Das Widerrufsrecht im Fernabsatz als Kauf auf Probe: Zum Gestaltungsspielraum des nationalen Umsetzungsgesetzgebers [1 ed.] 9783428532858, 9783428132850

Anhand des praktisch bedeutsamen Widerrufsrechts der Fernabsatz-Richtlinie untersucht Ingo Sparmann die Frage, welcher G

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German Pages 332 Year 2010

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Das Widerrufsrecht im Fernabsatz als Kauf auf Probe: Zum Gestaltungsspielraum des nationalen Umsetzungsgesetzgebers [1 ed.]
 9783428532858, 9783428132850

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 403

Das Widerrufsrecht im Fernabsatz als Kauf auf Probe Zum Gestaltungsspielraum des nationalen Umsetzungsgesetzgebers Von Ingo Sparmann

Duncker & Humblot · Berlin

INGO SPARMANN

Das Widerrufsrecht im Fernabsatz als Kauf auf Probe

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 403

Das Widerrufsrecht im Fernabsatz als Kauf auf Probe Zum Gestaltungsspielraum des nationalen Umsetzungsgesetzgebers

Von Ingo Sparmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: Werksatz · Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-13285-0 ISBN 978-3-428-53285-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-83285-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Bucerius Law School in Hamburg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Sommer 2008 berücksichtigt werden. Die mündliche Prüfung fand am 20. Juli 2009 statt. Bei der Entstehung der Arbeit habe ich viel Unterstützung erfahren, für die ich mich an dieser Stelle bedanken möchte. An erster Stelle möchte ich Frau Prof. Dr. Anne Röthel danken, die die vorliegende Arbeit betreut hat. Sie hat mich darin bekräftigt, das Widerrufsrecht im Fernabsatz zum Gegenstand meiner Dissertation zu machen, und mich bei Erstellung der Arbeit durch wertvolle Hinweise unterstützt. Ihre Begeisterung für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Europäischen Privatrecht hat mich inspiriert und motiviert. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr. Matthias Jacobs für die zeitnahe Erstellung des Zweitgutachtens. Dr. Benjamin Tachau gebührt großer Dank für wertvolle Denkanstöße und anregende Diskussionen zu meinem Dissertationsthema. Die mühsame Aufgabe des Korrekturlesens haben Marlies Fischer-Albrand und Dr. Heiko Biehl übernommen, Dr. Benjamin Heßeler hat mir bei der Formatierung geholfen – auch hierfür vielen Dank. Ein besonderer Dank geht an meine Eltern, ohne deren langjährige Unterstützung diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Bedanken möchte ich mich schließlich auch bei allen Freunden und Kollegen, die mich in der Zeit bis zur Fertigstellung meiner Dissertation unterstützt und insbesondere für die erforderliche Ablenkung gesorgt haben. Namentlich erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang meine langjährigen Weggefährten M. Burns und W. Smithers, die es geschafft haben, mich immer bei guter Laune zu halten. Berlin, im Mai 2010

Ingo Sparmann

Inhaltsübersicht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

23

Zum Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die wirtschaftliche Bedeutung des Fernabsatzhandels in Deutschland 2. Das Fernabsatzrecht als „neue“ Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die zu erwartende Überarbeitung der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkung der Untersuchung auf das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL beim Fernabsatz von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 25 26 27

II.

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

III.

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

B. Vorgaben des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

I.

Auslegung von Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rangfolge der Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II.

Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL im Hinblick auf das Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vor Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nach Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Vorgaben, die im Hinblick auf das Widerrufsrecht von Bedeutung sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

33 33 35 37 44 52 53 54 62 64 65

III.

Zielsetzung der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

IV.

Der Gemeinsame Referenzrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielsetzung des Gemeinsamen Referenzrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die widerrufsrechtlichen Regelungen des DCFR . . . . . . . . . . . . . . . .

68 68 69

C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . .

75

I.

Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

8

Inhaltsübersicht 1. Beschränkung des Gestaltungsspielraums durch detaillierte Richtlinienregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung des Gestaltungsspielraums durch das Ziel einer effektiven Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Vorgaben des EuGH für die Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis: Einbringen eigener Zielvorstellungen möglich . . . . . . . . . .

76 77 78 79

II.

Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Schaffung eines einheitlichen Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Vor Ausübung des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Ausübung des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4. Nach Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

III.

Ergebnis: Vereinbarkeit der Umsetzungsgesetzgebung mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte . . . 241 I.

Umsetzungsbedarf im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

II.

Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB . . . . . . . . . . . . . 1. Die Regelung in § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und § 355 Abs. 1 S. 1 BGB 2. Umsetzung außerhalb des BGB: Anknüpfung an § 4 FernUSG a.F. . 3. Das Widerrufsrecht als gesetzliches Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . 4. Zuordnung zum Allgemeinen Teil des BGB: das Widerrufsrecht als Anfechtungs- oder Widerrufsrecht i.S. des § 145 BGB . . . . . . . . . . . 5. Zuordnung zum besonderen Schuldrecht: Der Fernabsatzvertrag als besondere Form des Kaufs auf Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III.

242 242 254 258 265 277

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Zum Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23

1. Die wirtschaftliche Bedeutung des Fernabsatzhandels in Deutschland

25

2. Das Fernabsatzrecht als „neue“ Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

3. Die zu erwartende Überarbeitung der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . .

27

4. Beschränkung der Untersuchung auf das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL beim Fernabsatz von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

II.

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

III.

Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

B. Vorgaben des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

I.

Auslegung von Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

1. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

2. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

3. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

a) Berücksichtigung der Struktur der einzelnen Vorschrift . . . . . . . .

37

b) Berücksichtigung der äußeren Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

c) Berücksichtigung der inneren Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

aa) Möglichkeit eines Systemdenkens im Bereich des Europäischen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

(1) Systemdenken als ausschließlich „kontinentaleuropäische Methode“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

(2) Systembildung als Aufgabe des Gemeinschaftsgesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

(3) Der fragmentarische Charakter des Gemeinschaftsrechts

41

(4) Ergebnis: Idee des Systemdenkens übertragbar . . . . . . . .

42

bb) Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts als Bestandteil eines Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) Grundsatz des „effet utile“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

b) Auslegungsregel „im Zweifel für den Verbraucher“ . . . . . . . . . . .

47

10

Inhaltsverzeichnis aa) Argumente für eine Auslegungsregel „im Zweifel für den Verbraucher“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II.

47

bb) Die Gegenargumente von Riesenhuber . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

cc) Ungewissheit in Bezug auf Bedeutung der Auslegungsregel .

