgendeine“ Beschaffenheit des Stoffes in Kauf nimmt, bezieht er mindestens drei Möglichkeiten996 in seinen Vorsatz ein: Es handelt sich in ihrer chemischen Konsistenz (Tatsachenirrtum!) um Stoffe, die entweder Betäubungsmittel gem. §§ 29 ff. BtMG, Arzneimittel i. S. d. §§ 95 ff. AMG997 oder Grundstoffe oder Zubereitungen durch Manipulationen (z. B. Streckung unter die Wirksamkeitsgrenze oder Einbringung in nicht konsumfähige Trägerstoffe) dem Anwendungsbereich des BtMG zu entziehen, um sie später nach Belieben wieder in konsum- und rauschfähige Darreichungsformen zurückzuführen, vgl. BayObLGSt 2002, 135. 991 BVerfG NJW 1998, 669. 992 Umgekehrt reicht eine zutreffende „Vorstellung von den psychotropen und abhängigkeitserzeugenden Eigenschaften und Wirkungsweisen der Substanzen“, vgl. MKStGB/Rahlf zum Handeltreiben § 29 BtMG Rn. 332. 993 Zum Begriff des dolus alternativus v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 15 Rn. 26; Wessels/Beulke Rn. 231 ff.; Kühl AT § 5 Rn. 27a/b; Rengier AT § 14 Rn. 48; Satzger Jura 2008, 119; NK/Zaczyk § 22 Rn. 20; Roxin AT I § 12 Rn. 92 f.; Sch/Sch/SternbergLieben § 15 Rn. 91. 994 Im Falle von Betäubungsmitteln besteht die Besonderheit, dass bestimmte Substanzen sowohl dem BtMG als auch dem AMG unterfallen können. Dann wandelt sich der dolus alternativus in einen dolus cumulativus um, doch dürfte der Vorrang des schwerwiegenderen Delikts als Grundregel bestehen bleiben. 995 Zum Ganzen Wessels/Beulke, Rn. 231 ff.; Lackner/Kühl § 15 Rn. 29. 996 Anders im klassischen Lehrbuch-„Wildererfall“, in welchem der Täter nur zwei Alternativen vor Augen hat, „Jäger oder Jagdhund“, vgl. Kühl AT § 5 Rn. 27a. 997 In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass das deutsche Arzneimittelrecht im Gegensatz zum BtMG nach § 2 AMG einen materiellen Arzneimittelbegriff, mithin eine echte Legaldefinition bereitstellt.
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i. S. d. § 19 ff. GÜG sind (die vierte Alternative, nämlich, dass es keines dieser Eigenschaften aufweist, ist irrelevant).998 Soweit auf Grundlage des materiellen Betäubungsmittelbegriffs ein Vorsatz im Bezug auf die Gefährlichkeit sowie psychoaktive bzw. suchtfördernde Wirkung des Stoffes bejaht wurde, ist die fehlende genaue Kenntnis um die Stoffkonsistenz unschädlich, weil billigend in Kauf genommen. Der Täter hat dann Vorsatz im Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „Betäubungsmittel“, was dazu führt, dass die sonstigen Vorsatzbezugspunkte bzw. eventuell mitverwirklichten Tatbestände i. S. d. herrschenden Konkurrenzlösung999 verdrängt werden. bb) Sonstige Tatsachenirrtümer Verhältnismäßig einfacher, aber seltener sind Tatsachenirrtümer im Hinblick auf die Tathandlungen des BtMG selbst. Schließlich beziehen sich diese Handlungen unmittelbar auf ein Betäubungsmittel und sind als einfach beschriebene Tätigkeiten keinen tatsächlichen Irrtümern zugänglich. Was hiermit gemeint ist, sei am Beispiel des Anbaus veranschaulicht: Kippt der Täter Wasser aus seinem Balkon auf den Garten des vorübergehend nicht anwesenden Nachbarn und bewässert so die fast verdorrten Cannabispflanzen, ohne hiervon zu wissen, baut er zwar nicht vorsätzlich an; dies aber schon deswegen, weil er keinen Vorsatz im Hinblick auf das Merkmal „Betäubungsmittel“ hat. Für sich gesehen wüsste er schließlich, dass die Bewässerung von Pflanzen für deren Aufzucht und Gedeihen geeignet ist. Nur wenn die Tathandlungen nicht ausschließlich am Merkmal „Betäubungsmittel“ hängen, kommt sonstigen Tatsachenirrtümern eigenständige Bedeutung zu. Dies ist beispielsweise bei den Transporttatbeständen der Fall, deren Verwirklichung vom Überschreiten einer Grenze abhängig ist. Wenn ein Grenzschild ohne Kenntnis des Täters nach hinten verschoben wurde, ist solange keine vollendete Einfuhr anzunehmen, bis der Täter die Grenze tatsächlich überschritten hat.1000 Im Einzelfall können internationale Abkommen die Grenze gem. § 2 II BtMG „unsichtbar“ bzw. „normativ“ verschoben haben, in dem sie Erweiterungen oder Einschränkungen des Geltungsbereichs der Einfuhrvorschrift regeln. Dann kommt nur eine rechtliche Fehlbewertung im Rahmen eines normativen Tatbestandsmerkmals in Betracht. Da dem Täter in derartigen Fällen die Bedeutungskenntnis fehlen dürfte, weil er die Grenze sinnlich nicht wahrnehmen kann und sich diese Verschiebung auch nicht aus dem Normbefehl ergibt, liegt in der998 Mindestens deswegen, da beispielsweise auch vorstellbar ist, dass die Substanz anderen Gefahrstoffgesetzen (ChemG, AbfallG etc.) unterfällt. Ähnlich – ohne auf die Problematik des dolus alternativus einzugehen – MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 166. 999 Zum Verhältnis von AMG, BtMG und GÜG zueinander § 81 AMG sowie BGHSt 43, 336. 1000 Davor kommt ein untauglicher Versuch in Betracht.
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artigen Fällen ein Vorsatzausschluss nicht fern. Ebenso dürfte in den beschriebenen Transitfällen ein Einfuhrvorsatz auszuschließen sein, wenn dem Täter der Vorsatz bezüglich des Abgrenzungsmerkmals1001 – tatsächliches zur Verfügung stehen – fehlt, und er beispielsweise irrtümlich davon ausgeht, dass wegen der kurzen Aufenthaltsdauer oder den Betriebsbestimmungen nicht die Möglichkeit besteht, sein Gepäck heraus zu verlangen.1002 Im Bezug auf die Einfuhr wurde dargestellt, dass der Tatbestand auch dem Irrtum über den Kausalverlauf zugänglich ist und welche Voraussetzungen an die Wesentlichkeit des Irrtums zu stellen sind, soweit man nicht schon die objektive Zurechnung verneint hat.1003 Weitere Tatsachenirrtümer, die sich nicht auf das Merkmal des Betäubungsmittels beziehen, kommen beispielsweise bei § 29 I Nr. 9 BtMG in Betracht, wenn der Täter über die Richtigkeit bzw. Vollständigkeit seiner Angaben irrt, etwa weil er schlicht vergisst, die für die Verschreibung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen. Wenn der Finanzier nicht weiß, dass die Taten „für“ eine Betäubungsmitteltat verwendet werden sollen, stellt er nicht vorsätzlich Geldmittel bereit, § 29 I Nr. 13 BtMG. Der Irrtum über das Alter des Jugendlichen bei § 29 I Nr. 2 BtMG führt ebenso zum Vorsatzausschluss,1004 wie wenn der Täter nicht einmal ein sachgedankliches Mitbewusstsein im Hinblick auf das Mitsichführen einer Waffe gem. § 30a I Nr. 2 BtMG hat.1005 Bei der nicht geringen Menge gem. § 29a Nr. 1 BtMG scheidet eine vorsätzliche Begehungsweise aus, wenn der Täter fest von einer bestimmten Wirkstoffmenge unterhalb der Grenze ausgeht. Der Begriff der nicht geringen Menge ist ein normatives Tatbestandsmerkmal, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung konkretisiert. Der BGH hat sich für ein einheitliches Berechnungsmodell entschieden, wobei er den höheren Untersuchungsaufwand im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen hat und auf die Wirkstoffmenge der jeweiligen Droge abstellt.1006 Auch hier gilt der Grundsatz der Parallelwertung in der Laiensphäre, d.h. der Täter muss nicht um die genaue Berechnungsmethode wissen, auch die Kenntnis um eine hohe (objektiv nicht maßgebliche) Gewichtsmenge kann für eine Bedeutungskenntnis ausreichen, soweit er von einer höheren Gefährlichkeit bzw. besseren Qualität des Stoffs „als sonst“ ausgeht und sich sein Handeln somit 1001
3. Teil A. II. 1. c) cc) (2), S. 177 ff. Vgl. MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1003. Gleiches gilt für den „Bodypacker“, der davon ausgeht, während der Aufenthaltszeit nicht auf die Drogen zugreifen zu können, vgl. hierzu Og˘lakcıog˘lu/Henne-Bruns/Wittau NStZ 2011, 73. 1003 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 150 ff.; zum Versuch trotz Grenzübertritt vgl. auch noch 3. Teil C. II. 1. a) bb), S. 407 ff. 1004 MK-StGB/Kotz § 29a BtMG Rn. 25; zu den Anforderungen an die Urteilsbegründung bei Jugendlichen im Alter zwischen 16 3/4 und 17 1/2 vgl. OLG Köln NJW 1999, 1492. 1005 BGH NStZ-RR 2003, 12; Weber § 30a Rn. 128. 1006 Zur Berechnungsmethode BGHSt 33, 8; 42, 262; Körner/Patzak § 29a Rn. 52. 1002
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auf ein größeres Unrecht erstreckt.1007 Da man die Wirkstoffmenge zwar empirisch feststellen kann, sie aber nicht „auf den ersten Blick“ sichtbar ist, kann in Fällen niedriger Gewichtsmengen und Drogen von hoher Qualität der subjektive Tatbestand zu verneinen sein, wenn der Täter nicht von einem derart ausgeprägten Reinheitsgrad der abgesetzten Droge ausging. Da die im Rahmen des Vorsatzes dargelegten Überlegungen zur Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit greifen,1008 sprechen die äußeren Umstände (Milieu, Geschäftsbeziehung, Professionalität) meist dafür, dass der Täter im Allgemeinen mit jedem Reinheitsgrad einverstanden ist.1009 Daher sind beachtliche Tatsachenirrtümer im Bezug auf den Mengenbegriff selten, da es sich bei den Tätern meist um professionelle Dealer handelt, die den Stoff vor sich haben bzw. die Menge die Maßeinheit ist, mit der man „gedealt“. Gewerbsmäßige Dealer handeln im Hinblick auf den Reinheitsgrad nicht selten mit einem dolus directus ersten Grades. Wenn der Täter hierbei die Gewichtsmenge für maßgeblich erachtet, obwohl tatsächlich die Wirkstoffmenge entscheidend ist, unterliegt er einer rechtlichen Fehlbewertung über die Berechnungsmethode, sodass es sich um einen klassischen Subsumtions- und gerade nicht um einen Sachverhaltsirrtum handelt. Derartige Fehlbewertungen über die Berechnungsmethode sowie die von der Rechtsprechung gesetzten Grenzen führen auch nicht zum Ausschluss der Bedeutungskenntnis, da der Täter um die das Unrecht erhöhenden Umstände weiß. Auch die Bedeutung von Blankettirrtümern darf im Betäubungsmittelstrafrecht nicht unterschätzt werden. Zwar verwendet das BtMG nicht durchweg das Blankettsystem (wie etwa die §§ 95 ff. AMG), doch finden sich in den § 29 I Nr. 5–7 BtMG Vorschriften, die ein „Handeln entgegen“ einer verwaltungsrechtlichen Vorschrift voraussetzen und somit als Blanketttatbestände zu qualifizieren sind. Als Tatsachenirrtum nach § 16 StGB wäre die irrtümliche Annahme über die tatsächlichen Verschreibungsvoraussetzungen gem. § 29 I Nr. 6a BtMG zu nennen; so etwa, wenn der behandelnde Arzt davon ausgeht, dass eine Substitutionsbehandlung aufgrund des (durch den Patienten manipulierten) Gesundheitszustands dringend indiziert ist.1010 Derartige Konstellationen sind von rechtlichen Fehlbewertungen des Arztes1011 zu unterscheiden. Unter Zugrundelegung der h. M.1012 wirkt die Vorstellung des Täters, er habe tatsächlich eine Erlaubnis erlangt bzw. diese sei existent,1013 tatbestandsaus1007
Weber § 29a Rn. 144 f. 3. Teil A. II. 1. d) bb), S. 188 ff. 1009 BGH NStZ-RR 1997, 121. 1010 BGHSt 37, 383; MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1034. 1011 Insbesondere bzgl. der Reichweite seiner ärztlichen Befugnisse. 1012 Vgl. 3. Teil A. III. 3. b) aa), S. 239 ff. 1013 Tatsächlich handelt es sich aber um eine abgelaufene Bescheinigung oder um einen missverständlich formulierten Ablehnungsbescheid; dass die hier dargelegten Beispiele konstruiert wirken, wird nicht bestritten. Sie werden dennoch dargestellt, um ver1008
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schließend, unabhängig davon, ob er die Erlaubnis für wirksam hält oder nicht.1014 Ebenso führen tatsächliche Irrtümer über die Voraussetzungen des § 4 BtMG zum Vorsatzausschluss.1015 Auch nach hier vertretener Ansicht ergäben sich keine Unterschiede: Schließlich führten tatsächliche Irrtümer im Bereich eines Rechtfertigungsgrundes zu den Regeln des „Erlaubnistatbestandsirrtums1016“, welcher nach der vorzugswürdigen h. M. zumindest in seinen Rechtsfolgen vorsatzausschließend wirkt.1017 Geht der Täter davon aus, keiner Erlaubnis zu bedürfen, hat dies noch keinen Aussagegehalt über die rechtliche Behandlung solch einer Vorstellung: Schließlich kann diese rechtliche Fehlbewertung auf einem tatsächlichen Irrtum über die Betäubungsmitteleigenschaft basieren. Hat man den Vorsatz im Hinblick auf die Betäubungsmitteleigenschaft bejaht und kommen keine sonstigen tatsächlichen Irrtümer in Betracht, handelt es sich um einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB. c) Rechtliche Fehlbewertungen im Betäubungsmittelstrafrecht im Spannungsfeld zwischen Vorsatz- und Schuldausschluss Die Abgrenzung zum Schuldausschluss nach § 17 StGB erschwert sich bei rechtlichen Fehlbewertungen des Täters, die sich auf normative Tatbestandsmerkmale oder Blankettmerkmale beziehen. Insofern bietet es sich auch hier der Übersichtlichkeit halber nochmals an, zwischen Irrtümern im Bezug auf das normative Tatbestandsmerkmal „Betäubungsmittel“ und sonstigen normativen Tathandlungen (beispielsweise Handeltreiben) zu unterscheiden.
schiedene Beispiele für Tatsachenirrtümer aufzuzählen und so einer Vermengung von Irrtümern tatsächlicher Natur und solchen mit rechtlichem Einschlag vorzubeugen. 1014 Der Irrtum bleibt „tatsächlich“, weil der Täter keine eigene rechtliche Wertung vornehmen muss, wenn er davon ausgehen darf, eine Erlaubnis erteilt bekommen zu haben. 1015 Diesbezüglich sind tatsächliche Fehlvorstellungen kaum denkbar, da der Tatbestand nur normative Merkmale bereit stellt, die ihrerseits nur rechtlichen Fehlbewertungen zugänglich sind. Etwa die Fehlvorstellung, man gehöre noch zum personellen Anwendungsbereich der Vorschrift, obwohl einem die Polizisten- bzw. Beamteneigenschaft zwischenzeitlich aberkannt wurde, vgl. MK-StGB/Kotz § 3 BtMG Rn. 17; unklar BGH NStZ 1996, 338. 1016 Gasa JuS 2005, 890; Herzberg JA 1989, 243, 294; Stiebig Jura 2009, 274; Rengier AT § 30 Rn. 1 ff. 1017 Kühl AT § 13 Rn. 77; StK-Joecks § 16 Rn. 46; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 16 Rn. 21; Roxin AT I § 14 Rn. 62 ff.; Wessels/Beulke Rn. 467; aus der Rechtsprechung zum Erlaubnistatbestandsirrtum BGHSt 32, 243 (248); 45, 219 (224); zur Veranschaulichung für den „typischen Erlaubnistatbestandsirrtum“ im BtMG ließe sich der Rettungssanitäter-Fall BGH NStZ 2001, 530 nennen: Dort verabreicht ein Rettungssanitäter einem komatösen Abhängigen eine Narcanti-Injektion (Anlage III des BtMG), da er andernfalls den alsbaldigen Todeseintritt befürchtet; dabei verkennt er, dass der ebenfalls anwesende Notarzt seinerseits bereits eine solche Injektion verabreicht hat. Zu denken bleibt gem. § 16 I 2 StGB an eine Fahrlässigkeitshaftung.
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aa) Rechtsirrtümer im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelbegriff (1) Tatsachenkenntnis = Bedeutungskenntnis? Der enge Bezug zum Rechtsirrtum ergab sich beim Betäubungsmittelbegriff schon beim Tatsachenirrtum und überrascht nicht, da das Tatbestandsmerkmal „Betäubungsmittel“ als der wesentliche Bezugspunkt des Vorsatzes im Betäubungsmittelstrafrecht ein normatives Tatbestandsmerkmal darstellt.1018 Dass der Täter auch häufig rechtlichen Fehlbewertungen unterliegen kann, ergibt sich daraus, dass das Merkmal aufgrund der Verordnungsermächtigung nach § 1 III BtMG ständig im Fluss ist und somit die „Dynamik“ eines Blankettmerkmals aufweist.1019 Rechtliche Fehlbewertungen können dem Täter dann unterlaufen, wenn er tatsächlich den Sachverhalt vollends und unverfälscht wahrgenommen (bzw. solch einen zumindest in Kauf genommen hat), ihm aber entweder die Bedeutungskenntnis im Bezug auf sein Tun fehlt – dann Vorsatzausschluss – oder sein Verhalten trotz Bedeutungskenntnis nicht unter die Strafvorschrift des § 29 BtMG subsumiert. Nach dem hier vertretenen Lösungsansatz stellen sich allerdings keine Probleme, da die Vorschrift dem Täter trotz der Eigenschaft des Betäubungsmittels als „normatives“ Merkmal durch und durch keine „rechtliche Bewertung“ – wie etwa bei der Fremdheit gem. § 242 StGB – abverlangt. Insofern handelt es sich beim Begriff des Betäubungsmittels um ein Merkmal, das man „normativ festsetzt“, aber keiner weiteren normativen Bewertung bedarf. Somit reicht bereits das tatsächliche Wissen um den Umgang mit einem gefährlichen bzw. psychotropen Stoff aus, um eine Bedeutungskenntnis (Stichwort „Parallelwertung in der Laiensphäre“) anzunehmen. Das Wissen um diese Umstände indiziert in diesem Fall die Bedeutungskenntnis, da der rechtlich-soziale Bedeutungsgehalt (kein Umgang mit gefährlichen, suchtfördernden oder psychotropen Substanzen) gerade an diesem Umstand selbst hängt. Nur wenn der Gesetzgeber selbst bzw. im Falle des BtMG der Verordnungsgeber diesen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt modifiziert, indem er ihn von bestimmten Parametern, wie der Zweckrichtung für den Anbau des Betäubungsmittels, seiner Konsistenz oder der Art des Saatguts abhängig macht und somit nicht mehr der Stoff allein maßgeblich ist, könnte die Bedeutungskenntnis bei Fehlvorstellungen um diese Ausschlussgründe angezweifelt werden. Dies würde dem Gesichtspunkt Rechnung tragen, dass in diesem Bereich durch die Statuierung von Ausnahmeregelungen die Signalwirkung herabgesenkt ist und der Normbefehl blankettartig zusammengelesen werden muss.
1018
Weber Vor § 29 Rn. 311; MK-StGB/Kotz Vor § 29 BtMG Rn. 101. Auch in technischer Hinsicht wird die Norm durch den Blick in die Anlagen genauso zusammengelesen wie ein Blankett. 1019
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Auf der anderen Seite richten sich gerade diese Ausnahmevorschriften an professionelle Fachleute wie Pharmazeuten etc., bei denen man eine Bedeutungskenntnis bezüglich ihres Tuns auch bei Modifikationen des Betäubungsmittelbegriffs nicht in Abrede stellen kann. Daher sollten auch Fehlbewertungen, die dem Täter während des Zusammenlesungsprozesses i. w. S. unterlaufen, als Verbotsirrtümer gem. § 17 StGB behandelt werden, wobei das Kriterium der Vermeidbarkeit flexibel genug sein dürfte, um den unterschiedlichen Kenntnisgrad der Normadressaten zu berücksichtigen. In Einzelfällen tendiert man dazu, bei rechtlichen Fehlbewertungen, die zugleich einen tatsächlichen Irrtum bezüglich der Gefährlichkeit des Stoffes beinhalten,1020 die vermutete Bedeutungskenntnis des Normadressaten als widerlegt zu betrachten.1021 (2) Irrtum über die Notwendigkeit einer Erlaubnis Soweit man die Betäubungsmitteleigenschaft in seinen Vorsatz aufgenommen hat, könnte man dennoch dem Irrtum unterliegen, keiner Erlaubnis für den Umgang zu bedürfen. Teilweise will man dann, soweit die Erlaubnis (wie nach h. M.) ein unrechtsbegründendes Tatbestandsmerkmal sein soll, den Vorsatz des Täters ausschließen, weil er einem Tatbestandsirrtum unterliege. Die h. M. orientiert sich dagegen weiterhin an der klassischen Unterscheidung zwischen Rechts- und Tatsachenirrtum und geht somit davon aus, dass in diesen Fällen der Umgang mit dem Betäubungsmittel die Bedeutungskenntnis indiziert. Irrt der Angeklagte also über die rechtliche Notwendigkeit einer behördlichen Erlaubnis in Kenntnis der tatsächlichen Umstände, nimmt die h. M. einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum an.1022 Lediglich bei tatsächlich bedingten Irrtümern rund um die Erlaubnis bleibt ein Vorsatzausschluss denkbar (also bei der Vorstellung, eine Erlaubnis liege vor1023). (3) Irrtum über die Zugehörigkeit des Stoffes in eine bestimmte Anlage (I, II oder III?) Eine gewisse Sonderstellung nimmt der Irrtum über die Zugehörigkeit eines Stoffes in eine bestimmte Anlage des BtMG ein. Dies spielt für die Strafbarkeit 1020 Der Täter denkt, junge Pflanzen unterfielen mangels psychotropem Wirkstoff nicht dem BtMG. 1021 Dies führt dazu, dass bloße Rechtsirrtümer doch zu einem Vorsatzausschluss führen, vgl. oben LG Ravensburg NStZ 1998, 306; krit. Körner/Patzak § 29 Teil 2 Rn. 70. 1022 Unklar Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 218, der an dieser Stelle plötzlich vom „Rechtswidrigkeitsmerkmal“ spricht. 1023 Hier wird erneut deutlich, wie wichtig eine klare Terminologie ist; denn auch dieser Täter stellt sich vor, dass eine „Erlaubnis nicht notwendig“ sei, nur basiert diese Vorstellung nicht auf einer rechtlich irrelevanten Subsumtion, sondern auf dessen tatsächlicher Vorstellung, es liege ein Schriftstück vor, in dem ihm der Umgang mit Betäubungsmittel erlaubt werde.
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eines Arztes eine Rolle, der kontraindiziert gem. § 29 I Nr. 6a BtMG Betäubungsmittel verschreibt. Schließlich sind nur die Betäubungsmittel der Anlage III verschreibungsfähig. Zahlreiche Stimmen in der Literatur wollen den Irrtum des Arztes über die Platzierung des Betäubungsmittels in der Anlage III als Tatbestandsirrtum bewerten, weil die Zugehörigkeit des Stoffes im Rahmen des § 29 I Nr. 6a BtMG ein Tatbestandsmerkmal darstelle.1024 Dies ist zunächst zutreffend, da bei einem Zusammenlesen der Blankettvorschrift die Voraussetzungen des § 13 BtMG („Betäubungsmittel der Anlage III“) in den § 29 I Nr. 6a BtMG hineingelesen werden müssen. Der Irrtum des Arztes bleibt dennoch „rechtlicher“ Art, da er nicht um die Konsistenz bzw. um die tatsächliche Beschaffenheit des Stoffes irrt. Berücksichtigt man, dass die Einordnung des Stoffes in die Anlage III unrechtskonstitutiv wirkt, liegt nicht fern, bereits die Bedeutungskenntnis des Arztes anzuzweifeln, wenn er davon ausgeht, das Mittel sei verschreibungsfähig.1025 Dies im Unterschied zum jedenfalls unbeachtlichen Subsumtions- bzw. Verbotsirrtum, bei dem der Arzt annimmt, er dürfe jedes Betäubungsmittel – also auch die der Anlage I und II – verschreiben oder bei einem schwer nachprüfbaren Leiden auch ohne Untersuchung oder Stellung einer Diagnose Betäubungsmittel verschreiben.1026 Allerdings ändert sich die Qualität des Irrtums nicht derart erheblich, als dass eine unterschiedliche Behandlung dieses Rechtsirrtums legitimierbar wäre. Letztlich sollte der Irrtum des Arztes, er dürfe ein Betäubungsmittel verschreiben, weil es in die Anlage III gehöre, nicht anders zu beurteilen sein, als der Irrtum, das Betäubungsmittel sei nicht in der Anlage aufgeführt.1027 Solch ein Irrtum ist – mit den Worten Kühls – nicht „verzeihlicher“ 1028, wenn der als Arzt fest davon ausgeht, dass es sich grundsätzlich um einen Stoff handelt, der dem BtMG unterfällt und ihn die Appell- und Warnfunktion des Tatbestandes somit erreicht hat. bb) Sonstige rechtliche Fehlbewertungen bei normativen Tatbestandsmerkmalen Der Betäubungsmittelbegriff ist nicht das einzige normative Tatbestandsmerkmal in den §§ 29 ff. BtMG.1029 Das Handeltreiben als zentrale Tathandlung des 1024
MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1072; zust. Weber § 29 Rn. 969. Mit anderen Worten: Die Auflistung des jeweiligen Stoffs in Anlage III wirkt erst unrechtskonstitutiv, vgl. zu diesem Abgrenzungsmerkmal SSW/Momsen § 17 Rn. 19. 1026 Vgl. BayObLGSt 1969, 148; OLG Stuttgart v. 19. 11. 1968 – 4 Ss 621/68, DRsp Nr. 1998/789. 1027 So auch Körner (VI) § 29 Rn. 1221: „Subsumtionsirrtum“. 1028 Kühl AT § 13 Rn. 14. 1029 Soweit man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – in der Erlaubnis ein Tatbestandsmerkmal sieht, wäre diese ebenfalls als normatives Tatbestandsmerkmal zu klassifizieren, vgl. Weber Vor § 29 Rn. 311. 1025
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§ 29 I Nr.1 BtMG legt man nicht durch empirische Befunde fest, sondern konkretisiert sie durch bestimmte Fallgruppen.1030 Der Strauß an Tätigkeiten für das Handeltreiben ist bunt1031, sodass man im Einzelfall stets zu überprüfen hat, ob der Täter die jeweilige Bedeutungskenntnis im Hinblick auf sein Tun aufweist. Ein Täter, der schlicht Drogen verkauft oder als Drogenkurier tätig ist, hat sicherlich nach seiner Laienart erfasst, was der Gesetzgeber mit dem Tatumstand „Handeltreiben“ meint. Hat es allerdings auch derjenige, welcher nur die Streckmittel bereitstellt oder das Schmugglerfahrzeug tankt? Kann es dort eine Parallelwertung in der Laiensphäre geben, wo die juristische Sphäre ihrerseits „uferlos“ und unklar ist, wie man es dem Handeltreiben nachsagt? Oder anders formuliert: Kann man überprüfen, ob der Täter den sozialen Sinngehalt des Tatumstands erfasst hat, wenn dies der Rechtswissenschaft noch nicht gelungen ist? Es erscheint zumindest diskussionswürdig, ob man einem Täter, der zwar umsatzbezogen agiert, aber bisher mit keiner einzigen Person in Kontakt getreten ist, zu unterstellen, er hätte „Bedeutungskenntnis“ in Bezug auf das Merkmal Handeltreiben. Die Rechtsprechung scheint dieser Aspekt überhaupt nicht zu stören, da sie – soweit ersichtlich – diese Problematik bis dato noch nie aufgegriffen hat. Sie soll an dieser Stelle auch nicht vertieft werden, da der Ursprung des Problems im objektiven Tatbestand liegt, d.h. der Begriff des Handeltreibens erst einmal objektiv eingeschränkt werden muss. Dann verengte man den Bezugspunkt des subjektiven Tatbestands und konkretisierte damit auch den sozialen Sinngehalt des Tatbestands.1032 Probleme bereiten normative Tatbestandsmerkmale auch, wenn der rechtlichsoziale Bedeutungsgehalt nicht nur vom Umgang (im Sinne einer Tätigkeit), sondern auch von einem Außenwelterfolg abhängt, wie bei den Transporttatbeständen (Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr). Aufgrund des empirisch existenten Grenzverlaufs haben diese zunächst eher beschreibenden Charakter, doch erfahren sie eine Normativierung, indem die maßgebliche Grenze, rechtlich „verschoben“ sein kann, vgl. § 2 II BtMG, und die Abgrenzung der einzelnen Handlungen nach dem Merkmal des tatsächlichen Zur-Verfügung-Stehens erfolgt. In diesen Fällen muss das Wissen um den Umgang alleine noch nicht die Bedeutungskenntnis heißen. Dagegen unterliegt der Täter einem unbeachtlichen Subsumtionsirrtum, wenn er davon ausgeht, allein maßgeblich für die Durchfuhr sei sein subjektiver Wille, Drogen in ein anderes Land, als in die Bundesrepublik zu verbringen, obwohl ihm die Drogen zwischenzeitlich in Deutschland tatsächlich zur Verfügung stehen.1033 1030
MK-StGB/Kotz Vor 29 BtMG Rn. 101. Zur Eigenschaft dieser zentralen Handlungsmodalität als „multiples“ Tätigkeitsdelikt und den damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Versuchsstrafbarkeit und der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme noch 3. Teil C. IV., S. 430 ff. und 3. Teil D. III., S. 573 ff. 1032 Zu dieser objektiven Einschränkung noch ausführlich 3. Teil VII. 5, S. 495. 1031
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cc) Zwischenfazit: Herrschende Meinung und abweichende Rechtsprechung Fehlende Kenntnis um die Aufnahme einer bestimmten Substanz in die Anlagen des BtMG lässt den Vorsatz somit ebenso unberührt wie fehlerhafte Bewertungen bestimmter Ausnahmetatbestände oder die Fehlvorstellung über die konkrete Zuordnung bzgl. einer Anlage. Dies entspricht der herrschenden Meinung und die Rechtsprechung praktiziert dies weitgehend auch so. Der Umgang mit Betäubungsmitteln bzw. der Vorsatz bezüglich eines Betäubungsmittels indiziert die rechtlich-soziale Bedeutungskenntnis. Diese Indikationslösung ist auch auf die normativen Tatmodalitäten bzw. sonstigen Merkmale, wie das Handeltreiben, die Durchfuhr oder die nicht geringe Menge übertragbar, soweit der Schwerpunkt des Unrechtsvorwurfs auf der bloßen Tätigkeit im Bezug auf Drogen liegt. Nur in Ausnahmefällen, wie bei einer Fehlbewertung bezüglich der Weitläufigkeit des Handeltreibens oder bei rechtlichen Fehlbewertungen mit „tatsächlichem Einschlag“ (rechtlich vorgeschobene Grenzstelle bei der Einfuhr) kann die Parallelwertung in der Laiensphäre dazu führen, dass der Normadressat den rechtlichsozialen Bedeutungsgehalt seines Tuns nicht richtig erfasst und folglich vorsatzlos handelt. Dies läuft auf die „reichsgerichtlich-klassische“ Zuweisung hinaus, wonach Tatsachenirrtümer nach § 16 StGB und „Rechtsirrtümer“ nach § 17 StGB behandelt werden. Diesen Grundsatz durchbricht der Rechtsanwender – wie im Kernstrafrecht auch – bei „nachvollziehbaren“ Rechtsirrtümern, um zur starreren und jedenfalls im ersten Schritt für den Täter günstigeren Rechtsfolge zu gelangen (kein Vorsatz). Da aber im Betäubungsmittelstrafrecht eine umfassende Kriminalisierung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit existiert, würde dies eine nicht zu unterschätzende Ausweitung der Fahrlässigkeitshaftung bedeuten. Dies wäre aber im Hinblick auf § 17 StGB nicht unbedingt das größere Übel, da der Maßstab der Vermeidbarkeit gemeinhin als streng gilt, d.h. wurde vorsätzliches Handeln bejaht, kommt es nur in den seltensten Fällen zum Schuldausschluss, vgl. im Folgenden. Dennoch wird hier nicht die eingangs erörterte zweite Möglichkeit befürwortet, aufgrund des unklaren Vorsatzbezugspunkts und der daraus resultierenden Einzelfallrechtsprechung erst das Wissen um die Aufnahme eines konkreten Stoffes in die Anlagen des BtMG als unrechtsbegründend zu qualifizieren.1034 Solch einem Ansatz ist trotz des ständigen Wandels und der Fortentwicklung der Anlagen durch die Verordnungen des Bundesministeriums entgegenzutreten: Das Betäubungsmittelrecht hat in seinem Gesamtkontext (AMG, GÜG) einen verhältnis1033 Vgl. hierzu BGH NJW 1994, 62 m. Anm. Puppe NStZ 1993, 594 allerdings im Zusammenhang mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz. 1034 Zu dieser Diskussion MK-StGB/Joecks § 17 StGB Rn. 78; Arzt ZStW 91 (1979), 857 (884 f.); Tiedemann ZStW 81 (1969), 869; Weber ZStW 96 (1984), 376 (392 ff.).
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mäßig klaren Normbefehl. Jeder weiß, dass man nicht so ohne Weiteres mit chemischen Substanzen umgehen darf, ganz egal, was für eine Substanz – sedativ, psychoaktiv, medikamentös wirkend etc. – konkret im Raum steht. Es handelt sich also gerade nicht um „sozialethisch neutral“ gefasste Regelungen,1035 bei denen man darüber diskutieren könnte, ob die Unrechtseinsicht erst unrechtskonstitutiv wirken sollte. Rechtsirrtümer1036 im Bezug auf die Betäubungsmitteleigenschaft führen somit zu § 17 StGB. Wenn der Täter davon ausgeht, eine von ihm hergestellte Designerdroge sei noch nicht in den Anlagen des BtMG aufgeführt oder denkt, dass nur ältere oder weibliche Cannabispflanzen dem BtMG unterfallen1037, ist der subjektive Tatbestand erfüllt. Man muss lediglich überprüfen, ob ein unvermeidbarer Verbotsirrtum anzunehmen ist. Inwiefern hier strengere oder lockerere Maßstäbe bezüglich des Vermeidbarkeitskriteriums aufzustellen sind, wird im Folgenden überprüft. d) Betäubungsmittelbegriff und Verbotsirrtum gem. § 17 StGB aa) Fallgruppen Ein Verbotsirrtum nach § 17 StGB liegt vor, wenn der Täter vom Verbotensein der Tat nichts weiß oder er sein Verhalten „anders wertet“ als der Gesetzgeber, d.h. einen tatsächlich und in seiner sozialen Bedeutung richtig erkannten Sachverhalt nicht unter eine Verbotsnorm subsumiert (siehe oben).1038 In den bisherigen Ausführungen wurden den Tatumstandsirrtümern schon zahlreiche Rechtsirrtümer gegenübergestellt. Der Hauptanwendungsfall des § 17 StGB dürfte die fehlende Kenntnis des Täters um die Aufnahme eines bestimmten Stoffes in die Anlagen des BtMG sein, da das allgemeine Verbot, nicht mit Betäubungsmitteln umgehen zu dürfen (trotz bzw. gerade aufgrund der immer wieder aufkeimenden Diskussion staatlicher Drogenpolitik), jedem bekannt sein dürfte. Denkbar ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Normadressat im Laufe der Diskussion und medienwirksam bekanntgegebenen Urteilen der Fehlvorstellung unterliegt, das Bundesverfassungsgericht habe speziell den Umgang mit Cannabis gestattet.1039 Neben diesen Grundkonstellationen ist noch an die „Überdehnung“ bestimmter Erlaubnissätze zu denken1040, etwa wenn der Täter die Voraussetzungen 1035 Anders im Wirtschaftstrafrecht, vgl. Kudlich/Og ˘ lakcıog˘lu Wirtschaftsstrafrecht Rn. 69 ff. 1036 Zahlreiche Beispiele bei Körner (VI) § 29 Rn. 93–96, 171 f., 451–455, 1072– 1075, 1314, 1428, 1565, 2392 f. 1037 Vgl. MK-StGB/Kotz Vor § 29 BtMG Rn. 118. 1038 Kühl AT § 13 Rn. 49 f.; Roxin AT I § 20 Rn. 20; Wessels/Beulke Rn. 456; Zaczyk JuS 1990, 889 (892). 1039 BGH NStZ 1993, 594. 1040 Je nachdem, welche Wirkung man den einzelnen Vorschriften zukommen lässt (tatbestandsausschließend oder nur rechtfertigend), müsste (lediglich terminologisch) zwischen Verbots- oder Erlaubnis(norm)irrtum unterschieden werden.
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des §§ 3, 4 BtMG zu weit auslegt, beispielsweise meint, auch V-Männer seien von § 4 BtMG erfasst oder die Norm ermächtige auch zum Drogenabsatz.1041 Als weitere wichtige Fallgruppe wurde der Arzt genannt, der über seine Verschreibungsbefugnisse irrt. Dazu zählt auch der „gut gemeinte“ Verstoß gegen das BtMG, indem man dem an Entzugserscheinungen leidenden Patienten zur „Überbrückung“ Betäubungsmittel überlässt, weil man fest vom alsbaldigen Beginn der stationären Behandlung ausgeht.1042 bb) Zum Kriterium der Vermeidbarkeit Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Unterscheidung zwischen dem Anwendungsbereich von § 16 StGB und § 17 StGB trotz des „Störfaktors Positivliste“ relativ simpel erfolgen kann, indem man die – nicht in allen Bereichen des Strafrechts zufriedenstellende – „reichsgerichtliche“ Abgrenzung nach Tatsachen- und Rechtsirrtümern vornimmt. Ein Rechtsirrtum des Täters nach § 17 StGB führt zur Straflosigkeit, wenn der Irrtum unvermeidbar war. Andernfalls „kann“ das Gericht die Strafe mildern.1043 Entscheidend für den Schuldausschluss und somit für die Straflosigkeit des Täters ist also das Vermeidbarkeitskriterium, so dass in einem letzten Punkt zu überprüfen bleibt, ob und inwiefern die Rechtsprechung ihren allgemein als „streng“ geltenden Vermeidbarkeitsmaßstab auf das Betäubungsmittelstrafrecht überträgt. Ein Verbotsirrtum gilt als vermeidbar, wenn das Unrecht für den Täter erkennbar war, ihm also sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder Erkundigungen einzuholen, und er auf diesem Weg zur Unrechtseinsicht gekommen wäre.1044 Häufig beschreibt man dies mit einer zumutbaren „Gewissensanspannung“ 1045, deren Maß sich nach den Umständen des Einzelfalles und nach dem Lebens- und Berufskreis des Einzelnen richte.1046 Die 1041 Vgl. BGH StV 1988, 432: „[. . .] Zudem könnte ein allgemeiner Irrtum, sein Vorgehen sei erlaubt, nur als Verbotsirrtum eingestuft werden [. . .]“ (im Bezug auf § 4 II BtMG); vgl. auch BGH NStZ 1996, 338. Je nachdem, wie man die einschlägigen Vorschriften rechtlich qualifiziert, müsste man streng terminologisch von einem einfachen Verbotsirrtum oder eben von einem Erlaubnisirrtum sprechen, der ebenfalls nach § 17 StGB zu behandeln ist. 1042 LG Lübeck v. 20. 10. 1978 – 6 Ns 78/78, DRsp Nr. 1998/836 bei MK-StGB/ Kotz § 29 BtMG Rn. 1034. Je nachdem, ob der Täter glaubte, der Zustand alleine reiche bereits für eine Indikation oder sei aufgrund der enormen Leiden nach § 34 StGB gerechtfertigt, läge ein Verbotsirrtum oder ein Erlaubnisirrtum vor. 1043 Zum Verbotsirrtum und zum Vermeidbarkeitsmaßstab bei Transferdelikten, Nestler, Transferdelikte, S. 310. 1044 Fischer § 17 Rn. 7; LK/Vogel § 17 Rn. 43. 1045 BGH 4, 1 (5); BGH 2, 194; BGHSt 4, 236; 21, 20. 1046 Zur Frage, inwiefern für den Vermeidbarkeitsmaßstab die für den Verschuldensmaßstab im Fahrlässigkeitsbereich entwickelten Kriterien herangezogen werden können
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Literatur zweifelt an, ob diese Formel in der Epoche des ausufernden Präventionsstrafrechts noch zeitgemäß ist. Eine Gewissensanspannung würde ein „allumfassendes Wertbewusstsein“ 1047 in jeglichen – strafrechtlichen Schutz bedürfenden – Belangen voraussetzen und ist somit utopisch.1048 Dem Normalbürger kann man somit den „gemeinsamen Nenner“ an Wertbewusstsein (also das, was die Rechtsordnung von jedem Einzelnen der Gesellschaft erwartet) abverlangen, mithin das Maß an sittlichen Bewertungsnormen, welche die Gesellschaft im Kernbereich betrifft.1049 Stratenwerth und Welzel wiesen darauf hin, dass die bloße Gewissensanspannung dort nicht zur richtigen Einsicht führen kann, wo das Verbot nicht jenen Kernbereich sittlicher Bewertungsnormen tangiert, sondern Ordnungswerte in einem bestimmten soziokulturellen Kontext aufrechterhalten soll1050; dies trifft auf den „Randbereich“ des Strafrechts – auf das Nebenstrafrecht – zu, weswegen man schon im „Allgemeinen“ darüber diskutiert, ob in dem jeweiligen Spezialgebiet keine differenziertere Betrachtung von Nöten ist, also Unterschiede zwischen Tätern mit bereichsspezifischen Kenntnissen und Irrenden ohne professionelles Wissen bestehen müssen, wenn man ihnen die „Verantwortung für den Konsens zwischen Handlung und Rechtsordnung“ auferlegen will.1051 Diese Differenzierung würde sich im Betäubungsmittelstrafrecht nur auf den potentiell erlaubten bzw. kontrollierten Betäubungsmittelverkehr beziehen, der ausnahmsweise strafbar ist.1052 Damit ist zugleich angesprochen, dass die Bedeutung dieser Grundsatzdiskussion für das Betäubungsmittelstrafrecht nicht schon aufgrund seiner Eigenschaft als nebenstrafrechtliche Materie überschätzen darf. Das grundsätzliche Verbot mit Chemikalien, Schadstoffen und Arznei- sowie Betäubungsmitteln umzugevgl. BGHSt 4, 236; MK-StGB/Joecks § 17 StGB Rn. 36 f.; Otto Jura 1990, 649 f.; NK/ Neumann § 17 Rn. 60. 1047 Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 17 Rn. 15. 1048 Krit. auch MK-StGB/Joecks § 17 StGB Rn. 78 ff.; NK/Neumann § 17 Rn. 90 ff.; Rudolphi, Unrechtsbewusstsein, Verbotsirrtum und Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums, 1969, S. 224; Roos, Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums im Spiegel der BGH-Rechtsprechung, S. 216 ff.; Roxin AT I § 21 Rn. 36 f.; Velten, Normkenntnis und Normverständnis, S. 112. 1049 Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 17 Rn. 15; Roos, Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums im Spiegel der BGH-Rechtsprechung, S. 196 f.; Roxin AT I § 21 Rn. 53. 1050 Welzel, Strafrecht, S. 172. 1051 Löw, Erkundigungspflicht, S. 273 ff.; vgl. auch SSW/Momsen § 17 Rn. 51; vgl. v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer § 17 Rn. 37. 1052 Da man dann auch wieder den „normalen“ bzw. strengen Maßstab zugrundelegt, darf diese theoretisch zwingende Differenzierung praktisch nicht überbewertet werden. So ist es sicherlich richtig, wenn StK-Joecks § 17 Rn. 5 darauf hinweist, dass der Verbraucher nicht die Vorschriften der Hackfleischverordnung kennen muss, der Metzger hingegen schon. Aber wann wird schon der Nichtmetzger mit den Vorschriften des Hackfleischrechts konfrontiert?
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hen, dürfte trotz seiner Verortung im Nebenstrafrecht fest im Bewusstsein jedes einzelnen Mitglieds der Rechtsordnung verankert sein.1053 Das Betäubungsmittelstrafrecht zeichnet sich nicht dadurch aus, dass viele Ausnahmetatbestände existieren, d.h. es setzt keine diffizile Kenntnis des Normadressaten von der Rechtsmaterie voraus.1054 Oder mit den Worten Kühls: Das Verbot ist nicht auf einen bestimmten Verkehrskreis ausgerichtet, sondern gilt auch für den einfachen Bürger.1055 Lediglich der Anknüpfungspunkt des Verbots selbst (der Betäubungsmittelbegriff) ist wegen der Verordnungsermächtigung nach § 1 II, III BtMG einer atypischen Dynamik unterworfen und durch bestimmte Erweiterungen und Einschränkungen mitunter komplex geraten; das grundsätzliche Verbot mit Betäubungsmitteln umzugehen, bietet genügend „Anlass“, sich darüber zu informieren, ob der konkrete Stoff dem geltenden Betäubungsmittelrecht unterliegt.1056 cc) Rechtsprechungsanalyse – „Momentaufnahmen“ aus der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur Damit ist man bei der allgemeinen Kasuistik zur Vermeidbarkeit angelangt: Der BGH geht basierend auf der Formel der Gewissensanspannung von einer 1053 Gemeint ist, dass das BtMG sowohl rechtlich als auch faktisch nicht „durch und durch“ als Nebenstrafrechtsgebiet klassifiziert werden sollte. Neben der Tatsache, dass das Verbot, nicht mit Drogen umgehen zu dürfen, fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert ist, tritt rechtlich hinzu, dass das BtMG nicht alle Eigenschaften einer typischen Nebenstrafrechtsmaterie aufweist, man denke an die eher selten verwendete Blanketttechnik. 1054 Einmal mehr wird deutlich, dass der Gesetzgeber bei Schaffung seiner Strafvorschriften streng zwischen dem „potentiell erlaubten“ Verhalten (von Ärzten, Apothekern, Beamten) und dem grundsätzlich verbotenen Verhalten (Dealer, Konsumenten) auch im Rahmen der Straftatbestände klar hätte unterscheiden müssen. Schließlich haben Ärzte ein anderes Unrechtsbewusstsein beim Umgang mit Drogen, als der normale Bürger. Eine trennscharfe Abgrenzung ist aber zugegebenermaßen nicht einfach, da auch ein Arzt oder korrumpierter Polizist in den professionellen Drogenhandel einsteigen könnte. 1055 Kühl AT § 13 Rn. 51. 1056 An diesem „Anlass“ i. S. d. von Löw konstruierten 3-Stufen-Vermeidbarkeitsmodells, vgl. Löw, Erkundigungspflicht, S. 274 ff., kann es fehlen, wenn der Täter schon gar nicht aus der jeweils betroffenen Rechtsordnung (Bundesrepublik Deutschland) stammt, da die staatliche Drogenpolitik und auch die Vorstellungen der Gesellschaft rund um den Drogenumgang (insbesondere im Bezug auf „weiche“ Drogen) divergieren können; so stellt der BGH in seinem Beschluss vom 29.12.1988 – 1 StR 716/88 fest. Hat jemand zweimal ohne Erfolg versucht, von einem Unternehmen fernmündlich nähere Einzelheiten über die Bedeutung des Ausdrucks „unverarbeitete Drogen“ („crude drugs“) zu erfahren und schickt er daraufhin an diese ihm völlig fremde Firma, deren Namen er durch Vermittlung der deutschen Botschaft kennengelernt hatte, 4,5 kg Marihuana, bietet brieflich für die Zukunft 300 kg pro Monat an und reist ohne jede Sicherheitsvorkehrung zweimal nach Deutschland ein, weil er davon ausgeht, das Marihuana sei „für Hersteller pharmazeutischer und kosmetischer Produkte bestimmt“, können diese Umstände zusammengenommen das Unrechtsbewußtsein (im Hinblick auf die Einfuhr und das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) in Frage stellen.
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„Erkundigungspflicht“ des Täters aus, wobei typische Mittel zur Vermeidung eines Verbotsirrtums neben dem eigenen Nachdenken das Einholen eines Rechtsrats bei einem kompetenten Dritten sein sollen, während erkennbar mangelsowie lückenhafte Anfragen den Täter nicht entlasten.1057 Desweiteren hat der BGH mehrmals konstatiert, dass die Angehörigen einzelner Berufskreise (im Falle des BtMG Apotheker, Ärzte, Polizeibeamte) dazu verpflichtet sind, sich im Hinblick auf die für sie relevanten Verbotsnormen durch Heranziehung der Fachliteratur ständig „up to date“ zu halten.1058 Auch Gerichtsurteile können für das Vermeidbarkeitskriterium relevant sein, wenn sich der Täter zum Zeitpunkt der Tat an der geltenden Rechtsprechungsposition orientieren darf.1059 Fehlbewertungen im Zusammenhang mit dem Gerichtsurteil gehen zu seinen Lasten. Das Vermeidbarkeitskriterium bzw. der Begriff der Gewissensanspannung setzt sich also aus einer geringen Anzahl „negativer“ Fallgruppen zusammen,1060 bleibt aber im Übrigen eher unbestimmt und gilt wegen seiner kasuistischen Beschränkungsmethodik als (str)eng.1061 Doch genau diese Argumentationsmuster sind auch in der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur häufiger anzutreffen, sowohl in der höchstrichterlichen als auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung. (1) Erkundigungspflicht (eigenes Nachdenken und Auskünfte) So stellt das LG Nürnberg-Fürth1062 in Nutzhanfentscheidung darauf ab, dass sich der Angeklagte bei der Behörde erkundigen hätte können und müssen. Zudem hätte ein ihm zugesandtes Fax des Vertreibers „Canna-Farm“ den Wortlaut der den Angeklagten betreffenden Ausnahmeregelung enthalten und zwar unter dem ausdrücklichen Hinweis auf die Ausführungen der Bundesopiumstelle. Damit sei der Irrtum trotz der verhältnismäßig komplex geratenen Ausnahmevorschrift nicht unvermeidbar gewesen, auch wenn die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten eingeschränkt zu sein schien, da er völlig unvoreingenommen der Behörde das Hanfgemisch übergab, damit deren Mitarbeiter ein wenig „cooler“ würden. Im geschilderten „Überbrückungsfall“ des LG Lübeck1063 stellt die Kammer fest: Der Arzt, „der seine Unerfahrenheit auf diesem Sachgebiet kannte, hätte 1057
„Feigenblattfunktion“ Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 17 Rn. 20. BGHSt 2, 194 (201); 3, 366; zu Ausländern Lesch JA 1996, 609. 1059 BGHSt 37, 55; BGH NJW 1992, 1181; Rudolphi, Unrechtsbewusstsein, S. 390 ff.; Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 17 Rn. 20 m.w. N. 1060 Negativ im Sinne, als dass deren Nichtvorliegen wie die Einholung eines Rechtsrats, ein Gerichtsurteil oder die Fortbildung in bestimmten Rechtsgebieten die Vermeidbarkeit bedeutet. 1061 Krit. Löw, Erkundigungspflicht, S. 274: „Momentaufnahmen der Rechtsprechung“. 1062 LG Nürnberg-Fürth v. 10.02.1997 – 6 Ns 353 JS 17901/96; DRspr. 2009/9338. 1063 LG Lübeck v. 20.10.1978 – 6 Ns 78/78, DRsp Nr. 1998/836 bei MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1034. 1058
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diesen Irrtum vermeiden können. Sein Wissen von der ärztlichen Notwendigkeit einer stationären Behandlung von Suchtkranken und vom ärztlichen Verbot einer ambulanten Behandlung hätten jedenfalls zu Zweifeln an der Berechtigung zu der gewählten ambulanten Überbrückungsbehandlung Anlaß geben müssen, und er hätte sich vor einer Verschreibung z. B. durch Nachfrage beim zuständigen Amtsarzt, im Übrigen durch Einsicht in die einschlägige Fachliteratur, vgl. z. B. Christiani-Stübing, Drogenmißbrauch und Drogenabhängigkeit, Deutscher Ärzteverlag, 2. Aufl. 1973 Aufklärung verschaffen können.“ Dieser Appell dürfte sich nur an anerkannte Berufskreise wenden. „Professionell“ agierende Verbrecher sind wohl nicht gemeint. Doch ergibt sich eine gewisse Parallelität in der Argumentationsstruktur, wenn man Dealern oder sonstigen Personen allein aufgrund ihres Aufenthalts im „Dunstkreis des Betäubungsmittelhandels“ 1064 eine erhöhte Erkundigungspflicht auferlegt.1065 (2) Gerichtsurteile und unklare Rechtslage Auch die Fallgruppe „Gerichtsurteile“ als Vermeidbarkeitsaspekt zieht man im Betäubungsmittelstrafrecht heran, so im „Internet-Recherche-Fall“ des BayObLG vom 18.05.20041066: Der Täter behauptete, im Internet recherchiert und gelesen zu haben, dass das von ihm vertriebene Knasterhanf mit weniger als 0,3% THCGehalt nicht dem BtMG unterfiele. Das Gericht sieht es unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung und entsprechende Kommentarfundstellen für möglich an, dass das Unrechtsbewusstsein des Täters durch die Kenntnis einschlägiger Gerichtsurteile ausgeschlossen ist. Dies gelte jedoch nicht uneingeschränkt. Der Sachverhalt müsse mit den vom Täter zu Rate gezogenen Entscheidungen vergleichbar und die betreffenden Gerichtsentscheidungen müssten in Rechtskraft erwachsen sein. Es stelle jedenfalls einen Darstellungsmangel dar, wenn in den Urteilsgründen derartige Feststellungen fehlten. Bei einer „unklaren Rechtslage“ ist es nur verständlich, dass die Meinungen im Hinblick auf den Verbotsirrtum auseinandergehen können. Als Beispiel sei die bis zur Einführung der 19. BtMÄndV umstrittene Problematik genannt, ob Pilze bzw. deren Fruchtkörper als „Pflanzen“ i. S. d. BtMG angesehen werden können. Denn bis zur 15. BtMÄndV im Jahre 2001 nannte der Wortlaut der Anlage nur Pflanzen- und Pflanzenteile. Da Pilze bei streng naturwissenschaftlicher Betrachtung mangels Photosynthese und anderen Aufbaus nicht zu den niederen Pflanzen zählen, war umstritten, ob sie unter den Pflanzenbegriff des BtMG sub1064 Diese Wendung stammt aus BayObLG v. 18.05.2004 – 4 St RR 47/04, vgl. im Folgenden. 1065 Der Vorsatz bezüglich des materiellen Betäubungsmittelbegriffs (bzw. der Umgang mit „irgendwie psychotrop wirkenden Stoffen“) wandelt sich also auf Ebene der Schuld in ein Vermeidbarkeitskriterium um. 1066 BayObLG v. 18.05.2004 – 4 St RR 47/04.
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sumiert werden konnten.1067 Der BGH hat erst im Jahre 2007 mit relativ ausführlicher Begründung „klargestellt“, dass die Pilze vom Pflanzenbegriff erfasst werden.1068 Vorreiter dieser Position war das BayObLG, das bereits in seinem Urteil vom 25.09.20021069 den Umgang mit pilzhaltigen Duftkissen (so genannte „Airfresher“) für strafbar erachtete. Dagegen ging das OLG Koblenz1070 von einer Straflosigkeit des Umgangs mit psylocinhaltigen Pilzen aus und kam im Gegensatz zum BayObLG nicht zur Folgefrage, ob die Täter einem unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlagen. Das BayObLG führt in diesem Zusammenhang aus: „[. . .] Nach den getroffenen Feststellungen wussten sie (die Angeklagten), dass die ,Airfresher‘ den unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Wirkstoff Psilocybin enthielten und sie nahmen zumindest billigend in Kauf, dass diese nicht dem vorgeschobenen Verwendungszweck zur Raumluftverbesserung dienten, sondern dem Konsum. Unter diesen Umständen unterlagen die Angeklagten gesteigerten Erkundigungspflichten [. . .]“ Dies ist i. E. nicht zu beanstanden, da die Kenntnis von der Rechtsverletzung bzw. des Inverkehrbringens psychoaktiver Stoffe Anlass genug ist, sich über das Verbotensein bzw. das Unrecht der Tat Gedanken zu machen. Die Täter wussten auch, dass sie sich nicht nur im „Dunstkreis der Betäubungsmittelkriminalität“, sondern auch in demjenigen des Betäubungsmittelgesetzes befanden. Die folgenden Ausführungen des Senats konzentrieren sich daher auf die nunmehr notwendigen Anstrengungen der Angeklagten, die sich auf die widersprechenden Entscheidungen und Ansichten in Literatur und Rechtsprechung stützten. Doch lässt dies das Gericht nicht gelten: „Ein Verbotsirrtum wäre nur dann nicht vermeidbar gewesen, wenn die Angeklagten auch bei Anwendung der gesteigerten Erkundigungspflicht nach ihren persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen die Einsicht in die Unrechtmäßigkeit ihres Handelns nicht zu gewinnen vermochten. Angesichts der Eindeutigkeit der Kommentarliteratur und der Gesetzesmaterialien ist dies zu verneinen. Daran 1067 Insbesondere konnte man danach fragen, ob der allgemeine Sprachgebrauch bzw. die gängige Vorstellung, Pilze zählten zum „Pflanzenreich“ für solch eine Einordnung ausreicht. Zum „allgemeinen Sprachgebrauch“ speziell auch zu Pilzen, Sporen und Pflanzenteilen Kudlich/Christensen/Sokolowski, S. 119 ff. 1068 BGH NJW 2007, 524; die „zulässige“ Klarstellung für den maßgeblichen Tatzeitpunkt erfolgte erst durch den Verordnungsgeber, siehe sogleich. Dieser war aber bereits in seiner Begründung zur 15.BtMÄndV von einer Pflanzeneigenschaft von Pilzen ausgegangen, vgl. BR-DR 252/01, S. 45. 1069 BayObLGSt 2002, 135. 1070 Das OLG Koblenz NStZ-RR 2006, 218 hält sich mit Kritik zurück und verfährt „kollegial“, wenn es darauf hinweist, dass diesen Entscheidungen jedoch „andersgelagerte Sachverhalte“ zugrunde lagen, weil die abgeurteilten Taten in der Zeitspanne von September 2000 bis Juni 2001 begangen worden waren und der Wandel in der Bedeutung des Begriffs „Pflanzen“ damals noch nicht so weit fortgeschritten war wie im April 2004. Dass sich der „allgemeine“ Sprachgebrauch (in die eine oder andere Richtung) nur innerhalb von 2 Jahren komplett wandeln soll, erscheint aber mehr als nur fragwürdig.
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vermochten auch einzelne anderslautende Stellungnahmen und Entscheidungen nichts zu ändern.“ Das ist in dieser Pauschalität nicht haltbar. Es ist zu differenzieren: Solange es sich bei den Entscheidungen und Fundstellen um verlässliche Quellen handelte und sich der Täter aufgrund dieser erlangten Informationen zu keinen weiteren Anstrengungen verpflichtet fühlen musste, ist er seiner Obligation nachgekommen und es kommt auf die „Eindeutigkeit“ der übrigen Literatur nicht an. Wusste der Täter dagegen davon, dass die Rechtslage umstritten ist,1071 muss bereits ein Verbotsirrtum angezweifelt werden. Es handelt sich auch nicht um den Fall eines „bedingten Unrechtsbewusstseins“, da der Täter sicher weiß, dass eine Rechtsauffassung existiert, die sein Verhalten unter eine Strafvorschrift subsumiert. Der Täter verlässt sich im Rahmen einer unklaren Rechtslage darauf, dass das erkennende Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft bei ihm rechtlich anderer Meinung ist. Mit einer im Vordringen befindlichen Ansicht ist daher in Zweifel zu ziehen, derartige Fälle als Verbotsirrtum zu behandeln.1072 Der Täter irrt schließlich nicht über das Verbot, sondern darüber, dass die eine Auffassung gegenüber der anderen den Vorrang genießt. Letztlich kommt auch das BayObLG diesem Konzept nahe, wenn es inzident feststellt, dass die Angeklagten eben von den entgegengesetzten Auffassungen wussten, nur hängt es die Frage fälschlicherweise am Kriterium der Vermeidbarkeit bzw. an § 17 StGB selbst auf: „Wer, wie die Angeklagten, eine gesetzliche Regelung spitzfindig unter Ausnutzung vermeintlicher Regelungslücken zu unterlaufen versucht, darf dabei bezüglich der Erlaubtheit seines Handelns nicht auf Mindermeinungen oder vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende rein fachwissenschaftliche Begriffsdefinitionen vertrauen.“ Dies jedenfalls dann nicht, wenn es von der strittigen Rechtslage weiß. Hätten die Angeklagten dagegen glaubhaft darlegen können, dass sie ausschließlich die Quellen vernommen haben, die gegen eine Pflanzeneigenschaft von Pilzen sprachen, käme es auf die Streitigkeit der Rechtslage nicht an.1073 Das Beispiel hat keine praktische Relevanz mehr, da sich seit der 19. BtMÄndV kein Täter mehr auf die „fehlende Pflanzeneigenschaft“ von Betäubungsmitteln berufen kann.1074 Doch es demonstriert, wie der § 17 StGB und sein Vermeidbarkeitskriterium zu einem Forum von „Für“ und „Wider“ einer Strafbarkeit 1071 Er wusste also auch von den bereits getroffenen Entscheidungen bzw. Kommentarliteraturauffassungen. 1072 Vielmehr sollte darüber nachgedacht werden, für diese nicht seltenen Konstellationen auch außerhalb des BtMG eine eigene Regelung zu kreieren. 1073 Diese Konstellation ist von derjenigen zu unterscheiden, bei der die Rechtslage vorher eindeutig war (also fiktiv für vorliegenden Fall davon ausgegangen werden müsste, dass Pilze jedenfalls nicht dem BtMG unterfallen); hier liegen Rechtsirrtümer regelmäßig näher, insbesondere, wenn sich der Täter kurz vor der Rechtsänderung richtig informiert hat. 1074 Vgl. nunmehr krit. Weber § 1 Rn. 172 ff.
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verkommt, man mithin auf eine normative Gesamtschau (vornehmlich auf Aspekte, die das Verhalten strafwürdig machen) zurückgreift, ohne zu überprüfen, ob der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist. Soweit man den Topos „unübersichtliche Rechtslage bei Kenntnis des Täters“ unter den Anwendungsbereich des § 17 StGB fallen lässt, zählt auch die bereits besprochene Problematik des Cannabiserwerbs und Konsums zu Heilzwecken hierzu. Dann liegt es – wie das OLG Köln ebenfalls anmerkt – nicht fern, einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB oder zumindest eine Strafmilderung nach § 49 I StGB zu prüfen, wenn der Angeklagten sich wegen seiner Krankheit für berechtigt gehalten habe, Cannabisprodukte zu konsumieren und einzuführen.1075 Auch hier schlägt sich das „normative Modell“ der Rechtsprechung nieder, wenn Obergerichte in einigen aktuelleren Urteilen anmerken, dass man das Risiko einer extrem unklaren Rechtslage nicht einseitig dem Normadressaten aufbürden darf.1076 dd) Plädoyer für eine differenzierte Betrachtung Die Untersuchungen haben gezeigt, dass die Rechtsprechung – soweit sie in Einzelfällen rechtlicher Fehlbewertungen nicht schon den Vorsatz ausschließt – beim Verbotsirrtum nach § 17 StGB ihr in der Entwicklung befindliches Fallgruppenmodell vollständig auf das Betäubungsmittelstrafrecht überträgt. Doch ist mit dieser Feststellung nicht viel gewonnen, da das Modell der Rechtsprechung grundsätzlicher Kritik ausgesetzt ist. Zudem kommt mit einer pauschalen Übertragung der Fallgruppen zumindest methodisch nicht hinreichend zum Ausdruck, dass man „abstrakt“ bereits einen lockereren Maßstab für die Vermeidbarkeit zugrundelegen müsste, wenn es sich um eine im Verhältnis zum Kernstrafrecht erheblich dynamischere Rechtsmaterie handelt. Wo der Allgemeine Teil seine „flexible“ und nicht „systematisierende“ Funktion entfalten soll, darf man nicht um eine „Harmonisierung“ bemüht sein. Das BtMG erlebte seit seiner letzten Neufassung im Jahre 1982 über 40 Modifikationen durch Änderungsgesetze und Verordnungen. Überdies richtet es sich – wie bereits angedeutet – an mehrere, vollkommen unterschiedliche Personenkreise, vom Laboranten, der die Drogen zu gesundheitlichen Zwecken synthetisiert, über Ärzte, die tagtäglich Opiate und Substitutionsmittel verschreiben, bis zum Dealer, der eigennützig Drogen veräußert. So fallen je nach Art und Häufigkeit des Umgangs das Unrechtsbewusstsein und die Erkundigungspflicht und -fähigkeit der jeweiligen Personenkreise auseinander. Wenn das Gesetz nicht ausreichend klar differenziert, muss die Rechtsprechung ein klares Zeichen setzen und zwischen Art des Irrtums einerseits und Person des Irrenden andererseits klar unterscheiden. Dies entspricht der wohl h. L., die im gesamten Nebenstrafrecht eine „weichere“ Schuldtheorie propagiert.1077 Dass hierbei keine pauschale Zuweisung nach Kern-, Nebenstraf1075 1076
OLG Köln StraFo 1999, 314. BGH NJW 2007, 3078.
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recht oder Ordnungswidrigkeitenrecht erfolgen darf, kam am Beispiel des BtMG deutlich zum Vorschein und hat bereits Löw herausgearbeitet.1078 Das von ihr konstruierte 3-Stufen-Trennungs-Modell soll hier als Grundpfeiler fungieren: Zunächst müsste überhaupt Anlass für den Täter zur Annahme bestanden haben, sein geplantes Verhalten sei rechtswidrig. Ist dies der Fall, muss man überprüfen, ob die vorgenommenen Erkundigungsbemühungen des Täters (aus objektiver Perspektive) als ausreichend zu bewerten sind. Ist der Täter seinen Pflichten nicht ausreichend nachgekommen, kann ihm dies nur zum Vorwurf gemacht werden, wenn zumutbare Erkundigungen bei hypothetischer Betrachtung den Irrtum kausal vermieden hätten.1079 Unter Zugrundelegung dieses Modells kommt man nicht umhin, jenen „weicheren“ Maßstab für jede (Neben)strafrechtsmaterie individuell näher zu bestimmen, zumal bis heute nicht geklärt ist, was die Schuldtheorie zu einer „weichen“ macht. Ist etwa eine Umkehr des oben geschilderten Konzepts dahingehend gemeint, als dass das positive Vorliegen der oben genannten Fallgruppen automatisch die Unvermeidbarkeit des Irrtums bedeutet? Oder müssen die Anforderungen an die Anstrengungen im Rahmen der Erkundigungsmöglichkeiten heruntergeschraubt werden? Schließlich kann als erste Weiche bereits der „Anlass“, sich zu erkundigen, fraglich sein.1080 (1) Vermeidbarkeit bei Irrtümern über die Aufnahme des Stoffes in die Anlagen des BtMG Überträgt man diese Überlegungen auf das BtMG, gilt bezüglich der Aufnahme einer bestimmten Droge in die Anlagen des BtMG für jeden Täterkreis einheitlich, dass ein unvermeidbarer Irrtum bei „etablierten Rauschmitteln“ des Drogenmarkts (Heroin, Kokain, LSD, Mescalin und Cannabis) die absolute Ausnahme darstellt. Bei etablierten Drogen hat der Täter regelmäßig Kenntnis von der potentiellen Rechtsgutsverletzung, da er von der tatsächlichen Bewertung der Rechtsordnung dieser Substanzen als „gefährlich“ weiß. Fraglich ist, ob man 1077 MK-StGB/Joecks § 17 StGB Rn. 81; SSW/Momsen § 17 Rn. 30; NK/Neumann § 17 Rn. 90 ff.; Rudolphi, Unrechtsbewusstsein, S. 224; Roos, Vermeidbarkeit, S. 216 ff.; Roxin AT I § 21 Rn. 36 f.; v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer § 17 Rn. 36. 1078 Löw, Erkundigungspflicht, S. 274 ff. 1079 Die zweite Stufe ist nicht schon aufgrund der Hypothese auf der dritten Stufe verzichtbar, da fehlende Erkundigungen per se zu einem vermeidbaren Verbotsirrtum führen. 1080 Der Begriff des „Anlasses“ ist der Aufhänger im „Löw’schen Drei-Stufen-Modell“, um die weiteren Differenzierungen zwischen Adressaten mit bereichsspezifischen Kenntnissen und dem „Normaladressaten“ vorzunehmen. In den folgenden Ausführungen wird dieser Aspekt etwas zurückgestellt, da es sich beim BtMG nicht wie bei anderen Normen des Nebenstrafrechts um ein Gesetz handelt, dass sich auf eine bestimmte Berufsgruppe o.Ä. konzentriert bzw. gerichtet ist, aber mitunter auch ausnahmsweise „normale Bürger“ betreffen kann, sondern umgekehrt das gesamte „Volk“ angesprochen ist, aber ausnahmsweise besondere Berufsgruppen Sonderregelungen unterfallen.
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beim Umgang mit Stoffen, die der Verordnungsgeber kürzlich in das BtMG eingefügt hat, genauso streng verfahren kann. Ausgangspunkt ist hierbei, dass die Erkundigungskasuistik der Rechtsprechung auf Sachverhalte des „bedingten Unrechtsbewusstseins“ 1081 zugeschnitten ist, in denen sich der Täter typischerweise Gedanken über die geplante Tat macht, sich also nicht sicher ist, ob das Verhalten strafbar ist oder nicht.1082 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass auch in den übrigen Fällen (also bei nicht „etablierten“ Substanzen) bereits der Umgang mit einem psychotropen Stoff per se „Anlass“ genug ist, sich über die Aufnahme des erworbenen bzw. abgegebenen Stoffes Gedanken zu machen bzw. die diesbezüglichen Anstrengungen i. S. d. der oben geschilderten Kasuistik zu machen. Nach dem subjektiven Ansatz von Löw1083 weiß der Täter schließlich, dass Drogen die körperliche Unversehrtheit und das Leben des Konsumenten beeinträchtigen.1084 Im Bereich von „Designer- und Partydrogen“ sind direkte Verbotsirrtümer dennoch keine Seltenheit, da es geradezu typisch für das System der Positivliste ist, dass sich eine ursprünglich als legal geltende Substanz innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums in eine illegale umwandelt, wie zuletzt bei der Modedroge „Spice“.1085 Meist berichten Medien und Fachliteratur über derartige Substanzen schon zu einem Zeitpunkt, in dem der Umgang noch legal ist. Manchmal suggeriert die Medienberichterstattung eine Legalität, obwohl der Stoff bereits durch eine Dringlichkeitsverordnung1086 nach § 1 III BtMG zu den Betäubungsmitteln 1081 Zur Frage, ob bei einem bedingten Unrechtsbewusstsein überhaupt ein Verbotsirrtum begründet werden kann Roxin AT I § 21 Rn. 29 ff. 1082 Zu den Fällen situationsbedingt aktueller Reflexion vgl. SSW/Momsen § 17 Rn. 56. 1083 Der sich mit dem BtMG nur bedingt verträgt, weil das BtMG auch sonstige überindividuelle Rechtsgüter schützt und Rauschgiftdelikte – im Gegensatz zu beispielsweise Mord, Raub, Brandstiftung, aber auch Staatsschutzdelikten – nicht zu den Tatbeständen zählen sollen, die Rechtsgüter von existenzieller Bedeutung für den Menschen schützen. 1084 Diese subjektive Theorie bei Löw entspricht weitgehend der „Schädigungsvorsatz“-Fallgruppe von Roxin AT I § 21 Rn. 57, der neben dem Wissen der Schädigung als weitere Anlassgründe den Unrechtszweifel und das Wissen um die Komplexität der Rechtsmaterie nennt. Da Löw aber überindividuelle Rechtsgüter (bis auf den Staatsschutz) weitgehend ausschließt, wurde hier die Kenntnis von der Rechtsverletzung der Volksgesundheit bzw. der Förderung organisierter Kriminalität sowie Beeinträchtigung der Jugend nicht genannt. 1085 Das mit Haschisch vergleichbare Kräutergemisch Spice hat in den Jahren 2006– 2008 einen echten „Hype“ erfahren (vgl. zu diesem ursprünglich „legalen Marihuana“ umfassend Siebenand http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=7273&ty pe=0) und wurde wegen seiner gefährlichen psychotropen Wirkungen mit der 22. BtMÄndV vom 19. Januar 2010 in die Anlage II des BtMG eingefügt, BGBl. 2009 I, S. 49 ff. 1086 Diese tritt nach § 1 III 2 BtMG nach einem Jahr außer Kraft, wobei das komplexere Verfahren nach § 1 II BtMG (insbesondere die Einholung eines Gutachtens) in dieser Zeit dann nachgeholt wird. Eine erneute Aufnahme einer Droge nach § 1 III BtMG, die bereits durch Dringlichkeitsverordnung in das BtMG aufgenommen wurde, ist unzulässig.
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zählt. Bei medienwirksam diskutierten Modedrogen drängt es sich geradezu auf, bei erstmaligem Umgang mit dem Stoff die notwendigen Erkundigungsbemühungen vorzunehmen.1087 Allerdings geht es zu weit, nur aufgrund des Rauschgiftbezugs stets einen Anlass für gegeben zu halten, obwohl der Täter zu einem vorherigen Zeitpunkt bereits Erkundigungsanstalten unternommen hatte und dort auch zu dem richtigen Ergebnis gelangt war, der Umgang mit dieser Substanz sei (noch) nicht strafbar. Die ständige Dynamik des BtMG lässt also die spezifische Frage aufkeimen, ob der Anlass nicht für eine kurze Zeit „einfriert“, sobald der Täter aufgrund seiner ursprünglichen Motivation seiner Erkundigungspflicht nachgekommen ist. Die Frage lautet somit: Wie lange darf sich der Täter auf die (ursprünglich richtige) Information verlassen? Fest steht, dass sich der Erwerber nicht bewusst unwissend halten darf, wenn in der Zwischenzeit erneut von einer baldigen Rechtsänderung die Rede ist.1088 Schließlich sind die Änderungen im BtMG nicht völlig unkalkulierbarer Natur: Es werden nicht plötzlich Nikotin, Mehl oder Zucker, sondern psychoaktiv wirkende (den oben genannten „etablierten“ Drogen gleich kommende) Stoffe in die Anlagen des BtMG aufgenommen. Personen, die nur eine vorübergehende Rechtslücke für sich nutzen wollen, dürfen sich nicht auf das dauerhafte Bestehen dieser Rechtslücke verlassen. Umgekehrt darf aber kein stets alle Erkundigungen verdrängender „Restzweifel“ des Täters fingiert werden, nur weil das BtMG ständig Änderungen unterworfen ist. So kann der Täter in Einzelfall zum Zeitpunkt der Tathandlung positiv davon ausgehen, dass der Umgang mit dem Stoff nicht verboten sei bzw. Unrecht darstelle, weil er sich über diesen Stoff ausführlich informiert hat. Ist seine Quelle zuverlässig, besteht für ihn kein „Anlass“ mehr, erneut Erkundigungen anzustellen.1089 Noch plastischer ist das Beispiel, in dem der Täter die Droge in einer nicht geringen Menge zu einem Zeitpunkt erwirbt, indem der Umgang mangels Aufnahme noch nicht illegal war, der Stoff dann im Nachhinein aufgelistet ist und der Täter noch den nunmehr zu einer Droge umgestuften Stoff besitzt. Der Täter, der nicht weiß, dass er nunmehr den Zustand gem. § 29 I Nr. 3 BtMG aufzuheben hat, handelt ebenso in einem Verbotsirrtum.1090 1087 Ob das pauschal für Betäubungsmittelgrundstoffe gelten kann, erscheint zweifelhaft, vgl. BGH NStZ 1996, 236: Der Täter trieb mit dem Grundstoff Benzylmethylketon Handel, zu einem Zeitpunkt, als der Gesetzgeber gerade dabei war, den Umgang mit Grundstoffen unter Strafe zu stellen. Der BGH arbeitet in seinem ausführlichen Urteil einige Parameter heraus, die für die Vermeidbarkeit eine Rolle spielen können (Kenntnisstand des Täters, Ausländereigenschaft, Vorverhalten etc.). 1088 Was im Falle von Rechtslücken meist umso medienträchtiger verbreitet wird, vgl. hierzu auch Fischer § 17 Rn. 9. 1089 Das Ergebnis hängt auch von der tatrichterlichen Überzeugungsbildung bzw. Glaubwürdigkeit der Aussagen ab. 1090 Interessant wird die Konstellation, wenn der Täter auch noch in nicht geringen Mengen besitzt. Denn während § 29 I Nr. 3 BtMG vom Besitz spricht, ohne zugleich
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Eine einmalige Erkundigung kann den Täter jedoch nicht für immer entlasten. Vielmehr muss man in jedem Einzelfall überprüfen, ab wann die Rechtsordnung dem potentiellen Straftäter eine erneute Erkundigung zumuten darf.1091 Während man dem „professionellen“ und kontinuierlichen am Verkehr Teilnehmenden, also den Vertreibern (z. B. Gewerbetreibenden, Ärzten und Apothekern), die den Stoff in den Umlauf bringen und damit Geld verdienen, eine ebenso kontinuierliche Erkundigungspflicht auferlegen kann,1092 hängt beim Gelegenheitskäufer zum Eigenkonsum die Zeitspanne von Art und Inhalt der Rechtsauskunft ab. Maßgeblich dürfte sein, ob weitere Hinweise die Zweifel des Konsumenten schüren, die Rechtslage werde sich bald mit Sicherheit ändern. Weiterhin können objektive Umstände (Nachrichten, plötzliche Heimlichkeit des Umgangs, Gespräche mit Freunden) den dringenden Verdacht der Unrechtmäßigkeit des Tuns aufkeimen und den Anlass zur Erkundigung wieder aufleben lassen. Für den Erwerber kann der noch unbefangene bzw. offizielle Vertrieb des Stoffes in einem Laden „mitten in der Stadt“ gegen einen Anlass sprechen. Zu diesen Fällen kann es kommen, wenn die Gewerbetreibenden ihrerseits (regelmäßig vermeidbaren) Rechtsirrtümern unterliegen und öffentlich Substanzen veräußern, die dem BtMG unterfallen. Dieses „temporäre“ Modell passt nur auf Sachverhalte, in denen ein ursprünglich eindeutig legales Verhalten in ein eindeutig illegales Verhalten umschlägt, da der Täter jedenfalls auf ursprünglich richtigen Infos beruhend von der Rechtmäßigkeit seines Tuns positiv überzeugt ist. In allen anderen Fällen (hauptsächlich beim Ersterwerb) bleibt es bei der These, dass der Täter stets einen Anlass hat, sich zu erkundigen, wenn er psychotrop wirkende Stoffe erwirbt. Schließlich ist nicht nur der Umgang mit Betäubungsmitteln, sondern auch mit Grundstoffen und Arzneimitteln möglicherweise verboten. (2) Sonstige Modifikationen des Vermeidbarkeitsmaßstabs Die übrigen Rechtsirrtümer, die sich auf die Tathandlungen des BtMG, aber auch auf bestimmte Ausnahme- bzw. Erlaubnisvorschriften beziehen bzw. die Zuordnung eines Betäubungsmittels zu einer bestimmten Anlage betreffen, sind im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, verlangt der Besitz in nicht geringen Mengen, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben. Das OLG Stuttgart sieht in diesen unterschiedlichen Wendungen kein „redaktionelles Versehen“, sondern sieht die Möglichkeit zu differenzieren und zumindest einen Besitz in nicht geringen Mengen zu verneinen, wenn ursprünglich als „chemische Experimentiersubstanzen“ erworbene Stoffe im Keller gelagert, nach jahrzentelanger Aufbewahrung plötzlich unter das BtMG fallen sollen, vgl. OLG Stuttgart bei Schmidt NJW 2012, 3072 (3073). 1091 Zum Zumutbarkeitskriterium im Kontext mit dem Verbotsirrtum vgl. LK/Vogel § 17 Rn. 69, 90. 1092 Etwa durch Lektüre des Bundesanzeigers.
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nicht derart kritisch zu beurteilen. Praktisch werden derartigen Rechtsirrtümern nur Personen unterliegen, an die sich die Vorschriften richten, nämlich professionelle Gewerbetreibende bzw. Fachleute, für die der Umgang mit Betäubungsmitteln grundsätzlich kein Tabu darstellt. Doch gerade dieser Personenkreis unterliegt auch nach den in der Literatur differenzierenden Ansichten einem strengeren Maßstab,1093 sodass innerhalb dieser Tätergruppe etwaige Modifikationen der Rechtsprechung zum Vermeidbarkeitsmaßstab nicht in Betracht zu ziehen sind. Parallel zum Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale ist davon auszugehen, dass die Verbotskenntnis im Bezug auf das konkrete Betäubungsmittel Anlass genug ist, sich im Hinblick auf die zulässigen Umgangsformen und Ausnahmevorschriften zu informieren; m. a. W.: Sobald der Täter weiß, dass die von ihm ins Auge gefasste Substanz dem BtMG unterfällt, ist ausreichende Kenntnis und somit Fähigkeit gegeben, die Verbotshandlung zu erkennen, indem der Täter die ihm zur Verfügung stehenden intellektuellen Erkenntnismittel heranzieht. 5. Ergebnis zur Schuld im Betäubungsmittelstrafrecht Die Untersuchungen machten deutlich, dass die nach §§ 16, 17 StGB statuierte Grundsystematik in allen Instanzen anerkannt ist, doch hat man beim Betäubungsmittelbegriff Probleme, dieses System anzuwenden, mithin tatsächliche Irrtümer von rechtlichen Fehlbewertungen zu unterscheiden. Dies hängt damit zusammen, dass § 1 BtMG den Betäubungsmittelbegriff rechtlich und faktisch zugleich „festsetzt“ und man somit als Rechtsanwender gezwungen ist, den Mittelweg selbst zu finden. Anders formuliert: Der Betäubungsmittelbegriff ist keine Legaldefinition und auch nicht mit sonstigen Legaldefinitionen des StGB (wie dem Amtsträgerbegriff) vergleichbar, da er auf eine – ständig abänderbare – Anlage verweist, die eine Vielzahl von Stoffen auflistet. Die dort aufgeführten Stoffe sind rechtlich als Betäubungsmittel zu qualifizieren. Sie lassen sich nun nicht in weitere normative oder deskriptive Merkmale, wie beispielsweise die Voraussetzungen für eine Stellung als Amtsträger, näher zerlegen. Als Tatsachen bleiben nur der konkrete Name des Stoffs und seine spezifisch chemische Zusammensetzung. Diese Unzulänglichkeit wurde bis dato weder in der Rechtsprechung noch im betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum aufgegriffen, sodass man während der komplizierten Suche nach einer Abgrenzungsformel zwischen Verbots- und Tatsachenirrtum vergessen hat, die Ursache des Problems herauszufiltern. Hier wurde eine Indizienlösung vorgeschlagen, die über den dolus alternativus des Täters zum Betäubungsmittelvorsatz führt, wenn dieser von den psychoaktiven Wirkungen des Stoffes weiß und damit eine Beschaffenheit des Stoffes in Kauf nimmt, die es zu einem (von vielen) in den Anlagen genannten Stoffen macht. Dies macht die Rechtsprechung mitunter unauffällig bzw. unterbewusst 1093
MK-StGB/Joecks § 17 StGB Rn. 52.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
auch, wenn sie bei Vorsatzfragen auf das Bewusstsein des Täters im Hinblick auf die Gefährlichkeit oder psychotrope Wirkung des Stoffes abstellt. Im Übrigen – also bei den Tathandlungen und Irrtümern außerhalb der Betäubungsmitteleigenschaft – kann die „klassische“ (bzw. reichsgerichtliche) Differenzierung zwischen Rechts- und Tatsachenirrtum aufrechterhalten werden, da die Tatsachenkenntnis im Regelfall die Bedeutungskenntnis indiziert. Soweit der Täter eine konkrete Vorstellung hat oder zumindest von einem psychotropen bzw. suchtfördernden Stoff ausgeht, ist seine Vorstellung, dass es sich bei der Substanz nicht um ein Betäubungsmittel „i. S. d. BtMG“ handelte bzw. der Stoff nicht in den Anlagen des BtMG aufgeführt sei, für § 16 StGB irrelevant. Selbst wenn das Gesetz vom Adressaten der Vorschrift neben der tatsächlichen Erkenntnis des Stoffes als Betäubungsmittel in seiner Anlage, weitere rechtliche Subsumtionen abverlangt, heben Irrtümer in diesem Kontext regelmäßig nicht die Bedeutungskenntnis auf (man denke an die Prüfung des Vorliegens von Ausnahmevoraussetzungen). Zu prüfen bleibt in diesen Fällen ein Verbotsirrtum, bei dem sich sich die Rechtsprechung eindeutig an der allgemeinen Vermeidbarkeitskasuistik orientiert. Dies überrascht in zweifacher Hinsicht nicht. Zum einen handelt es sich beim grundsätzlichen Verbot des Umgangs mit Betäubungsmitteln nicht um einen atypischen und komplexen Normbefehl, der dem Rechtsanwender eine Sonderbehandlung aufdrängt. Zum anderen ist die relativ unbestimmte Fallgruppenrechtsprechung ein „gemütliches“ Instrument, bei nachvollziehbaren Fehlvorstellungen zur Straflosigkeit bzw. Strafmilderung zu gelangen oder umgekehrt ohne erheblichen Begründungsaufwand einen Rechtsirrtum für vermeidbar zu erklären.1094 Trotzdem ist die allgemeine Irrtumsdogmatik im geltenden Betäubungsmittelstrafrecht zu starr. Sie zieht zwei Gruppen von potentiellen Straftätern zusammen und macht die Differenzierung vom unbestimmten Kriterium der Vermeidbarkeit abhängig. Gemeint sind der grundsätzlich illegal agierende Täterkreis (also Dealer und Gelegenheitskonsumenten) und die Tätergruppen, die im legalen Verkehr tätig sind und somit ein anderes Unrechtsbewusstsein im Umgang mit Betäubungsmitteln haben als die breite Bevölkerungsmasse. Zudem dürfte auch innerhalb des „einfachen Volkes“ zwischen den professionell agierenden Dealern, die den Stoff in den Verkehr bringen bzw. daraus Profit schlagen, und den Gelegenheitserwerbern auf der anderen Seite zu differenzieren sein. Gerade bei letzterer Personengruppe wäre ein im Verhältnis zum Kernstrafrecht lockerer Vermeidbarkeitsmaßstab sicherlich denkbar, wenn es sich nicht um typische Drogen wie Heroin, Cannabis oder Kokain handelt. Theoretischer Anknüpfungspunkt für diese Differenzierung ist nicht erst die Vermeidbarkeitskasuistik des BGH (also die 1094
Vgl. Löw, Erkundigungspflicht, S. 295.
A. Die Grundlagen der Strafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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verschiedenen Ausprägungen der Erkundigungsbemühungen), sondern bereits die Frage, ob der Täter „noch“ Anlass hat, sich bei kontinuierlich wechselnder Rechtslage zu erkundigen. Dieser weichere Maßstab könnte der Klarstellung halber für bestimmte Sonderfälle gesetzlich fixiert werden, wie partiell schon im Kern- und Nebenstrafrecht geschehen, vgl. nur die § 113 IV StGB, § 5 WStG, § 97 II 2 StVollzG. Denkbar wäre beispielsweise ein persönlicher Strafausschließungsgrund als lex specialis, der nicht dem Vermeidbarkeitsmaßstab des § 17 StGB unterliegt und nach Art und Qualität des rechtlichen Irrtums differenziert. Im grundsätzlich illegalen Betäubungsmittelverkehr wäre im Hinblick auf die Dynamik des Betäubungsmittelbegriffs eine zeitliche Irrtumspräklusionsvorschrift denkbar, die zwischen den konkreten Tathandlungen differenziert (Handeltreiben und Inverkehrbringen einerseits, Erwerb und Besitz andererseits). Im Übrigen könnte man die Anwendung der Strafmilderung vom subjektiven Kenntnisgrad des Normadressaten abhängig machen und somit zwischen allgemeinen und Irrtümern „Professioneller“ unterscheiden.1095 1095 Darüber hinaus sollte allgemein über eine Neukonzeption der Irrtumdogmatik außerhalb des Kernstrafrechts nachgedacht werden, wenn im Verwaltungsnebenstrafrecht die Ausfüllung von Normen durch Exekutivakte die Regel darstellt und zudem ständig durch das Gemeinschaftsrecht beeinflusst wird, man denke an das Kapitalmarktund Lebensmittelstrafrecht. Besondere Hervorhebung verdient hierbei das Konzept T. Walters, der durch die „Fusionierung“ (vgl. Gaede HRRS 2009, 37 [38]) von Unrecht und Schuld auch den Rechtsirrtum wieder näher zum Tatsachenirrtum rücken kann und in seinem „postfinalistischen Verbrechensaufbau“ zwischen Irrtumsfahrlässigkeit (der Täter kennt die möglichen Folgen seines Tuns, begreift sie aber nicht als tatbestandliches Ereignis) und Erfolgsfahrlässigkeit differenziert (Täter weiß nicht um die Verursachung tatbestandlicher äußerlicher Folgen). Im nächsten Abschnitt wird sich noch herauskristallisieren [vgl. 3. Teil B. II. 1. a) bb), S. 336 ff.], dass T. Walter einen anderen – m. E. kritisch zu sehenden – Erfolgsbegriff vertritt. Da man insofern von „Tatbestandsverwirklichungsfahrlässigkeit“ sprechen könnte, schmälert das den Wert seiner Ergebnisse keinesfalls. Dies führt zu einer Aufhebung des „klassischen Fällen Verbotsirrtums“, sodass man sich auch nicht mehr am strengen Maßstab der Vermeidbarkeit zu orientieren hat, aber dafür im Falle der Fahrlässigkeit auch der „Rechtsirrtum“ für strafbar erachtet wird, was – wie Walter selbst einräumt – eine erhebliche Ausweitung der strafrechtlichen Haftung bedeutet, vgl. T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 448; vgl. die hierzu entwickelten Gesetzesentwürfe bei T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 443 (§§ 15, 16, 16a und 17 StGB-E n. F. Doch ist diese Zuordnung ehrlicher, als die Eingrenzung über eine willkürliche Zuordnung zu § 16 oder über eine Einzelfallkasuistik i. R. d. § 17 de lege lata zu erreichen. Im Betäubungsmittelstrafrecht wäre die Lösung Walters im Hinblick auf die ständigen Neueinfügungen und komplexen Blankettregelungen im Bereich der Substitutionsbehandlung eine denkbare Alternative im Vergleich zur aktuellen Rechtslage. Der hier vorgeschlagene „lockerere Vermeidbarkeitsmaßstab“ wäre über die Umwandlung in den Vorsatz/Fahrlässigkeitsmaßstab erreicht. Der Ansatz von Walter hilft aber jedenfalls nicht über das betäubungsmittelstrafrechtsspezif ische Problem hinweg, da man nach wie vor Irrtums- und Erfolgsfahrlässigkeit zuordnen müsste; der Betäubungsmittelbegriff beinhaltet aber als Tatbestandsmerkmal „Elemente“ (im wahrsten Sinne des Wortes), die dem Wissen des Täters entzogen sind bzw. um die er niemals positiv wissen kann, wenn er sich nicht gerade in einem Chemielabor befindet. D.h. man müsste jedenfalls in einem Zwischenschritt den Betäubungsmittelbegriff wie vor-
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht Es hat sich gezeigt, dass bereits der „Grundfall“ eines vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangenen Betäubungsmitteldelikts einige Besonderheiten mit sich bringt, bei denen die Heranziehung der Vorschriften und der Dogmatik des Allgemeinen Teils nur mehr oder weniger befriedigend gelingen kann. Hierbei hat die Tatbestandsstruktur der Betäubungsmitteldelikte bisher nur im Rahmen der objektiven Tatbestandszurechnung eine Rolle gespielt,1096 während sie bei den Erläuterungen zum Vorsatz bzw. zur Fahrlässigkeit, zur Irrtumslehre sowie zur Rechtfertigung und Schuld meist keine Auswirkungen hatte.1097 Wenn die Arbeit nun im letzten größeren Abschnitt auf die besonderen Erscheinungsformen der Straftat übergeht,1098 wird sich der Tatbestandstypus immer deutlicher als maßgeblicher Faktor herauskristallisieren was die Anwendung der Dogmatik des Allgemeinen Teils angeht. Eine zumindest knappe Auseinandersetzung mit den Deliktstypen in den §§ 29 ff. BtMG ist folglich unumgänglich.1099 Das Verständnis vom strafrechtlichen „Erfolgsbegriff“ (und damit auch vom Erfolgsdelikt) ist für die Analyse des Unterlassungsdelikts von Bedeutung, da bereits § 13 StGB voraussetzt, dass der Täter es „unterlässt, einen Erfolg abzuwenden“. Diesen grundlegenden Problemstellungen widmet sich die Arbeit (nach dem bereits bekannten Muster) erst nach einer knappen Darstellung der Grundlagen. Im Anschluss geht die Untersuchung auf die betäubungsmittelstrafrechtliche Unterlassungshaftung im Einzelnen ein und arbeitet heraus, welchen Fragestellungen sich die Rechtsprechung verhältnismäßig häufiger stellt bzw. stellen muss.
I. Grundlagen Die Tatbestandsformulierungen des Kern- und Nebenstrafrechts legen – „den allgemeinen Vorstellungen von kriminellem Verhalten entsprechend“ 1100 – den Regelfall der aktiven Deliktsbegehung („durch Tun“) zugrunde. Auch durch schlichtes Nichtstun (das dennoch eine Persönlichkeitsäußerung und somit eine liegend „materialisieren“ und die „schädliche“ Wirkung als Tatbestandsbezugspunkt „hineinlesen“ bzw. als Indiz für einen dolus eventualis bewerten. 1096 3. Teil A. I. 3. c., S. 127 ff. 1097 Warum dies der Fall war, wurde bereits erläutert, vgl. 3. Teil A. II. 1. b), S. 169; 3. Teil A. III. 2., S. 231; 3. Teil A. IV. 1., S. 280. 1098 Wobei sich diese Aufteilung an der didaktisch bewährten Aufteilung zwischen „AT I“ und „AT II“ orientiert, außer dass die vorliegende Arbeit das Fahrlässigkeitsdelikt bereits im Zusammenhang mit dem subjektiven Tatbestand erörtert. 1099 Insbesondere der teils schon terminologisch zugrundegelegten Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten, so bereits im Rahmen der Ausführungen zur Kausalität, 3. Teil A. I. 2., S. 116. 1100 SSW/Kudlich § 13 Rn. 1.
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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Handlung darstellt1101) kann man die gesetzesmäßige Bedingung dafür setzen,1102 dass ein Erfolg, wie er im Tatbestand umschrieben ist, eintritt.1103 Dem ist die Frage vorgeschaltet, wie sich Tun und Unterlassen zueinander verhalten, wobei der hier bestehende Grundsatzstreit zwischen der ontologischen Lehre Radbruchs1104 (durch Kaufmanns „Umkehrprinzip“ fortentwickelt1105) und dem normativen Ansatz der h. L.1106 – als „moderner Gegenpol“ – nicht vertieft dargestellt werden muss.1107 Im Ergebnis geht es darum, unter welchen Voraussetzungen die Umwandlung einer Verbotsnorm in eine Gebotsnorm notwendig, dann aber auch legitimierbar ist.1108 Hat man also erst einmal das Verhalten des Täters zu einem aktiven Tun abgegrenzt1109 und als Unterlassen klassifiziert,1110 1101 Zum Handlungsbegriff siehe bereits 3. Teil A. I. 1. a), S. 92, insbesondere Fn. 20 m.w. N. 1102 Zur „Kausalität“ in diesen Fällen vgl. 3. Teil B. II., S. 331 f. 1103 Zu dieser Selbstverständlichkeit Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 1; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 1, 46 ff. m.w. N. Im Betäubungsmittelrecht wäre solch ein abzuwendender Erfolg etwa, dass ein Betäubungsmittel eine Grenze überschreitet: Der Täter vergisst sein „Gras“ im Wagen eines Freundes, der am nächsten Morgen in den Urlaub fahren will. Obwohl er sich das Gras noch in der Nacht zurückholen könnte, klärt er seinen Freund nicht auf und lässt diesen samt Marihuana an die Coté Azur fahren (das zugegebenermaßen konstruierte Beispiel mag bereits als „Vorbote“ für die praktisch geringe Relevanz der Unterlassungshaftung im Betäubungsmittelstrafrecht bezeichnet werden). 1104 Radbruch, Der Handlungsbegriff in seiner Bedeutung für das Strafrechtssystem, 1904, S. 132 ff. 1105 Wonach sich Tun und Unterlassen wie „a und non-a“ zueinander verhielten, vgl. A. Kaufmann, S. 25 ff.; zust. Welzel, Strafrecht, S. 200 (203); siehe hierzu auch Engisch, Tun und Unterlassen, FS-Gallas, 1973, S. 163 ff. 1106 Arzt JA 1980, 554 f.; Roxin AT II § 31 Rn. 2 f.; Haffke ZStW 87 (1975), 44; Sch/Sch/Stree, Vor § 13 ff. Rn. 138; MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 1, 60 ff.; ders. Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 36 ff.; basierend auf der Überlegung, dass Tun und Unterlassen dem gleichen Oberbegriff (der strafrechtlich relevanten Handlung) zuzuordnen sind Kahlo, Die Handlungsform der Unterlassung, S. 235 ff.; Gropp AT, S. 136 f.; Volk, FS-Tröndle, 1989, S. 219; Maurach/Gössel/Zipf AT 2 § 45 Rn. 1 ff., 25. 1107 Zum Ganzen NK/Puppe Vor § 13 Rn. 51 ff.; Güntge, Begehen durch Unterlassen, S. 20 (24 ff.). 1108 Vgl. LK/Weigend § 13 Rn. 3. 1109 Als bekanntere „Abgrenzung-Präzedenzfälle“ ließen sich nennen: RGSt 63, 211 („Ziegenhaar“); RGSt 63, 392 („Radleuchtenfall“); BGH JR 2004, 33 („Hepatitisfall“ m. Anm. Ulsenheimer StV 2007, 77). 1110 Diese Abgrenzung erfolgt überwiegend unter Zuhilfenahme der „Schwerpunktformel“, so die Rechtsprechung BGHSt 6, 46 (59); 49, 147 (164); 51, 165 (173); BGH NStZ 1999, 607 f.; 2003, 657 f.; 2005, 446 (447); NStZ-RR 2006, 174; dem schließen sich Teile der Literatur an Geilen JZ 1968, 145 (151); Hirsch NJW 1969, 853 (854); Wessels/Beulke Rn. 700; Sch/Sch/Stree/Bosch Vor § 13 ff. Rn. 158; krit. MK-StGB/ Freund § 13 StGB Rn. 5, 49; NK/Wohlers § 13 Rn. 7; Hoyer, Strafrechtsdogmatik nach Armin Kaufmann, S. 346; Merkel, FS-Herzberg, 2008, S. 193; Struensee, FS-Stree/ Wessels, 1993, S. 133; monographisch Stoffers, Die Formel „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen (wobei die fundamentale Kritik gegen die Schwerpunktformel, man könne sich das Ergebnis wertend „zurechtinterpre-
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
ist zu überprüfen, unter welchen Voraussetzungen das Unterlassen dem Täter als begehungsgleiches Verhalten vorgeworfen werden kann.1111 Dies ist in der („zirkulär gehaltenen“ 1112) Klausel des § 13 StGB niedergelegt, deren hauptsächlicher Regelungsgehalt darin besteht, diese Gleichstellungsvoraussetzungen beim Namen zu nennen: Die Rechtspflicht des Unterlassenden zum Tätigwerden einerseits,1113 das Entsprechen seines Nichtstuns einem Tun andererseits, so genannte Modalitätenäquivalenz.1114 Einer über § 13 StGB erfolgten Gleichstellung bedarf es indessen nicht, wenn der Gesetzgeber die Untätigkeit als solche bereits eigenständig pönalisiert oder den Tatbestand zumindest so abgefasst hat, dass jedenfalls durch Auslegung Untätigkeitsakte per se erfasst sind.1115 Hieran knüpft die etwas unglückliche, aber tieren“ im Hinblick auf die ebenso normative objektive Zurechnung wieder etwas relativiert wird), vgl. hierzu auch SSW/Kudlich § 13 Rn. 6; eine in der Literatur nunmehr im Vordringen befindliche Ansicht bedient sich nun dem „Kraftaufwandkriterium“, vgl. hierzu Welp, Vorangegangenes Tun als Grundlage einer Handlungsäquivalenz der Unterlassung, S. 109 f.; Androulakis, Studien zur Problematik der unechten Unterlassungsdelikte, S. 55 f.; Brammsen GA 2002, 193 (206); Duttge JR 2004, 34 (37); Engisch, FSGallas, 1973, S. 163 (170 ff.); ders. FS-Dreher, 1977, S. 309 (325 ff.); Roxin AT II § 31 Rn. 77; ders. Engisch-FS, 1969, S. 380 ff.; Schlüchter JuS 1976, 795; SK/Rudolphi Vor § 13 Rn. 6; auf die Erfolgsverursachung abstellend Grünwald, Das unechte Unterlassungsdelikt, S. 21 ff.; Kargl GA 1999, 459 (475); zur Subsidiarität des Unterlassens bei Kraftaufwand vgl. auch Stratenwerth/Kuhlen AT Rn. 329; Röhl JA 1999, 895; LK/Weigend § 13 Rn. 7; zur Kombination des Kraftaufwandkriteriums mit Kausalitätserwägungen Sieber JZ 1983, 431; zum Ganzen auch T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 45. 1111 Grundlegend zur Unterlassungsstrafbarkeit Gimbernat Ordeig, ZStW 111 (1999), 307; Lampe ZStW 79 (1967), 476; Gössel ZStW 96 (1984), 321; Maiwald JuS 1981, 473; Grünwald, Das unechte Unterlassungsdelikt; Güntge, Begehen durch Unterlassen, 1995; Jakobs, Die strafrechtliche Zurechnung von Tun und Unterlassen, 1996; Schmidhäuser, GS-A. Kaufmann, 1989, S. 131 ff.; Samson, FS-Welzel, 1974, S. 579 ff.; Roxin, FS-Engisch, 1969, S. 380 ff. 1112 Sch/Sch/Stree/Bosch § 13 Rn. 1; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 1 („Tautologie“). 1113 Dass sie die einzelnen Pflichten nicht abschließend aufzählt oder die Rechtspflicht konkreter umschreibt führt nicht zu einer Verletzung des Bestimmtheitsgebots, Art. 103 II GG, so BVerfGE 96, 68 (97 f.); BVerfG NJW 2003, 1030 f., was tragbar erscheint, weil man die Anforderungen an den Grundsatz der lex certa i. R. d. Vorschriften des Allgemeinen Teils wegen dem Wesen und der Funktion des AT zwingend herunterzuschrauben hat, vgl. hierzu bereits Fn. 130 in Teil 1, Fn. 3 in Teil 3; SSW/Kudlich § 13 Rn. 3; zu dieser Problematik Jähnke, FS-BGH, 2000, S. 393 (402 ff.); dem Bundesverfassungsgericht zustimmend LK/Weigend § 13 Rn. 13 Rn. 17 ff.; SK/Rudolphi § 13 Rn. 3; Sch/Sch/Stree/Bosch § 13 Rn. 5; Lackner/Kühl § 13 Rn. 21; Fischer § 13 Rn. 2; krit. dennoch NK/Wohlers § 13 Rn. 3; MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 26; Grünwald ZStW 70 (1958), 412 (418 ff.); Lilie JZ 1991, 541; monographisch Nickel, Die Problematik der unechten Unterlassungsdelikte im Hinblick auf den Grundsatz „nullum crimen sine lege“ (Art. 103 II GG), 1972. 1114 Zur doppelten Funktion des § 13 StGB LK/Weigend § 13 Rn. 11. 1115 Bei gesetzestechnisch sauberer Arbeit wird sich dann die Rechtspflicht aus dem Tatbestand heraus ergeben, „ohne auf die Krücken des § 13 StGB“ angewiesen zu sein, zu dieser Wendung bereits 3. Teil A. I. 1. d) cc) (2), S. 110 ff.
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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zumindest didaktisch etablierte Unterscheidung zwischen unechten und echten Unterlassungsdelikten.1116 Von unechten Unterlassungsdelikten ist die Rede, wenn der Täter den Erfolg eines eigentlich als Begehungsdelikt konzipierten Tatbestands durch sein Nichteinschreiten verwirklicht1117 und man ihm dieses Nichtstun unter den Voraussetzungen des § 13 StGB so vorwirft, als hätte er aktiv gehandelt (weil speziell er eine Rechtspflicht zum Handeln hatte).1118 Der individuelle Einschlag einerseits, die Tatbestandsfassung andererseits beinhalten schon die Abgrenzung zu echten Unterlassungsdelikten wie beispielsweise §§ 323c, 138 StGB. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die dort statuierten Handlungsgebote auf allgemeinen Solidaritätspflichten basieren und sich daher an jedermann richten. Die tatbestandliche Formulierung, die ihrerseits allerdings nicht umgekehrt werden kann, beschreibt ein Unterlassen. Diese Terminologie birgt die Gefahr von Missverständnissen,1119 da man teils die Handlungspflicht (individuell/allgemein), teils die Tatbestandsfassung (aktive/passive Formulierung der Tatmodalität) als maßgebliches Abgrenzungskriterium heranzieht. Dies sticht ins Auge, wenn man die sowohl im Kernstrafrecht als auch im Betäubungsmittelstrafrecht existierenden Delikte zuordnet, bei denen die Handlungsbeschreibung eine Deutung als „echtes“ Unterlassen zulässt, obwohl sich die Rechtspflicht nur auf den bezeichneten Personenkreis bezieht. Aus dem Kernstrafrecht seien die § 221 I Nr. 2 StGB1120 oder § 266 StGB1121 genannt. Bei derartigen Tatbeständen diskutiert man in der Lehre darüber, ob die Strafmilderung des § 13 II StGB überhaupt zur Anwendung kommen kann, da nichts „gleichzustellen“ bleibt.1122 Wenn im Folgenden von unechten Unterlassungsdelikten die Rede ist, so legt die Untersuchung nur der Vereinfachung hal-
1116 Zurückgehend auf Luden, Abhandlungen aus dem gemeinen teutschen Strafrechte Bd. II (1840), S. 219 ff.; zum Ganzen krit. LK/Weigend § 13 Rn. 16. 1117 Ob es sich hierbei um die Nichtverhinderung eines Erfolgs „im engeren Sinn“ bzw. einer „Verletzung“ handeln muss, sei an dieser Stelle noch dahingestellt. 1118 SSW/Kudlich § 13 Rn. 1; Rengier AT § 48 Rn. 4 f.; so schon Meister MDR 1953, 649 ff. 1119 Krit. auch MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 60; Schmidhäuser, Müller-Dietz-FS, 2001, S. 761 (762 ff.). 1120 Zuletzt hierzu NStZ 2012, 210; zum Streitstand rund um die Einordnung des § 221 I Nr. 2 StGB Sch/Sch/Eser § 221 Rn. 10; Fischer § 221 Rn. 12; Lackner/Kühl § 221 Rn. 4; LK/Jähnke § 221 Rn. 22, 28 f.; SK/Horn/Wolters § 221 Rn. 6; MKStGB/Hardtung § 221 StGB Rn. 2; NK/Neumann § 221 Rn. 19; Wielant, Die Aussetzung nach § 221 StGB, 2009, S. 504 ff. 1121 Bei SSW/Kudlich § 13 Rn. 2. 1122 Jedenfalls ist es bei derartigen Delikten regelmäßig umstritten, ob § 13 II StGB anwendbar ist, vgl. hierzu Fn. 22 und zu § 266 StGB BGHSt 36, 227 (228); Lackner/ Kühl § 266 Rn. 2; Fischer § 266 Rn. 38a; Seebode JR 1989, 302; Güntge wistra 1996, 84 ff.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
ber die „positiv-rechtliche“ Differenzierung zu Grunde,1123 d.h. die Analyse über Anwendung und Reichweite des § 13 StGB bezieht sich auf Modalitäten, die unzweifelhaft aktive Begehungsweisen beschreiben (vgl. im Folgenden II.). Hierzu zählen im Betäubungsmittelstrafrecht • Anbau, Herstellung (ausgenommen Zubereitungen), • Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr, • Veräußern, abgeben, sonstiges Inverkehrbringen, erwerben oder sich in sonstiger Weise verschaffen, • Verschreiben, verabreichen, zum Verbrauch überlassen, • Werben, • unrichtige/unvollständige Angaben machen, • Auffordern, • Geldmittel bereitstellen, • Verschaffen, mitteilen, verleiten. Übrig bleiben die passiv formulierten oder jedenfalls „zweideutigen“ Begehungsweisen, wie etwa das Handeltreiben: Handeltreiben mag auf den ersten Blick zwar „aktiv“ formuliert sein, doch lässt dessen weite Auslegung als „jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit“ auch die unmittelbare Einbeziehung von schlichtem Nichtstun zu, soweit man den Begriff „Tätigkeit“ hier als „Verhalten“ und nicht als „Tun“ versteht.1124 Zu diesen zweideutigen Verhaltensweisen ließe sich auch das „Gewähren“ gem. § 29 I Nr. 10 BtMG (i. S. e. Erlaubens bzw. Nichteinschreitens gegen Handlungen anderer?) zählen. Im Rahmen der Bearbeitung werden sie als „potentiell“ unechte Unterlassungsdelikte mit in die Überlegungen aufgenommen, zumal die Rechtsprechung bzgl. dieser Differenzierung nicht immer das nötige Problembewusstsein aufweist, wenn sie beim strafbaren Besitz § 13 StGB manchmal nennt,1125 obwohl sie konzeptionell die hier vertretene Auffassung zu teilen scheint.1126 Im Anschluss an diese Überlegungen wird der Besitz als Mischtatbestand mit echtem Unterlassungselement dargestellt, um diese problematischen Aspekte nochmals gesondert aufzugreifen. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Verfasser einer „unechten“ Unterlassungshaftung neben dem „echten Unterlassungsdelikt“ des strafbaren Besitzes gem. § 29 I Nr. 3 BtMG grundsätzlich kritisch gegenübersteht. 1123 Insofern wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, dass der von Streng ZStW 122 (2010), 1 ff. verwendete Terminus des „passiven Tuns“ den besser zu handhabenden Oberbegriff darstellt, vgl. Fn. 87 in Teil 3. 1124 Ein ähnliches Problem stellt sich beim Begriff der Pflichtverletzung gem. § 266 I StGB. 1125 OLG Celle StV 2000, 624. 1126 Nämlich dass es sich bei § 29 I Nr. 3 BtMG um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt.
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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§ 13 StGB mag im Betäubungsmittelstrafrecht ohnehin nur eine geringe Bedeutung entfalten, doch muss trotzdem deutlich genug herausgearbeitet werden, was der Grund hierfür ist.1127 Schon kriminalpolitische sowie gesetzessystematische Erwägungen sprechen gegen eine weitreichende Unterlassungshaftung. Der Gesetzgeber hat im Betäubungsmittelstrafrecht eine Fülle von Umgangsformen konkret benannt (bzw. kasuistisch aufgezählt). Der gesetzgeberische Wille darf nun nicht dazu verleiten, trotz unmittelbarer Aneinanderreihung aktiv formulierter Umgangsformen, bei jeder Modalität eine „spiegelbildliche“ Verwirklichung für möglich zu erachten. Bei solch einem umfangreichen Handlungskatalog hätte es dem Gesetzgeber auch freigestanden, über den Besitz hinaus weitere Untätigkeitsakte als Tathandlung aufzuzählen. Aus systematischen Gründen muss man davon ausgehen, dass der Zustand, aus dem sich individuelle Rechtspflichten ergeben, im Strafgesetz abschließend formuliert ist.1128 Da kommt es der hier vertretenen Ansicht nur entgegen, dass die meisten Tatbestände des Betäubungsmittelstrafrechts einer „unechten“ Unterlassungshaftung grundsätzlich kaum zugänglich sind. Genau dies gilt es im Folgenden zu erläutern und herauszuarbeiten, wobei im Anschluss an den Tatbestand des unechten Unterlassungsdelikts im Betäubungsmittelstrafrecht (II.) – wie angekündigt – noch einige ergänzende Erläuterungen zum echten Unterlassungsdelikt des strafbaren Besitzes (III.) folgen sollen.
II. Der Tatbestand des unechten Unterlassungsdelikts im Betäubungsmittelstrafrecht Der Tatbestand des unechten Unterlassungsdelikts setzt zunächst den Eintritt eines „tatbestandlichen Erfolgs“ voraus,1129 den der Täter trotz physisch-realer Rettungsmöglichkeit nicht abgewendet hat. Diese zwei Komponenten werden – wie beim Begehungsdelikt auch – durch das Band der „Kausalität“ zusammengehalten. Dabei kann dahinstehen, ob man streng ontologisch nur von einer „QuasiKausalität“ 1130 spricht1131 oder ob man unter Zuhilfenahme der Formel von der 1127 Im Rahmen der Analyse wird sich zeigen, dass man hier geteilter Auffassung sein kann, was die rechtlichen „Hürden“ einer unechten Unterlassungshaftung im BtMG anbelangt. 1128 Man könnte es sich noch einfacher machen und davon ausgehen, dass bereits der tatbestandliche Bezugspunkt „Betäubungsmittel“ als grundsätzlich verbotener Gegenstand ein rechtlich niedergelegter Umstand ist, der bereits für sich eine individuelle Sorgfalts- und Überwachungspflicht „sui generis“ begründet (ähnlich wie bei der Untreue die Vermögensbetreuungspflicht bereits eine Garantenstellung beinhaltet und somit kein Rückgriff auf § 13 StGB erforderlich erscheint), vgl. zur Untreue SSW/Saliger § 266 Rn. 33. 1129 Vgl. ausführlich Punkt 1 im Folgenden. 1130 Arthur Kaufmann, FS-Eb.Schmidt, 1961, S. 200 (214 ff.); Sch/Sch/Stree/Bosch § 13 Rn. 61; BGHSt 48, 77 (93). 1131 Ein „nullum“ kann nicht hinweggedacht werden, vgl. SSW/Kudlich § 13 Rn. 10.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
gesetzesmäßigen Bedingung eine „echte“ Kausalität für möglich erachtet1132. Über die Modifikation der klassischen condicio Formel, wonach die gebotene Abwendungshandlung nicht hinzugedacht werden könnte, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele, ist man sich schließlich einig.1133 Soweit ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Rettungshandlung und dem abzuwendenden Erfolg bejaht werden kann, hat man sich der zentralen Voraussetzung des § 13 StGB zu widmen, wonach der Täter für den Nichteintritt des Erfolges rechtlich einzustehen hat („Garantenpflicht“). Welche Bedeutung dagegen der „Entsprechungsklausel“ zukommt, ist nicht ganz klar und in Details umstritten.1134 Sie wird auch im Folgenden weitestgehend ausgeblendet. Da auch die Kausalität regelmäßig keine Probleme bereitet, werden diese „Punkte“ im letzten Gliederungspunkt zum unechten Unterlassungsdelikt zusammengefasst (4.). Man könnte meinen, dass der Schwerpunkt der Ausführungen dieses Abschnitts daher allein bei Inhalt und Ausmaß der Garantenpflicht liegen wird,1135 dem wohl „dunkelsten Kapitel“ der deutschen Strafrechtsdogmatik,1136 vgl. im Folgenden 2. und 3. Im ersten Schritt gilt es aber herauszuarbeiten, wie man den Begriff des „rechtlichen Erfolgs“ i. R. d. § 13 StGB zu verstehen hat. Legt man den Erfolgsbegriff eher eng aus und verlangt die Nichtabwendung eines Verletzungserfolgs, beschränkt man die unechte Unterlassungshaftung auf den „klassischen Bereich“ der Tötung, Körperverletzung oder Sachbeschädigung durch Unterlassen. Im Betäubungsmittelstrafrecht würde gleichsam bei allen Delikten a priori eine Unterlassungsstrafbarkeit ausscheiden, da das überindividuelle Rechtsgut der Volksge-
1132 Hilgendorf NStZ 1994, 561 (564); Puppe ZStW 92 (1980), 863; Spendel JZ 1973, 137 (139); Vogel, Norm und Pflicht, S. 148 ff. 1133 BGHSt 6, 1 (2); 37, 106 (126); 48, 77 (93); RGSt 75, 49 (50); zum Meinungsstand Kühl AT § 18 Rn. 35 ff.; MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 305 ff.; Roxin AT II § 31 Rn. 37 ff.; SK/Rudolphi vor § 13 Rn. 14 f.; Fischer vor § 13 Rn. 39; Spendel, FSHerzberg, 2008, S. 247 ff. 1134 Vgl. weiter unten 3. Teil B. II. 4., S. 384 ff.; zum Ganzen LK/Weigend § 13 Rn. 77; Roxin AT II § 32 Rn. 218 ff.; vgl. auch Theile JuS 2006, 110; Güntge, Begehung durch Unterlassen, S. 46; monographisch Nitze, Die Bedeutung der Entsprechungsklausel, 1989. 1135 Jedenfalls im „Allgemeinen“ ist die Frage einer Garantenstellung des Täters Dreh- und Angelpunkt der Unterlassungshaftung. Aber auch im Betäubungsmittelstrafrecht setzt sich dieser Trend fort, wenn sich die Rechtsprechung stets nur mit der Frage einer Einstandspflicht auseinandersetzt und hierdurch auch die soeben propagierte restriktive Handhabung im Bereich des „Umgangs durch Untätigkeit“ erreicht, vgl. 3. Teil B. II. 3., S. 364 ff. 1136 So Roxin AT II § 32 Rn. 2 über die Diskussion rund um die Herleitung und Kategorisierung der Garantenpflichten. Eine Metapher, auf die man anscheinend gerne zurückgreift; andere sehen beispielsweise die Teilnahmelehre als das dunkelste und verworrenste (oder auch hoffnungsloseste) Kapitel der deutschen Strafrechtswissenschaft, vgl. Kantorowicz, MschrKrim Bd. 7 (1910/11), S. 306 zitiert bei Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 1.
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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sundheit mangels Rechtsgutsträger nicht sichtbar verletzt werden kann. Ob dies nicht schon deswegen das richtige Ergebnis ist, weil der Gesetzgeber die unerwünschten Umgangsformen kasuistisch aufzählt und es somit in der Hand hat, auch passende „Untätigkeitsdelikte“ zu schaffen, sei hier dahingestellt.1137 Zu erläutern bleibt gleichwohl, wie der Begriff des rechtlichen Erfolges i. S. d. § 13 StGB auszulegen ist. 1. Die erste Hürde: Das Einstehenmüssen für die Abwendung eines „Erfolges“ Die Frage lautet also, ob die Gleichstellungsklausel auch auf Tatbestände Anwendung finden kann, deren Unrechtsgehalt sich in der Vornahme einer schlichten Tätigkeit erschöpft. Dies betrifft das Betäubungsmittelstrafrecht in hohem Maße, wurde ja schon im Rahmen dieser Abhandlung mehrmals der Begriff des schlichten Tätigkeitsdelikts verwendet und als eigenständiger Tatbestandstypus dem Erfolgsdelikt gegenübergestellt.1138 Die zentrale Tathandlung des Betäubungsmittelstrafrechts schlechthin, nämlich das Handeltreiben als jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, setzt keinen Eintritt eines Außenwelterfolgs voraus. Da es im Rahmen dieser Abhandlung erstmals nicht mehr nur um den (ggf. unterschiedlichen) Umgang mit Tätigkeitsdelikten geht, sondern die grundsätzliche Anwendung einer bestimmten Norm vom Deliktstyp bzw. vom zugrundegelegten „Erfolgsbegriff“ abhängt, erscheint es zweckmäßig, im Folgenden „exkursartig“ klarzustellen, was (zumindest nach Auffassung des Verfassers) unter einem Tätigkeitsdelikt einerseits, und unter einem Erfolgsdelikt andererseits zu verstehen ist [a)]. Denn es hilft nicht weiter, von einer h. M. zu sprechen, bei der Einigkeit darüber besteht, dass der Erfolgsbegriff des § 13 StGB weit auszulegen sei und somit auch zu Tätigkeitsdelikten passe,1139 wenn nicht feststeht, wie „weit“ man den Erfolgsbegriff auslegen darf und was überhaupt ein Tätigkeitsdelikt ist.1140 Erst wenn klargestellt ist, dass das Tätigkeitsdelikt überhaupt eine eigenständige Existenzberechtigung neben dem Erfolgsdelikt hat, kann man auch darüber strei-
1137 Dies müsste unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots erfolgen, indem der Eingriff entweder an eine legitimierbare Mitwirkungspflicht für alle knüpft oder der Täterkreis eingeschränkt wird, sprich als Sonderdelikt ausgestaltet ist, zu dieser Überlegung vgl. bereits 3. Teil A. I. 1. d) cc) (4), S. 112 ff. 1138 Man denke an die Erläuterungen i. R. d. der Kausalität 3. Teil A. I. 3. c), S. 127 ff. 1139 Vgl. Tenckhoff, FS-Spendel, 1992, S. 347 (361); Rengier AT § 49 Rn. 7; ders. in KK-OWiG § 8 Rn. 9 ff.; Sch/Sch/Stree/Bosch § 13 Rn. 3; Arzt SchwZStr 107 (1990), 168 (174); Freund, Erfolgsdelikte und Unterlassen, S. 5 Fn. 25; MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 227. 1140 Auf dieses terminologische Problem weist auch Skoupil, Handeltreiben, S. 71 hin.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
ten, was § 13 StGB mit „Erfolg“ meint und ob dieser Erfolgsbegriff mit dem des Erfolgsdelikts gleichzusetzen ist [b)].1141 a) Der Begriff des Tätigkeitsdelikts als Pendant zum Erfolgsdelikt? aa) Zum Tätigkeitsdelikt im Allgemeinen Die Dogmatik der Tätigkeitsdelikte ist nicht ausgeprägt und war bisher auch nicht allzu häufig Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen. Auch in Lehrbüchern zum Allgemeinen Teil und Kurzkommentaren fallen (zumindest grundlegende) Ausführungen zum Tätigkeitsdelikt als Tatbestandstypus eher spärlich aus,1142 was mit Blick auf die §§ 153 ff., 316 StGB nicht an deren geringer Relevanz liegen kann. Die selbst in Großkommentaren1143 eher knappen Ausführungen mögen darauf zurückzuführen sein, dass man Tätigkeitsdelikten die Existenzberechtigung als „Deliktstypus“ teils generell abspricht.1144 Soweit man diese dagegen als eigenständigen Deliktstypus anerkennt, mag ihre eher stiefmütterliche Behandlung damit zusammenhängen, dass sich die Dogmatik derartiger Tatbestände weitgehend im Besonderen Teil selbst „abspielt“.1145 Aus dem Blickwinkel des Allgemeinen Teils bleibt dann nicht viel übrig, was sinnvoll „vor die Klammer gezogen“ 1146 werden könnte.1147 In einer Zeit, in der sich das Strafrecht von seiner „klassischen Prägung“ abgewendet zu haben scheint1148 und sich nun als „modernes Präventionsstrafrecht“ präsentiert,1149 sind abstrakte Gefährdungstatbestände bzw. schlichte Tätigkeits1141 Formuliert man die Frage um, gilt es herauszustellen, ob unter Zuhilfenahme des § 13 StGB unechten Tätigkeitsdelikten durch Unterlassen zur Existenz verholfen werden kann, oder ob die schlichte Untätigkeit (wie eben bei § 323c StGB) stets tatbestandlich vertypt bzw. festgelegt sein muss. 1142 Siehe beispielsweise Rengier AT § 10 Rn. 7; Wessels/Beulke Rn. 25; Jescheck/ Weigend AT, S. 260 (263); Rönnau JuS 2010, 961; Krey/Esser, AT Rn. 281 f.; Roxin AT I § 10 Rn. 103; SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 27; v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer § 13 Rn. 8; Fischer Vor § 13 Rn. 18; Hirsch, GS-Meurer, 2002, S. 3 ff.; 20 f. 1143 Vgl. LK/T. Walter Vor § 13 Rn. 63; MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 228. 1144 So beispielsweise T. Walter, Der Kern des Strafrechts, S. 16 ff.; ders. in LK vor § 13 Rn. 64; dem zustimmend MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 228. 1145 Und damit sei das Nebenstrafrecht mit einbezogen. 1146 Zu dieser Wendung vgl. bereits. 1. Teil III. 1., S. 60 und Fn. 123. 1147 Diese Feststellung führt zum Grundproblem der Abhandlung zurück: Die Tatbestände „verschließen sich“ sozusagen dem Allgemeinen Teil aufgrund ihrer abgeschlossenen Tatbestandsformulierung, die so „kurz und bündig“ ist, dass die Heranziehung allgemeiner Grundsätze gar nicht nötig zu sein scheint. Im Kernstrafrecht fehlt es dann meist auch an einer ausdrücklichen Anordnung der Fahrlässigkeits- und Versuchsstrafbarkeit, sodass Tätigkeitsdelikte „ganz ohne den Allgemeinen Teil“ auskommen. 1148 Und damit auch von Verletzungsdelikten, Individualrechtsgüterschutz und dem ultima-ratio-Gedanken. 1149 Zu den Charakteristika und zur Gegenüberstellung von klassischem und modernem Strafrecht u. a. Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts, S. 31 ff.; Hasse-
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delikte1150 keine Seltenheit mehr, wobei diese Entwicklung in der Lehre keineswegs unbemerkt blieb. Die Diskussion, in der auch die Besorgnis um den Bestand rechtsstaatlichen Strafrechts kundgetan wurde1151, spielte sich aber auf einer „abstrakteren“ Ebene ab:1152 Gefragt wurde nicht nach der Dogmatik des nunmehr (im Nebenstrafrecht) allgegenwärtigen Tätigkeitsdelikts, sondern nach dessen Legitimierbarkeit, wobei diese Fragestellung mit Inhalt, Zeitgemäßheit und Notwendigkeit des strafrechtlichen Rechtsgutsbegriffs als tragende Säule des staatlichen Strafanspruchs verknüpft wurde.1153 Dementsprechend kategorisierte man Tätigkeits-, Gefährdungs-, Eignungs-, und Unternehmensdelikte (vgl. näher im Folgenden) auch anhand der in diesem Zusammenhang gewonnenen Ergebnisse.1154 Gerade diese wahrlich „systemtranszendente“ und in den seltensten Fällen positivistische Diskussion brachte den Nachteil mit sich, dass die dort gemachten Überlegungen stets Gefahr liefen, den Stempel eines „dogmatischen Glasperlenspiels“ 1155 aufgedruckt zu bekommen und allenfalls dann wahrgenommen zu werden, wenn sich ein höchstrichterliches Urteil mit der Reichweite eines Tätigkeits- oder Gefährdungsdelikts befasste.1156 Die beschriebene Rechtsgutsdiskussion rund um die Legitimierbarkeit des modernen Präventionsstrafrechts übermer ZRP 1992, 378 (379); anschaulich Hettinger NJW 1996, 2263 (2264) und Kempf NJW 1997, 1729 (1731), wonach der Funktionswandel des Strafrechts (Sozialkontrolle statt Individual-rechtsgüterschutz) schon am Titel aller neueren Änderungsgesetze sichtbar sei: „Gesetz zur Bekämpfung. . .“; zu den gesellschaftlichen Ursachen dieses Wandels Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 378 ff.; F. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 54; Vormbaum ZStW 107 (1995), 734 (740); zur „Tendenzwende“ vgl. auch Ebert JR 1978, 136 (142), vgl. auch Fn. 4 in der Einleitung. 1150 Das „bzw.“ sei mit Vorsicht zu genießen, da sich die beiden Deliktskategorien häufig überschneiden, aber nicht jedes abstrakte Gefährdungsdelikt als schlichtes Tätigkeitsdelikt ausgestaltet sein muss, vgl. im Folgenden. 1151 So Naucke KritV 1993, 135 (154 ff.); ders. Wechselwirkung, S. 35 ff.; aber auch Hassemer ZRP 1992, 378 (379 ff.); nachgezeichnet bei Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts, S. 30 ff.; vgl. auch Hesel, Modernes Strafrecht, S. 330 ff. sowie Albrecht KritV 1988, 182. 1152 Wie schon im Rahmen der Überlegungen zum Rechtsgut beschrieben, 2. Teil D., S. 85 ff. 1153 Zu Wesen und Funktion des Rechtsgutsbegriff vgl. bereits 2. Teil A. I., S. 68 ff. 1154 Zur Verknüpfung von Rechtsgutstheorie und Tatbestandsfassung Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts, S. 213 ff., 229 ff.; Hesel, Modernes Strafrechts, S. 375 ff.; insbesondere zu den verschiedenen Möglichkeiten der Tatbestandsreduktion Rabl, Gefährdungsvorsatz, S. 19 ff.; Schröder ZStW 81 (1969), 7 (16); Stächelin, Strafgesetzgebung, S. 96; Vogel StV 1996, 110 (113); Graul, Gefährdungsdelikte, S. 151 ff.; Amelung, Rechtsgüterschutz und Schutz der Gesellschaft, 1972; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, 1989; Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter und abstrakter Rechtsgüterschutz, 1994. 1155 So auch der Untertitel einer Aufsatzsammlung neuerer Zeit herausgegeben von Hefendehl/v. Hirsch/Wohlers, Rechtsgutstheorie, 2003. 1156 Man denke nochmals an den Cannabis-Beschluss des BVerfG, der die Rechtsgutsdiskussion wieder neu entfachte, vgl. bereits 2. Teil B. II. 2., S. 73 ff. m.w. N.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
schattete also stets die Entwicklung einer Tätigkeitsdeliktsdogmatik und einer von dieser Diskussion losgelösten Konturierung des Erfolgsbegriffs. Denn auch umgekehrt haben sich nur wenige Vertreter aus der Literatur sorgfältig und ausführlich mit dem Begriff des „rechtlichen Erfolgs“ auseinandergesetzt,1157 ohne hierbei den Rechtsgutsparameter (also Überlegungen zum Verletzungs- und konkreten Gefährdungsdelikt) einzubeziehen. bb) Zur dogmatisch-terminologischen Notwendigkeit des Tätigkeitsdelikts im System der Deliktskategorien Diese Trennung der Parameter „Rechtsgut“ und „Tatbestandsfassung“ ist aber der erste entscheidende Schritt hin zu einer vorrangig strafrechtsdogmatischen Betrachtung, die systemkritische Einwendungen weitestgehend ausblenden will.1158 Während der Begriff des Gefährdungs- oder Verletzungsdelikts rechtsgutsbezogen ist, bezieht sich das Tätigkeitsdelikt ausschließlich auf die Fassung des Tatbestands und ist somit „wertfrei“. Zur Erläuterung: Direktes Pendant des Tätigkeitsdelikts ist das Erfolgsdelikt.1159 Damit sind Tatbestände gemeint, deren Verwirklichung (über eine tatbestandlich beschriebene Handlung hinaus) eine in der Außenwelt wahrnehmbare Veränderung des status quo voraussetzen.1160 Regelmäßig ist diese Veränderung als eine wahrnehmbare Verletzung des genannten Bezugsobjekts (Leben, Leib, Eigentum, Vermögen) umschrieben, sodass Erfolgsdelikte auch häufig zugleich Verletzungsdelikte sind. Man darf aber keinesfalls den Fehler begehen, dem Erfolgsdelikt pauschal das „Gefährdungsdelikt“ gegenüberzustellen. Und zwar ganz unabhängig davon, ob von konkreten Gefährdungsdelikten oder abstrakten Gefährdungsdelikten die Rede ist. Von einem konkreten Gefährdungsdelikt spricht man, wenn die Gefahr einer Verletzung für einen außenstehenden Dritten „sichtbar“ wird (in Form eines Beinahe-Unfalls bei § 315c StGB1161 oder einer lebensgefährlichen Unterkühlung 1157 Eine in Relation zum Handlungsbegriff deutliche „Vernachlässigung“ einer abstrahierten Erfolgstheorie sehen auch NK/Puppe vor § 13 Rn. 62; SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 10; erstmals „eigenständig“ in den Fokus der Wissenschaft gerückt dürfte der Begriff des rechtlichen Erfolgs mit der Etablierung der Internetkriminalität und den damit auftauchenden „Äußerungsdelikten“ sein, da das Phänomen „Internet“ (beispielsweise im Fall Töben BGHSt 46, 212) zu Fragen des Strafanwendungsrechts und damit auch zur Auslegung des § 9 StGB führte („Tatortprinzip“), der auch den Begriff des rechtlichen Erfolgs enthält, zum Ganzen Sieber NJW 1999, 2065 ff. 1158 Vgl. bereits die Erwägungen in der Einleitung, S. 27 ff. Die Arbeit legt das aus rechtsgutsbezogener Perspektive kritisierbare Betäubungsmittelstrafrecht, vgl. 2. Teil C., S. 76 ff., als vom Gesetzgeber intendiertes System dennoch zugrunde und analysiert, ob es zumindest aus strafrechtsdogmatischer Perspektive rechtsstaatlich zur Anwendung kommt. 1159 SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 27; ders. StV 2001, 397. 1160 Zum Begriff des Erfolgs eingehend NK/Puppe Vor § 13 Rn. 72 ff. 1161 BGH NJW 1995, 3131 („Notwendigkeit einer Vollbremsung“ als Indiz).
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bei § 221 StGB1162). Auch bei dieser sichtbaren Gefahr handelt es sich um einen „Erfolg“, welchen der Tatbestand voraussetzt.1163 Konkrete Gefährdungsdelikte sind somit immer auch Erfolgsdelikte.1164 Aber auch das abstrakte Gefährdungsdelikt als „direkten Gegenspieler“ zum Erfolgsdelikt darzustellen, wäre zumindest ungenau. Das abstrakte Gefährdungsdelikt beschreibt einen generell gefährlichen Sachverhalt,1165 sodass es mangels tatsächlich wahrnehmbarer Gefährdung terminologisch ohnehin korrekter wäre, derartige Tatbestände als „Gefährlichkeitsdelikte“ zu bezeichnen.1166 Während bei Individualrechtsgütern in der Beeinträchtigung des Handlungsbezugspunkts zugleich die Beeinträchtigung bzw. „Verletzung“ des Rechtsguts gesehen werden kann,1167 sind überindividuelle Rechtsgüter niemals empirisch wahrnehmbaren Änderungen unterworfen. Delikte, die überindividuelle Rechtsgüter schützen, können somit nie als Verletzungs- oder konkrete Gefährdungsdelikte ausgestaltet sein.1168 Dennoch steht es dem Gesetzgeber frei, auch im Rahmen eines Gefährlichkeitsdelikts „tatbestandliche Zwischenerfolge“ zu konzipieren bzw. vorauszusetzen, die u. U. erst die abstrakte Gefährlichkeit für das Rechtsgut implizieren.1169 Als Beispiel sei das Beiseiteschaffen von Sachen im Rahmen einer Überschuldung nach § 283 I Nr. 1 StGB genannt: Die Tathandlung setzt den rechtlichen Erfolg voraus, dass der Vermögensbestandteil durch räumliche oder rechtliche Veränderung dem Gläubigerzugriff entzogen wird. Dennoch bleibt § 283 I Nr. 1 StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt,1170 da die Entziehung 1162 Zu Recht als Taterfolg bezeichnet bei OLG Zweibrücken NJW 1998, 841; Fischer § 221 Rn. 10; Küpper JuS 2000, 225; SSW/Momsen § 221 Rn. 7. Zuletzt zum Gefährdungserfolg i. R. d. § 221 StGB NStZ 2012, 210. 1163 Zu den konkreten Gefährdungsdelikten, Zieschang, Gefährdungsdelikte, S. 64 ff. 1164 Zum komplexen Phänomen des potentiellen Gefährdungsdelikts, auch als Eignungsdelikt bezeichnet, monographisch Hoyer, Die Eignungsdelikte, 1987; in diesem Zusammenhang auch Fischer NStZ 1988, 159. 1165 Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte, S. 35 ff. m.w. N.; die Gefährlichkeit des Verhaltens muss sich nicht notwendigerweise in einer einfachen Tätigkeit erschöpfen. 1166 So Hirsch, FS-Arthur Kaufmann, 1993, S. 545 (557 ff.); als „Vorläufer“ dieser Differenzierung Brehm, Dogmatik des abstrakten Gefährdungsdelikts, 1973, S. 12 ff.; Graul, Abstrakte Gefährdungsdelikte und Präsumtionen, S. 152 ff.; A.H. Meyer, Die Gefährlichkeitsdelikte, S. 183 ff.; vgl. hierzu auch Hilgendorf ZStW 113 (2001), 650 (662); Bohnert JuS 1984, 182 ff. sowie Gallas, FS-Heinitz, 1972, S. 171 ff.; dass die Wendung wegen ihres falschen Bezugs (abstraktes Delikt?) grammatisch missglückt ist, sei an dieser Stelle ausgeblendet, vgl. T. Walter, Stilfibel, S. 87 f. 1167 Rechtsgut, Rechtsgutsträger und Handlungsbezugspunkt bleiben nichtsdestotrotz strikt voneinander zu trennen. 1168 Dies führt zu der Frage, wie man den Rechtsgüterschutzgedanken überhaupt in ein abstraktes Gefährdungsdelikt integrieren kann, vgl. nur Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 225 ff. 1169 Vgl. auch Sch/Sch/Stree/Bosch Vor § 13 Rn. 130. 1170 Kudlich/Og ˘ lakcıog˘lu, Rn. 510; SSW/Bosch § 283 Rn. 1; Sch/Sch/Heine § 283 Rn. 1; Lackner/Kühl § 283 Rn. 1; Krause NStZ 1999, 161 (162); NK/Kindhäuser § 283 Rn. 3.
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noch nicht die Rechtsgutsverletzung (also die endgültige Gläubigerbenachteiligung) bedeutet, sondern die Gefahr einer solchen allenfalls erhöht. Noch deutlicher kommt dies in § 283 II StGB zum Vorschein, bei dem die Bankrotthandlungen den Erfolg der Überschuldung kausal und objektiv zurechenbar verursacht haben müssen.1171 Schließlich würde auch niemand vertreten, dass die Brandlegung i. R. d. der Brandstiftungsdelikte bei § 306a StGB plötzlich keinen rechtlichen (Zerstörungs-)Erfolg mehr voraussetzt, weil es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt.1172 In der vorliegenden Abhandlung sticht dies deutlich ins Auge, wenn man mit der h. M. die Tathandlung der Einfuhr als Erfolgsdelikt betrachtet:1173 Trotz der Ausgestaltung der Einfuhr als Erfolgsdelikt führt die Grenzüberschreitung als tatbestandlicher Erfolg nicht zu einer konkreten Gefährdung bzw. „Verletzung“ des Rechtsguts „Volksgesundheit“.1174 Diese Beispiele zeigen, dass der typische „Gleichlauf“ von abstrakten Gefährdungsdelikten und Tätigkeitsdelikten einerseits, und Verletzungsdelikten (bzw. konkreten Gefährdungsdelikten) und Erfolgsdelikten andererseits, zwar der „Regelfall“, aber keineswegs zwingend ist. Insofern ist Walter zuzustimmen, wenn er solch eine pauschale Kategorisierung ablehnt, da die Einteilung ja auch unterschiedliche Parameter (Rechtsgutsbeeinträchtigung einerseits, Abläufe in der Außenwelt anderseits) betrifft.1175 Doch will er bereits eine Stufe vorher den Begriff des Tätigkeitsdelikts entgegen der h. M. grundsätzlich eliminieren.1176 Wenn man nämlich, wie soeben definiert, das Erfolgsdelikt als Tatbestandstypus beschriebe, welcher eine wahrnehmbare Veränderung in der Außenwelt voraussetzt, suggeriere man mit jenen Ausführungen „auf den Anfangsseiten von Lehrbüchern“,1177 dass Tätigkeitsdelikte keinen Kausalverlauf durchlaufen und ein tatbestandsmäßiger Erfolg nicht notwendig sei. In Wirklichkeit durchlaufe aber 1171
Diff. Fischer Vor § 283 Rn. 3. Vgl. nur SSW/Wolters § 306a Rn. 3 („abstrakte Gefährdungsdelikte“) und Rn. 14 („tatbestandlicher Erfolg“); anschaulich Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 267 f. („Abstrahierung eines Verletzungsdelikts hinsichtlich der Rechtsgutsbeeinträchtigung, ohne Erfolgsdeliktseigenschaft zu verlieren“); SK/Horn § 306a Rn. 4. 1173 Körner/Patzak, § 29 Teil 5 Rn. 8; Weber, § 29 Rn. 744; MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 509; zum Ganzen auch Nestler, Transferdelikte, S. 290, welche diese Problematik im Zusammenhang mit § 9 StGB aufgreift. 1174 Oder gar zu einer konkreteren Beeinträchtigung als im Falle des Handeltreibens, das schließlich keinen Außenwelterfolg voraussetzt, vgl. hierzu auch Mack, Abgrenzung, S. 219. 1175 T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 16, vgl. auch Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 267 f.; SK/Horn § 306a Rn. 4. 1176 So auch Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 432 ff.; wobei das Bestreben nach solch einer Vereinheitlichung im Hinblick auf das von ihm konzipierte Modell einer „normativ-funktionalen“ Zurechnung, die zwischen unmittelbarer und mittelbarer „Erfolgs“verursachung bzw. Zuständigkeit für die Gefährdung oder Verletzung von Rechtsgütern differenziert, jedenfalls nachvollziehbar ist. 1177 T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 16. 1172
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auch jedes „Tätigkeitsdelikt“ einen Kausalverlauf, an dessen Ende die Tatbestandsverwirklichung als „Erfolg“ stehe.1178 Schließlich müsse die falsche Aussage gem. § 153 StGB den Mund verlassend beim Gehör des Richters ankommen, der Betrunkene gem. § 316 StGB auf das Pedal treten, um die Bewegung zu „verursachen“.1179 Mit der Wendung „Tätigkeitsdelikt“ darf man nicht den Anschein vermitteln, dass das zur Tatbestandsverwirklichung führende Verhalten keinen Kausalverlauf durchläuft. Es ist vollkommen korrekt, dass diese Kausalverläufe eben kaum sichtbar sind (wie bei einem „aufgesetzten Schuss“) bzw. jeder „Akt“ einen „Effekt“ hat.1180 Insofern durchläuft aber jede Handlung bzw. jedes Verhalten eines Menschen Kausalverläufe, an deren Ende potentielle „Erfolge“ stehen, wie auch immer diese aussehen mögen.1181 Die Funktion des rechtlichen Erfolgsbegriffs liegt allerdings auch nicht darin zu beschreiben, dass sie auf einer kausalen Handlung beruht. Der tatbestandsmäßige Erfolg im klassischen Sinn muss nicht die Verletzung eines Rechtsguts beschreiben. Doch er bleibt ein eigenständiger Teil der Tatbestandsverwirklichung, der u. U. erst die darauf basierenden Handlungen beschreibt. Das Erfolgsdelikt i. S. d. herrschenden Auffassung umschreibt eine Änderung in der Außenwelt, die eventuell auch auf mehreren, verschiedensten Handlungen basieren kann. Oft ist dann – wie beim Tatbestand des Totschlags – davon die Rede, das Delikt sei nicht verhaltensgebunden. In diesen Fällen ist es erst der tatbestandsmäßige Erfolg, der den gesetzlich beschriebenen Sachverhalt „abschließt“ und die Tathandlungen mittelbar definiert, nämlich nur solche mit einbezieht, die für den Erfolgseintritt tauglich sind. Der Erfolgsbegriff nach Walter dagegen hat keine „begrenzende“ Funktion in diesem Sinne mehr, sondern fällt mit der Tatbestandsverwirklichung zusammen.1182 Wenn die Handlung so exakt beschrieben ist, dass ihr jener „Erfolg“ innewohnt, definiert hier umgekehrt die Tätigkeit den Erfolg. Oder wie Güntge es beschreibt: „Bei diesen ,Ereignissen‘ [gemeint sind die als Erfolg bezeichneten Ereignisse] handelt es sich vielmehr um unselbstständige, naturgesetzlich bedingte Folgeerscheinungen
1178 Der Kausalverlauf sei nur wesentlich kürzer und daher nicht wahrnehmbar, genauso wie bei einem aufgesetzten Schuss auf den Kopf, S. 16; vgl. auch Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 438; diese Beispiele zieht auch MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 228 heran. 1179 T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 16. 1180 So die Begründung bei Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 436. 1181 Beispiele bei Güntge, Begehen durch Unterlassen, S. 37: „Bereits der Flug ist ein Folgeereignis des Werfens“, das man dann streng genommen auch als Erfolg bezeichnen müsste. 1182 T. Walter zweifelt vornehmlich die terminologische Notwendigkeit an, differenziert aber ebenfalls zwischen den verschiedenen Erfolgsbegrifflichkeiten, insbesondere setzt er für die sachliche Anwendbarkeit des § 9 StGB beispielsweise voraus, dass der Tatbestand eine stabile Veränderung in der Außenwelt verlangt, vgl. hierzu T. Walter JuS 2006, 870 (872); siehe auch SSW/Satzger § 9 Rn. 8.
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der Tathandlungen des „Führens“ und „Aussagens“, deren notwendiges Vorliegen für das Unrecht der Tatbestandsverwirklichung ohne Bedeutung ist.“ 1183 Nach dem hier vertretenen Erfolgsbegriff der h. M. dagegen bleibt eine Trennung von Tathandlung und Taterfolg möglich;1184 die Handlung kann also umschrieben, beschrieben und ggf. ersetzt werden. Denn Gesundheitsschädigungen, Tötungen, Vermögensnachteile, Vollstreckungsvereitelungen, Einfuhr, Überlassungen, Inverkehrbringen können auf mannigfaltigen Handlungen basieren, während das „Treten auf das Gaspedal und das Stecken des Schlüssels in den Zünder“, welches für das Inbewegungsetzen (also „Führen“) des Fahrzeugs i. S. d. § 316 StGB notwendig ist (oder das Aussprechen der Eidesformel vor dem Tatrichter gem. § 154 StGB1185), immer gleich ausfällt. Beim Erfolgsdelikt begrenzt der umschriebene Erfolg die Reichweite der Auslegung, da es sich sowohl tatsächlich als auch rechtlich um eine Tätigkeit handeln muss, die tauglich ist, den beschriebenen Erfolg herbeizuführen.1186 Es ist auch denknotwendig der restriktivere Deliktstyp, da der Erfolg stets erst auf die taugliche Handlung hin eintreten kann. Dagegen entwickelt sich beim Tätigkeitsdelikt der rechtliche „Erfolg“ – soweit man ihn so nennen will – schon aus der Handlung heraus und hat somit keine begrenzende Funktion mehr.1187
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Güntge, Begehen durch Unterlassen, S. 37. Wobei die hier gemachten Überlegungen auf die Unterscheidung von Graul, Gefährdungsdelikte, S. 22 ff., 109 ff. zwischen einem formellen und materiellen Erfolgsbegriff hinauslaufen (bloß dass bei Grauls Terminologie nicht deutlich genug hervorsticht, dass mit Verletzung und Tatbestandsfassung zwei vollständig verschiedene Parameter betroffen sind, vgl. hierzu auch Küper, FS-Hirsch, 1999, S. 595 (596, Fn. 4). 1185 Speziell für die §§ 153, 154 StGB ergibt sich der fehlende „Erfolg“ schon aus der Modifikation des Strafanwendungsrechts nach § 5 Nr. 10 StGB: Diese ist mangels Erfolgsort von Aussagedelikten notwendig, weil die Anknüpfung an das Territorialitätsprinzip gem. § 3 StGB i.V. m. § 9 StGB einen Erfolgsort voraussetzt, vgl. hierzu auch SSW/Satzger § 9 Rn. 7. 1186 Dem Gesetzgeber steht es frei, den Tatbestand von beiden Seiten aus zu begrenzen und zu bestimmen, auf welche Weise ein trennbarer Außenwelterfolg einzutreten hat, so bei den verhaltensgebundenen Delikten, dazu sogleich. 1187 Damit ist allerdings nicht gemeint, dass der Erfolg „wortwörtlich“ typisiert und im Tatbestand von der Handlung getrennt sein müsste. Das ist nur in den seltensten Fällen der Fall (so könnte man beim Betrug gem. § 263 I StGB davon ausgehen, dass die Handlung „Täuschung“, Zwischenerfolge wie Irrtum und die endgültige Vermögensschädigung als „Erfolg“ tatbestandlich voneinander getrennt sind). Beim „Töten“ beispielsweise fallen Handlung und Erfolg in einem Wort zusammen. Dennoch können sie in zwei Komponenten getrennt werden. Nimmt man nun das Beispiel von Walter mag dies zwar auch zunächst bei einem Tätigkeitsdelikt funktionieren, man denke etwa an die Trennung der Falschaussage in Falschangabe und „Zuhören“ des Richters. Der Unterschied zum Töten ist allerdings, dass die Handlung „Falschangabe“ eine unverrückbare bzw. nicht variable Komponente ist, die den Erfolg bereits bedingt. Beim Töten, Verletzen oder einer Einfuhr dagegen handelt es sich bei der Handlung um eine Variable, deren „Schnittmenge“ durch den Erfolg begrenzt wird. 1184
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Deutlich wird die Notwendigkeit dieser Trennung bei verhaltensgebundenen Erfolgsdelikten, wie beispielsweise §§ 263, 253 und 266 StGB. Verhaltensgebunden deswegen, weil nicht jede Herbeiführung des Vermögensnachteils für eine Tatbestandsverwirklichung ausreicht, sondern das Verhalten (nämlich ein täuschendes, nötigendes oder vermögensbetreuungspflichtverletzendes) durch die Vorschrift vorgegeben ist. Der tatbestandliche Erfolg des Delikts ist die Vermögensschädigung. Würde man die Handlungen für sich betrachten, beinhalten diese ebenfalls schon mehr oder weniger relevante „Zwischenerfolge“, bei der Täuschung beispielsweise, dass der Kommunikationspartner den vorgespiegelten Sachverhalt wahrnimmt. Selbst die Täuschungshandlung durchläuft den Erfolg, als Kommunikationsakt beim Adressaten anzukommen (ohne dass sie notwendig auch erfolgreich sein müsste). Soweit der Gesetzgeber diese Handlung für sich als strafwürdig erachtet, steht es ihm frei, diese eigenständig in bestimmten Kriminalitätsbereichen, wie im Wirtschaftsstrafrecht, zu pönalisieren (vgl. nur § 265b StGB). cc) Die begrenzende Funktion des Erfolgsbegriffs und „entgrenzte“ Tätigkeitsdelikte Derartige Tatbestände, die nur „Erfolge“ beinhalten, die sich notwendig aus der Handlung heraus entwickeln, zeichnen sich dadurch aus, dass die Handlung so konkret beschrieben ist, dass ihnen der „Erfolg“, wie ihn Walter versteht, innewohnt. Anders gewendet: Schlichte Tätigkeitsdelikte sind regelmäßig relativ genau und abschließend beschrieben.1188 Und damit ist man bei einem (verfassungsrechtlich und gesetzgebungstechnisch) enorm wichtigen Punkt angelangt: Handelt es sich nämlich nicht um einen auf Anhieb verständlichen und klar umrissenen Begriff, sondern können mehrere Handlungen unter die Beschreibung subsumiert werden, entsteht der „rechtliche Erfolg“ erst im Laufe dieser Handlung. Umgekehrt existiert also kein Anknüpfungspunkt mehr, welcher das Delikt von Anfang an begrenzen könnte.1189 Und genau hierin liegt die Gefahr eines so 1188 Daher sind diese Vorschriften relativ einfach strukturiert. Die Auslegung der umschriebenen Tathandlung als solche ist dann auch selten das Problem, meist sind es die sonstigen (nicht näher beschriebenen) Tatumstände, die durch Rechtsprechung und Literatur näher konturiert werden müssen. Bei § 316 StGB ist nicht das Führen eines Fahrzeugs problematisch, sondern die Feststellung der alkohol- bzw. rauschbedingten Fahruntüchtigkeit. Bei § 153 StGB ist nicht die „Aussagehandlung“ problematisch, sondern wann sie „falsch“ ist oder unter welchen Voraussetzungen eine Aussage überhaupt getätigt werden kann. 1189 Eine weitere gesetzgeberische Möglichkeit ein abstraktes Gefährdungsdelikt einzuschränken, ist, neben der Voraussetzung eines rechtlichen Außenwelterfolgs, vorauszusetzen, dass Handlung geeignet sein müsse, das Rechtsgut zu beeinträchtigen. Wie Fischer richtig konstatiert, handelt es sich bei den so genannten potentiellen Gefährdungsdelikten bzw. Eignungsdelikten also allenfalls um Unterfälle des abstrakten Gefährdungsdelikts, denen eine tatbestandlich-normative Restriktionsmöglichkeit gesetzgeberisch eingepflegt wurde, vgl. Fischer § 126 Rn. 9 (im Zusammenhang mit der Eignung, den öffentlichen Frieden mittels Androhung von Straftaten zu stören). Insofern ist
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verstandenen Erfolgsbegriffs. Der Erfolg entwickelt sich aus der Handlung heraus und ist kein trennbarer Bezugspunkt, der u. U. seinerseits der Auslegung zugänglich wäre. Die Gefahr eines solch verstandenen Erfolgsbegriffs lässt sich am Handeltreiben demonstrieren: Da Handeltreiben jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit sein kann, hat sie auch mehrere variable Erfolge, die nicht von vornherein festgelegt werden können.1190 Aus diesem Grund zweifeln Kritiker auch die Verfassungsmäßigkeit bzw. Bestimmtheit der Tathandlung des Handeltreibens i. S. d. Art. 103 II GG1191 an.1192 Bei Erfolgsdelikten kann die Handlung zwar ebenfalls näher umschrieben sein, doch bedingt ihre Vornahme nicht zwingend den Erfolgseintritt, sodass auch die Kausalität des Tuns positiv festgestellt werden muss. Im Rahmen des Versuchs schlägt sich dies darin nieder, dass der Täter bei Erfolgsdelikten tatbestandliche Handlungen bereits vorgenommen haben kann und ein weiterer Zeitraum besteht, auch hier wieder die Klassifizierung als eigenständige Deliktskategorie (und Bezeichnung als „abstrakt-konkrete“ Gefährdungsdelikte) eher verwirrend denn hilfreich. 1190 Viele Restriktionsansätze aus der Literatur knüpfen an diesen Punkt und konzipieren Zwischenerfolge, die das Tätigkeitsdelikt begrenzen sollen, etwa den erfolgreichen Abschluss eines Umsatzgeschäfts, allen voran Roxin StV 1982, 517 (519), zum Ganzen noch ausführlich 3. Teil C. VI., S. 484 ff. 1191 Im Hinblick auf diese Intention des Verfassers könnte man die gesamte Diskussion auf Art. 103 II GG verlagern und an der Eliminierung des Erfolgsbegriffs festhalten; anders gewendet: Der Erfolgsbegriff ist ein weiterer „zeitlicher“ Fixpunkt, der den Tatbestand „bestimmter“ macht und von Nöten ist, wenn die Handlung nicht abschließend beschrieben ist; doch würde m. E. eben genau diese Abstrahierung die „Gefahr“ bergen, die tatbestandliche Ausgestaltung eines Delikts zu unterschätzen. 1192 Man stelle sich etwa ein Untreuedelikt § 266 StGB n. F. vor, das da lautet „wer eine ihm obliegende Pflicht verletzt, macht sich strafbar“. Plötzlich wären auch Vermögenszuwachs, Vermögensgefährdung und unveränderter status quo (neben dem tatsächlich eingetretenen Vermögensnachteil) als „Tatbestandserfolge“ denkbar. An der Verfassungswidrigkeit solch eines Untreuedelikts, dem bereits in seiner derzeitigen Fassung neue Grenzen durch das BVerfG gesteckt werden mussten (vgl. hierzu BVerfGE 126, 170 sowie Kudlich ZHW 2011, 1 ff.), würde niemand mehr ernsthaft zweifeln. Dieses Beispiel ist im direkten Vergleich zum Handeltreiben zugegebenermaßen etwas schief gewählt, da § 266 StGB ein Vermögensschutzdelikt ist und somit der „extensionslegitimierende“ Betäubungsmittelbezug fehlt. Aber dass der unbestimmte Begriff des Handeltreibens innerhalb der zahlreichen Begehungsweisen des § 29 I BtMG schlicht fehl am Platze anmutet, sei an folgendem Beispiel verdeutlicht: Wenn in einem Paralleluniversum ein Straftatbestand des Totschlags sämtliche Arten der Todesherbeiführung („Wer einen anderen Menschen erschießt, ersticht, in den Abgrund schubst, tödlich vergiftet, erstickt, erschlägt, verbrennt, ertrinken lässt“) nennen würde, wäre eine Wendung „Wer einen Menschen tötet“ irgendwo mitten im Tatbestand ebenso fehl am Platz und würde darüber hinaus unbestimmt anmuten. Dies lässt sich beim Handeltreiben nicht mit der Überlegung beseitigen, dass die übrigen Modalitäten nicht umsatzbezogene Handlungen aufzählten, die im Falle der Umsatzbezogenheit im Handeltreiben aufgingen. Schließlich hätte es der Gesetzgeber in der Hand, durch eine Gleichstellungsklausel festzuschreiben, dass alle Handlungen im BtMG unter den Begriff des Handeltreibens zu fassen sind, wenn der Täter umsatzbezogen und eigennützig handelt (Stichwort „Katalogmodell“), dazu noch im Rahmen der Überlegungen zum Versuch 3. Teil C. VI. 4., S. 493.
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in dem er die Erfolgsherbeiführung „versucht“ (dementsprechend auch zurücktreten kann), während der Täter bei Tätigkeitsdelikten regelmäßig die beschriebene „Handlung“ versucht.1193 Wenn auch Konstellationen beschrieben werden, in denen die Tatbestandsverwirklichung bei schlichten Tätigkeitsdelikten im Versuch stecken bleibt, so handelt es sich regelmäßig um Konstellationen des untauglichen Versuchs.1194 Dagegen kann der tatbestandsmäßige Erfolg, wenn man ihn wie hier versteht, auch dann eintreten, wenn die Tathandlung für sich untauglich ist (Eintritt des Erfolges durch atypischen Kausalverlauf) oder umgekehrt – und dies ist im Wesentlichen entscheidend – nicht eintreten, obwohl die Handlung grundsätzlich ein taugliches Mittel war (Schuss in Kopfrichtung). Noch deutlicher wird die Notwendigkeit dieser Differenzierung bei der Fahrlässigkeitshaftung. Denn im Rahmen des Fahrlässigkeitsdelikts wandelt sich die „Tathandlung“ in jede erdenkliche Sorgfaltspflichtverletzung um, wobei die Anordnung der Strafbarkeit noch Sinn macht, wenn die Sorgfaltspflichtverletzung trennbar vom Außenwelterfolg bleibt. Ist es dagegen so, dass sich ein Tätigkeitsdelikt in einen Fahrlässigkeitstatbestand umwandelt, stellt man die fahrlässige Vornahme einer konkret beschriebenen Handlung unter Strafe, die aber im Regelfall nicht unbewusst bzw. „ungewollt“ vorgenommen werden kann.1195 Daher ist an der terminologischen Unterscheidung zwischen Tätigkeits- und Erfolgsdelikten festzuhalten. dd) Zwischenfazit: „Deliktstrias“ Erfolgsdelikte – konkretisierte Tätigkeitsdelikte – multiple Tätigkeitsdelikte Damit ergeben sich – was die Unterscheidung der tatbestandlichen Ausgestaltung eines Delikts betrifft – drei Deliktskategorien, die dem BtMG zu entnehmen sind und die dementsprechend für die folgende Abhandlung von Relevanz sein werden. Mit den Modalitäten „Einfuhr“, „Ausfuhr“, „Durchfuhr“, „Abgabe“, „sonstiges Inverkehrbringen“, „Erwerb“ und „Sichverschaffen in sonstiger Weise“ wurden die Erfolgsdelikte des BtMG bereits an anderer Stelle genannt.1196 An ihnen lässt sich die oben genannte These erproben, nach der sich ein Außenwelterfolg nicht aus der vorgenommen Handlung heraus definieren darf. Dies ist 1193 Was zumindest im Bezug auf den Wortlaut des § 22 StGB („unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung“) keine Probleme bereitet. 1194 Etwa weil der Täter fälschlicherweise von der Unrichtigkeit seiner Angaben ausgeht oder weil der falschaussagewillige Zeuge im Moment der Aussage von einem „Düsenjet“ übertönt wird; Beispiel aus MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 228. 1195 Dieser Aspekt diente bereits im Rahmen der Ausführungen zum Fahrlässigkeitsdelikt dazu, eine Einschränkung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auf Erfolgsdelikte bzw. auf das Inverkehrbringen zu begründen, vgl. 3. Teil A. II. 2. c) bb), S. 219 sowie 3. Teil A. II. 2. f), S. 226 ff. 1196 Vgl. 3. Teil A. I. 2., S. 116 ff.; praktische Bedeutung hat wegen § 30 I Nr. 4 BtMG die Einfuhr als Erfolgsdelikt.
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sowohl bei den Transport- als auch bei den Verfügungswechseldelikten der Fall: Den Tatbestand der Einfuhr beschränkt das Erfordernis einer Grenzüberschreitung. Auf welchen Handlungen diese Überschreitung basiert und wie weit vorgenommene Handlung und Außenwelterfolg voneinander entfernt sind, spielt keine Rolle. Die Einfuhr kann auf dem Postwege, zu Fuß oder mittels eines LKW erfolgen. Eine bestimmte Tätigkeit setzt der Tatbestand nicht voraus. Ebenso wenig spielt es beim Inverkehrbringen eine Rolle, auf welche Weise der Täter (ungenügend sichere Aufbewahrung, Wegschmeißen, Herunterfallenlassen etc.) die Ursache dafür setzt, dass ein anderer die Verfügungsgewalt über die Droge erlangt.1197 Als rechtliche Erfolge im Betäubungsmittelstrafrecht lassen sich somit der Grenzübertritt und der Wechsel der Verfügungsmacht benennen.1198 Dem stehen die konkretisierten Tätigkeitsdelikte gegenüber, bei denen die Handlungsbeschreibung genau und abschließend beschrieben ist. Bei konkretisierten Tätigkeitsdelikten führt die Handlung immer „kausal“ zur Tatbestandsverwirklichung, es sei denn die Handlung ist bereits für sich gesehen untauglich und kann somit nicht unter den Begriff der beschriebenen Handlung subsumiert werden. Hierzu zählen fast alle übrigen Modalitäten des BtMG, u. a. der Anbau1199, die Herstellung oder das Erschleichen von Verschreibungen. Innerhalb der schlichten Tätigkeitsdelikte muss aber für das Handeltreiben der Begriff des multiplen Tätigkeitsdelikts eingeführt werden, da bei dieser Tatmodalität die Handlung im Gegensatz zu konkretisierten Tätigkeitsdelikten nicht detailliert beschrieben ist. Somit steht auch nicht fest, wohin die kausale Handlung „verlaufen“ soll.1200 Vielmehr zeichnet sich das multiple Tätigkeitsdelikt gerade dadurch aus, dass verschiedenartige Handlungen darunter subsumiert werden können.1201 Diese Differenzierung ergibt auch terminologisch Sinn, da das Handeltreiben (sicherlich das praktisch wichtigste, aber) nicht das einzige multiple Tätigkeitsdelikt darstellt, dem man im Strafrecht begegnet, man denke etwa an die Agententätigkeit gem. § 99 StGB1202 oder an die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB.1203 1197
Zur Definition dieser Tathandlungen vgl. nochmals 1. Teil B. I. 4., S. 48. Siehe bereits 3. Teil A. I. 2. a), S. 116 ff. 1199 Bei der Aussaat als Definition des Anbaus, vgl. 1. Teil B. I. 2., S. 45 f. bedingt die Vornahme der Handlung den tatbestandlichen Erfolg, es sei denn die Saat ist bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung niemals geeignet den Tatbestand zu verwirklichen; auf Wachstum der Pflanzen, Ernte der Betäubungsmittel etc. kommt es nicht an. 1200 Zum Handeltreiben als schlichtes Tätigkeitsdelikt vgl. BGHSt 30, 360. 1201 Und somit auch mehrere Erfolge, soweit man den Begriff des „Erfolgs“ mit dem der Tatbestandsverwirklichung gleichsetzt, etwa die etwa Einfuhr, Herstellung, Transport, Verpackung, Vermittlung, Verkauf, Übergabe, Überwachung etc., vgl. hierzu noch ausführlich 3. Teil C. IV. 2., S. 437 ff. 1202 Agententätigkeit i. S. d. §§ 98, 99 StGB ist jedwede Aktivität, die auf die Erlangung oder Mitteilung von Staatsgeheimnissen gerichtet ist, vgl. BGHSt 31, 317 (318). 1198
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Doch in dieser terminologischen Bedeutung erschöpft sich das Konstrukt des multiplen Tätigkeitsdelikts nicht: Denn zum einen fehlt diesen Deliktstypen ein gemeinsamer Faktor „x“ in der Tatbestandsformulierung, der gleichsam vor die „Klammer gezogen werden könnte“, um beispielsweise den Versuchsbereich zu konkretisieren.1204 Zum anderen sind es gerade diese Delikte, bei denen die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nach dem objektiven Kriterium des Tatbeitrags versagt, da jeder Tatbeitrag erfasst ist.1205 Letztlich zeichnen sich multiple Tätigkeitsdelikte dadurch aus, dass ihre Vielschichtigkeit eine „Verklammerung“ notwendig machen kann, soweit nur eine einzige „Rechtsgutsbeeinträchtigung“ im Raume steht. Kein Wunder also, dass im Betäubungsmittelstrafrecht – an der Figur der (inzwischen aufgegebenen1206) fortgesetzten Handlung vorbei – das eigentümliche Konstrukt der Bewertungseinheit fortentwickelt wurde.1207 Innerhalb des BtMG lassen sich auch die Tatbestandsmodalitäten des Gewährens oder Verschaffens einer Gelegenheit gem. § 29 I Nr. 10, 11 BtMG unter die Kategorie des multiplen Tätigkeitsdelikts fassen. b) Kann der Erfolgsbegriff im StGB (in den §§ 9, 13, 78a StGB) einheitlich ausgelegt werden? Die vorstehenden Überlegungen könnten das Fundament für einen einheitlichen Erfolgsbegriff bilden, welcher im Strafrecht (in den §§ 9, 13, 78a StGB) zugrundegelegt werden könnte. Es wurde deutlich, dass die eingeläutete Diskussion ein bestimmtes Verständnis vom Erfolgsbegriff voraussetzt und daher anfäl1203 Das Sich-Beteiligen i. S. v. § 129 StGB setzt eine auf Dauer gerichtete, wenn auch vorerst einmalige Teilnahme des Mitglieds am Verbandsleben der kriminellen Vereinigung voraus, vgl. SSW/Patzak § 129 Rn. 25 m.w. N. Unter den Begriff des multiplen Tätigkeitsdelikts ließe sich auch das Nachstellen i. S. d. § 292 StGB subsumieren, das alle Handlungen einschließt, durch die der Täter mit Jagdwillen zu einem der genannten, übrigen Tätigkeiten in der Vorschrift ansetzt, vgl. SSW/Kudlich § 292 Rn. 9. 1204 Vgl. hierzu noch ausführlicher 3. Teil C. I. 2. b) cc), S. 395 f. 1205 Anders gewendet: Ein im Grundsatz restriktives Täterverständnis kann nur dort funktionieren, wo das Täterverhalten konkret beschrieben ist. Wenn dagegen, wie beim Handeltreiben fast jede finale Tätigkeit dem Tatbestand unterfällt, gibt es keine Unterscheidung nach objektiven Kriterien mehr, weil jeder Tatbeitrag als gleichwertiges Unrecht angesehen wird. Dies wird die zentrale Problemstellung bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sein, vgl. 3. Teil D. I., S. 527 ff. Unverschämt deutlich kommt dies beim § 129 StGB zum Vorschein, bei dem der Gesetzgeber den Oberbegriff für Täterschaft und Teilnahme, nämlich die „Beteiligung“ als „Tathandlung“ (!) aufgenommen hat. 1206 BGHSt 40, 138; zur nunmehr problematischen Bewältigung von auf Dauer angelegten Straftaten Arzt JZ 1994, 1000; Erb GA 1995, 42; Zieschang GA 1997, 457; Lackner/Kühl Vor § 52 Rn. 13 ff. 1207 Der Begriff der Bewertungseinheit wird in der vorliegenden Abhandlung nicht vertieft dargestellt, da die Konkurrenzlehre ausgeblendet wurde; zur Anwendung von Bewertungseinheiten über das Handeltreiben hinaus vgl. auch BGHSt 43, 1 (zu § 99 StGB); zur Handlungseinheit bei § 129 StGB BGHSt 15, 259 (262); 29, 288 (293 f.).
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lig für Missverständnisse ist.1208 Als gesetzespolitisch und dogmatisch maßgeblicher Unterschied zu Tätigkeitsdelikten wurde der tatbestandsmäßige Erfolg (eines Erfolgsdelikts) als gesetzlich normierter oder sich mittelbar aus der Auslegung ergebender Anknüpfungspunkt herausgearbeitet, der den Eintritt eines sichtbaren Außenwelterfolgs beschreibt. Die Frage lautet nun, ob man diesen Begriff einheitlich (und somit systematisch stimmig) auf die §§ 9, 13 (und auch § 78a S. 2) StGB übertragen kann. Wäre dies der Fall, könnten die genannten Tätigkeitsdelikte schon mangels „Erfolges, den der Tatbestand voraussetzt“, nicht durch unechtes Unterlassen gem. § 13 StGB begangen werden.1209 Nochmals: Die Frage ist losgelöst davon zu betrachten, ob es sich bei dem jeweiligen Delikt um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. Insofern bleibt es bei der postulierten Unterscheidung zwischen den Parametern „Tatbestandsfassung“ und „Rechtsgutsbeeinträchtigung“.1210 aa) Die herrschende Meinung und ihre „weite“ Auslegung des § 13 StGB Die h. M. lehnt solch ein einheitliches Verständnis vom „Erfolgsbegriff“ ab, was sich schon daraus ergibt, dass in der Literatur von einer „weiter gehenden Auslegung“ des § 13 StGB die Rede ist.1211 Demnach könnten grundsätzlich 1208 So auch Güntge, Begehen durch Unterlassen, S. 30; da sich solch ein einheitliches Verständnis vom Erfolgsbegriff noch nicht durchgesetzt hat, macht die daraus resultierende, uneinheitliche Terminologie es auch nicht gerade einfach, klare Positionen zuzuweisen. Vgl. v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer § 13 Rn. 4: „Zum Straftatbestand gehört bei den Erfolgsdelikten ein im objektiven Tatbestand umschriebener Erfolg, also die Verletzung des Handlungsobjekts oder dessen konkrete Gefährdung. Im Bereich der Unterlassung ist das Merkmal des Erfolges weiter auszulegen. Es umfasst die Gesamtheit des tatbestandsmäßigen Geschehens, die eine Straftatbestimmung für die Tatvollendung voraussetzt. Daraus folgt, dass auch abstrakte Gefährdungsdelikte durch Unterlassen begangen werden können.“ Damit ist letztlich nichts gesagt, da man in diesem Falle den Begriff des Erfolges gerade nicht „weiter“ auslegt, sondern allenfalls umgekehrt – was die Begehungsdelikte anbelangt – ein zu enges Verständnis (bzw. den Begriff der Verletzung gleichsetzendes) Verständnis zugrundegelegt hat. 1209 Explizit zur Fragestellung „Gibt es ein Tätigkeitsdelikt durch Unterlassen“ Tenckhoff, FS-Spendel, 1992, S. 347 ff. sowie Steiner MDR 1971, 260. 1210 Auch der BGH hält diese Terminologie nicht stringent durch, wenn er in einem aktuellen Beschluss (BGH NStZ 2012, 210) zur Einordnung des § 221 I Nr. 2 StGB formuliert: „Echte“ Unterlassungsdelikte müssen keinen Taterfolg aufweisen [. . .] So verhält es sich letztlich hier. Das pflichtwidrige Garantenverhalten führt im Rahmen von § 221 I Nr. 2 StGB nicht zu einer Verantwortlichkeit für den daraus resultierenden Verletzungserfolg, sondern zur strafrechtlichen Haftung für die nicht abgewendete konkrete Gefahr.“ Diese Passage ist in doppelter Hinsicht missglückt formuliert, da sie einerseits suggeriert, dass es sich bei konkreten Gefährdungsdelikten nicht um Erfolgsdelikte handele und zum anderen maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen echten und unechten Unterlassungsdelikten das Vorliegen eines tatbestandlich vertypten Erfolges wäre. 1211 NK/Wohlers § 13 Rn. 2; Tenckhoff, FS-Spendel, 1992, S. 361; Rengier § 49 Rn. 7; ders. in KK-OWiG § 8 Rn. 9 ff.; Sch/Sch/Stree/Bosch § 13 Rn. 3; Freund, Er-
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auch schlichte Tätigkeitsdelikte durch unechtes Unterlassen verwirklicht werden.1212 Dabei merkt man an, dass bei Tätigkeitsdelikten1213 eine Begehung durch Unterlassen schwer vorstellbar sei.1214 Das im Einzelfall1215 unpassende Ergebnis korrigiert die h. M. dadurch, dass sie schlichte Tätigkeitsdelikte einer kritischen Überprüfung unterzieht, was die Entsprechungsklausel anbelangt. Doch ist dies im Hinblick darauf, dass die Modalitätenäquivalenz gerade kein normatives Korrektiv bzw. keine „Ausnahmefall-Klausel“ darstellen soll,1216 systematisch nicht immer in sich stimmig. Im Betäubungsmittelstrafrecht gelangt die Rechtsprechung, wie sich zeigen wird, regelmäßig schon mangels Garantenpflicht nicht bis zur Modalitätenäquivalenz. Jedenfalls was die Terminologie anbelangt, heben Bosch1217 und Kudlich1218 die dargestellten Unterschiede i. R. d. § 13 StGB hervor: Als Erfolg, der zu einem Straftatbestand gehört, sie nicht nur der Erfolg i. S. v. Verletzungsdelikten zu verstehen.1219 Die „austauschbare Einordnung“ als Verletzungs-, konkretes oder abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt könne jedenfalls nicht maßgebend sein, zumal Gegenbegriff des Erfolgsdelikts ohnehin das schlichte Tätigkeitsdelikt ist.1220 Im Ergebnis tendiert aber Bosch ebenfalls zur weitesten Auffassung der h. M., wenn er „zumindest“ Delikte einbeziehen will, bei denen tatbestandlich, wie bei den abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten,1221 ein Tathandlungs- bzw. Gefährdungserfolg in die Tatbestandsformulierung Eingang gefunden hat.1222 folgsdelikt und Unterlassen, S. 5; MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 228; Vogel, Norm und Pflicht, S. 100. 1212 Dem hat sich die Rechtsprechung pauschal und meistens in anderen Zusammenhängen (im Fall Töben bzgl. einer weitergehenden Auslegung des § 9 StGB) angeschlossen, vgl. BGHSt 46, 212 (222); dagegen noch BGHSt 44, 52 (56) sowie 45, 97 (100), wonach mit Erfolgen i. S. d. § 9 StGB Tatfolgen gemeint sein sollen, die der Tatbestand selbst bezeichnet. Wenn im Zusammenhang mit dieser Problematik häufig BGHSt 38, 325 (338 f.) zitiert wird, so ist dies erneut ausschließlich Resultat ungenauer Terminologie. Denn in BGHSt 38, 325 geht es um die Gewässerverunreinigung durch Unterlassen gem. § 324 StGB. Die Verunreinigung stellt einen Erfolg im hier verstandenen Sinne dar. Die h. M. klassifiziert § 324 StGB sogar als Verletzungsdelikt, weil hier ausnahmsweise von einer „Verletzung“ der Natur und somit der Umwelt ausgegangen werden kann (vgl. BGH NJW 1992, 123; SK/Horn § 324 Rn. 2a; SSW/Saliger § 324 Rn. 3; Fischer § 324 Rn. 2; MK-StGB/Alt § 324 StGB Rn. 7). Hieran wird deutlich, dass es nicht um eine „weite“ Auslegung des Erfolgsbegriffs bzw. um die Möglichkeit eines schlichten Tätigkeitsdelikts durch Unterlassen geht. 1213 Die nach dieser Ansicht ebenfalls einen „Erfolg“ beinhalten, siehe oben. 1214 Zumal Tätigkeitsdelikte häufig als eigenhändige Delikte ausgestaltet sind. 1215 Gemeint ist das „bei einzelnen Tatbeständen“ unterschiedliche Ergebnis. 1216 Siehe 3. Teil B. II. 4., S. 384. 1217 Sch/Sch/Stree/Bosch Vor § 13 Rn. 3. 1218 Kudlich StV 2001, 397. 1219 Kudlich StV 2001, 397. 1220 Vgl. auch Kudlich StV 2001, 397. 1221 Wobei diese Terminologie ihrerseits eigentlich für die „Eignungsdelikte“ besetzt ist, vgl. hierzu Fn. 1189 in Teil 3.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
bb) Für eine etwas „engere“ Auslegung des § 13 StGB Der h. M. steht eine zu weit gehende „enge“ Auslegung des § 13 StGB gegenüber, die für eine Anwendung der Vorschrift stets einen tatbestandsmäßigen Verletzungs-, jedenfalls einen konkreten Gefährdungserfolg voraussetzt und somit auf Delikte gegen die Person beschränkt.1223 Schon der Wortlaut des § 13 StGB setzt ein solches Verständnis nicht voraus. Umgekehrt ist aber auch die h. M. nicht mit dem hier zugrundegelegten Erfolgsbegriff vereinbar, vielmehr muss entscheidend bleiben, ob der Tatbestand den Eintritt eines Erfolges, wie er oben definiert wurde, voraussetzt oder nicht. Insofern muss die Wendung „zumindest“ im oben aufgeführten Bosch Zitat gestrichen und durch ein „auch“ ersetzt werden. Hierfür sprechen nicht nur der Wortlaut, sondern auch systematische und kriminalpolitische Erwägungen. (1) Wortlaut Das hierbei (von den Stimmen der engsten, aber auch nach der hier nur „engeren“ Auffassung) ins Feld geführte Wortlautargument darf nicht unterschätzt und pauschal zurückgewiesen werden. Der Gesetzgeber hat durchaus Differenzierungen vorgenommen, beispielsweise bei § 22 StGB, in dem vom „unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung“, nicht „zum Erfolg“ die Rede ist.1224 Diese differenzierte Betrachtungsweise bestätigt sich durch einen Blick in § 11 I Nr. 5 StGB, welcher die „Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands“ als „rechtswidrige Tat“ umschreibt.1225 Außerdem unterscheidet § 13 StGB selbst zwischen dem rechtlichen Erfolg und der Tatbestandsverwirklichung. Setzt man allerdings diese beiden Begrifflichkeiten gleich, macht diese Unterscheidung keinen Sinn, da der vom Täter erfüllte Tatbestand begrifflich nicht „Bestandteil“ des gesetzlichen Tatbestands sein kann.1226
1222 An anderer Stelle wird dies mit dem knappen Hinweis, auch schlichte Tätigkeitsdelikte könnten durch Unterlassen begangen werden, nochmals wiederholt Sch/Sch/ Stree/Bosch Vor § 13 Rn. 161. 1223 Konsequenz hiervon ist, dass § 13 StGB nur auf Delikte Anwendung findet, welche Individualrechtsgüter schützen, §§ 212, 211, 223 ff., 221 (allerdings i. S. e. Verletzung oder konkreten Gefährdung des Rechtsguts); so auch Jescheck, FS-Tröndle, 1989, S. 798 ff.; Baumann/Weber AT, S. 236; Güntge, Begehung durch Unterlassen, S. 30; Kühl AT § 18 Rn. 26; SK/Rudolphi § 13 Rn. 14; Güntge, Begehen durch Unterlassen, S. 38. 1224 Man beachte auch die Gesetzesbegründung § 13 E 1962, S. 126: „Tatbestände, die nur durch schlichtes Tätigwerden verwirklicht werden, sind daher durch Unterlassen grundsätzlich nicht begehbar“. 1225 So auch Güntge, Begehen durch Unterlassen, S. 35. 1226 Jescheck, FS-Tröndle, 1989, S. 798; Baumann/Weber AT, S. 236; Güntge, Begehen durch Unterlassen, S. 35.
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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(2) Systematik Gegen das Erfordernis eines Erfolgseintritts kann auch nicht angebracht werden, dass auch echte Unterlassungsdelikte keinen tatbestandlichen Außenwelterfolg voraussetzen, man denke etwa an die unterlassene Hilfeleistung gem. § 323c StGB.1227 Schließlich geht es nicht um die „rechtliche Zulässigkeit bzw. Möglichkeit“ von schlichten Tätigkeitsdelikten durch Unterlassen überhaupt, sondern um die Frage, ob eben auch ein aktiv formuliertes Tätigkeitsdelikt durch unechtes Unterlassen verwirklicht werden kann. Freund wendet gegen eine Beschränkung des begehungsgleichen Unterlassens auf Erfolgsdelikte ein, dass es zu Friktionen im Bereich des strafbaren Versuchs käme, wenn man nur Erfolgsdelikte in den Anwendungsbereich des § 13 StGB einbeziehe.1228 Denn in den Fällen des Versuchs gehöre sogar bei den klassischen Erfolgsdelikten der eingetretene Erfolg nicht zu den Tatbestandserfordernissen. Vielmehr sei der Versuch insoweit im Grunde nichts anderes als ein „schlichtes Tätigkeitsdelikt“. Wenn dennoch ein solcher Versuch in der Verwirklichungsform begehungsgleichen Unterlassens anzuerkennen sei – was (vollkommen korrekt) „nicht ernsthaft bestritten wird“ –, könne es nicht auf einen vom tatbestandsspezifisch missbilligten Verhalten abschichtbaren Außenwelterfolg im Sinne der Erfolgsdelikte ankommen.1229 Hierbei handelt es um einen Zirkelschluss, da in den Fällen des begehungsgleichen Unterlassungsversuchs § 23 II StGB einschlägig bleibt. Anders gewendet: Der Versuch eines Erfolgsdelikts mag zwar faktisch zu einer Bestrafung einer Tätigkeit führen, doch ist diese Tätigkeit nicht als eigenständiger Tatbestand ausgestaltet, sondern führt erst über die §§ 22 ff. StGB zur Strafbarkeit.1230 Freund ist zuzugeben, dass man konzeptionell von der „Strafwürdigkeit“ des schlichten Untätig-Seins ohne Erfolgseintritt auszugehen scheint. Diesem Beispiel lässt sich jedoch Beispiel keine „allgemeine Haltung“ entnehmen, wonach über die Fälle hinaus, in denen das Unterlassen des Täters auf die Herbeiführung eines Außenwelterfolgs gerichtet war, solch ein Empfinden besteht. Bei solch einer Argumentation berücksichtigt man zudem nicht, dass schlichte Tätigkeitsdelikte, ebenfalls einen „eigenen Versuchsbereich“ durchlaufen, zumal sie kriminalpolitisch nicht immer ausschließlich den Zweck haben müssen, typische Versuchshandlungen zu Vollendungstaten „hochzustufen“ (wie etwa § 265b StGB oder im BtMG das Erschleichen von Betäu1227 Sch/Sch/Stree/Bosch Vor § 13 Rn. 161; Steiner MDR 1971, 260; Vogel, Norm und Pflicht, S. 101. Auch beim Besitz, der nach hier vertretener Ansicht ein echtes Unterlassungsdelikt darstellt, ist lediglich auf die Nichtvornahme der Beseitigungshandlung abzustellen; dennoch wäre es nicht zutreffend, das echte Unterlassungsdelikt als Pendant zum schlichten Tätigkeitsdelikt durch aktives Tun gegenüberzustellen; in diese Richtung allerdings SK/Rudolphi Vor § 13 Rn. 8 ff.; Reus/Vogel MDR 1990, 869. 1228 MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 234. 1229 MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 234. 1230 Zu diesem Mechanismus noch ausführlicher, 3. Teil C. I., S. 391 ff.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
bungsmittelrezepten gem. § 29 I Nr. 9 BtMG), sondern genauso häufig auch eigenständige Funktion haben können, nämlich die Erfassung bestimmter Handlungs- bzw. Umgangsformen. Somit ist diese Argumentation zumindest nicht zwingend. Ein Blick auf die sonstigen Erfolgsbegriffe im Allgemeinen Teil hilft ebenso wenig weiter. Schließlich handelt es sich um Normen, die nicht die Strafbarkeit des Täters als solches betreffen.1231 Überlegungen zu § 78a StGB sind unergiebig, da die Vorschrift ohnehin missglückt formuliert ist,1232 wenn sie zunächst gem. § 78a S. 1 StGB auf die Beendigung einer Tat abstellt, § 78a S. 2 StGB aber suggeriert, dass der Zeitpunkt der Verjährung sich verschiebt, wenn der Taterfolg später eintritt.1233 Der Erfolgseintritt geht allerdings als Vollendungszeitpunkt der Beendigung einer Tat fast immer voraus. Da der „missglückte“ Teil aber die Wendung „erst später“ betrifft, kann der Wortlaut des § 78a S. 2 StGB zumindest als Beleg dafür herangezogen werden, dass der Gesetzgeber jedenfalls zwischen Tatbestand und Erfolg unterscheidet.1234 Was das Strafanwendungsrecht anbelangt, so wurde der Begriff des Erfolges nach der Entscheidung des BGH zum Fall Töben zwar leidenschaftlich diskutiert.1235 Der Diskurs führte aber nicht zu Ergebnissen, welche für die vorliegende Abhandlung fruchtbar gemacht werden könnten. Zunächst ist festzuhalten, dass man einer extensiven Interpretation des Erfolgsbegriffs (im § 9 StGB i.V. m. § 3 StGB) auch hier kritisch gegenübersteht und den Gedanken der Souveränität der Einzelstaaten entgegengehält. Die wohl h. M. geht somit davon aus, dass jedenfalls § 9 StGB einen Tathandlungserfolg voraussetzt, sodass schlichte Tätigkeitsdelikte nicht unter diese Vorschrift fallen. Zu differenzierten Lösungen gelangt man bei Verbreitungs- und Äußerungsdelikten („Tatort Internet“) durch tatbestandsspezifische Ansätze, womit deutlich geworden sein dürfte, warum die Diskussion unergiebig für das Betäubungsmittelstrafrecht ist.1236 Bzgl. des Handeltreibens ist man sich im betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum einig, dass
1231 Und dementsprechend auch nicht im hier analysierten 2.Abschnitt des Allgemeinen Teils lokalisiert sind. 1232 Vgl. hierzu auch T. Walter, Stilfibel, S. 92. 1233 Zum „vorprogrammierten Auslegungsstreit“ SSW/Rosenau § 78a Rn. 1 m.w. N. 1234 Wenn auch in concreto diese Unterscheidung keinen Sinn macht, soweit maßgeblicher Bezugspunkt für den Verjährungsbeginn ohnehin die Beendigung der Tat sein soll; zur Verjährung beim Handeltreiben beispielsweise Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 460. 1235 BGHSt 46, 212 (221), zu der damit verbundenen Problematik Satzger NStZ 1998, 112 (114); Hilgendorf NJW 1997, 1873; a. A. Cornils JZ 1999, 394 (395); hierzu auch T. Walter JuS 2006, 870. 1236 Vgl. zum Begriff des Verwendens i. S. d. 86a I Nr. 1 StGB (Wahrnehmung eines Hitlergrußes durch Dritte) Kudlich JZ 2002, 310 f.; Gercke MMR 2001, 678 (679); zusammenfassend SSW/Satzger § 9 Rn. 17 f.
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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dessen Eigenschaft als unechtes Unternehmensdelikt1237 bzw. schlichtes Tätigkeitsdelikt dazu führt, dass allein der Handlungsort als Tatort maßgeblich ist.1238 Das Recht des Tatorts gem. § 9 StGB hat aber beim Handeltreiben keine praktische Bedeutung,1239 da mit § 6 Nr. 5 StGB eine Sondervorschrift existiert, die beim unbefugten Betrieb von Betäubungsmitteln auch Auslandstaten mit einbezieht (Weltrechtsprinzip).1240 (3) Kriminalpolitische Überlegungen Aus kriminalpolitischem Blickwinkel würde ein restriktives Verständnis vom Erfolgsbegriff zunächst dazu führen, dass ein schlichtes Tätigkeitsdelikt nicht durch Unterlassen verwirklicht werden kann. Die Frage ist allerdings, ob solch eine unmittelbare Kriminalisierung überhaupt vorstellbar und erwünscht ist.1241 Denkbare Fallkonstellationen in diesem Bereich wirken sowohl im Kernstrafrecht als auch im Betäubungsmittelstrafrecht stets konstruiert oder stellen bei genauerer Betrachtung schon kein Unterlassen dar. Wenn der Täter beispielsweise eine unvorsätzlich getätigte Falschaussage i. R.e. Vernehmung nicht mehr korrigiert, obwohl er während der Aussage die Unwahrheit bemerkt, ist kein Rückgriff auf § 13 StGB erforderlich, da er die Aussage insgesamt immer noch aktiv vornimmt.1242 Ebenso geht die h. M. davon aus, dass das Verschweigen von Tatsachen in der aktiven Aussage aufgeht. Einen „nachträglichen“ Normbefehl (Falschaussage durch Nichtkorrektur) kann es indessen nicht geben, wenn die die Tatbestandsmäßigkeit begründenden Umstände bereits vorüber sind.1243 Gleiches gilt im Rahmen des Erschleichens eines Betäubungsmittelrezepts gem. § 29 I Nr. 9 StGB. Erkennt der Täter erst im Nachhinein, dass er falsche Angaben gemacht hat, fehlt es ihm für die aktive Begehung am Vorsatz. Kann 1237 Auf diese Terminologie wird im Rahmen des Versuchs nochmals einzugehen sein, vgl. 3. Teil C. IV. b), S. 432 ff. 1238 Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 146; Weber § 29 Rn. 83; BGHSt 30, 277, 278; BGH NJW 02, 3486; OLG Karlsruhe NStZ-RR 98, 314; Lackner/Kühl § 9 Rn. 2. 1239 Weber Vor § 29 ff. Rn. 72. 1240 Siehe hierzu MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 251; Knauth NJW 1979, 1084; BGHSt 34, 1; 27, 30; LK/Werle/Jeßberger § 6 Rn. 76; SSW/Satzger § 6 Rn. 8; Fischer § 6 Rn. 5; NK/Lemke § 6 Rn. 9; zur völkerrechtlichen Vereinbarkeit der Vorschrift BGHSt 34, 334 (336). 1241 Vgl. auch Stratenwerth/Kuhlen AT Rn. 65: „Die Frage dürfte praktisch ohnehin bedeutungslos sein“. Die geringe Relevanz einer dogmatischen Konstruktion dürfte aber eher gegen ihre Existenzberechtigung sprechen, jedenfalls erscheint es verfehlt, eine Extension deswegen für unerheblich zu betrachten, weil sie in der Rechtsanwendung keine Auswirkungen habe. 1242 Überdies würde § 153 StGB durch Unterlassen stets an der Modalitätenäquivalenz scheitern. 1243 Der Tatbestand würde schließlich auch in der Unterlassungsvariante die Vernehmung vor einer zuständigen Stelle voraussetzen.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
man nun schon mangels pflichtwidrigen Vorverhaltens regelmäßig keine Garantenstellung begründen, kommt es für das Erschleichen durch Unterlassen hierauf nicht an, da die tatbestandsmäßige Situation (Befragung und Diagnose durch den Arzt) bereits vorüber ist. Bis zu diesem Zeitpunkt dagegen unterfällt das Verschweigen der aktiv abgegebenen Erklärung. Schaut man auf schlichte Tätigkeitsdelikte mit Dauerdeliktscharakter, wird es noch schwieriger, praktisch relevante Unterlassungskonstellationen zu konstruieren, weil innerhalb der Tatbegehung jederzeit aktive Verhaltensweisen „dazwischentreten“ können, die das Unterlassen verdrängen. Als Beispiel sei das „Tätigkeitsdelikt des Kernstrafrechts schlechthin“, § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) herangezogen. Hier kann man auf das Unterlassen selbst dann nicht zurückgreifen, wenn der Täter während der Fahrt Alkohol trinkt und dann die Hände vom Lenkrad nimmt. § 316 StGB kann man in diesen Fällen nicht verneinen, weil der Täter kein Fahrzeug „führe“, wenn er seine Hände vom Steuer nimmt. Die Frage lautet aber, ob man in diesen Fällen dann „schwerpunktmäßig“ überhaupt auf das Unterlassen, also das Nichtbetätigen der Bremse bzw. das Nichtbenutzen des Lenkrads abstellt, oder auf das aktive „Führen“, dadurch dass der Täter weiterhin im Auto sitzt, ohne Bremse oder Lenkrad zu betätigen. Die h. M. qualifiziert den Fahrlehrer als „Führer eines KfZ“, weil er die Möglichkeit habe, auf das Fahrgeschehen einzugreifen (bzw. weil er seinen „Fuß auf dem Pedal“ habe1244) und geht von einem aktiven Tun aus. Damit gibt es fast keine Konstellation mehr, in der § 316 StGB durch Unterlassen verwirklicht werden kann.1245 Die Literatur hält sich zu Trunkenheitsfahrt durch Unterlassen gem. §§ 316, 13 StGB überwiegend bedeckt. 1244 AG Cottbus NStZ 2002, 547; BGH NJW 1969, 2197 (Zivilsenat); OLG Bamberg NJW 2009, 2393; anders aber OLG Dresden NJW 2006, 1013 und OLG Düsseldorf NJW 2006, 1013. 1245 Gerade das Beispiel mit § 316 StGB zeigt, dass die Konstruktion von schlichten unechten Tätigkeitsdelikten durch Unterlassen zudem die Gefahr beinhaltet, an sonstige Tätigkeiten im Versuchsbereich anzuknüpfen, die der eigentlichen Tätigkeit als „Unterlassen“ vorausgehen. So geschehen in BayObLG JR 1979, 289, in dem der alkoholkranke Angeklagte sich gem. §§ 316, 13 StGB strafbar gemacht haben soll, weil er sich in Phasen der Nüchternheit nicht seines Autos entledigt und damit fahrlässig die spätere Trunkenheitsfahrt verursacht habe. Die Entscheidung ist unter keinem Blickwinkel haltbar, da die Unterlassungshaftung in einen Bereich verlagert wird, der zeitlich noch vor den Grenzen der omissio libera in causa liegt. Hierbei kristallisiert sich auch ein grundsätzliches Problem der Tätigkeitsdelikte durch Unterlassen heraus: Der Zeitraum strafrechtlichen Risikos wandelt sich in einen Dauerzustand um, da der Pflichtenkatalog (das Gebot) für einen Garantenpflichtigen durchgehend aufrecht erhalten bleibt, beinhaltet er schließlich die Aufforderung „Verhalte dich stets so, dass es in nächster Zeit nicht zur Verwirklichung einer bestimmten Straftat kommt!“ Ganz im Gegensatz zur Erfolgshaftung, die dem Täter ein bestimmtes Verhalten in einer akuten Situation des bevorstehenden Erfolgseintritts abverlangt, die eventuell durch den Täter selbst oder das Verhalten Dritter hervorgerufen wurde. Horn, der die Entscheidung an benannter Fundstelle bespricht, zweifelt in seiner kritischen Anmerkung die Möglichkeit des Unterlassens grundsätzlich nicht an (auch wenn er das Problem des „Erfolgsbegriffs“ anreißt),
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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Im Betäubungsmittelstrafrecht könnte man beim Anbau oder bei der Herstellung von Betäubungsmitteln Unterlassungsvarianten konstruieren; diese haben aber keine kriminalpolitische Relevanz: Wenn der Täter bemerkt, dass Cannabis in seinem Garten „wildwuchert“, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er macht sich dies zu Nutze und pflegt bzw. erntet das Cannabis und verwirklicht somit aktiv die Modalitäten des Anbaus oder der Herstellung (die Ernte ist bereits Teil der Herstellung). Oder er lässt die Pflanzen durch Nichtpflege verdorren. In letzterer Konstellation spricht schon der Aspekt der „Risikoverringerung“ dafür, keine Strafbarkeit anzunehmen bzw. keinen „fahrlässigen Anbau durch Unterlassen“ zu konstruieren, wenn das Täterverhalten auf eine Beseitigung, jedenfalls nicht auf eine Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands gerichtet ist. Anders kann der Fall zu beurteilen sein, wenn ein Dritter anbaut und der Eigentümer nicht dagegen einschreitet, diese Fälle unterscheiden sich aber schon grundsätzlich von den bisher angesprochenen Konstellationen. cc) Exkurs: Zur Nichtverhinderung von Straftaten als Unterlassungsunrecht Das Einstehen für eine „eigene“ (i. S. e. unmittelbar dem Unterlassenden zuzurechnenden) Tatbestandsverwirklichung ist von dem Einstehen für fremde Taten Dritter zu trennen. Hier wandelt sich schließlich der Unterlassungsnormbefehl durch das Gebot um, die aktive Begehung von Straftaten durch Dritte zu unterbinden.1246 Damit kommt an dieser Stelle zum Vorschein, dass man bisher nur an der Oberfläche einer Diskussion „gekratzt“ hat, die eigentlich viel weiter zurückgeht, nämlich bis auf den umstrittenen Strafgrund des Unterlassens schlechthin: Inwieweit erfasst das Unterlassen auch die Nichtverhinderung von Straftaten? Auch Jaschinski arbeitet diese mit dem Strafgrund des Unterlassens verknüpfte Fragestellung als maßgeblich für das Verständnis vom „Erfolg“ in § 13 StGB1247 heraus und weist darauf hin, dass man bei der Unterlassungshaftung auch die ihn stört (ebenfalls zu Recht) vielmehr das gesamte merkwürdige Konstrukt einer omissio libera in causa „ähnlichen“ Haftung unter Zugrundelegung einer weitreichenden Garantenpflicht für Kfz-Halter einerseits und der schlicht paradox anmutenden Erwartungshaltung, als labiler Alkoholsüchtiger müsse man sich in einem lichten Moment seines PKW entäußern; zur omissio libera in causa Baier GA 1999, 272 ff. 1246 In der Praxis geht es um die Fälle, in denen nicht gegen den Anbau bzw. gegen die Herstellung von Betäubungsmitteln eines Dritten als Wohnungsinhaber, Ehegatte oder Lebenspartner eingeschritten wird. Ferner könnte man an einen Streetworker denken, der von einem betreuten Therapiepatienten, erfährt, dass dieser den Arzt „prellen“ und ein paar Rezepte für einen Freund erschleichen will. Hier könnte die Aufsichtspflicht des Streetworkers dazu führen, dass er für die Falschangaben des Patienten auch strafrechtlich einstehen muss. Als weiterer Fall seien die Eltern genannt, die ihren 17jährigen Sohn nicht daran hindern, dass sich dieser Betäubungsmittel kauft und manchmal auch weiter veräußert, um sich zu refinanzieren. 1247 Jaschinski, Die Entwicklung des Begriffs „Erfolg“ in § 13 I StGB, 1995.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Abwendung von Straftaten zu Grunde gelegt habe, während der Wortlaut des § 13 StGB auf ein (gesetzespolitisch) verfehltes, „von einer naturalistischen Kausalitätsauffassung“ geprägtes Verständnis des unechten Unterlassungsdelikts zurückzuführen sei, das auf die Abwendung von Rechtsgutsverletzungen zugeschnitten ist.1248 Aus historischer Sicht dürfe dem Erfolgsbegriff deswegen keine allzu hohe Bedeutung beigemessen werden.1249 Dafür spricht zunächst, dass bereits die Lehre von der Garantenpflicht diesen Legitimationspfeiler der Unterlassungsstrafbarkeit anerkennt: Der „Überwachergarant“ hat zwar nicht ausschließlich, aber doch häufig in Konstellationen Relevanz, in denen man für das strafrechtlich relevante Verhalten eines Dritten verantwortlich gemacht wird.1250 Dies ist auch der Grund, warum man mit der Annahme derartiger Garantenpflichten zurückhaltend ist1251 bzw. das Einschreiten gegen Straftaten Dritter überhaupt derart kritisch betrachtet: Die zurechenbare Deliktstatbestandsverwirklichung erfolgt durch die aktive Handlung eines Dritten, sodass einer Unterlassungsstrafbarkeit das Regressverbot entgegenzustehen scheint. Legitim ist solch eine Unterlassungshaftung erst bei einer „Verschiebung“ der Verantwortlichkeit, die anzunehmen ist, wenn dem unmittelbar agierenden Vordermann die Tat nach allgemeinen Gesichtspunkten (Irrtum, fehlende geistlich-sittliche Reife) nicht zugerechnet werden kann oder wenn die Aufsichtspflicht gerade dieses Verhalten betrifft und verhindern soll.1252 Die Überwachergarantenstellung „steht und fällt“ sozusagen mit der Eigenverantwortlichkeit des „Vordermanns“. Handelt der Vordermann ohne Zurechnungsdefizit, gelangt man in derartigen Fällen – wenn überhaupt – auch nur zur Strafbarkeit, wenn sich der „Beteiligte“ auf irgendeine Art und Weise mit dem Vordermann solidarisiert. Wenn sich diese „Solidarisierung“ in einem „Unterlassen“ erschöpft, überrascht es nicht, dass man regelmäßig zu einer psychischen Beihilfe tendiert.1253 1248 Jaschinski, Erfolg, S. 179 (181) unter Verweis auf Feuerbach, der in seinem Lehrbuch den Bereich der Nichtverhinderung von Straftaten im Allgemeinen Teil und die Nichtabwendung von Rechtsgutsverletzungen im Rahmen des Totschlags behandle. 1249 Jaschinski, Erfolg, S. 182. 1250 Übersichtlich hierzu Lackner/Kühl § 13 Rn. 14. 1251 Beispielsweise bestehen nach h. M. zwischen Eheleuten regelmäßig nur Beschützer- nicht auch Überwachergaranten, sodass der Ehegatte nicht dafür verantwortlich ist, den anderen von der Begehung von Straftaten abzuhalten, vgl. nur Kühl AT § 18 Rn. 60; SSW/Kudlich § 13 Rn. 19; Otto, FS-Herzberg, 2008, S. 255 (260 f.); Lackner/ Kühl § 13 Rn. 14. 1252 Beispielsweise im Verhältnis Eltern/Jugendlicher, Pfleger/Aufsichtsperson OLG Celle NJW 2008, 1012; OLG Düsseldorf NJW 1987, 201; eine ähnliche legitime Durchbrechung ist auch im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte anerkannt, wenn vorsätzliches Drittverhalten zumindest dann nicht die Zurechnungskette abbricht, wenn die verletzte Sorgfaltspflicht gerade dieses Drittverhalten verhindern sollte, zum Ganzen Mitsch ZJS 2011, 128 („Fall Tim K.“). 1253 Diese Rechtsprechung läuft zumindest in den Fällen, in denen eine weitere Person aktiv tätig wird (sprich die Verhinderung von Straftaten im Raume steht) auf eine
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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Ist man diesen Schritt gegangen, muss man sich nicht mit der Problematik befassen, ob Tätigkeitsdelikte durch Unterlassen denkbar sind, weil die Beihilfe als „trennbarer“ Akt besser auf die stillschweigend zugrundegelegte Kausalkonstruktion passt. Da man dem Beteiligten nicht eine unmittelbare Deliktstatbestandsverwirklichung zum Vorwurf macht, kommt auch § 13 StGB nicht „unmittelbar“ zur Anwendung. Anders gewendet: Mangels Unmittelbarkeit ist die Tatbestandsverwirklichung nun ein trennbarer „Erfolg“, der durch eine davon losgelöste Beihilfehandlung kausal mitverursacht bzw. „gefördert“ werden kann.1254 Man knüpft schließlich nicht an ein Unterlassen, das einer aktiv begangenen Tatbestandsverwirklichung gleichgesetzt werden soll, sondern an ein Nichtstun, das einer aktiven Beihilfehandlung (regelmäßig zu einer aktiven Deliktsbegehung) gleichgestellt wird.1255 Über die Reichweite der Unterlassungshaftung im Falle der Nichtabwendung von Straftaten durch Dritte kann man somit diskutieren. Sie hat allerdings keinen Aussagegehalt für die hier eingangs dargelegte Streitfrage, ob auch in den Fällen der unmittelbaren Verwirklichung eines Tätigkeitsdelikts eine Unterlassungsstrafbarkeit in Betracht kommt, da sich die Unterlassungshaftung in derartigen Fällen auf eine fremde Deliktstatbestandsverwirklichung bezieht und somit nicht mit der unmittelbaren Unterlassungshaftung vergleichbar ist. dd) Zwischenergebnis Die hier angestellten „kriminalpolitischen“ Überlegungen zur Nichtverhinderung von Straftaten dürften demonstriert haben, dass kein Bedürfnis dafür besteht, sich „ein Hintertürchen offen zu lassen“, da kaum Fälle konstruiert werden können, in denen die unmittelbare Unterlassungshaftung bei einem Tätigkeitsdelikt eine Rolle spielt. Die Ausführungen zur Nichtverhinderung von Straftaten strenge Gehilfentheorie hinaus, vgl. v. Heintschel-Heinegg/Kudlich, § 25 Rn. 17.2, wobei diese sich auch mit der „vorgeschobenen“ strengen subjektiven Theorie gut verträgt, da das objektive Kriterium (der Unterlassende ist – „Garantenpflicht hin oder her“ – stets Randfigur, vgl. SSW/Kudlich § 13 Rn. 43) ein passendes Indiz für den „animus socii“ des Unterlassenden darstellt. Dies mag nur dann zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn der Unterlassende eine Beschützergarantenstellung inne hat, da es in diesen Fällen nicht einzusehen ist, „warum es über Täterschaft und Teilnahme entscheiden soll, ob der Garant z. B. den Begehungstäter am Ertränken eines Kindes nicht hindert oder ober das von selbst in den Fluß gefallene. . .Kind nicht herauszieht“, so Roxin AT II § 31 Rn. 152; daher überrascht es auch nicht, dass die wohl h. M. zwischen Beschützer- und Überwachergarantenstellungen differenziert, wenn die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Raume steht, vgl. Sch/Sch/Heine, Vor § 25 ff. Rn. 103 ff.; Haas ZIS 2011, 392; Bosch JA 2007, 418. 1254 Regelmäßig psychischer Natur durch Untätigbleiben und dadurch Bestärkung des Tatentschlusses; vgl. LK/Weigend § 13 Rn. 15 Fn. 41. 1255 Insofern muss man also auch hier streng zwischen aktiver Beihilfe zum schlichten Tätigkeitsdelikt durch Unterlassen und Beihilfe durch Unterlassen zum schlichten Tätigkeitsdelikt durch aktives Tun differenzieren.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
ließen sich dagegen noch vertiefen und exemplifizieren, doch würde dies den Rahmen sprengen und überdies die daneben existierenden, zahlreichen weiteren Einwände gegen das Konstrukt eines schlichten Tätigkeitsdelikts durch Unterlassen kaschieren, allen voran die eindeutige Unterscheidung zwischen Tatbestandsverwirklichung und Erfolg im Wortlaut des § 13 StGB. Aus methodischen sowie systematischen Gründen sollte man die „Verdopplung“ eines Umgang-Katalogs mit ca. 25 Tatmodalitäten ablehnen, zumal Tätigkeitsdelikte stets die Gefahr mit sich bringen, „entgrenzt“ zu werden (Stichwort „Handeltreiben“) und Vorboten einer „Entfragmentarisierung“ des Strafrechts sind. Letztlich spricht auch die geringe praktische Relevanz dafür, bereits früh und eindeutig die Möglichkeit einer Unterlassungstrafbarkeit zu verneinen, indem man bereits den sachlichen Anwendungsbereich des § 13 StGB verneint, statt die Restriktion erst in eine normative Bewertung aufgehängt am Merkmal der Garantenpflicht einzubetten. Insofern ist zumindest der Erfolgsbegriff wie hier vertreten, auf § 13 StGB zu übertragen und die Möglichkeit des begehungsgleichen Unterlassens von schlichten Tätigkeitsdelikten (allen voran dem Handeltreiben, Anbau und der Herstellung) zu verneinen. Dies mag aus rechtsgutsbezogener Perspektive inkonsequent anmuten, weil kein Anlass dafür besteht, den Anbau durch Unterlassen auszuklammern, während man eine Einfuhr durch Unterlassen für möglich erachtet. Doch dies ist die Folge dessen, dass bei Erfolgsdelikten Handlung und Außenwelterfolg trennbar sind und sich nicht zwingend bedingen. Anders gewendet: Bei Erfolgsdelikten ist der Erfolg starr und die Handlung „variabel“ (Tun oder Unterlassen); daher ist es notwendig, das potentiell denkbare Unterlassen als erfolgstaugliche Handlung gleichzustellen. Beim Tätigkeitsdelikt ist bereits die Handlung „starr“ und kann nicht gleichgestellt werden, wenn sie abschließend formuliert ist. Die normative Verantwortungszuschreibung – aufgrund einer bejahten Überwachergarantenstellung – ändert im Regelfall nichts daran, dass die tatbestandliche „Tätigkeit“ von einem Dritten bereits vorgenommen oder durch Naturereignisse bewirkt wird und somit jeder andere Ansatz auf eine Zuschreibung äußeren Verhaltens und keine Gleichstellung eigenen Verhaltens bedeutet.1256 Beim § 13 StGB handelt es sich somit zwar um eine Vorschrift, welche die Zurechnung fremder Straftaten ermöglicht; entscheidend ist aber, dass sie nicht die Zuschreibung fremden Verhaltens (wie i. R. d. §§ 25 I Var. 2 oder § 25 II StGB) ermöglicht, sondern unmittelbar das eigene Nichtstun für den Eintritt des Außenwelterfolgs ursächlich ist.1257 Das 1256 Die Lösung liegt eigentlich schon im Begriff des „Tätigkeitsdelikts“ selbst, wenn man „Tätigkeit“ i. S. v. „Tun“ versteht, ihre Verwirklichung also stets aktives Tun erfordert. Dieses Ergebnis sollte man nicht erst dadurch erreichen wollen, dass man stets tatbestandsspezifisch argumentiert und die Modalitätenäquivalenz verneint, da diese erst am Ende einer Unterlassungshaftung erfolgt und somit die „Grundsätzlichkeit“ der hier gemachten Überlegungen kaschieren würde. 1257 Abstrahiert man diese Überlegungen, wird deutlich, dass der Verfasser die Fälle der „Nichtverhinderung von Straftaten“ – aufgrund der „Überschrift“ wohl kontraintuitiv – im Vorsatzbereich der mittelbaren Täterschaft (ggf. mittels Rückgriff auf die nor-
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Konstrukt eines schlichten Tätigkeitsdelikts durch Unterlassen ist somit abzulehnen. Möglich bleibt allenfalls das Unterlassen der Abwendung eines Verfügungswechsels oder die Grenzüberschreitung eines Betäubungsmittels. Ebenfalls möglich bleibt eine Beihilfe durch Unterlassen an einem aktiv begangenen Tätigkeitsdelikt, soweit eine Garantenstellung bejaht werden kann. 2. Die Garantenpflicht im Spiegel der Rechtsprechung zur Unterlassungsstrafbarkeit – zugleich eine Zusammenfassung der praktisch relevanten Fallgruppen Will man, wie die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur, schlichte Tätigkeitsdelikte zumindest „theoretisch“ in den Anwendungsbereich des § 13 StGB einbeziehen, muss man sich im nächsten Schritt der zentralen Voraussetzung der Unterlassungsstrafbarkeit widmen, der rechtlichen Einstandspflicht, auch als „Garantenpflicht“ bezeichnet.1258 Die Rechtsprechung zieht den „normativ aufgeladenen“ Begriff der Garantenstellung als „Zurechnungskorrektiv“ heran, wenn es um die Fragen der Nichtunterbindung von Straftaten bzw. Verantwortungsverschiebung auf untätige Dritte geht. Der notwendig zu gehende Zwischenschritt – nämlich die Zurechnung des Erfolgseintritts (bzw. der Tatbestandsverwirklichung als „Erfolg“) – bereitet in den wenigen Fallgruppen, in denen eine Unterlassungshaftung überhaupt in Betracht kommt, regelmäßig keine Probleme. Hier gelten die beim aktiven Begehungsdelikt gemachten Überlegungen zur Kausalität und objektiven Zurechnung entsprechend.1259 a) Grundlagen Täter eines unechten Unterlassungsdelikts kann nur eine Person sein, die rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg (bzw. die Tatbestandsverwirklichung) mative Tatherrschaft) zuordnet. Aus der Garantenstellung ergibt sich nämlich regelmäßig die Tatherrschaft über das Geschehen; solange der Hintermann nicht auf das Werkzeug vorsätzlich einwirkt, ist es nur sachgerecht, dass er nur wegen fahrlässiger Deliktsbegehung haftbar gemacht werden kann. 1258 Terminologisch ist zwischen der Garantenstellung als tatsächliche Situation, aus der sich die Garantenpflicht (als Rechtspflicht) ergibt zu unterscheiden. Nur erstere ist (jedenfalls) Vorsatzbezugspunkt, während der Irrtum des Täters, das ihn in der konkreten Situation keine Garantenpflicht treffe nur einen Verbotsirrtum begründen kann, vgl. SSW/Kudlich § 13 Rn. 35 m.w. N. 1259 Vgl. 3. Teil A. I. 2., S. 116; die Zurechnungsaspekte müssen teils modifiziert (Stichwort „Quasi-Kausalität“, siehe bereits 3. Teil B. II., S. 331), teils vollständig umgekehrt werden: So lehnt die h. M. zu Recht eine objektive Zurechnung des Erfolges ab, wenn dieser selbst bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre. Dass sich am Tod in der konkreten Gestalt etwas geändert hätte, spielt keine Rolle, da es keine strafbewehrte Verpflichtung geben kann, „als Schicksal“ einzugreifen (anschaulich SSW/Kudlich § 13 Rn. 12).
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nicht eintritt.1260 Hierbei dürfte man sich in Anlehnung an die oben dargestellte Unterscheidung zwischen echten und unechten Unterlassungsdelikten einig sein, dass die individuell an den Täter gerichtete Rechtspflicht in § 13 StGB über die in echten Unterlassungsdelikten statuierten Solidaritätspflichten (beispielsweise aus den §§ 138, 323c StGB) hinausgehen muss, da hier der Täter keine konkretisierte Gebotsnorm verletzt, sondern für den Eintritt eines Erfolgs „zuständig“ gemacht,1261 mithin einem aktiv Handelnden gleichgestellt werden soll. Dabei geht der bereits für sich strittigen formalen Systematisierung von Garantenpflichten (vgl. im Folgenden) die Frage voraus, die den materiell-rechtlichen Ursprung von Garantenpflichten zum Gegenstand hat.1262 Dass sich bei solch einer abstrahierten Fragestellung noch keine h. M. herausgebildet hat, vermag niemanden zu überraschen: Von Roxins „Kontrollherrschaftstheorie“ 1263 über Schünemanns Lehre vom Erfolgsgrund1264 hin zu Brammsens1265 und Ottos These von Garantenpflichten als Resultat „wechselseitiger Verhaltenserwartungen“ 1266 haben alle Ansätze einen auf den ersten Blick erklärungsmächtigen Kern,1267 vermögen aber jede für sich – kriminalpolitisch unbefriedigend – nicht alle denkbaren Fallgestaltungen strafwürdigen Unterlassens erfassen. Die Diskussion stellt der Praxis gewiss einen fundierten und wirkmächtigen Argumentationstopos zur Verfügung, soweit es um die Begründung bzw. Annahme einer Garantenpflicht im konkreten Einzelfall geht. Insofern kann die Systematisierung und Fortentwicklung des Fallgruppenkatalogs durch Rechtsprechung und Lehre als Ergebnis einer (nicht immer mit der notwendigen Sorgfalt angewendeten) „Synthese“ der verschiedenen Legitimationstheorien bezeichnet werden.1268 Dies sollte man bei der Systematisierung von Garantenstellungen stets im Blick behalten, da gerade jene materiell-rechtlichen Legitimationspfeiler nicht nur die Strafbarkeit begründen, sondern Anknüpfungspunkte für restriktive Ansätze bilden, 1260 Grundlegend Böhm, Die Rechtspflicht zum Handeln bei den unechten Unterlassungsdelikten, 1957; Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, 1986; Behrendt, Die Unterlassung im Strafrecht, 1979. 1261 Zu diesen Überlegungen SSW/Kudlich § 13 Rn. 13. 1262 Man ist sozusagen auf der Suche nach dem „kleinsten gemeinsamen Nenner der Garantenpflicht“, vgl. Arzt JA 1980, 712 (714). 1263 Roxin AT II § 32 Rn. 19 ff. 1264 Schünemann, Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, S. 231 ff. 1265 Brammsen, Garantenpflichten, S. 131 (169 f.) et passim. 1266 Otto AT § 9 Rn. 42 ff. 1267 Aus der kaum mehr überschaubaren Literatur seien noch genannt: Vogel, Norm und Pflicht, S. 353 ff., 366 ff. (Differenzierung zwischen autonomen Entstehungsgründen und „heteronomer“ Entstehung aufgrund institutioneller Zuweisung), und Seelmann GA 1989, 241 ff. (251 ff.), der auf die zurechenbare Schaffung von Gefahren abstellt, sowie v. Coelln, Das rechtliche Einstehenmüssen, S. 236, wonach die Garantenstellung aus einem „Verzicht der uneingeschränkten Rechte aus Art. 2 I GG“ herrühren soll. 1268 Vgl. auch LK/Weigend § 13 Rn. 24, der von einer „Trias“ von Garantenpflichten spricht.
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also den Rechtsanwender daran erinnern sollen, warum im konkreten Fall das Unterlassen des Täters gerade noch kein strafwürdiges (bzw. wenn strafwürdig, so doch nicht begehungsgleiches) Unrecht darstellt. Die noch nicht abgeschlossene Diskussion um den Sachgrund der Unterlassungshaftung stand mit dem Bestreben stets in Wechselwirkung, die unterschiedlichen Fallgruppen von Garantenstellungen zu systematisieren. So hat sich die h. M. von strikt formalen Kategorisierungsversuchen, allen voran Feuerbachs „Rechtsquellenlehre“ 1269 schnell gelöst und teilt Garantenstellungen – zurückgehend auf Armin Kaufmann1270 – nach materiellen Kriterien ein, namentlich nach deren zwei denkbaren Grundfunktionen; einerseits der Verpflichtung des Täters, ihm anvertraute Rechtsgüter zu beschützen, andererseits eine Gefahrenquelle zu sichern und zu überwachen.1271 Über diese Zweiteilung zwischen Beschützerund Überwachergaranten besteht weitgehend Konsens.1272 Dabei betont man zugleich, dass solch eine „didaktisch wertvolle“ Systematisierung nicht den Blick dafür trüben darf, dass die Einstandspflicht rechtlicher und nicht bloß sittlicher Natur ist. Während die Beschützergaranten [vgl. im Folgenden b)] sich in die Untergruppen natürlicher bzw. familiärer Verbundenheit (zwischen Ehegatten, Eltern/Kind, eventuell auch Geschwistern), Gefahrengemeinschaften, kraft Vertrags, Amtes oder faktischer Übernahme einteilen lassen, wird der Überwachergarant im Wesentlichen nach seinen oben genannten drei unterschiedlichen Bezugspunkten kategorisiert [dazu noch c)]. b) Der Beschützergarant als „Fremdkörper“ im Betäubungsmittelstrafrecht? Solch eine strikte Zweiteilung ist für die vorliegende Abhandlung jenseits der prinzipiellen Bedenken1273 nicht ergiebig, passt doch einer der beiden Oberbe1269 Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts (2. Aufl. 1803) § 24. Die formale Einordnung sagt nichts über den materiell-rechtlichem Entstehungsgrund aus, sodass man die „formale“ Rechtsquellenlehre Feuerbachs den materiell-rechtlichen Begründungsansätzen nicht pauschal gegenüberstellen sollte, krit. auch LK/Weigend § 13 Rn. 22. 1270 A. Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 283 ff. 1271 Gefahrenquellen können bewegliche und unbewegliche Sachen (Tiere, Gebäude, Gegenstände) sein, allerdings auch natürliche Personen, etwa ein Geisteskranker oder ein Kind, Monographisch hierzu Albrecht, Begründung von Garantenstellungen in familiären und familienähnlichen Beziehungen, 1998; siehe auch Geilen FamRZ 1961, 147 ff. 1272 Zusammenfassend Kühl, JuS 2007, 497; Ransiek JuS 2010, 585; Rengier AT § 50; SSW/Kudlich § 13 Rn. 13; NK/Wohlers § 13 Rn. 38 ff.; Fischer § 13 Rn. 3; ausführlich zur historischen Entwicklung LK/Weigend § 13 Rn. 1 ff. 1273 SSW/Kudlich § 13 Rn. 17. Eine „schubladenartige“ Zuordnung ist ohnehin nicht möglich, da bestimmte faktische Sachverhalte (enge natürliche Verbundenheit, gesetzliche Pflichten) sowohl Beschützergaranten- als auch Überwachergarantenpflichten auslö-
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griffe, die „Beschützergarantenstellung“ schon strukturell nicht in ein Kompendium von Strafmodalitäten, die den strafbaren Umgang mit verbotenen Sachen erfassen und vorrangig den Schutz abstrahierter Rechtsgüter bezwecken.1274 Der reflexartige Schutz der körperlichen Unversehrtheit dürfte jedenfalls nicht ausreichen, um eine rechtliche Einstandspflicht zu begründen. Mit anderen Worten: Der „normale“ Täterkreis – nicht nur des BtMG – hat keine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis, da sich die spezifischen Schutzpflichten meist auf ebenso spezifische „Schutzgesetze“ beziehen. Wer Sorge dafür zu tragen hat, dass sein Schützling „gesund und munter“ bleibt, hat die Vorschrift des § 223 StGB zu „fürchten“ und nicht das BtMG. Eltern, die gegen den Erwerb von Betäubungsmitteln ihres Sohnes zum Eigenkonsum nicht einschreiten, sind ggf. nach §§ 223 I, 13 StGB zu bestrafen, wenn es tatsächlich zu einem „unverantwortlichen Konsum“ durch den Minderjährigen kommt.1275 Nur in Bezug auf die bis heute noch nicht abschließend geklärten Beschützergarantenstellungen von Amtsträgern1276 (Polizisten, Beamte der Staatsanwaltschaft) ist anerkannt, dass diese über Schutzpflichten gegenüber dem Individuum hinaus potentiell auch eine Beschützergarantenstellung gegenüber der Allgemeinheit treffen kann.1277 Ähnliches gilt für staatliches Aufsichtspersonal oder Mitarbeiter einer Drogentherapieeinrichtung bzw. kommunalen Jugendämtern, die nicht nur gegenüber dem einzelnen Jugendlichen eine Verpflichtung trifft, sondern denen kraft Natur der Sache die Funktion zukommt, die Jugend bzw. die Gesellschaft vor dem Drogenmissbrauch zu schützen.1278 Stillschweigend legt die h. M. die Möglichkeit von überindividuellen Rechtsgütern1279 als Inhalt einer
sen können; man denke an die Eltern, die ihre Kinder einerseits zu beschützen haben, andererseits darauf achten müssen, dass diese keine Straftaten begehen. 1274 Ob sich Beschützergarantenstellungen mit kollektiven Rechtsgütern „vertragen“ ist umstritten; zust. Roxin AT II § 32 Rn. 102; Brammsen, Garantenpflichten, S. 197 f.; Freund, Erfolgsdelikt und Unterlassen, S. 305 ff.; Kühl AT § 18 Rn. 80 f.; Meinberg NJW 1986, 2220 (2224); Winkelbauer NStZ 1986, 149 (151); abl. Geisler NJW 1982, 12 f.; Rudolphi, FS-Dünnebier, 1982, S. 580 f. 1275 Indessen ist der Frage nachzugehen, ob sie nicht die Straftat des Erwerbs von Drogen durch ihren Sohn als Überwachergarant zu unterbinden haben, vgl. noch im Folgenden. 1276 Zur Garantenstellung von Amtsträgern gegenüber der Allgemeinheit BGHSt 38, 325; 43, 82; bei diesem Personenkreis tut man sich schon rein begrifflich nicht schwer, diese als „Beschützer der Volksgesundheit“ oder „Rechtspflege“ zu bezeichnen. 1277 Wie Horn NJW 1981, 1 (6) könnte man schließlich auch in Umkehr der Überlegung eines mit dem Beschützgaranten „inkompatiblen“ überindividuellen Rechtsguts auch einwenden, dass diese mangels Rechtsgutsträger gerade jemanden brauchen, der sie bewirtet und schützt. 1278 Zur Beschützergarantenstellung von Umweltbeamten gegenüber der „Umwelt“ als Kollektivrechtsgut SSW/Saliger Vor § 324 ff. Rn. 63. 1279 Wie die Rechtspflege, der Straßenverkehr, der Jugendschutz und die Volksgesundheit.
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Garantenpflicht ohnehin auch zu Grunde, wenn sie eine Unterlassungskonstruktion bei Tatbeständen wie den §§ 153 ff., 315 ff., 324 ff. StGB sowie eben auch § 29 ff. BtMG anerkennt. Hierbei handelt es sich aber dann regelmäßig um eine allgemeine Sicherungspflicht, die aus dem (ggf. auch legalen, aber nichts destotrotz) gefährlichen Umgang mit Betäubungsmitteln resultiert.1280 Die typischen Fälle der Garantenstellung im Betäubungsmittelstrafrecht betreffen also die Pflichten, die aus dem Herbeirufen, der Beherrschung oder Aufrechterhaltung von Gefahrenquellen (Aufbewahrung von Betäubungsmitteln, Wohnungseigentümerstellung und Ingerenz) resultieren. Insofern kann der Beschützergarant als denkbare Unterkategorie der Unterlassungshaftung weitgehend ausgeblendet werden, vielmehr macht die folgende Rechtsprechungsanalyse deutlich, dass Gerichte und Staatsanwaltschaft regelmäßig nur an die Verletzung einer Aufsichtspflicht, sprich an Überwachergaranten knüpfen, wenn eine Strafbarkeit wegen unechten Unterlassens bzgl. der §§ 29 ff. BtMG im Raume steht. c) Der Überwachergarant und seine unterschiedlichen Entstehungsgründe Während der Beschützergarant ein Schild um das zu beschützende Objekt zu bilden hat, um es vor Eingriffen Dritter zu bewahren, hat der Überwachergarant einen Schirm über die Gefahrenquelle zu spannen, für die er verantwortlich ist, um die Ausbreitung bzw. Realisierung der Gefahr zu verhindern.1281 Hierbei kann die Überwachergarantenstellung im Wesentlichen aus drei verschiedenen Gründen resultieren, nämlich aus der Verantwortlichkeit für Sachen, für dritte Personen oder – einfach ausgedrückt – aus der Verantwortung für sein eigenes Verhalten.1282 Betäubungsmittel stellen als verbotene Substanzen – ähnlich wie chemische Stoffe, Arzneimittel und chemischer Abfall – für sich schon eine Gefahrenquelle dar. Die „Beherrschung“ dieser Gefahrenquelle führt zur allgemeinen Verpflichtung1283, sich der Drogen zu entledigen, wenn man keine Erlaubnis für den Um1280 Im Kern geht es auch hier nur um die „allgemeine“ Frage, wann von Beamten ein Einschreiten gegen die Begehung von Straftaten (oder im Anschluss an deren Nichtverfolgung, vgl. § 258a StGB) erwartet werden kann, vgl. hierzu BGHSt 38, 388 (391); zum Ganzen Rengier AT § 50 Rn. 36; Roxin AT II § 32 Rn. 85 ff.; Kühl AT § 18 Rn. 83 ff.; Pawlik ZStW 111 (1999), 335; monographisch Gunia, Strafrechtliche Garantenstellungen von Wachpersonen des privaten Sicherheitsgewerbes: Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Polizei und das private Sicherheitsgewerbe, 2001. 1281 Diese Metapher stammt von Rengier AT § 50 Rn. 42. 1282 Solch eine Einteilung findet sich auch bei Rengier AT § 50 Rn. 42 f. 1283 Allgemein zur Verantwortlichkeit für Sachen als Gefahrenquellen vgl. BGHSt 19, 286 (289); 47, 224 (228 ff.); 53, 38 m. Anm. Kraatz JR 2009, 182; BGH NJW
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gang erteilt bekommen hat, § 29 I Nr. 3 BtMG. Über diese Jedermannspflicht hinaus hat man dafür einzustehen, wenn sich die Gefahr des Besitzes von Betäubungsmitteln durch einen Wechsel der Verfügungsmacht realisiert. Solch eine Verpflichtung für die Nichtausbreitung der Gefahrenquelle trifft sowohl den illegal agierenden Täter als auch Personen, die von der Erlaubnispflicht befreit sind.1284 Somit unterscheidet sich die nicht abgewendete Verbreitung qualitativ vom Nichtentledigen, sodass dem hier eingeschlagenen Konzept nicht der Vorwurf gemacht werden kann, dass vom Unwert her vergleichbare Handlungen einmal als echtes Unterlassen (Besitz), und einmal als unechtes Unterlassen (Inverkehrbringen, Einfuhr) eingeordnet werden. Außerdem muss die individuelle Verantwortung nicht immer aus der Tatsache rühren, dass der Täter Betäubungsmittel in seinem Gewahrsam hat und dementsprechend Sorge dafür trägt, dass diese nicht in die „falschen Hände“ geraden. Schließlich können auch andere Sachen (wie die Wohnung des Täters) eine Gefahrenquelle für die vom BtMG geschützten Rechtsgüter darstellen, namentlich, wenn die Wohnung zur Begehung von Betäubungsmitteldelikten ausgenutzt wird [vgl. 3. c) bb)]. Zudem kann die Überwachergarantenstellung aus einem pflichtwidrigen Vorverhalten des Täters rühren. Diese knüpft nicht an eine allgemeine, dauerhafte Position des Täters, der grundsätzlich einen Gefahrenherd zu überwachen hat, sondern an die Schaffung einer Gefahrenlage, die ihn nun zur pflichtgemäßen Überwachung verpflichtet.1285 Diese „Ingerenz“-Garantenstellung wird im Rahmen eines Exkurses zu § 30 I Nr. 3 BtMG nochmals vertieft aufzugreifen sein [vgl. 3. a) bb)]. Sie basiert auf simplen „Gerechtigkeitserwägungen“ und dem generellen Verbot, Dritte zu schädigen („neminem laedere“).1286 Derjenige, der durch sein Vorverhalten pflichtwidrig eine Gefahr geschaffen hat, muss dafür einstehen, wenn der tatbestandliche Erfolg eintritt, soweit Schutzzweck der pflichtwidrigkeitsbegründenden Norm1287 und Schutzzweck der zuzurechnenden Norm 2010, 1087 (1090); OLG Stuttgart NStZ 2006, 450; OLG Düsseldorf NJW 1992, 2583; Fischer § 13 Rn. 37; Lindemann ZJS 2008, 404 (405 f.); Kühl AT § 18 Rn. 119 f.; Wessels/Beulke Rn. 723. 1284 Insofern wurden nicht mit ausreichender Sorgfalt aufbewahrte Betäubungsmittel als typische Fallgruppe des fahrlässigen Inverkehrbringens bereits dargestellt, vgl. 3. Teil A. II. 2. c), S. 212 ff. dazu aber kurz nochmals im Folgenden a). 1285 Zur Ingerenz ausführlich MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 118 ff.; vgl. auch Fischer § 13 Rn. 27 ff.; LK/Weigend § 13 Rn. 42 ff.; Kühl AT § 18 Rn. 91 ff.; Brammsen, Garantenpflichten, S. 288 ff.; Sch/Sch/Stree/Bosch § 13 Rn. 32; Stein JR 1999, 265 (270); Welp, Vorangegangenes Tun, S. 163 ff. (177); v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer § 13 Rn. 53 ff.; monographisch auch Pfleiderer, Die Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, 1968. 1286 Roxin AT II § 32 Rn. 150; NK/Wohlers § 13 Rn. 42 (Ingerenz als „Kehrseite der Handlungsberechtigung“); SSW/Kudlich § 13 Rn. 22; aus der Rechtsprechung grundlegend schon RGSt 24, 339; BGHSt 4, 20 (22); 19, 152 (154). 1287 Und hiermit ist nicht notwendig eine Strafnorm, beispielsweise § 29 BtMG, sondern auch eine Verhaltensnorm gemeint.
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übereinstimmen. Insofern passt diese Fallgruppe häufig auf den illegal agierenden Täter, der durch den Erwerb von Betäubungsmitteln bereits eine Straftat verwirklicht und somit die Gefahr einer Perpetuierung des Betäubungsmittelumlaufs geschaffen hat.1288 Gerade aus diesem Grund hat sie aber innerhalb eines Normgefüges, das einen umfangreichen Katalog an Handlungsmodalitäten bietet, nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn durch die unterlassene Umgangsform die Rechtsgutsbeeinträchtigung im Verhältnis zur bereits aktiv verwirklichten Umgangsform einen eigenständigen Unrechtsgehalt hat bzw. als „intensivere“ Form der Rechtsgutsbeeinträchtigung qualifiziert werden kann. Demgegenüber wurde bereits dargestellt, dass die Verantwortung für Personen als dritter und letzter Entstehungsgrund von Überwachergaranten im Betäubungsmittelstrafrecht kaum eine Rolle spielt, da Betäubungsmitteldelinquenten meist eigenverantwortlich agieren und eine Verantwortungsverschiebung daher nur selten in Betracht kommt.1289 Eine andere Frage ist, ob man sich an einer fremden Tat als Mittäter oder zumindest als Gehilfe durch Unterlassen beteiligen kann. Wenn nun im Folgenden analysiert werden soll, wie die Rechtsprechung mit diesen drei Fallgruppen des Überwachergaranten im Betäubungsmittelstrafrecht umgeht, dürfen zwei Aspekte nicht aus dem Blickfeld geraten: Zum einen kommt nach hier vertretener Ansicht eine Unterlassungshaftung ohnehin nur bei Verfügungswechsel- und Transportdelikten (als Erfolgsdelikte) in Betracht. Zum anderen hat das schlichte Tätigkeitsdelikt durch Unterlassen (aus bereits genannten Gründen) keine praktische Relevanz, weswegen dementsprechend auch die obergerichtliche Urteilspraxis hierzu dünn besiedelt ist. Bis auf wenige Ausnahmen konzentriert sich die Rechtsprechung des BGH auf den „dogmatisch entspannten“ Bereich der Beihilfe durch Unterlassen zum aktiven Tun.1290 Auch hier muss also der Übersichtlichkeit halber zwischen unmittelbarer Haftung für eine eigene Straftat durch Unterlassen und einer Beteiligung durch Unterlassen differenziert werden.1291 Innerhalb der „unmittelbaren“ Unterlassungshaftung liegt es – aufgrund der hier vertretenen Ansicht, Tätigkeitsdelikte auszuklammern – nahe, die Erfolgsdelikte i. R. d. Darstellung voranzustellen.
1288 Hier fallen also Ingerenz- und Sachgefahrgarantenstellung regelmäßig zusammen, es sei denn, man trennt strikt zwischen legalem Verkehr, der nur eine Sachgefahrgarantenstellung trifft und illegalem Verkehr, der regelmäßig zur Ingerenz führt. 1289 Zu diesem Mechanismus vgl. 3. Teil B. II. 1. cc), S. 353 ff. 1290 Damit ist nicht gemeint, dass diese Fallgruppe für sich stets unproblematisch wäre, doch birgt sie nicht die Schwierigkeiten, die aus der Unzulänglichkeit des Erfolgsbegriffs im § 13 StGB resultieren. 1291 Damit ist auch ein kleiner Abschnitt des Kapitels „Täterschaft und Teilnahme“ vorweggenommen, vgl. aber nochmals 3. Teil D. II. 2. c) aa), S. 560 ff.
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3. Die einzelnen Fallgruppen der Überwachergarantenstellung im Betäubungsmittelstrafrecht und ihre Behandlung durch die Obergerichte a) Unterlassungs(neben)täterschaft – Eine Seltenheit im Betäubungsmittelstrafrecht Das Unterlassen kann schon kraft Natur der Sache keine allzu große Bedeutung in einem „Umgangsverbotsstrafrecht“ haben, in dem praktisch alle denkbaren Umgangsformen bereits explizit genannt sind, die einem potentiellen Unterlassen „vor- oder nachgehen“ könnten. Hinzu tritt, dass die praktisch wichtigste Umgangsform, deren Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit im Unterlassen zu sehen ist, bereits eigenständig pönalisiert und als echtes Unterlassungsdelikt ausgestaltet ist, § 29 I Nr. 3 BtMG. Eine unechte Unterlassungstäterschaft hat dann nur noch eigenständige Relevanz, wenn die Täter nicht bereits durch aktives Tun tatbestandlich agiert haben (namentlich im legalen Betäubungsmittelverkehr, vgl. im Folgenden aa.), oder bei denen sie aufgrund ihrer Stellung den Umlauf zu unterbinden haben, an dem sie selbst nicht beteiligt sind. Hierbei dürfte es keinen Zufall darstellen, dass fast ausschließlich die Erfolgsdelikte des BtMG in diesen Fallkonstellationen einschlägig sind, vornehmlich das Inverkehrbringen oder das Einführen von Betäubungsmitteln. Dagegen bleibt die Beteiligung an fremden Straftaten durch Unterlassen regelmäßig kein „Unterlassen“ in diesem Sinne mehr, wenn der Unterlassungstäter sein „Minus“ bei der Tatausführung durch ein „Plus“ im Tatplanungsstadium ausgeglichen hat. Denn dann führt dieses Plus direkt zur Mittäterschaft und es werden dem Unterlassenden aktive Tatbeiträge des Mittäters wechselseitig zugerechnet.1292 Unabhängig davon kommt es in den Mittäterschaftsfällen zu irgendeinem Zeitpunkt der Tat zu einem aktiven Tatbeitrag des Mittäters, da das Handeltreiben nicht voraussetzt, dass der „Täter“ (bzw. ein Mittäter) mit Drogen umgehen muss. aa) Erfolgsdelikte durch Unterlassen (Inverkehrbringen, Abgabe und Einfuhr) Schon das allererste Fallbeispiel zum Unterlassen ließ andeuten, dass die echten Fälle zur Einfuhr „durch Nichtstun“ eher konstruiert werden müssen, als dass sie in der Praxis überhaupt eine Bedeutung entfalten könnten.1293 Dementsprechend sind auch keine Entscheidungen zur Einfuhr durch Unterlassen veröffentlicht, es sei denn, es geht um die Beteiligung an einer fremden, vorsätzlichen Einfuhrtat durch Nichtstun. Bei den Transporttatbeständen der Einfuhr und Ausfuhr handelt es sich nicht um eigenhändige Delikte, sodass man auch einem pas1292 1293
Siehe hierzu noch 3. Teil D. II. 1. c) aa), S. 541 ff. Fn. 1103 in Teil 3.
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siv agierenden Beteiligten, der nicht in eigener Person die Drogen über die Grenze verbringt, aktive Tatbeiträge eines Dritten gem. § 25 II StGB zurechnen kann, soweit ein gemeinsamer Tatplan festgestellt ist.1294 Das bloße Billigen der Tat reicht für eine Mittäterschaft allerdings nicht aus, zu denken bleibt an eine (meist sukzessive) Beihilfe durch Unterlassen an einer „fremden Einfuhr“ [siehe noch in diesem Zusammenhang c)]. Macht sich der Täter die fahrlässige Einfuhr oder Ausfuhr eines Dritten zu Nutze, in dem er ihn als unwissendes Werkzeug missbraucht, lässt sich eine aktive Einfuhr in mittelbarer Täterschaft bejahen. Erst wenn er in diesen Konstellationen den Tatentschluss des „Ausnutzens“ im Nachhinein fasst oder die Einfuhr geschehen lässt, ohne auf den Vordermann einzuwirken, kommt eine Unterlassungs(neben)täterschaft in Betracht.1295 Zu denken ist an die Konstellation, in denen der Täter die Betäubungsmittel in einem fremden Transportvehikel untergebracht hat und nun erfährt, dass sich der Besitzer am nächsten Morgen auf den Weg in ein anderes Land macht. Da der Täter durch das Deponieren der Drogen in einem fremden Gefährt die Gefahr des Umlaufs geschaffen hat, trifft ihn eine Einstandspflicht aus Ingerenz, die in derartigen Fällen nicht durch den Schutzzweck des § 29 I Nr. 1 BtMG begrenzt werden muss [dazu noch im Folgenden bb)]. Da es sich bei der Ein- und Ausfuhr nicht um verhaltensgebundene Delikte handelt, dürfte die Strafbarkeit jedenfalls nicht an der Modalitätenäquivalenz scheitern. Bei den Verfügungswechseldelikten erlaubt zwar die Struktur der Tatbestände als Erfolgsdelikt die Anknüpfung an ein Unterlassen, doch sind sie zumindest partiell „verhaltensgebunden“, wenn die Abgabe sowie das Veräußern einerseits, der Erwerb andererseits ein einvernehmliches Agieren der Beteiligten voraussetzen.1296 In den Fällen notwendiger Teilnahme scheint ein Unterlassen im Hinblick auf die Entsprechungsklausel schon strukturell ausgeschlossen. Übrig bleibt das Inverkehrbringen durch Unterlassen als einzige Fallgruppe, die nicht konstruiert wirkt. Dementsprechend greift diese Tathandlung auch die Literatur, wenn auch knapp, auf. Sowohl Weber1297 als auch Patzak1298 heben hervor, dass die Modalität des Inverkehrbringens auch durch Unterlassen verwirklicht werden könne. Man denke an Apotheker, Ärzte und Asservatenverwalter, die Betäubungsmittel nicht ordnungsgemäß lagern und hierdurch die Entwendung der Drogen ermöglichen. Im legalen Betäubungsmittelverkehr ergeben sich die Überwachungspflichten aus 1294
Vgl. hierzu noch ausführlich 3. Teil D. III. 3. a) aa), S. 599 ff. Damit werden auch die Einwände gegen das Modell einer mittelbaren Täterschaft durch Unterlassen deutlich, vgl. hierzu auch SSW/Kudlich § 13 Rn. 46 m.w. N. 1296 Zur Erläuterung der Verfügungswechseldelikte nochmals 1. Teil B. I. 4., S. 48. 1297 Weber § 29 Rn. 1017. 1298 Körner/Patzak § 29 Teil 9 Rn. 5; vgl. auch MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 746 (750); Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 9.3.1.; Malek, Kap. 2 Rn. 265; Horn NJW 1977, 2329 (2335 f.). 1295
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der besonderen Stellung der Personen, denen eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde oder die kraft Gesetzes von der Erlaubnispflicht befreit sind, § 4 BtMG.1299 Dementsprechend sind deren Überwachungs- und Sicherungspflichten ebenfalls im Gesetz niedergelegt, §§ 15, 16 BtMG.1300 Im illegalen Betäubungsmittelverkehr dagegen ergibt sich die Sicherungspflicht aus dem Umgang mit Betäubungsmitteln selbst.1301 In beiden Fällen werden die Täter regelmäßig nur fahrlässig agieren, sodass die dortigen Überlegungen auf das Unterlassungsdelikt ohne Weiteres übertragen werden können.1302 Hierbei geht die h. M. davon aus, dass die Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen auch beim Fahrlässigkeitsdelikt vorzunehmen ist, da nicht jede Sorgfaltspflichtverletzung den Verstoß gegen eine gesetzliche Einstandspflicht zu bedeuten hat.1303 Umgekehrt lässt sich ein Verhalten nicht schon dadurch als Unterlassen qualifizieren, weil der Täter die erforderliche Sorgfalt „außer Acht lässt“.1304 Regelmäßig indiziert der Verstoß gegen die in den §§ 15, 16 BtMG statuierten Sorgfaltspflichten eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung.1305 bb) Sonderfall „Erfolgsqualifikation“ – § 30 I Nr. 3 BtMG durch Unterlassen? (1) Vorüberlegungen Da die Erfolgsqualifikation des § 30 I Nr. 3 BtMG bereits mehrmals Gegenstand dieser Abhandlung war, soll sie an dieser Stelle nicht vollständig ausgeblendet werden, zumal die strafschärfende Folge des Todeseintritts ja auch als „Taterfolg“ schlechthin bezeichnet werden kann. Schließlich kann man davon ausgehen, dass eine Verwirklichung des § 30 I Nr. 3 BtMG durch Unterlassen grundsätzlich möglich sein muss,1306 wie bei anderen Erfolgsqualifikationen des Kernstrafrechts auch, beispielsweise §§ 227, 306c StGB. Allerdings muss der 1299
Körner/Patzak § 29 Teil 9 Rn. 14. Insofern kann man hier durchaus von einer formalen Überwachergarantenstellung kraft Gesetzes ausgehen, vgl. bereits 3. Teil A. II. 2. c) aa), S. 213 ff. 1301 Hier wird das zu einem Gebot „umgekehrte“ Inverkehrbringen durch Unterlassen zumindest praktisch durch das Gebot des § 29 I Nr. 3 BtMG verdrängt; schließlich knüpft diese Vorschrift bereits an den zeitlich vorhergehenden Zustand, der zum fahrlässigen Inverkehrbringen führen könnte. 1302 3. Teil A. II. 2. c) aa), S. 213 ff. 1303 Zur Möglichkeit eines Fahrlässigkeitsdelikts durch Unterlassen SSW/Kudlich § 13 Rn. 48; Kühl AT § 19 Rn. 2; LK/Weigend § 13 Rn. 97; Roxin AT II § 31 Rn. 196 ff.; SK/Rudolphi vor § 13 Rn. 12; NK/Wohlers § 13 Rn. 21; v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer § 13 Rn. 71; Rengier AT § 54 Rn. 1; Hruschka, FS-Bockelmann, 1979, S. 421 ff.; monographisch Fünfsinn, Der Aufbau des fahrlässigen Verletzungsdelikts durch Unterlassen im Strafrecht, 1985. 1304 In diese Richtung aber Röhl JA 1999, 895 (900 f.). 1305 Zur Indizwirkung Kudlich, FS-Otto, 2007, S. 373 ff. 1306 Körner/Patzak § 30 Rn. 101. 1300
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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Täter das strafbarkeitsbegründende Grunddelikt „unterlassen“, d.h. Sachverhalte, in denen der Täter eine „hilflose Lage“ des Opfers aktiv herbeiführt und es zwischenzeitlich unterlässt, Rettungsmaßnahmen vorzunehmen, fallen nicht hierunter.1307 Dahinter steckt der Gedanke des tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhangs: Die Strafschärfung knüpft an die besondere Gefährlichkeit des Grunddelikts1308 und nicht an Handlungen, die erst darauf folgen.1309 Die „ausgeklammerte“ Variante ist die praktisch häufigere, da das Opfer in Drogenkonsumfällen nicht selten nach einem aktiv verwirklichten Vorverhalten, das nicht auf eine Verletzung bzw. Tötung gerichtet war, auch „nur“ in Ohnmacht geraten kann und nun ein Zeitraum besteht, in dem es durch das Herbeirufen eines Notarztes noch gerettet werden könnte. Dann ist zusätzlich eine Tat nach §§ 212, 211, 13 StGB in Betracht zu ziehen, sobald eine Vorsatzerweiterung (dolus eventualis oder directus) festgestellt worden ist („Zäsurwirkung“). Agiert der Täter dagegen nach wie vor fahrlässig, kann bzw. muss bereits an die aktiv vorgenommene Ersthandlung geknüpft werden.1310
1307 So auch bei den Delikten des Kernstrafrechts vgl. zu § 227 StGB BGHSt 41, 113; vgl. Fischer § 227 Rn. 6; Ingelfinger GA 1997, 573. 1308 Vgl. BGH NStZ 1985, 419 (420): „Die verschärfte Strafdrohung des Gesetzes gilt demjenigen, der Betäubungsmittel abgibt und dadurch leichtfertig den Tod eines anderen verursacht. Der Vorwurf der Leichtfertigkeit bezieht sich demgemäß auf die Tathandlung der Abgabe, nicht auf ein danach liegendes Verhalten. Der Tatbestand § 30 I Nr. 3 BtMG unterscheidet sich insoweit nicht von jenen Qualifizierungstatbeständen und gesetzlichen Regelbeispielen besonders schwerer Fälle, bei denen ausdrücklich vorausgesetzt ist, daß ,durch die Tat‘ leichtfertig der Tod eines Menschen verursacht wird [. . .]. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung, ob die ,Tat‘ im Sinne der genannten Vorschriften nur bis zu ihrer Vollendung oder bis zu ihrer Beendigung reicht. Denn bei der Abgabe von Betäubungsmitteln, also der Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf den Empfänger, fallen Vollendung und Beendigung stets zusammen. Im Sinne beider Begriffe reichte die Tathandlung der Abgabe nicht über den Zeitpunkt hinaus, in dem O das für ihn bestimmte Heroin von dem Angekl. und der Mitangekl. H ausgehändigt bekam. Ein leichtfertiges Verhalten des Angeklagten, das erst nach diesem Zeitpunkt einsetzte, kann mangels der gesetzlich geforderten Verknüpfung mit der Tathandlung der Abgabe den Tatbestand des § 30 I Nr. 3 BtMG nicht erfüllen. Demgemäß entfällt der Vorwurf der leichtfertigen Todesverursachung durch Betäubungsmittelabgabe.“ 1309 Da es sich bei den beschriebenen Handlungsmodalitäten nach der hier zu Grunde gelegten Terminologie um konkretisierte Tätigkeitsdelikte handelt, muss Bezugspunkt des tatbestandsspezifischen Gefahrverwirklichungszusammenhangs zwingend die Handlung sein; mangels „Zwischenerfolg“ der beschriebenen Handlungen – Überlassen, Verabreichen, [. . .] – kann es hier schon theoretisch keine „Letalitätstheorie“ (wie dies bei § 227 StGB teilweise vertreten wird) bzw. Erfolgstheorie geben. Nur bei der Abgabe als „Erfolgsdelikt“ stellt sich diese Frage, wobei man auf den ersten Blick davon ausgehen könnte, dass es erst der Erfolg des Verfügungswechsels ist, der die tatbestandsspezifische Gefahr auslöst (praktisch hätte diese Frage mangels Konstruierbarkeit eines erfolgsqualifizierten Versuchs kaum eine Bedeutung). 1310 Der einzige Unterschied wäre dann der Maßstab bzgl. der Sorgfaltswidrigkeit, der im ersten Falle an die gefährliche Handlung knüpft und eben nicht an das zwischenzeitliche Unterlassen.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Für § 30 I Nr. 3 BtMG bleibt festzuhalten, dass in diesen Fällen die Abgabe, die Verbrauchsüberlassung oder das Verabreichen durch Unterlassen zu erfolgen hat. Patzak nennt hierfür das Beispiel von Beschützergaranten, der nichts dagegen unternimmt, dass Betäubungsmittel an eine seinem Schutz unterstehende Person abgegeben, verabreicht oder zum Verbrauch überlassen werden. Wenn nun der Garant die Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs des Geschehens aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt, z. B. bei Eltern, die die Abgabe von hochprozentigem Heroin an ihre minderjährigen Kinder zum Eigenkonsum nicht unterbinden, komme eine Verwirklichung des § 30 I Nr. 3 BtMG, § 13 StGB durch Unterlassen in Betracht.1311 Soweit es sich bei diesen Modalitäten allerdings um schlichte Tätigkeitsdelikte handelte (für das Verabreichen als „besondere Form der Körperverletzung“ ist gerade kein „Verletzungserfolg“ notwendig), scheidet nach hier vertretener Ansicht ohnehin eine Verwirklichung durch Unterlassen aus. Insofern ließe sich nur eine Abgabe durch Unterlassen mit Todesfolge konstruieren, allerdings ergeben sich hier wiederum Bedenken im Hinblick auf die Modalitätenquivalenz. (2) Exkurs: Betäubungsmittelüberlassung mit Todesfolge und Ingerenz bzgl. der §§ 212, 13; 222, 13 StGB? Die praktisch wichtigeren Fälle der Todesverursachung durch Unterlassen von Rettungsmaßnahmen für das Opfer, das nach Überlassung, Abgabe oder Verabreichen von Betäubungsmitteln ohnmächtig geworden ist, betreffen eigentlich Delikte gegen die Person, §§ 212, 222, 223, 229 StGB und nicht die des Betäubungsmittelstrafrechts. Dennoch soll dieser Exkurs beschritten und dargestellt werden, da die Rechtsfrage der übergehenden Garantenstellung weitgehend im Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz fortentwickelt wurde.1312 § 30 I Nr. 3 BtMG führt in Fällen des tödlichen Betäubungsmittelkonsums nicht immer zu den „gewünschten“ Ergebnissen: Schließlich kann im Hinblick auf den Sorgfaltsmaßstab – abgestellt auf die Überlassungshandlung – selten ein leichtfertiges Handeln nachgewiesen werden. Auch steht nicht immer fest, ob der Täter überhaupt eine Handlung i. S. d. § 30 I Nr. 3 BtMG vorgenommen hat. In den „eindeutig gelagerten Fällen“ kann dagegen das Strafmaß „ungenügend“ sein, wenn der Täter beispielsweise im Laufe des „Unglücksfalles“ erkennt, dass das Opfer in Todesgefahr schwebt, aber – etwa aus Angst vor Strafverfolgung – 1311 Körner/Patzak § 30 Rn. 101: „Diese Fallkonstellation ist jedoch eher theoretischer Natur“. 1312 Und meistens auch nur in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, vgl. hierzu u. a. BGHSt 11, 353; 14, 282; BGH NStZ 1984, 452 m. krit. Anm. Fünfsinn StV 1985, 56; BGHSt 33, 66; 53, 288 (Kokain-Verwechslung); NStZ 2011, 341 („Psycholysetherapie“); bereits an dieser Entscheidungssammlung wird deutlich, dass die Diskussion stets im Zusammenhang mit der Frage der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung geführt wird, vgl. hierzu schon ausführlich 3. Teil A. I. 3. a), S. 121 ff.
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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billigend in Kauf nimmt, dass das Opfer stirbt.1313 Wenn nun an das für den Todeseintritt „quasi-kausale“ Unterlassen der Rettungsbemühungen angeknüpft werden soll (§§ 212, 13 StGB oder §§ 222, 13 StGB) und eine Beschützergarantenstellung ausscheidet, etwa weil die Konsumenten sich nur flüchtig kannten und man (zu Recht) davon ausgeht, dass die bloße Konsumgemeinschaft keine Garantenstellung begründet,1314 muss der Frage nachgegangen werden, ob den Täter eine Ingerenzgarantenstellung trifft, weil er die Gefahr durch das Überlassen von Betäubungsmitteln initiiert und verursacht hat. Die Rechtsprechung hat schon Personen in das Visier der Unterlassungshaftung genommen, die lediglich Teilnehmer an einem missglückten (und selbstverständlich straflosen) Selbsttötungsversuch waren,1315 etwa weil sie dem Suizidenten den Strick, die Pistole oder 100% reines Heroin zum Zwecke eines „goldenen Schusses“ überreicht haben. Diese Rechtsauffassung wurde in der Literatur zumindest für die Selbsttötungsfälle überwiegend abgelehnt, da solch eine Betrachtung nicht ausreichend dem Selbstbestimmungsrecht des Individuums Rechnung trage und man auf diese Weise die Straflosigkeit der Teilnahme an der Selbsttötung elegant umschiffe.1316 Hierbei lässt sich die widersprüchliche Konsequenz ins Feld führen, dass man sich wegen Totschlag durch Unterlassen strafbar macht, wenn das Gift wirkt, das man ursprünglich straflos überreicht hatte.1317 Außerdem besteht in diesen Fällen ausreichender Schutz über § 323c StGB.1318 Diese Rechtsprechung blieb vereinzelt. 1313 Auf der anderen Seite darf man allerdings auch nicht vergessen, dass der BGH die Reichweite des § 30 I Nr. 3 BtMG ohnehin enorm ausdehnt, wenn der Gesichtspunkt der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung auf diese Vorschrift keine Anwendung finden soll, vgl. 3. Teil A. I. 3. e), S. 133 ff. Echte „kriminalpolitische“ Lücken würden sich ggf. also nur bei nachträglichen Vorsatztaten ergeben können. 1314 BGH NJW 1955, 1047 („Zechkumpanen“); OLG Stuttgart NJW 1981, 182; OLG Hamm (Zivilsenat) NZV 2005, 427; zum Ganzen Roxin AT II § 32 Rn. 63; soweit der Täter allerdings aus anderen Gründen bereits eine Garantenstellung innehat, beispielsweise aus enger natürlicher Verbundenheit oder kraft faktischer Übernahme oder aufgrund seiner Stellung als Gastwirt eines Schanklokals, ist kein Rückgriff auf die Ingerenz notwendig; anders dagegen bei einer Gefahrgemeinschaft, vgl. hierzu Sch/ Sch/Stree/Bosch § 13 Rn. 23; Wessels/Beulke Rn. 719; LK/Weigend § 13 Rn. 40; Baumann/Weber/Mitsch AT § 13 Rn. 73. 1315 BGHSt 32, 367 (Fall Wittig), hierzu Bottke GA 1983, 22 (34); dagegen OLG München NJW 1987, 2940 (Fall Hackethal). 1316 Sch/Sch/Eser Vor § 211 Rn. 42 f.; Fischer Vor § 211 Rn. 12; Achenbach Jura 2002, 542 (544); SSW/Momsen Vor § 211 Rn. 22; Lackner/Kühl Vor § 211 Rn. 42 f.; Otto NJW 2006, 2217; Herzberg JZ 1988, 182 (183); Roxin NStZ 1987, 345 (347); Verrel JZ 1996, 224; zum Ganzen auch Vogel, Norm und Pflicht, S. 182 ff. 1317 Rengier BT II § 8 Rn. 15. 1318 Wobei es wiederum umstritten ist, ob eine versuchte Selbsttötung unter den Begriff des Unglücksfalles subsumiert werden kann, vgl. hierzu BGHSt 32, 367 (375 ff.); BGH NStZ 1988, 127; aus der Literatur Dölling NJW 1986, 1011 (1015); SK/Rudolphi § 323c Rn. 8; Lackner/Kühl § 323c Rn. 2; Spickhoff/Schuhr § 323c Rn. 12; v. Heintschel-Heinegg/v. Heintschel-Heinegg § 323c Rn. 11 f.; Gallas JZ 1960, 686 ff.; Geilen
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(a) Ingerenz aufgrund strafbaren Vorverhaltens in Fällen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung? Trotzdem wäre es verfehlt, davon auszugehen, dass die Rechtsprechung die restriktiven Ansätze der Literatur übernahm. Denn dann müsste man davon ausgehen, dass nicht nur in den Fällen des fehlgeschlagenen Suizids eine Garantenpflicht zu verneinen ist, sondern auch i. R. e. vorausgegangenen eigenverantwortlichen Selbstgefährdung. Der BGH geht indessen davon aus, dass den Gefahrinitator eine Einstandspflicht treffe, wenn die Gefahr in strafbarer Weise herbeigeführt wurde, namentlich Heroin gem. § 29 I Nr. 1 BtMG ohne Erlaubnis abgegeben wurde.1319 In seinem bereits zitierten Urteil vom 27.06.1984 führt der BGH hierzu aus1320: „Der Handlungspflicht . . . steht nicht entgegen, daß er [der Angeklagte] zunächst durch sein Verhalten dem Opfer mit dessen Einverständnis nur eine Selbstgefährdung ermöglicht hat. Die Straflosigkeit dieses Tuns im Hinblick auf die Herbeiführung des Risikos schließt es nicht aus, Garantenpflichten für den Zeitpunkt zu begründen, in dem sich das Risiko erkennbar verwirklicht. Das folgt schon daraus, daß P nicht etwa seinen eigenen Tod wollte, sondern nur damit einverstanden war, daß sein Heroingenuß ihn in diese Gefahr brachte. Sobald er sich in dieser Gefahr befand, auf deren Nichteintritt er gehofft hatte, hätte sich der Angeklagte, der [das Opfer] durch das strafbare Überlassen des Heroingemischs mit in diese Lage gebracht hatte, um einen Notarzt bemühen müssen.“ Anzumerken ist sogleich, dass sich der BGH nicht weiter dazu äußert, wie es um die Ersthandlung bestellt ist, also ob tatsächlich ein Fall eigenverantwortlicher Selbstgefährdung vorliegt. Zwar deutet er dies in der zitierten Stelle an, aber aus dem geschilderten Sachverhalt ergibt sich, dass das Opfer gerade keine besondere Erfahrung mit Heroin hatte, sodass er auch nicht unbedingt mit einer Todesgefahr beim Erstkonsum zu rechnen schien. Jedenfalls lässt der Senat offen, ob bereits die Ersthandlung den Tatbestand eines Fahrlässigkeitsdelikts erfüllt, da bereits aus anderen Gründen (namentlich der objektiven Vorhersehbarkeit des Todeseintritts) eine Fahrlässigkeitshaftung entfalle. Anders in seiner zweiten, kurz darauf folgenden Entscheidung vom 09.11.1984: Hier stellt der Senat explizit fest, betont sogar, dass das Opfer in Kenntnis aller für das eingegangene Risiko maßgeblichen Umstände agierte (das spätere Tatopfer wusste, dass der Stoff nicht gestreckt war).1321 Daher stellt er auf das nachträgliche Unterlassen der Rettungshandlung ab, wobei die getroffenen Feststellungen die VerurteiJZ 1974, 145 ff.; Herzberg JZ 1986, 102; monographisch Czinczoll, Solidaritätspflichten bei der Selbsttötung, 1984. 1319 Zu diesen Fällen vgl. Ebert, Handeltreiben, S. 180; Roxin AT I § 11 Rn. 96; Schultz JuS 1985, 274; NK/Seelman § 13 Rn. 142 f.; Sowada Jura 2003, 236 (244); Jasch NStZ 2005, 8 (11). 1320 BGH NStZ 1984, 452. 1321 BGH NStZ 1985, 319 (320).
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lung des Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung tragen sollen. Der Angeklagte hätte sofort, nachdem O zusammengebrochen und bewusstlos geworden war, einen Arzt hinzuziehen müssen. Die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung scheitere nicht daran, dass ihm eine Garantenstellung gefehlt hätte, da er wegen seines vorhergegangenen Tuns verpflichtet gewesen sei, den Tod des O abzuwenden. Seiner Handlungspflicht stehe nicht entgegen, dass er zunächst durch sein Verhalten dem Opfer – mit dessen Einverständnis – nur eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung ermöglicht hat. (b) Begrenzung der Ingerenzhaftung nach dem Schutzzweck der Norm Dieser Konstruktion ist allen voran Roxin1322 entschieden entgegengetreten.1323 Er wies darauf hin, dass die Strafbarkeit der Heroinüberlassung nach den Vorschriften des BtMG für die Begründung einer Ingerenzgarantenstellung nicht ausreichen könne, da es nicht auf die Pflichtwidrigkeit der auslösenden Handlung, sondern auf die Pflichtwidrigkeit der herbeigeführten Gefahr (für das geschützte Rechtsgut) ankäme. Daran fehlt es, unabhängig davon, ob die Heroinüberlassung strafbar ist, weil der Schutzzweck des § 222 StGB nicht auf die Vermeidung vorsätzlicher und verantwortlicher Selbstgefährdungen gerichtet sei. Noch vor den Entscheidungen des zweiten und dritten Senats hatte bereits das OLG Stuttgart (in einem Beschluss vom 19.09.19801324) diese gegenläufige Auffassung vertreten. Im konkreten Fall hatten sich die Angeklagten und das spätere Tatopfer gemeinsam Heroin beschafft. Im Anschluss an den Erwerb injizierten sie sich in der Wohnung der Angeklagten das Heroin (jeder für sich) und bemerkten nach einer Weile, dass das spätere Tatopfer bewusstlos geworden war. Ihre Reanimationsbemühungen waren erfolglos, allerdings weigerten sich die Angeklagten, einen Arzt herbeizurufen, was den Tod hätte vermeiden können. Während das Landgericht eine Unterlassungsstrafbarkeit aus pflichtwidrig vorangegangenem Tun bejahte (strafbarer, ggf. mittäterschaftlicher Erwerb gem. § 29 I Nr. 1 BtMG), erteilte das OLG dem eine Absage und betonte, dass die Rechtswidrigkeit bzw. Illegalität des Erwerbs und der Weitergabe von Rauschgift für sich allein nicht ausreiche, um eine besondere Rechtspflicht gegenüber Mittätern oder Mitkonsumenten zu begründen.1325 „Das Prinzip der Selbstverantwortung erwachsener Menschen schließt in diesen Fällen grundsätzlich die strafrechtliche 1322
Vgl. aber auch Fünfsinn StV 1985, 56. Dem folgend Kühl AT § 18 Rn. 105 sowie Stree JuS 1985, 179 und Fünfsinn StV 1985, 57, die bereits der ersten Entscheidung des BGH zur Ingerenzhaftung bei vorhergehender Verwirklichung eines Betäubungsmitteldelikts ablehnend gegenüberstanden. 1324 OLG Stuttgart NJW 1981, 182. 1325 Wie auch aus einer bloßen Zechgemeinschaft solche gesteigerten Beistands- und Schutzpflichten für die Beteiligten untereinander nicht entstehen, vgl. OLG Stuttgart NJW 1981, 182. 1323
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Haftung Dritter für den durch Einnahme solcher Rauschmittel eingetretenen gesundheits- oder lebensgefährdenden Zustand (. . .) jedenfalls solange aus, als eigenverantwortliches Verhalten des Gefährdeten nicht ausgeschlossen ist.“ (c) Die Unterlassungslösung der Rechtsprechung als Umgehung der Feststellungen bzgl. der Eigenverantwortlichkeit des Tatopfers? In der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass die Ingerenzgarantenstellung restriktiv und nach allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen eingeschränkt werden muss.1326 Zur konkreten Fallkonstellation hält man sich dagegen bedeckt, sodass es nicht ganz richtig wäre, von einer h. L. zu sprechen. Selbst Rengier, der Sympathien für derartige Differenzierungen (zwischen Suizid und Selbstgefährdung einerseits, strafbarem und straflosem Verhalten andererseits) bekundet, lässt die Frage im Ergebnis offen.1327 Kriminalpolitisch entstehen im Bereich der Fahrlässigkeit keine unzumutbaren Lücken, was das Strafmaß anbelangt, vgl. §§ 29 ff. BtMG, § 323c, 52 StGB. Wenn man aber die Auffassung des BGH damit untermauern will, dass das spätere Tatopfer nicht den Todeserfolg wollte, sondern sich nur einer Gefährdung aussetzte,1328 so wird deutlich, dass man in dieser Diskussion eigentlich aneinander „vorbeiredet“.1329 Schließlich ist die Beteiligung an der Selbstgefährdung genauso tatbestandslos, wie die Beteiligung an der Selbstverletzung. Entscheidend bleibt, ob das Opfer zum Zeitpunkt der Gefährdungshandlung wirklich „eigenverantwortlich“ agierte.1330 Dies ist zu verneinen, wenn der Konsument nicht um die weitreichenden Gefahren des Drogenkonsums weiß, jedenfalls über Art und Ausmaß des Risikos irrt. Hier muss der Rechtsanwender also irgendwo zwischen kalkuliertem und eben nicht mehr kalkuliertem Risiko die Grenze ziehen und an1326 LK/Weigend § 13 Rn. 44; SSW/Kudlich § 13 Rn. 24; Vogel, Norm und Pflicht, S. 190 ff. 1327 Rengier BT II § 8 Rn. 28. 1328 So der BGH in NStZ 1985, 319. 1329 Besser gesagt „vorbeiredete“ (in neueren Entscheidungen rückt auch der BGH die Frage der Eigenverantwortlichkeit mehr in den Mittelpunkt): Die Uneinigkeit mag auch dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass die Entwicklung der Theorie von der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zumindest zum Zeitpunkt der BGH-Entscheidung noch in Kinderfüßen stand und schließlich bis heute nicht abgeschlossen ist. 1330 Oder in Suizidfällen der Selbsttötungswille „ernstlich“ war oder nicht. Allerdings sind Suizidwille und eigenverantwortliche Selbstgefährdung strikt voneinander zu trennen und bedingen sich nicht gegenseitig; zum einen beinhaltet das ernstliche Tötungsverlangen ein über den Selbstgefährdungsakt hinausgehendes voluntatives Element. Zum anderen dürfte sich auch bei Spontanentschlüssen aus tiefer Trauer, Wut, Zorn und Depression, die Frage stellen, ob die – bis dato kaum näher konturierten – normativen Kriterien, nach denen sich die Einwilligungsfähigkeit bei einem „ernstlichen“ Suizidwillen bemessen soll, 1:1 auf die eigenverantwortliche Selbstgefährdung übertragen werden können, vgl. Og˘lakcıog˘lu NStZ-RR 2012, 246 ff.
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hand objektiver Kriterien im Einzelfall ermitteln, welches Gefährdungspotential für den Konsumenten bestand und ob dieser dieses Risiko überblickt hat.1331 Ist dies nicht der Fall, fällt die Verantwortung ohnehin wieder auf den Gefahrinitiator zurück; ob er sich dann wegen einer Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstat strafbar macht, ist Tatfrage. Damit wird deutlich, warum der BGH bereits den Rechtsverstoß „ingerenzbegründend“ ansehen will. Denn genau dieser Prozess – die „Verschiebung“ der Verantwortlichkeit – ist rechtlich komplex und ihr praktischer Nachweis umso schwieriger. Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung nimmt innerhalb der objektiven Zurechnungsprinzipien eine Sonderstellung ein, da sie ihrerseits von der Konstitution, aber auch von den subjektiven Vorstellungen des sich Selbstgefährdenden abhängig ist. Die wenigsten Drogenkonsumenten wollen sich den „goldenen Schuss“ setzen, sondern einfach nur einen Rausch erleben. Dies bedeutet aber wiederum, dass es für einen Tatbestandsausschluss nicht ausreichen kann, dass sich der Konsument einem „Risiko“ aussetzt, sondern er muss sich über Art und Ausmaß des Risikos bewusst sein. Regelmäßig werden Bedenken des Konsumenten durch Informationen und Besprechungen über den Reinheitsgrad der Droge ausgeräumt, sodass sich der Konsument auch konkrete Vorstellungen über das Gefahrpotential macht und somit häufiger auch Irrtümern unterliegen kann.1332 Schließlich sieht man den Substanzen ihr Gefährlichkeitspotential nicht 1331 Diese Abgrenzung gestaltet sich wesentlich komplizierter, wenn die Eigenverantwortlichkeit nicht an einem einzigen Konsumakt auszumachen ist, wie beim Drogenmissbrauch, sondern einen dynamischen Prozess durchläuft, wie beim Alkoholkonsum, dessen Wirkungen nach und nach eintreten, soz. während dem Verlust der Eigenverantwortlichkeit erneute Selbstschädigungs- (bzw. eben dann Fremdschädigungs-)akte vorgenommen werden. In diesen Fällen erscheint es jedenfalls besser vertretbar, auf den Gesamtkonsumakt als solches abzustellen und die Verantwortlichkeit auf den Gefahrinitiator zu übertragen, sobald er sich dessen bewusst wird, dass das Opfer zwar anfangs noch, nun jedenfalls nicht mehr eigenverantwortlich agiert. Darüber hinaus bleiben weitere Aspekte wie die Stellung als Gastwirt (die bereits für sich eine Überwachergarantenstellung legitimierbar macht, vgl. hierzu BGH NJW 1975, 1175) oder das Ausnutzen eines Irrtums zu berücksichtigen (etwa beim Wettrinken, vgl. das unveröffentlichte Urteil des LG Berlin, das in der Öffentlichkeit als Tequila-Prozess bekannt geworden ist. Das Urteil ist nach der Verwerfung der Revision durch den BGH als unbegründet (Beschl. v. 24.03.2010 – 5 StR 29/10) rechtskräftig, siehe hierzu Lange/Wanger NStZ 2011, 67). 1332 Insofern bleibt beispielsweise auch ein Irrtum über die objektive Zurechnung denkbar, wenn sich der Täter – genauso wie das Opfer – über das Gefahrpotential irrt, eine Konstellation über die der BGH zuletzt gleich zweimal zu entscheiden hatte. Während der Irrtum über Art und Qualität der Droge im Rahmen der betäubungsmittelstrafrechtlichen Vorschriften als unbeachtlicher „error in objecto“ zu bewerten ist (und allenfalls bezüglich der nicht geringen Menge gem. § 29a I Nr. 2 BtMG zu einem Vorsatzausschluss führen kann), kann dies für die eigenverantwortliche Selbstgefährdung bedeuten, dass das Opfer einem Irrtum unterliegt und somit nicht mehr eigenverantwortlich handelt. Der BGH lässt somit nicht gelten, dass Irrtümer rund um die Konsistenz und Reinheit des Stoffes gerade vom typischen Risiko umfasst seien, dem sich das Opfer freiverantwortlich aussetze. Vielmehr sei nach Art und Tragweite des Irrtums zu
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an.1333 Der Konsument hat sich auf die Angaben des Gefahrinitiators1334 und auf seine – wenn überhaupt vorhandenen – eigenen Erfahrungen zu verlassen.1335 Fehlt es dagegen nicht am „kognitiven“ Element1336 rund um die Beschaffenheit des Risikos, scheitert eine Eigenverantwortlichkeit nicht selten an der Einwilligungsfähigkeit des Konsumenten. Bei solch einer Ausgangssituation lässt sich nur selten eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung bejahen, soweit es um den vorherigen Konsum von Betäubungsmitteln geht.1337 Kommt es aber zu dem seltenen Fall, in dem sich das Opfer mit stärkeren Wirkstoffgehalten abfindet bzw. sich hierüber überhaupt keine Gedanken macht, darf die gesetzgeberische Wertentscheidung, ein gewisses Maß an Risiko zuzulassen, nicht durch eine Unterlassungshaftung bzw. durch die Annahme einer Ingerenzgarantenstellung unterlaufen werden. Dass sich das Opfer nur gefährden und nicht selbst töten wolle, kann nur einer Einschränkung des Beschützergaranten entgegenstehen. Im Ergebnis ist Roxin absolut zuzustimmen, sodass sich der Fokus der Ermittlungen stets darauf zu richten hat, ob das Opfer zum Zeitpunkt der die Rettungspflicht auslösenden Handlung eigenverantwortlich agierte.1338 Man darf sich dem differenzieren. Betraf die Fehlvorstellung verschiedene Drogenarten, deren Gefährlichkeit maßgeblich voneinander abweichen, handelt es sich um einen rechtserheblichen Irrtum, welcher dem Gefahrinitiator als Verantwortlichen für das Geschehen zugerechnet werden kann. Solch einen generell höheren Gefährlichkeitsgrad nimmt der BGH im Verhältnis Heroin zu Kokain an und orientiert sich hierbei an den Grenzwerten für die nicht geringe Menge (1,5 g Heroinhydrochlorid im Vergleich zu 5 g Kokainbase), BGHSt 53, 288 („Kokain-Verwechslung“). In einem Beschluss des BGH vom 11.01. 2011 hatte eine Fehlfunktion der Waage die Überdosierung verursacht, von der die Beteiligten am Konsum nichts wussten (Arzt, der seinen Patienten für eine PsycholyseTherapie MDMA überließ), NStZ 2011, 341 („Psycholysetherapie“); zust. Lange/Wagner NStZ 2011, 67. 1333 Es macht eben einen Unterschied, ob auf dem Tisch vier Gläser gefüllt mit klaren, aber letztlich vollkommen unterschiedlichen Substanzen stehen, oder ein Zahnstocher, eine Nagelfeile, ein Dolch und ein Schwert, vgl. Og˘lakcıog˘lu NStZ-RR 2012, 246 ff. 1334 Dem „Dealer seines Vertrauens“ bzw. seinem verschreibenden Arzt, vgl. Og ˘ lakcıog˘lu NStZ-RR 2012, 246 ff. 1335 Man könnte bei solch einer Ausgestaltung des BtMG bzgl. des Umgangs mit Stoffen auch sagen, dass die Rechtsordnung dem Einzelnen die Gefährlichkeitsprognose abgenommen hat. 1336 Dies betrifft wohl nur Fälle der vollen Kenntnis vom Risiko oder unbeachtlichen Motivirrtümern, welche die „Wirksamkeit“ des Zurechnungsausschlusses unberührt lassen, etwa kleinere Abweichungen über den Wirkstoffgehalt oder Fehlvorstellungen bzgl. der Herstellung und Herkunft der Droge. 1337 Festhalten ließe sich: Im Betäubungsmittelrecht scheidet bzgl. der § 29 ff. BtMG ein Zurechnungsausschluss rechtlich, bzgl. der §§ 212, 222, 229 ff. StGB dagegen „faktisch“ aus. 1338 In diese Richtung auch SSW/Momsen Vor § 211 Rn. 22; MK-StGB/Schneider Vor § 211 StGB Rn. 66; Sch/Sch/Eser Vor § 211 Rn. 40; insofern ist es erfreulich, dass der BGH im „Trierer-GBL-Fall“ die fehlende Eigenverantwortlichkeit der Suizidentin
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
375
u. U. schwierigen Nachweis der „Eigenverantwortlichkeit“ nicht mit einem schlichten Rückgriff auf das Unterlassen in Kombination mit dem Verweis auf die Verwirklichung einer Betäubungsmittelstraftat umgehen.1339 M.a.W.: Das Unterlassen darf nicht in eine Beweiserleichterung hinsichtlich der Eigenverantwortlichkeitskriterien umfunktioniert werden. Steht dagegen die Unfreiwilligkeit des Tatopfersentschlusses fest, und scheitert die Strafbarkeit der Ersthandlung an anderen Voraussetzungen,1340 bleibt eine Anknüpfung an das pflichtwidrige Vorverhalten möglich.1341 Die hier vertretene Ansicht läuft somit (zumindest faktisch) auf eine Ingerenzhaftung hinaus, die stets die Verwirklichung eines objektiven Deliktstatbestands – nicht notwendig vorsätzlich, rechtswidrig1342 und/oder schuldhaft – mit gleicher Schutzrichtung voraussetzt.1343
betont. Weniger erfreulich ist es, dass er dies in concreto aus dem fehlenden Suizidwillen ableitet; vgl. Og˘lakcıog˘lu NStZ-RR 2012, 246 ff.; wie hier Murmann, NStZ 2012, 387 ff. 1339 Gleiches gilt für die Fälle des Suizids, in denen festgestellt werden müsste, ob der Selbsttötungsentschluss frei war oder nicht. 1340 Etwa am Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsnachweis. 1341 Man mag sich nochmals an die mehrmals aufgegriffene und teils bereits kritisierte Gemeindepfarrer-Entscheidung des BGH erinnern, BGHSt 46, 279 (vgl. 3. Teil A. I. 3. e) cc), S. 144 ff.), wobei sich in der zugetragenen Konstellation eine Ingerenzgarantenstellung des Pfarrers aus der Einfuhr des Suizidmittels ergeben würde (schließlich differenziert der BGH nicht einmal zwischen Erwerbs-, Einfuhr- und Abgabedelikten). Da der BGH im folgenden Fall den exorbitanten Strafrahmen des § 30 I Nr. 3 BtMG schon durch eine mehr oder weniger elegante „Umdeutung“ des Leichtfertigkeitsbegriffs erreichte, musste er nun im zweiten Schritt die (aufgrund der grundsätzlich bejahten Ingerenzgarantenstellung) in Betracht kommende Unterlassungshaftung verneinen, was er mit der theoretisch ebenso bedenklichen Überlegung schaffte, eine physisch reale Rettungsmöglichkeit sei zu verneinen, so heißt es in der entscheidenden Passage: „[. . .] Insbesondere folgt im Ergebnis keine strafrechtliche Haftung des Angeklagten aus Tötungsdelikten durch Unterlassen daraus, dass er als Lieferant des tödlichen Betäubungsmittels unter dem Gesichtspunkt seines vorausgegangenen rechtswidrigen gefährdenden Tuns grundsätzlich Lebensgarant sein konnte [. . .] Eine Verantwortlichkeit des Angeklagten unter diesem Gesichtspunkt würde jedenfalls voraussetzen, daß in dem Zeitpunkt, als Frau Dr. T. durch den Eintritt ihrer Bewußtlosigkeit die Kontrolle über das Geschehen verlor, noch eine Möglichkeit zur Rettung ihres Lebens bestand [. . .] Hierzu hat das Landgericht festgestellt, daß in dem Zeitpunkt, als Frau Dr. T. bewußtlos wurde, etwaige Rettungsversuche wegen der bereits eingetretenen gravierenden Wirkung des Mittels gescheitert wären. Davon ging nach den Feststellungen auch der Angeklagte aus, so daß selbst ein versuchtes (Unterlassungs-)Tötungsdelikt ausscheidet.“ Zu dieser „Notlösung“ ebenso krit. Sternberg-Lieben JZ 2002, 153 (156). 1342 Im zweiten Schritt kann man darüber diskutieren, ob bei vorsätzlichem Vorverhalten (vgl. BGH NStZ-RR 1969, 131; BGH NStZ 2003, 312 f.) oder gerechtfertigtem Vorverhalten nicht eine zusätzliche Einschränkung erforderlich ist, vgl. Herzberg JZ 1986, 986 ff. 1343 Dies entspricht ja aber auch dem „typischen Grundfall“ der Ingerenzhaftung (auf den sie beschränkt bleiben sollte!), man denke an das fahrlässige Anfahren eines Radfahrers (§ 229 StGB i.V. m. StVO), den man vorsätzlich liegen und sterben lässt (§§ 212, 211, 13 StGB), vgl. Kühl AT § 18 Rn. 92 m.w. N.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
b) Schlichte Tätigkeitsdelikte durch Unterlassen Fälle des schlichten Tätigkeitsdelikts durch Unterlassen sind selten. Während dies zum Anbau und zu Herstellung bereits herausgearbeitet1344 und auch am Beispiel des Erschleichens von Verschreibungen demonstriert wurde, dürfte Ähnliches auch für das Handeltreiben gelten. Dessen „dauerdeliktsähnlicher“ Charakter macht einen Rückgriff auf das Unterlassen entbehrlich, da ohnehin „jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit“ erfasst ist. Hierbei konnte die h. M. der Versuchung nicht widerstehen, basierend auf dieser weiten Auslegung des Handeltreibens zwischenzeitliches, umsatzorientiertes „Nichtstun“ als Teilakt einzubeziehen.1345 Ob allerdings auch beim Handeltreiben allein an ein Nichtstun geknüpft werden kann, erscheint fraglich: Mag der Wortlaut „Besitz“ noch eine Deutung als echtes Unterlassungsdelikt zulassen, so gilt das jedenfalls nicht mehr für die aktive Wendung Handel „treiben“. Zu einem anderen Ergebnis darf nicht dadurch gelangen, dass man das Handeltreiben mittelbar weit auslegt und somit jedes Verhalten (unabhängig von Tun oder Unterlassen) einbezieht.1346 Im Übrigen gilt: Wenn wie teils behauptet, Unterlassungsdelikte im Betäubungsmittelstrafrecht in der Praxis nicht selten sind und auch der Anbau bzw. das Handeltreiben durch Unterlassen verwirklicht werden können,1347 ist dies ungenau und wurde bereits widerlegt. Bleibt ein Dealer untätig und rechnet man ihm Handlungen seiner Mittäter bzw. Gehilfen zu, ist er Mittäter an einem aktiv begangenen Handeltreiben, wobei der gemeinsame Tatplan zur Zurechnung führt; fehlt dieser, kommt eine Gehilfenstellung in Betracht.1348 Dies hat nichts mit einem Handeltreiben durch Unterlassen zu tun,1349 sondern stellt eine Beteiligung durch Unterlassen an einem aktiv begangenen Handeltreiben dar.1350 c) Die Beihilfe durch Unterlassen als eigenständige Fallgruppe – Das Dulden und Billigen von Betäubungsmitteldelikten als strafwürdiges Unrecht? Damit ist man beim letzten Punkt der unechten Unterlassungshaftung angekommen. Es wurde hier bereits mehrmals dargelegt, dass ein Unterlassen aufgrund der Tatbestandsstrukturen der §§ 29 ff. BtMG auf schlichte Gehilfentätigkeiten „zusteuert“, soweit bereits aktiv agierende Täter im Sachverhalt festgestellt sind. Wenn jeder erdenkliche Umgang durch die §§ 29 ff. BtMG erfasst ist, 1344
3. Teil B. II. 1. b) bb) (3), S. 351 ff. Dazu noch 3. Teil C. IV. 2. a) bb), S. 442 ff. 1346 Vgl. hierzu noch ausführlicher 3. Teil C. IV. 2. a) bb) (5), S. 450. 1347 So Weber § 29 Rn. 333; Ebert, Handeltreiben, S. 99 ff. 1348 Zur wechselseitigen Zurechnung und zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben noch ausführlich 3. Teil D. III. 2., S. 577 ff. 1349 Jedenfalls nicht unter Zugrundelegung der typischen Terminologie. 1350 Vgl. Weber, der gerade auf diese Beispiele verweist (Vor § 29 ff. Rn. 333 auf § 29 Rn. 79 und 523). 1345
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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ist dem Gesetz – der modernen Lehre von Täterschaft und Teilnahme zuwider – ein extensives Täterverständnis zugrundegelegt. Dann liegt es nahe, zumindest bei bloßem Untätigwerden per se eine untergeordnete Stellung und somit eine Gehilfenstellung anzunehmen, wobei sich die einzelnen Modalitäten einer unmittelbaren Unterlassungstäterschaft ohnehin verschließen. Dies gilt umso mehr, wenn man die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme von subjektiven Kriterien abhängig macht.1351 Dabei verengt sich der Bereich potentieller Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen seinerseits faktisch auf Sachverhalte, in denen der Täter davon „profitiert“, dass ausgerechnet der Gehilfe die Begehung der Betäubungsmitteldelikte duldet bzw. nicht dagegen einschreitet. Das bloße Dulden einer Straftat reicht aber für sich im Regelfall nicht aus, um eine Beihilfestrafbarkeit zu begründen.1352 aa) „Mit dir fühle ich mich sicherer“ – Gemeinsame Einfuhrfahrten Diesen Weg hatte der BGH im Kernstrafrecht früh eingeschlagen.1353 Die Rechtsprechung lässt sich hier von der extensiven Ausgestaltung des Betäubungsmittelrechts nicht beirren und überträgt ihre nunmehr zurückhaltende Auffassung – was die Duldung und Billigung von Straftaten als potentielle Beihilfe anbelangt – auch auf das Betäubungsmittelstrafrecht. Schon in einer Entscheidung aus dem Jahre 1982 zweifelte der BGH die psychische Beihilfe in einem Fall an, in dem die Freundin eines Betäubungsmitteldelinquenten erst auf der Rückfahrt im PKW erfuhr, dass Drogen in die Bundesrepublik eingeschmuggelt werden sollten.1354 Konkreter sind die Ausführungen in einer neueren Entscheidung, in dem der Angeklagte auf Anfrage eines Freundes diesen bei einer Fahrt von Utrecht nach Düsseldorf begleitete. Den Zweck der Fahrt, versteckte 827 Gramm Kokain mit dem Fahrzeug zu transportieren sowie den Grund seiner Bitte, sein Sicherheitsgefühl durch die Gesellschaft des ihm seit der Kindheit bekannten Angeklagten zu steigern, hatte der Mitangeklagte dem Angeklagten vor Fahrtantritt dagegen nicht mitgeteilt. Er hatte ihm vielmehr in Aussicht gestellt, 1351
Hierzu noch ausführlicher 3. Teil D. III. 1., S. 573 ff. BGHR § 27 I Hilfeleisten Rn. 13, 14, 18; BGH NStZ 1995, 490; BGH NJW 1998, 1568 (1574); NStZ 1996, 564; zust. Fischer § 27 Rn. 13; MK-StGB/Joecks § 27 StGB Rn. 9 ff.; SSW/Murmann § 27 Rn. 5; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2005, 336; NStZ-RR 2007, 37. 1353 Anders noch BGH StV 1982, 517; krit. Roxin FS-Miyazawa, 1995, S. 507. Die Möglichkeit, „Hilfe durch Unterlassen“ leisten zu können, ist schon prinzipiell nicht unbestritten, vgl. monographisch Sering, Beihilfe durch Unterlassen, 2000; Kühl AT § 20 Rn. 226 f. m.w. N.; dies überrascht nicht, da die Beihilfe durch Unterlassen wegen ihrer bloß „quasi-kausalen“, allenfalls psychisch vermittelten Kausalität a priori regelmäßig nur einen Fall der psychischen Beihilfe darstellen wird, deren Existenz bereits bei „aktiver Begehung“ umstritten ist, vgl. hierzu Geppert Jura 2007, 591; krit. zur psychischen Beihilfe Hruschka JR 1983, 177 ff.; zusammenfassend v. Heintschel-Heinegg/ Kudlich § 27 Rn. 9.4.; ders., Berufsbedingtes Verhalten, S. 369 ff. 1354 BGH StV 1982, 561. 1352
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
in Düsseldorf gemeinsam auf seine Kosten auszugehen sowie eventuell „leichte Mädchen“ zu besuchen. Erst während der Fahrt auf der Autobahn, etwa 30 Fahrminuten von der Grenze zu Deutschland entfernt, informierte der Mitangeklagte den als Beifahrer neben ihm sitzenden Angeklagten darüber, dass sich im Fahrzeug Kokain befinde, welches er in Düsseldorf übergeben werde. Da sich der Angeklagte vollkommen passiv verhielt und keine sonstigen Handlungen vornahm, die zumindest als konkludente Billigung verstanden werden konnten, kam allenfalls eine Beihilfe durch Unterlassen in Betracht.1355 Mangels Garantenstellung des Angeklagten1356 schied eine Strafbarkeit i. E. aus.1357 Dabei stellt der oben geschilderte Fall schon eine Ausnahme dar, wenn bei Einfuhrsachverhalten das Dabeisein eines Mitfahrers den Tatentschluss aufrechterhalten können soll, mithin man einen objektiven und zugleich nachweisbaren Tatförderungsbeitrag für denkbar erachtet. Im Normalfall fühlt sich ein Betäubungsmitteldelinquent, der seine Geschäfte abwickelt, durch das Dulden dieser Straftaten von einem Freund (als potentieller Gehilfe durch Unterlassen) nicht in seinem Tatentschluss bestärkt und zwar unabhängig davon, ob er den Tatentschluss in Anwesenheit des Freundes gefasst hat oder ob er es ihm im Nachhinein erzählt und der Freund keine Bedenken hierzu äußert.1358 Umgekehrt ist in allen Fällen, in denen der Gehilfe aktiv Ratschläge erteilt hat oder sich sogar kurzzeitig an den Geschäften oder Realakten (Anbau, Herstellung etc.) beteiligt hat, kein Rückgriff auf eine Beihilfestrafbarkeit durch Unterlassen notwendig, da dann bereits eine aktive Beihilfe vorliegt. bb) Die Garantenstellung des Wohnungsinhabers Kommt man also auf den genannten Bereich (Abhängigkeit des Täters vom Gehilfen) zurück, ist damit die zentrale Fallgruppe strafbaren Unterlassens im Betäubungsmittelstrafrecht angesprochen.1359 Denn eine Situation, in der ein Haupttäter vom Dulden des Beteiligten „profitiert“,1360 ist gegeben, wenn die Möglichkeit der deliktischen Handlungen des Täter aus irgendwelchen Gründen vom „Dulden“ des Teilnehmers abhängig sind. 1355
Nichtaufforderung anzuhalten nach Kenntnisnahme vom wahren Zweck der
Fahrt. 1356 Weder aus Ingerenz noch aus sonstigen Überwachungspflichten, noch als Halter des Wagens, siehe hierzu noch weiter unten 3. Teil B. II. 2. c) bb), S. 379. 1357 BGH NStZ 2010, 224. 1358 In diesem Falle wäre eine Gehilfenstellung schon im Hinblick auf den Umstand, dass der Vordermann „omnimodo facturus“ ist, nicht unproblematisch, hierzu noch ausführlicher, 3. Teil D. II. 2. b) bb), S. 551 ff. 1359 „Zentral“ hier im Sinne einer Fallgruppe, in der die Begehungsweise des Unterlassens verhältnismäßig viel Aufmerksamkeit erfährt. 1360 Ohne dass dieser notwendig vorher an den Geschäften des Täters beteiligt hätte sein müssen.
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Solch ein Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen Wohnungsinhaber/Bewohner, da Betäubungsmittelgeschäfte hinter verschlossenen Türen abgewickelt werden müssen, sei es die Herstellung des Rauschgifts, ihre Portionierung oder ihr Verkauf. Der umfassende Grundrechtsschutz des Art. 13 GG, die Unverletzlichkeit der Wohnung vor staatlichen Übergriffen, bildet den Ansatzpunkt für die Überlegung, wonach die Wohnung als „Gefahrenherd“ und „Spielplatz von Kriminellen“ missbraucht werden könnte, um unter dem Deckmantel des Art. 13 GG konspirativ seinen kriminellen Machenschaften nachgehen zu können. Strukturell bezieht sich die Garantenstellung auf eine (unbewegliche) Sache als Gefahrenherd, ihre Besonderheit liegt allerdings darin, dass sie sich nicht auf unmittelbar aus der Sache selbst rührende Gefahren bezieht,1361 sondern auf den Umstand, dass sie ggf. die Begehung von Straftaten durch Dritte ermöglicht bzw. erleichtert. Das mag der Grund dafür sein, dass man die Garantenpflicht des Wohnungsinhabers im Bereich der Einheitstäterschaft (§§ 2221362, 229 StGB, wobei auch die „faktische“ Einheitstäterschaft im BtMG dazu gezählt werden könnte), oder i. R. e. potentiellen Gehilfenbeteiligung an den begangenen Taten diskutiert. Es muss sich nicht stets um Räumlichkeiten handeln, die unter den Schutzbereich des Art. 13 GG fallen; insofern besteht die gleiche Situation, wenn der Beteiligte dem Drogenhersteller einen Wohnwagen zur Verfügung gestellt hat, in dem er „irgendwo in den Bergen“ synthetische Drogen (z. B. „Crystal Meth“) kochen kann.1363 Der BGH hat in einer (im Ergebnis weitgehend Zustimmung erfahrenden) Grundsatzentscheidung festgelegt, der Wohnungsinhaber habe „nicht ohne Weiteres rechtlich dafür einzustehen, dass in seinen Räumen durch Dritte keine Straftaten begangen werden“.1364 Der bloße Aspekt, dass die Wohnung vor staatlichen Übergriffen geschützt ist, reicht somit nicht aus, um diese als besonderen Gefahrenherd zu betrachten, der die Begehung von Straftaten erleichtere. Nur dann, „wenn die Wohnung wegen ihrer besonderen Beschaffenheit oder Lage eine Gefahrenquelle darstellt“, könne eine Garantenstellung bejaht werden.1365 Mit dieser Formel macht der BGH die Garantenstellung „deliktsspezifisch“,1366 m. a. W. muss die Beschaffenheit der Wohnung gerade die Begehung des in Frage stehen1361
Etwa auf die Absicherung schadhafter Stellen, wie etwa einem lockeren Dach-
ziegel. 1362 Vgl. hierzu auch die im Zusammenhang mit der Ingerenz dargestellte Entscheidung des OLG Stuttgart NJW 1981, 182. 1363 Hier ließ sich der Verfasser von der US-amerikanischen Serie „Breaking Bad“ inspirieren: Sie handelt von einem intelligenten, aber unscheinbaren Highschool-Chemielehrer, der seine schwangere Frau und seinen Sohn nur mit Mühe versorgen kann. Als bei ihm Lungenkrebs im Endstadium festgestellt wird, entscheidet er sich, das Rauschmittel Methamphetamin herzustellen, um von den Verkaufserlösen seine Familie nach seinem Tod finanziell abzusichern. 1364 BGHSt 30, 391. 1365 BGHSt 30, 391 (395); BGH NStZ 2010, 221; BGH StV 2007, 81. 1366 SSW/Kudlich § 13 Rn. 29.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
den Delikts vereinfachen. Das war auch der einzige Punkt, den die Literatur als „Kritikpunkt“ aufgriff, da man sich kaum etwas unter dem Kriterium der „verbrechensfördernden Eigenschaft“ vorstellen könne.1367 Wenn derartige Vorkehrungen getroffen sind,1368 indiziert dieses aktive Verhalten regelmäßig auch eine „aktive Übergabe“ zu diesem Zweck, sodass ein Rückgriff auf das Unterlassen nicht mehr notwendig ist.1369 Im Übrigen hat die „restriktive“ Linie der Entscheidung nicht nur in der Literatur Zustimmung erfahren,1370 sondern wurde auch durch die Obergerichte verhältnismäßig oft „repetiert“ und auf andere Deliktsbereiche übertragen. Daher war es nur eine Frage der Zeit, dass die Rechtsprechung des BGH auf die Delikte des Betäubungsmittelstrafrechts Anwendung finden sollte. So haben seit der grundlegenden Entscheidung des Dritten Senats gleich mehrere Obergerichte und auch der BGH den oben genannten Leitsatz auf die §§ 29 ff. BtMG übertragen: „Vorreiter“ dieses Transfers war das OLG Zweibrücken: Es hob die Verurteilung eines Angeklagten auf, bei dem lediglich festgestellt werden konnte, dass er die Züchtung bzw. Pflanzung von Cannabispflanzen geduldet hat, obwohl er dies als Mitverantwortlicher für den gemeinsamen Garten hätte verhindern können. Denn die Stellung als Eigentümer bzw. Vermieter1371 reiche nicht aus, um eine Garantenstellung und somit ein Anbau durch Unterlassen gem. § 13 StGB annehmen zu können.1372 Im Laufe der Zeit bestätigten BGH und Obergerichte diese Übertragung auf das Betäubungsmittelstrafrecht: 1373 Dass ein Angeklagter von den Rauschgiftgeschäften seines Mitbewohner oder Mieters Kenntnis hat und dies billige, erfülle für sich noch nicht die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe, und 1367
Rengier AT I § 50 Rn. 54. „Umfunktionierung eines Kellers in einen schalldichten Kerker“, vgl. LK/Weigend § 13 Rn. 52. 1369 Es sei denn die spezifischen Vorkehrungen werden erst im Nachhinein durch den Nutzer selbst getroffen; dann kann die nachträgliche Kenntnis eine Unterlassungshaftung notwendig machen. 1370 Sch/Sch/Stree/Bosch § 13 Rn. 47; v. Heintschel-Heinegg/Heuchemer § 13 Rn. 65; Tenckhoff JuS 1978, 308 (310 f.); Fischer § 13 Rn. 35; Küpper JA 1983, 471; Wessels/ Beulke Rn. 720; Kühl AT § 18 Rn. 112 ff.; ergänzend Roxin AT II § 32 Rn. 115 ff. monographisch Landscheidt, Problematik der Garantenpflichten, S. 120 ff.; vgl. auch Landau, Strafrechtliche Verantwortlichkeit aus Eigentum und Besitz bei den unechten Unterlassungsdelikten, 1976. 1371 Zur Garantenstellung des Vermieters siehe auch BGH wistra 1993, 59; Rechtsprechungsübersicht bei Reus/Vogel MDR 1990, 869. 1372 OLG Zweibrücken, Beschluss vom 03.07.1985 – Aktenzeichen 1 Ss 123/85; das OLG Zweibrücken bestätigt diese Rechtsauffassung in weiteren Entscheidungen, vgl. nur OLG Zweibrücken StV 1999, 212; NStZ-RR 2000, 119: „Den Inhaber eines Grundstücks trifft keine Garantenpflicht, eine Straftat (hier: Anbau von Cannabispflanzen) eines Dritten oder Mitbewohners auf dem Anwesen zu verhindern, wenn die Beschaffenheit des Grundstücks und seine Lage keinen besonderen Bezug zur Straftat haben.“ 1373 Vgl. nur BGH NStZ 1999, 451, BGH StV 2007, 81; BGH StV 2003, 280; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 27; StV 2007, 306; OLG Celle StV 2000, 624. 1368
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zwar auch dann nicht, soweit sie sich in der Zeit, in der die Verkäufe aus ihrer Wohnung heraus erfolgten, darauf beschränkte, dies zu dulden.1374 Zum gleichen Ergebnis gelangt der BGH in einem Fall, in dem der Angeklagte (laut Einlassung, allerdings in Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen) die Wohnung aufsuchte, um dem Mieter wegen seiner unregelmäßigen Mietzahlungen zu kündigen.1375 Als er mittels eines bei ihm verbliebenen Wohnungsschlüssels die Räumlichkeiten betrat und dabei erstmals eine „Crack-Küche“ samt erheblicher Mengen an Rauschgift entdeckte, unternahm er nichts, weil er sich wohl erhoffte, durch die illegalen Geschäfte werde sein Mieter alsbald wieder zahlungsfähig. Den Anknüpfungspunkt für eine Beihilfe des Angeklagten zum unerlaubten Handeltreiben (durch Unterlassen?) sah das Landgericht darin, dass der Vermieter nach Entdeckung der Crack-Küche weder die Wohnung kündigte „noch andere Vorkehrungen faktischer Art traf, um sich von seinem ,fortdauernden Besitz und der fortbestehenden Unterstützungshandlung‘ zu distanzieren“. Da der Vermieter aber für solch eine „Kündigungspflicht“ Garant für die Verhinderung der Betäubungsmittelherstellung sein müsse und dies nicht der Fall sei, müsse das Urteil aufgehoben werden (wobei man schon über die Auffassung des Landgerichts diskutieren könnte, ob eine Kündigung als hypothetische „Rettungshandlung“ ausreicht).1376 Sowohl der BGH als auch die übrigen Obergerichte betonen in allen zitierten Entscheidungen, dass stets zu überprüfen bleibt, ob ein Rückgriff auf das Unterlassen überhaupt notwendig ist oder ob die Urteilsfeststellungen bereits eine Verurteilung durch aktives Tun tragen.1377 Insofern schließt die Verneinung einer Unterlassungshaftung nicht aus, dass ein Angeklagter den Betäubungsmitteldelinquenten auch aktiv unterstützt haben kann, indem er in der Erwartung, von den Gewinnen den gemeinsamen Lebensunterhalt zu bestreiten, die Wohnung zur Verfügung stellt bzw. sogar bei der Abwicklung einzelner Rauschgiftgeschäfte mithilft. Dies bedarf dann allerdings stets näherer Begründung und genauer Fest1374
BGH NStZ 1999, 451; zust. Körner/Patzak § 29 Teil 2 Rn. 28 ff. BGH StV 2007, 81. 1376 Zu einem vergleichbaren „Mietzins“-Fall vgl. BGH StV 2010, 128: „Allein die Kenntnis und Duldung der Lagerung der Betäubungsmittel in der Wohnung erfüllt die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe nicht. Zum Einschreiten gegen den Betäubungsmittelhandel war er als Wohnungsinhaber grundsätzlich rechtlich nicht verpflichtet.“ 1377 So bereits in BGH NStZ 1994, 92, in der nach den Urteilsfeststellungen bereits ein aktives Tun bejaht werden konnte: „Die Angeklagte, die vom Vorhandensein des Kokains in ihrer Wohnung Kenntnis hatte, war zudem bei der Portionierung anwesend. Sie, die sich bereits vorher als Mittäterin an einer Tat des L. beteiligt hatte, hat ihre Wohnung zur Verfügung gestellt und ihn dadurch aktiv unterstützt. Dabei ist von besonderem Gewicht, daß sie auch einen materiellen Vorteil in Gestalt von Kokain zum Eigenverbrauch und einen Anteil am Gewinn haben sollte. Der Tatbeitrag der Angeklagten geht deshalb, anders als in der vom Generalbundesanwalt zitierten Entscheidung (BGHR StGB § 13 I Garantenstellung 10 = § 27 I Hilfeleisten 7), über ein reines Dulden von Aktivitäten eines Rauschgifthändlers in der der Angeklagten gehörenden Wohnung hinaus.“ 1375
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stellungen (auch zur subjektiven Tatseite).1378 Ebenso bleibt zu berücksichtigen, dass in den Fällen der gemeinsamen Nutzung der Wohnung eine Strafbarkeit im Hinblick auf die Nichtaufhebung der tatsächlichen Sachherrschaft in Betracht kommt, § 29 I Nr. 3 BtMG. Da § 29 I Nr. 3 BtMG ein echtes Unterlassungsdelikt darstellt, kommt es nicht mehr auf eine Garantenstellung an, allerdings stellt sich die Frage, ob die Eigentümer- bzw. Mitbewohnerstellung per se den Zustand „Besitz“ bedeutet, zu dessen Aufhebung der Täter verpflichtet wäre.1379 Mit diesen Erwägungen des BGH findet man sich bei der oben aufgestellten These wieder, wonach die praktische Bedeutung einer Garantenstellung des Wohnungsinhabers im Allgemeinen gering ist. Insofern fährt die Rechtsprechung in dem praktisch einzig relevanten Bereich des Unterlassens für das Betäubungsmittelstrafrecht eine in Relation zum „Kernstrafrecht“ einheitliche Linie. Schließlich lässt sich auch im Betäubungsmittelstrafrecht dem Begriff der „verbrechensfördernden Eigenschaft“ nicht viel abgewinnen. Denkbar ist die Installation besonderer Wärme- und Lichtanlagen, die für ein optimales Wachstum von Pflanzen sorgen soll oder die Umgestaltung eines Kellers in ein Labor (Ofen und Lüftung). Soweit derartige Vorkehrungen festgestellt sind, dürfte es aber nicht schwer fallen, in der Hauptverhandlung eine aktive Überlassung zu diesem Zweck festzustellen. Dies darf nicht missverstanden werden: Bloßes Einbringen von „Inventar“ (Messkolben, Töpfe, Stehleuchten, Wärmestrahler sowie Waagen) dürfte gerade nicht ausreichen, da diese in jede Räumlichkeit eingebracht werden können, mithin eine Umgestaltung ohne Weiteres möglich ist.1380 Nur bei aufwendigeren Ein- und Umbaumaßnahmen, dürfte die Annahme einer „deliktsspezifischen“ Gefahr tragbar sein.1381 Diese Überlegungen lassen sich auf das Auto als schlichtes Fortbewegungsmittel übertragen, d.h. es bestehen keine Garantenpflichten, so lange der Halter nicht von der Umfunktionierung des PKW zu einem perfekten Einfuhrvehikel weiß.1382 1378 Es kann nicht pauschal auf ein aktives Tun bzw. auf die „Floskel“, der Täter habe dem Mitangeklagten die Wohnung aktiv zur Verfügung gestellt zurückgegriffen werden, wenn die Personen schon vor Beginn des Betäubungsmittelhandels seit mehreren Jahren gemeinsam in der Wohnung gelebt haben, vgl. BGH NStZ 2010, 221. 1379 Die Frage, ob sich der Wohnungsinhaber oder Mitbewohner wegen Beteiligung am Anbau bzw. am Handeltreiben des Vordermannes strafbar macht (regelmäßig zu verneinen), bleibt jedenfalls strikt von sonstigen Begehungsweisen des Betäubungsmittelstrafrechts (Erwerb und Besitz) zu trennen. Vgl. hierzu BGH NStZ-RR 2003, 153. Die Streitfrage der Garantenstellung verlagert bei § 29 I Nr. 3 BtMG also auf den tatbestandlichen Zustand „Besitz“. 1380 Vgl. hierzu OLG Karlsruhe StV 1998, 80, in dem sich der Hauptanteil der Pflanzen in einem eigens für die Aufzucht hergerichteten Zimmer der Wohnung befand, dessen Tür mit einem Handtuch abgedichtet und das mit einer speziellen Beleuchtungsund Abluftablage versehen war. 1381 Wobei man hier die Beweglichkeit i. S. d. §§ 91 ff. BGB als Indiz heranziehen könnte. 1382 Beispielsweise durch extra neu installierte Versteckmöglichkeiten.
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Man darf aber nicht der Versuchung erliegen, derartigen Formeln (geradezu zwanghaft) „praktische Bedeutung für das Betäubungsmittelstrafrecht“ abgewinnen zu wollen. Ein anschauliches Beispiel liefert hier die Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 14.01.1999:1383 Nach den Urteilsfeststellungen war die Angeklagte alleinige Mieterin eines Anwesens, das ein stark verwildertes, teilweise mit Hecken bewachsenes Gartengelände hatte. Nachdem sie einen Freund in Lebensgemeinschaft bei sich aufgenommen hatte, wurde das Anwesen von beiden bewohnt, wobei der Freund sich hälftig an den Mietkosten beteiligte. Einige Zeit später baute der Freund 19 Cannabispflanzen in einem eigens gerodeten und mit Maschendraht versehenen Gartenteil an. Dies geschah „über den Kopf der Angeklagten“ hinweg, die damit nicht einverstanden war, den Anbau jedoch im Hinblick auf die bestehende Lebensgemeinschaft duldete. Schon die Vorinstanz hatte eingeräumt, dass die Angeklagten den Garten ihrem Freund nicht aktiv für den Anbau der Pflanzen zur Verfügung gestellt hatte. Der Strafrichter wollte aber unter Zuhilfenahme der Formel des BGH einen „verwilderten Garten“ als deliktstypischen Gefahrenherd bewerten. Dem hat das OLG zu Recht eine eindeutige Absage erteilt: „Dass der Garten umzäunt war und dichten Heckenbewuchs aufwies, ist für Gartengrundstücke keineswegs unüblich und war daher als Mittel für die Tatbegehung von keiner besonderen Bedeutung. Die Cannabispflanzung hätte ebenso gut an anderer verdeckter Stelle, etwa in einer Wohnung oder auf einer Terrasse, erfolgen können.“ 1384 d) Zwischenergebnis Dass das Unterlassungskonstrukt nicht auf die Tatbestände des BtMG passt, macht sich auch auf der Ebene der Garantenpflicht deutlich bemerkbar. Während der Beschützergarant schon a priori nicht auf ein Universalrechtsgüterschutzkonzept passt, gilt für den Überwachergaranten, dass der einzig hierzu passende und umkehrbare Normbefehl (Inverkehrbringen) zumindest praktisch1385 durch das Gebot des § 29 I Nr. 3 BtMG („Hebe bereits den Zustand auf, der dazu führen könnte!“) verdrängt wird, es sei denn man knüpft an Sorgfaltspflichten im legalen Betäubungsmittelverkehr. Damit verengt sich der Bereich praktisch relevanten Unterlassens auf die abstrahierbare (also nicht betäubungsmitteldeliktsspezifische) Frage, unter welchen Voraussetzungen man für Deliktsbegehungen durch Dritte strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. In diesem Bereich kann die Judikatur bewährte Konzepte und „allgemeine Restriktionsmodelle“, was beispielsweise die Verantwortung für nahe stehende Personen untereinander, den Kausalitätsnachweis bei bloß psychischer Beihilfe oder die Garantenstellung
1383 1384 1385
NStZ-RR 2000, 119. NStZ-RR 2000, 119 (120). Aber nicht rechtlich.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
des Wohnungsinhabers anbelangt, schnörkellos auf das Betäubungsmittelstrafrecht übertragen.1386 4. Sonstige Voraussetzungen der Unterlassungsstrafbarkeit (Entsprechungsklausel) Daher erscheint es auch nicht notwendig, auf die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des unechten Unterlassungsdelikts detailliert einzugehen. Nächster Schritt im objektiven Tatbestand wäre die Feststellung, dass „das Unterlassen einem Tun entspricht“. Über die „inhaltliche Substanz“ dieser Wendung in § 13 StGB diskutiert man ausgiebig, allerdings auch unergiebig.1387 Ihren hauptsächlichen Gehalt sieht die h.A. in einer „Erinnerungsfunktion“ für den Rechtsanwender, der überprüfen soll, ob der bloßen Passivität des Täters tatsächlich ein vergleichbarer Unrechtsgehalt entnommen werden kann.1388 Knüpft das Unrecht ausschließlich an eine aktive Handlung, könnte man per se auf die Idee kommen, dass das Unterlassen gerade nicht mit der unrechtsbegründenden Tätigkeit vergleichbar ist. Da der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bei Tätigkeitsdelikten stets in der Handlung als solcher liegt,1389 beschreiben diese Delikte immer, auf „welche bestimmte Weise“ 1390 der Tatbestand erfüllt werden muss. Sie sind – wie es wohl Roxin ausdrücken würde – immer „erfolgsneutral“.1391 Insofern könnte man den Streit um den Erfolgsbegriff und der Möglichkeit von Tätigkeitsdelikten durch Unterlassen auch auf die Entsprechungsklausel verlagern.1392 Dementsprechend ist es eine Frage der Konsequenz, welche Funktion man der Entsprechungsklausel zukommen lässt bzw. wie man das Merkmal auslegt:1393 Will man Tätigkeitsdelikte durch Unterlassen für möglich erachten, stellt man nicht auf die „Erfolgsneutralität“ der Handlungen, sondern eher auf entsprechende Verwirklichung „subjektiver Momente“ ab, die in objektiven Tatbestandsmerkmalen enthalten sind und erst in Kombination mit der aktiven Begehung das 1386
Und tut dies auch, wie die genannten Beispiele belegen. Vgl. LK/Weigend § 13 Rn. 77 („durchaus nicht klar“). 1388 So auch SSW/Kudlich § 13 Rn. 32. 1389 Und zwar unabhängig davon, ob man zwischen Tätigkeits- und Erfolgsdelikten als eigenständige Kategorien differenzieren will. 1390 Vgl. Wessels/Beulke Rn. 730; vgl. hierzu auch NK/Wohlers § 13 Rn. 19; Lackner/Kühl § 13 Rn. 16. 1391 Roxin AT II § 32 Rn. 242 zur Erläuterung der Entsprechungsklausel. 1392 Vgl. Fn. 1256 in Teil 3. 1393 Um Missverständnissen vorzubeugen: Hierbei darf nicht aus dem Blickfeld geraten, dass es verhaltensgebundene Erfolgsdelikte (etwa den Betrug gem. § 263 StGB) gibt, die ja durch solch ein Verständnis ebenfalls a priori ausgeklammert würden. Insofern kann der Entsprechungsklausel nicht die Funktion zukommen, eine Unterlassungshaftung immer dann auszuschließen, wenn der Tatbestand über den Erfolg hinaus eine Tätigkeit beschreibt. Daher wird bei verhaltensgebundenen Erfolgsdelikten tatsächlich im jeweiligen Einzelfall zu prüfen sein, ob das Unterlassen einem Tun entspricht, vgl. Kühl JuS 2007, 497 (498); Ingelfinger GA 1997, 573. 1387
B. Die Unterlassungsstrafbarkeit im Betäubungsmittelstrafrecht
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erhöhte Unrecht ausmachen.1394 Die wohl h. M. scheidet nur eigenhändige Delikte von vornherein aus.1395 Im Übrigen gelten im seltenen Fall der Bejahung des objektiven Tatbestands eines unechten Unterlassungsdelikts gem. § 29 I BtMG, 13 StGB die allgemeinen Regeln, d.h. der Täter muss mit dem entsprechenden Unterlassungsvorsatz handeln (dessen Bezugspunkte teils modifiziert, teils erweitert werden1396). Ebenso muss der Beteiligte neben dem Vorsatz bzgl. der Nichtvornahme der gebotenen Handlung auch dolus eventualis bzgl. der Tatbegehung durch den Dritten aufweisen. Die rechtfertigende Pflichtenkollision als besonderer Rechtfertigungsgrund1397 i. R. d. der Unterlassungsstrafbarkeit hat im Betäubungsmittelstrafrecht keine Relevanz. Häufig betrifft die „Pflichtenkollision“ das Zusammentreffen von Handlungspflicht und Unterlassungspflicht, so dass eher auf Tatbestandsrestriktionen oder auf § 34 StGB zurückgegriffen werden muss.1398 Die Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens wurde bereits i. R. d. Fahrlässigkeitshaftung als besonderer Schuldausschließungsgrund genannt.1399 Auch im Rahmen des Versuchs sowie der Lehre von Täterschaft und Teilnahme werden keine weiteren Überlegungen zum Unterlassungsdelikt anzustellen sein.1400
III. Echte Unterlassungsdelikte im Betäubungsmittelstrafrecht Der letzte Abschnitt unter der Überschrift „Echte Unterlassungsdelikte“ im Betäubungsmittelstrafrecht ist zumindest missverständlich, da nach hier vertrete1394 In diese Richtung wohl LK/Weigend § 13 Rn. 77. Solch einen subjektiven Einschlag hat beispielsweise die „Rohheit“ bei § 225 StGB, oder „Grausamkeit“ bzw. „Heimtücke“ bei § 211 StGB. 1395 SSW/Kudlich § 13 Rn. 33; SK/Rudolphi § 13 Rn. 10. 1396 Zum Unterlassungsvorsatz Sch/Sch/Cramer/Sternberg-Lieben § 13n Rn. 93; Grünwald, FS-H.Mayer, 1966, S. 281 ff. 1397 Allgemein hierzu LK/Weigend § 13 Rn. 75; Roxin AT II § 31 Rn. 204; SK/Rudolphi vor § 13 Rn. 29; SSW/Kudlich § 13 Rn. 38 f. 1398 Man denke an die Fälle der altruistischen Drogenwegnahme, zum Ganzen vgl. Wessels/Beulke Rn. 735; Mitsch, Rechtfertigung, S. 206; Küper, Pflichtenkollision, S. 19 (29, 34); ders. JuS 1987, 81 (88); Kühl AT § 18 Rn. 134 ff.; krit. Gropp, FS-Hirsch, 1999, S. 207 ff.; Rengier AT § 49 Rn. 39; Beulke, Küper-FS, 2007, S. 1 ff.; Roxin AT I § 16 Rn. 123. 1399 Ihre Bedeutung ist bereits im Allgemeinen gering, vgl. hierzu aus neuerer Zeit Schlee, Zumutbarkeit bei Fahrlässigkeits- und Unterlassungsdelikten, 2009, vgl. S. 341 („. . .nicht mehr aus ihrem ,Dornröschenschlaf‘ zu erwecken. . .“); vgl. auch Rengier AT § 49 Rn. 47. 1400 Zur strittigen Frage des unmittelbaren Ansetzens beim versuchten Unterlassen zusammenfassend Kudlich JA 2008, 601 ff.; vgl. MK-StGB/Freund § 13 StGB Rn. 245 ff.; Stein GA 2010, 129 (138). Zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme statt vieler Rengier AT § 51 m.w. N., der dieser Problematik ein eigenes Kapitel widmet.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
ner Ansicht § 29 I Nr. 3 BtMG auch nur als Mischtatbestand mit Elementen „echter Unterlassung“ bezeichnet werden kann. Gleiches gilt auch für die Modalität des Verschaffens oder Gewährens einer Erwerbs- oder Abgabegelegenheit, §§ 29 I Nr. 10, 11 BtMG. Darüber hinaus gibt es nicht viel zu echten Unterlassungsdelikten und ihrer „Wechselwirkung mit dem Allgemeinen Teil“ zu untersuchen, zumal die Gründe für die Einordnung des § 29 I Nr. 3 BtMG als (zumindest teilweise) echtes Unterlassungsdelikt1401 wie auch der Tatbestand des echten Unterlassungsdelikts als solches schon dargestellt wurden. Insofern gilt es nur nochmals zu überprüfen, ob die Rechtsprechung das hier postulierte Konstrukt des § 29 I Nr. 3 BtMG als echtes Unterlassungsdelikt stringent durchführt oder (zumindest unterschwellig) zugrundelegt. Jedenfalls missverständlich ist es, von einem „Besitz durch Unterlassen“ zu sprechen,1402 erst recht, wenn damit Konstellationen gemeint sind, in denen streng genommen gerade noch kein Besitz vorliegt. 1. Kein „Besitz durch (unechtes) Unterlassen“ Angesprochen sind damit die oben diskutierten Fälle des „Duldens“, in diesem Falle dann nicht des Anbaus oder Handeltreibens, sondern eben des Besitzes durch Dritte. Dann fehlt es aber – um nochmals die Terminologie des § 323c StGB aufzugreifen – schon am tatbestandsmäßigen Zustand, welcher das Gebot zum Leben erweckt (Besitz von Betäubungsmitteln als „Unglücksfall“ 1403). Im Normalfall fällt die tatsächliche Sachherrschaft mit dem subjektiven Willen zusammen. Hat der Täter aber lediglich Kenntnis vom Besitz eines Dritten, besteht schon objektiv keine Situation, die den Täter dazu verpflichtet, den Zustand aufzuheben. Daher ist es nur irreführend, wenn das OLG Karlsruhe auch im Zusammenhang mit dem Besitztatbestand festhält: „Beim Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln (entsprechendes gilt für den Anbau von Betäubungsmitteln) reicht die bloße Kenntnis vom Vorhandensein der verbotenen Substanz und die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit nicht aus [. . .] Die Rechtsprechung hat den Inhaber einer Wohnung nur dann für in diesen Räumen begangene Rechtsgutsverletzungen strafrechtlich haftbar gemacht, wenn besondere Umstände hinzutreten, die eine Rechtspflicht zum Handeln begründen.“ 1404 Damit wird kaschiert, dass die Strafbarkeit der Angeklagten im geschilderten Fall am fehlenden Besitzwillen scheitert und suggeriert, dass bei einer „Überwachergarantenstellung“ der Angeklagten ein Besitz durch Unterlassen denkbar gewesen wäre. Ähnlich auch das OLG Celle, das in einem ähnlichen Fall des Duldens den § 13 StGB explizit 1401
3. Teil A. I. 1. c), S. 93 ff. Auch wenn damit u. U. „echtes“ Unterlassen gemeint ist, vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 13 Rn. 25. 1403 Vgl. 3. Teil A. I. 1. d) bb), S. 106 ff. 1404 OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 27. 1402
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mitzitiert und im Ergebnis ein Besitz durch Unterlassen mangels Garantenstellung ablehnt.1405 Die Heranziehung des § 13 StGB ist allerdings vereinzelt geblieben.1406 Geht man nämlich davon aus, dass es gerade der Besitz ist, der zur individuellen Handlungspflicht des § 29 I Nr. 3 BtMG führt, sind weitere (darüber hinausgehende) Überlegungen zur Verantwortlichkeit fehl am Platz: Es braucht dann keiner Heranziehung einer „zusätzlichen Garantenpflicht“ nach § 13 StGB.1407 2. Kein „Gewähren und Verschaffen durch Unterlassen“? Die beiden Modalitäten der §§ 29 I Nr. 10 und 11 BtMG wurden bis dato vollständig ausgeblendet, obwohl sie zu den wenigen Tatvarianten zählen, zu denen auch Urteile veröffentlicht sind, in denen die Unterlassung als Begehungsform zumindest angesprochen wird.1408 Zudem erachtet auch die Kommentarliteratur die Verwirklichung dieser Modalitäten durch Unterlassen für möglich.1409 Die bisherige Zurückhaltung hat mehrerlei Gründe: Abgesehen davon, dass die Heranziehung des § 13 StGB im Zusammenhang mit diesen Vorschriften grundsätzlich kritisiert werden muss, sind die Modalitäten im Allgemeinen alles andere als geglückt: Schließlich erhebt sie typische Teilnahmehandlungen (Verschaffen, Gewähren etc.) zu eigenständigen Tatbeständen, wobei die Teilnahmehandlung als solches partiell mangels rechtswidriger Haupttat sogar straflos wäre (Verleiten zum Verbrauch!).1410 Als Zweck der Vorschrift nennt man die Erfassung derjenigen Personen, die zwar keine direkten Rauschgiftgeschäfte betreiben, aber ihren Betrieb als Umschlagplatz für Betäubungsmittelverkehr und Konsum anbieten.1411 In erster Linie sind folglich Gaststätten- und Diskothekenbetreiber angesprochen, die als Inhaber einer (lediglich „potentiellen“) Gefahrenquelle eine Schutzpflicht gegenüber jungen, leicht beeinflussbaren Menschen oder Betäubungsmittelsüchtigen haben.1412 Das Verschaffen einer Gelegenheit definiert die h. M. als Herbeiführung günstiger Bedingungen, durch den die Täter den unbe1405
OLG Celle StV 2000, 624. Wobei auf der anderen Seite auch kein Urteil ausfindig gemacht werden konnte, in dem sich ein Obergericht ausdrücklich zum Charakter des § 29 I Nr. 3 BtMG als echtes Unterlassungsdelikt bekennt. Betont wird nur, dass kein Zustand, sondern kausales Verhalten bestraft werde. 1407 So stillschweigend wohl auch Weber, der im Rahmen seiner Ausführungen zu § 29 I Nr. 3 BtMG die Vorschrift des § 13 StGB kein einziges Mal aufgreift. 1408 Vgl. nur BGH NStZ 2000, 208; LG Koblenz bei Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 48; BayObLGSt 1982, 100; BayObLG NStZ-RR 2003, 310. 1409 Weber § 29 Rn. 1456 („Verschaffen durch Unterlassen“); Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 48 („Gewähren durch Unterlassen“); MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1212. 1410 Zur Kritik an der Vorschrift Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 5. 1411 BT-Drs. 12/2727. 1412 Weber § 29 Rn. 1443; Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 2. 1406
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
fugten Erwerb oder die unbefugte Abgabe von Betäubungsmitteln wesentlich erleichtern.1413 Die „passivere Handlung“ des Gewährens erfasse dagegen Situationen, in denen günstige Bedingungen bereits vorhanden sind, aber nun dem Adressaten eröffnet werden.1414 So oder so hat man also primär das (oben ebenfalls schon angesprochene) aktive zur Verfügung stellen des jeweiligen Ortes bzw. der „Gelegenheit“ im Auge. Dem ist nicht zuzustimmen. Nach der hier vertretenen Ansicht müsste die Anwendung des § 13 StGB schon aus dem Grunde verneint werden, weil es sich bei den Modalitäten um schlichte (und nach der hier vorgenommenen Einteilung „multiple“ 1415) Tätigkeitsdelikte handelt. Die Tathandlung des Gewährens bezieht als „passivere“ Begehungsform die allein als strafwürdig empfundenen Unterlassungshandlungen abschließend mit ein. Der Wortlaut der Vorschrift lässt also eine Deutung in Form einer Nicht-Einschreitung gegen die Inanspruchnahme des „Angebots“ zu. Ob dies den § 29 I Nr. 10 BtMG zumindest partiell zu einem „echten Unterlassungsdelikt“ macht, sei dahingestellt. Konsequenterweise muss aber die Anwendung der fakultativen Strafmilderung einerseits versagt, andererseits die zusätzliche Notwendigkeit einer Garantenstellung verneint werden. Wenn man solch einen spezifischen Tatbestand schafft, hat die Norm schon grundsätzlich nur einen eingeschränkten Täterkreis, was auf die Struktur derartiger „Misch-Tatbestände“ auch gut passt. Erfasst werden nur Täter, die eben diese individuelle Möglichkeit haben, den Verbrauch zu ermöglichen bzw. Orte zur Verfügung stellen, an denen Betäubungsmittel abgegeben und erworben werden. Die Norm setzt sozusagen einerseits fest, andererseits voraus, dass der Täter einen bestimmten „Raum“ beherrscht, in dem die genannten Handlungen vor sich gehen können. Ist dies der Fall (was am Begriff der „Gelegenheit“, nicht an den Tathandlungen auszumachen ist), wird er schon tatbestandlich zum Inhaber einer Gefahrenquelle, die er als Aufsichtspflichtiger zu kontrollieren bzw. den Zugang hierzu zu unterbinden hat. Anders gewendet: § 29 I Nr. 10 BtMG nennt die Voraussetzungen – ähnlich wie § 221 I Nr. 2 StGB – für eine „Garantenpflicht“ bereits beim Namen. Orte i. S. d. § 29 I Nr. 10 BtMG müssen sich schließlich auch in der Szene als solche „etablieren“, d.h. der Täterkreis dieser Vorschriften wird es ohnehin pflichtwidrig (schon durch die Verstöße gegen die GewO) nicht verhindert haben, diese „Etablierung“ zu verhindern. Unsicherheiten ergeben sich im Vergleich zu den oben genannten Konstellationen des Nichteinschreitens gegen Straftaten Dritter, in denen man eine Garantenstellung für nötig erachtet. Diese unterschiedliche Behandlung ergibt sich aber hauptsächlich aus der divergierenden Tatbestandsfassung. Es geht nicht um die Duldung (und dadurch 1413 Joachimski/Haumer § 29 Rn. 207; vgl. auch zu § 180 Sch/Sch/Perron/Eisele § 180 Rn. 9; Franke/Wienroeder § 29 Rn. 193; Weber § 29 Rn. 1449; Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 13 f. 1414 Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 14. 1415 3. Teil B. II. 1. a) dd), S. 343 ff.