50

dd) Gefahr einer gespaltenen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

ee) Ergebnis: Kein Auslegungsgrundsatz „im Zweifel für den Verbraucher“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

5. Rangfolge der Auslegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL im Hinblick auf das Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

1. Vor Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

a) Erfüllungsansprüche der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

aa) Erfüllungsanspruch des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

bb) Erfüllungsanspruch des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

b) Belehrung über das Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

aa) Anforderungen an die Belehrung über das Widerrufsrecht . .

56

bb) Rechtsfolgen bei Verletzung der Belehrungspflicht . . . . . . . .

58

(1) Bedeutung der Belehrung für die Position des Verbrauchers

58

(2) Erforderlichkeit weiterer (Sanktions-)Maßnahmen . . . . .

59

cc) Ergebnis: Schaffung zusätzlicher Sanktionsmaßnahmen möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

c) Die Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

2. Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

a) Die rechtliche Konstruktion des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . .

62

b) Die Form des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

3. Nach Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

a) Erlöschen der Hauptleistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

b) Weitere Folgen der Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . .

65

4. Weitere Vorgaben, die im Hinblick auf das Widerrufsrecht von Bedeutung sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

III.

Zielsetzung der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

IV.

Der Gemeinsame Referenzrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

1. Zielsetzung des Gemeinsamen Referenzrahmens . . . . . . . . . . . . . . . .

68

2. Die widerrufsrechtlichen Regelungen des DCFR . . . . . . . . . . . . . . . .

69

a) Bestehen eines Widerrufsrechts bei Fernabsatzgeschäften . . . . . .

70

b) Widerrufsfrist, Erklärung und Rechtsfolgen des Widerrufs . . . . .

71

aa) Beginn und Dauer der Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

bb) Erklärung des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

Inhaltsverzeichnis

11

cc) Rechtsfolgen des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . .

75

I.

II.

Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

1. Beschränkung des Gestaltungsspielraums durch detaillierte Richtlinienregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

2. Beschränkung des Gestaltungsspielraums durch das Ziel einer effektiven Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

3. Weitere Vorgaben des EuGH für die Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . .

78

4. Ergebnis: Einbringen eigener Zielvorstellungen möglich . . . . . . . . . .

79

Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

1. Schaffung eines einheitlichen Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

a) Die Ausgangslage bei Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL . . . . . . . .

79

b) Die Zielsetzung der Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

aa) Stärkung des Verbrauchervertrauens in grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

(1) Keine Steigerung des Verbrauchervertrauens . . . . . . . . . .

81

(2) Belastung der Unternehmer durch nationale Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

(a) Ausrichtung der Unternehmer auf die unterschiedlichen verbraucherschutzrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

(b) Das auf den Fernabsatzvertrag anwendbare Recht . . .

82

(c) Abschreckende Wirkung für die Unternehmer . . . . . .

85

(3) Ergebnis: Keine Steigerung des Verbrauchervertrauens . .

86

bb) Ziel der Schaffung einer transparenten Regelung . . . . . . . . . .

86

(1) Die Erforderlichkeit von „Sondervorschriften“ für einzelne Widerrufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

(2) Ausrichtung an Vorgaben einer der vereinheitlichten Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

(a) Die Verpflichtung zur Rücksendung der Ware . . . . . .

87

(b) Die unbegrenzte Verlängerung der Widerrufsfrist . . .

88

(c) Verlängerung der Widerrufsfrist bei nachträglicher Belehrung auf einen Monat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

(3) Ergebnis: Keine transparente Regelung . . . . . . . . . . . . . .

90

cc) Ergebnis: keine Steigerung von Verbrauchervertrauen oder Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

c) Argumente gegen eine Vereinheitlichung auf nationaler Ebene . .

91

aa) Unterschiedliche Schutzzwecke der Widerrufsrechte . . . . . . .

91

12

Inhaltsverzeichnis (1) Der Schutzzweck des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL

92

(2) Der Schutzzweck des Widerrufsrechts der TzWr-RiL . . .

93

(3) Der Schutzzweck des Widerrufsrechts der HTürW-RiL .

93

(4) Konsequenzen der unterschiedlichen Schutzzwecke für das Ziel der Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

bb) Aufgabe des Konzepts der Mindestharmonisierung . . . . . . . .

95

(1) Keine Möglichkeit der Orientierung am höchsten Verbraucherschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

(a) Konflikt zwischen Richtlinien mit vollharmonisierendem und mindestharmonisierendem Charakter . . . . .

96

(b) Konflikt zwischen mehreren Richtlinien mit vollharmonisierendem Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

(2) Konsequenz für den deutschen Gesetzgeber . . . . . . . . . . .

98

d) Ergebnis: Keine nationale Vereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

2. Vor Ausübung des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

a) Zustandekommen eines Vertrages als Voraussetzung für die Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

aa) Anknüpfung des deutschen Gesetzgebers an Willenserklärung des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

bb) Möglicher Verstoß gegen Vorgaben der Fernabsatz-RiL . . . . 100 cc) Keine Beschränkung des Gestaltungsspielraums des nationalen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Erfüllungsanspruch des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Die Konstruktion eines „schwebend wirksamen“ Vertrages . . 103 bb) Zulässigkeit der Vereinbarung eines Zurückbehaltungsrechts

104

c) Erfüllungsanspruch des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Der Gedanke einer personell gespaltenen Wirksamkeit . . . . . 106 bb) Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . 107 d) Verteilung des Zufallsrisikos beim Transport vom Anbieter zum Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Verteilung der Gegenleistungsgefahr nach deutschem Recht . 108 bb) Fortbestehen der Leistungspflicht des Unternehmers . . . . . . . 110 cc) Bewertung der deutschen Rechtslage im Hinblick auf die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 e) Inhalt der Belehrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 f) Sanktion bei unzureichender Belehrung des Verbrauchers . . . . . . 115 aa) Fristverlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Unterlassungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 cc) Bedürfnis nach weiteren Sanktionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . 117