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potentielle Beteiligung an) der Straftat eines Dritten, sondern um eigenständiges Unrecht in Form der allgemeinen Ermöglichung des Betäubungsmittelumlaufs. Wenn also die Rede davon ist, dass bloßes Untätigsein für die Tatbestandsverwirklichung nicht genügt, so gilt dies unabhängig davon, ob der Täter eine Garantenstellung innehat. Als Beispiel hierfür sei eine Entscheidung des Vierten Senats vom 16.12.1999 aufgegriffen.1416 Hier kristallisiert sich heraus, dass man sich schwer tut, den Begriff des Gewährens einer bestimmten Verhaltensform (Tun oder Unterlassen) zuzuordnen und daher lieber auf einen allgemeinen Tatförderungsbegriff ausweicht. Im Kern geht es in der Entscheidung darum, dass sich ein Gastwirt, der in seiner Gaststätte den Drogenhandel nicht nur duldet, sondern dadurch fördert, dass er einem Dealer und dessen Abnehmer ermöglicht, über den Telefonanschluss des Lokals Kontakte zu knüpfen, gem. § 29 I Nr. 10 BtMG strafbar machen soll (und zwar in Form des Gewährens). Wenn der Senat in diesem Zusammenhang nochmals betont, dass ein bloßes Dulden nicht ausreichen würde, suggeriert dies, der Täter hätte aktiv etwas unternommen („den Hörer hingehalten“), was nicht der Fall war. Der Klammerzusatz in der Entscheidung (der Literaturhinweise „zur Garantenpflicht des Gaststätteninhabers“ enthält), ist also nur verwirrend und überflüssig. Schließlich ist das Nichteinschreiten in diesem Falle gerade vom Gewähren umfasst, solange die Täter sich gerade das „Gewähren“ durch den Gaststätteninhaber zu Nutze machen. Es bleibt also dabei: Dass die Handlungen des Täters „förderlich“ sein müssen, ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal der „Gelegenheit“; mit der Gleichstellung nach § 13 StGB hat dies nichts zu tun.1417 Dementsprechend sollte § 13 StGB keine Anwendung auf die §§ 29 I Nr. 10, 11 BtMG finden, wie dies die Rechtsprechung überwiegend handhabt.1418 Dadurch schränkt man den Anwendungsbereich der Vorschrift weder ein noch weitet man ihn aus,1419 doch hat dies den positiven
1416
BGH NStZ 2000, 208. Vgl. BayObLGSt 1982, 100: Der Angeklagte veranstaltete über einen Zeitraum von zwei Jahren oftmals Feste, bei dem die Gästezahl oftmals 30 bis 35 Personen betrug. Zwei Personen, die vier- bis fünfmal bzw. dreimal bei solchen Ereignissen zugegen waren, richteten an diesen Abenden eine Haschischpfeife her, die dann von drei bis vier Personen in Gegenwart anderer Gäste geraucht wurde. Dem Angeklagten drängte sich auf, dass Haschisch konsumiert wurde; ihm war einmal die Teilnahme an der Haschischrunde angeboten worden, wovon er aber keinen Gebrauch machte. Das Gericht rückt hierbei die Tatförderlichkeit bzw. den Begriff der Gelegenheit in den Mittelpunkt, auch wenn es nebenbei feststellt, dass die Tat auch durch Unterlassen begangen werden könne (ohne § 13 StGB heranzuziehen). Aufgrund des Umstands, dass der Angeklagte häufig auch „neutrale“ Feste veranstaltete und auch nicht irgendwelche abgesonderte Räume zur Verfügung stellte, gelangt das Gericht dann zur Straflosigkeit. 1418 Unklar scheint auch die Behandlung dieser Begrifflichkeiten im Kernstrafrecht, vgl. die Kommentarliteratur zu § 180 StGB bei Fischer Rn. 9; vgl. MK-StGB/Renzikowski § 180 StGB Rn. 36, der ein Gewähren durch Unterlassen für möglich erachtet. 1419 Das ist auch der undurchsichtige Punkt in der Kommentarliteratur: Zwar wird § 13 StGB herangezogen und von einer Garantenstellung des Gastwirts gesprochen; 1417
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Effekt, dass ein unnötiger Parameter wegfällt, was die Anwendung der ohnehin missglückten Vorschrift betrifft.1420
IV. Gesamtergebnis zum unechten und echten Unterlassungsdelikt Das unechte Unterlassungdelikt hat – im Gegensatz zum echten Unterlassungsdelikt des § 29 I Nr. 3 BtMG – keine praktische Relevanz im Betäubungsmittelstrafrecht. Der Wortlaut des § 13 StGB wurde zum Anlass genommen, allgemeine Erwägungen zum Erfolgsdelikt bzw. zum Begriff des rechtlichen Erfolgs voranzustellen, um diesen auch im Rahmen der im Folgenden abzuhandelnden Lehre von den Deliktsverwirklichungsstufen fruchtbar zu machen. Herausgearbeitet wurde hierbei ein Trias von Deliktstypen: Neben das ausführlich erläuterte Erfolgsdelikt treten die schlichten Tätigkeitsdelikte, die sich aber nochmals in konkretisierte und multiple Tätigkeitsdelikte kategorisieren lassen. Ausgehend von einem tatbestandsorientierten Erfolgsbegriff wurde der Anwendungsbereich des § 13 StGB auf Erfolgsdelikte beschränkt, wobei die kriminalpolitisch geringe Bedeutung schlichter Tätigkeitsdelikte durch unechtes Unterlassen dieses Ergebnis zementiert hat. Im Rahmen der Überlegungen zur Garantenstellung als zweiter wichtiger Hürde (bzw. „alleiniger Hürde“ für die Rechtsprechung) hat sich dann herauskristallisiert, dass diese Beschränkung zugegebenermaßen nur „dogmatischen Wert“ hat: Mag ein Inverkehrbringen durch Unterlassen praktisch denkbar sein, so betrifft dies den Bereich fahrlässigen Umgangs mit Betäubungsmitteln, der zumindest verfolgungstechnisch keine erhebliche Relevanz hat. Die Praxis des Betäubungsmittelstrafrechts konzentriert sich mithin auf Fälle der Beteiligung an fremden Tätigkeitsdelikten durch Unterlassen, und dies in Form der Beihilfe. Hier geht es allerdings nicht um eine Gleichstellung vom Nichttätigwerden in Relation zu einer aktiven „Tätigkeit“, sondern um die Gleichstellung gegenüber aktiven Beihilfehandlungen, die sich ihrerseits auf andere Straftaten beziehen. Die kausale Unterstützung kann hierbei auch von der Tatbestandsverwirklichung als „Erfolg“ i. w. S. getrennt werden. Diese Möglichkeit lehnt man im Regelfall mangels Garantenstellung ab, was auch Resultat einer grundsätzlich zurückhaltenden Annahme von strafrechtlicher Haftung für Deliktsbegehung durch Dritte sein dürfte. Über die typischen Aufsichtsfälle hinaus (Eltern/Kind, Pfleger/Bedürftiger) scheidet eine Unterlassungshaftung für eigenverantwortlich verwirklichte Tätigkeitsdelikte regelmäßig aus. Dies gilt auch für Fälle, in denen man nicht auf die Aufsichtspflicht, sondern auf die Wohnung als potentielle Gefahrenquelle abstellt, da der Täter in den Fällen, in denen das „Sondergefahrkriaber sogleich wird wiederum betont, dass ein bloßes Untätigsein gerade nicht genüge. Wenn dies aber der Fall ist, kann § 13 StGB nichts gleichstellen! 1420 Weitere Beispiele aus der Praxis, insbesondere auch aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bei Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 49.
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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terium“ erfüllt sein könnte, regelmäßig die Wohnung zum Zwecke der Betäubungsmittelherstellung aktiv überlässt. Sein Verhalten geht also über das passive Dulden von Betäubungsmittelgeschäften in Wohnung hinaus und es ist kein Rückgriff auf den Überwachergaranten notwendig. Als Fazit lässt sich wohl festhalten, dass das Verwaltungsstrafrecht mit seinen allumfassenden „Umgangsverboten“ keinen Raum mehr für einen Normbefehl i. S. e. „Nicht-Umgangs-Gebots“ übrig lässt. Dies erst recht, wenn der wichtigste Befehl (Behalte diese Drogen nicht! Behalte diese Waffe nicht!) als echtes Unterlassungsdelikt normiert wurde.
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen im Betäubungsmittelstrafrecht I. Grundlagen 1. Die systematisierende Funktion des § 22 StGB Im vorletzten Kapitel ist man, was die Themenstellung der Abhandlung betrifft am Gipfel angekommen, da sich die Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen als „Aushängeschild“ der Lehren zum Allgemeinen Teil des StGB bezeichnen lässt. Die Abschichtung in straflose Vorbereitung, ggf. strafbarem Versuch, jedenfalls strafbare Vollendung und u. U. strafbare Beteiligung im Beendigungsstadium1421 führt einem die systematisierende Funktion der Lehren von Versuch und Vollendung vor Augen.1422 Wenn bestimmten Straftatbeständen eine Inkompatibilität mit dem Allgemeinen Teil vorgeworfen und behauptet wird, sie seien dieser Systematierungsfunktion nicht zugänglich, dann stellt man dies an der Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen zur Schau. Dabei ist die „Verschmelzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung“ häufig nur ein vorgeschobener Grund, um ein Forum für die dahinterstehenden Probleme zu eröffnen, namentlich der rechts- und liberalstrafrechtlich als problematisch empfundenen Strafbarkeitsvorverlagerung und Entmaterialisierung des Strafrechts.1423 Damit ist folgendes gemeint: Soweit der Gesetzgeber einen tatsächlichen Geschehensablauf als Unrecht vertypt, hat dieser Sachverhalt eine Vergangenheit und eine Zukunft, d.h. jedem konkret für strafbar erachteten „Ausschnitt“ sind zeitlich weitere Geschehensabläufe vorverlagert oder nachgelagert. Dass man im Hinblick auf diese Zeiträume von Deliktsverwirklichungsstufen (Vorbereitung – 1421 Zum Beendigungsstadium grundlegend Bitzilekis, ZStW 99 (1987), 723; Jescheck, Welzel-FS, 1974, S. 683; monographisch Hau, Die Beendigung der Straftat und ihre rechtlichen Wirkungen, 1974 und Kühl, Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts, 1974. 1422 Zur systematisierenden Funktion des Allgemeinen Teils vgl. 1. Teil C. III. 2., S. 66. 1423 2. Teil A., S. 67 ff. m.w. N.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Versuch – Vollendung – Beendigung) spricht, liegt daran, dass der Gesetzgeber im Allgemeinen Teil die Strafbarkeit nicht auf die Tatbestandsverwirklichung beschränkt, sondern – soweit bestimmte Voraussetzungen vorliegen – auf den Versuchs- und Vorbereitungsbereich durch allgemeine Vorschriften, namentlich die §§ 22–24 StGB sowie § 30 II StGB erweitert hat1424 bzw. noch weiter ausdehnen könnte.1425 Das vorsätzliche Begehungsdelikt durchläuft also mehrere Stadien, die bis zu seiner Vollendung bereits für sich strafbar sein können. Die „Vorverlagerung“, die im (nach wie vor geltenden) Legitimationsmodell des Strafrechts eine Umschreibung für die Entfernung vom Rechtsgut ist, hat hierbei zwei Gesichter: Sie erfolgt entweder in „klassischer“ Form, d.h. durch die Anordnung der Versuchsstrafbarkeit, oder ist tatbestandlich angelegt. Anders gewendet: Der Gesetzgeber ist „im ersten Schritt“ nicht auf die beschriebene Technik der „Erweiterung“ durch die Vorschriften des Allgemeinen Teils angewiesen, sondern es steht ihm frei, bereits die „Vorverlagerung“ selbst als vertyptes Unrecht auszugestalten.1426 Dies würde aber nichts daran ändern, dass selbst diesem Geschehen ein Vorbereitungs- sowie Versuchsstadium vorangeht.1427 § 22 StGB spricht schließlich vom unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung und nicht vom unmittelbaren Ansetzen zur Rechtsgutsverletzung. Vor solch einem radikalpositivistisch anmutenden Hintergrund scheinen die Überlegungen von Rechtsprechung und Literatur zur Frage, inwiefern die „Erweiterung“ der Strafbarkeit eines Tatbestands auf dessen Versuchsbereich legitimiert werden kann, vollkommen überflüssig.1428 Das kann nicht richtig sein. Vielmehr muss man wohl davon 1424 Bei einer streng „chronologischen“ Betrachtung müsste man dann auch die „richtig gemeinte Floskel“, es existiere kein „fahrlässiger Versuch“ in Frage stellen, vgl. hierzu SSW/Kudlich/Schuhr § 22 Rn. 11; NK/Zaczyk § 22 Rn. 21 m.w. N. 1425 Dieses Bild stammt von Kühl AT § 14 Rn. 4. Die „nachträgliche“ Erweiterung – sprich auf den Zeitraum der Beendigung – ist im Allgemeinen Teil dagegen nicht geregelt, aber (in einer im Hinblick auf Art. 103 II GG bedenklichen Weise) praktisch anerkannt. Ebenso wie Welzels Lehren (vgl. Strafrecht, S. 190) und die Rechtsprechung zur „Vorverlagerung“ der Strafbarkeit (BGHSt 26, 201 [202]) vor den Beginn der tatbestandsmäßigen Handlung zum Gesetz gemacht wurden (vgl. SSW/Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 1), wäre eine „Normierung“ des strafbaren Beendigungsbereichs wünschenswert (soweit dessen strafrechtliche Erfassung – im Hinblick auf die Existenz eigenständiger Anschlussdelikte, vgl. Fn. 1426 in Teil 3 – überhaupt kriminalpolitisch für notwendig erachtet wird). 1426 Oder umgekehrt typische Folgehandlungen, welche die Rechtsgutverletzung lediglich perpetuieren, eigenständig zu erfassen, vgl. die §§ 257 ff. StGB. 1427 Der Tatbestand beinhaltet stets einen starren, zeitlichen Fixpunkt, d.h. egal wie weit weg dieser von der eigentlichen Rechtsgutsbeeinträchtigung ist, existieren stets Verhaltensweisen, die vor dem konkret beschriebenen Ausschnitt stehen, es sei denn, der Tatbestand umschreibt keinen zeitlich irgendwie fixierten „Ausschnitt“, was auf das unerlaubte Handeltreiben zutrifft, 3. Teil C. IV., S. 430 ff. 1428 Angesprochen ist damit der Grundsatzstreit um den Strafgrund des Versuchs, zusammengefasst bei MK-StGB/Herzberg/Hoffmann-Holland § 22 StGB Rn. 4, wo vollkommen zu Recht darauf hingewiesen wird, dass eine präzisierte subjektive Theorie keine „Theorie“ im eigentlichen Sinn darstellt, weil sie „kein Licht auf den materiellen
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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ausgehen, dass sich die Diskussion rund um den Strafgrund des Versuchs in neuerer Zeit – etwas abgewandelt und in kritischerer Form – auf die Deliktstatbestandsgesetzgebung verlagert hat.1429 Es gehört aber nicht zum Gegenstand der vorliegenden Abwandlung, diese – häufig auch von terminologischen Ungenauigkeiten begleiteten1430 – Grundsatzstreitigkeiten an dieser Stelle nochmals auszufechten und kritischer Würdigung zu unterziehen. Dieses „Forum“ sei hiermit schon an dieser Stelle wieder geschlossen und spielt im Folgenden nur insoweit eine Rolle, als diese „vor die Klammer gezogenen“ Grundfragen die Dogmatik des unmittelbaren Ansetzens beeinflussen, aber gerade wegen der „Grundsätzlichkeit“ der Diskussion keinesfalls zwingend sind.1431 Stattdessen muss aus dem Blickwinkel der Themenstellung richtigerweise betont werden, dass „egal, welchen Sachverhalt der Gesetzgeber herausgeschnitten hat“, stets Stücke davor und danach „übrigbleiben“ und die Systematik sowie Sinn der Strafdrohung“ wirft, sondern letztlich das zum Ausdruck bringt, was im Gesetz steht („der durch Handlungen, die in der Außenwelt in Erscheinung treten, manifest gewordene Verbrechensvorsatz, vgl. Lackner/Kühl § 22 Rn. 11); zum Strafgrund des Versuchs vgl. auch Safferling ZStW 118 (2006), 682 (688 ff.). Der subjektiven Theorie (grundlegend bereits RGSt 1, 439 ff.; 8, 198; 34, 217; Eisenmann ZStW 13 (1893), 454 (457 ff.) stehen objektive Theorien gegenüber – die in letzter Konsequenz aber contra legem – den untauglichen Versuch straflos stellen müssen (vgl. nur Spendel NJW 1965, 1881; Sax JZ 1976, 429 (432 f.); Hirsch, FS-Roxin 2001, S. 711 (726 f.); v. Feuerbach, Lehrbuch des gemeinen in Deutschland gültigen Peinlichen Rechts, 1847, S. 72. Zahlreiche vermittelnde Spielarten, vgl. Bloy ZStW 113 (2001), 76 (82); Zaczyk, Das Unrecht der versuchten Tat, S. 326 f. („Anerkennungslehre“), Rath JuS 1998, 1006 (1008); Roxin AT II § 29 Rn. 13 ff. heben überwiegend den Gedanken des Rechtsgüterschutzes – trotz Friktionen im Hinblick auf die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs – hervor (so zum Teil schon RGSt 68, 340). Der Streitfrage schließt sich eine nicht minder differenzierte Diskussion an, warum der Rücktritt vom Versuch eine strafbefreiende Wirkung haben sollte. Insofern überrascht es nicht, dass die hierzu entwickelten Theorien in einem „spiegelbildlichen“ Verhältnis zu den Überlegungen zum Strafgrund des Versuchs stehen; zusammenfassend SSW/Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 10 ff.; LK/Lilie/Albrecht § 24 Rn. 5 ff.; siehe auch Kudlich JuS 1999, 240 f.; Wessels/Beulke Rn. 626. 1429 Vgl. hierzu bereits die Überlegungen in der Einleitung, S. 27 f. und den dortigen Nachweisen in Fn. 4 sowie Fn. 2; hierzu auch Beck, Unrechtsbegründung u. Vorfeldkriminalisierung, 1992; Jakobs ZStW 97 (1985), 751. Der Begriff der Vorfeldkriminalisierung wird nicht selten mit dem des „Feindstrafrechts“ in Verbindung gebracht, zu diesen Assoziationen und zum Begriff des Feindstrafrechts „als regulative Idee“ vgl. Schick ZIS 2012, 46. 1430 Diese Ungenauigkeiten beginnen schon damit, dass in einigen Lehrmaterialien bis heute noch zu lesen ist, beim Versuch seien objektiver und subjektiver Tatbestand schlicht „umgekehrt“ zu prüfen. Sie setzen sich in den häufig zu lesenden Floskeln (zurückgehend auf Formulierungen des Reichsgerichts) fort, wonach die „Betätigung eines verbrecherischen Willens“ einerseits, die „Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung“ andererseits den Strafgrund des Versuchs darstellen. Beide Aspekte sind begrifflich irreführend (krit. SSW/Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 7 m.w. N.; NK/Zaczyk § 22 Rn. 11). 1431 Vgl. LK/Hillenkamp § 22 Rn. 55, wonach eine bestimmte Haltung bzgl. des Strafgrundes nicht präjudiziell für die Interpretation § 22 StGB ist oder gar zu „identischen“ Ergebnissen führt.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Dogmatik rund um § 22 StGB diejenige bleibt, mit der man ermitteln kann bzw. muss, welche davor liegenden Stücke „straflos“ oder „ggf. strafbar“ sind. Wenn ein im Jahre 2022 eingefügter § 211a StGB den Kauf von Gegenständen (Gift, PKW, Waffe) zum Zwecke des Mordes unter Strafe stellen würde,1432 dann geht diesem Akt des Kaufs nicht nur der Tatentschluss diesbezüglich voraus, sondern auch das Betreten des Supermarkts bzw. das Gespräch mit dem Verkäufer. Selbst in solch einem gelagerten Fall wäre man dann auf die systematisierende Funktion des Allgemeinen Teils und die Dogmatik des Versuchs angewiesen und es wäre beispielsweise zu überprüfen, ob bereits das Betreten des Kaufhauses ein „unmittelbares Ansetzen“ zum Kauf darstellt.1433 Mit dieser Vorgehensweise wird eine endgültige „Reduzierung“ der Versuchslehren auf ihre systematisierende (und damit ebenso wichtige) Funktion nicht akzeptiert; vielmehr konzentriert sich die Untersuchung auf die Frage, ob in Zeiten der „deliktstatbestandsmäßigen Strafbarkeitsvorverlagerung“ – hier schon häufiger mit dem Begriff des „modernen Präventionsstrafrechts“ beschrieben – wenigstens die systematisierende Funktion des Allgemeinen Teils, damit verknüpft also die Dogmatik zu den Deliktsverwirklichungsstufen i. S. d. lex certa (Art. 103 II GG) eingehalten werden kann. Schließlich kann das Sich-Entfernen vom rechtsgüterschützenden Strafrecht wohl nur durch eine umso konsistentere und „bestimmtere“ Rechtsanwendnung kompensiert werden. Zudem wird sich zeigen, dass auch andere Möglichkeiten bestehen, „systematisch einwandfrei angewandte“ Vorfelddelikte einzuschränken.1434 Damit sind die Weichen für den vorliegenden Abschnitt gestellt. Denn die vorstehenden Überlegungen dürften in gewissem Grade bereits deutlich gemacht haben, dass jeder Deliktstyp (sprich auch das „Vorfelddelikt“ bzw. schlichte Tätigkeitsdelikt) einen straflosen Vorbereitungs- und ggf. strafbaren Versuchsbereich durchläuft.1435 Zu überprüfen ist insofern, ob die h. M. in der Lage ist, die „sys1432 Was in Zeiten inflationärer Strafgesetzgebungspolitik durchaus denkbar, wenn auch nicht wünschenswert, erscheint; man beachte: Im Hinblick auf das Rechtsgut „Leben“ könnte solch ein Tatbestand womöglich sogar eher legimitiert werden, als so manch anderer bereits existenter Straftatbestand. 1433 Bereits der Titel der Abhandlung von Berz deutet an, dass „Formelle Tatbestandsverwirklichung und materialer Rechtsgüterschutz“ getrennt betrachtet werden können und müssen. 1434 In der Sache nähert sich diese Vorgehensweise den Überlegungen Hillenkamps (LK § 22 Rn. 117) an, der Systematisierung durch stringente Versuchslehren und Strafbarkeitsvorverlagerung (als „Sache des Gesetzgebers“) trennt und insbesondere die modifizierte Teilaktstheorie, vgl. Fn. 1472 in Teil 3 als geeignetes Instrument ansieht, den Versuchsbereich von schlichten Tätigkeitsdelikten näher zu konturieren. 1435 Vgl. auch Sch/Sch/Eser Vor § 22 Rn. 28: „Auch bei selbstständig für strafbar erklärten Vorbereitungshandlungen, die bei ihrer Tatbestandsverwirklichung als formell vollendet gelten, ist an sich ein Versuch denkbar und jedenfalls in der dort erstgenannten Fallgruppe, in denen lediglich bestimmte typischerweise gefährliche Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt werden, auch kriminalpolitisch vertretbar.“
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tematisierende“ Versuchsdogmatik ohne Einschränkungen auf die Deliktstatbestände der §§ 29 ff. BtMG zu übertragen und unter welchen Voraussetzungen Modifikationen der Versuchslehren notwendig (und somit zulässig) sind. Dies erfordert zunächst eine abstrahierte Darstellung der Deliktsverwirklichungsstufen, d.h. eine isolierte Betrachtung des strafbaren Versuchs (des Einzeltäters) und eine Zusammenfassung der im Kernstrafrecht entwickelten Dogmatik (im Folgenden 2.). Auf diesen Überlegungen basiert dann die Dreiteilung der Darstellung nach den im Unterlassungsabschnitt dargestellten Deliktstypen (Erfolgsdelikte, schlichte bzw. konkretisierte Tätigkeitsdelikte sowie das multiple Tätigkeitsdelikt „Handeltreiben“, vgl. die Punkte II, III, IV). Peù a peù werden die straflosen Vorbereitungshandlungen, die ggf. strafbaren Versuchshandlungen und ggf. auch der Beendigungszeitraum dargestellt. Den überwiegenden Teil der Analysen werden hierbei die (nicht nur aus praktischer Sicht wichtigen) Modalitäten der Einfuhr als Erfolgsdelikt und das „dogmatische Pendant“ des Handeltreibens als multiples Tätigkeitsdelikt ausmachen. Bei allen Varianten muss der Vollendungszeitpunkt nach h. M. etwas genauer als in der Einleitung dargestellt werden, damit der Ausgangspunkt für die Versuchslehren feststeht. Es dürfte klar sein, dass das Handeltreiben hier eine Sonderstellung einnimmt und dementsprechend eine detaillierte Rechtsprechungsanalyse erforderlich macht. 2. Die Deliktsverwirklichungsstufen und die praktische Relevanz der Unterscheidung a) Vorbereitung, Versuch, Vollendung, Beendigung Jedes Delikt beginnt mit der Idee, ein solches zu verwirklichen. Dieser gemeinhin als Tatentschluss bezeichnete Vorsatz bezüglich der Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale1436 reicht im Tatstrafrecht nicht aus, um eine Strafbarkeit zu begründen. Soweit der Täter die Verwirklichung des jeweils umschriebenen Geschehens samt Tatentschluss lediglich vorbereitet, bleibt er straflos.1437 Hat der Täter gem. § 22 StGB unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, bleibt aber die Tat objektiv „unvollkommen“, ist sie nur versucht.1438 1436 Soweit der Tatbestand dies erfordert, muss der Täter die besonderen subjektiven Absichten (überschießende Innentendenzen) aufweisen. 1437 Es sei denn, er hat sich bereits mit einer weiteren Person zur Durchführung eines Verbrechens verabredet, § 30 II StGB; dann wäre allerdings Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit die Verabredung selbst und nicht die Vorbereitungshandlung, siehe hierzu noch Fn. 1548, 1576, 1739 in Teil 3 sowie 3. Teil C. VI. 2., S. 523 f. 1438 Rengier AT § 34 Rn. 7 ff.; Kühl AT § 14 Rn. 15; die verknappte Darstellung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch „objektiv vollständige“ Deliktstatbestandsverwirklichungen als Versuch bewertet werden müssen, wenn dem Täter die Handlung, nicht aber der Erfolg objektiv zurechenbar ist, vgl. hierzu SSW/Kudlich/Schuhr § 22 Rn. 3 f., 14.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Neben dem Schuldspruch ergeben sich zur Vollendungsstrafbarkeit in der praktischen Behandlung zwei wichtige Unterschiede: Zum einen kann die Strafe des Täters gem. § 23 II StGB gemildert werden, zum anderen bleibt ihm bis zur formellen Vollendung des Tatbestands die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 24 StGB strafbefreiend vom Versuch zurückzutreten. Kam es bereits zur formellen Vollendung, scheidet ein Rücktritt aus. Bei bestimmten Straftaten wird das positive Nachtatverhalten (die „Reue“ des Täters) im Beendigungsstadium allerdings berücksichtigt.1439 Die formelle Vollendung der Tat markiert im Normalfall den Schlusspunkt der strafrechtlichen Haftung. Da sie durch Subsumtion unter den Tatbestand festzustellen ist, muss Vollendung nicht bedeuten, dass der Angriff auf das Rechtsgut abgeschlossen ist bzw. dieses nicht mehr weiter beeinträchtigt werden könnte. Die h. M. unterscheidet daher die formelle Vollendung von der materiellen Beendigung der Tat, die erst anzunehmen ist, wenn die Umstände, die das Unrecht der Tat prägen, nicht mehr fortdauern und der Angriff auf das Rechtsgut definitiv vorüber ist. Dies kann nicht nur bei Dauerdelikten der Fall sein, sondern auch bei Tatbeständen bei denen Rechtsgutsbeeinträchtigung und formelle Tatbestandsvollendung weit auseinanderliegen, was im Betäubungsmittelstrafrecht den Regelfall darstellt.1440 Das Beendigungsstadium steht insofern näher am Rechtsgut und kann das „eigentliche Unrecht“ der Tat bei Gefährlichkeitsdelikten u. U. besser beschreiben. Dennoch soll es im folgenden Abschnitt nur kursorisch behandelt werden, da es im Hinblick auf die Strafbarkeit des Täters nur im Rahmen der „sukzessiven Beteiligung“ sowie im Bereich der „nachträglichen“ Verwirklichung einer Qualifikation eine Rolle spielt.1441 Daneben hängt der Lauf der Ver1439 Zu diesem stets tatbestandsspezifischen Strafausschließungs- bzw. Milderungsgrund noch ausführlicher 3. Teil C. VII. 1., S. 508. 1440 Dieses Auseinanderdriften von Rechtsgut und Tatbestand ist letztlich nur eine Umschreibung für den Begriff „Vorfeldkriminalität“, weswegen dieses Phänomen i. R. d. Überlegungen de lege ferenda nochmals aufgegriffen werden kann, vgl. 3. Teil C. VII., S. 507 f.; da die Verjährung eines Tatbestands von der materiellen Beendigung abhängen soll, vgl. § 78a StGB gelangt man insbesondere bei Dauerdelikten zum Problem der faktischen „Unverjährbarkeit“, 3. Teil C. IV. 5., S. 473 ff. 1441 Man stelle sich folgende Konstellation vor: Der Täter stiehlt 2 kg Drogen und verschafft sich somit unerlaubt Betäubungsmittel in nicht geringen Mengen auf sonstige Weise. Seine Waffe hat er allerdings im Auto liegen lassen, sodass sich die Frage stellt, ob ihm nun das Beisichführen von Waffen gem. § 30a II Nr. 2 BtMG vorgeworfen werden kann, wenn er auf der Rückfahrt – sprich während Beendigung der Tat – ständigen Zugriff auf die Waffe hat. Der Problemfall des Handeltreibens mit Waffen sei hier ausgeblendet, da schließlich die Weiterfahrt nach Hause als Teilakt des Handeltreibens gesehen werden könnte und der „dealende Täter“ stets § 30a II Nr. 2 BtMG verwirklicht, sobald er eine Waffe bei sich trägt; zu diesem nicht hinnehmbaren Ergebnis vgl. noch etwas ausführlicher Fn. 1724 und Fn. 2179 in Teil 3; zu dem im Kernstrafrecht ausführlicher und parallel diskutierten Problem der Qualifikationsverwirklichung im Beendigungsstadium, vgl. SSW/Kudlich § 244 Rn. 17; Hruschka JZ 1969, 607 (609), vgl. noch zum Ganzen Fn. 106 in Teil 1, Fn. 1724, 2043, 2179 in Teil 3.
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jährungsfrist nach § 78a StGB von der Beendigung der Tat ab, wobei umstritten ist, ob der dort verwendete Beendigungsbegriff mit der in der Literatur erarbeiteten Definition der Beendigung übereinstimmt.1442 Im Mittelpunkt der Ausführungen bleibt die Abgrenzung von strafloser Vorbereitung, Versuch und Vollendung. b) Das versuchte Delikt aa) Vorprüfung und „Tatentschluss“ Der Versuch von Vergehen ist gem. §§ 23 I 2. Alt, 12 II StGB nur strafbar, wenn dies im Straftatbestand ausdrücklich angeordnet ist.1443 Soweit die Strafbarkeit des Versuchs bejaht und dem Täter keine Vollendung des Tatbestands vorgeworfen werden kann (gemeinhin „Vorprüfung“ genannt1444), muss man die von der h. M. konstituierten Voraussetzungen einer Versuchsstrafbarkeit im Einzelnen in den Blickpunkt nehmen; hierbei wird deutlich, dass der erste, aber auch einzige Anknüpfungspunkt (§ 22 StGB) trotz seiner amtlichen Überschrift („Begriffsbestimmung“) auf den Teil beschränkt ist, der die „Strafbarkeit auslöst“ bzw. die Grenze zur straflosen Vorbereitung markiert. Mithin ist das, was § 22 StGB als Definition des Versuchs bezeichnet, nur die Bestimmung des Versuchsbeginns.1445 Dass der Täter mit Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale agieren und – soweit erforderlich – besondere subjektive Tatbestandsmerkmale aufweisen muss (in seiner Gesamtheit als „Tatentschluss“ bezeichnet1446), wurde als Selbstverständlichkeit nicht in den Wortlaut aufgenommen.1447 Im vorliegenden Abschnitt wird dieser „selbstverständliche“ Tatentschluss als „subjektiver Tatbestand“ des Versuchs nicht ausführlich darzustellen sein, weil sich die Überlegungen zum Abschnitt „Vorsatz und Fahrlässigkeit“ 1448 bzw. zum Abschnitt „Schuld und Irrtumslehre“ 1449 weitestgehend auf den Tatentschluss 1442
Dazu noch 3. Teil C. IV. 5., S. 473 ff. Dies ist bei allen praktisch wichtigen Modalitäten des § 29 I BtMG der Fall, insbesondere bei der Einfuhr und beim Handeltreiben vgl. § 29 II BtMG, zumal die §§ 29a ff. allesamt als Verbrechenstatbestände ausgestaltet sind; ausgenommen sind insbesondere der „versuchte Besitz“, allerdings nur im Fall des Umgangs mit Normalmengen, vgl. hierzu noch 3. Teil C. III. 3., S. 428 f. sowie 3. Teil C. VI. 6. d), S. 504 f., und das versuchte Verschreiben entgegen § 13 BtMG. Darüber hinaus sind das Werben, die Abgabe aus Apotheken, die Schaffung von Konsumgelegenheiten und das Bereitstellen von Geldmitteln ausgeklammert. 1444 Krit. zu dieser didaktisch orientierten Vorgehensweise Hardtung Jura 1996, 293. 1445 Sch/Sch/Eser § 22 Rn. 1; NK/Zaczyk § 22 Rn. 1. 1446 Roxin JuS 1979, 1. 1447 Vgl. LK/Hillenkamp § 22 Rn. 2 mit Erläuterung. 1448 3. Teil A. II., S. 166 ff. 1449 3. Teil A. IV., S. 280 ff.; was für den Tatentschluss gilt, muss erst recht für die Rechtswidrigkeit und Schuld beim versuchten Delikt gelten, 3. Teil A. III., S. 230. 1443
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übertragen lassen.1450 In diesem Zusammenhang sollte man sich nochmals in Erinnerung rufen, dass nicht jeder „umgekehrte Irrtum“ zu einem untauglichen Versuch1451 führt: Wenn die Tatbestandsfassung den unmittelbaren „Umgang“ mit Betäubungsmitteln nicht voraussetzt (wie etwa das Handeltreiben1452), spielt der objektive Umstand, ob die Betäubungsmitteln existent sind, keine Rolle mehr und man gelangt dennoch zur Vollendung.1453 Damit konzentrieren sich die Ausführungen sowohl im Allgemeinen als auch in der jeweils tathandlungsbezogenen Rechtsprechungsanalyse auf das unmittelbare Ansetzen. bb) Das unmittelbare Ansetzen gem. § 22 StGB Als „Rest“ eines nicht voll verwirklichten Deliktstatbestandes fordert § 22 StGB eine objektive Manifestation des verbrecherischen Willens, also die Verwirklichung eines objektiven „Rumpftatbestands“, der als unverzichtbares Minimum des Tatstrafrechts1454 die Grenze zwischen straflosem Vorbereitungsstadium eines Delikts und dessen strafbarem Versuch markiert.1455 Auf Basis der gemischt „subjektiv-objektiven“ Formulierung des Gesetzes1456 kann bei Vor1450
Rengier AT § 34 Rn. 1. Zur Unterscheidung zwischen untauglichem Versuch und abergläubischem Versuch krit. SSW/Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 25; siehe hierzu auch Heinrich Jura 1998, 393; Herzberg GA 2001, 257; Bloy ZStW 113 (2001), 76; Bottke, FS-Hruschka, 2005, S. 395; Streng, ZStW 109 (1997) 862; Valerius JA 2010, 113; monographisch Albrecht, Der untaugliche Versuch, 1973; vgl. auch T. Walter, Kern des Strafrechts, S. 35, der vorschlägt, die Fälle des irrealen Versuchs (m. E. zustimmungswürdig) über den sozialen Handlungsbegriff zu lösen. 1452 Siehe bereits 1. Teil B. I. 1., S. 43 ausführlicher 3. Teil C. IV. 1., S. 430 ff. 1453 Dies gilt selbst, wenn sich das Geschäftsgebahren von Anfang an nur auf Mehl statt Kokain bezieht. Weiß der Täter allerdings, dass es sich um Mehl handelt, täuscht er seinen Geschäftspartner über die Betäubungsmitteleigenschaft und ist § 29 VI BtMG sowie § 263 I StGB zu prüfen, zum Ganzen noch ausführlich 3. Teil C. IV. 2. b), S. 458 ff.; fraglich ist, ob dies selbst dann gelten kann, wenn der Teilakt tatsächlicher Natur ist und sich auf Betäubungsmittel beziehen müsste, vgl. hierzu S. 479 sowie Fn. 1782; anders bei der Einfuhr oder Abgabe, bei der das irrtümlich für Kokain gehaltene Mehl zwingend nur einen untauglichen Versuch darstellen kann. 1454 SSW/Kudlich/Schuhr § 22 Rn. 36. 1455 Vgl. Bockelmann JZ 1954, 468. 1456 Man darf nicht vergessen, dass die Entwicklung dieser Theorien durch die „Praxis des Versuchsstrafbarkeit“ konterkariert wird; eine im Ansatz subjektive Betrachtungsweise muss schon aus rein tatsächlichen Gründen immer „objektiviert“ werden, da dem Täter – ähnlich wie beim Vorsatzdelikt – subjektive Vorstellungen (außer im Falle eines Geständnisses oder „missglückter“ Einlassungen) anhand seines objektiv zu Tage getretenen Verhaltens zugeschrieben werden. Folglich ist man beim „schweigenden Angeklagten“ ohnehin dazu gezwungen, die Frage, ob er die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten hat, dahingehend umzuformulieren, ob er „vernünftigerweise sagen konnte, jetzt geht es los“ (vgl. Küper JZ 1979, 781). Wenn also von objektiven Kriterien die Rede ist, dann bleibt es dabei, dass diese lediglich Auskunft darüber geben, wann man von einer objektiven Manifestation der subjektiven Vorstellung des Täters reden 1451
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nahme tatbestandsmäßiger Teilakte jedenfalls ein unmittelbares Ansetzen bejaht werden.1457 Schwieriger ist die Frage zu beurteilen, wann außerhalb dieser Fälle von einem unmittelbaren Ansetzen auszugehen ist, d.h. welche Handlungen im „unmittelbaren Vorfeld“ der Tatbegehung eine Versuchsstrafbarkeit auslösen.1458 Das hierbei entstandene Sammelsurium an Lösungsansätzen, Formeln und Kriterien ist das Ergebnis eines der größten Diskussionsplattformen1459 der deutschen Strafrechtswissenschaft1460 und ist ein bestechendes Beispiel für deutsche „Strafrechtsdogmatik-Kunst“, zumal den entwickelten Lösungsansätzen Vorbildfunktion außerhalb der deutschen Rechtsordnung zukommt.1461 Es war keine Überraschung, dass sich aus dem bunten Strauß aus Rechtsprechung und Lehre schnell die „intuitiv“ und im Hinblick auf den Wortsinn1462 nahe liegende (und ebenso früh entwickelte) Zwischenaktstheorie durchsetzen konnte, bzw. sowohl vom BGH als auch von der h. L. als gemeinsamer Ansatzpunkt Anerkennung erfuhr.1463
kann, man setze unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung an (zur „Objektivität“ des objektiven Versuchstatbestands Streng, GS-Zipf, 1999, S. 325). Lediglich die rechtliche Bewertung dieser objektiven Manifestation bleibt objektiv. Dennoch kann es nicht gelingen, das „Kompott“ von Versuchstheorien, subjektiv/objektiv Kriterien der Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens, tatrichterlichen Darstellungsanforderungen, realen Gegebenheiten sowie Einlassungen befriedigend und eindeutig aufzulösen. 1457 Etwa wenn der Täter beim Raub gem. § 249 StGB bereits Gewalt angewendet hat, vgl. auch BGHSt 44, 34 (40); so bereits BGHSt 4, 333 (334). 1458 Der Gesetzgeber ging davon aus, dass derartige Handlungen im Vorfeld – ohne bereits partiell tatbestandlich gehandelt zu haben – auch erfasst sein müssen, vgl. BTDrs. V/4095, S. 11. 1459 Trotz der kaum überschaubaren Fülle von Ansätzen, die sich nicht selten überschneiden bzw. zumindest zu demselben Ergebnis führen, handelt es sich m. E. um einen ergiebigen Meinungsstand. Insofern ist hier bewusst von „Diskussion“ und nicht von einem echten Meinungsstreit die Rede, da man eher von einem „fruchtbaren“ Austausch sprechen muss, weil es der „Meinungsstand erlauben dürfte“ (Rengier AT § 34 Rn. 21), den gemeinsamen Ansatzpunkt zu präzisieren bzw. stets praktisch besser handhabbare Aspekte beizusteuern; vgl. auch Kudlich, der zu Recht darauf hinweist, dass diese Theorien nicht isoliert nebeneinander stehen, JuS 1998, 600. 1460 Überblick bei LK/Hillenkamp § 22 Rn. 54–85; Roxin AT II § 29 Rn. 121 ff. 1461 Vgl. nur im Lehrwerk von Özbek/Kanbur/Dog ˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku – Genel Hükümler (Türkisches Strafrecht – Allgemeine Vorschriften), 2011, S. 439 in dem bei den Ausführungen zum unmittelbaren Ansetzen darauf hingewiesen wird, dass die von der Versuchsregelung des Art. 35 TCK verwendete Wendung aus der deutschen Vorschrift des § 22 StGB übernommen wurde (tatsächlich lässt sich der der Wortlaut „tipi gerçekles¸tirmeye dog˘rudan dog˘ruya kalkıs¸ırsa“, als direkte Übersetzung eines unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung bezeichnen) und im Anschluss die Lösungsansätze im deutschen Recht zusammengefasst werden, unter der Berücksichtigung, dass der deutsche Wortlaut im türkischen Recht um die Wendung erweitert wurde, dass es sich um eine „geeignete Handlung“ handeln müsse (d.h. der untaugliche Versuch herausfällt). 1462 Vgl. Kühl AT § 15 Rn. 59. 1463 Sch/Sch/Eser § 22 Rn. 39.
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In Erweiterung um das subjektive Kriterium der „überwundenen Feuerprobe“ 1464 hat sich dann folgende Formel vom unmittelbaren Ansetzen etabliert: Ein unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet1465 und objektiv Handlungen vornimmt, die – nach seinem Tatplan – in ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenakte unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.1466 Das Ausklammern bestimmter – unwesentlicher – Teilakte hat lediglich eine „negativ-abgrenzende“ Funktion, sodass es im Einzelfall weiterer Konkretisierung bedarf, was unter einem „wesentlichen Teilakt“ zu verstehen ist. Eine streng-naturalistische Betrachtung, die zu einer Aufspaltung der Teilakte nach körperlichen Bewegungen führen würde (Heben, Entsichern, Anlegen, Zielen, Abdrücken1467), will man vermeiden.1468 Während beispielsweise Roxin die Teilaktstheorie um den Gedanken der Schutzsphäre1469 erweiterte (wonach ein unmittelbares Ansetzen mit Einbrechen des Täters in die Schutzsphäre des Opfers anzunehmen sei1470), stellten andere darauf ab, ob es nach Tätervorstellung zu einer Gefährdung des Rechtsguts gekommen sei.1471 Der Komfort der Teilaktstheorie liegt in ihrer guten Kompatibilität mit schlichten Tätigkeitsdelikten (diese kommen bekanntlich im Nebenstrafrecht bzw. im Betäubungsmittelstrafrecht häufiger vor).1472 Die Ausführungen zur Schutzsphärentheorie oder dem „Gefährdungsgedanken“ implizieren, dass sie stets auf bestimmte Fallgruppen bzw. Deliktstatbestände zugeschnitten sind, was man von der Teilaktstheorie nicht behaupten kann. Dies heißt nicht, dass eine betäubungsmitteldeliktsspezifische Anpassung jener „normativen Verfeinerungen“ per se ausgeschlossen wäre. Gerade die Sphärentheorie ist eher sachverhalts- denn rechtsgutsakzessorisch und passt prima vista genauso gut auf die im Nebenstraf-
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Bockelmann, Strafrechtliche Untersuchungen, S. 146 f.; Rudolphi, JuS 1973, 20. Wobei diese Wendung in neuerer Rechtsprechung damit umschrieben wird, dass der Täter keines weiteren „Willensimpulses“ zur Umsetzung der Pläne bedürfe, vgl. BGHSt 48, 34 (36). 1466 BGHSt 26, 201 (204); 28, 162 (163 f.); 36, 249 (250); 37, 294 (297); 48, 34 (35); BGH NStZ-RR 2008, 139; bei Rengier AT § 34 Rn. 22; Wessels/Beulke Rn. 601. 1467 BGH NStZ 1993, 133. 1468 Ein „Zeitlupenstrafrecht“ ist nicht gewollt, vgl. Geilen, Strafrecht AT, S. 164. 1469 JuS 1979, 1 (5 f.). 1470 Vgl. auch Adams/Shavell GA 1990, 337. Die Sachverhaltsakzessorietät der Sphärentheorie führt dazu, dass sie bei greifbaren Schutzsphären (Wohnung, Bank etc.) ein anschauliches Argument liefert, vgl. SSW/Kudlich/Schuhr, § 24 Rn. 40, dann aber versagt, wenn schlicht keine Schutzsphäre existiert (man denke an das Opfer eines Raubüberfalls in einem städtischen Park). 1471 Otto AT § 18 Rn. 27 ff.; Sch/Sch/Eser § 22 Rn. 40 ff. 1472 LK/Hillenkamp § 22 Rn. 117 f. 1465
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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recht häufiger vorkommenden Verbringungsverbote.1473 Die „verbotene“ Sphäre ist dann nicht mehr die Wohnung des Individuums, sondern die „Wohnung der Volksgesundheit“, sprich das deutsche Hoheitsgebiet.1474 Mehr könnte man dem Gefährdungsgedanken vorwerfen, dass er nicht geeignet sei, den Versuchsbereich bei konkreten Gefährdungsdelikten oder Gefährlichkeitsdelikten1475 näher zu konturieren.1476 Das greift aber in doppelter Hinsicht zu kurz: Die Gefahrprognose aus der Vorstellung des Täters ist von der Gefahrprognose des Gesetzgebers zu trennen. Nimmt der Täter eine strafbewehrte Handlung vor, ohne davon auszugehen, dass diese Handlung aus Sicht des Gesetzgebers bereits „gefährlich für das Rechtsgut“ sei, spielt dies für die Verwirklichung des Tatbestands keine Rolle. Hat er nämlich alle erforderlichen Merkmale des Tatbestands eigenhändig verwirklicht, handelt es sich um einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum, wenn er sich im Nachhinein darauf beruft, dass solch ein „ungefährliches Verhalten“ doch nicht strafbar sein könne. Befindet er sich allerdings im Versuchsbereich hängt das unmittelbare Ansetzen zur „objektiven Gefahrprognose“ von den subjektiven Vorstellungen des Täters ab, d.h. man könnte nun durchaus darüber diskutieren, ob eine weitergehende Vorverlagerung der Strafbarkeit keine „Vereinnahmung“ der Gefahrprognose durch den Täter legitimiert.1477 Dies würde aber dazu führen, dass der Versuch des Gefährlichkeitsdelikts erst dann strafbar ist, wenn der Täter selbst schon von einer Gefährdung des Rechtsguts ausgeht. Der hierbei angelegte Maßstab könnte dann dazu führen, dass man für den Versuch mehr „Gefährdungspotential“ abverlangt, als die Vollendung des Tatbestands voraussetzt. Selbst wenn man also (wohl zu Recht) diese Vorgehensweise ablehnt, d.h. der Gefährdungsmaßstab stets nach dem Willen des Gesetzgebers zu bestimmen bleibt, könnte man der Überlegung nachgehen, ob nach Vorstellung des Täters die vorgenommene Handlung zu einem „Näherrücken“ zur Rechtsgutsgefährdung bzw. eine „intensivere Beeinträchtigung“ angenommen werden kann. Dass solch ein Modell aber als echte „Erweiterung“ bzw. Konkretisierung gegenüber der Zwischenaktslösung bei Tätigkeitsdelikten angesehen werden kann, muss stark angezweifelt werden. 1473 Hier die häufiger als „Transporttatbestände“ titulierten Modalitäten der Ein- und Ausfuhr von Betäubungsmitteln. 1474 Inwiefern die Sphärentheorie aber tatsächlich „gebraucht wird“ und die Zwischenaktstheorie bei der versuchten Einfuhr „anreichern“ kann, wird sich noch zeigen, vgl. 3. Teil C. II. 1. b), S. 413 ff. 1475 Welche meist schlichte Tätigkeitsdelikte darstellen; zur Gegenüberstellung vgl. bereits 3. Teil B. II. 1. a), S. 334. 1476 LK/Hillenkamp § 22 Rn. 77; Kindhäuser, AT § 31 Rn. 17; Tiedemann, FS-Baumann, 1992, S. 12; Berz Jura 1984, 511 (513). 1477 Teils wird auch versucht, die Inkompatibilität des Gefährdungsgedankens mit Gefährlichkeitsdelikten dadurch aufzulösen, dass eine „Tatbestandsverwirklichungsgefahr“ gefordert wird. In der Sache ist dies allerdings nichts anderes, als eine Annäherung an die Zwischenaktslehre, vgl. LK/Hillenkamp § 22 Rn. 84.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Diese Überlegungen zum unmittelbaren Ansetzen dürften deutlich gemacht haben, dass die rudimentäre Regelung des § 22 StGB nur den äußeren Rahmen für die Versuchsstrafbarkeit bildet, im Übrigen aber die Bestimmung für jedes Delikt (und wiederum in jedem Einzelfall) gesondert vorzunehmen ist.1478 Da bestimmte Parameter einmal mehr, einmal weniger Berücksichtigung erfahren, können geringe Unterschiede im Detail trotz vergleichbarer Grundkonstellation zu einer anderen Beurteilung führen.1479 Diese Abhängigkeit der Versuchslehren vom konkreten Einzelfall äußert sich auch in den mehr oder weniger ausgeprägten Modifikationen der Grundformel bei mittelbarer Täterschaft oder Mittäterschaft. Während man bei der Mittäterschaft (auf dem Papier) noch darüber diskutiert, ob das unmittelbare Ansetzen individuell zu bestimmen ist oder eine Gesamtlösung den Vorzug genießt,1480 hat sich für die mittelbare Täterschaft wohl die griffige Formel des BGH durchgesetzt, wonach ein unmittelbares Ansetzen anzunehmen sei, wenn der Hintermann das Geschehen aus der Hand gibt und der Tatmittler die tatbestandsmäßige Handlung alsbald, d.h. in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausführen soll.1481 Entscheidend für die vorliegende Abhandlung ist insofern, inwiefern die Rechtsprechung im Betäubungsmittelstrafrecht vom „gleichen Ansatzpunkt“ heraus operiert und die Bildung sowie Fortentwicklung jener Kasuistik einem einheitlichen Schema folgt, wie dies die Systematik des Allgemeinen Teils erfordert. Hierbei kann der Rückgriff in den Urteilsgründen zu Grundformeln bzw. das Erweitern dieser um bestimmte Parameter (sowie deren Häufigkeit) oder schon die mehr oder weniger häufige „Zitierung“ des § 22 StGB einen Einblick in die Berücksichtigung der Dogmatik des Allgemeinen Teils geben.
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BGH NStZ 2000, 418; Lackner/Kühl § 22 Rn. 4. Vgl. SSW/Kudlich/Schuhr § 22 Rn. 41. 1480 Wessels/Beulke Rn. 611 m.w. N. Der Streit verschärft sich, wenn eine Mittäterschaft nur aus Sicht eines Täters vorliegt und das unmittelbare Ansetzen des vermeintlichen Mittäters zurechnungsbegründend wirken soll, zusammenfassend Rengier AT § 36 Rn. 24. Derartige Fälle „vermeintlicher Mittäterschaft“ sind nicht nur Personen vorbehalten, die vermeintlich kooperierende Münzhändler ausrauben wollen (BGHSt 40, 299). Im Betäubungsmittelstrafrecht kann es häufiger vorkommen, dass man mit vermeintlichen „Freunden“ kooperiert, obwohl es sich um „Verräter“ (sprich V-Männer oder Verdeckte Ermittler) handelt, vgl. hierzu auch Otto/Petersen Jura 1999, 480 ff. Es wird interessant zu beobachten sein, wie diese innerhalb der Senate des BGH strittige Konstellation („untauglicher mittäterschaftlicher Versuch“) im Betäubungsmittelstrafrecht gelöst wird, vgl. hierzu den Exkurs bei 3. Teil C. II. 1. a) cc), S. 411 ff.; zu BGH NStZ 2004, 110 m. Anm. Krack NStZ 2004, 697; Heckler GA 1997, 72; Puppe, FSDahs, 2005, S. 173. 1481 BGHSt 30, 363 (366); 40, 257; vgl. auch Kraatz Jura 2007, 535; Kadel GA 83, 299; Küper JZ 1983, 361; monographisch K. S. Krüger, Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft. 1479
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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cc) Dreiteilung der Darstellung im Folgenden Die dargelegte Sachverhalts- und „Deliktsspezifität“ des § 22 StGB bringt nun deutlicher die Zweckmäßigkeit einer Dreiteilung von Deliktstypen zum Vorschein.1482 Denn jedenfalls im ersten Schritt hängt die „Deutlichkeit“ der Grenzen zwischen den Verwirklichungsstufen vom jeweiligen Deliktstypus ab. Beim Erfolgsdelikt sind die Stufen aufgrund der Abfolge „Handlung-Kausalität-Erfolg“ relativ einfach erkennbar. Hat der Täter bereits tatbestandliche Handlungen vorgenommen, kann jedenfalls ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung gem. § 22 StGB angenommen werden (siehe oben), sodass nur noch im Raume steht, ob dieser Versuch „erfolgreich“ wird oder eben nicht (etwa weil der Versuch fehlschlägt oder der Täter von seinem Vorhaben durch einen Rücktritt gem. § 24 StGB wieder Abstand nimmt). Die Grenze zwischen strafloser Vorbereitung und Versuchsbereich verläuft ebenso klar vor der Vornahme der maßgeblichen Handlung. Bei Tätigkeitsdelikten fällt das erste Abgrenzungskriterium dagegen weg: Da allein die Tathandlung maßgeblich für die Tatbestandsverwirklichung ist, „mischt“ sich nun die Tatbestandsverwirklichung unter den Versuchsbereich und die straflose Vorbereitung. Nun ist dies bei den konkretisierten Tätigkeitsdelikten (wie beim Anbau oder der Falschangabe) zumindest dogmatisch nicht weiter bedenklich, da § 22 StGB vom unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (und nicht etwa von „Erfolgsverwirklichung“) spricht. Schließlich kann unter Zuhilfenahme der Teilaktstheorie immer noch bestimmt werden, welche Handlungen unmittelbar vor der tatbestandsverwirklichenden Handlung liegen (soz. als Faktor „x“) und welche nicht (Faktor „0“).1483 Dies funktioniert aber nicht mehr, wenn die maßgebliche Handlung mehrere verschiedene Verhaltensweisen umfasst und kein tatbestandsmäßiger Erfolg (auf den diese Handlungen womöglich zusteuern) sie begrenzt. Der Faktor „0“ fällt somit bei multiplen Tätigkeitsdelikten zunächst weg.1484 dd) Geringe Bedeutung der Versuchsstrafbarkeit in der Praxis? Das versuchte Betäubungsmitteldelikt hat in der Praxis trotz der weitreichenden Anordnung der Versuchsstrafbarkeit gem. § 29 II BtMG und den Verbre1482
Vgl. 3. Teil B. II. 1. a) dd), S. 343 ff. Dies sollte nicht den Blick dafür verschließen, dass der Versuch eines abstrakten Gefährdungsdelikts (bzw. schlichten Tätigkeitsdelikts) eher ein „konstruktivistisches als ein ernst zu nehmendes Sachproblem darstellt, Paeffgen, FS-BGH, S. 695 (723). 1484 Das macht sich schon an der Kombination des § 22 StGB mit der Definition des Handeltreibens bemerkbar: Wer nach seiner Vorstellung unmittelbar dazu ansetzt, eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit vorzunehmen, wird. . . bestraft. Es sei denn, man kann den Handlungen doch einen gemeinsamen Kern entnehmen (dies gilt es i. R. d. der Ausführungen zum Handeltreiben herauszufinden, vgl. 3. Teil C. V. 1., S. 475 ff. 1483
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
chenstatbeständen der §§ 29a ff. BtMG (bis auf eine einzige Ausnahme) keine erhebliche Bedeutung.1485 Dies hat seinen Grund zum einen in der gesetzgeberischen Ausgestaltung des BtMG als „Umgangsverbotsstrafrecht“, in dem mehrere Einzeltathandlungen eines Gesamt-„Prozesses“ ausgestanzt wurden, die sich u. U. tatsächlich bedingen und chronologisch aufeinander aufbauen. Die Vollendungsstrafbarkeit reicht vom Umgang mit Samen und Grundstoffen1486 und endet mit dem Erwerb erst kurz vor dem Konsum. Exemplarisch sei die Tathandlung der Herstellung genannt, welcher regelmäßig ein Anbau von BtMG bzw. der Erwerb eines Grundstoffs vorgeht, die als Versuchs- bzw. Vorbereitungshandlungen bewertet werden könnten; diese sind aber schon eigenständig unter Strafe gestellt, sodass es auf den Versuch des Herstellens nicht ankommen kann bzw. dieser vom Vollendungstatbestand verdrängt würde. Hinzutritt, dass es im Modell der h. M. nur selten zu einer „isolierten“ Betrachtung der Handlungsvarianten kommt, da sie alle Teilakte des Handeltreibens darstellen, wenn der Täter die jeweilige Handlung umsatzbezogen vornimmt, wobei das Handeltreiben selbst keinen – systematisch ableitbaren – Versuchsbereich durchläuft.1487 Es werden einzelne Handlungen, die „potentiell“ Versuchshandlungen anderer Handlungen darstellen könnten, unter einen Tatkomplex verklammert, der in seiner „Gesamtheit“ zur Vollendung der Tat führen soll.1488 Dies setzt sich auf Ebene der Qualifikationen fort, da auch in den §§ 29a ff. BtMG das Handeltreiben als „Überlagerungstatbestand“ alle sonstigen Tatmodalitäten und Versuchskonstellationen zurückdrängt. Damit ist zugleich die oben bereits angedeutete „Ausnahme“ angesprochen: Erst wenn eine bestimmte Tathandlung „isoliert“ vom Handeltreiben zu einer Strafschärfung führt, spielt der Versuch (einer Qualifikation) strukturell und somit auch in der Praxis eine Rolle. Dies gilt u. a. für § 29a I Nr. 1 BtMG, aber in erster Linie für § 30 I Nr. 4 BtMG, der einen bestimmten Teilakt des Handeltreibens „isoliert“ und die Mindeststrafe nochmals um ein Jahr anhebt, wenn der Täter Betäubungsmittel in nicht geringen Mengen einführt. Als weitere Qualifikation, denen nicht schon aufgrund des Umgangs mit nicht geringen Mengen „faktisch“ kein Handeltreiben immanent ist, sei das Sichverschaffen mit Waffen gem. § 30a II Nr. 2 BtMG genannt.
1485 Wie auch die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, vgl. 3. Teil A. II. 2. f), S. 226 ff., weswegen hier auch vorgeschlagen wird, sie grundsätzlich zu beschränken, vgl. noch 3. Teil C. III. 3., S. 428 f. 1486 Wobei selbst der Umgang mit Grundstoffen eine Stufe davor eigenständig pönalisiert wird, §§ 29 ff. GÜG. 1487 Siehe noch ausführlich 3. Teil C. IV. 3., S. 467 ff. 1488 Dass im Bereich des versuchten Umgangs zum Eigenverbrauch nicht viele Urteile publik werden, dürfte im Bezug auf den geringen Unwert der Tat (vgl. §§ 31a BtMG, 153 ff. StPO) nicht überraschen.
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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II. Die Deliktsverwirklichungsstufen bei den Erfolgsdelikten des BtMG Die Handlungsmodalitäten wurden bereits den hier zugrundegelegten Deliktstypen zugewiesen.1489 Zu den Erfolgsdelikten des BtMG zählen zum einen die Verfügungswechseltatbestände1490 und zum anderen die Verbringungsverbote (der Ein-, Aus- und Durchfuhr). Was die Einfuhr anbelangt,1491 differenziert die h. M. zwischen „echten Einfuhrfällen“ (Täter will die Droge in die Bundesrepublik verbringen) und „unechten Einfuhrfällen“ (für den Täter ist die Bundesrepublik nur eine Zwischenstation),1492 wobei diese terminologische Zuordnung noch keinen rechtlichen Aussagehalt hat; ein „Durchfuhrwille“ des Täters überlagert nicht per se den objektiven Tatbestand der Einfuhr. 1. Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln a) Vollendung des Tatbestands aa) Definition Als Einfuhr ist jedes Verbringen von Betäubungsmittel aus dem Ausland in das deutsche Hoheitsgebiet zu verstehen.1493 Es handelt sich nach ganz h. M. um ein Erfolgsdelikt, sodass die formelle Vollendung (vgl. § 2 II BtMG) zu dem Zeitpunkt eintritt, „in dem das Rauschgift die Grenze zu diesem Gebiet passiert“.1494 Eine persönliche Überschreitung der Grenze ist nicht notwendig, d.h. bei der Einfuhr handelt es sich nicht um ein eigenhändiges Delikt, weswegen eine mit1489
3. Teil B. II. 1. a) dd), S. 343 ff. Bei den Verfügungswechseltatbeständen liegen Handlung und Erfolg nahe zusammen und der Versuchsbereich verengt sich faktisch auf den Akt der „Übergabe“. 1491 Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Rauschgiftschmuggels Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 29. 1492 MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 536. 1493 BGHSt 3, 44; BGH NStZ 2000, 150, vgl. Fn. 90; zusammenfassend Patzak/Bohnen, Teil D Rn. 42; Zollausschlussgebiete sind somit ebenfalls einbezogen, vgl. Körner/ Patzak § 29 Teil 5 Rn. 24; wobei § 2 II BtMG nicht von „deutschem Hoheitsgebiet“, sondern vom Geltungsbereich des Gesetzes spricht, welcher wiederum durch internationale Übereinkommen an Grenzgebieten modifiziert werden kann; zu vorgeschobenen Grenzdienststellen grundlegend BGHSt 31, 215 m. krit. Anm. Bick StV 1983, 330; BGH NStZ 1982, 293; ein Irrtum des Täters über den Geltungsbereich des BtMG wäre auf den ersten Blick als unbeachtlicher Subsumtionsirrtum zu behandeln; dies gilt allerdings nur insoweit, als der Täter überhaupt bemerkt hat, eine Grenze passiert zu haben, vgl. MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 546; vgl. auch Nestler, Transferdelikte, S. 242; Spiegelbildlich auszulegen ist die Ausfuhr, deren praktische Bedeutung jedoch gering ist, da die Bundesrepublik kein Drogenherstellungsland ist, jedenfalls der überaus größte Anteil der in Deutschland gehandelten Betäubungsmittel aus dem Ausland stammt, vgl. Malek, 2. Kap. Rn. 204. 1494 BGH v. 21. 3. 1991 – 1 StR 19/91, StV 1992, 376. 1490
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
täterschaftliche Zurechnung des Einfuhrvorgangs ebenso möglich bleibt1495 wie eine mittelbare Täterschaft. Folglich reicht es aus, wenn der Täter die Betäubungsmittel „verbringen lässt“, soweit er Tatherrschaft über den Verbringungsakt hat, vgl. noch weiter unten.1496 Das Passieren einer Kontrollstelle ist in Zeiten sich mehrender „grüner Grenzen“ 1497 nicht notwendig.1498 Zaczyk will den Tatbestand in Konstellationen, in denen zum Schutze der „Volksgesundheit“ ein Kontrollmechanismus existiert, dahingehend einschränken, dass ein erfolgreiches „Passieren“ festgestellt ist;1499 Präventionsmaßnahmen haben aber auch bei Gefährlichkeitsdelikten nicht die Kraft, das materielle Unrecht der Tat zu beeinflussen, zumal stets ein hohes Restrisiko verbleibt. Umgekehrt kann ein Täter, welcher Drogen über die „grüne Grenze“ transportiert, „zufällig“ durch Zollbeamte entdeckt werden.1500 Bei den eingeführten Substanzen muss es sich um Betäubungsmittel i. S. d. § 1 BtMG handeln, d.h. eine „Umwandlung“ des untauglichen Versuchs in eine Vollendungsstrafbarkeit – wie beim Handeltreiben – kommt bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln nicht in Betracht1501 (bereits semantisch macht es einen Unterschied, ob man mit Betäubungsmitteln Handel treibt oder Betäubungsmittel einführt1502). Sind die Betäubungsmittel innerhalb der „Kontrollherrschaft“ des Einführenden über die Grenze gelangt, ist der Tatbestand auch vollendet, wenn die Polizei oder der Zoll das Rauschgift kurz nach Grenzübertritt entdeckt.1503 An der formellen Vollendung des Tatbestands ändert sich nichts,1504 vielmehr 1495 Hier ist aber zu berücksichtigen, dass man sich bei der Bestimmung der Tatherrschaft am eigentlichen Einfuhrvorgang zu orientieren hat und nicht auf ein dahinterstehendes Motiv (insbesondere laufendes Gesamtgeschäft) abstellen darf, näher hierzu noch 3. Teil D. III. 3. a) aa) (2), S. 605 ff. 1496 BGHSt 34, 180; dass solch eine Formulierung allerdings „gefährlich“ ist, gilt es noch aufzuzeigen, 3. Teil D. III. 3. a) aa) (2), S. 605 ff. 1497 Vgl. noch Fn. 1544 in Teil 3. 1498 Ferner ist auch keine Verletzung der Gestellungspflicht (vgl. § 372 AO) notwendig, BGHSt 31, 252. 1499 Zaczyk StV 1992, 377 (378); vgl. auch C.Nestler HdBBtmStrR § 11 Rn. 342; zur Notwendigkeit der Umgehung der Gestellungspflicht – auch bezüglich anderer Einfuhrbeschränkungen – siehe Nestler, Transferdelikte, S. 254 ff. 1500 Vgl. Zaczyk StV 1992, 377 (378). 1501 Zu diesen Überlegungen vgl. bereits Fn. 1453 in Teil 3; siehe hierzu BGH StV 1997, 638; OLG Köln 3 Ss 338/83. 1502 Gemeint ist, dass man mit Betäubungsmitteln auch „Handel treiben“ kann, ohne dass diese aktuell vorhanden sind, während die Einfuhr als „tatsächliche Handlung“ auch faktisch die Existenz eines „echten Betäubungsmittels“ voraussetzt, siehe hierzu noch ausführlich Fn. 1782 in Teil 3. 1503 Weber § 29 Rn. 766; MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 500; krit. Hügel/Junge/ Lander/Winkler § 29 Rn. 5.2., 3. Teil C. II. 1. a) bb), S. 407 ff. 1504 Dies gilt auch für den Fall, wenn ein Drogenpaket (aus Mombasa) die deutsche Grenze auf dem Luftpostweg passiert hat und von den Flughafenbehörden entdeckt wird, vgl. BGH v. 01.10.1986 – 2 StR 335/86.
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handelt es sich um eine Sicherstellung zum Zeitpunkt der Beendigung der Tat.1505 Dass es auch Fälle geben kann, in denen es tatsächlich zu einem „ursprünglich vom Täter veranlassten“, aber diesem nicht mehr zurechenbaren Grenzübertritt kommt, wurde bereits dargelegt.1506 Insofern muss man Fälle, in denen man dem Täter die objektiv erfolgte Einfuhr nicht zurechnet (im Regelfall jedenfalls Versuch) von Situationen unterscheiden, in denen es niemals zum Grenzübertritt kommt (dann Abgrenzung zur straflosen Vorbereitung). bb) Versuch trotz Grenzübertritt? Die Tatherrschaft zum Zeitpunkt des Grenzübertritts als Zurechnungsvoraussetzung Ist die Tatherrschaft des Täters zum Zeitpunkt des Grenzübertritts auf einen Dritten übergegangen, scheidet eine objektive Zurechnung der Einfuhr aus bzw. es handelt sich um eine wesentliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf.1507 Zwar muss der Täter nach h. M. keine Verfügungsmacht über die Drogen im Inland haben (sonst gäbe es beispielsweise keine Einfuhr mittels Postsendung), er muss aber Tatherrschaft über den Einfuhrvorgang als solches haben. Zum Bereich fehlender Tatherrschaft gehört als wichtiges Beispiel das Abhandenkommen der Drogen.1508 Darüber hinaus werden an dieser Stelle die Fälle diskutiert, in denen der Einfuhrvorgang selbst unter polizeilicher oder zollamtlicher Kontrolle stattfindet, die Betäubungsmittel „sozusagen unter den Augen von Polizei oder Zoll die Hoheitsgrenze passieren“; diese Fallgruppe wurde bis vor kurzem nicht einheitlich beantwortet. Die h. M. ging aus, dass die „kontrollierte Einfuhr“ nichts an der Vollendung der Tat ändere.1509 Dieser Auffassung sind Hügel/Junge/Lander/Winkler entgegengetreten,1510 da im Gegensatz zum Handeltreiben die Kontrollherrschaft des Täters zum Zeitpunkt des Einfuhrvorgangs Tatbestandsmerkmal sei. Hat aber die Polizei bereits den gesamten Transport „unter Kontrolle“, könnte man davon ausgehen, dass dem Täter zum Zeitpunkt der Tat (§ 16 StGB!) die Verfügungsmacht über das Betäubungsmittel bereits entzogen ist. Der eigentliche Einfuhrvorgang ist mangels Tatherrschaft dann nicht mehr dem Täter, sondern der Polizei zuzurechnen, sodass sie auch für das erhöhte Gefährdungsrisiko (das sie im Gegensatz zum Täter u. U. schaffen darf) „zu haften hat“. 1505 Bzgl. der Beendigung der Einfuhr besteht Konsens. Man nimmt dies an, wenn die Drogen an einem „sicheren Ort zur Ruhe gekommen sind“, so schon BGHSt 3, 40 (44); vgl. BGH NJW 1990, 654; BGH NStZ-RR 1997, 319; MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 541. 1506 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 150. 1507 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 153. 1508 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 152. 1509 BGH NStZ 1986, 274; Malek Rn. 238; Weber § 29 Rn. 766. 1510 Hügel/Junge/Lander/Winkler 29 Rn. 5.2.; teils beipflichtend MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 509.
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Der Übergang der Tatherrschaft hängt vom Einzelfall ab. Zur Erläuterung: In einem Beschluss vom 21.03.1991 weist der Erste Senat die Bedenken des Generalbundesanwalts zurück, welcher im Fall einer mittäterschaftlichen Einfuhr zu einem Versuch tendiert, weil der Mitangeklagte nach seiner Festnahme bereits 111/2 Stunden zuvor den Zollbeamten die Ankunft des Komplizen angekündigt habe. Von diesem Zeitpunkt an sei das von O. mitgeführte Heroin objektiv nicht mehr auf dem Weg zum Konsumenten, sondern auf dem Weg in die Hände der Polizei gewesen.1511 Der Erste Senat lehnt dies ab, indem er auf § 2 II BtMG verweisend postuliert, dass es objektiv ausschließlich auf den Grenzübertritt ankomme. Dann müsste aber jede „irgendwie kausale“ Einfuhr dem Täter unabhängig von dessen Tatherrschaft und Tatherrschaftswillen zugerechnet werden. § 2 II BtMG definiert die „Einfuhr“ als Vorgang und nicht das „Einführen“ als Tathandlung. Insofern bleibt die Entscheidung nur im Ergebnis überzeugend, da der Täter bis zum Grenzübertritt noch die Tatherrschaft über das Geschehen hatte.1512 Entscheidend bleibt, dass das bloße Wissen des Zolls bzw. der Polizei um die Tatbegehung (ohne detaillierte Kenntnisse rund um die genaue Ankunft und Route) nicht dazu führt, dass die Behörden die Einfuhr abwenden könnten. Dass der Erste Senat selbst diese differenzierte Betrachtungsweise letztlich zugrundelegt, geht aus seinem kurze Zeit darauf später – bereits behandelten Beschluss vom 11.07.1991 (BGHSt 38, 32) – hervor. Dort benennt er in einem Fall des Abhandenkommens von Drogen obiter dicta noch ein weiteres Versuchsbeispiel und beschwört damit eine Konstellation herauf, die sich ca. zwanzig Jahre später fast genauso abspielt: „Das gleiche würde auch für den Fall gelten, daß das von dem Täter in einem Postpaket auf den Weg gebrachte Rauschgift unterwegs von einem
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BGH StV 1992, 376. Die Entscheidung bleibt für den „aufklärenden“ Angeklagten ein „hartes Brett“, da er zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens eine von Anfang an untaugliche „Rücktrittshandlung“ vornimmt, die insofern sogar zur „Vollendung“ des Tatbestands (bzw. zu deren Entdeckung) beiträgt, sodass man ihm im nächsten Schritt § 24 StGB wieder wegnehmen muss und gar die eigene „Teilmenge“ zurechnet (dass der Erste Senat selbst mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden ist, ergibt sich aus seinen Formulierungen zur Strafzumessung: „. . .Zwar hat das Landgericht auch dem Angeklagten in besonderem Maße die Vergünstigung aus der Vorschrift des § 31 BtMG zu Gute gehalten und hat hierbei wesentlich darauf abgestellt, dass er alsbald nach seinem Aufgreifen die bevorstehende Schmuggel-Einreise seines Komplizen preisgegeben hat. Die Ausführungen lassen aber nicht erkennen, ob sich das Landgericht der besonderen Bedeutung dieses Verhaltens bewusst war. . . Das konnte die Vollendung der Einfuhr durch den Mittäter O. zwar nicht verhindern, führte aber zur sofortigen Aufdeckung der Tat, weshalb das Verhalten des Angeklagten Z. insoweit an der untersten Grenze des strafbaren Verhaltens liegt. . .“. Da die Strafschärfung an die nicht geringe Menge knüpft, könnte man darüber nachdenken, ob nicht zumindest ein Teilrücktritt von der Qualifikation in Betracht kommt, vgl. Zaczyk StV 1992, 377 (379). Problematisch ist aber, dass die nicht geringe Menge an eine Tathandlung knüpft und nicht als isoliert davon zu betrachtender Zustand ist, sodass die Sicherstellung der Teilmenge keine taugliche Rücktrittshandlung darstellt, wenn die Einfuhr ihrerseits bejaht wurde. 1512
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Postbediensteten entdeckt, unterschlagen und nach Umadressierung weitergeleitet und eingeführt wird.“ Was in BGHSt 38, 32 noch konstruiert wirkt, kehrt im amtlichen Leitsatz von BGHSt 56, 162 (15.02.2011) wieder, wenn – erneut der Erste Senat – feststellt:1513 „Die Einfuhr von Betäubungsmitteln auf dem Postweg ist nicht vollendet, wenn die Betäubungsmittel bei einer Zollkontrolle im Ausland entdeckt und aufgrund einer Absprache der ausländischen und der deutschen Zollbehörden im Wege eines bewachten Weitertransports nach Deutschland gebracht werden; insoweit kommt jedoch eine Strafbarkeit wegen einer versuchten Einfuhr – ggf. in Tateinheit mit vollendetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln – in Betracht.“ Der Grund für dieses abweichende Ergebnis ist, dass im Gegensatz zum Fall des Aufklärungsgehilfen die Ermittlungsbehörden tatsächlich die Chance hatten, die Grenzüberschreitung nach Deutschland abzuwenden. Oder umgekehrt formuliert: „Der unbemerkte Verlust der Herrschaft1514 über die Betäubungsmittel durch die Wegnahme unterbrach die von dem Auftraggeber des Drogentransports und dem Kurier in Lauf gesetzte und begründete eine völlig neue, unabhängige Kausalkette.“ In concreto hatten die Angeklagten eine zum Weiterverkauf bestimmte Menge von 567 g reinem Kokain bei unbekannten Drogenhändlern in Venezuela bestellt. Das Betäubungsmittel wurde entsprechend dem gemeinsamen Tatplan dort in eine Wanduhr eingearbeitet. Anschließend wurde diese bei der Post aufgegeben und per Luftfracht nach Deutschland abgesandt. Als Empfängerin war die bei München wohnhafte Mutter eines der beiden Angeklagten angegeben. Bei einer Kontrolle auf dem Flughafen in London wurde das in die Wanduhr eingearbeitete Betäubungsmittel von britischen Zollbeamten entdeckt. Diese kontaktierten daraufhin die zuständigen deutschen Zollbehörden und verständigten sich mit diesen auf einen bewachten Weitertransport der Wanduhr nach Deutschland. Zu diesem Zweck wurde das die Uhr enthaltende Paket versiegelt und in die persönliche Obhut des Kapitäns des nach München fliegenden Flugzeugs der British Airways gegeben. Nach der Ankunft in München übergab der Flugkapitän das versiegelte Paket sofort an die darauf wartenden Zollbeamten, welche die Wanduhr mit dem Betäubungsmittel sogleich beschlagnahmten. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde an die Mutter lediglich eine Kopie der Uhr ausgeliefert, die kein Betäubungsmittel enthielt.1515
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BGHSt 56, 162. BGHSt 56, 162 (163), Hervorhebung durch den Verfasser. 1515 Die Schilderung des gesamten Sachverhalts sollte zugleich als Demonstration akribisch genauer und aufwändiger Arbeit von Drogenermittlern fungieren, wenn für ein Päckchen mit 500 g Kokain mit dem britischen Zoll gemeinsam operiert, der Kapitän der British Airways eingebunden und sogar eine Kopie der Wanduhr besorgt wird, damit die Ermittlungen vorerst nicht auffallen; zu den rechtlichen Voraussetzungen derartiger Methoden Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 81. Diese Vorgehensweise verdient Respekt. Aber nicht das Tatgericht darf es „belohnen“, indem es entgegen der Regeln 1514
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Auch hier stellt der BGH nicht auf die inzwischen fehlende Tatherrschaft ab,1516 sondern verneint die subjektive Zurechnung, da eine Einfuhr auf diese Art und Weise nicht vom Vorsatz der Beteiligten getragen sei, vielmehr eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf gem. § 16 StGB vorliege. Diesbezüglich bringt der Erste Senat dann auch überzeugend zum Ausdruck, dass die Frage einer an Zollstellen „nicht atypischen Kontrolle“ nicht mit der Frage vermengt werden darf, ob nach erfolgreicher Kontrolle die Drogen weiter nach Deutschland transportiert werden:1517 „. . .Die das Kokain enthaltende Wanduhr hätte vielmehr schon durch die britischen Behörden beschlagnahmt und durch ein Imitat ersetzt werden können – wie dies tatsächlich dann auch in Deutschland geschehen ist –, ohne die Überführung der Angeklagten im Empfangsland zu gefährden; die Übermittlung der auf diese Weise im Ausland gewonnenen Beweismittel hätte auch im Wege der Rechtshilfe erfolgen können.“ Da die Angeklagten aber durch die Aufgabe des Pakets zur Post das Geschehen aus der Hand gegeben haben,1518 muss von einem fehlgeschlagenen Versuch der Einfuhr in nicht geringen Mengen ausgegangen werden.1519 Die Unterscheidung nach dem Kriterium der Tatherrschaft führt auch in den Fällen der V-Mann-Kuriere zu befriedigenden Ergebnissen: Solange der Hintermann Einfluss auf den V-Mann bis zum Zeitpunkt des Grenzübertritts hat (beispielsweise ihn – durch ein Telefonat – rein hypothetisch davon abhalten könnte, die Grenze zu passieren), kann der Trans-
zur Tatherrschaftsdogmatik und zur Lehre von der wesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf eine vollendete Einfuhr annimmt und den Ermittlungsbehörden § 23 II StGB „schenkt“. 1516 Es wird folglich nicht schon die objektive Zurechnung des Verhaltens abgelehnt, etwa aufgrund eines atypischen Kausalverlaufs bzw. Drittverhaltens (fehlende Realisierung der missbilligten Gefahr im Erfolg in seiner konkreten Gestalt), vgl. hierzu bereits 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 152. 1517 M.a.W. gibt es bezüglich der ermittlungstaktischen Vorgehensweise keinen Maßstab des allgemein Vorhersehbaren, weswegen es den Angeklagten auch nicht angelastet werden kann, dass die Drogen nach ihrer Entdeckung weitergeleitet wurden. Insofern könnte bei einer objektiven Betrachtung auch ein „atypischer Kausalverlauf“ angenommen werden, obwohl die Entdeckung als solches nicht atypisch ist, da diese eben auch nicht maßgeblich ist, sondern vielmehr der Akt der „Weiterleitung“. Diesbezüglich würde es aber verfehlt anmuten, eine von vielen möglichen kriminaltaktischen Entscheidungen als typischen Kausalverlauf zu bezeichnen: „Welchen Weg die zuständigen Behörden letztlich wählen, um die Beteiligten einer Betäubungsmitteleinfuhr zu überführen, obliegt im Einzelfall allein ermittlungstaktischen Erwägungen und ist jedenfalls vorliegend – auch für die Angekl. – nicht voraussehbar gewesen.“ 1518 Bzw. alles aus ihrer Sicht Erforderliche getan hatten. 1519 Weswegen es auch nur bei einer Änderung des Schuldspruchs blieb; und es kommt wieder einmal zum Vorschein, dass sich der seltene Fall einer erfolgreichen Sachrüge als „Pyrrhussieg“ erweist, wenn es auf die Änderung des Schuldspruchs hin heißt: „Der Senat braucht in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob hier überhaupt eine fakultative Strafrahmenmilderung wegen Versuchs nach §§ 23 II, 49 I StGB in Betracht gekommen wäre, was bereits angesichts des Umstands, dass die Tatvollendung nur durch Zufall verhindert werden konnte, eher fernliegend erscheint . . .“
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port genauso verlaufen, wie er sich dies vorstellt, sodass trotz Überwachung des Transports eine vollendete Einfuhr angenommen werden kann.1520 cc) Sonderfall „Versuchsbeginn bei Mittäterschaft“: Der „Münzhändlerfall“ in betäubungsmittelstrafrechtlichem Gewand Soweit mehrere Täter arbeitsteilig zusammenwirken,1521 kann sich bzgl. der Versuchsstrafbarkeit der Beteiligten die Frage stellen, wann von einem unmittelbaren Ansetzen auszugehen ist.1522 Hier hat sich die „Gesamtlösung“ 1523 gegenüber der Einzellösung1524 durchgesetzt, d.h. bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Mittäterschaft (gemeinsamer Tatplan, Tatausführung) ist die Versuchsschwelle nicht für jeden Mittäter isoliert zu beurteilen, sondern bereits dann überschritten, wenn auch nur ein Mittäter i. R. e. gemeinsamen Tatentschlusses unmittelbar ansetzt.1525 Dabei stellt sich im nächsten Schritt die Frage, ob der Gesamtlösung jedenfalls dann die Legitimationsgrundlage entzogen ist, wenn der unmittelbare Ansetzende nur vorgibt, Mittäter zu sein1526 oder gutgläubig agiert und nur ein Teil der Mittäter davon ausgeht, dass dieser in den Gesamtplan eingeweiht sei. In der einschlägigen, viel diskutierten Münzhändlerkonstellation1527 hatte der Vierte Senat noch eine „Zurechnung“ (i. S. e. „rechtlich untauglichen Versuchs“?) für möglich gehalten, wenn nach Vorstellung der Mittäter die Handlung des Täters ein unmittelbares Ansetzen (Täuschungshandlung gegenüber der Versicherung) darstellte. Dies wurde nicht nur von der h. L. kritisiert; auch der Zweite und Dritte Senat sahen im unmittelbaren Ansetzen des vermeintlichen Mittäters eine unverzichtbare „Mindestvoraussetzung“.1528 Da der „vermeintliche Mittäter“ gutgläubig agierte, handelt es sich um eine eher atypische Konstella1520 Der Senat will die unterschiedliche Behandlung zu überbewachten Geschäften mit rechtsgutsorientierten Überlegungen stützen („. . .es bestand angesichts der getroffenen Sicherheitsvorkehrungen – anders als bei illegalen Drogentransporten, die von der Polizei lediglich observiert werden – nicht einmal die abstrakte Gefahr, dass die Betäubungsmittel in die Hände von Unbefugten gelangen könnten und entgegen den Bestrebungen der Ermittlungsbehörden doch noch in den Verkehr gebracht werden. . .“). Jedenfalls aus rechtsgutsbezogener Perspektive überzeugt es aber nicht, allein aufgrund des Risikos eines „zu späten Zugriffs“ den Fall anders zu bewerten. 1521 In Einfuhrfällen nicht selten, vgl. noch 3. Teil.D. III. 3. a) aa) (3), S. 613 ff. 1522 Zusammenfassend Rengier AT § 36 Rn. 24. 1523 BGHSt 39, 236 (237 f.); Wessels/Beulke Rn. 611; Heinrich AT I Rn. 740 ff. 1524 Roxin AT II § 29 Rn. 297 ff.; SK/Rudolphi § 22 Rn. 19a. 1525 Wessels/Beulke Rn. 611; BGHSt 36, 249. 1526 Man denke an einen verdeckten Ermittler oder an einen Aufklärungsgehilfen, dessen Tatbeitrag schon „im Keim erstickt“ und unter polizeilicher Kontrolle fortgeführt wird. Siehe auch Otto/Petersen Jura 1999, 480 ff. 1527 BGHSt 40, 299. 1528 BGHSt 39, 236 (238); Zopfs Jura 1996, 19 ff.; Rath Jus 1999, 140 (144); Erb NStZ 1995, 424; Streng ZStW 109 (1997), 890; Küpper/Mosbacher JuS 1995, 488; Geppert Jura 2011, 37 (37 f.).
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tion. Im Betäubungsmittelstrafrecht kann es dagegen aufgrund des Einsatzes von V-Leuten und verdeckten Ermittlern bzw. der Strafmilderung gem. § 31 BtMG häufiger zu umschwenkenden Mittätern kommen, die dann allerdings auch nicht gutgläubig agieren, sondern ganz bewusst von einem früheren Tatplan Abstand nehmen.1529 Mit solch einem „typischeren Fall“ hatte sich der Vierte Senat nach seiner Münzhändlerentscheidung ebenfalls zu befassen und nutzte die Konstellation, sich von seiner früheren Entscheidung wiederum „zu distanzieren“, wenn auch nicht vollständig aufzugeben.1530 Im konkreten Fall vereinbarten die Angeklagten auf dem Postwege aus Kolumbien 3 kg Kokain nach Deutschland einzuführen, um es gewinnbringend weiterzuveräußern. Einem Dritten fiel die Aufgabe zu, das Rauschgift in Kolumbien zu beschaffen und für dessen Versendung nach Deutschland zu sorgen. Entsprechend dieser Vereinbarung schloss er in Kolumbien mit einem unbekannten Lieferanten einen „Vertrag“ über den Ankauf von 3 kg Kokain, das in Filmrollen versteckt in einem Paket per Post nach Deutschland versandt werden sollte. Tatsächlich wurde auf Veranlassung des Dritten in Kolumbien von einem Unbekannten ein Paket mit Filmrollen bei der Post aufgegeben. Das Paket war an eine von den Angeklagten zuvor vereinbarte Anschrift in Deutschland adressiert und sollte von den Angeklagten in Empfang genommen werden. Entgegen der Vorstellung der Angeklagten enthielten die in dem Paket befindlichen Filmrollen jedoch entweder von vornherein kein Rauschgift oder dieses wurde auf dem Postwege durch Austausch der Filmrollen entfernt. Das an der Lieferanschrift in Deutschland angelangte Paket mit 6 Filmrollen enthielt jedenfalls keine Betäubungsmittel. Eine Vollendung der Einfuhr scheitert somit bereits am Merkmal „Betäubungsmittel“. Ein (untauglicher) Versuch bleibt indessen fraglich, da die Sachverhaltsfeststellungen auf eine bösgläubige Handlung des Dritten deuten.1531 Im ersten Schritt müsste man darüber nachdenken, ob bzgl. der Einfuhr zwischen „Besteller“ und „Lieferanten“ überhaupt eine Mittäterschaft in Betracht kommt. Typischerweise handelt es sich bei der Bestellung nur um „Anstiftungsunrecht“,1532 soweit man auf die Art und Weise des Transports keinen maßgeblichen Einfluss hat.1533 Bejaht man eine Mittäterschaft ausnahmsweise,1534 muss 1529 Insofern dürfte nun deutlich geworden sein, warum diese Sonderkonstellation – Stichwort „Versuch trotz Grenzübertritt?“ – auch gleich in diesem Zusammenhang dargestellt wurde. 1530 BGH NStZ 2004, 110, 697 m. krit. Anm. Krack. 1531 Bzw. solch eine Deutung jedenfalls nicht lebensfern wäre, wenn man in Betracht zieht, dass der „Mittäter“ bereits vor dem unmittelbaren Ansetzen die Betäubungsmittel aus den Filmrollen entwendet haben könnte, sprich nur vorgab, er wäre Mittäter der Einfuhr. 1532 Vgl. hierzu noch ausführlich 3. Teil D. III. 3. a) aa) (2), S. 605 ff. 1533 Es drängt sich die Überlegung auf, wie Vertreter der Einzelaktslösung, u. a. Roxin mit dem Versuchsbeginn des Bestellers umgehen bzw. diesen ermitteln; diese wür-
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man wohl davon ausgehen, dass in solch einer Konstellation, in der die übrigen Beteiligten ohnehin keinen „Einzelakt“ vornehmen könnten, diese erst recht nur zur Verantwortung gezogen werden können, wenn der Lieferant zumindest einen untauglichen Versuch begeht,1535 mithin zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt. Ein ohne Tatvorsatz handelnder vermeintlicher Mittäter setzt objektiv nicht zur Tatbestandsverwirklichung an, sodass es dem Handeln „an einem rechtserschütternden“ und somit die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs legitimierenden Eindruck fehlt,1536 welches den Bestellern zugerechnet werden könnte. Insofern ist es im Ergebnis korrekt, dass der Vierte Senat seine Auffassung in der vorliegenden Entscheidung wieder „korrigiert“ hat (wenn auch mit einer kaum nachvollziehbaren Begründung) und einen untauglichen Versuch der unerlaubten Einfuhr in nicht geringen Mengen gem. § 30 I Nr. 4 BtMG ablehnt. Unberührt hiervon bleibt die Strafbarkeit wegen Handeltreibens in nicht geringen Mengen gem. § 29a I Nr. 2 BtMG sowie der Verabredung zu einem Verbrechen gem. 30 II StGB. b) Die Bestimmung des Versuchsbereichs und die Abgrenzung zur straflosen Vorbereitung bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln Jenseits der Fälle fehlender (subjektiver) Zurechnung des Einfuhrgeschehens, stellt sich die eigentliche Frage des Versuchsbeginns i. S. d. § 22 StGB. Hier wird der Rechtsprechung die Staatsgrenze als Fixpunkt „auf dem Silbertablett serviert“, da diese sich insofern bestens mit der von ihr favorisierten Teilaktstheorie verträgt.1537 Insofern wurde bereits angedeutet, dass der Einschlag einer räumlichen Sphäre die Dogmatik rund um den Einfuhrtatbestand genauso gut handhabbar macht, wie dies etwa beim unmittelbaren Ansetzen zum Wohnungseinbruchsdiebstahl gem. § 244 I Nr. 3 StGB oder Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB der Fall ist. In fast jedem Urteil, in dem es um die Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens bei § 30 I Nr. 4 BtMG geht, rekurriert der BGH daher auf oben beschriebene allgemeine Formel von § 22 StGB, wobei deren Anwendung den – vollkommen korrekt – unter Anwendung der Tatherrschaftslehre erst gar nicht zu einer Mittäterschaft gelangen; anders gewendet: Ein unmittelbares Ansetzen könnte hier nur über die Gesamtlösung begründet werden, da die Einzelakte der Besteller sich im Abholen der Ware erschöpfen, d.h. zu einem Zeitpunkt vorgenommen werden, in dem es bereits zur Vollendung des Delikts kam. 1534 Ob die vorliegende Konstellation als solcher bezeichnet werden kann, sei dahingestellt, vgl. hierzu noch 3. Teil D. III. 3. a) aa) (3), S. 605 ff. 1535 Mithin beispielsweise selbst davon ausgehen würde, dass die Filmrolle mit Drogen gefüllt ist, diese aber an der Grenze beschlagnahmt werden, wie im Wanduhr-Fall, S. 409 f. 1536 Kühl AT § 15 Rn. 93, § 20 Rn. 123a. Zum Ganzen auch Streng ZStW 109 (1997), 862 (890); Heckler GA 1997, 73. 1537 Krit. zur Anwendung der Teilaktstheorie im Nebenstrafrecht Tiedemann JR 1973, 412.
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im Einzelfall (Stichwort „§ 22 StGB als Rahmen und Ausgangspunkt“) von der jeweils bevorzugten Transportart abhängt.1538 Je nach dem, ob die Drogen zu Fuß (ggf. im Körper), mit dem Fahrrad, PKW oder Lastwagen, im Gepäck (Schiffs-, Bahn- oder Flugverkehr)1539 oder per Post transportiert werden, kann der Versuchsbeginn divergieren. Man kann insofern von einer Transportart-Akzessorietät der Einfuhrmodalität sprechen. aa) Einfuhr zu Fuß, mittels Fahrrad oder PKW (Einfuhr auf dem Landweg) Wenn von „Transportartakzessorietät“ die Rede ist, dann ist dies allerdings nicht viel mehr als eine anschaulichere Beschreibung für die Anwendung der allgemeinen Regeln. Denn in der Sache geht es nur um die typische Unterscheidung zwischen eigenhändiger Verwirklichung eines Tatbestands und mittelbarer Täterschaft, bei der generell (also auch bei kernstrafrechtlichen Deliktsgruppen) modifizierte Anforderungen an das unmittelbare Ansetzen gestellt werden. Maßgeblich ist, ob der Täter das Geschehen aus der Hand gegeben hat.1540 Man kann die Einfuhr „geschehen“ lassen (indem man als Beifahrer einsteigt, das Päckchen aufgibt oder den Zweite Klasse Waggon betritt) oder eben selbst in die Pedale treten, wobei es einleuchten dürfte, dass sich der Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens bei eigenhändiger Verwirklichung (bzw. Kontrolle über das Transportvehikel) nach „hinten“ bzw. „näher an die Grenze“ verlagert, da die Verwirklichung des Tatbestands sowohl objektiv als auch nach Tätervorstellung bis zum Grenzübertritt in den Händen des Täters liegt. Dementsprechend stellt der Dritte Senat in einem Beschluss vom 06.09.1989 für die Einfuhr mittels PKW fest: „Der Versuch der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in einem Kraftfahrzeug beginnt regelmäßig erst kurz vor Erreichen der Hoheitsgrenze oder der vor ihr eingerichteten Zollstelle. Denn zur Ausführung einer Straftat wird erst dann unmittelbar i. S. d. § 22 StGB angesetzt, wenn der Täter oder einer der Mittäter Handlungen vornimmt, die nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ,unmittelbar zur Tatbestandserfüllung‘ führen sollen oder die ,im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang‘ mit ihr stehen, wenn er also subjektiv die Schwelle zum ,jetzt geht es los‘ überschreitet und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so daß sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, läßt sich 1538 Der Rückgriff auf den Gedanken der tatbestandlichen Ausführungshandlung ist einem dagegen verwehrt, da das Fahren für sich noch nicht als tatbestandliche Ausführungshandlung gesehen werden kann, sondern irgendwann während der Fahrt in diese „umschlägt“, zutreffend Nestler, Transferdelikte, S. 336. 1539 Zu den verschiedenen Erscheinungsformen des Transports Nestler, Transferdelikte, S. 91 ff. 1540 Kühl AT § 20 Rn. 90 m.w. N.; a. A. Küpper GA 1998, 519, 521.
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bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln nicht für alle Fälle einheitlich – etwa nach der Entfernung von der Hoheitsgrenze – beurteilen, sondern hängt vom Tatplan und den äußeren Umständen ab. So mag ein Einfuhrversuch im Flugzeug oder in der Eisenbahn, etwa bei einer Zollkontrolle vor der Hoheitsgrenze früher beginnen, als in einem Kraftfahrzeug oder bei einem Fußgänger. Bei Fußgängern, Rad- und Kraftfahrern ist, bevor nach dem Tatplan ungestört zum Verbringen der Betäubungsmittel über die Hoheitsgrenze unmittelbar angesetzt werden kann, die Annäherung an die Grenze vorgelagert. An einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandserfüllung fehlt es, wenn der in einem Kraftfahrzeug befindliche Täter noch einige Kilometer bis zur Grenze zu überwinden hat. Die Schwelle zum ,jetzt geht es los‘ wird regelmäßig erst überschritten, wenn er sich kurz vor der Grenze oder der vor ihr eingerichteten Kontrollstelle befindet.1541 Weil die Mittäter des Angekl. noch ,wenige Kilometer‘ von der Grenze entfernt waren, hat die Verurteilung wegen versuchter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln keinen Bestand.“ 1542 Soweit die Grenzüberschreitung bzw. die Fortbewegung überhaupt nach Vorstellung des Täters von dessen Verhalten („weiter auf die Grenze zulaufen, zufahren“) abhängig ist, bedient sich der BGH der Zwischenaktstheorie in Reinform und stellt darauf ab, dass immer noch eine unmittelbare Annäherung an die Grenze erforderlich sei. Damit dürfte wohl die „Sichtbarkeit“ der Grenze aus der Ferne gemeint sein;1543 etwas konkreter, was die „Annäherung“ anbelangt, sind die Ausführungen des OLG Düsseldorf. In betonter Fortführung von BGHSt 36, 249 stellt es fest, dass derjenige zum strafbaren Versuch der Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 22 StGB ansetzt, der vor einer auf einer Autobahn eingerichteten Grenzstelle die letzte Ausfahrt passiert, so dass er unter normalen Umständen die Grenze überschreiten muss. Zugegeben, das ist kein rechtsmethodisches Kunststück, da die „Grenze“ als Abgrenzungsmerkmal naheliegt; doch passt diese Vorgehensweise so gut, weil eine sichtbare Grenze die Kraft hat, dem Täter einen erneuten Willensimpuls – im Sinne eines „Jetzt geht es wirklich los“ („hoffentlich werden wir nicht erwischt“) – abzunötigen.1544 Anders etwa beim 1541
Zustimmend Nestler, Transferdelikte, S. 341. BGHSt 36, 249. 1543 Vgl. auch Weber § 29 Rn. 751. 1544 Als Kind einer Gastarbeiterfamilie zweiter Generation weiß der Verfasser, wie aufregend es sein kann, den Grenzübergang am Horizont (und die ggf. davor angestauten PKW) zu entdecken, auch wenn es sich bei der „geschmuggelten“ Ware damals um Weizengrütze, Knoblauchwurst und Ziegenkäse, und nicht um (ebenfalls nicht fernliegend) Rohopium handelte. In Zeiten des Schengener Durchführungsübereinkommens und fehlender Grenzkontrollen in Europa ist dieses Bild nunmehr fast nur noch „Erinnerung“, denn auf heutige Zustände passende Reflexion (inzwischen mag man erst an der Bauweise, dem Straßenbild und dem Fahrstil anderer bemerken, dass man schon eine Landesgrenze passiert hat). Insofern dürfte die Vorgehensweise des OLG Düsseldorf, der auf das Passieren der letztmöglichen Ausfahrt abstellt, zeitgemäßer sein. 1542
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Transport mittels eines Zuges oder in einem Flugzeug, bei dem das Gefühl, „von nun an gibt es kein Zurück mehr“ schon zum Zeitpunkt des Einsteigens eintreten dürfte, es sei denn, bis zum Ziel sind längere Zwischenstopps eingeplant (dazu sogleich). Ausgeklammert werden somit wesentliche Teilakte, die nach Tätervorstellung noch vor dem Grenzübertritt verstreichen müssten (etwa eine längere Rast oder Auftanken im Grenzbereich).1545 Zum gleichen Ergebnis gelangt der Erste Senat bei zwei Tätern, die mit dem Pkw, in dem sich Betäubungsmittel befinden, nicht sofort zur Grenze fahren, sondern im Ausland erst noch übernachten und bei diesem Aufenthalt von der Polizei gestellt werden.1546 Die Täter, welche eine nicht geringe Menge Haschisch gekauft hatten, entschlossen sich spontan dazu, nicht direkt nach Hause zu fahren, sondern in Eindhoven in einem Hotel zu übernachten und die Heimreise erst am nächsten Morgen fortzusetzen. Vor diesem Hotel wurde ihr Fahrzeug jedoch von niederländischen Polizeibeamten einer Verkehrskontrolle unterzogen, wobei das Haschisch gefunden und sichergestellt wurde. Wenn die Vorinstanz aufgrund der „verhältnismäßig geringen zeitlichen Verschiebung“ das unmittelbare Ansetzen bejaht, fragt es sich, wann sie denn überhaupt einen wesentlichen Zwischenakt annimmt. Selbst bei „räumlicher“ Nähe zur Grenze dürfte insofern der zeitliche Teilaspekt der Teilaktstheorie diese „Nähe“ überlagern, sodass dem Ersten Senat absolut zuzustimmen ist, wenn er ein unmittelbares Ansetzen verneint.1547 Erst recht gilt dies, wenn die Täter noch nicht einmal die Betäubungsmittel im Ausland angekauft haben1548 oder die Tatbeteiligten 1545
Vgl. auch Mack, Abgrenzung, S. 220 f. BGH NStZ 1983, 224. 1547 BGH NStZ 1983, 224 (auch hier mittels Subsumtion unter die allgemeine Definition). 1548 BGH StV 1996, 548: Wenn die Vorinstanz in einem Fall, in dem die Angeklagten noch nicht einmal Betäubungsmittel im Besitz hatten, wegen versuchter Einfuhr von Betäubungsmitteln gem. § 30 I Nr. 4, 22 BtMG verurteilt, so mag dies einem die rechtstatsächlichen Gefahren eines extensiv verstandenen „Betäubungsmittelstrafrechts“ bzw. einer nicht „ernst genommenen“ Dogmatik drastisch vor Augen führen. Es ist beunruhigend, welch gravierende Fehler den Tatrichtern hier teils unterlaufen, wie auch aus einer Passage eines Beschlusses des Ersten Senats deutlich wird (BGH NStZ 1983, 462): „Hinsichtlich der Einfuhr von Betäubungsmitteln (§ 30 I Nr. 4 BtMG) hat das LG „versuchte Beihilfe“ angenommen. Der Versuch der Beihilfe ist nicht strafbar, die Voraussetzungen des § 30 II StGB sind nicht dargetan. Sollte eine Verurteilung wegen Beihilfe zur versuchten Einfuhr gemeint sein, so fehlt es an der Haupttat. . .“; ein weiteres Beispiel aus dieser Reihe ist die Entscheidung des Landgerichts Berlin, das den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr in nicht geringen Mengen bestrafte, weil dieser Betäubungsmittel aus Bolivien in die Schweiz eingeführt hätte! Die Aburteilung wurde auf § 6 I Nr. 5 StGB gestützt. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Einfuhr als „isolierte Tathandlung“ dem Begriff des Vertriebs unterfällt; jedenfalls hat aber das Territorialitätsprinzip nicht die Kraft, den Inhalt der Tathandlungen abzuändern (Verbringen über „irgendeine Grenze“ statt „Verbringen in das deutsche Hoheitsgebiet“); bei solch einer Betrachtung macht die Tathandlung der Durchfuhr gar keinen Sinn mehr, sodass das Urteil zwingend aufgehoben werden musste, vgl. BGH NStZ 2000, 150. 1546
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laut tatrichterlicher Feststellungen mit ihrem Bus eine tagelange Fahrt durch ganz Spanien und Frankreich vor sich hatten.1549 Dieser schwerpunktmäßig auf den Zeitaspekt abstellenden Betrachtung, schließt sich der Dritte Senat an, wonach bei der nicht in Grenznähe vorgenommenen Übergabe des Rauschgifts an die zur Einfuhr bereiten Personen kein unmittelbares Ansetzen gesehen werden könne, weil dieses Tun nicht ohne Zwischenakte (beginnend mit der Beladung des zur Einfuhr benutzten Fahrzeuges), in die Tatbestandserfüllung übergehen sollte.1550 Somit bleibt festzuhalten: Ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung gem. § 22 StGB bei der Einfuhr auf dem Landwege kann erst bei unmittelbarer Annäherung an die Grenze bejaht werden, soweit nach Tatplan eine Überschreitung alsbald bevorsteht. Sind dem Grenzübertritt Zwischenakte vorverlagert (das Präparieren des Schmuggelfahrzeugs, Übernachtung im Hotel), ist bzgl. der Einfuhr eine straflose Vorbereitungshandlung anzunehmen. Gleiches gilt für alle Geschehensabläufe, welche der unmittelbaren Grenzüberschreitung vorverlagert sind, etwa für den Ankauf der Schmuggelware.1551 bb) Drogen im Gepäck (Schiffs-, Bahn- und Flugreisen) Ebenso stringent an der Dogmatik des § 22 StGB entlang verfährt die h. M., wenn andere die Kontrolle über das Vehikel haben, mag dies nun den Schiffs-, Zug-, PKW-, Reisebus- oder Flugzeugtransport betreffen.1552 Maßgeblich für die Vollendung ist das Passieren der Hoheitsgrenze (bei Schiffen etwa das Verbringen in den deutschen Freihafen Hamburg1553). Da man sich nun des Fahrers als „vorsatzloses“ Werkzeug bedient, liegt ein Rückgriff auf die Überlegungen zum unmittelbaren Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft gem. § 25 I Var. 2 StGB nahe.1554 So geht die h. M. intuitiv auch vor: Soweit der Täter nicht selbst einsteigt, missbraucht er also das Vehikel als „Frachtunternehmen“, können die 1549
BGH NStZ 1983, 462. BGH NJW 1985, 1035. 1551 Zusammenfassend Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 134; Mack, Abgrenzung, S. 222 ff. 1552 Wobei man hervorheben sollte, dass Entscheidungen zur Einfuhr auf dem Schienen- und Seeweg selten sind und meist aus Zeiten des Reichsgerichts stammen, vgl. nur RGSt, 58, 360; 56, 138. Dies bedeutet nicht, dass insbesondere die Einfuhr auf dem Seewege praktisch eine Seltenheit wäre, vielmehr deren Aufdeckung aufwendig sein dürfte, vgl. Körner/Patzak § 29 Rn. 152. 1553 Vgl. BGH NStZ 1983, 371 m. Anm. Strate/Schwenn StV 1983, 150; zur Vollendung der Einfuhr auf dem Schienenweg BGH NStZ 1986, 274. 1554 Umgekehrt wird damit deutlich, dass die bei 3. Teil C. II. 1. b) bb), S. 414 ff. dargestellten Regeln stets für denjenigen gelten, der das Vehikel lenkt, also auch für den schmuggelnden Schiffskapitän, Piloten oder Busfahrer; sollten diese allerdings den Schmuggel während ihrer Berufsausübung vornehmen, dürfte deren Tatherrschaft durch feste Routen (bzw. Weisungen) überlagert werden, sodass nach Tätervorstellung die Schwelle zum jetzt geht es los, wie beim Passagier auch schon mit Reiseantritt angenommen werden kann, es sei denn, es stehen Zwischenstopps an. 1550
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Überlegungen zur Einfuhr auf dem Postweg fruchtbar gemacht werden.1555 Steigt der Täter dagegen selbst ein, kommt das Einsteigen als frühester Zeitpunkt für ein unmittelbares Ansetzen zwar in Betracht; doch können nach Tätervorstellung noch wichtige Zwischenakte in Form von „Zwischenstopps“ bevorstehen, sodass eine versuchte Einfuhr erst dann bejaht werden kann, wenn der Täter den Zug besteigt, der nunmehr „ununterbrochen“ zum Ziel führt (so schon das Reichsgericht in RGSt 58, 360). Der Kauf einer Fahrkarte bzw. Flugtickets, das Warten auf dem Bahnsteig, das Anmieten einer Yacht zu Schmuggelzwecken, die Beladung des Transportvehikels bzw. das Verstecken der Drogen vor der Abfahrt darin, stellen allesamt straflose Vorbereitungshandlungen dar.1556 Ob diese Überlegungen auch auf das Warten im „Boarding-Bereich“ übertragen werden können, hängt davon ab, ob der Täter nach dem Check-In am Flughafen wieder an sein Gepäck herankommen könnte.1557 Diese Differenzierung liegt bei einer dogmatisch stringenten Anwendung der Grundsätze zu § 22 StGB nahe; Dass sie in Entscheidungen des BGH wieder auftaucht ist ein erneuter Beweis dafür, wie ernst es die Senate im Bereich des § 30 I Nr. 4 BtMG mit dem Allgemeinen Teil nehmen. Das Schema ist erneut dasselbe: Beginnend mit dem Sachverhalt (die Angeklagte gibt ihr Reisegepäck samt heroinbefülltem „KaramBoard“ auf und wird gegen 2.30 Uhr nachts in der Abflughalle des Flughafens festgenommen), moniert der BGH die Annahme eines Versuchs der Einfuhr durch das Landgericht, indem der Senat zunächst die Formel des § 22 StGB wiederholt, bisherige Fälle zur versuchten Einfuhr „repetiert“ und dann die für § 22 StGB typische Einzelfallbetrachtung deutlich herausstellt: Die Fälle der Einfuhr auf dem Landwege mittels PKW (besser Fälle der unmittelbaren Tatherrschaft über das Vehikel) seien nicht mit der Einfuhr auf dem Luftwege vergleichbar: „Hier beginnt der Versuch, sofern der Abflug zum deutschen Hoheitsgebiet demnächst erfolgen soll, regelmäßig bereits mit dem Einchecken des Reisegepäcks. Die Aufgabe des Gepäcks mit dem Rauschgift ist in solchen Fällen der Akt, der bei ungestörtem Fortgang, ohne daß weitere Handlungen des Täters notwendig werden, unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen soll. . .“.1558 Etwas anderes 1555 Da hier der Täter das weitere Geschehen mit Absenden bzw. Verstecken der Drogen im Vehikel aus der Hand lässt, spielt es keine Rolle, wie viele Zwischenstopps noch anstehen. Mit Beginn der Fahrt muss ein unmittelbares Ansetzen bejaht werden. Eine zwischenzeitliche Entdeckung kann allerdings zurechnungsausschließend wirken, vgl. 3. Teil C. II. 1. a) bb), S. 407 f. 1556 Wobei diese Beispiele aufgrund der Rarität der Entscheidung aus der Kommentarliteratur stammen, vgl. nur Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 157. 1557 Was jedenfalls bei inkorporierten Drogen oder Handgepäck angenommen werden kann; in diesen Fällen liegt bei Direktflügen jedenfalls erst mit dem Einsteigen in das Flugzeug ein unmittelbares Ansetzen. Dies führt mitunter zu gewissen Zufälligkeiten, was aber nicht weiter bedenklich ist, weil dem Täter, der bereits Gepäck mit Drogeninhalt aufgegeben hat, das „Rücktrittsrisiko“ auferlegt werden kann. 1558 BGH NStZ 1990, 442.
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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könne nur dann gelten, wenn zwischen dem Aufgeben des Reisegepäcks und dem Abflug mehrere Tage liegen.1559 Dies konnte der BGH im konkreten Fall nicht ausschließen. Beim Transport von am Körper befestigten Drogen oder Betäubungsmitteln im Handgepäck auf dem Luftweg nimmt der BGH einen Versuchsbeginn frühestens an, wenn der Kurier nach dem Passieren etwaiger Kontrollen in ein abflugbereites und Deutschland direkt ansteuerndes Flugzeug einsteigt.1560 Andere Regeln gelten, wenn nach Tatplan die Drogen in das Ausland verbracht werden sollen und lediglich ein Zwischenstopp in Deutschland geplant ist. In diesen Fällen muss zwischen strafbarer Einfuhr und strafbarer Durchfuhr differenziert werden.1561 Die begrifflichen Schwierigkeiten (bei Transitgepäck und Körperschmugglern) diesbezüglich wurden bereits dargestellt.1562 Soweit der BGH hier wegen des zugrundegelegten Abgrenzungsmerkmals gezwungen ist, den Vollendungszeitpunkt der „Einfuhr“ zu dynamisieren, ergeben sich dennoch keine besonderen Regeln für das unmittelbare Ansetzen. Denn die Abgrenzung betrifft regelmäßig nur die Vollendung der Einfuhr, während beim „Start“ (sprich beim unmittelbaren Ansetzen) die Tätervorstellung maßgeblich ist, d.h. soweit der Täter zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens die Vorstellung hat, dass er im Durchfuhrland keine Verfügungsmacht über die Drogen haben wird, richtet sich sein Vorsatz nur auf eine Durchfuhr, sodass auch nur eine versuchte Durchfuhr angenommen werden kann. Dabei kann man über die „Konkretisierung“ dieser Vorstellung ebenso streiten kann, wie über die Auslegung des Merkmals selbst. cc) Einfuhr per Post Zuletzt besteht die Möglichkeit, Drogen per Post in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen. Vollendet ist der Tatbestand wieder mit Überschreitung der maßgeblichen Grenze.1563 Bei diesen Konstellationen kommt deutlich zum Vorschein, dass es sich bei der Einfuhr trotz einer Ausgestaltung als Erfolgsdelikt um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt. Es kommt nicht darauf an, ob der Täter im Inland jemals an das Paket herankommt. Maßgeblich ist vielmehr seine Kontrollherrschaft bis zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung. Soweit man auch den Besteller von Betäubungsmitteln als Täter einer Einfuhr titulieren will, vermengt man damit Fragen der Deliktsverwirklichung mit Fragen von Täter1559 Was sich damit begründen lässt, dass der Täter zumindest damit rechnen kann, dass bei einem vorherigen Check-In bis zum eigentlichen Reiseantritt bzw. „last call“ die Herausgabe des Gepäcks noch möglich ist. 1560 BGH StV 2005, 272; BGH StV 2010, 129. 1561 Dies schon deswegen, weil die Durchfuhr als Tathandlung in einigen Qualifikationen, insbesondere bei § 30 I Nr. 4 BtMG fehlt, siehe hierzu bereits 3. Teil A. II. 1. c) cc) (2), S. 177 ff. 1562 3. Teil A. II. 1. c) cc) (2), S. 177 ff. 1563 BGH StV 1983, 242.
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schaft und Teilnahme: Die mittelbare Verursachung der Versendung (sprich die Bestellung aus dem Land, in das die Betäubungsmittel eingeführt werden sollen) kann allenfalls eine Beteiligungshandlung an der Einfuhr des Versenders darstellen.1564 Im Fokus bleibt an dieser Stelle derjenige, welcher den Einfuhrvorgang als solches durch das Einwerfen bzw. die Aufgabe des Briefes bzw. Pakets in Gang setzt, wobei dies auch den Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens markiert.1565 Aus dieser Bestimmung des Versuchsbereichs ergibt sich, dass die Rechtsprechung von einer Einfuhr in mittelbarer Täterschaft ausgeht, da sie das unmittelbare Ansetzen zu einem Zeitpunkt bejaht, zu dem der Täter das weitere Geschehen aus der Hand gibt und damit rechnen muss, dass es alsbald zur Grenzüberschreitung kommt.1566 Hält man das „Werkzeug“ auf bzw. richtet es sich gegen den Tatmittler,1567 so wurde bereits dargestellt, dass die Einfuhr auf dem Postweg im Versuchsstadium stecken bleibt und dem Täter der weitere Verlauf des Geschehens (subjektiv) nicht zugerechnet wird.1568 Da erst mit Absenden des Pakets ein unmittelbares Ansetzen angenommen werden kann, ist das Aufsuchen der Poststelle, die Präparierung und Füllung der Schmuggelkiste (oder die „Schulung einer Brieftaube“ 1569) eine straflose Vorbereitungshandlung. Das gilt auch für die unkonventionelle und zugleich geschmacklose Art des Drogenschmuggels nach dem „Cadaver Connection“-Modell des amerikanischen Gangsterbosses Frank Lucas, der in den 70er Jahren Heroin in Soldatensärgen aus Vietnam in die USA schmuggeln ließ.1570 Hier wäre ein unmittelbares Ansetzen erst mit Aufgabe des Frachtguts anzunehmen, während die konkrete Präparation der Särge und das Einarbeiten des Heroins straflose Vorbereitungshandlungen (im Hinblick auf die Einfuhr nicht geringer Mengen) darstellen. c) Zwischenfazit zur versuchten Einfuhr von Betäubungsmitteln Bei einem Blick auf die betäubungsmittelrechtliche Judikatur zu den Verbringungsverboten des Betäubungsmittelstrafrechts lässt sich unter dem Strich ein durchaus zufriedenstellendes Ergebnis verzeichnen, bei dem von einer „Ver1564
Zum Ganzen noch ausführlich 3. Teil D. III. 3. a) aa) (2), S. 605 ff. BGH NStZ 2004, 110. 1566 Die Postbediensteten fungieren als vorsatzloses Werkzeug, d.h. es handelt sich um einen Fall der Tatherrschaft kraft Irrtums bzw. Wissensherrschaft. 1567 Indem beispielsweise der Postbedienstete die Drogen entdeckt, unterschlägt und an einen Dritten weiterleitet, vgl. BGH NStZ 1991, 537. 1568 3. Teil C. II. 1. a) bb), S. 407 ff. 1569 Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 148. 1570 http://www.biography.com/people/frank-lucas-253710?page=3; vgl. auch http:// de.wikipedia.org/wiki/Frank_Lucas_(Gangster); http://www.historynet.com/the-cada ver-connection.htm; die Geschichte des Drogenbosses Frank Lucas wurde von Ridley Scott im Jahre 2007 verfilmt („American Gangster“). 1565
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schmelzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung“ nicht die Rede sein kann.1571 Was die Einfuhr von Betäubungsmitteln anbelangt, hat die Rechtsprechung durch ihre transportartakzessorische Betrachtung ein eindeutiges Abgrenzungskriterium für die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch entwickelt, welche sich an der Jurisprudenz zum Allgemeinen Teil im Kernstrafrecht orientiert.1572 Schließlich handelt es sich lediglich um eine Konkretisierung der gemeinsam zugrundegelegten Formel, wobei die Modifikationen bei mittelbarer Begehung demonstriert haben, dass die gleichen Muster für die Abgrenzung von Versuch und strafloser Vorbereitung verwendet werden wie bei den Erfolgsdelikten des Kernstrafrechts. Dass die Senate (ggf. auch die Oberlandesgerichte) die Vorgaben des § 22 StGB ernst nehmen,1573 ergibt sich daraus, dass sie in vielen ausführlicheren Entscheidungen § 22 StGB zitieren bzw. zumindest die allgemeinen Definitionen und Regeln wiederholen.1574 Umgekehrt fällt auf, dass der BGH bei seiner lobenswerten – weil „systematisch stimmigen“ – Subsumtion den hier thematisch ausgeklammerten Aspekt, dass auch die Einfuhr als Tathandlung eine enorme Strafbarkeitsvorverlagerung bedeutet,1575 ebenfalls vollständig „ausblendet“. Anlass zur Skepsis bleibt,1576 zumal der Grund für die prächtige Fortentwicklung des Erfolgsdelikts (besser der Versuchsdogmatik rund um die Einfuhr von Betäubungsmitteln1577) weniger rühmlich ist. Sie ist auf die im Jahre 1982 eingefügte, in dieser Abhandlung schon mehrmals kritisierte Vorschrift des § 30 I Nr. 4 BtMG zurückzuführen, die den Strafrahmen des § 29a I Nr. 2 BtMG nochmals anhebt, wenn der Täter in nicht geringen Mengen Betäubungsmittel einführt. Da das Handeltreiben mit nicht geringen Mengen „nur“ mit einer Mindeststrafe von einem Jahr aufwartet, muss § 30 I Nr. 4 BtMG (Mindeststrafrahmen nicht unter zwei Jahren) einbezogen werden, soweit der Täter zur Verwirklichung 1571 So auch die Schlussthesen bei Mack, Abgrenzung, S. 239 sowie S. 136: „Bei den nach einhelliger Auffassung als Erfolgsdelikte ausgestalteten Tatbestandsvarianten gelten demgegenüber keine Besonderheiten“. 1572 Dieser Befund ist für sich alleine nicht neu, siehe bereits Mack, Abgrenzung, S. 239 (Fn. 1571 in Teil 3); LK/Hillenkamp § 22 Rn. 119 („[. . .] die im Ganzen zutreffende Rechtsprechung [. . .], die sich mit den inhaltlichen Aussagen der modifizierten Zwischenaktslehre gut vereinbaren lässt.“). 1573 Bzw. die bisherige Rechtsprechung sowie Lehre zur Versuchsdogmatik. 1574 Hierbei darf man nicht vergessen, dass es sich bei den Urteilen des BGH regelmäßig um „Korrekturen“ und nicht um Zurückweisungen samt Begründung handelt, sprich den Tatgerichten und nicht – revidierenden – Staatsanwälten Fehler unterlaufen. 1575 Siehe bereits in der Einleitung, vgl. 27 ff. 1576 Auch im Hinblick darauf, dass am Ende vieler Aufhebungsurteile darauf aufmerksam gemacht wird, dass eine Strafbarkeit nach § 30 II StGB in Betracht käme, als würde man sich dafür schämen, dass man unter stringenter Anwendung der dogmatischen Regeln zur Straflosigkeit gelangt ist; vgl. hierzu auch Fn. 1437, 1548, 1739 in Teil 3 sowie 3. Teil C. VIII., S. 523 f. 1577 Während der Abschnitt Versuch beim Handeltreiben bei Weber 14 Randnummern ausmacht, sind es bei der Einfuhr 27 Randnummern.
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seines Plans nicht geringe Mengen einführt. Hierbei ist es zwar unerheblich, ob die Einfuhr Teilakt des Handeltreibens ist, der Täter also Drogen mit Umsatzwillen einführt oder nicht;1578 faktisch handelt es sich um Fälle des Handeltreibens in nicht geringen Mengen, bei denen man strafschärfend berücksichtigt, dass der Täter in diesem Zusammenhang Betäubungsmittel in nicht geringer Menge eingeführt hat. Auf den Punkt gebracht: Diese Entwicklung ist lediglich darauf zurückzuführen, dass eine nochmalige Strafrahmenverschiebung von einem bestimmten Erfolgsdelikt abhängt. Als Grundtatbestand spielt die Einfuhr als Erfolgsdelikt keine Rolle, da es als Teilakt des Handeltreibens nicht mehr auf den Grenzübertritt ankommt.1579 2. Verfügungswechseldelikte Bei den Verfügungswechseltatbeständen ist die Übertragung der Verfügungsgewalt als „rechtlicher Erfolg“ ausgestaltet,1580 wobei diese Übertragung auch das endgültige Unrecht der Tat ausmacht, mithin hier Vollendung und Beendigung stets zusammenfallen.1581 Da es sich um „spiegelbildliche“ Deliktstatbestände handelt,1582 welche die Mitwirkung einer weiteren Person voraussetzen,1583 geht die h. M. davon aus, dass auch der Versuchsbereich für beide Seiten parallel verläuft. Da Versuchshandlung und rechtlicher Erfolg nahe liegen, sind Entscheidungen zum „versuchten“ Verfügungswechsel rar, und man kann sich ihn wohl nur in der Konstellation des untauglichen Versuchs als praktisch relevant vorstellen.1584 Zum einvernehmlichen Verfügungswechsel1585 führt das Bayerische Oberste Landesgericht aus „[. . .] Der Versuch (§ 22 StGB) des Veräußerns oder der Abgabe eines Betäubungsmittels setzt voraus, daß der Täter zur Überlassung an1578 Ein systematischer Aspekt, der beim Handeltreiben noch eine Rolle spielen wird, vgl. 3. Teil C. VI. 6. a), S. 502 ff. sowie 3. Teil C. VI. 6. d), S. 504 f. 1579 Einen eigenständigen Anwendungsbereich hat die Einfuhr zum Eigenverbrauch beim Haschischtourismus aus den Niederlanden oder aus Tschechien. Regelmäßig erfolgt hier aber der Zugriff durch die deutschen Behörden erst auf deutschem Hoheitsgebiet, d.h. der Tatbestand ist bereits vollendet. 1580 Vgl. 3. Teil A. I. 2. a), S. 116 f. sowie 3. Teil B. II. 1. a) dd), S. 343 ff. 1581 Körner/Patzak § 29 Teil 8 Rn. 25, Teil 10 Rn. 40. 1582 Veräußern sowie Abgeben contra Erwerben; Inverkehrbringen contra Sichverschaffen. Beim Veräußern ist umstritten, ob es nicht aufgrund seines Charakters „als Handeltreiben ohne Eigennutz“ entsprechend ausgelegt werden müsste und Veräußerungsbemühungen dementsprechend ausreichen; eher restriktiv Körner/Patzak § 29 Teil 7 Rn. 2 („Einräumung der Verfügungsgewalt“). 1583 Zur notwendigen Teilnahme noch ausführlich, 3. Teil D. II. 2. a) bb), S. 547 ff. 1584 Übergabe bzw. Erhalten von Mehl in der Vorstellung, es handele sich um Kokain. 1585 Abgabe, Veräußern an den Erwerber (wobei hier nicht in Abrede gestellt wird, dass dem Erwerber ein Handeltreibender gegenüberstehen kann).
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setzt. Dafür reichen die bloße Vereinbarung, das Haschisch später zu übergeben, und eine Anzahlung auf den Kaufpreis nicht aus [. . .]“ 1586 Da das Delikt mit Besitzübertragung vollendet ist, überbeschreitet der Täter erst mit Vornahme der Überlassungshandlung selbst das Versuchsstadium, d.h. im Sinne der Zwischenaktstheorie ist der Vertragsschluss als solcher noch wesentlicher Zwischenakt, soweit nicht auf das Versprechen,1587 die „Schenkofferte“ oder etwa auf den Abschluss des „faktischen“ Vertrags hin unmittelbar die Übergabe erfolgen soll.1588 Der Täter muss zur Abwicklung ansetzen, weswegen auch der Transport der abzugebenden Betäubungsmittel zum Übergabeort noch nicht ausreicht.1589 Ebenso wenig überschreiten Bemühungen, die Drogen erst zu beschaffen, die Versuchsschwelle zur Abgabe.1590 Insofern überspannt der Erste Senat in einer Entscheidung vom 07.07.1994 die Anforderungen an ein unmittelbares Ansetzen beim versuchten Erwerb von Kokain. Der Angeklagte, der Kokain zum Eigenverbrauch angekauft hatte, machte sich auf den Weg zu seinem Dealer und wartete vor dessen Tür vergeblich auf die Übergabe, da sein „Vertragspartner“ bei der Beschaffung des Kokains festgenommen wurde. Eigentlich drängt sich hier ein „fehlgeschlagener Versuch“ des Erwerbs auf, der Erste Senat stellt dagegen fest: „Dem Angeklagten war bewußt, daß das Kokain erst noch aus dem Ausland beschafft werden mußte und daß dieser Vorgang mit dem Risiko des Mißlingens behaftet war. Wenn auch der Angeklagte verabredungsgemäß mit dem vereinbarten Kaufpreis in der Wohnung des Verkäufers erschien und sich dort zur Übergabe des Geldes und zur Entgegennahme des Kokains bereit hielt, so hätte es doch nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des tatbestandlichen Erwerbs auch dessen bedurft, daß der Verkäufer den Beschaffungsvorgang plangemäß bewältigt und mit der Droge am Übergabeort erscheint. Ein Stadium, in dem die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch den Vorbesitzer unmittelbar bevorstand, ist bei dem vorliegenden Tatgeschehen nicht erreicht worden (. . .). Das plangemäße Erscheinen nur des Angeklagten am verabredeten Übergabeort stellt unter den vorliegenden Umständen lediglich eine – straflose – Vorbereitungshandlung, aber keinen strafbaren Versuch dar.“ 1591 Richtig ist an der Entscheidung zunächst, dass sie nicht am Tatentschluss des Täters scheitert, da nach h. M. auch bei bewusst unsicherer Tatsachengrund1586
BayObLG StV 1993, 478. BayObLG StV 1993, 478. 1588 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.3.1978 – 2 Ss 247/77; Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 8.4; Joachimski/Haumer § 29 Rn. 94. 1589 Wie hier BayObLG (Fn 72); anders – Versuch – Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 8.4; wiederum anders (Vollendung) LG Hamburg v. 5.10.1973 – 144 Js 1412/ 72, mitgeteilt bei Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 8.3. 1590 Vgl. Körner (VI) § 29 Rn. 951. 1591 BGHSt 40, 208. 1587
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lage1592 eine vom Täterwillen unabhängige und somit auch unbeachtliche Bedingung anzunehmen ist, die den Tatentschluss unberührt lässt. Im zweiten Schritt bewegt sich der Erste Senat ebenfalls auf der Linie der Rechtsprechung, wenn er den Begriff des „Zwischenakts“ mit dem der „Tatplanbedingung“ vermengt und folglich ein unmittelbares Ansetzen ablehnt, soweit die Bedingung nach Tätervorstellung noch nicht eingetreten ist: Hierüber kann man streiten, da das unmittelbare Ansetzen aus dem (bejahten) Tatentschluss heraus zu bestimmen ist, d.h. sofern im Tatentschluss ein hinreichender Handlungswille festgestellt wurde, muss im Rahmen des unmittelbaren Ansetzens nur noch über das Vorliegen hinreichender (subjektiver) Tatbestandsnähe entschieden werden, also darüber, ob die Täterhandlung unter Zugrundelegung der für die Tatverwirklichung günstigen Bedingung bereits den Beginn des Versuchs kennzeichnet.1593 Dies wäre hier jedenfalls zu bejahen, da nach Tätervorstellung nur noch die Abwicklung des Geschäfts (Geld- und Drogenübergabe an der Tür) erfolgen sollte, also keine weiteren Gespräche1594 (Menge, Kaufpreis etc.) geplant waren.1595 Da es sich um einen Streitpunkt handelt, der selbst im Kernstrafrecht weitgehend ungeklärt ist und sich innerhalb des § 22 StGB selbst „abspielt“,1596 wäre es jedoch nicht korrekt, hier von einer „Abweichung“ zu sprechen, zumal der BGH auch bei den §§ 239a, 249 StGB dazu tendiert, bei äußeren Bedingungen1597 einen „abwartenden“ Täter zugrundezulegen, dem man erst ab dem Eintritt der Bedingung den konkreten „Willensimpuls“ unterstellt.1598 Schalten die Beteiligten einen Dritten (Boten) zur Überbringung des Betäubungsmittels ein, liegt mit Übergabe der Droge an den Boten noch keine Abgabe vor (weder an den Boten, erst recht nicht an den Dritten). Auch hier kommt es 1592
In concreto: „Kann mein Lieferant die Drogen beschaffen oder nicht?“ Jäger NStZ 2000, 415 (416). 1594 Anders beispielsweise in der Entscheidung des OLG Celle NJW 1986, 78, in der ein Angeklagter ebenfalls in der Wohnung auf Haschisch wartete, aber der Lieferant am gleichen Tag noch ein größeres Geschäft mit einem Amerikaner abwickeln wollte, weswegen es nicht sicher war, ob und wie viel für die Kleinkunden übrig bleiben würde. Bevor sich der Dealer dann seinen Kleinkunden „widmen“ konnte, kam die Polizei (hier stehen zwischen der unmittelbaren Überlassung noch mindestens zwei wesentliche Zwischenakte, nämlich der Abschluss des großen Geschäfts mit dem Amerikaner und das Einigsein bezüglich des eigenen Geschäfts). 1595 Soweit ein versuchter Erwerb bejaht wird, heißt dies schließlich nicht, dass gem. § 29 I BtMG bestraft werden müsste, vgl. § 31a BtMG. Zur Zweckmäßigkeit solch eines Vorgehens vgl. aber noch 3. Teil C. III. 3., S. 428 f. 1596 Vgl. Rengier AT § 34 Rn. 39 ff.; SSW/Kudlich/Schuhr § 22 Rn. 43 f. 1597 D.h. solchen, die außerhalb des Einflussbereichs des Täters liegen. 1598 Vgl. nur den modifizierten „Klingelfall“, bei dem der Täter die Ausführung einer Erpressung davon abhängig machte, ob die Mutter mit dem Kind auf dem Arm“ erscheint, BGH NStZ 1999, 395 m. krit. Anm. Jäger NStZ 2000, 415. Der Unterschied hierzu liegt im vorliegenden Fall darin, dass das Kind u. U. einem Rücktritt nicht entgegenstehen muss bzw. nicht zwingend zum Fehlschlag des Versuchs führt, während das „Nichtöffnen der Tür“ jedenfalls als Fehlschlag des Versuchs gedeutet werden müsste. 1593
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auf die Besitzübertragung an den Erwerber an. Soweit sich der Bote zum Eigenbesitzer „aufschwingt“, muss man dies als wesentliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf (soz. als „aberratio ictus“) bewerten, sodass dem Abgebenden – ähnlich wie bei den Postbeschlagnahmefällen – der nicht gewollte Verfügungswechsel auch nicht mehr zugerechnet werden kann.1599 So hat das Bayerische Oberste Landesgericht in einem Fall entschieden, in dem jemand an einen Freigänger Betäubungsmittel übergab, die dieser bei seiner Rückkehr als „Bote“ einem Dritten in der JVA überreichen soll. Ein Auszug der Urteilsgründe soll ein letztes Mal die „AT-konforme“ Subsumtion der Obergerichte belegen: „Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dazu muss der Täter Handlungen vornehmen, die nach seiner Vorstellung im Falle ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte unmittelbar in die Tatbestandserfüllung einmünden können [. . .] Das ist hier geschehen. Die Angeklagte hat alles getan, was sie aus ihrer Sicht zum Eintritt des Erfolgs, der Erlangung der Verfügungsgewalt über das Rauschgift durch den Empfänger, tun musste. Zwar ist der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass auch bei einem beendeten Versuch ein abgeschlossenes Täterhandeln nicht stets unmittelbar in die Erfüllung eines Straftatbestandes einmünden müsse. Das gilt u. a. für jene Fälle, in denen der Täter – wie hier – noch notwendige Beiträge eines Tatmittlers in seinen Plan einbezieht [. . .]. In einem solchen Fall liegt ein unmittelbares Ansetzen zur Tat jedoch dann vor, wenn der Täter den Tatmittler in der Vorstellung entlässt, er werde nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge den Erfolg der Tat herbeiführen. So war es hier. Die Angeklagte konnte nach den Feststellungen davon ausgehen, dass der Zeuge K. alsbald in die JVA zurückkehren und dort als nichtdrogensüchtiger Freigänger keiner strengen Eingangskontrolle unterliegen würde. Damit stellt sich das Aushändigen des Rauschgifts an ihn nach dem Tatplan als konkrete unmittelbare Rechtsgutgefährdung dar.“ Da der Täter mit Übergabe des Rauschgifts die Tatherrschaft aus der Hand gibt und somit alles Erforderliche getan hat, was aus seiner Sicht für die Tatbestandsverwirklichung notwendig ist, können insofern die Überlegungen zur Einfuhr auf dem Postwege übertragen werden, weswegen jedenfalls das Versuchsstadium somit überschritten ist.1600 Umgekehrt gilt dies auch für den Erwerber, wenn er sich auf eine Bestellung per Post verlässt und davon ausgeht, dass die Drogen alsbald geliefert werden und auf dem Weg zu ihm ins Postfach sind.1601 1599
BayObLGSt 2003, 116. Weber § 29 Rn. 937. 1601 BayObLG NJW 1994, 2164: „Schließlich wäre mit einer natürlichen Betrachtungsweise des Posttransportvorgangs nicht vereinbar, die zahlreichen verschiedenen Stufen der Behandlung einer Sendung aufzugliedern und als selbständige Zwischenschritte anzusehen [. . .]. Auf sie hat der Postbenutzer grundsätzlich keine Einflussmöglichkeit.“ 1600
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Außerhalb dieser Kaufabwicklungsfälle1602 kommen im Bereich der Verfügungswechseldelikte Versuchskonstellationen kaum vor, sondern wirken nur noch konstruiert: Beim Inverkehrbringen könnte man an einen Sachverhalt denken, bei dem der Täter die Drogen wegwirft und hierbei billigend in Kauf nimmt, dass ein anderer die Drogen findet und an sich nimmt, tatsächlich aber die Drogen von einem streunenden Hund aufgefressen werden. Umgekehrt ist es zumindest vorstellbar, dass der Täter versucht, Drogen zu stehlen.1603 Da sich der Fokus der Ermittlungen in diesen Fällen regelmäßig auf die „vielschichtigeren“ Vermögensdelikte im engeren Sinn (Diebstahl, Raub etc.) richtet, rückt diese Modalität in den Hintergrund.
III. Die Deliktsverwirklichungsstufen bei den schlichten Tätigkeitsdelikten des BtMG (ohne Handeltreiben als multiples Tätigkeitsdelikt) Der Versuchsbereich schlichter Tätigkeitsdelikte hat – aus den beschriebenen Gründen – praktisch kaum eigenständige Bedeutung, existiert allerdings und soll gem. § 29 II BtMG strafbar sein.1604 Da § 22 StGB vom unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung spricht, ist der Versuchsbereich nicht anders abzuleiten als bei Erfolgs- bzw. Verletzungsdelikten. Insofern geht man bei der „Erfindung“ praktisch irrelevanter Beispiele – die hierzu entwickelten Versuchskonstellationen entspringen fast allesamt der Fantasie des betäubungsmittelrechtlichen Schrifttums – wenigstens systematisch korrekt vor und bedient sich der Teilaktstheorie. Zum Versuch werden dementsprechend Handlungen gezählt, die kurz vor der konkret beschriebenen Tathandlung stehen.1605 1. Anbau und Herstellung (zum Eigenverbrauch) Wenn nach h. M. unter Anbau das Erzielen pflanzlichen Wachstums durch gärtnerische Bemühungen (also die Aussaat, die Pflege sowie Aufzucht) zu ver-
1602 Sie beziehen sich ohnehin nur auf den Konsumenten oder umgekehrt auf den altruistischen bzw. uneigennützigen Drogenlieferanten; in allen anderen Fällen müsste Handeltreiben angenommen werden, das schon mit Abschluss des Geschäfts, ggf. noch früher bejaht werden könnte. 1603 Weitere Beispiele bei Körner/Patzak § 29 Teil 9 Rn. 17. 1604 Selbst bei erfahrenen Praktikern hört man hier eine gewisse „Verwunderung“ heraus, vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 3 Rn. 51. 1605 Die Beispiele aus der kernstrafrechtlichen Kommentarliteratur zu schlichten Tätigkeitsdelikten sind nicht minder „konstruktivistisch“, vgl. bereits Fn. 1483 in Teil 3; sie kommen allerdings seltener vor, da der Versuch schlichter Tätigkeitsdelikte im StGB nur selten unter Strafe gestellt ist und daher erst gar nicht das Bedürfnis besteht, extra „Fallgruppen“ zu konstruieren; vgl. nur §§ 153, 316, 265b StGB.
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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stehen ist,1606 handelt es sich auch bei der zuerst genannten Tathandlung im § 29 I Nr. 1 BtMG um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt, da es auf die Entstehung wirkstoffhaltiger Pflanzen bzw. einer Betäubungsmittelernte nicht ankommt.1607 Der BGH äußerte nur mittelbar zum Versuchsbereich des Anbaus und stellt in einem aktuelleren Beschluss vom 15.02.2011 fest, dass das Anmieten eines Hauses zum späteren Anbau von Cannabispflanzen „auch“ keinen Versuch des Anbaus darstellt, sodass es erst recht nicht als Versuch des Handeltreibens bewertet werden könne.1608 Da nach neuerer Rechtsprechung dem Anbau als „Anfang allen Übels“ zumindest in den Fällen eines fehlenden konkretisierten Geschäfts eine Abgrenzungsfunktion i. S. d. „frühesten Zeitpunkts“ für das unmittelbare Ansetzen zum Handeltreiben zukommt, darf die Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitung und strafbarer Deliktsverwirklichung beim Anbau nicht unterschätzt werden.1609 Als unmittelbare Handlung vor dem Anbau kann das Anschaffen des Saatguts an die vorbereitete Fläche (Indoor-Halle, Garten, etc.) angesehen werden, sodass spätestens ab diesem Zeitpunkt der Täter in das – wenn auch kurze – Versuchsstadium eintritt. Dies gilt nur, wenn die Anbaufläche im Übrigen „bereit“ ist und nicht weitere Handlungen bis zur Aussaat vorgenommen werden müssen.1610 Somit stellen die Vorbereitung des Bodens, die Montage von Lichtern oder das Aufhängen von Trennfolien bloße Vorbereitungshandlungen dar. Hat der Täter mit der Aussaat dagegen begonnen, ist der Samen also so in die Erde eingebracht, dass aus ihm eine Pflanze selbstständig heranwachsen kann,1611 spielt es für die Vollendung keine Rolle mehr, ob es zur Keimung bzw. zur Entstehung eines Wirkstoffs kommt. Entgegenzutreten ist aber der Auffassung, wonach die an sich untaugliche Anbauhandlung ebenfalls dem Anbau unterfallen soll.1612 Solch eine Auslegung mag i. R. d. Handeltreibens vertretbar sein, doch ein „Anbau“ setzt voraus, dass die Handlung eben grundsätzlich anbautauglich ist.1613 1606
Vgl. 1. Teil B. I. 2., S. 45 f. Wobei die Ernte selbst bereits Teilakt der Herstellung ist, folglich beim Anbau Beendigung des Anbaus und Vollendung des Herstellens zusammenfallen; dies sieht Körner/Patzak § 29 Teil 2 Rn. 75 f. und verlagert (wohl um der Systematisierung willen) den Zeitpunkt der Beendigung beim Anbau auf den Moment der Erntevorbereitung vor. 1608 Zu dieser „Sperrwirkung“ des Anbautatbestands noch ausführlicher, 3. Teil C. IV. 4., S. 472 ff. 1609 BGH v. 15.03.2012 – 5 StR 559/11. 1610 Etwa die Montage von Wärmeleuchten in der Indoor-Plantage. 1611 Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 2.3.1. 1612 Weber § 29 Rn. 63. 1613 Eine derart weite subjektivierte Betrachtung lässt der Wortlaut („Anbau von Betäubungsmitteln“) nicht zu, sodass die Aussaat harmlosen Vogelfutters, in der Vorstellung es handele sich um Cannabissamen nur als untauglicher Versuch bewertet werden kann; wie hier wohl Körner (VI) § 29 Rn. 92; vgl. auch MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 82. 1607
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Für die Herstellung (ggf. auch ausgenommener Zubereitungen gem. § 29 I Nr. 2 BtMG) gelten ähnliche Erwägungen. Die Aufstellung der einzelnen „Zutaten“ für Designerdrogen nebeneinander,1614 das Anstellen der Maschinen1615 oder das erste Einfüllen, sind Verhaltensweisen, die unmittelbar in den Herstellungsprozess einmünden und somit als (praktisch kaum relevante) Versuchshandlungen charakterisiert werden können. Dagegen stellen die Anschaffung der Maschinen,1616 die Anmietung der Laborräume1617 oder die Beauftragung eines illegal agierenden Chemikers straflose Vorbereitungshandlungen dar. Sobald allerdings der Herstellungsprozess selbst begonnen hat, ist dies die Tätigkeit, die der Tatbestand und somit dessen Vollendung voraussetzt, d.h. es ist kein „Erfolg“ i. S. v. schlussendlich konsumierbaren Betäubungsmitteln notwendig. 2. Die sonstigen schlichten Tätigkeitsdelikte Da § 29 II BtMG die Versuchsstrafbarkeit „nur“ auf die Nummern 1, 2 und 6b des § 29 I BtMG erstreckt, werden einige Tätigkeitsdelikte ausgeklammert, sodass nur noch der Versuch des Verabreichens und der Verbrauchsüberlassung kurz darzustellen sind.1618 Die bloße Vorbereitung einer Injektion bzw. Portion für einen noch nicht anwesenden Konsumenten kann noch nicht als unmittelbares Ansetzen zum Verabreichen bzw. zur Verbrauchsüberlassung bewertet werden. Die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ dürfte allerdings überschritten sein, wenn der Arzt bzw. der Dealer den Arm des Konsumenten für eine Heroininjektion abbindet1619 oder direkt vor ihm eine Kokain-Linie „aufbaut“.1620 Beendet ist die Verabreichung schon mit der Injektion, sodass beim Verabreichen Vollendung und Beendigung zusammenfallen, während bei der Verbrauchsüberlassung noch ein kurzer Zeitraum (bis zum Konsum liegt bereits eine Vollendung vor) bis zur Beendigung verstreichen muss. 3. Zwischenfazit: Streichung des § 29 II BtMG? Auch bei den Verfügungswechseldelikten zieht man im seltenen Fall einer einschlägigen Versuchskonstellation die zu § 22 StGB entwickelten Lehren heran. Maßgeblich ist das unmittelbare Ansetzen zur Besitzübertragung. Bei den konkret beschriebenen Tätigkeitsdelikten ergibt sich ein ähnliches Bild: Ein Ver1614
Joachimski/Haumer § 29 Rn. 19. Körner (VI) § 29 Rn. 156. 1616 Weber § 29 Rn. 122; Malek 2. Kap., Rn. 249. 1617 Franke/Wienroeder § 29 Rn. 18. 1618 Zum Handeltreiben als „Ausnahmeerscheinung“ ausführlich 3. Teil C. IV., S. 430 ff. 1619 Weber § 29 Rn. 1353. 1620 MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1077. 1615
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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suchsbereich lässt sich bei genauen Tatbestandsumschreibungen mit der Teilaktstheorie unproblematisch herleiten; er spielt aber aufgrund der deliktsstrukturellen Besonderheiten (Einzelakte eines gesamten Vorgangs) und seinem Aufgehen im Handeltreiben praktisch fast keine Rolle und Entscheidungen zu einem „versuchten Anbau“ kommen selten vor. Alle bisher besprochenen Handlungsmodalitäten des Betäubungsmittelstrafrechts sind § 22 StGB zugänglich und die Ableitung des strafbaren Versuchsbereichs folgt systematisch klaren Regeln. Ob es sich bei den herausgearbeiteten Versuchskonstellationen um strafwürdiges Unrecht handelt,1621 steht indessen auf einem anderen Blatt geschrieben. Insofern geht hier praktisch geringe Relevanz mit faktisch geringem Unrecht Hand in Hand. Schon aus diesen rein pragmatischen Gründen erscheint es angezeigt, von einer Anordnung der Versuchsstrafbarkeit im Grundtatbestand abzusehen bzw. diese einzuschränken;1622 schließlich werden die Ausführungen im Folgenden deutlich machen, dass auch der „Versuch“ des Handeltreibens kaum praktische Bedeutung hat bzw. die h. M. den einzig als „strafwürdig“ erachteten untauglichen Versuch dieses Tätigkeitsdelikts (nämlich das Handeltreiben mit Scheindrogen) als vollendetes Handeltreiben deutet. Wie an anderer Stelle daher zum Fahrlässigkeitsdelikt bereits vorgeschlagen (Beschränkung des § 29 IV BtMG auf „fahrlässigkeitsrelevante Bereiche“ 1623) ist im Hinblick auf die fehlenden, praktisch relevanten Versuchskonstellationen, 29 II BtMG komplett zu streichen.1624 Warum sollte die Versuchsstrafbarkeit eines Tatbestands existieren, dessen vollendete Begehung bereits regelmäßig einen Fall des § 31a BtMG darstellt? Schließlich bleibt die Versuchsstrafbarkeit der §§ 29a ff. BtMG aufgrund der hohen Mindeststrafen gem. §§ 23 I Var. 1, 12 I StGB in den praktisch relevanten Bereichen (§ 30 I Nr. 4 BtMG) erhalten. Die derzeitige, gesetzgeberische Ausgestaltung verrät zugleich, dass das echte Unterlassungsdelikt des Besitzes von Betäubungsmitteln gem. § 29 I Nr. 3 BtMG schlicht aus systematischen und nicht aufgrund geringen Unrechts aus dem Katalog des § 29 II BtMG genommen 1621 Wenn diese nicht auf Umsatz bezogen sind und somit keine Teilakte des Handeltreibens darstellen. 1622 Wie dies bei vielen Tätigkeitsdelikten des Kernstrafrechts der Fall ist, siehe Fn. 1605 in Teil 3; NK/Zaczyk § 22 Rn. 27 erreicht dieses Ergebnis dadurch, dass er bei allen nebenstrafrechtlichen Vorschriften den „Beginn der Tatbestandshandlung“ verlangt und eine Anwendung von Gefährdungs- sowie Teilaktstheorien ablehnt; bei solch einer Betrachtungsweise fallen allerdings Versuchsbereich und Tatbestandsverwirklichung (jedenfalls bei schlichten Tätigkeitsdelikten) zusammen. 1623 3. Teil A. I. 2. f), S. 226 ff. 1624 Und dies, ohne dass man hier auf den Aspekt des „Rechtsgüterschutzes“ zurückgreifen zu müssen (Stichwort „seriöser Normbefehl“ und konsistente Gesetzgebungstechnik als besondere/mittelbare Ausprägungen des Bestimmtheitsgebots). Aus dem Blickwinkel des Rechtsgüterschutzes fällt auf, dass der Versuch bereits für sich als „allgemeines Gefährlichkeitsdelikt“ bezeichnet werden könnte (was in den Konstellationen des untauglichen Versuchs deutlich wird), sodass es schon aus diesem Grunde verfehlt anmutet, den „Versuch“ eines Gefährlichkeitsdelikts zu pönalisieren; derartige Überlegungen werden noch häufiger auftauchen, vgl. nur 3. Teil D. II. 2. c) bb), S. 562.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
wurde, sodass die Einbeziehung des „versuchten Besitzes“ in § 29a I Nr. 2 BtMG über die §§ 23 I Var. 1, 12 I StGB nur systematisch bedingt ist, aber streng genommen explizit ausgenommen werden müsste.
IV. Vorbereitung, Versuch und Vollendung beim Handeltreiben als multiplem Tätigkeitsdelikt Bei den bisher systematisch zufriedenstellenden Ergebnissen wurde das „Sorgenkind“ des Betäubungsmittelstrafrechts – das Handeltreiben – ausgeblendet, wobei eine getrennte Darstellung schon deswegen angezeigt ist, weil diese Tathandlung praktisch den wichtigsten Anknüpfungspunkt des Strafens in Betäubungsmittelsachen darstellt.1625 Die Diskussion rund um die Auslegung des Handeltreibens als multiples Tätigkeitsdelikt und die „Verschmelzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung“ 1626 gaben den ursprünglichen Anstoß für die vorliegende Abhandlung.1627 Als zentrale Tathandlung des Betäubungsmittelstrafrechts ist das Handeltreiben Aufhänger für alle geführten Diskussionen rund um das BtMG bzw. Nebenstrafrecht überhaupt, beginnend bei der staatlichen Drogenpolitik, über die partiell schon dargestellte systemtranszendente Rechtsgutsdiskussion1628 bis hin zur „Isolation des Nebenstrafrechts“. Das bisherige Gesamtkonzept der Abhandlung lässt vermuten, dass der Schwerpunkt im Folgenden trotz der überragenden Relevanz all dieser Fragen immer noch beim letzten Punkt liegt: Lassen sich der Begriff des Handeltreibens bzw. die Rechtsprechung hierzu mit der Dogmatik des Allgemeinen Teils vereinbaren? Wenn nein, inwiefern erscheint de lege lata sowie de lege ferenda eine „Anpassung“ an den Allgemeinen Teil möglich? Der unzulängliche Begriff des Handeltreibens soll nicht zu einer systemkritischen Abhandlung zur staatlichen Drogenpolitik führen.1629 Verfassungsrechtliche Erwägungen werden wie bisher nur insoweit aufgegriffen, als eine bessere „Bestimmtheit“ bzw. „Bestimmbarkeit“ i. S. d. Art. 103 II GG durch andere Interpretationsmöglichkeiten erreicht werden kann. Darüber hinaus bezweckt die Arbeit nicht die Auflösung „verfassungsrechtlicher Friktionen“.1630 Um die Diskussion rund um die Deliktsverwirklichungsstufen des Handeltreibens nachzeichnen zu können, muss feststehen, was die h. M. unter dem Begriff 1625
Körner/Patzak § 29 Teil 1 Rn. 25. Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 129. 1627 Vgl. Einleitung, S. 27 ff. Wobei es wiederum nicht zu Aufgabenstellung gehört, das Handeltreiben „allgemein“ und somit auch seine Auslegung in sonstigen Rechtsgebieten darzustellen, vgl. hierzu den „Exkurs“ bei Skoupil, Handeltreiben, S. 50 ff. und die Dissertation Webers, der durchgehend „alle Rechtsgebiete“ im Auge behält. 1628 Vgl. 2. Teil., S. 67 ff. 1629 Siehe hierzu bereits in der Einleitung, S. 27 ff. 1630 In Anlehnung an den Titel der Monographie von Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, 2011. 1626
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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des Handeltreibens versteht bzw. wann sie von einer Vollendung des Delikts ausgeht. Da die Deliktsverwirklichung eine zentrale Rolle für die Lehre von Täterschaft und Teilnahme spielt, werden bereits in diesem Zusammenhang bestimmte Aspekte und Folgen der Rechtsprechung aufgegriffen. Die im Anschluss dargelegten Versuchskonstellationen und Fallgruppen strafloser Vorbereitung führen zur Prüfung, ob der Rechtsprechung ein dogmatisch haltbares Grundgerüst entnommen werden kann, welches der maßgeblichen Vorschrift des § 22 StGB zugänglich ist und welche Alternativen denkbar erscheinen (dann im Zusammenhang mit der gegen die extensive Rechtsprechung vorgebrachten Kritik). Sind alle Möglichkeiten der restriktiven bzw. „mit dem Allgemeinen Teil kompatiblen“ Auslegung erschöpft, werden in einem letzten Schritt gesetzestechnische Überlegungen de lege ferenda angestellt, welche das womöglich unbefriedigende Ergebnis kompensieren (5). 1. Grundlagen a) Definition Nach absolut h. M. ist der Begriff des Handeltreibens weit auszulegen. Demnach ist unter Handeltreiben jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen1631, auch wenn diese sich nur als gelegentlich, einmalig oder ausschließlich vermittelnd darstellt (d.h. auch die Förderung eines Fremdumsatzes reicht für ein Handeltreiben aus).1632 Diese Definition steht nach h. M. auch im Einklang mit dem Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates der Europäischen Union v. 25.10.2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels.1633 Die Tathandlung setzt sich somit aus vier Komponenten zu1631 Diese subjektive Zielrichtung scheint auf den ersten Blick das einzige zu sein, das den Begriff der objektiven Tätigkeit etwas „formt“; ob der Umsatzwille sich aber in der objektiven Handlung widerspiegeln muss, ergibt sich jedenfalls nicht aus der Definition. Fest steht jedenfalls, dass der Umsatzwille das Abgrenzungskriterium zu den einfachen Abgabe- und Erwerbsmodalitäten bildet, bei denen der Täter Drogen zum Eigenverbrauch ankauft oder „altruistisch“ seine Drogen verschenkt bzw. mit einem Dritten teilt. Es leuchtet ein, dass in diesen Fällen auch die Verbrechenstatbestände der § 29a ff. BtMG keine bzw. nur eingeschränkt Anwendung finden (etwa die Abgabe ohne Umsatzwillen an Minderjährige oder mit Todesfolge, §§ 29a Nr. 1, 30 I Nr. 3 BtMG). 1632 Aus der ständigen Rechtsprechung RG DJZ 1932 Sp. 808; BGHSt 6, 246 m. Anm. Topf NJW 1954, 1898; BGHSt 25, 290; 28, 308; 29, 239; 30, 28; 30, 359; 31, 145; 34, 124; BGH NStZ 2000, 207; 2003, 434; NStZ-RR 2006, 88; BVerfG 2007, 1193; BGHSt 50, 252; aus dem betäubungsmittelrechtlichen Schrifttum Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 24; Weber § 29 Rn. 153 f.; MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 272 ff.; Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 4.1.1; Franke/Wienroeder § 29 Rn. 22; Patzak/ Bohnen Kap. 2 Rn. 50; Malek, 2. Kap. Rn. 86. 1633 BGH NStZ 2006, 171.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
sammen:1634 Der Vornahme einer Tätigkeit, der Ausrichtung auf einen Betäubungsmittelumsatz,1635 der Eigennützigkeit als besonderes subjektives Merkmal und der fehlenden Erlaubnis gem. § 3 BtMG. Da das besondere subjektive Merkmal der Eigennützigkeit den Tatbestand eher einschränkt,1636 ist sie trotz umfangreicher Kasuistik nicht Gegenstand der Diskussion und kann vorliegend weitgehend ausgeblendet werden.1637 Der Fokus des Rechtsanwenders richtet sich dementsprechend häufig auf den Begriff des Umsatzwillens. Ziel der Tätigkeit muss es sein, das Rauschgift auf dem Weg zum Konsumenten weiterzubringen: Damit scheidet man Handlungen ab, bei denen der Täter das Betäubungsmittel bewusst der Polizei zuschiebt bzw. ernsthaft mit dem Eingreifen der Ermittlungsbehörden rechnet.1638 b) Deliktstyp Der Wortlaut der Vorschrift sowie die soeben genannte Definition setzen weder den Eintritt eines bestimmten Umsatzerfolges1639 noch den Eintritt einer konkreten Umsatzgefahr voraus,1640 weswegen das Handeltreiben als schlichtes Tätigkeitsdelikt einzuordnen ist.1641 Es ist weder zeitlich noch inhaltlich umrissen, sondern kann mehrere Tathandlungen beinhalten. Daher ist das Handeltreiben – wie bereits erläutert – als multiples Tätigkeitsdelikt zu bezeichnen.1642 Die h. M. ordnet das Handeltreiben auch dem unechten Unternehmensdelikt zu,1643 doch 1634
Vgl. zu dieser Systematisierung auch Weber, Handeltreiben, S. 45 f. Woraus sich wiederum ergibt, dass die Handlung sich nicht zwingend auf ein Betäubungsmittel beziehen muss; ein Täter kann schließlich auch Handel mit Betäubungsmitteln treiben, obwohl diese faktisch noch nicht existieren, sondern beispielsweise noch hergestellt werden müssen, vgl. dazu bereits Fn. 1453 in Teil 3 und noch im Folgenden zum Handel mit Scheindrogen 3. Teil C. IV. 2. b), S. 458 ff.; vgl. hierzu S. 479 sowie Fn. 1782 in Teil 3. 1636 Zugleich dürfte sie als Abgrenzungsmerkmal gegenüber der Veräußerung als Verkauf ohne Eigennutz fungieren, vgl. nur Weber § 29 Rn. 921. 1637 Zur Eigennützigkeit vergleiche die Monographie von Beisheim, Eigennutz als Deliktsmerkmal im Strafrecht, 1994, insbesondere bezüglich § 29 BtMG, S. 161 ff. 1638 BGH NStZ 2008, 41; StV 1981, 549; vgl. auch Fn. 2200 in Teil 3, wonach es schließlich beim Ankauf zum Eigenverbrauch an einem Umsatzwillen fehlt. 1639 BVerfG NJW 2007, 1193; BGHSt 29, 239; 30, 359; BGH StV 2005, 271; NStZ 2000, 207; 2007, 100; BGH StV 1981, 238. 1640 Zum Begriff der Umsatzgefahr Gaede HRRS 2004, 165; etwas ausführlicher noch ders. StraFo 2003, 392. 1641 BGH NJW 2002, 3846; BVerfG NJW 2007, 1193; zum Deliktscharakter auch ausführlich Skoupil, Handeltreiben, S. 67 ff., der jedoch nicht den erheblichen Unterschied zwischen den konkret beschriebenen Tätigkeitsdelikten des BtMG und dem Handeltreiben herausarbeitet. 1642 3. Teil C. VI. 5., S. 495 ff. 1643 OLG Köln StV 1999, 156; BGH 3 StR 392/06; krit. BGH StV 2003, 501; vgl. auch Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 79; Weber, Handeltreiben, S. 49; ders. § 29 Rn. 280; Bensch, Handeltreiben, S. 75; Endriß/Kinzig NJW 2001, 3217 (3218). 1635
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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ist dies eher irre- als zielführend.1644 Zweifelhaft ist bereits die Zweckmäßigkeit bzw. „Existenzberechtigung“ 1645 des unechten Unternehmensdelikts als terminus technicus:1646 Schließlich bringt man mit dieser Bezeichnung nur zum Ausdruck, dass die Tathandlung so weit ins Vorfeld der eigentlichen Rechtsgutsverletzung liegt, dass man bei materieller Betrachtung Versuchsunrecht als Vollendung bestraft (so beispielsweise auch bei den §§ 113, 145d, 164, 292 StGB).1647 Aber da im Unterschied zum echten Unternehmensdelikt gem. § 11 I Nr. 6 StGB Vollendung und Versuch nicht gleichgestellt werden,1648 bleibt es bei der Notwendigkeit der Konkretisierung des jeweiligen Versuchsbereichs, allein schon wegen der Möglichkeit des Rücktritts gem. § 24 StGB und der fakultativen Strafmilderung gem. § 23 II StGB. Als Untergruppe der Tätigkeitsdelikte sollte man den Begriff des unechten Unternehmensdelikts mit Vorsicht genießen, da er keine Rückschlüsse auf die dogmatische Behandlung der Modalität zulässt.1649 Wenn man die Terminologie ernst nimmt, dürfte man über diese Deliktskategorie ohnehin nur diskutieren, wenn die Strafbarkeit des Versuchs nicht ausdrücklich angeordnet wäre (vgl. aber § 29 II BtMG); denn nur dann müsste man sich der Frage widmen, ob eine Gleichstellung von Versuch und Vollendung – wie bei den echten Unternehmensdelikten – die Versuchsvorschriften und damit auch § 23 II StGB sperrt. Man sollte vom Begriff des unechten Unternehmensdelikts Abstand nehmen und sich mit der Einordnung als schlichtes Tätigkeits- und abstraktes Gefährdungsdelikt begnügen.1650 c) Historische Entwicklung Im Gegensatz zu anderen Tathandlungen definiert das BtMG den Begriff des Handeltreibens nicht legal, was für ein Verwaltungsgesetz eher atypisch ist (vgl. etwa § 2 II BtMG zur Einfuhr oder der Herstellung gem. § 2 I Nr. 4 BtMG). Der Begriff des „Vertriebs“ in § 6 Nr. 5 BtMG lässt sich aufgrund des abweichenden Wortlauts und Regelungszwecks nicht heranziehen.1651 Die einschlägigen Mono1644
Vgl. auch BGH NStZ 2004, 106 („nicht ergiebig“). Krit. Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 197 m.w. N. 1646 Zum Ganzen Berz, Tatbestandsverwirklichung und Rechtsgüterschutz, S. 125 (132 ff.), Sch/Sch/Eser/Hecker § 11 Rn. 40; LK/Gribbohm § 11 Rn. 93 ff.; MK-StGB/ Radtke § 11 StGB Rn. 88; Waider GA 1962, 176 ff.; Burkhardt JZ 1971, 352; Schröder in FS-Kern, 1968, S. 457 (461) monographisch Wolters, Unternehmensdelikt, S. 33 ff.; ders. in FS-Rudolphi, 2004, S. 357; krit. Sowada GA 1988, 197 ff. 1647 SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 31. 1648 Was sich ggf. aus der Anordnung der Versuchsstrafbarkeit ergibt. 1649 Mithin – wie es Sowada in GA 1988, 197 (206) ausdrückt – „bloßes Etikett“ ist, da die Frage, ob der Tatbestand etwas für den Versuch übrig lässt „nicht vom klassifikatorischen Terminus“ abhängig ist. 1650 Krit. auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 195 f. und Skoupil, Handeltreiben, S. 91 f. 1651 Letztlich bedarf die Vorschrift erst einmal selbst einer Konkretisierung, vgl. hierzu Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 149. 1645
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
graphien von Weber, Schwitters, Ebert, Skoupil und Lang1652 beginnen bei ihrer historischen Analyse richtigerweise nicht bei der Rechtsprechung des Reichsgerichts, sondern bei den Gesetzesmaterialien, wobei sie teils hervorheben, dass das OpiumG von 19201653 den Begriff des Handeltreibens nicht als Tathandlung enthielt, obwohl die Handlung im Kreis der erlaubnispflichtigen Tätigkeiten genannt wurde. Das Handeltreiben wurde erst mit dem OpiumG von 1929 als Tathandlung in die Strafvorschrift aufgenommen, um damit die Lücken zu schließen, die im Bereich bloßer Vermittlungshandlungen (also beim Fördern fremden Umsatzes) entstanden waren.1654 Im Gegensatz zum Inverkehrbringen war das Handeltreiben ursprünglich keine Tatmodalität und wurde auch nicht im Zusammenhang mit Rauschmittelumgang definiert, sondern mit Notverordnungen nach dem Ersten Weltkrieg. In der Folgezeit blieb dieser Aspekt unberücksichtigt, und das Reichsgericht definierte das Handeltreiben in seiner ersten Entscheidung zu § 10 I Nr. 1 OpiumG als das „eigensüchtige Entfalten einer auf Umsatz von Betäubungsmitteln gerichteten Tätigkeit.“ 1655 Die h. M. bringt ausgerechnet diese Rechtsprechung als „historischen Beleg“ für die von Anfang an extensive Auslegung.1656 Der BGH folgte 1954 der Definition des RG; dies war der Beginn der nach und nach folgenden Katalogisierung des Handeltreibens durch zahlreiche Entscheidungen. Mit ihr entwickelte sich die oben dargestellte Grunddefinition und nahm Gestalt an bis zur vorübergehenden „Schlussfassung“ in BGHSt 25, 290.1657 Kritik gegen diese „von Anfang an beständige Rechtsprechung“ formierte sich erst Anfang der 80er Jahre, als immer mehr Fälle „intuitiven Versuchsunrechts“ als vollendetes Handeltreiben bewertet wurden (etwa der „untaugliche Versuch“ des Verkaufs von Schokolade statt Haschisch, entgegen der Vorstellung des Täters). Die neu entfachte Rechtsgutsdis-
1652 Weber, Handeltreiben, S. 131–152; Schwitters, Handeltreiben, S. 18 ff.; Ebert, Handeltreiben, S, 44; Skoupil, Handeltreiben, S. 23 ff.; Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 189 ff. 1653 RGBl. I, 215. 1654 Wobei man diesbezüglich auch anbringen muss, dass in der Wissenschaft die bahnbrechenden Lehren Roxins im Bereich von Täterschaft und Teilnahme noch ausstanden, sodass man vielleicht nicht so ohne Weiteres auf die Idee kam, derartige Vermittlungshandlungen über die Beteiligungslehre (Beihilfe, „Täter hinter dem Täter“ zu erfassen); insofern kann dies der Kritik Langs, vgl. S. 192 an der Entscheidung des Gesetzgebers und der reichsgerichtlichen Judikatur entgegengehalten werden. 1655 RG DJZ 1932, Sp. 808. 1656 Damit soll aber nicht suggeriert werden, dass dieser Gesichtspunkt vollkommen unter den Tisch gekehrt werden würde, vgl. nur Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 29. 1657 Schon in BGH NJW 1979, 1259, dann aber auch durch das Bundesverfassungsgericht, wird diese Extension mit den besonderen Strukturen des Betäubungsmittelmarkts begründet; diese Fragen betreffen aber wieder mehr die grundsätzliche Drogenkriminalpolitik und somit die systemtranszendente Rechtsgutsdiskussion, zur Marktsituation und zur Rolle des Strafrechts, insbesondere der weiten Auslegung des Handeltreibens vgl. Weber, Handeltreiben, S. 195–202, S. 212–236.
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kussion1658 sowie die kritische Haltung gegenüber der Tendenz einer Vorverlagerung der Strafbarkeit schienen auf das Betäubungsmittelstrafrecht „überzuschwappen“, obwohl dieses Rechtsgebiet kein Kind des „modernen Präventionsstrafrechts“ war, sondern als dessen „Vorreiter“ 1659 bezeichnet werden müsste.1660 Es mehrten sich die Stimmen, wonach das Handeltreiben eingeschränkt werden müsste und die Fälle mangelnder Gefährlichkeit für das Rechtsgut grundsätzlich aus dem Tatbestand zu nehmen seien, also nicht nur (wenn überhaupt) strafzumessungstechnisch zu berücksichtigen.1661 Diese Kritik griff der Dritte Senat in seinem Anfragebeschluss vom 10.07. 2003 auf und strebte eine Neudefinition des Handeltreibens an.1662 Das Katalogmodell des Dritten Senats verzichtete zwar auf den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags bzw. einer Übertragung der Betäubungsmittel, wollte aber Handlungen im Vorfeld, typische Hilfstätigkeiten und nachfolgende Geldtransaktionen ausklammern. Das Handeltreiben sollte demnach ein abgeschlossenes Kompendium von Tathandlungen erfassen (Ankauf, Erwerb, Verschaffung in sonstiger Weise, Einfuhr, Ausfuhr, Feilhalten, Entgegennahmen/Aufsuchen von Bestellungen, Veräußern, anderen Überlassen, sonstiges Inverkehrbringen, Vermitteln), die in der Absicht vorgenommen wurden, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Zudem sollten ernsthafte Verhandlungen mit dem Lieferanten ohne abschließende Einigung allenfalls zu einem Versuch führen. Nur der Vierte Senat stand dem Begehren des Dritten Senats positiv gegenüber,1663 während alle anderen Senate an der extensiven Auslegung festhalten wollten.1664 Daher war es keine Überraschung, dass das Projekt „Konkretisierung des Handeltreibens“ zum Scheitern verurteilt war. Jeglicher Kritik sowie allen beschriebenen Restriktionsansätzen erteilt der Große Senat auf eine „korrigierte“ Anfrage des Dritten Senats hin1665 in seinem Beschluss vom 26.10.2005 eine 1658
Siehe hierzu schon 2. Teil C., S. 76 ff. Hassemer KJ 1992, 65 (65). 1660 Vgl. das erste „besorgte“ Resümee bei Liemersdorf/Miebach MDR 1979, 981 ff.; Paeffgen in FS-BGH, S. 695 (717), vgl. das Zitat bei Fn. 3 in der Einleitung. „Hierbei fällt auf, dass die frühere Veröffentlichungspraxis im umgekehrten Verhältnis zur perhorreszierten Gefahr, aber auch zur statistischen Begehungshäufigkeit stand. Zwar war seinerzeit die Flut von Publikationsorganen noch nicht auf das heutige (Un-)Maß geschwappt. Aber man kann sich als Außenstehender nicht ganz des Eindrucks erwehren, man habe vielleicht aus gutem Grund die gesamte Pracht der dogmatischen Sumpfblütenflora dem etwaig kritischen Auge der wissenschaftlichen Botanisierer vorenthalten wollen.“ 1661 Siehe hierzu noch ausführlich 3. Teil C. VI., S. 484 ff. 1662 BGH NStZ 2003, 105; zu den darauf folgenden Vorgängen und der Rechtsprechung detailliert, Skoupil, Handeltreiben, S. 165 ff. 1663 Beschl. v. 27.01.2004, 4 ARs 23/03. 1664 BGH NStZ-RR 2004, 183 (2. Senat); Beschl. v. 25.03.2004, 1 ARs 21/03 (1. Senat); Beschl. v. 22.01.2005, 5 ARs 46/03 (5. Senat). 1665 BGH NJW 2005, 1589. 1659
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„deutliche Absage“.1666 Während er im amtlichen Leitsatz nur den Anfragebeschluss des Dritten Senats beantwortet („Für die Annahme vollendeten Handeltreibens reicht es aus, dass der Täter bei einem beabsichtigten Ankauf von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Verkäufer eintritt“),1667 ergibt sich aus dem Beschluss selbst, dass er an der Grunddefinition des Handeltreibens sowie an dessen extensiver Auslegung festhält, u. a. stellt er fest:1668 „[. . .] Zunächst sprechen eine über sieben Jahrzehnte von der Rechtsprechung kontinuierlich praktizierte Auslegung des Tatbestandsmerkmals Handeltreiben, ferner in jüngerer Zeit vom Gesetzgeber vorgenommene Änderungen im Betäubungsmittelstrafrecht und die Rezeption des Begriffs Handeltreiben, die in anderen Materien des Nebenstrafrechts stattgefunden hat, für ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung. Den Begriff des Handeltreibens im Sinne des Betäubungsmittelrechts versteht die Rechtsprechung seit der Zeit der Weimarer Republik in gleich bleibender Weise. Zuvor hatte bereits das RG diesen in wirtschaftsrechtlichen Vorschriften – namentlich in der Zeit des Ersten Weltkriegs und der Nachkriegszeit – enthaltenen Begriff als „jede eigennützige, auf den Güterumsatz gerichtete Tätigkeit“ interpretiert [. . .].1669 Der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland hat bei allen seinen Entscheidungen den tradierten Begriff des Handeltreibens vor Augen gehabt. Das gilt schon für die Ablösung des Opiumgesetzes durch das Betäubungsmittelgesetz [. . .], zudem für alle danach erfolgten Änderungen der Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes. Bei keiner dieser Gelegenheiten hat der Gesetzgeber Veranlassung gesehen, etwa den Begriff des Handeltreibens in seiner durch die Rechtsprechung erlangten Gestalt in Frage zu stellen [. . .]. Vielmehr hat der Gesetzgeber sogar neue Straftatbestände geschaffen, die unterhalb der Schwelle des Handeltreibens liegen. Mit der Vorschrift des § 29 I Nr. 10 BtMG [. . .], die das Verschaffen oder Gewähren einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln und ähnliche Verhaltensweisen pönalisiert, sind Handlungen, die im Vorfeld des Handeltreibens liegen, zu selbstständigen Straftatbeständen aufgewertet worden [. . .] Angesichts solcher gesetzgeberischen Ausformung von Taten im Vorfeld des Handeltreibens zu eigenen Straftatbeständen – namentlich unter Betonung der Gleichwertigkeit mit dem Handeltreiben – liefe eine Einengung dieses Begriffs den Absichten des Gesetzgebers deutlich zuwider.“ 1670 1666
Vgl. Körner/Patzak Teil 4 Rn. 44. BGHSt 50, 252. 1668 BGHSt 50, 252. 1669 Diese Vorgehensweise kaschiert, dass diese Definition nicht auf einem Handeltreiben als Strafvorschrift basierte, vgl. 3. Teil C. IV. 1. c), S. 433 ff. 1667
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Trotz dieser Zurückweisung wurde der Vorstoß des Dritten Senats als „bahnbrechende“ 1671 Zäsur mit wichtigen Folgen für den Diskussionsstand angesehen. Auf den ersten Blick hat er allenfalls nur mittelbare Änderungen in der extensiven Rechtsprechung bewirken können.1672 2. Die Vollendung des Handeltreibens und seine einzelnen Erscheinungsformen bzw. Teilakte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Basierend auf der eingangs genannten Grunddefinition erfasst das Handeltreiben sowohl tatsächliche Handlungen als auch (nach §§ 134, 138 BGB unwirksame) Rechtsgeschäfte. Weber arbeitet in diesem Zusammenhang deutlich heraus, dass als chronologischer Anknüpfungspunkt der konkurrenzrechtliche Begriff der Bewertungseinheit herangezogen werden kann: Einzelne Teilakte des Handeltreibens, die denselben Güterumsatz betreffen, werden schließlich zu einer Handlungseinheit verklammert.1673 Erfasst sind also alle Stadien des Betäubungsmittelumsatzes,1674 wobei der Täter nicht alle diese Stadien durchlaufen muss und die Feststellung einer einzigen Handlung innerhalb dieses „Kreislaufs“ ausreicht. Die einschlägige Literatur und die Kommentierungen zum Handeltreiben teilen die unterschiedlichen Handlungsmodalitäten nach den Kriterien fakti1670 Bei solch einer Argumentation vermengt man die Fragen der Vorfeldkriminalisierung mit der Bestimmtheit eines Strafgesetzes bzw. dessen Vereinbarkeit mit dem Allgemeinen Teil des StGB, vgl. noch das Resümee bei 3. Teil C. IX., S. 524 ff.; was für das kritische Schrifttum gilt (nämlich, dass man diese Fragen auseinanderzuhalten hat), gilt umso mehr für den Rechtsanwender. 1671 Vgl. Roxin StV 2003, 619. Wobei m. E. die „Wendung“ bahnbrechend doch etwas zu positiv konnotiert ist, wie die Ausführungen im Folgenden belegen werden. 1672 Insbesondere die „Sensibilisierungsfunktion“ solch eines Anfragebeschlusses dürfe nicht unterschätzt werden, vgl. Gaede HRRS 2004, 165 (167); der dies als zweiten Aspekt dem Gedanken folgen lässt, wonach bereits der Anstoß zum Diskurs hoch angerechnet werden muss, der alle (Lehre und Rechtsprechung) zum Nachdenken anregt. 1673 Weber, Handeltreiben, S. 44; auch er fasst alle denkbaren Erscheinungsformen des Handeltreibens umfassend zusammen, vgl. S. 61, beginnt allerdings nicht chronologisch, sondern ordnet die Darstellung nach deren praktischer Bedeutung (beginnend mit dem Kaufgeschäft als „klassische Tathandlung“). Im Gegensatz zur vorliegenden Abhandlung repetiert er vornehmlich die amtlichen Leitsätze (was hier aber im Hinblick auf das Ziel der Abhandlung auch nicht als Kritik zu verstehen ist); Skoupil dagegen beginnt mit einer knapperen Einleitung, vgl. Handeltreiben, S. 37 ff. und trennt dann seine Darstellung (dem Untertitel der Arbeit entsprechend) in „ausgewählte Entscheidungen“ vor und nach dem Anfragebeschluss des Dritten Senats, vgl. S. 98 ff. sowie S. 164 ff. Diese Aufteilung wiederum erfolgt nochmals grob anhand bestimmter Fallgruppen (Eigene Umsatzgeschäfte, S. 99 ff., Fremdumsatzgeschäfte, S. 111 ff., Sichergestellte Betäubungsmittel, S. 118 ff. Scheindrogen, S. 124 ff. Betäubungsmitteldiebstahl, S. 130 ff. sowie Entscheidungen mit restriktiven Tendenzen, S. 138 ff.). 1674 Beginnend bei der Produktion bis zur letzten Finanztransaktion.
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scher Handlungen und Rechtsgeschäfte ein.1675 Vorliegend erfolgt die Darstellung dagegen „chronologisch“: Die unterschiedlichen Stadien des Betäubungsmittelumsatzes sind klar abzuschichten, wenn die Handlungen den unterschiedlichen Deliktsverwirklichungsstufen zugeordnet werden sollen, unabhängig davon, dass der Täter irgendwo mitten im Betäubungsmittelkreislauf „einsteigen“ kann und nicht jedes Stadium „durchlaufen“ muss.1676 Auch die zeitliche Abfolge der Handlungen ist variabel.1677 Das chronologische Vorgehen dient also nur der ersten „Orientierung“, sagt aber nichts über die Deliktsverwirklichungsstufen im konkreten Einzelfall aus. Die Rechtsprechungsanalyse erfordert nicht selten eine – wenn auch möglichst knappe – Zusammenfassung der tatrichterlichen Feststellungen, da die kurze Bezeichnung einer Handlung nicht viel über den Kontext der Tätigkeit aussagt. Dies mag der Grund dafür sein, warum die Rechtsprechung des BGH anfällig für Missverständnisse ist. Da die h. M. das Handeltreiben als Auffangtatbestand versteht, genießen die Ermittlungsbehörden den „Luxus“, nur eines von vielen Teilakten des Handeltreibens nachweisen zu müssen. Dann knüpft man vielleicht nur an eine bestimmte Handlung, aber eigentlich entscheidet man – Stichwort „Bewertungseinheit“ – über einen gesamten Betäubungsmittelumsatz. Wenn aber der Kontext nicht erläutert und schlagwortartig eine einzige Handlung beschrieben wird, kann der Begriff alleine nicht die unterschiedlichen Parameter des Sachverhalts deutlich machen. Dies kommt i. R. d. Diskussion zur „Asymmetrie“ von „Ankaufs- und Verkaufsbemühungen“ zum Vorschein: Bei beiden Handlungen ist noch nichts darüber gesagt, ob der Täter bereits im Besitz von Betäubungsmitteln ist, wobei man dies beim Verkauf eher vermutet, als beim Ankauf. Wenn man aber beispielsweise anmerkt, dass bloße Verkaufsbemühungen für ein vollendetes Handeltreiben ausreichen, bleibt gerade aufgrund der vergleichenden Betrachtung offen, ob unter den Begriff der Verkaufsbemühungen auch solche Situationen fallen, in denen der Täter sich potentiell noch bemühen müsste, Drogen zwischenzeitlich anzukaufen. Letztlich stellt der BGH häufig nebenbei fest, dass das Handeltreiben bereits bei einer zeitlich vorverlagerten Handlung (soz. „hypothetisch“) vollendet wäre, um die Argumentation im konkreten Einzelfall zu untermauern. So hat man weniger Probleme, eine zeitlich vorverlagerte Handlung (ernsthaftes Verkaufsangebot) als Handeltreiben zu bewerten, da tatsächlich weitere Handlungen (etwa der Vertragsschluss sowie dessen Abwicklung) festgestellt sind. Derartige Missverständlichkeiten können sich auch ergeben, wenn Handlungen pauschal unter das
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Vgl. so eben Fn. 1673 in Teil 3. Beispielsweise braucht es keiner Einfuhr, wenn die Herstellung im Inland er-
folgt. 1677 Etwa das Lagern, aber auch das Verkaufen, das sowohl vor dem Ankauf als auch nach dem Ankauf liegen kann.
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Handeltreiben subsumiert werden, obwohl sie für sich betrachtet gerade kein Handeltreiben darstellen, sondern nur aufgrund einer mittäterschaftlichen Zurechnung gem. § 25 II StGB eine Verurteilung erfolgt. Genau aus diesem Grund gilt es, die konkrete Entscheidung – wenn auch nicht jede einzelne – immer etwas genauer darzulegen. Hierbei ist es zweckmäßig, zunächst alle Tätigkeiten darzustellen, die von der h. M. als vollendetes Handeltreiben bewertet werden. Diesen Ausführungen soll die straflose Vorbereitung gegenüberstellt werden, um im letzten Schritt darzulegen, was zumindest im Gefüge der h. M. vom Versuch übrig bleibt. a) Tatsächliche Handlungen aa) Anbau/Herstellung von Betäubungsmitteln Damit Betäubungsmittel „umgesetzt“ werden können, müssen sie zunächst einmal existieren. Nach h. M. ist bereits dieser erstmögliche Umgang mit Betäubungsmitteln als Teilakt des Handeltreibens anzusehen, wenn die Produktion (sprich der Anbau bzw. die Herstellung) auf Umsatz gerichtet ist.1678 Die Vollendung des Delikts interpretiert die Rechtsprechung hierbei genauso wie beim Anbau ohne (nachgewiesenem) Umsatzwillen. Im Gegensatz zum Anbau können unter den Begriff des Herstellens bereits „fertige Betäubungsmittel“ fallen, die lediglich verarbeitet bzw. gereinigt werden (dazu sogleich). Dies mag der Grund für die asymmetrische Entwicklung in der Rechtsprechung sein, wonach die Herstellung merklich früher als „Teilakt“ des Handeltreibens eingeordnet wurde, als der Anbau. Der Anbau als Teilakt hat sich erst mit einem Beschluss vom 12.01. 2005 – also verhältnismäßig spät – etabliert.1679 Im konkreten Fall hat das Landgericht den Anbau von 28 Marihuana-Pflanzen, die bereits eine Wuchshöhe von etwa einem Meter erreicht hatten, festgestellt und als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewürdigt. Zudem konnte man den Angeklagten nachweisen, dass die von ihnen gepflanzten und gepflegten 1678 Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 98; Weber § 29 Rn. 455; MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 92; Franke/Wienroeder Rn. 67; krit. Krumdiek/Wesemann StV 2006, 634 (637). 1679 BGH v. 12.01.2005 – 1 StR 476/04, DRsp Nr. 2005/1949. Zwar werden auch zeitlich davor liegende Entscheidungen als Beleg für diese Auffassung zitiert, insbesondere BGHSt 25, 290 (bei Weber § 29 Rn. 455; bei Körner/Patzak § 29 Teil 2. Rn. 98), doch geht der BGH dort nicht einmal obiter dicta auf diese Frage ein; ähnliches gilt für BGH StV 1995, 624. Der Kommentarliteratur muss hier teilweise der Vorwurf gemacht werden, dass nicht immer mit der für solch einen empfindlichen Bereich notwendigen Präzision zitiert wird: Wenn als weiterer Beleg, die Grundsatzentscheidung des BGH zur Bewertungseinheit aus dem Jahre 1981 zitiert wird, blicke man auf den amtlichen Leitsatz der Entscheidung: „Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verbindet die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinanderfolgenden Teilakte – wie Erwerb, Einfuhr, Veräußerung – zu einer einzigen Tat (Bewertungseinheit).“ Der Anbau als Tathandlung taucht gerade nicht auf und zwar an keiner einzigen Stelle der Entscheidung, auch nicht in den Urteilsgründen!
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Cannabis-Pflanzen nach Erreichen der vollen Wuchshöhe abgeerntet und gewinnbringend an Dritte verkauft werden sollten. Hervorzuheben ist, dass es sich um einen Fall handelt, in dem der Zugriff durch die Ermittlungsbehörden bereits zum Zeitpunkt des Anbaus erfolgt. Kurz und knapp stellt der Senat daraufhin fest, dass der unerlaubte Anbau von Cannabis-Pflanzen in Form der Aufzucht bis in das Stadium, in dem sie eine nicht geringe Menge THC enthalten, den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt, wenn der Anbau auf die gewinnbringende Veräußerung der herzustellenden Betäubungsmittel zielt. Eine Ernte sei nicht erforderlich, da dies lediglich das Beendigungsstadium des Anbaus betreffe. Als Beleg zieht der BGH vornehmlich die Kommentarliteratur heran; deneben rekurriert er auch auf eine Entscheidung des OLG Dresden (in der es jedoch nicht um den Anbau als Teilakt des Handeltreibens, sondern um die Interpretation des Anbaus als Besitz in nicht geringen Mengen gem. § 29a I Nr. 2 BtMG geht1680). Eine weitere Begründung für diese Vorverlagerung vermisst man, obwohl bereits der Wortlaut des § 29 I BtMG Anlass zu Zweifeln gibt, da Anbau und Herstellung vor dem Klammerzusatz „ohne Handel zu treiben“ stehen. Bereits dieser Aspekt sollte Grund genug sein, etwas näher zu begründen, warum eine zeitlich derart vor dem eigentlichen Umsatzgeschäft liegende Handlung eine (unmittelbar) auf den Umsatz gerichtete Tätigkeit sein soll und wie sich diese Rechtsprechung mit dem „Begründungsaufwand“ verträgt, den man schon in zeitlich wesentlich näher am Umsatzgeschäft liegenden Handlungen tätigt.1681 Kurz daraufhin schließt sich der Zweite Senat in einem Beschluss vom 27.07.2005 dieser Auffassung an. Auch in diesem Fall erfolgte der Zugriff – zumindest partiell – zu einem Zeitpunkt, bei dem die Betäubungsmittel noch nicht abgeerntet, zubereitet und verpackt wurden.1682 Ausgerechnet das Bundesverfassungsgericht hat sich kurze Zeit danach ebenfalls mit einem derartigen Fall des Anbaus als Teilakt zu befassen und ist im Ver1680 OLG Dresden NStZ-RR 1999, 372. Diese Interpretation des § 29a I Nr. 2 BtMG wird von der h. M. für notwendig erachtet, da – auf den ersten Blick paradox – der Anbau (im Gegensatz zur ähnlichen Tathandlung der Herstellung) nicht genannt ist; entweder man bewertet dies als Redaktionsversehen oder begründet dies damit, dass die Herstellung auch Teilakte beinhaltet, bei denen der Täter im Besitz bereits konsumierbarer Drogen ist. Jedenfalls wenn die Betäubungsmittel noch im Entwicklungsstadium sind, muss man dementsprechend in der Deutung des Anbaus als Besitz einen klaren Verstoß gegen die Wortlautgrenze bezeichnen. 1681 Krit. auch Skoupil, Handeltreiben, S. 106, der seinerseits auf Roxin StV 1992, 519 und Krack JR 2008, 342 verweist, wonach in anderen Bereichen des Strafrechts auch niemand glaubte, durch eine Strafbarkeitsvorverlagerung die Delinquenz besser bekämpfen zu können (Einkauf des Dietrichs für den geplanten Einbruch oder Beschaffen der Jagdwaffe für die Wilderei). 1682 BGH NStZ 2006, 578; aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte LG Arnsberg, Urt. v. 06.06.2008 – Aktenzeichen 2 KLs 262 Js 775/07 (4/08b).
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gleich zum Ersten und Zweiten Senat in seiner Begründung etwas konkreter:1683 In einem Fall, in dem der Beschwerdeführer Hanfpflanzen in einem Umfang angebaut hat, die im Wirkstoffgehalt die Grenze zur geringen Menge um ein Vielfaches überstieg, stellt der Senat fest: „Auch wenn noch kein Umsatzgeschäft stattgefunden hat, ergibt sich aus den Umständen des Falles, dass das Handeln des Beschwerdeführers im Sinne der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Begriffs auf ein Handeltreiben gerichtet war.1684 In Verfolgung seines Plans hatte sich der Beschwerdeführer mit einer elektrischen Waage und Folientüten zum Abwiegen und Verpacken der Cannabisprodukte ausgestattet.“ Als hätte das Bundesverfassungsgericht den Einwand der „Vorverlagerung“ kommen sehen,1685 werden die unterschiedlichen Ausgangspunkte hervorgehoben: „Dem Fall des Beschwerdeführers lag [. . .] eine auf Umsatz gerichtete ,Urproduktion‘ von Betäubungsmitteln zugrunde. Die zum Umsatz bestimmte Ware befand sich bereits in der Verfügungsgewalt des Beschwerdeführers, so dass das Betäubungsmittel alsbald in den Verkehr gelangt wäre und die spezifische Gefährdungslage für das durch §§ 29 ff. BtMG geschützte Rechtsgut bereits bestand.“ Damit arbeitet das Bundesverfassungsgericht einen maßgeblichen Aspekt der heraus, der die Strafbarkeitsvorverlagerung legitimieren soll, nämlich die „Verfügungsgewalt“ über die Betäubungsmittel.1686 Inwiefern diese Auffassung haltbar ist und einen Aussagehalt für eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit haben kann, gilt es erst im nächsten Abschnitt näher darzulegen. Die dogmatische Relevanz der Entscheidung wurde bis dato noch nicht ausreichend gewürdigt, obwohl man sie nicht unterschätzen sollte, wenn man bedenkt, dass das Bundesverfassungsgericht die Bestimmtheit des Handeltreibens von einer bestimmten Lesart abhängig gemacht und damit die extensive Definition etwas näher konkretisiert hat (leider nicht deutlich genug und damit von der h. M. auch kaum wahrgenommen). Daher gilt es auf diese Entscheidung noch mehrmals einzugehen.1687 Zieht man die „Verfügungsgewalt über Betäubungsmittel“ als Legimitationspfeiler für die erneute Vorverlagerung heran, ist es nachvollziehbar, dass der 1683
BVerfG NJW 2007, 1193. Schon aus dieser missglückten Formulierung ergibt sich, dass das Bundesverfassungsgericht aber nicht wirklich zufrieden mit dieser Vorverlagerung ist. Intuitiv scheint auch der Senat davon auszugehen, dass der Anbau eine Tätigkeit ist, die auf ein Handeltreiben gerichtet ist, aber eben noch kein Handeltreiben darstellt. Richtigerweise müsste der Senat formulieren, dass es sich beim Anbau um eine Tätigkeit handelt, die auf einen kommenden Umsatz gerichtet ist. 1685 Dass bereits bei zeitlich näher am Umsatzgeschäft liegenden Fällen über die Bewertung als vollendeter Teilakt heftig diskutiert wird, dürfte dem Bundesverfassungsgericht bewusst gewesen sein. 1686 Vgl. hierzu insbesondere im Zusammenhang mit Fremdumsatzhandlungen als Abgrenzungsmerkmal Skoupil, Handeltreiben, S. 116 ff. 1687 3. Teil C. V. I., S. 475 (477). 1684
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BGH sowie die Kommentarliteratur den Herstellungsprozess (bzw. wiederum Teilakte hiervon) dagegen schon relativ früh unter das vollendete Handeltreiben subsumierte, soweit diese auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtet ist.1688 So sei bereits die Reinigung von Kokain als vollendetes Handeltreiben zu qualifizieren: „Da die gereinigte Kokainzubereitung nach dem Zusammenhang der Feststellungen gewinnbringend veräußert werden sollte, stellt sich der Reinigungs-/Herstellungsvorgang als Vorstufe zum Handeltreiben dar, die hinter dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurücktritt.“ 1689 Diese Begründung mutet etwas merkwürdig an, da man einerseits behauptet, es handele sich um eine „Vorstufe“ des Handeltreibens, andererseits diese Handlung im vollendeten Handeltreiben aufgehen soll. Eine weitergehende Erläuterung bzw. Auseinandersetzung zu Herstellung als Teilakt des Handeltreibens ist dem Beschluss (wie auch den übrigen Entscheidungen zur Herstellung1690) nicht zu entnehmen, das Gericht legt dies apodiktisch zugrunde. Nach neuerer Rechtsprechung kommt dem Anbau als „Anfang allen Übels“ zumindest in den Fällen eines fehlenden konkretisierten Geschäfts eine Abgrenzungsfunktion i. S. d. „frühesten Zeitpunkts“ für das unmittelbare Ansetzen zum Handeltreiben zu.1691 bb) Besitzen/Lagern/Feilhalten von Betäubungsmitteln Typischerweise lagert, deponiert oder verwahrt der Produzent der Drogen diese im nächsten Schritt, bevor er sie verkauft. Gleiches gilt allerdings auch für die Groß- und Zwischenhändler, welche die Drogen angekauft haben und nunmehr nach Abnehmern Ausschau halten. Denkbar ist schließlich auch, dass „kleine Fische“ die Drogen gegen Entgelt für Dritte in ihrer Wohnung, in ihrem Lokal oder in ihrem Keller aufbewahren und deponieren. Soweit die h. M. die Strafbarkeitsvorverlagerung partiell auch mit der Verfügungsmacht begründet, überrascht es nicht, dass ihrer Auffassung nach auch der Besitz mit dem Ziel gewinnbringenden Umsatzes einen Teilakt des Handeltreibens darstellen kann.1692 Dies hat gleich zwei Konsequenzen: Zum einen müssen 1688 Weber § 29 Rn. 403; Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 99; Franke/Wienroeder § 29 Rn. 67; MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 277. 1689 BGH NStZ 1993, 391; zu den übrigen Handlungen zur verkaufsfertigen Aufbereitung der Drogen 3. Teil C. IV. 2. a) ff), S. 458. 1690 Vgl. nur BGH NStZ 1993, 584: „Mit der Aufnahme der Drogenherstellung in der Absicht, das Rauschgift anschließend zu verkaufen, war der Tatbestand des Handeltreibens erfüllt [. . .] Daß die Herstellung nur im Ausland durch andere Mittäter erfolgte, ändert daran nichts [. . .]“. 1691 BGH v. 15.03.2012 – 5 StR 559/11, vgl. hierzu noch die gesonderten Ausführungen zur straflosen Vorbereitung, 3. Teil C. IV. 4., S. 472 ff. 1692 Zur h. M. des Besitzes als Teilakt des Handeltreibens differenzierend Körner/Patzak § 29 Teil Rn. 62 ff.; Weber § 29 Rn. 490; MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 277 (352).
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dann alle Teilakte einbezogen sein, deren Vornahme den Besitz von Betäubungsmitteln bedingt.1693 Dies wurde schon im Rahmen der Herstellung von wirkstoffhaltigen Betäubungsmittelsubstanzen deutlich,1694 führt aber auch dazu, dass jegliche Transportart1695 bzw. alle sonstigen Handlungsweisen, in denen der Täter Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel hat, als Teilakte des Handeltreibens zu bewerten sind. Zum anderen – und das dürfte von wesentlich wichtigerer Bedeutung sein – verzichtet man auf den Nachweis sonstiger Handlungen auf die Inbesitznahme oder auf Absatzbemühungen, soweit der Umsatzwille durch sonstige Aspekte tatrichterlich „zugeschrieben“ werden kann.1696 Verlangt man dagegen objektiv ein über den Besitz hinausgehendes, weiteres Tätigwerden, müsste genau dieses Tätigwerden ebenfalls nachgewiesen werden.1697 1693 Umgekehrt erscheint es auf den ersten Blick vollkommen logisch, dass der Besitz als Teilakt des Handeltreibens in diesem aufgeht, wenn beispielsweise der Erwerb oder der Verkauf der Betäubungsmittel ebenfalls tatrichterlich festgestellt ist, so bereits BGHSt 25, 290. Schließlich ergibt sich schon aus dem Klammerzusatz „ohne Handel zu treiben“, dass der „Erwerb“ bzw. das Sichverschaffen mit Umsatzwillen Teilakte des Handeltreibens darstellen; diese gehen dem Besitz faktisch stets voraus, sind lediglich nicht immer nachweisbar. Dennoch darf diese nicht zu dem automatischen Rückschluss führen, der Besitz sei eine taugliche Tathandlung innerhalb des Handeltreibens. Einer unbefangenen Betrachtung steht schon der Aspekt entgegen, dass es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt, welches aus dem Katalog des § 29 I Nr. 1 BtMG ausgenommen worden ist. Abgesehen davon sagt das konkurrenzrechtliche Verhältnis einer bestimmten Verhaltensform innerhalb einer Bewertungseinheit noch nichts Zwingendes darüber aus, ob diese Handlung auch alleine stehend den Tatbestand des Handeltreibens erfüllte, vgl. hierzu noch ausführlich 3. Teil C. VI. 6. b), S. 503 ff. 1694 Das Verarbeiten, Strecken und Portionieren setzt faktischen Zugriff voraus. 1695 Kurierfahrten im Inland, Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhr von Betäubungsmitteln. 1696 Man denke an Geständnisse, Zeugenaussagen, objektive Indizien, wie Menge, Versteck, Verpackung. 1697 Beispielsweise auch Verpacken bzw. Verstecken der Drogen durch diesen Täter, Gespräche mit Dritten, Kontaktaufnahmen; vgl. in diesem Zusammenhang BGH NStZ 2010, 521: „[. . .] Zweifel bestehen, ob auf den vom Angeklagten, der nigerianischer Staatsangehöriger ist, ausschließlich im Ausland ausgeübten Besitz an den Betäubungsmitteln das deutsche Strafrecht anwendbar ist. Die Voraussetzungen des § 7 II Nr. 2 StGB liegen nach den Urteilsgründen nicht vor. Die Vorschrift des § 6 Nr. 5 StGB, nach der für den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln das Weltrechtsprinzip gilt, erfasst nach der Rechtsprechung des BGH nicht deren Besitz (vgl. BGH StV 1984, 286). Gegen diese Rechtsprechung bestehen in einem Fall wie hier, in dem der Besitz an Betäubungsmitteln mit dessen Vertrieb in Tateinheit steht, durchaus Bedenken, denen der Senat infolge der Beschränkung der Verfolgung aber nicht weiter nachgehen muss.“ Obwohl man sich bisher beim Begriff des Vertriebs an dem des Handeltreibens orientierte, scheint man bei der Einbeziehung dann Schwierigkeiten zu haben, wenn einzig festgestellter Teilakt der Besitz von Betäubungsmitteln ist. Eindeutiger nimmt der Zweite Senat in einer aktuelleren Entscheidung v. 03.11.2011 – 2 StR 201, 11, StV 2012, 286 Stellung: „Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich die Anwendung deutschen Strafrechts auch nicht schon aus § 6 Nr. 5 StGB, denn diese Vorschrift, nach der für den ,unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln‘ das Weltrechtsprinzip gilt, erfasst nicht deren Besitz [. . .]. Insoweit kommt es nicht auf den Begriff des ,Handeltreibens‘ im Sinne des § 29 BtMG an, der ,jede eigennützige auf den Umsatz von
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(1) Ursprünglich restriktiver Ansatz Relativ früh hat der BGH den Besitz von Betäubungsmitteln als Teilakt des Handeltreibens eingestuft, in der konkreten Entscheidung aus dem Jahre 1981 allerdings ein Handeltreiben mangels nachgewiesenem Umsatzwillen verneint (der Täter habe sich nach geständiger und glaubwürdiger Einlassung noch nicht entschlossen gehabt, mit dieser Ware Handel zu treiben; somit habe er auch noch keine, auf den Umsatz gerichtete Tätigkeit vorgenommen).1698 Diese Rechtsprechung und das darin zum Ausdruck kommende Wechselspiel zwischen Umsatzwillen und objektiver Tätigkeit „Besitz“ gab die Richtung für den grundsätzlichen Umgang mit dem Besitz als Teilakt des Handeltreibens eigentlich bereits vor und beinhaltete ein restriktives Moment. Vollkommen zu Recht durfte nicht schon aufgrund des bloßen Besitzes bzw. aufgrund der Verfügungsmacht über eine nicht geringe Menge (in concreto 1035 Gramm Haschisch) automatisch auf einen Umsatzwillen geschlossen werden. (2) Besitz als allein maßgebliches „Verhalten“? (Diebstahl als Handeltreiben) Diese restriktive Betrachtung, die über den Besitz mit Umsatzwillen hinaus eine weitere Tätigkeit – soz. als „objektives Moment“ – fordert, geht aber in den folgenden Entscheidungen wieder etwas unter; stattdessen betont die Judikatur, dass bereits der Besitz von Betäubungsmitteln einen Teilakt des Handeltreibens darstellen kann. Etabliert hat sich diese Rechtsprechung im Rahmen der Diskussion rund um den Diebstahl von Betäubungsmitteln als Teilakt des Handeltreibens,1699 wobei der Zweite Senat erneut auf den Besitz abstellt und vertritt, dass es für das Handeltreiben nicht darauf ankommen könne, ob der Täter den Besitz abgeleitet bzw. einvernehmlich oder im Wege der verbotenen Eigenmacht gem. § 858 II BGB erlangt habe.1700 Dies im Gegensatz zum Dritten Senat, der zu Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit‘ erfasst [. . .] und der den Besitz von Betäubungsmitteln als unselbständiges, im täterschaftlichen Handeltreiben aufgehendes Teilstück des Geschehens umfasst [. . .]. Der Begriff des ,Vertriebs‘ ist vielmehr autonom auszulegen. Im Sinne des § 6 Nr. 5 StGB vertreibt Betäubungsmittel, wer allein oder durch seine Mitwirkung ihren in der Regel entgeltlichen Absatz an andere fördert [. . .]; gefordert wird eine Tätigkeit, die ein Betäubungsmittel entgeltlich in den Besitz eines anderen bringen soll [. . .]. Von den zahlreichen Teilakten des Handeltreibens werden durch den ,Vertrieb‘ nur solche erfasst, die unmittelbar auf Weitergabe gerichtet sind [. . .].“ 1698 BGH NStZ 1981, 263. 1699 Ausführlich auch Skoupil, Handeltreiben, S. 130 ff., der zu Recht eine Subsumierbarkeit des Diebstahls unter den Wortsinn des „Handel Treibens“ im Ergebnis verneint. 1700 BGHSt 30, 359 („Der Angekl. hat sich jedoch dadurch, dass er sich den Besitz an dem Haschisch in der Absicht verschafft hat, es ,zu verwerten‘, also gewinnbringend zu veräußern, und überdies das Betäubungsmittel bei sich gelagert hat, in Tateinheit mit
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diesem Zeitpunkt noch das Handeltreiben über die „Händlertheorie“ konkretisieren will1701 und den Diebstahl von Betäubungsmitteln zum Zwecke des Weiterverkaufs daher nicht als Teilakt des Handeltreibens bewertet.1702 Eine Vorlage an den Großen Senat hält der Zweite Senat für entbehrlich: „Trotz der insoweit unterschiedlichen Auffassung beider Senate bedarf es nicht der Anrufung des Großen Senats für Strafsachen [. . .]. Denn im vorliegenden Fall kommt hinzu – insoweit liegt er anders als der vom 3. Strafsenat entschiedene –, daß der Angeklagte das gestohlene Haschisch für die spätere Verwertung aufbewahrte, also auf Lager nahm. Auch der 3. Strafsenat vertritt die Auffassung, daß ,zum Handeltreiben auch das Innehaben der zu veräußernden Ware i. S. einer Lagerhaltung gehören kann‘. Da beim Beschwerdeführer in jedem Fall mit Rücksicht auf diese Lagerhaltung Handeltreiben zu bejahen ist, beruht das vorliegende Urteil im Ergebnis nicht darauf, daß der erkennende Senat abweichend vom 3. Strafsenat schon im bloßen in Verwertungsabsicht durchgeführten Diebstahl Handeltreiben sieht. Daß der 3. Strafsenat Handeltreiben durch Lagerhaltung von weiteren Voraussetzungen abhängig machen will, insbesondere meint, ,eine solche Verwahrung (müsse) im Zusammenhang mit einer auf Umsatz gerichteten Tätigkeit‘ stehen, bindet den erkennenden Senat nicht, weil diese Erwägung die dortige Entscheidung nicht trägt; in dem vom 3. Strafsenat entschiedenen Fall lag keine Lagerhaltung vor [. . .]“ Diese Urteilspassage wurde nicht ohne Grund vollständig aufgenommen, beinhaltet sie letztlich das Gegenteil der oben geschilderten Feststellung, dass allein die Lagerung (sprich der Besitz) keine Vermutung eines Umsatzwillens bedeuten darf. Jedenfalls sind weder irgendwelche weiteren Bemühungen durch den Angeklagten noch sonstige objektive Merkmale festgestellt, die für einen Umsatzwillen sprechen. Anders in einer Entscheidung vom 01.10.1997 (BGHSt 43, 252): Hier bestätigt der Zweite Senat, dass der (durch Diebstahl erlangte) Besitz TeilDiebstahl jeweils des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig gemacht“). 1701 Vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 28: „Da die Bestimmungen des BtMG sich vorwiegend mit dem legalen Verkehr mit Betäubungsmitteln beschäftigen und in nur wenigen Strafbestimmungen den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln regeln, wollte man sich ursprünglich bei der Definition des Begriffes „Handeltreiben“ an den Begriffen des legalen „Handelsgewerbes“ und „Handelsgeschäftes“ im HGB orientieren. 1702 BGHSt 30, 277. Bereits die Fragestellung macht die Schwierigkeiten rund um die „Dogmatisierung“ des Handeltreibens deutlich: Knüpft man an den Besitz, könnte man ja schließlich behaupten, dass die Frage, ob auch der Diebstahl von Drogen als Handeltreiben bewertet werden kann, praktisch keine Rolle spielt, da der Erwerber vor Entdeckung der Tat die Drogen gerade in Verkaufsabsicht „besitzen“ wird, so Weber, Handeltreiben, S. 93. Aber hierbei handelt es sich um einen Zirkelschluss, da sich die Diskussion auf Ebene des Besitzes eben dadurch fortführen ließe, dass man danach fragt, ob auch der nicht abgeleitete Besitz mit Umsatzwillen einen Teilakt des Handeltreibens darstellen kann.
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akt des Handeltreibens sein kann, allerdings sind auf die Lagerung hin weitere Tätigkeiten des Angeklagten (unter anderem die Kontaktaufnahme zu einer dritten Person) in die Feststellungen aufgenommen worden.1703 In weiteren Entscheidungen des BGH zum Besitz als Teilakt ergibt sich hinsichtlich dieses dogmatisch wichtigen Aspekts ein uneinheitliches Bild. (3) Ambivalente Rechtsprechung In einem Beschluss vom 02.01.1990 weist der BGH die rechtlichen Bedenken des Generalbundesanwalts zum Besitz als Teilakt des Handeltreibens zurück.1704 Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte mit drei Heroinbriefchen in einen als Drogenumschlagplatz bekannten Park in Zürich begeben, dort begonnen, nach geeigneten Abnehmern zu suchen und so versucht, das Heroin gewinnbringend zu verkaufen. „Auch wenn nicht festzustellen war, daß er schon Verkäufe getätigt oder auch nur Verkaufsgespräche geführt hat, hat das Landgericht zu Recht vollendetes Handeltreiben angenommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Handeltreiben auch das Innehaben der zu veräußernden Betäubungsmittel, vorausgesetzt, daß eine solche Verwahrung im Zusammenhang mit einer auf Umsatz gerichteten Tätigkeit steht. So war es hier: Der Angeklagte führte die Heroinbriefchen mit sich, um sie möglichst alsbald zu verkaufen.“ Diese Rechtsprechung ist der erst genannten Tendenz näher, wonach die „Tätigkeit“ Besitzen gerade nicht für ein Handeltreiben ausreicht. In einer Entscheidung vom 29.07.1992 hebt der BGH die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln auf, weil der Besitz „Teil des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel ist. . . jedenfalls wenn, wie hier, aus dem Bestand Teilmengen verkauft werden oder der Verkauf einer größeren Menge wegen unbeglichener ,Schulden‘ des Abnehmers verweigert wird.“ 1705 Beiden Entscheidungen fehlt es an einem eindeutigen Bekenntnis bzgl. einer „objektiv-restriktiven“ Lösung, die über das bloße Besitzen (als Unterlassung) hinaus weitere Handlungen des Täters fordert. Als undurchsichtig müssen auch die Ausführungen des Vierten Senats in einer Entscheidung 18.06.1993 zu dieser Frage bezeichnet werden.1706 Das Tatgericht konnte nicht feststellen, ob das beim Angeklagten während einer Durchsuchung aufgefundene Heroin schon zuvor von Dritten erworben wurde, um es gewinnbringend weiter zu veräußern, oder der Angeklagte es erst an sich genommen 1703 BGHSt 43, 252 m. Anm. Erb NStZ 1998, 253 (zu den eigentlichen Schwerpunkten der Entscheidung, welche materiell-rechtlich den Begriff der Bewertungseinheit und prozessual die des Strafklageverbrauchs betrafen). 1704 BGH v. 02.01.1990 – 1 StR 642/89; vgl. hierzu auch Skoupil, Handeltreiben, S. 104. 1705 BGH NStZ 1992, 546. 1706 BGH StV 1993, 570.
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hatte, nachdem die Polizei erschienen war (etwa um eine der anderen Personen zu schützen). Jedenfalls genüge die lapidare Feststellung, dass auch der Besitz mit Umsatzwillen ausreiche, nicht den Darstellungsanforderungen: „Zwar läßt sich die Erwartung eines Vorteils gegebenenfalls auch aus den Umständen, namentlich der Art und dem Umfang der umsatzgerichteten Tätigkeit sowie des damit für den Täter verbundenen persönlichen Aufwands ableiten, wenn andere als eigennützige Beweggründe nach Lage des Falles ausscheiden [. . .] Derartiges ist hier aber nicht dargetan und auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Entgegen der Annahme der Strafkammer versteht sich eine Gewinnerwartung des Angeklagten auch „angesichts des für ihn hohen Entdeckungsrisikos während des Zugriffs der Polizei [. . .] nicht von selbst.“ Der „Obersatz“ des Senats („Schon die bloße Inbesitznahme von Betäubungsmitteln, auf welchem Wege sie auch immer erfolgt, ist als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anzusehen, wenn der Täter in der Absicht handelt, das Rauschgift gewinnbringend zu verwerten. . .“) spricht für eine extensiv/subjektive Lösung – i. S. e. Verzichts auf eine weitere Tätigkeit über den Besitz hinaus –, wobei deren Anwendung aber eben den gleichen Voraussetzungen unterliegt, die für subjektive Tatbestandsmerkmale immer gelten: Nämlich, dass die Annahme eines bestimmten subjektiven Merkmals der sorgfältigen Begründung bedarf, soweit im Urteil Gesichtspunkte genannt sind, die gerade gegen das Vorliegen – hier eines Umsatzwillens – sprechen. Deutlich kristallisiert sich diese „Zuschreibung“ in einem Beschluss des Vierten Senats vom 26.08.1993 heraus: „Nach den Feststellungen führten die Angeklagten am späten Abend des 17. September 1992 im Pkw des Angeklagten F. [. . .] einen Koffer bei sich, in dem sich zwei geladene Revolver sowie – hinter dem Futter verborgen – vier Platten Haschisch mit einem Gesamtgewicht von 486,5 g (THC-Gehalt: 5,8%) sowie knapp 1 g Amphetaminsulfat befanden. Die Strafkammer hat hierzu ausgeführt, die Angeklagten (hätten) sich die Drogen zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt verschafft, um sie gewinnbringend weiterzuveräußern. Hiernach war für eine Verurteilung allein wegen unerlaubten Besitzes dieser Betäubungsmittel kein Raum. Die Feststellungen zum Handeltreiben beruhen auch nicht auf unzureichender Tatsachengrundlage. Beide Angeklagten haben in der Hauptverhandlung ein glaubhaftes Geständnis abgelegt [. . .] Zudem sprachen schon die äußeren Umstände, namentlich die Menge des Rauschgifts und die Art und Weise, in der die Haschischplatten im Koffer versteckt zusammen mit zwei geladenen Schußwaffen transportiert wurden, von vornherein gegen die Annahme, daß das in dem Koffer befindliche Rauschgift lediglich für den Eigenverbrauch bestimmt war.“ 1707 Weitere, in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidungen aus diesem Zeitraum betonen immer wieder, dass der bloße Besitz bereits Teilakt des Handeltrei1707
BGH 4 StR 326/93, MDR 1993, 1152 (bei Schmidt).
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bens sein könne, doch wurden dort jeweils weitere Handlungen (etwa Gespräche und eine Kostprobe1708 oder ein konkretes Angebot1709) durch das erkennende Gericht festgestellt, die über den bloßen Besitz hinausgingen. Allein die Menge des Rauschgifts kann (schon im Hinblick auf § 29a I Nr. 2 BtMG) nicht maßgeblich sein, soweit der Angeklagte glaubhaft darlegen kann, dass er sich seit dem Zeitpunkt der Inbesitznahme bis zum Schluss nicht sicher war, ob er die in seinem Besitz befindlichen 14 kg (!) Heroin weiterveräußern oder der Polizei zuspielen sollte.1710 (4) Der aktuelle Trend – Wieder die Beteiligungslehre als Rettungsanker? Der nicht eindeutige Umgang der Rechtsprechung mit dem Besitz als Teilakt des Handeltreibens macht den Weg frei für weitere Folgeprobleme im Bereich von Täterschaft und Teilnahme. Die „Folgeproblematisierung“ setzt aber stillschweigend die Rechtsauffassung voraus, wonach bereits das bloße Besitzen (als Unterlassen) Teilakt des Handeltreibens sein kann.1711 Diese Prämisse führt zu einem ebenso extensiven Täterverständnis, was die Abgrenzung zwischen einzelnen Beteiligungsformen nahezu unmöglich macht.1712 Da mag man die Auffassung des LG Duisburg in einem einschlägigen Fall schon als „intuitiv richtig“ bezeichnen, wenn es täterschaftlichen Besitz (mit Fremdumsatzwillen) und Beihilfe zum Handeltreiben voneinander trennt. Dass der BGH das Urteil nicht aufhebt, soll allerdings ausdrücklich daran liegen, dass es den Angeklagten nicht beschwert; im Übrigen lässt es sich der Dritte Senat nicht nehmen, die Auffassung der Vorinstanz zu kritisieren und „zurechtzurücken“:1713 „Der Senat nimmt jedoch die Gelegenheit wahr, die dort geäußerte Ansicht ausdrücklich aufzugeben, daß die Verschaffung1714 des Besitzes an Betäubungsmitteln in der Absicht, diese gewinnbringend zu veräußern, kein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sei. Der Senat folgt der Auffassung des 2. Strafsenats des BGH, daß schon die Inbesitznahme eines Betäubungsmittels, auf welchem Wege auch im1708 BGH StV 1994, 658; wobei der BGH in diesem Zusammenhang betont, dass bereits der Besitz mit Umsatzwillen strafbar sei, die darauf folgenden Vertriebshandlungen dementsprechend als unselbstständige Teilakte zu einer Bewertungseinheit zusammengezogen würden. 1709 BayObLGSt 1995, 27. 1710 BGH NStZ 1999, 572, vgl. bereits 3. Teil A. II. 1. c) bb) (1), S. 172 ff. 1711 Durch solch eine „Folgeproblematisierung“ wird also auch eine Meinung zunehmend zementiert, zu der man sich so noch nicht eindeutig bekannt hat. 1712 Damit ist auch nochmals das zentrale Problem der Beteiligungslehre angesprochen, das es im letzten Abschnitt aufzugreifen gilt, 3. Teil D. III., S. 573 ff. 1713 BGH NStZ 1993, 44. 1714 In concreto ging es um die Einlagerung von Betäubungsmitteln für einen Dritten im Keller des eigenen Ladenlokals, weswegen es auch merkwürdig anmutet, dass der BGH hier von „Verschaffen“ spricht.
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mer, mit der Absicht, es gewinnbringend zu verwerten, als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln anzusehen ist, ohne daß es auf die Vornahme umsatzfördernder Handlungen ankommt.1715 Der „Clou“ an der Entscheidung ist, dass der BGH nach neuerer Rechtsprechung wohl dazu tendieren würde, den für einen Dritten deponierenden bzw. besitzenden „Täter“ wegen seiner untergeordneten Stellung, geringen Tatbeteiligung und seines animus socii letztlich doch nur als Gehilfen einzuordnen. Die Entscheidung der Vorinstanz ist nicht nur „intuitiv“ richtig, sondern auch der dogmatisch konsequentere Ansatz: Sieht man im bloßen Besitz (ohne weitere Handlungen darüber hinaus) kein Handeltreiben, sondern eben nur typische Hilfstätigkeiten, hat man den extensiven Täterbegriff schon etwas eingeschränkt und muss diesen nicht durch eine extrem-subjektive Lösung wieder korrigieren.1716 Insofern setzt sich diese Problematik auf Ebene der einfachen Transportund Kuriertätigkeiten ohne Kontaktaufnahme zu Dritten fort. Hier tritt zwar neben den Besitz die Bewegungskraft („von A nach B“), doch bringt eine Person durch die bloße Bewegung für sich noch keinen Umsatzwillen zum Ausdruck.1717 Die Rechtsprechung im Anschluss bestätigt den oben geschilderten Befund, wonach man eine bestimmte Rechtsauffassung stillschweigend zugrunde- und somit auch festlegt, weil sich die meisten Entscheidungen ab diesem Zeitpunkt schwerpunktmäßig nur noch mit der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme in Besitzfällen auseinandersetzen. Damit wird zugleich das Problem der extensiven Auslegung auf die Beteiligungslehre verlagert und weitgehend dort gelöst. 1715
BGH NStZ 1993, 44. Es ist bezeichnend, dass der BGH schon kurze Zeit später – in einem Beschluss vom 25.05.1994 (BGH 2 StR 203/94) – gerade mit dieser Problematik konfrontiert wird und die „Früchte seiner extensiver Auslegung“ ernten muss. Nüchtern wird dort unter Bezugnahme auf die h. M. festgestellt: „Das Aufbewahren von Rauschgift, das gewinnbringend veräußert werden soll, kann freilich ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens rechtfertigt [. . .] Um das bejahen zu können, hätte das Landgericht sich aber mit den Besonderheiten der Tat des Angeklagten auseinandersetzen müssen. Dieser war nämlich bisher nur in Haschischgeschäfte eingebunden, seine frühere Befassung mit Heroingeschäften belegen die Urteilsgründe nicht. Dazu kommt, daß nicht geklärt ist, welche Rolle der Angeklagte angesichts des Umfangs der Heroingeschäfte spielen sollte.“ Solch eine Betrachtungsweise läuft auf die unvorhersehbare Einzelfallrechtsprechung hinaus, die durch eine Ausklammerung einfachen Besitzes als täterschaftlicher Teilakt des Handeltreibens gerade vermieden werden könnte. In diese Richtung auch BGH StV 1995, 197: „Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann die Verurteilung des Angeklagten wegen täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht bestehen bleiben. Vielmehr ist der Angeklagte hiernach der Beihilfe schuldig. Allerdings kann das Aufbewahren von Rauschgift für einen Dritten, das zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt ist, ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens rechtfertigt [. . .] Ob es sich so verhält, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts zur Abgrenzung der Täterschaft zur Beihilfe [. . .]. Eine solche Abgrenzung in den Urteilsgründen hat die Strafkammer nicht vorgenommen, obwohl die Feststellungen dazu Anlaß gaben [. . .].“ 1717 Vgl. noch 3. Teil C. V. 1., S. 475 ff. 1716
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So heißt es in einem Urteil vom 15.12.1997: „Das Aufbewahren von Rauschgift, das gewinnbringend veräußert werden soll, kann allerdings ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens rechtfertigt. Ob das der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beantworten. Wesentliche Anhaltspunkte können sein: der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Beteiligten abhängen.“ 1718 Es war zu erwarten, dass sich dieser Trend nach der kritischen Auseinandersetzung des Dritten Senats und der darauf folgenden Entscheidung des Großen Senats noch verstärkt. Das Muster der Rechtsprechung, die Extension über die Beteiligungslehren abzufedern, kristallisiert sich am Beispiel „Besitz als Teilakt“ des Handeltreibens klar heraus (und konnte man auch schon den Ausführungen zum Unterlassen entnehmen):1719 Die der weiten Auslegung geschuldeten Ergebnisse werden im nächsten Schritt durch die Annahme einer Beihilfestrafbarkeit (und der damit verbundenen Möglichkeit der Milderung nach § 27 II StGB) korrigiert.1720 Es überrascht nicht, dass nun – nachdem sich die Rechtsprechung zum Besitz als Teilakt des Handeltreibens etabliert hat – mehr und mehr Entscheidungen publik werden, in dem der Besitz als Teilakt des Handeltreibens „im Regelfall“ zu einer Gehilfenstrafbarkeit führen soll. So auch in einem Beschluss vom 13.02.2004: „Das Aufbewahren von Rauschgift für einen Dritten, das zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt ist, kann zwar ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens rechtfertigt, doch sprechen vorliegend wesentliche Gesichtspunkte für eine Gehilfenstellung des Angeklagten. Die Feststellungen legen nahe, dass es sich bei der vom Angeklagten vorgenommenen Einlagerung von über 8.000, seinem Dealer gehörenden Ecstasy-Tabletten in der Wohnung um eine bloße Gefälligkeit handelte [. . .]“.1721 Weitere Entscheidungen dieser Art folgen,1722 der Besitz als Teilakt des Handeltreibens ohne weitere festgestellte Handlungen des Angeklagten führt regelmäßig zur Beihilfe. (5) Zwischenfazit Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der BGH durch die ständige Wiederholung des amtlichen Leitsatzes „der Besitz mit Umsatzwillen ist Teilakt des Handeltreibens“ jedenfalls im ersten Schritt keine weiteren „objektiv sichtbaren“ Handlungen verlangt, jedoch das im Einzelfall unbefriedigende Ergebnis durch 1718
BGH StV 1998, 587. Dazu noch ausführlich 3. Teil D. III. 2., S. 577 ff. 1720 Die Rechtsprechung zum Unterlassen in den Wohnungsfällen sei in Erinnerung gerufen, 3. Teil B. II. 3. c) bb), S. 378. 1721 BGH StV 2004, 604. 1722 BGH NStZ-RR 2004, 146; StV 2005, 555; BGH NStZ-RR 2008, 54. 1719
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eventuell höhere Anforderungen an die subjektive Tatseite, spätestens aber mit der Zuweisung als Gehilfentätigkeit, wieder korrigiert.1723 Das Handeltreiben ist folglich mit der Nichtaufhebung des Besitzzustands vollendet, soweit dies mit Umsatzwillen erfolgt. Sind weitere Tathandlungen nicht nachgewiesen (Abverkauf, Gespräche, Inbesitznahme), reichert man dieses Unterlassen als Tathandlung mit objektiven Indizien für den Umsatzwillen an. Dabei kann man der Rechtsprechung schon an dieser Stelle vorwerfen, dass sie die „Auffangfunktion“ des Besitzes systemwidrig auch innerhalb des Handeltreibens entfaltet wissen will. § 29 I Nr. 3 BtMG soll aber gerade Handlungen mit Umsatzwillen „fingieren“, sondern hat den Zweck, die Beweisschwierigkeiten rund um die Erwerbsvorgänge zu vermeiden. Kann aber nun der Erwerb als potentieller Manifestationsakt des Umsatzwillens nicht nachgewiesen werden, fehlt es eben nicht nur am Nachweis des Erwerbsakts, sondern auch an der Feststellung einer Handlung, die auf den Umsatzwillen des Täters schließen lässt. Dass die Menge (als wichtigster sonstiger Umstand, der außerhalb des „Täterverhaltens“ liegt) für sich gerade noch kein Indiz für einen Umsatzwillen darstellt, ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber die gleiche kriminalpolitische Entscheidung auch im Bereich der nicht geringen Menge (gem. § 29a I Nr. 2 BtMG) getroffen hat.1724 Entscheidend ist, dass er diese Auffangfunktion mit § 29 I Nr. 3 BtMG positivrechtlich verankert hat und nicht intendiert gewesen sein dürfte, dass man diesen Tatbestand in andere Handlungsmodalitäten hineinliest. cc) Vorbereiten der Drogen zum Verkauf Logische Konsequenz der Rechtsprechung zum Anbau bzw. zur Herstellung sowie zum Besitz als Teilakte des Handeltreibens ist, dass auch das „Aufbereiten“ der Droge als Verkaufsprodukt wie etwa das Abfüllen, Portionieren, Stre1723 Soweit sich das Verhalten eben im Lagern, Deponieren für einen anderen erschöpft. 1724 Die konsequente Anwendung der „Besitz als Teilakt“-Rechtsprechung hat (vorliegend vollständig ausgeblendet) auch die abstruse Folge, dass ein Handeltreiben mit Waffen gem. § 30a II Nr. 2 BtMG auch dann in Betracht kommt, wenn der Täter die Waffe bei sich zu Hause aufbewahrt und überhaupt nicht in (physischen) Kontakt mit Dritten gelangt. Den Täter erwartet dann eine „drakonische“ Strafandrohung von nicht unter fünf Jahren (vgl. § 212 StGB!), obwohl hier zwei abstrakte Gefährdungstatbestände (Waffe einerseits, Handeltreiben andererseits) miteinander kombiniert werden. Eine restriktive Interpretation dahingehend, dass § 30a II Nr. 2 BtMG nur bei Teilakten der Individualgefahr zur Anwendung kommt, konnte sich bisher nicht durchsetzen; zu dieser Problematik vgl. BGHSt 43, 8 m. Anm. Lenckner NStZ 1998, 257 (258), Zaczyk JR 1998, 254 sowie Og˘lakcıog˘lu StV 2012, 411 ff.; krit. auch Paeffgen, FS-BGH, S. 695 (726), Weider, S. 36; hierzu auch Fn. 106 in Teil 1, Fn. 1443, 2043, 2179 in Teil 3; dagegen stellt sich i. R. d. § 244 I Nr. 2 StGB die Frage, wie man den Begriff des gefährlichen Werkzeugs überhaupt auszulegen hat, da es an einer Wendung wie im § 30a II Nr. 2 BtMG („dazu bestimmt ist. . .“) fehlt, vgl. hierzu Streng GA 2001, 359 sowie Rengier, FS-Schöch, 2010, S. 549 ff.
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cken,1725 Wiegen, Reinigen,1726 Verpacken, Testen,1727 Kennzeichnen, Rühren von Paste und Trocknen mit Hilfe von Zentrifugen1728 als Tathandlungen, bei denen man bereits Verfügungsmacht über Betäubungsmittel hat, Teilakte des Handeltreibens darstellen.1729 Damit führen zumindest für den Großhandel typische „Ameisentätigkeiten“,1730 zu einem täterschaftlichen Handeltreiben. Auch dieses Ergebnis korrigiert die h. M. meist über eine exzessive Anwendung des § 27 II StGB.1731 dd) Einfuhr/Durchfuhr/Ausfuhr von Betäubungsmitteln sowie Transport im Inland (Kuriere) (1) Transporttätigkeiten mit Besitz von Betäubungsmitteln Ein wichtiger Teilakt des Handeltreibens ist der Transport der Betäubungsmittel von einem Ort zum anderen. Hierbei kann der Transport verschiedene Ziele betreffen, das neue Depot nach der Produktion (im Ausland), das Quartier des Zwischenhändlers1732 oder der Briefkasten des Endabnehmers. Man geht einhellig davon aus, dass das Einführen, Ausführen, Durchführen und Transportieren von Betäubungsmitteln im Begriff des Handeltreibens aufgehen. Die Auffassung der h. M. sollte nicht überraschen, da die Transporttätigkeit ein „Mehr“ gegenüber dem einfachen Besitz darstellt bzw. diesen zwingend voraussetzt. Für die Einfuhr hatte dies der BGH im Zuge der Konkretisierung des Begriffs der Bewertungseinheit mehrmals festgestellt.1733 Gleiches gilt laut BGH für die Durchfuhr.1734 Die h. M. folgt dem. Sie setzt sich allerdings nicht weitergehend mit dieser Behauptung auseinander und lässt offen, warum die Einfuhr Teilakt des Handeltreibens sein soll. Hauptsächlich verweist sie auf den Klammerzusatz („ohne Handel zu treiben“), aus dem sich im Umkehrschluss ergebe, dass die 1725
BGH NStZ 1994, 495; BGH StV 1998, 595. BGH NStZ 1993, 391. 1727 Vgl. hierzu LG Trier Urt. v. 02.11.2010, 8031 Js 3193/10 jug. bei Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 107. 1728 LG Köln, Beschl., v. 29.03.1990 bei Körner/Patzak Teil 4 Rn. 99. 1729 Weber, Handeltreiben, S. 94. 1730 Also Handlungen von Personen, die nicht in das Gesamtgeschäft einbezogen sind, sondern innerhalb eines arbeitsvertragsähnlichen Geschäftsverhältnisses agieren. 1731 Vgl. nur BGH v. 14.12.2006 – 4 StR 421/06. 1732 Das Quartier kann sich im Gegensatz zur Produktionsstätte in Deutschland befinden, d.h. die Betäubungsmittel müssen eingeführt werden. 1733 In den jeweiligen Grundsatzentscheidungen war stets auch der anschließende Verkauf bzw. der vorhergehende Erwerb der Betäubungsmittel festgestellt worden. So in BGHSt 30, 28; vgl. auch BGHSt 31, 163; zur Ausfuhr BGH NStZ 1099, 496; zum Fall eines fehlgeschlagenen Schiffstransports BGH 3 StR 120/89; vgl. hierzu auch BGH NStZ 1986, 274. 1734 BGH NStZ 1984, 171. 1726
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Einfuhr auch Teilakt des Handeltreibens sein könne.1735 Doch hält man dies im Hinblick auf den Anbau und die Herstellung nicht konsequent durch.1736 Eine maßgebliche Rolle für die Bewertung der h. M. spielt wohl erneut, dass man bei Transportakten die Betäubungsmittel bereits im Besitz hat. Das hat zur Konsequenz, dass die Einfuhr im Rahmen des Handeltreibens kein Erfolgsdelikt mehr darstellt, da schon der Besitz mit Umsatzwillen zur Vollendung des Handeltreibens führt. Die Einfuhr wandelt sich als Teilakt des Handeltreibens in ein schlichtes Tätigkeitsdelikt um: Bereits die Fahrt auf die Grenze zu oder das Einsteigen in einen Wagen, in dem Drogen deponiert sind, stellen vollendetes Handeltreiben dar. Folglich hat der Versuchsbereich bei der Ein- und Ausfuhr faktisch keine Bedeutung, da es sich schon potentiell um Verhaltensweisen handelt, die nicht am Anfang des Umsatzes stehen, sondern immer zwischen bereits vollendeten Tätigkeiten des Handeltreibens. Dementsprechend sind auch keine Fälle bekannt, in denen sich der BGH mit der „Umwandlung“ der Einfuhr in ein schlichtes Tätigkeitsdelikt befasst.1737 (2) Einbeziehung eines Kuriers von außen Anderes kann gelten, wenn der Täter ausschließlich mit der Fracht bzw. dem Transport beauftragt wird und nicht bereits davor in irgendeiner Beziehung zu dem Umsatzgeschäft steht bzw. auch noch keinen Besitz an Betäubungsmitteln hat. Nicht selten werden „Chauffeure“ und „Kuriere“ als Spezialisten erst zum Zeitpunkt, in dem sie gebraucht werden, in das Handelsgeschäft einbezogen und mit dem Transport der Drogen beauftragt. Weil das Umsatzgeschäft u. U. läuft, dieses aber nicht der Kurier abwickelt, ist weder die Anbahnung des Geschäfts noch der Besitz von Betäubungsmitteln ein taugliches Kriterium für die Konkretisierung des Vollendungsbereichs. Scheitern die Betäubungsmittelgeschäfte bzw. macht der Auftraggeber einen Rückzug,1738 ohne dass der Kurier eine „auf Umsatz gerichtete Tätigkeit“ entfaltet – sprich überhaupt mit dem Transport beginnt und somit noch nicht mit Betäubungsmitteln in Kontakt kommt1739 –, lehnt die
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Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 124; Weber, Handeltreiben, S. 87. Siehe noch 3. Teil C. VI. 6. a), S. 502 ff. 1737 Mit „Umwandlung“ ist hier gemeint, dass i. R. d. Einfuhr als Teilakt kein Grenzübertritt i. S. e. Außenwelterfolgs mehr notwendig ist, da bereits die Einfuhrfahrt im Ausland eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit darstellt und somit bereits für sich als Handeltreiben bewertet werden müsste. Auf den Außenwelterfolg käme es erst wieder an, wenn allein die Einfuhr als Tathandlung maßgeblich ist, weil man an die Qualifikation des § 30 I Nr. 4 BtMG knüpfen will, vgl. bereits 3. Teil C. II. 1. c), S. 420 ff. 1738 Dies ist deswegen so erwähnenswert, weil das Scheitern des Umsatzes gerade keine Rolle für die Beteiligten am Betäubungsmittelabsatz spielt. 1739 Wobei man teils aber auch schon die konkrete Zusage des Kuriers unter das Handeltreibens subsumiert, so in BGH 3 StR 120/89, in der bereits die feste Zusage des Kapitäns mehrere Tonnen Haschisch für ein bestimmtes Entgelt zu transportieren als 1736
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Rechtsprechung eine Vollendung u. U. ab. Die Bemühungen des Kuriers stellen entweder einen strafbaren Versuch (auf dem Weg zur Verfügungsmacht1740) oder eine straflose Vorbereitung dar (noch zu Hause, bloße Zusage1741). Soweit dem Kurier nicht die Entstehung des Geschäfts nach § 25 II StGB zuzurechnen ist, bleibt die Transporttätigkeit alleiniger Anknüpfungspunkt. So geht die Rechtsprechung in einschlägigen Fällen vor, und die Verfügungsmacht über Betäubungsmittel kristallisiert sich immer deutlicher als maßgebliches Abgrenzungskriterium für den Versuch des Handeltreibens heraus.1742 Auch hier (vgl. den bereits zitierten „Schiffstransportfall“ 1743) sind Durchbrechungen dieser herausgearbeiteten Prinzipien zu entdecken.1744 Beim Handeltreiben besteht stets die Möglichkeit, das täterschaftliche Versuchsunrecht über eine vollendete Beihilfe zu erfassen; so hat der Erste Senat bei einem Kurier, der sich auf den Weg nach Deutschland machte, um dort Betäubungsmittel entgegenzunehmen, vollendete Beihilfe zum Handeltreiben angenommen, obwohl diese bereits von der Polizei sichergestellt worden waren (da aus Sicht des Haupttäters die Sicherstellung nichts an der Vollendung der Tat ändert, vgl. im Folgenden).1745 Solch ein Vorgehen führt zu merkwürdigen Konsequenzen, weil man den Kurier auch bei einem erfolgreichen
vollendetes Handeltreiben zu bewerten sei. Allerdings hatten die Angeklagten im konkreten Fall unmittelbar zum Transport angesetzt: „Zur Übernahme der zwei weiteren Tonnen Haschisch vor der marokkanischen Küste kam es nur deshalb nicht, weil das Lieferfahrzeug trotz bestehenden Lichtkontaktes nicht herankam und die Angeklagten dann verabredungsgemäß den Treffpunkt mit ihrem Schiff verließen. Von der Durchführung des Transports der halben Tonne Haschisch für die englische Gruppe nahm der Angeklagte H deswegen Abstand, weil ihm unter Drohungen (auch gegen seine Familie) von dem Amerikaner R. das Versprechen abgenötigt wurde, nur dessen Ladung zu transportieren.“ Wenn in derartigen Fällen auf die „Selbstständigkeit der Kurierzusage“ abgestellt wird (vgl. Weber, Handeltreiben, S. 97), verträgt sich dies nicht mit den übrigen Fällen der bloßen Kurierzusage ohne erfolgreichem Transport, vgl. Fn. 68, 69. 1740 BGH StV 1985, 14; StV 1986, 527; BGH NStZ-RR 2003, 137 (hier im Zusammenhang eines Rücktritts von der Kuriertätigkeit i. R. d. § 30 I Nr. 4 BtMG, die über § 30 II StGB gelöst wurde). 1741 BGH StV 1990, 549 („Der Angekl. hat hier aber noch keine Kuriertätigkeit entfaltet. Er hat lediglich versucht, ein Transitvisum für Frankreich zu erlangen. Als er dafür eine Hotelbuchung in Spanien vorlegen sollte, sah man davon ab, den Angekl. als Kurier einzusetzen. Diese Tätigkeiten des Angekl. sind nicht als tatbestandsmäßige Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmittel zu bewerten; mit ihnen hat er nicht einmal zu einer solchen Handlung im Sinne des Versuchs angesetzt [. . .]). Hierzu auch Skoupil, Handeltreiben, S. 113 ff. 1742 Wobei, um Missverständnissen vorzubeugen, gleich an dieser Stelle hervorgehoben werden soll, dass die h. M. keinen Besitz von Betäubungsmitteln verlangt, um ein vollendetes Handeltreiben annehmen zu können. Es lässt sich aber wohl mit Fug und Recht behaupten, dass es einen Versuchsbereich zumindest im Gefüge der Rechtsprechung nur dann geben kann, wenn der Täter noch nicht Drogen mit Verkaufswillen zur Verfügung stehen hat, siehe hierzu 3. Teil C. IV. 3., S. 467 ff. 1743 Vgl. Fn. 1739 in Teil 3. 1744 BGH StV 1992, 516; BGH NStZ 2008, 573. 1745 BGH NStZ 2008, 573, in eine ähnliche Richtung bereits BGH NStZ 1992, 38.
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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Transport wegen dessen untergeordneter Stellung nur als Gehilfen eingeordnet hätte.1746 (3) Die andere Seite: Das Anwerben des Kuriers als vollendetes Handeltreiben? Soweit Drahtzieher bestimmte Kuriere für ein verbindliches Betäubungsmittelgeschäft anwerben, handelt es sich hierbei um Tätigkeiten, die weit im Vorfeld eines bestimmten Betäubungsmittelumsatzes liegen (und somit straflos sind). Das Anwerben kann auch unmittelbar der Abwicklung eines bestimmten Geschäfts dienen. Meist handelt es sich um Fälle, in denen der Anwerbende im Besitz von Betäubungsmitteln ist oder ein konkretes Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen hat, sodass man sich auf den ersten Blick fragt, warum das OLG Karlsruhe bereits das Anwerben ohne Betäubungsmittelbesitz als vollendetes Handeltreiben bzw. als Teilakt des Handeltreibens bewertet wissen will.1747 Womöglich konnte der Besitz bzw. der jeweilige Abschluss des Geschäfts nicht nachgewiesen werden oder der Abschluss des Rauschgiftgeschäfts fand im Ausland statt, sodass die Anwendung der deutschen Strafgesetze über § 6 I Nr. 5 StGB erst einmal begründet werden müsste. Diesen „Umweg“ muss man nicht beschreiten, wenn man wenigstens eine Handlung hat, die im Inland vorgenommen wurde.1748 Im Übrigen setzt sich das „Besitzdilemma“ im Bezug auf die Lehre von Täterschaft und Teilnahme bei Kuriertätigkeiten fort. Statt davon auszugehen, dass Transporttätigkeiten1749 nicht unter das Handeltreiben subsumiert werden sollten, 1746 Vgl. nur BGHSt 51, 219; BGH NStZ-RR 2007, 246; BGH NStZ-RR 2009, 93; BGH NStZ-RR 2009, 254; BGH NStZ-RR 2010, 318. Umgekehrt müsste man über eine vollendete Beihilfe bereits dann diskutieren, wenn die Betäubungsmittel nicht sichergestellt worden wären. Die unmittelbaren, als Gehilfentätigkeit zu qualifizierenden Handlungen (nämlich der Transport) wurden schließlich noch gar nicht vorgenommen. Zu Recht daher krit. der Fünfte Senat, vgl. BGH NJW 2008, 1460. 1747 OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 348; auch in BGH v. 23.04.2009 – 3 StR 83/09 wird das Anwerben als potentieller Teilakt des Handeltreibens genannt, doch erfordere es alleinstehend regelmäßig eine Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Teilnahme, ähnlich bereits BGH NStZ 2008, 40. 1748 Im konkreten Fall des OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 348 war selbst dies nicht unzweifelhaft, da der anwerbende Täter aus Rumänien anrief, d.h. lediglich der „Anwerbungserfolg“ in Deutschland (Bruchsal) eintrat. Soweit man aber das Handeltreiben als Tätigkeitsdelikt klassifiziert, versteht es sich nicht von selbst, zur Begründung des Tatorts gem. § 9 StGB plötzlich den Erfolgsbegriff auszudehnen, um so die deutsche Strafgerichtsbarkeit zu begründen. Damit kristallisiert sich auch eine weitere Ursache der extensiven Auslegung mehr und mehr heraus, nämlich das (im Hinblick auf die verbesserungswürdige internationale Zusammenarbeit zwischen den Behörden durchaus nachvollziehbare) Begehren nach einer möglichst umfassenden Verfolgungsgewalt, zum Ganzen 3. Teil B. II. 1. b), S. 345 ff. 1749 Gemeint sind solche, die entweder zur Abwicklung oder aber auch zur Vorbereitung eines konkreten Umsatzgeschäfts dienen.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
stufen Gerichte die Einfuhr bzw. den Transport stets als Teilakt des Handeltreibens ein, um im nächsten Schritt von einer Teilnahmehandlung auszugehen. Typische Teilnahmehandlungen sind allerdings keine tatbestandlichen Handlungen. Dementsprechend hat bereits Paul den Vorschlag gemacht, für das Handeltreiben stets die Förderung eigener Umsatzgeschäfte zu fordern.1750 Dies hätte die einleuchtende Konsequenz, dass man typische Hilfstätigkeiten von vornherein ausklammert und nicht erst nach einer „wertenden Gesamtbetrachtung“ zur Gehilfenstellung gelangt. Da es sich allerdings um ein subjektives Tatbestandsmerkmal handelt, könnten Lücken im Bereich der Mittäterschaft entstehen, da der Umsatzwille nicht gem. § 25 II StGB wechselseitig zugerechnet werden kann. ee) Finanzierung sowie sonstiger Umgang mit Tatwerkzeugen, Geräten, Fahrzeugen und Grundstoffen Der Drogenmarkt setzt nicht nur den Umsatz von Rauschgift, sondern auch Kauf bzw. Verkauf anderer Gegenstände voraus (welche beispielsweise den Umlauf vereinfachen sollen). Soweit der Wortlaut des § 29 I Nr. 1 BtMG vom Handeltreiben mit Betäubungsmitteln spricht, bedeutet dies nach h. M. weder, dass einer der Beteiligten bereits im Besitz von Betäubungsmitteln sein müsste noch, dass direkter Bezugspunkt der Handlung ein Betäubungsmittel ist. Demnach kann sich die Tätigkeit alle Gegenstände beziehen, die der Herstellung oder dem Transport von Betäubungsmitteln dienen, wie etwa Grundstoffe,1751 Streckmittel,1752 Laborgeräte,1753 Tablettiermaschinen,1754 Schmuggelfahrzeuge1755 oder Bargeld. Da diese Tätigkeiten häufig weit vor dem eigentlichen Umsatzgeschäft liegen, verfährt die Rechtsprechung hier etwas strenger und lässt diese Tätigkeiten (mögen sie auch auf Umsatz gerichtet sein) nicht per se für ein vollendetes Handeltreiben genügen. Es reicht nicht aus, wenn das Tatgericht beim Angeklagten geringfügige Vorfeldhandlungen festgestellt hat, etwa die Bestellung von zwei im Handel frei erhältlichen Chemikalien oder den Besuch eines Hauses, in dem das Labor eingerichtet werden sollte.1756 Vielmehr muss die Tätigkeit auf die Ermöglichung bzw. 1750
In StV 1998, 623 ff. BGH NStZ 1991, 327 („Bestellung von zwei im Handel frei erhältlichen Waren“); BGH StV 2005, 666 (Beschaffen von ESA als Morphinbase zur Herstellung von Heroin). 1752 BGH NJW 1993, 2389; StV 1994, 429. 1753 Vgl. Weber, Handeltreiben, S. 89. 1754 Im konkreten Fall diente aber das Tablettiergerät zur Herstellung von „FakeEcstasy“-Tabletten (echter Wirkstoff Ketamin), wobei das Handeltreiben mit Imitaten ja ebenfalls strafbar gem. § 29 VI BtMG ist. 1755 BGH NJW 2001, 1289; OLG Hamm StV 2005, 271. 1756 BGH NStZ 1991, 327 (bei Schoreit). 1751
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Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäftes zielen, das bereits Konkretisierung erfahren hat bzw. bereits läuft. Da der Vertragsschluss aber bereits vollendetes Handeltreiben darstellt, verkürzt sich die Bedeutung dieser Rechtsprechung somit erneut auf außenstehende (als „Finanziers“ nicht stets untergeordnete) Personen, die bestimmte Gegenstände für die bzw. während der Geschäftsabwicklung organisieren sollen. Soweit diese „Organisation“ durch den potentiellen Vertragspartner selbst erfolgt, aber im Vorfeld eines noch nicht konkretisierten Umsatzgeschäftes liegt, sprechen bereits systematische Gründe gegen eine Subsumtion unter das Handeltreiben. Dies hat die Rechtsprechung teils schon anerkannt, wenn sie beispielsweise die Gewährung eines Darlehens bzw. von Bargeld nicht als Handeltreiben bewertet,1757 soweit kein konkretes Geschäft am Laufen sei. Die Geldmittelbereitstellung ist bereits für sich gem. § 29 I Nr. 13 BtMG unter Strafe gestellt.1758 Im Zusammenhang mit Streckmitteln führt der Dritte Senat aus:1759 „Die eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte mit Betäubungsmitteln – also ohne mittäterschaftliche Beteiligung – kann zwar den Begriff des unerlaubten Handeltreibens mit den Betäubungsmitteln erfüllen [. . .] setzt aber regelmäßig voraus, daß der Täter mit dem Betäubungsmittel selbst befaßt [. . .] oder, wie etwa bei dem Einsammeln oder der Übermittlung des Geldbetrages für das Betäubungsmittel an den Lieferanten, unmittelbar in das Rauschgiftgeschäft eingebunden ist.“ Im konkreten Fall erschöpfte sich die Handlung des Kuriers in der Lieferung einer großen Menge eines Paracetamol-Koffein-Gemischs, das als typisches Streckmittel für Heroin fungiert. Da das Tatgericht weder eine Mittäterschaft noch ein konkretes Betäubungsmittelgeschäft nachzuweisen vermochte, musste das Verhalten des Angeklagten als straflose Vorbereitungshandlung bewertet werden.1760 Die Rechtsprechung sieht auch in der – allein nachgewiesenen – Beschaffung und Überführung von Schmuggelfahrzeugen nur eine Vorbereitungshandlung, die keine Verurteilung wegen mittäterschaftlichen Handeltreibens tragen kann, auch wenn sich aus den objektiven Umständen (doppelter Boden, Spezialhohlräume) ergibt, dass das Fahrzeug zum Transport von Betäubungsmitteln bestimmt ist.1761
1757
BGH StV 1986, 300; vgl. auch BGH NStZ 1992, 495. Vgl. BGH StV 1990, 549; (Beihilfe zum) Handeltreiben durch Bereitstellen von Geldmitteln ist bejaht worden in BGH 2 StR 739/94 sowie BGH StV 1995, 25; vgl. auch BGH NJW 1993, 3338. Den gleichen Schluss zieht der BGH auch beim Umgang (insbesondere dem Verkauf) von Grundstoffen, die ggf. bereits für sich nach § 29 GÜG strafbar ist, vgl. BGH StV 2005, 666. 1759 BGH NJW 1993, 2389. 1760 Oder eben als Beihilfehandlung, bei der die Haupttat nicht nachgewiesen werden konnte, vgl. auch BGH StV 1994, 429. 1761 BGH NJW 2001, 1289; OLG Hamm StV 2005, 271. 1758
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ff) Sonstige tatsächliche Handlungen Als weitere tatsächliche Handlungen kommen noch organisatorische Tätigkeiten während der Abwicklung des Rechtsgeschäfts in Frage, etwa die Überwachung von Betäubungsmittelgeschäften 1762 oder Rauschgifttransporten (bzw. die Warnung vor Polizeikontrollen).1763 Das aktive Überlassen der Wohnung, des Kellers oder des PKW als „Drogenbunker“ kann Handeltreiben darstellen, jedoch wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zum Unterlassen dargestellt, dass man – soweit ein aktives Tun festgestellt werden kann – regelmäßig nur eine Gehilfenstellung in Betracht zieht. Dem BGH ist zuzustimmen, wenn er in diesem Zusammenhang herausstellt, dass allein aus der Auffindung von Betäubungsmitteln in den Räumen einer Wohngemeinschaft, aus der heraus Betäubungsmittelverkäufe getätigt worden sind, nicht gefolgert werden kann, sämtliche Bewohner hätten Kenntnis und Zugriff auf die Betäubungsmittel gehabt und wären daher wegen Handeltreibens zu bestrafen.1764 Typische Handlungen nach Abwicklung des Geschäfts bzw. nach Drogenübergabe, etwa das Eintreiben des Kaufgelds und Geldtransfers zählen ebenfalls zu den rein tatsächlichen Handlungen.1765 Soweit derartige Handlungen von den unmittelbar das Rauschgiftgeschäft abschließenden und profitierenden Personen durchgeführt werden (und dies auch nachgewiesen ist), haben sie keine praktische Relevanz. Für Dritte handelt es sich um Hilfstätigkeiten, die zwar unter das täterschaftliche Handeltreiben subsumiert werden müssten, aber von der Rechtsprechung als Gehilfentätigkeiten bewertet werden.1766 Bei Handlungen, die zeitlich nach dem Umsatzgeschäft liegen, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob einer Beteiligung nicht die Beendigung des Handeltreibens entgegensteht bzw. derartige Tätigkeiten nicht unter die Anschlussstraftaten (man denke an die Geldwäsche gem. § 261 StGB und Begünstigung gem. § 257 StGB) zu subsumieren sind.1767 b) Das „klassische“ Handeltreiben als (nichtiges) Rechtsgeschäft Im Regelfall beruhen die rein tatsächlichen Handlungen (Realakte) auf einer Vereinbarung.1768 Mit dem Begriff der „Vereinbarung“ ist man bei der Erschei1762
Zur Überwachung BGH NStZ 1994, 449. BGH v. 27.07.1994 – 3 StR 149/94; BGH v. 09.07.1987 – 4 StR 229/87. 1764 BGH StV 2000, 67. 1765 BGHSt 31, 145 (Kaufpreiszahlung); BGH StV 1995, 641 (Beitreiben des Kaufpreises). 1766 Ausführlich 3. Teil D. III. 2. b), S. 581 ff. 1767 Zur Beendigung des Handeltreibens 3. Teil C. IV. 5., S. 473 ff. 1768 Das sei hier so pauschal formuliert, weil das Geschäft nicht nur zwischen Dealer und Ankäufer abgeschlossen werden kann, sondern auch andere Verträge in Betracht kommen (man denke an den Vermieter, der die Wohnung gegen Entrichtung eines er1763
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nungsform des Handeltreibens schlechthin angelangt, die dem Wortsinn „Handel Treiben“ am nächsten liegt und den man häufig als „typischen“ Teilakt bezeichnet.1769 Der Tatbestand ist jedenfalls erfüllt, wenn der Verkäufer einen Vertrag über den An- bzw. Verkauf von Betäubungsmitteln bzw. eine ernsthafte Lieferverpflichtung eingeht.1770 Damit kann kein „wirksamer“ Kaufvertrag gem. § 433 BGB gemeint sein,1771 da dieser regelmäßig gem. § 134 BGB nichtig ist. Es kommt auch nicht auf die gesetzliche „Wirksamkeit“ an, da sich der Täter innerhalb eines illegalen Markts nicht minder (wenn nicht mehr) verpflichtet fühlt, die Leistung zu erbringen.1772 Die Nichterfüllung eines illegalen Vertrags kann ebenso illegale – sprich: gefährliche – Gegenmaßnahmen nach sich ziehen.1773 Der Vertrag muss nicht ausschließlich die Leistungspflicht „Betäubungsmittel gegen Entgelt“ beinhalten; in Betracht kommen auch Tausch1774 sowie gemischte Kaufverträge mit Nebenleistungspflichten; die „Vertragsfreiheit“ ermöglicht Kommissionsgeschäfte1775 sowie Probelieferungen.1776 Selbst eine Schenkung von Betäubungsmitteln kann umsatzbezogen sein, auch wenn der Täter zu „Werbezwecken“ schenkt bzw. neue Kunden gewinnen will.1777 aa) Der „erfolgreiche An- und Verkauf“ von Betäubungsmitteln Diese Fälle, in denen der Täter im Rahmen eines eigenen Umsatzgeschäfts aus Eigennutz Betäubungsmittel verkauft und überträgt,1778 können als unproblematischer „Kernbereich“ 1779 des Handeltreibens bezeichnet werden. Gleiches dürfte für denjenigen gelten, der zunächst Betäubungsmittel angekauft hat, um sie kurze höhten Mietzinses als Drogenlabor überlässt oder den professionellen Großhändler, der die Produktion und Verteilung der Drogen Dritten in einem arbeitgeberähnlichen Verhältnis überträgt). 1769 Zu solch einem „typischen“ Fall BGHSt 31, 145; Patzak/Bohnen Kap. 2 Rn. 51; Weber § 29 Rn. 333. 1770 MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 283; Weber, Handeltreiben, S. 62. 1771 RD DJ 1932, Sp. 808; BayObLGSt 1972, 82; BGHSt 40, 208. 1772 Weber, Handeltreiben, S. 496 f. 1773 Es wurde bereits dargelegt, dass die unmittelbaren Realakte, die der (ggf. auch zwangsweise durchgesetzten) Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts dienen, ebenfalls als Teilakte des Handeltreibens zu bewerten sind. Etwa die Übergabe, Annahme der Betäubungsmittel, Entgegennahme des Kaufpreises, grundlegend BGHSt 31, 145, vgl. bereits 3. Teil C. IV. 2. a), S. 439 ff. 1774 Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 49. 1775 Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 72. 1776 Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 59. 1777 Hügel/Junge/Lander/Winkler § 29 Rn. 4.1.2. 1778 Auch Umtauschgeschäfte (BGH NStZ 2005, 232; BGH NStZ-RR 2010, 24) fallen unter den Begriff des Rechtsgeschäfts. Die Abwicklung eines Betäubungsmittelgeschäfts durch Umtausch stellt allerdings keine eigenständige Tat dar, BGH NStZ 2005, 232; BGH NStZ 2007, 58; NStZ-RR 2010, 24. 1779 Weber, Handeltreiben, S. 492; siehe hierzu auch Skoupil, Handeltreiben, S. 100 f.
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Zeit später zu einem teureren Preis bzw. gestreckt weiterzuveräußern. Aus Sicht der Rechtsprechung ist solch ein Verkauf schon deswegen unproblematisch, weil bereits der Anbau, die Produktion sowie der Besitz vollendetes Handeltreiben darstellen können, auch wenn noch kein konkretes Umsatzgeschäft in Aussicht ist. In derartigen Fällen kompensiert der Betäubungsmittelbesitz den fehlenden Verkauf. Dann muss selbstverständlich auch das erste „Auftreten“ bzw. der „Zugang“ zum Markt im Besitz von Betäubungsmitteln erfasst sein. Umgekehrt kompensiert genau dieser Zugang zum Markt den womöglich fehlenden Besitz von Betäubungsmitteln. Hierbei fällt es auf, dass auch im Rahmen dieser unproblematischen Fälle die Rechtsprechung kontinuierlich betont, dass für die Tatbestandsverwirklichung allein die „Abrede“ bzw. die ernsthafte Erklärung maßgeblich ist,1780 und dass das Handeltreiben nicht voraussetzt, dass der in Betracht kommende Täterkreis bereits im Besitz von Betäubungsmitteln ist.1781 Diese Auslegung lässt sich mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbaren, da zum Inhalt eines „Handels“ auch Gegenstände gemacht werden können, über die zum Zeitpunkt keine der potentiellen Vertragsparteien verfügt.1782 Im Hinblick auf die „Grunddefinition“ des Handeltreibens ergeben sich ebenfalls keine Probleme: Nicht nur der „Abschluss“ des Vertrags, sondern bereits 1780
BGH NStZ 2006, 577. BGHSt 6, 246; BGH NJW 1999, 2683; BGH NStZ 2004, 110; BGHSt 25, 290; BGH NJW 1986, 2869; BGH NJW 1994, 2162; vgl. noch 3. Teil C. IV. 2. b) bb), S. 461 ff. 1782 Weber § 29 Rn. 204; a. A. Krack JuS 1995, 585 (587), der allerdings missverständlich formuliert: „Wer Salz als Kokain anbietet, treibt kein Handel. Auch eine böse Absicht kann Kochsalz nicht zu Kokain machen“. Soweit mit „böser Absicht“ das Wissen um die Scheindrogeneigenschaft gemeint ist, nimmt auch die Rechtsprechung kein vollendetes Handeltreiben an, sondern ein Handeltreiben mit Imitaten gem. § 29 VI BtMG, ggf. in Tateinheit mit Betrug gem. § 263 StGB, vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 177 m.w. N. Ist mit böser Absicht dagegen die Vorstellung gemeint, bei dem Salz handele es sich um Drogen, dann wird der Täter das Salz objektiv als Kokain bezeichnen und somit genauso wie derjenige, der gar keine Substanz in Besitz hat, Handel mit Kokain getrieben haben. Zuzugeben ist, dass die „Wortsinn-Theorie“ nicht mehr funktioniert, wenn nicht an den „Handel“, sondern an tatsächliche Teilakte des Handeltreibens geknüpft wird. Wer beispielsweise Salz in der Vorstellung, es handele sich um Kokain, in die Bundesrepublik (für einen Dritten) einführt, hat gerade noch nicht wörtlich mit Kokain Handel getrieben (aber in diesen Fällen wird es vom Wortsinn her grundsätzlich schwer, eine tatsächliche Handlung unter den „geschäftlichen“ Charakter des Handeltreibens zu subsumieren). Gleiches gilt für denjenigen, der Maiglöckchensamen pflanzt, in der Vorstellung, er könne damit Cannabis zum gewinnbringenden Weiterverkauf gewinnen. Ebenso missverständlich Skoupil, Handeltreiben, S. 127, wonach dem Vergleich entgegenzutreten sei, dass „niemand auf den Gedanken käme, ein Geschäft bei dem letztlich Kieselsteine geliefert werden, als Diamantenhandel zu bezeichnen“. Das ist ungenau, da „Vertragsinhalt“ weiterhin Diamanten blieben, die „Lieferung“ von Kieselsteinen somit eine (nicht rügbare) Schlecht- bzw. Aliud-Leistung wäre. Es bliebe folglich beim Diamantenhandel. Eine andere Frage bleibt, ob man die Abrede überhaupt als allein maßgebliches Kriterium erachten will. 1781
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ernsthafte Verkaufsangebote1783 können schließlich als Tätigkeiten bewertet werden, die auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtet sind. Dies führt mitunter zu einer Gleichbehandlung von Personen, die Drogen verkaufen, ohne solche zu diesem Zeitpunkt zu besitzen, mit Personen, die bereits Rauschgift zur Verfügung stehen haben.1784 Diese „asymmetrische Behandlung“ von Verkäufern, welche die Drogen bereits im Besitz haben und Verkäufern, welche die Drogen erst noch anschaffen müssen, erscheint auf den ersten Blick nicht sachgerecht.1785 Im Hinblick auf die tatsächlichen Handlungen, die sich regelmäßig auf „echte“ Drogen beziehen, sind beim Verkauf die Betäubungsmittel nur „Gesprächsinhalt“; der (rechtlich nicht vorausgesetzte, aber faktisch existente) objektive Bezugspunkt fällt bei „Rechtsgeschäften“ vollständig weg. Wenn jedoch die zum Gegenstand der Abrede gemachte Droge weder objektiv noch nach Vorstellung der Beteiligten unmittelbar zur Verfügung stehen muss, liegt es nahe, a maiore ad minus Konstellationen einzubeziehen, in denen wenigstens nach Vorstellung der Beteiligten Betäubungsmittel zur Verfügung stehen.1786 Zudem kann es nicht darauf ankommen, dass sich die Abrede aufgrund sonstiger Umstände niemals realisieren kann.1787 Dies macht schließlich das schlichte Tätigkeitsdelikt aus, welches kein „Umsatzerfolg“ begrenzt. Die konsequente Fortführung des Ansatzes der h. M., wonach allein die Abrede maßgebliche Tathandlung ist, rückt die enorme Strafbarkeitsvorverlagerung im Betäubungsmittelstrafrecht deutlicher ins Bewusstsein und dürfte der Grund dafür sein, dass die von Teilen der Lehre so scharfe Kritik stets im Zusammenhang mit diesen Fallkonstellationen erfolgt. bb) Die Problemfälle: Die frühe Tatbestandsvollendung beim An- und Verkauf von Betäubungsmitteln und ihre unterschiedlichen Spielarten Diese Rechtsprechung, wonach dem Täter keine Betäubungsmittel zur Verfügung stehen müssen, sondern allein die Abrede bzw. das Auftreten des Täters auf 1783
3. Teil C. IV. 2. b) bb), S. 461 ff. m.w. N. Bei letzteren ist die Abwicklung des Geschäfts nicht nur wahrscheinlicher, sondern im Regelfall auch unmittelbarer. 1785 Insofern überrascht es, dass von einer asymmetrischen Behandlung von Ankaufs- und Verkaufsseite die Rede ist, zum Ganzen Weber, Handeltreiben, S. 454 ff. Entscheidend ist nicht, ob man Drogen ankauft oder verkauft; denn im Modell der Rechtsprechung ist auch Verkäufer erfasst, der noch keine Betäubungsmittel im Besitz hat. 1786 Obwohl dies rein tatsächlich nicht der Fall ist, weil die Drogen bereits sichergestellt worden sind oder es sich um Imitate bzw. um Schokolade handelt, vgl. im Folgenden. 1787 Weil das Geschäft überwacht wird oder der Vertragspartner ein V-Mann der Polizei ist. 1784
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dem Markt maßgeblich sein soll, wurde in einer Flut von Entscheidungen wiederholt1788 und konkretisiert. Sie bedarf hier keiner umfassenden Darstellung, da der BGH sie bereits 1954 in einem einzigen Urteil unter Bezugnahme auf reichsgerichtliche Entscheidungen pionierartig festgemacht und somit den Grundstein für alle vergleichbaren Problemkonstellationen gelegt hat.1789 Aus den Urteilsgründen der in die amtliche Sammlung aufgenommenen Entscheidung BGHSt 6, 246: „Der Angeklagte hat im November 1950 in Frankfurt am Main gemeinschaftlich mit dem Mitangeklagten L. eine Flasche Kochsalz, die er von L. erhalten hatte und deren Inhalt er für echtes Kokain hielt, einem Kauflustigen für 30.000 DM angeboten. Im Dezember 1950 hat er dieselbe Flasche in Duisburg und in Düsseldorf einem anderen Kauflustigen zum Kauf angeboten. Beide Male kam es nicht zum Verkauf. Beim zweiten Versuch wurde der Angeklagte von der Kriminalpolizei in eine Falle gelockt und festgenommen.“ Die Intuition führt den Revisionsführer zu einem untauglichen Versuch und somit zur fehlerhaften Nichtberücksichtigung der fakultativen Strafmilderung gem. § 23 II StGB. Schließlich war „von Anfang an“ kein erfolgreicher Betäubungsmittelumsatz möglich. Dieser „Intuition“ werden noch zahlreiche weitere Strafverteidiger, Rechtswissenschaftler und selbst einige BGH-Richter folgen, allerdings „ohne Erfolg“: „Dem Landgericht ist demnach „aber, entgegen der Ansicht der Revision, auch darin beizutreten, daß es für den Begriff des ,Handeltreibens‘ nach § 10 I Nr. 1 OpiumG nicht darauf ankommt, ob der Stoff, der als Betäubungsmittel im Sinne des § 1 OpiumG angeboten wird, wirklich ein solches ist. Es ist nicht einmal erforderlich. daß ein solcher Stoff tatsächlich vorhanden und für den Täter verfügbar ist. ,Handeltreiben‘ ist jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, auch die nur gelegentliche oder einmalige, auch die bloß vermittelnde. Darunter fällt auch der Abschluß eines schuldrechtlichen Vertrages, ja schon das Verhandeln, das nach der Absicht des Täters zum Vertragsschluß führen soll. Der Gegenstand, mit dem gehandelt wird, braucht dabei nicht zur Stelle zu sein. Handel treibt auch, wer eine Sache zum Kauf anbietet, ohne sie zu besitzen. Da es demnach nicht einmal darauf ankommt, ob das Betäubungsmittel, das der Täter anbietet, überhaupt zu seiner Verfügung steht, so muß es auch gleichgültig sein, ob der Stoff, zu dessen Lieferung er sich erbietet, ein echtes Betäubungsmittel ist, oder ob er es nur für ein solches hält oder ob er plant, ein unechtes Betäubungsmittel zu liefern.“ 1790 1788 1789
Nicht selten handelt es sich um obiter dicta. Vgl. Endriss/Kinzig NJW 2001, 3217 (3218): „Damit war der Damm gebro-
chen“. 1790 Die letzte Passage darf nicht missverstanden werden: Gemeint ist, dass der Täter plant, objektiv ein unechtes Betäubungsmittel zu veräußern, aber er subjektiv immer noch davon ausgeht, dass es sich um ein Betäubungsmittel handelt. Wäre dies nicht so,
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Die darauf folgende Rechtsprechung lässt sich als konsequente Fortführung und „Erprobung“ der hier aufgestellten Grundsätze durch den Dritten Senat1791 in anders gelagerten Fällen bezeichnen, die im Vergleich zu dieser Entscheidung teils auch „eindeutiger“ gelagert waren, beispielsweise nicht nur ein Angebot, sondern auch der verbindliche Vertragsschluss über „Fake-Drogen“ erfolgte oder zwar nur ein Angebot erfolgte, dafür aber Bezugspunkt echte Drogen (und nicht nur in der Vorstellung der Beteiligten) waren.1792 Dabei muss betont werden, dass es sich naturgemäß um Korrekturen des BGH auf Revision der Staatsanwalt hin handelte, wenn Instanzgerichte eben Versuch statt Vollendung annahmen; man mag dies auf eine schlicht „misslungene“ Subsumtion der Tatgerichte unter die Rechtsprechung bzw. „geschickte Verteidigerplädoyers“ zurückführen, womöglich auch als „Aufbäumen“ bzw. Bestreben, den extensiven Ansatz in BGHSt 6, 246 wiederum etwas einzuschränken. Zwar gibt es Entscheidungen des BGH, die über diese Rechtsprechung hinausgehen, doch betreffen sie dann meist Fälle rein tatsächlicher Handlungen.1793 Als echte Erweiterung können die Fälle bezeichnet werden, in denen bereits die Angebote rein faktisch niemals geeignet sind, ein ernsthaftes Geschäft herbeizuführen (u. U. auch über Scheindrogen), gemeint sind die Konstellationen der Verhandlungen mit Scheinaufkäufern.1794 Basierend auf BGHSt 6, 246 legt die Rechtsprechung in weiteren Entscheidungen fest, dass es für ein vollendetes Handeltreiben sowohl auf Seiten des Ankäufers als auch Seiten des Verkäufers unerheblich ist, ob1795 • der Verkäufer nach ernsthaften Verkaufsgesprächen seinerseits keinen Lieferanten findet,1796 käme nur ein Betrug gem. § 263 StGB bzw. ein Handel mit Betäubungsmittelimitaten gem. § 29 VI BtMG in Betracht, vgl. bereits Fn. 1782 in Teil 3. 1791 Dass es ausgerechnet der Dritte Senat war, der die „Saat“ für die Extension des Handeltreibens gelegt hat, ist bemerkenswert, im Hinblick darauf, dass er später (über 40 Jahre danach) die kritischste Position einnahm und die Diskussion rund um eine Restriktion des Handeltreibens neu entfachte, vgl. bereits 3. Teil C. IV. 1. c), S. 433 ff. und noch 3. Teil C. VI. 4., S. 493 f. 1792 Man würde schlicht an der Realität vorbeischreiben, wenn man einen „Aufschaukelungsprozess“ behauptet, wonach man sich „mehr und mehr“ von einer systematischen Betrachtung und vorhersehbarer Dogmatik entfernt. Ein Blick in die zweite Auflage (1985) von Körner (II) § 29 Rn. 79 verrät, dass die Ausführungen und Fallgruppen zum Handeltreiben im Verhältnis zur aktuellen Kommentierung genauso lang (wenn nicht länger) ausfallen, man sich insofern schlicht von Anfang an gegen eine Systematisierung des Handeltreibens entschieden hat. 1793 Hierzu zählt insbesondere die Rechtsprechung zum Besitz bzw. Diebstahl als Teilakt des Handeltreibens, vgl. 3. Teil C. IV. 2. a) bb), S. 442 ff. oder etwa BGH v. 20.03.1985 – 2 StR 861/84 (Entgegennahme des Kaufpreises als Handeltreiben). 1794 Die Sicherstellung durch die Polizei dagegen lässt sich mit den Fällen der Nichtlieferbarkeit oder Lieferung von Scheindrogen vergleichen. 1795 Diese Fallgruppen fasst bereits Weider, Deal, S. 16 f. (wenn auch nicht derart differenziert) zusammen. 1796 BGH NStZ 1986, 557.
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• der Verkäufer trotz fehlender Lieferquelle die Vereinbarung abschließt,1797 • die Drogen noch vor Abwicklung des Geschäfts durch die Polizei sichergestellt wurden,1798 • der Verkäufer nur einen Teil der vereinbarten Menge liefern kann,1799 • der Verkäufer irrtümlich eine andere Substanz als Heroin verkauft,1800 • der Verkäufer ein ernsthaftes und verbindliches Verkaufsangebot abgibt,1801 • der Vertragspartner in Wirklichkeit ein V-Mann der Polizei bzw. ein Verdeckter Ermittler ist,1802 • der Vertragspartner nur ein „Ripp-Dealer“ ist, der keinerlei Betäubungsmittel kaufen, sondern sich die Drogen in einem geeigneten Augenblick mit Gewalt aneignen will,1803 oder • die Ankaufsbemühungen zum Zwecke des Weiterverkaufs erfolgslos bleiben.1804 All diesen Entscheidungen sind die subjektiven Komponenten der Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit des Vertragsangebots gemeinsam (sowohl auf Seiten des Käufers als auch auf Seiten des Verkäufers). Diese Einschränkung ist systematisch vorgegeben, da unverbindliches Anpreisen sowie das Locken eines potentiellen Kunden in den Drogenkreislauf bereits für sich unter Strafe gestellt sind, vgl. § 29 I Nr. 8, 10 BtMG. Objektiv setzt man eine Verpflichtungserklärung voraus,1805 wobei sich jedenfalls in der Kommentarliteratur der Begriff des „Erklärungsdelikts“ durchgesetzt hat,1806 der auch in Entscheidungen des BGH – wenngleich selten – auftaucht.1807 Erst die Verpflichtungserklärung oder ein 1797 Allerdings die reelle Chance sieht, liefern zu können, vgl. BGH StV 1992, 517 m. Anm. Roxin. 1798 BGHSt 29, 239; BGH NJW 1992, 380; BGH NStZ 1992, 38; NStZ 1994, 39; StV 1995, 524 m. Anm. Krack JuS 1995, 585; NStZ 2008, 465; NStZ 2010, 522; die Sicherstellungsfälle sind bei Skoupil, Handeltreiben, S. 118 ff. ausführlicher dargestellt. 1799 Dass hier vollendetes Handeltreiben anzunehmen ist, dürfte im Vergleich zu den anderen Entscheidungen selbstverständlich sein; allerdings geht der BGH konsequenterweise davon aus, dass die vereinbarte Menge und eben nicht nur die gelieferte, entscheidend für den Schuldspruch ist, BGH v. 12.04.1995 – 3 StR 31/95. 1800 BGH NStZ 1992, 191; BGH NJW 1999, 2683; zur „Scheindrogen-Fallgruppe“ vgl. auch Skoupil, Handeltreiben, S. 124. 1801 BGH NStZ-RR 1996, 48; BGHSt 50, 252; BGH StV 2005, 271. 1802 BGH NStZ 1981, 257; BGH NStZ 2000, 207. 1803 Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 88. 1804 Diese Fallgruppe war Gegenstand des Anfragebeschlusses durch den Dritten Senat, BGH NStZ 2004, 105, vgl. 3. Teil C. IV. 3., S. 467 f. 1805 Wobei auch die Verpflichtungserklärung eines „Vermittlers“ genügen kann, BGH 2 StR 716/77; BGH 2 StR 526/78; BGH MDR 1979, 981. 1806 Weber § 29 Rn. 364; Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 80. 1807 Vgl. beispielsweise in BGH NStZ 2000, 95.
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sonst schlüssiges Verhalten verdeutlichten den Absatzwillen.1808 Alle Handlungen davor stellen nach h. M. straflose Vorbereitungshandlungen dar.1809 So darf man beispielsweise das einfache Bemühen, Kaufinteressenten für einen Dritten zu suchen und dem Dealer zuzuführen, ebenfalls noch nicht als vollendetes Handeltreiben bewerten, es sei denn der Vermittler gibt für sich schon eine verpflichtende Erklärung ab.1810 Erst wenn es, wie im entschiedenen Fall tatsächlich zu einer Vermittlung und zu ernsthaften Verkaufsgesprächen kommt, kann man nach den oben beschriebenen Grundsätzen (Abredetheorie, Erklärungsdelikt) eine Vollendung des Handeltreibens annehmen. Doch selbst bzgl. der hier zusammengefassten Grundsätze gibt es noch Unklarheiten, die durch den Beschluss des Großen Senats nicht beseitigt, sondern eher in den Vordergrund gerückt sind. Nach welchem Maßstab bemisst sich die Ernstlichkeit des Angebots? Soll das ernsthafte Angebot („Willst du Stoff?“) Handeltreiben darstellen, während die ernsthafte Anfrage („Hast du Stoff“) herauszunehmen ist? Der Große Senat hat es jedenfalls verpasst, die „Abrede-Theorie“ etwas näher zu konturieren. Stattdessen stellt dieser in seinem amtlichen Leitsatz fest, es reiche aus, dass der Ankäufer „in ernsthafte Verhandlungen mit dem potentiellen Käufer“ eintritt und scheint sich somit von dem Ansatz zu distanzieren, wonach bereits das ernsthafte Angebot ausreiche. Diesbezüglich befindet sich die höchstrichterliche Rechtsprechung jedenfalls noch in einem Entwicklungsstadium, wie die Ausführungen zum Versuch zeigen werden. c) Einschränkung des Begriffs über den subjektiven Tatbestand? Auf Grundlage solch eines extensiven Tatbestandsverständnisses überrascht es nicht, dass sich der Fokus auf die innere Tatseite verschiebt und die Rechtsprechung versucht, auf Ebene des subjektiven Tatbestandes Einschränkungen zu erreichen. Eine solche „Vorsatzlösung“ kann sowohl materiell-rechtlich ausgestaltet sein als auch strafprozessuale Elemente beinhalten.1811 Insofern wurde der Vor1808
So Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 83. 3. Teil C. IV. 4., S. 472 ff. 1810 BGH v. 10.01.1978 – 2 StR 716/77; BGH 31.01.1979 – 2 StR 526/78. 1811 Namentlich, indem die Darlegungsanforderungen im Urteil bzgl. der subjektiven Seite des Umsatzwillens „hochgeschraubt“ werden, vgl. noch im Folgenden; auch in anderen „restriktionsbedürftigen“ Gebieten des Kernstrafrechts ist dieses Phänomen zu beobachten; so rügt der Fünfte Senat in einem aktuelleren Beschluss vom 21.06.2012 – 5 StR 286/12 zum Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs gem. § 244 I Nr. 2 StGB, dass sich die Feststellungen der Vorinstanz nicht zur objektiven Gefährlichkeit hinsichtlich der Beschaffenheit der als Einbruchswerkzeug mitgeführten Schraubendreher verhalten und das LG sie nicht zu den „sonstigen Werkzeugen“ in Sinne des § 244 I Nr. 1b StGB abgegrenzt hat, bei denen eine Verwendungsabsicht des Täters zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist. Der Fall bringt zum Vorschein, dass „prozessuale Restriktionsmittel“ die Gefahr beinhalten, die Anforderungen an eine Urteilsbegründung aus rechtspolitischen Motiven zu überspannen, weswegen man schon im Hinblick 1809
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satz im Rahmen der Ausführungen zum subjektiven Tatbestand als „Restriktionstor“ angekündigt und Fallgruppen in diesem Zusammenhang erörtert.1812 Die Rechtsprechung hält sich zum Umsatzwillen als „Tatbestandsmerkmal“ allerdings weitestgehend bedeckt, was nicht überrascht, da der Begriff in unmittelbarer Wechselwirkung zum tatbestandsmäßigen Handeltreiben überhaupt steht. So ist noch nicht eindeutig geklärt, wie die voluntativen und kognitiven Elemente des Umsatzwillens zueinander stehen. Wenn der BGH fordert, dass der Verkaufswille „ernsthaft“ sein muss, scheint nach momentaner Rechtsprechung das Wissenselement den Umsatzwillen zu überlagern. Selbst wenn der Täter also unbedingt Drogen absetzen will und dementsprechend Verkaufsangebote macht, ohne sich sicher zu sein, ob er die Drogen überhaupt beschaffen kann, kann nach neueren Entscheidungen ein ernsthafter Verkaufswille in Frage zu stellen sein. Über den Vorsatz könnte man zahlreiche Vorfeldhandlungen abscheiden, indem man verlangt, dass der Vorsatz des Täters auf die unmittelbare Herbeiführung eines Umsatzgeschäfts gerichtet sein muss. Damit würde man das Handeltreiben auch nicht in ein Erfolgsdelikt umwandeln, da objektiv nach wie vor die schlichte Tätigkeit maßgeblich bleibt. Solch eine Lösung wurde aber – soweit ersichtlich – weder von der h. M. noch von den Kritikern der extensiven Auslegung in Betracht gezogen. Die Kommentarliteratur und Rechtsprechung betonen stattdessen, dass allein die Schilderung objektiv „neutraler“ Handlungen im Urteil1813 für den Nachweis eines Umsatzwillens nicht genügt. Hierin könnte man eine „mittelbare Einschränkung“ des Handeltreibens sehen, die man durch zunehmend erhöhte Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung bzw. Darstellung des Umsatzwillens erreichen will. Trägt der Wohnungsinhaber, in dessen Wohnung man Heroin fand, unwiderlegbar vor, er habe das Heroin zur kurzfristigen Aufbewahrung erhalten, ohne zu wissen, was damit beabsichtigt gewesen sei, soll ein Handeltreiben bzw. eine Beihilfe hierzu zu verneinen sein.1814 Dagegen liegt eine Eigenverbrauchsabsicht fern, wenn mehrere 100 Gramm oder Kilogramm von harten Drogen im Raum stehen, da Drogenabhängige in aller Regel über keine ausreichenden Geldmittel verfügen und auch keine größere Vorratshaltung
auf § 261 StPO von diesem Instrument zurückhaltend Gebrauch machen sollte. Schließlich kann sich jeder denken, dass ein Schraubendreher hart sowie spitz ist und somit als Hiebinstrument verwendet werden kann (anders als beispielsweise eine Scheinwaffe aus Gummi oder ein Strumpfband, das der Täter als Würgeinstrument verwenden will). 1812 3. Teil A. II. 1. c) bb) (1), S. 172 ff. 1813 Also neutral im Sinne, als sie auch von einem Konsumenten vorgenommen werden könnte, etwa das Verstecken der Betäubungsmittel, die Lagerung im Keller oder das Abholen von Betäubungsmitteln aus einem Depot, vgl. BGH NStZ 1990, 331 (Schoreit); zu derartigen Verhaltensweisen, die auch nicht als „Manifestation“ eines Umsatzwillens gedeutet werden können vgl. noch 3. Teil C. IV. 1., S. 475 ff. 1814 BGH NStZ 1991, 326 (Schoreit).
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pflegen.1815 Entscheidend für die Ermittlung und Darlegung sind bei solch einer Betrachtung somit vorrangig nicht die Persönlichkeit, die Vorbelastung oder die Erwerbslosigkeit des Angeklagten, sondern der verkaufsbereite „Zustand“ und Kontext der sichergestellten Betäubungsmittel. In diesem Zusammenhang werden typischerweise folgende Indizien genannt: • Portionierung der Drogen in nicht konsumüblichen Mengen, • Bereithalten einer Rauschgiftwaage und Verpackungsmaterial, • Erheblicher Geldbedarf zur Refinanzierung der eigenen Drogensucht bei nicht nennenswerten legalen Einkünften1816 bzw. keine Erklärung für Vermögenswerte bei vollständig fehlenden legalen Einkünften,1817 • Auffinden von Rechnungen, Devisen und Geldzählautomaten, sowie • Auftreten in der Drogenszene und Umschlagsplätzen. Doch kann jede „Anwendung“ einer Strafnorm durch die an das Urteil gestellten Darstellungsanforderungen reguliert werden (man denke an die „Hemmschwellentheorie“ bei § 212 StGB oder an die Feststellungsanforderungen in den Fällen nicht empirisch nachgewiesener Kausalität), weswegen dieser Ansatz prima vista kein „betäubungsmittelstrafrechtliches Spezifikum“ ist und nichts zur Systematisierung und Anpassung des Handeltreibens beitragen kann. 3. Die Versuchskonstellationen auf Basis der h. M. und ihre nicht dogmatische Herleitung Auf Basis der extensiven Definition der h. M. bleibt nicht viel für einen strafbaren Versuch des Handeltreibens übrig. Die diesbezüglich anerkannten Fallgruppen basieren zudem nicht immer auf Entscheidungen, in denen Obergerichte tatsächlich ein versuchtes Handeltreiben angenommen hätten, sondern sind z. T. auch das Ergebnis mehr oder weniger nachvollziehbarer Rückschlüsse, die man aus der Rechtsprechung zur Vollendung bzw. Vorbereitung zieht. Patzak zitiert in diesem Zusammenhang nur drei Entscheidungen: • den Fall fehlgeschlagener Bemühungen, als Rauschgiftkurier zu agieren1818 • die Geldübergabe zur Durchführung eines gescheiterten Rauschgiftgeschäfts (wobei aber die konkrete Entscheidung ebenfalls die Situation gescheiterter Bemühungen trotz zugesagter Kuriertätigkeit betrifft)1819 1815
Vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 65; BGH v. 10.09.2003 – StR 147/03. BGH StV 2010, 470. 1817 Patzak/Bohnen, Teil D Rn. 59a. 1818 Auf den bereits Bezug genommen wurde, vgl. 3. Teil C. IV. 2. a) dd) (1), S. 452; BGH NJW 1987, 720; siehe auch BGH NStZ-RR 2003, 137; BGH StV 1985, 14; StV 1987, 720. 1819 BGH NJW 1991, 305. 1816
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• den Versuch eines Angeklagten, Betäubungsmittel von einem Dealer zu erwerben, der ihm von Anfang an nichts verkaufen wollte oder nicht liefern konnte. Durch die telefonische und persönliche Kontaktaufnahme zu den Dealern hat der Angeklagte einerseits das bloße Vorbereitungsstadium bereits verlassen, andererseits aber das Vollendungsstadium noch nicht erreicht.1820 Der Beschluss des Dritten Senats erfolgte in unmittelbarem Zusammenhang zur Entscheidung des Großen Senats und rekurriert auf die dort zu findende Wendung „ernsthafte Verkaufsverhandlungen“, d.h. sie will das verpflichtende und ernsthaft gemeinte Angebot gerade nicht ausreichen lassen. Dies steht im Widerspruch zu BGHSt 6, 246 und könnte als echte Einschränkung bewertet werden, da der Senat dort das ernsthafte Angebot explizit als taugliche Vollendungshandlung nennt. Da bei lebensnaher Betrachtung auf das Angebot ein „Gespräch“, zumindest aber eine sofortige Ablehnung folgen muss, ist offengeblieben, ob es aus Sicht des Täters zu ernsthaften Verhandlungen gekommen sein muss bzw. hätte kommen können1821 oder objektiv (also aus Sicht beider Seiten) ernsthafte Verhandlungen vorliegen müssen; bei einer objektiven Betrachtung wären zwar weiterhin alle Fälle als Vollendungsunrecht zu bewerten, in denen sich die Abrede auf eine nicht vorhandene oder sichergestellte Menge bezieht, jedoch (entgegen der bisherigen Rechtsprechung) nicht die Situation, in der eine der Parteien entgegen der Vorstellung der anderen Partei keinen Umsatzwillen hat (sondern als V-Mann bzw. Scheinaufkäufer agiert). Zudem geht Patzak von einem Versuch aus, wenn eine schriftliche Bestellung eines Weiterverkäufers per Post oder per Telefax den Lieferanten nicht erreicht,
1820 BGH StV 2006, 136. Aus den Urteilsgründen: „Hier hat der Angeklagte in der festen Absicht, 50 g Kokain zu kaufen, mit einem Dealer in den Niederlanden telefonisch Kontakt aufgenommen, der jedoch nicht bereit war, seine Ware an den Angeklagten abzugeben. Einen anderen Dealer hat er am gleichen Tage zu diesem Zweck persönlich aufgesucht, aber ebenfalls nichts bekommen. Aus diesen Feststellungen ergibt sich nicht, dass der Angeklagte bereits in ernsthafte Verkaufsverhandlungen eingetreten war, sondern an Dealer geraten ist, die ihm nichts verkaufen wollten oder konnten. Damit war auf der Grundlage der Entscheidung des Großen Senats das Vollendungsstadium noch nicht erreicht. Andererseits hatte der Angeklagte bei seinem „verzweifelten Bemühen“, 50 g Kokain zu bekommen, durch die telefonische und persönliche Kontaktierung von Dealern mit einer konkreten und ernsthaften Kaufabsicht das Vorbereitungsstadium weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes liegender Handlungen bereits verlassen (vgl. BGH Großer Senat, Beschl. vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05 – S. 19; zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Bei dieser Sachlage liegt ein Versuch des Handeltreibens vor, da der Angeklagte zu ernsthaften Ankaufsverhandlungen unmittelbar angesetzt hatte. Ein Rücktritt scheidet aus, da der Versuch an der mangelnden Lieferbereitschaft oder -fähigkeit der Dealer scheiterte. Der Senat hat daher den Schuldspruch in diesem Fall entsprechend geändert.“ 1821 Auch diese zwei Konstellationen sind bei strikter Betrachtung zu trennen; jedenfalls nach Weber § 29 Rn. 377 sollen sich keine Einschränkungen aus BGHSt 50, 252 ergeben, weil damit eine „Umwandlung des Delikts in ein potentielles Gefährdungssprich Eignungsdelikt zu befürchten sei.
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weil die Sendung verloren geht, der Lieferant umgezogen oder verstorben ist.1822 Gleiches würde gelten, wenn der Täter zum Telefon greift und sich verwählt bzw. (über einen bestimmten Zeitraum hinweg) niemand abnimmt.1823 Hier ließe sich der Begriff des „Erklärungsdelikts“ verwerten und man könnte einen – fehlgeschlagenen – Versuch des Handeltreibens annehmen, wenn das ernsthafte Angebot dem potentiellen Geschäftspartner nicht zugeht.1824 Im Modell der h. M. lässt sich dieser Versuchsbereich nicht dogmatisch herleiten, da die weitreichende Definition im ersten Schritt auch diese Handlungen als Vollendungsunrecht umfasst, soweit ein (Fremd-)Umsatzwille festgestellt worden ist.1825 Den Fallgruppen fehlt indessen auch ein prägendes Merkmal, vielmehr muss man den Versuchsbereich je nach Fallgestaltung neu bestimmen. Dabei stechen vorliegend zwei Parameter ins Auge: Naturgemäß kommt ein Versuch nur in Konstellationen in Betracht, in denen der Täter zum ersten Mal mit Drogen oder mit dem Markt in Berührung kommt oder frühere Drogengeschäfte bereits abgewickelt hat und diese somit beendet sind. Denn soweit der Täter Drogen im Besitz hat und man ihm lediglich nicht nachweisen kann, dass er die Drogen mit Absatzwillen angekauft hat, reicht diese Verfügungsgewalt nach h. M. ohnehin für ein vollendetes Handeltreiben.1826 Entscheidend ist also1827 • entweder das unmittelbare Ansetzen zur Besitzbegründung (durch Erwerb – eventuell auch ursprünglich ohne Umsatzwillen) bzw. Besitzentstehung (unmittelbares Ansetzen zum Anbau bzw. zur Herstellung von Betäubungsmitteln) • oder das unmittelbare Ansetzen zum Erscheinen auf dem Markt ohne Betäubungsmittelbesitz. Bereits dieses „Entweder-Oder“ macht deutlich, dass keine den festen Regeln des § 22 StGB folgende Versuchsdogmatik existiert. Dies kann sie auch nicht, da bereits die Vollendung des Tatbestands keinen einheitlichen Regeln folgt. Zudem hat es der Große Senat versäumt, dem zweiten Parameter nähere Konturen zu verleihen. Dadurch, dass er es in einem durchaus sensiblen Bereich nicht exakt genug formulierte,1828 hat er die Entscheidung des Dritten Senats herausgefor-
1822 Wie sich später zeigen wird, dogmatisch zutreffend, Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 237. 1823 Anders aber ohne weitere Begründung BGH v. 25.10.1989 – 3 StR 313/89. 1824 So auch Weber § 29 Rn. 556; zu dieser Zugangstheorie vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 348. 1825 Vgl. bereits grundsätzlich 3. Teil C. I. 2. b) cc), S. 403 ff. 1826 3. Teil C. IV. 2. a) bb), S. 442 ff.; vgl. auch Skoupil, Handeltreiben, S. 116; Ebert, Handeltreiben, S. 134. 1827 Vgl. auch Weber § 29 Rn. 533. 1828 Nämlich dass im Beschluss, sogar im Leitsatz nicht vom Ausreichen „ernstlicher Angebote“, sondern eben von „ernsthaften Verkaufsgesprächen“ die Rede ist.
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dert.1829 So bleibt nach neuerer Rechtsprechung offen, ob ein ernsthaftes Angebot ausreicht, oder ob es objektiv zu Gesprächen kommen muss. Unklar ist auch, welche Anforderungen man an die Tätervorstellung stellt, insbesondere ob die Gespräche aus Sicht des Täters bereits ein bestimmtes Stadium erreicht haben müssen, oder es bei objektiv ernsthaften Gesprächen zu einer Vollendung kommt.1830 Der Zweite Senat beispielsweise hat kurze Zeit später entschieden, dass es an der „Ernstlichkeit“ der Gespräche fehle, wenn die Herstellung bzw. Lieferung der vom Täter versprochenen Amphetaminmengen (aus Sicht beider Parteien) unmöglich bzw. unwahrscheinlich erschien.1831 Offen bleibt auch in dieser Entscheidung, welche Anforderungen man an den Begriff der Ernsthaftigkeit stellt, ob dieser sich also an den subjektiven Vorstellungen des Täters zu messen hat, oder aufgrund objektiver Umstände ex post zugeschrieben wird. So oder so bliebe es dabei, dass ein Ansetzen zur Abgabe des Angebots das Überschreiten der Versuchsschwelle gem. § 22 StGB bedeutet, nur würde sich dann der Versuchsbereich etwas ausdehnen (es käme nicht nur auf den Zugang, sondern auch auf eine „Gegenreaktion“ bzw. deren Zugang an). Das OLG München scheint den eher restriktiven Ansatz des Dritten Senats in einer neueren Entscheidung vom 28.06.2010 zu teilen:1832 Im Falle einer JVABediensteten, die einem Gefangenen angeboten hat, Betäubungsmittel einzuschmuggeln, welcher der Häftling in der Anstalt zu überhöhten Preisen weiterverkaufen sollte, bejaht das Gericht einerseits ein unmittelbares Ansetzen („da die Durchführung des Tatplans nur noch von der Zustimmung des Gefangenen abhing und die JVA-Bedienstete alle Handlungen vorgenommen hat, die nach ihrer Vorstellung im Falle der Zustimmung des Gefangenen und der ungestörten Durchführung des Plans ohne Zwischenakte unmittelbar in die Tatbestandserfüllung eingemündet hätten“), verneint aber mit der etwas unglücklichen Begründung, eine Vollendung sei mangels „Umsatzförderung von Rauschgift“ noch nicht eingetreten. Entscheidend dürfte gewesen sein, dass der Gefangene noch nicht die Chance hatte, sich zu diesem Angebot zu äußern und es folglich noch nicht einmal zu ernsthaften Gesprächen kam. Diese unterschiedlichen Tendenzen belegen, dass der Versuchsbereich des Handeltreibens nach wie vor unbestimmt ist und (noch) keinem nachvollziehbaren Fallgruppenkatalog folgt. Dies ergibt sich auch daraus, dass man deutliche Durchbrechungen allgemeiner Prinzipien i. R. d. Teilnehmerhaftung vornimmt. In einem ebenfalls unmittelbar auf die Entscheidung des Großen Senats folgenden 1829
Vgl. die dritte Fallgruppe, BGH StV 2006, 136. Würde man letzteres voraussetzen, wären Fälle der Sicherstellung erfasst, nicht jedoch der Verkauf an V-Leute und verdeckte Ermittler. Dies arbeitet auch Rahlf in FSStrauda, S. 243 (259) heraus. 1831 BGH NStZ 2007, 100. 1832 OLG München NStZ 2011, 464. 1830
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Beschluss1833 (erneut) des Dritten Senats vom 24.10.2006 will man denjenigen, der als Teilnehmer Handlungen eines anderen unterstützt, nur dann bestrafen, wenn er sich – jedenfalls mit bedingtem Vorsatz – vorstellt, dass es zu dem in Rede stehenden Betäubungsmittelumsatz kommt.1834 Damit will man dem Umstand begegnen, dass die Haupttat aufgrund der extensiven Auslegung formell bereits früher vollendet ist, aber qualitativ nur „Versuchsunrecht“ darstellt. Obwohl der Täter tatsächlich um die Umstände zur formellen „Vollendung“ des Tatbestands weiß, soll sein Subsumtionsirrtum vorsatzausschließend wirken. Damit handelt es sich um eine Modifikation des Vorsatzbezugspunkts aus Billigkeitsgründen, da der doppelte Teilnehmervorsatz sich neben der Teilnahmehandlung eigentlich nur auf die (formelle) Vollendung der Tat richten muss.1835 Da das Teilnahmeunrecht allerdings einen eigenständigen Rechtsgutsangriff voraussetzt,1836 kann anderes gelten, wenn der Gehilfe – eventuell als V-Mann – davon ausgeht, dass die Drogen der Polizei zugespielt werden.1837 So war der Fall des Dritten Senats allerdings nicht gelagert: „Der Angekl. wusste bei der Übergabe der Probe von 1,29 g, dass er damit den Mitangekl. J bei dessen Bemühungen, ein Heroingeschäft abzuwickeln, unterstützte. Er ging zwar weiter davon aus, dass es für den Angekl. J keine Möglichkeit gab, dieses Geschäft zu realisieren, da er selbst über keinerlei Liefermöglichkeiten verfügte und er offenbar die einzige Bezugsquelle des J war. Er wusste aber auch, dass die Verkaufsverhandlungen des Angekl. J mit dem potentiellen Käufer immer konkreter wurden und insbesondere, dass in Hannover am 08.12.2005 die Übergabe einer Probe von 50 g im Vorlauf für ein Geschäft im Kilobereich stattfinden sollte. Es kam dem Angekl. zwar darauf an, dass diese Verkaufsverhandlungen und die Probenübergabe im Ergebnis scheitern, zugleich sollten die Verhandlungen aber zunächst stattfinden, weil J eine ähnliche Erfahrung machen sollte, wie er sie mit dem geplatzten Kupfergeschäft machen musste.“ Um nicht missverstanden zu werden: Jegliche Restriktionsansätze sind bei solch einer stark ausgeprägten Vorfeldkriminalisierung zu begrüßen, doch mit einer i. S. d. Bestimmtheitsgrundsatzes vorhersehbaren Dogmatik des Allgemeinen Teils hat dies wenig zu tun.
1833
BGHSt 50, 252. BGH StV 2007, 302. 1835 Dahinter liegende Motive sind grundsätzlich unbeachtlich; zum doppelten Teilnehmervorsatz vgl. noch ausführlich 3. Teil D. II. 2. b) cc), S. 552 ff. 1836 Vgl. 3. Teil D. II. 2. a) aa), S. 546 ff. 1837 Vgl. nur Deiters JuS 2006, 303; Wessels/Beulke Rn. 573; Geppert Jura 1997, 361; dass selbst in diesem Bereich die Annahme einer Straflosigkeit nicht ohne Friktionen gelingen kann, gilt es noch aufzuzeigen, ausführlich 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff., vgl. auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 208. 1834
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4. Die Fälle strafloser Vorbereitung (das konkretisierte Geschäft als Abgrenzungskriterium und Sperrwirkung des Anbautatbestands) Etwas greifbarer sind die Abgrenzungskriterien für straflose Vorbereitungshandlungen. Da nach der Grunddefinition jede Vorbereitungshandlung „Handeltreiben“ wäre,1838 wandelt die Rechtsprechung die Definition hier schlicht um und klammert Handlungen aus, die sich nicht unmittelbar auf Betäubungsmittel beziehen und lediglich der Vorbereitung eines (womöglich auch größeren) Drogengeschäfts dienen. Während die frühere Rechtsprechung zu einer normativen Betrachtung tendierte und Handlung aus dem Anwendungsbereich des Handeltreibens herausnahm, die „weit im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes lagen“, arbeitet der BGH nun mit dem Kriterium des „konkretisierten Betäubungsmittelgeschäftes“, was bereits beim Gliederungspunkt „Umgang mit Tatwerkzeugen etc.“ dargestellt wurde.1839 Soweit sich die Handlung also nicht auf ein „konkretisiertes Betäubungsmittelgeschäft bezieht, scheide eine Strafbarkeit wegen vollendeten Handeltreibens aus.1840 Allgemeine Anfragen nach Betäubungsmitteln und die Anfahrt zum potentiellen Kaufort (nach Amsterdam),1841 ohne überhaupt einen Geschäftspartner oder Lieferalternativen im Auge zu haben, führen ebenso wenig zur Strafbarkeit, wie die bloße Präparierung eines Fahrzeugs für im Einzelnen noch nicht festgelegte Schmuggelfahrten.1842 Die Anmietung eines Hauses zum Zwecke des geplanten Anbaus von Cannabis, welches gewinnbringend weiterverkauft werden soll, stellt, solange die Anmietung nicht im Hinblick auf bereits konkretisierte Verkäufe erfolgt, nur eine straflose Vorbereitung dar, zumal das Anmieten für sich auch im Rahmen des Anbaus zum Eigenkonsum nur eine straflose Vorbereitungshandlung wäre.1843 Diese Tendenz, als Mindestvoraussetzung für ein unmittelbares Ansetzen zum Handeltreiben ein unmittelbares Ansetzen zum Anbau zu verlangen (soweit keine Geschäfte getätigt wurden), hat der BGH in zwei weiteren Entscheidungen nochmals bestätigt.1844 Man könnte inzwischen von einer „Sperrwirkung“ des Anbau-
1838
Vgl. Roxin StV 2003, 619. 3. Teil C. IV. 2. a) ee), S. 456 ff. 1840 Tatgerichte haben allerdings stets die Voraussetzungen des § 30 II StGB zu prüfen, vgl. Fn. 1576 in Teil 3. 1841 BGH NStZ 2006, 507. 1842 BGH NStZ 2001, 323. 1843 BGH NJW 2011, 1461. 1844 Vgl. BGH v. 15.03.2012 – 5 StR 559/11, wonach die bloße Übernahme von Cannabispflanzensetzlingen mit dem Ziel der Anpflanzung und späteren Gewinnung und Veräußerung von Cannabis eine straflose Vorbereitungshandlung darstellt, soweit die Setzlinge selbst nicht zur Veräußerung bestimmt sind; explizit betont der BGH (jedenfalls im System der h. M. begrüßenswert), dass der auf der Konkurrenzebene verdrängte Tatbestand des unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln eine Begrenzungsfunktion für den Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit den erst noch anzubauenden Pro1839
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tatbestands sprechen, der die Legitimität der hier präferierten „chronologischen“ Betrachtungsweise bekräftigt. Es wurde dargelegt, dass der Transport von Streckmitteln für noch nicht konkretisierte Betäubungsmittelgeschäfte nicht unter den Begriff des Handeltreibens fällt.1845 Auch die Darlehensgewährung für ein etwaiges Betäubungsmittelgeschäft sowie das Bemühen um ein Visum zur Ermöglichung einer zukünftigen Kuriertätigkeit stellen Handlungen dar, die weit „im Vorfeld des beabsichtigten Güterumsatzes“ liegen.1846 Als weitere typische Vorbereitungshandlungen nennt Patzak das Ausspähen und Auskundschaften der örtlichen Drogenmilieus, die Organisation und das Planen von Schmuggelwegen (Check-Points), die Anschaffung von Spezialausrüstung zur Drogenherstellung (Geräte und Grundstoffe) und zum Drogenschmuggel (Schmuggelbehältnisse), den Aufbau eines Labors, die Besorgung einer Tablettier-, und Verpackungsmaschine, die Gründung von Im- und Exportscheinfirmen zur Verschleierung der Drogentransporte sowie die Einrichtung von Scheinkonten, Geldüberweisungssystemen und Geldwaschanlagen.1847 Erst das konkretisierte Umsatzgeschäft kann den fehlenden Besitz von Betäubungsmitteln kompensieren. Oder die Konkretisierung des Geschäfts selbst: Denn die hier beschriebenen Grundsätze gelten nicht mehr, wenn das Geschäft durch Verkaufsgespräche „konkretisiert“ werden soll. Soweit es also um die Entstehung des Geschäfts geht, markiert die Abgabe eines „ernstlichen“ Angebots die Grenze zwischen Straflosigkeit und Versuch bzw. Vollendung. 5. Exkurs: Beendigung des Handeltreibens Eine intensivere Beeinträchtigung des Rechtsguts (Jugendschutz, Förderung der Organisierten Kriminalität) sieht auch die h. M. im Umsatz der Betäubungsmittel bzw. in der Abwicklung des Umsatzgeschäfts. Dies ergibt sich daraus, dass sie die Beendigung des Handeltreibens von der Übergabe der Vertragsgegenstände (Rauschgift und Geld) abhängig macht.1848 Dies ist konsequent, wenn nach h. M. auch die Eintreibung des Geldes, Rückabwicklungen und sonstige Finanztransaktionen noch Teilakte eines vollendeten Handeltreibens darstellen sollen. Somit beginnt auch die Verjährungsfrist nach § 78a StGB erst, wenn die umsatzbezogenen Handlungen abgeschlossen sind, „der Geldumsatz zur Ruhe gelangt“ oder wenn die Geschäftsabwicklung endgültig abgebrochen wurde.1849 So dukten entfaltet, in dem er als Anfangsstadium den Versuch des unerlaubten Handeltreibens erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zum Anpflanzen beginnen lässt. 1845 BGH NStZ 1993, 444; BGH StV 1994, 429. 1846 BGH NStZ 1990, 545. 1847 Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 232. 1848 BGH NJW 2002, 3846. 1849 Körner/Patzak, § 29 Teil 4 Rn. 460.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
muss der „kleine Fisch“, der lediglich Kuriertätigkeiten innerhalb eines größeren Gesamtgeschäfts vornimmt, u. U. noch nach zehn Jahren damit rechnen, strafrechtlich verfolgt zu werden, da die Teilnehmerakzessorietät auch im Hinblick auf die Verjährung gilt. Das Problem der „nie endenden“ Verjährungsfrist potenziert sich durch die Eigenschaft des Handeltreibens als multiples Tätigkeits- und „Dauerdelikt“. Die Problematik der „rechtsstaatlich nicht hinnehmbaren“ Verjährungszeiträume greift das LG Bremen in einem Beschluss vom 15.08.2000 auf:1850 „Insofern liegt es auf der Hand, daß Fallgestaltungen denkbar sind, bei denen nach Übergabe der Ware an den Abnehmer gegen Zahlung des Kaufpreises an den unmittelbaren Lieferanten noch lange Zeiträume vergehen, bis auf Lieferantenseite der Erlös z. B. über eine Vielzahl von Zwischenstationen und ggf. verlängert durch zwischengeschaltete Geldwäschehandlungen den Gläubiger erreicht und der Geldumsatz i. S. d. § 29 BtMG zur Ruhe gelangt. Dies gilt erst recht, wenn es auf Lieferantenseite beispielsweise bei der Weitergabe des Erlöses innerhalb der Kette der Tatbeteiligten zu ,Leistungsstörungen‘ oder sonstigen erheblichen (z. B. durch Ermittlungsmaßnahmen veranlaßten) Verzögerungen in der Abwicklung kommt. Es ist dann durchaus vorstellbar, daß die gesamte Transaktion in solchen Fällen, und dies völlig unabhängig von Wissen und Willen des Erwerbers, bis zu ihrem Abschluß mehrere Monate, Jahre oder im Extremfall Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann und somit die Tat ausgehend von der Grundkonstruktion des Tatbestandes auch erst in diesem Augenblick in ihrer tatbestandsbezogenen Gesamtheit materiell beendet wäre. Ginge man hier von einem für alle Tatbeteiligten notwendig einheitlichen Zeitpunkt der Beendigung der Tat und damit zugleich des Beginns der Verjährung aus, so hätte dies zur Folge daß es für keinen der an einem Geschäft als Täter oder Gehilfe Beteiligten wirklich beherrschbar wäre und letztlich nicht einmal für die Strafverfolgungsorgane überhaupt absehbar wäre, ob und wann eine solche Tat zu einer Beendigung gelangt. Praktisch würden sich solche Geschäfte im Einzelfall vielmehr als quasi „unverjährbar“ darstellen, wenn es – wie vorliegend von der Staatsanwaltschaft angenommen – als zur Perpetuierung der ursprünglichen Tat ausreichend anzusehen wäre, daß irgendjemand noch Bemühungen entfaltet oder solche Bemühung nach längerer Unterbrechung wieder aufnimmt, die Weiterleitung oder Zahlung des Kaufpreises aus einem solchen Geschäft oder eines Teiles davon zu erreichen, während dies möglicherweise die ursprünglich für die Durchführung des Geschäfts auf Lieferanten- oder Erwerberseite maßgeblichen Personen längst aufgegeben oder endgültig verweigert haben.“ Es ist bereits hoch anzurechnen, dass das LG Bremen die Problematik überhaupt derart explizit auf den Punkt bringt. Darüber hinaus überzeugen die Ausführungen des Gerichts auch in der Sache. Dieses spezifische Problem hängt 1850
LG Bremen StV 2001, 113.