Inhaltsverzeichnis

13

dd) Anspruch auf Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Grundsätzliche Eignung als Sanktionsmaßnahme . . . . . . 119 (2) Vorliegen der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (a) Pflichtverletzung durch nicht ordnungsgemäße Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (b) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (c) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (d) Rechtsfolge: Aufhebung des Vertrages . . . . . . . . . . . . 122 ee) Ergebnis: Sanktionsmaßnahmen ausreichend . . . . . . . . . . . . . 123 g) Die Länge der Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Die reguläre Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (1) Die Bedenken des österreichischen Gesetzgebers . . . . . . 124 (a) Die zweiwöchige Widerrufsfrist als Regelung zulasten des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (b) Erhöhte Gefahr des Erlöschens des Widerrufsrechts durch Ausführung der bestellten Dienstleistung . . . . . 126 (2) Die zweiwöchige Widerrufsfrist als Regelung zugunsten der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Die verlängerte Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (1) Verlängerung der Widerrufsfrist bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (a) Hintergrund der Verlängerung der Widerrufsfrist auf unbestimmte Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (b) Regelung zugunsten der Verbraucher i.S. des Art. 14 Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (c) Kein Überschreiten der Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (aa) Anlass für die Begrenzung der Widerrufsfrist auf drei Monate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (bb) Keine Beeinträchtigung des Fernabsatzhandels durch unbegrenzte Verlängerung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (d) Ergebnis: kein Widerspruch zur Fernabsatz-RiL . . . . 132 (2) Widerrufsfrist bei verspäteter Übermittlung der Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (a) Verlängerung der Widerrufsfrist auf einen Monat bei verspäteter Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (b) Vorliegen einer verspäteten Belehrung . . . . . . . . . . . . 134 (aa) Unklarer Wille des deutschen Gesetzgebers . . . . 134

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Inhaltsverzeichnis (bb) Vereinbarkeit des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB mit der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (cc) Ergebnis: keine Vorverlagerung des Belehrungszeitpunkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 h) Beginn der Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Ausübung des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Anforderungen an die Form der Widerrufserklärung . . . . . . . . . . 140 aa) Steigerung des Verbraucherschutzes i.S. von Art. 14 Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Erlass einer Formvorschrift im Rahmen des Gestaltungsermessens des nationalen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Bewertung der Umsetzungsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Vereinbarung eines Rückgaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Begründung des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . 145 bb) Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Negativer Einfluss auf Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (2) Sonderfall: Untergang oder Verlust der Ware beim Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (a) Zerstörte Ware als nicht „paketversandfähige“ Ware . 148 (b) Zurückgreifen auf das allgemeine Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 cc) Ergebnis: Verstoß gegen Zielsetzung der Richtlinie . . . . . . . . 149 c) Anforderungen an die rechtzeitige Absendung des Widerrufs . . . 151 d) Zugang der Widerrufserklärung beim Unternehmer . . . . . . . . . . . 153 aa) Reinicke / Tiedtke: Verlustrisiko ist vom Unternehmer zu tragen 154 (1) Besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers . . . . . . 154 (2) Trotzdem: Empfangsbedürftigkeit der Widerrufserklärung 155 (3) Ergebnis: keine Verlagerung des Verlustrisikos auf den Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb) Andere Möglichkeiten, der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers Rechnung zu tragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (1) Mankowski: Änderung der Beweisanforderungen . . . . . . 157 (2) Recht des Verbrauchers, den Widerruf unverzüglich zu wiederholen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (a) Einwand der unzulässigen „Addition“ zweier Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (b) Einwand der unzulässigen Vermischung von Verzögerungs- und Verlustrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

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(c) Ergebnis: Wiederholung des Widerrufs als geeignete Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (3) Andere Verteilung des Verlustrisikos bei konkludentem Widerruf durch Rücksendung der Ware? . . . . . . . . . . . . . 161 cc) Ergebnis: Verlustrisiko ist grundsätzlich vom Verbraucher zu tragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4. Nach Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Widerruf ohne Strafzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Bedeutung des Begriffs der Strafzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Umsetzungsbedarf im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Rückabwicklungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Pflicht zur gegenseitigen Rückgewähr der Leistungen . . . . . . 165 bb) Erstattungspflicht des Unternehmers auch bzgl. Hinsendekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (1) Vorgaben der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (2) Betrachtung der Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . 166 (3) Sonderfall: Abschluss eines eigenständigen Versendungsvertrages mit Fernabsatz-RiL vereinbar? . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Anforderungen an Rückgewähr durch den Verbraucher . . . . . 168 dd) Verpflichtung des Unternehmers zur Rückgewähr innerhalb von 30 Tagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (1) Verzinsungspflicht als geeignetes Sanktionsmittel . . . . . . 170 (2) Vorliegen der Voraussetzungen des Verzugs . . . . . . . . . . 171 (3) Ergebnis: Verzugsregelung keine hinreichend effektive Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 ee) Kosten der Rücksendung der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (1) Kritik an Belastung des Unternehmers mit Rücksendekosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Übernahme der erhöhten Rücksendekosten bei Verbringung der Ware an einen anderen Ort durch den Verbraucher 176 (3) Anspruch des Verbrauchers auf Zahlung eines Vorschusses 177 ff) Weitere Vorgaben für die Rücksendung der Ware . . . . . . . . . 178 (1) Wahl eines bestimmten Versandwegs . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (a) Vorgaben des Unternehmers hinsichtlich des Versandwegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (b) Pflicht zur Wahl eines günstigen Versandwegs . . . . . . 180 (aa) Begrenzung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers bei der Wahl des Versandweges . . . . . 181 (bb) Das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Europäischen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

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Inhaltsverzeichnis (cc) Verstoß gegen Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wahl einer bestimmten Transportverpackung . . . . . . . . . (3) Pflicht zur Aufbewahrung und Rücksendung der Produktverpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen . . . . . . . . aa) Grundsätzliche Zulässigkeit der Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Betrachtung des Wortlauts („Kosten“) . . . . . . . . . . . . (2) Auswertung der Richtlinienhistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verbot jedweder Belastung der Verbraucher mit Wertersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Nur einzelne Verbraucher von Wertersatzpflicht betroffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Standpunkt des EuGH zur Belastung einzelner Verbraucher mit für sie ungünstigen Rechtsfolgenregelungen bei Haustürgeschäften . . . . . . . . (cc) Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH auf Fernabsatzgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Ergebnis: Nicht jede Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen bedeutet Beeinträchtigung der Effektivität des Widerrufsrechts . . . . . (b) Verstoß gegen das Gebot der Gewährleistung der vollständigen Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Bedeutung der Unternehmerinteressen im Bereich der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Bedeutung der Unternehmerinteressen im Bereich des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Vorrang der Verbraucherinteressen . . . . . . . . . . (4) Ergebnis: keine grundsätzliche Unzulässigkeit von Wertersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wertersatz für den mit der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Ware verbundenen Wertverlust . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Wortlautargument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der sprachliche Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Recht des Verbrauchers auf Ingebrauchnahme der Ware (aa) Erfordernis der Ingebrauchnahme nach der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183 184 185 187 188 188 189 190 191 191

192 193

194 194 195 199 200 202 202 202 204 205 206 206

Inhaltsverzeichnis

d) e)

f)

g)

(bb) Zurückweisung der Kritik von Rott . . . . . . . . . . (cc) Die Stellungnahme der Kommission aus dem Jahr 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ergebnis: keine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis: kein Widerspruch zur Fernabsatz-RiL . . . . . . . cc) Wertersatz wegen Verschlechterung oder Untergang der Ware (1) Grundsätzliche Unbedenklichkeit der Wertersatzverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Verteilung des Zufallsrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Verstoß gegen den Schutzzweck der Fernabsatz-RiL: Befreiung von den Risiken eines Versendungskaufs? (b) Überschreiten der Grenzen des Ermessensspielraums des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Berechnung der Höhe des Wertersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis: Wertersatzpflichten mit Fernabsatz-RiL vereinbar . Die Verteilung des Transportrisikos bzw. der Gegenleistungsgefahr bei Rücksendung der Ware zum Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadensersatzpflicht des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftung des Verbrauchers für nach Ausübung des Widerrufsrechts eingetretene Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung des Verbrauchers für vor Ausübung des Widerrufsrechts eingetretene Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis: keine Bedenken gegen Schadensersatzverpflichtung Verpflichtung des Verbrauchers zum Nutzungsersatz . . . . . . . . . . aa) Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . bb) Verstoß gegen die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . cc) Auswertung der Stellungnahme der Kommission . . . . . . . . . . dd) Ergebnis: keine Bedenken gegen Nutzungsersatzpflicht . . . . . Pflicht zur Nutzung im Rahmen der ordnungsgemäßen Wirtschaft aa) Praktische Bedeutung der Ersatzverpflichtung . . . . . . . . . . . . (1) Mögliches Eingreifen der Privilegierung des § 347 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verstoß gegen Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft (a) Maßgeblichkeit der vertraglichen Vereinbarung . . . . (b) Maßgeblichkeit des objektiven Maßstabs der vernünftigen Wirtschaftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis: Wirtschaftliche Nutzung im Regelfall nicht geboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 208 209 211 211 211 212 213 214 216 217 219 220 222 222 223 225 225 226 226 228 228 229 231 231 232 232 233 234

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Inhaltsverzeichnis (3) Ergebnis: geringe praktische Bedeutung des Ersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Vereinbarkeit der Ersatzpflicht mit den Richtlinienvorgaben . 235 cc) Ergebnis: keine Beeinträchtigung der Effektivität des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 h) Aufwendungsersatzanspruch des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . 237 III.

Ergebnis: Vereinbarkeit der Umsetzungsgesetzgebung mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte . . . 241 I.

Umsetzungsbedarf im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

II.

Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB . . . . . . . . . . . . . 242 1. Die Regelung in § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und § 355 Abs. 1 S. 1 BGB 242 a) Dogmatische Einordnung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) Systematische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Wille des deutschen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 cc) Anknüpfung des Widerrufsrechts an die Willenserklärung des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 dd) Wortlaut des Gesetzes („nicht mehr gebunden“) . . . . . . . . . . 248 (1) Unwirksamkeit als Rechtsfolge des Widerrufs . . . . . . . . . 248 (2) Gebundenheit i.S. von „Unwiderruflichkeit“ . . . . . . . . . . 249 (3) Gebundenheit i.S. von „Selbstbindung“ . . . . . . . . . . . . . . 250 (a) Die Ansicht von Thole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (b) Die Ansicht von Pott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (c) Die Ansicht von Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 ee) Ergebnis: dogmatische Einordnung zweifelhaft . . . . . . . . . . . 253 b) Ergebnis: Anforderungen an Umsetzung nicht gewahrt . . . . . . . . . 253 2. Umsetzung außerhalb des BGB: Anknüpfung an § 4 FernUSG a.F. . 254 a) Vergleichbare Zielsetzung von § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. . . . . . . . . 254 b) Die Entscheidung für eine Integration des Widerrufsrechts in das BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 c) Ergebnis: keine Umsetzung im Rahmen des § 4 FernUSG a.F. . . . 257 3. Das Widerrufsrecht als gesetzliches Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Vertragsbezogenheit des Rücktrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Die Regelung des § 346 Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Systematische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (1) Kein Schutz vor Fehlern bei der Willensbildung im Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

Inhaltsverzeichnis

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(2) Sachliche Nähe zwischen Widerrufs- und vertraglichem Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (3) Ergebnis: kein Schutz der Privatautonomie durch das Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Ergebnis: keine Umsetzung als Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 264 4. Zuordnung zum Allgemeinen Teil des BGB: das Widerrufsrecht als Anfechtungs- oder Widerrufsrecht i.S. des § 145 BGB . . . . . . . . . . . 265 a) Konsequenzen der Einordnung als Anfechtungs- oder Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Bestehen von Erfüllungsansprüchen ab Vertragsschluss . . . . 266 bb) Anknüpfung an die Willenserklärung des Verbrauchers . . . . 266 cc) Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 267 (1) Vereinbarkeit mit dem Willen des deutschen Gesetzgebers 267 (2) Vorgaben des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 dd) Ergebnis: Anknüpfung an das Bereicherungsrecht unbedenklich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Das Widerrufsrecht als Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Argumente für eine Ausgestaltung des Widerrufs als Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Das Widerrufsrecht als voraussetzungslos gewährtes Lösungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 cc) Die drohende Schadensersatzpflicht nach § 122 Abs. 1 BGB . 270 dd) Der Umfang des Schutzes der Entscheidungsfreiheit in § 119 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 ee) Ergebnis: mangelnde Eignung der §§ 119 ff. BGB zur Umsetzung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 c) Das Widerrufsrecht als (gesetzlicher) einseitiger Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 aa) Vergleichbare Zielsetzung von Widerrufsrecht und Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 bb) Das Vertragsangebot als Anknüpfungspunkt für den Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 cc) Fortfall der Rechtswirkungen der Willenserklärung infolge des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 dd) Ergebnis: mangelnde Eignung des § 145 a.E. BGB zur Umsetzung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 d) Ergebnis: keine Zuordnung zum Allgemeinen Teil des BGB . . . . 277 5. Zuordnung zum besonderen Schuldrecht: Der Fernabsatzvertrag als besondere Form des Kaufs auf Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

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Inhaltsverzeichnis a) Die sachliche Nähe von Widerrufsrecht und Kauf auf Probe . . . . 279 aa) Vergleichbare Zielsetzung von Widerrufsrecht und Kauf auf Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Abweichende Ansicht des BGH: unterschiedliche Zielsetzung 280 cc) Die Rechtslage im Versandhandel vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 dd) Ergebnis: Vergleichbare Zielsetzung liegt vor . . . . . . . . . . . . 282 b) Billigung eines unwirksamen statt Widerruf eines wirksamen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 aa) Das Erfordernis der Billigung des Vertrages durch den Käufer 282 (1) Dogmatische Konstruktion von Kauf auf Probe und Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (2) Pflicht zur Übergabe der Ware im Rahmen des Untersuchungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (3) Ergebnis: Erklärung der „Missbilligung“ erforderlich . . . 284 bb) Wirksamkeit des Vertrages vor Ablauf der Untersuchungsbzw. Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 cc) Ergebnis: Missbilligung eines auflösend bedingten Vertrages