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nicht am objektiven Tatbestand und man kann es somit auch nicht mit einer einschränkenden Auslegung des Handeltreibens lösen. Der Beendigungszeitraum ist unabhängig von der Vollendung des Tatbestands zu bestimmen und man muss auch den Abschluss des Geschäfts als Beendigungszeitraum nicht unbedingt in Frage stellen.1851 Vielmehr könnte man (nicht nur beim Handeltreiben und bei den Dauerdelikten des Kernstrafrechts, sondern bei allen Deliktstatbeständen, deren Verwirklichung über einen faktisch längeren Zeitraum andauern kann) von dem Gedanken einer Akzessorietät der Strafverfolgungsverjährung Abstand nehmen. Es erscheint verfehlt, in der Frage der Tatbeendigung und des Beginns der Verfolgungsverjährung generell von einem für alle Mittäter und Gehilfen des Gesamtgeschehens einheitlichen Zeitpunkt auszugehen. Vielmehr gilt es, wie bei Dauerdelikten, nach der zeitlichen Einordnung des jeweiligen Tatbeitrages zu differenzieren. Hat der Tatgehilfe einen abgrenzbaren Tatbeitrag geleistet, ist für diesen – wie das LG Bremen in seinem Leitsatz zustimmungswürdig festlegt – davon auszugehen, dass in Bezug auf seine Person die Verfolgungsverjährung auch mit Beendigung dieses Tatabschnitts beginnt, unabhängig davon, welchen Verlauf die Abwicklung des Geschäfts im Weiteren nehmen mag.1852 6. Zur Nicht-„Dogmatisierbarkeit“ des Handeltreibens unter Zugrundelegung der h. M. a) Die Rechtsprechung als Praxis einer Manifestationstheorie? Trotz der bisherigen Ausführungen darf man nicht davon ausgehen, dass das Unternehmen, die extensive Rechtsprechung in ein „dogmatisches“ und somit „bestimmbares“ Konstrukt zu fassen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Ausgangspunkt bliebe bei dieser rechtsprechungsorientierten Lösung zunächst der Obersatz, der in fast jeder Entscheidung wiederkehrt: „Handeltreiben ist jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit.“ Der Begriff der Tätigkeit setzt nur voraus, dass objektiv irgendetwas passiert. Irgendeine objektiv sichtbare Handlung samt Umsatzwillen reicht aber – wie die Rechtsprechungsanalyse gezeigt hat – nicht stets aus: Eine Person, die denkt, sie könne durch das Öffnen des Wohnzimmerfensters Ausschau nach potentiellen Betäubungsmittellieferanten halten, nimmt eine Handlung vor (die auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtet sein mag), doch treibt sie noch keinen Handel mit Betäubungsmitteln. Dies gilt jedenfalls, wenn sie noch keine Betäubungsmittel im Besitz hat. Bei stringenter Durchfüh-
1851 Diese Betrachtungsweise könnte aber auch durch eine „isolierte Teilaktsbetrachtung“ ersetzt werden, vgl. Og˘lakcıog˘lu StraFo 2012, 89 (91). 1852 Weitere Fälle der Verjährung im Betäubungsmittelstrafrecht in BGH NStZ 1990, 240; BGH NJW 1987, 3144; BGH v. 10.07.1991 – 2 StR 242/91; BGH NStZ 2000, 150.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
rung dieser Definition ist jede Vorbereitungshandlung bereits vollendetes Handeltreiben.1853 Die Rechtsprechung löst dieses Dilemma durch eine Einzelfallbetrachtung, bei der im Einzelfall ein und dieselbe Handlung einmal als Handeltreiben, einmal als straflose Vorbereitung bzw. als vollkommen neutrale Handlung angesehen werden kann. Sie bedient sich spezifischen Gegebenheiten der Fallkonstellation (Betäubungsmittelbesitz, Verkaufsgespräche, Bezug zu einem konkretisierten Geschäft). Auf solch eine normative Bestimmung ist sie angewiesen, wenn der Unrechtskern des Delikts im Handlungsunrecht (sprich in den „bösen Absichten“ des Täters) liegt bzw. sich hieraus speist. Dies ist beispielsweise bei § 246 StGB nicht anders, dessen Tathandlung – die rechtswidrige Zueignung – sich ebenfalls aus der „Zueignungsabsicht“ heraus entwickelt.1854 Auch bei der Unterschlagung fallen alle denkbaren Handlungen, die eine objektive Manifestation der subjektiven Zueignungsabsicht des Täters darstellen, unter den Begriff der „Zueignung“: So können auch „äußerlich“ vollkommen unterschiedliche Handlungen unter den gleichen Tatbestand fallen, etwa das Legen der Sache auf das eigene Regal, das Wegwerfen der Sache, das Verspeisen, Verschenken, Umbearbeiten, das Hinweisen auf ihre Existenz, das Nichtherausgeben etc.1855 Dieser Vergleich1856 führt zur Überlegung, ob nicht auch beim Handeltreiben solch eine „Manifestationstheorie“ denkbar wäre, welche zur Systematisierung der Tathandlung beitragen würde.1857 Der Vorteil an solch einer Manifestationstheorie wäre die Schaffung eines zeitlichen Fixpunkts, der eine Anwendung der Teilaktstheorie ermöglichte.1858 Schließlich existieren nun Tätigkeiten, die nicht ihrerseits vor „irgendwelchen Tätigkeiten“ stehen, sondern eben vor Tätigkeiten, welche erst die objektive Manifestation des Umsatzwillens bedeuten.1859 Handeltreiben wäre dann jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, mit dem der Täter durch ein nach außen erkennbares Verhalten verlässlich zum Ausdruck bringt, dass er einen Betäubungsmittelumsatz beabsichtigt. 1853
Roxin StV StV 2003, 619; vgl. bereits 3. Teil C. IV. 3., S. 467 ff. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Maßstab der objektiven Manifestation subjektiv ermittelt werden muss, zum Begriff der Zueignung Kudlich JuS 2001, 767 ff. 1855 Insofern müsste man – soweit man die Unterschlagung gem. § 246 StGB nicht als Erfolgsdelikt einstuft – nach der hier konzipierten Terminologie ebenfalls als multiples Tätigkeitsdelikt bezeichnen, vgl. zu den Erscheinungsformen der Unterschlagungstathandlung SSW/Kudlich § 246 Rn. 10. 1856 Zu diesem Vergleich vgl. auch Niehaus JR 2005, 193 (194). 1857 Dies ist wohl der Ansatz von Ebert, Handeltreiben, S. 19 ff., 160 ff. 1858 Siehe hierzu die Überlegungen zum „Faktor x“, der vor die Klammer gezogen werden kann, 3. Teil C. I. 2. b) cc), S. 403 ff. 1859 Auch Weber, Handeltreiben greift diesen Gedanken häufiger auf und nennt Indizien für eine derartige objektive Manifestation, vgl. S. 90; ders. § 29 Rn. 469. Diese „Konkretisierung“ würde nicht bedeuten, dass der Versuchsbereich im Grundtatbestand einen „praktisch wichtigeren“ Anwendungsbereich hätte; dies ist aber bei § 246 StGB schließlich auch nicht der Fall. 1854
C. Dogmatik der Deliktsverwirklichungsstufen
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Von solch einer Manifestationstheorie war bis dato in der Rechtsprechung nicht explizit die Rede (was eben auch die Gefahr beinhaltet, dass man sie nicht stets mit der notwendigen Disziplin anwendet, selbst wenn man sie „stillschweigend“ zu Grunde gelegt hätte), doch ist sie in Ansätzen jedenfalls dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen, in dem der Senat die Bestimmtheit des Handeltreibens bejaht, aber unter Zugrundelegung einer etwas modifizierten Definition: Handeltreiben ist demnach „der Oberbegriff aller Bestrebungen, die entfaltet werden, um den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Vom Wortsinn (,Treiben‘ als auf Handel gerichtetes Tun) ist ebenfalls umfasst, dass ein Täter subjektiv das Ziel verfolgt, solche Geschäfte abzuschließen, und dazu Handlungen vornimmt, in denen dieser Wille seinen Niederschlag findet.“ 1860 Ob die Wendung „Niederschlag findet“ tatsächlich als objektive Manifestation gemeint war, lässt sich nicht sicher sagen, doch feststeht, dass eine solche Wendung bis zu diesem Zeitpunkt in keiner BGH-Definition zu finden war (und seitdem auch nicht wiederkehrte). Wie würde bzw. müsste diese Manifestationstheorie aber aussehen?1861 Jedenfalls müsste sie wohl durch ein aktives Tun erfolgen, d.h. sie dürfte dem Täter gerade nicht aufgrund äußerer Umstände „zugeschrieben“ werden. Sonst hätte die Forderung nach einem Manifestationsakt keinen Sinn bzw. ließe sich von der stets vorzunehmenden Feststellung der inneren Tatseite nicht mehr unterscheiden. Anders gewendet: Mit Bejahung eines Umsatzwillens könnte man jede Handlung unter das Handeltreiben subsumieren; man denke an den Fall, dass Täter laut Zeugenaussagen „groß in das Betäubungsmittelgeschäft einsteigen“ wollen, also Umsatzwillen haben und nun eine Lagerhalle anmieten. Diese Fälle sollen nach h. M. gerade kein Handeltreiben darstellen. Ein verständiger Dritter kann die Anmietung einer Lagerhalle noch nicht als Verhalten qualifizieren, dass auf einen Umsatz mit Betäubungsmitteln zielt. Es kann auch nicht genügen, dass der Täter eine Handlung vornimmt, die ein „Konsument“ bzw. Betäubungsmitteldelinquent ohne Umsatzwillen ebenfalls vornehmen würde. Das Lagern und Deponieren von Drogen, aber auch das Transportieren von einem zum anderen Ort gehören hierzu. Ebenso liegt keine objektive Manifestation des Umsatzwillens vor, wenn der Täter die Drogen „versteckt“ (denn jede Person, die keine Erlaubnis für den Umgang mit Betäubungsmitteln hat, würde diese verstecken). Wenn aber allein die Handlung maßgeblich sein soll und der Gesetzgeber beim Umgang mit nicht geringen Mengen nicht per se ein Handeltreiben annimmt,1862 liefe eine konsequente – bzw. auch systematisierende – Manifestationstheorie darauf hinaus, dass die Handlung den Umsatzwillen erst dann „verlässlich“ zum 1860
BVerfG NJW 2007, 1193. Zur Konkretisierung vgl. Ebert, Handeltreiben, S. 183 ff. 1862 Dies ergibt sich daraus, dass die Herstellung, die Abgabe und der Besitz in nicht geringen Mengen zusätzlich unter Strafe gestellt sind. 1861
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Ausdruck bringt, wenn der Täter ein unmittelbar auf den Abschluss eines Umsatzgeschäfts gerichtetes Verhalten an den Tag legt.1863 Denkbar wäre auch die Vorbereitung des Verkaufs durch Portionieren und Verpacken; Dagegen strecken und wiegen auch Eigenkonsumenten ihre Drogen. Solche Tendenzen sind in der Rechtsprechung zu erkennen, wo sie allerdings nur den Akt der „Zuschreibung“ selbst betreffen; anders formuliert: Die objektive Manifestation vereinfacht für den Tatrichter allenfalls die Darstellung des Umsatzwillens. Da aber die h. M. auch Vorfeldhandlungen einbezieht, solange sie dem Täter einen Umsatzwillen nachweisen kann,1864 scheint man die objektive Manifestation nicht als notwendige Bedingung für die Tatbestandsverwirklichung anzusehen. Exemplarisch hierfür sei eine Passage aus einem Urteil des BGH vom 07.05.1986 zitiert: „Es erscheint äußerst unwahrscheinlich, daß jemand, der im Besitz einer größeren Menge teuren Kokains (hier: 58 g) ist und bei dem ein Folienschweißgerät mit Anhaftungen von Kokain sichergestellt wird, bei dem der Tatrichter ferner keine Anhaltspunkte für einen Eigenkonsum festgestellt hat, jene Menge zum Eigenverbrauch verwahrt. Der Tatrichter darf in einem solchen Fall getrost Handeltreiben annehmen.“ 1865 Als gemeinsamer Nenner verbleiben objektive Indizien, welche die „Vorbereitung und Verpackung“ der Droge als Verkaufsprodukt nachweisen. Aber auch dies ist ein theoretischer Ansatz, zu dem man sich nicht klar bekennt.1866 Überdies wäre er auch nicht fähig, das Vorgehen der Rechtsprechung vorhersehbarer zu machen bzw. im Bezug auf den Allgemeinen Teil ausreichend zu systematisieren.1867 Aus rechtsgutsbezogener Sicht könnte man der Manifes1863 Beim Besitz von Betäubungsmitteln wäre dies das Aufsuchen von Ankäufern; andernfalls Gespräche mit potentiellen Verkäufern, in denen der Weiterverkauf bzw. die Provisionsbasis deutlich zum Ausdruck gebracht wird. So heißt es auch bei Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 63: „Allein der nicht konkretisierte Wille eines Besitzers, Betäubungsmittel abzusetzen, reicht für das Handeltreiben jedoch nicht aus. Vielmehr bedarf es konkreter Anstrengungen, um einen konkreten Betäubungsmittelumsatz zu ermöglichen oder zu fördern [. . .]. Die bloße Feststellung, ein Angeklagter habe maßgeblich an der Heroinverteilung mitgewirkt, ohne Betäubungsmittel besessen zu haben und ohne irgendwie nach außen in Erscheinung zu treten, ist nicht konkret genug [. . .]. Aus einer vorrätig gehaltenen Betäubungsmittelmenge, aus telefonischen Kundenbestellungen, aus dem Auslegen einer Kokainstraße und dem Besitz einer einsatzfähig aufgehängten Präzisionswaage kann das Tatgericht in einer Gesamtschau auf eine Verkaufsabsicht schließen.“ 1864 Genauso auch in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das im konkreten Beschluss darauf abstellt, dass der Täter in Verfolgung seines Plans sich mit einer elektrischen Waage und Folientüten zum Abwiegen und Verpacken der Cannabisprodukte ausgestattet hatte, vgl. BVerfG NJW 2007, 1193. 1865 BGH v. 07.05.1986 – 2 StR 182/86. 1866 Insofern müssten Produktion und das Besitzen nicht geringer Mengen allein eindeutig ausgeklammert werden, soweit solch ein „den Verkauf vorbereitendes Verhalten“ noch nicht nachgewiesen ist. 1867 Gaede StraFo 2003, 392 (395); krit. auch Skoupil, Handeltreiben, S. 150.
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tationstheorie schließlich vorwerfen, warum umsatztaugliche Handlungen mit Umsatzwillen, die aber nach außen eben nicht eindeutig umsatzbezogen sind, wegfallen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welcher Wissensstand dem objektiven Betrachter zu unterstellen ist: Das gesamte Verhalten des Täters im Rahmen der prozessualen Tat gem. § 264 StPO? Oder nur das Wissen um die konkrete Handlung, auf die man Bezug nimmt? b) Das ernüchternde Ergebnis (zugleich ein Zwischenfazit) Nach h. M. ist unter Handeltreiben jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, auch wenn diese sich nur als gelegentlich, einmalig oder ausschließlich vermittelnd darstellt. Es handelt sich um ein multiples Tätigkeitsdelikt, das vollkommen unterschiedlicher Verhaltensweisen in einer Grunddefinition vereint.1868 Die Rechtsprechung subsumiert unter diesen Begriff jede erdenkliche Umgangsform, wobei sich die Handlung objektiv nicht auf ein Betäubungsmittel beziehen muss. Erfasst sind rein tatsächliche Handlungen (Realakte wie Anbau, Produktion, Vorbereitung der Droge zum Verkauf, Transport, Einund Ausfuhr, Übergabe, Besitz) sowie Rechtsgeschäfte. Da beim An- und Verkauf von Betäubungsmitteln jegliche Verfügungsmacht über Betäubungsmittel fehlen kann, kommt die Strafbarkeitsvorverlagerung in diesen Fällen deutlich zum Vorschein; erforderlich ist weder ein Umsatzerfolg noch die „Handelseinigkeit“ der Vertragsparteien. Doch dies ist nicht das entscheidende Problem, jedenfalls nicht für die vorliegende Abhandlung. Wesentlich deutlicher muss hervorgehoben werden, dass bereits jede Vorbereitungshandlung eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit darstellen kann, was zu der berüchtigten „Verschmelzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung“ führt.1869 Die Rechtsprechungsanalyse und die Aufzählung der unterschiedlichen Fallgruppen des Handeltreibens haben indessen demonstriert, dass der BGH, was die Verwirklichungsstufen angeht, weit entfernt von einer Auflösung dieses „Verschmelzungsvorganges“ bzw. einer „einheitlichen“ Dogmatik anbelangt ist.1870 Mitnichten hat das Handeltreiben (wie von der h. M. behauptet) „ausreichende Konturen“ 1871 erfahren, es sei denn man versteht unter „Konturen“ ein „Repeti1868
Und aus diesem Grund als multiples Tätigkeitsdelikt bezeichnet wird. Kreuzer, FS-Miyazawa, 1995, S. 177 (189); Roxin StV 1992, 517 (518); Endriss/ Kinzig NJW 2001, 3217. 1870 Die Heterogenität der Entscheidungen ist zugleich Folge der Restriktionsbedürftigkeit, über die man sich einig sein kann oder eben nicht. Anders gewendet: Wo sich jeder Einzelne über die Strafbedürftigkeit einer bestimmten Handlung ernsthaft Gedanken machen muss, existiert kein allseits akzeptierter Normbefehl, sodass der BGH seiner Aufgabe „Rechtseinheit“ zu schaffen, per se nicht nachkommen kann. Insofern handelt es sich um einen Teufelskreis, da man versucht, diese Uneinheitlichkeit durch Einzelfallentscheidungen zu kaschieren. 1871 So Weber § 29 Rn. 210; so auch noch Körner in der 6. Aufl. 2007 § 29 Rn. 235. 1869
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
torium“ von 25 Seiten Rechtsprechung, dem kein gemeinsamer Nenner zu entnehmen ist.1872 Konturen können sich erst bilden, wenn die Tathandlung nicht in jedem Fall erneut auf den Prüfstand gestellt und einer umfassenden „Gesamtbetrachtung“ unterzogen werden muss.1873 Indessen hat sich herausgestellt, dass die verschiedensten Parameter im Einzelfall die rechtliche Bewertung (liegt eine straflose Vorbereitung/ein Versuch/oder eine Vollendung vor?) beeinflussen und die Maßgeblichkeit bzw. Gewichtung sowie Auslegung jener Parameter auch nicht konsequent durchgehalten werden. Unter anderem • muss je nach Fallgestaltung danach differenziert werden, ob der Täter Betäubungsmittel besitzt, ein konkretisiertes Betäubungsmittelgeschäft oder ein ernstliches Angebot vorliegt,1874 • macht man im Hinblick auf das Kriterium „Verfügungsmacht über Betäubungsmittel“ eine Ausnahme, da bereits der Anbauprozess samt Umsatzwillen (allerdings ohne konkretisiertes Umsatzgeschäft) Teilakt des Handeltreibens sein soll, • kaschieren neuere Tendenzen in der Rechtsprechung die „Abredetheorie“ und es steht nicht eindeutig fest, ob bereits ernsthafte Angebote ausreichen oder es zu Gesprächen gekommen sein muss,1875 • ist nicht geklärt, wie der Umgang mit Scheindrogen (und zwar über die Fälle des „Handels“ mit Scheindrogen hinaus) mit dem Wortlaut der Vorschrift zu vereinbaren ist,1876 • bleibt offen, nach welchen Kriterien der Umsatzwille zu bestimmen ist, welche Vorsatzelemente zwingend vorliegen müssen und welche Anforderungen man an die tatrichterliche Begründung des kognitiven sowie voluntativen Elements stellt,1877 1872 Jedenfalls kein gemeinsamer Nenner, der konsequent durchgehalten wird. Die „Konturen des Handeltreibens“ nehmen bei Weber, Handeltreiben ganze 44 Seiten in Anspruch, S. 491–535. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet zu diesem Abschnitt ein Zwischenfazit fehlt (weil es wahrscheinlich nicht über eine Kürzung der Fallgruppen hinausgehen würde). 1873 Man hat sich mit einer fehlenden Versuchsdogmatik abgefunden, wenn man den Versuchsbereich bei einer „normativen Betrachtung“ überhaupt nicht mehr als Deliktsverwirklichungsstufe in Betracht zieht, vielmehr nur noch von Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitung und vollendetem Handeltreiben die Rede ist. 1874 3. Teil C. IV. 2. a) aa), S. 439 ff. 1875 3. Teil C. IV. 2. c), S. 465 ff., sodass sich dann auch die Frage stellt, warum im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut vergleichbare Fälle anders behandelt werden sollen. Während die Sicherstellung der Betäubungsmittel (untaugliches Verhandlungsobjekt) aufgrund eines „wirksamen Vertrags“ bzw. ernsthafter Gespräche nichts an der Vollendung änderte, sollen Gespräche mit einem „untauglichen Geschäftspartner“ zum Versuch führen. Auch dies wäre eine „asymmetrische Behandlung“, die es zu verhindern gilt. 1876 3. Teil C. IV. 2. b) aa), S. 459 ff. 1877 3. Teil C. IV. 2. c), S. 465 ff.
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• ist unklar, ob der Besitz alleinstehend wirklich Teilakt des Handeltreibens sein kann oder ob man für ein vollendetes Handeltreiben darüber hinaus eine Manifestation des Umsatzwillens verlangt,1878 • ergibt sich nicht immer eindeutig, ob die Rechtsprechung eine bestimmte Handlung unter das Handeltreiben subsumiert und erst im Anschluss die Rechtsfolgen des § 27 II StGB anwendet oder direkt „nur“ eine Beihilfe zur Haupttat annimmt,1879 und • hieraus resultieren Unklarheiten, was die Anknüpfungspunkte der Teilnahmehandlungen angeht: Es stellt sich die Frage, ob man – dogmatisch bedenklich – an den Gesamtvorgang „Güterumsatz“ oder an eine konkrete Tathandlung des Haupttäters als Teilakt des Handeltreibens anknüpft.1880 Der Dritte Senat formuliert treffend: „Gerade der Umstand, dass eine zu weit gefasste Definition im Einzelfall nur eingeschränkt angewandt wird, ohne dass hierfür klare Kriterien erkennbar sind, erschwert die Kalkulierbarkeit der Normanwendung aus der Sicht des Normadressaten und begründet Bedenken unter dem Gesichtspunkt einer an dem Bestimmtheitsgebot strafrechtlicher Normen orientierten Auslegung.“ 1881 Das Problem spitzt sich auf die anfangs dargelegten strukturellen Probleme in der Rechtsprechung zu,1882 wonach sich die Gerichte bei einem so weitläufigen Begriff nicht dazu durchringen müssen, zu präzisieren. Dem kann man sich nicht verschließen, indem man auf eine nicht vorhersehbare Einzelfallkasuistik verweist, zumal es sich bei den jeweiligen „Ausnahmen“ (pro oder contra Strafbarkeit) nicht um „Ausreißer“ handelt. Das Problem ist aus dem Blickwinkel der Strafverfolgung nicht zu unterschätzen. Auch diese muss damit rechnen, dass Richter eine der h. M. entsprechend weite Auslegung im konkreten Fall dann doch einschränken, ohne dass es hierfür (im Vergleich zu anderen Fällen) einen besonderen Anlass gäbe. Die Bequemlichkeit der Rechtsprechung geht so weit, dass man „problematische Fälle“ schlicht auf Bereiche verlagert, in denen keine festen – sprich „unflexiblen“ – Grenzen zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung existieren, 1878
3. Teil C. IV. 2. a) bb), S. 442 ff. 3. Teil C. IV. 2. a) bb) (4), S. 448 sowie noch ausfürlich D. III. 2., S. 577 ff. 1880 Eine differenzierte Betrachtung führt bei Abwicklungshandlungen zu der kaum erörterten Erkenntnis, dass fast jede Anschlusshandlung eine sukzessive Teilnahme darstellt. Bei einer isolierten Betrachtung dagegen erscheint eine Teilnahme am Versuch denkbar, obwohl der Haupttäter wegen vollendeten Handeltreibens zu bestrafen wäre. Man denke an den Fall, dass der Haupttäter eine größere Menge zum Abverkauf besitzt und einen seiner Abnehmer telefonisch nicht erreicht, den der Gehilfe einmalig vorschlug. Dies arbeitet auch Krack heraus, JuS 1995, 585 (588). 1881 BGH StV 2003, 501. 1882 3. Teil C. I. 2. b) dd), S. 403 ff. 1879
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sondern „normative Gesamtbetrachtungen“ (auch von der h. L.) akzeptiert werden, nämlich auf den Topos „Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme“.1883 Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Kommentarliteratur werden massenhaft viele Handlungsformen als „Teilakte“ des Handeltreibens genannt und auch in den entsprechenden Urteilsgründen unter den Begriff des Handeltreibens subsumiert. Bei den tatsächlichen Tätigkeiten betreffen diese Feststellungen allerdings nicht die unmittelbar am Geschäft Beteiligten, sodass die Subsumtion „leichter von den Lippen“ geht, insoweit als man die untergeordnete Tätigkeit des Dritten im zweiten Schritt „nur“ als Beihilfehandlung bewertet. Dabei übersieht man aber, dass diese Gesamtbetrachtung nichts zur Konkretisierung des Handeltreibens beiträgt. Denn aus dieser verdeckten Vorgehensweise ergibt sich nicht, ob man ein täterschaftliches Handeltreiben annimmt und dann lediglich die Rechtsfolgen des § 27 II StGB anwendet1884 oder ob man die Subsumtion dahinstellt, da man die Handlung jedenfalls unter den Begriff der Beihilfe subsumieren kann.1885 Skoupil hat ebenso herausgearbeitet, dass sich an diesen Defiziten seit dem Großen Senatsbeschluss nichts geändert hat;1886 dies ist auch keine Überraschung, da sich der Große Senat offen zu dieser nicht dogmatisch nicht hinnehmbaren Vorgehensweise BGHSt 50, 252 bekennt:1887 „Ein großer Teil derjenigen Fälle, die im vorliegenden Zusammenhang als problematisch diskutiert werden, findet seine Lösung eher an der Grenzlinie zwischen Beihilfe und (Mit-)Täterschaft als in der Differenzierung zwischen versuchtem und vollendetem Handel1883 Zumal solche eine „Gesamtbetrachtung“ bei Instanzgerichten das falsche Signal ausgelöst hat, bei allen Tathandlungen (selbst bei konkret beschriebenen wie der Einfuhr) sei solch eine Gesamtbetrachtung zulässig. Wenn selbst im Kernstrafrecht solche „Gesamtbetrachtungen“ für bedenklich, aber zulässig gehalten werden, so ist damit keine Rückkehr zum „Badewannenfall“ akzeptiert; vielmehr scheidet bei eigenhändiger Begehung eine Teilnahme von vornherein aus, vgl. hierzu noch 3. Teil D. III. 3. a) aa) (1), S. 601 ff. Die Vorgehensweise der Rechtsprechung beim Handeltreiben dagegen verdoppelt diesen Effekt, da sowohl Deliktsverwirklichung als auch Beteiligtenstellung gesamtbetrachtend festgestellt werden sollen. 1884 Zu diesem Vorgehen noch ausführlich 3. Teil D. I., S. 530. 1885 Der Begriff der Hilfeleistung ist in Relation zum Handeltreiben nicht minder weit gefasst. Dies ist aber im Hinblick darauf, dass sie als „allgemeine Vorschrift“ auch nicht „vertypt“ sein darf und die Strafbarkeit erweitern soll (dafür aber eine Milderung nach § 27 II StGB ermöglicht), nicht derart bedenklich. 1886 Dies kann im Hinblick auf den Rahmen der Arbeit (Untertitel „Strafbarkeitsvorverlagerungen vor und nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen“) wohl auch als eines seiner Hauptthesen herausgestellt werden: „Auch die nach der Entscheidung des Großen Senats ergangene Rechtsprechung ist insgesamt heterogen. Immer noch kommt es zu widersprüchlichen Entscheidungen.“ vgl. Handeltreiben, S. 297. 1887 Was im Hinblick darauf, dass diese Entscheidung eigentlich dafür prädestiniert war, alle dogmatischen Friktionen zu beseitigen, kritisch zu sehen ist. Auch Skoupil bemängelt diesen Vorschlag und stellt im Anschluss dar, zu welchen Folgeproblemen der Ansatz des Großen Senats führt, Handeltreiben, S. 222.
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treiben. So führt die Anwendung der Regelungen über die Beihilfe – einschließlich der obligatorischen Strafrahmenverschiebung (§ 27 II StGB) – zur Herauslösung zahlreicher Fälle aus dem mit Skepsis betrachteten Feld täterschaftlichen vollendeten Handeltreibens. . .“ 1888 Dabei stellt es einen absoluten Grundpfeiler der Lehren von Täterschaft und Teilnahme dar, dass deren Abgrenzung aus der Deliktsverwirklichung heraus vorzunehmen ist und nicht umgekehrt.1889 Daher muss den Ausführungen Langs zugestimmt werden, wonach „von einer nicht-kasuistischen Neudefinition“ nicht die Rede sein kann, vielmehr unterschiedliche Parameter in unterschiedlichen Fallgruppen die Deliktsverwirklichungsgrenzen markieren und „unvermittelt Teilaspekte des Kriteriums der Nichtverfügbarkeit bzw. des Nicht-Vorhandenseins von Betäubungsmitteln berücksichtigt“ werden.1890 Auch Mack stellt in seiner Untersuchung zur Abgrenzung zwischen Vorbereitung und Versuch im Wirtschaftsstrafrecht fest, „dass es beim Tatbestand des Handeltreibens [. . .] an dogmatischen Begründungsversuchen zur Abgrenzung [. . .] weitestgehend fehlt.1891 Diese können sich nicht entwickeln, solange man an der „multiplen“ Eigenschaft des Handeltreibens festhält. Zumindest derzeit konnte noch keine „Dogmatisierung“ durch die Zugrundelegung einer Manifestationstheorie erreicht werden.1892 Insofern sollte man davon absehen, die „Unbestimmtheit“ der Norm bzw. der gesetzlichen Formulierung i. S. d. Art. 103 II GG anzuprangern. Dies ist im Hinblick darauf, dass auch im Kernstrafrecht zahlreiche weitere Vorschriften existieren, die in hohem Maße 1888 Eine Rechtsfolgenlösung ist immer Kritik ausgesetzt, wobei deren Tragfähigkeit wohl auch davon abhängig gemacht werden kann, wie oft sie als „Ausnahme“ zur Anwendung kommt. Während bei einem Heimtückemord des Haustyrannen im Hinblick auf die absolute Strafandrohung „alle 5 Jahre“ der Rückgriff auf dieses Modell noch legimitiert werden kann (aber auch hier schon Kritik ausgesetzt ist), trifft dies wohl nicht auf ein Gebiet zu, in dem diese „Ausnahme“ fast in jedem „fünften Beschluss“ berücksichtigt werden müsste. 1889 Vgl. auch Gaede HRRS 2004, 165 (169), Fn. 45: „Auch hier sei aber angemerkt, dass eine wohlmeinende Abkehr von dem Grundsatz, allgemeine Täterschaftskriterien auch beim Betäubungsmittelstrafrecht anzuwenden, letztlich zu einer vor den §§ 25 ff. StGB nicht zu begründenden Sonderrechtsprechung führen würde, die der BGH etwa bei den §§ 244 ff. StGB gerade hinter sich gelassen hat. Auch hier spricht alles dafür, das Problem in erster Linie über die Anreicherung des Handeltreibens durch ein echtes objektives Unrechtselement zu lösen, da das Problem genau hier durch die bisherige Unterbestimmung des Handeltreibens entsteht.“ 1890 Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 225. 1891 Mack, Abgrenzung, S. 123. 1892 So auch die Schlussfolgerungen bei Schwitters, Handeltreiben, S. 143. Die neuere Tendenz, den Anbautatbestand als „äußerste Grenze“ des Handeltreibens zu klassifizieren, sprich zumindest ein unmittelbares Ansetzen zum Anbau zu verlangen (hier als „Sperrwirkung des Anbautatbestands“ bezeichnet, vgl. 3. Teil C. IV. 4., S. 472 f.), ist begrüßenswert, stellt jedoch nur einen „Tropfen auf dem heißen Stein“ dar, wenn man bedenkt, dass dieser Restriktionsansatz schon aus systematischen Gründen als zwingend betrachtet werden muss (Abgrenzung zum GÜG) und auch nur eine spezifische Abgrenzungsfallkonstellation betrifft.
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auslegungsbedürftig sind (§§ 246, 240 StGB), nicht zielführend und kaschiert, dass es letztlich um eine Frage der Auslegung positiven Rechts geht, die mit der strafrechtlichen Systematik der Abgrenzung zugrundegelegter Deliktsverwirklichungsstufen und Beteiligungsformen vereinbar sein muss.1893 Insofern behält Weider (Bezug nehmend auf das Eingangszitat) Recht: Die Modalität des Handeltreibens oder – noch besser – die sie auslegende Rechtsprechung führt dazu, dass der Allgemeine Teil außer Kraft gesetzt ist.1894 7. Kritik und Alternativen – Zur „Dogmatisierung“ des Handeltreibens und zu „AT-verträglichen“ Einschränkungsmodellen Damit ist man bei der Kritik an der h. M. angekommen, die sich gegen die extensive Rechtsprechung formierte.1895 Sie hat vorrangig eine Einschränkung der enormen Strafbarkeitsvorverlagerung im Auge und entwickelte sich vornehmlich aus den beschriebenen Problemfällen heraus. Die verschiedenen Lösungsmodelle1896 haben das Potential einer auf Anhieb besser durchführbaren Versuchsdogmatik, was darauf zurückzuführen ist, dass sie allesamt auf der Suche nach einem objektiven Anknüpfungspunkt sind.1897 Aus diesem Blickwinkel sind sie für die vorliegende Abhandlung interessant und werden dementsprechend dargestellt. Teils bezwecken sie auch einen Systemwandel, welcher die verfassungsrechtlichen sowie rechtsstaatlichen Bedenken rund um die „Vorfeldkriminalisierung“ insgesamt betrifft und sich somit nicht nur auf das Handeltreiben, sondern auch auf den Erwerb (zum Eigenkonsum), die Einfuhr in nicht geringen Mengen1898 oder den strafbaren Besitz bezieht.1899 1893
Niehaus JR 2005, 193 (194). So auch Neuhaus NStZ 2001, 39: „Es fehlt an innerer Geschlossenheit“. Vgl. auch Anastasopolou, S. 270, wo angemerkt wird, dass das „Instrumentarium strafrechtlicher Dogmatik vor den Toren des Betäubungsmittel-Strafrechts haltmacht.“ 1895 Kreuzer, FS-Miyazawa, 1995, S. 177 (189); Roxin StV 1992, 516; Nestler, Hdb § 11 Rn. 364 und Weider, Deal, S. 19, 25 argumentierten nicht nur rechtsgutsbezogen, sondern betonten auch die Friktionen mit der Dogmatik des Allgemeinen Teils. 1896 Etwa das Hineinlesen weiterer Tatbestandsmerkmale oder konkretere Definitionen, vgl. im Folgenden. 1897 Vgl. auch Skoupil, Handeltreiben, S. 163 f.; Skoupil beschränkt sich auf eine Darstellung und Auseinandersetzung mit den bisherigen Lösungsvorschlägen, ohne einen eigenen Lösungsvorschlag zu machen (wobei dies im Hinblick auf den Gegenstand seiner Abhandlung aber nicht kritisch gesehen werden darf). Es ist allerdings bemerkenswert, dass er alle Restriktionsansätze zurückweist, weil „keines der dargestellten Lösungswege für sich in Anspruch nehmen kann, die Problematik des Begriffs Handeltreiben einer vollständigen Lösung zugeführt zu haben“, S. 164. Wenn er im Anschluss dann allerdings feststellt, dass auch nach dem Beschluss des Großen Senats Fragen offen bleiben, die Verteidigung des „überkommenen Begriffs“ nicht überzeugen kann (S. 202) und problematische Fallgestaltungen ungelöst sind (S. 251), so müsste er eigentlich zugeben, dass eine kritikwürdige bzw. mit Lücken behaftete Lösung, immer noch besser ist als „gar keine Lösung“. Ihm ist allerdings beizupflichten, dass eine erneute Vorlage nach § 132 GVG in Betracht gezogen werden könnte (S. 293 f.). 1894
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Welche konkreten „Ausschnitte“ (des Drogenumlaufs) der Gesetzgeber jedoch kriminalisiert, ist ihm selbst überlassen, und es würde dem Rechtsanwender – jedenfalls strafrechtsdogmatisch – nicht zustehen, das womöglich unerwünschte Ergebnis „zurechtzurücken“,1900 es sei denn, die Anwendung des Rechts wäre verfassungswidrig.1901 Dass die „rechtsstaatlichen Baustellen“ zu überwiegenden Teilen einmal mehr, einmal weniger mit den Vorschriften des Allgemeinen Teils kompatibel sind, wurde bereits dargelegt.1902 „Intuitives Versuchsunrecht“ bedeutet nicht Versuchsunrecht i. S. d. § 22 StGB. Auch schlichte Tätigkeitsdelikte durchlaufen einen Versuchsbereich. Diesen gilt es für das Handeltreiben nachvollziehbar zu konturieren, was das maßgebliche Ziel der vorliegenden Abhandlung bleibt. Mit anderen Worten: Der wohl gemeinsame Ausgangspunkt (Objektivierung des subjektivierten Handeltreibens) muss nicht bedeuten, dass man ein gemeinsames Endziel anstrebt (etwa was die Anforderungen an die Beeinträchtigung des Rechtsguts anbelangt1903). Der systemkritische Ursprung vieler einschränkender Ansätze, die einer enormen Strafbarkeitsvorverlagerung, einem Präventivstrafrecht und einer Überkriminalisierung grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen, darf nicht den Blick dafür trüben, dass dogmatisches Strafrecht, wie die Ausführungen zur versuchten Einfuhr belegen, auch bei Vorfelddelikten mit abstrahier1898 Insofern ist es schließlich nicht verfehlt, wenn Lang bemängelt, dass bereits die Absicht bestraft werde, Betäubungsmittel im Inland zu verwerten, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 188; so auch bereits Weider, S. 17 („böse Absicht“). 1899 Hierbei darf man nicht aus den Augen verlieren, dass eine abgeschlossene Einfuhr allein bereits eine Rechtsgutsbeeinträchtigung bedeutet, die sich aber qualitativ von derjenigen des Handeltreibens unterscheidet. Man kann also nicht behaupten, dass sich jede Umgangsform letztlich auf den abzuwendenden Zwischenerfolg „Umsatz“ zu beziehen hat, der seinerseits die Beeinträchtigung des Rechtsguts implizierte. 1900 Vgl. hierzu auch Kühl AT § 14 Rn. 2. 1901 Dies bedeutet wie in der Einleitung auch schon angedeutet, S. 27 ff., dass ähnliche Argumentationsmuster verschiedene Ansatzpunkte haben können. Das Handeltreiben könnte insofern auch aus dem Blickwinkel des Art. 103 II GG oder dem Schuldoder Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kritisiert bzw. begutachtet werden (Weber beispielsweise verteidigt die Extension des Handeltreibens gegenüber diesen zwei Einwänden, vgl. Handeltreiben, S. 243 ff.). Wenn hier ausschließlich die Vereinbarkeit des Handeltreibens mit der Dogmatik des Allgemeinen Teils dargestellt und analysiert wird, darf man nicht aus den Augen verlieren, dass dies eben ein konkreterer Ansatzpunkt ist, an dem die „Verletzung“ dieser Grundsätze auf der Metaebene deutlicher zu Tage gebracht werden kann. Anders gewendet: Eine willkürliche Dogmatik, die ihrerseits auf einer willkürlichen Auslegung beruht bedeutet willkürliches Recht, das sicherlich als Verstoß gegen die lex certa bewertet werden kann. 1902 Zum Besitz vgl. 3. Teil A. I. 1. d), S. 105 ff.; zu Fragen der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung 3. Teil A. I. 3. d); S. 128 ff. und zur Einfuhr zuletzt 3. Teil C. II. 1. c), S. 420 ff. 1903 Wobei auch nach hier vertretener Ansicht eine Einschränkung bzw. zumindest eine Kompensation geboten scheint, wenn man bedenkt, dass in den Fällen des intuitiven Versuchs eine Beeinträchtigung der Rechtsgütertrias „Körperliche Unversehrtheit – Jugendschutz – Gesellschaft frei von Organisierter Kriminalität“ kontraindiziert ist.
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ten Rechtsgütern funktionieren kann1904 – oder besser – erst recht „funktionieren muss“. Ziel der Abhandlung bleibt, die berechtigten Belange einer effektiven Verfolgung des Drogenhandels zu wahren, hierbei aber nicht die strafrechtssystematischen Mindestanforderungen außen vor zu lassen.1905 Oder wie es Roxin ausdrücken würde: „Rechtsstaat und Verfassung sind die unübersteigbaren Schranken der Kriminalpolitik“.1906 a) Roxins Lehre vom Umsatzerfolg (Handeltreiben als Erfolgsdelikt) Der früheste Einschränkungsansatz1907 stellt zugleich den weitestgehenden dar. Schon 1982 forderte Roxin1908 unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Zweiten Senats vom 03.06.1981 die Feststellung eines Umsatzerfolgs. Was bei der Einfuhr die Überschreitung des Grenzübertritts ist, soll beim Handeltreiben die Übertragung des Betäubungsmittels von einer Person auf die andere sein. Roxin entwickelte diesen rechtsgutsorientierten Ansatz aus der Formulierung des Zweiten Senats heraus,1909 wonach der „missbilligte Erfolg“ des Handeltreibens ein Vorgang sei, der das Rauschgift auf dem Weg zum Konsumenten weiterbringt.1910 Was aus Sicht der h. M. als „unglückliche Formulierung“ bezeichnet werden muss (und dementsprechend vereinzelt geblieben ist), stellt nach Roxin – und schließlich auch nach Harzer, die kurze Zeit später ein auf Entäußerung der Sache gerichtetes Tun verlangt1911 – die richtige Lösung dar. Die Konsequenzen dieser Umdeutung: Solange keine Betäubungsmittel „umgesetzt“ worden sind, scheidet eine Vollendung des Tatbestands aus. In den Fällen der Sicherstellung, Verwechslung und V-Männern als Vertragspartner kommt von vornherein nur ein (untauglicher) Versuch in Betracht. Roxin wandelt auf diesem Wege die „intuitiven“ Versuchs- in echte Versuchsfälle um. Er markiert eine klare Grenze zwischen Versuchs- und Vollendungsbereich, wobei die Fälle des unmittelbaren Ansetzens durch Vornahme tatbestandlicher Handlungen keine große Bedeutung erfahren werden (da hier die Vornahme der maßgeblichen Handlung, nämlich die Übertragung des Betäubungsmittels und der „Umsatz“ zeitlich zusammenfallen). Wesentlich schwieriger gestaltet 1904 So auch Neuhaus NStZ 2001, 39 (40) der es kritisch sieht, die Notwendigkeit der Bestimmung eines Versuchsbereichs mit dem Hinweis zurückzuweisen, es handele sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. 1905 Vgl. auch Niehaus JR 2005, 192. 1906 StV 2003, 619 (620). 1907 Mit dieser Entwicklung in der Literatur setzt sich auch Skoupil, Handeltreiben, S. 152 ff. auseinander. 1908 StV 1992, 517 (519). 1909 Vgl. aber bereits Strate ZRP 1987, 314 (316): „Beginnende Konkretisierung einer Gefahr für das Rechtsgut“. 1910 BGH StV 1981, 649. 1911 BGH StV 1996, 336 (337).
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sich die Frage, in welchen Fällen der Täter bereits vorher unmittelbar angesetzt hat. Jedenfalls die Urproduktion bzw. Handlungen, die sogar vor einem Vertragsschluss liegen (Einfuhr, Transport, Lagerung), könnte man ohne Weiteres dem Bereich strafloser Vorbereitung zuordnen. Etwas schwieriger ist der Vertragsschluss selbst einzuordnen, wenn dessen Abschluss weit vor dem eigentlichen Umsatzerfolg erfolgt. Die bloße Abrede würde unter Zuhilfenahme des Gefährdungsgedankens (hier im Sinne einer Umsatzgefahr) der Feuerprobentheorie sowie der Teilaktslehre wohl nur dann zur Überschreitung der Versuchsschwelle führen, wenn die Abwicklung des Vertrags unmittelbar auf die Vereinbarung hin erfolgen soll. Sonst müsste man sogar einen Versuch des Handeltreibens verneinen, was einem die Reichweite der Umsatzerfolgstheorie erst vor Augen führt: Nicht nur der Anbau bzw. die Herstellung fallen heraus, sondern selbst der An- und Verkauf zum Zwecke der Weiterveräußerung. Die „temporäre Komponente“ des unmittelbaren Ansetzens zwingt zu einem „späten“ Zugriff, weil man nicht schon mit Geschäftsabschluss eine Vollendung bejahen kann. Diese Schwierigkeiten setzen sich bei den Vermittlungsfällen, die nach dem gesetzgeberischen Willen ebenfalls erfasst sein sollen, fort. Jedenfalls müsste man den Versuchsbereich enorm ausdehnen, wenn die Vermittlung längere Zeit vor der eigentlichen Übertragung des Betäubungsmittels stattfindet. Spätestens in diesem Moment würde jeder Staatsanwalt ungläubig den Kopf schütteln, obwohl dies Ergebnis einer vollkommen konsequenten Anwendung der zu § 22 StGB entwickelten Regeln darstellte. Roxins Ansatz kann man insofern als Referenzlösung bezeichnen, da er rechtsgutsorientierte Überlegungen mit einer Systematisierung des Tatbestands verknüpft.1912 Der Ansatz ist folglich nicht „wertfrei“, d.h. er beinhaltet auch eine kriminalpolitische Feinjustierung. Insofern könnte man ihm vorwerfen, dass eine derart restriktive Prämisse nicht notwendig ist, um die – von Roxin ebenso – bemängelten systematischen Friktionen zu vermeiden.1913 1912 Was im Hinblick darauf, dass der Allgemeine Teil auf das Erfolgsdelikt zugeschnitten ist, auch nicht überrascht. Auch im Bereich von Täterschaft und Teilnahme hätte man nun wieder ein restriktives Täterverständnis eingeführt, das eine unmittelbare Einordnung von Hilfshandlungen bei der Entstehung des Umsatzgeschäfts und bei der Verwirklichung des Umsatzerfolgs als Gehilfentätigkeit ermöglicht, zum Ganzen noch 3. Teil D. III. 2. a), S. 578 ff. 1913 Gaede StraFo 2003, 392 (396). Insbesondere das Vermittlungsbeispiel macht deutlich, dass Roxins Ansatz letztlich nicht das „Vermittlungsunrecht“ für sich bestraft, sondern den Umsatz; falls es zu diesem kommt, bleibt eine Zurechnung des Umsatzerfolgs möglich und häufig wird sich auch aus den Abreden ergeben, wann nach Tätervorstellung unmittelbar zum Umsatz angesetzt wird. Doch dies ändert nichts daran, dass man nur „Erfolgsunrecht“ statt „Handlungsunrecht“ sanktioniert und damit den gesetzgeberischen Willen unterläuft; jedenfalls kann man dem Ansatz von Roxin keine systematischen Widersprüchlichkeiten vorwerfen, wonach selbst der „kleine Fisch“ als Täter einzustufen wäre, dem im Gesamtgeschäft nur eine untergeordnete Rolle zukommt, vgl. Weber, Handeltreiben, S. 464. Eine ernsthafte und stringente Argumentation setzt voraus, dass man sie einheitlich anwendet und sie sich nicht je nach Tatbestandsmodalität
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Der Wortlaut der Vorschrift „Handeltreiben“ hilft kaum weiter, da eine Restriktion nicht damit verworfen werden kann, dass sie nicht Eingang in den Tatbestand gefunden hätte.1914 Umgekehrt kann man aber auch demjenigen keinen Vorwurf machen, der diesen Schritt nicht geht, solange sich seine Lösung ebenfalls innerhalb des Wortlauts bewegt. Bei „unbefangener Betrachtung“ erfasst der Wortlaut aber, wie Harzer anmerkt, Personen, die gegen Entgelt Sachen veräußern.1915 Dies bedeutet nicht, dass man die Sache auch tatsächlich „veräußern“, also übergeben muss. Es wurde bereits dargelegt, dass die Beteiligten am modernen Wirtschaftsverkehr oft mit Gegenständen und Rechten handeln bzw. Handel treiben, obwohl der Kaufgegenstand nicht zur Verfügung steht bzw. keine „Übergabe“ erfolgt (man denke an den Aktien- und Devisenmarkt). Wie Niehaus in diesem Zusammenhang zu Recht hervorhebt, führt die „mittelbare“ Einbeziehung von Vermittlern zu einem verzerrten Bild, indem man die Beziehung „Käufer/Verkäufer“ in den Mittelpunkt stellt, obwohl entscheidendes Kriterium für den zu unterbindenden Warenumschlag die Herbeiführung des Vertragsschlusses (ggf. eben auch durch einen Vermittler) darstellt. Insofern führt die Umsatztheorie von Roxin tatsächlich zu wortlauttechnisch sowie systematisch nicht notwendigen, jedenfalls kriminalpolitisch zweifelhaften Einschränkungen.1916 b) Handeltreiben als konkretes Gefährdungs- oder Eignungsdelikt? Den gleichen Anknüpfungspunkt, wie Roxin, Harzer und Strate, also den Umsatz von Betäubungsmitteln zieht Gaede bei seiner „Gefährdungslösung“ heran.1917 Es handelt sich um eine qualitative Abstufung der Umsatzerfolgstheorie, da er zwar nicht den Erfolg eines Umsatzes voraussetzt, aber Handlungen „zurechtlegt“. Schließlich zweifelt auch niemand die Täterqualität des „kleinen Fischs“ an, wenn dieser eigenhändig Drogen über die Grenze verbringt und sich somit einer Einfuhr in nicht geringen Mengen strafbar macht, vgl. noch zu diesem Problem, 3. Teil D. III. 3. a) aa) (1), S. 601 ff. Der extensive Täterbegriff ist kein Problem des Handeltreibens allein, sondern betrifft das gesamte Betäubungsmittelstrafrecht. 1914 Insofern geht es zu weit, von einem „Verstoß gegen das Gesetz“ zu sprechen, so aber Weber, Handeltreiben, S. 464. 1915 Harzer StV 1996, 336 (337). 1916 So auch Niehaus JR 2005, 192 (196). Man könnte der Überlegung nachgehen, ob der „Umsatzerfolg“ nicht de lege ferenda als vom Vorsatz unabhängige „objektive Bedingung der Strafbarkeit“ ausgestaltet werden könnte. Doch eine objektive Bedingung der Strafbarkeit hat die Funktion, Nachweisschwierigkeiten hinsichtlich eines Vorsatzes bzgl. der Folgen gefährlicher Handlungen für das geschützte Rechtsgut zu erleichtern und passt folglich nur auf Begehungsweisen, die nicht genau auf den Erfolg zusteuern müssen (etwa die schwere Folge bei einer Körperverletzung, oder etwa die Rauschtat beim Sichberauschen), der verhindert werden soll. Das Handeltreiben ist indessen genau auf den Umsatz gerichtet, sodass solch eine Beschränkung nicht zielführend erscheint. 1917 Gaede StraFo 2003, 392 (396).
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fordert, welche die Gefahr schaffen, dass ein nach dem Handlungskontext erwartbarer konkreter Betäubungsmittelumsatz alsbald erfolgt.1918 Insofern ergibt sich auf den ersten Blick nicht eindeutig, ob Gaede ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt konstruiert (auch als potentielles Gefährdungsdelikt oder Eignungsdelikt bezeichnet), oder ein konkretes Gefährdungsdelikt im Sinne einer Forderung nach einem „Beinahe-Umsatz“. Da aber diese beiden Deliktskategorien schon deswegen schwierig auseinanderzuhalten sind, weil die „konkrete Gefährdung“ von Art und Weise der Vornahme der jeweiligen Handlung abhängt, mitunter die Feststellung eines konkreten Gefahrerfolgs und einer geeigneten Handlung faktisch gleich läuft, ist dies nicht weiter zu beanstanden.1919 Dem Ansatz von Gaede ist fast uneingeschränkt zuzustimmen, weil er die kasuistischen Lösungen des BGH in eine von vornherein passende „Formel“ packt und zugleich eine angemessene Restriktion in den genannten Problemkonstellationen schafft. Wie Roxin nimmt er evidente Vorfeldhandlungen heraus (Anbau, Produktion, Einfuhr). Soweit die Tat von Anfang nicht geeignet ist, eine Umsatzgefahr herbeizuführen (Agent-Provocateur-Fälle, Scheindrogen, Sicherstellung), kommt nur ein untauglicher Versuch in Betracht. Andererseits ist es nicht notwendig, dass es tatsächlich zu einem Umsatz kommt. Bezüglich der Verkaufsgespräche kann Gaede differenzieren bzw. die Differenzierung der Verfügungsmacht über Betäubungsmittel durch den BGH innerhalb seiner Definition stringent einfügen: Hat der Täter keine Betäubungsmittel im Besitz,1920 reicht sein einfaches Angebot für eine Umsatzgefahr nicht aus, vielmehr muss es zu einer Einigung mit dem Verkäufer gekommen sein. Hat er dagegen Betäubungsmittel im Besitz, reicht dieser allein zwar nicht aus, aber man muss nicht so weit gehen wie beim Ankäufer und einen Vertrag fordern, da die Gefahr des Umsatzes bereits durch das aktuelle Feilhalten von Betäubungsmitteln (also das „ausschauhaltende Besitzen“) gegeben ist. Sicherlich ist Gaedes Ansatz in einigen Punkten noch konkretisierungsbedürftig; eine abschließende Definition kann bei einem Begriff wie der „Umsatzgefahr“ aber nur schwierig gelingen und dürfte ohnehin nicht intendiert sein. Das Problem der Feststellung 1918 Vgl. auch Schwarzburg, Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit der polizeilichen Tatprovokation, S. 59 f.; Seelmann ZStW 95 (1983), 797 (807 f.). 1919 So entfällt die Geeignetheit einer Handlung jedenfalls, wenn der konkrete Gefahrerfolg schon faktisch niemals eintreten kann. Auch hier muss man Rechtsgutsverletzung und tatsächliche Verletzung, die eine Rechtsgutsverletzung impliziert, auseinanderhalten. Soweit Bezugspunkt ein abstrahiertes bzw. kollektives Rechtsgut ist, erscheint es unmöglich, konkrete Gefährdung und Verletzung auseinanderzuhalten, vgl. Fischer zu § 126 Rn. 9. Wird aber die Beeinträchtigung eines universellen Rechtsguts von einem Außenwelterfolg (im Sinne eines wahrnehmbaren Sachverhalts) abhängig gemacht – Grenzüberschreitung, Verfügungswechsel, Umsatz erscheint auch wieder die Anwendung der „Zufallsformel“ (konkrete Gefährdung, wenn Nichteintritt des Außenwelterfolgs nur noch vom rettenden Zufall abhängt) möglich, so auch bei §§ 315b, c I StGB. 1920 Ist er also Ankäufer oder Verkäufer ohne Besitz.
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eines „Gefahrerfolgs“ herrscht zudem bei allen konkreten Gefährdungs- sowie Eignungsdelikten. Daher erscheint (in Relation zur bisherigen Rechtsprechung) die Behauptung m. E. nicht tragfähig, dieser Ansatz würde zu einer „kaum beherrschbaren Kasuistik führen“, wenn er doch wie aufgezeigt schon wesentlich klarere Zuordnungen möglich macht.1921 In diesem Zusammenhang hat sich auch herauskristallisiert, dass der Ansatz Gaedes jedenfalls keine Eignungstheorie in Reinform darstellt, da eine solche gerade auf den Nachweis eines Gefahrerfolgs verzichtet bzw. nicht auf die tatsächlichen Folgen des Täterverhaltens abstellt. Dann ginge man noch einen Schritt zurück, indem man ausschließlich auf die Handlung abstellt und Vollendung annimmt, wenn das Bemühen des Täters im konkreten Fall geeignet ist, einen Umsatzerfolg herbeizuführen.1922 Dies führt dazu, dass Sicherstellungsfälle (hier im Falle der Sicherstellung nach Abrede) anders behandelt werden müssten, als Gespräche mit V-Leuten oder Scheinaufkäufern. Da das Verhalten nicht mehr auf einen (Gefahr-)Erfolg zusteuert, hängt die Behandlung des Verhaltens als Versuch davon ab, ob die Handlung von Anfang an niemals einen Umsatzerfolg herbeiführen kann; mithin kommt es zu einer unterschiedlichen Behandlung von Konstellationen des fehlgeschlagenen (grundsätzlich geeignet und somit als Vollendungsdelikt zu bestrafend) und untauglichen Versuchs (niemals geeignet und somit regelmäßig zum Versuch führend).1923 Dies sollte der Grund dafür sein, solch eine Differenzierung zumindest positiv-rechtlich veran1921 So aber Weber, Handeltreiben, S. 464; an dieser Stelle wird man das Gefühl nicht los, dass man sich grds. jeglicher Einschränkung verwehrt und mit dem zugrundegelegten Ergebnis argumentiert, wenn die Gefährdungstheorie damit zurückgewiesen wird, dass das Handeltreiben ein abstraktes Gefährdungsdelikt sei. Darüber hinaus behauptet Weber, dass die Lösung Gaedes das Feilhalten nicht erfasse, obwohl diese zwei Fallgruppen explizit (wenn eben auch nur unter gewissen Einschränkungen) einbezogen werden. Ebenfalls krit. Skoupil, Handeltreiben, S. 158, der aber zumindest einräumt, dass mit dem Ansatz von Gaede im Einzelfall durchaus ein sachgerechtes Ergebnis gewonnen werden kann. Wenn er aber im Anschluss anmerkt, dass die mit den dargestellten Ansätzen „einhergehenden Unsicherheiten schwer“ wiegen, so kann das nur überzeugen, wenn sie schwerer wiegten, als die Einzelfallrechtsprechung des BGH, die Skoupil ebenfalls selbst konstatiert, vgl. die Schlussbetrachtung auf S. 297. 1922 Vgl. Endriß NStZ 1998, 463. Dass die Eignungslösung das Betäubungsmittelrecht „erreichen“ würde, überrascht nicht, da sie vom BGH in einem Kontext entwickelt wurde, welche für die Organisierte Kriminalität typisch ist. So mag man Fälle der Sicherstellung und des V-Mann-Aufkaufs zunächst auch mit der Hehlerei gem. § 259 StGB assoziieren, bei der umstritten ist, ob das Absetzen einen Absatzerfolg voraussetzt. Dies wird zwar von der h. M. verneint, doch hat der Vierte Senat in einem entsprechenden Fall des Aufkaufs durch einen V-Mann entschieden, dass ein Absetzen ausscheide, wenn die Handlung von Anfang an nicht dazu geeignet war, einen Umsatzerfolg herbeizuführen, BGHSt 43, 110 m. Anm. Krack NStZ 1998, 462; siehe hierzu SSW/Jahn § 257 Rn. 22; allen voran griff Endriss diesen Gedanken auf und suchte hier nach einer Einschränkung, die aber erst Schwitters ernsthaft beim Namen nannte, siehe Schwitters, Handeltreiben, S. 145 f. Wenn man sich über die Folgen des Deliktstyps keine Gedanken macht, hat diese Einordnung keinen Sinn. 1923 Denselben Effekt hat man bei unechten Unternehmensdelikten wie § 292 StGB.
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kert wissen zu wollen.1924 Einer Eignungslösung im engeren Sinn kann man schon aufgrund der fragwürdigen Existenzberechtigung potentieller Gefährdungsdelikte einerseits, aber auch im Bezug auf die Unstimmigkeiten und kaum konkretisierten Anforderungen an die Eignung der Handlung andererseits eher vorwerfen, dass sie wenig zur Systematisierung des Handeltreibens beitragen kann.1925 c) Vertragstheorien Die Vertrags- und Einigungstheorien entfernen sich vollständig vom Umsatzerfolg und somit auch ein weiteres Stück von der „Beeinträchtigung“ des Rechtsguts. Dennoch fehlt der Bezug nicht vollständig: Die Vollendung des Tatbestands verlagert sich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor, was im Hinblick darauf, dass bereits der Vertragsschluss den „Marktkreislauf in Gang bringt“ sowie reguliert1926 prima vista legitim sein dürfte. Die Vertragstheorie hat verschiedene Spielarten erfahren,1927 welche sich in den Parametern „Abwicklung“, „Vermittlung“ und der Frage, ob bereits das bloße Angebot ausreicht, unterscheiden.1928 Dabei sollte man klarstellen, dass die Vertragstheorien im ursprünglichen Sinn nur die „Verkäuferseite“ einbezogen hatten, was häufig zu Missverständnissen in der Argumentation führt. Wenn Weber beispielsweise die ursprüngliche Einigungslösung mit dem Erzielen einer Einigung über die Lieferung von Betäubungsmitteln beschreibt, überrascht seine Feststellung, dass dieser Ansatz die gesamte absatzorientierte Beschaffung außer Betracht lasse.1929 Denn eine Einigung muss nicht notwendig zwischen Verkäufer und Endverbraucher stattfinden, sondern kann auch zwischen Ankäufer und Lieferanten erzielt werden. Tatsächlich hatte man sich aber bei Entwicklung der Vertragstheorien am Verkäufer orientiert. Erst im Nachhinein hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man zwischen besitzlosem Verkauf und Verkauf unter Feilhalten von Drogen differenzieren musste. Wie anfällig die Vertragstheorie für Missverständnisse war, wurde aus dem Anfragebeschluss des Dritten Senats deutlich, der bei bloßen Ankaufsbemühungen eine Einigung mit dem in Aussicht genommenen Lieferanten forderte.1930 Dies führte auf den ersten Blick zu einer „asymmetrischen“ Behand1924 Eignungsdelikte zeichnen sich eben durch die Wendung „geeignet ist“ aus, vgl. §§ 126, 130, 311, 326 I Nr. 4 StGB. 1925 Vgl. Weber, Handeltreiben, S. 466. 1926 Indem Preise festgesetzt werden, Angebot und Nachfrage gesteigert wird. 1927 BGH StV 2003, 619. 1928 Allerdings hat Weber, Handeltreiben, S. 454 ff. den einzelnen Ansätzen mehr oder weniger passende Namen verliehen und differenziert zwischen Vertragstheorien, Einigungslösungen und erweiterter Einigungslösung. 1929 Weber, Handeltreiben, S. 457. 1930 BGH NJW 2005, 1589.
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lung zwischen Ankäufer und Verkäufer.1931 Wenn die h. M. davon ausgeht, dass schon derjenige Verkäufer, der keine Betäubungsmittel zur Verfügung hat, sich bei bloßen Verkaufsbemühungen strafbar macht, scheint die Vorgehensweise des Dritten Senats tatsächlich inkonsequent. Ob der Dritte Senat diese Art von Verkauf meinte, ergibt sich aus seinen Formulierungen nicht eindeutig: „Während der für das geschützte Rechtsgut weniger gefährliche Ankauf eine Handelseinigkeit voraussetzt, wird die Händlertätigkeit auf der Verkaufsseite in weiterem Umfang erfasst und es werden insbesondere auch einseitige Verhaltensweisen wie Feilhalten, Bestellungen entgegennehmen und aufsuchen einbezogen.“ Damit müssten eigentlich Verkäufer gemeint sein, die Betäubungsmittel bereits im Besitz haben. Denn auch nur diese Vorgehensweise wäre mit dem EU-Rahmenbeschluss vom 25.10.2004 vereinbar, wonach die Mitgliedsstaaten nach Art. 3 II berechtigt sind, den Versuch des Erwerbs von Drogen in Verkaufsabsicht straflos zu stellen.1932 Insofern könnte man die Ausführungen des Dritten Senats auch so deuten, dass die bloße Verkaufsbemühung bzw. sogar der Verkauf ohne Betäubungsmittelbesitz erst recht herauszunehmen ist, sodass die Argumentation nur konsequent und keinesfalls asymmetrisch wäre. Insofern trifft der Einwand Roxins zu, der Ankäufer sei nicht weniger gefährlich als der Erstverkäufer, allerdings nur, wenn der „besitzende“ Verkäufer gemeint ist. Diese Fehldeutungen resultieren abermals aus der Gleichsetzung von Verkauf mit und ohne Betäubungsmittelbesitz, obwohl zwischen diesen zwei Arten mehrere Zwischenakte liegen. Es wurde aber dargelegt, dass im Modell der h. M. die Verfügungsmacht über Betäubungsmittel nur bei rein tatsächlichen Handlungen maßgeblich, während bei Rechtsgeschäften bereits das Auftreten des Täters auf dem Markt einen ggf. fehlenden Zugriff auf Drogen kompensiert. Sollen also allein der Vertragsschluss bzw. ernsthafte Bemühungen (Angebote) zur Vollendung führen, muss der Ansatz des Dritten Senats – soweit er keine vollständige Abkehr von dieser Differenzierung im Auge hatte – tatsächlich als inkonsequent bezeichnet werden.1933 Eine Vertragstheorie „in Reinform“ dagegen nähert sich dem von der h. M. zugrundegelegten schlichten Tätigkeitsdeliktscharakter mehr und mehr an, da beschriebener „Außenwelterfolg“ 1934 und maßgebliche Handlung immer mehr zusammenrücken. Dies umso mehr, wenn man selbst die Vertragsgespräche (oder das Angebot) einbezieht, da man nun dem Versuchsbereich die „Vertragsstadien“ entzieht und der Vollendung zuordnet; Handlung und Erfolg fallen in einem Akt, 1931
Zu diesen Überlegungen vgl. bereits 3. Teil C. IV. 2. b) aa), S. 459 ff. Abgedruckt in A4 in Körner/Patzak/Volkmer. 1933 Die Missverständnisse setzen sich bei der Erscheinungsform des Vermittelns fort. Wenn der Abschluss eines Vertrags gefordert wird, ist damit noch nicht gesagt, ob der Täter Vertragsteil sein muss oder ihm der Vertragsschluss als Vermittler eben zugerechnet wird. 1934 Soweit man den Vertragsschluss als solchen bezeichnen kann. 1932
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sprich in einer Tätigkeit zusammen. Ausgeklammert werden auf diese Weise nach wie vor Handlungen, die vor dem Vertragsschluss stehen (Anbau, Produktion, Einfuhr, Besitz), sowie die Handlungen, die der Abwicklung des Vertrags dienen.1935 Da aber allein der Vertragsschluss maßgeblich ist, kommt es auf die tatsächliche Abwicklung des Vertrags nicht an. Insofern erfasst die Vertragstheorie auch die Fälle des „intuitiven Versuchs“ als Vollendungsunrecht. Es überrascht, dass der Große Senat diese wesentlich konkretere Tatbeschreibung nicht einmal ansprach und die h. M. auch sonstige Konkretisierungsversuche aus der Literatur1936 ohne Begründung zurückweist.1937 Kriminalpolitisch könnte man lediglich, wie der Dritte Senat auch einräumt, einwenden, dass typische Handelstätigkeiten wie das „Feilhalten“ und „Bestellungen Aufsuchen oder Entgegennehmen“ bei einer reinen Vertragstheorie nicht unter den Begriff fallen würden.1938 d) Die „umfassende Neubestimmung“ durch einen abgeschlossenen Handlungskatalog Direkt im Anschluss an diese Kritik an der Vertragstheorie hat der Dritte Strafsenat in seinem Anfragebeschluss vom 10.07.2003 seine Kataloglösung vorgestellt, wonach das Handeltreiben durch eine abgeschlossene Aufzählung „handelstypischer Tätigkeiten“ bestimmter gemacht werden sollte. Demnach treibt Handel mit Betäubungsmitteln, wer diese eigennützig und in der Absicht, ihren Umsatz zu ermöglichen oder zu fördern, ankauft, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft, einführt, ausführt, feilhält, Bestellungen entgegennimmt oder aufsucht, veräußert, anderen überlässt, sonst in den Verkehr bringt oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen vermittelt. Solch ein „Katalogmodell“ findet sich in ähnlicher Form beispielsweise auch im türkischen Recht, vgl. Art. 188 TCK.1939 Die Vorschrift (amtliche Überschrift: Produktion und Handel von Betäubungs- oder Aufputschmitteln) hat folgenden Wortlaut:1940 1935 Sie blieben für sich gesehen strafbar, da solch ein Verhalten dem Besitztatbestand unterfällt, aber dann im Wege der Konsumption zurücktreten würde, soweit ein Betäubungsmittelgeschäft festgestellt ist. 1936 Insbesondere denjenigen von Niehaus, der das Feilhalten und bloße Angebote unter Zugrundelegung einer reinen Vertragstheorie dem Versuchsbereich zuordnet, vgl. Niehaus JR 2005, 192 (195), zum diesem Ansatz vgl. auch Skoupil, Handeltreiben, S. 159 ff. 1937 Vgl. Weber, Handeltreiben, S. 458: Wenn dort behauptet wird, nach Niehaus würde die absatzorientierte Beschaffung nicht erfasst, so fragt man sich, woher er dies ableitet, wenn Niehaus nur auf den Vertragsschluss abstellt und Vollendung auch beim besitzlosen Verkäufer annimmt. 1938 Etwa das einseitige konkrete Verkaufsangebot eines Händlers, der auf einem szenebekannten Drogenumschlagsplatz Interessenten Drogen anbietet. 1939 Zu einem Vergleich der Vorschriften siehe Og ˘ lakcıog˘lu ZIS 2011, 743 (747). 1940 Übersetzungen aus dem Türkischen ins Deutsche von Tellenbach, Das türkische Strafgesetzbuch, 2009.
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(1) Wer Betäubungs- oder Aufputschmittel, herstellt, einführt oder ausführt, wird mit mindestens zehn Jahren Gefängnis und bis zu 20.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. (2) . . . (3) Wer Betäubungs- oder Aufputschmittel ohne oder einer Erlaubnis zuwider innerhalb des Landes verkauft, zum Verkauf anbietet, anderen übergibt, versendet, transportiert, lagert, kauft, annimmt oder vorrätig hält, wird mit fünf bis zu 15 Jahren Gefängnis und bis zu 20.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft.
Dieses Beispiel soll nun keinen ausführlichen Rechtsvergleich zwischen dem türkischen und deutschen Betäubungsmittelstrafrecht einleiten. Es ist auch nicht beabsichtigt, Vor- und Nachteile eines „Katalogmodells“ bzw. der (Nicht-)Einbeziehung einer bestimmten Modalität1941 auszuloten. Es soll vielmehr deutlich machen, dass es überhaupt merkwürdig anmutet, von einem „Katalogmodell“ zu sprechen bzw. das Handeltreiben nochmals aufzuspalten, obwohl sich § 29 I BtMG bereits aus einem enumerativen Handlungskatalog zusammensetzt. Anders gewendet: § 29 I Nr. 1 BtMG allein ist bereits umfangreicher, als der gesamte türkische Straftatbestand.1942 Würde man einem ausländischen Strafrechtswissenschaftler den Ansatz des Dritten Senats erläutern, würde dieser unvoreingenommen davon ausgehen, dass das Handeltreiben als normatives Tatbestandsmerkmal die einzige Tathandlung darstellt, welche die Strafvorschrift als potentiell umsatzbezogene nennt und dementsprechend weit ausgelegt werden muss. Das ist aber keineswegs der Fall. Der Handlungskatalog des Dritten Senats packt das Problem von falscher Seite an. Es handelt sich um den verdienstlichen Versuch, das Handeltreiben durch eine Konkretisierung „bestimmter“ i. S. d. Art. 103 II GG zu machen. Doch diesbezüglich wurde erläutert, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht das Problem ist. Die Umwandlung von unbegrenzten Tätigkeiten in „einige handelstypische“ Tätigkeiten ändert nichts an den zeitlich unterschiedlichen Anknüpfungspunkten für den Versuchsbereich, der somit auch im Modell der Rechtsprechung zwar vorhersehbarer, aber nach wie vor weder einheitlich ist, noch in sich stimmig systematisiert werden kann.1943 Anders gewendet: „Dass eine Handlungsmodalität typi1941 Da gäbe es verschiedenste Möglichkeiten, die Tätigkeiten eines Händlers zu konkretisieren. Aber wenn dem Dritten Senat beispielsweise vorgeworfen wird, dass der Transport bzw. das Befördern als typische Tätigkeit eines Händlers nicht aufgenommen worden ist (so Weber, Handeltreiben, S. 488), dann wird deutlich, dass man teils aneinander vorbei redet. Denn die Einbeziehung des Transport würde gerade nicht dazu beitragen, die Grenzen von Täterschaft und Teilnahme deutlicher abzustecken. Auch Bensch sucht die Lösung in seiner Abhandlung zum Handeltreiben in einer Modifizierung des Handlungskatalogs, vgl. S. 183: Er nennt das „Ankaufen, Erwerben, Verkaufen, Veräußern, Abgeben, Vermitteln der einverständlichen Übertragung der Sachherrschaft“. 1942 Nur die amtliche Überschrift beinhaltet den Begriff „Handel“ (ticaret), was den Rückschluss zulässt, dass der Gesetzgeber selbst durch die Aufzählung konkreter Tathandlungen dem Begriff des Handels bzw. Handeltreibens Konturen verliehen hat. 1943 So schon Gaede StraFo 2003, 392.
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sches Verhalten eines Händlers darstellen mag, sagt [. . .] noch nichts darüber aus, ob das Handeltreiben im strafrechtlichen Sinne vollendet ist.“ „Unbestimmt“ im dogmatischen Sinn bleibt also das Katalogmodell. Wie Gaede richtig herausarbeitet, überzeugt aber auch der strukturelle Ansatz nicht, sich im Tatstrafrecht an einem bestimmten Tätertyp („Dealer“) zu orientieren und dann auch noch inkonsequent Tathandlungen aufzuzählen, die gerade nicht zu diesem Tätertyp passen (etwa das sonstige Inverkehrbringen).1944 e) Eigener Vorschlag: Die Erklärungslösung Die unterschiedlichen Nuancen innerhalb der Einschränkungsversuche dürften deutlich gemacht haben, dass die h. L. keinesfalls „an der Praxis vorbei“ schreibt, sondern in den letzten Jahren bemüht war, den Interessen der Verfolgungsbehörden entgegenzukommen, ohne die Systematisierung des Strafrechts durch den Allgemeinen Teil des StGB aufzugeben. Bis auf das Katalogmodell des Dritten Senats stellen alle Restriktionsmodelle teils qualitative, teils quantitative Abstufungen der Umsatzerfolg-Lösung von Roxin dar, die sich nach und nach vom Rechtsgutsbezug entfernen und sich der kriminalpolitischen Orientierung der h. M. annähern. Unter ihnen erscheint die Lösung von Gaede am sympathischsten. Sie setzt einerseits nicht voraus, dass man einen Umsatzerfolg nachweist und führt auch bei ernsthaften Verkaufsgesprächen (wie kriminalpolitisch erwünscht) zur Tatbestandsvollendung. Sie erfasst die Fälle „intuitiven Versuchsunrechts“ auch als Versuch gem. § 23 II StGB und bezieht einseitige Handlungen (also den Besitz bzw. das Feilhalten) nicht per se ein. Soweit man aber nur eine „Systematisierung“ des Handeltreibens erreichen will, kann auch eine etwas nähere konkretisierte „Vertragstheorie“ diesen Zweck erfüllen. Diese „Konkretisierung“ soll im Folgenden als „Erklärungslösung“ bezeichnet werden, die anknüpfend an den bereits gefallenen Begriff des „Erklärungsdelikts“ einen teils extensiveren, teils aber auch restriktiveren Weg zwischen Gaedes und Niehaus’ Ansätzen darstellt. aa) Inhalt der Erklärungslösung Hierbei dürfte es im Zusammenhang zu den Erkenntnissen rund um die übrigen Tathandlungen nicht überraschen, dass vorliegend die Lösung in einer Umwandlung des Handeltreibens von einem „multiplen Tätigkeitsdelikt“ in ein „konkretisiertes Tätigkeitsdelikt“ gesucht wird. Schließlich ließ sich der (praktisch unbedeutsame) Versuchsbereich bei den konkretisierten Tätigkeitsdelikten unproblematisch herleiten und folgte den allgemeinen Regeln des § 22 StGB.1945 1944
Gaede StraFo 2003, 392 (395). So geht im Ansatz auch Roxin vor, wenn er das Handeltreiben als „Verhaltensdelikt“ – somit nicht als Erfolgsdelikt im klassischen Sinne – bezeichnet, aber den Inhalt der Tätigkeit näher beschrieben wissen will bzw. einen „Erfolg“ i. w. S. hineinliest, 1945
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Die beschriebene Gefahr des Tätigkeitsdelikts, entgrenzt zu werden,1946 hat sich beim Handeltreiben realisiert, und es gilt, diesen Prozess rückgängig zu machen. Die Dogmatik rund um den Allgemeinen Teil kann nur funktionieren, wenn der Tatbestand entweder durch einen Erfolg begrenzt wird oder nur eine Handlung (und nicht mehrere) Verhaltensweisen gleichzeitig beschreibt. Wenn er dies tut, muss allen Verhaltensweisen zumindest ein gemeinsamer, zeitlicher Anknüpfungspunkt verbleiben. Insofern muss man den Charakter des Handeltreibens als „umfassenden Auffangtatbestand“ aufgeben. Es ist merkwürdig bei einem Tatbestand mit ca. 25 Modalitäten überhaupt von einer „Auffangfunktion“ zu sprechen. Auffangtatbestände im Betäubungsmittelstrafrecht sind u. a. der Besitz, das Bereitstellen von Geldmitteln oder die Schaffung einer Konsumgelegenheit. Das Handeltreiben zählt nicht hierzu. Vielmehr sollte man von dem Gedanken Abstand nehmen, dass die übrigen Modalitäten (Erwerb, Besitz, Abgabe, Veräußern, Einfuhr, Ausfuhr) nicht mit Umsatzwillen erfolgen könnten. In Anlehnung an die oben angestellten Überlegungen zu einer Manifestationstheorie sollte Mindestvoraussetzung für ein Handeltreiben das (nachgewiesene) Auftreten des Täters auf dem Betäubungsmittelmarkt als Person sein, der „Betäubungsmittel zu Geld machen“, sie eben umsetzen will. Wegen des Erklärungsdeliktscharakters muss dieses Auftreten sich bei einem Dritten bemerkbar gemacht haben, indem die Erklärung mit Umsatzwillen dieser Person zugegangen ist.1947 Handeltreiben ist jede (ausdrückliche oder konkludente) Erklärung mit Umsatzwillen, die ernsthaft auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit Betäubungsmitteln gerichtet ist oder dieses tatsächlich herbeiführt. Somit konkretisiert die „Nähe“ zum synallagmatischen Geschäft, nicht notwendig der Abschluss den Begriff des Handeltreibens.1948 Unter diese Definition ließen sich im ersten Schritt nicht nur die klassischen Verkaufsgeschäfte subsuvgl. StV 2003, 619 (621). Es handelt sich also um eine konkretisierende (abgeschlossene) Auslegung eines schlichten Tätigkeitsdelikts. Dennoch müsste man unter Zugrundelegung der hier verwendeten Terminologie davon ausgehen, dass es sich bei Roxins Ansatz um eine Umwandlung in ein Erfolgsdelikt handelt, da der Umsatzhandlung nicht der Umsatzerfolg innewohnt, vgl. hierzu 3. Teil B. II. 1. a) dd), S. 343 ff. 1946 3. Teil B. II. 1. a) cc), S. 341 f. 1947 Zu diesem Aspekt vgl. bereits Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 80; Weber § 29 Rn. 364; in der Sache ähnelt der hier gemachte Vorschlag dem Ansatz Zaczyks JR 1998, 256 ff., der im Zusammenhang mit § 30a II Nr. 2 BtMG zustimmungswürdig einen Kontakt mit anderen Personen verlangt. Dies müsste jedenfalls an dieser Stelle als „geschäftsmäßiger“ Kontakt verstanden werden, sodass der Einwand von Skoupil, Handeltreiben, S. 151 f. – bei der Kontaktlösung werde auch der Diebstahl miteinbezogen – nicht greift. Im Übrigen wäre es im Hinblick auf den Schutzzweck des § 30a II Nr. 2 BtMG. vollkommen legitim, jeglichen Kontakt ausreichen zu lassen (zumal die h. M. überhaupt keinen Kontakt verlangt, so aber auch Skoupil, Handeltreiben, S. 151), vgl. zu diesem Problem Fn. 106 in Teil 1, Fn. 1443, 2043, 2179 in Teil 3. 1948 Vgl. auch Paeffgen, FS-BGH, 2000, S. 695 (726).
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mieren, sondern auch Ankaufsgeschäfte, da nicht die „Lieferung“ von Betäubungsmitteln durch den Verkäufer erforderlich ist, sondern lediglich ein Vertrag. Das Erfordernis des Umsatzwillens klammert den Konsumenten aus. Der Eintritt eines tatbestandlichen Erfolgs (i. S. e. Umsatzerfolgs oder einer Umsatzgefahr) ist nicht von Nöten. Durch die Maßgeblichkeit der Abrede ist es unerheblich, ob es tatsächlich zu einer Lieferung von Betäubungsmitteln kommt, diese beispielsweise sichergestellt sind. Einbezogen wären auch die unmittelbare Vermittlung und damit auch die Herbeiführung fremder Betäubungsmittelgeschäfte, da die Definition kein eigenes Umsatzgeschäft verlangt. bb) Folgen der hier zugrundegelegten Erklärungslösung Mit einer „Erklärung“ als Tathandlung klammert man (ähnlich wie Roxin oder auch die Kataloglösung des Dritten Senats) auf der anderen Seite Verhaltensweisen aus, die nicht direkt vor dem Abschluss des Rechtsgeschäfts stehen. Selbstverständlich gilt dies für Handlungen, die weit vor dem eigentlichen Güterumsatz liegen,1949 allerdings auch für den Anbau und die Herstellung von Betäubungsmitteln, mögen diese auch auf den Umsatz bzw. auf ein bestimmtes Umsatzgeschäft gerichtet sein.1950 Auch konkurrenzrechtliche Überlegungen legen eine Ausklammerung von Anbau und Herstellung nahe:1951 Die Entstehung eines „verkaufsfertigen Produkts“ bildet einen einheitlichen Vorgang und dessen Abschluss eine zeitliche Zäsur.1952 Als „Anfang allen Übels“ hat die Produktion von Betäubungsmitteln einen anderen Unrechtskern,1953 die einer Verklammerung über das Modell der Bewertungseinheit entgegensteht.1954 Ist beim Täter 1949 Diese nimmt die h. M. ebenfalls heraus, solange kein konkretisiertes Betäubungsmittelgeschäft im Raum steht. Nimmt der Täter die Vorbereitungshandlungen gemeinsam mit einer weiteren Person vor und haben sich diese fest vorgenommen, ein Verbrechen der §§ 29a, 30, 30a BtMG zu verwirklichen, kommt allerdings eine Verbrechensverabredung in Betracht, Fn. 1840 und Fn. 1576 in Teil 3. 1950 So auch Niehaus JR 2005, 193 (195). 1951 Eigentlich dürfte schon nach dem Modell der Rechtsprechung derjenige, der erst „kurz davor steht mit Rauschgift in Berührung zu kommen“ (Weber NStZ 2004, 66 [68]) nicht als Handeltreibender angesehen werden. 1952 Etwas anderes dürfte nur gelten, wenn der Anbau als Vollzug eines Umsatzgeschäftes angesehen werden müsste, der Täter also auf die Vereinbarung hin anbaut bzw. produziert. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Vertragsanbahnung bzw. das Umsatzgeschäft durch die Staatsanwaltschaft nachgewiesen werden müsste (wenn sie unerlaubtes Handeltreiben anklagen will). 1953 Sowohl im „positiven“, wie auch im „negativen“: Der Produzent bringt den Stein ins Rollen, kennt dafür aber auch seine Ware und weiß wohl auch um deren Qualität und Gefahren. 1954 Im türkischen Recht geht diese Überlegung so weit, dass der Anbau und die Herstellung mit höheren Mindeststrafen aufwarten und von den handelsorientierten Tätigkeiten ausdrücklich getrennt werden, vgl. Og˘lakcıog˘lu, ZIS 2011, 743 (747); gleiches gilt im französischen Strafrecht, vgl. Art. 222-35 sowie Art.222-37 Code Pénal; siehe hierzu auch Siebel, Drogenstrafrecht in Deutschland und Frankreich, S. 87 f.
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dagegen nur der Anbau festgestellt, kann die Einbeziehung des Anbaus nicht damit begründet werden, dass derjenige, der seine Plantage mit der Pumpgun schützt, nicht unter den Anwendungsbereich des § 30a II Nr. 2 BtMG falle.1955 Es wurde bereits dargelegt, dass die Gesamtsystematik des Gesetzes darauf deutet, dass Herstellung und Anbau gerade keine Teilakte des Handeltreibens darstellen, nicht nur aufgrund des erst nachfolgenden Klammerzusatzes in § 29 I Nr. 1 BtMG, sondern auch aufgrund des Umstands, dass diese Tatmodalitäten auch bei den übrigen Qualifikationen (Bandenhandel, Waffenhandel) stets neben dem Handeltreiben explizit genannt werden. Schuldangemessenes Strafen bleibt über § 46 StGB möglich, da man einen nachgewiesenen Umsatzwillen innerhalb des Anbaus (als nicht notwendige Voraussetzung für die Tatbestandsverwirklichung) nunmehr auch strafschärfend berücksichtigen könnte, § 46 III StGB.1956 Die Lagerung, der Besitz und der Transport stellen einseitige Handlungen dar, bei denen ein geschäftlicher Kontakt bzw. eine Erklärung fehlt, und sind somit auszuklammern. Soweit sie der Abwicklung eines bereits abgeschlossenen Geschäfts dienen, treten sie ggf. zurück; insofern ist das hier vertretene Konzept sogar restriktiver, als der Ansatz von Gaede, der das Feilhalten von Betäubungsmitteln dann einbezieht und als vollendetes Handeltreiben bewertet, wenn der Täter in einem szenebekannten Umschlagplatz die Gefahr des Umsatzes durch seine Anwesenheit aktualisiert und konkretisiert. Diese Konstellation des „unmittelbaren Feilhaltens“ wäre nach hier vertretener Ansicht dagegen eine Versuchshandlung, soweit der Täter an solch einem Ort jederzeit mit der Abgabe bindender Erklärungen rechnet und dementsprechend keine wesentlichen weiteren Zwischenakte zur Tatbestandsverwirklichung notwendig sind.1957 Gleiches gilt, wenn der Täter an einem Drogenumschlagplatz unverbindlich für seinen guten Stoff bzw. für seine angemessenen Preise wirbt und sein Verhalten lediglich eine invitatio ad offerendum darstellt.1958 Das im Übrigen verwirklichte Unrecht 1955 So aber Weber NStZ 2004, 66 (69); mag man einmal ausblenden, dass die praktische Relevanz dieser Fallgestaltung nicht „allzu hoch veranschlagt werden sollte“ (Niehaus JR 2005, 193, Fn. 65), kann man die Auslegung einer Tathandlung nicht damit begründen, dass sonst die (ihrerseits ohnehin bedenkliche und restriktiv auszulegende) Qualifikation nicht zur Anwendung kommt. Die Qualifikation baut auf dem Grundtatbestand auf und nicht umgekehrt, d.h. der Gesetzgeber müsste § 30a II Nr. 2 BtMG schlicht um die Modalitäten des Anbaus erweitern, vgl. auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 222. 1956 Weber, Handeltreiben, S. 474; Versuch und Fahrlässigkeit bleibt gem. § 29 IV BtMG strafbar. 1957 Schließlich wäre dieses Feilhalten ein Mehr gegenüber dem Besitz, allein schon durch das objektive Element des Ausschauhaltens, das seinerseits als Anknüpfungspunkt für ein unmittelbares Ansetzen zur Erklärung herhalten kann. Soweit nur ein Umsatzwille, nicht jedoch ein „aktualisiertes Feilhalten“ (und somit kein versuchtes Handeltreiben) festgestellt ist, könnte man erneut den Umsatzwillen i. R. d. Besitzes strafschärfend berücksichtigen, § 46 III StGB.
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erfassen u. U. bereits der Anbau, die Einfuhr, jedenfalls aber der strafbare Besitz gem. § 29 I Nr. 3 BtMG (ggf. qualifiziert gem. § 29a I Nr. 2 BtMG). Schon aus diesem Grund darf sich die „Auffangfunktion“ des Besitzes nicht innerhalb des Handeltreibens entfalten, sondern über § 29 I Nr. 3 BtMG selbst. Schließlich hätte der Gesetzgeber auch zwischenzeitlich die Möglichkeit gehabt, den Besitztatbestand in § 29 I Nr. 1 BtMG zu verschieben und damit deutlich zu machen, dass er (nach dem Klammerzusatz folgend) Teilakt des Handeltreibens sein kann.1959 Auch der EU-Rahmenbeschluss 2004 sieht in Art. 2 I c vor, dass das Besitzen mit dem Ziel des Abverkaufs strafbar sein muss1960; dies darf aber eben nicht durch Auslegung erfolgen, sondern muss durch Gesetzgebung geschehen. Sieht man den Besitz als Teilakt des Handeltreibens, engt man den kriminalpolitischen Auffangbereich des § 29 I Nr. 3 BtMG auf die Fälle des Sichverschaffens und Erwerbs zum Eigenkonsum ein. Hier hat der Gesetzgeber aber gerade kein derart hohes Interesse an einer Strafverfolgung, vgl. §§ 29 V, 31a BtMG. Der Umsatzwille des Täters hat nicht die Kraft, das Handeltreiben ebenfalls in ein echtes Unterlassungsdelikt umzuwandeln bzw. den Wortlaut der Vorschrift zu überbrücken.1961 Das „Treiben“ darf nicht auf der Strecke bleiben.1962 Zugegeben, darin mag man eine Bevorzugung derjenigen Täter sehen, die augenscheinlich Drogen bereits angekauft haben und „mit Umsatzwillen besitzen“ gegenüber denjenigen, die Drogen erst überhaupt ankaufen müssen. Es ändert aber nichts daran, dass auch beim Besitzenden der Ankauf gerade nicht – Stichwort „augenscheinlich“ – nachgewiesen worden ist; genau diese Lücke schließt die 1958 Jedenfalls verwirklicht der Täter somit § 29 I Nr. 8 BtMG; in solch einem Fall könnte man darüber diskutieren, ob das versuchte Handeltreiben die vollendete, unerlaubte Werbung verdrängt oder Idealkonkurrenz anzunehmen ist. 1959 Wobei der eigentliche Grund für die Regelung des § 29 I Nr. 3 BtMG ist, dass es für den Besitz keinen Verbotstatbestand gibt und somit technisch „anders“ formuliert werden muss. Dass dennoch solch eine „Aneinanderreihung“ möglich ist, beweist wiederum § 29a I Nr. 2 BtMG. Hier wird deutlich, wie ungenau der Gesetzgeber in diesem gesetzestechnisch sensiblen Bereich arbeitet: Während er in § 29 I Nr. 3 BtMG formuliert „ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein“, heißt es in § 29a I Nr. 2 BtMG „ohne sie (die Betäubungsmittel!) auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 I BtMG erlangt zu haben“. Da der Erwerb in nicht geringen Mengen nicht erfasst ist, könnte man in solch einer Formulierung auch das Erfordernis sehen, den Erwerb nachweisen zu müssen (was im Hinblick auf die Auffangfunktion nicht gewollt sein kann); die unklare Formulierung war Anlass für das OLG Stuttgart zu differenzieren, vgl. hierzu bereits Fn. 1090 in Teil 3. 1960 Überhaupt erscheint es verfehlt, den EU-Rahmenbeschluss als „Grundlage“ für eine extensive Interpretation heranzuziehen; vielmehr sollte man sich fragen, ob ein „grober Rahmen“ bis zum Äußersten ausgefüllt werden muss und inwiefern er restriktive Ansätzen zugänglich ist. 1961 Im Hinblick darauf, dass es in dieser Konstellation dann um eine echte Unterlassungshaftung handelte. 1962 Vgl. Endriss/Kinzig NJW 2001, 3217 (3219): Das Argument für ein Handeltreiben darf nicht der Aufenthalt des Täters in der Szene sein; solch eine Prämisse hat feindstrafrechtliche Züge, vgl. Gaede StraFo 2003, 392 (395).
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Strafbarkeit gem. §§ 29 I Nr. 3, 29a I Nr. 2 BtMG und ggf. das versuchte Handeltreiben.1963 Die darauf folgenden Abwicklungshandlungen stellen nach wie vor „Teilakte“ des Handeltreibens dar, die von der auf das Umsatzgeschäft gerichteten Handlung (sprich Erklärung) konsumiert bzw. zu einer Bewertungseinheit verklammert würden; denn jeder „erfolgreichen“ Erklärung (bzw. dem Vertragsschluss) ist die Abwicklung des Geschäfts immanent. Es handelt sich also um Fälle der Konsumtion, mithin würde deren alleinige Vornahme (bzw. allein deren Nachweis) für sich gerade kein täterschaftliches Handeltreiben begründen. Zur Abwicklung des Ankäufers zählt hierbei auch der erneute Verkauf aus der einheitlichen Erwerbsmenge.1964 Eine „Konsumtion“ kommt nur in Betracht, wenn das Verhalten bereits eine andere Umgangsform erfüllt. So fallen regelmäßig alle übrigen rein tatsächlichen Handlungen, die sich nicht auf Betäubungsmittel beziehen1965 per se heraus, können aber als unselbstständige (nicht tatbestandsmäßige) Handlungen wesentliche Tatbeiträge ausmachen, die eine Mittäterschaft begründen, jedenfalls aber zur strafbaren Beihilfe führen. Im Übrigen existiert mit § 261 StGB eine Vorschrift, die durch ihre ebenso exzessive Ausgestaltung – als „enfant terrible“ des StGB1966 – diesen Bereich vollständig abstecken würde.1967 Grundgedanke der hier konzipierten Auffassung ist, dass der Täter als Weiterentwicklung der oben grob umrissenen „Manifestationstheorie“ auf dem Markt aufgetreten sein muss1968 (wenn auch nicht physisch bzw. persönlich1969), somit 1963
Wie bereits dargelegt wurde, greift Gaede StraFo 2003, 392 (395) genau dieses einleuchtende Gegenargument auf und will – ebenso vertretbar – das „Feilhalten“, sprich das Besitzen mit weiterem Handlungskontext in das Vollendungsstadium einbeziehen. 1964 Während also beim Verkäufer das Handeltreiben mit der Übertragung der Betäubungsmittel beendet ist, zieht sich beim Ankäufer der Beendigungsbereich in die Länge; dies fällt allerdings nur dann auf, wenn beim Täter sowohl Ankauf als auch Verkauf festgestellt worden sind. Schließlich muss auch der Verkäufer die Drogen irgendwie erlangt haben, mag dies durch Eigenanbau oder durch Ankauf geschehen sein. 1965 Man denke an Zahlungstransaktionen, Organisierung der Kuriertätigkeiten oder Beschaffung von Tatwerkzeugen. 1966 SSW/Jahn § 261 Rn. 1; Jahn/Ebner JuS 2009, 597 (598). 1967 Zu diesen Überlegungen vgl. Weber, Handeltreiben, S. 484, der bei einer Nichteinbeziehung von Geld- und Finanztransaktionen als Teilakt des Handeltreibens befürchtet, dass alle Qualifikationen der §§ 29a ff. BtMG entfielen. 1968 Dies zu fordern, würde den besonderen Erscheinungsformen des Handeltreibens auf dem illegalen Markt in keiner Weise gerecht, wenn man bedenkt, dass der Straßenhandel weitestgehend durch Telefongeschäfte, Call-Center und Internetbestellungen abgelöst wurde, vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 157 ff. 1969 Dies sollte nur der Klarstellung halber nochmals betont werden, da eine „Besserstellung“ von Hintermännern und Großdealern sicherlich nicht bezweckt wird. Umgekehrt darf man dieses Argument nicht überbewerten, da der Allgemeine Teil des Strafrechts genug Instrumentarien bereitstellt, Hintermänner und „Schreibtischtäter“ zu erfassen, man denke an das Modell der „normativen Tatherrschaft“ und der Tatbeitragskompensation durch Tatplanung und Tatherrschaft bei der Mittäterschaft.
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ein „kontaktloses“ Agieren für ein Handeltreiben nicht ausreicht.1970 In diesem Zusammenhang: Aufgrund der Ausgestaltung als Erklärungsdelikt, hat man bereits ein „tatbestandliches Zurechnungskriterium“,1971 sodass nicht darauf abzustellen ist, wer die Entscheidung letztlich abgab,1972 sondern darauf, wem die Erklärung(en) letztlich zuzurechnen ist (sind).1973 Das hier vertretene Konzept führt im Übrigen auch nicht zu unsachgerechten Ungleichbehandlungen zwischen Verkäufer und Ankäufer: Da allein die ernsthafte „Erklärung“ nach außen maßgeblich ist, macht es keinen Unterschied, ob der Täter bereits im Besitz von Drogen ist.1974 Im Übrigen sollte man sich bei der Auslegung der jeweiligen Tatmodalitäten nicht von der Vorstellung leiten lassen, dass sie als Nichtteilakt des Handeltreibens ohne Umsatzwillen erfolgen. Umgekehrt ist zu formulieren, dass jede Modalität mit Umsatzwillen verwirklicht werden kann, nur ggf. bei einem vollendeten Handeltreiben zurücktritt. Damit würden auch die nicht unmittelbar am Umsatzgeschäft Beteiligten, welche eigennützig mit Fremdumsatzwillen agieren, nicht a priori als Täter eingestuft und man könnte stringent nach den Lehren von Täterschaft und Teilnahme abgrenzen.1975 Es besteht daher auch kein kriminalpolitisches Bedürfnis, derartige tatsächliche Beteiligungshandlungen während eines Betäubungsmittelgeschäfts dem Handeltreiben zuzuordnen, da der Täter mit seinen Abwicklungstätigkeiten (Deponieren, Transportieren etc.) Beihilfe zum Handeltreiben eines Dritten leistet. Da Tathandlung allerdings die „Erklärung“ ist, handelt es sich notwendigerweise stets um Fälle der sukzessiven Beihilfe während der Beendigungsphase.1976 1970 Dies deckt sich auch mit der Auffassung des Verfassers, der auch beim § 30a II Nr. 2 BtMG für einen geschäftlichen Kontakt (sprich für eine Gefährdung eines Individuums) plädiert, um die drakonische Strafandrohung des Handeltreibens mit Waffen zu legitimieren, vgl. Og˘lakcıog˘lu StV 2012, 411; krit. bereits Weider, Deal, S. 26. Siehe bereits Fn. 106 in Teil 1, Fn. 1443, 1724, 2043, 2179 in Teil 3. 1971 Ähnlich wie bei der Täuschungserklärung beim Betrug gem. § 263 I StGB. 1972 Man denke an den vorgeschobenen, „kleinen Fisch“. 1973 Etwa dem Großdealer, „Drahtzieher“, Bandenkopf etc. An der Strafbarkeitsvorverlagerung ändert sich hingegen nichts, da die Erklärung nur das Betäubungsmittelgeschäft zum Inhalt haben muss, m. a. W. müssen auch nach hier vertretener Ansicht keine Betäubungsmittel „real existieren“. 1974 Der besitzlose Verkäufer, der zeitlich sogar vor dem „Ankäufer“ steht, gibt die gleiche Erklärung ab; der dennoch bestehende „normative“ Unterschied – er müsste noch weitere Erklärungen gegenüber Lieferanten abgeben – kann über das Merkmal „ernsthaft“ korrigiert werden, vgl. bereits Fn. 1973 in Teil 3. 1975 Die Erklärung bleibt als objektives Merkmal gem. § 25 II StGB wechselseitig zurechenbar, solange die Voraussetzungen einer Mittäterschaft bejaht werden könnten. Zur „Auflösung der faktischen Einheitstäterschaft“ durch das hier konkretisierte Erklärungsmodell vgl. 3. Teil D. III. 2. e) aa), S. 596 ff. 1976 Zum Ganzen noch 3. Teil D. III. 2. e) bb), S. 598; nach hier vertretener Ansicht müsste für eine Beendigung nicht der „Geldfluss zur Ruhe gekommen“ sein, sondern es würde die Abwicklung des konkreten Geschäfts (Zahlung und Übergabe der Drogen) ausreichen.
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Neben den Konstellationen des Feilhaltens würde die versuchte, aber nicht zugegangene Erklärung den (praktisch unbedeutenden) Versuchsbereich ausmachen. Mit erfolgreichem Zugang des „ernsthaften“ Ankauf- oder Verkaufsangebots ist das Handeltreiben vollendet, wobei die Ernsthaftigkeit anhand objektiver Kriterien ermittelt werden kann.1977 Dagegen würden die Fälle des fehlgeschlagenen Kuriertransports nicht per se zur Strafbarkeit (bzw. zu einem strafbaren Versuch) führen.1978 f) Die Demontage der h. M. oder: Warum das Betäubungsmittelstrafrecht keinen extensiven Begriff des Handeltreibens braucht aa) Der Klammerzusatz und seine Fehlinterpretation Die h. M. weist alle einschränkenden Theorien (und somit auch die vorliegende) mit einem „systematischen“ Argument zurück, indem sie auf den Klammerzusatz des § 29 I Nr. 1 BtMG aufmerksam macht. Die Wendung „ohne Handel zu treiben“ mache deutlich, dass beispielsweise auch die Einfuhr als Handlung weit im Vorfeld des Umsatzgeschäftes als Teilakt des Handeltreibens angesehen werde. Diese Argumentation hält man aber weder konsequent durch1979 noch folgt hieraus, dass Vorfeldhandlungen erfasst seien.1980 Aber am wichtigsten: Der Ansatz ist für sich betrachtet ohnehin unhaltbar, wenn man im Klammerzusatz eine gesetzliche Konkurrenzregel sieht, wonach die darauf folgenden Handlungen nur Bedeutung entfalten, wenn der Täter nicht täterschaftlich Handel treibt (dies ist im Hinblick auf die § 29a ff. BtMG näherliegend). Dann besagt der Klammerzusatz erst einmal nur, dass die Einfuhr eigenständige Bedeutung erlangen kann, wenn der Täter keinen Handel treibt.1981 Umgekehrt lassen sich keine Rückschlüsse darauf ziehen, was das Minimalerfordernis für ein Handeltreiben darstellen soll (muss der Einfuhr eine andere Tätigkeit vor- oder nachgehen?). Folglich regelt der Klammerzusatz nur die „Überschneidung“ von Tatmodalitäten im § 29 I Nr. 1 BtMG; der darauffolgende Katalog hat aber nicht den Zweck, das Handeltreiben exemplarisch näher zu definieren, sondern viel1977 Beim Verkauf wäre dies insbesondere die Verfügbarkeit der Drogen oder eine zumindest sichere Bezugsquelle. 1978 Da der Kurier selbst an der Herbeiführung des Geschäfts nicht mitgewirkt hat, käme für ihn neben einer sukzessiven Haftung nur eine straflose versuchte Beihilfe zum Handeltreiben in Betracht, es bleibt aber bei der Strafbarkeit gem. § 29 I Nr. 3 BtMG. 1979 Denn dann dürfte man den Anbau und die Produktion gerade nicht einbeziehen, da diese vor dem Klammerzusatz aufgeführt werden; dies tut die h. M. allerdings, vgl. 3. Teil C. IV. 2. a) aa), S. 439 ff. 1980 Die Einfuhr kann auch im Rahmen eines bereits abgeschlossenen Umsatzgeschäfts erfolgen. 1981 Wobei selbst das „kann“, also die Möglichkeit als Teilakt nicht immer aufgeht, wenn man etwa bedenkt, dass ein umsatzbezogenes „sonstiges Inverkehrbringen“ kaum vorstellbar ist.
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mehr durch die Auflistung grundsätzlich eigenständiger Handlungsformen den Umgang mit Betäubungsmitteln umfassend zu pönalisieren. bb) Der „liebgewonnene“ Begriff der Bewertungseinheit Damit ist man beim nächsten Punkt angelangt. Dass die gesamte Konkurrenzlehre zum Handeltreiben auf Grundlage einer extensiven Auslegung konzipiert und fortentwickelt wurde, kann kein Grund sein, an der Extension festzuhalten. Zugegeben, mit dem Begriff der Bewertungseinheit hat man ein Instrument entwickelt, das die ständige Bildung von Gesamtstrafen gem. § 54 StGB (nach dem Asperationsprinzip) verhindert und somit beim Umgang mit größeren Betäubungsmittelmengen unabdingbar erscheint. Aber das Ausklammern bestimmter Handlungsformen macht die Anwendung der Formel im Übrigen nicht unmöglich. Maßgeblich für die Bewertungseinheit wäre nunmehr der Inhalt des Rechtsgeschäfts (wie etwa die Unrechtsvereinbarung bei den §§ 331 ff. StGB), d.h. alle Tathandlungen, welche den Vollzug des jeweiligen Ankaufs- bzw. Verkaufsgeschäfts betreffen (der Besitz beim Transport, Aufbereiten sowie Verpacken der Drogen, die Einfuhr etc.) könnte man zu einer Bewertungseinheit verklammern. Soweit erwünscht ist, dass das Näherbringen der Droge an den Endverbraucher ebenfalls unter das Ankaufsgeschäft fallen soll1982 (der sukzessive Abverkauf aus einer einheitlichen Erwerbsmenge also kein erneutes Handeltreiben darstellt), so könnte dies ebenfalls als „Vollzug“ des ursprünglichen Rechtsgeschäfts bewertet werden. Neue Ankaufsgeschäfte würden dagegen jedenfalls eine Zäsurwirkung beinhalten, sodass sich das Erfordernis einer in ihren Einzelheiten heftig umstrittenen „Silotheorie“ 1983 nicht ergeben würde. Alles in allem ist eine vollständige Abkehr bzw. eine Aufgabe des Prinzips der Bewertungseinheit folglich sowieso nicht notwendig. cc) Zur (nicht notwendig) einheitlichen Auslegung des Handeltreibens Die Einheitlichkeit der Rechtsordnung darf ebenfalls nicht vorgeschoben werden, um eine allseits extensive Auslegung des Handeltreibens zu legitimieren. Zum einen könnte man dagegen bereits einwenden, dass man dann eben alle Vorschriften „einheitlich restriktiv“ auszulegen hat; darüber hinaus erfolgt aber die Auslegung von strafrechtlichen Tathandlungen „kontextrelativ“,1984 d.h. derselbe Wortlaut impliziert nicht notwendig die gleiche begriffliche Bedeutung.1985 1982
Vgl. hierzu die Behandlung nach h. M. bei Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 417. Instruktiv Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 424. 1984 Vgl. Gaede StraFo 2003, 392 (395). 1985 Dass zwei vollkommen gleichlautende Tathandlungen selbst im gleichen Gesetz aufgrund ihrer divergierenden Zweckrichtungen unterschiedlich ausgelegt werden können, belegt der Wegnahmebegriff im StGB, vgl. §§ 242, 289 StGB, siehe SSW/Kudlich § 242 Rn. 17 ff. sowie § 289 Rn. 4. 1983
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dd) Gesetzgebungstechnische Friktionen – Das Malheur mit den Qualifikationen Schon an zahlreichen anderen Stellen der Abhandlung wurde dargelegt, dass der Gesetzgeber nicht immer mit der notwendigen Sorgfalt agiert hat, was die Ausgestaltung der Qualifikationstatbestände anbelangt: Sei es die (inkonsequente) Nichteinbeziehung der Durch- und Ausfuhr bei § 30 I Nr. 4 BtMG,1986 sei es der „vergessene“ Anbau bei § 29a I Nr. 2 BtMG.1987 Ein weiteres Beispiel ist das ausdrückliche Ausklammern des versuchten Besitzes in § 29 II BtMG, was bei § 29a I Nr. 2 BtMG plötzlich nicht mehr berücksichtigt werden kann, weil es sich bei der Qualifikation des § 29a BtMG um ein Verbrechen handelt, §§ 23 1. Alt, 12 I StGB. Diese technischen Ungereimtheiten dürfen aber nicht dazu führen, dass der Rechtsanwender die Auslegung der Tatbestände je nach kriminalpolitischem Belieben „anpasst“, um die Anwendung einer Qualifikation über den weiten Begriff des Handeltreibens zu erreichen.1988 Dies wäre nur dann möglich, wenn der Tatbestand bereits ein „Weniger“ ausreichen lässt.1989 Eindeutig tritt dieser Gedankengang bei Weber hervor, wenn es an entsprechender Stelle heißt:1990 „Dass das (bloße) Anbauen von Drogen, bei dem es auch bei Cannabis leicht zur Entwicklung einer nicht geringen Menge kommen kann, sonst von dem Verbrechenstatbestand des § 29a I Nr. 2 BtMG ausgenommen ist, lässt sich mit der Vermeidung einer Überkriminalisierung eines jeden Hobbygärtners gut vertreten. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Anbau der gewinnbringenden Veräußerung dient; in einem solchen Falle ist eine unterschiedliche Behandlung etwa gegenüber dem Herstellen oder Besitzen nicht begründet.“ Entweder es handelt sich um einen – gerne so bezeichneten – „redaktionellen Fehler“ oder der Gesetzgeber hat sich tatsächlich etwas dabei gedacht, wenn er den Anbau ausgeklammert hat. Dass er aber hierbei nur die Herausnahme des „Hobbygärtners“ im Auge hatte, ist bei einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren unwahrscheinlich. Eher dürfte man davon ausgehen, dass er zumindest 1986
Auch das Ausklammern der Durchfuhr bei § 30a I Nr. 1 BtMG überrascht. In diese Reihe gliedert sich § 30a II Nr. 2 BtMG perfekt ein, der das Handeltreiben mit Waffen sanktioniert, obwohl das Handeltreiben im Auslegungsmodell der Rechtsprechung nicht notwendig auf den Kontakt mit Dritten angelegt ist, vgl. hierzu bereits Fn. 139, 1443, 1724, 2043, 2179. 1988 Was im Übrigen auch für die Anschlussdelikte gilt, zumal etwa der Geldwäschetatbestand gem. § 261 StGB sich auf § 29 I Nr. 1 BtMG insgesamt bezieht. Die Anschlussdelikte haben im System der h. M. ohnehin keine große Bedeutung (und dies schon theoretisch nicht, wenn man bedenkt, dass § 261 StGB schon im Allgemeinen keine praktische Bedeutung hat und auch nicht haben kann, vgl. Fischer § 261 Rn. 4a f.; SSW/Jahn § 261 Rn. 2). 1989 So fiele etwa die Übertragung in § 29a I Nr. 1 BtMG, die in Folge eines Handeltreibens erfolgt, dennoch unter den Begriff der Abgabe. 1990 Weber, Handeltreiben, S. 474. 1987
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an dieser Stelle dem Umstand Rechnung tragen wollte, dass der Anbauende – unabhängig davon, ob er mit oder ohne Umsatzwillen agiert – gerade noch nicht im „Besitz“ von verkaufsfertigen Betäubungsmitteln ist, sondern dieser erst noch bevorsteht. ee) Kriminalpolitische Bedenken: Von Strafanwendungsrecht, Nebenfolgen und Strafprozessrecht Soweit die extensive Auslegung auf kriminalpolitische Erwägungen gestützt wird und ein möglichst weitgehender Anwendungsbereich des § 6 Nr. 5 StGB (dort über den Begriff des „Vertriebs“) erreicht werden soll, ist dies schon im Hinblick auf § 3 StGB nicht unbedenklich; schließlich handelt es sich beim Weltrechtsprinzip um eine Ausnahme und das internationale Betäubungsmittelstrafrecht darf nicht am „deutschen Wesen genesen“.1991 Im Betäubungsmittelstrafrecht sorgt die Einbeziehung fast aller umsatzbezogener Handlungen (selbst von Anbau und Besitz als „Teilakt“ des Handeltreibens) dagegen zu einer Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Darüber hinaus packt man auf diese Weise das Problem an der falschen Stelle an: Angestrebt werden sollte diesbezüglich eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit (die ihrerseits eine deutlichere Annäherung der staatlichen Drogenpolitik erfordert) und zwar nicht nur faktisch, sondern durch Schaffung einer gemeinsamen, rechtlichen Grundlage, deren Regelungsgehalt sich nicht im Strafanwendungsrecht und Doppelbestrafungsverbot (vgl. etwa Art. 54 SDÜ) erschöpft.1992 Jüngst hat der Dritte Senat einer exzessiven Anwendung des § 6 I Nr. 5 StGB dadurch den Riegel vorgeschoben, indem er sich den divergierenden Wortlaut – „Vertrieb“ einerseits, Handeltreiben andererseits – zu Eigen gemacht hat, und jedenfalls für den Vertrieb den einfachen Besitz mit Umsatzwillen nicht ausreichen lässt, obwohl sich die beiden Begrifflichkeiten bisher weitestgehend überschneideten.1993 Eine allumfassende Auslegung des Handeltreibens (insbesondere die Einbeziehung des Anbaus) darf man auch nicht damit begründen, dass der „Zugriff“ auf viele strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen nur noch erschwert möglich ist und dadurch die Aufklärung der Tat unmöglich gemacht wird.1994 Wenn man bereits bei einfachsten Verstößen gegen das BtMG das volle Repertoire an Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt haben wissen will, dann ist das eine kri1991
Vgl. hierzu bereits 3. Teil B. II. 1. b), S. 345 ff. Zumal der Begriff des „Vertriebs“ nach Schrader BGH NJW 1986, 2874 dringend konkretisiert werden muss. 1993 Vgl. BGH StV 1984, 286; BGH NStZ 2010, 521, bisher hielt man sich jedenfalls in der allgemeinen Kommentarliteratur zu dieser Frage bedeckt, weil man womöglich den Besitz als Teilakt des Handeltreibens noch gar nicht „realisiert“ hat, vgl. NK/Böse § 6 Rn. 13; unklar MK-StGB/Ambos § 6 StGB Rn. 13; Sch/Sch/Eser § 6 Rn. 6. 1994 Vgl. Weber, Handeltreiben, S. 475 („Verlust besonders erfolgsversprechender Ermittlungsansätze“). 1992
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minalpolitische Frage, die sich an den Schranken der Verfassung zu messen hat und dementsprechend positivrechtlich verankert werden muss. Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass sich die Strafvorschriften nicht aus der StPO heraus entwickeln, sondern umgekehrt vom Gesetzgeber so geschaffen werden, dass sie als „Katalogtaten“ in die StPO aufgenommen werden können. Mit der Ausweitung der Ermittlungsmöglichkeiten bezweckte der Gesetzgeber eine effektivere Verfolgung der Organisierten Kriminalität, bei der nicht die Schwierigkeit besteht, überhaupt illegale Aktivitäten auf dem Markt1995 nachzuweisen, sondern Einblick in die hierarchischen Strukturen zu gewinnen, die Hintermänner und Drahtzieher zu erkennen sowie weitere Verflechtungen für eine Zerschlagung zukünftiger Betäubungsmitteldelinquenz aufzudecken. Dementsprechend sind die jeweiligen Ermittlungsmaßnahmen auf einen Katalog von Tathandlungen beschränkt, die typischerweise banden- sowie gewerbsmäßig und mit Umsatzwillen begangen werden, vgl. §§ 100a I Nr. 4, 100c II Nr. 4, 100f I 1 i.V. m. 100c II Nr. 4, 100i StPO. Klammert man nun bestimmte Handlungen als potentielle Teilakte des Handeltreibens aus (wie hier etwa den Anbau, die Produktion, die Einfuhr als Abwicklungshandlung), so bedeutet das nicht, dass die Ermittlungen von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind; vielmehr muss u. U. schlicht an andere Verdachtsmomente geknüpft werden. Hierbei darf nicht übersehen, dass das Handeltreiben (in nicht geringen Mengen) nicht einziger Bezugspunkt bzw. alleinstehende „Katalogmodalität“ ist, sondern auch an die Herstellung bzw. der Besitz (in nicht geringen Mengen), die Abgabe (an Minderjährige), der (bandenmäßige) Anbau, die Einfuhr (nicht geringer Mengen), die (bandenmäßige) Ausfuhr, das Sichverschaffen (mit Waffen) geknüpft werden kann. Das gesamte Kompendium an Tatmodalitäten (§§ 29 I Nr. 1, 6, 10, 11, 13 BtMG) steht offen, wenn gem. 29 III BtMG ein gewerbsmäßiges Handeln nachgewiesen ist (vgl. § 100a I Nr. 4 StPO). Wenn dann zugunsten einer Systematisierung des Strafrechts etwa der Verdacht eines Anbau nur in den Fällen des zeitgleichen Verdachts der Gewerbsmäßigkeit zum umfassenden Instrumentarium der §§ 100a ff. StPO führt, kann die Strafverfolgung dies verkraften. Gleiches gilt für die Anordnung des erweiterten Verfalls gem. § 33 BtMG, der in wenigen Ausnahmefällen dann eventuell nicht mehr angeordnet werden kann. Ein strengerer Umgang mit dem Handeltreiben kann eine „disziplinierende“ Wirkung haben, als dadurch eine umfassendere Tataufklärung gem. § 244 II StPO notwendig ist und man nicht einzelne Bruchstücke eines nur fragmentarisch ermittelten Geschehens aburteilt. Gerade im Betäubungsmittelstrafrecht ist die Verlockung groß, den „Denunzianten“ gem. § 31 BtMG das übrige Tatgeschehen rekonstruieren zu lassen, ohne selbst von den gegebenen Möglichkeiten der StPO Gebrauch zu machen. 1995 Nach dem hier vertretenen Konzept, verpflichtende Erklärungen, Betäubungsmittel zu liefern, nach Gaedes Konzept Umsatzgefahren, siehe oben.
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ff) Zwischenfazit Die Rechtsanwender müssen das Handeltreiben einschränkend auslegen, um den Anforderungen des Art. 103 II GG zu genügen und die Systematisierungsfunktion des Allgemeinen Teils zu erhalten. Unter den unterschiedlichen Einschränkungsmodellen konnte sich das Katalogmodell nicht bewähren; man muss allerdings nicht so weit gehen und einen Umsatzerfolg für die Tatbestandsverwirklichung fordern, da man die angestrebte Systematisierung auch auf Grundlage eines konkreten Gefährdungsdelikts (wie Gaede), ja bereits durch eine „Konkretisierung“ des „multiplen“ Tätigkeitsdelikts Handeltreiben erreichen kann. In Anlehnung an eine vom Bundesverfassungsgericht (allenfalls unterbewusst) konzipierte Manifestationstheorie ist zu fordern, dass der Täter sich auf dem Rauschgiftmarkt „bemerkbar“ macht und ernsthaft seinen Willen zum Ausdruck bringt, mit Betäubungsmitteln „Geld verdienen“ zu wollen. Dementsprechend wird das Handeltreiben hier als jede (ausdrückliche oder konkludente) Erklärung mit Umsatzwillen definiert, die ernsthaft auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit Betäubungsmitteln gerichtet ist oder dieses tatsächlich herbeiführt. Gegen solch eine Umwandlung des multiplen Tätigkeitsdelikts Handeltreiben lassen sich weder systematische noch konkurrenzrechtliche noch kriminalpolitische Einwände erheben. Darüber hinaus ist mit dieser Grunddefinition auch der Weg für eine auf Anhieb stimmigere Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme geebnet.
V. Überlegungen de lege ferenda: Optionen der Kompensation früher Tatbestandsvorverlagerung im Betäubungsmittelstrafrecht Die Rechtsprechung lehnt eine Einschränkung des Handeltreibens im Wege der Auslegung derzeit ab, wobei in absehbarer Zeit diesbezüglich kein Umdenken zu erwarten ist. Darüber hinaus wurde dargelegt, dass dem hier vorgeschlagenen Konzept nur eine systematisierende Funktion zukommen kann, er allerdings an der frühen Tatbestandsvollendung einerseits, an der ggf. fehlenden Rechtsgutsbeeinträchtigung andererseits nichts ändert. Da sich die Rechtsprechung hierbei auf den Willen des Gesetzgebers stützt und den Ball damit der Legislative zuspielt, ist der Überlegung nachzugehen, ob die frühe Tatbestandsvollendung gesetzgeberisch „kompensiert“ werden kann. Dabei stellen „verfahrensrechtliche Lösungen“ – speziell die Möglichkeit der Einstellung nach §§ 31a, 29 V BtMG – trotz ihrer Absegnung durch das Bundesverfassungsgericht1996 kein befriedigendes Kompensationsinstrument dar: Da die Einstellung nach 1996
BVerfGE 90, 145.
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§ 31a BtMG an einen Tatbestand knüpft, der einen Sachverhalt beschreibt, in dem das Rechtsgut nicht bzw. kaum beeinträchtigt ist1997 (Umgang mit geringen Mengen zum Eigenverbrauch), erscheint es unangemessen, dem Täter ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, zumal damit nicht nur die Duldung eines Ermittlungsverfahrens, sondern auch die Belastung mit deren Kosten verbunden sein kann. Wohlers ist beizupflichten, wenn er auf den Widerspruch hinweist, nicht als Unrecht empfundenes Verhalten erst über das Prozessrecht abzuscheiden1998 und mit der einhergehenden Übertragung der Ermessensentscheidung auf die Staatsanwaltschaft das Problem der uneinheitlichen Rechtsanwendung zu provozieren.1999 Wenn im Folgenden dann aber doch von „Kompensation“ die Rede ist,2000 so ergibt sich hieraus, dass man die Lösung zwar „im materiellen Recht“, nicht aber in einer restriktiven Interpretation oder gesamten Umgestaltung des Betäubungsmittelstrafrechts suchen muss. Auch der Gesetzgeber dürfte derzeit nicht daran interessiert sein, das deutsche Betäubungsmittelstrafrecht neu zu erfinden. Es müsste sich also um Modifikationen de lege ferenda handeln, die sich in das derzeitige System eingliedern lassen und nicht unmittelbar den Straftatbestand als solches betreffen. Es stellt sich die Frage, ob die ggf. fehlende Beeinträchtigung der durch das BtMG geschützten Rechtsgüter in Form eines geschriebenen Strafausschließungs- bzw. Milderungsgrunds Berücksichtigung erfahren könnte.2001 Schließlich greift der Gesetzgeber nicht immer zu prozessualen Kompensationsmethoden, wenn er Gefährlichkeitsdelikte (bzw. schlichte Tätigkeitsdelikte) schafft. 1. Das Institut der tätigen Reue als Mittel zur Läuterung Im Strafrecht merkt man dem Gesetzgeber, um es passend auszudrücken, oftmals eine gewisse „Reue“ an, wenn er Deliktstatbestände schuf, bei denen die Strafbarkeit enorm vorverlagert ist.2002 Die frühe Vollendung des Tatbestands und die damit verbundene „Rücktrittssperre“ will man durch Vorschriften „wett1997
Also nicht etwa die Reue des Täters honoriert werden soll. Wohlers, Deliktstypen, S. 186. 1999 Dazu monographisch nochmals Aulinger, Rechtsgleichheit und Rechtswirklichkeit; zumal bis heute noch keine einheitliche Auslegung des § 31a BtMG durch die Staatsanwaltschaften der unterschiedlichen Bundeslänger erreicht wurde. 2000 Von einer einzelfallbezogenen „Korrektur des Strafbarkeitsbereichs“ spricht Wohlers, Deliktstypen des Präventionsstrafrechts, S. 187. 2001 Wobei die rechtsgutsorientierten Ansatzpunkte, insbesondere der Umsatzerfolg, die Beeinträchtigung der Jugend, die Abgabe an sonstige unverantwortlich agierende Personen, die Förderung der organisierten Kriminalität nunmehr herangezogen werden können. 2002 Zu diesem Problem vgl. auch Skoupil, der aber auf das Institut der tätigen Reue nicht weiter eingeht, Handeltreiben, S. 145 f. 1998
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machen“,2003 die das Nachtatverhalten (das ggf. noch vor Eintritt der materiellen Rechtsgutverletzung bzw. Gefährdung liegt) des Täters einerseits, die fehlende Beeinträchtigung des Rechtsguts andererseits strafausschließend bzw. strafmildernd berücksichtigen lassen.2004 Ihre Gemeinsamkeit liegt darin, dass der Täter den Eintritt eines endgültigen Schadens (eine Rechtsgutverletzung) bzw. eine Intensivierung des Gefährlichkeitspotentials verhindert, diese abmildert oder die erneute Beeinträchtigung des Rechtsguts verhindert, man denke etwa an die Vorschrift des § 306e StGB.2005 Den schlichten Tätigkeitsdelikten der §§ 153 ff. StGB folgt ein ganzes Kompendium von Vorschriften, welche die Friktionen mit dem Allgemeinen Teil aufheben bzw. den Bruch der Dogmatik (als mittelbarer Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz) „kompensieren“ sollen.2006 Als weitere Beispiele für Vorschriften seien die §§ 83a, 84 V, 85 III, 87 III, 98 II, 99 III,
2003 Vgl. Blöcker, Tätige Reue, S. 79: „Im weiteren Sinne lässt sich der Begriff der tätigen Reue somit als Nachtatverhalten beschreiben, das in bestimmten Sonderregelungen für Fälle normiert ist, bei denen wegen der Vorverlagerung der Strafbarkeit die Anwendung der allgemeinen Rücktrittsregeln ausgeschlossen ist; vgl. auch Weinert, Tätige Reue, S. 106. 2004 Bei solch einer Darstellung wird indessen deutlich, dass dasselbe Phänomen eigentlich auch bei allen erfolgskupierten Delikten zu beobachten ist und man dem Gesetzgeber eine in gewissem Grade willkürliche Zuweisung vorwerfen könnte (etwa beim Eingehungsbetrug, bei dem der Tatbestand bereits mit Vornahme der Täuschung vollendet ist, der Schaden sich aber stets noch vertiefen bzw. endgültig realisieren kann; ebenso beim Diebstahl, bei dem das Zurücklegen der Sache keinen strafbefreienden Rücktritt gem. § 24 StGB darstellt (etwas anderes sollte zumindest dann gelten, wenn der Täter sich den innewohnenden Wert der Sache zueignen wollte, vgl. zu diesem Problem Kudlich/Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 321 [326]). Das Auseinanderfallen von Tatbestandsverwirklichung und endgültigem bzw. intensiverem Schadenseintritt dürfte also nicht allein ausschlaggebend sein. Bei Gefährlichkeitsdelikten (bzw. schlichten Tätigkeitsdelikten) liegen allerdings Tatbestandsverwirklichung und (intensivere) Rechtsgutsbeeinträchtigung u. U. weit voneinander entfernt; die Handlung hat nicht schon für sich das Potential unmittelbar in die Rechtsgutsbeeinträchtigung einzumünden; anders bei den genannten Beispielen der §§ 263, 242 StGB: Im Grundfall des Betrugs folgt der Schaden unmittelbar auf die Täuschungshandlung hin, mag es sich auch „nur“ um einen Gefährdungsschaden handeln; da der Vermögenszufluss eine unmittelbare Verfügungsmacht begründet, kann auch von einer endgültigen Beeinträchtigung des Rechtsguts gesprochen werden; ebenso wird der wegnehmende Dieb möglichst schnell den Tatort verlassen). 2005 Ob trotz „formeller Tatbestandsvollendung“ von einer „goldenen Brücke“ die Rede sein kann und somit auch die Legitimationsmodelle für den Grund der Straflosigkeit nach § 24 StGB (man bedenke beispielsweise an die Strafzwecktheorien Roxin AT II § 30 Rn. 4 ff.; Schünemann GA 1986, 293) schnörkellos auf den Gedanken der tätigen Reue übertragen werden kann, muss angezweifelt werden, hierzu krit. Blöcker, Tätige Reue, S. 97 ff., 115. 2006 Wobei die insbesondere die Berichtigung einer falschen Angabe gem. § 158 StGB als Strafausschließungsgrund zu den „Kompensationsvorschriften“ im hier geschilderten Sinne zählte. In den Fällen tätiger Reue wäre stets auch eine strafprozessuale Lösung nach Opportunitätsgesichtspunkten (§ 153b StPO) denkbar, vgl. SSW/ Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 8; die Bedenken diesbezüglich wurden bereits aufgezeigt, vgl. 3. Teil C. VII., S. 507 f.
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113 IV,2007 129 VI, 129a VI, 142 IV, 149 II, III, 152a V, 158, 161 II, 202c II, 239a IV, 239b II, 261 IX, 264 V, 264a III, 265b II, 266a VI StGB, 275 II, 298 III, 314a III, IV, 320, 330b StGB2008, aus dem Nebenstrafrecht die § 371 AO oder § 22b StVG genannt.2009 Neben diesen Vorschriften der tätigen Reue2010 sind auch Strafausschließungsgründe denkbar, die sich vollständig vom Täterverhalten lösen und nur auf die fehlende Rechtsgutsbeeinträchtigung abstellen. Damit könnte man der Ausdehnung des Strafrechts über das Instrument des abstrakten Gefährdungsdelikts entgegenwirken.2011 Derartige „Minima-Klauseln“, die man auch als sachliche (und somit von der Schuld und von den Vorstellungen des Täters unabhängige) Strafausschließungsgründe bezeichnet, sind de lege lata aber noch die absolute Ausnahme. Die mit dem Funktionswandel des Strafrechts einhergehende Zunahme von Gefährlichkeitsdelikten führte nicht zu einer proportional hierzu ansteigenden Popularität der Minima-Klausel. Im StGB steht § 326 VI StGB alleine da, der bei Bagatelleinwirkungen auf die Umwelt die Straflosigkeit festlegt.2012 Der ausschließliche Rechtsgutsbezug kommt durch die Aufzählung der Schutzgüter (Menschen, Gewässer, Luft, Boden etc.) zum Vorschein. Der Nachteil der Minima-Klausel-Methodik liegt auf der Hand: Sie beinhaltet stets die Gefahr, alle Gefährlichkeitsdelikte in konkrete Gefährdungs- oder gar Verletzungsdelikte umzuwandeln und somit ein Gesetz zu schaffen, das sich selbst widerspricht. Andererseits muss man sehen, dass das Gefährlichkeitspotential bestimmter Handlungen von Fall zu Fall divergiert und eine Minima-Klausel somit Sinn macht, wenn die Tatbestandsumschreibung mehrere Handlungen von unterschiedlichem Gefährdungspotential zulässt (auch was die Intensität des Erfolgseintritts angeht). Dann kann das Gericht bei der Strafmilderung das Gefährlichkeitspotential und die tatsächliche Beeinträchtigung gegenüberstellen und es steht ihm eine flexible 2007 Wobei § 113 IV StGB hier als „Sondervorschrift“ i. S. e. Irrtumslehren-Modifikation genannt wird. 2008 Tabellarischer Überblick bei Blöcker, Tätige Reue, S. 80 f., der anhand der Zusammenfassung konstitutive Merkmale für Vorschriften über die tätige Reue herausarbeitet. 2009 Bereits diese Fülle an Vorschriften sollte den Gesetzgeber dazu bewegen, über eine allgemeine Vorschrift, etwa einen § 24 III StGB n. F. nachzudenken. 2010 Zur tätigen Reue als Möglichkeit der Berücksichtigung positiven Nachtatverhaltens Hillenkamp, FS-Schaffstein, S. 84 ff.; Weinert, Tätige Reue, S. 105 ff.; Blöcker, Tätige Reue, S. 42 ff. 2011 So zumindest die Begründung des Gesetzgebers zu § 326 VI StGB, vgl. BT-Drs. 8/3633, S. 29. Schon aus diesem Grund handelt es sich beim Mengenbegriff im Betäubungsmittelstrafrecht um keine „echte Minima-Klausel“, da sie entweder als Strafschärfungsmerkmal ausgestaltet ist, oder nur zur Einstellung nach Ermessen der Staatsanwaltschaft führt. 2012 Die praktische Bedeutung dieser Regelung ist gering, was auch darauf zurückzuführen ist, dass es im Bereich des Umweltstrafrechts weniger Überwindung braucht, geringe Rechtsgutsbeeinträchtigungen schon aus dem Tatbestand zu nehmen. Vgl. hierzu nur SSW/Saliger § 326 Rn. 38.
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Rechtsfolge (sprich fakultative Milderung) zur Verfügung. Außerdem hat eine Minima-Klausel den Vorteil, dass der Gesetzgeber die im Zusammenhang mit Gefährlichkeitsdelikten häufig vorgeschlagenen „Gegenbeweistheorien“ (Stichwort „Präsumption“) bestimmt festlegen und von klaren Voraussetzungen abhängig machen kann (etwa der fehlende Umsatz beim Handeltreiben). 2. Warum dem BtMG de lege lata eine tätige Reue-Vorschrift (nicht) fehlt Dass derartige Vorschriften trotz der Aneinanderreihung abstrakter Gefährdungsdelikte im § 29 BtMG niemals Eingang ins deutsche Betäubungsmittelstrafrecht gefunden haben,2013 mag darauf zurückzuführen sein, dass das gesamte Gesetz auf einem verwaltungsrechtlichen Umgangsverbot basiert, ursprüngliche Intention also nicht die Vorverlagerung der Strafbarkeit im Hinblick auf einen bestimmten Erfolg (etwa der Konsum, der Absatz bzw. der Verkauf der Droge) war.2014 Die Strafvorschriften entwickelten sich mithin nicht aus Beweis- bzw. Nachweisschwierigkeiten im Hinblick auf ein bestimmten Außenwelterfolg (wie etwa der Kreditbetrug gem. § 265b StGB als „Derivat“ des § 263 StGB).2015 Hinzu tritt, dass das Betäubungsmittelstrafrecht mit der Aufklärungshilfe gem. § 31 BtMG2016 bereits eine Vorschrift mit „Reueelementen“ enthält. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift dadurch gekennzeichnet ist, dass sie auf eine Kooperation mit den Verfolgungsbehörden nach Entdeckung der Tat setzt. Dies führt zu strukturellen Problemen rund um die Anwendung der Vorschrift, man denke an den „Wettlauf der Mitbeschuldigten“, wobei divergierende Geständnisse und die Aussicht auf den minderschweren Fall die Glaubhaftigkeit der Aussagen erschüttern.2017 In diesem Zusammenhang sollte betont werden, 2013 Wobei die tätige-Reue als Rechtsinstitut auch im Kernstrafrecht sowohl vom Gesetzgeber als auch von der Fachliteratur eine eher „stiefmütterliche Behandlung“ erfahren hat, vgl. hierzu Blöcker, Tätige Reue, S. 14. 2014 Dies hebt nicht das Problem auf, dass eben aus strafrechtlicher Perspektive im ersten Schritt auch Umgangsweisen erfasst sein können, die überhaupt kein Gefährlichkeitspotential aufweisen. 2015 Insofern dürfte sich schon aus den Ausführungen zur Historie des Handeltreibens ergeben haben, dass das Betäubungsmittelstrafrecht nicht als „modernes Präventionsstrafrecht“, sondern allenfalls als dessen früh auftauchender Vorbote bezeichnet werden muss, siehe auch Wohlers, Deliktstypen modernen Präventionsstrafrechts, S. 178. 2016 Die Diskussion rund um die Zweckmäßigkeit und Bedenken zur Aufklärungshilfe braucht an dieser Stelle nicht nochmals nachgezeichnet zu werden; vgl. hierzu König, NJW 2009, 2481; Frank/Titz, ZRP 2009, 137 ff.; Hefendehl, FS-Amelung, 2009, S. 619 ff.; Peglau, wistra 2009, 409; Quentin, FS-Stöckel, 2010, S. 463; Kaspar/Wengenroth, GA 2010, 453; monographisch zu § 46b StGB Kneba, Die Kronzeugenregelung des § 46b StGB, 2011. 2017 Daran ändert auch die mit dem 43. StrafÄndG einhergehende Strafschärfung gem. §§ 164 III, 145d StGB nichts, dazu krit. Zopfs, ZIS 2011, 669; vielmehr ist der
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dass der Vorschrift überdies auch der Rechtsgutsbezug fehlt, da sie (ebenso wie § 46b StGB2018) auf Fälle zugeschnitten ist, in denen die Rechtsgutsbeeinträchtigung bereits eingetreten bzw. die Tat bereits „beendet“ ist. Insofern muss man zwischen tätiger Reue i. e. S. und Aufklärungshilfe (als tätige Reue im weiteren Sinn2019) differenzieren.2020 Umgekehrt kann man dem Täter Strafmilderung auch in Fällen sichergestellter Betäubungsmittel oder Scheindrogen gewähren. Anders gewendet: Bezugspunkt der Aufklärung ist die Tat des Aufklärungsgehilfen über dessen Tatbeitrag hinaus, sodass auch Strafmilderung in Fällen gewährt werden könnte, in denen sich die Aufklärungshilfe auf Taten mit geringer bzw. keiner Rechtsgutsbeeinträchtigung bezieht. Andererseits darf die „Praxis“ zu § 31 BtMG auch nicht den Blick dafür verschließen, dass der Zeitpunkt der Offenbarungshandlung rein theoretisch auch vor Entdeckung der Tat liegen kann. Ob man ihm aber stets eine Aufklärungshilfe abverlangt, um zur Straffreiheit zu gelangen, steht auf einem anderen Blatt geschrieben, dazu später mehr. Daher wird hier der Überlegung nachgegangen, inwiefern de lege ferenda die Einfügung einer Vorschrift zweckmäßig ist, die dem Charakter der betäubungsmittelrechtlichen Strafvorschriften als abstrakte Gefährdungsdelikte mit (regelmäßig) engem Versuchsbereich Rechnung trägt. Schon im Hinblick auf das Thema bzw. die Zielsetzung der Abhandlung, eine Systematisierung und vorhersehbare Dogmatik im Betäubungsmittelstrafrecht zu erreichen, kann es sich aber bei den folgenden Erwägungen nur um „Denkanstöße“ handeln,2021 die überdies nicht jeglichen „materiell-rechtlichen“ Einschränkungsversuchen a priori einen Riegel vorschieben sollen.2022 Überlegung nachzugehen, warum im Betäubungsmittelstrafrecht keine Vorschrift existiert, welche die glaubwürdigere Aussage (nämlich diejenige, die vor Aufdeckung der Tat und Einleitung des Strafverfahrens getätigt wird) nochmals explizit honoriert, ähnlich wie § 371 AO; zur dieser Überlegung im Allgemeinen vgl. bereits die Einleitung von Blöcker, Tätige Reue, S. 13. 2018 Zu den Voraussetzungen der Vorschrift im Einzelnen Sch/Sch/Kinzig § 46b Rn. 1 ff.; NK/Streng § 46b Rn. 1 ff. 2019 Ob überhaupt noch von einem persönlichen Schuldausschließungsgrund die Rede sein kann, wenn auf eine Konnexität zwischen eigener und aufgeklärter Tat verzichtet wird, wie dies de lege lata bei § 46b StGB der Fall ist, muss angezweifelt werden, vgl. NK/Streng § 46b Rn. 6; daher sieht der Gesetzgeber Anlass, hier korrigierend „nachzujustieren“. Vgl. hierzu die Stellungnahme der BRAK unter http://www.brak.de/ zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2011/september/stel lungnahme-der-brak-2011-54.pdf. 2020 Hillenkamp differenziert zwischen präventiver und kompensatorischer Reue, vgl. FS-Schaffstein, 1975, S. 83. 2021 Insofern würde eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Institut der tätigen Reue den Rahmen sprengen. 2022 Schließlich wird über eine teleologische Reduktion des § 306a StGB in den einschlägigen Fällen mangelnder Gefährlichkeit für Individualrechtsgüter trotz Existenz des § 306e StGB diskutiert; monographisch Liesching, Die Brandstiftungsdelikte der §§ 306 bis 306c nach dem Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts, 2002, S. 96 ff.;
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Dass die folgenden Ausführungen im Übrigen auch nicht ganz zum vorliegenden Gliederungspunkt „passen“, ergibt sich bereits daraus, dass eine derartige Vorschrift auch die übrigen Modalitäten des § 29 I BtMG (und nicht nur das Handeltreiben) betrifft. Insofern ändert die bessere Verträglichkeit der Einfuhr mit dem Allgemeinen Teil nichts daran, dass es sich um die Pönalisierung einer Verhaltensweise handelt, die ggf. noch weit vor dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz liegt. Genau dies führt zur Frage der Ausgestaltung solch einer Strafmilderungsvorschrift de lege ferenda, über die im Folgenden nachgedacht wird. Schließlich hat sich die Überlegung, dass es sich bei der tätigen Reue um einen „allgemeinen Rechtsgedanken“ handelt, den man analog auf alle schlichten Tätigkeitsdelikte (bzw. abstrakten Gefährlichkeitsdelikte) übertragen kann,2023 bis heute nicht durchsetzen können: Selbst wenn solch ein Ansatz aus dem Blickwinkel des fragmentarischen Charakters des Strafrechts zu begrüßen ist, muss man berücksichtigen, dass das Gefährlichkeitspotential bestimmter Handlungen stets unterschiedlich ausgeprägt sein kann und die Legitimität sowie Reichweite einer Vorschrift zur tätigen Reue von dem jeweils geschützten Rechtsgut und der von der Handlung ausgehenden Gefahr hierfür zu bestimmen ist.2024 Zumindest diese Parameter müsste man – eventuell auch durch die Schaffung einer Regelung im Allgemeinen Teil – näher konkretisieren. Aus diesem Grunde bleibt die tätige Reue ein Spezifikum, welche zwar charakteristisch in den Allgemeinen Teil gehören würde, aber stets in unmittelbarem Bezug zum abstrakten Gefährlichkeitsdelikt in concreto steht.2025 SSW/Wolters § 306a Rn. 19; Bohnert JuS 1984, 182; Radtke, ZStW 110 (1998), 848 (863 f.); Geppert, Jura 1989, 417 (424 f.); außerdem müssen diese Überlegungen im Bezug auf die Themenstellung als echter Exkurs bezeichnet werden, da sie nicht in die vergleichende Betrachtung „AT contra BtMG“ passen: Es existiert schließlich keine Vorschrift im Allgemeinen Teil, welche die „tätige Reue“ generell oder Fälle „fehlender Rechtsgutsbeeinträchtigung“ regeln würde, vielmehr ist insbesondere die tätige Reue – wie ersichtlich – über den Besonderen Teil zerstreut, ohne das hierbei eine klare Linie erkennbar wäre (was auch dem Gesetzgeber bewusst ist, vgl. BT-Drs. 8/3633, S. 5; dies ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorfelddelikte existieren, bei denen eine Tätige-Reue-Vorschrift passend und denkbar wäre, diese jedoch keinen Eingang in das StGB gefunden hat, beispielsweise § 265 StGB); vgl. hierzu Weinert, Tätige Reue; hierzu auch Blöcker, Tätige Reue, S. 79; krit. Sch/Sch/Eser, § 24 Rn. 117: „[. . .] so buntscheckiges Bild, daß von Rechtsgleichheit und Gerechtigkeit nicht mehr gesprochen werden kann.“ 2023 Zusammenfassend Fedders, Tatvorsatz und tätige Reue bei Vorfelddelikten, S. 55. 2024 Einfach formuliert: Eine weit vor der eigentlichen Beeinträchtigung des Vermögens pönalisierte Tätigkeit mag anders zu bewerten sein, als eine potentiell besonders gefährliche Handlung für Leib und Leben. 2025 Sodass den Vorschriften vielleicht ein gemeinsamer Nenner entnommen werden kann, vgl. im Folgenden, sie aber in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen im engeren „alles andere als einheitlich“ sind, vgl. SSW/Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 8; insbesondere was die Rechtsfolge anbelangt, ist in Abweichung zu anderen Strafmilderungsvorschriften die tätige Reue „Tummelplatz“ für die Absenkung der Strafrahmenuntergrenze nach § 49 II StGB; zu diesem Befund NK/Kett-Straub § 49 Rn. 16.
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3. Überlegungen zur Ausgestaltung einer besonderen Strafmilderungsvorschrift im BtMG Eine Vorschrift zur tätigen Reue sollte sich trotz der beschrieben „BT-Spezifität“ in das bestehende Kompendium von vergleichbaren Strafmilderungsvorschriften einfügen lassen. Bei den oben aufgezählten Vorschriften handelt es sich fast ausschließlich um konkrete Gefährdungsdelikte sowie Gefährlichkeitsdelikte, wie die §§ 29 ff. BtMG eben auch. Schon durch das Vorkommen konkreter Gefährdungsdelikte (bei denen es sich zugleich immer um Erfolgsdelikte handelt) ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich tätiger Reue nicht auf schlichte Tätigkeitsdelikte beschränkt hat. Vorliegend wäre also auch die Einfuhr als Erfolgsdelikt der tätigen Reue zugänglich, soweit nicht der beschriebene Außenwelterfolg die abzuwendende Beeinträchtigung des Rechtsguts beschreibt. Der Gesetzgeber hat den Bereich tätiger Reue auch nicht auf überindividuelle Rechtsgüter bzw. umgekehrt auf Individualschutznormen beschränkt. Meist handelt es sich also um Deliktsformen in denen Vollendungs- und Beendigungszeitpunkt (oder tatbestandliche Vertypung und endgültige Beeinträchtigung des Rechtsguts) auseinanderfallen bzw. nach Vornahme der Handlung jedenfalls ein Zeitraum verbleibt, in dem der Täter den endgültigen Schadenseintritt abwehren könnte. Blickt man auf die konstitutiven Voraussetzungen einer jeden tätigen ReueVorschrift, so bedeutet dies, dass • die konkreten Anforderungen an die tätige Reue-Handlung („Abwendung des endgültigen Schadens“) nach der jeweils einschlägigen Tatbestandsmodalität und deren Bezug zum Rechtsgut zu bestimmen sind, • der Täter aktiv eine bestimmte Reuehandlung vorzunehmen hat, es sei denn die Intensivierung der Rechtsgutsbeeinträchtigung hängt von weiteren Handlungen ab2026 (was beim Handeltreiben der Fall ist, wenn man bedenkt, dass das eigentliche aus rechtsgutsbezogener Sicht zu verhindernde Übel der Umsatz der Betäubungsmittel und das dadurch bewirkte Ankurbeln des Drogenkreislaufs bzw. die Unterstützung der Organisierten Kriminalität ist); hierbei dürften nur Handlungen erfasst sein, deren Berücksichtigung nicht zu einer Einbuße an Normstabilisierung und Abschreckung führt2027 und • der Täter stets freiwillig agieren muss, wobei hierfür der „Freiwilligkeitsbegriff“ des § 24 StGB, also auch die h.A. von den autonomen und heteronomen Gründen herangezogen werden kann.2028
2026 Es ist also nicht stets ein aktives Tätigwerden erforderlich, vgl. die weiteren Beispiele bei Blöcker, tätige Reue, S. 83. 2027 Vgl. Lagodny, Schranken, S. 494. 2028 SSW/Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 63.
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Von besonderer Bedeutung ist hierbei der erste Punkt. Bei jeder Tatmodalität muss für sich bestimmt werden, welche Qualität die Beeinträchtigung des Rechtsguts hat bzw. worin diese zu sehen ist, um daraus eine normspezifische Reuehandlung herausarbeiten zu können, die keine grundlegenden Auslegungsprobleme mit sich bringt. Die Grenzen sind nicht so einfach zu bestimmen, wie bei sonstigen Delikten des Kernstrafrechts, die ein materiell „verletzbares“ Gut im Vorfeld schützen, man denke an § 265b StGB. Hier ist es vergleichsweise einfach, zwischen Gefährdung, Beeinträchtigung und endgültiger Verletzung des Rechtsguts zu differenzieren, da ein (von § 265b StGB gerade nicht geforderter) Außenwelterfolg i. S. e. endgültigen Schadens zeitgleich die Verletzung des Rechtsguts „Vermögen“ indiziert.2029 Handelt es sich dagegen um ein abstrahiertes Rechtsgut (Jugendschutz, „Volksgesundheit“) tut man sich schwer, da bereits die „Gefährlichkeit“ der Handlung die Beeinträchtigung bedeutet. Wenn kriminalpolitischer Sinn eines Gefährdungsdelikts die Verhinderung risikobeladener Handlungen ist, tangiert bereits die Vornahme der Handlung das geschützte Gut, da der Täter damit den Geltungsanspruch des Guts missachtet.2030 Dann muss man trotz „Beeinträchtigung“ des überindividuellen Rechtsguts eine Schadenswiedergutmachung im weiteren Sinne zulassen oder besser formuliert: die Abwendung einer intensiveren Gefahr – womöglich die materielle Verletzung des Rechtsguts – strafmildernd berücksichtigen. Blöcker beschreibt dies als positiven Wertakzent, mit dem der Täter wiederum der ursprünglichen Beeinträchtigung des Guts entgegenwirkt.2031 Insofern erscheint eine obligatorische Strafmilderung als die einzig „adäquate Rechtsfolge“, auch wenn die Bewertung – „ist das Rechtsgut endgültig beeinträchtigt“ – nur im Einzelfall vorgenommen werden kann.2032 Diese nach Intensität der durch die Tathandlung indizierten Rechtsgutsbeeinträchtigung orientierte Sichtweise,2033 bringt den „technischen Wermutstropfen“ mit sich, dass die Vorschrift zur tätigen Reue fast ebenso ausführlich ausgestaltet sein muss wie der Grundtatbestand selbst. Zu differenzieren ist zwischen dem Umgang als solchem, den umsatzbezogenen Handlungen und den übrigen besitzlosen Handlungen, die bestimmte Verhaltensweisen im Vorfeld eigenständig pönalisieren und somit einen anderen Unrechtskern haben. Knüpft die Pönalisierung an den Besitz bzw. an die Schaffung sowie Übertragung der Verfügungsmacht über Betäubungsmittel, geht es um die Gefahr des Umlaufs und darum, dass das Betäubungsmittel in die falschen Hände geraten, konsumiert werden 2029 Dass die Änderungen in der Außenwelt nicht mit der Rechtsgutsverletzung verwechselt werden dürfen, wurde in den einleitenden Überlegungen zur Rechtsgutslehre dargelegt, 2. Teil A. II., S. 71 ff. 2030 Vgl. hierzu auch Blöcker, Tätige Reue, S. 132. 2031 Blöcker, Tätige Reue, S. 136. 2032 Vgl. Blöcker, Tätige Reue, S. 180. 2033 Die eine isolierte Überprüfung jeder einzelnen Tathandlung erforderlich macht, wobei man die potentielle Verwirklichung von Qualifikationen ebenso einzubeziehen hat.
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und zur Schädigung Dritter führen bzw. verkauft werden und somit die Organisierte Kriminalität fördern könnte. Der nach dem Gesetzgeber mit der endgültigen „Verletzung“ des Guts verbundene Sachverhalt tritt folglich mit der Übertragung der Verfügungsmacht ein, während der Besitz, das Sichverschaffen oder der Erwerb Handlungen darstellen, die lediglich das Potential der Weitergabe beinhalten. Die notwendige Reuehandlung ist dann die Zerstörung bzw. die Sicherstellung der Betäubungsmittel (wobei diese Art von Reuehandlung übrigens auch beim „Umlaufverbot“ des § 146 StGB gesetzlich bereits existiert, vgl. § 149 II, III StGB2034). Sie führt beispielsweise auch im türkischen Strafrecht nach Art. 192 I TCK zur Straffreiheit. Dort heißt es: „Wer an Herstellung oder Handel mit Betäubungs- oder Aufputschmittel teilgenommen hat,2035 und bevor die Behörden davon Kenntnis haben, diesen die anderen Teilnehmer und das Versteck der Betäubungsmittel- oder Aufputschmittel oder deren Produktionsstätten mitteilt, wird nicht bestraft, wenn durch diese Informationen die Teilnehmer festgenommen oder die Betäubungsmittel- oder Aufputschmittel sichergestellt werden.2036 “
Diesbezüglich sei angemerkt, dass im Absatz III des Art. 192 TCK eine Vorschrift folgt, die auch nach Entdeckung der Tat (dem Hauptanwendungsbereich des § 31 BtMG) Strafmilderung für „tätige Reue“, sprich Aufklärungshilfe gewährt, wobei die Milderung „geringer“ ist: Während Art. 192 I TCK obligatorisch zur Straflosigkeit führt, besagt Art. 192 III TCK, dass „je nach Art der Hilfe“ die Strafe des Aufklärungsgehilfen „um ein Viertel bis um die Hälfte herabgesetzt“ wird. In dieser Differenzierung kommt der „geringere Wert“ einer Aussage nach Entdeckung der Tat deutlich zum Vorschein. Insofern wäre auch im deutschen Recht solch eine Differenzierung erwägenswert, indem man Aussagen, die vor Entdeckung der Tat getätigt werden, mit einer „Ist-Milderung“ belohnt. Interessant ist eben auch, dass Art. 192 TCK die Benennung der Hintermänner nicht ausreichen lässt (was u. U. für ein Aufklärungserfolg i. S. d. §§ 31 BtMG, 46b StGB genügt), sondern auch die Sicherstellung voraussetzt.2037 Diese Überlegungen sollten bei der Ausgestaltung einer Strafmilderung Berücksichtigung erfahren. Wenn die Tatbestandsvollendung nicht einmal Besitz von Betäubungsmitteln voraussetzt, etwa beim An- und Verkauf von Betäubungsmitteln, so wird deut2034 Insofern kann auf die von Sch/Sch/Sternberg-Lieben § 149 Rn. 19 näher ausgeführten Voraussetzungen verwiesen werden. Hier wird eine Zerstörung nach Maßgabe des § 16 BtMG befürwortet, was nur sachgerecht wäre, wenn die Sicherstellung ebenso strengen Voraussetzungen unterliegt. Der Verweis auf § 16 BtMG ist folglich keineswegs zwingend. 2035 Hier bezieht sich die Vorschrift auf die amtliche Überschrift des Straftatbestandes und nicht auf konkrete Tathandlungen, d.h. gemeint dürfte sein: „Wer eine Straftat nach § 188 TCK begangen hat.“ 2036 Tellenbach, Das türkische Strafgesetzbuch, S. 131. 2037 Beim reuigen Alleintäter kann es nur auf die Sicherstellung ankommen.
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lich, dass man hier den beschriebenen Angriff gegen den „Rechtsgutsachtungsanspruch“ schon mit der objektiven Manifestation des Umsatzwillens annehmen will. Ob es dann tatsächlich zum Umsatz und somit zu einem „missbilligten Erfolg“ kommt, steht in den Sternen, sodass sich beim Handeltreiben die Beendigung der Tat auch relativ gesehen am weitesten nach hinten verschiebt. Beim Handeltreiben muss die Reuehandlung folglich zwingend anders ausgestaltet sein. Sie muss aber zugleich auch ein „Weniger“ fordern, da bereits ein „Weniger“ zur Tatbestandsvollendung führt; mithin ist eine Reuehandlung dann zu bejahen, wenn sich die Manifestation „als Trugschluss“ erweist und der Täter – freiwillig – doch keine Betäubungsmittel mehr umsetzt.2038 Sowohl beim Handeltreiben als auch bei den besitzbezogenen Umgangsformen kann es hierbei keinen Unterschied machen, ob der Täter mit Normalmengen oder mit nicht geringen Mengen agiert. Im Gegenteil: Aus rechtsgutsbezogener Sicht muss erst recht ein Anreiz bestehen, auch von größeren Umsatzgeschäften Abstand zu nehmen bzw. größere Mengen Rauschgift aus dem Verkehr zu ziehen. Somit muss auch eine tätige Reue im Fall des § 29a I Nr. 2 BtMG möglich sein. Zwischen dem Handeltreiben und den besitzbezogenen Handlungen liegen die Transportmodalitäten, wobei die Einfuhr schon aus systematischen Gründen (§ 30 I Nr. 4 BtMG) abgespaltet werden muss; aber auch der Beendigungszeitraum belegt, dass hier das Unrecht (und eine intensivere Beeinträchtigung des Rechtsguts) nicht im Besitz bzw. in der Gefährlichkeit der Weitergabe gesehen wird, sondern dass Drogen von einem Ort zum anderen verbracht worden, ihr Standort also – unkontrolliert – verändert wurde. Aus diesem Grunde erscheint es sachgerecht, die tätige Reue bei der Einfuhr bis zum Zeitpunkt zuzulassen, bis die Drogen endgültig (am Zielort) zur Ruhe gekommen sind. Bei den sonstigen Tatbestandsmodalitäten (etwa der Verschreibung, der Verbrauchsüberlassung) kann man sich ebenfalls jeweils am Beendigungsstadium orientieren, sodass man den verschreibenden Arzt straflos stellen kann, wenn er die Belieferung des Rezepts verhindert (folglich auch die Gefahr der missbräuchlichen Weitergabe an Jugendliche etc. verringert). Eine Sonderstellung nehmen die unmittelbar auf den Konsum gerichteten Modalitäten des § 29 I Nr. 6b BtMG ein, die – sobald rechtsgutsorientierte Überlegungen in die Ausgestaltung einfließen – als „Sorgenkinder“ bezeichnet werden müssen.2039 Es würde schon systematisch verfehlt anmuten, die Reuemöglichkeit von der Art des Konsums abhängig zu machen. Hinzu tritt, dass es aus rechts2038 Beachte: Hat der Verkäufer bereits Betäubungsmittel im Besitz, so kumulieren sich Gefahr der Weitergabe mit Gefahr des Umsatzes, sodass sich auch die Reuevoraussetzungen für eine „Straflosigkeit insgesamt“ „verdoppeln“ – Aufgabe des Umsatzwillens einerseits, Sicherstellung/Zerstörung der Betäubungsmittel andererseits. 2039 Einerseits die Verabreichung, bei der Vollendung und Beendigung zusammenfallen und somit keine Reuehandlung möglich ist; anderseits dieVerbrauchsüberlassung, bei der man zumindest rein theoretisch den Konsum verhindern könnte.
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gutsbezogener Sicht unpassend erscheint, die Abwendung der „Gefahr“ (eigenverantwortlicher Konsum) strafbefreiend wirken zu lassen. Insofern sollte man unmittelbar vor dem Konsum der Drogen stehende Sachverhalte von vornherein aus dem Bereich der tätigen Reue herausnehmen. Faktisch geht es hier häufig um Fragen der Verwirklichung kernstrafrechtlicher Delikte (§§ 212 222, 223, 229 StGB), bei denen der Täter zurücktreten könnte bzw. die Norm sich u. U. erst ab einem bestimmten Zeitpunkt (Ohnmacht des nicht eigenverantwortlich agierenden Opfers) an ihn richtet. Was die Rechtsfolgen anbelangt, sprechen schon die grundsätzlichen Bedenken bzgl. § 49 II StGB dafür, auch eine Verschiebung der Strafrahmenobergrenze zu ermöglichen und somit auf § 49 I StGB zu verweisen. 4. § 30c BtMG-E – ein erster Vorschlag Basierend auf diesen Überlegungen könnte ein § 30c BtMG-E, der an die Stelle der ohnehin überflüssigen Vorschrift zur (abgeschafften) Vermögensstrafe treten würde, folgendermaßen aussehen: 30c BtMG-E: Tätige Reue (I) Das Gericht kann die Strafe einer Straftat nach § 29 I BtMG nach seinem Ermessen mildern (§ 49 I StGB) oder von Strafe absehen, wenn Nr. 1: im Fall des unerlaubten Anbaus oder der unerlaubten Herstellung von Betäubungsmitteln (§ 29 I Nr. 1), des unerlaubten Erwerbs, des unerlaubten Sichverschaffens, der unerlaubten Herstellung ausgenommener Zubereitungen (§ 29 I Nr. 2) sowie im Fall des Besitzes ohne zugleich im Besitz einer Erlaubnis für den Erwerb zu sein, der Täter freiwillig die Betäubungsmittel nach Maßgabe des § 16 BtMG vernichtet oder deren Sicherstellung bewirkt. Nr. 2: im Fall der unerlaubten Einfuhr oder Ausfuhr von Betäubungsmitteln (§ 29 I Nr. 1) sowie im Fall der Durchfuhr entgegen § 11 I 2 (§ 29 I Nr. 5) der Täter freiwillig die Betäubungsmittel nach Maßgabe des § 16 BtMG vernichtet oder deren Sicherstellung bewirkt, bevor das Rauschgift im jeweiligen Hoheitsgebiet zur Ruhe gekommen ist. Nr. 3: 1im Fall des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 I Nr. 1) der Täter freiwillig den Umsatz von Betäubungsmitteln verhindert. 2 Tritt der Umsatz ohne Zutun des Täters nicht ein, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, den Umsatz zu verhindern. Nr. 4: im Fall des 29 I Nr. 6a der Täter freiwillig die Belieferung des Rezepts verhindert. Nr. 5: im Fall des § 29 I Nr. 13 der Täter freiwillig die bereitgestellten Vermögenswerte für sich behält und davon Abstand nimmt, die Verfügungsmacht über die Vermögenswerte auf den Begünstigten zu übertragen.
(II) § 30c S. 1 gilt entsprechend in den Fällen des § 29a I Nr. 2, 30 I Nr. 4 BtMG.
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Da der Inhalt der tätigen Reue-Vorschrift sich aus den vorhergehenden Ausführungen ergab, gilt es noch ein paar Worte zu den ausgeklammerten Modalitäten zu verlieren. Wie aus dem Katalog ersichtlich, gibt es bei zweiseitigen Handlungen, die sich unmittelbar auf die Übertragung der Verfügungsmacht eines Betäubungsmittels beziehen, mit Vollendung des Tatbestands „kein Zurück“ und somit auch keine tätige Reue mehr.2040 Erst Recht gilt dies für die Einbeziehung des Jugendlichen in den Drogenkreislauf, egal ob in der Form einer Abgabe oder Anstiftung zum Handeltreiben.2041 Bei beiden Handlungen ist der Jugendliche schon durch die Vollendung des Tatbestands unmittelbar beeinträchtigt, sodass es verfehlt wäre hier auf den Besitz oder Umsatz von Betäubungsmitteln abzustellen. Der Gedanke der tätigen Reue passt auch nicht auf das Handeltreiben mit Waffen, da es sich hierbei um einen Strafschärfungsgrund handelt, der auf die akute Gefahr zum Zeitpunkt der Begehung abstellt. Dies führt zwar im Konstrukt der h. M. (Handeltreiben als „Dauerdelikt“) zu kaum hinnehmbaren Ergebnissen,2042 diese können und dürfen aber nicht systemwidrig über die tätige Reue gelöst werden.2043 Ist der Täter dagegen Mitglied einer Bande (kommt also eine Verwirklichung der §§ 30 I Nr. 1, 30a I BtMG in Betracht), muss dem allgemeinen Gedanken entsprechend, den „Rücktritt bei mehreren Beteiligten“ unter strengere Voraussetzungen zu stellen, nun dem eingebundenen Bandenmitglied, der an einer konkreten Tat beteiligt ist, auferlegt werden, sich an die zuständigen Behörden zu wenden und bei der Aufklärung bzw. „Verhinderung“ (i. S. e. Rechtsgutsintensivierung) der Tat mitzuwirken, da faktisch eine „Ein-Mann-Verhinderung“ bei größeren Bandenstrukturen nicht möglich ist.2044 Hierfür existiert aber bereits § 31 BtMG, über den der Täter Straffreiheit erlangen kann, wobei eine Aufklärungshilfe vor Entdeckung der Tat nicht nur zu einer glaubwürdigeren Aussage führen dürfte, sondern auch ein wichtiger Faktor bei der Ausübung des tatrichter2040 Was sich dogmatisch auch darin widerspiegelt, dass bei der Abgabe bzw. dem Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln Vollendung und Beendigung zusammenfallen, insofern muss auch § 29 I Nr. 7 BtMG ausgeklammert werden. 2041 In diesen Fällen wird auch § 31 BtMG nicht einschlägig sein, da der Täter schlicht nichts aufweisen kann, was er den Ermittlungsbehörden über seinen Tatbeitrag hinaus mitteilen könnte (zumindest unter Zugrundelegung eines den Rahmenbedingungen des § 31 BtMG entsprechenden Tatbegriffs); bei den §§ 29a I Nr. 1, 30 I Nr. 2 BtMG sowie § 30a II Nr. 1 BtMG scheidet folglich eine tätige Reue aus. 2042 Vgl. hierzu bereits Fn. 106 in Teil 1, Fn. 1724, 2043, 2179 in Teil 3. 2043 Man fragt sich auch, wie solch eine tätige Reue aussehen könnte; zwar wäre ein „Sich-Entledigen“ von der Waffe (vor Kontakt mit Dritten) denkbar, doch dies ließe sich nicht mit den sonstigen Tatmodalitäten vereinbaren. Nach hier vertretener Ansicht stellt sich das Problem erst gar nicht: Denn wenn das Handeltreiben ein Erklärungsdelikt ist, hat der Täter – soweit er eine Waffe zum Zeitpunkt der Erklärung bei sich führt – genau das Unrecht des § 30a II Nr. 2 BtMG verwirklicht und es besteht kein Anlass für eine „goldene Brücke“; zur Problematik rund um § 30a II Nr. 2 BtMG siehe bereits Fn. 106 in Teil 1, Fn. 1443, 1724, 2043, 2179 in Teil 3. 2044 Tätige Reue i. S. d. § 30c BtMG-E scheidet also bei den §§ 30 I Nr. 1, 30a I BtMG von vornherein aus.