286

c) Die weiteren Voraussetzungen und Folgen der Vereinbarung eines Kaufs auf Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 aa) Vor Ausübung des Widerrufs bzw. Erklärung der Missbilligung 287 (1) Zustandekommen des Vertrages als Voraussetzung für Missbilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 (2) Die Verteilung des Transportrisikos beim Kauf auf Probe 289 (3) Belehrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (4) Dauer und Beginn der Untersuchungs- bzw. Widerrufsfrist 290 bb) Die Erklärung der Missbilligung bzw. die Ausübung des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (1) Anforderungen an die Erklärung der Missbilligung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 (2) Die Vereinbarung eines Rückgaberechts . . . . . . . . . . . . . 291 cc) Nach Erklärung der Missbilligung bzw. Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 (1) Die Rückabwicklung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (a) Pflicht zur gegenseitigen Rückgewähr der empfangenen Leistungen nach §§ 454 f. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (b) Übertragbarkeit auf den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 (c) Die Verpflichtung des Verbrauchers zur Rücksendung der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Inhaltsverzeichnis (d) Die Kosten der Rücksendung der Ware . . . . . . . . . . . (e) Verpflichtung des Verkäufers bzw. Unternehmers zur Rückgewähr innerhalb von 30 Tagen . . . . . . . . . . . . . (f) Pflicht zur Erstattung der Hinsendekosten . . . . . . . . . (g) Vorgaben hinsichtlich Versand und Verpackung . . . . (2) Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen . . (a) Berechnung der Höhe des Wertersatzanspruchs . . . . . (b) Ersatz für den durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlust . . . . . . . . . . . (aa) Umfang des Untersuchungsrechts des Käufers gemäß § 454 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Anspruch auf Wertersatz nach Bereicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Ergebnis: Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzanspruch möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Wertersatz wegen Verschlechterung oder Untergang der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Berufung auf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB (aa) Verschärfte Haftung des Käufers bzw. Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Anwendbarkeit der Saldotheorie . . . . . . . . . . . . (3) Verteilung des Transportrisikos bzw. der Gegenleistungsgefahr bei Rücksendung der Ware zum Anbieter . . . . . . . (4) Schadensersatzpflicht des Käufers bzw. Verbrauchers . . . (a) Haftung wegen Verletzung der vertraglichen Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit der Ware . . . . . . . . . . . (b) Schadensersatz nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Verpflichtung des Käufers bzw. Verbrauchers zum Nutzungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Nutzungsobliegenheit und Aufwendungsersatz . . . . . . . . (7) Ergebnis: Bereicherungsrecht als geeignetes Rückabwicklungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis: das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL als Sonderfall des Kaufs auf Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.

21 294 295 296 297 297 297 297 298 299 300 300 300 300 302 302 303 303 305 305 306 307 307

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

A. Einführung Die vorliegende Arbeit untersucht das verbraucherschützende Widerrufsrecht der Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz 1 (im Folgenden: Fernabsatz-RiL) und seine Integration in das deutsche Privatrecht.

I. Zum Untersuchungsgegenstand Bei der Umsetzung von Richtlinien steht der nationale Gesetzgeber vor der schwierigen Aufgabe, dem Gemeinschaftsrecht Geltung verschaffen und gleichzeitig den Besonderheiten des nationalen Rechts Rechnung tragen zu müssen, vgl. Art. 249 Abs. 3 EGV 2. Die Vorgaben der Richtlinie müssen nach Ansicht des EuGH so umgesetzt werden, dass die „vollständige Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung“ gewährleistet ist. 3 Ob der deutsche Gesetzgeber diesen Anforderungen bei Umsetzung des Art. 6 Fernabsatz-RiL, der das Widerrufsrecht regelt, gerecht geworden ist, ist vielfach in Zweifel gezogen worden. Insbesondere aufgrund der den Verbraucher belastenden Wertersatzregelungen des deutschen Rechts sei eine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie zu befürchten. 4 Bei der Umsetzung der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts in das nationale Recht muss der Gesetzgeber außerdem darauf achten, dass die Transparenz des nationalen Rechts gewährleistet wird. Zudem müssen die neuen Regelungen auf bereits bestehende Wertungen abgestimmt werden, so dass die inhaltliche Konsequenz der Rechtsordnung gewahrt bleibt. 5 Auch insoweit wird die vom deutschen 1 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. EG 1997 Nr. L 144 S. 19, abgedruckt in NJW 1998, 212 ff. 2 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der konsolidierten Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Nizza vom 26. 02. 2001, ABl. EG 2001 Nr. C 80 S. 1. 3 EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. 350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 69; näher dazu unten S. 46. 4 Dazu unten S. 187 ff. 5 Vgl. W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 489; zu diesen Anforderungen siehe auch unten S. 75.

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A. Einführung

Gesetzgeber vorgenommene Umsetzung des Widerrufsrechts in §§ 355 ff. BGB beanstandet. Dabei stehen vor allem die Vereinheitlichung der Widerrufsregelungen und die damit verbundene Unübersichtlichkeit der Regelung 6 sowie die Probleme bei der dogmatischen Einordnung des Widerrufsrechts 7 im Mittelpunkt der Kritik. Das Fernabsatzrecht ist bereits Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen – darunter auch einige Monographien 8 – und steht auch gegenwärtig noch im Fokus vieler Veröffentlichungen. 9 Die intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema kann als Beleg dafür gewertet werden, dass in diesem Bereich noch immer viele Fragen ungeklärt sind. Kontrovers diskutiert wird vor allem, welche Pflichten dem Verbraucher im Fall des Widerrufs auferlegt werden können. So ist z. B. umstritten, ob dem Verbraucher bestimmte Vorgaben für die Rücksendung der Ware gemacht werden können 10 und ob er bei einem Wertverlust, der auf die Ingebrauchnahme des Kaufgegenstands zurückzuführen ist, mit Wertersatzansprüchen belastet werden darf. 11 Das Bedürfnis nach einer Klärung der genannten Fragen steigt angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Fernabsatzhandels (dazu unten 1.). Auf die Rechtsprechung kann dabei bisher nur in beschränktem Maße zurückgegriffen werden, da aufgrund der Rechtsetzungshistorie des noch relativ jungen Fernabsatzrechts bisher erst wenige Urteile der Instanzgerichte zum Fernabsatzrecht vorliegen (dazu unten 2.). Vor diesem Hintergrund scheint es gerechtfertigt, das Thema an dieser Stelle erneut aufzugreifen und Zielsetzung sowie Dogmatik des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL zu untersuchen. Insbesondere die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Umsetzung ist dabei einer kritischen Bewertung zu unterziehen. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse können im Rahmen der sich ankündigenden Überarbeitung des Fernabsatzrechts Berücksichtigung finden (dazu unten 3.).