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lichen Ermessens darstellt.2045 Ebenfalls möglich bleibt solch eine Milderung, wenn der Täter den Umsatz zwar nicht verhindern konnte, er aber vorhat, nunmehr aus der Bande auszubrechen. Denn wenn der Gesetzgeber selbst den „ertappten“, aber „singenden“ Dealer besser stellen will, kann für denjenigen, der sich vor Entdeckung entschieden hat, nunmehr als V-Mann zu agieren, nichts anderes gelten. Praktische Bedeutung könnte also § 30c Nr. 2 BtMG-E entfalten, etwa bei Gelegenheitsdealern oder Personen, die nicht in eine größere Organisationsstruktur eingebettet sind. Derjenige, der sich entschlossen hat, Drogen zur gewinnbringenden Weiterveräußerung anzukaufen und daher einen ihm als Tipp genannten Lieferanten aus Amsterdam kontaktiert und eine Bestellung aufgibt, kann gem. § 30c Nr. 2 BtMG-E Straffreiheit erlangen, wenn er schlicht seinen Plan nicht umsetzt. Aus Sicht des Lieferanten dagegen bliebe es bei der Vollendung, da er mit Kenntnisnahme vom „Rücktritt“ seines Vertragspartners keine Anstalten mehr vornehmen kann, den Umsatz zu verhindern. Ferner erreicht man durch § 30c Nr. 2 BtMG-E i.V. m. § 30c S. 2 BtMG-E im Falle des § 30 I Nr. 4 BtMG eine angemessene Kompensation im Hinblick auf den enormen Strafrahmen, weil der Täter bis zum Zielort die Möglichkeit hat, umzukehren (somit zumindest im Hinblick auf § 30 I Nr. 4 BtMG Straffreiheit zu erlangen) oder sogar die Betäubungsmittel zu zerstören. Aus ermittlungstechnischer Sicht ergeben sich indessen keine Nachteile: Schließlich trägt in allen Fällen der Täter (auch der Ankäufer) das „Reue-Risiko“, d.h. kommt es zu einem Zugriff durch die Ermittlungsbehörden, bevor der Täter seine Reuehandlungen vornehmen konnte, scheidet eine Anwendung des § 30c BtMG-E – allgemeinen Rücktrittserwägungen entsprechend2046 – aus. Nochmals: Soweit der Täter die Voraussetzungen einer spezifischen Alternative der tätigen Reue erfüllt, heißt dies nicht automatisch, dass er auch im Hinblick auf die übrigen Modalitäten straffrei ist. Hat der Täter beispielsweise Betäubungsmittel eingeführt, sind die Drogen zur Ruhe gekommen, nimmt er aber von seinem Plan Abstand die Betäubungsmittel umzusetzen, bleibt § 30c I Nr. 2 BtMG-E einschlägig, während er wegen der Einfuhr (ggf. in nicht geringen Mengen) strafbar bleibt. Denkbar ist auch, dass der Täter Drogen angekauft hat und nun in nicht geringen Mengen besitzt. Beschließt er nun, die Drogen doch nicht mehr weiter zu veräußern, muss er nun die Drogen zerstören oder ihre Sicherstellung bewirken, wenn er nicht zumindest wegen Besitzes bestraft werden will; insofern unterscheiden sich die Voraussetzungen für eine tätige Reue zwischen 2045 Bzw. wäre eine Erweiterung des § 31 BtMG um einen Absatz 2 denkbar, der eine doppelte Milderung bzw. eine „Ist-Milderung“ vorsieht, wenn die Aussage vor Entdeckung der Tat getätigt wird. 2046 Wird der Täter beispielsweise kurz nach der Grenze von den Zollbehörden „abgefangen“, kann er sich nicht darauf berufen, dass die Drogen noch nicht zur Ruhe gekommen sind.
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Ankäufer, Verkäufer und dem Besitzer nicht. Faktisch muss der Verkäufer beispielsweise aber eine höhere Überwindung aufbringen, da er sich womöglich schon vertraglich gebunden fühlt. Umgekehrt schließt die Existenz einer Vorschrift zur tätigen Reue nicht aus, dass der Täter vor Eintritt der formellen Tatbestandsvollendung strafbefreiend gem. § 24 StGB zurücktritt.2047 Dieser Vorschrift lässt sich wohl nur eine geringe praktische Relevanz prognostizieren. Doch sollte es ausschließlich um die „forensische Bedeutsamkeit“ derartiger Normen gehen, müsste man alle Vorschriften zur tätigen Reue im StGB streichen und mit ihnen zahlreiche Straftatbestände dazu (allen voran wohl § 261 StGB). Vielmehr dürfte es darum gehen, in einem der wenigen Fälle, in denen eine Strafbarkeit des Täters unangemessen erscheint, nicht gezwungen zu sein, auf eine „Strafzumessungslösung“ zurückzugreifen. Der hier gemachte Vorschlag behält – wie die gebotene Kürze der Darstellung vermuten lässt – den Charakter eines ersten „Denkanstoßes“ bei und kann bzw. muss im Detail sicherlich noch an der einen oder anderen Stelle korrigiert werden. Die Ausführungen dürften auch bewusst gemacht haben, dass die erheblicher Kritik ausgesetzte Strafmilderungsvorschrift des § 31 BtMG in ihrer jetzigen Fassung ebenfalls nicht zwingend ist, sondern auf die Aufklärungshilfe vor Entdeckung der eigenen Tat beschränkt, dann aber umso effektiver und schrankenlos gewährt werden könnte. Jedenfalls eine Differenzierung, wie im türkischen Modell erscheint sicherlich zweckmäßig. Soweit man in der zukünftigen Diskussion das Modell der „tätigen Reue“ ernsthaft in Betracht zieht, sollte daneben darüber nachgedacht werden, inwiefern die Einfügung einer Minima-Klausel („Ist ein Umsatz von Betäubungsmitteln von vornherein ausgeschlossen, macht sich der Täter nicht strafbar.“) geeignet sein könnte, die gewünschte Vorfeldkriminalisierung zu kompensieren.
VI. Der Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB 1. Praktisch geringe Relevanz des § 24 StGB Die vorstehenden Ausführungen dürften deutlich gemacht haben, dass trotz exzessiver Anordnung der Versuchsstrafbarkeit „echte Versuchskonstellationen“ im Betäubungsmittelstrafrecht eher selten vorkommen und kaum praktische Relevanz aufweisen.2048 Umso konstruierter würden somit Fallgruppen zum Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB anmuten. Zwar bildet der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr in nicht geringen Mengen gem. § 30 I Nr. 4 BtMG eine wichtige Ausnahme, doch auch hier geht es mehr um die Überschreitung der Versuchsschwelle überhaupt, als um die Möglichkeit und die Voraussetzungen eines Rück2047 Man denke an den Feilhaltenden, der trotz seiner Vorstellung, es könnte jeden Moment jemand kommen, wieder Abstand von seinem Plan nimmt oder dem Einführenden, der kurz vor der Grenze halt macht und die Schmuggelware in den Fluss schmeißt. 2048 Wie das Fahrlässigkeitsdelikt auch.
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tritts im Einzelnen. So ist es kaum denkbar, dass die typischen Streitpunkte rund um den Rücktritt vom Versuch im Kontext der §§ 29 ff. BtMG „virulent“ werden könnten: Die Frage, wann von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist („Tatplantheorie contra korrigierter Rücktrittshorizont“)2049 spielt nur dann eine ernsthafte Rolle, wenn bereits die Vornahme einer singulären Tathandlung das Potential hat, von selbst auf den Erfolg „zuzusteuern“. Wenn der Täter Betäubungsmittel in einem Zug verstaut und dann das Paket „von selbst“ über die Grenze fahren lässt, um es an der Endstation (im Ausland) wieder abzuholen, liegt auf der Hand, dass er „aktiv“ Handlungen vornehmen muss, um die Einfuhr zu verhindern. Umgekehrt geht der Fahrer eines PKW solange davon aus, „weiterer Handlungen zu bedürfen“, solange er fährt.2050 Ähnliche Erwägungen gelten für den Streit rund um das Fehlschlagen eines Versuchs: Schlagen Einzelakte eines Einfuhrversuchs fehl,2051 erscheint es vorzugswürdig – wie im Allgemeinen auch – das gesamte Geschehen in den Blick zu nehmen und bis zum letzten Einzelakt einen Rücktritt zuzulassen. Somit bliebe einem Täter, der mehrmals versucht, einen potentiellen Lieferanten zu erreichen, die Rücktrittsmöglichkeit offen, wenn er in der Vorstellung, es sei gerade nur „besetzt“ oder dieser sei kurzfristig nicht erreichbar, wieder von seinem Plan, Handel zu treiben Abstand nimmt (auch wenn der für die Gesamtbetrachtungslehre oftmals als „Hauptargument“ vorgebrachte Opferschutzgedanke2052 hier nicht passt). Sollte also im seltenen Fall ein Rücktritt gem. § 24 StGB in Betracht kommen, kann die hierzu in Rechtsprechung und Lehre entwickelte Dogmatik (sprich das „Prüfungsschema: Kein fehlgeschlagener Versuch, Rücktrittshandlung, Freiwilligkeit“) ohne Weiteres übertragen werden, wobei auf den ersten Blick keine spezifischen Besonderheiten im Betäubungsmittelstrafrecht existieren, die per se eine Modifikation der „allgemeinen Regeln“ notwendig machten. 2049 Zum Ganzen SSW/Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 18; zum Teilrücktritt und dem § 24 StGB zugrundegelegten Tatbegriff Streng JZ 2007, 1089 ff.; ders. JZ 1990, 212 zur Frage des Rücktritts bei außertatbestandlicher Zielerreichung. 2050 Das „Bremsen“ bzw. schlichte Nichtweiterfahren reicht als Rücktrittshandlung aus, weil ein unbeendeter Versuch vorliegt. Will ein Täter nur erwerben bzw. einführen, um seiner Gang, Bande oder seiner Freundin zu imponieren und kommt es nun zu diesem Effekt, bevor er die Straftat vollendet hat, kann sich beim Rücktritt (bzw. Aufgeben der Tat) aus diesem Grund die Frage der Verdienstlichkeit stellen, Stichwort „Rücktritt bei außertatbestandlicher Zielerreichung, vgl. zum Ganzen BGHSt 39, 221; Puppe JZ 1993, 361 ff. 2051 Der PKW gibt kurz vor der Grenze den Geist auf, woraufhin der Täter auf ein Fahrrad steigt, und letztlich zu Fuß die Grenze passieren müsste; wenn er sich nunmehr kurz vor der Grenze eines besseren besinnt und die Drogen vorsichtig entsorgt, lässt sich ein Rücktritt vom „Grenzübertritt“ und damit eine Straflosigkeit annehmen. 2052 SSW/Kudlich/Schuhr § 24 Rn. 19.
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2. Exkurs: § 30 II StGB als Auffangbecken? Soweit ein Rücktritt vom Versuch eines Betäubungsmitteldelikts bejaht wurde, bleibt die Frage zu erörtern, ob eine Verbrechensverabredung nach § 30 II StGB in Betracht kommt. Da viele Tatmodalitäten des BtMG (auch die nicht „umsatzbezogenen“) unter bestimmten Voraussetzungen als Verbrechen ausgestaltet sind, könnte man meinen, dass der Anwendungsbereich des § 30 II StGB häufiger eröffnet ist. Doch praktisch hat die Vorschrift genauso wenig Bedeutung, wie im Kernbereich des StGB. Die geringe Relevanz der Verbrechensverabredung ist aber weniger auf die im Einzelfall strengen Voraussetzungen, welche die h. M. zu Recht an den § 30 II StGB als Vorfeldtatbestand stellt,2053 zurückzuführen, als vielmehr darauf, dass die extensive Auslegung des Handeltreibens als Hauptanknüpfungspunkt für die §§ 29a ff. BtMG keinen Rückgriff auf § 30 II StGB erforderlich macht. Es wurde bereits ausführlich dargelegt, dass die h. M. weit vor dem Güterumsatz liegende Tathandlungen erfasst, ohne dass der Täter überhaupt mit einer weiteren Person „kommunizieren“ und dadurch die Gefahr der Deliktsverwirklichung erhöhen müsste.2054 So überrascht es nicht, dass eines der wenigen Urteile zu § 30 II StGB im Betäubungsmittelstrafrecht nicht das Handeltreiben, sondern die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 30 I Nr. 4 BtMG betraf. Soweit hier (in dogmatisch einwandfreier Weise) ein unmittelbares Ansetzen zur Einfuhr gem. § 30 I Nr. 4 BtMG – etwa mangels Nähern an die Grenze – verneint wird, greift man „prophylaktisch“ auf § 30 II StGB zurück.2055 Im konkreten Fall2056 hatten die Angeklagten versprochen, zwischen dem „Zeitraum Februar bis März“ nicht geringe Mengen (10 kg) Heroin einzuführen. Nachdem ein zunächst verabredeter Termin um den 10. Februar 2001 verschoben werden musste, vereinbarten sie als Termin für den Hinflug in die Türkei den 17.02.2001; einer der Angeklagten nahm für die betreffende Woche Urlaub. Am 15.02.2001 stornierten die Angeklagten den Flug nach einer Mitteilung des Geschäftspartners, der Termin könne nicht stattfinden. Der BGH stellt diesbezüglich klar, dass entgegen der Meinung der Vorinstanz der Versuch der Beteiligung an der unerlaubten Einfuhr von Heroin mit der Stornierung des für den 17.02.2001 geplanten Fluges nicht fehlgeschlagen sei. Die zugesagte und die aufgegebene Tat seien identisch, weil der versprochene Kurierflug mit der Stornierung noch nicht gescheitert wäre. Der Senat begründet dies damit, dass sich die Angeklag2053
Vgl. nur Sch/Sch/Heine § 30 Rn. 1. Dies sei im Bezug auf die Legitimationsgrundlage des § 30 II StGB so formuliert, vgl. hierzu SSW/Murmann § 30 Rn. 1; krit. NK/Zazczyk § 30 Rn. 1 (4 f.); monographisch Thalheimer, Die Vorfeldstrafbarkeit und §§ 30, 31 StGB, 2008. 2055 So in BGHSt 36, 249; BGH StV 1996, 548; vgl. zum § 30 II StGB bereits Fn. 1437, 1548, 1576, 1739 in Teil 3. 2056 BGH StV 2003, 217. 2054
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
ten nicht nur im Zusammenhang mit einem Flug exakt am 17.02.2001, sondern ganz allgemein „im Zeitraum Februar oder März 2001 zur Einfuhr von zwei Koffern mit jeweils fünf Kilogramm Heroin aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland gegen Zahlung eines Kurierlohnes von 24.000 DM bereit erklärt“ hatten. Gegenüber diesen Umständen kommt der Vereinbarung und der Buchung des Hinfluges am 17.02.2001 für die Frage, ob dieser Kurierflug mit der Absage gescheitert war, keine entscheidende Bedeutung zu. Das ist unter Zugrundelegung der herrschenden Gesamtbetrachtungslehre korrekt. Nach den Feststellungen gingen die Angeklagten davon aus, dass nach der Stornierung des Fluges vom 17.02.2001 ein neuer Termin für den Kurierflug vereinbart und der abgesagte Flug unter den vereinbarten Bedingungen nachgeholt werden könnte. Insofern sind auch hier keine „Durchbrechungen“ mit der allgemein entwickelten Dogmatik zum Versuch (bzw. Rücktritt) zu erkennen.
VII. Gesamtergebnis zu den Deliktsverwirklichungsstufen Es hat sich gezeigt, dass beim Topos „Deliktsverwirklichungsstufen“ Vorfeldstrafbarkeit bzw. Rechtsgüterschutz und Versuchslehren getrennt voneinander betrachtet werden müssen, wobei die diese Trennung nicht als grundsätzliche Akzeptanz von Vorfelddelikten zu verstehen ist, sondern vielmehr zum Ausdruck bringen sollte, dass man bei Vorfelddelikten umso mehr dazu gehalten ist, die systematisierende Funktion des Allgemeinen Teils einzuhalten. Die Literatur steht dieser Differenzierung wohl eher kritisch gegenüber, weil diese Arbeitsweise die Gefahr birgt, verhaltensregulierendes Strafrecht ohne zeitlichen Fixpunkt zu schaffen. Ist das Verhalten konkret beschrieben, können diesem Verhalten dennoch zumindest als „zeitlich-individuelles“ Geschehen weiter vorverlagerte Handlungen und somit eine straflose Vorbereitungs- sowie eine ggf. strafbare Versuchshandlung entnommen werden.2057 Dagegen funktioniert solch eine Vorgehensweise nicht mehr, wenn das Verhalten selbst keinen konkreten Inhalt hat und nicht einheitlich ausgelegt wird. Dies trifft, wie dargestellt auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu,2058 das als zentrale Tathandlung alle sonstigen Modalitäten praktisch überlagert und folglich die „Dogmatik“ des Betäubungsmittelstrafrechts eine „Dogmatik des Handeltreibens“ ist. Es ist besorgniserregend, wenn sich die systematisierende Funktion des Allgemeinen Teils nicht entfalten kann, obwohl man den Hauptangriffspunkt – die grundsätzlich fragwürdige Legitimität von Vorfelddelikten – fast vollständig ausgeblendet hat. Wenn hier beispielsweise vorgeschlagen wird, unter Handeltreiben jede (ausdrückliche oder konkludente) Erklärung mit Umsatzwillen zu verstehen, die
2057
Auch Vorfelddelikte haben ein Vorfeld, vgl. 3. Teil C. I. 2., S. 395 ff. Mag die tatbestandliche Beschreibung „Handel treiben“ dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG entsprechen, die derzeitige Rechtsanwendung tut es nicht. 2058
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ernsthaft auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit Betäubungsmitteln gerichtet ist oder dieses tatsächlich herbeiführt,2059 so ändert dies nichts an der enormen Strafbarkeitsvorverlagerung, doch hat man durch die Konkretisierung des Begriffs dafür gesorgt, dass sich diese zentrale Tathandlung sowohl mit den §§ 22 ff. StGB als auch mit den §§ 25 ff. StGB wieder „verträgt“. Diese Systematisierung ist – um zu den anfänglichen Ausführungen zurückzukehren – im Betäubungsmittelstrafrecht unabhängig davon geboten, ob man den §§ 29 ff. BtMG nun rechtsgüterschützenden Charakter beimisst oder sie stattdessen, das Terrain des rechtsgüterschützenden Strafrechts verlassend, als verhaltensregulierende Strafnormen qualifizieren will (soz. als „Feindstrafrecht light“ 2060): Es dürfte Konsens darüber bestehen, dass je weiter man sich vom Rechtsgüterschutz entfernt, eine i. S. d. Art. 103 II GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Stichwort mangelnder „Eingriff in fremde Grundrechte“) umso „bestimmtere“ Rechtsanwendung notwendig ist. Das ist der entscheidende Punkt, an dem sich der Gesetzgeber in Zukunft – auch bei der neuen Schaffung von Vorfelddelikten – orientieren muss. Folglich sollte er von nun an multiplen Tätigkeitsdelikten kritisch gegenüberstehen. Aber auch die Rechtsprechung hätte nach wie vor die Möglichkeit, durch eine „Konkretisierung“ der Grundformel vom Handeltreiben einen gemeinsamen Fixpunkt für § 22 StGB zu schaffen, von dem aus man operieren kann. Diesbezüglich wurde ausführlich dargelegt, dass die Auslegung des Handeltreibens weder aus strafprozessual-ermittlungstaktischen oder konkurrenzrechtlichen Gründen notwendig noch aus systematischen Aspekten haltbar ist.2061 Hierbei sollte man sich nicht in die Ausrede flüchten, dass die Versuchskasuistik auch im Allgemeinen umfangreich ist bzw. vom „Einzelfall“ abhängt. Entscheidend bleibt, dass die Behandlung im ersten Schritt klaren Regeln folgt und insofern das Ergebnis bzw. eben auch „abweichende“ Ergebnisse prognostiziert werden können, wie dies beispielsweise bei der Rechtsprechung zu den Erfolgsdelikten der Fall ist (insbesondere bei der Einfuhr von nicht geringen Mengen). Der BGH kann – wie die dort dargelegten Beispiele demonstriert haben – also auch anders, wobei die Stringenz und strenge Dogmatik im Zusammenhang mit § 30 I Nr. 4 BtMG aus den genannten Gründen2062 nur einen Tropfen auf den heißen Stein darstellen.
2059
3. Teil C. VI. 5., S. 495 ff. Der Begriff des „Feindstrafrechts“, vgl. hierzu erstmals Jakobs ZStW 91 (1985), S. 751 ff., wurde auch in der vorliegenden Abhandlung nur selten aufgegriffen; dies hat allerdings weniger damit zu tun, dass der Verfasser dies als „Tabuthema“ begreift, als vielmehr mit dem Umstand, dass die Funktionenlehre Jakobs die Legitimierbarkeit und Reichweite von Vorfelddelikten überhaupt betrifft, damit also i. R. e. systemkritischen Abhandlung vertieft aufgegriffen werden müsste; monographisch hierzu Greco, Feindstrafrecht, 2010. 2061 3. Teil C. VI. 6., S. 502 ff. 2062 3. Teil C. II. 1. c), S. 420 ff. 2060
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Da der Gesetzgeber es mehrmals verpasst hat, den von ihm gelegten Grundstein für die Extension wieder zu korrigieren, ist er allerdings ebenso in der Pflicht. Diesseits wurde – soweit man am Begriff des Handeltreibens festhält – vorgeschlagen, alternativ über die Einfügung einer Tätigen-Reue-Vorschrift nachzudenken, die bei „Ersttätern“, die noch nicht in den illegalen Drogenmarkt verstrickt sind, präventive Wirkung entfalten kann.2063 Für Bandenmitglieder und „erfahrene“ Drogendelinquenten gilt dagegen, dass eine Aufklärungshilfe zu einem Zeitpunkt, in dem die Tat noch nicht aufgedeckt wurde, als „echte Reuehandlung“ bewertet werden kann und somit der Wunsch, den kriminellen „Teufelskreis“ zu verlassen, und die damit verbundene Aufklärungshilfe besser honoriert werden muss.2064 Im Übrigen sagt die Rechtsprechung zu den Erfolgsdelikten des BtMG mehr über ihr Verhältnis zum Allgemeinen Teil aus, als man auf den ersten Blick vermutet: Wo verbindliche Regeln existieren und der Tatbestand dem Regelwerk der §§ 13–35 StGB zugänglich ist, wendet sie dieses auch an. Serviert der Gesetzgeber den Gerichten dagegen einen „unbestimmten“ (lediglich ein i. S. d. Art. 103 II GG „bestimmbaren“) Tatbestand, nehmen sie dieses Angebot dankend an und entgrenzen die Norm eher, als sie sie konturieren (womit spätestens dann das Bestimmtheitsgebot i. S. e. vorhersehbaren Rechtsanwendung verletzt wird). Warum man nun plötzlich aus den Augen verliert, dass jeder Tatbestand einen Versuchsbereich zu durchlaufen hat bzw. eine vorhersehbare Abgrenzung zum straflosen Verhalten möglich sein muss (wenn auch dessen Ermittlung im Einzelfall schwierig sein oder dessen Bedeutung gering sein kann), dürfte verschiedenste Gründe haben. Sind es die fehlenden „Zusatzvorschriften“ im Betäubungsmittelstrafrecht, die den Rechtsanwender an anderer Stelle stets daran erinnern, dass diese Deliktsausgestaltung bzw. Vorverlagerung der Strafbarkeit nicht den Regelfall darstellen darf (es sei nochmals das Kompendium an Modifikationsvorschriften in Erinnerung gerufen, welche auf die §§ 153 ff. StGB folgen)? Ist es die praktisch wesentlich niedrigere Bedeutung von sonstigen „modernen“ Straftatbeständen (§§ 264, 265b StGB) in Relation zur Drogenkriminalität, welche man der Literatur als dogmatischen „Spielplatz“ überlassen konnte, aber in den „ernsten Bereichen“ diese wieder zurückdrängen musste? Ein weiterer Grund könnte die strukturelle Trennung von Drogenstrafverfolgung sein. Entweder kommt es zu Aburteilungen vom Landgericht (sodass stets die Sprungrevision eröffnet ist) oder die Entscheidungen liegt in den Händen der Staatsanwaltschaft gem. § 31a BtMG. Es verbleibt bei Spekulationen, doch ginge es zu weit, eine allgemeine Tendenz in der Strafverfolgung zu unterstellen, wonach der Drogendelinquent als Feindbild betrachtet werde. Dies ist bei solch einem rechtspoli2063
3. Teil C. VII., S. 507 ff. Jedenfalls eine Trennung im § 31 BtMG zwischen Selbstanzeigen bzw. Aufklärungshilfe vor und nach Tatentdeckung angezeigt erscheint, wie dies beispielsweise im Art. 194 TCK der Fall ist, vgl. 3. Teil C. VII. 3., S. 514 ff. 2064
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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tisch brisanten „Dauerbrenner“ wie der Drogenstrafgesetzgebung, zu dem sich jeder Einzelne seine eigene Meinung bildet, fernliegend.
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht Der letzte Teil der Arbeit hat die Beteiligungsformen zum Gegenstand. Da die Lehren von Täterschaft und Teilnahme in ständigem Wechselspiel zur Tatbestandsvollendung (bzw. Tatbestandsverwirklichung2065) stehen, wurden die Weichen für diesen Abschnitt bereits in den vorherigen Kapiteln gestellt. Insofern gilt es einerseits, die Konsequenzen der dort dargelegten Grundsätze2066 für die Beteiligungslehre darzustellen, andererseits die Früchte der hier vorgeschlagenen, konkreteren Interpretationsweise zu ernten.2067
I. Vorüberlegungen: Das restriktive Täterverständnis als „wackliges Fundament“ Im Rahmen der Ausführungen zum Unterlassungsdelikt und zu den Deliktsverwirklichungsstufen dürfte deutlich geworden sein, dass die Rechtsprechung zur Vollendung des Handeltreibens – positiv ausgedrückt – in einem ständigen Wechselspiel zum dualistischen System von Täterschaft und Teilnahme steht. Im Allgemeinen hängt dies damit zusammen, dass die Tatbestandsverwirklichung innerhalb eines „restriktiven“ Täterverständnisses maßgeblich für die Abgrenzung der Beteiligungsformen ist.2068 Denn bei einem restriktiven Täterverständnis, wie es die h. M. vertritt, umschreibt der gesetzliche Tatbestand idealtypisch die 2065 Eine terminologische Differenzierung macht nur Sinn, wenn man den Begriff der „Tatbestandsvollendung“ den Erfolgsdelikten i. S. d. vorliegenden Abhandlung vorbehält und die Tatbestandsverwirklichung der Oberbegriff für alle Deliktskategorien ist. Diese Unterscheidung ist keinesfalls zwingend. 2066 Insbesondere die Folgen eines extensiven Verständnisses des Handeltreibens durch die h. M., vgl. 3. Teil C. IV. 1, S. 431 sowie 3. Teil C. IV. 2., S. 437. 2067 Es gibt zahlreiche Sonderproblemstellungen, die aus der Verknüpfung der Lehren von Täterschaft und Teilnahme mit denen der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Deliktsbegehung (Unterlassen, Fahrlässigkeit, Versuch) entstehen können, die aber dann meist nur sektoral (also nur in einem bestimmten Kriminalitätsgebiet) eine Rolle spielen, mag man sie auch im Betäubungsmittelstrafrecht konstruieren können. Es kann aber auch nicht Aufgabe dieser Abhandlung sein, jede denkbare AT-Problematik auf das Betäubungsmittelstrafrecht zu transferieren; insofern sei das Ausblenden einiger „Exoten“ verziehen (man denke an die Anstiftung durch Unterlassen, die Auswirkungen eines Tatbestandsirrtums auf den Hintermann oder die Behandlung eines Exzesses bei mittelbarer Täterschaft). 2068 Grundlegend Zimmerl ZStW 49 (1929), 39 ff.; zu diesem Grundsatzstreit Grünhut JW 1932, 366; zur Entwicklung NK/Schild § 25 Rn. 20; vgl. auch Roxin AT II § 25 Rn. 4; LK/Schünemann Vor § 25 StGB Rn. 11 ff.; Sch/Sch/Heine Vor § 25 Rn. 6; Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 200; vgl. BGHSt 38, 315.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
täterschaftliche Begehungsweise einer Einzelperson („Wer“. . .2069). Die Teilnehmerstrafbarkeit liegt dagegen „außerhalb“ des Deliktstatbestands und ist somit als Erweiterung der strafrechtlichen Haftung auf Verhaltensweisen über die Tatbestandsverwirklichung hinaus zu qualifizieren,2070 wobei § 27 II StGB eben diese Erweiterung zumindest für den Gehilfen abfedert. Der Vorteil an solch einem Fundament ist, dass man jedenfalls denjenigen als Täter klassifizieren kann, der alle Tatbestandsmerkmale in eigener Person – also eigenhändig – erfüllt.2071 Tatbestands- und Täterlehre gehen hier Hand in Hand,2072 wobei der Wortlaut des § 25 I Var. 1 StGB dieses Wechselspiel zementiert. Hat der Beteiligte2073 dagegen nicht alle Merkmale eigenhändig erfüllt, ist der Frage nachzugehen, ob ihm aufgrund anderer Gegebenheiten die Tatbestandsverwirklichung zuzurechnen ist, sei es als Mittäter oder sei es als mittelbarer Täter. Hierbei bedient sich die h. L. materiell-objektiver Kriterien,2074 während die Rechtsprechung vornehmlich die subjektiven Vorstellungen des Täters in die Bewertung einfließen lässt.2075 Konsequenz des Wechselspiels zwischen Tatbestands- und Täterlehre ist, dass eine Unterscheidung nach objektiven Kriterien nicht mehr möglich ist, wenn jede finale Tätigkeit dem Tatbestand unterfallen soll, sprich: es ist kein „bestimmtes“, typisiertes Verhalten umschrieben, sodass man jeden Tatbeitrag als gleichwertiges Unrecht ansehen muss.2076 M.a.W. setzt die Lehre vom restriktiven Täterbegriff einen relativ klar umrissenen (nicht notwendig als Erfolgsdelikt ausgestalteten) Deliktstatbestand voraus.2077 Dementsprechend setzt sich im praktisch 2069
Vgl. Sch/Sch/Heine Vor § 25 Rn. 1. SSW/Murmann Vor § 25 StGB Rn. 4; vgl. auch Kühl AT § 20 Rn. 6; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 2.2.; MK-StGB/Joecks Vor § 25 StGB Rn. 9 m.w. N. 2071 Siehe hierzu noch ausführlich 3. Teil D. II. 1. a), S. 533; D. III. 1., S. 573 sowie D. III. 3. a) aa) (1), S. 601. 2072 Zu diesem Überlappen von Tatbestands- und Täterlehre vgl. Kühl AT § 20 Rn. 5; Cramer in FS-Bockelmann, 1979, S. 389 ff. 2073 Der Begriff des „Beteiligten“ fungiert im Allgemeinen Teil als Oberbegriff für Täter oder Teilnehmer, vgl. § 28 II StGB. 2074 Insbesondere der Tatherrschaft als „In-den-Händen-Halten“ des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs Maurach/Gössel/Zipf AT 2 § 47 Rn. 85; zum Ganzen Lackner/ Kühl Vor § 25 Rn. 6. 2075 Dazu weiter unten, 3. Teil D. III. 1., S. 573. 2076 So bereits Roxin AT II § 25 Rn. 7. 2077 Insofern hängt die Existenzberechtigung der §§ 25–27 StGB auch in einem modernen Strafrecht, „das den Unterschied zum Ordnungswidrigkeiten- und zivilrechtlichen Haftungsrecht nicht mehr kennt“, immer noch von der tatbestandlichen Ausgestaltung des Delikts ab, soweit man – ebenso wie bei den Versuchslehren – auf die systematisierende Funktion abstellt und man das Regressverbot einerseits, die praktisch unbedeutende Fahrlässigkeitshaftung andererseits (vgl. A. II. 2. f), S. 226 ff.) ausblendet; daher mutet das Zwischenresümee von NK/Schild Vor § 25 Rn. 4 doch allzu resigniert an, wenn er behauptet, dass sich Kommentierungen des § 25 StGB dann auf die in face-to-face-Verhältnissen geschehenden Gewaltdelikte beschränken können“ wird, 2070
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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bedeutsamen Bereich des Handeltreibens das Dilemma der fehlenden Systematisierbarkeit2078 auf Ebene der Beteiligungslehren fort, da sich ein restriktives Täterverständnis mit einer derart extensiven Auslegung bzw. allumfassenden Tathandlung des Handeltreibens nicht vertragen kann. Bei einer konsequenten Anwendung der Abgrenzungslehren gelangt man zu einer „faktischen Einheitstäterschaft“ 2079, die das deutsche Strafrecht sonst nur im Bereich der Fahrlässigkeitshaftung anerkennt.2080 Somit ist jeder, der gegen Entgelt eigennützig mit Drogen umgeht, Täter, Mittäter und mittelbarer Täter innerhalb des illegalen Drogenmarkts. Dies schlägt sich darin nieder, dass den Lehren zur Mittäterschaft und mittelbaren Täterschaft als solchen in Relation zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme eine marginale Bedeutung zukommt. Will man die Abgrenzung zumindest „auf dem Papier“ erhalten, muss man sich also entweder vom Tatbestand lösen und auf das tatrichterlich festgestellte Geschehen abstellen2081 oder fast ausschließlich den inneren Willen der Beteiligten für maßgeblich erachten (wobei sich diese Bewertung dann meist auf eine hierarchische Betrachtung reduziert). Dies führt i. Ü. auch zu dem seltenen – wenn auch nicht singulären – Phänomen, das ein und dasselbe Verhalten einerseits als Teilnahmehandlung (Beihilfe zum Handeltreiben), andererseits als täterschaftliche Handlung (Einfuhr) bewertet werden kann bzw. sogar muss.2082 Das beschriebene „Wechselspiel“ zwischen Tatbestandsauslegung und Beteiligtendogmatik bleibt insofern – wie aus den Formulierungen in BGHSt 50, 252 hervorgeht2083 – auch im Konstrukt der h. M. erhalten, nur muss man nun negativ „die für die altmodischen ,Rechtstreuen‘ im Mittelpunkt stehen.“ Doch ist ihm absolut zuzustimmen, wenn er in der Begrifflichkeit des „restriktiven Täterverständnisses“ eigentlich nur eine Umschreibung für eine „restriktive Auslegung eines Tatbestands“ sieht, die erforderlich ist, sobald der Gesetzgeber nicht seiner Pflicht nachgekommen ist, Tatbestände i. S. e. rechtsstaatlichen Strafrechts konkret abzufassen, vgl. NK/Schild § 25 Rn. 20 f.; auch Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 204 betont, dass im ersten Schritt der „Gesetzgeber den Schlüssel in der Hand hält, die Tür zur Einheitstäterschaft . . .zu öffnen“. 2078 Dieses „Dilemma“ wurde bereits bei den Versuchslehren ausführlich beschrieben und dargestellt, vgl. 3. Teil C. V. 2., S. 479 ff. 2079 Roxin TuT, S. 618; LK/Schünemann Vor § 25 Rn. 15 (weitgehend „eingeebnet“). 2080 Ebenso gilt ein einheitlicher Beteiligtenbegriff im Ordnungswidrigkeitenrecht. Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 207 f. zieht § 29 I Nr. 1 BtMG als typisches Beispiel für eine gesetzgeberisch angelegte Einheitstäterschaft heran, doch nennt er auch zahlreiche weitere Erscheinungsformen der Einheitstäterschaft im deutschen Strafrecht, die das „klassische Strafrecht“ betreffen, vgl. S. 209 ff. 2081 Bezugspunkt der „Tatherrschaft“ wird somit vollkommen systemwidrig nicht mehr der gesetzlich umschriebene Tatbestand, sondern der prozessuale Tatbegriff i. S. d. § 264 StPO bzw. das „Gesamtgeschäft“; zu dieser Abgrenzung noch ausführlich 3. Teil D. III. 2., S. 577 ff. 2082 BGH StV 2003, 279. Gleiches gilt auch für den Besitz (Täter gem. § 29 I Nr. 3 BtMG, Teilnehmer als Kurier zum Handeltreiben). 2083 Vgl. bereits 3. Teil C. IV. 1. c), S. 433 ff. sowie C. V. 2., S. 482.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
formulieren, dass die Beteiligungsformen eher ergebnisorientiert zugewiesen, ergo „instrumentalisiert“ werden, um ein ggf. nicht hinnehmbares Ergebnis2084 wieder zu korrigieren. Die h. M. hat sich hier schon längst hinter einem Schleier versteckt, den sie als „normative Gesamtschau“ bezeichnet. Diese löst sich von den anerkannten Abgrenzungskriterien zwischen Täter und Teilnehmer und beantwortet die Frage, ob ein Betäubungsmitteldelinquent als Täter oder Teilnehmer zu qualifizieren ist, danach, ob der Beteiligte eine Milderung nach § 27 II StGB tatsächlich „verdient“ oder nicht.2085 So kehrt sich die oben beschriebene Funktion des § 27 II StGB um. Aus dem ursprünglichen rechtlichen „Zugeständnis“ (Milderung für eine Strafbarkeitserweiterung) wird ein „Lippenbekenntnis“ (Milderung einen für grundsätzlich zu weit geratenen Tatbestand bzw. ein zu extensives Tatbestandsverständnis2086). Insofern kann diesem Abschnitt nur noch die Funktion zukommen, dieses „Lippenbekenntnis“ nochmals genauer zu analysieren und darzulegen, in welche Widersprüchlichkeiten sich die h. M. betreffend der Beteiligungsformen begibt und inwiefern diese „Rechtsfolgenlösung“ über § 27 II StGB2087 nichts mehr mit Dogmatik i. S. d. der Beihilfelehren zu tun hat.2088 Dementsprechend setzt sich das bei den Deliktsverwirklichungsstufen dargestellte Phänomen der „drei Paralleluniversen“ fort:2089 Das eigentümliche, praktisch überragende Handeltreiben als multiples Tätigkeitsdelikt, bei dem die h. M. eine Abgrenzungsdogmatik behauptet, obwohl solch eine nicht existiert; die konkretisierten Tätigkeitsdelikte, bei denen die Abgrenzung keine Schwierigkeiten bereitet, aber mangels praktischer Bedeutung kaum eine Rolle 2084 Gemeint ist das Ergebnis, bei dem man trotz „gefühlter“ Teilnahme zur Täterschaft gelangt. 2085 Diese Abgrenzungsfragen stellen sich vornehmlich bei fremdnützigem Verhalten, sprich (Fremd)umsatzbezogenheit. 2086 Die Umfunktionierung der §§ 26, 27 in „Einschränkungsinstrumente“ ist ein typisches Signal für ein extensives Täterverständnis, vgl. Sch/Sch/Heine Vor § 25 Rn. 8. Hieraus wird deutlich, dass sowohl die Entwicklung eines restriktiven als auch extensiven Täterbegriffs von der Fassung des Tatbestands abhängig sind. Hat der extensive Täterbegriff aufgrund der unbestimmten Tatbestandsfassung einen guten „Nährboden“ (was insbesondere bei multiplen Tätigkeitsdelikten der Fall sein dürfte), muss er durch eine restriktive Interpretation „bekämpft“ werden, d.h. der Rechtsanwender steht in der Pflicht. Hat der Gesetzgeber dagegen „sauber gearbeitet“, kann sich ein extensiver Täterbegriff nur durch eine extensive Auslegung durch Tatgerichte entwickeln; zu diesem unmittelbaren Zusammenhang vgl. schon Fn. 2077 in Teil 3. 2087 Damit ist im Folgenden gemeint, dass die Rechtsprechung eine Beihilfe nur annimmt, weil sie es im Hinblick auf die Gesamtumstände für angemessen hält, die Rechtsfolge des § 27 II StGB anzuwenden. Dies ist (in Relation zu anderen „Rechtsfolgenlösungen“ des BGH, beispielsweise im Bereich der verfassungskonformen Auslegung des § 211 StGB) problematisch, da der Tatbestand eigentlich den Rechtsanwender dazu zwingt, jeden als Täter zu behandeln, sodass man eine Differenzierung auf der Rechtsfolgenseite als systematischen Bruch bewerten muss, vgl. Volk, FS-Roxin, 2001, S. 563 ff. (565) sowie Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 204. 2088 Ausführlich 3. Teil D. III. 2. d), S. 591. 2089 3. Teil C. I. 1., S. 395 sowie C. I. 2. b) cc), S. 403 f.
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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spielt und die Erfolgsdelikte, die einer systematisch stimmigen Abgrenzung zumindest im ersten Schritt „zugänglicher“ sind. Im Unterschied zum vorherigen Kapitel handelt es sich allerdings bei den Lehren von Täterschaft und Teilnahme um ein grundsätzlich fehleranfälligeres Terrain.2090 Im Vergleich zum Versuchsbereich2091 lässt der Schleier der „normativen Betrachtung“ a priori viel mehr Spielraum übrig2092 als die Definition vom unmittelbaren Ansetzen, was schnell den falschen Eindruck vermitteln kann, dass man sich auch bei deutlicher konturierten Tatmodalitäten (wie der Einfuhr, dem Besitz oder dem Anbau) von klaren Abgrenzungskriterien bzw. von einem „restriktiven Täterverständnis“ lösen darf, obwohl man dies nicht muss.2093 Ehe man sich versieht, hat man sich dann rechtsentwicklungstechnisch auf das Datum des 19.02.1940 zurückmanövriert (dem Tag der berüchtigten „Badewannenfall“Entscheidung des Reichsgerichts2094). Aus diesem Grund soll der Gang der Darstellung „umgekehrt“ werden. Vorangestellt werden die praktische Bedeutung und die damit verknüpften, wichtigsten Problemstellungen der einzelnen Beteiligungsformen überhaupt (II.). Erst im Anschluss, oder besser „zum Schluss“ gilt es auf die eigentliche Abgrenzung zwischen den Beteiligungsformen einzugehen (vgl. III.). Auch hier ist die Darstellung „umgekehrt“, weil das Handeltreiben als multiples Tätigkeitsdelikt zuerst abgehandelt wird, um im Anschluss zu demonstrieren, welche Wirkung eine ausschließlich kasuistische Betrachtungsweise2095 auf Modalitäten haben kann, bei denen eine Abgrenzung ohne Weiteres durchführbar erscheint (III.). Dabei sei von vornherein eingeräumt, dass es ähnlich wie bei der „Verschmelzung von Vorbereitung, Versuch und Vollendung“ sicherlich keine neue 2090 Was mitunter der Grund dafür ist, dass die von der h. M. zugrundegelegte Lehre von der Tatherrschaft und dem dualistischen Beteiligungssystem wieder mehr und mehr in Frage gestellt wird, aus neuerer Zeit allen voran Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 482 (vgl. das Gesamtergebnis bzw. die wesentlichen Thesen und Ergebnisse, ab insbesondere These 9–12), vgl. bereits Fn. 28 in der Einleitung und Fn. 2080 in Teil 3. 2091 Zum denkbaren Einwand einer ebenso unübersichtlichen „Versuchskasuistik“, vgl. bereits 3. Teil C. I. 2. b) bb), S. 402. 2092 Vgl. Lackner/Kühl Vor § 25 Rn. 5 („Unsicherheit der Anknüpfung“); Kühl AT § 20 Rn. 35 („unberechenbar“); siehe hierzu noch 3. Teil D. III. 1., S. 573 sowie D. II. 2. d), S. 591 f. 2093 Dabei kann vorweggenommen werden, dass der Abgrenzung im Betäubungsmittelstrafrecht selbst in den „allgemeinen“ Lehrbüchern und Kommentaren stets eine „eigene Randnummer“ gewidmet wird, vgl. nur NK/Schild § 25 Rn. 36 („vor allem im Betäubungsmittelrecht“); Sch/Sch/Heine Vor § 25 ff. Rn. 94; LK/Schünemann § 25 Rn. 20; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 15.1; SSW/Murmann § 25 Rn. 44; Kühl AT § 20 Rn. 35. 2094 RGSt 74, 84; vgl. hierzu Hartung JZ 1954, 430; vom BGH einmalig im Staschynskiy-Fall fortgeführt, BGH NJW 1963, 355. 2095 Diese ist im Konstrukt der h. M. wohl zwingend, vgl. noch 3. Teil D. III. 2. d), S. 591.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Erkenntnis darstellt, dass die Beteiligungsformen („zugunsten“ der Täterschaft) umso mehr verschwimmen, „je abstrakter die Rechtsgüter und Tathandlungen formuliert werden“ bzw. „je mehr es um organisationsbezogene Phänomene geht“.2096 Insofern fällt diesem Abschnitt mehr als diese Feststellung zu, nämlich die rechtstatsächlichen Gefahren solch eines „schleichenden Nivellierungsprozesses“ 2097 darzustellen.2098 Nun mag man in diesem Zusammenhang einwenden, dass es selbst im Rahmen einfach strukturierter Tatbestände bis heute noch nicht gelungen ist, für jeden Fall zufriedenstellende und zugleich präzise Abgrenzungskriterien festzulegen.2099 Doch hier gelten die Überlegungen, die bzgl. des in seinen Details ebenfalls „einzelfallbezogenen“ unmittelbaren Ansetzens angestellt wurden, umso mehr:2100 Die „unvermeidlichen Randunschärfen“ 2101 und die bereits bei klassischen Delikten wie den §§ 212, 223, 303, 242 StGB u. U. angewandte „wertende Gesamtbetrachtung“ dürfen nicht den Blick dafür trüben, dass für jeden Tatbestand eigenständige Präzisionsmaßstäbe diesbezüglich gelten. Das auf den ersten Blick vernichtende Prädikat, wonach die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme innerhalb eines bestimmten Tatbestands nach einer „normativen“ Gesamtschau erfolge, ist letztlich nichtssagend (sodass m. E. auch eine pauschale Kritik2102 diesbezüglich nicht greift): Entscheidend bleibt schließlich, ob innerhalb dieser – von der Rechtsprechung wohl als unvermeidbar angesehenen – Gesamtschau mehr oder weniger fassbare Kriterien existieren, deren Gewichtung 2096
Sch/Sch/Heine Vor § 25 Rn. 10a; vgl. auch SSW/Murmann § 26 Rn. 44: „Die neuere Rechtsprechung sieht die Gefahr einer faktischen Einheitstäterschaft und will deshalb zunehmend lediglich für den Transport angeheuerte Kuriere [. . .] als Gehilfen einstufen, [. . .] was freilich mit dem Grundsatz, dass die Tatbestandserfüllung die Täterschaft umschreibt nicht in Einklang zu bringen ist.“ 2097 Der Gesetzgeber kann diesem Nivellierungsprozess nicht nur durch die Schaffung extrem unbestimmter Tathandlungsbeschreibungen Vorschub leisten, sondern auch durch das offene Bekenntnis, typische Teilnahmehandlungen als gesetzlichen Tatbestand auszugestalten (man denke im Kernstrafrecht an das Absatzhelfen bei § 257 StGB, im Betäubungsmittelstrafrecht den § 29 I Nr. 12 BtMG oder § 30a II Nr. 1 BtMG). Solch ein „unverblümtes“ Vorgehen hat wenigstens den Vorteil, dass man die Lehren zur Teilnahme dann unmittelbar auf den Tatbestand übertragen kann, etwa die Überlegungen zum „omnimodo facturus“ bei § 30a I Nr. 1 BtMG, vgl. noch 3. Teil D. II. 2. b) bb), S. 551. 2098 Zumal das Betäubungsmittelstrafrecht kein „modernes Strafrecht“ darstellt, aber in seinen Strukturen teilweise sogar viel weiter geht als das, wofür dieser Begriff steht. Wenn dieses Gebiet einen wesentlich längeren Rechtsentwicklungsprozess hinter sich hat, als beispielsweise ein § 265b StGB, werden sich auch forensisch verlässlichere Aussagen hinsichtlich den Folgen derartiger Tatbestandsstrukturen im Bereich der Lehren zu Täterschaft und Teilnahme machen lassen. 2099 Und wohl niemals gelingen kann. 2100 Vgl. 3. Teil, C. I. 2. b) bb), S. 402. 2101 Vgl. SSW/Momsen Vor § 25 Rn. 12. 2102 Zur (nicht pauschalen) Kritik LK/Schünemann § 25 Rn. 30; Herzberg JZ 1991, 856 (861).
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und Beziehung zueinander klar und deutlich abgesteckt ist. Insofern bleibt für eine im Sinne des Art. 103 II GG bestimmte Rechtsanwendung eine möglichst präzise Abgrenzung das Ziel; inwiefern dieses erreicht wird bzw. werden kann, muss für jeden Einzelfall gesondert festgestellt werden.
II. Die unterschiedlichen Beteiligungsformen und ihre praktische Bedeutung für das Betäubungsmittelstrafrecht Dem deutschen Strafrecht wurde im Bereich der vorsätzlichen Straftat – wie bereits angedeutet – ein dualistisches Beteiligungssystem zugrundegelegt, das zwischen drei Täterschaftsformen (Alleintäterschaft gem. § 25 I Var. 1 StGB, mittelbare Täterschaft gem. § 25 I Var. 2 StGB und Mittäterschaft gem. § 25 II StGB) sowie zwei Teilnahmeformen (Anstiftung und Beihilfe, §§ 26, 27 StGB) differenziert.2103 Diese Unterscheidung muss man im Bereich der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit als Konsequenz der limitierten Teilnehmerakzessorietät 2104 aufgeben.2105 Bei einer fahrlässigen Verwirklichung von Betäubungsmitteldelikten (§ 29 IV BtMG) gilt folglich ebenso wie bei den §§ 222, 229 StGB das Prinzip der Einheitstäterschaft. 2106 1. Formen der Täterschaft a) Alleintäterschaft und Nebentäterschaft Von einer unmittelbaren (Allein)Täterschaft gem. § 25 I Var. 1 StGB als „Grundfall“ der täterschaftlichen Begehung eines Tatbestandes ist auszugehen, wenn der Täter sämtliche objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht und ihm diese Verwirklichung als begangene Tatbe2103 Ob man aufgrund der ganz und gar unterschiedlichen Voraussetzungen, Charakteristika und Rechtsfolgen zwischen Anstiftung und Beihilfe von einer Dreiteilung der Beteiligungsformen, vgl. Roxin AT II § 25 Rn. 1 (oder eben nur von einem „dualistischen System“) sprechen will, ist letztlich nur eine terminologische Geschmacksfrage, da der Terminus unterschiedliche Parameter betrifft, siehe auch Fn. 2188 in Teil 3. 2104 Diesen „Selbstverständlichkeiten“ gingen vor der Neuregelung der Beteiligtenlehre durch das 2. StrRG im Jahre 1976 rechtstheoretische Grundsatzfragen voraus, insbesondere die gesetzgeberische Disponibilität der Teilnehmerakzessorietät betreffend, vgl. Hruschka ZStW 110 (1998), 581 (603), der auf die Konstellation des Nötigungsnotstands verweisend den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit verletzt sieht, da die limitierte Teilnehmerakzessorietät bei schuldlos agierenden Vordermännern dazu führen kann, dass der „Verursacher“ (nicht im Sinne eines kantianischen Freiheitsbegriffs) sowohl als mittelbarer Täter als auch als Anstifter in Betracht kommt. 2105 Roxin AT II § 25 Rn. 8. 2106 So auch im Ordnungswidrigkeitenrecht, vgl. § 14 OWiG, welcher auch im Betäubungsmittelstrafrecht Geltung beansprucht, insbesondere dem § 32 BtMG, zum Ganzen Körner/Patzak § 32 Rn. 1 ff.; Weber § 32 Rn. 1 ff.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
standshandlung zugerechnet werden kann. Dieses „Eigenhändigkeitsprinzip“ 2107 i. S. d. § 25 I Var. 1 StGB hat positiv abgrenzenden Charakter und es ist interessant zu beobachten, ob die Rechtsprechung diesen Grundsatz innerhalb des Betäubungsmittelstrafrechts durchhält bzw. durchhalten kann.2108 Soweit mehrere Beteiligte den gemeinsam abzuwendenden Erfolg jeweils für sich in zurechenbarer Weise verwirklichen, spricht man von Nebentäterschaft,2109 die als Erscheinungsform der Beteiligung bereits im Kernstrafrecht eine absolute Ausnahme darstellt und in einem kollektivrechtsgutsschützenden „Umgangsverbotsstrafrecht“ erst recht seltener vorkommt. Betroffen im BtMG wäre nur das Erfolgsdelikt der Einfuhr. Man stelle sich die Situation vor, dass ein Dritter im Koffer eines Ehepaars am Flughafen Rauschgift versteckt. Falls keiner der beiden Ehegatten das Gepäck vor dem Check-In überprüft (obwohl massive Verdachtsmomente bestehen2110), machen sie sich einer nebentäterschaftlich verwirklichten, fahrlässigen Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar; doch macht der Fall deutlich, dass diese Zuweisung letztlich nur von terminologischer Bedeutung ist.2111 Eine Nebentäterschaft ist auch im Bereich der vorsätzlichen Einfuhr denkbar, etwa wenn die Beteiligten zwar von ihrer gegenseitigen Einfuhrtätigkeit wissen und auch für den gleichen Auftraggeber arbeiten, die Ausführung ihrer Tat aber nicht im gegenseitigen (bzw. wechselseitigen) Interesse erfolgt und funktional nicht notwendig ist, wie etwa bei Körperschmugglern. So hat der BGH in einem einschlägigen Fall zu Recht entschieden, dass das Schuldmaß der „armen Schlucker“ nicht auch noch durch eine wechselseitige Zurechnung der eingeführten Mengen erhöht werden darf, nur weil die Täter gleichzeitig und in gleichartiger Begehungsweise denselben Deliktstatbestand erfüllten.2112 Da kei2107 H.M.: BGHSt 38, 315; OLG Stuttgart NJW 1978, 715; Freund AT § 10 Rn. 40; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 18; Gimbernat Ordeig ZStW 80 (1968) 932; Herzberg GA 1971, 1 (2); Kühl AT § 20 Rn. 22 f.; Sax ZStW 69 (1957), 412 (432); ders. JZ 1963, 329; vgl. auch Bloy GA 1996, 424. 2108 Vgl. zum Eigenhändigkeitsprinzip auch NK/Schild § 25 Rn. 2. 2109 v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 60; MK-StGB/Joecks § 25 StGB Rn. 289; LK/Schünemann § 25 Rn. 222; Fincke GA 1975, 161. Monographisch Murmann, Die Nebentäterschaft im Strafrecht, 1993. 2110 Zur Sorgfaltspflichtverletzung in derartigen Konstellationen 3. Teil A. II. 2. b) bb) (1), S. 201 f. 2111 LK/Schünemann § 25 Rn. 222; vgl. BGH NStZ 1994, 91, in dem die Vorinstanz in einem Fall der Belieferung mit Grundstoffen vollkommen verfehlt von einer Nebentäterschaft ausging, was durch den BGH als „Mittäterschaft oder Beihilfe“ korrigiert werden musste. 2112 Dies bedeutet allerdings nicht, dass bei Körperschmugglern stets nur eine Allein- bzw. Nebentäterschaft in Betracht käme, weil jeder die Drogen für sich transportiert. Schließlich hängt die gegenseitige Unterstützung nicht ausschließlich vom Transport als solchem ab und kann darüber hinaus auch im Vorbereitungsstadium erfolgen (etwa beim Einnehmen der Päckchen); denkbar ist schließlich auch, dass die „funktionale Stellung“ der Beteiligten dennoch 50/50 aufgeteilt ist, etwa wenn einer die Drogen schluckt und der andere diese mittels dieser Person mit seinem Wagen über die Grenze
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ner von ihnen das strafbare Tun des jeweils anderen in irgendeiner Weise gefördert und auch keine Handlungen vorgenommen hat,2113 in denen auch nur ein darauf gerichteter Wille zum Ausdruck gekommen wäre, müsse sowohl eine Mittäterschaft als auch eine jeweilige Gehilfenstellung ausscheiden.2114 Neben der direkten Zurechnung durch eigenhändige Tatbestandsverwirklichung lässt das StGB die täterschaftliche Zurechnung über zwei weitere „Umwege“ zu, einmal auf vertikale, einmal auf horizontale Art.2115 b) Mittelbare Täterschaft, § 25 I Var. 2 StGB Vertikale Verantwortungsprinzipien i. S. e. Über-Unterordnungs-Verhältnisses greifen bei der mittelbaren Täterschaft nach § 25 I Var. 2 StGB, wonach derjenige als Täter zu klassifizieren ist, wer die Straftat durch einen anderen begeht. Begriffslogisch setzt § 25 I Var. 2 StGB die Beteiligung von (mindestens) zwei Personen voraus, wobei sich das Konstrukt einer mittelbaren Täterschaft als Ausnahme vom Regressverbot (und in seinen „normativen Ausprägungen“ auch als Annäherung an das Prinzip der Einheitstäterschaft 2116) klassifizieren lässt. aa) Eigenhändige Delikte Dass eine gewisse Durchbrechung des Autonomieprinzips anerkannt ist, ergibt sich bereits im Umkehrschluss zur Existenz von eigenhändigen Delikten, bei denen die Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft von vornherein ausgeschlossen ist:2117 Die Tatbestandsbeschreibung muss indirekten (sprich vertikalen oder horizontalen) Zurechnungsprinzipien zugänglich sein, was die h. M. bei Delikten verneint, die schon begriffslogisch eine unmittelbare bzw. eigenhändige Vornahme der tatbestandlichen Handlung voraussetzen.2118
befördert. Dann wirken schließlich beide am Einfuhrvorgang kumulativ kausal mit, sodass es sachgerecht erscheint, eine Mittäterschaft „trotz des Alleingewahrsams“ des Körperschmugglers an den Drogen zu bejahen, vgl. hierzu BGH NStZ 2008, 471; zum Ganzen noch etwas ausführlicher 3. Teil D. II. 1. c) bb), S. 543 ff. 2113 BGH StV 1992, 160: „Die Beziehung, die zwischen ihren Taten bestand, erschöpfte sich darin, daß beide zusammen nach Bogota flogen, dort am selben Ort gleichzeitig Rauschgiftbehältnisse schluckten und mit demselben Flug nach Europa reisten.“ 2114 BGH StV 1992, 160; eine ganz andere Frage ist, inwiefern sich die Kuriere am Handeltreiben des gemeinsamen Auftraggebers beteiligen (dies rückt hier deswegen nicht in den Vordergrund, weil § 30 I Nr. 4 BtMG eine höhere Mindeststrafe als § 29a I Nr. 2 BtMG vorsieht). 2115 Sch/Sch/Heine § 25 Rn. 7; vgl. auch Kühl AT § 20 Rn. 6 („Erweiterung“). 2116 Rotsch ZIS 2007, 260; Volk, Roxin-FS, 2001, S. 563 ff. 2117 Gleiches gilt für die Mittäterschaft, vgl. SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 30. 2118 Siehe bereits 3. Teil A. IV. 2. b), S. 283.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Dabei darf man den Begriff der Eigenhändigkeit nicht mit dem des Sonderdelikts vermengen, auch wenn die Konsequenzen meist ähnlich sind.2119 Im Betäubungsmittelstrafrecht finden sich einige wenige Sonderdelikte2120, dagegen setzt kein einziges Delikt voraus, dass es persönlich durch den die unmittelbare Tatbestandshandlung vornehmende Person verwirklicht wird. Jedenfalls geht die h. M. hiervon aus2121 und hat mangels trennscharfer Abgrenzungskriterien2122 auch „leichtes Spiel“, was die Verneinung des eigenhändigen Charakters eines Delikts angeht.2123 Dies gilt für den praktisch wichtigen Begriff der Einfuhr von Betäubungsmitteln, bei der es m. E. – zumindest auf den ersten Blick – nicht vollkommen fern liegt, den Verhaltensunwert bzw. das Tatbild prägende Unrecht nur beim selbst transportierenden Täter als verwirklicht anzusehen.2124 Gesetzestechnisch würde dies die Erweiterung des Wortlauts der einschlägigen Vorschriften um die Wendung „Einführenlassen“ notwendig machen,2125 da sicherlich ein kriminalpoliti2119 Knüpft ein Delikt etwa an die Amtsträgerstellung, ist eine mittelbare Begehung durch den Nichtamtsträger unmöglich, Rengier AT § 10 Rn. 27. 2120 Siehe bereits 1. Teil C. II. 2., S. 59; insbesondere die Verfügungswechseltatbestände; allerdings ist bei den Abgabedelikten der strafbarkeitsbegründende Umstand die Verfügungsmacht des Täters, nicht hingegen seine Stellung als Arzt. Dies gilt wiederum nicht für das unerlaubte Abgeben aus Apotheken gilt, § 29 I Nr. 7 BtMG. 2121 Für das Beisichführen von Waffen wurde dies (m. E. zu Recht) explizit festgestellt, BGHSt 48, 189; hierzu auch BGH NStZ 2002, 601. 2122 SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 30. 2123 Man mag diese etwas provokative Formulierung verzeihen. Die Klassifizierung als eigenhändiges Delikt hat per se „restriktiven“ Charakter und wird damit innerhalb eines Strafrechtsgebiets, das sich durch seine extensive Ausgestaltung auszeichnet, zumindest denjenigen ein „Dorn im Auge“ sein, welche aufgrund der weitreichenderen Ermittlungsbefugnisse auf die extensive Ausgestaltung des BtMG bauen. Umgekehrt war der Versuch einiger „tapferer“ Strafverteidiger bei nicht vollkommen fernliegenden Tatbestandsumschreibungen, für einen Eigenhändigkeitscharakter zu plädieren, zum Scheitern verurteilt, insbesondere bei der Einfuhr, vgl. im Folgenden. 2124 Das Passieren der Grenze als besondere Überwindung, sowohl in psychologischer als auch psychischer Sicht, vgl. hierzu nochmals Fn. 1544 in Teil 3, was die besondere Hemmschwelle der Einfuhr betrifft. Physisch treten die exorbitanten Gefahren hinzu, die entweder aus dem Eskalationspotential (Gefahr bei Entdecktwerden), allerdings auch aus dem Transportvorgang selbst resultieren können (was insbesondere für Körperschmuggler gilt, zu den gesundheitlichen Gefahren für den Bodypacker Og˘lakcıog˘lu/Henne-Bruns/Wittau NStZ 2011, 71). 2125 Ähnlich wie bei den sonstigen eigenhändigen Delikten, bei denen das Ausklammern der mittelbaren Täterschaft als unbefriedigend empfunden wurde. Bei den §§ 153 ff. hatte sich der Gesetzgeber wenigstens die Mühe gemacht, diese Lücke gesetzlich zu schließen (§ 160 StGB) statt der h. M. eine Umdeutung des § 153 StGB in ein „nicht eigenhändiges“ Delikt abzunötigen (wobei es eine Frage der Perspektive ist, ob man sich „genötigt“ fühlt). Im Übrigen macht es – wie auch die Interpretationsschwierigkeiten rund um § 160 StGB belegen – einen gravierenden Unterschied, ob man die mittelbare Täterschaft über § 25 I Var. 2 StGB „begründet“ oder den Tatbestand schlicht anders definiert (wobei es eben methodisch harsch zu kritisieren ist, wenn der Rechtsanwender und nicht durch der Gesetzgeber die Definition erweitert); genau der-
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sches Interesse daran besteht, zwar nicht unbedingt den „Besteller“ wegen unerlaubter Einfuhr zu belangen, wohl aber denjenigen, der Dritte für seine Einfuhr von Rauschgift instrumentalisiert. Für die h. M. stellt sich dieses Problem nicht, da sie bereits mehrmals festgelegt hat, dass die Einfuhr kein eigenhändiges Delikt sei.2126 Dass sie implizit von einem Modell der mittelbaren Täterschaft in den Fällen ausgeht, in denen der Täter die Betäubungsmittel „verbringen“ lässt, hat sich aus den Ausführungen zum Versuchsbeginn ergeben, bei der sie die Dogmatik zum unmittelbaren Ansetzen des mittelbaren Täters intuitiv überträgt.2127 bb) Zur Redundanz der mittelbaren Täterschaft im Betäubungsmittelstrafrecht oder: Wenn es immer einen „Täter hinter dem Täter“ gibt In den Fällen des § 25 I Var. 2 StGB bedient sich der mittelbare Täter als „Hintermann“ eines Tatmittlers für seine Tatbestandsverwirklichung, der aufgrund eines Strafbarkeitsdefizits eine „Werkzeugqualität“ aufweist, sprich einem Messer, einer Kugel oder einer Bombe gleichgesetzt werden kann.2128 Zurechnungs- weil tatherrschaftsbegründend wirkt hierbei im klassischen Fall ein Strafbarkeitsdefizit beim Vordermann.2129 Dabei besteht bis heute noch keine Einigkeit darüber, welche Defizite innerhalb des strafrechtlichen Verbrechensaufbaus tatherrschaftsbegründend wirken sollen2130 (objektiv tatbestandsmäßiges Handeln,2131 fehlender Vorsatz,2132 gerechtfertigtes Agieren,2133 fehlende Schuldfähigkeit, entschuldigtes Handeln des Vordermanns2134). artige Tendenzen sind allerdings – wie sich noch zeigen wird – bei der Einfuhr zu erkennen, vgl. 3. Teil D. III. 3. a) aa) (2), S. 605 ff. 2126 3. Teil C. II. 1. a), S. 405 f. 2127 3. Teil C. II. 1. b) bb), S. 417 ff. 2128 Hinter dieser Formulierung kann u. U. nicht nur eine „Beschreibung“, sondern eine ganze Konzeption stecken, wenn man dem § 25 I Var. 2 StGB keine konstitutive (weil sie nicht eine die Strafbarkeit ausdehnende Zurechnungsregel darstellt und auch keine „Gesamttat“ konstituiert), sondern nur klarstellende Bedeutung insofern zukommen lässt, dass neben natürlichen Werkzeugen auch Menschen als „Werkzeuge“ eingesetzt werden können; so NK/Zaczyk § 25 Rn. 81; Dencker, FS-Lüderssen, 2002, S. 525 (534); Herzberg ZStW 99 (1987), 49 (74); Krack ZStW 110 (1998), 628 (632); Puppe, ZIS 2007, 234. 2129 Zum Ganzen Kühl AT § 20 Rn. 38 ff.; Bottke JuS 1992, 765 (768); Koch JuS 2008, 399 (400); Roxin AT II § 25 Rn. 45 ff. 2130 Zusammenfassend Rengier AT § 43 Rn. 6 ff.; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 21; zusammenfassend Koch JuS 2008, 399. 2131 Hierzu BGHSt 32, 38; zum qualifikationslos dolos handelnden Werkzeug Lackner/Kühl § 25 Rn. 14; Rengier AT § 43 Rn. 14; Roxin AT II § 25 Rn. 267 ff.; Zieschang, FS-Otto, 2007, S. 505 (517); MK-StGB/Joecks § 25 StGB Rn. 162 f. 2132 BGHSt 30, 363; 42, 67 (70); OLG München NJW 2006, 3364; hierzu ausführlich LK/Schünemann § 25 Rn. 80. 2133 Kühl AT § 20 Rn. 59; Sch/Sch/Cramer/Heine § 25 Rn. 28; Kudlich JuS 2000, L 49 ff. (zur mittelbaren Täterschaft durch Verursachung einer Notwehrlage).
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Diese punktuelle Betrachtungsweise – also die Diskussion an einzelnen Stufen des Verbrechensaufbaus – konnte nicht verhindern, dass man sich schnell von einer strikt an der strafrechtlichen Haftung des Vordermanns orientierten Sichtweise löste und stattdessen in den Mittelpunkt rückte, ob der Tatmittler aus rein faktischen Gründen „nach der Pfeife des Hintermanns tanzt“,2135 etwa weil er einem vermeidbaren Verbotsirrtum unterliegt,2136 er sich dem Hintermann schlicht unterwirft oder nur als ein kleines, „beliebig austauschbares Rädchen im Getriebe“ 2137 angesehen werden kann: Angesprochen ist damit der „Täter hinter dem Täter“, der als bestimmender Machthaber im Rahmen eines starr hierarchischen Apparates kraft „Organisationsherrschaft“ die Taten des Vordermannes beliebig lenken bzw. den weiteren Tatablauf beeinflussen kann.2138 Wenn man bereits in Betracht zieht, dieses Zurechnungskonstrukt auf grundsätzlich legal angelegte Betriebsorganisationen zu übertragen2139 (Stichwort „Geschäftsherrenhaftung“ 2140), so dürften über die grundsätzliche Anerkennung der „normativen Tatherrschaft“ und strafrechtlichen Haftbarmachung des „Schreibtischtäters“ 2141 im Bereich der Organisierten Kriminalität keine Zweifel mehr bestehen. Obwohl der illegale Drogenumsatz als Haupteinnahmequelle der Organisierten Kriminalität den geradezu prädestinierten Anwendungsbereich für diese normativ angelegte Täterextension auszumachen scheint,2142 wird die mittelbare Täterschaft (insbesondere kraft „normativer Tatherrschaft“) hier nicht angerissen, weil sie praktisch eine überragende Bedeutung hätte. Praktisch kommt der mittelbaren Täterschaft im Betäubungsmittelstrafrecht eher eine untergeordnete Rolle zu. Wie bereits erläutert, müsste man wohl davon ausgehen, dass sie allenfalls im Bereich der Einfuhr „ohne Verfügungsmacht“ zum Tragen kommt,2143 aber auch 2134
v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 26; Ellbogen/Wichmann JuS 2007, 114
(116). 2135 Anschauliche Beispiele zur umgangssprachlichen Werkzeugeigenschaft bei LK/ Schünemann § 25 Rn. 61. 2136 BGHSt 35, 347 („Katzenkönig“); Roxin AT II § 25 Rn. 76 ff. 2137 Kühl AT § 20 Rn. 73; Roxin AT II § 25 Rn. 107 spricht davon, dass der Vordermann „fungibel“ sei. 2138 BGHSt 40, 218; Roxin ZIS 2009, 565; ders. Krey-FS, 2010, S. 449 (458 ff.); zum Ganzen auch Ambos GA 1998, 226; Heine, JZ 2000, 920. 2139 v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 34. 2140 Wobei die mittelbare Täterschaft nur eine von vielen Vorschlägen darstellt, eine strafrechtliche Haftung des Geschäftsherren begründbar zu machen, zusammenfassend hierzu Kudlich/Og˘lakcıog˘lu Rn. 247 ff. 2141 Grundlegend Roxin, TuT, S. 242 ff.; krit. Radtke GA 2006, 350 ff.; Rotsch ZStW 112 (2000), 518 (526); Bosch, Organisationsverschulden, S. 226 ff.; Zazcyk GA 2006, 411. 2142 Vgl. auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 194. 2143 Weber Vor § 29 Rn. 181; vgl. auch Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 182; im Sachverzeichnis wird beim Begriff der mittelbaren Täterschaft lediglich auf die Einfuhr verwiesen. Patzak weist im Gegensatz zur Rechtsprechung zumindest darauf hin, dass es
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dort – wie dargelegt – nicht explizit.2144 Denkbar wäre eine mittelbare Täterschaft über die Einfuhrfälle hinaus, wenn sich die Tatherrschaft wie bei den Verbringungsverboten nicht aus der Tathandlungsherrschaft speist, sondern aus einer Wissensherrschaft bzgl. der Erlaubnis- bzw. Betäubungsmitteleigenschaft ergibt. Schon im Rahmen der Überlegungen zum Vorsatz wurden derartige „Instrumentalisierungsfälle“ dargestellt.2145 Für das Handeltreiben gilt indessen, dass der Gesetzgeber die Erfassung des Schreibtischtäters bereits über den Tatbestand selbst erreicht.2146 Darüber hinaus hat er Tatbestände in Bereichen kreiert, in denen der Täter den Abschluss eines Betäubungsmittelgeschäfts allenfalls mittelbar anvisiert oder in denen er Beteiligungshandlungen Dritter eigenständig erfasst, man denke an Finanziers und „Drahtzieher“, vgl. nur §§ 29 I Nr. 10, 11, 13 BtMG. Mit solch einer Methode „überspringt“ man die zusätzlichen Voraussetzungen, die für eine indirekte bzw. vertikale Zurechnung2147 erfüllt sein müssten.2148 Insofern sei die Notwendigkeit einer restriktiven Interpretation des Handeltreibens an dieser Stelle erneut postuliert, zumal man die in diesem Zusammenhang vorgebrachten kriminalpolitischen Bedenken zurückweisen kann: Wenn auch im ersten Schritt kein alleintäterschaftliches Handeln des Mafiapaten bzw. Großhändlers festgestellt werden könnte, wäre es jedenfalls im zweiten Schritt möglich, das in der Lehre entwickelte sowie von der Rechtsprechung anerkannte Instrument der normativen Tatherrschaft „als Notlösung“ heranzuziehen.2149 Man beachte: Selbst unter Zusich strukturell um Fälle der mittelbaren Täterschaft handelt, allerdings unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Ersten Senats, vgl. BGH v. 31.10.1989 – 1 StR 525/ 89, in der in einem Fall des Versteckens von Betäubungsmitteln in einem LKW ohne Wissen des Fahrers der Begriff der mittelbaren Täterschaft auch tatsächlich fällt. 2144 Dass hier Fragen der mittelbaren Täterschaft mit dem der Tatbestandsverwirklichung vermengt werden, ist begrifflich gesehen kritisch zu sehen, andererseits ein Beleg für die eingangs statuierte These, dass die Lehre vom Täter die Lehre von der Tatbestandsverwirklichung ist, vgl. Fn. 2072 in Teil 3; zum Ganzen auch Nestler, Transferdelikte, S. 358 ff. 2145 Man denke an das Deponieren, Besitzen, Transportieren für einen anderen ohne Wissen darum, dass es sich bei dem aufbewahrten Gegenstand um Rauschgift handelt, 3. Teil A. II. 1. d) bb), S. 188 ff. 2146 Bzw. der Rechtsanwender über dessen extensive Auslegung, vgl. auch Weber Vor § 29 ff. Rn. 180. 2147 Oder ggf. auch horizontale, vgl. im Folgenden. 2148 Dies führt prozessual zu einer Lockerung der tatrichterlichen Feststellungshürden im Einzelfall. 2149 Insofern ließe sich diese Überlegung in die Liste der widerlegten Einwendungen gegen eine einschränkende Auslegung des Handeltreibens einfügen, vgl. 3. Teil C. VI. 6., S. 502 ff.; damit sollte i. Ü. deutlich geworden sein, dass das Modell des „Täters hinter dem Täter“ schon für sich berechtigter Kritik ausgesetzt ist, die hier nicht in ihren Einzelheiten dargestellt werden kann. Doch erscheint es im Hinblick auf ein rechtstaatliches Strafrecht immer noch angemessener, erst im zweiten Schritt eine Extension vorzunehmen, da man diese dann auch begründen muss, als wenn man von Anfang an eine als „Einheitstäterschaftstatbestand“ kreierte Tatmodalität auch uneinge-
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grundelegung einer wesentlich bestimmteren Auslegung des Handeltreibens, wie hier vorgeschlagen,2150 wäre in den seltensten Fällen ein Rückgriff auf das teils kritisierte2151 Modell der normativen Tatherrschaft nolens volens erforderlich; schließlich wickelt auch der Großhändler Geschäfte ab, zumal die abgegebenen Erklärungen Anderer auf dem Markt ihm tatbestandlich (also nicht über § 25 II StGB2152) „zugerechnet“ werden können, solange die Erklärung als „seine“ angesehen werden kann.2153 c) Die Mittäterschaft gem. § 25 II StGB – Ein ähnliches Bild Das horizontale Verantwortungsprinzip ist in § 25 II StGB verankert, welcher bei gemeinschaftlicher Tatbegehung objektive Tatbeiträge der Beteiligten wechselseitig zurechnet, wobei diese „Lastenverteilung“ auf „zwei Säulen ruht“.2154 Subjektive Grundlage ist ein gemeinsamer Tatentschluss, der zugleich die Grenzen der Zurechnung markiert.2155 Darunter ist das ausdrückliche (u. U. allerdings auch stillschweigende) Einvernehmen zu verstehen, gemeinsam ein deliktisches Ziel zu verfolgen, wobei die h. M. einen „Einpassungsentschluss“ 2156 nicht ausreichen lässt.2157 Da rein faktisch gesehen auch bei der Mittäterschaft stets einer schränkt und ohne jegliches Problembewusstsein anwendet; a. A. Weber NStZ 2004, 66 (68). 2150 Zur erweiterten Vertragslösung samt Erklärungsdeliktscharakter, vgl. 3. Teil C. VI. 5., S. 495 ff. 2151 Zur Kritik siehe bereits Fn. 2141 in Teil 3. 2152 Jescheck/Weigend AT, § 62 II. 8., S. 607 wollen grundsätzlich in den Fällen des Organisationsherrschaft nicht über die mittelbare Täterschaft gehen, sondern die Handlungen des Tatmittlers über § 25 II StGB zurechnen; im Hinblick darauf, dass die vertikale Struktur der mittelbaren Täterschaft kaschiert wird; wohl zu Recht dagegen LK/ Schünemann § 25 Rn. 129 m.w. N. Man darf aber hierbei nicht aus den Augen verlieren, dass jene Kritiker gleichzeitig eine Mittäterschaft des Bandenchefs durch Beiträge im Vorbereitungsstadium für möglich erachten, soweit der Beitrag so große Bedeutung hat, dass er in mitbestimmender Weise in das Ausführungsstadium hineinwirkt. Damit sind im ersten Schritt zwei vollkommen unterschiedliche Fragen aufgeworfen, doch muss man sehen, dass die Bewertung, ob eher eine Mittäterschaft oder das Konstrukt des Täters hinter dem Täter in Betracht zu ziehen ist, auch von den tatsächlich-strukturellen Gegebenheiten innerhalb der Organisation abhängig sein wird (Einbindung des Gruppenoberhaupts in die Taten, Stellung und Befehlsgewalt, Anonymität etc.), vgl. auch Sch/Sch/Heine § 25 Rn. 62 a. E. 2153 Siehe hierzu noch 3. Teil D. III. 2. e) aa), S. 596 ff. 2154 LK/Schünemann § 25 Rn. 156. 2155 Weil sich aus diesem u. U. auch ergibt, ob eine bestimmte Handlung eines Beteiligten als nicht zurechenbarer Exzess zu bewerten ist; zum gemeinsamen Tatentschluss als „unverzichtbares Moment der Mittäterschaft“ Küpper ZStW 105 (1993), 295; ferner Puppe ZIS 2007, 234. 2156 Angesprochen sind Konstellationen, in der ein Beteiligter einseitig den Entschluss fasst, dem allein agierenden Täter „zuzuarbeiten“; einige Stimmen wollen solch eine „einseitige Mittäterschaft“ genügen lassen, wobei sich dann die wechselseitige Zurechnung in eine einseitige Zurechnung umwandeln müsste, vgl. nur Jakobs, FS-Herz-
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den Stein ins Rollen bringt und somit eine dem Anstifter vergleichbare Position als Hervorrufender des Tatentschlusses einnimmt, muss sich dieses „Hervorrufen“ in der Qualität dergestalt unterscheiden, dass die Begehung in „bewusster Koordination“ und als „funktional gleichberechtigter Partner“ erfolgt.2158 Damit ist man bei der zweiten, objektiven Säule des § 25 II StGB angekommen, der gemeinschaftlichen Tatbegehung. Gemeint ist ein über die rein zufällige kumulative Verursachung des Erfolges bzw. der Tatbestandsverwirklichung hinausgehendes arbeitsteiliges Zusammenwirken, wobei die größten Schwierigkeiten hier die Abgrenzung zum bloßen Gehilfen bereitet, der ebenfalls im Rahmen der Tatausführung anwesend ist und „Tatbeiträge“ i. w. S. leisten kann. Arbeitet man, wie die h. M. mit dem Kriterium der „funktionalen Tatherrschaft“, muss dem Beteiligten eine bestimmte, zur Tatherrschaft führende Funktion bei der Erreichung des tatbestandlichen Ziels zukommen.2159 Diese Feststellung beinhaltet bereits die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Anders gewendet: Wenn ein Tatbeitrag „von einigem Gewicht“ erforderlich sein soll, solch ein Tatbeitrag tatrichterlich auch festgestellt ist, so hat man damit bereits auch eine Abgrenzung zur untergeordneten Gehilfentätigkeit vorgenommen. aa) Mitwirkung im Vorbereitungsstadium Nach kritikwürdiger h. M. muss die Beteiligung nicht unbedingt im eigentlichen Ausführungsstadium der Tat (sprich nach Versuchsbeginn) erfolgen; vielmehr sollen Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium ausreichen, wenn der Beteiligte sein „Minus“ im Ausführungsstadium durch ein „Plus“ an Planung und Vorarbeit im Vorbereitungsstadium kompensiert.2160 Insofern wiederholt sich an dieser Stelle das Phänomen der Täterextension auf Ebene der Mittäterschaft. Oder anders formuliert: Was bei der mittelbaren Täterschaft die Anerkennung eines „Täters hinter dem Täter“ ist, ist bei der Mittäterschaft die Rechtsprechung zur Mitwirkung im Vorbereitungsstadium. Der vom BGH entwickelte Extensionsansatz überrascht jedenfalls aus pragmatischer Perspektive nicht, da das kriminalpolitische Bedürfnis der Erfassung von Hintermännern nicht von den strukturel-
berg, S. 397 ff.; krit. zum gemeinsamen Tatentschluss auch Derksen GA 1993, 163; Lesch ZStW 105 (1993), 271. 2157 BGHSt 37, 289; BGH NStZ 1994, 349; SSW/Murmann § 25 Rn. 36; Rengier AT § 44 Rn. 11; Lackner/Kühl § 25 Rn. 10; Seher JuS 2009, 1; v. Heintschel-Heinegg/ Kudlich § 25 Rn. 48. 2158 LK/Schünemann § 25 Rn. 173. 2159 LK/Schünemann § 25 Rn. 173. 2160 Im Folgenden als „Kompensationstheorie“ bezeichnet. Ständige Rechtsprechung BGHSt 11, 268 (271); 14, 128; 28, 346 (347 f.); 37, 289; 39, 381 (386). Zust. MKStGB/Joecks § 25 StGB Rn. 176; Otto Jura 1987, 246 (253); krit. Roxin TuT, S. 292 ff.; ders. JA 1979, 519 (522); Erb JuS 1992, 197; Herzberg JZ 1991, 859 ff.
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len Verhältnissen innerhalb der Organisation, Bande oder dem sonst irgendwie gearteten Zusammenschluss abhängt.2161 Nichtsdestotrotz bestehen Unterschiede, die man nicht übersehen darf:2162 Soweit man bestimmte Vorfeldhandlungen selbst im extensiven Konstrukt der h. M. ausklammerte,2163 können derart festgestellte Tätigkeiten eben als „Kompensationshandlungen“ zur Zurechnung nach § 25 II StGB führen, wenn ein gemeinsamer Tatplan festgestellt werden konnte.2164 Eine Zurechnung kraft normativer Tatherrschaft bleibt dagegen stets tatbestandsbezogen, d.h. sie setzt Tatherrschaft im Bezug auf die Tatausführung voraus.2165 Im Übrigen wiederholen sich die Muster, was die Bedeutung der „Zurechnungsnorm“ des § 25 II StGB im Betäubungsmittelstrafrecht „für sich“ angeht: Als solches braucht es keiner wechselseitigen Zurechnung im praktisch wichtigen Bereich des Handeltreibens, wenn jeder Einzelne bereits alleinstehend als Täter klassifiziert werden kann, ohne dass ihm „objektive“ Merkmale (beim Handeltreiben wäre dies nach h. M. irgendeine Tätigkeit!) zugerechnet werden müssten, zumal subjektive Merkmale, wie der Umsatzwille und der Eigennutz nicht wechselseitig zugerechnet werden können. Die wenigen – „außerhalb des Handeltreibens“ liegenden – Verfügungswechseldelikte stellen indessen Sonderdelikte dar, bei denen die Verfügungsmacht als besonderes subjektives Merkmal nicht wechselseitig zugerechnet werden kann. Praktische Relevanz kann § 25 II StGB im Betäubungsmittelstrafrecht daher nur in zwei Bereichen entfalten: Zum einen bei der Zurechnung von objektiven „Grundtatbestandsmerkmalen“, etwa bei den Verbringungstatbeständen. Hier muss man sich der Frage widmen, ob der die Einfuhr nicht eigenhändig verwirklichende Beteiligte (sprich der Beifahrer oder Besteller) „nur“ als Anstif2161 Also ob es sich eher um einen herrischen, anonymen oder gewaltträchtigen Hintermann (dann normative Tatherrschaft) oder einen grundsätzlich gleichberechtigten Partner handelt, der eben nur als „kluger Kopf“ im Hintergrund operiert (dann Mittäterschaft). 2162 Und zwar nicht nur in den dogmatischen Folgen, sondern auch in der dogmatischen Begründung: Insofern mutet es nur im ersten Schritt widersprüchlich an, sich einerseits für eine „normative Tatherrschaft“ auszusprechen, aber einer Mittäterschaft durch ein „Plus“ im Vorbereitungsstadium krit. gegenüberzustehen, wie beispielsweise Roxin, siehe Fn. 2160 und Fn. 2141 in Teil 3. 2163 Etwa das Anmieten eines Gewerberaums zum Zwecke des Anbaus von Cannabis oder der Ankauf von Grundstoffen, 3. Teil C. IV. 4., S. 472. 2164 Gleiches gilt für unterstützende Handlungen zum Zeitpunkt der Beendigung, soweit sie nicht selbst unter den Begriff des Handeltreibens fallen, da die h. M. eine sukzessive Beteiligung grundsätzlich anerkennt; siehe hierzu noch ausführlich 3. Teil D. III. e) bb), S. 598 f. m.w. N. 2165 Dies trifft nur für den BGH zu, der ein Interesse an der Tatplanverwirklichung für eine Zurechnung ausreichen lassen würde, während die Tatherrschaftslehre auch beim Ausführungsakt jedenfalls eine irgendwie geartete „Kontrolle“ über das Geschehen verlangen würde (wenn schon keine konkrete Mitwirkung erfolgt).
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ter2166 bzw. Gehilfe zu bestrafen ist oder eben auch als Mittäter in Betracht kommt. Dann keimt auch die Frage auf, wann von einem Versuchsbeginn bei bloß vermeintlicher Mittäterschaft auszugehen ist.2167 Zum anderen hat § 25 II StGB in einem faktischen Einheitstäterstrafrecht die Funktion, objektive Strafschärfungsmerkmale zuzurechnen: Hierbei ist an die wechselseitige Zurechnung von Rauschgiftmengen2168 oder das Mitsichführen einer Waffe zu denken. bb) Wechselseitige Zurechnung von Rauschgiftmengen Von der „Menge“ der Betäubungsmittel hängt nicht nur die Verwirklichung der allermeisten Verbrechenstatbestände der §§ 29a ff. BtMG ab. Sie ist auch der zentrale Strafzumessungsaspekt,2169 was der Grund für das abwertende Prädikat der §§ 29 ff. BtMG als „reines Mengenstrafrecht“ 2170 sein dürfte.2171 Soweit eine mittäterschaftliche Begehung festgestellt wurde, sind die Teilmengen als „objektive Strafschärfungsmerkmale“ wechselseitig zurechenbar (und in diesem Zusammenhang besser formuliert „addierbar“), sodass es zu einer Überschreitung der Grenzmenge nach den §§ 29a I Nr. 2, 30 I Nr. 4, 30a BtMG kommen 2166 Bei den „Bestell-Fällen“ macht bereits der Umstand, dass man zwischen Anstiftung und Mittäterschaft abgrenzt, deutlich, dass es „nicht mit rechten Dingen zugeht“. Schließlich stehen sich normalerweise aufgrund der dargestellten vertikalen oder horizontalen Verantwortungsprinzipien Mittäterschaft und Beihilfe einerseits, Anstiftung und mittelbare Täterschaft anderseits gegenüber, vgl. noch ausführlich 3. Teil D. III. 3. a) aa) (2), S. 605 ff. 2167 Siehe hierzu bereits 3. Teil C. II. 1. a) cc), S. 411. 2168 Was nicht nur zu einer Strafrahmenverschiebung führen kann, sondern die Strafzumessung als solche betrifft, zum Ganzen Körner/Patzak Vor § 29 Rn. 178. 2169 Zur Bestimmung grundlegend Cassardt NStZ 1995, 257 (261 ff.), vgl. auch BGHSt 33, 133. 2170 Kreuzer DRiZ 1991, 173 („Straftax-Denken“); Kreuzer/Hoffmann StV 2000, 84 („juristische Mengenlehre“). 2171 Der Mengenbegriff hat als betäubungsmittelrechtliches Spezifikum ein wissenschaftliches Potential, das hier nicht im Ansatz ausgeschöpft werden kann, vgl. nur Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 228; Paeffgen, FS-BGH, 2000, S. 695 (727); Kreuzer ZStW 86 (1974), S. 379 (408); Johann/Johnigh StV 1987, 246 ff.; Endriß StV 1984, 258 ff. Beginnend bei den forensischen Schwierigkeiten bzgl. des Wirkstoffnachweises über strafprozessuale Fragen der Anforderungen an die Einführung und richterlichen Überzeugungsbildung, die Art und Weise der rechtlichen Bestimmung und Festlegung bis hin zu verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsfragen (insbesondere hierzu Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 240 m.w. N.) handelt es sich um ein Merkmal, das eine eigene Dissertation verdient, vgl. nur Cürten, Nicht geringe Menge, insbesondere zu den sprachlichen Unklarheiten, S. 113 ff.; in diesem Zusammenhang hätte sich der Gesetzgeber nicht derart angreifbar gemacht, wenn er „einheitlich“ vorgegangen wäre, sprich auch beim Mengenprinzip eine positive (und durch Verordnungen aktualisierbare) „Festlegung“ der Grenzwerte ermöglicht hätte; dann hätte man auch nicht das bis heute existente Phänomen (bzw. Problem) des „Nord-Süd-Gefälles“, vgl. hierzu Aulinger NStZ 1999, 111 ff.
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kann. Soweit der Besitz bzw. die Verfügungsmacht über die konkrete Menge als weiteres Tatbestandsmerkmal ausgestaltet ist (so etwa beim Besitz, Sichverschaffen und bei der Abgabe), hält die h. M. am „Sonderdeliktscharakter“ fest und verneint die Möglichkeit einer mittäterschaftlichen Zurechnung.2172 Beim Handeltreiben und bei der Einfuhr kann auf die abgekaufte bzw. insgesamt eingeführte Gesamtmenge abgestellt werden, wenn mehrere Mittäter gemeinsam eine größere Menge erwerben, um die Transportkosten zu reduzieren und den Einkaufspreis niedrig zu halten.2173 Werden beispielsweise bei zwei Angeklagten in jeweils zwei Wohnmobilen je 20 kg Heroin (50%) sichergestellt, so transportierten sie beide gemeinsam 40 kg Heroin; allerdings muss die Gesamtmenge vom gemeinsamen Tatplan bzw. vom Vorsatz umfasst sein.2174 Soweit eine bewusste und gewollte Zusammenwirkung bzw. gemeinsame Tatausführung festgestellt ist,2175 spielt es keine Rolle, wenn die transportierte Menge aus „Sicherheitsgründen“ aufgeteilt2176 und die Mittäter – einen zeitlichen Abstand einhaltend – das Rauschgift „Stück für Stück“ über die Grenze bringen. Mangels bewusster bzw. gewollter Zusammenwirkung ist aber nicht immer die objektiv gemeinsame Einfuhr maßgeblich, etwa wenn mehrere Beteiligte die Betäubungsmittel jeweils für sich einkaufen.2177 Ähnliches gilt, wenn die Drogen bereits am Einkaufsort aufgeteilt werden und die Beteiligten ihren Anteil an unterschiedlichen Stellen des PKW verstecken.2178 cc) Die Querelen rund um § 30a II Nr. 2 BtMG – Wechselseitige Zurechnung des Beisichführens einer Waffe oder eines sonstigen Gegenstands Auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit der absolut missglückten Vorschrift des § 30a II Nr. 2 BtMG, die einen Mindeststrafrahmen von nicht unter fünf Jahren anordnet, wenn der Täter u. a. beim Handeltreiben eine Waffe oder einen sonstigen Gegenstand bei sich führt, sei hier verzichtet, da der Strafschärfungsgrund des Mitsichführens gefährlicher Gegenstände während der Tatausführung (so auch beim Diebstahl gem. § 244 I Nr. 2 StGB) nur spezielle Delikte betrifft und somit als Materie des Besonderen Teils bezeichnet werden muss. Im Hinblick auf den Allgemeinen Teil soll an dieser Stelle nur nochmals klargestellt
2172
OLG Stuttgart NStZ 2002, 154; Körner/Patzak § 29 Teil 13 Rn. 67 ff. BGH StV 2003, 279; BGH NStZ-RR 2003, 57. 2174 BGH 04.09.1996 – 2 StR 299/96; vgl. auch BGH v. 03.12.1997 – 3 StR 599/97. 2175 Etwa in Form eines gemeinsamen Einkaufs oder gemeinsamen Transports. 2176 Vgl. Weber § 29 Rn. 841. 2177 BGH NStZ 1986, 56 (bei Schoreit); BGH StV 1992, 376. 2178 Hier soll es, was die Einfuhr angeht, am gemeinsamen Interesse fehlen, gerade diese Gesamtmenge einführen zu wollen. 2173
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werden, dass das Beisichführen wechselseitig zugerechnet werden kann, soweit die Voraussetzungen einer Mittäterschaft bejaht werden können und die Mitnahme der Waffe bzw. des Gegenstands keinen Exzess darstellt, der einer Zurechnung entgegenstünde. Soweit man vertreten will, das Delikt weise eigenhändigen Charakter auf (bzw. knüpfe an die subjektive Gefährlichkeit eines waffentragenden Dealers), hat dies den Hintergrund, dass die Vorschrift aufgrund ihres vertrackten Tathandlungsbezugspunkts „Handeltreiben“, relativ schnell zur Anwendung kommt.2179 Da diese Extension allerdings auch den Einzeltäter betrifft, erscheint es nicht sachgerecht, eine Restriktion in Mittäterschaftsfällen erreichen zu wollen (zumal es dann zu einem pauschalen Ausschluss des nicht waffentragenden Mittäters auch in Fällen kommt, in denen aufgrund der Gefährdung Dritter die Strafschärfung sachgerecht erschiene).2180 Zugriffsmacht und mittäterschaftliche Zurechnung sind getrennt voneinander zu beurteilen, d.h. ein Rückgriff auf § 25 II StGB ist nicht von Nöten, wenn der Täter eine Zugriffsmacht auf die Waffe hat, die beispielsweise sein Leibwächter bei sich trägt; hier kommt es nicht darauf an, ob der stets an der Seite des Dealers befindliche Bodyguard als Mittäter einzustufen wäre.2181 Entscheidend ist in diesen Fällen allein die Zugriffsmacht, also die Möglichkeit durch einen Befehl, sich die Waffe bzw. den Gegenstand aushändigen zu lassen.2182 dd) Exkurs: Bandenmitgliedschaft als persönliches Merkmal gem. § 28 II StGB Bezüglich der § 30 I Nr. 1 BtMG und § 30a I BtMG gilt es bzgl. des Allgemeinen Teils zumindest kurz als „Spezialfrage zur Beteiligung“ klarzustellen, ob es sich um ein objektives Merkmal handelt, sodass die Haftung des Teilnehmers streng akzessorisch zu bestimmen ist oder ob man von einem besonderen persönlichen Merkmal ausgehen muss, welches eine Akzessorietätsdurchbrechung gem. § 28 II StGB zuließe. Die Zuordnung liegt nicht eindeutig auf der Hand,2183 was auf die doppelte Schutzrichtung bzw. Legimitationsgrundlage des Bandenmerkmals zurückgeführt werden kann: Die Bandentat als solche bedeutet schließlich 2179 Insofern ist die Situation bei § 30a II Nr. 2 BtMG beispielsweise nicht im Ansatz mit der bei § 244 I Nr. 2 StGB vergleichbar, bei der die konkret beschriebene Handlung der Wegnahme den Tatbestand beschränkt, zu dieser Problematik BGH v. 21.09.2011 – 2 StR 286/11 m. Anm. Og˘lakcıog˘lu StV 2012, 411 ff., siehe bereits Fn. 106 in Teil 1, Fn. 1443, 1724, 2043 in Teil 3. 2180 Zu den Überlegungen, den Tatbestand einzuschränken Weider, Deal, S. 30; Zaczyk JR 1998, 254 (259) und Lenckner NStZ 1998, 257. 2181 BGHSt 43, 8; BGH StraFo 2003, 322. 2182 Vgl. hierzu auch Weber § 30a Rn. 137 ff. 2183 Zur im Einzelfall schwierigen Abgrenzung im Allgemeinen Wessels/Beulke, Rn. 558.
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schon eine erhöhte Gefährlichkeit für die geschützten Rechtsgüter,2184 weswegen die Überlegung, die Bandentat in den Mittelpunkt zu stellen und somit von einer akzessorischen Haftung auszugehen2185 nicht fernliegt.2186 Der BGH überträgt seine Rechtsprechung aus dem Kernstrafrecht auf das Betäubungsmittelstrafrecht ohne Einschränkungen bzw. Modifikationen; d.h. im Einklang zur Haltung i. R. d. § 244 I Nr. 1 StGB geht man davon aus, dass es stets auf die persönliche Stellung als Bandenmitglied ankomme und auch i. R. d. § 30 I Nr. 1 BtMG die Vorschrift des § 28 II StGB anzuwenden sei. Der nicht zur Bande gehörende Teilnehmer macht sich dann immer nur der Anstiftung bzw. Beihilfe am Grunddelikt strafbar (es sei denn, es wurden andere Qualifikationsmerkmale verwirklicht, etwa die §§ 29a I Nr. 1, 30 I Nr. 4 BtMG).2187 Dem ist zuzustimmen. 2. Formen der Teilnahme a) Grundsätzliches aa) Strafgrundtheorien Während man bei den drei Erscheinungsformen der Täterschaft nur die phänomenologische Art und Weise der Zurechnung umschreibt, unterscheiden sich die zwei Formen der Teilnahme grundsätzlich voneinander,2188 was sich auch in der Zweigliedrigkeit deren Legimations- bzw. Strafgrundtheorien niederschlägt. Nach heute wohl herrschender Auffassung ist das Unrecht der Teilnahme in der Herbeiführung oder Unterstützung der Tat des Vordermanns zu sehen.2189 Den 2184 Stichwort „Aktions- und Organisationsgefahr“, vgl. hierzu BGHSt 23, 239 (240); Fischer § 244 Rn. 33; NK/Kindhäuser § 244 Rn. 34; Volk JR 1979, 426 (428); zur Gruppendynamik BGH NStZ 2007, 33 (34); vgl. auch Schild GA 1982, 55 (76 ff.); Toepel ZStW 115 (2003), 68 ff.; Og˘lakcıog˘lu Jura 2012, 770 ff. Rengier, BT I, § 4 Rn. 90; Wessels/Hillenkamp BT II Rn. 270; gegen diese Legitimationspfeiler Altenhain ZStW 113 (2001), 128. 2185 Rengier BT I § 4 Rn. 106; Sch/Sch/Eser/Bosch § 244 Rn. 28; zweifelhaft BGH StV 1997, 594. Diese Auffassung ist systematisch angreifbar, da sie die Teilnahme an einem Delikt ermöglicht, das täterschaftlich nur im Bezug auf das Grunddelikt verwirklicht werden kann („gefühlsmäßig“ würde es sich dann aber eher um Fälle des § 28 I StGB handeln). 2186 So auch noch die frühere Rechtsprechung, vgl. BGHSt 6, 260 (261); 8, 205 (208), allerdings zum Schmuggel. 2187 BGHSt 46, 120 (128); BGH NStZ 2007, 526; Fischer § 244 Rn. 44; Schild GA 1982, 55 (83); SSW/Kudlich § 244 Rn. 37. 2188 Weswegen der dreigliedrige Beteiligungsbegriff Roxins dogmatisch mehr Aussagegehalt hat, als der dualistische Beteiligungsbegriff, siehe bereits Fn. 2103 in Teil 3. 2189 Roxin AT II § 26 Rn. 11 ff.; MK-StGB/Joecks vor § 26 StGB Rn. 3 ff.; Geppert Jura 2008, 34; Satzger Jura 2008, 514 (516 f.); anders noch die früher h. M., so genannte Schuldteilnahmetheorie, wonach der Teilnehmer den Täter „in Schuld und Strafe“ „verstricke“, vgl. v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 26 Rn. 2.1. m.w. N.; diese Auffassung ist mit dem heutigen Wortlaut des § 29 StGB, wonach jeder Beteiligter
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Begrifflichkeiten ist der Grund für die strikte Trennung zwischen dem Anstifter als „geistigen Urheber“ der vom Haupttäter begangenen Tat und dem „einfachen Gehilfen“ immanent (wobei sich dieser Unterschied rechtsfolgentechnisch in einer Milderung für letzteren nach § 27 II StGB niederschlägt). Gemeinsam ist den Legitimationsansätzen indessen, dass sie einerseits den eigenständigen Rechtsgutsangriff durch den Teilnehmer betonen (weswegen dessen Strafbarkeit auch nur bejaht werden kann, soweit das verletzte Rechtsgut auch ihm gegenüber geschützt ist2190), andererseits die akzessorische Haftung des Teilnehmers in den Vordergrund rücken. Die Teilnahme setzt stets eine vorsätzlich rechtswidrig begangene Haupttat voraus,2191 es sei denn der Gesetzgeber hat das phänomenologisch als typische Teilnahmehandlung zu qualifizierende Verhalten zu einem eigenständigen Straftatbestand erhoben. bb) Notwendige Teilnahme Bei allumfassenden Umgangsverboten ist neben der strafbarkeitsbeschränkenden Teilnehmerakzessorietät zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber u. U. auch so genannte „Begegnungsdelikte“ kreiert hat, die eine Mitwirkung eines Dritten tatbestandlich voraussetzen.2192 Bei diesen unter dem etwas missverständlichen „nach seiner Schuld ohne Rücksicht auf die des anderen“ bestraft wird nicht mehr vertretbar (die limitierte Teilnehmerakzessorietät setzt schließlich keine schuldhaft begangene Tat voraus). Weiter als die h. M. gehen etwa Schmidhäuser AT § 14 Rn. 57 und Lüderssen, Zum Strafgrund der Teilnahme, S. 117 ff., die in der Akzessorität eine reine Strafbarkeitsvoraussetzung sehen und den Teilnehmer als eigenständigen Angreifer auf das Rechtsgut sehen, vgl. hierzu zusammenfassend LK/Schünemann Vor § 26 Rn. 11; vgl. hierzu auch Heghmanns GA 2000, 473. Sowie Herzberg GA 1971, 1. 2190 Umgekehrt kann eine Strafbarkeitseinschränkung in Betracht gezogen werden, wenn er durch seine Teilnahmehandlung gar keine Rechtsgutsverletzung herbeiführen will, vgl. noch zum agent provocateur, 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff. 2191 Zur Akzessorietät der Teilnahme vgl. auch LK/Schünemann Vor § 26 Rn. 18 sowie Fn. 2104 in Teil 3; auch Erfolgsqualifikationen sind gem. § 11 I Nr. 2 StGB Vorsatztaten, sodass eine Anstiftung zur Verbrauchsüberlassung mit Todesfolge gem. §§ 30 I Nr. 3 BtMG, 26 StGB denkbar bleibt. Zur Teilnahme am erfolgsqualifizierten Delikt vgl. Kudlich JA 2000, 508. 2192 Im Unterschied zu den Konvergenzdelikten, bei denen mehrere „von derselben Richtung aus“ auf die Rechtsgutsverletzung hinarbeiten, wie etwa bei § 224 I Nr. 4 StGB, wirken bei den Begegnungsdelikten die Beteiligten aus entgegengesetzten Richtungen (und haben dementsprechend auch meist divergierende Interessen), vgl. hierzu Küper GA 1997, 301; eine jedenfalls mit Konvergenzdelikten vergleichbare Ausgangssituation liegt indessen beim Handeltreiben vor: Die Beteiligten am Drogenumlauf greifen bis zum Abschluss des Güterumsatzes allesamt dasselbe Rechtsgut von derselben Stoßrichtung aus an. Dabei ist im Unrecht des Handeltreibens bereits die Beihilfe in Form der Förderung der anderen Beteiligten (Kauf vom Produzenten, Ermöglichung des Weiterverkaufs durch Kleindealer) enthalten. Insofern darf man nicht die Haftung des Handeltreibenden auf deren Handlungen erweitern, mithin macht sich der Zwischenhändler nicht stets zusätzlich einer Beihilfe am Handeltreiben des Straßendealers strafbar.
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Topos der „notwendigen Teilnahme“ 2193 diskutierten Tatbestandskonstellationen geht die h. M. wohl davon aus, dass das Verhalten des notwendigen Teilnehmers (jedenfalls als Teilnahmehandlung) straflos bleibt, soweit sein Verhalten „das zur Tatbestandsverwirklichung Notwendige“ nicht überschreitet.2194 Dies betrifft, wie bereits bei den Überlegungen zur objektiven Zurechnung deutlich gemacht wurde,2195 vornehmlich die Verfügungswechseltatbestände. Der Erwerber von Koks „beteiligt“ sich denk-„notwendig“ an der Abgabe des Veräußerers, sodass man der Frage nachgehen könnte, ob der Erwerb eine Beihilfe zur Abgabe darstellt und umgekehrt. Das Problem entschärft sich, wenn – wie dies im BtMG der Fall ist – die „notwendige Teilnahmehandlung“ ihrerseits unter Strafe gestellt ist.2196 Um die Diskussion nicht vollkommen in der Luft hängen zu lassen:2197 Wenn der Gesetzgeber i. R. d. §§ 29 ff. BtMG jede erdenkliche Umgangsform unter Strafe gestellt hat,2198 kann man nicht davon ausgehen, dass er irgendwelche Handlungen hiervon als „typische Teilnahmehandlung zu einer anderen Haupthandlung“ eingestuft wissen wollte. Mithin bewertet er jede Umgangsform als eigenständigen Rechtsgutsangriff, sodass eine zusätzlich Teilnehmerhaftung fernliegt, wenn die Umgangsform des Beteiligten für sich zur täterschaftlichen Haftung führt.2199
2193 Zurückgehend auf Freudenthal, Die nothwendige Theilnahme am Verbrechen, 1901; zusammenfassend Magata Jura 1999, 246; zum Ganzen auch Gropp, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, S. 9 ff. 2194 Damit ist weniger gewonnen, als man auf den ersten Blick annehmen könnte, da der Gedanke der Straflosigkeit auf ganz und gar unterschiedlichen Aspekten fußt (Gesetzessystematik einerseits, akzessorischer Rechtsgüterschutz andererseits) und somit auch in den Fällen der „Überschreitung“ einschlägig sein, mithin eine Straflosigkeit trotz „Überschreitung“ angezeigt sein kann. Regelmäßig wird es sich um Fälle der Anstiftung zur Selbstbegünstigung handeln, die das Betäubungsmittelstrafrecht (bzw. dessen Begegnungsdelikte) nicht betreffen. Jedenfalls lässt man sich mit der Lehre von der Mindestbeteiligung stets ein kriminalpolitisches Hintertürchen offen, was im Hinblick auf Art. 103 II GG nur als „Übergangslösung“ bezeichnet werden kann, zum Ganzen Roxin AT II § 26 Rn. 52; LK/Schünemann Vor § 26 Rn. 29 m.w. N. 2195 Bzw. im Rahmen der Ausführungen zur Anwendung der Grundsätze der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, vgl. 3. Teil A. I. 3. d), S. 128 ff. 2196 Umgekehrt erhitzt sich die Diskussion, wenn es an einer eigenständigen Strafbarkeit des Teilnehmers fehlt, wie das Beispiel der Strafbarkeit der Nutznießer einer Gläubigerbegünstigung gem. § 283c StGB belegt, vgl. hierzu Magata Jura 1999, 253; Sch/ Sch/Heine § 283c Rn. 21. 2197 Sie muss bzgl. der Modalitäten, die unmittelbar auf den Konsum gerichtet sind, ohnehin ausgefochten werden, vgl. im Folgenden. 2198 Die Möglichkeit die „notwendige Teilnahmehandlung“ für sich zu kriminalisieren, wird im Übrigen häufig als Argument dafür vorgebracht, die Teilnehmerhaftung für sich eben einzuschränken; dies leuchtet ungeachtet systematischer Erwägungen zumindest insofern ein, als beide Beteiligte das „Rechtsgut“ gemeinsam angreifen, wenn auch von unterschiedlicher Stoßrichtung her und es daher nicht angemessen erscheint, einen der beiden Beteiligten als „Haupttäter“ in den Mittelpunkt zu stellen, vgl. aber Fn. 2199 in Teil 3. 2199 Dies ist nicht zwingend. Man könnte auch eine Zuordnung dergestalt vornehmen, Perpetuierungstatbestände – gemeint sind Handlungen, die auf das Weiterreichen
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Nur solch eine Betrachtungsweise verträgt sich auch mit den eingangs dargelegten Strafgrundtheorien der Teilnahme. Der Erwerber macht sich damit nicht zugleich einer Teilnahme an der Abgabe/Veräußerung des Dritten strafbar, wobei umgekehrt dasselbe gilt.2200 Dieses Prinzip ist in der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur und Kommentarliteratur anerkannt.2201 Dass die h. M. hierbei nicht von einer Konkurrenzlösung i. S. e. „Konsumtionslösung“ ausgeht, sondern von einer echten Straflosigkeit der Teilnahme, ergibt sich aus ihrer Haltung, soweit die Streitfrage entschieden werden muss. Dies ist bei denjenigen Begegnungsdelikten der Fall, die unmittelbar auf den Konsum gerichtet sind. Schließlich ist direktes Pendant der unmittelbaren Verbrauchsüberlassung oder Verabreichung nach § 29 I Nr. 6a, Nr. 6b BtMG der Akt des Konsums selbst, der für sich gesehen straflos ist:2202 Im einschlägigen Fall traf die Angeklagte einen ihr bereits bekannten Heroinabhängigen, der im gegenwärtigen Besitz von Heroin war. Beide kamen überein, dass er der Angeklagten eine Heroininjektion verabreichen sollte. Nach Aufsuchen einer öffentlichen Toilette ließ sich die Angeklagte das Rauschgift injizieren.2203 Nach Auffassung der Vorinstanz sollte dieses Verhalten als Beihilfe zur Verabreichung von Betäubungsmitteln strafbar sein, „weil dadurch der Verabreichende nicht nur zur Begehung einer Straftat verleitet, sondern bei ihm auch die Hemmschwelle verringert werde, anderen Heroininjektionen zu versetzen; dadurch entstehe für die Allgemeinheit eine Gefahr, der nur durch die Strafbarkeit der Beihilfe zur Verabreichung begegnet werden könne.“ Vollkommen zu Recht hat das KG die Entscheidung aufgehoben und angedeutet, dass man die gesetzgeberische Wertung den Konsum von Betäubungsmitteln straffrei zu lassen,2204 nicht über eine Teilnahme am veranlassten Eigenkonsum unterlaufen darf.2205 der Droge gerichtet sind – als größeres Unrecht und somit die Abgabe als „Haupthandlung“ gegenüber dem Erwerb zu qualifizieren. 2200 Indessen würde eine Beteiligung am Handeltreiben durch Erwerb zum Eigenkonsum wohl daran scheitern, dass der „Endverbraucher“ den Umsatz zum Abschluss bringt und somit nicht mit Fremdumsatzwillen agieren kann (bzw. er derjenige ist, der den Umsatz herbeiführt); krit. Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 209. 2201 Weber Vor § 29 ff. Rn. 210. 2202 Vgl. hierzu bereits 1. Teil B. III., S. 57 sowie 3. Teil A. III. 3. d) cc), S. 131 ff. 2203 Würde man nicht den Kontext kennen, wäre man nun sicherlich überrascht, dass hier von der und nicht dem Angeklagten die Rede ist. Dies nicht, weil Drogenkriminalität überwiegend Männern vorbehalten ist, sondern im konkreten Fall die Strafbarkeit des Drogendealers bzw. des Überlassenden näher liegt. 2204 Das KG betont in diesem Zusammenhang auch, dass bereits die Anknüpfungstat selbst (die Verabreichung von Betäubungsmitteln nach § 29 I Nr. 6b BtMG) eine tatbestandlich verselbständigte Teilnahme an einem als solchem nicht strafbaren Betäubungsmittelkonsum des Empfängers darstellt, vgl. KG JR 1991, 169. 2205 KG JR 1991, 169; an dieser Konstellation wird im Übrigen auch deutlich, dass die Wendung „notwendige Teilnahme“ doch etwas althergebracht ist und zumindest anfällig für Missverständnisse sein kann, da sie in gewissem Grade eine (strafbare) Beteiligungsform indiziert, obwohl letztlich nur die Erforderlichkeit einer Mitwirkung einer
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Bei einem derart umfassenden Tatbestand wie § 29 BtMG stellt es ein gewichtiges Argument dar, dass der Gesetzgeber es „in der Hand hätte“, die notwendige Teilnahme eigenständig zu pönalisieren. Es ist zu begrüßen, dass die Kommentarliteratur, u. a. Weber, die Überlegungen zur notwendigen Teilnahme konsequent fortführt und den durch die Strafvorschrift Geschützten auch dann aus dem Bereich der Teilnehmerhaftung nimmt, wenn dieser das Maß der notwendigen Mitwirkung überschreitet.2206 b) Anstiftung gem. § 26 StGB aa) Praktische Bedeutung Der Anstifter als geistiger Urheber der Tat, den § 26 StGB dementsprechend dem Täter gleichsetzt, führte bis vor kurzem noch ein Schattendasein im Betäubungsmittelstrafrecht. Die Gründe hierfür wurden eingangs bereits erläutert: Die h. M. bewertet „Anstiftungshandlungen“, etwa die Bestellung und Organisation von Kurieren, Chemikern, Chauffeuren, Straßendealern, Vermittlern, „Pushern“, welche ihrerseits die Drogen besitzen, verkaufen, herstellen, einführen sollen, als täterschaftliches Handeltreiben. Ein Rückgriff auf potentielle Anstiftungshandlungen ist obsolet, zumal andere „näher liegende“, täterschaftlich verwirklichte Teilakte festgestellt werden können. Dieser Effekt verstärkt sich, indem eine phänomenologisch ins Auge stechende Anstiftungshandlung, nämlich die Einbeziehung eines Minderjährigen zur Beteiligung am Drogenumlauf als täterschaftliche Qualifikation ausgestaltet ist, § 30a II Nr. 1 BtMG.2207 Die Trendwende durch BGHSt 50, 252 sowie BGHSt 51, 219 betrifft hauptsächlich die Beihilfe, allerdings ist im Bereich der unerlaubten Einfuhr in nicht geringen Mengen nunmehr eine Tendenz zu erkennen, wonach der BGH im Bereich der Abgrenzung von Mittäterschaft und Anstiftung um eine Sensibilisierung der Instanzgerichte bemüht ist.2208 Dementsprechend hob er in neuerer Zeit häufiger Urteile auf, in denen pauschal eine Mittäterschaft angenommen wurde, natürlichen Person für die Tatbestandsverwirklichung gemeint ist. Vielleicht sollte man daher lieber von notwendiger Mitwirkung sprechen. Der Begriff schließt eine Teilnahme nicht per se aus, man denke an die Teilnahme „nicht mitwirkender“ Dritte. 2206 Im Ergebnis zuzustimmen Weber Vor § 29 ff. Rn. 211. Als Beispiel nennt Weber die Anstiftung eines Minderjährigen zur Abgabe gem. § 29a I Nr. 2 BtMG. Damit ist eine Fallkonstellation angesprochen, über die man auch im Allgemeinen diskutieren könnte, da der „Jugendschutz“ als Universalrechtsgut nicht der Disposition (schon gar nicht des Minderjährigen selbst) unterliegt. Andererseits würde es merkwürdig anmuten, wegen Teilnahme an einem Delikt zu bestrafen, das diesen als Schutzobjekt im Auge hat. 2207 Dies hat den Vorteil, dass die Dogmatik zur Anstiftung, etwa die Definition des Bestimmens und die Überlegungen zum omnimodo facturus, schnörkellos übertragen werden können (der Wortlaut des § 30a spricht ebenfalls vom „Bestimmen“). 2208 Ausführlicher 3. Teil D. III. 3. a) aa) (2), S. 605 ff., sowie Fn. 2502.
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und änderte den Schuldspruch um, was als begrüßenswerter und wichtiger Schritt zur Konturierung der Lehren von Täterschaft und Teilnahme zu bewerten ist. Den Angeklagten interessiert diese Entwicklung nicht, wenn am Ende solch einer Entscheidung folgende Passage zu lesen ist: „Der Senat schließt aus, dass das Landgericht [die Strafe] milder bemessen hätte, wenn es – tateinheitlich zum Handeltreiben – statt von täterschaftlicher Einfuhr von Anstiftung zur Einfuhr ausgegangen wäre“.2209 bb) Objektive Voraussetzungen der Anstiftung: Bestimmen gem. § 26 StGB Zu den Voraussetzungen einer Anstiftung2210 gehört neben der teilnahmefähigen Haupttat zunächst die objektive Teilnahmehandlung in Form des Bestimmens eines anderen zur Tatbegehung, § 26 StGB. Das Bestimmen definiert sich gemeinhin als Hervorrufen des Tatentschlusses beim Vordermann,2211 wobei eine grundsätzliche Tatgeneigtheit des Angestifteten einem Bestimmen nicht entgegensteht.2212 War der Vordermann dagegen schon vor der Anstiftungshandlung bereits fest entschlossen zur Tatbegehung („omnimodo facturus“ 2213), gibt es keinen Stein mehr, den man ins Rollen bringen könnte, sodass nach strittiger Ansicht allenfalls eine versuchte Anstiftung2214 oder eine vollendete, psychische Beihilfe in Betracht kommt. Die Aufforderung muss sich – soweit der Anstifter nicht wie typischerweise eine individuelle Person kontaktiert – an einen bestimmten Personenkreis richten, aus dem der Anstifter den Täter zumindest ermitteln könnte. Die von ihm ins Auge gefasste Tat muss zumindest in ihren Umrissen als individualisiertes Geschehen erkennbar bzw. zumindest konkretisierbar sein.2215 Über die näheren Anforderungen an das Bestimmen bzw. das Hervorrufen des Tatentschlusses besteht Streit.2216 Die h. M. vertritt mit ihrer „Theorie des geistigen Kontakts“ einen vermittelnden Ansatz, wenn sie die Schaffung einer tatanreizen2209
So beispielsweise in einem aktuellen Beschluss v. 16.2.2012 – 3 StR 470/11, vgl. auch Fn. 2502 in Teil 3. 2210 Zusammenfassend Geppert Jura 1997, 299, 358; Krüger JA 2008, 492. 2211 RGSt 37, 171 (172); BGHSt 45, 373 (374); BGH NStZ 2001, 41 (42); zusammenfassend Krüger JA 2008, 492. 2212 Zum Ganzen Roxin, GS-Schröder, 1978, S. 145 ff. (154 ff.); LK/Schünemann § 26 Rn. 18; krit. Puppe GA 1984, 101 (117). 2213 BGH NStZ-RR 1996, 1; Rengier AT § 45 Rn. 33; v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 26 Rn. 15; Bock JR 2008, 143. 2214 Diese ist nur bei Verbrechen strafbar, § 30 I StGB. 2215 Zur Bestimmtheit der Anstiftungshandlung BGHSt 34, 63; BGH NStZ 1997, 234; NStZ 1998, 347; BGH JR 1999, 448; Lackner/Kühl § 26 Rn. 5; Wessels/Beulke Rn. 572. Man kann darüber streiten, ob es sich überhaupt um ein Problem der Anstiftungshandlung, als mehr um den Anstiftervorsatz handelt, vgl. Rengier AT § 45 Rn. 49; Geppert Jura 1997, 358 (359 f.); Kühl AT § 20 Rn. 188 ff.; Kretschmer Jura 2008, 265 ff.; Koch/Wirth, JuS 2010, 205 f. 2216 Zum Ganzen Fischer § 26 Rn. 4; vertiefend LK/Schünemann § 26 Rn. 2 ff.
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den Situation2217 nicht ausreichen lässt, andererseits aber nicht so weit geht, ein kollusives Verhalten in Form einer Solidarisierung mit dem Vordermann oder gar einen Unrechtspakt zu fordern.2218 Wenn auch der BGH vereinzelt schon bloße Ursächlichkeit für den Tatentschluss genügen ließ,2219 so kommt er regelmäßig zur Straflosigkeit, wenn der Täter bezüglich seiner kausalen Handlung keinen Vorsatz hat. Dennoch bleiben die restriktiven Ansätze in der Literatur – etwa das objektive Erfordernis einer geistigen Einwirkung – vorzugswürdig, weil sie bereits auf objektiver Ebene das Zurechnungsprinzip berücksichtigend ein gefahrschaffendes Moment verlangen, das in der Aufforderung zur Tatbegehung2220 gegenüber dem Täter zu sehen ist.2221 Das rechtlich missbilligte Risiko der Anstiftung ist nicht erfüllt, wenn der Täter (absichtlich) ein Tütchen Koks auf dem Tisch liegen lässt, damit der finanziell knapp bemessene Minderjährige das Rauschgift an sich nehme und gegen Entgelt veräußere. Denn unabhängig vom Vorsatz des Täters machen diese Konstellationen deutlich, dass der Minderjährige selbstständig auf die Idee hätte kommen können, dass Koks gegen Entgelt weiter zu veräußern. cc) Subjektive Voraussetzungen der Anstiftung: Doppelter Anstiftervorsatz Der Anstiftervorsatz ist ein „doppelter“, weil der Anstifter nicht nur hinsichtlich der Anstiftungshandlung (dem Bestimmen) vorsätzlich agieren, sondern auch die Begehung der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat in seinen Vorsatz aufnehmen muss.2222 Die zweite Vorsatzkomponente fungiert in der Rechtsprechung als haftungseinschränkendes Korrektiv, nicht nur, indem hohe Anforderungen an die „Bestimmtheit der Tat“ 2223 bzw. eben den Vorsatz diesbezüglich gestellt werden, sondern auch durch das Erfordernis, dass zwar eine Anstiftung zum Versuch denkbar ist, aber der Vorsatz des Anstifters sich stets auf die Vollendung der Tat richten muss. 2217 Oder anders formuliert: nicht jedwede Verursachung des Tatentschlusses durch ein beliebiges Mittel genügt, vgl. BGH GA 1980, 184; Heghmanns GA 2000, 473 (487); Hilgendorf Jura 1996, 9. 2218 Puppe NStZ 2006, 424; ähnlich restriktiv Jakobs AT § 22 Rn. 22; Köhler AT, S. 525 f. 2219 BGH GA 1980, 184. 2220 Diese Aufforderung kann ggf. auch konkludent erfolgen. 2221 Unmittelbar an diese Streitfrage knüpft zum einen das Problem, ob es eine „berufsbedingte Anstiftung“ geben kann, vgl. hierzu Kudlich, FS-Tiedemann, 2008, S. 221 ff. und ob als Bestimmungshandlung auch ein Unterlassen in Betracht kommt, vgl. hierzu BGH NStZ 1993, 489; MK-StGB/Joecks § 26 StGB Rn. 77; Fischer § 26 Rn. 43. 2222 Rengier AT § 45 Rn. 44; Wessels/Beulke Rn. 572; monographisch Ingelfinger, Anstiftervorsatz und Tatbestimmtheit, 1992. 2223 Demnach lassen unwesentliche Abweichungen den Anstiftervorsatz unberührt, zum Ganzen Satzger Jura 2008, 514 (520); Ingelfinger, Anstiftervorsatz und Tatbestimmtheit, S. 223.
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dd) Sonderproblem: Strafbarkeit des „agent provocateur“? Dies hat Folgen für den Agent Provocateur,2224 der durch eine Tatprovokation den polizeilichen Zugriff im Versuchsstadium ermöglichen will, sprich davon ausgeht, dass es niemals zur Vollendung des Tatbestands kommen werde.2225 Auch wenn eine objektive Bestimmungshandlung festgestellt ist, kann man so zur Straflosigkeit gelangen, da die Tat nach dem Vorsatz des agent provocateur im Versuchsstadium stecken bleiben soll. Dieser Ansatz führt allerdings nicht zum erwünschten Ergebnis,2226 wenn die Lockspitzel(vorbereitungs)tätigkeit bereits die Tatbestandsverwirklichung bedeutet bzw. Interessen der Strafverfolgung (Sicherstellung der Drogen und Festnahme des Rauschgiftdelinquenten), materielle Rechtsgutsbeeinträchtigung und formelle Tatbestandsverwirklichung auseinanderfallen.2227 Schließlich lassen sich nach h. M. bereits ernsthafte Verkaufsgespräche, durch die man den Dealer erst aus der Reserve lockt, als vollendetes Handeltreiben bewerten;2228 anders gewendet fallen hier Lockspitzelhandlung als „Anstiftungshandlung“ und „Verwirklichung des Tatbestands“ regelmäßig zusammen.2229 Da der BGH die Frage, ob ein V-Mann2230 der Vorschrift des § 4 II BtMG unterfällt, offen gelassen hat,2231 kommt eine Straflosigkeit zumindest nicht a priori in Betracht und es muss je nach Tatmodalität bzw. Fallkonstellation differenziert werden.2232 2224 Beim rechtmäßigen Einsatz verdeckter Ermittler gem. § 110a StPO braucht es dieses Kunstgriffs wegen § 4 BtMG nicht, vgl. bereits 3. Teil A. III. 4. a) bb), S. 252. 2225 Eine ganz andere Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen der Einsatz des V-Manns überhaupt rechtmäßig ist, und welche Folgen dies für die Zielperson hat (Verfolgungshindernis, Strafzumessung), vgl. hierzu Eschelbach, StV 2000, 390; Fischer/Maul NStZ 1992, 7; Lüderssen Jura 1985, 113. 2226 Wie bereits schon bei den Überlegungen zur Rechtfertigung heraufbeschworen 3. Teil A. III. 4. a) bb), S. 254 ff. 2227 Zur Strafbarkeit des Agent Provocateur monographisch Mitsch, Straflose Provokation strafbarer Taten, 1986; vgl. bereits Kohler GA 1955, 1; Maaß Jura 1981, 514; Plate ZStW 83 (1971), 294. 2228 Da der Zugriff erst im Moment der Abwicklung erfolgt, würde sich das Problem auch bei der hier konzipierten Definition zum Handeltreiben stellen, vgl. 3. Teil C. VI. 5., S. 495. 2229 Dies gilt nicht, wenn man mit Roxin oder Gaede einen Umsatzerfolg oder zumindest eine Umsatzgefahr als objektives Element fordern würde, vgl. 3. Teil C. VI., S. 486 sowie S. 488; dann könnte man davon ausgehen, dass sich der Vorsatz des agent provocateur weder als Täter noch als Teilnehmer auf ein „vollendetes“ Handeltreiben beziehe. 2230 Wobei die Eigenschaft als V-Mann nicht zwingend eine Tatprovokation beinhalten muss und man daher streng zwischen dem zulässigen Einsatz überhaupt und der Strafbarkeit des V-Mann in einem Agent-Provocateur-Fall differenzieren muss, vgl. auch Weber § 4 Rn. 93, 103. 2231 Siehe die Nachweise bei Fn. 782 sowie Fn. 791 in Teil 3. 2232 Weber § 4 Rn. 103 differenziert im ersten Schritt danach, ob eine förmliche Verpflichtung nach § 1 VerpflichtungsG auf gewissenhafte Erfüllung der Pflichten erfolgt ist; im ersten Fall sei § 4 II BtMG jedenfalls anwendbar.
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In Vermittlungsfällen geht man davon aus, dass der V-Mann allenfalls Wissen um den Umsatzwillen und Eigennutz des gelockten Dealers habe, aber gerade nicht mit Umsatzwillen handle (wenn er von der Sicherstellung der Betäubungsmittel ausgeht). Daher scheide ein täterschaftliches Handeltreiben aus.2233 Was die Teilnehmerstrafbarkeit angeht,2234 will sich die h. M. aus diesem Dilemma mit der kritikwürdigen „Lehre von der Rechtsgutsverletzungsgrenze“ befreien: Demnach sei von einer Straflosigkeit des Agent Provocateur – oder auch eines außerhalb den Grenzen des § 110a StPO agierenden Verdeckten Ermittlers – auszugehen, wenn der Teilnehmer die Beeinträchtigung bzw. Verletzung des Rechtsgutes und damit die materielle Beendigung der Tat nicht in seinen Vorsatz aufgenommen habe.2235 Der Zweite Senat formuliert in der schon mehrmals zitierten Entscheidung aus dem Jahre 1981 etwas unglücklich: „Mißbilligter Erfolg im Sinne des Straftatbestandes des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist nur ein Vorgang, der das Rauschgift auf dem Weg zum Konsumenten weiterbringt, nicht dagegen ein Umsatz, durch den es der Polizei in die Hände gespielt und damit aus dem Verkehr gezogen wird.“ 2236 Da damit kein „rechtlicher Erfolg“ i. S. e. Erfolgsdelikts gemeint sein kann,2237 scheint man schlicht den Begriff des „Erfolgs“ mit dem der materiellen Rechtsgutsbeeinträchtigung gleichzusetzen. Dies ist terminologisch bedenklich und dogmatisch kaum haltbar: Die materielle Beendigung der Tat sollte weder beim Täter noch beim Teilnehmer zu einem Vorsatzbezugspunkt ummodelliert werden, nur um auf diesem Wege zum kriminalpolitisch erwünschten Ergebnis der Straflosigkeit des Agent Provocateur zu gelangen. Die Rechtsgutsakzessorietät der Teilnehmerhaftung ändert nichts an den tatbestandlichen Bezugspunkten des Anstiftervorsatzes. Zu berücksichtigen wäre insofern auch, dass in einem umfassenden Umgangsverbotsstrafrecht die Straf-
2233 BGH StV 1981, 549; krit. Paeffgen, FS-BGH, S. 695 (723); Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 207 Fn. 1130, die davon ausgehen, dass auch die Tätigkeit des Agent Provocateur unter ein täterschaftliches Handeltreiben subsumiert werden könne. 2234 In der Rechtsprechung wird hier ohnehin eher zur Beihilfe tendiert, da man im illegalen Betäubungsmittelverkehr relativ häufig auf „omnimodo facturi“ begegnen wird und folglich ein Hervorrufen des Tatentschlusses nicht festgestellt werden kann. 2235 Allgemein zur Lehre von der Rechtsgutsverletzungsgrenze Deiters JuS 2006, 302 (303 f.); Lackner/Kühl § 26 Rn. 4; Sch/Sch/Heine § 26 Rn. 20; Fischer § 26 Rn. 8; OLG Oldenburg NJW 1999, 2751; BGH NStZ 2008, 41. 2236 BGH StV 1981, 549. 2237 Es ist anzunehmen, dass man bereits 1981 keinen offenen Bruch mit der h. M. intendierte, die im Handeltreiben gerade kein Erfolgsdelikt sieht; dies ergibt sich auch aus dem zweiten Leitsatz der Entscheidung, der ausdrücklich auf den Vorsatz bzw. Umsatzwillen des Täters Bezug nimmt: „Hat ein bei einem Rauschgiftgeschäft Mitwirkender ernsthaft mit der Anwesenheit und dem Eingreifen der Polizei gerechnet und nur im Vertrauen darauf das Geschäft gefördert, so kann ihm auch dann nicht Vorsatz im Sinne des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zur Last gelegt werden, wenn er zugleich die Gefahr gesehen hat, daß es entgegen seinen Erwartungen und Hoffnungen doch zur Vollendung der Tat kommen könne.“
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barkeit des V-Manns von der Art und Weise seines Auftretens abhängig wäre: Schließlich kommt nicht in jeder Konstellation eine „Teilnahmehandlung“ in Betracht, etwa wenn der V-Mann nicht als Vermittler, sondern selbst als Erwerber zum Eigenkonsum auftritt, die Drogen allerdings dann sogleich der Polizei zuspielen will. In beiden Situationen bleibt das Problem dasselbe, nur wäre im Rahmen eines täterschaftlichen Erwerbs die Verneinung der subjektiven Zurechnung fernliegend und man würde auf objektive Tatbestandsrestriktionen zurückgreifen. Der Teilnehmerstrafbarkeit (am Handeltreiben des Dritten) würden in solch einer Konstellation bereits die Überlegungen zur notwendigen Teilnahme entgegenstehen.2238 Dies bedeutet aber auch für die Konstellation des V-Manns als Vermittler, dass man in dem Moment, in dem ein täterschaftliches Handeltreiben verneint wurde, die gleichzeitige notwendige Teilnahme am Handeltreiben des Dritten (der jedenfalls mit Umsatzwillen agiert), konsequenterweise auch von vornherein ausschließen müsste. Das Problem darf folglich nicht auf Ebene der Beteiligtenlehre gelöst werden.2239 Mithin überschatten die ausdifferenzierten Lehren zum V-Mann und zum Agent Provocateur, dass sie insgesamt überhaupt nicht auf die gesetzgebungstechnischen Strukturen des Betäubungsmittelgesetzes passen, weil es nicht nur um Anstiftungsunrecht, sondern um ein generelles Umgangsunrecht geht. Eine Vorsatzlösung, wie sie die Rechtsprechung präferiert, kann im Rahmen einer rechtsgutsbasierten Einschränkungsbemühung aber dann nicht überzeugen, wenn sich die vom Gesetzgeber für die konkret beschriebene Handlung vorgenommene Gefährlichkeitsprognose umgekehrt hat und der Beteiligte (sprich der V-Mann) tatsächlich zum Wohle der Volksgesundheit agiert. Anderes kann womöglich bei neutralen Begehungsweisen gelten, die weder zugunsten noch zum Nachteil des Rechtsguts erfolgen und dementsprechend erst der Handlungsunwert unrechtsausschließend oder unrechtsbegründend wirken dürfte.2240 Bei Handlungen im Interesse des Rechtsguts sollten man einen einheitlichen Weg beschreiten und die Zurechnung der rechtsgutsakzessorischen Anstiftungshandlung verneinen, wenn diese nicht nur eine Beeinträchtigung des Rechtsguts ausgeschlossen ist, sondern die Handlung diesem sogar zu Gute kommen soll. Denn wenn bereits der unmittelbare (bzw. täterschaftliche) Umgang mit Drogen zum Zwecke der Sicherstellung über § 34 StGB gerechtfertigt werden kann bzw. nach hier vertretener Ansicht über den Aspekt der Risikoverringerung zum Tat2238
Vgl. 3. Teil D. II. 2. a) bb), S. 547 ff. Jetzt dürfte man sich an die Ausführungen im Rahmen der Lehren zur objektiven Zurechnung und Rechtfertigung gem. § 34 StGB erinnern, bei denen die Strafbarkeit des V-Mannes bereits angerissen wurde, 3. Teil A. III. 4. a) bb), S. 255 f. 2240 Dies wird häufig gegen objektive Restriktionsansätze im Bereich der berufsbedingten Beihilfe vorgebracht, vgl. hierzu Rengier AT § 45 Rn. 107; zur berufsbedingten Beihilfe etwas ausführlicher noch 3. Teil D. II. 2. c) cc), S. 567 ff. 2239
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bestandsausschluss führt,2241 darf für die im ersten Schritt als Privatperson zu behandelnde V-Person, die u. U. eben als Täter oder Teilnehmer agiert, nichts anderes gelten. Daher erscheint es sachgerechter, Tätigkeiten des V-Manns, die objektiv auf eine Verhinderung des Drogenumsatzes bzw. auf eine Sicherstellung des Rauschgifts abzielen und hierzu auch geeignet sind, allgemein aus dem Tatbestand von Betäubungsmitteldelikten zu nehmen, ganz gleich ob es sich um täterschaftliche oder teilnahmeartige2242 Begehungsweisen handelt.2243 Mit der „objektiven auf die Verhinderung ausgerichteten Tätigkeit“ kann keine „sichtbare“ V-Mann Eigenschaft gemeint sein, vielmehr ist hierbei die Kenntnis des ex-post-Betrachters hiervon zu unterstellen. Innerhalb dieses Beurteilungsmaßstabs kann dann auch entschieden werden, ob die Handlungen des V-Manns geeignet waren, der „Volksgesundheit“ zu Gute zu kommen. Schünemann geht hier in Anlehnung an Bottke davon aus, dass „vertrauensbildende Maßnahmen“ nicht per se zum Ausschluss der Strafbarkeit führen können, weil man nicht auf die Beeinträchtigung des Endrechtsguts „Volksgesundheit“ abzustellen habe, sondern bei den Gefahren stehen bleiben müsse, die der die staatliche Drogenverkehrshoheit als „Zwischenrechtsgut“ schützende Tatbestand verhindern soll.2244 Die Konsequenz dieser Betrachtung (nämlich dass ein eigenmächtiges bzw. nicht kooperatives Agieren des V-Manns stets gefährlicher und somit immer strafbar ist), berücksichtigt nicht, dass ein grundsätzlich gefährlicheres Verhalten ebenfalls durch den Risikoverringerungsgedanken aufgewogen werden kann.2245 2241 Vgl. bereits 3. Teil A. III. 4. a) aa), S. 249 ff. Der Gedanke der Risikoverringerung als Instrument zur Einschränkung der Teilnehmerstrafbarkeit führt letztlich auch in den Fällen der Abstiftung zur Straflosigkeit, vgl. hierzu Kudlich JuS 2005, 592. 2242 Bei der Beihilfe ist diese Restriktion durch den Begriff des „Hilfeleistens“ tatbestandlich angelegt, da man davon ausgehen kann, dass ein „Vereiteln“ der Pläne bzw. des Endziels nicht als Hilfeleisten bezeichnet werden kann und zwar unabhängig davon, ob man ein mehr oder weniger strenges Verständnis von „Tatförderung“ zugrundelegt. Zur Risikoverringerung als Tatbestandsausschlussgrund i. R. d. Beihilfe vgl. LK/Schünemann § 27 Rn. 6; siehe auch MK-StGB/Joecks § 27 StGB Rn. 46. Zum Einfluss der Lehre von der objektiven Zurechnung auf das Teilnahmeunrecht vgl. auch Kretschmer, Jura 2008, 265. 2243 Somit ist nichts über den sonstigen verbotenen Umgang des V-Manns mit Betäubungsmitteln gesagt: Hält der V-Mann etwa Haschisch zum Eigenkonsum (bzw. für seine eigene Glaubwürdigkeit) bereit, so sind dies Handlungsformen, die nicht (unmittelbar) das risikovermindernde Verhalten betreffen und somit auch nicht dem gleichen Maßstab unterliegen; eine Rechtfertigung solch eines Besitzes lehnt der BGH zu Recht ab, vgl. BGH NStZ 1988, 558 (559). Wer dann annimmt, er dürfe zur Aufdeckung eines Rauschgifthandels auch ohne konkrete Absprache mit einer Bundes- oder Landesbehörde i. S. d. § 4 II BtMG Betäubungsmittel in Besitz nehmen, unterliegt regelmäßig einem Verbotsirrtum, vgl. BGH NStZ 1996, 338. 2244 LK/Schünemann § 26 Rn. 68. 2245 Dies gilt erst recht, wenn man die Strafbarkeit des Täters am Umsatzwillen scheitern lassen will, vgl. BGH NStZ 1988, 558 (559): „An dieser Beurteilung ändert nichts, daß der Angekl. sich auf eigene Faust und ohne Kenntnis der Polizei bei der
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Insofern sind Schünemanns Überlegungen innerhalb des Sorgfaltsmaßstabs für den V-Mann zu berücksichtigen: Ihm ist beizupflichten, dass ein Vorgehen auf eigene Faust per se gefährlicher für das Rechtsgut Volksgesundheit ist; umgekehrt muss aber im Ausnahmefall auch bei einem eigenmächtigen Vorgehen des V-Manns eine Straflosigkeit möglich sein, soweit andere (dann allerdings auch gewichtigere) Parameter gegen eine Beeinträchtigung (sowohl des postulierten Zwischenrechtsguts als auch der Volksgesundheit) sprechen.2246 Hierbei hilft die Menge der potentiell sicherzustellenden Drogen nicht weiter, da mit wachsendem Sicherstellungspotential auch die Gefährlichkeit für das Rechtsgut steigt. Entscheidend dürfte in den Fällen der Nichteinbeziehung der Polizei einerseits die Kontrolle des V-Manns über die Abwicklung und das weitere Vorgehen, andererseits die Art und Weise bzw. die Entstehung des vereinbarten Geschäfts sein. Man sollte sich die Kontrollfrage stellen, ob der V-Mann austauschbar, also ein möglicher Geschäftspartner von vielen ist und somit einer grundsätzlich tatgeneigten Person gegenübersteht, sodass sich mit dem Ankauf das „typische bzw. alltägliche Risiko“ eines bereits existierenden illegalen Markts verwirklicht? Oder spielt sich der Agent Provocateur zu einem Großhändler bzw. zu einer dauerhaft innerhalb einer Verbrechensspirale existenten Person auf, der mehrere Kilogramm aus dem Ausland einführen lassen will und somit ein Geschäft veran-
Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität betätigte. Die abweichende Meinung von Körner (BtMG, 2. Aufl., § 31 Rn. 75), die Justiz dürfe keine ,freischaffenden V-Leute‘ zulassen, ist weder dogmatisch noch rechtssystematisch begründet worden und auch nicht begründbar. Geht man mit der grundsätzlich auch von Körner (aaO, § 29 Rn. 110) gebilligten Rechtsprechung des BGH davon aus, daß der Vorsatz des Handeltreibens fehlt, wenn der Stoff der Polizei zugespielt werden soll, kann es keinen Unterschied machen, ob der mit diesem Ziel an der Geschäftsabwicklung Beteiligte im Einvernehmen mit der Polizei handelt oder nicht. . .“. Überträgt man diese Überlegungen auf das hier vorgeschlagene Konzept, so muss man eben davon ausgehen, dass es umgekehrt auch Verhaltensweisen geben kann, die trotz polizeilicher Kontrolle ein wesentlich höheres Eskalations- und Gefährlichkeitspotential haben und dementsprechend trotz Überwachung der Handlungen des agent provocateur das Risiko nicht wesentlich vermindern, sondern eventuell sogar aus welchen Gründen auch immer – erhöhen. Entscheidend bleibt, ob sich das eingegangene Risiko im Hinblick auf das abzuwendende Risiko „lohnt“. Dass hier höhere Anforderungen zu stellen sind, wenn der Täter aufgrund seines eigenmächtigen Vorgehens per se gefährlicher agiert, leuchtet ebenso ein, wie der Umstand, dass dessen Verhalten dann aber auch nicht per se für strafbar erklärt werden kann, nur weil er sich erst im Nachhinein an die Polizei wenden will. Diesbezüglich weist der Erste Senat in der eingangs zitierten Entscheidung auch zu Recht darauf hin: „Die Befürchtung, im Einzelfall könne ein tatsächlich zu Recht Beschuldigter sich damit herausreden wollen, er habe das mitgeführte Betäubungsmittel gerade zur Polizei bringen wollen oder er habe sonst im Interesse der Verbrechensaufklärung mitgewirkt, vermag an dieser rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Es liegt zudem auf der Hand, daß solche Einlassungen bei den Tatgerichten nur Glauben finden werden, wenn es für ihre Richtigkeit – wie hier – schlüssig erscheinende Anhaltspunkte gibt.“ 2246 Vgl. LK/Schünemann § 26 Rn. 68, der andeutet, dass in diesen Fällen dann „allenfalls noch eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht“ komme, dies aber dann wiederum durch die Verneinung der einzelnen Tatbestandsmerkmale relativiert.
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lasst, zu dem es auf diese Weise vielleicht niemals gekommen wäre? Jedenfalls bei letzterer Fallgruppe dürfte ohne polizeiliche Kontrolle ein Tatbestandsausschluss mit dem Gedanken der Risikoverringerung nicht mehr begründbar sein, zumal der Gesetzgeber diese Art von Risiko ausgebildeten Personen gem. § 110a StPO überlassen hat. Mag man dann noch durch eine Verneinung des Umsatzwillens ein Handeltreiben (als Täter oder als Gehilfe) ablehnen, werden zumindest andere Begehungsweisen, beispielsweise die (Anstiftung zur) Einfuhr in nicht geringen Mengen gem. § 30 I Nr. 4 BtMG gegeben sein.2247 In dieses System lässt sich eine neuere Entscheidung des BGH vom 09.06. 2011 gut integrieren, wobei der Erste Senat ein – nach der hier verwendeten Terminologie – „objektiv auf eine Verhinderung des Drogenumsatzes ausgerichtetes und geeignetes Verhalten“ tatrichterlich für nicht festgestellt hielt: „Zutreffend geht die Kammer davon aus, eine Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln scheide aus, wenn der Täter nicht auf den Umsatz des Stoffes abzielt, sondern die Ware der Polizei in die Hände spielen und damit erreichen will, dass diese das Rauschgift aus dem Verkehr ziehen. Er kann dann nach ständiger Rechtsprechung weder Täter noch Teilnehmer des Handeltreibens sein. Die getroffenen Feststellungen tragen jedoch nicht die Annahme, der Angeklagte habe das Rauschgift der Polizei in die Hände spielen wollen. [. . .] Durch die Weitergabe der Telefonnummern des H. in Spanien und eines ,Ali‘ in Marokko an G., ohne die Polizei darüber zu informieren, gab er die Herrschaft über den Geschehensablauf aus der Hand und ermöglichte auch aus seiner Sicht der Polizei keinen Zugriff auf den weiteren Verlauf. Er hat auch später nicht die erforderliche Sorgfalt eingehalten, um zu erreichen, dass das Rauschgift nicht in den Handel gelangt. Geringfügige Risiken müssen zwar beim Einsatz von Privatpersonen in Kauf genommen werden [. . .], aber der Angeklagte hat hier polizeiliche Kontrollund Überwachungsmaßnahmen gar nicht erst ermöglicht oder gar verhindert. Er teilte weder den erfolglosen Beschaffungsversuch [. . .] noch den Abflug von S. der Polizei mit.“ 2248 Abschließend zu diesem Themenkomplex: Einer Haltung, wonach Handlungen des Agent Provocateur straflos sein sollen, kann man (erst recht im Bereich der Sanktionierung gefährlicher Verhaltensweisen) auch grundsätzlich kritisch gegen2247
Vgl. hierzu auch BGH NStZ 2008, 41. BGH v. 09.06.2011 – 1 StR 13/11, BeckRS 2011, 17886; aus diesen Formulierungen wird die doppelte Stoßrichtung der tatrichterlichen Feststellungen im Modell der h. M. deutlich, die zu einem Auseinanderdriften der Anforderungen führt. Zum einen handelt es sich um Indizien, die einem Umsatzwillen entgegenstehen (sodass die Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung auch nicht derart hoch sind, mithin ein subjektives Tatbestandsmerkmal lediglich nicht ausreichend nachgewiesen werden kann). Was die Straflosigkeit insgesamt (also auch betreffend der Anstiftung zur Einfuhr, dem Besitz ohne Erlaubnis etc.) anbelangt, handelt es sich bei dem Willen, das Rauschgift in die Hände der Polizei zuzuspielen um einen Umstand, der strafbarkeitseinschränkend wirkt und folglich explizit festgestellt werden muss. 2248
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überstehen. Dies sei hier nicht in Abrede gestellt, zumal es bei der Zuhilfenahme eines V-Manns im rechtsstaatlich zweifelhaftesten Fall letztlich nur darum geht, die nicht Nachweisbarkeit von Vortaten durch das Anstiften zu einer neuen Tat zu kompensieren. Für den Bereich der Betäubungsmitteldelinquenz gilt hierbei zum einen, dass ein illegaler „Markt“ schlicht existiert und man stets auf einen Dealer trifft, der sich „mitten im Handeltreiben“ befindet,2249 sodass man als Agent Provocateur im Regelfall keinen neuen Angriff auf das Rechtsgut riskiert.2250 Hinzu tritt, dass das Modell des strafrechtlich „erlaubten Risikos“ in einem Risikostrafrecht2251 ein auf den ersten Blick paradoxes, aber nichtsdestotrotz nahe liegendes Mittel sein muss, Gefährlichkeitsdelikte einzuschränken. Wenn schon keine „Umwandlung“ von Gefährlichkeitsdelikten in Erfolgs- oder konkrete Gefährdungsdelikte erwünscht ist, muss der Rechtsanwender eben näher konturieren, wie viel erlaubtes Restrisiko der Tatbestand eben noch übrig lässt. Wie Schünemann hervorhebt, kann man dann bei sozial nützlichen Handlungen das Maß an erlaubtem Restrisiko höher schrauben, als etwa bei einer Brandstiftung.2252 ee) Zwischenfazit zum Agent Provocateur Zusammenfassend lässt sich für den Agent Provocateur im Betäubungsmittelstrafrecht folgendes festhalten: Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Handlungen des V-Manns bzw. der in Frage stehenden Person objektiv auf eine Verhinderung des Drogenumsatzes bzw. auf eine Sicherstellung des Rauschgifts abzielen und hierzu auch geeignet sind. Dieser positiv festzustellende Umstand kann regelmäßig bejaht werden, wenn der V-Mann mit der Polizei kooperiert (und auf Weisung handelt) bzw. jeden der vorzunehmenden Schritte vorher abspricht. Ist das nicht der Fall, macht sich der Agent Provocateur nicht per se strafbar. Vielmehr hängt dies von Art und Ausmaß des Risikos seiner Handlungen in Relation zum Minderungspotential ab: Hier wird vorgeschlagen, nur die Minderung ohnehin existenter Risiken eines illegalen Markts mit einem Tatbestandsausschluss zu „belohnen“, der dann auch für alle Modalitäten gilt, welche die Abwicklung der Risikominimierung betreffen (Abwicklung von Kleingeschäften, da hier der Agent Provocateur ein möglicher Geschäftspartner von vielen ist und somit einer grundsätzlich tatgeneigten Person gegenübersteht). Steigt der Täter dagegen in ein größeres Geschäft ein bzw. ist er der Initiator eines innerhalb des Marktes von Größe sowie Umfang her atypischen Geschäfts und hat er per se weniger Kontrolle über 2249 Im Modell der h. M. gilt dies aufgrund der extensiven Auslegung des Handeltreibens nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich. 2250 Zur Ausnahme siehe soeben. 2251 Zu dieser Wendung, die letztlich ein Synonym für „Präventionsstrafrecht“, modernes Strafrecht oder Gefährdungsstrafrecht darstellt Prittwitz, Strafrecht und Risiko, S. 245. 2252 LK/Schünemann § 26 Rn. 68 f.
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die Folgen seines Tuns, schafft er ein neues Risiko für das Rechtsgut, das er allenfalls noch kompensieren kann.2253 Dann muss im zweiten Schritt allerdings immer noch überprüft werden, welche Tatmodalität der Agent Provocateur erfüllt hat; für das Handeltreiben gilt, dass der subjektiv (glaubhaft dargelegte) Wille des Täters nunmehr einem Umsatzwillen entgegenstehen kann, obwohl man objektiv eine „Risikoverringerung“ verneint hat. Denkbar bleibt dann immer noch eine Anstiftung bzw. täterschaftliche Begehung anderer Modalitäten. c) Beihilfe gem. § 27 StGB Die Beihilfe ist im Unterschied zur Anstiftung praktisch wesentlich bedeutsamer, wobei man zugestehen muss, dass dies für ihre Rechtsfolge (fakultative Strafmilderung gem. § 27 II StGB) als für die hierzu entwickelten dogmatischen Lehren gilt. Denn nur in den wenigsten Fällen prüft man die objektiven Beihilfevoraussetzungen weitergehend,2254 sobald die – im Folgenden noch ausführlicher darzustellende – Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme zur Gehilfenstellung geführt hat. Lediglich wenn man von vornherein nur eine Beihilfe in Betracht zieht, werden die Lehren zur Beihilfehandlung als Hilfeleistung herangezogen, um eine ggf. in Betracht kommende Straflosigkeit zu begründen.2255 Dies ist bei schlichten Duldungshandlungen der Fall.2256 Nach der Entscheidung des Großen Senats2257 wählt man aber vereinzelt nicht nur die Rechtsfolge des § 27 II StGB als „Restriktionsansatz“,2258 sondern ist zumindest „im Sumpf des Handeltreibens“ bestrebt, über den Begriff der Hilfeleistung oder über den Gehilfenvorsatz eine Restriktion zu erreichen.2259 aa) Das Merkmal der Hilfeleistung § 27 StGB setzt voraus, dass der Gehilfe „vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat „Hilfe geleistet hat“.2260 Die Hilfeleistung kann nicht nur, wie im Regelfall physischer Natur (i. S. v. „Tathilfe“), son-
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Und insofern auch keine „Risikoverringerung“ in Betracht kommt. Zusammenfassend Geppert, Jura 1999, 266. 2255 Diese Formulierung demonstriert, wie es um das deutsche Betäubungsmittelstrafrecht bestellt ist. 2256 Man rufe sich die Fallgruppen zur Unterlassungsstrafbarkeit in Erinnerung, 3. Teil B. II. 3. c) aa), S. 377 ff. 2257 Zur „Trendwende“ durch BGHSt 50, 252 vgl. bereits 3. Teil D. II. 2. b) aa), S. 550. 2258 Vgl. bereits 3. Teil D. I., S. 530. 2259 Die aber systematisch kaum tragbar ist, vgl. im Folgenden 3. Teil D. II. 2. c) bb), S. 562 ff. 2260 Zusammenfassend Geppert Jura 2007, 589; Murmann JuS 1999, 548. 2254
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dern auch psychischer Natur sein.2261 Unter letztere fallen Ratschläge bzw. intellektuelle Aufklärung. Ob auch in der Bestärkung des Tatentschlusses2262 eine Beihilfe gesehen werden kann, ist grundsätzlich umstritten,2263 steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit den Anforderungen, die an den Zurechnungszusammenhang zwischen Beihilfehandlung und Verwirklichung der Haupttat zu stellen sind. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass als Hilfeleistung „jede Handlung anzusehen“ ist, „welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert“.2264 Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, ob über das bloße „Fördern“ hinaus eine irgendwie geartete Kausalität zwischen Beihilfehandlung und „Erfolgseintritt“ notwendig ist, wie sie in unterschiedlichen Ausprägungen – etwa in Form einer „Modifikationskausalität“ 2265 – in der Literatur gefordert wird.2266 Die diesen Streitpunkt illustrierenden Beispiele machen deutlich, dass die Diskussion in ein klassisch-liberales Strafrecht „eingehüllt“ ist, wenn man u. a. auch zwischen Verursachungs- und Gefährdungstheorien differenziert.2267 Die Präzisierung des – womöglich nicht existenten – Meinungsstreits erweist sich als schwieriges Unterfangen,2268 da man nicht immer eine einheitliche Terminologie zugrundelegt.2269 Dass hier unter der simplifizierten Fragestellung (ist eine Kausalität zwingend und wenn ja „wie viel“?) tiefer gehende und weitestgehend ungeklärte Probleme der Beihilfekriminalisierung angesprochen sind, kristallisiert sich heraus, wenn man sich beispielsweise Herzbergs Vorschlag widmet, in der 2261 Zum Ganzen v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 27 Rn. 3 ff.; Zieschang, FS-Küper, 2007, S. 733 ff.; Otto JuS 1982, 557 (562 f.); Roxin AT II § 26 Rn. 184 ff.; LK/ Schünemann § 27 Rn. 1 ff. 2262 Dies ist nicht nur in den Fällen eines omnimodo facturus in Betracht zu ziehen, vgl. hierzu bereits 3. Teil D. II. 2. b) bb), S. 551. 2263 Kühl AT § 20 Rn. 226 ff.; krit. zur psychischen Beihilfe Hruschka JR 1983, 177 ff., vgl. zum Ganzen auch Charalambakis, FS-Roxin, 2001, S. 625 ff. 2264 RGSt 4, 95; 58, 133 (114); BGHSt 2, 129; 14, 280; BGH NStZ 1985, 318; BGH NJW 2007, 384. 2265 Krit. zum Begriff der „Modifikationskausalität“ LK/Schünemann § 27 Rn. 5 m.w. N. 2266 MK-StGB/Joecks § 27 StGB Rn. 29 begründet dies damit, dass der Vorsatz bzgl. der Vollendung der Tat auch den Vorsatz bzgl. der Kausalität betreffe. Somit müsse aber die Kausalität zwingend im objektiven Tatbestand der Beihilfe enthalten sein, da man sonst § 27 StGB in eine Beteiligtenform mit überschießender Innentendenz umgestalte. Diese Argumentation ist allerdings nicht zwingend, wenn man bedenkt, dass zwischen der Kausalität der Gehilfenhandlung und dem Erfolg einerseits und dem Vorsatz bzgl. der Kausalität des Täterverhaltens und dem Erfolgseintritt andererseits unterschieden werden muss. 2267 LK/Schünemann § 27 Rn. 33 m.w. N. 2268 Insbesondere was die Begriffe der „Kausalität“ und des rechtlichen „Erfolgs“ angeht, zur uneinheitlichen Terminologie beim Erfolgsbegriff siehe bereits 3. Teil B. II. 1., S. 333. 2269 Krit. Rengier AT § 45 Rn. 93; vgl. auch Roxin AT II § 26 Rn. 187 („Scheinproblem“); Geppert Jura 1999, 266 (268); Murmann JuS 1999, 548 (549).