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Dazu unten S. 86 ff. Siehe unten S. 244 ff. 8 Siehe nur Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, passim; Thole, Widerrufsrecht, passim; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, passim; Fischer, Widerrufsrecht, passim. 9 Aus letzter Zeit siehe nur Domke, BB 2007, 341 ff.; Faustmann, VuR 2007, 8 ff.; Klees, MMR 2007, 275 ff.; Loos, ZEuP 2007, 5 ff.; Schinkels, ZGS 2007, 14 ff.; Woitkewitsch / Pfitzer, MDR 2007, 61 ff.; Braun, JZ 2008, 330 ff.; Pfeiffer, ZGS 2008, 48 ff.; Mand, NJW 2008, 190 ff.; Masuch, NJW 2008, 1700 ff. 10 Dazu unten S. 178 ff. 11 Dazu unten S. 202 ff. 7

I. Zum Untersuchungsgegenstand

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1. Die wirtschaftliche Bedeutung des Fernabsatzhandels in Deutschland Das Bedürfnis, das Augenmerk (erneut) auf das Fernabsatzrecht zu richten, lässt sich schon allein mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Fernabsatzhandels rechtfertigen. Dabei ist unter einem Fernabsatzgeschäft nach Art. 2 Nr. 1 Fernabsatz-RiL ein Geschäft zu verstehen, das zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer „im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems des Lieferers geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu dessen Abschluss einschließlich des Vertragsschlusses selbst ausschließlich eine oder mehrere Fernkommunikationstechniken verwendet“. Entscheidendes Merkmal eines Fernabsatzvertrages ist also, dass sich Vertragsanbahnung und Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln vollziehen, d. h. ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien. 12 Erfasst werden also sowohl die klassischen Versandhandelsgeschäfte (Bestellung per Telefon oder Brief) als auch jede Bestellung von Waren und Dienstleistungen im Internet. Das Gesamtvolumen aller Waren, die 2008 in Deutschland im Fernabsatz vertrieben werden, beträgt nach Angaben des Bundesverbandes des deutschen Versandhandels (bhv) 13 28,6 Mrd. € (davon Online-Vertrieb: 13,4 Mrd. €); dies bedeutet eine Zunahme um 3,7% im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil des Versandhandels am gesamten Einzelhandelsumsatz beläuft sich aktuell auf 7,2 % (Vorjahr: 7,0 %). Steigt der Marktanteil des Fernabsatzhandels wie in den vergangenen Jahren 14 weiter an, wird dieser Vertriebsweg – insbesondere der Onlinehandel, der im Vergleich zum Jahr 2007 sogar um 23% zugenommen hat 15 – immer größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Mit der Ausbreitung des Fernabsatzhandels dürfte eine Zunahme von Rechtsstreitigkeiten verbunden sein. Umgekehrt wird die weitere positive Entwicklung des Fernabsatzhandels auch davon abhängen, ob die rechtlichen Grundlagen den Bedürfnissen von Anbietern und Verbrauchern hinreichend Rechnung tragen.

12 Siehe hierzu die Definition der „Fernkommunikationstechnik“ in Art. 2 Nr. 4 Fernabsatz-RiL. 13 Vgl. Untersuchung von TNS Infratest im Auftrag des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels e.V. (bvh) vom Juli 2008, abrufbar unter: http://www .versandhandel.org/Pressemitteilung.96+M55518a56922.0.html (Stand: September 2008). 14 Zur Entwicklung des Versandhandelsumsatzes zwischen den Jahren 2006 und 2007 vgl. Untersuchung von TNS Infratest im Auftrag des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels e.V. (bvh) vom Juli 2007, abrufbar unter: http://www.versandhandel.org /Pressemitteilung.96+M5c9d21e6a91.0.html (Stand: September 2008). 15 Vgl. Untersuchung von TNS Infratest für das Jahr 2008 im Auftrag des bvh (Fn. 13 [Abschnitt A.]).

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A. Einführung

2. Das Fernabsatzrecht als „neue“ Materie Auch handelt es sich bei der Fernabsatz-RiL um einen noch relativ jungen Rechtsetzungsakt, bei dem noch immer viele Rechtsfragen ungeklärt sind. Erst jetzt liegen erste Entscheidungen der deutschen Instanzgerichte 16 und des BGH 17 zur Anwendung und Auslegung der deutschen Umsetzungsvorschriften vor. Die erste – und bisher einzige – Entscheidung des EuGH zur Fernabsatz-RiL, die die Auslegung des Begriffs der „Beförderung“ in Art. 3 Abs. 2, 2. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL betraf, 18 ist auch erst vor relativ kurzer Zeit ergangen: Sie stammt aus dem Jahr 2005. Die Tatsache, dass so lange auf die ersten Urteile zur Rechtslage bei Fernabsatzverträgen gewartet werden musste, mag zunächst verwundern. Schließlich ist die Fernabsatz-RiL schon im Juni 1997 in Kraft getreten, und die Mitgliedstaaten waren gemäß Art. 15 Abs. 1 Fernabsatz-RiL verpflichtet, die Richtlinie spätestens drei Jahre nach deren Inkrafttreten in nationales Recht umzusetzen. Tatsächlich nahm die Umsetzung durch die nationalen Gesetzgeber aber deutlich mehr Zeit in Anspruch – so trat das spanische Umsetzungsgesetz (Ley 47/2002 19) z. B. erst zum 1. Januar 2003 in Kraft. 20 In Deutschland erfolgte die Umsetzung durch das Fernabsatzgesetz 21 (im Folgenden: FernAG) zwar fristge-

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Siehe z. B. OLG Hamburg, NJW 2007, 2264 ff.; OLG Frankfurt, MDR 2006, 919 ff.; OLG Karlsruhe, MMR 2008, 46 ff.; OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582 f.; OLG Koblenz, NJW 2006, 1438; viele Urteile betreffen die Frage, welche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers zu stellen sind, so z. B. zuletzt KG Berlin, NJW 2006, 3215, 3217; OLG Hamm, ZIP 2007, 824 f.; OLG Oldenburg, NJW 2006, 3076; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 839 f.; mehr dazu unten S. 114. 17 Der BGH äußerte sich u. a. zum Beginn der Widerrufsfrist bei Vereinbarung eines Kaufs auf Probe, siehe BGH, NJW-RR 2004, 1058 f. (dazu auch unten S. 280); weitere Entscheidungen des BGH zum Fernabsatzrecht: BGH, NJW 2005, 53 ff.; NJW 2005, 283 ff.; NJW 2006, 211 ff.; NJW 2006, 3633 ff. 18 EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 ff.; mehr dazu unten S. 197. 19 Ley 47/2002, de 19 de diciembre, de reforma de la Ley 7/1996, de 15 de enero, de Ordenación del Comercio Minorista, para la transposición al ordenamiento jurídico español de la Directiva 97/7/CE, en materia de contratos a distancia, y para la adaptación de la Ley a diversas Directivas comunitarias, BOE núm. 304, de 20 de diciembre de 2002, pág. 44759. 20 Aus diesem Grund wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien eingeleitet; zum Ergebnis dieses Verfahrens vgl. EuGH v. 28. 11. 2002, Rs. C-414/01 (Kommission / Spanien), Slg. 2002, I-11121; Nachweise zu der Umsetzungsgesetzgebung von 25 Mitgliedstaaten in Anhang I der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 21. November 2006, KOM(2006) 514 endg., S. 15 f.

I. Zum Untersuchungsgegenstand

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mäß; schon zwei Jahre später wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 22 (im Folgenden: SchuldRModG) aber die erste Änderung der entsprechenden Vorschriften vorgenommen, der weitere Modifikationen, z. B. durch das Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten 23 (im Folgenden: OLGVertrÄndG), folgten. Entsprechend besteht auch auf Seiten der Wissenschaft weiter Bedarf, sich mit dieser Thematik auseinander zu setzen, zumal viele streitige Fragen noch nicht höchstrichterlich geklärt werden konnten. Dies wird durch die zahlreichen Aufsätze und wissenschaftlichen Beiträge belegt, die in letzter Zeit erschienen sind und sich der Fernabsatz-RiL und ihrer Umsetzung widmen. 24

3. Die zu erwartende Überarbeitung der Fernabsatz-RiL Die Kommission setzt sich gegenwärtig verstärkt mit der Umsetzung der Fernabsatz-RiL auseinander. Ende 2006 wurde die Mitteilung der Kommission zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG veröffentlicht. Die Erstellung dieses in Art. 15 Abs. 4 Fernabsatz-RiL geforderten Berichts war zunächst verschoben worden. Angesichts der verspäteten Umsetzung des Richtlinienrechts in einigen Mitgliedstaaten sah sich die Kommission nicht in der Lage, die hierfür vorgesehene Frist von vier Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie einzuhalten. 25 Nun aber liegt der Bericht vor, der Grundlage für mögliche Änderungs- oder Verbesserungsvorschläge sein soll. Allerdings hat die Kommission trotz des Umstands, dass die Umsetzung in den Mitgliedstaaten eine Reihe von Problemen aufwirft, „die zum Großteil möglicherweise auf die Abfassung der Richtlinie zurückzuführen sind“, bisher davon abgesehen, einen Vorschlag zur Überarbeitung der Fernabsatz-RiL vorzulegen. Dies bedeutet aber nicht, dass keine Änderungen auf diesem Gebiet zu erwarten wären. Es soll lediglich das Ergebnis der „Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz“ abgewartet werden, die – gestützt auf ein im Februar 2007 vorgelegtes Grünbuch 26 – gera21 Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. 06. 2000, BGBl. I S. 897. 22 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11. 2001, BGBl. I S. 3138. 23 Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten vom 23. 07. 2002, BGBl. I S. 2850. 24 Siehe Nachweise in Fn. 9 (Abschnitt A.). 25 Siehe dazu Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Umsetzung der Richtlinie 1997/ 7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 21. November 2006, KOM(2006) 514 endg., S. 1. 26 Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg.

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A. Einführung

de stattfindet. 27 Aus Sicht der Kommission stellt sich die Frage, ob statt einer Überarbeitung der einzelnen, in Anhang II des Grünbuchs genannten verbraucherschützenden Richtlinien, zu denen auch die Fernabsatz-RiL zählt (sog. „Vertikaler Ansatz“), ein Instrument geschaffen werden soll, in dem gemeinsame Regelungen für alle verbraucherschützenden Widerrufsrechte, so z. B. eine einheitliche Widerrufsfrist, getroffen werden können (sog. „Horizontaler Ansatz“). Parallel dazu bemüht sich die Kommission gegenwärtig um die Entwicklung eines sog. Gemeinsamen Referenzrahmens (Common Frame of Reference, im Folgenden: CFR), der ebenfalls der Revision des acquis communautaire dient. Auf die im Rahmen des CFR zusammengetragenen gemeinsamen Grundsätze und Begriffe des europäischen Vertragsrechts soll nach dem Willen der Kommission bei der Überarbeitung geltender Vorschriften oder der Ausarbeitung neuer Vorschläge zurückgegriffen werden. 28 Die Kommission hat auch bereits deutlich gemacht, dass es aus ihrer Sicht schon bald 29 zu einer Überarbeitung der Bestimmungen der Fernabsatz-RiL kommen sollte. 30 Bei einer Eurobarometer-Umfrage vom September 2006 gaben 45% der befragten Verbraucher aus den EU-Mitgliedstaaten an, dass sie sich bei einem Kauf von Gütern oder Dienstleistungen über das Internet bei Verkäufern mit Sitz in einem anderen EU-Land weniger sicher fühlen als bei Verkäufern aus ihrem Land. 31 Dies ist nach Auffassung der Kommission 32 Ausdruck von mangelndem Vertrauen und Grund dafür, dass von der Möglichkeit, grenzüberschreitende Fernabsatzgeschäfte zu tätigen, nur wenig Gebrauch gemacht wird. 33