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Beihilfe ein eigenständiges, abstraktes Gefährdungsdelikt zu sehen.2270 Dies erscheint wohl spätestens dann unvertretbar, wenn bereits die teilnahmefähige Haupttat ein abstraktes Gefährdungsdelikt ist. Bei einer (nicht kausalen) Beihilfe zum Handeltreiben mit Scheindrogen hätte man dann die Vorfeldkriminalisierung einer Vorfeldkriminalisierung im Vorfeld! Insofern könnte man bei unbefangener Betrachtung davon ausgehen, dass die „Tatförderungstheorie“ der Rechtsprechung auf den Bereich der Gefährlichkeitsdelikte strukturell besser passt bzw. sich eine Auffassung dahingehend besser einfügt, wonach der Gehilfe durch seinen Beitrag das in der Haupttat liegende Risiko zu Lasten des Opfers – sprich zu Lasten der Allgemeinheit – nochmals erhöht und sich diese Risikoerhöhung in der Haupttatbegehung niedergeschlagen haben muss. Dies muss im Bereich der Gefährlichkeitsdelikte auf eine Kausalität zwischen Täter- und Teilnehmerverhalten hinauslaufen, da man gerade im Bereich von Gefährdungsdelikten (wie etwa dem Erschleichen einer Verschreibung gem. § 29 I Nr. 9 BtMG) sonst „Gefahr läuft“, eigenes riskantes Verhalten des Gehilfen für sich unter Strafe zu stellen und hierbei die Akzessorietät des Rechtsgutsangriffs einerseits aufzugeben und andererseits die Straflosigkeit der versuchten Beihilfe auszuhöhlen. Zur Verdeutlichung stelle man sich bzgl. des § 29 I Nr. 9 BtMG eine Situation vor, in der jemand für den Vordermann eine frühere Anamnese fälscht2271 oder Tipps gibt, wie er eine Sucht vortäuschen kann.2272 Verwendet der Vordermann nun die gefälschte Anamnese nicht, mag unter Zugrundelegung der Tatförderungstheorie dennoch das Hilfeleisten bzw. eine Risikoerhöhung bejaht werden können; für das Erschleichen als Handlung in dieser Form ohne Vorlage einer gefälschten Anamnese war sie nicht kausal, sodass eine Beihilfe zu § 29 I Nr. 9 BtMG abgelehnt werden müsste. Denn bei schlichten Tätigkeitsdelikten bzw. Gefährlichkeitsdelikten hat der Gesetzgeber ein gefährliches Verhalten umschrieben. Gerade an diesem, für strafwürdig empfundenen Verhalten muss sich der Gehilfe beteiligen bzw. für dieses seinen Beitrag geleistet haben. Auch wenn sein eigenes Verhalten bereits grundsätzlich dazu geeignet wäre, das Rechtsgut zu beeinträchtigen bzw. riskant ist, muss man berücksichtigen, dass man die Tatförderungstheorie aufgeben muss, wenn die Haupttat nicht die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts voraussetzt, sondern nur eine riskante Handlung unter Strafe stellt. bb) Die Förderung der Tat „im Sumpf des Handeltreibens“ Im praktisch wichtigen Bereich des Handeltreibens mag das Postulat, wonach zwischen Förderungshandlung und Tatbestandsverwirklichung ein Zurechnungs2270 2271 2272
GA 1971, 7 f. Als Beispiel für eine physische Beihilfe. Als Beispiel für eine psychische Beihilfe.
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zusammenhang bestehen muss, auf den ersten Blick keine Rolle spielen. Schließlich geht es der Rechtsprechung, wie bereits angedeutet, nur um die Rechtsfolge des § 27 II StGB, da die Handlungen des Beteiligten streng genommen bereits für sich als täterschaftliches Handeltreiben bewertet werden müssten.2273 Der BGH geht diesen zweiten Schritt dennoch, d.h. nachdem man eine hierarchisch untergeordnete Person im Einzelfall als Gehilfen klassifiziert hat, fragt man nun auch danach, ob die untergeordnete Tätigkeit die Haupttat „tatsächlich gefördert“ hat. Dann tritt das Potential der Kumulation von § 29 I BtMG und § 27 StGB hervor: Bezugspunkt des Hilfeleistens ist ein Strauß verschiedenster Handlungen, die sowohl noch ausstehen, fortdauern oder abgeschlossen sein können.2274 Der Wunsch nach einer „Richtschnur“ darf einen nun aber nicht dazu verleiten, nur innerhalb der Gehilfenstrafbarkeit das Handeltreiben als Haupttat inkonsequent in ein Erfolgsdelikt umzuwandeln, mithin eine Förderung des Umsatzes zu verlangen. Man vergegenwärtige sich: Beihilfe zum Handeltreiben bedeutet unter Zugrundelegung des extensiven Verständnisses der h. M., dass man dem Täter bei irgendeiner umsatzgerichteten Tätigkeit Hilfe leistet, mithin einen kausalen Beitrag dafür setzt, dass sich die als täterschaftliches Handeltreiben bewertete Handlung „verwirklichen“ konnte bzw. sich dessen Verwirklichungsrisiko erhöht hat. Eine Kurierfahrt mit Schokolade statt Haschisch im Koffer oder mit einem Verdeckten Ermittler am Zielort ist weder eine Beihilfe zum Versuch,2275 noch ist an der Kausalität zwischen der Fahrttätigkeit und der Erleichterung der Abwicklung der Tätigkeit als Teilakt zu zweifeln.2276 Die Folgen einer diesbezüglich „konsequenten“ Rechtsprechung demonstriert der Zweite Senat in einem Urteil vom 16.01.2008:2277 Im konkreten Fall organisierten Rauschgifthändler im Ausland Herointransporte. Hierzu sandten sie Kuriere von Pakistan nach Frankfurt, wobei diese von einem Beauftragten der Hintermänner in Empfang genommen wurden. Am Tattag flogen wiederum zwei Kuriere von Pakistan nach Frankfurt. Während sich die Kuriere bereits an Bord des Flugzeugs auf dem Weg nach Frankfurt befanden, rief der Absender des Rausch2273 Vgl. bereits 3. Teil D. I., S. 530, dazu noch ausführlich 3. Teil D. III. 2. d), S. 591 ff. 2274 Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beihilfehandlung sowohl im Vorbereitungs- als auch in sukzessiver Form im Beendigungsstadium erfolgen kann, vgl. noch 3. Teil D. III. 2. e) bb), S. 598 f. 2275 Denn in den genannten Konstellationen zweifelt die h. M. nicht an der Vollendung des Handeltreibens, vgl. 3. Teil C. IV. 2. b) bb), S. 461 ff. 2276 Sodass auch keine versuchte Beihilfe anzunehmen ist; insbesondere spielt es eben gerade keine Rolle, dass die Beihilfehandlung niemals geeignet war, einen Betäubungsmittelumsatz mit zu verursachen; die Beihilfehandlung muss lediglich kausal für eine Handlung des Vordermanns sein, die ihrerseits nur umsatzgerichtet ist. Eine Einschränkung ließe sich über den Akzessorietätsgedanken erreichen: Man könnte insofern vertreten, dass es an einem „eigenständigen“ Beihilfeunrecht fehlt, wenn die Beihilfehandlung das Risiko für die Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht erhöht hat. 2277 BGH NStZ 2008, 284.
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gifts den Angeklagten an und bat ihn, als Empfangsperson und Instrukteur „einzuspringen“, weil er die ursprünglich hierfür vorgesehene Person nicht erreichen konnte. Der Angeklagte sagte zu und fuhr zum Flughafen, um die beiden Kuriere abzuholen. Diese wurden jedoch, da die Polizei schon vor dem Flug Kenntnis von dem beabsichtigten Transport erhalten hatte, schon bei ihrer Ankunft festgenommen. Nun tritt der soeben angesprochene bunte Strauß an potentiellen Teilnahmehandlungen deutlich zum Vorschein. „Pickt“ man die Fahrt und das Empfangen der Kuriere als Beihilfehandlung heraus, liegt es nicht fern, das Fördern des konkreten Teilakts (Transport der Drogen) „als gescheitert“ und somit nur als „versucht“ anzusehen. Das Handeltreiben durch den Haupttäter ist aber durch zahlreiche andere Handlungen vollendet,2278 so dass der Zweite Senat auch die Möglichkeit wahrnimmt, bereits an die Zusage des Kuriers anzuknüpfen (die bei hypothetischer Annahme von Täterschaft ebenfalls den Anforderungen eines vollendeten Handeltreibens genügen würde): „Denn es lag hier auf der Hand und bedurfte daher keiner ausdrücklichen weiteren Feststellung, dass [der Hintermann], hätte der Angekl. die erbetene Unterstützung verweigert, die Kuriere nicht sich selbst überlassen, sondern anderweitige Maßnahmen unternommen hätte, um die Weiterleitung des Rauschgifts sicher zu stellen. Hierzu hätte er entweder andere bereits eingeweihte Personen ansprechen oder bislang nicht eingeweihte Personen in die Tat einbeziehen oder durch Maßnahmen gegenüber Dritten2279 das Risiko erhöhen müssen, dass Sicherheitsbehörden auf den Vorgang aufmerksam wurden.“ 2280 Diese „Auswahlmöglichkeit“ stellt sich vornehmlich bei einer weiten Auslegung des Handeltreibens,2281 ist aber auch unter Zugrundelegung des herrschenden Modells keineswegs zwingend.2282 Denn aus der Art und Weise der Hilfe2278 Wie etwa durch das Organisieren der Kuriere und den Abschluss der Rauschgiftgeschäfte. 2279 Etwa die Übermittlung von Nachrichten über die Fluggesellschaft. 2280 BGH NStZ 2008, 284; in einem Urteil v. 05.05.2011 (BGH 3 StR 445/10) tendiert der Dritte Senat ebenfalls in diese Richtung: „Danach hat I. durch seine Zusage, den Transport der Drogen zu übernehmen, und seine nachfolgende, auf die Planung und die Durchführung dieses Transports gerichtete Tätigkeit das Handeltreiben der Hintermänner gefördert [. . .] Für die hier vorliegende Fallgestaltung einer – wie die Aktivitäten des Mitangeklagten I. belegen – ernsthaften und verlässlichen Zusage, das zum Absatz bestimmte Betäubungsmittel zu transportieren, liegt dies indes auf der Hand, denn sie verschafft dem Haupttäter Sicherheit, seinen Tatplan wie vorgesehen umsetzen zu können, und enthebt ihn weitergehender Maßnahmen [. . .]“. 2281 Würde man das Handeltreiben als Vertragsabschlusshandlung deuten, vgl. 3. Teil C. VI. 5., S. 495, würde sich dieses Problem etwas entschärfen, da man nun bei Handlungen, die auf die Erklärung folgen ohnehin nur eine sukzessive Beteiligung annehmen könnte. 2282 Jedenfalls geht es aber fehl, dem Handeltreiben bei der Beihilfe plötzlich ein anderes Verständnis zugrundelegen zu wollen, vgl. aber MK-StGB/Joecks § 27 StGB Rn. 29: „Der 2. Senat verwechselt dabei offenbar die Frage einer Vollendung der Beihilfe mit der des Handeltreibens. Handeltreiben ist jede eigennützige, auf Umsatz ge-
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leistung (bzw. auch Abrede der Beteiligten2283) ergibt sich, welchen Teilakt des Handeltreibens die Handlung des Gehilfen fördern soll. Hat man dann die Hilfeleistung einer konkreten Abwicklungshandlung zugewiesen, muss man bei dauerdeliktsähnlichen Tathandlungen wie dem Handeltreiben einer Umdeutung der Förderungshandlung von einer physischen in eine psychische Beihilfe2284 umso kritischer gegenüberstehen. Schließlich bezieht sich der Vorsatz des Gehilfen auf einen konkreten Teilakt, sodass es fraglich ist, ob er überhaupt zum Zeitpunkt der Zusage im Bezug auf den vorherigen Teilakt einen Gehilfenvorsatz hat.2285 So weist auch der Fünfte Senat in einem vergleichbaren Fall darauf hin, dass die Zusage einer Gehilfenhandlung nicht als psychische Beihilfe bewertet werden darf, wenn die physische Beihilfe fehlschlägt. Dies ist für sich gesehen korrekt, da man sonst auf das Konstrukt der physischen Beihilfe verzichten könnte; jeder physischen Handlung geht die Zusage (als psychische Beihilfe?) voraus. In concreto kann man dem Fünften Senat jedoch nicht zustimmen. Denn im Unterschied zur oben geschilderten Konstellation2286 hat der Gehilfe laut tatrichterlichen Feststellungen die Fahrt vorgenommen, nur waren die Drogen bereits sichergestellt. Die Beihilfehandlung als solches war somit vollendet und sie erfolgte auch zu einer vollendeten Tat.2287 Daher überzeugt es nicht, wenn der Fünfte Senat in diesem Zusammenhang feststellt: „Die von dem Angeklagten [. . .] gewollte Beihilfehandlung, der Transport von Rauschgifthandelserlösen wie dessen Zusage, war von vornherein zur Förderung der Haupttat ungeeignet. Ein Verkaufserlös für das vor Weitergabe an einen Käufer bereits sichergestellte Rauschgift war nicht erzielt worden und konnte nicht mehr erzielt werden. [Er wurde] nur auf zum Schein vom BKA entfaltete Aktivitäten hin tätig. [Sein] Tun
richtete Tätigkeit, soweit sie ein konkretes Umsatzgeschäft betrifft, selbst ein solches über Scheindrogen. Für die Vollendung reicht es aus, dass der Täter in ernsthafte Kaufverhandlungen eintritt. Für die Beihilfe kommt es hingegen darauf an, ob sie dieses Handeltreiben mitverursacht oder – in der Sprache der Rechtsprechung – gefördert hat. Wo es nichts mehr zu verhandeln gibt, gibt es auch nichts mehr zu fördern.“ Ein „Verhandeln“ ist allerdings kein notwendiger Bezugspunkt der Beihilfehandlung, weil das Handeltreiben auch durch andere Tätigkeiten (eben die Abwicklung des Geschäfts betreffend) verwirklicht werden kann; eine andere Frage ist, ob an jeden denkbaren Teilakt des Handeltreibens angeknüpft werden darf, vgl. sogleich im Folgenden. 2283 Dies wird hier in Klammern gesetzt, weil eine Beihilfe kein Zusammenwirken von Täter und Teilnehmer voraussetzt, mithin auch eine Beihilfe ohne Wissen des Täters in Betracht kommt. 2284 Nämlich durch die Zusage. 2285 Also den Willen hat, durch die Zusage den Täter zu unterstützen. 2286 In der es nicht einmal zur Kuriertätigkeit kommen konnte, mithin bei einer isolierten Betrachtung des Einzelakts diese Tätigkeit nicht „kausal“ bzw. erfolgreich durchgeführt wurde. 2287 Dies gilt, soweit man wie der Fünfte Senat dahinstehen lassen will, ob die Sicherstellung der Drogen zu einer Beendigung der Tat führt und somit eine – sukzessive – Beihilfestrafbarkeit nicht per se ausscheidet.
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musste von vornherein für den gewollten Zweck der Förderung eines unerlaubten Betäubungsmittelhandels ins Leere gehen.“ 2288 Warum sollte es beim tatbestandsakzessorisch haftenden Gehilfen nun auf den Erlös bzw. auf die Sicherstellung der Drogen ankommen, wenn man beim Haupttäter eine Vollendung nicht einmal in Frage stellt? Restriktive Ansätze sind im Betäubungsmittelstrafrecht stets zu begrüßen, doch müssen sie dann auch nachvollziehbar sein. Beide Fälle müssten daher anders entschieden werden.2289 Während der Rückgriff des Zweiten Senats auf die sukzessive Beihilfe durch die Möglichkeit des Herauspickens mehrerer Teilakte und das Umdeuten von physischer in psychische Beihilfe zu weit geht, kann die Umgestaltung des tatbestandlichen Bezugspunkts der Förderungshandlung (Umsatzerfolg statt „jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit) durch den Fünften Senat ebenfalls nicht überzeugen.2290 Entscheidend bleibt, ob der Gehilfe mit Wissen und Wollen eine Tätigkeit des Handeltreibens gefördert hat. Im System der h. M. könnte man sich einschränkend daran orientieren, ob der Gehilfen speziell den konkreten Teilakt (Kurierfahrt, Einfuhr, Deponieren, Strecken, Kontakt herstellen, Übergeben etc.) „erfolgreich“ durchgeführt hat, mithin also ein Kausalzusammenhang zwischen Förderungshandlung und Teilakt festgestellt ist. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme folgt im Betäubungsmittelstrafrecht – wie es noch darzulegen gilt2291 – keinen nachvollziehbaren Regeln und läuft meist auf eine hierarchische Betrachtung hinaus. Mithin ist der Gehilfe jemand, der Teilakte innerhalb eines „großen Ganzen“ vornimmt; sein täterschaftliches Handeltreiben versieht man aus diesem Grund mit der Rechtsfolge des § 27 II StGB.2292 Insofern erscheint es sachgerecht, bei der Bestimmung des Versuchsbereichs „täterparallel“ vorzugehen und zu überprüfen, ob dieser Einzelakt nur „versucht“ worden ist oder „vollendet“ werden konnte. Auf diesem Fundament ist es zutreffend, wenn der Vierte Senat eine Beihilfe ablehnt, wenn der Angeklagte noch nicht einmal unmittelbar zur versprochenen Kuriertätigkeit angesetzt hat.2293 2288
BGH NJW 2008, 1460. Eigentlich müssten sich die Gerichte schon aufgrund dieser Fälle veranlasst sehen, den Begriff des Handeltreibens einzuschränken. 2290 Insofern zu knapp und daher missverständlich MK-StGB/Joecks § 27 StGB Rn. 25 f. 2291 Ausführlich 3. Teil D. III. 2. d), S. 591. 2292 Zu dieser Wendung vgl. 3. Teil D. I., S. 530. 2293 BGH NStZ 2009, 392; dieser Fall unterscheidet sich insofern vom erst geschilderten Sachverhalt des Zweiten Senats, in dem der Kurier vergeblich wartete und somit jedenfalls eine versuchte Beihilfe in Betracht zu ziehen war (entgegen der Auffassung des Zweiten Senats, der (siehe oben) eine vollendete, psychische Beihilfe annahm). Umgekehrt unterscheidet sich der Fall allerdings auch zur ersten Entscheidung des Vierten Senats, in dem der Gehilfe bereits die (wegen der Sicherstellung letztlich „sinnlose“) Kurierfahrt erfolgreich vornahm. Bemerkenswert ist, dass auf die „kritikwürdigen Ent2289
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Wandelt man das multiple Tätigkeitsdelikt des Handeltreibens in ein Erklärungsdelikt um, muss sich die Beihilfehandlung ohnehin auf die Herbeiführung des Geschäfts beziehen.2294 Abwicklungshandlungen dagegen stellen nur eine „sukzessive Beihilfe“ dar: Soweit man diese anerkennt, müsste man noch feststellen, welche Abwicklungshandlung der Gehilfe laut Tatplan vornehmen soll und überprüfen, ob diese eben „erfolgreich“ war oder die Handlung im Versuchsstadium stecken blieben.2295 cc) Beihilfe durch „neutrale“ bzw. „berufsbedingte“ Verhaltensweisen Mehr oder weniger strenge Anforderungen an den Zusammenhang zwischen Beihilfehandlung und Haupttat ändern nichts an der Weitläufigkeit des Begriffs der Hilfeleistung („jede den Taterfolg fördernde Tätigkeit“). Somit können auch neutrale Handlungen unter den Begriff des Hilfeleistens fallen, welche die Tatbestandsverwirklichung verursacht haben, ganz gleich, ob die Haupttat ihrerseits eine Fülle von Tätigkeiten umfasst (wie das Handeltreiben) oder einen bestimmten Außenwelterfolg voraussetzt (wie die Einfuhr). Agiert der Berufsträger fahrlässig, so kommt durch die Aufhebung der Beteiligungsformen deutlich, dass es sich dabei nicht ausschließlich um ein Problem der Gehilfenstrafbarkeit handelt.2296 scheidungen“ des Vierten und Zweiten Senats neben der hier zitierten korrekten Entscheidung des Vierten Senats (straflose Beihilfe), eine m. E. korrekte Entscheidung (strafbare Beihilfe) des Zweiten Senats folgte, vgl. BGH NStZ 2010, 522, bei MKStGB/Joecks § 27 StGB Rn. 27: Der Kurier von Betäubungsmitteln war an der Grenze festgenommen worden. Vier Stunden später wartete ein Dritter noch vergeblich auf die Rückkehr des Kuriers und bat deshalb den Angeklagten, mit dem niederländischen Drogenlieferanten zu telefonieren. Am nächsten Morgen telefonierte der Angeklagte mit dem Lieferanten. Das Landgericht hatte in dem Verhalten des Angeklagten eine straflose versuchte Beihilfe zum Handeltreiben gesehen. Der BGH hob die Entscheidung auf: Durch die Sicherstellung der Betäubungsmittel in Deutschland sei das Handeltreiben nicht beendet gewesen. Zwar sei dadurch der Warenfluss objektiv und auch endgültig zur Ruhe gekommen. Dies sei aber den Käufern des Rauschgifts als Empfänger der Lieferung nicht bekannt gewesen. Zu dieser trotz Sicherstellung noch nicht beendeten Haupttat habe der Angeklagte daher grundsätzlich noch Beihilfe leisten können. So wie das strafrechtliche Verhalten des Haupttäters den tatsächlichen Umsatzerfolg nicht umschließen müsse, weil das hierauf abzielende Verhalten genüge, reiche es für den Gehilfen aus, dass er dieses auf Erfolg abzielende Verhalten unterstütze. Im Telefonat am Morgen läge jedenfalls dann eine Förderung der Haupttat, wenn der Angeklagte die aus diesem Gespräch gewonnenen Erkenntnisse an den Drogenkäufer weitergeleitet hätte.“ Dies ist zutreffend: Ebenso wie die „sinnlose“, aber im Hinblick auf den Teilakt „erfolgreiche“ Fahrt entgegen der Auffassung des Vierten Senats als vollendete Beihilfe bewertet werden muss, stellt der Anruf eine letztlich im Hinblick auf den Umsatz sinnlose, aber nichtsdestotrotz „erfolgreiche“ (das Gespräch fand statt) Teilnahmehandlung dar. 2294 Vgl. bereits 3. Teil C. VI. 7. e), S. 495 ff. 2295 Siehe noch 3. Teil D. III. 2. e), S. 596 ff. 2296 Und dementsprechend auch von NK/Puppe Vor § 13 Rn. 171 ff. im Rahmen allgemeiner Zurechnungserwägungen diskutiert wird, vgl. auch Kudlich, Berufsbedingtes
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Angesprochen sind Konstellationen, in der ein Berufsträger seiner „normalen“ bzw. „alltäglichen“ Betätigung nachgeht und dadurch die Begehung der Tat fördert. Von diesen Situationen muss man die oben geschilderten Fälle trennen, in denen die Handlung des Gehilfen dazu geeignet ist, das Risiko für eine Rechtsgutsbeeinträchtigung zu vermindern.2297 Dann kann schon begrifflich nicht von einem Hilfeleisten bzw. einer Förderung der Tat die Rede sein, selbst wenn eine kausale Verknüpfung zwischen Beihilfehandlung und Haupttat besteht. In diesen Fällen lässt sich der objektive Tatbestand der Beihilfe verneinen.2298 Dem Berufsträger geht es um das „täglich Brot“. Er intendiert im Regelfall weder eine Rettung noch eine Schädigung des Rechtsguts. Die Problematik diskutiert man daher unter der Überschrift der „berufsbedingten“ 2299 (bzw. etwas unglücklich) „neutralen Beihilfe“. Sie betrifft nicht nur den Bäcker, dessen Brötchen für einen heimtückischen Mord verwendet werden sollen, sondern auch den Apotheker, der nicht verschreibungspflichtige Medikamente wie Paracetamol überlässt, die als Streckmittel für Kokain dienen. Die Problematik der „berufsbedingten Beihilfe“ ist kraft Natur der Sache nicht auf einen bestimmten Kriminalitätsbereich beschränkt; dementsprechend komplex und ausdifferenziert ist auch der Streitstand in der Literatur, zumal man versucht, für alle Fallgruppen eine einheitliche Lösung zu kreieren. Eine ausführliche Darstellung und Auseinandersetzung mit den einzelnen Vorschlägen aus Schrifttum und Rechtsprechung (die Roxins Überlegungen vom „deliktischen Sinnbezug“ 2300 aufgriff, zum Teil auch „bis in die Wortwahl hinein“ 2301) gehört nicht zum Gegenstand dieser Abhandlung.2302 Vielmehr sollen an dieser Stelle nur einige „betäubungsmittelstrafrechtsspezifische“ Eckpunkte hervorgehoben werden. Dazu zählt zunächst die Überlegung, dass die „professionelle Adäquanz“ 2303 in einem Gebiet, das den unerlaubten Umgang mit gefährlichen Substanzen be-
Verhalten, S. 66. Dass sich die Diskussion auf den Bereich der vorsätzlichen Beihilfe verlagert hat, kann allerdings auch darauf zurückgeführt werden, dass es im „schwammigen“ Bereich der Fahrlässigkeit wesentlich einfacher sein dürfte, eine Straflosigkeit zu begründen, Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 69. 2297 Gemeint sind risikoverringernde Handlungen des agent provocateur, 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff. 2298 Vgl. Fn. 2242 in Teil 3. 2299 Zur phänomenologischen Einordnung eines Verhaltens als „berufsbedingt“ vgl. Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 25 ff. 2300 Roxin, FS-Miyazawa, 1995, S. 507 ff. (512 ff.). 2301 Wohlers NStZ 2000, 169 (170); Ambos JA 2000, 721 (724). 2302 Stattdessen sei auf die „alle Ansätze umfassend durchmusternde“ (LK/Schünemann § 27 Rn. 26 Fn. 73) Habilitationsschrift von Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten verwiesen, der in v. Heintschel-Heinegg § 27 Rn. 10, 15 die wichtigsten Eckpunkte und Argumentationsstränge knapp zusammenfasst. 2303 Der Begriff geht wohl auf Hassemer zurück, vgl. wistra 1995, 41, 81.
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trifft, partiell gesetzlich geregelt ist; mithin existieren haftungsbegründende Vorschriften, welche die „berufsbedingte Strafbarkeit“ bzw. Ordnungswidrigkeit zum Gegenstand haben und innerhalb dieser Normen die strafrechtliche Haftung unter bestimmten Voraussetzungen wiederum einschränken (etwa die des Apothekers, des Arztes, der sicherstellenden Behörden oder des Gaststätteninhaber). Die doppelte Stoßrichtung des BtMG wurde bereits im Rahmen der Irrtumslehren aufgegriffen.2304 Soweit es also um den Umgang mit dem Stoff selbst geht, müsste man von Verstößen gegen „berufstypische Verhaltensanforderungen“ sprechen.2305 Diese Überlegungen zur Regelung des Umgangs mit verbotenen Gegenständen greifen Puppe2306 und Wohlers2307 auf und wollen eine „neutrale“ Handlung (und somit eine objektive Restriktion) dann verneinen, wenn die Förderungshandlung „abstrakt verboten“ ist. Dabei nimmt man unmittelbar auf Gesetze wie das WaffG ode AMG Bezug, welche den Umgang bzw. die Lieferung gefährlicher Gegenstände regeln. Gerade das Beispiel „BtMG“ macht aber deutlich, dass mit solch einer Betrachtung nicht viel gewonnen ist, da sie nur den jeweiligen Gegenstand des Gesetzes betrifft und auch nur die Konstellationen, in der es um die Verwendung der „gefährlichen Sache“ als Tatmittel geht. In solchen Fällen dürfte aber die Strafbarkeit in doppelter Hinsicht ohnehin keine Probleme bereiten: Diejenige Person, die Betäubungsmittel als Berufsträger unerlaubt bzw. entgegen der Vorschriften des BtMG abgibt oder in den Verkehr bringen lässt, macht sich bereits gem. § 29 I Nr. 1 BtMG strafbar, weil sie sich schlicht nicht im Rahmen ihrer berufsmäßigen Kompetenzen bewegt, also gerade nicht „professionell“ agiert.2308 Gleiches gilt für den Gastwirt, der gem. § 29 I Nr. 10 BtMG die Gelegenheit zum unbefugten Erwerb ermöglicht: Es handelt sich auch hier um eine gesetzlich angeordnete Sonderhaftung, weil der Tatbestand selbst eine (im Regelfall) in Ausübung eines Berufs vorgenommene Tätigkeit eigenständig erfasst.2309 Dass die Person sich über das Betäubungsmittelstrafrecht hinaus beispielsweise wegen den §§ 223, 224 I Nr. 2, 27 StGB strafbar macht, wenn sie weiß, dass dieses Betäubungsmittel als K.O.-Tropfen missbraucht werden soll, bereitet keine Probleme.2310
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3. Teil A. IV. 4. c) bb), S. 311 ff. Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 36. 2306 NK/Puppe vor § 13 Rn. 171 ff. 2307 Wohlers NStZ 2000, 169. 2308 Insofern weist Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 31, 35 zu Recht auf den Unterschied zwischen berufsbedingter Tatbestandsverwirklichung und einer Strafbarkeit bei Gelegenheit der Berufsausübung hin; vgl. auch S. 65: „in all diesen Konstellationen kann das Tätigwerden als Berufsträger per se natürlich nicht privilegierend wirken. . .“ 2309 Wobei die Handlung aus strafrechtsdogmatischer Sicht nur als Beihilfehandlung zu klassifizieren wäre, vgl. Stegherr NStZ 1995, 322. 2310 Aus Sicht des Haupttäters liegt wohl schon kein „alltäglicher Fall“ vor, wenn der Täter sich auf ein verbotenes und somit bereits im Hinblick auf die Beschaffung riskantes Tatmittel einlässt, um beispielsweise den verhassten Nebenbuhler zu töten. 2305
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Schwierig gestaltet sich die rechtliche Bewertung, wenn die Rechtsordnung das Verhalten als solches – also auch innerhalb geschriebener Verhaltensanforderungen einem Berufskreis – gestattet. Ebenso wie es nicht verboten ist, Küchenmesser zu verkaufen, ist es nicht untersagt, Paracetamol als Apotheker abzugeben bzw. als Arzt Betäubungsmittel der Anlage III zu verschreiben, soweit der Patient die Verschreibungsvoraussetzungen erfüllt. Nur weil der Berufsträger Betäubungsmittel in bestimmten Fällen verschreiben oder abzugeben darf, heißt dies nicht, dass jeglicher Missbrauch ausgeschlossen ist. Noch deutlicher kommt dies zum Vorschein, wenn die Beihilfehandlung nicht den Gegenstand des Betäubungsmittelgesetzes selbst betrifft, man denke an den Verkauf von Präzisionswaagen, die dem Portionieren von Kokain dienen sollen oder an die Tätigkeit als Taxifahrer, der als Kurier „missbraucht“ wird. Dass der Umgang mit Betäubungsmitteln im Gegensatz zu Präzisionswaagen streng reglementiert ist, dürfte nichts daran ändern, dass eine Strafbarkeit des Apothekers, der um die missbräuchliche Zweckwidmung des Paracetamol weiß, ebenso in Betracht kommen muss, wie beim professionellen Chauffeur, der um seine Kuriertätigkeit weiß. Eine Argumentation in die umgekehrte Richtung, wonach man in einer strikten Reglementierung ein (zumindest in strafrechtlicher Hinsicht) abgeschlossenes Haftungssystem sehen könnte, überzeugt nicht.2311 Schließlich betreffen die Erlaubnistatbestände nur konkrete Deliktstatbestände, sind aber nicht die im Stande, die strafrechtliche Haftung per se auszuschließen. Es bleiben stets Verhaltensweisen über, die in keinerlei Bezug zu den aufgestellten Verhaltenspflichten stehen und deren Einhaltung durch den Berufsträger somit keine präjudizielle Wirkung für die Beteiligung an diesem Delikt haben darf.2312 Somit kommt nicht nur eine strafbare Beteiligung an kernstrafrechtlichen Vorschriften (man denke an die Verwendung der Stoffe als „Gift“ bzw. „K.O.-Tropfen“), sondern auch an den §§ 29 ff. BtMG in Betracht, wobei es systematisch einleuchtet, dass nur außerhalb der spezifischen Erlaubnis liegende Tatmodalitäten betroffen sein können.2313 2311 In gewisser Weise wurde diese Problematik schon im Bereich der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit aufgegriffen, als es um die Frage ging, ob trotz begründeter Verschreibung ein fahrlässiges Inverkehrbringen in Betracht komme, vgl. 3. Teil A. II. 2. c) aa) (3), S. 218 ff. 2312 Etwas anderes dürfte nur dann gelten, wenn die Verhaltenspflicht gerade die vorgeworfene Tatbestandsverwirklichung verhindern soll; dies kann aber beim Handeltreiben als nicht erlaubnisfähiges Verhalten ohnehin niemals der Fall sein. Zur Frage einer Indizwirkung des Verstoßes gegen Sondernormen vgl. auch Kudlich, FS-Otto, 2007, S. 373 ff. (die dort gemachten Überlegungen betreffen in erster Linie die Fahrlässigkeitshaftung. Da es aber letztlich um die „Relevanz“ bzw. präjudizielle Wirkung des Verstoßes gegen Sondernormen geht, dürften die dort gemachten Überlegungen auf die berufsbedingte Beihilfe übertragbar sein, zumal ja auch eine fahrlässige berufsbedingte Tatbestandsverwirklichung denkbar ist). 2313 Es ist interessant zu beobachten, dass die Kommentarliteratur „berufsbedingte Verhaltensweisen“ wie den Verkauf von Anbauzubehör (Spezialheizungen, Dünger, Anleitungsbücher) ohne Weiteres herausnimmt, da beispielsweise „der Umgang mit Betäu-
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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Es bleibt bei den „allgemeinen“ Grundsätzen und somit auch beim „allgemeinen Streitstand“. Soweit der Berufsträger gegen die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstößt, ist seinem Verhalten die „Neutralität“ genommen und eine Einschränkung kommt nicht in Betracht, soweit es um die Strafbarkeit gerade dieser zu unterbindenden Handlung geht.2314 Handelt es sich objektiv um normale Berufsausübung oder bewegt sich der Berufsträger (vornehmlich Ärzte oder Apotheker) innerhalb der vom BtMG vorgegebenen Grenzen, so erscheint (auch aus systematischen Gründen, beispielsweise ist die fahrlässige Verschreibung sowie die fahrlässige Abgabe aus Apotheken nicht strafbar2315) eine Einschränkung geboten, wobei hier die gemischt objektiv-subjektiven Ansätze der h. L. überzeugen: Danach dürfte eine Einschränkung bei sicherem Wissen um die deliktische Zweckwidmung ausscheiden, wobei Roxin objektiv einschränkend fordert, dass die Gehilfenhandlung einen deliktischen Sinnbezug aufweisen müsste.2316 Da man dann bei einem Beteiligten, der mit dolus directus zweiten Grades agiert objektiv womöglich mehr verlangt, als bei einem Beteiligten, der nur mit dolus eventualis agiert,2317 lehnt Kudlich bei unbedingtem Vorsatz eine Einschränkung per se ab.2318 Es überzeugt, dass er nur bei Tätern, die an der Schwelle zwischen bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz stehen, voraussetzt, dass dann zusätzlich „triftige Anhaltspunkte“ für die deliktische Verwendung „gerade der erbrachten Leistung selbst“ gegeben sein müssen.2319 Diese Überlegungen sind erst recht auf § 29 I Nr. 10, 11 BtMG zu übertragen, der für die Erwerbsermöglichung dolus eventualis ausreichen lässt. Demnach gerieten bungsmittelsamen unter bestimmten Voraussetzungen nicht strafbar sei“ und der Verkauf dieser Gegenstände noch weit im Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung stehe. Beides kann allerdings auch auf den Fall des Kaufs eines Küchenmessers zutreffen, dessen Verkauf erlaubt ist, wobei es allgemeine Meinung darstellt, dass Beihilfe eben auch im Vorbereitungsstadium geleistet werden kann, solange die Haupttat ins Versuchsstadium gelangt; insofern etwas zu pauschal Körner/Patzak § 29 Teil 2 Rn. 80 f.; Teil 4 Rn. 166. 2314 Man denke an die schlichte Kurierfahrt durch einen Taxifahrer, der um die deliktischen Absichten des Kunden weiß BGH GA 1981, 133; hierzu auch BayObLGSt 1991, 85. 2315 Diese Privilegierung betrifft allerdings nur den Fahrlässigkeitsbereich, bei dem eine (mittelbare) Strafbarkeit bei Tätigkeitsdelikten ohnehin schwer zu begründen ist, vgl. noch die Ausführungen im Folgenden, zumal der Verfasser den „Hauptfall“, sprich das Konstrukt des fahrlässigen Handeltreibens grundsätzlich ablehnt. 2316 Roxin, FS-Miyazawa, 1995, S. 507 ff. (512 ff.); ders. AT II § 26 Rn. 218 ff.; zust. Ambos JA 2000, 721 (724); Amelung, FS-Grünwald, 1999, S. 9 ff.; Tag JR 1997, 49. 2317 Da nach Roxin bei dolus eventualis erkennbare Tatgeneigtheit des Täters ausreichen soll, vgl. Roxin, FS-Tröndle, 1989, S. 177 ff. (187 ff.), krit. hierzu Hartmann, ZStW 116 (2004), 585 (596 ff.). 2318 Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 534. 2319 Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 534; zum Fall einer nicht berufsbedingten, sondern „alltäglichen“ Verhaltensweise (Überlassen des PKW, das ohne Wissen des Halters zu Kurierzwecken benutzt wird) OLG Düsseldorf StV 2003, 626.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Busunternehmer, die eine größere Gruppe feiernder Jugendlicher über die tschechische Grenze transportierten, (zu) schnell in den Fokus der Ermittlungen, da mangels Geltung einer Hemmschwellentheorie ein dolus eventualis bezüglich § 29 I Nr. 10 BtMG zumindest nicht fern liegt und bei gegebenem Anlass unterstellt werden kann, dass der Fahrer in Kauf nimmt, die Jugendlichen würden nunmehr direkt an der Grenze Drogen erwerben. Wenn nun eine „Beihilfe zum Erwerb“ ohne triftige Anhaltspunkte bzw. ohne erkennbare Tatgeneigtheit ausscheiden soll, so kann dies nicht durch einen täterschaftlich ausgestalteten Auffangtatbestand abgefedert werden, der einen dolus eventualis ausreichen lässt. Den ohnehin „Vollzugsdefiziten“ ausgesetzten § 29 I Nr. 10, 11 BtMG muss man in derartigen Fällen auf subjektiver Ebene einschränken.2320 Anders als das Kernstrafrecht zeichnet sich das Nebenstrafrecht durch seine exzessive Anordnung von Fahrlässigkeitsstrafbarkeiten aus,2321 sodass man bei Einschränkungen im Vorsatzbereich nicht stehen bleiben kann. Soweit der Beteiligte im Hinblick auf die Deliktsverwirklichung nur fahrlässig agiert, sollte man eine Strafbarkeit regelmäßig ablehnen, da im Bereich der „Einheitstäterschaft“ der mehr oder weniger indifferente Kausalbeitrag nicht als fahrlässige Verwirklichung der tatbestandlich umschriebenen Fahrlässigkeitshandlung qualifiziert werden kann, § 29 IV BtMG.2322 Dies gilt nur, wenn es sich um eine innerhalb der „Einheitstäterschaft verlorengegangene“ Beihilfehandlung handelt, sprich bei vorsätzlicher Verwirklichung der Tat eine Teilnahme anzunehmen wäre.2323 Richtet sich der Fahrlässigkeitsvorwurf direkt an den Berufsträger, bleibt es bei einer Strafbarkeit.2324 Beachte: Für den seltenen Fall des Erfolgsdelikts reicht das „allgemeine Berufsrisiko“ und das Wissen, dass der Umgang mit Betäubungsmitteln per se gefährlich ist,2325 nicht aus, um eine objektive Vorhersehbarkeit nachzuweisen.2326
2320 Wobei hier bereits an anderer Stelle angedeutet wurde, dass Einschränkungen des Tatbestands angezeigt sind, 3. Teil A. II. 2. b) bb) (3), S. 204; die Kommentarliteratur verhält sich (wohl auch aufgrund der praktisch geringen Bedeutung der Vorschrift) nicht zu diesen Fragen und lässt dolus eventualis genügen, vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 19 Rn. 60; Weber § 29 Rn. 1510. 2321 Dies ist in gewissem Grade „kontraproduktiv“, da der Gedanke der Einschränkung im Bereich der berufsbedingten Beihilfe nicht darin besteht, von der Vorsatzstrafbarkeit auf die Fahrlässigkeitshaftung auszuweichen. 2322 Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 466; dies gilt nicht für ein fahrlässiges Handeltreiben, das aber nach hier vertretener Ansicht gar nicht existieren dürfte, vgl. 3. Teil A. II. 2. e), S. 220 ff. 2323 Zur fahrlässigen Beihilfe Bindokat JZ 1986, 421. 2324 Dies ist beispielsweise bei § 29 I Nr. 10 i.V. m. § 29 IV BtMG der Fall. 2325 Es besteht stets eine Gefahr des Missbrauchs. 2326 Zu diesen Überlegungen vgl. auch Kudlich, Berufsbedingtes Verhalten, S. 466.
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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dd) Doppelter Gehilfenvorsatz Auch der Gehilfenvorsatz hat zwei Anknüpfungspunkte: Zum einen die Gehilfentätigkeit selbst, zum anderen die Haupttat. Die beim Agent Provocateur entwickelte Lehre von der Rechtsgutsverletzungsgrenze gilt nach h. M. auch hier, sodass die dort gemachten Überlegungen an dieser Stelle ebenso gelten. Die Bedenken gegen das Vorgehen der Rechtsprechung bleiben erhalten, zumal die Verortung dieser Problematik in den subjektiven Tatbestand auch Einschränkungen in Fällen ermöglicht, in denen es objektiv zu einer Gefährdung des Rechtsguts kommt oder subjektiv es dem Gehilfen überhaupt nicht auf eine Verringerung des Risikos ankommt.2327 Bedenkt man ferner, dass die Beihilfestrafbarkeit „konstruktivistisch“ angelegt ist und eigentlich nur dazu dient, die Strafbarkeitsextension über die Rechtsfolgen des § 27 II StGB abzumildern, sollte man Abstand vom Modell der „Rechtsgutsverletzungsgrenze“ nehmen und sich schlicht offen zu seiner Vorgehensweise bekennen. Dann wäre eine Prüfung angezeigt, ob der „Gehilfe“ selbst den Tatbestand des Handeltreibens erfüllt. Dieser setzt aber eigennütziges Handeln und Umsatzwillen voraus. Ist dies aber der Fall, besteht kein Anlass mehr, ihn als „akzessorisch haftenden“ Teilnehmer gegenüber dem Haupttäter zu bevorzugen, denn dies hat man bereits über die Anwendung des § 27 II StGB getan.
III. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht Die Dogmatik der Teilnahme spielt für sich gesehen aus den geschilderten Gründen bis auf wenige Ausnahmen2328 keine Rolle im Betäubungsmittelstrafrecht. Vielmehr konzentriert man sich im Wesentlichen auf die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. 1. Grundlagen Idealtypisch geht es dabei um eine Einordnung des fraglichen Verhaltens in eines der beiden „großen Schubladen“.2329 Die Notwendigkeit dieser Zuweisung ergibt sich schon aus der strafrechtlichen Beurteilung im Anschluss.2330 Insofern muss man diesen ersten Schritt der grundlegenden Zuweisung als Täter klar von der Frage einer Mittäterschaft trennen. Dies gilt für das Betäubungsmittelstrafrecht in besonderem Maße, da der extensive Täterbegriff relativ häufig zu einem 2327
Er also schlicht davon ausgeht, es werde nicht zum „Umsatzerfolg“ kommen. Vgl. 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff. (agent provocateur) sowie 3. Teil D. II. 2. c) cc), S. 567 ff. (berufsbedingte Beihilfe). 2329 v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 4. 2330 Insbesondere was die Voraussetzungen der Strafbarkeit und deren Rechtsfolgen angeht. 2328
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Aufeinandertreffen von „Nebentätern“ führt. Damit sind Konstellationen angesprochen, bei denen sich Käufer und Abnehmer gegenüberstehen und die gedealten Mengen selbstverständlich nicht wechselseitig zugerechnet werden dürfen, soweit keine „gemeinschaftliche Geschäftstätigkeit“ vereinbart wurde.2331 Eine „echte“ Beihilfe kommt auch nur in Betracht, wenn eine Zentralgestalt im Raume steht und sich eben nicht zwei Zentralgestalten gegenüberstehen. Die Abgrenzung ist in einem Strafrecht, bei dem die Tatbestandslehre zugleich die Täterlehre ist, partiell vorgezeichnet.2332 Die echten Sonderdelikte, bei denen der Beteiligte im Tatbestand genannte Subjektsqualitäten erfüllen muss, wurden in diesem Zusammenhang bereits angesprochen. Gleiche „negative Abgrenzungsfunktion“ kommt eigenhändigen Delikten, Pflichtdelikten oder Tatbeständen mit überschießender Innentendenz zu.2333 Diese tatbestandstypusorientierte Abgrenzung hilft nicht weiter, wenn – wie im häufigeren Fall – keiner der Beteiligten ein „negatives Kriterium“ aufweist bzw. der Tatbestand durch jede natürliche Person verwirklicht werden kann. Die vollständig eigenhändige Verwirklichung des Tatbestands führt zur Klassifizierung als Täter,2334 doch ist sie nicht notwendige Voraussetzung für die Annahme einer Täterschaft, wie sich aus § 25 I Var. 2 StGB sowie § 25 II StGB ergibt. Schon aus diesem Grunde ist die früher vertretene formal-objektive Theorie2335 überholt, mag sie aufgrund ihrer Einfachheit nach wie vor die sympathischste Abgrenzungsmethode darstellen. Umgekehrt ist es nicht mit dem Wortlaut des § 25 I Var. 1 StGB vereinbar, ausschließlich den subjektiven Willen des Beteiligten (animus auctoris oder animus socii?2336) für maßgeblich zu erachten und damit selbst denjenigen als Gehilfe zu klassifizieren, der alle Merkmale in eigener 2331 Niemand kann Gehilfe des Vertragspartners an dessen Geschäften sein; dies ganz i. S. d. Überlegungen zur notwendigen Teilnahme und Konvergenz, vgl. 3. Teil D. II. 2. a) bb), S. 547 ff. und Fn. 2192; BGH NStZ 2003, 269: „Denn das Zusammenwirken zwischen Veräußerer und Erwerber von Betäubungsmitteln stellt sich grundsätzlich als jeweils selbständige Täterschaft dar, da sich beide als Geschäftspartner gegenüberstehen und gegenteilige Interessen verfolgen, so daß ihr Zusammenwirken allein durch die Art der Deliktsverwirklichung notwendig vorgegeben ist.“ 2332 Vgl. bereits 3. Teil D. I., S. 527. 2333 Man denke an die Eigennützigkeit beim Handeltreiben; wer nicht eigennützig den Umsatz von Betäubungsmitteln fördern will, kommt von vornherein nur als Gehilfe des Handeltreibens in Betracht, vgl. nur BGHSt 26, 117; 34, 124; BGH NStZ 2006, 578; BGH StV 1998, 588; StV 1999, 428; StV 2000, 619; StV 2002, 255; siehe auch OLG Düsseldorf StV 1992, 15; zuletzt BGH v. 19.01.2012 – 2 StR 590/11; BGH v. 22.05.2012 – 4 StR 117/12. 2334 So zumindest im Grundsatz, vgl. noch 3. Teil D. III. 3. a) aa) (1), S. 601 ff. 2335 Danach ist nur derjenige als Täter einzustufen, der die Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht, Übersicht bei Roxin, TuT, S. 34–50 sowie MK-StGB/ Joecks § 25 StGB Rn. 10. 2336 Allen voran wohl v. Buri, Die Kausalität und ihre strafrechtlichen Beziehungen (1885), S. 41 bei LK/Schünemann § 25 Rn. 3.
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Person verwirklicht.2337 Im Übrigen dürfte einer subjektiven Theorie weniger der Einwand eines schwer nachweisbaren Täterwillens entgegenstehen, als vielmehr dessen Konturierung.2338 Jede subjektive Theorie erfährt durch die Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung eine „Objektivierung“: Man muss den Vorsatz anhand etwaiger Indizien „zuschreiben“, die ihrerseits an die Tatbegehung, den Tatplan und die Aussagen der Zeugen etc. knüpfen. Es wäre folglich verfehlt, von einer vermittelnden Ansicht des BGH oder einer „gemäßigt“ subjektiven Theorie zu sprechen, wenn man genau diesen Prozess beschreibt. Denn es sind kaum Fälle vorstellbar, in denen der Tatrichter sich von einem (vermeintlichen) Teilnehmerwillen überzeugen lässt, der im klaren Gegensatz zum äußeren Tatgeschehen steht. Dass die Rechtsprechung solch ein Vorgehen grundsätzlich nicht mehr zulässt, müsste man eher als prozessuale „Beweiswürdigungsregel“ bewerten, jedoch nicht als „eingeschränkt subjektive Theorie“. Ein objektiv-subjektiv „vermittelnder“ Ansatz existiert mithin nicht;2339 mit dieser Wendung werden nur strengere Anforderungen beschrieben, die an die Indizien für einen „animus auctoris“ gestellt werden.2340 Die Wendung „gemischt objektiv/subjektiver Ansatz“ mag darauf zurückzuführen sein, dass die Rechtsprechung „in die Literatur spickt“, wenn sie als konkreteren Begriff für den Täterwillen den Tatherrschaftswillen sowie die objektiv (nach der Tatherrschaftslehre ggf. zwingenden) Voraussetzungen als Indiz heranzieht. Mit in die „wertende Gesamtbetrachtung“ 2341, aus der sich die Täter- oder Teilnehmerstellung ergeben soll, fließen hierbei ein: Die Art des Tatbeitrags,2342 die Stellung des Beteiligten innerhalb des Tatplans und seine Mitwirkungs2337
Zur Entwicklung der unterschiedlichen Theorien vgl. Roxin, TuT, S. 60 ff. Insbesondere bei drittbegünstigendem Verhalten wird es schwer, von einem „echten Täterwillen“ zu sprechen, siehe hierzu noch 3. Teil D. III. 2. b) cc), S. 586; vgl. auch LK/Schünemann § 25 Rn. 33, wobei als Beispiele aus dem Kernstrafrecht die §§ 216, 242, 246, 253, 259, 263 StGB genannt werden. 2339 Krit. auch Kühl AT § 20 Rn. 30. 2340 Vgl. auch SSW/Murmann Vor § 25 Rn. 12, der von „revisionsgerichtlich nicht überprüfbaren“ Beurteilungsspielräumen spricht. 2341 Zu diesem Begriff, der die Abgrenzung bereits für sich „unkalkulierbar“ macht, vgl. schon 3. Teil D. I., S. 527 ff.; krit. Rotsch, Einheitstäterschaft, S. 481: „. . .scheint das Bestreben zu wachsen, täterschaftliche Strafbarkeit zu begründen, wo dies kriminalpolitisch für notwendig gehalten wird, dogmatisch aber nicht mehr wirklich überzeugend zu begründen ist. Während damit in vielen Bereichen der Einheitstäter längst etabliert ist, resultiert daraus dann insgesamt ein Beteiligungssystem, das sich auf völlig heterogene Kriterien gründet und in dem sich in eklektizistischer Weise nach Belieben bedient werden kann. In diesem ,autopoietischen Mischsystem‘ lässt sich dann nahezu jedes kriminalpolitisch gewünschte Ergebnis begründen. Vom ,sonnigen Gipfel der Dogmatik‘ sind wir damit jedenfalls weit entfernt.“ 2342 BGH NStZ-RR 2002, 74; fehlende Handlungen oder ganz untergeordnete Tätigkeiten im Ausführungsstadium sollen auf eine Gehilfenstellung hindeuten, es sei denn das „Minus“ bei der Tatausführung wird durch ein „Plus“ im Planungsstadium kompensiert, vgl. 3. Teil D. II. 1. c) aa), S. 541. 2338
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rechte,2343 dessen Potenzial, jederzeit auf den Ablauf eines ggf. komplexen Tatgeschehens einzuwirken,2344 aber eben auch der Grad des Interesses am „Taterfolg“ 2345 (dabei nehmen finanzielle Interessen eine Sonderstellung ein, wobei die Relation zwischen Vorteil und Beteiligung maßgeblich sein soll2346). Für die im Schrifttum herrschende Tatherrschaftslehre als materiell-objektive Theorie2347 handelt es sich bei der Tatherrschaft um ein objektiv zwingendes Merkmal, sodass der bloße Tatherrschaftswillen nicht für eine Täterstellung ausreicht. Täter ist vielmehr nur, wer allein oder zusammen mit anderen die Tatherrschaft innehat, also die „Zentralgestalt“ 2348 des tatbestandlichen Geschehens ist, die den Ablauf der Tat planvoll lenkend oder mitgestaltend in Händen hält.2349 Teilnehmer ist dagegen, wer die Tat als „Randfigur“ fördert.2350 Es dürfte klar sein, dass mit solchen auf den ersten Blick griffig (bzw. deskriptiv) anmutenden Formeln nicht viel gewonnen ist, da selbstverständlich auch die Tatherrschaftslehre nicht ohne einen normativen Einschlag auskommt. Entscheidender Unterschied dürfte das Ausblenden des subjektiven Tatinteresses sein.2351 Häufig ist zu lesen, dass sich die Rechtsprechung im Übrigen jedoch der h. L. angenähert hätte.2352 Dies hängt davon ab, ob man die zwingende Methodik, objektive Indizien für einen subjektiven Ansatz heranzuziehen, als „Annäherung“ bezeichnen will. Dies sei an dieser Stelle nicht weiter erörtert. Entscheidend ist vorliegend die Gemeinsamkeit der beiden Abgrenzungsmethoden: Sie sind beide „tatbestandsbezo2343 Weswegen eine Mittäterschaft regelmäßig dann angenommen wird, wenn der Beteiligte die Stellung eines gleichberechtigten Partners hat, vgl. BGH StV 1994, 15. 2344 MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG BtMG Rn. 350. 2345 BGH StV 1998, 540. 2346 Dieses Abgrenzungskriterium ist kritisch zu sehen, weil die Fremdnützigkeit des Tuns keinen Aussagegehalt über die täterschaftliche Stellung haben muss; man kann diesen Vorwurf allerdings als „Zirkelschluss“ entlarven, da der Gesetzgeber eben den restriktiven Täterbegriff durchbricht, indem er trotz Fremdnützigkeit eine täterschaftliche Stellung annehmen wollte, mithin die Möglichkeit einer Bestrafung trotz Fremdnützigkeit eine Tatbestandsfrage ist. 2347 Zu den einzelnen Vertretern vgl. LK/Schünemann § 25 Rn. 11 in alphabetischer Reihenfolge. 2348 LK/Schünemann § 25 Rn. 38 („Schlüsselfigur“). 2349 Grundlegend Roxin, TuT, S. 122 ff. 2350 Wessels/Beulke Rn. 513; Kühl AT § 20 Rn. 28. 2351 Im Betäubungsmittelstrafrecht ist dies nicht zu unterschätzen, da der BGH gerade hier etwas ungenau Tatbestandserfolg bzw. Tatbestandsverwirklichung durch einen anderen Tat-„Erfolg“ i. w. S. ersetzt, vgl. noch im Folgenden. 2352 So Küpper GA 1986, 437; vgl. hierzu differenzierend Heger JA 2002, 628 (631); v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 15, 15.1; MK-StGB/Joecks § 25 StGB Rn. 20 ff.; SSW/Murmann § 25 Rn. 12 („Kluft beträchtlich“). Herzberg JZ 1991, 861 bemängelt, dass der Begriff der Tatherrschaft nur als Modewort übernommen, aber nicht ernsthaft zum Prüfstein gemacht wurde.
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gen“.2353 Dementsprechend können sie nicht die „Weitläufigkeit“ eines Tatbestands überbrücken bzw. einen extensiven Täterbegriff einschränken. Diese Funktion fällt einem Abgrenzungsmerkmal begriffslogisch nicht zu. Je geringer die Anforderungen an die Tatbestandsverwirklichung sind, desto geringer sind die Anforderungen an die Annahme von „Tatherrschaft“ bzw. einem „Täterwillen“. Je kompakter der Tatbestand beschrieben ist, desto klarere Konturen erhält der Begriff materieller Tatherrschaft.2354 Dies macht eine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach beiden Methoden unmöglich. 2. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Das Problem, dass bereits jede auf (Fremd)Umsatz gerichtete Tätigkeit zur eigenhändigen Tatbestandsverwirklichung führt und es damit gem. § 25 I Var. 1 StGB keine Teilnahme am Handeltreiben geben kann,2355 wurde bereits dargelegt. Man ist sich dem auch in der betäubungsmittelrechtlichen Kommentarliteratur und Rechtsprechung2356 bewusst. Der Umgang mit diesem Phänomen erfolgt, wie die entsprechende Passage bei Weber belegt, ebenso nüchtern wie deren Feststellung:2357 „Abweichend von anderen Straftatbeständen kann beim Handeltreiben Beihilfe auch dann vorliegen, wenn der Beteiligte in Person alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Anders als etwa bei der Einfuhr gilt der Grundsatz, dass bei der eigenhändigen Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale stets (Mit-)Täterschaft gege2353
Zur „Tatbestandsbezogenheit“ Kühl AT § 20 Rn. 29. Siehe hierzu nochmals die Ausführungen zum restriktiven Täterbegriff, auf dem die Tatherrschaftslehre aufbaut, 3. Teil D. I, S. 527. 2355 Erstmals wohl Liemersdorf/Miebach MDR 1979, 981; vgl. auch Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 204 f.; das Problem spricht Skoupil in einer Fußnote an, bemerkt allerdings, dass deren Darstellung den Rahmen sprengen würde, vgl. Handeltreiben, S. 112 Fn. 661. Mittelbar setzt er sich durch die Darstellung der Vollendungsstrafbarkeit bei Fremdumsatzgeschäften dann doch mit der Problematik ausführlicher auseinander, vgl. S. 111 ff. 2356 Vgl. nur BGH NStZ 1988, 507: „Daß das festgestellte Tatgeschehen, an dem der Beschwerdeführer beteiligt war, als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gewertet wurde, entspricht der Rechtslage“ (sodann hebt der Zweite Senat das Urteil auf, weil trotz dieser „Rechtslage“ eine Gehilfenstellung hätte angenommen werden müssen). In BGHSt 34, 124 heißt es: „Die Frage, ob die Beteiligung an der Tat Mittäterschaft oder Beihilfe ist, beurteilt sich auch bei dem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Das kann mitunter schwierig sein, weil der Begriff des Handeltreibens weit ausgelegt wird und jede eigennützige, den Umsatz fördernde Tätigkeit erfaßt, selbst wenn es sich nur um eine gelegentliche, einmalige oder vermittelnde Tätigkeit handelt.“ 2357 Weber § 29 Rn. 584; vgl. ders., Handeltreiben, S. 536. 2354
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ben ist, nicht beim Handeltreiben [. . .] Vielmehr ist anhand der allgemeinen Kriterien, die für die Abschichtung der Beteiligungsformen auch sonst gelten [. . .] zu entscheiden, ob (Mit-)Täterschaft oder Teilnahme vorliegt [. . .] Problematisch bleibt der Widerspruch zu dem Grundsatz, dass derjenige, der in Person alle Tatbestandsmerkmale verwirklicht, an sich stets (Mit-)Täter ist [. . .]. Allerdings würde die dogmatisch konsequente Handhabung dieses Prinzips im Hinblick auf die Weite und Struktur des Tatbestands des Handeltreibens [. . .] der Rechtsanwendung hier jegliche Flexibilität nehmen. Der Weg zur Einheitstäterschaft wäre vorgezeichnet.“ Weber dürfte klar sein, dass man bei einer Abgrenzung anhand der „allgemeinen Kriterien“ zur Täterschaft gelangt.2358 Insofern gelten sie beim Handeltreiben gerade nicht, wie behauptet. Gemeint kann nur sein, dass im Übrigen die „allgemeinen Kriterien“ 2359 herangezogen werden sollen. Aber hier beginnen die Ungenauigkeiten. Denn auch diese Kriterien haben Tatbestandsbezug, und ihre Heranziehung basiert auf der Prämisse, dass der Tatbestand durch die Handlung nicht eigenhändig verwirklicht wurde. Mit einem derart lapidaren Verweis2360 kaschiert man die zentrale Modifikation, die man bei der Abgrenzung vornimmt, nämlich die (zwingende) Loslösung vom gesetzlich umschriebenen Tatbestand. Dies führt zur Frage, worauf sich die genannten „allgemeinen Kriterien“ beziehen, wenn der Tatbestand als typischer Anknüpfungspunkt weggefallen ist? Und hier haben sich bis dato zwei grundlegend unterschiedliche Möglichkeiten in der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur herauskristallisiert; oder genauer formuliert: Eine Methode löste die andere ab.2361 a) Auf der Suche nach einer Auflösung der faktischen Einheitstäterschaft Die diametral gegenüberstehenden Ansätze kann man sich nach den Überlegungen zum Hilfeleisten gem. § 27 I StGB beim Handeltreiben2362 bereits denken: Entweder man betrachtet die Handlung des (potentiellen) Gehilfen als Teilakt isoliert und bewertet dessen Tatherrschaft bzw. Täterwillen innerhalb dieses Teilakts.2363 So schien die Rechtsprechung bis zum Jahre 2005 vorzugehen, wo2358 Nochmals in Weber, Handeltreiben, S. 296 (weswegen auch eine Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes abzulehnen sei). 2359 Siehe oben: Art des Tatbeitrags, Grad des Interesses am Taterfolg, Tatherrschaftswille etc. 2360 So geht auch die Rechtsprechung vor, vgl. bereits in BGH NStZ 1982, 243, siehe auch im Folgenden. 2361 BGHSt 51, 219; dass dieser Einschnitt vgl. im Folgenden als „Kurierrechtsprechung“ bezeichnet wird, ist mehr als schade, da diese Betrachtung nicht nur den Kurier, sondern die Abgrenzung im Betäubungsmittelstrafrecht überhaupt betreffen muss, selbst wenn der Kurier den praktisch wichtigsten Fall darstellen dürfte. 2362 3. Teil D. II. 2. c) bb), S. 562 ff. 2363 M. E. als tatbestandsnähere Lösung zu bevorzugen.
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bei die knappe Zusammenfassung im Folgenden zu Tage bringt, dass es sich hierbei nur um eine Vermutung handelt. Doch diese Mutmaßung hat ihre Berechtigung, da die Rechtsprechung die Teilaktslösung der Gesamtgeschäftslösung ausdrücklich gegenüberstellt.2364 Ein klares Bekenntnis zur Teilaktslösung gab es – im Gegensatz zur Gesamtgeschäftslösung jedoch nie, da der BGH seine Haltung mit Obersatz-Evergreens a´la „Auch in Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist anhand allgemeiner Abgrenzungskriterien zu überprüfen“ kaschiert.2365 Dies mag damit zusammenhängen, dass eine isolierte Bewertung an ihre Grenzen stößt, wenn jemand an mehreren Einzelakten – „untergeordnet“ – beteiligt ist, eine Gesamtbetrachtung allerdings eine „täterschaftliche“ Bewertung des Verhaltens legitimiert. Die Einzelaktsbetrachtung scheint insofern dem „dauerdeliktsähnlichen“ Charakter des Handeltreibens nicht gerecht zu werden; dagegen ließe sich anbringen, dass es nicht unbedingt geboten erscheint, den Beteiligten als Täter zu klassifizieren, wenn nicht wenigstens ein einziger isolierter Teilakt festgestellt ist, bei dem er die volle Tatherrschaft hat bzw. mit animus auctoris agiert (dies ist in den allerseltensten Fällen anzunehmen). Das Abstellen auf einen konkreten Einzelakt kehrt den Zurechnungsprozess zumindest wieder um, ergo „normalisiert“ er ihn. Man degradiert den Täter nicht aus „Billigkeitsgründen“ zu einem Gehilfen, sondern geht der Überlegung nach, ob der Beteiligte trotz nicht eigenhändiger Verwirklichung des Tatbestands als Mittäter in Betracht kommt. Ein weiteres Problem und somit auch Einwand gegen die Teilaktslösung bleibt: Welche Handlungen betrachtet man überhaupt als relevante Teilakte und welche anderen Handlungen stanzt man nicht heraus? Als ganz banales Beispiel sei die Frage aufgeworfen: Ist die Kuriertätigkeit ein eigener Teilakt oder klassifiziert man sie als Hilfstätigkeit zum Teilakt „Kauf“? Jedenfalls besteht zu viel „Gestaltungsspielraum“, der seinerseits die Einzelfallentscheidung unberechenbar macht, wenn man sich nicht zu bestimmten – stets relevanten – Bezugspunkten bekennt. Es sind aber nicht diese dogmatischen Unzulänglichkeiten, die den BGH von einem „Festhalten“ an der Einzelaktslösung abhielten. Vielmehr hat der Große Senat eine restriktivere Betrachtung im Betäubungsmittelstrafrecht insgesamt angemahnt und angeregt, dem „Wildwuchs“ des Handeltreibens durch eine exzessive Annahme von Gehilfenstellungen zu begegnen.2366 Daher stellte der Zweite Senat in einer weiteren BGHSt-Entscheidung (BGHSt 51, 219) einen auf den ersten Blick deutlicheren Bezugspunkt für die Abgrenzung heraus, namentlich „das
2364 Gemeint ist, dass der Zweite Senat in seiner „Kurierentscheidung“ BGHSt 51, 219 betont, dass es nicht mehr auf den Einzelakt ankommen dürfte und somit suggeriert, dass dies bis dato der Fall war, vgl. noch ausführlich im Folgenden. 2365 Und das seit Jahren und kontinuierlich, vgl. BGH NStZ 2000, 482; BGH NStZ 2004, 696, BGH NStZ-RR 2010, 318; BGH NStZ-RR 2011, 57. 2366 3. Teil C. V. 2., S. 482 f.
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Gesamtgeschäft“.2367 Dieser Anknüpfungspunkt ist a priori restriktiver, was die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme angeht. Eine isolierte Betrachtung führt denklogisch häufiger zu einer Ablehnung der Gehilfeneigenschaft. Nur weil ein Kurier innerhalb seiner Kuriertätigkeit „das Sagen hat“ (die Route bestimmen kann, den größten Anteil des Kurierlohns bekommt und selbst den Wagen zur Verfügung stellt2368), heißt dies nicht, dass er innerhalb des Gesamtgeschäfts eine „große Nummer“ bzw. nicht austauschbar wäre. Oder umgekehrt: Wer innerhalb des Teilakts schon ein „kleiner Fisch“ ist, sieht bei einer Betrachtung des Gesamtgeschäfts erst recht klein aus; aus diesem Grunde ist der zweite Weg – das Gesamtgeschäft als Bezugspunkt – im ersten Schritt restriktiver. Sie erfuhr in der Anwaltschaft dementsprechend pauschal Zustimmung, wobei eine fast schon euphorische Atmosphäre zu spüren war.2369 Da nun im Rahmen einer der wichtigsten Fallgruppen des Betäubungsmittelstrafrechts, dem Kurier, regelmäßig § 27 II StGB „zur Verfügung stand“ und man nicht mehr auf die verpöhnte „Kronzeugentätigkeit“ zurückgreifen musste (bzw. dieses eine zusätzliche Strafrahmenverschiebung versprach),2370 schienen alle dogmatischen Bedenken innerhalb des materiellen Betäubungsmittelstrafrechts wie „weggeblasen“, weswegen der Schritt des Zweiten Senats auch aus rechtspolitischer Sicht insofern ein heilsames Mittel darstellte, die kritischen Stimmen etwas zu besänftigen. Schon nach kurzer Zeit gehörte das Modewort „Kurierrechtsprechung“ zum Repertoire fast jeden einigermaßen gewieften bzw. regelmäßig Anwaltsfortbildungen besuchenden Strafverteidigers. Dabei schien man noch nicht zu sehen, dass der Begriff des Gesamtgeschäfts aufgrund seiner weitreichenden Unbestimmtheit ein ebenso extensives Potential mit sich bringt. Insofern muss die „Kurierrechtsprechung“ im Folgenden leider als plakativ-kasuistische Hülle entlarvt werden. Denn bei einem Begriff wie dem „Gesamtgeschäft“ spannt man ein Tuch, das so weit reicht, dass man kaum abschließend klären kann, welche Handlungen innerhalb dieses Geschäfts als untergeordnet zu bewerten sind und welche nicht. Schließlich hat das „Gesamtgeschäft“ bzw. der Umsatz nichts mit der Tatbestandsverwirklichung, sondern allenfalls mit der konkurrenzrechtlichen Frage zu 2367
BGHSt 51, 219. Dies muss schließlich nicht immer so sein. 2369 Hier spielt das persönliche Empfinden des Autors mit hinein und dies mag mangels Berufserfahrung wenig Aussagekraft haben. Jeder Leser muss selbst entscheiden, ob er dieses Empfinden teilen konnte. Jedenfalls kann sich der Verfasser daran erinnern, zu Beginn seiner Untersuchungen zum Betäubungsmittelstrafrecht, wozu auch zahlreiche Gespräche mit Strafverteidigern aus dem ganzen Land zählten, von fast jedem dazu aufgemuntert wurde, sich auf jeden Fall mit der „begrüßenswerten“, „revolutionären“ oder „bahnbrechenden“ Entscheidung des Zweiten Senats zur Kurierrechtsprechung auseinanderzusetzen. 2370 Vgl. nur Krumdiek StRR 2007, 110 (111), die auf die Möglichkeiten der Strafrahmenverschiebung hinweist. So auch der „Praxistipp“ bei NJW Spezial 2007, 234: „Diese Entscheidung bildet einen Grundkurs bei der Bewertung der Strafbarkeit eines Drogenkuriers. Für die Verteidigung bietet sie zahlreiche Ansätze.“ 2368
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tun, inwiefern die Handlungen zu einer Bewertungseinheit verklammert werden können. Dabei brachte bereits eine isolierte Betrachtung Probleme für die Tatgerichte mit sich, da die Parameter der Beihilfestrafbarkeit schon vor der Entscheidung des Zweiten Senats häufig unklar und verschwommen waren. Der BGH tendierte schon von Anfang an dazu, die „enorme Vorfeldstrafbarkeit“ über die Gehilfenstellung zu korrigieren. Dies soll im Folgenden zunächst dargestellt und kritisch begutachtet werden, um im Anschluss der Überlegung nachzugehen, ob mit der „neuen Kurierrechtsprechung“ (ab BGHSt 51, 219) tatsächlich eine „Wende“ eingeläutet wurde bzw. die Freude vieler Strafverteidiger diesbezüglich berechtigt war.2371 b) Die Rechtsprechung bis 2007 – Eine „vermutete“ Einzelaktsbetrachtung Wie bereits erläutert, sah man sich bis zum Beschluss des Großen Senats im Jahre 2005 vornehmlich den „ermittelten“ und vorgeworfenen Einzelakt an und bewertete die Beteiligtenstellung des Angeklagten danach, welche Rolle ihm innerhalb dieses Einzelakts zukam. Nun könnte man meinen, dass dies eine strukturierte Darstellung ermöglicht,2372 doch weit gefehlt: Schließlich wurde bereits angedeutet, dass man den Entscheidungen nie wirklich entnehmen, sondern allenfalls vermuten kann, ob die Rechtsprechung dort überhaupt eine teilaktsbezogene Betrachtung zu Grunde legt. aa) Abgrenzung bei An- und Verkauf von Rauschgift sowie Vermittlung von Betäubungsmittelgeschäften Relativ gut nachvollziehbar sind einige Entscheidungen des BGH zum Kaufgeschäft als „typischem Teilakt“ des Handeltreibens. Wer Betäubungsmittel eigenhändig verkauft oder in der Absicht gewinnbringender Veräußerung ankauft ist Täter oder, wenn er mit anderen gemeinsam agiert, Mittäter des Handeltreibens.2373 Der BGH stellt in mehreren Entscheidungen fest, dass die bloße Anwesenheit beim Ankauf ohne weitere Feststellungen nicht genügt, um ein (mit)täterschaftliches Handeltreiben annehmen zu können.2374 Es sei rechtlich fehler2371 Die Entwicklung zeichnet auch Weber, Handeltreiben, S. 541 ff. nach und trennt die Darstellung ebenso in „Rechtsprechung vor und nach BGHSt 51, 219“, vgl. im Folgenden. 2372 Ähnlich wie bei den Ausführungen zu den Teilakten des Handeltreibens bei den Deliktsverwirklichungsstufen, 3. Teil C. IV. 2., S. 437 ff. 2373 Weber § 29 Rn. 609; BGHSt 28, 308. 2374 In BGH v. 25.03.1982 – 1 StR 534/81 war aber eher der nicht nachgewiesene Eigennutz des Angeklagten das Problem, während die Instruierung bzw. Herbeiführung des Rechtsgeschäfts nach den tatrichterlichen Feststellungen m. E. außer Frage steht,
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haft, (Mit-)Täterschaft allein damit zu begründen, dass der Angeklagte einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Tatbeitrag geleistet hat, da nach ständiger Rechtsprechung eine ganz untergeordnete Tätigkeit in aller Regel nicht genügt.2375 Im konkreten Fall hatte der Angeklagte das Geschäft lediglich dadurch gefördert, daß er in Gegenwart der anderen Beteiligten beim Auspacken eines Klumpen Heroin half, eine Flasche zum Zermahlen des Klumpens bereitstellte, etwas Mehl zum Auffüllen der Heroinmenge brachte und beim Verpacken des pulverisierten Heroins Hilfe leistete.2376 Wenn man die Entstehung bzw. den Abschluss des Geschäfts als maßgeblichen Teilakt sieht, stellen das Aufbereiten, das Reichen und Verpacken der Drogen typische Hilfshandlungen dar, weswegen die Zuordnung der Tätigkeit als Beihilfe auch einleuchtet.2377 Gleiches gilt, wenn die Anwesenheit des Beteiligten lediglich der Absicherung oder Überwachung eines Rauschgiftgeschäfts dienen soll; dann liegt die Annahme einer Beihilfe zum Handeltreiben näher als die Bejahung täterschaftlichen Handelns.2378 Die bloße Übergabe des Rauschgifts auf der Straße (als „Abwicklungshandlung“) führt regelmäßig zur Beihilfe.2379 Wirkt der Beteiligte – auch als nicht unmittelbarer Geschäftspartner – allerdings so auf den Geschäftsabschluss hin, dass seine Tätigkeiten maßgeblich für die Verhandlungen sind, ist er regelmäßig als Mittäter zu betrachten (beispielsweise wenn er die über fünf Stunden andauernden Verhandlungen durch 6-maliges Hin- und Herfahren aufrechterhält, leitet und zum erfolgreichen Abschluss bringt oder den Geschäftsabschluss für eine Provision in Höhe von 17.500 A im Alleingang erreicht). Diese Rechtsprechung ist verständlich, da sowohl die inoffizielle als auch die offizielle Vermittlung2380 selbst als „täterschaftlicher Teilakt“ zu bewerten wäre und daher auch in die hier vorgeschlagene Definition („Herbeiführung des Geschäftsabschlusses“) eingefügt wurde.2381 wenn man in die Urteilsfeststellungen blickt. Der BGH zählt dagegen die allgemeinen Abgrenzungskriterien auf, ohne sich mit der positiv-abgrenzenden Funktion des Eigennutzes zu befassen, anders in BGH NStZ 1991, 327 (Schoreit), vgl. auch die Nachweise bei Fn. 2333 in Teil 3. 2375 BGH NStZ 1988, 507. 2376 Dabei sieht man, dass man zu direkt dieser Lösung gelangt, wenn man nach dem hier vertretenen Erklärungsdeliktsmodell (bzw. Geschäftsabschluss) vorgeht, da die Erklärungsdeliktslösung gerade diesen Einzelakt zur Definition des Handeltreibens heranzieht, vgl. noch im Folgenden 3. Teil D. III. 2. e) aa), S. 596 ff. 2377 Vgl. hierzu auch BGH NStZ-RR 2003, 309; BGH StV 1998, 587 (Honorar als Risikozuschlag zur Miete); weitere Beispiele bei Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 284. 2378 BGH StV 1995, 198. 2379 BGH NStZ 2003, 247. 2380 Siehe hierzu BGH StV 1983, 109. 2381 Man könnte auch die Kontrollfrage stellen, ob die Handlungen des Beteiligten nicht nur kumulativ kausal für den Geschäftsabschluss waren, sondern nicht hinweggedacht werden könnten, ohne dass der Geschäftsabschluss entfiele. Dann ist es nachvollziehbar, dass der BGH einen Dolmetscher zumindest bei internationalen Geschäftsbeziehungen der Organisierten Kriminalität als Mittäter einstufen will, BGH NStZ 1995, 85.
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Bringen die Dritten das Geschäft nicht endgültig zum Abschluss bzw. erschöpft sich die Beteiligung des Angeklagten also nur in der Herstellung des „ersten Kontakts“, muss man eine Mittäterschaft näher begründen.2382 Dies bedeutet nicht, dass eine völlig fehlende Beteiligung am eigentlichen Verkaufsgeschäft per se gegen eine Mittäterschaft spricht. Zum einen ist der Überlegung nachzugehen, ob der Täter womöglich andere „wesentliche Teilakte“ eigenhändig verwirklicht hat. Zum anderen können „unwesentliche Teilakte“ für die Vorbereitung des Heroingeschäftes von so maßgeblicher Bedeutung sein, dass das „Plus“ im Vorbereitungsstadium die fehlende Mitwirkung im Ausführungsstadium kompensiert.2383 bb) Abgrenzung bei Anbau- und Herstellungstätigkeiten Bei Anbau- und Herstellungstätigkeiten lässt sich die einzelaktsbezogenen Abgrenzung gut umsetzen. Da der Anbau nach h. M. einen Teilakt darstellt, der bei Umsatzbezogenheit im Handeltreiben aufgeht, orientiert man sich an der Abgrenzung beim isolierten Teilakt selbst.2384 Somit klassifziert man denjenigen als Täter, der eigenhändig anbaut bzw. produziert. Umgekehrt kommt nur Beihilfe in Betracht, „wenn der der Tatbeitrag des Angeklagten sich in der Lieferung von Chemikalien und der Herstellungsgeräten erschöpfte, wenn er an der Herstellung des Rauschgifts ebensowenig beteiligt war, wie an der geplanten Veräußerung der Drogen, wenn er keinerlei Tatherrschaft hatte und nicht in der Lage war, wesentliche Aspekte des Tatgeschehens zu steuern oder darauf auch nur einzuwirken. Und vor allem, wenn erst die Lieferung von Chemikalien durch andere die Drogenproduktion endgültig ermöglichte“.2385 Soweit der Täter dagegen beispielsweise bei einer Methaqualon-Herstellung tatherrschaftlich mitwirkt und die Produktionskontrolle innehat, ist er als Täter der Herstellung auch Täter des Handeltreibens.2386 Gleiches gilt für eine Betäubungsmittelherstellung im Ausland.2387 Dabei kennzeichnet sich eine „teilaktsbezogene“ Betrachtung durch eine Tatbe-
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BGH v. 21.07.1999 – 2 StR 196/99. So bereits BGH v. 15.10.1980 – 2 StR 478/80: „Verabredet der Angeklagte zusammen mit einem Mittäter Einkaufsfahrten und führt er diese im eigenen Pkw durch, bereitet er den Weiterverkauf maßgeblich dadurch mit vor, daß er für das Strecken und Abpacken des erworbenen Heroins seine Wohnung zur Verfügung stellt und teilweise selbst bei dieser Tätigkeit mitwirkt und veranlaßt er seine Ehefrau zur Mithilfe, hat er auf den Umfang der abgewickelten Heroingeschäfte sowie auf den Zeitpunkt eines großen Teils der durchgeführten Ein- und Verkaufsfahrten maßgeblichen Einfluß ausgeübt [. . .]“. 2384 Siehe hierzu noch 3. Teil D. III. 3. b) aa), S. 620 ff. 2385 BGH NStZ 1993, 584. 2386 LG Köln v. 12.11.1990 – 108 – 84/90 bei Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 267. 2387 BGH NStZ 1993, 584. 2383
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standsakzessorietät, d.h. beim Umgang mit Streckmitteln kommt von vornherein nur eine Beihilfe in Betracht.2388 cc) „Ältere Kurierrechtsprechung“ Die Diskrepanzen kommen zum Vorschein, wenn man auf die Kuriertätigkeit als wichtigen Teilakt des Handeltreibens blickt. Hat man diese als Teilakt „herausgestanzt“, müsste man bei einer dogmatisch konsistenten „Einzelaktstheorie“ davon ausgehen, dass die eigenhändige Verwirklichung dieses Teilakts stets zum (mit)täterschaftlichen Handeltreiben führt. Als „Gehilfe“ wäre nur derjenige einzuordnen, der als Gehilfe des Kuriers zu bewerten wäre, etwa der Beifahrer. Schon die frühere Rechtsprechung geht diesen Weg nicht, sondern lässt sich ein Hintertürchen offen. Kurierfahrer sollen als Mittäter zu bewerten sein, wenn sie wussten, dass die von ihnen transportierten Betäubungsmittel für den gewinnbringenden Absatz bestimmt sind, und ihre Rolle nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung war.2389 Die kursiv gesetzte „Einschränkung“ macht Sinn, wenn man für die Ermittlung des Bedeutungsmaßstabs Aspekte heranzieht, die nicht zwingend mit der Kuriertätigkeit bzw. Tatbestandsmäßigkeit einhergehen. Umso mehr überrascht, dass man bereits eine „nicht ganz untergeordnete Bedeutung“ annahm, wenn der Täter faktischen Zugriff auf die Betäubungsmittel hatte und/ oder eine Entlohnung für seine Kuriertätigkeit erhielt.2390 Die Kuriertätigkeit setzt faktischen Zugriff voraus, und damit von Handeltreiben die Rede sein kann, muss der Täter entlohnt werden (Stichwort „Eigennützigkeit“). Bei solch einer Interpretation der „nicht untergeordneten Rolle“ hat die „Einschränkung“ keinen
2388 So in BGH NStZ 1994, 501, wobei auch die Teilnahmestrafbarkeit beim Umgang mit Streckmitteln keine Selbstverständlichkeit darstellt: „Erforderlich ist aber, daß ein konkretes Geschäft, wie das Landgericht nicht verkennt, zumindest ,angebahnt‘ sein oder ,laufen‘ muß. Der bloße Umstand, daß etwa ein Täter bisher Heroin zum Verkauf mit Paracetamol/Coffeingemisch gestreckt hat, und zu erwarten steht, daß er es wieder tun und deshalb solches Gemisch erwerben wird, reicht zur Verwirklichung des Tatbestands des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht aus (. . .)“. 2389 Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 259; vgl. BGH NJW 1979, 1259 („Wer in der Gestaltung des Transports von der Übernahme des Betäubungsmittels bis zur Ablieferung im wesentlichen frei ist, wer den genauen Zeitplan, den Transportweg und das Versteck bei der Einfuhr des Rauschgifts bestimmt, wer ein unmittelbares eigenes Interesse am Erfolg der Kuriertätigkeit hat, ist Täter und nicht nur Gehilfe bei fremder Tat); BGH NStZ 1984, 413 („Demnach stellt auch die Tätigkeit des Kuriers Handeltreiben dar, das Tun eines Beteiligten, der gegen Entlohnung selbständig Betäubungsmittel transportiert, ohne selbst Käufer oder Verkäufer zu sein“); BGH NJW 1987, 720 („Ein Kurier ist Mittäter beim Handeltreiben, wenn er an einem Rauschgiftgeschäft in eigennütziger Weise mit anderen zusammenwirkt, bei der Gestaltung des Transports von der Übernahme des Rauschgifts bis zur Ablieferung im wesentlichen frei ist und ein unmittelbares eigenes Interesse an der Tat hat“). 2390 BGH NStZ-RR 1999, 186; BGH v. 16.02.2000 – 3 StR 541/99; OLG München NStZ 2006, 456.
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Gehalt. Daher überrascht es nicht, wenn der Zweite Senat kurz nach Beginn der Diskussion rund um das Handeltreiben am 27.06.2004 formuliert:2391 „Nach diesen Maßstäben lag hier die Annahme einer nur unterstützenden Gehilfenstellung des Angekl. nicht so nahe, dass die Abgrenzung zur Täterschaft im Urteil ausdrücklicher Erörterung bedurfte.2392 Zwar war der Angekl. weder über Lieferanten noch Abnehmer oder sonstige Beteiligte des geplanten Geschäfts noch über das Versteck und über die genaue Menge des transportierten Rauschgifts informiert und führte den Transport unter Begleitung und Anleitung seines Neffen K durch. Er hatte jedoch als Alleinfahrer vorübergehend Alleingewahrsam an den Betäubungsmitteln und insoweit auch Tatherrschaft. Auch die Eigennützigkeit des Angekl. ist nach den getroffenen Feststellungen noch zu bejahen [. . .].“ Will man den Relativsatz dagegen mit Sinn erfüllen, muss man den Begriff der „nicht untergeordneten Bedeutung“ anders interpretieren. So gelangt der Dritte Senat „bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände“ zu einer Gehilfenstellung des Angeklagten, weil seine Tatbeiträge objektiv von untergeordnetem Gewicht waren. „Der Angeklagte besorgte das Haschisch entsprechend den genauen Vorgaben [durch Dritte]. Er hatte keinerlei Einfluß auf die Bestimmung von Art und Menge des Rauschgiftes, dessen Preis sowie die Gestaltung des Transports. Das Haschisch hatte er nur eine ganz kurze Zeit in Besitz, weil er es sofort nach Erhalt dem auf ihn bereits wartenden [Dritten] übergab. . .“.2393 Trotz genau derselben Textbausteine gelangt man zu einem anderen Ergebnis, weil der Dritte Senat die Einschränkung der „untergeordneten Bedeutung“ anders ausfüllt. Auch dieses Vorgehen bleibt nicht frei von Einwänden, da der Kurier zumindest die Kuriertätigkeit weiterhin eigenhändig erfüllt. Nur wenn man die Kuriertätigkeit als Hilfshandlung zur Geschäftsabwicklung qualifiziert, wäre eine Gehilfenstellung bei einer teilaktsbezogenen Betrachtung vertretbar. Dies macht der Senat aber nicht, da er auf den Besitz sowie u. a. die Gestaltung des Transports in den Mittelpunkt stellt. Anscheinend weiß man hier selbst nicht, ob man auf das Gesamtgeschäft, auf die Kuriertätigkeit isoliert oder ausschließlich auf den animus socii abstellen soll.2394 Jedenfalls dürfte deutlich geworden sein, wie man durch „biegsame“ Begrifflichkeiten den Anschein vermitteln kann, dass das Ergebnis einer in sich stimmigen Rechtsanwendung entspringt, obwohl die Weitläufigkeit des Begriffs selbst die Dogmatik vollständig aufhebt.
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BGH NStZ 2004, 696. Insofern wird deutlich, dass die Verteidigung beanstandete, dass in den Urteilsgründen eine Beihilfe nicht einmal in Erwägung gezogen wurde. 2393 BGH StV 2002, 489. 2394 So auch BGH NStZ 1999, 451. 2392
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Entscheidend ist, dass man bis zu Kehrtwende mit BGHSt 51, 219 bei Kuriertätigkeiten grundsätzlich von einer Mittäterschaft ausgeht, d.h. die Ausnahme begründen muss.2395 So beispielsweise der Erste Senat, der in einer Entscheidung aus dem Jahre 1998 im Falle einer eigenhändig verwirklichten Kuriertätigkeit den Schuldspruch in eine Beihilfe ändert: „Festgestellt ist dagegen, daß dem Angeklagten der Transport oblag und er dafür eine – allerdings relativ geringfügige – Entlohnung (910 DM) erhalten hat. Insgesamt spricht damit das, was zur Tat festgestellt ist, eher für eine untergeordnete Rolle des Angeklagten.“ 2396 Plötzlich steht wieder die geringe Entlohnung im Vordergrund, während der Dritte Senat die Zuordnung unter Bezugnahme auf den kurzen Besitzzeitraum begründet. In diesem Zusammenhang: Dem Grad des eigenen Interesses am Taterfolg steht auch Weber kritisch gegenüber. Er stellt fest, dass finanzielle Interessen eigentlich keine Rolle spielen dürften, wenn keine Rückkehr zum Badewannenfall2397 gewollt sei, auch wenn in der neueren Rechtsprechung erhebliches Gewicht darauf gelegt werde.2398 Problematisch ist an diesem Vorgehen, dass man die – fehlenden – finanziellen Interessen schon über die Eigennützigkeit abscheiden kann, mithin ein „Filter“ existiert, der nicht nochmals i. R. d. der „echten“ Abgrenzung Berücksichtigung erfahren kann. Damit geht die Gefahr einher, dass man bei Bejahung der Eigennützigkeit per se auf eine Täterschaft schließt, obwohl die Eigennützigkeit nur erforderliches, nicht aber hinreichendes Merkmal für eine Täterschaft ist.2399 dd) Zur Abgrenzung beim Deponieren und Lagern Die Unstimmigkeiten setzen sich beim Deponieren bzw. Lagern als „Teilakt“ des Handeltreibens fort. Dies überrascht nicht, da sich die Rechtsprechung hier noch deutlicher als beim Kurier damit konfrontiert sieht, dass bereits der Besitz von Betäubungsmitteln einen Teilakt des Handeltreibens darstellt. Mehr als beim Kurier besteht folglich das Bedürfnis, die einhergehende Extension über die Rechtsfolge des § 27 II StGB „abzufedern“. So heißt es bereits in einem Beschluss des Zweiten Senats vom 25.05.1994: „Das Aufbewahren von Rauschgift, das gewinnbringend veräußert werden soll, kann freilich ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltrei-
2395 Es wird sich im Folgenden zeigen, dass BGHSt 51, 219 lediglich diesen Prozess umgekehrt hat, die strukturellen Ungenauigkeiten aber diesselben sind und die Folgeprobleme bleiben. 2396 BGH StV 1998, 596. 2397 Hierzu bereits 3. Teil D. I., S. 527 ff. 2398 Weber § 29 Rn. 599. 2399 Zu solch einem Fall BGH StV 2005, 555.
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bens rechtfertigt [. . .]. Um das bejahen zu können, hätte das Landgericht sich aber mit den Besonderheiten der Tat des Angeklagten auseinandersetzen müssen. Dieser war nämlich bisher nur in Haschischgeschäfte eingebunden, seine frühere Befassung mit Heroingeschäften belegen die Urteilsgründe nicht. Dazu kommt, daß nicht geklärt ist, welche Rolle der Angeklagte angesichts des Umfangs der Heroingeschäfte spielen sollte.“ 2400 Diese Ausführungen des Zweiten Senats machen – was die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme angeht – keinen Sinn, da die Drogenart (harte oder weiche Drogen) keinen Einfluss darauf haben kann, ob der Beteiligte Gehilfe oder Mittäter ist. Man müsste betonen, dass der Angeklagte nicht in Heroingeschäfte eingebunden war und der Täter nicht einmal tatbestandlich agierte. Zur Abgrenzung als solches hält man sich bedeckt, mehr noch als in den Kurierfällen (was sich auch darin niederschlägt, dass man nicht mit den typischen „Abgrenzungsobersätzen“ beginnt).2401 Etwas konkreter sind die Ausführungen des Vierten Senats, der mit der gleichen Floskel beginnt („Allerdings kann das Aufbewahren von Rauschgift für einen Dritten, das zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt ist, ein Tatbeitrag sein, der die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens rechtfertigt“), aber im nächsten Schritt auch Kriterien dafür bietet, wie beim Besitz von Betäubungsmitteln die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme vorzunehmen ist. Hierbei scheint man wohl davon auszugehen, dass die „Tatherrschaft“ beim isolierten Teilakt Besitz keine Rolle spielt, schlicht deswegen, weil man den Besitz nicht als „einzubeziehenden Teilakt“ anerkennt: „Für eine Beteiligung [. . .] lediglich als Gehilfe spricht vielmehr, daß sich seine Tatbeiträge darauf beschränkten, den ,Bunker‘ für das Heroin zu besorgen, die Verkäufer beim Absatz zu begleiten und in einem Fall beim Abwiegen des verkauften Heroins zu helfen. Hilfstätigkeiten dieser Art können zwar für die Annahme von (Mit-)Täterschaft ausreichend sein [. . .] Hier war jedoch zu bedenken, daß der Angeklagte darüber hinaus weder mit der Beschaffung des Heroins noch mit den Verkaufsgeschäften als solchen irgendetwas zu tun hatte.“ Diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf das hier vorgeschlagene Modell sympathisch,2402 aber innerhalb des vom BGH gewählten Konstrukts weder vorhersehbar noch in Relation zu anderen Entscheidungen erklärbar. Zumindest was
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BGH v. 25.05.1994 – 2 StR 203/94. Ebenso nichtssagend BGH NStZ-RR 2004, 146: „An dieser Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge war der Angekl. T je nach seinem Eigennutz und den sonstigen Tatumständen, die für die Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe maßgeblich sind, als Mittäter oder Gehilfe beteiligt.“. 2402 Insofern würde man basierend auf dem hier gemachten Vorschlag einer konkretisierten Auslegung des Handeltreibens zum gleichen Ergebnis gelangen, siehe die Exemplifizierung bei 3. Teil D. III. 2. e) aa), S. 596 ff. 2401
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den Besitz anbelangt, scheint man sich über den Aspekt „Beteiligung am Verkaufsgeschäft“ einig zu sein, da auch der Zweite Senat auf die fehlende Einbindung des Deponierenden am Kaufgeschäft abstellend eine Gehilfentätigkeit für näherliegend erachtet.2403 c) Die neuere „Kurierrechtsprechung“ (BGHSt 51, 219) – Maßgeblichkeit des Gesamtgeschäfts? Die wichtigste Zäsur aus neuerer Zeit zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme und bildet die die Entscheidung des Zweiten Senats, die viele als als „Wendepunkt“ hervorheben.2404 Im Fall eines ghanaischen Körperschmugglers bringt man die „Abkehr“ von einer (zumindest suggerierten) Einzelaktsbetrachtung in BGHSt 51, 219 folgendermaßen auf den Punkt: „[. . .] Nach Ansicht des Senats muss vielmehr für eine zutreffende Einordnung der Beteiligung des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt und nicht allein für den Teilbereich des Transports (von Betäubungsmitteln oder Geld) bewertet werden. Strafbar ist nach § 29 I Nr. 1 BtMG das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, nicht – isoliert – das Transportieren derselben. Daher kommt es für die Annahme täterschaftlicher Verwirklichung dieses Tatbestands jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich eines isolierten Teilakts des Umsatzgeschäfts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt.“ 2405 Wenn man berücksichtigt, aus wie vielen Einzelakten der Gesamtprozess „Drogenumsatz“ besteht (man rufe sich die Auflistung bei den Deliktsverwirklichungsstufen in Erinnerung2406), so war Webers Prognose nachvollziehbar, wonach die Rechtsprechung fast nur noch Gehilfen aburteilen müsste.2407 Das 2403 BGH StV 2005, 555 („Hier war jedoch zu bedenken, dass nicht festgestellt werden konnte, ob der Angeklagte darüber hinaus mit der Beschaffung des Kokains oder mit Verkaufsgeschäften als solchen irgend etwas zu tun hatte“). 2404 Skoupil greift diesen Wendepunkt isoliert auf, vgl. Handeltreiben, S. 228 ff. 2405 Ähnlich der Dritte Senat in einer aktuelleren Entscheidung vom 05.05.2011, BGH StV 2012, 287: „Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts wie hier auf den Transport, so kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses isolierten Teilakts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt.“ 2406 3. Teil D. III. 2., S. 577 f. 2407 Weber JR 2007, 400 (408); MK-StGB/Rahlf § 29 BtMG Rn. 350; aus diesem Grunde schlägt man vor, zur teilaktsbezogenen Betrachtung jedenfalls in eingeschränkter Form zurückzukehren, indem darauf abgestellt wird, ob das Gesamtgeschäft mit dem vorgenommenen Teilakt „steht oder fällt“. Dies würde aber gerade bei Kuriertätigkeiten
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Grundproblem des vom Zweiten Senat konzipierten und von den übrigen Senaten weitgehend übernommenen Ansatzes2408 wurde bereits angesprochen, nämlich die aus der Vielschichtigkeit des Gesamtprozesses herrührende Unbestimmtheit der Abgrenzungsformel. Beim praktisch wichtigen Einzelfall des „Kuriers“ mag das nicht deutlich zu Tage treten. Aber eine „plakative“ Rechtsprechung kann nur so lange funktionieren, wie der zu entscheidende Fall genau auf das „Plakat“ passt (oder nur ein „Weniger“ betrifft), wie in den ersten „zustimmenden“ Entscheidungen durch den Dritten und Vierten Senat: In einem Beschluss vom 30.10.2008 sieht der Dritte Strafsenat im Transport des Kaufgeldes vom Käufer zum Lieferanten sowie der bestellten Betäubungsmittel zurück in umgekehrte Richtung eine bloße Beihilfe.2409 Auch in der Vermittlung der Übergabe der Drogen und dem reinen Transport des Kaufgeldes durch den Kurier sei nur eine Beihilfe zu sehen.2410 Der Vierte Strafsenat schließt sich dem an, wobei er hervorhebt, dass eine erhebliche Honorierung der Kuriertätigkeit für die Bewertung als mittäterschaftliches Handeltreiben ohne Belang sei und selbst die Anmietung des Transportfahrzeugs durch den Kurier nicht für einen weitergehenden Einfluss auf die Gestaltung des Transports spreche, sofern er während der Kurierfahrt mit einem ihm vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Mobiltelefon zum Übergabeort geleitet wird.2411 Dabei handelt es sich allesamt um Fälle eines „klassischen“ Kuriers, der mehr oder weniger faktischen Zugriff auf die Drogen hat und ihn Dritte mehr oder weniger beeinflussen, sodass eine Grundtendenz i. S. e. „Beihilfevorzeichens“ behilflich sein dürfte. Interessant wird es hingegen, wenn sich größere „Modifikationen“ oder „besondere Umstände“ im Einzelfall ergeben (oder wenn es im Sachverhalt überhaupt nicht um eine Kuriertätigkeit geht!), die eine Ausnahme von dem zugrundegelegten Leitsatz legimitieren könnten. Dann kommt zum Vorschein, dass sich noch keine Kriterien für die Bedeutung der Handlung innerhalb des Gesamtgeschäfts, mit dem der Zweite Senat sein Ergebnis im Wesentlichen begründete, herausgebildet haben und der BGH – ähnlich wie bei den „Deliktsverwirklichungsstufen“ des Handeltreibens – Fallgruppen bilden muss. Das macht bereits der Zweite Senat in seiner grundlegenden Entscheidung – völlig losgelöst von materiellrechtlichen Abgrenzungskriterien – selbst, wenn er formuliert: dazu führen, dass man als Instanzgericht begründen müsste, warum dies im konkreten Einzelfall nicht so gewesen sein soll. Damit beugt man zumindest der Gefahr vor, eine Gehilfenstellung nicht schlicht zuzuweisen und aus diesem Grunde auch keine Haupttat mehr zu prüfen, weil man auf potentielle Täter schlicht § 27 II StGB von seinen Rechtsfolgen her anwendet. 2408 BGH NStZ-RR 2009, 93; BGH NStZ-RR 2009, 254; BGH NStZ-RR 2010, 318; BGH v. 9.11.2011 – 2 StR 450/11. 2409 BGH NStZ-RR 2009, 93. 2410 BGH NStZ-RR 2010, 318. 2411 BGH NStZ-RR 2009, 254.
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„Eine Bewertung von Transporttätigkeit als mittäterschaftliches Handeltreiben wird vor allem dann in Betracht kommen, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet [. . .], etwa am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll [. . .]. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, auch wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch eine weitgehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen.“ 2412 Die Bildung eines kasuistischen Katalogs innerhalb einer Fallgruppe („Kurier“) ist bereits für sich fragwürdig, doch macht auch im Allgemeinen eine fallgruppenorientierte Sichtweise nur Sinn, wenn die jeweils entschiedene Konstellation häufiger auftauchen kann. Dagegen ist es schlicht irreführend, von der „Bildung eines Fallgruppenkatalogs“ zu sprechen, wenn man in jedem Einzelfall aufs Neue entscheidet, ob man den Kurier als Gehilfe oder als Täter bewertet, ohne verbindliche Maßstäbe bzw. Anknüpfungskriterien bezüglich des Gesamtgeschäfts festzulegen. Die Kommentarliteratur, insbesondere Körner – und nun in der Neuauflage Patzak – sind bemüht, die Rechtsprechung „als Fallgruppen“ möglichst übersichtlich zusammenzufassen, doch geschieht dies meist unreflektiert. Eine Analyse der dort aufgelisteten Entscheidungen zu den Ausnahmen bzw. zur Frage, wann der „Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet“ macht deutlich, dass BGHSt 51, 219 lediglich eine „Vorzeichenumkehr“ bewirkt hat, die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben aber nicht schon deswegen wieder „geordneten Regeln“ folgt. So sei in der „Beteiligung des Kuriers am An- und Verkauf des Rauschgifts“ solch eine darüber hinausgehende Tätigkeit zu sehen, wobei die offene Formulierung („Beteiligung“) auch die Teilnahme am Verkaufsgeschäft zulässt und somit zur Frage führt, warum zwei Teilnahmehandlungen in Kumulation zur Mittäterschaft führen sollen; oder anders gewendet: Warum sollte beispielsweise die Beihilfe am Absatzgeschäft – etwa das Verpacken, Reichen oder Abwiegen der Droge vor Übergabe – das Zünglein an der Waage ausmachen, wenn man die Kuriertätigkeit selbst als wesentlich bedeutsamer für das Zustandekommen des Geschäfts ansieht? Es überzeugt auch nicht, zu einer Mittäterschaft tendieren zu wollen, wenn der Kurier die transportierten Drogen am Zielort aufzubewahren, 2412
BGHSt 51, 219 (222).
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zu portionieren, chemisch umzuwandeln oder zu verpacken hat.2413 Solch eine Betrachtungsweise wandelt die „qualitativ-normative“ Abgrenzung in eine quantitative Betrachtung i. S. e. „Summenstrafrechts“ um, bei der man sich fragen muss, ab der „wievielten Handlung“ die Gehilfenstellung in eine mittäterschaftliche Stellung umschlägt.2414 Nach einer Entscheidung des Vierten Senats, die kurz vor Erscheinen BGHSt 51, 219 ergangen ist,2415 soll die Beteiligung des Kuriers an der Gründung von Exportgesellschaften für die Beförderung der Drogen zur Mittäterschaft führen.2416 Dieses Beispiel demonstriert: Bereits das Schlagwort „Kurierrechtsprechung“ ist missglückt und man muss sich darüber verständigen, wen man überhaupt als Kurier ansieht. Denn blickt man in die Urteilsgründe, so erkennt man sofort, dass der Angeklagte nicht im Ansatz mit einem einfachen Kurier vergleichbar ist.2417 Er hatte mit Hilfe eines Rechtsanwalts in Malaga ein Appartement und eine Lagerhalle angemietet sowie eine Im- und Exportfirma gegründet. Außerdem richtete man auf seinen Namen Bankkonten ein. Dies geschah zum Zwecke des bandenmäßigen Drogenabsatzes, wobei der Angeklagte nicht nur den Transport, sondern auch die Zwischenlagerung und die Verteilung der Drogen organisieren sollte. Nun sei an dieser Stelle dahingestellt, welche Gesichtspunkte intuitiv zu einer „täterschaftlichen“ Bewertung des Angeklagten führen.2418 Man dürfte sich jedenfalls einig darüber sein, dass der Zweite Senat ganz sicher nicht derartige Handlungen als „Kuriertätigkeiten“ qualifiziert wissen wollte, die per se zu einer Gehilfenstellung führen. d) Zwischenfazit zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben seit BGHSt 51, 219 Das derzeitige Vorgehen der Rechtsprechung ist unbefriedigend und kann nicht als „aufrichtig“ bezeichnet werden, weil sich kein einziger Senat klar positio2413
Vgl. BGH StraFo 2007, 332. Ferner zitiert Patzak eine Entscheidung, in man das eigene Interesse des Kuriers „am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts“ vermutet, z.weil die Dritten ihn gleichberechtigt in ein ein Umsatzgeschäft eingebunden haben oder weil sie ihn am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn beteiligen. Der Rückgriff auf diese Entscheidung ist etwas missglückt, da sie aus einer Zeit vor BGHSt 51, 219, nämlich aus dem Jahre 1992 stammt, siehe Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 263, wo BGH v. 04.03.1992 – 4 StR 69/93 zitiert wird. 2415 Wobei der Zweite Senat ebenfalls auf diese Entscheidung Bezug nimmt. 2416 BGH NStZ 2007, 288. 2417 Und man somit eigentlich nicht befürchten müsste, dass Instanzgerichten hier ein falsches Signal vermittelt wird. 2418 Nach hier vertretener Ansicht bliebe es bei einer Beihilfe zum (ggf. bandenmäßigen) Handeltreiben in Tateinheit zum unerlaubten Besitz in nicht geringen Mengen, soweit eine Beteiligung des Angeklagten am eigentlichen Absatzgeschäft nicht festgestellt ist oder das „Plus“ im Vorbereitungsstadium der Tat nicht das „Minus“ bei der Ausführung kompensiert. 2414
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niert. Die Definition des Handeltreibens lautet nicht „jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, die keine Kuriertätigkeit ist“ oder „jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, die im Hinblick auf das Umsatzgeschäft im Hinblick auf Art und Ausmaß der Tätigkeit und der Position des Täters nicht vollkommen untergeordneter Natur ist“.2419 Insofern ermöglicht das Schlagwort „Kurierrechtsprechung“ tatsächlich eine auf Anhieb bessere Zuordnung,2420 doch entpuppt es sich bei genauerem Hinsehen als plakativ-kasuistische Hülle, die im Einzelfall das „Schlupfloch“ der unvorhersehbaren Gesamtbewertung nicht beseitigt.2421 Steht man dann der „gemäßigt-subjektiven“ Theorie als Anhänger der Tatherrschaftslehre ohnehin kritisch gegenüber, dürfte es einem übel aufstoßen, dass das Gericht das eigene Interesse am Taterfolg als Aspekt, der i. R. d. der Tatherrschaftslehre vollständig ausgeblendet werden müsste, wieder zu einem der wichtigsten Abgrenzungsmerkmale hochstuft. Schließlich haben finanzielle Interessen schon durch das subjektive Merkmal des Eigennutzes einen klaren Platz in der Abgrenzungsdogmatik. Daher geht es m. E. zu weit, die neue Rechtsprechung des BGH als „Wendepunkt für eine differenzierte Betrachtung“ zu bezeichnen.2422 Umgekehrt ist es irreführend, die Neubewertung als „undifferenzierte Tendenz zur Beihilfe“ zu bewerten,2423 da die Rechtsprechung aus diesem Blickwinkel schon immer „undifferenziert“ (jedenfalls unklar) war, wie die zahlreichen Beispiele vor der Entscheidung des Großen Senats gezeigt haben. BGHSt 51, 219 kann als forcierte Vorzeichenumkehr i. S. e. „Beihilfe- statt Täterressentiments“ bei Kuriertätigkeiten bezeichnet werden, mehr aber auch nicht.2424 Ob man davon ausgeht, dass 2419 Aus diesem Grunde wurden derartige (ihrerseits unbestimmte) Restriktions- und Definitionsbemühungen nicht im Rahmen der Ausführungen zur Vollendung des Handeltreibens aufgegriffen, vgl. 3. Teil C. VI, S. 484 ff.; vgl. auch Puppe, die diese Überlegung in JR 2007, 299 (300) aufgreift. 2420 Und auch aufgrund der überragenden Bedeutung des Kuriers als „kleiner Fisch“ den Großteil der problematischen Abgrenzungsfälle zu erfassen. 2421 Und rechtstatsächlich den Nachteil hat, „Schutzbehauptungen“ zu provozieren („ich war doch nur Kurier und hatte auf gar nichts Einfluss“), vgl. Puppe JR 2007, 299 (300) zu den damit folgenden Problemen i. R. d. tatrichterlichen Beweiswürdigung. 2422 So aber Sch/Sch/Heine Vor § 25 ff. Rn. 94; so auch Puppe JR 2007, 299, die allerdings darauf aufmerksam macht, dass der Zweite Senat selbst seine Ausführungen als solche kenntlich macht. Zu den kritischen Punkten der „neuen Kurierrechtsprechung“ wie hier auch Skoupil, Handeltreiben, S. 240 ff. 2423 Vgl. Weber § 29 Rn. 624. 2424 Insofern ist Weber § 29 Rn. 625 zuzustimmen, wenn er meint, dass die „Kurierrechtsprechung“ wegen ihrer „Auswirkungen auf den Versuch und den Versuch der Beteiligung zu [. . .] komplizierten, von Zufälligkeiten abhängigen und zum Teil unverständlichen Differenzierungen“ führe; doch damit suggeriert man, dass dies vor BGHSt 51, 219 anders war, was nicht der Fall ist. Insofern stellt auch seine „Theorie“ vom „Stehen-und-Fallen des Gesamtgeschäfts“ (vgl. Fn. 2407 in Teil 3) eine fallgruppenbezogene Umkehr des Vorzeichens ohne konkretisierbaren Inhalt dar, vgl. hierzu auch Weber, Handeltreiben, S. 544 f.
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eine bestimmte Tätigkeit grundsätzlich als Beihilfe anzusehen sei und nur im Ausnahmefall eine Mittäterschaft in Betracht käme, oder eben genau das umgekehrte vertritt, spielt keine Rolle, solange keine verbindlichen oder besser „dogmatisch nachvollziehbaren“ Regeln für die „Ausnahme“ existieren. Blickt man auf das Gesamtgeschäft als maßgeblichen Anküpfungspunkt für die Abgrenzung, so muss man sich die Frage stellen, was überhaupt mit „Gesamtgeschäft“ gemeint ist. Bezieht man sich auf den Gesamtumsatz, auf den Geschäftsabschluss oder auf das „Geschäft“ als Tätigkeit? So oder so führt die fehlende Tatbestandsakzessorietät dazu, dass viel zu viele Kriterien für die Beurteilung der Beteiligtenstellung existieren (sollen), wobei der problematische Aspekt nicht in der Vielschichtigkeit zu sehen ist, sondern darin, dass die Rechtsprechung den Normadressaten über Inhalt und Konsequenzen der einzelnen Parameter im Unklaren lässt, etwa bzgl. den Fragen, welche Rolle • die tatsächliche Dimension des Geschäfts selbst im Bezug auf – die gehandelte Menge – die beteiligten Personen insgesamt – die räumliche Reichweite (internationale Bezüge) • die Beziehung der Beteiligten untereinander, Stichwort „Gruppenstruktur“ bzw. „Täterhierarchie“ (als „Betrieb“, Bande, als laufende Geschäftsbeziehung oder als Tätigkeitsschwerpunkt einer kriminellen Vereinigung) • die Bedeutung der konkret vorgeworfenenen Tathandlung(en) für das Gesamtgeschäft (wobei man teils nach betäubungsmittelbezogenen, geld- und sonstigen sachbezogenen Tätigkeiten differenziert2425) und • die Stellung des Beteiligten innerhalb des Geschäfts im Bezug auf – Einbindung in das Geschäft (Mitspracherechte, Einfluss) bzw. in die Geschäftsstrukturen – Art und Anzahl der vorgenommenen Tätigkeiten – Subjektive Vorstellungen des Beteiligten (eingeganges Risiko, Grad der Eigennützigkeit, Grad des Eigenumsatzwillens neben dem ggf. gegebenen Fremdumsatzwillen) spielen. Wenn man auf die Überlegungen am Anfang dieses Abschnitts zurückkehrt, schließt sich der Kreis: Denn es wurde dargelegt, dass die „umfassende Gesamtbewertung“ bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nur dann als „Unwort“ empfunden werden sollte, wenn nicht von Anfang an feststeht, wie sich diese Kriterien zueinander verhalten2426 bzw. sich das Maß der „unklaren“ Abgrenzung auf wenige (meist sogar nur „konstruierte“) Fälle beschränkt. Auch 2425 2426
Weber § 29 Rn. 628. 3. Teil D. I., S. 532.
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beim Diebstahl, bei der Hehlerei, bei der Einfuhr, beim Betrug und selbst bei einem Mord sind Fälle denkbar, in denen sich beispielsweise zwei gleichwertige Kriterien (sprich Umstände des Sachverhalts) gegenüberstehen, die für oder wider eine Mittäterschaft sprechen. Doch bieten die Eigenhändigkeitsformel und die direkte Bindung an die jeweiligen Tatbestandsmerkmale (Tötung, Absetzen, Einführen, Wegnehmen) klare Bezugspunkte für die Tatherrschaft bzw. für den subjektiven Tatherrschaftswillen. Beim Handeltreiben ist die Situation genau umgekehrt, d.h. der eindeutige Fall ist die Ausnahme.2427 Zum Schluss seien zwei Beispiele aus neuerer Rechtsprechung genannt, an denen diese „Unvorhersehbarkeit“ zu Tage tritt. Der unklare Bezugspunkt Gesamtgeschäft ermöglicht es, Personen als Gehilfen zu bewerten, die „lediglich“ dessen Herbeiführung „verursachen“, aber im Übrigen auf Inhalt und Abwicklung keinen Einfluss haben. Damit wäre eine ganz und gar typische (und man erinnere sich, die ursprüngliche Extension mitbegründende), klassische Handlung des Handeltreibens, nämlich die Vermittlung nicht mehr erfasst. So entscheidet der Dritte Senat:2428 Der Angeklagte „vermittelte und begleitete lediglich ein fremdes Umsatzgeschäft, wofür ihm ein vergleichsweise geringer Festbetrag als Entlohnung zugesagt war. Einen eigenen Einfluss auf das Betäubungsmittelgeschäft, die angefragte Menge, deren Preis sowie deren Weiterverkauf hatte er nicht; ebensowenig sollte er eigenständigen Besitz an dem gehandelten Kokain erlangen.“ Man müsste wissen, worin das erkennende Gericht die „vermittelnde“ Tätigkeit sah, doch belegen die tatrichterlichen Feststellungen, dass der Angeklagte jedenfalls Kaufinteressenten suchen sowie den jeweiligen Treffpunkt organisieren sollte. Dann fragt man sich schon, warum man diese Person positiv mit einem Drogenkurier gleichsetzt. Insofern scheint der Dritte Senat in die Falle des Großen Senatsbeschlusses „getappt“ zu sein, als er eine Restriktion um jeden („systematischen“) Preis erreichen will. Der „Clou“ an der Entscheidung ist, dass es nicht zum Weiterverkauf kam, weil die Beteiligten jeweils auf ihrem Weg zu der als Übergabeort vorgesehenen Wohnung festgenommen wurden. Gefühlt blieb also das Handeltreiben im „Versuchsstadium“ stecken (wobei dieses Empfinden beim Dritten Senat noch stärker vertreten sein dürfte), sodass man nun anscheinend „versucht“ war, die nicht einschlägige Rechtsfolge des § 23 II StGB durch § 27 II StGB zu ersetzen.2429 Nach hier vertretener Ansicht wäre die Ver2427 „Reine Kasuistik“, vgl. LK/Schünemann Vor § 25 Rn. 15 Fn. 40; vgl. auch Roxin StV 1992, 517 (518); Niehaus JR 2005, 192 (194); Schmidt NJW 2003, 3090 (3091); Lang, Betäubungsmittelstrafrecht, S. 204. 2428 BGH NStZ-RR 2011, 57. 2429 Und dies wurde, da der Große Senat die dogmatischen Unzulänglichkeiten im Betäubungsmittelstrafrecht schlicht in einen Topf warf durch BGHSt 50, 252 auch so forciert, vgl. 3. Teil C. V. 2., S. 482; mögen im Hinblick auf die Tatbestandslehre unmittelbare Zusammenhänge zwischen den Deliktsverwirklichungsstufen und der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bestehen, so bleiben sie, was ihre Behandlung und Rechtsfolgen betrifft, strikt voneinander zu trennen.
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mittlung als „Herbeiführung eines fremden Umsatzgeschäfts“ jedenfalls täterschaftliches Handeltreiben, wie dies auch ursprünglich vom Gesetzgeber intendiert war. Ist die Vermittlungstätigkeit mangels Abschluss des Geschäfts nicht vollendet oder sind jedenfalls keine verbindlichen Erklärungen gegenüber potentiellen Geschäftspartnern durch den Vermittler festgestellt, müsste man einen Versuch annehmen und würde direkt zum erwünschten Ergebnis gelangen. Wäre dagegen festgestellt, dass der Vermittler seinen Teil bereits „erfolgreich“ erledigt hat (sprich das Treffen nur noch der Abwicklung des Geschäfts diente), gibt es absolut keinen Anlass dafür, diese Person gegenüber dem Geschäftspartner zu bevorzugen. Diese Friktionen betreffen nicht nur die Vermittlungstätigkeiten, sondern auch Organisations- und Vertriebstätigkeiten. Es überrascht der häufig zu lesende Rückschluss bzw. das a maiore ad minus-Argument, wonach Kurierbegleiter bzw. die Abholung eines Kuriers und deren Zuweisung bzw. Organisation erst recht Beihilfe darstellen muss, wenn schon „nur“ die Kuriertätigkeit Beihilfe darstelle.2430 So heißt es in einer Entscheidung des Dritten Senats vom 12.04.2011:2431 „Mit den Umsatzgeschäften des ,T.‘ kamen die Angeklagten vorliegend nicht in Berührung. Anders als die Kuriere, deren Tathandlungen die Kammer – zutreffend – als Beihilfe bewertet hat, waren die Angeklagten noch nicht einmal in Kontakt mit den Betäubungsmitteln. Ist aber schon die Tätigkeit der Kuriere hier als untergeordnet anzusehen, gilt dies erst recht für die Tätigkeit der Auswahl der Kuriere und deren Betreuung (. . .). Hinzu kommt, dass die Bezahlung der Angeklagten mit einigen Hundert Euro pro Transport noch deutlich geringer ausfiel als diejenige der Kuriere, die zwischen 7- und 10.000,00 Euro erhielten. Dies spricht entscheidend gegen ein eigenes Interesse am Taterfolg.“ 2432 Solch eine Argumentation ist nicht zwingend, da man den logistische Aufwand (mag man im Übrigen nicht in das „Gesamtgeschäft“ eingebunden sein) als „Mehr“ gegenüber der Kuriertätigkeit qualifizieren kann. Bereits das „Mitspracherecht“ bzw. die Rolle des „Kurierorganisators“ als Ansprechpartner vermittelt zumindest objektiv den Eindruck, man stehe eine Stufe höher auf der Hierarchieebene. Jedenfalls könnte man sich nicht dagegen stemmen, wenn ein anderer Se2430 Der Kurierbegleiter oder Kuriergehilfe ohne Einbindung in das Tatgeschehen, der bloß übersetzt oder dem Kurier die Wegstrecke aufzeigt, ist Gehilfe (BGH NStZ 2005, 228); war es Aufgabe des Angeklagten, ohne Einbindung und Umsatzbeteiligung während eines Zwischenstopps zwei Rauschgiftkuriere kurzzeitig zu betreuen, so liegt Beihilfe nahe, BGH v. 28.2.2007, 2 StR 57/07; zum Ganzen Körner/Patzak § 29 Teil 4 Rn. 289. 2431 BGH v. 12.04.2011 – 3 StR 53/11. 2432 Dabei wird eingeräumt, dass zahlreiche weitere Indizien, die das LG als mittäterschaftsbegründend heranzog wegen Widersprüchlichkeiten in der Urteilsbegründung wegfielen. Doch geht es vorliegend um die grundsätzliche Argumentation, wonach in der Kurierbetreuung ein „Weniger“ gegenüber der „Kuriertätigkeit“ gesehen wird, vgl. BGH v. 12.04.2011 – 3 StR 53/11.
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nat in einem einschlägigen Fall genau umgekehrt argumentiert und beim „Kurierorganisator“ ein Beihilfeurteil aufhebt und weitere Feststellungen bzgl. der Frage fordert, ob nicht womöglich eine Mittäterschaft in Betracht kommt. Es ist nicht zu erwarten, dass man sich von diesen diffusen Abgrenzungsmechanismen löst, solange man nicht das Handeltreiben einschränkend auslegt. Man muss anerkennen, dass die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht funktionieren kann, wenn man die Beteiligtenstellung innerhalb eines Geschehens zuweisen will, das man nicht einmal in den prozessualen Tatbegriff (§ 264 StPO) einkleiden kann: Das berüchtigte Gesamtgeschäft ist nicht vergleichbar mit einem 30-minütigen Wohnungseinbruchsdiebstahl oder der Momentaufnahme „Tötung eines Menschen“. Es dauert womöglich über mehrere Jahre an, im Extremfall sind über 100 Leute beteiligt, und es gelingt im seltensten Fall, überhaupt das „gesamte“ Geschäft aufzuklären. Solange man von der „dauerdeliktsähnlichen“ Betrachtung des Handeltreibens bzw. dessen Eigenschaft als multiples Tätigkeitsdelikt keinen Abstand nimmt, bleibt das Problem bestehen, egal für welches „Vorurteil“ man sich entscheidet. Dass sich dies erst beim Kurier bemerkbar macht, mag daran liegen, dass dieser unverzichtbar für einen funktionierenden Betäubungsmittelmarkt, 2433 also irgendwie „klein“, aber doch ganz groß ist und das Rechtsempfinden versagt, wenn es ihn einer Beteiligtenform innerhalb dieses „Prozesses“ zuweisen soll. e) Die Abgrenzung nach dem hier vorgeschlagenen Modell aa) Auflösung der Einheitstäterschaft durch „Erklärungslösung“ Dies führt zu der hier vorgeschlagenen „Erklärungslösung“, die das Potential hat, die faktische Einheitstäterschaft aufzulösen und einen Rückgriff auf die Eigenhändigkeitsformel zu ermöglichen.2434 Da man mit der Erklärung auf ein abgeschlossenes Geschehen Bezug nimmt, kann – ähnlich wie bei den übrigen Modalitäten (vgl. noch im Folgenden2435) bzw. bei der Teilaktstheorie innerhalb des Handeltreibens2436 – auf die Tatherrschaft und den subjektiven Willen der Beteiligten im Moment des Geschäftsabschlusses abgestellt werden. Damit fallen vorbereitende Handlungen (Einfuhr, Anbau, Herstellung, Transport, Lagerung) ebenso heraus wie etwaige Abwicklungshandlungen, etwa Geldtransaktionen oder die Übergabe des Rauschgifts allein. Täter des Handeltreibens ist somit zunächst derjenige, der die Erklärung abgibt.2437 Dabei muss man berücksichtigen, 2433 Aus dieser Perspektive sind die Überlegungen Webers (Fn. 2407 in Teil 3) jedenfalls nachvollziehbar. 2434 Zur Eigenhändigkeitsformel, 3. Teil D. II. 1. a), S. 533. 2435 3. Teil D. III. 3., S. 599 ff. 2436 3. Teil D. III. 2. b) aa), S. 581 f.
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dass ein Dritter (etwa ein „Kurier“ bzw. der vorgeschobene Beteiligte) nur eine „fremde Erklärung“ überbringt. Handelt es sich um solch einen Fall, ist weniger die Frage problematisch, ob der Hintermann als Täter zu qualifizieren ist, als vielmehr, ob nicht der „Überbringer“ der Erklärung nur als Gehilfe bewertet werden kann. Doch da er als Bote keine eigene Erklärung abgibt, kann man davon ausgehen, dass er als Erklärungsüberbringer nur eine Gehilfenstellung innehat. Bei Personen, die nicht unmittelbar an der Herbeiführung des Geschäfts (als Vermittler, Vertragspartner, Finanzier) beteiligt sind, braucht es stets weiterer Feststellungen, ob eine ggf. vertikale, im Regelfall jedoch horizontale Zurechnung nach § 25 II StGB auf Grundlage eines gemeinsamen Tatplans in Betracht kommt. Dies betrifft Personen, welche die Drogen eingeführt haben, für jemanden lagern, aufbereiten, herstellen etc., bevor es zum eigentlichen Geschäftsabschluss gekommen ist. Alleinstehend führen diese „vorbereitenden“ Tätigkeiten zur Gehilfenstellung. Diese Hilfshandlungen konkurrieren dann ideal mit dem jeweils täterschaftlich verwirklichten Umgangsverbot. Dass bei größeren Organisatoren (Zwischenlagerern und Spediteuren) das Bedürfnis besteht, diese als „Täter mit Umsatzwillen“ zu bestrafen, auch wenn diese nicht am konkreten Abschluss des Geschäfts beteiligt sind, ist nachvollziehbar. Das BtMG bietet aber mit dem Verbrechenstatbestand des § 29a I Nr. 2 BtMG (Besitz in nicht geringen Mengen) die Möglichkeit, dieses Unrecht „täterschaftlich“ zu erfassen, ohne auf ein extensives Verständnis vom Handeltreiben zurückgreifen zu müssen. Es ist im Übrigen nicht so, dass man den hier vertretenen Ansatz nicht durch extensive Konstruktionen „aus dem Allgemeinen Teil heraus“ aushebeln könnte. Soweit man beispielsweise die „Kompensationstheorie“ vertritt, wonach ein „Plus“ im Planungsstadium das „Minus“ im Ausführungsstadium ausgleiche, kann trotz einer fehlenden unmittelbaren Beteiligung bei der Herbeiführung des Geschäfts eine Mittäterschaft bejaht werden. Dabei sieht man, dass diese Extension zunächst einmal ihrerseits bestimmten Voraussetzungen unterliegt, und über den Allgemeinen Teil erfolgt, also nicht tatbestandlich angelegt ist. Derartige Nuancen sollte man nicht unterschätzen. Ähnliche Überlegungen gelten im Hinblick darauf, dass fast alle nachträglichen Handlungen ebenfalls als „sukzessive Beteiligung“ (sprich Mittäterschaft oder Beihilfe) bewertet werden könnten, solange das Geschäft noch nicht abgewickelt ist.2438 2437 Wobei im Bereich „kleinerer Geschäfte“ Vertragsschluss, Einigung und Übergabe „Hand in Hand“ gehen, sodass die Tatherrschaft bei Übergabe eine Tatherrschaft bei Vertragsschluss indiziert 2438 Diese Formulierung wird hier bewusst so gewählt, also nicht auf das „Ruhen des Geldflusses“ abgestellt, den die h. M. für die Beendigung des Handeltreibens zugrundelegt. Wenn vorliegend in der Herbeiführung des Geschäfts das prägende Unrecht gesehen werden soll, ist es nur konsequent für die endgültige Beeinträchtigung des Rechtsguts dessen Abwicklung ausreichen zu lassen und keine „endgültige Bereicherung“ des Täters vorauszusetzen, zumal dieses Unrecht eigentlich sowieso über die Anschlussdelikte erfasst werden müsste, §§ 257, 261 StGB.
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bb) Abwicklungshandlungen als Fälle der „sukzessiven Beteiligung“? Damit sieht sich der vorliegende Vorschlag dem Einwand ausgesetzt, dass man von einem „unbestimmten“ Kriterium auf das nächste ausweicht, wenn alle Handlungen eines Beteiligten, die erst nach Abwicklung des Geschäfts vorgenommen werden, über das Modell der sukzessiven Beteiligung erfasst werden könnten.2439 Dabei verkennt man zum einen, dass aufgrund der konkreten Beschreibung des Delikts zunächst einmal die „Eigenhändigkeitsformel“ wieder anwendbar ist und zum anderen, dass die Beendigung eines Tatbestands die Möglichkeit einer sukzessiven Beteiligung – ungeachtet dessen, ob man sie grundsätzlich für tragfähig erachtet2440 – begrenzt.2441 Das Beendigungsstadium kann zudem auch anders zu interpretieren sein, als es die h. M. tut. Da nach hier vertretener Ansicht eine sukzessive Beteiligung ohnehin abzulehnen ist,2442 greift der Einwand ins Leere.2443 Ihm kann auch nicht durch kriminalpolitische Zweckmäßigkeitserwägungen Leben eingehaucht werden, da die meisten Abwicklungshandlungen selbst durch andere Tatbestände erfasst werden (die dann meist durch den „vermeintlichen Gehilfen“ täterschaftlich verwirklicht sind). Der Transport von Betäubungsmitteln, die vorübergehende Lagerung und Aufbereitung setzen 2439 Die sukzessive Beteiligung ist in der Rechtsprechung nicht nur in der Form des Eintretens während der Ausführungshandlung, sondern auch nach Abschluss der tatbestandlichen Handlung anerkannt, vgl. BGHSt 2, 344 sowie BGH GA 1966, 210; BGH MDR 1982, 446; einschränkend BGH MDR 1969, 533, zust. Küpper GA 1986, 437. 2440 Die h. L. lehnt die zu Recht ab, Lackner/Kühl § 25 Rn. 12; Roxin AT II § 25 Rn. 227; LK/Schünemann § 25 Rn. 200 m.w. N. 2441 Jedenfalls diesbezüglich besteht wohl Konsens, vgl. v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 56 (krit. dort auch zur Umdeutung in eine sukzessive Beihilfe, Rn. 56.1) mit Verweis auf BGH NStZ 1984, 548 sowie BGH NJW 1985, 148; zur sukzessiven Beihilfe monographisch Lesch, Das Problem der sukzessiven Beihilfe, 1992. 2442 Aus den in der Literatur vorgebrachten Gründen, die an dieser Stelle nicht nochmals wiederholt werden müssen, vgl. eingehend Roxin, TuT, S. 289–292; zum Ganzen auch Grabow/Pohl Jura 2009, 656. 2443 Anders die Rechtsprechung, die auch innerhalb des Betäubungsmittelstrafrechts eine sukzessive Beteiligung für möglich erachtet, was in ihrem extensiven Modell nur dann eine Rolle spielt, wenn es nicht um eine „nachträgliche Zurechnung“ des Handeltreibens geht, sondern der Vorwurf die Einfuhr in nicht geringen Mengen betrifft, vgl. BGH NStZ-RR 1997, 319. Dort heißt es: „Zutreffend weist das Landgericht allerdings darauf hin, daß (sukzessive) Mittäterschaft oder Beihilfe auch nach Tatvollendung möglich ist, sofern sie nur vor Beendigung der Tat erfolgt [. . .] Dem Angeklagten durfte die von anderen begangene Einfuhrtat aber nur zugerechnet werden, wenn er selbst vor Tatbeendigung einen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung geleistet hat [. . .]. Das war nicht der Fall. Der Angeklagte hat nicht den Auftrag zur Einfuhr dieses Heroins gegeben. Er kannte nicht den Mitangeklagten K., der das Rauschgift über die Grenze gebracht hatte; Absprachen mit diesem über einen vom Angeklagten zu erbringenden Tatbeitrag nach Grenzübertritt konnte er daher nicht treffen. Er kannte nicht die Schwierigkeiten mit dem Ausbau des schwer zugänglich versteckten Heroins und hat wegen seiner Festnahme das Heroin auch nicht abnehmen können. Der Angeklagte hat somit in das Einfuhrgeschehen bis zu dessen Beendigung durch polizeiliche Sicherstellung [. . .] in keiner Weise eingegriffen.“
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Erwerb bzw. Besitz von Betäubungsmitteln voraus. Der Fremdumsatzwille kann schließlich strafschärfend berücksichtigt werden.2444 Geldtransaktionen können ggf. über die Anschlussdelikte (§§ 257, 261 StGB) erfasst werden. Damit erfolgt die Abgrenzung nach dem hier vorgeschlagenen Modell simpel strukturiert: Wer das Betäubungsmittelgeschäft herbeiführt bzw. die hierzu notwendige Erklärung abgibt, ist Täter des Handeltreibens. Wer sich an der Vorbereitung des Geschäfts beteiligt, ist regelmäßig als Gehilfe des Handeltreibens zu bewerten, kann aber auch als Täter in Betracht kommen, wenn eine Beteiligung im Vorbereitungsstadium für eine mittäterschaftliche Zurechnung ausreichen soll. Einfacher gestalten sich die seltenen Fälle, in denen die Beteiligten auch beim Geschäftsabschluss gemeinsam agieren. Die täterschaftlichen Vorbereitungshandlungen können für sich unter Strafe gestellt sein (Einfuhr und Anbau in nicht geringen Mengen). Wer sich gegen Entgelt an der Abwicklung des Geschäfts beteiligt, erfüllt nicht nicht den Tatbestand des Handeltreibens; die anderen Umgangsformen bleiben hiervon unberührt (etwa der Besitz als echtes Unterlassungsdelikt). 3. Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei den sonstigen Tatmodalitäten a) Erfolgsdelikte aa) Transportdelikte (Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr) Bereits im Rahmen der Deliktsverwirklichungsstufen kam zum Vorschein, dass der BGH keine Schwierigkeiten hat, die Dogmatik des Allgemeinen Teils auf die Transportdelikte zu übertragen. Die relativ große „Masse“ an Rechtsprechung resultiert aus der praktischen Relevanz des § 30 I Nr. 4 BtMG (die Einfuhr in nicht geringen Mengen als „Teilakt“ des Handeltreibens, der aber wegen seiner nochmaligen Strafschärfung strafrahmentechnisch ausgeklammert ist), wobei sich dieses Bild bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme fortsetzt. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Entscheidungsdichte als auch bzgl. der „Übertragung“ allgemeiner Grundsätze. Beide Aspekte stehen in unmittelbarem Bezug zueinander, weil eine große Entscheidungsdichte wiederum indizieren kann, dass jedenfalls „bestimmte Rechtsauffassungen“ (sei es die der Vorinstanz, sei es der Beschwerdeführer) „zurecht gerückt“ werden müssen. Die im Gegensatz zum Handeltreiben klar umschriebene Tathandlung der Einfuhr ist der „Eigenhändigkeitsformel“ zugänglich, sodass sich die Abgrenzung – jedenfalls was die Klassifizierung als „Täter“ anbelangt – auf Anhieb einfacher gestaltet.2445 2444
Siehe bereits 3. Teil C. VI. 5. b), S. 498. Da die Rechtsprechung von dieser Prämisse nur in absoluten „Ausnahmefällen“ (so im Staschynskij-Fall BGH NJW 1963, 355) abrückte, kann der „Eigenhändigkeitsgrundsatz“ als allgemeine Meinung bezeichnet werden. 2445
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Derjenige, der die Betäubungsmittel als Fahrer, Körperschmuggler, Passagier oder Passant selbst, also eigenhändig2446 über die Grenze verbringt, ist als Täter der Einfuhr zu bewerten.2447 Hierbei kann es keine Rolle spielen, dass die Betäubungsmittel für jemand anderen (etwa den Besteller oder den Drahtzieher eines großen „Deals“) über die Grenze verbracht werden, der Täter also insoweit mit animus socii handelt bzw. die Einfuhrhandlung einen eher unbedeutenden Beitrag für das Gesamtgeschäft darstellt. Dies musste der BGH in einer Reihe von Entscheidungen allerdings immer wieder klarstellen. Insofern gilt es nun die eingangs behauptete These zu belegen, wonach die „Intuitionsrechtsprechung“ i. R. d. Handeltreibens eine missverständliche und somit Fehlurteile provozierende Wirkung auf die übrigen – insbesondere auf die praktisch wichtigen – Modalitäten der Einfuhr und des Anbaus haben kann.2448 Man hat hierbei den gern „unterschlagenen“ Umstand vor Augen zu behalten, dass die Einfuhr nach § 30 I Nr. 4 BtMG faktisch fast immer ein „Teilakt des Handeltreibens“ ist. Dies mag gerade der Grund für die Überlegung eines Tatrichters sein, bei der Abgrenzung die zum Handeltreiben geltenden „Grundsätze“ anzuwenden. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei gegenläufige (nichtsdestotrotz zusammenhängende) Fehlertypen ausmachen: Ganz in „Manier des Badewannenfalls“ kann die Lehre von der „Gesamtbetrachtung“ bzw. vom „Gesamtgeschäft“ dazu verleiten, trotz eigenhändiger Verwirklichung der Einfuhr eine Beihilfe des Fahrers anzunehmen [vgl. im Folgenden (1)].2449 Umgekehrt kann eine vom Tatbestand losgelöste Betrachtung auch dazu führen, dass Personen, die an einer „erfolgreichen“ Einfuhr ein „erhebliches Interesse“ haben und hinsichtlich des Gesamtgeschäfts eine wichtige Position einnehmen, plötzlich als Mittäter der Einfuhr angesehen werden, obwohl sie bzgl. des eigentlichen Fahrtvorgangs überhaupt keine Tatherrschaft innehaben und dieses Minus im Tatausführungsstadium auch nicht – jedenfalls nicht nachweislich – durch ein „Plus“ an Tatplanung kompensiert haben [siehe (2)]. Insofern haben diese zwei diametralen Fehlertypen einen gemeinsamen Ursprung, nämlich – kaum überraschend – eine extensive Auslegung des Einfuhrbegriffs. Im Anschluss an diese Darstellung sollen abschließend zur Einfuhr Fallkonstellationen begutachtet werden, bei denen mehrere Personen am Einfuhrakt als solchem beteiligt sind [vgl. (3)].
2446 Vgl. nur für den Transport per pedes die „Klarstellung“ bei Bottke, Täterschaft, S. 44, wonach auch die „eigenfüßige“ Verwirklichung umfasst sei. 2447 H.M. Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 8. 2448 Siehe hierzu noch 3. Teil D. III. 3. b) aa), S. 620. 2449 Ob sich der Hintermann bzw. der Organisator des Gesamtgeschäfts als Täter der Einfuhr zu verantworten hat, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
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(1) Fehlerquelle 1: „Beihilfe“ trotz eigenhändiger Verwirklichung? In einem Urteil des Dritten Senats vom 22.07.19922450 findet sich das perfekte Beispiel für das zuerst beschriebene Fehlermuster: Das Landgericht hatte festgestellt, dass der Angeklagte dem gesondert verfolgten Haupttäter Hilfe leistete, indem er „mit Gehilfenvorsatz“ als Chauffeur bei drei Fahrten in die Niederlande für den Einkauf von je einem kg Haschisch tätig war. In einem der Fälle hatte der Angeklagte erst kurz vor der Grenze in Sichtweite des hell erleuchteten, zu dieser Zeit nicht mit Beamten besetzten Zollgebäudes davon erfahren, dass sich im Wagen Betäubungsmittel befanden. Der Haupttäter forderte den Angeklagten auf, die Grenzstelle zu passieren, und bot ihm zusätzlich 400 DM als „Risikozuschlag“ an. Angesichts des Zollgebäudes entschloss sich der Angeklagte aus Angst vor einem auffälligen Wendemanöver, ohne anzuhalten durchzufahren und nicht umzudrehen. Nach Auffassung der Vorinstanz (LG Oldenburg) hat der Angeklagte auch als Fahrer nur Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet, „weil er eine ganz untergeordnete Tätigkeit ausgeübt und wegen der Unterrichtung erst in Sichtweite der Grenze weder Tatherrschaft noch den Willen, als Täter zu handeln, gehabt habe und weil die Initiative zu den Fahrten und die Bestimmung des Fahrtablaufs jeweils vom Haupttäter ausgegangen sei.“ Das Landgericht betont, dass im dritten Fall der Haupttäter das Haschisch selbst zu Fuß über die Grenze bringen musste, weil der Angeklagte sich weigerte, mit Betäubungsmitteln im Wagen die Grenze zu passieren. Dies macht deutlich, welch überragende Bedeutung die Vorinstanz dem fehlenden Willen beimisst, Betäubungsmittelgeschäfte zu unterstützen. Die Einfuhr setzt weder einen Fremdumsatzwillen noch Eigennutz voraus, und es steht außer Zweifel, dass der Angeklagte die Betäubungsmittel durch das Drücken auf das Gaspedal über die Grenze verbracht hat. Dass er sich in einer nötigungsnotstandsähnlichen Situation befand,2451 ändert nichts an einer Verwirklichung des objektiven und subjektiven Einfuhrtatbestandes.2452 Dementsprechend müsste man selbst dann von einer vollendeten Einfuhr ausgehen, wenn man dem Fahrer während dem Passieren der Grenze die Pistole an den Kopf hält.2453 Der Dritte Senat greift korrigierend ein und stellt im amtlichen Leitsatz fest, dass derjenige, der „Betäubungsmittel selbst – hier durch Führen des Fahrzeugs – über die Grenze verbringt, grundsätzlich auch dann Täter der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln ist, wenn er nur unter dem Einfluß und in Gegenwart des Mittäters in dessen 2450
BGHSt 38, 315. Laut tatrichterlichen Feststellungen hatte er nur eine kurze Überlegungsfrist und wurde durch den Mittäter überrumpelt. 2452 Schließlich regelt § 25 I Var. 1 StGB nur, wer unmittelbarer Täter ist, nicht wer als solcher bestraft wird, vgl. SK/Hoyer § 25 Rn. 28. 2453 BGHSt 38, 315. 2451
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Interesse handelt.“ Die lehrbuchartige Begründung mag Staatsanwaltschaft und Vorinstanz überrascht haben: „[. . .] Diese aus der Gesetzessystematik gewonnene Auffassung findet eine Stütze in den Gesetzgebungsmaterialien. Danach sollte – mit denkbaren Abweichungen in extremen Ausnahmefällen – durch die Fassung der Vorschrift des § 25 I StGB der Tendenz entgegengewirkt werden, eigenhändige Tatbestandsverwirklichungen unter Berufung lediglich auf den angeblich fehlenden Täterwillen zu bloßer Teilnahme abzuwerten. Im Schrifttum wird sogar angenommen, daß, wer alle Tatbestandsmerkmale erfüllt, ,stets Täter ist und nicht wegen fehlenden Täterwillens Teilnehmer sein kann‘. Die subjektive Teilnahmetheorie sei mindestens insoweit ,mit dem Gesetz nicht mehr vereinbar‘ [. . .]“ 2454 Indessen ist es interessant zu beobachten, dass der Dritte Senat hier das „strukturelle Problem“ bzw. die „Fehlerquelle“ nicht aufgreift, sondern lapidar in einem einzigen Nebensatz feststellt: „Damit kann er fremdes Handeltreiben fördern wollen, eingeführt hat er das Betäubungsmittel selbst.“ 2455 Damit tut der Dritte Senat in gewissem Grade so, als ob der Fehler nicht nachvollziehbar wäre und das Ergebnis vollkommen offen auf der Hand lag (obwohl die Einschränkungen der subjektiven Betrachtung im Jahre 1992 schon im Allgemeinen noch nicht ganz „angekommen“ waren). Nur einen Monat später schließt sich der Vierte Senat in einem Beschluss vom 20.08.1992 den oben geschilderten Ausführungen aus BGHSt 38, 315 an,2456 dieses Mal im Bezug auf einen Körperschmuggler. Die „Tatherrschaft“ über den Transport lag aufgrund der inkorporierten Drogen somit noch näher.2457 Die Vorinstanz stellt indessen darauf ab, dass der Täter die Kuriertätigkeit „im fremden Auftrag ausgeführt“ habe, „den Transport von der Übernahme des Heroins bis zur Ablieferung nicht frei nach eigenen Vorstellungen gestalten“, insbesondere „nicht den genauen Zeitplan und den Transportweg bestimmen“ konnte, er habe 2454
BGHSt 38, 315 (317). Gleich im Anschluss geht der BGH in diesem Zusammenhang auf die oben genannte, zweite Fehlerquelle ein: „Nach den genannten Grundsätzen wird auf der anderen Seite der Hintermann, der in seinem Interesse die unerlaubte Einfuhr der mit seinem Geld erworbenen oder zu bezahlenden Betäubungsmittel veranlaßt, je nach Sachlage Mittäter jedenfalls Anstifter und nicht lediglich Gehilfe sein“ . 2456 BGH v. 20.08.1992 – 4 StR 232/92; der Dritte Senat selbst wiederholt seine Auffassung in einer weiteren Entscheidung, diesmal auf die Beschwerde des Verteidigers hin, es sei keine Beihilfe zur Einfuhr angenommen worden, obwohl der „Fahrer“ keinen erheblichen Einfluss auf das Gesamtgeschäft hätte, vgl. BGH NStZ 1993, 138. 2457 Speziell, was den Körperschmuggler angeht, hatte bereits der Zweite Senat entschieden, dass hier stets Täterschaft und nicht Gehilfenstellung anzunehmen ist (wobei hier jedoch die Drogen am Körper, genauer in den Schuhen transportiert wurden), BGH NStZ 1992, 321 (bei Schoreit); die somit zeitlich vor BGHSt 38, 315 ergangene Entscheidung wurde dennoch „nur“ in eine Fußnote aufgenommen, weil der Zweite Senat den Fall über den Begriff des „Alleingewahrsams“ löst, ohne den Eigenhändigkeitsaspekt überhaupt aufzugreifen. 2455
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sich „den ihm erteilten Weisungen vollständig untergeordnet“ und zudem „unter ständiger Aufsicht“ gestanden; hinzu komme, daß „dem Angeklagten ein unmittelbares eigenes Interesse am Erfolg seiner Kuriertätigkeit, wie z. B. eine in Aussicht gestellte Honorarzahlung, nicht nachzuweisen war“. Es handelt sich offensichtlich durchweg um Argumentationsmuster, welche die h. M. bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Handeltreiben heranzieht. Der Vierte Senat änderte aufgrund der eigenhändigen Verwirklichung des Delikts dementsprechend den Schuldspruch um.2458 Zwei Jahre später wiederholt der Dritte Senat in einer unveröffentlichten Entscheidung vom 25.05.1994 seinen amtlichen Leitsatz aus BGHSt 38, 315 und hebt ein Urteil des LG Görlitz auf, das eine Beihilfe zur Einfuhr annahm, bei dem die Angeklagte einen Teil des geschmuggelten Rohopiums in ihrer Handtasche versteckt hatte, als sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten zu Fuß die Grenze überwindeten.2459 Man beachte: Momentan geht es erst um eine positive Zuordnung der Täterschaft im Falle der eigenhändigen Verwirklichung. Wenn bereits hier Fehler unterlaufen, kann man sich ausmalen, wie es um die Fälle der „Zurechnung“ von Kurierfahrten auf Dritte bestellt ist. Nun kann man derartige Ungenauigkeiten nachvollziehen, wenn man davon ausgeht, dass die „Korrektur“ durch den Dritten Senats zu einer „neueren Entwicklung“ zählt. Umgekehrt könnte man derartige „Fehler“ auch als Restriktionsüberlegungen interpretieren, wenn sie durch neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung angeregt bzw. forciert werden, wie dies etwa nach BGHSt 50, 232 der Fall war. Dass aber beispielsweise das LG Mainz im Jahre 1998 (also über 5 Jahre nach der „Klarstellung“ durch den Dritten Senat, doch vor dem Großen Senatsbeschluss) nach wie vor eine Beihilfe zur Einfuhr annahm, obwohl die eigenhändige Verwirklichung des Tatbestands durch den Kurier ohne jeglichen Zweifel feststand (und das Urteil somit durch den Zweiten Senat aufgehoben werden musste2460), kann man sich nur mit einer „Verhaftung“ der Instanzgerichte in die Gesamtgeschäftslösung im Bereich des Betäubungsmittelrechts allgemein erklären.2461 Gleiches gilt für das LG Osnabrück, das eine Beihilfe zur Einfuhr durch Chauffeurtätigkeiten – Fahrt von Ams2458 Dem „armen Schlucker“ könnte hier über die Annahme eines minder schweren Falles geholfen werden, wenn unbedingt eine „Angleichung“ zum Handeltreiben erwünscht ist. 2459 BGH v. 25.05.1994 – 3 StR 79/94; dabei kann es aufgrund der gewählten Transportart nun einmal eher vorkommen, dass der Schmuggler seinem Begleiter einen Teil der Drogen „in die Hand drückt“ und ihn bittet, bis zur Grenze „aktiv“ auszuhelfen. Dieser zusätzliche „Kraftaufwand“ und die damit einhergehende Überwindung rechtfertigt es, diese Person anders zu behandeln, als den einfach im PKW sitzenden Komparsen, der beim Grenzübertritt selbst keine weiteren Handlungen vornehmen muss. 2460 BGH StV 1999, 427, NStZ-RR 1999, 186. 2461 Schließlich dürfte man nicht davon ausgehen, dass jeder einzelne Senat „die Eigenhändigkeitsformel“ bei der Einfuhr erst einmal feststellen und hervorheben muss, damit diese Rechtsauffassung auch in jedem einzelnen Bundesland „ankommt“.
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terdam nach Hamburg – annahm, weil der Taxifahrer nicht eigennützig und ausschließlich im Interesse des „schwerkranken“ Kunden handelte (Transport von einem Paket Heroin).2462 Die Vorinstanz verneinte trotz eigenhändiger Verwirklichung auch hier eine „mittäterschaftliche Einfuhr“, weil „Umstände, die wesentlich auf eine nicht unbedeutende Tatherrschaft des Angeklagten hindeuten könnten – gemeinsame Tatplanung, eigenes Interesse am Taterfolg und gewichtige Tatbeteiligung, – nicht festzustellen seien.“ 2463 Bedenkt man, dass der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bzgl. der Einfuhr ohnehin nur in den Fällen des § 30 I Nr. 4 BtMG Bedeutung zukommt, wiegen derartige Fehler schwer. Man hat als Tatgericht von der positiven Abgrenzungsfunktion der Eigenhändigkeitsformel auch Gebrauch zu machen, wenn die Tatbestandsauslegung dies zulässt. Insofern bleibt das Handeltreiben eine absolute (und nicht unvermeidbare) Ausnahmeerscheinung. Der BGH musste bereits mehrmals Urteile aufheben, bei denen man die „Abgrenzungskriterien“ zum Handeltreiben (Teilaktsbetrachtung, subjektiver animus socii, Interesse an der Abwicklung des Gesamtgeschäfts) unbesehen auf die Einfuhr von nicht geringen Mengen übertragen hat.2464 Ob demselben Tatrichter der gleiche Fehler unterlaufen würde, wenn er am gleichen Tag neben der Einfuhr von nicht geringen Mengen Betäubungsmitteln über die Einfuhr von Waffen zu entscheiden hätte (sprich diese Fehler „delinquenzspezifisch“ sind), sei an dieser Stelle dahingestellt. Jedenfalls erinnern die Argumentationsmuster stark an die des Handeltreibens. Zuletzt sei in diesem Zusammenhang angemerkt: Es ist bezeichnend, dass in Lehrbüchern zum Allgemeinen Teil und Kommentaren – wenn überhaupt – betäubungsmittelrechtliche Urteile als Nachweise für die Feststellung herangezogen
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BGH NStZ-RR 2000, 22. BGH NStZ-RR 2000, 22. 2464 Insofern existieren noch zahlreiche Beispiele, in denen der BGH dies nicht gegenüber dem erkennenden Gericht „klarstellen“ und somit aufheben musste, sondern die Rechtsauffassung der Revision – im Regelfall aber die des Verteidigers, der auf eine Milderung auch bzgl. der Einfuhr plädiert – richtig stellen muss. BGH v. 13.09.1988 – 1 StR 451/88 betrifft indessen die Revision der Staatsanwaltschaft: „Ein Widerspruch liegt nicht in dem Umstand, daß das Landgericht die Angeklagte im Falle I 4 d hinsichtlich des Einfuhrtatbestandes (§ 30 I Nr. 4 BtMG) als Mittäterin, im Falle I 4 b hinsichtlich des – hierzu in Tateinheit stehenden – Tatbestandes des unerlaubten Handeltreibens (§ 29 I BtMG) jedoch lediglich als Gehilfin verurteilt hat. Das Landgericht hat ausgeführt, die Angeklagte habe ,im bewußten und gewollten Zusammenwirken aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatplans‘ mit dem Zeugen P. verschiedene Betäubungsmittel – u. a. auch die im Fall I 4 b erworbenen 30 g Heroin – über die deutsch-belgische Grenze in die Bundesrepublik verbracht (UA S. 6). Insoweit verkennt die Revision, daß sich diese Feststellung mittäterschaftlichen Handelns eindeutig nur auf den Tatbestand der Einfuhr bezieht. Diese Unterscheidung durch das Landgericht war zulässig. Die Mittäterschaft bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln bedingt nicht notwendig auch hinsichtlich des darin zugleich liegenden Handeltreibens (hier Fall I 4 d) die Behandlung der Angeklagten als Täterin, wenn – wie erörtert – Täterwille, Eigennutz und Sachherrschaft insoweit nicht nachgewiesen sind.“ 2463
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werden,2465 wonach die eigenhändige Verwirklichung des Tatbestands zur unmittelbaren Täterschaft führe.2466 (2) Fehlerquelle 2: „Mittäterschaft“ trotz Fehlen von Tatherrschaft („Bestell-Fälle“) Schon im Rahmen der Ausführungen zum Versuch wurde mehrmals erwähnt, dass der Tatbestand der Einfuhr kein eigenhändiges Delikt ist und insofern auch das „Verbringen durch andere“ rechtlich möglich, aber streng genommen als Konstellationen der mittelbaren Täterschaft – oder auch Mittäterschaft – zu bewerten sind.2467 Die „Eigenhändigkeitsformel“ hilft somit nur im Hinblick auf eine positive Feststellung der Täterschaft weiter, kann aber mangels Eigenhändigkeitsdeliktscharakter der Einfuhr keine „negativ abgrenzende“ Funktion entfalten. Umso „gefährlicher“ ist es, wenn man sich nicht eindeutig zu den genannten Zurechnungsmechanismen bekennt:2468 Die häufig anzutreffende Wendung, wonach für die Einfuhr „das Verbringenlassen durch andere“ genügt, kann man als Tatbestandsumschreibung missverstehen, welche die Heranziehung der §§ 25 ff. StGB obsolet macht. 2465 Siehe Rengier AT § 42 Rn. 2 (BGHSt 38, 315); Fischer Vor § 25 Rn. 4 (BGH 1 StR 451/88, BGHSt 38, 315; NStZ 1993, 137); Lackner/Kühl § 25 Rn. 1 (BGH NStZRR 1999, 186). Kühl AT § 20 Rn. 36 Fn. 57 (BGH NStZ-RR 1999, 186); Wessels/Beulke Rn. 508 Fn. 5 (BGHSt 38, 315); StK-Joecks § 25 Rn. 4; MK-StGB/Joecks § 25 StGB Rn. 37 Fn. 110 (BGHSt 38, 315; auch bei LK/Schünemann werden zur Abkehr von der Badewannenfall-Rechtsprechung fast ausschließlich die „üblichen Verdächtigen“ zitiert, vgl. § 25 Rn. 53 Fn. 109 (BGHSt 38, 315; BGH NStZ 1993, 138; BGH NStZ-RR 2000, 22) vgl. auch Roxin, TuT, S. 547, 600, 636 ff.; ders. AT II § 25 Rn. 41. Diese Feststellung findet sich nebenbei auch bei NK/Schild § 25 Rn. 36 („vor allem im Betäubungsmittelrecht“), wenn auch in anderem Kontext; so auch Sch/Sch/Heine Vor § 25 ff. Rn. 94; LK/Schünemann § 25 Rn. 20 widmet dieser Sonddergruppe eine ganze Randnummer (allerdings gilt für alle drei Fundstellen, dass das „Sorgenkind“ Handeltreiben einbezogen wird). 2466 Da liegt die Vermutung nahe, dass in anderen kernstrafrechtlichen Gebieten derartige, klarstellende Urteile „Mangelware“ sind. Aus dem Nebenstrafrecht ist das Urteil des Dritten Senats aus dem Jahre 1986 zu nennen, BGH NStZ 1987, 224, in dem festgestellt wird, dass derjenige der Steuererklärungen abgibt regelmäßig als Täter und nicht als Gehilfe der Umsatzsteuerhinterziehung anzusehen ist. Zur Problematik der „eigenhändigen Verwirklichung“ kann man bei Erklärungsdelikten, bei denen es um die „geistige“ Zurechnung von Aussagen geht (§§ 263, 265b, 266a, 267 StGB) häufiger gelangen, siehe nur OLG Stuttgart NJW 1978, 715; zumindest knapp mit der „eigenhändigen“ Verwirklichung des Geldwäschetatbestands setzt sich BGH NJW 1999, 436 auseinander. 2467 3. Teil C. II. 1. b) bb), S. 417 ff.; man denke an die Konstellationen, in denen sich der Täter anderer Transportmittel, wie Omnibusse, Flugzeuge und Züge, eines Tieres, z. B. einer Brieftaube oder technischer Hilfsmittel bedient, z.B einem Modellflugzeug, vgl. MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 550. 2468 3. Teil C. II. 1. b) bb), S. 417 ff.; siehe auch Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 182; ausdrücklich in den Fällen der Irrtumsherrschaft von einer mittelbaren Täterschaft ausgehend BGH v. 31.10.1989 – 1 StR 525/89.
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Darin steckt ein Grundproblem der Einfuhrtätigkeit: Wem ist dieser „Prozess“, an dem mehrere beteiligt sind (Besteller, Transportunternehmer, Fahrer, Verkäufer) i. w. S. zurechenbar?2469 Bei einer wirtschaftlich-betriebsbezogenen Betrachtung liegt es nicht fern, den Organisator der Einfuhr bzw. Ausfuhr als „Täter“ zu betrachten, sprich Einfuhr per definitionem als das „Verbringenlassen“ zu verstehen. Dies hätte weitreichende Konsequenzen, sowohl im Hinblick auf die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme als auch auf den Versuchsbereich. Man müsste stets den Besteller der „Waren“ (Waffen, Betäubungsmittel) als Täter klassifizieren, während der „Kurier“ nur als Gehilfe zu diesem Vorgang zu bewerten wäre (wie dies vielleicht erwünscht ist, und damit ist der Zusammenhang zur ersten Fehlerquelle erläutert). Die Einfuhrtätigkeit müsste dann konsequenterweise entweder bereits zum Zeitpunkt der abgeschlossenen Organisation oder erst mit Erlangung der Ware als vollendet betrachtet werden. Damit hätte man die Grenze als das Abgrenzungsmerkmal schlechthin aufgegeben, was nicht gewollt ist. In Orientierung an § 2 II BtMG und der Überlegung, dass das Verschaffen der Drogen in deutsches Hoheitsgebiet das prägende Unrechtselement darstellt, geht die h. M. – wie bereits ausführlich dargestellt – davon aus, dass das Verbringen über die Grenze maßgeblich für die Tatbestandsverwirklichung ist.2470 Jedenfalls unzulässig ist unter Zugrundelegung eines restriktiven Täterbegriffs eine „Doppeldefinition“, die aus einem Tatbestand zwei macht, um auf diesem Wege allgemeine Zurechnungskriterien2471 zu unterlaufen und die Grenzen zwischen Täterschaft und Teilnahme zu kaschieren.2472 Man muss sich eben schlicht entscheiden, und dies hat der BGH mit seiner Eigenhändigkeitformel bereits getan, auch wenn in den Fällen der Einfuhr in nicht geringen Mengen (als ausgestanztem Teilakt des Handeltreibens) die Verlockung groß ist, auf die wirtschaftliche Betrachtung zu wechseln bzw. auszuweichen. Dieser Zwiespalt ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH zwischen 1985–2000 in den Konstellationen der Bestellung von Drogen aus dem Ausland. Die Täterqualität des Transporteurs bzw. Fahrers steht in diesen Fällen (auf Grundlage der vom BGH gewählten Definition) außer Frage; umgekehrt müsste für den Besteller somit gelten, dass ihm das „Einführenlassen“ nicht a priori als täterschaftliche Begehung zur Last gelegt werden kann, vielmehr besondere Umstände hinzutreten müssen, die eine irgend2469 Dies kann in einem in seinen Rechtsfolgen im Verhältnis zum Zivilrecht nicht derart ausdifferenzierten Strafrecht immer wieder auftreten und ist auch bereits hier in Form der Erklärungslösung bereits aufgetaucht; Nestler, Transferdelikte, stellt dieses „Grundproblem“ anhand anderer Beispiele (§ 326 II StGB sowie § 34 AWG) ausführlich dar, vgl. S. 346 ff., dort auch zur „eigenhändigen Deliktsbegehung“. 2470 3. Teil C. II. 1. a), S. 405 ff. 2471 Tatbestandsdefizit und Tatherrschaft bei § 25 I Var. 2 StGB, gemeinsamer Tatentschluss und Ausführung bei § 25 II StGB. 2472 Man stelle sich folgende Umschreibung der Wegnahme gem. § 242 StGB vor: „Wegnahme bedeutet Bruch oder die Veranlassung eines Bruchs fremden Gewahrsams und Begründung neuen (nicht notwendig tätereigenen) Gewahrsams.“
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wie geartete Tatherrschaft bzw. einen Willen diesbezüglich feststellbar machen.2473 Hierbei darf man allerdings nicht „logistische“ bzw. „geschäftsbezogene“ Aspekte für die Begründung der Tatherrschaft heranziehen. Maßgeblich muss die Tatherrschaft zum Zeitpunkt des Einfuhraktes bleiben. So stellt der BGH in einem Beschluss vom 22.01.1987 fest:2474 „Zwar kann auch derjenige Täter der Einfuhr sein, der das Betäubungsmittel nicht selbst über die Grenze bringt; doch ist, wer eine strafbare Handlung nur veranlaßt, deshalb allein noch nicht Täter. Erforderlich ist vielmehr täterschaftliches Handeln, das sich als Allein- oder Mittäterschaft, als unmittelbare oder mittelbare Täterschaft (letztere mit dolosem oder undolosem Werkzeug) darstellen kann. Insoweit gilt für die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln nichts anderes als für andere Straftaten; auch wer einen Diebstahl oder eine vorsätzliche Tötung schuldhaft veranlaßt, ist deshalb allein noch nicht Dieb oder Totschläger [. . .]. Hieran gemessen, war der Angeklagte nicht Mittäter bei der Einfuhr. Er beschränkte sich auf die Bestellung und überließ es völlig dem Verkäufer und den von diesem beauftragten Kurieren, das Betäubungsmittel nach Deutschland zu bringen. Deshalb kann der Schuldspruch nicht bestehen bleiben [. . .].“ Der Fünfte Senat repetiert diese Überlegungen in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem der „Angeklagte [. . .] keinen Einfluß auf die Art des Transportes, den Transportweg, Auswahl der als Kuriere tätigen Personen, Festlegung der Reisezeit für die Herointransporte aus der Türkei nach Deutschland“ hatte; „das Rauschgift sollte dem Angeklagten gebracht werden, wobei die Kuriere sich erst unmittelbar vor der Übergabe bei dem Angeklagten telefonisch melden sollten“.2475 Dass man aber immer noch zwischen einer „organisationsbezogenen“ Betrachtung i. S. e. Definition der Einfuhr als „Verbringenlassen“ und der Grunddefinition (Einfuhr als Verbringen über die Grenze) hin und hergerissen ist, kristallisiert sich in Fällen heraus, in denen sich die Handlungen des Bestellers nicht im einfachen Bestellen aus dem Ausland erschöpfen, sondern das Geschäft im Ausland abgewickelt wird und man durch den direkten Kontakt zum Besteller u. U. auch die Art und Weise des Transports ausloten kann. So nahm der Erste Senat 2473 Die breite Auffächerung der Diskussion mag den Eindruck vermitteln, dass der Verfasser die praktische Bedeutung dieser Frage überschätzt. Schließlich handelt es sich hier – atypischerweise – um Fälle der Abgrenzung von Anstiftung und Mittäterschaft, sodass eine Umtenorierung des Schuldspruchs dem Angeklagten meist nicht weiterhilft, vgl. zuletzt OzSR 2012, 5; die dogmatischen Unterschiede (was den Versuchsbeginn anbelangt, was die Zurechnung von Fehlvorstellungen angeht und was die Auswirkungen eines fahrlässigen Mehrtransports betrifft) sollten für sich bereits ausreichen, um diesem „Totschlagsargument“ zu begegnen, zumal es sich hierbei um einen rechtlichen Gesichtspunkt handelt, auf den der Angeklagte gem. § 265 StPO hingewiesen werden muss. 2474 BGH NJW 1987, 2881. 2475 BGH StV 1988, 530.
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schon kurz nach seiner so eben zitierten Grundsatzentscheidung in einer weiteren Entscheidung eine Mittäterschaft an, weil „die Einfuhr [. . .] auf Grund eines „besprochenen Gesamtkonzepts“ erfolgte, „in dem H im Rahmen der eingeleiteten festen Geschäftsverbindung, der Transport über die Grenze zufiel“.2476 Damit verrät sich der Senat selbst, da er damit zum Ausdruck bringt, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Einfuhrvorgangs selbst gerade keine Tatherrschaft innehatte und sich die Legitimität der Mittäterschaft aus der „laufenden Geschäftsverbindung“ speisen soll. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Angeklagte die Route festlegt bzw. die Vorbereitungen für die Fahrt getroffen hätte (Bereitstellung des Wagens, Tipps für das Verstecken), da man dann über eine mittäterschaftliche Extension durch das „Plus im Vorbereitungsstadium“ nachdenken könnte.2477 Man beachte erneut: Auch hier müsste allerdings das Plus an Vorbereitung – wie die Beispiele zeigen – tatbestandsbezogen bleiben, dürfte sich also nicht auf das Gesamtgeschäft beziehen.2478 Soweit der BGH dann am Ende der Entscheidung auf eine kurz davor veröffentlichte Entscheidung des Dritten Senats verweist,2479 hat dies wenig Aussagegehalt, da das Gericht dort als entscheidenden Aspekt für einen Tatherrschaftswillen (weniger einer objektiven Tatherrschaft) die „Zahlungsmodalität“ heranzieht. Die Tatherrschaft fußt dort auf der Überlegung, dass die Abwicklung erst mit der Lieferung der Verkäufer des Rauschgiftes sein Entgelt erhalten sollte und somit jederzeit unter der „Kontrolle“ des Bestellers stand.2480 Dabei soll in diesem Zusammenhang („Zahlung nach Erhalt der Ware“) angemerkt werden, dass in der ursprünglichen Entscheidung des Ersten Senats (in der eine Mittäterschaft verneint wurde), ein Kurier mit dem Betäubungsmittel nach Deutschland geschickt wurde, wo ihn die Angeklagten – vom Verkäufer vorher telefonisch verständigt – am Bahnhof empfingen. Sie übernahmen das Rauschgift, verkauften es zum größten Teil am selben Tag und bezahlten danach erst den Kaufpreis (an den Kurier, der nachts am Bahnhof wartete). Somit stellt das „Zahlungs- bzw. Ausfallrisiko“ 2481 auch kein
2476
BGH v. 25.08.1987 – 1 StR 268/87. Vgl. 3. Teil D. II. 1. c) aa), S. 541 f. 2478 Eine „Kompensation“ im Sinne einer Mittäterschaft durch Mitwirkung im Vorbereitungsstadium scheidet nach BGH StV 1985, 106 allerdings aus, „wenn der Angeklagte nach den Plänen seiner Auftraggeber nicht deren Partner bei der von diesen in Aussicht genommenen Einfuhrhandlung werden sollte, sondern lediglich mit dem Vorbereitungsakt des Transports des Rauschgifts [in concreto] nach Brüssel beauftragt war. Bei einer derartigen Sachlage ist der Angeklagte Gehilfe und nicht Mittäter“. 2479 BGH v. 25.08.1987 – 1 StR 268/87. 2480 BGH v. 10.06.1987 – 3 StR 119/87; das „Geldflussargument“ kann m. E. aber allenfalls eine „normative Tatherrschaft“ begründen. 2481 Dieses Kriterium sieht man auch in BGH NStZ 1990, 130 als tatherrschaftsbzw. mittäterschaftsbegründend: „Die Abwicklung war von ihm gesteuert, erst mit Übergabe des Betäubungsmittels an der Bushaltestelle in Moers leistete er den Kaufpreis mit dem darin enthaltenen Kurierlohn.“ 2477
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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geeignetes Abgrenzungskriterium dar und in beiden Fällen muss eine Mittäterschaft verneint werden. Diese Rechtsprechung blieb nicht vereinzelt, sondern gewann im Laufe der Jahre sogar nach und nach Überhand. Sie basiert allerdings auf einer Entscheidung des Zweiten Strafsenats vom 29.01.1986, wonach als Tatbeitrag die psychische Beeinflussung eines der Tatgenossen genügen soll, so dass den Tatbestand der Einfuhr auch derjenige erfüllen kann, der „bewirkt“, dass ein Anderer das Betäubungsmittel über die Grenze transportiert.“ 2482 Dabei führen die Urteilsgründe schon intuitiv zum Anstiftungsunrecht, da sie eine Sachlage beschreiben, in der sich die Beteiligten „nicht die Finger schmutzig“ machen, sprich mit dem eigentlichen Einfuhrakt gerade nichts zu tun haben wollen:2483 „Da die Angeklagten Bedenken hatten, das Betäubungsmittel selbst in die Bundesrepublik Deutschland zu bringen, vereinbarten sie mit dem Lieferanten, daß er den Transport des Stoffes über die Grenze übernehme und sich der Grammpreis deshalb um 1 hfl erhöhe. Die Hälfte des Kaufpreises zahlten sie sofort, den Rest am nächsten Tag, als ihnen das Haschisch auf einem Autobahnrastplatz in der Nähe von Kerpen durch den Verkäufer übergeben wurde. Einige Tage später bezogen sie von ihm unter den gleichen Bedingungen mindestens 600 g Haschisch. Bei dessen Aushändigung erklärte er ihnen, daß er nicht mehr bereit sei, wegen einer solchen (kleinen) Menge die Grenze zu passieren.“ Bei solch einer Formulierung drängt sich die Anstiftung geradezu auf, da der Angeklagte sogar einen Aufpreis für den „Eigentransport“ und somit für die „eigene Initiative“ des Geschäftspartners bezahlt. Wenn im Leitsatz dann auch noch von „psychischer Beeinflussung“ die Rede ist, assoziiert man im Normalfall hiermit die Theorie des geistigen Kontakts,2484 sprich das „Bestimmen“ als Hervorrufen des Tatentschlusses und nicht einen „gemeinsamen Tatentschluss“. Darüber hilft nicht die lapidare Feststellung hinweg, dass es ohne die Absprache mit dem Verkäufer nicht zum Schmuggel gekommen wäre. Kausalzusammenhänge können nicht zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme herangezogen werden. Übrig bleibt das Argument, dass die Tätigkeit des Geschäftspartners auch im persönlichen Interesse der Angeklagten lag.2485 Dies allein begründet allerdings keine Täterschaft, und das schon im Jahre 1986 nicht mehr. In die gleiche Richtung verlaufen die Ausführungen des Dritten Senats in einem Urteil vom 08.11.1989:2486
2482
BGH StV 1986, 384. BGH StV 1986, 384 (385). 2484 Zur Theorie des geistigen Kontakts vgl. Wessels/Beulke Rn. 568 m.w. N., siehe bereits 3. Teil D. II. 2. b) bb), S. 551 f. 2485 BGH StV 1986, 384 (385). 2486 BGH NStZ 1990, 130. 2483
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
„Die Tat hing entscheidend vom Willen des Angeklagten ab, er hatte ein besonderes Interesse am Erfolg, weil er das nur in den Niederlanden zu erwerbende Haschisch hier unerlaubt mit Gewinn veräußern wollte, ohne sich mit der Einfuhrhandlung selbst zu belasten [. . .]“ Genau dieser Wille spricht aber gegen einen Tatherrschaftswillen bzw. der Einfuhrhandlung, da der Täter gerade nichts mit der Einfuhr (und deren Durchführung) zu tun haben will.2487 Derartige Fälle würden nicht einmal bei einer „organisationsbezogenen“ Betrachtungsweise unter den Begriff der Einfuhr fallen. Interessant hierzu ein Argument des Dritten Senats, indem es nur nebenbei um die gemeinschaftliche Einfuhr ging: „Die Wertung des Landgerichts, die Angeklagten hätten ,mit der Einfuhr der Betäubungsmittel [. . .] selbst nichts zu tun‘, begünstigt ungerechtfertigt den Mittäter, der sich dank seiner Stellung von den mit höherer Entdeckungsgefahr verbundenen Teilakten fernhält.“ 2488 Diese Argumentation trifft faktisch auf jeden Anstifter zu (etwa auf denjenigen, der einen Dritten einen Mord durchführen lässt, weil er selbst nicht entdeckt werden will). Dabei ist die Betrachtungsweise eindeutig vom Handeltreiben „infiziert“, wenn man auf den Charakter der Einfuhr in nicht geringen Mengen als Teilakt abstellt. (3) Zwischenfazit Bezugspunkt der Abgrenzung muss der Einfuhrvorgang bleiben, wie dies die Kommentarliteratur propagiert,2489 wenn auch nicht in letzter Konsequenz durchhält. Dabei kann eine Organisation des Transports (Auswählen der Route2490, Datum und Uhrzeit, Gestaltung der Übernachtungsmöglichkeiten2491 oder das zur Verfügungstellen des Schmuggelfahrzeugs2492) ein „Plus“ im Vorbereitungsstadium darstellen.2493 Eine echte Tatherrschaft während des Transports i. S. e. „gemeinsamen Tatausführung“ kann man nur annehmen, wenn der „Besteller“ eigene Männer für den Transport beordert hat, die ihm gefügig sind2494 oder mit 2487
Dieses Argumentationsmuster findet sich auch bei BGH StV 1992, 579, wo man ebenfalls einer pauschalen Annahme von Mittäterschaft kritisch gegenübersteht. 2488 BGH NStZ 1997, 90. 2489 Weber § 29 Rn. 800; MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 552. 2490 Vgl. auch BGH NStZ 1997, 90. 2491 BGH NStZ 1993, 137. 2492 BGH NStZ-RR 2004, 25: In Anbetracht dessen, dass der Angeklagte hier zudem den Zeitpunkt der Taten und die Menge der einzuführenden Betäubungsmittel bestimmte, den Einkauf finanzierte und sich ständig nach dem problemlosen Verlauf der Einfuhrfahrten erkundigte, ließ sich eine Mittäterschaft im Bezug auf die Einfuhr gut vertreten. 2493 Kein „Plus“ in diesem Sinne stellen Einfuhrtätigkeiten dar, die andere Staaten betreffen und insofern nur „Vorbereitungshandlungen“ im Hinblick auf die eigentliche Einfuhr darstellen, an denen der Täter überhaupt nicht mehr mitwirkt und nach dem Tatplan auch nicht mehr mitwirken soll, vgl. BGH NJW 1985, 1035. 2494 So in BGH v. 18.09.1997 – 5 StR 389/97. Vgl. zuletzt BGH v. 22.12.2011 – 3StR 371/11: „Hieran gemessen wäre der Angeklagte – für den Fall der erfolgreichen
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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denen er in ständigem telefonischen Kontakt während des Transportvorgangs steht.2495 Umgekehrt gilt für den Lieferanten (der nicht zugleich Kurier ist), wie der BGH bereits festgestellt hat, dass mit der Übergabe von Betäubungsmitteln im Ausland für ihn das Geschäft bereits vollzogen ist, sodass sich die daraufhin folgende (zwingende und auch in Kauf genommene) Einfuhr seinem Verantwortungsbereich entzieht.2496 Darin steckt zwar erneut eine organisationsbezogene Betrachtung, führt aber zumindest, was den Lieferanten angeht, zu richtigen Ergebnissen, zumal das Gericht betont, dass finanzielle Interessen (der wirtschaftliche Absatzerfolg) keine Rolle spielten,2497 soweit überhaupt kein Einfluss auf den eigentlichen Einfuhrvorgang gegeben ist.2498 Dass derartige Selbstverständlichkeiten bis heute noch nicht endgültig bei den Instanzgerichten angekommen sind,2499 stützt die hier angestellte Vermutung, dass die Ausgestaltung des Betäubungsmittelstrafrechts insgesamt, vornehmlich die Rechtsprechung zum Handeltreiben, zu einem allgemein extensiven TäterverUmsetzung des Plans – nicht lediglich als Gehilfe, sondern als Mittäter bei der Einfuhr anzusehen gewesen. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte ,ausschließlich für den Transport zuständig‘ und wurde gerade dafür von den Hintermännern bezahlt [. . .]. Die insoweit unternommenen Anstrengungen des Angeklagten belegen, dass er die Organisationsherrschaft für diesen Teil des Umsatzgeschäfts inneund maßgeblichen Einfluss auf die Tatausführung in dieser Hinsicht hatte: Nachdem der zunächst vom Angeklagten für die Durchführung des Transports vorgesehene Fahrer S. ausgefallen war [. . .], beauftragte er den Zeugen C., sich umgehend nach Gelegenheiten umzuhören, eine Transportfirma zu erwerben oder sich eine solche nutzbar zu machen [. . .]. Diesbezügliche Vorgespräche wurden in seinem Namen geführt [. . .]. Die wesentlichen Verhandlungen hinsichtlich einer Beteiligung an dem Transportgeschäft der ehemaligen Mitangeklagten A. und Sa. P. führte der Angeklagte selbst [. . .]; der organisatorische wie materielle Aufbau des Transportgeschäfts als logistische Plattform für die Abwicklung des Betäubungsmitteltransports . . . wurde vom Angeklagten gesteuert, der sich dazu des Zeugen C. als ,Sachwalter‘ und Mittler für seine Anweisungen bediente [. . .]. Für den weiteren Ausbau des Unternehmens stellte der Angeklagte erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung.“ 2495 BGH StV 2003, 280. 2496 BGH NJW 2002, 3486; im Regelfall wird es aber beim Lieferanten einfacher zu begründen sein, eine „gemeinsame Tatausführung“, jedenfalls aber das berüchtigte „Plus“ im Vorbereitungsstadium anzunehmen, das letztlich zur Zurechnung nach § 25 II StGB führt (soweit man diesem Mechanismus, nicht grundsätzlich kritisch gegenübersteht). 2497 Insofern dürfte auch im Falle des bei Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 200 zitierten „Rauschgiftkassierers“ keine gemeinschaftliche Einfuhr angenommen werden, vgl. aber LG Frankfurt, Urt. v. 31.05.1977 – R2 KLs 35/76. 2498 BGH StV 1988, 205; wurde die Einfuhr nicht einmal veranlasst, scheidet eine Haftung bzgl. der Einfuhr vollständig aus, vgl. BGH v. 15. 5. 1991 – 2 StR 514/90. 2499 Zuletzt BGH v. 16.02.2012 – 3 StR 470/11, wo es explizit heißt: „Entscheidender Bezugspunkt bei allen diesen Merkmalen ist der Einfuhrvorgang selbst [. . .]. Keine ausschlaggebende Bedeutung kann dabei indes dem Interesse eines mit der zu beschaffenden Betäubungsmittelmenge Handel Treibenden am Gelingen des Einfuhrvorgangs zukommen; in einem solchen Falle gewinnt insbesondere die Tatherrschaft oder der Wille hierzu an Gewicht [. . .].“
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ständnis führt. Sie vermittelt das Gefühl, man müsse die Annahme von Mittäterschaft oder mittelbarer Täterschaft nicht begründen.2500 „Ungerechte Fälle bzw. Ergebnisse“ korrigiert man über § 27 II StGB. Die Urteilsanalysen brachten zu Tage, dass die Instanzgerichte in Bestell-Fällen ein falsches Regel-AusnahmeVerhältnis zu Grunde legen. Im Regelfall geht man von Mittäterschaft aus, weswegen eine Anstiftung nur vorliegt, wenn besondere Umstände hinzutreten. Die die vom BGH häufig verwendete Floskel,2501 wonach auch das „Verbringenlassen“ tatbestandlich sei,2502 forcierte diese Haltung, obwohl man mit jener Wendung meist auf allgemeine Zurechnungsmechanismen Bezug nehmen wollte.2503
2500
So auch in BGH v. 12.01.1988 – 1 StR 614/87. Wobei solche Missverständnisse nicht nur durch Floskeln verursacht werden, sondern schlicht auch Ergebnis ungenauer Terminologie sein können; als Paradebeispiel sei BGH StV 1988, 530 genannt: Während man im ersten Schritt jede Menge Aspekte aufzählt, die für und wider einer täterschaftlichen Einfuhr sprechen (kein Einfluss auf die Art des Transportes, den Transportweg, Auswahl der als Kuriere tätigen Personen, Festlegung der Reisezeit für die Herointransporte aus der Türkei nach Deutschland) und zum Ergebnis gelangt, dass bei dieser Sachlage das Tatbestandsmerkmal der Einfuhr nicht erfüllt ist, wird im Ergebnis plötzlich behauptet, dass Teilnehmer der Einfuhr auch derjenige sein kann, der das Betäubungsmittel nicht selbst über die Grenze bringt, sondern es von anderen transportieren läßt oder sonst dabei mitwirkt, dass es in das Bundesgebiet eingeführt wird. 2502 Es ist bezeichnend, dass der BGH in der so eben zitierten aktuelleren Entscheidung vom 16.02.2012 – 3 StR 470/11 (Fn. 2499 in Teil 3) von dieser Floskel Abstand nimmt und formuliert: „Der Tatbestand der Einfuhr erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport des Betäubungsmittels über die Grenze. Mittäter einer Einfuhr im Sinne von § 25 II StGB kann ein Beteiligter deshalb auch dann sein, wenn das Rauschgift von einer anderen Person über die Grenze verbracht wird. Voraussetzung dafür ist nach den auch hier geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt.“ 2503 Ausführlich zur Anstiftung in Bestellfällen das LG Ravensburg NStZ-RR 2008, 56: Der Angeklagte ließ sich größere Mengen anliefern, indem er bei Betreibern eines Rauschgift-Internetshops in 14 Fällen sowohl über das Internet als auch telefonisch sowie in einem Fall bei einem persönlichen Treffen im Hotel Bayerischer Hof in Lindau jeweils eine Bestellung von einem Kilogramm Marihuana aufnahm. Wie vom Angeklagten beabsichtigt, versandten die niederländischen Drogenhändler das Marihuana als Postpaket an ihn bzw. an die von ihm angegebene Lieferadresse nach Deutschland. Hierbei stellt das LG Ravensburg zunächst fest, dass derjenige, der die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln veranlasst, noch nicht Täter derselben ist, wenn Durchführung und Ausgang des Einfuhrvorgangs nicht maßgeblich auch von seinem Willen abhängen. In solchen Fällen kommt eine Verurteilung als Teilnehmer in Betracht. Dabei ist es interessant zu beobachten, wie das erkennende Gericht nicht bei dieser Feststellung stehen bleibt, sondern sich im zweiten Schritt ausführlich mit den Voraussetzungen des Bestimmens auseinandersetzt, insbesondere den Umstand einbezieht, dass die Lieferanten grundsätzlich an jeden liefern könnten, sprich allgemein „einfuhrwillig“ sind und auf den ersten Blick somit als omnimodo facturi in Betracht kämen. Diesbezüglich stellt das LG Ravensburg in Anlehnung an allgemeine Grundsätze der Anstifterhaftung fest, „dass einer Verurteilung des Bestellers wegen Anstiftung nicht entgegen steht, dass die Betreiber des Drogeninternetshops aufgrund ihres dort offerierten, für jedermann abrufbaren Sortiments ihre grundsätzliche Bereitschaft – die lediglich als invitatio ad 2501
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Dieser Grundsatz kann nicht richtig sein, sondern ist umzukehren. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die eine wechselseitige Zurechnung i. S. d. § 25 II StGB des eigentlichen Einfuhraktes legitimieren. Dass hierbei das Interesse sowie die Tatherrschaft über die Abwicklung des Gesamtgeschäfts außer Betracht bleiben müssen, wurde bereits ausführlich dargelegt.2504 Der Kurier selbst ist somit stets Täter der Einfuhr, beim Lieferanten kann eine Mittäterschaft ggf. bejaht werden, beim Besteller scheidet sie im Regelfall aus.2505 (4) Annex: Beteiligung Mehrerer während des eigentlichen Transportakts Die bisherige Darstellung erfasst nicht die Fälle, die partiell schon im Rahmen der Unterlassungsstrafbarkeit aufgegriffen wurden.2506 Gemeint sind Konstellationen, in denen sich am Einfuhrprozess selbst mehrere Personen beteiligen. Hat man begriffen, dass man die bloße Bestellung von Betäubungsmitteln nicht per se als Mittäterschaft bewerten muss, kann man sich mit der Überlegung anfreunden, dass die direkte Beteiligung als Beifahrer ebenfalls nicht a priori zu einer Strafbarkeit bzw. gar zur Mittäterschaft führt. Hier gestaltet sich die Abgrenzung in gewissem Grade auch „klassischer“, da sich bei einer unmittelbaren Beteiligung Mehrerer an einem Prozess (i. S. e. abgeschlossenen Lebenssachverhalts) bestimmte Personen objektiv deutlicher als „Zentralgestalten“ eines Geschehens herauskristallisieren. Die Rollenverteilung tritt deutlicher zu Tage.2507 Dabei sollte man bei der Einfuhr das „Interesse am Taterfolg“ im ersten Schritt ausblenden, da der Grenzübertritt „die halbe Miete“ bzgl. des Geschäftsabschlusses darstellt. Mithin besteht die Gefahr, bei der Abgrenzung wieder eine organisationsbezogene Betrachtungsweise zugrundezulegen. Bei der Einfuhr funktionieren im Übrigen die objektiven Tatherrschaftskriterien gut, sodass ein Rückgriff auf subjektive Abgrenzungsmechanismen nicht notwendig erscheint. Bedient man sich gemeinsam eines Dritten (also fährt man nicht das eigene Auto, sondern schmuggelt die Drogen im Flugzeug, im Zug etc.), so ist jeder für sich ohnehin als mittelbarer Täter zu klassifizieren. Ob sie als Nebentäter zu bestrafen sind oder die Gesamtmenge wechselseitig zugerechnet wird, hängt dann lediglich davon ab, ob die Täter den eigentlichen Einfuhrakt gemeinsam vorbereitet haben (gemein-
offerendum einzuordnen ist – bekunden, zum Versand von Betäubungsmitteln und damit zu deren Einfuhr bereit zu sein.“ 2504 Insofern ist erfreulich, dass Patzak die Nichtpräjudizialität der Abgrenzung beim Handeltreiben für die Einfuhr nochmals betont, vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 202. 2505 Vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 5, der den Einfluss auf den Transportweg als maßgebliches Kriterium herausarbeitet. 2506 3. Teil B. II. 3. c) aa), S. 377 ff. 2507 Ebenso wie etwa bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl der Fahrer, der „Schmierestehende“, der Safe-Flexer, der Koordinator und die Einbrecher selbst.
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sames Versteck, Absprechen der Tatdurchführung, Vornehmen von Ablenkungsmanövern). Ist dies der Fall, kann eine wechselseitige Zurechnung der Drogenmengen vorgenommen werden. In allen anderen Fällen, in denen eine Person eigenhändig die Drogen über die Grenze verbringt,2508 ist der Überlegung nachzugehen, ob den übrigen Mitfahrern bzw. Beteiligten eine besondere Funktion für die erfolgreiche Einfuhr zukommt, sei es im Vorbereitungsstadium, sei es während der Fahrt. Bejahendenfalls muss man aufgrund der besonderen Bedeutung der Beteiligungshandlung für eine erfolgreiche Einfuhr eine Mittäterschaft annehmen. Hierbei gilt, dass den Beteiligten die ihnen jeweils zugewiesene Funktion innerhalb des Tatplans klar sein muss; das bloße „Ausnutzen“ des Fahrers etwa bei Gelegenheit reicht nicht.2509 Bei längeren Fahrten ohne Rast ist an das „Durchwechseln“ wegen Übermüdung des Fahrers zu denken; mag einer der beiden Fahrer dann nicht beim Grenzübertritt eigenhändig agiert haben, so hat er wenigstens über eine bestimmte Weile das Auto geführt. Nichts anderes kann gelten, wenn der Täter die Beteiligten bis kurz vor die Grenze gefahren hat und der eigentliche Grenzübertritt zu Fuß erfolgen soll.2510 Ein beliebtes taktisches Mittel von PKW-Drogenschmugglern ist das Vorausschicken von Auskundschaftern („Drogen-Korso“). Da man davon ausgehen kann, dass dem Vorausfahrenden eine maßgebliche Bedeutung für die Durchführung des gemeinsamen Tatplans zukommt, kommt auch hier für den Vorausfahrenden regelmäßig eine mittäterschaftliche Zurechnung der Einfuhr durch den hinterherfahrenden PKW in Betracht.2511 Basiert die Einfuhr auf einem gemeinsamen Tatentschluss, kann auch die bloße Beifahrerstellung für eine Mittäterschaft ausreichen; dann müsste der Beteiligte seine untergeordnete Stellung durch ein Plus an „Vorbereitung“ kompensieren (etwa durch das Verstecken der Drogen im Wagen, das Austüfteln der perfekten Route). Seine Betei2508
Dies betrifft insbesondere den Transport mittels PKW. Auch wenn die Beteiligten voneinander wissen, dass im Wagen jeder für sich Drogen transportiert, vgl. BGH NStZ 2005, 229: Während B für sich 80 g Haschisch mit einem THC-Gehalt von 9,9% erwarb, besorgte sich der Angekl. 30 g psylocybinhaltige Pilze sowie 1,1 g Marihuana. Beide versteckten ihre Drogen, die zum Eigenkonsum vorgesehen waren im Auto, das vom Mitangekl. Sch über die Grenze nach Deutschland gesteuert wurde. Auch wenn diese Geschäfte nicht gemeinsam, sondern von jedem für sich durchgeführt wurden, war auch dem Angekl. bewusst, dass Drogen gemeinschaftlich nach Deutschland eingeführt werden sollten, auch wenn dem Angekl. nicht bewusst war, ob und gegebenenfalls welche Art und Menge an Betäubungsmitteln von seinen Mittätern erworben wurde. Der BGH hat m. E. zu Recht eine mittäterschaftliche Einfuhr (und somit eine wechselseitige Zurechnung der Drogenmengen) verneint; ähnliche Erwägungen bei BGH StV 1984, 286. 2510 BGH NStZ 1991, 91. 2511 Problematisch wird es, wenn die Täter lediglich beabsichtigen, die Drogen „durchzuführen“. Denn nun greift wieder die faktische Betrachtung (tatsächliches Zur Verfügung Stehen), sodass bei einer Distanz von mehreren Kilometern Luftlinie keine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit gegeben ist, solange die Mittäter nicht beschließen, kurz innerhalb Deutschland gemeinsam zu rasten. 2509
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ligung am Gesamtgeschäft bzw. sein Interesse an der Durchführung der Einfuhr zur Abwicklung eines Drogendeals müssen außer Betracht bleiben. Schon dem bloßen Beifahren kann die psychische Funktion i. S. e. „Beistands“ zukommen,2512 bzw. es kann dazu dienen, Verdachtsmomente abzuschwächen.2513 Dabei handelt es sich regelmäßig nicht um maßgebliche Funktionen, die alleinstehend eine Mittäterschaft begründen könnten.2514 Insofern wurde bereits dargestellt, dass man in diesen Konstellationen schon über eine Strafbarkeit überhaupt nachdenken muss,2515 wenn man dem Beteiligten diese „Funktion“ von außen „aufstempelt“, er selbst aber die Mitnahme der Betäubungsmittel lediglich hinnimmt.2516 Soweit die Handlungen des Beifahrers über das bloße „mit im Wagen sitzen“ hinausgehen,2517 kommt zumindest eine Beihilfe in Betracht. Eine Gehilfenstellung hat der BGH auch bei Handlungen angenommen, die sich auf die Mitwirkung vor dem Beginn des Einfuhrvorgangs beschränkten, man denke an das Verstecken der Drogen im PKW bzw. im Gepäck.2518 Nimmt der Beteiligte bei einem Drogenschmuggel kraft mittelbarer Täterschaft (also im Zug oder im Flugzeug) lediglich Handlungen vor, welche die Tatherrschaft eines Dritten aufrechterhalten sollen, etwa das „Umverstecken“ von einem Drogenpäckchen, soll ebenfalls nur Beihilfe in Betracht kommen.2519 Zu den typischen Gehilfenhandlungen lassen sich auch die Ablenkung eines Zollbeamten zum Zeitpunkt der Beendigung (sprich nach Grenzübertritt),2520 das Helfen beim Umladen des Rauschgifts,2521 die Kurierbetreuung2522 oder die Finanzierung der Einfuhrtätigkeit2523 zählen. 2512
Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 207. Diese Überlegungen werden bei BGH NStZ 1993, 233 aufgegriffen, vgl. auch BGH v. 22.03.1991 – 3 StR 34/91. 2514 BGH StV 1998, 598. 2515 Sprich über eine aktive psychische Beihilfe zur Einfuhr bzw. Beihilfe durch Unterlassen, vgl. 3. Teil B. II. 3. c) aa), S. 377 ff. 2516 Vgl. hierzu nochmals BGH NStZ 1993, 233 sowie die Nachweise bei Fn. 1352 in Teil 3; aus dem Kernstrafrecht BGH NStZ-RR 1996, 290. 2517 Etwa, wenn er den Fahrer aktiv beruhigt, ihm deswegen etwas zu trinken reicht, ihm Tipps gibt, wie man sich unauffällig verhält etc., Begleitschutz ausüben soll, BGH v. 06.03.1985 – 2 StR 823/84. 2518 BGH v. 23.10.1996 – 4 StR 469/96, NStZ-RR 1997, 86. Man formuliert missglückt, wenn es an der entscheidenden Passage heißt: „An dem Rauschgiftgeschäft als solchem war der Angekl. nicht beteiligt. Bei dieser Sachlage ergibt die nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmende Abgrenzung von Täterschaft zur Beihilfe [. . .], daß der Angekl. nur der Beihilfe zu der durch W und den Kurierfahrer verwirklichten Einfuhr des Haschischs schuldig ist [. . .].“ 2519 BGH v. 18.09.1987 – 3 StR 396/87; bedenkt man auf der anderen Seite, dass das erneute Verstecken maßgeblich für eine erfolgreiche Einfuhr ist, müsste man gerade in den Fällen der mittelbaren Täterschaft kraft Irrtumsherrschaft wohl auch bei solch einer faktisch „knappen“ Handlung eine Mittäterschaft annehmen. 2520 BGH v. 06.03.1985 – 2 StR 823/84. 2521 BGH v. 21.12.2006 – 3 StR 427/06. 2513
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bb) Verfügungswechseldelikte Wesentlich einfacher als bei der Einfuhr gestaltet sich die Abgrenzung bei den Verfügungswechselmodalitäten. Denn wie bereits erläutert, handelt es sich bei den Abgabedelikten um echte Sonderdelikte, bei denen nur derjenige als Täter in Betracht kommt, welcher die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Betäubungsmittel inne hat.2524 § 29 I Nr. 7 BtMG (die Abgabe aus Apotheken entgegen § 13 II BtMG) stellt damit ein „doppeltes Sonderdelikt“ dar, da es einerseits an die berufliche Stellung als Apotheker und andererseits an dessen Verfügungsmacht über Betäubungsmittel knüpft. Eine Abgabe in Mittäterschaft erscheint nur denkbar, wenn zwei Personen gemeinsam (die Verfügungsgewalt ausübend) das Betäubungsmittel an einen Dritten reichen.2525 Dementsprechend kommt hier eine Anstiftung bzw. psychische Beihilfe durch das Anregen eines Dritten zur Abgabe an einen Konsumenten in Betracht. Dann muss beim Teilnehmer wegen des strafbarkeitsbegründenden Merkmals2526 § 28 I StGB Anwendung finden, eine Konstellation, die aber in der Praxis bis dato keine Rolle spielte. Ähnliche Grundsätze gelten bei den Verschaffungsdelikten: Als unmittelbarer Täter ist jedenfalls derjenige einzustufen, der die Betäubungsmittel selbst in Empfang nimmt. Insofern leuchtet es ein, wenn das OLG Stuttgart bei einem bewussten und gewollten Zusammenwirken beim Erwerb einer bestimmten Rauschgiftmenge zum Eigenverbrauch den Beteiligten am „Einkaufspool“ 2527 lediglich die eigene Verbrauchsmenge zurechnet, da es an einem „bewussten und gewollten Empfang“ der Gesamtmenge fehlt.2528 Dabei macht der unmittelbare Wechsel der Verfügungsgewalt von einer Person auf die andere das klassische Tatbild aus. Doch ebenso wie bei den Abgabedelikten das Einverständnis in die Übertragung der Verfügungsmacht zu einer täterschaftlichen Haftung einer nicht unmittelbar am Übergabeakt beteiligten Person führen kann, ist auch ein Erwerb durch die Feststellung einer „Verfügungsmachtskette“ (bzw. ein Besitzmittlungsverhältnis) denkbar; dies sticht ins Auge, wenn der Mittelsmann nicht um den Erwerb von „Drogen“ weiß, die Verfügungsmacht des Hintermanns sich also kraft überlegenen Wissens ergibt und man einen
2522 Vgl. Körner/Patzak § 29 Teil 5 Rn. 211 ff. unter Verweis auf BGH v. 23.10.1997 – 4 StR 226/97. 2523 BGH NStZ 1987, 233; BGH StV 1988, 530. 2524 Siehe bereits 1. Teil C. II. 2., S. 59. 2525 Bzw. die Abgabe jedenfalls mit Willen des Verfügungsberechtigten erfolgt. 2526 Hierzu Horn NJW 1977, 2329. 2527 MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 810. 2528 OLG Stuttgart v. 12. 3. 1998 – 1 Ss 60/98, NJW 1999, 3425; wobei man bei einer streng faktischen Betrachtung auch hier davon ausgehen könnte, dass lediglich die tatsächliche Zugriffsmacht maßgeblich bleibt.
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Erwerb über das Modell der mittelbaren Täterschaft begründen kann.2529 Auch ohne eine Wissensherrschaft ist ein Erwerb durch mittelbaren Besitz – im Falle des einfachen „Vorschickens“ – möglich. Es kann keinen Unterschied machen, ob der Täter die Drogen irgendwo deponiert und das Versteck dem Erwerber mitteilt oder ob er es einem Dritten anvertraut, der als „laufendes Depot“ die Drogen dem Erwerber überreicht. Ob der „Besitzdiener“ selbst als zwischenzeitlicher Erwerber angesehen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.2530 Typischerweise ist er mangels eigener „Verfügungsmacht“ i. w. S. nur als Gehilfe zu qualifizieren. Eindeutig Beihilfe liegt vor, wenn der Beteiligte den Erwerber zum Schutz begleitet2531 oder diesem ein Darlehen gewährt, damit er sich die Drogen leisten kann.2532 Eine Anstiftungssituation liegt dagegen vor, wenn er einen Dritten ernsthaft zum Erwerb von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum überredet bzw. jemanden bittet, ein gefundenes Rauschgiftversteck „auszuräumen“ (dann Anstiftung zum Sichverschaffen in sonstiger Weise2533). Beim sonstigen Sichverschaffen von Betäubungsmitteln2534 kann man sich an der Kasuistik und Rechtsprechung zum Diebstahlsgehilfen nach §§ 242, 27 StGB orientieren.2535 cc) Sonderfall „Besitz“ als echtes Unterlassungsdelikt Wie auch bei den Verfügungswechseldelikten geht die h. M. systematisch stimmig davon aus, dass der Besitztatbestand „Sonderdeliktscharakter“ hat und somit nicht durch Personen verwirklicht werden kann, die nicht die tatsächliche Sachherrschaft ausüben.2536 Damit verlagert sich die „Abgrenzung“ auf die Frage der Tatbestandsverwirklichung, wobei sich dann im zweiten Schritt (soweit ein „Besitz“ verneint wurde) die Frage stellt, ob das Dulden des Besitzes eines Dritten 2529 BayObLGSt 1950, 385; NJW 1975, 1470; dies kann nicht darüber hinweghelfen, dass der Mittelsmann für den Hintermann besitzen muss; insofern bleibt es bei dem Grundsatz, dass eine mittelbare Täterschaft bei Sonderdeliktsmerkmalen keine Anwendung findet. 2530 Entscheidend ist, ob man bei einer hypothetischen Prüfung einen Besitz des Mittelsmanns bejahen würde, was jedenfalls anzunehmen wäre, wenn er sich – sachenrechtlich formuliert – zum „Eigenbesitzer aufschwingt“, vgl. OLG Hamburg NJW 1975, 1472. 2531 OLG Hamm v. 30. 11. 1977 – 4 Ss 847/77, NJW 1978, 2346. 2532 Damit sich beispielsweise der Häftling von anderen Gefangenen Haschisch und Heroin beschaffen kann, vgl. BGH v. 13.09.1988 – 5 StR 382/88, DRsp Nr. 1997/17 016. 2533 Beispiel von MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 853. 2534 Das als Auffangtatbestand insbesondere den Diebstahl von Betäubungsmitteln erfassen soll; nach h. M. beträfe diese Auffangfunktion nur den Diebstahl zum Eigenkonsum, da ein umsatzgerichteter Diebstahl als Handeltreiben zu bewerten ist, 3. Teil C. I. 2. a) bb) (2), S. 444 f. 2535 Hierzu SSW/Kudlich § 242 Rn. 59. 2536 Zutreffend MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 953; vgl. auch BGH StV 1982, 366.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
als Beihilfe bewertet werden kann.2537 Im Übrigen mag eine „Mittäterschaft“ konstruktiv denkbar sein,2538 hat aber dogmatisch mangels Notwendigkeit einer Zurechnung gem. § 25 II StGB keine Bedeutung. Dies deckt sich auch mit der Überlegung, wonach der Besitz ein echtes Unterlassungsdelikt darstellt und somit als „Pflichtdelikt“ zu klassifizieren ist, welches nur Personen in die Pflicht nimmt, die den rechtswidrigen Zustand aufrechterhalten. Die Ausführungen des OLG Karlsruhe, wonach ein „Mitbesitz“ des Komplizen anzunehmen sei, weil „der Täter die Betäubungsmittel für sich und diesen in Besitz nahm und ihm alsbald den Zugang eröffnen wollte“, ist etwas missglückt formuliert.2539 Vielmehr ist dies nur eine Ausprägung des Grundsatzes, wonach auch mittelbarer Besitz für den Zustand i. S. d. § 29 I Nr. 3 BtMG ausreichen kann. Soweit feststeht, dass der Komplize entweder aufgrund von „Absprachen“ oder einem gemeinsamen Verwahrungsort jederzeit auf die Drogen zugreifen kann, ist ein Besitz zu bejahen. Dann es darf keinen Unterschied machen, ob die Drogen bei einem Komplizen „am Körper deponiert“ sind, an dem man sich jederzeit „bedienen“ kann oder eben woanders. Die h. M. tendiert dazu, bei „gebundenem Anteilsmitbesitz“ die faktische Betrachtung zu Gunsten des Täters aufzugeben, wenn dieser nachweisen kann, dass sich die Verfügungsmöglichkeit von vornherein auf einen Anteil beschränkte. Dabei darf man allerdings nicht auf die „Befugnis“ des Täters abstellen, mit den Betäubungsmitteln umzugehen, sondern ob er in concreto tatsächlich einen ungehinderten Zugang zum Gesamtanteil hatte. War dies der Fall besteht kein Anlass, ihn aufgrund etwaiger Abreden gegenüber einer Mutter besserzustellen, die immer „unbefugt“ agiert, wenn sie die Drogen ihres Sohnes wegnimmt. Die rechtliche Pflicht, den illegalen Zustand zu beenden (tatsächliche Sachherrschaft und somit faktische Möglichkeit, sich der Drogen zu entledigen), besteht unabhängig davon, ob man auf die Drogen zugreifen darf oder nicht.2540 Derjenige, der nicht selbst die Sachherrschaft ausübt kann folglich nur Teilnehmer sein, wobei die bloße Duldung des Besitzes durch einen Dritten nicht tatbestandsmäßig ist (und eine Garantenpflicht immer nur zur Beihilfe zum Pflichtdelikt führen kann, niemals jedoch zur täterschaftlichen Verwirklichung). Denkbar ist etwa das aktive Zur-Verfügung-Stellen eines Depots, Safes oder sonstigen 2537
Siehe hierzu 3. Teil B. II. 3. c) aa), S. 377 ff. Und ist auch nicht selten, soweit zwei Personen gleichzeitig ein Betäubungsmittel im „Gewahrsam“ haben. 2539 OLG Karlsruhe MDR 1975, 166. 2540 Daher kann es nicht überzeugen, wenn der BGH in einer neueren Entscheidung einen Fremdbesitz mit der Begründung ablehnt, dass der Angeklagte nicht befugt war, über die Betäubungsmittel zu verfügen, BGH NStZ 2011, 98; die Entscheidung ist lediglich im Ergebnis richtig, da dem Angeklagten nur einmal ein Schlüssel zu einem mit Betäubungsmitteln gefüllten Tresor ausgehändigt wurde, aus dem der Angeklagte im Auftrag des Besitzers der Betäubungsmittel Geld herausnehmen sollte. Hier fehlte es schlicht an einem tatsächlichen Herrschaftsverhältnis, das zumindest auf eine „gewisse Dauer“ angelegt war. Mithin hatte sich noch nicht der „rechtswidrige Zustand“ für den Angeklagten entwickelt, den man ihm vorwerfen könnte. 2538
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Verstecks. Aufgrund des Dauerdeliktscharakters könnte man auch über eine „sukzessive Anstiftung“ nachdenken, wenn der Täter einen Dritten, der gerade beschlossen hat, seinen Besitz aufzugeben, durch „gutes Zureden“ davon abhält.2541 Ebenso wie bei der Einfuhr „als Teilakt des Handeltreibens“ gilt folglich auch beim Besitz gem. § 29 I Nr. 3 BtMG: Die Zielrichtung bzw. der Zweck des Besitzes ist ein außertatbestandliches Motiv, das bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme keine Rolle spielt. § 29 I Nr. 3 BtMG ist auch bei „Fremdbesitzwillen“ unproblematisch verwirklicht, solange der Täter objektiv die Sachherrschaft ausübt. Dies ist bereits bei nicht nur ganz kurzen Strecken2542 der Fall und zwar auch, wenn dem Kurier der Transport und die Übergabe nach detaillierten Anweisungen vorgegeben werden. Man darf also als Instanzgericht nicht der Versuchung erliegen, die Überlegungen zum Gesamtgeschäft schlicht auf den Besitz zu übertragen und auch hier die Rechtsfolgen des § 27 II StGB trotz eigenhändiger Verwirklichung anzuwenden.2543 Der BGH hat im Laufe der Ausformung und „Konturierung“ der Kurierrechtsprechung jedenfalls immer wieder betont, dass die täterschaftliche Besitzbegehung von der Beihilfe zum Handeltreiben unberührt bliebe2544 (wobei dieser konkurrenzrechtliche Grundsatz bereits vor BGHSt 50, 252 anerkannt war).2545 Aus welchem Grund der Kurier besitzt, wem er sich unterordnet und welches Gesamtgeschäft betroffen ist, sind tatbestandsunabhängige Motive,2546 die jedenfalls bei einem abgeschlossen umschriebenen (und somit i. S. d. Tatbestandslehre „restriktivem“ Delikt) keine Abkehr von der Eigenhändigkeitsformel legitimieren können. b) Schlichte Tätigkeitsdelikte Bei den sonstigen schlichten Tätigkeitsdelikten kommt der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme keine erhebliche Bedeutung mehr zu, da diese Moda2541 Wobei die wenigen Stimmen, die sich mit dieser Problematik auseinandergesetzt haben, m. E. hier zu Recht zu einer psychischen Beihilfe tendieren, vgl. nur Börner Jura 2006, 415; Grabow Jura 2009, 408. 2542 Bei denen es bereits an einem „auf eine gewisse Dauer“ angelegten Herrschaftsverhältnis fehlt; zu solch einem Ausnahmefall BGH v. 16.05.1979 – 2 StR 170/79. 2543 Teils mag man wohl „um eine Harmonisierung“ bemüht, teils aber auch von der Vorstellung geleitet sein, dass dann von der „Kurierrechtsprechung“ nichts mehr übrig bleibt. 2544 Und das ist auch richtig so. Denn der tatbestandliche Bezugspunkt des Besitztatbestands ist die Menge, die man eben besitzt und nicht die Handelsabrede bzw. die Menge mit der Handel getrieben wird. Es macht somit einen erheblichen Unterschied, ob man eine bestimmte Menge besitzt (die auch die Grenze der nicht geringen Menge überschreitet) und darüber hinaus zeitgleich als Gehilfe zum Handeltreiben zu qualifizieren ist. 2545 BGH NStZ 2011, 98; NStZ-RR 2011, 56; NStZ-RR 2004, 146; NStZ-RR 2008, 54. 2546 Körner/Patzak § 29 Teil 13 Rn. 19; Weber § 29 Rn. 1199.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
litäten bei festgestelltem Umsatzwillen als Teilakte im Handeltreiben aufgehen.2547 aa) Anbau und Herstellung (ausgenommener Zubereitungen) Was den Anbau bzw. die Herstellung von Betäubungsmitteln angeht, werden in der Kommentarliteratur die Überlegungen des BGH zum Anbau als Teilakt des Handeltreibens unbesehen auf die isolierten Modalitäten übertragen. Dies ergibt sich daraus, dass als Fundstellen meist Entscheidungen angegeben werden, welche das Handeltreiben betreffen.2548 Dies ist nicht nur missverständlich, sondern kann auch zu falschen Ergebnissen führen. Beim Anbau ist in erster Linie derjenige Täter, der selbst anbaut.2549 Auf die Eigentümerstellung bzgl. der Nutzfläche bzw. der „Anbau- bzw. Herstellungszutaten“ kommt es nicht an.2550 Soweit der Beteiligte durch andere Tätigkeiten (Bereitstellen der Anbaufläche, Besorgen der Anbauutensilien) mitgewirkt hat, können ihm unter den Voraussetzungen des § 25 II StGB, also bei einem gemeinsamen Tatplan und Tatherrschaft, die Anbauhandlungen eines Dritten zugerechnet werden. Die Frage, inwiefern der Nutzungsberechtigte als nicht unmittelbar Anbauender zur Verantwortung gezogen werden darf, wurde im Rahmen der Ausführungen zum Unterlassungsdelikt geklärt.2551 Im Hinblick auf die Rechtsprechung zum Handeltreiben könnte man auf die Idee kommen, bei ganz untergeordneten Tatbeiträgen nur Beihilfe zum Anbau anzunehmen (etwa beim einmaligen Begießen der Pflanzen über das Wochenende für einen anderen).2552 Dies kann – soweit man keine tatbestandslosgelöste Betrachtung etablieren will – nicht richtig sein. Denn soweit der Anbau ein schlichtes Tätigkeitsdelikt darstellen soll und es nicht einmal auf die Entstehung eines Wirkstoffs ankommt, mutet es systematisch verfehlt an, denjenigen, der die Pflanze nur ein einziges Mal begießt gegenüber der Person bevorzugen, die sie aufzüchtet.2553 Das Problem liegt folglich in der Definition des Anbaus, dessen Wortlaut einen zeitlich länger andauernden Prozess beschreibt und es daher ebenso naheliegt, den Abschluss dieses Prozesses – nämlich die Entstehung einer 2547
1. Teil B. I. 1., S. 43 f.; 3. Teil C. IV. 2., S. 437 ff. So z. B. BGH 1 StR 103/90 zitiert bei Weber § 29 Rn. 127; Körner/Patzak § 29 Teil 3 Rn. 71. 2549 Körner/Patzak § 29 Teil 3 Rn. 71; zur Definition des Anbaus vgl. nochmals 1. Teil B. I. 2., S. 45; 3. Teil C. III. 1., S. 426 ff. 2550 Malek, Kap. 2 Rn. 251. 2551 3. Teil B. II. 3. c) bb), S. 378 ff. 2552 So ist sowohl bei Weber § 29 Rn. 127 als auch bei Franke/Wienroeder § 29 Rn. 19 zu lesen, dass Personen in arbeitnehmerähnlicher Stellung nicht per se als Täter der Herstellungsmodalität bewertet werden dürften. 2553 Wird das Verhalten also als Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringen Mengen bewertet, müsste man dann jedenfalls der Klarstellung halber einen täterschaftlichen Anbau (in nicht geringen Mengen?) bejahen. 2548
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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(nicht notwendig wirkstoffhaltigen) Pflanze – für die Tatbestandsverwirklichung erforderlich zu halten.2554 Zwar wäre dann ein einmaliges Begießen nach wie vor – kumulativ – kausal für die Entstehung der Pflanze,2555 doch könnte man nun die „hierarchische“ Stellung auf Ebene der objektiven Zurechnung berücksichtigen und geringe Kausalfaktoren über die Komponente der fehlenden Gefahrrealisierung abscheiden.2556 Mithin spricht einiges dafür, als Erfolgsdelikt2557 und nicht als schlichtes Tätigkeitsdelikt zu verstehen. Gleiches gilt für die Herstellungsmodalität,2558 an deren Ende ein fertiges, wenn auch nicht unbedingt wirkstoffhaltiges Produkt steht.2559 Da im Rahmen von Großproduktionen ein Handeltreiben im Raum steht, gelangt der BGH durch seine „normative Gesamtbetrachtung“ ohnehin zu einer Gehilfenstellung der „Laborratte“ bzw. Putzkräfte.2560 bb) Sonstige Modalitäten Bei den übrigen Modalitäten des § 29 I BtMG handelt es sich überwiegend um klar umschriebene Verhaltensweisen, sodass die Eigenhändigkeitsformel Anwendung finden kann, wobei darüber hinaus wenige Konstellationen existieren, in denen es auf eine Abgrenzung der Beteiligungsformen ankäme. Dies hat unterschiedliche Gründe: Bei einem Teil (§§ 29 I Nr. 6, 7, 8, 9 BtMG) handelt es sich um Tätigkeitsdelikte in Reinform (Verschreiben, Erschleichen einer Verschreibung, Werben), bei denen der Gesetzgeber nur den unmittelbar agierenden Alleintäter im Auge hatte, sodass man sich fragen muss, ob eine horizontale oder vertikale Erweiterung der täterschaftlichen Haftung legitimierbar ist bzw. die tat2554 Statt einzelne Handlungen aus diesem Prozess jeweils für sich als tatbestandsmäßig zu erachten. 2555 Ebenso wie beim Herstellen das einmalige Hineingießen einer Zutat in ein Reagenzglas oder Strecken der Droge. 2556 Zur Zurechnung bei kumulativer Kausalität SSW/Kudlich Vor § 13 Rn. 56. 2557 Der Begriff des rechtlichen Erfolgs wurde hier in Anführungszeichen gesetzt, da es ebenso möglich wäre, eine noch konkretere Beschreibung des Delikts zu erreichen, ohne es in ein Erfolgsdelikt umzuwandeln. Fordern könnte man beispielsweise eine bestimmte Intensität für die Vornahme der Handlungen, wenn man bedenkt, dass ein bestimmter Prozess (Anbau) verlangt wird. Das Inbewegungsetzen im Rahmen des § 316 StGB setzt schließlich auch mehrere Handlungen (Hineinsetzen, Schlüssel hineinstecken etc.) voraus, sodass man davon ausgehen könnte, dass der Anbau per se mehrere Handlungen voraussetzt. 2558 Sowohl nach § 29 I Nr. 1 BtMG als auch nach § 29 I Nr. 2 BtMG. 2559 Auf diese Überlegungen braucht man nicht bei Personen zurückgreifen, die sich nicht unmittelbar am Herstellungsprozess beteiligen, man denke an den „Schlumpf“, der die Zutaten zusammengesammelt hat oder die Putzkraft, die das Meth-Labor reinigt. Als „Schlumpf“ werden übrigens in der Szene Personen bezeichnet, welche sich Arzneimittel als „Grundstoffe“ für die Betäubungsmittelherstellung verschreiben lassen und diese dann an den Produzenten weiterleiten. 2560 Was im System der h. M. zumindest in Relation zur Herstellung dann vertretbarer erscheint.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
bestandliche Umschreibung dies zulässt.2561 Die Gehilfen dieser Täter (etwa die Krankenschwester, welche die Spritze für eine nicht indizierte Verabreichung vorbereitet und überreicht) stehen jedenfalls nicht im Fokus der Verfolgungsorgane, da bereits die Haupttat – jedenfalls bei einmaliger Verwirklichung – geringes Unrecht darstellt. Der Patient indessen muss in den Fällen des Verabreichens und bei einer Verbrauchsüberlassung als notwendiger Teilnehmer eingestuft werden.2562 Bei der Verschreibung nach § 29 I Nr. 6 i.V. m. § 13 BtMG ist zu beachten, dass nicht jede kontraindizierte Verschreibung auf einer Falschangabe des Patienten beruhen muss. Eine Teilnahme des Patienten an der ärztlich nicht indizierten Verschreibung bleibt nach den Grundsätzen der notwendigen Teilnahme somit denkbar. Bei den restlichen Modalitäten handelt es sich um verselbstständigte Teilnahmehandlungen, bei denen eine nochmalige Extension über die §§ 26, 27 StGB ohnehin verfehlt anmutet. Selbst wenn man die Überlegung zugrundelegt, dass auch im Allgemeinen eine Anstiftung zur Beihilfe ebenso wie eine Kettenanstiftung oder Beihilfe zur Beihilfe möglich ist2563 und daher eine Teilnahme an derartigen Delikten konstruiert werden kann,2564 spielt die Teilnahme an diesen Delikten praktisch keine Rolle. Das Bereitstellen von Geldmitteln gem. § 29 I Nr. 13 muss im seltensten Fall seine „Auffangfunktion“ entfalten, da man bei Finanziers genügend strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung hat, die eine längere Observation und somit auch den Nachweis einer „Verwicklung“ des Täters in das Handeltreiben von anderen ermöglichen.
2561 Womit man wieder bei der Frage angelangt ist, ob im Betäubungsmittelstrafrecht doch nicht eigenhändige Delikte existieren, insbesondere das Verschreiben oder die Verbrauchsüberlassung dieser Deliktskategorie zuzuordnen sind. 2562 Dagegen soll die Beihilfe zur unbefugten Verbrauchsüberlassung durch Überzeugen des „Konsumenten“ als Beihilfe bewertet werden können und strafbar sein zwar in der Form, dass er den Konsumunwilligen zum Verbrauch auffordert („Jetzt stell dich nicht so an!“), vgl. MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1076; siehe LG Baden-Baden bei BGH v. 11. 12. 1990 – 1 StR 571/90, StV 1991, 208. Problematisch an dieser Vorgehensweise ist, dass der Konsumakt selber tatbestandslos ist und man daher überprüfen müsste, ob nicht dadurch die mangels Haupttat straflose Beihilfe zum Konsum unterlaufen wird. Das Problem entschärft sich, wenn man in den § 29 I Nr. 10 BtMG blickt, der die Aufforderung zum Verbrauch explizit unter Strafe stellt und einen weiteren, offenen Bruch in der Systematik des BtMG hinnimmt. 2563 v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 26 Rn. 26; monographisch hierzu Janß, Die Kettenteilnahme, 1988. 2564 MK-StGB/Kotz § 29 BtMG Rn. 1242 nennt für § 29 I Nr. 10 BtMG das Beispiel, dass jemand seinerseits die räumlichen (Versammlungsraum) oder technischen Voraussetzungen (z. B. Verlegen der Lautsprecherkabel) für die Ermöglichungshandlung schafft, obwohl er weiß, dass später eine Gelegenheit zum unerlaubten Betäubungsmittelerwerb öffentlich mitgeteilt werden soll. Für § 29 I Nr. 13 BtMG wird in MK-StGB/ Kotz § 29 BtMG Rn. 1381 der Geldbote genannt oder der Anwalt, welcher den „Darlehensvertrag“ entwirft.
D. Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht
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IV. Gesamtergebnis zu den Lehren von Täterschaft und Teilnahme im Betäubungsmittelstrafrecht Die in diesem letzten Abschnitt der Abhandlung gewonnenen Erkenntnisse sind nicht spektakulär, sondern haben sich zum größten Teil bereits im Rahmen der Versuchslehren abgezeichnet. Insofern ergeben sich echte „Neuerungen“ i. S. v. Schlussthesen nur bzgl. bestimmter Sonderfallkonstellationen. Angesprochen sind die Überlegungen zur notwendigen Teilnahme, zur Strafbarkeit (bzw. Straflosigkeit?) des Agent Provocateur und zur Fallgruppe der berufsbedingten Beihilfe. Was die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme angeht, konzentriert sich alles auf die Auflösung der faktischen Einheitstäterschaft, wobei die h. M. hier mit ihrer Gesamtgeschäftsbetrachtung nur auf den ersten Blick eine bessere Figur zu machen scheint, als dies im Umgang mit den Versuchslehren der Fall war. Dies liegt aber daran, dass die Lehren von Täterschaft und Teilnahme grundsätzlich einen normativen Einschlag haben und „wolkige Gesamtbetrachtungen“ zum Tagesgeschäft zählend auf den ersten Blick nichts „Anrüchiges“ mit sich brächten. Umso wichtiger war es für den Verfasser aufzuzeigen, dass man eine dogmatische Notlösung in diesem Bereich kritisch sehen muss, weil sie Auswirkungen auf die Abgrenzungsdogmatik im Betäubungsmittelstrafrecht insgesamt haben kann. Dies demonstrieren die Ausführungen zum Erfolgsdelikt der Einfuhr (und wenn auch nicht in gleichem Maße beim Anbau) eindringlich, beginnend bei der häufigen Durchbrechung der Eigenhändigkeitsformel durch Instanzgerichte über die teils durch den BGH veranlasste „organisationsbezogene“ Betrachtung und somit Extensivierung des Einfuhrbegriffs. Ob sie kriminalpolitisch erwünscht bzw. zweckmäßig ist, sei dahingestellt. Faktum ist, dass man sich bei jeder extensiven Auslegung einer Tatmodalität auch offen dazu bekennen muss, also nicht nur beim Handeltreiben als jede auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, sondern auch bei der Einfuhr als eventuell „jedes Verbringen oder Verbringenlassen über die deutsche Hoheitsgrenze“. Eine eher extensive Auslegung ist das Eine. Die anerkannten Grundsätze der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme aufzugeben und die komplette hierzu entwickelte Dogmatik zu verbiegen, ohne dies nach außen kund zu tun, ist das Andere. Wenn die Abgrenzung nach den anerkannten Grundsätzen erfolgen kann, darf man nicht der Versuchung erliegen, durch eine Umwandlung der Begriffsdefinition oder durch das spezifische „Herauspicken“ einzelner Abgrenzungsmerkmale zum kriminalpolitisch erwünschten Ergebnis zu gelangen.2565
2565 Zu diesem „Herauspicken“ krit. auch Nestler, Transferdelikte, S. 373, die eine Tendenz der Judikatur herausarbeitet, wonach man bzgl. der horizontalen Einordnung den Rückgriff auf die Tatherrschaftslehre bevorzuge, während bei einer vertikalen Zuordnung verstärkt subjektive Aspekte zum Tragen kämen, vgl. zu der diametralen Position der Abgrenzung im Betäubungsmittelstrafrecht gegenüber der „allgemeinen Abgrenzung auch v. Heintschel-Heinegg/Kudlich § 25 Rn. 15.1.
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3. Teil: Die Anwendung der §§ 13–37 StGB
Indessen gelangt man durch die hier konzipierte Umwandlung des Handeltreibens in ein konkretisiertes Tätigkeitsdelikt wieder zur „normalen“ Ausgangsposition zurück, das die Anwendung der Eigenhändigkeitsformel ermöglicht und die Tatbestandsbezogenheit der Abgrenzungskriterien wieder herstellt. In einem System, in dem die Tatbestandslehre die Täterlehre ist, hat man sowohl im positiven als auch im negativen Sinn einen „Weiterfresser“, d.h. wo man das Problem im Bereich von Vorbereitung, Versuch und Vollendung auflöst, tut man dies auch im Bereich von Täterschaft und Teilnahme. Dass man im zweiten Schritt über mehr oder weniger anerkannte Zurechnungskriterien, eine Ausdehnung des strafrechtlich relevanten Verhaltens erreichen kann, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Doch wie bereits erläutert, erfolgen diese über den Allgemeinen Teils selbst, was aufgrund der „Ubiquität“ der Zurechnungsmechanismen bzw. ihrer allgemeinen Geltung im Hinblick auf die Rechtssicherheits keinesfalls unterschätzt werden darf. Anders gewendet: Wenn man über das Konstrukt der sukzessiven Beteiligung bzw. oder über die Frage des Mitwirkungserfordernisses im Ausführungsstadium diskutiert, so betrifft dies alle Delikte und man schafft keine delinquenzspezifische Sonderdogmatik.
4. Teil
Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung Ebenso wie bei etwas dickeren Romanen die Verlockung groß ist, „nach hinten zu blättern“, um zu überprüfen, ob sich das Lesen bis zum Schluss lohnt, mögen die meisten bei dieser verhältnismäßig umfangreicher geratenen Dissertation nicht der Versuchung widerstehen, das Gesamtergebnis vorweg zu lesen. Doch die conclusio der vorliegenden Abhandlung bringt keine großen Wendungen mit sich. Niemand entpuppt sich als der wahre Täter und es ist auch niemand gestorben, weder der Allgemeine Teil des StGB noch die Rauschgiftkriminalpolitik. Aber ein Abgesang auf das deutsche Betäubungsmittelstrafrecht war, wie bereits anfangs angedeutet niemals vom Verfasser intendiert, zumal bereits zahlreiche Abhandlungen dem Betäubungsmittelstrafrecht den Stempel „rechtsstaatlich illegitim“ aufgedrückt haben und eine Feststellung dahingehend kein Novum wäre. Ziel der Arbeit war von Anfang an nur die Vereinbarkeit des Allgemeinen Teils mit den Strafvorschriften des Betäubungsmittelstrafrechts auszuloten und dort wo dies nicht möglich ist, eine Harmonisierung der lex lata zu erreichen, um dem von den Kritikern propagierten, rechtstaatlichen Strafrecht wieder näher zu kommen (man erinnere sich an das erklärte Ziel, „zu retten, was noch zu retten ist“ 1). Dies erscheint auf den ersten Blick als hoffnungsloses Unterfangen, da das Hauptcharakteristikum der kritisierten Strafgesetzgebung – die Ausgestaltung der §§ 29 ff. BtMG als Gefährlichkeits- und Vorfelddelikte – nicht mit „einschränkender Auslegung“ (jedenfalls nicht merklich) beseitigt werden kann. Dies ist allerdings eine Frage der Prämisse: Denn die hier entwickelten Lösungsansätze stammen nicht aus der Feder eines systemkritischen Betrachters bzw. eines „Idealisten“, sondern aus der einer Person, welche die Vorfeldstrafbarkeit als kriminalpolitisches Mittel zwar nicht befürwortet, aber zumindest billigt.2 Man kann sich nicht davor verschließen, dass die Vorfeldkriminalisierung zum „Lieb-
1
Einleitung, S. 32. Sodass auch eine Auseinandersetzung mit der grundsätzlichen Legitimierbarkeit von Vorfelddelikten fast vollständig fehlt bzw. nur im Rahmen der Darstellungen zum systemkritischen Rechtsgutsbegriff auftauchte, 2. Teil C., S. 76; ebensowenig rekurriert die Arbeit schließlich auf den von Jakobs eingeführten Begriff des „Feindstrafrechts“, da die Funktionenlehre Jakobs’ ebenso – wenn auch aus anderer Perspektive – die Legitimierbarkeit und Reichweite von Vorfelddelikten überhaupt betrifft, vgl. bereits Fn. 2060 in Teil 3. 2
626
4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
lingsinstrument“ des Strafgesetzgebers geworden ist. Ein großes Umdenken (i. S. e. „back to the roots“) ist in Zeiten der Etablierung und Verschärfung von Organisationsdelikten nicht zu erwarten, schon gar nicht im Bereich des Betäubungsmittelrechts, das bereits seit 100 Jahren (also „from day one“) derart extensiv angelegt ist.3 Ist man diesen ersten (sicherlich riskanten) Schritt gegangen, tritt die umso wichtigere Funktion des Allgemeinen Teils in den Vordergrund. Dabei musste im ersten Schritt der Geltungsanspruch des Allgemeinen Teils überhaupt erst einmal zementiert werden. In diesem Zusammenhang wurde darauf aufmerksam gemacht, dass man daran gehalten ist, die Technik, für die man sich als Gesetzgeber (u. a. aus Gründen der Übersichtlichkeit und Vereinfachung) entschieden hat, optimal umzusetzen. Der Allgemeine Teil muss also Anwendung finden, soweit die formellen Straftatbestände einer Ergänzung bzw. einer systematischen Erläuterung bedürfen. Dann muss die Anwendung des AT aber auch ohne Einschränkungen erfolgen. Schließlich hat der Gesetzgeber bei Schaffung neuer Deliktstatbestände das grundsätzliche Konstrukt des StGB und die geltende Dogmatik des Allgemeinen Teils ständig vor Augen; von einer vollständig losgelösten Gesetzgebung darf man nicht ausgehen, wenn man einer Entwicklung des AT zu einem „Bedarfskatalog“ vorbeugen will, auf das man nur zurückgreift, wenn die Vorschriften auf den formellen Straftatbestand passen. Eine „Anpassung“ des AT erfolgt nur insoweit, als eine Anpassung möglich ist. Jede andere Auffassung würde schlicht dem Zweck der Aufteilung von AT und BT zuwiderlaufen, was seinerseits kaum mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot gem. Art.103 II GG vereinbar wäre.4 Wenn die Rechtsanwendung eine Abweichung für „unabdingbar“ erachtet, muss der Gesetzgeber reagieren und sich durch die Schaffung entsprechender Modifikationsvorschriften offen dazu bekennen und die „Abweichung“ damit auch legitimieren. Fängt man an, den Allgemeinen Teil als ein von der Kriminalpolitik unabhängiges System zu betrachten, das auf jeden Straftatbestand Anwendung zu finden hat und löst sich von der Prämisse, dass die §§ 13 ff. StGB auf das Verletzungsdelikt zugeschnitten sind, kommt seine Leit- und Warnfunktion im Bereich Strafgesetzgebung zum Vorschein. Je weiter man sich vom Prinzip des Rechtsgüterschutzes entfernt, desto mehr müssen die Straftatbestände i. S. e. „rechtsstaatlichen“ und den Anforderungen des Art. 103 II GG genügenden Weise ausgestaltet sein. Dies bedeutet, dass man bei Vorfelddelikten umso mehr in der Pflicht steht, Tatbestände zu kreieren, die einer vorhersehbaren Dogmatik zugänglich sind, deren Grenzen der Allgemeine Teil selbst (und eben nicht der BGH) absteckt. Schließlich stellen Vorfelddelikte aufgrund ihres polizeipräventiven Einschlags 3 Auch wenn man, vgl. Fn. 6 in der Einleitung, nicht gleich von dieser extensiven Grundkonzeption Gebrauch machte. 4 Einleitung, S. 32 sowie 1. Teil C. III. 2., S. 66 f.
4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
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einen wesentlich intensiveren Eingriff in die Rechte des Einzelnen dar.5 Kam der Gesetzgeber dieser Aufgabe nicht ausreichend nach, darf sich die Judikative nicht entspannt zurücklehnen, sondern müsste eigentlich darum bemüht sein, den Tatbestand im ersten Schritt wieder im Hinblick auf den AT zu „assimilieren“ und nicht ein eigenständiges Paralleluniversum zu schaffen, dass sich nicht in das System der §§ 13 ff. StGB einbetten lässt. Dabei hat die Abhandlung – wenn auch relativ spät – zu Tage gebracht, dass die Anwendbarkeit der Vorschriften und Lehren des Allgemeinen Teils kaum davon abhängt, ob der Straftatbestand abstrahierte Rechtsgüter schützt oder ein Vorfeldverhalten erfasst.6 Der BGH ist durchaus dazu bereit, seine Rechtsprechung zum Allgemeinen Teil auf die Delikte des Betäubungsmittelstrafrechts zu übertragen, wenn er die „Gelegenheit“ hierfür gekommen sieht. Dass er dies an einem Tatbestand demonstriert, der lediglich die Funktion hat, die Strafe des Täters zu verschärfen (gemeint ist die Einfuhr in nicht geringen Mengen gem. § 30 I Nr. 4 BtMG), hat etwas ironisches an sich und dieses Empfinden verstärkt sich, wenn man – wie hier – für eine Abschaffung eben dieser Vorschrift plädiert.7 Unabhängig davon machte die Eigenschaft der Einfuhrmodalität als Erfolgsdelikt deutlich, dass die i. S. dieser Arbeit erstrebte „Rechtssicherheit“ bzw. die konsequente Anwendung des Allgemeinen Teils, weitestgehend vom Deliktstypus abhängt: I. Dreiteilung der Delikte Der Allgemeine Teil stellt ein „System“ dar, in dessen Variablen nicht nur Verletzungsdelikte, sondern auch Erfolgsdelikte mit abstraktem Rechtsgut schützen, sowie schlichte Tätigkeitsdelikte eingefügt werden können. Die „Klammerfunktion“ versagt allerdings, wenn der Tatbestand seinerseits als „Variable“ qualifiziert werden muss. Bereits aus diesem Grund, erscheint es zweckmäßig, das multiple Tätigkeitsdelikt von nun an als eigenständige, nicht mit den Lehren und Vorschriften des Allgemeinen Teils kompatible „Deliktskategorie“ den Erfolgsdelikten und sonstigen Tätigkeitsdelikten gegenüberzustellen. Dass sich der Verfasser erst zu einem relativ späten Zeitpunkt der Abhandlung hierzu bekannt hat, hat weniger den Grund, dass sich die Idee erst im Laufe der Untersuchung ergeben hätte. Die „neuralgischen“ Punkte der Vorfeldstrafbarkeit bzw. der Zuschnitt des AT auf Erfolgsdelikte i. S. v. Verletzungsdelikten treten erst i. R. d. besonderen Erscheinungsformen der Straftat deutlich zu Tage.
5 Wobei dieser „Rückgriff“ auf verfassungsrechtliche Aspekte vielleicht überrascht, da derartige Überlegungen in der vorliegenden Abhandlung weitgehend ausgeblendet wurden. 6 3. Teil C. II. 1. c), S. 420 ff. sowie 3. Teil C. IX., S. 524 f. 7 3. Teil A. II. 1. c) cc) (2), S. 182.
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
1. Tätigkeitsdelikte sind Erfolgsdelikten gegenüberzustellen, wobei innerhalb der Tätigkeitsdelikte zwischen multiplen Tätigkeitsdelikten und konkretisierten Tätigkeitsdelikten zu differenzieren ist.8 Beim Erfolgsdelikt begrenzt der umschriebene Erfolg die Reichweite der Auslegung, da es sich sowohl tatsächlich als auch rechtlich um eine Tätigkeit handeln muss, die tauglich ist, den beschriebenen Erfolg herbeizuführen. Es ist auch denknotwendig der restriktivere Deliktstyp, da der Erfolg stets erst auf die taugliche Handlung hin eintreten kann. Dem Erfolgsdelikt stehen die konkretisierten Tätigkeitsdelikte gegenüber, bei denen die Handlungsbeschreibung konkret und abschließend beschrieben ist. Die konkretisierten Tätigkeitsdelikte beschreiben eine abgeschlossene Handlung, die immer „kausal“ zur Tatbestandsverwirklichung führt, es sei denn die Handlung ist bereits für sich gesehen untauglich und kann somit nicht unter den Begriff der beschriebenen Handlung subsumiert werden, hierzu zählen fast alle übrigen Modalitäten des BtMG sowie die meisten schlichten Tätigkeitsdelikte des Nebenstrafrechts. Eine Ausnahme hiervon bildet das Handeltreiben – hier als multiples Tätigkeitsdelikt bezeichnet – da diese Tatmodalität im Gegensatz zu den konkretisierten Tätigkeitsdelikten die Handlung nicht detailliert beschreibt und somit auch nicht feststeht, wohin die kausale Handlung „verlaufen“ soll. Vielmehr kann es für sich wiederum mehrere Handlungen (und somit auch mehrere „Erfolge“, soweit man diesen Begriff mit dem der Tatbestandsverwirklichung gleichsetzt) beinhalten. Diese Differenzierung macht terminologisch Sinn, da das Handeltreiben – sicherlich das praktisch wichtigste, aber – nicht das einzige multiple Tätigkeitsdelikt darstellt, dem man im Strafrecht begegnen kann, man denke etwa an die Agententätigkeit gem. § 99 StGB oder Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB. Doch in dieser terminologischen Bedeutung erschöpft sich das Konstrukt des multiplen Tätigkeitsdelikts nicht: Zum einen zeichnen sich multiple Tätigkeitsdelikte dadurch aus, dass ihre Vielschichtigkeit (was alle denkbaren Tätigkeiten innerhalb des relevanten Zeitraums der Tatbegehung betrifft) eine Verklammerung notwendig machen kann, soweit nur eine einzige „Rechtsgutsbeeinträchtigung“ im Raume steht. Viel wichtiger ist jedoch, dass diesem Deliktstyp ein gemeinsamer Faktor „x“ in der Tatbestandsformulierung fehlt, der gleichsam vor die „Klammer gezogen werden könnte“, um beispielsweise den Versuchsbereich zu konkretisieren. Zum anderen sind es gerade diese Delikte, bei denen die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme jedenfalls nach dem objektiven Kriterium des Tatbeitrags versagt, da letztlich jeder Tatbeitrag erfasst ist.
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3. Teil B. II. 1. a) dd), S. 343.
4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
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Nach h. M. ist unter Handeltreiben jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit zu verstehen, auch wenn diese sich nur als gelegentlich, einmalig oder ausschließlich vermittelnd darstellt. Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das die Subsumtion vollkommen unterschiedlicher Verhaltensweisen unter die Grunddefinition zulässt (folglich auch als multiples Tätigkeitsdelikt bezeichnet werden kann). Die Rechtsprechung subsumiert unter diesen Begriff jede erdenkliche Umgangsform, wobei sich die Handlung objektiv nicht auf ein Betäubungsmittel beziehen muss.9 Insofern handelt es sich beim Handeltreiben jedenfalls um ein multiples Tätigkeitsdelikt, was sich in seiner Inkompabilität mit den Vorschriften des Allgemeinen Teils widerspiegelt. 2. Die derzeitige Auslegung der h. M. des unerlaubten Handeltreibens macht eine Anwendung der Regelungen des Allgemeinen Teils (insbesondere der §§ 22– 27 StGB) unmöglich und führt damit zu einer unbestimmten Rechtsanwendung. Da sich das Anfangszitat von Weider auch hauptsächlich auf diese Modalität bezog, hat er Recht behalten und daran hat sich auch nichts nach dem Beschluss des Großen Senats geändert. Dies gilt vornehmlich für die Bestimmung des Versuchsbereichs10 und der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Im Einzelnen: • muss je nach Fallgestaltung danach differenziert werden, ob der Täter Betäubungsmittel besitzt, ein konkretisiertes Betäubungsmittelgeschäft oder ein ernstliches Angebot vorliegt, • macht man selbst im Hinblick auf das Kriterium „Verfügungsmacht über Betäubungsmittel“ eine Ausnahme, wenn man bedenkt, dass bereits der Anbauprozess samt Umsatzwillen (allerdings ohne konkretisiertes Umsatzgeschäft) Teilakt des Handeltreibens sein soll, • kaschieren neuere Tendenzen in der Rechtsprechung die „Abredetheorie“ und es steht nicht eindeutig fest, ob bereits ernsthafte Angebote ausreichen oder es zu Gesprächen gekommen sein muss, • ist nicht eindeutig geklärt, wie der Umgang mit Scheindrogen (und zwar über die Fälle des „Handels“ mit Scheindrogen hinaus) mit dem Wortlaut der Vorschrift zu vereinbaren ist, • bleibt offen, nach welchen Kriterien der Umsatzwille zu bestimmen ist, welche Vorsatzelemente zwingend vorliegen müssen und welche Anforderungen an die tatrichterliche Begründung des kognitiven sowie voluntativen Elements zu stellen sind, 9
3. Teil C. IV., S. 430 ff. 3. Teil C. IV. 6., S. 475 ff.; dem lässt sich nicht entgegen, dass ein Delikt nicht zwingend einen Versuchsbereich durchlaufen müsse. Damit vermengt man die Frage, ob das Vorfeld einer bestimmten Deliktsbegehung auch zwingend kriminalisiert werden muss. Unentbehrlich ist schließlich die Abgrenzung zur jedenfalls straflosen Vorbereitung. 10
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
• ob der Besitz alleine wirklich Teilakt des Handeltreibens sein kann oder ob man für ein vollendetes Handeltreiben darüber hinaus eine Manifestation des Umsatzwillens verlangt,11 • ergibt sich nicht immer eindeutig, ob eine bestimmte Handlung unter das Handeltreiben subsumiert und erst im Anschluss die Rechtsfolgen des § 27 II StGB angewendet oder direkt „nur“ eine Beihilfe zur Haupttat angenommen wird und • führt die weite Tatbestandsauslegung zu einer faktischen Einheitstäterschaft, die der BGH mit einer Rechtsfolgenlösung (die er als Gesamtgeschäftslösung bezeichnet) beseitigen will, dies allerdings aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffs „Gesamtgeschäft“ nicht gelingen kann. Rechtsprechung und betäubungsmittelrechtliches Schrifttum haben dennoch versucht, bestimmte Fallgruppen des Versuchs herauszustanzen,12 doch folgt dieser Fallgruppenkatalog keinem nachvollziehbaren Muster. Auch im Bereich der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme hat die Kurierrechtsprechung nur in einer (praktisch wichtigen) Fallgruppe zu einer Änderung des „Vorzeichens“ geführt, aber nichts zu einer konkreteren Abgrenzungsmethode im Allgemeinen beigetragen.13 Bei allen anderen Modalitäten der §§ 29 ff. BtMG bestehen keine Schwierigkeiten, die Normen und die hierzu entwickelten Lehren zu den Deliktsverwirklichungsstufen und der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme anzuwenden. 3. Für die Einfuhr von Betäubungsmitteln hat die Rechtsprechung durch die transportartakzessorische Betrachtung ein eindeutiges Abgrenzungskriterium für die Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch entwickelt, welche sich an der Jurisprudenz zum Allgemeinen Teil im Kernstrafrecht orientiert.14 Nur im Bereich der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme weicht die Rechtsprechung vom Grenzübertritt als „Vollendungskriterium“ ab und wechselt im Einzelfall auf eine organisationsbezogene Betrachtungsweise.15 4. Auch bei den Verfügungswechseldelikten zieht man im seltenen Fall einer einschlägigen Versuchskonstellation die zu § 22 StGB entwickelten Lehren heran. Maßgeblich ist das unmittelbare Ansetzen zur Besitzübertragung.16 5. Bei den konkret beschriebenen Tätigkeitsdelikten lässt sich der Versuchsbereich aufgrund genauer Tatbestandsumschreibung mittels der Teilaktstheorie unproblematisch rekonstruieren, spielt aber aufgrund der dargestellten delikts11 12 13 14 15 16
3. Teil C. IV. 6., S. 479 ff. 3. Teil C. IV. 3., S. 467 ff. 3. Teil D. III. 2. d), S. 591 ff. 3. Teil C. II. 1. c), S. 420 ff. 3. Teil D. III. 3. a) aa), S. 599 ff. 3. Teil C. II. 2., S. 422 ff.
4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
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strukturellen Besonderheiten (Einzelakte eines gesamten Vorgangs) praktisch fast keine Rolle.17 6. § 29 II BtMG ist aus den genannten Gründen vollständig zu streichen.18 Der Versuch der Verbrechenstatbestände bleibt über §§ 12 I, 23 I Var. 1 StGB strafbar. 7. Es ist zu vermuten, dass die extensive Auslegung des Handeltreibens und die damit verbundenen Unsicherheiten bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auf die übrigen Modalitäten (insbesondere auf die Einfuhr in nicht geringen Mengen) „durchschlagen“.19 II. Konsequenzen und Lösungsvorschläge Soweit es – wie in der vorliegenden Abhandlung – nur darum geht, den Zugang des Handeltreibens zum Allgemeinen Teil (und umgekehrt) wiederherzustellen, liegt die Lösung in einer Umwandlung des Handeltreibens von einem „multiplen Tätigkeitsdelikt“ in ein „konkretisiertes Tätigkeitsdelikt“; daher wird hier folgende Definition des Handeltreibens vorgeschlagen, die sowohl zu einer „zeitlichen Fixierung“ der Tatbestandsumschreibung führt als auch ein Tatherrschaftskriterium bereitstellt, das eine Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ermöglicht. 8. Handeltreiben ist jede (ausdrückliche oder konkludente) Erklärung mit Umsatzwillen, die ernsthaft auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit Betäubungsmitteln gerichtet ist oder dieses tatsächlich herbeiführt.20 Das Handeltreiben muss, wie dargestellt nicht derart extensiv ausgelegt werden.21 Dennoch ist nicht zu erwarten, dass die Rechtsprechung solch eine Definition des Handeltreibens übernimmt, zumal sie bereits zahlreiche, weitere (aber auch rechtsgutsorientierte und folglich wesentlich weitergehende) Einschränkungsmodelle abgelehnt hat. Aus diesem Grunde wurde hier vorgeschlagen, die enormen Defizite im Bereich der Umsetzung der Dogmatik des Allgemeinen Teils einerseits und die frühe Tatbestandsvollendung andererseits durch die Einfügung einer Tätigen-Reue-Vorschrift (§ 30c BtMG n. F.) abzufedern. 9. Der frühen Tatbestandsvollendung im Betäubungsmittelstrafrecht ist durch die Einfügung einer Tätigen-Reue-Vorschrift zu begegnen, die neben § 31 BtMG tritt.22 Innerhalb von § 31 BtMG ist nunmehr zwischen Aussagen vor und nach Entdeckung der Tat zu differenzieren.23 17 18 19 20 21 22 23
3. Teil C. III., S. 426 ff. 3. Teil C. III. 3., S. 428 f. 3. Teil D. III. 3. a) aa) (3), S. 610 f. 3. Teil C. VI. 5., S. 495 ff. 3. Teil C. VI. 6., S. 502 ff. 3. Teil C. VII. 4., S. 518 ff. 3. Teil C. VII. 3., S. 516.
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
III. Weitere, übergeordnete Thesen orientiert am strafrechtlichen Verbrechensaufbau Damit sind die typischerweise als „neuralgische“ Punkte häufig aufgegriffenen Komplexe „Deliktsverwirklichungsstufen“ und „Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme“ abgehandelt. Doch die Arbeit beschränkte sich nicht auf diese – typischerweise im Zusammenhang mit der Problematik der Vorfeldstrafbarkeit diskutierten – Fallgruppen, sondern orientierte sich an der allgemeinen Lehre vom Verbrechensaufbau. Dementsprechend ließen sich weitere, übergeordnete Thesen herausarbeiten, die teils alle, teils bestimmte Modalitäten betreffen, teils betäubungsmittelstrafrechtsspezifisch, teils auf andere Gebiete des Nebenstrafrechts übertragbar sind. Sie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Objektiver Tatbestand
10. Der strafrechtliche Handlungsbegriff gilt ohne Weiteres auch im Betäubungsmittelstrafrecht und hat begrenzende Funktion.24 11. Der Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln lässt sich auch unter Zugrundelegung des Handlungsdogmas begründen, da es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt. Der Rückgriff auf das Konstrukt des Zustandsdelikts ist weder notwendig noch führt er zwingend zu dogmatisch sachgerechteren Ergebnissen.25 12. Soweit ein betäubungsmittelrechtlicher Straftatbestand Kausalität voraussetzt, kann die diesbezüglich im Allgemeinen Teil entwickelte Dogmatik ohne Einschränkungen fruchtbar gemacht werden. Eine „besondere“ Kausalitätsdogmatik ergibt sich im Betäubungsmittelrecht nicht, zumal spezifische Fragen der Kausalität (kumulative Kausalität, atypischer Kausalverlauf) meist über andere Zurechnungsmechanismen (subjektiver Tatbestand, objektive Zurechnung) korrigiert werden.26 13. Die Grundsätze der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung lassen sich nicht auf die Grundtatbestände des Betäubungsmittelstrafrechts übertragen, da die Anwendung dieser Prinzipien tatbestands- sowie schutzzweck- bzw. rechtsgutsakzessorisch ist.27 Dies ist als stringente Anwendung der Dogmatik zur eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zu bewerten. Dies macht der BGH zwar auch bei der Qualifikation des § 30 I Nr. 3 BtMG; hier geht er allerdings von einer falschen Prämisse aus, da die Vorschrift ausschließlich Individualinteressen schützt
24 25 26 27
3. Teil A. I. 1. b), S. 92 ff. 3. Teil A. I. 1. d), S. 105 ff. 3. Teil A. I. 2. c), S. 119 ff. 3. Teil A. I. 3. d) dd), S. 133 ff.
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(und nicht etwa auch die Volksgesundheit) und somit der Disposition des Konsumenten unterliegt.28 14. Die Methode des BGH, bei der Betäubungsmittelüberlassung zum Suizid eine Einschränkung über den Begriff der Leichtfertigkeit zu erreichen, ist abzulehnen. Soweit man weiterhin daran festhalten möchte, dass die eigenverantwortliche Selbstgefährdung bei § 30 I Nr. 3 BtMG keine Berücksichtigung findet, ist bei der Betäubungsmittelüberlassung zum Suizid der tatbestandsspezifische Gefahrverwirklichungszusammenhang anzuzweifeln (nicht im Hinblick auf das eigenverantwortliche Verhalten des Suizidenten, sondern bzgl. der Frage, ob hier eine „typische“ Gefahr anzunehmen ist, die der Tatbestand verhindert wissen möchte).29 15. Atypische Kausalverläufe als weitere Gruppe der objektiven Zurechnung können im Bereich der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln eine Rolle spielen. Allerdings löst der BGH diese Fälle über die subjektive Zurechnung.30 16. Erlaubtes Risiko und sozialadäquates Verhalten sind im praktisch bedeutsamsten Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts, dem Grundtatbestand des § 29 I Nr. 1 BtMG unergiebig, da diese Handlungsmodalitäten ein „unerlaubtes“ Verhalten voraussetzen. In diesem wichtigen Bereich existiert somit kein erlaubtes Risiko, sodass auch Berufsträger nicht in den Genuss einer objektiven Tatbestandsrestriktion kommen (vgl. aber zu Einschränkungen im subjektiven Tatbestand, These Nr. 50 zur berufsbedingten Beihilfe).31 17. Die Risikoverringerung stellt im Betäubungsmittelstrafrecht ein probates Mittel der Tatbestandsrestriktion dar, wobei drei „betäubungsmittelrechtsspezifische“ Voraussetzungen zu berücksichtigen sind (Tatmodalität ohne Umsatzbezug + konkretisierter Drogenverkehr + signifikante Verringerung der Gefahr intensiverer Schäden). Ihre wichtigste Anwendungsgruppe bleibt die Wegnahme von Drogen zum Zwecke der Zerstörung,32 i. w. S. allerdings auch der agent provocateur, vgl. hierzu auch These Nr. 48. Subjektiver Tatbestand
18. Der allgemeine Vorsatzbegriff der §§ 15, 16 StGB ist nicht auf das Erfolgsdelikt zugeschnitten, d.h. die entwickelte Vorsatzlehre findet ohne Weiteres Anwendung auf die §§ 29 ff. BtMG. Bei den schlichten Tätigkeitsdelikten muss der
28 29 30 31 32
3. Teil A. I. 3. e) bb) (4), S. 143 ff. 3. Teil A. I. 3. e) cc), S. 144 ff. 3. Teil A. I. 3. f) aa) (1), S. 150 ff. 3. Teil A. I. 3. f) bb) (1), S. 155 ff. 3. Teil A. I. 3. f) bb) (3), S. 158 ff.
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4. Teil: Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung
Täter nur mit Wissen und Wollen im Hinblick auf die beschriebene Tathandlung handeln.33 19. Bei der Abgrenzung von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit überträgt der BGH – soweit ersichtlich – die „Billigungstheorie“ auf das Betäubungsmittelstrafrecht und erteilt somit einem strengeren Maßstab (der im Hinblick auf das strikte Rechtsgutskonzept durchaus vorstellbar wäre) ausdrücklich eine Absage.34 Die Abgrenzung betrifft die Fälle der Instrumentalisierung des Täters durch einen Dritten für den Drogentransport. Diesbezüglich konnten einige Kriterien herausgearbeitet werden, anhand denen eine „Zuschreibung“ i. S. d. eines „Billigens“ im Rechtssinne erfolgen kann.35 20. Die kaum tragfähige Abgrenzung zwischen unerlaubter Einfuhr und Durchfuhr von Betäubungsmitteln entgegen § 11 I 2 BtMG legen es nahe, die überdies rechtspolitisch verfehlte Qualifikation der Einfuhr in nicht geringen Mengen gem. § 30 I Nr. 4 BtMG vollständig zu streichen.36 Rechtswidrigkeit
21. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit der Rechtsordnung muss die von vielerlei Faktoren abhängige Unterscheidung zwischen Tatbestandsausschluss und Rechtfertigung zumindest bei Verwaltungsgesetzen aufgegeben werden und es ist der behördlichen Erlaubnis durchgehend nur rechtfertigende Wirkung beizumessen.37 22. Bei § 4 BtMG handelt es sich um einen Tatbestandsausschließungsgrund, da die dort genannten Personen in den geschilderten Konstellationen erst gar nicht das Erlaubnisverfahren anstrengen müssen.38 23. Der verwaltungsrechtliche Erlaubnis- oder Genehmigungsprozess ist ein rechtlich geordnetes Verfahren, das einen Konflikt bewältigen soll (Interessen des Antragsstellers contra Interessen der Allgemeinheit), welches in die allgemeiner formulierte Konfliktnorm des § 34 StGB „hineinwirkt“.39 24. § 34 StGB bleibt im Betäubungsmittelstrafrecht trotz Erlaubnisverfahren jedenfalls anwendbar, wenn das Erlaubnisverfahren nicht „einschlägig“ ist,40 d.h. 33 34 35 36 37 38 39 40
3. Teil A. II. 1. b), S. 169 ff. 3. Teil A. II. 1. d), S. 183 ff. 3. Teil A. II. 1. d) bb) (3), S. 191 ff. 3. Teil A. II. 1. c) cc), S. 176 f. 3. Teil A. III. 3. c) bb), S. 241 ff. 3. Teil A. III. 3. c) bb), S. 241 ff. 3. Teil A. III. 4. b) bb) (1), S. 269 ff. 3. Teil A. III. 4. b) bb) (1), S. 278.
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• die Befugnis aufgrund einer akuten Gefahr nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, • es sich um einen atypischen Sachverhalt handelt, auf den das Erlaubnisverfahren weder konzeptionell noch vom angestrebten Zweck her Anwendung finden kann (insbesondere bei den Abgabe und Erwerb zum Suizid-Fällen), • die Handlung dem Rechtsgut zu Gute kommt, das durch das gesetzlich vorgegebene Verfahren geschützt werden soll. 25. Ist das Erlaubnisverfahren einschlägig, wirkt es in die Abwägungsentscheidung dergestalt hinein, dass der Tatrichter nicht die Entscheidung der Behörde durch seine eigene ersetzen kann, mithin § 34 StGB ausscheidet, wenn das Erlaubnisverfahren nicht angestrengt wurde. In den Fällen, in denen ein Verfahren angestrengt, die Erlaubnis jedoch versagt wurde, hat der Richter lediglich eine Evidenzkontrollbefugnis, wonach ihm bei offensichtlichen, rechtlichen Mängeln der Entscheidung die Befugnis zusteht, die Entscheidung der Behörde durch eine eigene Interessensabwägung nach § 34 StGB zu ersetzen.41 Schuld
26. Die Rechtsprechung wendet die Grundsätze der actio libera in causa auch im Betäubungsmittelstrafrecht an. Soweit man eine Strafbarkeitsbegründung über die Grundsätze der a.l.i.c. nicht grundsätzlich ablehnt, bleibt sie auf die Erfolgsdelikte beschränkt.42 27. Bei der Abgrenzung von Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB und Verbotsirrtum geht die Rechtsprechung nach der reichsgerichtlichen Unterscheidung zwischen Tatsachenirrtümern und Rechtsirrtümern vor. Bei Irrtümern bzgl. der Betäubungsmitteleigenschaft bereitet dieses Vorgehen Probleme, da weder die chemische Zusammensetzung noch der Name des Stoffes verlässliche Wissensindikatoren darstellen, die unrechtsbegründend wirken sollten.43 28. Soweit der Täter keine positive Vorstellung über den Stoff hat, mit dem er umgeht (ihm also keinen Namen geben kann bzw. nicht um die chemische Zusammensetzung weiß), kommt es darauf an, ob er i. S. e. „dolus alternativus“ jedenfalls eine Beschaffenheit in Kauf genommen hat, die den Stoff zu einem macht, der von seiner chemischen Zusammensetzung her einer der in den Anlagen des BtMG genannten Substanzen entspricht.44 Dabei kann das Wissen des Täters um die psychoaktiven, sedativen oder stimulierenden Wirkungen einen Eventualvorsatz indizieren. 41 42 43 44
3. Teil A. III. 4. b) bb) (1), S. 271 ff. 3. Teil A. IV. 2. b), S. 283 ff. 3. Teil A. IV. 4. b) aa) (1), S. 292 f. 3. Teil A. IV. 4. b) aa) (4), S. 299 ff.
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29. Im Übrigen – also bei der Annahme der Umgang mit einem Stoff sei (trotz voller Tatsachenkenntnis) nicht strafbar, weil dieser noch nicht in die Anlage aufgenommen worden sei – ist von Verbotsirrtümern auszugehen. Hier orientiert sich die Rechtsprechung eindeutig an der allgemeinen Vermeidbarkeitskasuistik.45 Im Bereich des § 17 StGB erweist sich die Irrtumsdogmatik als allzu starr, da unterschiedliche Gruppen von potentiellen Straftätern zusammengezogen werden (der grundsätzlich legal agierende Kreis, die Teilnehmer am illegalen Markt und die Gelegenheitskonsumenten).46 30. Theoretischer Anknüpfungspunkt für diese Differenzierung ist nicht erst die Vermeidbarkeitskasuistik des BGH (also die verschiedenen Ausprägungen der Erkundigungsbemühungen), sondern bereits die Frage, ob der Täter bei kontinuierlich wechselnder Rechtslage „noch“ Anlass hat, sich zu erkundigen. Dieser weichere Maßstab könnte der Klarstellung halber für bestimmte Sonderfälle gesetzlich fixiert werden.47 31. Darüber hinaus sollte man allgemein über eine Neukonzeption der Irrtumsdogmatik außerhalb des „parlamentarischen“ Kernstrafrechts nachdenken, wenn im Verwaltungsnebenstrafrecht die Ausfüllung von Normen durch Exekutivakte die Regel darstellt und zudem ständig durch das Gemeinschaftsrecht beeinflusst wird.48 Fahrlässigkeit
32. Im Rahmen der Sorgfaltspflichtverletzung ließen sich keine „übergreifenden“ Spezifika herausfiltern, da die Fahrlässigkeit von jedem einzelnen Tatbestand abhängt und der Maßstab daher auch innerhalb des Betäubungsmittelstrafrechts unterschiedlich zu beurteilen ist.49 33. Allerdings lassen sich für das Vorliegen einer objektiven Sorgfaltspflichtverletzung bzw. der objektiven Vorhersehbarkeit Indizien herausfiltern, wobei sich als wichtigster Bezugspunkt die Erkennbarkeit des Drogenbezugs andeutet. Für eine objektive Sorgfaltspflichtverletzung braucht es hinreichende Verdachtsmomente für Drogengeschäfte oder Tätigkeiten mit Drogenbezug.50 34. Der BGH begegnet der exzessiven Anordnung der Fahrlässigkeitstatbestände mittels Restriktionsbemühungen und dem Rückgriff auf das unscharfe Kriterium der Vermeidbarkeit.51 45 46 47 48 49 50 51
3. Teil A. IV. 4. d) cc), S. 313 ff. 3. Teil A. IV. 4. d) dd), S. 318 ff. 3. Teil A. IV. 5., S. 323 f. 3. Teil A. IV. 5., S. 323. 3. Teil A. II. 2. b) dd), S. 211 ff. 3. Teil A. II. 2. b) bb), S. 201 ff. 3. Teil A. II. 2. b) bb) (3), S. 204 ff.
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35. Die Fahrlässigkeitshaftung sollte stattdessen – aufgrund des geringen Unwertgehalts und den festgestellten Vollzugsdefiziten – vornehmlich bei allen Vorschriften des Nebenstrafrechts, die den gefährlichen Umgang mit Stoffen betreffen, auf das fahrlässige Inverkehrbringen beschränkt werden.52 36. Das Konstrukt eines „fahrlässigen Handeltreibens“ ist dogmatisch nicht tragfähig.53 Unterlassungsdelikt
37. § 13 StGB ist nicht auf schlichte Tätigkeitsdelikte (des BtMG) anwendbar. 38. Das Verwaltungsstrafrecht lässt mit seinen allumfassenden „Umgangsverboten“ kein Raum mehr für einen Normbefehl i. S. e. „Nicht-Umgangs-Gebots“ übrig. Dies erst recht, wenn der wichtigste Befehl (Behalte diese Drogen nicht! Behalte diese Waffe nicht!) als echtes Unterlassungsdelikt normiert wurde, § 29 I Nr. 3 BtMG. Insofern sollte die Unterlassungsstrafbarkeit insgesamt auf den Besitztatbestand beschränkt bleiben.54 39. Davon zu unterscheiden sind Fälle der Beteiligung an fremden Tätigkeitsdelikten durch Unterlassen, meist in Form der Beihilfe (die in Literatur und Rechtsprechung als Fallgruppen des § 13 StGB tituliert werden). Hier geht es allerdings nicht um eine Gleichstellung vom Nichttätigwerden in Relation zu einer aktiven „Tätigkeit“, sondern um die Gleichstellung gegenüber aktiven Beihilfehandlungen, die sich ihrerseits auf andere – regelmäßig durch aktives Tun begangene – Straftaten beziehen (wobei die kausale Unterstützung auch eines Tätigkeitsdelikts als „Erfolg“ der hiervon trennbaren Beihilfehandlung bezeichnet werden kann).55 40. Im Regelfall wird die Beteiligung am Unterlassungsdelikt mangels Garantenstellung abgelehnt, was auch Resultat einer grundsätzlich zurückhaltenden Annahme von strafrechtlicher Haftung für Deliktsbegehung durch Dritte sein dürfte.56 Versuchsdogmatik im Übrigen
41. Sollte im seltenen Fall ein Rücktritt gem. § 24 StGB in Betracht kommen, kann die hierzu in Rechtsprechung und Lehre entwickelte Dogmatik ohne Weiteres übertragen werden.57 52 53 54 55 56 57
3. Teil A. II. 2. f), S. 226 ff. 3. Teil A. II. 2. e), S. 220 ff. 3. Teil B. II. 1. b) dd), S. 355 ff. 3. Teil B. II. 3. c), S. 376 ff. 3. Teil B. II. 3. d), S. 383 ff. 3. Teil C. VIII., S. 521 f.
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42. Im Falle einer (im Betäubungsmittelstrafrecht eher denkbaren) „vermeintlichen“ Mittäterschaft kann kein untauglicher Versuch einer Einfuhr angenommen werden, wenn der Dritte im Einvernehmen mit der Polizei bzw. nur nach Vorstellung der Mittäter unmittelbar zur Einfuhr ansetzt.58 Mittäterschaft und mittelbare Täterschaft
43. Wenn die Rechtsprechung dem Begriff des Handeltreibens nähere Konturen verliehen bzw. diesen abschließend definiert hat, die „Hintermänner“ über das Modell der normativen Tatherrschaft (kraft Organisationsherrschaft) zu erfassen.59 44. Die Mittäterschaft hat im Bereich des Handeltreibens nicht die Funktion Tatbeiträge, sondern nur strafschärfende Merkmale zuzurechnen (Mengen, Waffen).60 Die Bandenmitgliedschaft ist allerdings ein persönliches Merkmal, sodass § 28 II StGB zur Anwendung kommt.61 Teilnahme
45. Die Regeln und Lehren zur notwendigen Teilnahme sind auch in der betäubungsmittelrechtlichen Judikatur und Kommentarliteratur anerkannt und dementsprechend übertragbar.62 46. Die Anstiftung hat im Betäubungsmittelstrafrecht aus den genannten Gründen kaum eine Bedeutung, allerdings ist zumindest im Bereich der Einfuhr (Stichwort „Bestellerfälle“) eine gegenläufige Tendenz zu erkennen.63 47. Die Strafbarkeit des Agent Provocateur ist im Betäubungsmittelstrafrecht losgelöst von der Anstiftung zu betrachten, da er meist selbst als „Täter“ zu klassifizieren wäre.64 48. Soweit die hier statuierten spezifischen Voraussetzungen der Risikoverringerung erfüllt sind, ist bereits der objektive Unrechtstatbestand und nicht erst der Vorsatz des Agent Provocateur zu verneinen.65 49. Die Beihilfe ist im Modell der h. M. keine Extension, sondern dient als Entgegenkommen für die weitreichende Strafbarkeit beim Handeltreiben. Soweit die 58 59 60 61 62 63 64 65
3. Teil C. II. 1. a) cc), S. 411 ff. 3. Teil D. II. 1. b) bb), S. 537 ff. 3. Teil D. II. 1. c), S. 540 ff. 3. Teil D. II. 1. c) dd), S. 545 ff. 3. Teil D. II. 2. a) bb), S. 547 f. 3. Teil D. II. 2. b) aa), S. 550 ff. 3. Teil D. II. 2. b) dd), S. 553 ff. 3. Teil D. II. 2. b) ee), S. 559 f.
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Handlung des Beteiligten als untergeordnet klassifiziert wurde, prüft man nur in Ausnahmefällen die übrigen Beihilfevoraussetzungen.66 Hierbei tut sich die Rechtsprechung schwer, den Bezugspunkt der Hilfeleistung herauszufiltern. Für das Modell der h. M. wird hier vorgeschlagen, dass die Gehilfenhandlung speziell im Bezug auf den konkreten Teilakt (Kurierfahrt, Einfuhr, Deponieren, Strecken, Kontakt herstellen, Übergeben etc.), welchen die Handlung fördern soll, „erfolgreich“ durchgeführt werden muss.67 50. Das umfassende Umgangsverbot im Betäubungsmittelstrafrecht führt dazu, dass auch im Bereich berufsbedingter Verhaltensweisen die Tätigkeit losgelöst von der Beihilfe betrachtet werden muss. Da im Unterschied zur Risikoverringerung eine Gefahr geschaffen wird, muss die Einschränkung auf subjektiver Ebene erfolgen. Soweit der Berufsträger bereits gegen die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstößt, ist seinem Verhalten die „Neutralität“ genommen und eine Einschränkung kommt nicht in Betracht. Bewegt sich der Berufsträger (Arzt oder Apotheker) innerhalb der vom BtMG vorgegebenen Grenzen, so ist bei unbedingtem Vorsatz eine Einschränkung per se abzulehnen, während bei dolus eventualis vorauszusetzen ist, dass dann zusätzlich „triftige Anhaltspunkte“ für die deliktische Verwendung „gerade der erbrachten Leistung selbst“ gegeben sind.68 IV. Rechtsgutsorientierte Einschränkung des Betäubungsmittelstrafrechts? Unter Zugrundelegung der Überlegungen zum Rechtsgut müsste die Abhandlung, was die Überlegungen de lege ferenda angeht, etwas weitergehen: Das Konzept der h. M.69, wonach das BtMG die körperliche Unversehrtheit des Individuums, die Volksgesundheit sowie das nicht von Drogen beeinträchtigte soziale Zusammenleben „schützt“, konnte nicht überzeugen.70 Das Bundesverfassungsgericht scheint hierbei zwischen mittelbaren Schäden, die auf der Gesundheitsschädigung beruhen (Volksgesundheit) und sonstigen Gefahren des Drogenkonsums zu unterscheiden. Der Jugendschutz, sowie der Schutz vor Organisierter Kriminalität werden als Teilaspekte jener Rechtsgüter angesehen. Im Laufe der Analyse hat sich gezeigt, dass das derzeitige Konzept nur schwerlich mit einem systemtranszendenten Rechtsgutskonzept vereinbart werden kann. Dies nicht etwa, weil die Schutzgüter keinen eigenständigen Inhalt bzw. Wert hätten, wohl aber wegen des Umstandes, dass man sich nicht darüber 66 67 68 69 70
3. Teil D. II. 2. c), S. 560 f. 3. Tei. D. II. 2. c) bb), S. 562 ff. 3. Teil D. II. 2. c) cc), S. 567 ff. 2. Teil B. I., S. 72 ff. 2. Teil C., S. 76 ff.
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einigen kann, unter welchen Voraussetzungen von einer Beeinträchtigung des Rechtsguts auszugehen ist. Es wird daher vorgeschlagen, die konkreteren Universalrechtsgüter (Schutz vor Organisierter Kriminalität und Jugendschutz) zu „verselbstständigen“ und die kritisierten Rechtsgüter der „Volksgesundheit“ bzw. „des nicht von Drogen beeinträchtigten sozialen Zusammenlebens“ vollständig zu verwerfen. Diesbezüglich sei die Zuckerwattenmetapher in Erinnerung gerufen,71 wonach ein auf den Kern konzentriertes Rechtsgut bessere Rückschlüsse auf das kriminalpolitische System zulässt und man zumindest punktuell bessere Einschränkungen innerhalb der Strafgesetzgebung vornehmen kann. Durch die Konkreterisierung der Rechtsgüter kommt zudem deutlicher zum Vorschein, auf welch dünnem Eis man sich beim Grundtatbestand des § 29 I BtMG bewegt und man stets vor Augen halten sollte, dass eine von der konkreten Tatbestandsbeschreibung losgelöste Milderung bzw. teleologische Einschränkung der Strafbarkeit geboten ist, wenn keine Beeinträchtigung eines Jugendlichen, oder eines unverantwortlich agierenden Individuums noch die Förderung der Organisierten Kriminalität festgestellt ist. Man könnte aus diesem Rechtsgutskonzept auch weiter reichende Konsequenzen für die Kriminalpolitik überhaupt ziehen (beginnend bei einer Aufhebung aller Straftatbestände, die unverantwortlich agierende bzw. Jugendliche schützen, ohne zeitgleich die weitreichenden Ermittlungsbefugnisse aufzuheben; insofern wäre das ein „ehrlicher“ Schritt, der aus rechtsstaatlicher Sicht nicht wesentlich mehr bedenklich wäre, als die derzeitige Gesetzeslage). Doch es steht dem Verfasser im Sinn, „kleine Brötchen zu backen“ und die Dogmatik in das Betäubungsmittelstrafrecht zurückzubringen. Insofern beruht auch die Aufhebung der Versuchs-, Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit eher auf pragmatischen Überlegungen bzw. den festgestellten Vollzugsdefiziten, die ihrerseits aus der strukturellen Unzulänglichkeit der schlichten Tätigkeitsdelikte resultieren (wobei die „Streichung“ von diesen besonderen Erscheinungsformen der Straftat dem Kernstrafrecht nicht fremd ist, vgl. nur § 265b StGB). Sollte eine umfassende Neukonzeption des Betäubungsmittelrechts angestrebt sein, so hofft der Verfasser darauf, dass er mit der vorliegenden Untersuchung und den entwickelten Thesen für diesen komplexen und sicherlich auch langwierigen Prozess herausarbeiten konnte, welche dogmatischen Unzulänglichkeiten de lege ferenda berücksichtigt werden müssen. Auf eine floskelartig anmutende Bemerkung am Schluss kann der Verfasser dann doch nicht verzichten. Seine an der Kriminalgesetzgebung ausgerichteten Lösungskonzepte sollten nicht den Eindruck vermitteln, dass der „war on drugs“ ausschließlich mittels Instrumenten des (Vorfeld)Strafrechts erfolgen darf. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber dürfte das Potential seiner 1982 zugrundegelegten Maxime „Therapie statt Strafe“ lange noch nicht ausgeschöpft haben und es wäre schon in Relation auf ein 100 Jahre bestehendes Vorfeldstrafrecht, das nach und 71
2. Teil D., S. 85 f.
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nach sogar extensiviert wurde, schlicht unfair, das Projekt „Therapie statt Strafe“ als gescheitert anzusehen. Insofern sollte man der Überlegung nachgehen, wie dieses noch „halbgare“ Projekt erweitert und in Zukunft noch besser umgesetzt werden kann (man denke an die strukturellen Probleme beim „Therapievollzug“ und der „unendlichen Geschichte“ rund um § 64 StGB), um den illegalen Drogenmarkt durch eine sinkende Nachfrage – sprich durch sinkende „Drogenabhängige“ – auszutrocknen.
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Sachwortverzeichnis Abbruch des Zurechnungszusammenhangs, siehe objektive Zurechnung Aberratio ictus 425 Abgabe 48 – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 616 – Apotheker 51 – Definition 48 – Eigenverantwortliche Selbstgefährdung 130 – Minderjährige 54 – Notstand 277 – Notwendige Teilnahme 548 – Sonderdelikt 52, 59, 536, 542, 616, – Todesverursachung 57, 134, 139 – Versuch 422, 428 Abgrenzung Begehungs – Unterlassungsdelikt, siehe Abgrenzung Tun – Unterlassen Abgrenzung Dolus Eventualis – Bewusste Fahrlässigkeit 183 ff. – Betäubungsmittelstrafrecht 188 – Billigungstheorie 186 – Gleichgültigkeit 186 – Hemmschwellentheorie 192 – Indizienkatalog 191 f. – Instrumentalisierung 189 f. – Kognitive Theorien 185 f. – Kombinationsansatz 186 – Lederriemenfall 186 – Möglichkeitstheorie 185 – Nicht geringe Mengen 193 – Voluntative Theorien 186 – Wahrscheinlichkeitstheorie 185 Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 527 ff. – Abgabe 616
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Anbau 620 animus-Theorie 574 Besitz 617 Bestell-Fälle 605 Eigenhändige Delikte 285, 405, 535 Eigenhändigkeitsformel 533 f., 594, 596, 599, 603, 605 – Eigenhändigkeitsprinzip, siehe Eigenhändigkeitsformel – Einheitstäterschaft 529, 533, 535, 572, 578, 596 – Einzelaktsbetrachtung 581 – Erfolgsdelikte 599 ff. – Erklärungstheorie 596 – Gesamtgeschäft 578, 588 – Handeltreiben 577 ff. – Herstellung 620 – Kurierrechtsprechung 584, 588 ff., 606 – normative Gesamtbetrachtung 575 – objektive Theorien 574 – Randfigur 576 – „restriktiver Täterbegriff“ 377, 527 – subjektive Theorien 574 – Tatherrschaftslehre 576 – Tätigkeitsdelikte 619 ff. – Transportdelikte 599 ff. – Unterlassungsdelikte 353, 376 – Verfügungswechseldelikte 616 – Zentralgestalt 576 Abgrenzung Tun – Unterlassen 327 – Radbruch’sche Formel 327 – Schwerpunktformel 327 Abgrenzung Vorbereitung – Versuch, siehe Versuch Abhängigkeit, siehe Betäubungsmittelabhängigkeit
Sachwortverzeichnis Absehen von Strafe 55 Absicht, siehe Vorsatz Abstiftung 163 Abstrakte Gefährdungsdelikte, siehe Gefährdungsdelikte Abweichung im Kausalverlauf 150 ff., 176 ff. Actio libera in causa 283 – Ausdehnungsmodell 284 – Ausnahmemodell 284 – Begriff 283 – Eigenhändige Delikte 285 – Erwerb 287 – Handeltreiben 287 – Mittelbare Täterschaft 285 – Rechtsprechung 286 – Tatbestandslösung 286 Agent provocateur 255 f., 553 ff. – Austauschbarkeit des V-Manns 557 – Handeltreiben 558 – Initiatoreigenschaft 559 – Risikoverringerung 555 f. – Teilnehmerhaftung 555 Airfresher, siehe Verbotsirrtum Akzessorietät, siehe Teilnahme Allgemeines Lebensrisiko, siehe erlaubtes Risiko Allgemeiner Teil 38, 60 ff. – Begriff 38 – Klammerfunktion 62 – Systematisierungsfunktion 62 – Trennung von Allgemeinem und Besonderem Teil 63 – Verhältnis zum Besonderen Teil 64 Alleintäterschaft, siehe Täterschaft Alternativer Vorsatz 300 – dolus alternativus 300 – Irrtum 299 f. Analogie 513 Anbau 45 – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 620 – Definition 45, 426, 620 f.
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Fahrlässigkeit 220 Gefahrenherd 380 Indoor-Plantage 427 Irrtum 292 ff. Motiv 171 Rechtfertigung 260 ff. Samen 427 Sperrwirkung 427, 472 Straflose Vorbereitung 428 Subjektiver Tatbestand 170 ff. Tätigkeitsdelikt, konkretisiertes 344, 427 – Teilakt des Handeltreibens 478 ff. – Unterlassen 353, 376, 378 ff. – Unternehmensdelikt 45, 432 – Versuch 427 f. – Wohnung 378 ff. – Zubehör 428 Anfertigen, siehe Herstellen Angehörige – eigenverantwortliche Selbstgefährdung 138 – Entschuldigender Notstand 257 – Mutter 255 – Rechtfertigender Notstand 249 – Wegnahme von Drogen 249 Angemessenheit 257, 269 ff. Anhaftungen 478 animus auctoris 574 animus-Formel 574 animus socii 574 Anlagen des BtMG 262 ff. – Betäubungsmittelbegriff 292 – Positivliste 41 – Tatbestandsirrtum 299 – Verbotsirrtum 319 – Verschreibung 262 – Zugehörigkeitsirrtum 306 Anrechnung der Therapiezeit 29 Anstiftung 546 ff. – Abstiftung 163 – Agent provocateur 553 ff. – Bedeutung 550
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Sachwortverzeichnis
– Bestellfälle 605 ff. – Bestimmen 551 – Doppelter Anstiftervorsatz 552 Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis, siehe Erlaubnis Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts, siehe Strafanwendungsrecht Apotheker – Berufsbedingte Beihilfe 568 – Fahrlässige Abgabe 215 – Inverkehrbringen 214 ff., 364 – Strafbarkeit 42, 50 – Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums 314 – Vorsatzbezugspunkt 174 ff. Äquivalenztheorie 116 Arzneimittel 36 f. – Abgrenzung 36 – Besitz 49 – Cannabis als Arznei 260 ff. – Dolus alternativus 300 – Gefahrenquelle 228 – Inverkehrbringen 228 – Zulassung 266 Arzt – Anlagenirrtum 306 – Begründetheit der Verschreibung 50 – Berufsbedingte Beihilfe 568 – Garantenstellung 360 – Indikation 174 ff. – Inverkehrbringen 214 ff., 364 – Strafbarkeit 42, 50 – Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums 314 – Vorsatzbezugspunkt 174 ff. Atypischer Kausalverlauf 150 ff., 176 ff. Aufbewahrungssorgfaltspflicht 99, 214 Auffangtatbestand – Besitz 110 – Gewähren einer Konsumgelegenheit 572 – Handeltreiben 437 – Inverkehrbringen 212 – Sich-Verschaffen 48 Aufforderung zum Verbrauch 52, 162
Aufklärungshilfe 29, 39, – Aufklärungshilfe de lege ferenda 511 – Entdeckung der Tat 516 – Freiwilligkeit 514 – Glaubwürdigkeit 516, 519 – Tätige Reue 521 Aulinger-Studie 29 Ausdehnungsmodell 284 Ausführen, siehe Einfuhr – Definition 46 – Fahrlässigkeit 189 ff., 201 – Irrtum 189, 289 – Kausalität 118 – Täterschaft – Teilnahme 599 ff. – Unterlassen 331, 364 – Versuch 413 ff. – Vorsatz 177 ff. Ausgenommene Zubereitungen, siehe auch Herstellen 42, 426 Auslegung – Allgemeiner Teil 62 – Anbau 427 – Durchfuhr 176 f. – Erfolgsdelikt 339, 345 ff. – Fahrlässigkeit 206 – Handeltreiben 44, 46, 75, 158, 330, 430, 481 – Historische Auslegung 434 – Teleologische Reduktion 70 – Wortlaut 432 Ausnahmegenehmigung, siehe Erlaubnis Ausnahmemodell 284 Ausnahmen von der Erlaubnispflicht – Irrtum 311 – Sell-Bust-Operation 252 ff. – Systematik 43 – Tatbestandsausschließungsgrund 240 – Verschreibung 262 Außenwelterfolg, siehe Erfolg Badewannenfall 586, 600 Bagatelle 610
Sachwortverzeichnis Bandendelikte 55, 141, 506, 518, 545 Bearbeiten, siehe Herstellung Bedingter Vorsatz, siehe Dolus eventualis Beendigung – Abgrenzung zur Vollendung, siehe unmittelbares Ansetzen – Einfuhr 413 ff., 420 – Erklärungstheorie 49, 501 – Handeltreiben 473 f. – Sukzessive Beteiligung 566, 597, 598 f. – Transportdelikte 413 ff., 420 – Verfügungswechseldelikte 422 ff. Beförderung, siehe Einfuhr Begegnungsdelikt 547 Begleiter – Beihilfe 376 – Einfuhrfahrt 377 – Unterlassen 377 Begünstigung 458 Behandlung 174 Beifahrer, siehe Begleiter Beihilfe – Agent Provocateur 553 ff. – Anbau 378, 583 620 f. – Berufsbedingte Beihilfe 567 ff. – Besitz 617 – Doppelter Gehilfenvorsatz 573 – durch Unterlassen 376 – Einfuhr 377, 599 ff., 613 – Einzelaktsbetrachtung 581 – Erklärungslösung 596 – Erwerb 616 – Gesamtgeschäft 588 – Handeltreiben 577 ff. – Hilfeleisten 560 – Kausalität 561 – Kurier 584, 588 – Neutrales Verhalten 567 ff. – Physische Beihilfe 560 – Psychische Beihilfe 561 – Tatprovokation 553 – Versuch 563 f.
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Beitreibung des Kaufpreises 458 Bereitstellen von Geldmitteln 52 – Beihilfe 622 – Definition 52 – Handeltreiben 456 Berufsbedingte Beihilfe, siehe Beihilfe Beschaffung 473 Beschützergarant, siehe Garantenstellung Besitz – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 619 – Beihilfe 619 – Besitzwille 95 – Beweiserleichterung 95, 107 – Bundesverfassungsgericht 97 – Definition 95 – Depot 442 – Echtes Unterlassungsdelikt 105, 386 – Eigenbesitz 96 – Erwerb 95 – Fahrlässigkeit 100 – Fremdbesitz 96 – Handeltreiben 442, 586 – Handlungsdogma 94 – Herrschaftswille 95, 101 – Kriminalpolitische Lücken 108 ff. – Mitbesitz 618 – Mittäterschaft 618 – Nemo Tenetur 113 f. – Sachherrschaft 95 f., 101 – Sonderdelikt 544, 617 – Teilnahme 102 – Verfassungsrechtliche Legitimation 97 f., 100, 112 – Verfügungsmacht 95, 178 – Vernichtung 107 – Vorrätighalten 442 – Vorsatz 101, 107 – Wortlaut 110 – Zustandsdelikt 99 Besitzwille, siehe Besitz Besondere Absichten, siehe Eigennützigkeit
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Sachwortverzeichnis
Besondere persönliche Merkmale – Abgabe 536 – Apotheker 52, 59 – Arzt 52, 59 – Bande 545 – Besitz 544, 617 – Verfügungsmacht 95, 178 Besondere subjektive Merkmale, siehe Eigennützigkeit Besonders schwere Fälle 40 Bestimmen 551 – Definition 551 f. – Omnimodo facturus 551 Bestimmtheit des Teilnehmervorsatzes 552 Bestimmtheitsgrundsatz – actio libera in causa 284 – Allgemeiner Teil 60, 62 – Auslegung 158 – Betäubungsmittelstrafrecht 32 – Erlaubnis 246 – Handeltreiben 342, 430 f., 481, 483, 526 Betäubungsmittel 262 ff. – Anlagen 262 ff. – Begriff 292 – Irrtum 170, 299 – Positivliste 41 Betäubungsmittelabhängigkeit 40, 281 ff. Betäubungsmittelanhaftungen, siehe Anhaftungen Betäubungsmittelart 170, 299 – error in obiecto 170 – Vorsatz 169 f. Betäubungsmittelimitate 54 – Handel 54 – Irrtum 460 Betäubungsmittelmenge, siehe Menge, nicht geringe Betäubungsmittelrückstände, siehe Anhaftungen Betäubungsmittelstrafrecht 37
– Begriff 37 – Drogenstrafrecht 37 Betäubungsmittelutensilien 620 Beteiligung – Abgrenzung, siehe Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme – Alleintäterschaft 533 – Anstiftung 550 ff. – Beihilfe 376 ff., 560 ff. – Dreiteilung 533 – Dualistisches Beteiligungssystem 533 – Eigenhändige Delikte 285, 405, 535 – Mittäterschaft 540 ff. – Mittelbare Täterschaft 535 ff. – Nebentäterschaft 364, 533 ff. – Sonderdelikte 536, 542, 544, 574 Betrug 38, 168 Beweiswürdigung – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 575 – Handeltreiben 465 ff. – Kausalität 118 – Nötigungsnotstand 259 – Vorsatz 166, 187 Bewertungseinheit 345, 503 – Gesamtgeschäft 588 – Güterumsatz 438 – Handeltreiben 437, 503 – Täterschaft – Teilnahme 588 Bewusste Fahrlässigkeit, siehe Fahrlässigkeit Bewusstsein der Rechtswidrigkeit, siehe Unrechtsbewusstsein Billigungstheorie 186 Blankettstraftatbestände 38 – Irrtum 170, 291 f., 303 ff. – Nebenstrafrecht 59 Bodypacker 177 ff., 534, 588, 600, 602 Bodystuffer, siehe Bodypacker Brechmittelfall 180 Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte, siehe Erlaubnis Bunker 458
Sachwortverzeichnis Cannabis – Behandlung 260 ff. – Fahrlässigkeit 219 – Fertigarzneimittel 266 – Motiv 171 – Samen 427 – Sativex 266 Cannabisbeschluss des BVerfG 73 ff. Chauffeurtätigkeit 458 Chemische Verbindung 292 ff. – Betäubungsmitteleigenschaft 296 – Irrtum 299 Chrystal 379 Conditio sine qua non-Formel 116 Darlehensverträge 456 Dauerdelikt 396 – Besitz 619 – Handeltreiben 473 f., 519, 596 Dauergefahr 233, 248 Dazwischentreten des Opfers, siehe eigenverantwortliche Selbstgefährdung Dazwischentreten von Dritten 118 f. Deliktsaufbau, siehe auch Verbrechenslehre – Objektiver Tatbestand 91 ff. – Rechtswidrigkeit 230 ff. – Schuld 280 ff. – Subjektiver Tatbestand 166 ff. – zweigliedriger, dreigliedriger 87 f. Deliktstypen 334 ff. Dereliktion 162, 213 Designerdrogen 59, 118, 428 Deskriptives Tatbestandsmerkmal 290 Determinismus 281 Diebstahl – als Teilakt des Handeltreibens 444 – Drogen 37 Direkter Vorsatz, siehe auch Vorsatz Dolus, siehe Vorsatz Dolus eventualis, siehe Abgrenzung Dolus Eventualis – Bewusste Fahrlässigkeit Doppelbestrafungsverbot 505
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Doppelfunktion des Vorsatzes 89 f. Drogenabhängigkeit, siehe Betäubungsmittelabhängigkeit Drogenarztfall 368 Drogenkonsumräume 52 Drogenkorso 614 Drogenkurier, siehe Kurier Drogenversteck 180 Duftkissenfall 316 Duldungspflicht 159 Durchfuhr – Abgrenzung zur Einfuhr 177 ff. – Definition 46 – Drogenkorso 614 – Simultaneitätsprinzip 179 f. – Transitfälle 179 – Verfügungsmacht 178 Echtes Sonderdelikt, siehe Sonderdelikt Echtes Unterlassungsdelikt – Abgrenzung unechtes Unterlassungsdelikt 329 – Besitz als echtes Unterlassungsdelikt 105 ff. – Handeltreiben als Unterlassungsdelikt 330 – Verfassungsrechtliche Grenzen 112 – Voraussetzungen 106 – Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens 385 Eigenhändiges Delikt 285, 405, 535 – actio libera in causa 286 – Definition 535 – Eigenhändigkeitsformel 533 f., 594, 596, 599, 603, 605 – Einfuhr 603 Eigennützigkeit 43 – Definition 44, 222 – Fahrlässigkeit 223 – Handeltreiben 223 f. Eigenverantwortliche Selbstgefährdung 121 ff. – Abgrenzung Einwilligung 126
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Sachwortverzeichnis
– Betäubungsmitteldelikte 128 ff. – Betäubungsmittelüberlassung zum Suizid 144 ff. – Definition 121 – Doppelte Akzessorietät 127 – Einverständliche Fremdgefährdung 126 – Garantenstellung 368, 372 ff. – GBL-Fall 374 – Körperverletzungsdelikte 122 ff. – Leichtfertige Todesverursachung 368 – Wissensgefälle 373 f. Einfuhr – Abgrenzung zur Durchfuhr 177 ff. – Atypischer Kausalverlauf 150 ff., 176 ff. – Bestellfälle 605 ff. – Cadaver-Connection 420 – Definition 405 ff. – Drogenkorso 614 – Eigenhändigkeitsformel 533 f., 594, 596, 599, 603 – Fahrlässigkeit 201 – Gepäckfälle 189 f., 201 – Gestellungspflicht 406 – Hotelaufenthalt 416 – Körperschmuggler 177 ff., 419, 534 – Kurierfahrt 458, 584, 588 – Landweg 414 – Letzte Ausfahrt 415 – Luftweg 417 – Mittäterschaft 411, 613 – Mittelbare Täterschaft 417 – Münzhändlerfall 411 – Nebentäterschaft 189 f., 201 – Postsendung 419 – Schmuggelversteck 180 – Straflose Vorbereitung 420 – Transportartakzessorietät 414 – Verbringenlassen 605 – Vorgeschobene Grenzdienststelle 405 – Wanduhrfall 409 – Unterlassen 364 f.
Einheitstäterschaft 529, 533, 535, 572, 578, 596 Einkaufsgemeinschaft 544 Einstellung 29, 45, 55, 507 Einverständnis, tatbestandsausschließendes 236 ff. – Einverständliche Fremdgefährdung 126 – Erlaubnis 236 Einzelaktstheorie 522 Einzellösung 411 f. Eltern, siehe auch Garantenstellung – Notstand 249 – Risikoverringerung 159 ff. – Unterlassungsstrafbarkeit 359 Emetica, siehe Brechmittel Entschuldigender Notstand, siehe Notstand Entsprechungsklausel, siehe auch Unterlassen Erfolgsdelikt – Abgrenzung Erfolgsdelikt/schlichtes Tätigkeitsdelikt 336 ff., 343 – Begriff 336 – Deliktskategorien 336 – Deliktstrias 343 – Multiples Tätigkeitsdelikt 344 – Verletzungsdelikt 338 Erfolgsqualifikation 133 ff., 366 – Eigenverantwortliche Selbstgefährdung 133 ff. – Gefahrverwirklichungszusammenhang 148 – Gemeindepfarrerfall 144 ff. – Ingerenz 368 – Leichtfertige Todesverursachung 57 – Rechtsgütersplitt 136 – Suizid 144 ff. Erforderlichkeit 251, 259 Erfüllungsgeschäft 439 ff. Erklärungsdelikt 495 ff. – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme, 596
Sachwortverzeichnis – Handeltreiben 495 – Versuch 468, 497 Erkundigungspflicht, siehe Verbotsirrtum Erlaubnis 236 ff. – Antragsverfahren 236 – Ausgenommene Zubereitung 42 – Ausnahmen 240, 252 ff., 311 – Behördliche Zugangskontrolle 243 – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 235 – Bundesopiumstelle 236 – Erschlichene Erlaubnis 246 – Irrtum 306, 310 – Notstand 269, 277 – Rechtliche Einordnung, 239 ff. – Sichverschaffen in sonstiger Weise 49 – Verwaltungsakzessorietät 236 Erlaubnisirrtum 306, 310, siehe auch Irrtum Erlaubnistatbestandsirrtum 240 Erlaubtes Risiko 154 f. Erpressung 38 Error in obiecto 170 Erschleichen von Betäubungsmittelverschreibungen 52, 246 Erwerb – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme – Bote 424 – Beendigung 422 – Cannabis 260 ff. – Definition 48 – Notstand 268 ff. – Versuch 422 Eventualvorsatz, siehe Abgrenzung Dolus Eventualis – Bewusste Fahrlässigkeit Extensive Auslegung – Begriff des Handeltreibens 433 – Legitimierbarkeit 502 ff. Exzess 544 Fahrlässigkeit – Anbau 220 – Arzt 174
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– Besitz 195 – Definition 198 ff. – Doppelte Strafbarkeitsvorverlagerung 204 – Eigennützigkeit 222 – Einfuhr 201 ff. – Einschränkung 226 ff. – Ermöglichung des Drogenumlaufs 204 – Fallgruppen 212 ff. – Handeltreiben 202 f., 220 ff. – Inverkehrbringen 212 ff. – Leichtfertigkeit 207 ff. – Luxuria 218 – Maßstab 200 – Mittäterschaft 197 – Nebentäterschaft 198 – Rezepte 215 – Schlichte Tätigkeitsdelikte 197 f. – Sichverschaffen in sonstiger Weise 220 – Sorgfaltspflichtverletzung 196, 199 f., 211 – Tatbestand 198 f. – Todesverursachung 206 f. – Unterlassen 361, 364 – Verabreichen 220 – Verbrauchsüberlassung 220 – Verhältnis zur Vorsatztat 194 – Verschreiben 218 ff. – Vorhersehbarkeit 196, 211 f. – Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination 197 – Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens 206 Fahrzeuge 456 Fakultative Strafmilderung – Unterlassen 388 – Tätige Reue 511 – Versuch 433 Fehlgeschlagener Versuch 522 Feilbieten 442 Feilhalten 442
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Sachwortverzeichnis
Feindstrafrecht 67, 525 Finanzierungsgeschäfte 456 Fremdbesitz 96 Fremdgefährdung, siehe eigenverantwortliche Selbstgefährdung Formal-objektive Theorie, Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme Fortgesetzte Handlung 345 Fragmentarischer Charakter des Strafrechts 36 Freiwilligkeit 514 Funktionaler Schuldbegriff 280 Funktionales Strafrechtssystem 79 Garantenpflicht, siehe Unterlassen Garantenstellung, siehe auch Unterlassen – Amtsträger 360 – Angehörige 360 – Beschützergarantenstellung 359 f. – Echtes Unterlassungsdelikt 105 ff., 329 – Enge, natürliche Verbundenheit 359 – Funktionenlehre 359 – Gefahrengemeinschaft 369 – Gefahrenquelle 361 f. – Ingerenz 362 – Konsumgemeinschaft 369 – Personensorge 363 – Pflichtenkollision 385 – Tatsächliche Übernahme 362 – Überwachergarantenstellung 361 – Vorverhalten 362 – Wohnungsinhaber 378 Gastwirt 389 – Berufsbedingte Tatbestandsverwirklichung 569 – Konsumermöglichung 389 – Unterlassen 389 Gefahr, siehe Notstand Gefährdungsdelikte – Abstrakte Gefährdungsdelikte 334 f. – Abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte 488 – Eignungsdelikte 488
– Konkrete Gefährdungsdelikte 335 – Teleologische Reduktion 70 Gefahrzusammenhang, tatbestandsspezifischer 148 Gegenwärtigkeit, siehe Notstand Geldmittel, siehe Bereitstellen von Geldmitteln Geldwäsche 37, 456 Geltungsbereich des deutschen Strafrechts, siehe Strafanwendungsrecht Gemeindepfarrerfall 144 ff. Gemeinsamer Tatentschluss, siehe Mittäterschaft Gemischt objektiv-subjektive Theorie, siehe Versuch, siehe Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme Geringe Menge, siehe Menge Gesamtbetrachtung, normative 575 Gesamtbetrachtungslehre 522 Gesamtlösung 411 f. Gesamtunrechtstatbestand 89 f. Gesetzesänderung 313, 315 Gesetzlichkeitsprinzip, siehe Bestimmtheitsgrundsatz Gestellungspflicht 406 Gewähren einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe – Berufsbedingtes Verhalten 569 – Unterlassen 389 Gewähren einer Gelegenheit zum Verbrauch 389 Gewerbsmäßigkeit 506 Gleichgültigkeitstheorie 186 Großdealer 141 Grundformel der objektiven Zurechnung 119 Grundstoffe 37 – Definition 37 – Handeltreiben 456 Grundstückseigentümer 378 ff. Grundtatbestand 42 ff. Güterabwägung, siehe Notstand
Sachwortverzeichnis Handeltreiben – Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme 573 ff. – actio libera in causa 286 – Anbau 439 – Anfragebeschluss des Dritten Senats 435 – Ankauf 459 – Ankaufsbemühung 464, 491 f. – Anwerben eines Kuriers 453 ff. – Beendigung des Handeltreibens 473 – Bereithalten 442 – Besitz 442 – Besitzbegründung 469 – Beteiligung 448 – Bewertungseinheit 503 – Darlehen 456 – Definition 43, 430 ff., 496 – Deliktstyp 432 – Diebstahl 444 – Dogmatik des Handeltreibens 475 ff. – Einfuhr als Teilakt 452 – Einfuhrbemühungen 453 – Einheitstäterschaft 571 – Einschränkungsmodelle 484 ff. – Einzelaktsbetrachtung 581 – Erfüllungsgeschäft 439 ff. – Erklärungsdelikt 495 ff. – Ernstlichkeit des Angebots 465 – Erscheinungsformen 437 ff. – Fahrlässigkeit 219 – Fahrzeug 456 – Finanzierung 456 – Feilhalten 442 – Geschichte 433 – Große Senatsentscheidung 435 – Grundstoffe 456 – Handlung 92 – Handlungskatalog 493 – Herstellung 439 – Historie 433 – Irrtum 307 f. – Kausalität 116
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Klammerzusatz 502 Kleindealer Kommissionsgeschäft 459 Konkretes Gefährdungsdelikt 489 Kurierrechtsprechung 584, 588 Lagern 442 Lieferengpass 464 Manifestationstheorie 475 Multiples Tätigkeitsdelikt 342, 344 Nichtgeringe Menge 193 Nötigungsnotstand 255 Portionieren 451 Probekauf 459 Produktion 439 Rippdealer 464 Risikoverringerung 163 f. Scheinaufkäufer 464 Schenkung 458 Sicherstellung 464 Silotheorie 503 Sonstige Chauffeurtätigkeit 458 Sperrwirkung des Anbautatbestands 472 Strafanwendungsrecht 505 Straflose Vorbereitung 472 Streckmittel 456 Sukzessive Beteiligung 598 Tätige Reue 517 ff. Tatrichterliche Beweiswürdigung 465 Tatwerkzeug 456 Tausch 459 Teilakte 437 ff. Umsatzerfolg 486 Transport im Inland 452 Umsatzgefahr 489 Unterlassen 376 Verbotsirrtum 318 Verdeckter Ermittler Verjährung 475 Verkauf 459 Verkaufsbemühung 459 Vermittlung 486
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Sachwortverzeichnis
– Verpacken 451 – Verpflichtungsgeschäft 458 ff. – Versuch 430 ff. – Versuchskonstellationen 467 ff. – Vorsatz 172 – Vertragstheorie 491 – Verwechslung 464 – V-Mann 464 – Vorrätighalten 442 – Überwachung 464 – Umsatzwille 431, 465, 476 f. Handlung 91 ff. – Abgrenzungsfunktion 91 – Besitz, siehe Besitz – Besitzdelikt 95 ff. – Betäubungsmittelrecht 92 – Definition 91 – Handlungslehren 92 – Limitierungsfunktion 92 Hemmschwellentheorie, siehe Vorsatz Heroinspritzenfall 124 Herstellung – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 620 – Ausgenommene Zubereitungen 42, 426 – Definition 45, 426, 620 f. – Fahrlässigkeit 220 – Gefahrenherd 380 – Irrtum 292 ff. – Motiv 171 – Rechtfertigung 260 ff. – Reinigen 46 – Subjektiver Tatbestand 170 ff. – Straflose Vorbereitung 428 – Tätigkeitsdelikt, konkretisiertes 344, 427 – Teilakt des Handeltreibens 478 ff. – Unterlassen 353, 376, 378 ff. – Unternehmensdelikt 45, 432 – Versuch 427 f. Hoheitsträger 236
Hypothetischer Kausalverlauf, siehe Kausalität Imitate 54, 460 Indeterminismus 581 Indirekter Verbotsirrtum, siehe Erlaubnisirrtum Individualrechtsgüter, siehe Rechtsgut Indizwirkung des Tatbestands 89 f. Ingerenz, siehe Garantenstellung Interessensabwägung, siehe Notstand Inverkehrbringen, sonstiges – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 616 – Ärzte 217 – Definition 48 – Einschränkung der Fahrlässigkeitshaftung 226 ff. – Fahrlässigkeit 212 ff. – Grundfälle 213 – Mittelbares Inverkehrbringen 218 – Sonderdelikt 217 – Unterlassen 364 – Verschreiben von Betäubungsmitteln 217 – Versuch 425 Irrtum – Aberratio ictus 425 – Abgrenzung Tatbestand – Verbotsirrtum 309 – Anbau 292 ff. – Atypischer Kausalverlauf 150 ff., 176 ff. – Betäubungsmitteleigenschaft 299 – Betäubungsmittelimitat 460 – Blankettirrtum 170, 291 f., 303 ff. – Deskriptives Merkmal 290 – Dolus alternativus 300 – Dolus subsequens 176 – Einfuhr 177 ff. – Erlaubnisirrtum 306, 310 – Erlaubnistatbestandsirrtum 240 – Error in obiecto 170
Sachwortverzeichnis – Handeltreiben 305 – Kausalverlauf 150 ff., 176 ff. – Normatives Tatbestandsmerkmal 290 f., 304, 307 – Parallelwertung in der Laiensphäre 305 – Rauschgiftkonsistenz 292, 299 – Subsumtionsirrtum 290, 305 – Tatbestandsirrtum 292 ff. – Umgekehrter Tatbestandsirrtum 298 f. – Untauglicher Versuch 298 f., 464 – Verbotsirrtum 310 ff. – Vermeidbarkeit 311 – Wahndelikt 298 Jugendschutz 84 f. – Minderjährigenschutz 54 – Rechtsgut 84 f. Kaufverhandlungen 464, 491 f. Kausalität – Abbruch des Kausalzusammenhangs 119 – Abbruch durch Drittverhalten 119 – Alternative Kausalität 118 – Äquivalenztheorie 116 – Atypischer Kausalverlauf 150 ff., 176 ff. – Condicio sine qua non-Formel 116 – Kumulative Kausalität 118 – Mitursächlichkeit 118 – Quasi-Kausalität 331 – Regressverbot 119 – Reserveursache 118 – Überholende Kausalität 118 – Wirkungsweise 186 Klammerwirkung, siehe Bewertungseinheit Kognitive Theorien 185 f. Koinzidenzprinzip, siehe Simultaneitätsprinzip Kokainsverwechslungsfall 125, 368 ff. Kommissionsgeschäft 459
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Konkretes Gefährdungsdelikt 489 Konkretisiertes Tätigkeitsdelikt 344, 427 Konsum 53, 162 – Konsumgemeinschaft 369 – Konsumräume 162 – Leichtfertigkeit 209 – Straflosigkeit 53 Kontrollierter Transport 407 ff. Konvergenzdelikte 547 Körperschmuggler, siehe Bodypacker Kriminelle Vereinigungen 40, 72 – Multiples Tätigkeitsdelikt 342, 344 – Rechtsgut 72 Kronzeugenregelung – Aufklärungshilfe 29, 39 – Aufklärungshilfe de lege ferenda 511 – Entdeckung der Tat 516 – Freiwilligkeit 514 – Tätige Reue 521 Kumulativer Vorsatz, siehe Vorsatz Kurier – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 584, 588, 591 – Eigenhändigkeitsformel 533 f., 594, 596, 599, 603, 605 – Einfuhr 417 – Einzelaktsbetrachtung 581 – Handeltreiben 581, 584, 588, 591 – Kurierrechtsprechung 588, 591 – Vorzeichenumkehr 592 Landweg, siehe Einfuhr Lehre vom Verbrechen, siehe Verbrechenslehre Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen 89 f. Lehrer-Fall 251 Leibwächter 545 Leichtfertige Todesverursachung, siehe auch eigenverantwortliche Selbstgefährdung – Betäubungsmittelüberlassung zum Suizid 144 ff.
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Sachwortverzeichnis
– Gemeindepfarrerfall 144 ff. – Rechtsgütersplitt 136 Leichtfertigkeit 207 ff. Limitierte Akzessorietät 547 Lockspitzel, siehe agent provocateur Luftweg, siehe Einfuhr Luxuria 218, siehe auch Fahrlässigkeit Manifestation – Erklärungstheorie 496 – Handeltreiben 475 ff. – Unmittelbares Ansetzen 398 Materiell-objektive Theorie, siehe Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme Minderjährige, siehe Jugendschutz Mitbesitz, siehe Besitz Mitsichführen von Waffen 544 f. Mittäterschaft, siehe auch Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme – Anbau 376, 378, 620 – Bandenmerkmal 545 f. – Besitz 617 – Beteiligungsminus 541 f. – Einfuhr 599 ff. – Einzellösung 411 f. – Erwerb 616 – Exzess 544 – Fahrlässigkeit 197 – Gesamtlösung 411 f. – Großhändler 539 – Handeltreiben 543, 577 ff. – Mafiapate 539 – Münzhändlerfall 411 – „Plus“ im Vorbereitungsstadium 541 f. – Rauschgiftmengen 543 – Sukzessive Mittäterschaft 566, 597, 598 f. – Tatausführung, gemeinsame 541 – Tatplan, gemeinsamer 540 f. – Unterlassen 376 ff. – Vermeintliche Mittäterschaft 411 – Versuchsbeginn 411 f.
Mitteilen einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe Mitteilen einer Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch – Berufsbedingtes Verhalten 571 – Definition 52 Mittelbare Täterschaft 535 ff. – Bedeutung 537 – Definition 535 – Eigenhändige Delikte 285, 405, 535 – Einfuhr 419 ff., 601 ff. – Handeltreiben 537 – Normative Tatherrschaft 537 – Organisationsherrschaft 537 – Sonderdelikte 536, 542, 544, 574 – Strafbarkeitsdefizit 535 – Verbringenlassen von Betäubungsmitteln 605 – Werkzeugeigenschaft 535 Modalitätenäquivalenz, siehe Unterlassen Möglichkeitstheorie, siehe Abgrenzung Dolus Eventualis – Bewusste Fahrlässigkeit Multiples Tätigkeitsdelikt 342, 344 Münzhändlerfall 411 Nebenstrafrecht 58 ff. – Allgemeiner Teil 60 ff. – Gesetzgebungsprinzipien 59 f. ne bis in idem, siehe Doppelbestrafungsverbot Nebentäterschaft 189 f., 201 Neutrales Verhalten, siehe auch Beihilfe Nicht geringe Menge 28 – Einfuhr 46 – Handeltreiben 55 – Irrtum 302 – Verabredung zu einem Verbrechen 523 f. – Vorsatz 193 Normative Gesamtbetrachtung 575 Normative Schuldlehre 280
Sachwortverzeichnis Normative Tatbestandsmerkmale 290, 304, 307 – Abgrenzung deskriptive – normative Merkmale 290 – Irrtum 304, 307 Nötigungsnotstand, siehe Notstand Notstand 231 f., 248 ff. – Angemessenheit 257, 269 ff. – Cannabisbehandlung 260 ff. – Dauergefahr 233, 248 – Erforderlichkeit 251, 259 – Erlaubnis 239 ff. – Entschuldigender Notstand 257 – Fallgruppen 249 ff. – Gefahr 233 – Gegenwärtigkeit 261 – Interessensabwägung 234, 251, 260 – Konkurrenz zu § 3 BtMG 249 ff., 277 ff. – Nötigungsnotstand 255 – Rechtsgüter der Allgemeinheit 235 – Rechtsgutsträger 235 – Rettungswille 259 – Sicherstellung 249 – Vernichtung von Betäubungsmitteln 249 – Verschulden der Notstandslage 271 – Wegnahme von Drogen 249 Notwehr 231 f. – Bedeutung 231 – Fallgruppen 232 Notwendige Teilnahme 547 ff. – Abgabe 548 – Begegnungsdelikt 547 – Definition 548 – Erwerb 549 – Konvergenzdelikte 547 Nulla poena sine lege, siehe Bestimmtheitsgrundsatz Objektive Tatbestandsmerkmale 89 ff. Objektive Theorie, siehe Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme
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Objektive Zurechnung 119 ff. – Atypischer Kausalverlauf 150 ff., 176 ff. – Eigenverantwortliche Selbstgefährdung 121 ff. – Erlaubtes Risiko 155 – Pflichtwidrigkeitszusammenhang 154 – Risikoverringerung 158 – Schutzzweck der Norm 156 Objektsverwechslung, siehe Irrtum Omnimodo facturus 551 Ontologischer Handlungsbegriff 91 Organisationsgefahr 537 Organisationsherrschaft 537 Organisierte Kriminalität 82 ff. Parallelwertung in der Laiensphäre 305 Pflichtenkollision 385 Physische Beihilfe, siehe Beihilfe Pilzfall 316 Positivliste 41 Probekauf 459 Produktion, siehe Anbau Professionelle Adäquanz 568 Pseudo-Drogen, siehe Betäubungsmittelimitate Psychische Beihilfe, siehe Beihilfe Qualifikationen – Bandenbegriff 55, 141, 506, 518, 545 – Friktionen 504 – Handel mit Waffen 544 Quasi-Kausalität 331 Radbruchsche Formel 326 Raucherrunde 52 – Abgabe 52 – Konsumgemeinschaft 369 – Unmittelbare Verbrauchsüberlassung 52 Rauschgift, siehe Betäubungsmittel Rauschgiftkurier, siehe Kurier Recht auf Rausch 264 Rechtfertigender Notstand, siehe Notstand Rechtfertigung 231 ff. – Begriff 230 f.
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Sachwortverzeichnis
– Rechtfertigungsgründe 213 ff. – Tatbestandsausschluss 237 ff. – Subjektives Rechtfertigungselement 259 Rechtsauskunft, siehe Verbotsirrtum Rechtsbewährungsgedanke 257 Rechtsgeschäft 459 Rechtsgut 67 ff. – Cannabisbeschluss 73 f. – Drogenfreies Zusammenleben 81 – Hypostasierung 80 – Individualrechtsgut 77 – Jugendschutz 84 – Kollektivrechtsgut 79 ff. – Körperliche Unversehrtheit 77 f. – Leben 77 – Leib 77 – Organisierte Kriminalität 82 – Rechtsgüterschutz 67 – Rechtsgutsdoktrin 68 ff. – Rechtsgutsträger 71 – Rechtsgutsverletzung 68 – Universalrechtsgut 79 ff. – Volksgesundheit 74 Rechtsverordnung 53 Rechtswidrigkeit, siehe auch Verbrechenslehre Regelbeispiele 40 Regressverbot 119 Reinigungsmittelfall 374 Ripp-Dealer 464 Risikoverringerung 158 ff., siehe auch agent provocateur Rücktritt, siehe Versuch Sachherrschaft, siehe Besitz Scheinaufkäufer 464 Schenkung 458 Schlichtes Tätigkeitsdelikt 343 – Fahrlässigkeit 219 – Unterlassen 376 – Versuch 426 ff. Schlucker, siehe Bodypacker
Schmuggelverstecke, siehe Durchfuhr Schuld 280 ff. – actio libera in causa 283 ff. – Determinismus 281 – Entschuldigender Notstand 255, 280 – Entschuldigungsgründe 280 – Funktioneller Schuldbegriff 280 – Normative Schuldlehre 280 – Schuldbegriff 280 – Schuldunfähigkeit 281 – Verbotsirrtum, siehe dort Schule, siehe Lehrer-Fall Schutzzweckzusammenhang 156 Selbstgefährdung, siehe eigenverantwortliche Selbstgefährdung Selbstmord, siehe Suizid Selbstschädigung, siehe eigenverantwortliche Selbstgefährdung Sicherstellung 462 Sicherungspflichten, siehe Fahrlässigkeit Sichverschaffen in sonstiger Weise – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 616 – Definition 48 – Erfolg 422 – Erlaubnis 48 – Fahrlässigkeit 202 – Handeltreiben 443 ff. – Versuch 422 Silotheorie 503 Simultaneitätsprinzip 179 f. Sonderdelikt 59, 536, 542, 544, 574 Sorgfaltspflicht, siehe Fahrlässigkeit Sozialadäquanz 155 f. Staschynskijfall 531 Sterbehilfe 144 ff. Strafanwendungsrecht – Erfolg 350 – Vertrieb 433 – Weltrechtsprinzip 350 Strafgründe – Teilnahme 546 – Versuch 391 ff.
Sachwortverzeichnis Strafklageverbrauch, siehe Doppelbestrafungsverbot Straflose Vorbereitung – Abgeben 422 – Anbau 426 – Einfuhr 420 – Erwerb 422 – Handeltreiben 472, 497 – Herstellen 426 – Sichverschaffen 422 – Sonstiges Inverkehrbringen 422 Straftat, siehe Verbrechenslehre Streckmittel 456 Subjektive Theorie, siehe Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme Subjektiver Tatbestand, siehe Vorsatz Subsumtionsirrtum, siehe Irrtum Suchtstoffübereinkommen 76, 183, 227 f. Suizid 144 ff. Sukzessive Beteiligung, siehe auch Mittäterschaft Take-Home-Verordnung 214 Tatbestand 89 ff. – Begriff 89 – Deskriptive Tatbestandsmerkmale 290 – Normative Tatbestandsmerkmale 304, 307 – Tatbestandsirrtum, siehe Irrtum – Tatbestandsmodell 286 – Tatbestandsvorsatz, siehe Vorsatz Tatentschluss, siehe Versuch Täterschaft, siehe Beteiligung Tatherrschaft 576 – Definition 576 – Organisationsherrschaft 537 Tatherrschaftslehre 576 Tätige Reue 521 – Aufklärungshilfe de lege ferenda 511 – Entdeckung der Tat 516 – Freiwilligkeit 514 – Glaubwürdigkeit 516, 519
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Tätigkeitsdelikt 342 ff. – Konkretisiertes Tätigkeitsdelikt 344, 427 – Multiples Tätigkeitsdelikt 342, 344 – Schlichtes Tätigkeitsdelikt 343 Tausch 459 Teilnahme – Abstiftung 163 – Agent provocateur 553 ff. – Akzessorietät 546 – Anstiftung 550 – Beihilfe 560 – Eigenhändige Delikte 285, 405, 535 – Erscheinungsformen 546 – Fahrlässigkeitsdelikt – Omnimodo facturus 551 – Schuldteilnahme 546 – Strafgrund 546 Todesfolge, siehe Leichtfertige Todesverursachung Tötung, siehe eigenverantwortliche Selbstgefährdung Transitaufenthalt, siehe Durchfuhr Transportdelikte Tun, siehe Abgrenzung Tun – Unterlassen Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 621 – Definition 50 – Fahrlässigkeit 202 – Konsumgemeinschaft 369 – Leichtfertige Todesverursachung 206 ff. – Versuch 428 f. Überlegenes Wissen, siehe eigenverantwortliche Selbstgefährdung Überwachergarant, siehe Garantenstellung Umsatzwille, siehe Handeltreiben Umwandeln, siehe Herstellen Universalrechtsgut, siehe Rechtsgut Unmittelbare Täterschaft, siehe Täterschaft
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Sachwortverzeichnis
Unmittelbares Ansetzen, siehe Versuch Unrecht, siehe Verbrechenslehre Unrechtsbewusstsein, siehe Verbotsirrtum Untauglicher Versuch 298 f., 464 – Handeltreiben 464 – Irrtum 298 f. – Vermeintliche Mittäterschaft 411 ff. Unterlassen – Abgrenzung Tun – Unterlassen 327 – Besitz 105 ff. – Crack-Küche 381 – Echte Unterlassungsdelikte 329, 385 ff. – Entsprechungsklausel 384 – Erfolgsbegriff 345 ff. – Erfolgsqualifikation durch Unterlassen 366 ff. – Garantenpflicht 357 ff. – Garantenstellung 357 ff. – Garten 383 – Modalitätenäquivalenz 384 – Pflichtenkollision 385 – Quasikausalität 331 – Tätigkeitsdelikte 355 f., 376 ff. – Unechte Unterlassungsdelikte 331 ff. – Unterlassene Hilfeleistung 106 – Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens 385 Unternehmensdelikt 432 f. Unterschlagung 476 Verabredung zu einem Verbrechen 523 f. Verabreichen – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 621 – Definition 51 – Eigenverantwortliche Selbstgefährdung 131 – Fahrlässigkeit 219 – Körperverletzung 131 – Notwendige Teilnahme 549 – Versuch 428 Verarbeiten, siehe Herstellen, siehe Handeltreiben
Veräußern – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme 616 – Definition 48 – Entgeltlichkeit 48 – Versuch 422 Verbotsirrtum, siehe auch Irrtum – Airfresherfall 316 – Anlagen 262 ff. – Anlass 319 – Betäubungsmitteleigenschaft 299 – Designerdrogen 320 – Drei-Stufen-Modell 318 f. – Erkundigungspflicht 314 – Gewissensanspannung 311 f. – Nebenstrafrecht 318 – Pilzfall 316 – Rechtsauskunft 314 – Vermeidbarkeit 311 ff., 319 Verbrauchsüberlassung, siehe Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch Verbrechenslehre 89 – Dreistufiger Deliktsaufbau 89 f. – Neofinalistischer Verbrechensaufbau 325 – Zweigliedriger Verbrechensbegriff 89 Verbringungsdelikte, siehe Einfuhr Verdeckte Ermittler 252 ff. Verfügungsgewalt, tatsächliche, siehe Durchfuhr Verfügungswechseldelikte 422, 428, 542, 548 Verhaltensgebundene Delikte 341 Verjährung 475 Verkauf, siehe Handeltreiben Verkaufsbemühungen, siehe Handeltreiben Verklammerung 345, 503 Verletzungsdelikte 338 Vermeidbarkeit, siehe Verbotsirrtum Vermittlungsgeschäfte 486 Vernichtung von Betäubungsmitteln – Besitz 107
Sachwortverzeichnis – Rechtfertigung 248 Verpflichtungsgeschäfte, siehe Handeltreiben Verschaffen einer Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe – Berufsbedingtes Verhalten 569 – Definition 52 – Gastwirt 389 – Unterlassen 389 Verschreiben – Abgrenzung Täterschaft – Teilnahme – Anlagenirrtum 306 – Ärzte 217 – Definition 50 – Fahrlässigkeit – Rezept 215 – Sonderdelikt 50 – Versuch 428 Versteck 180 Versuch – Abgabe 422 – Ausfuhr 413 ff., 420 – Durchfuhr 179 – Einfuhr 413 ff. – Erklärungsdelikt 495 – Erwerb 422 – Feuerprobentheorie 391, 398 – Freiwilligkeit 514 – Gefährdungstheorie 400 f. – Gemischt objektiv-subjektive Theorie 399 – Gesamtbetrachtungslehre 575 – Gesamtlösung 411 f. – Grenze 413 ff. – Handeltreiben 467 – Inverkehrbringen 422 – Praktische Bedeutung 403 ff. – Rücktritt 521 ff. – Sichverschaffen 422 – Sphärentheorie 400 – Strafgrund 399
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– Tatentschluss 397 – Tätige Reue 507 – Teilaktstheorie 400 – Transferdelikte, siehe Einfuhr – Unmittelbares Ansetzen 398 – Untauglicher Versuch 298 f., 464 – Verbringungstatbestände, siehe Einfuhr – Willensimpuls 415 – Zwischenaktstheorie 400 Vertrieb, siehe Strafanwendungsrecht Verwahrung, siehe Besitz, siehe Handeltreiben Verwaltungsakt, siehe Erlaubnis Verwaltungsgerichtliches Verfahren 236 Volksgesundheit 79 Vollendung, siehe Versuch Voluntative Theorien 186 Vorbereitung, straflose, siehe straflose Vorbereitung Vorgeschobene Grenzdienstelle 405 Vorhersehbarkeit, siehe Fahrlässigkeit Vorrätighalten, siehe Besitz, siehe Handeltreiben Vorsatz 167 ff. – Absicht 167 – Besondere subjektive Merkmale 168 – Betäubungsmitteleigenschaft 170, 292 ff. – Direkter Vorsatz 167 – Dolus alternativus 299 – Dolus eventualis 183 ff. – Dolus subsequens 176 – Handeltreiben 172 – Kognitive Theorien 185 f. – Tatbestandsirrtum 292 – Vorgeschobene Grenzdienststelle 405 – Vorsatzbezugspunkte 170 Waffen 544 Wahndelikt, siehe Irrtum Wanduhrfall 409
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Sachwortverzeichnis
Wegnahme, siehe Diebstahl Werbung 52 Werkzeug, siehe Mittelbare Täterschaft Wohngemeinschaft, siehe Unterlassen Wohnungsinhaber, siehe Unterlassen
Zurechnung, siehe objektive Zurechnung Zurechnungszusammenhang, siehe objektive Zurechnung Zustandsdelikt 96 ff. Zwischenaktstheorie, siehe Versuch