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Vgl. KOM(2006) 514 endg., S. 14. Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – ein kohärentes Vertragsrecht – ein Aktionsplan, KOM(2003) 68 endg., S. 19 sowie Mitteilung der Kommission zum Europäischen Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstandes – weiteres Vorgehen, KOM(2004) 651 endg., S. 3; näher zum CFR unten auf S. 68 ff. 29 Das Grünbuch stellt den „Abschluss der Diagnosephase“ dar, siehe Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Ziff. 2.1 (S. 4). 30 In anderen Bereichen hat die Kommission sogar schon mit der Überarbeitung der Verbraucherschutzrichtlinien begonnen: Seit Juni 2007 liegt der Entwurf einer neuen Time-Sharing-Richtlinie vor, vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsprodukten sowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben, KOM(2007) 303 endg. 31 Vgl. Special Eurobarometer 252 – Verbraucherschutz im Binnenmarkt, veröffentlicht: September 2006 (im Auftrag der GD Gesundheit und Verbraucherschutz und koordiniert von der GD Kommunikation), S. 46; in Deutschland lag der Anteil der Verbraucher, die sich weniger sicher fühlen, sogar bei 56 %. 32 Vgl. Grünbuch der Kommission – Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, ABl. EG 2007 Nr. C 61 S. 4. 28

I. Zum Untersuchungsgegenstand

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Die Fernabsatz-RiL hat sich daher im Hinblick auf ihre Zielsetzung, einen Beitrag zur Vollendung des Binnenmarktes zu leisten, 34 nicht bewährt. Die Überarbeitung der Richtlinienbestimmungen durch den Gemeinschaftsgesetzgeber wird dann ebenfalls ein erneutes Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers erforderlich machen. Vor diesem Hintergrund ist eine Bewertung der bisherigen Gesetzgebung von besonderem Interesse. Bietet es sich doch an, bestehende Umsetzungsdefizite anlässlich der Übertragung der überarbeiteten Richtlinienbestimmungen in das nationale Recht zu beseitigen. Bei einer erneuten Befassung mit der Umsetzung des Richtlinienrechts könnte sich für den Gesetzgeber auch noch einmal die Frage stellen, ob die Vereinheitlichung in §§ 355 ff. BGB beibehalten wird. Dies wird vor allem davon abhängen, ob die Kommission mit ihrem Bestreben, ein eigenes, auf Vollharmonisierung ausgerichtetes Verbraucherschutzkonzept durchzusetzen, 35 Erfolg hat. Aber auch die Anknüpfung der Rechtsfolgen des Widerrufs an das Rücktrittsrecht könnte in diesem Zusammenhang noch einmal zur Disposition stehen. Dann könnte sich die Frage stellen, ob nicht auch die Zuordnung zu einem anderen Rückabwicklungsregime des BGB in Betracht kommt, das jedenfalls für die Integration des Widerrufsrechts für Fernabsatzverträge besser geeignet erscheint als das Rücktrittsrecht. Daher scheint es angebracht, auch diesen Gesichtspunkt noch einmal eingehend zu untersuchen.

4. Beschränkung der Untersuchung auf das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL beim Fernabsatz von Waren Inhaltlich beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf die Untersuchung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Fernabsatz-RiL als zentrales verbraucherschützendes Instrument der Richtlinie. Fragen, die den Anwendungsbereich der FernabsatzRiL (Art. 1 bis 3), die Vertragserfüllung (Art. 7), die Bezahlung mittels Karte 33 In der Eurobarometer-Umfrage (Fn. 31 [Abschnitt A.]), S. 13, gaben nur 6% der befragten Verbraucher an, schon mal etwas im Internet von einem Anbieter außerhalb ihres Wohnlandes gekauft zu haben. 34 Vgl. Erwägungsgrund 3 der Fernabsatz-RiL sowie unten S. 66. 35 Siehe Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Verbraucherpolitische Strategie 2002 – 2006, KOM(2002) 208 endg., Ziff. 3.1.2.1 (S. 14), wonach die EU-Richtlinien zum Verbraucherschutz überarbeitet werden sollen, „mit dem Ziel, sie zu aktualisieren sowie nach und nach von der Mindestharmonisierung abzugehen und zu einer vollständigen Harmonisierung zu gelangen“; vgl. hierzu auch Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Ziff. 4.5 (S. 11), wonach eine volle Harmonisierung der verbraucherschützenden Vorschriften als eine Option für die weitere Entwicklung des Verbraucherschutzrechts angesehen wird.

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A. Einführung

(Art. 8) oder die Zusendung unbestellter Waren und Dienstleistungen (Art. 9) betreffen, bleiben weitestgehend ausgeklammert. 36 Auf diese Regelungen wird nur Bezug genommen, soweit dies im Rahmen der Untersuchung des Widerrufsrechts erforderlich ist. Außerdem konzentrieren sich die Ausführungen auf den Fernabsatz von Waren. Der grundsätzlich ebenfalls in den Anwendungsbereich des Widerrufsrechts fallende Distanzvertrieb von Dienstleistungen wird nicht berücksichtigt. Diese Beschränkung des Untersuchungsgegenstands ist dadurch gerechtfertigt, dass das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL bei Dienstleistungen nur eine untergeordnete Rolle spielt: Die im Fernabsatz vertriebenen Dienstleistungen machen im Jahr 2008 mit einem geschätzten Volumen von rund 5,9 Mrd. € im Verhältnis zu den in Deutschland auf dem Fernabsatzweg verkauften Waren, die nach der Prognose des bvh ein Volumen von 28,6 Mrd. € erreichen werden, nur einen relativ geringen Anteil von ca. 20% des gesamten Versandhandelsgeschäfts aus. 37 Hinzu kommt, dass dem Verbraucher bei der weit überwiegenden Mehrheit dieser auf Dienstleistungen bezogenen Fernabsatzgeschäfte überhaupt kein Widerrufsrecht zur Verfügung steht. Sie fallen nämlich unter die Ausnahmeregelung nach Art. 3 Abs. 2, 2. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL bzw. § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB, wonach das Widerrufsrecht nicht auf Verträge „über die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Unterbringung, Beförderung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung“ anwendbar ist, sofern sich der Lieferer bzw. Unternehmer „bei Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt ... zu erbringen“. Hierzu zählen z. B. Verträge über Flug- und Bahntickets sowie Mietwagen, 38 die im Jahr 2007 39 allein 37 % des Gesamtvolumens der im Fernabsatz vertriebenen Dienstleistungen ausmachen. Auch bei den im Fernabsatz veräußerten Tickets zu Konzerten, Sportveranstaltungen etc., die auf einen Anteil von 13 % der betreffenden Dienstleistungen kommen, steht dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zu. Geht man schließlich mit der wohl h.M. davon aus, dass neben den einfachen Übernachtungen auch Pauschalreisen unter die o. g. Ausnahmeregelung fallen, 40 findet das 36 Zur auf Grundlage des Art. 9 geschaffenen und äußerst umstrittenen § 241a BGB grundlegend Tachau, § 241a BGB, passim. 37 Vgl. Untersuchung von TNS Infratest für das Jahr 2008 im Auftrag des bvh (Fn. 13 [Abschnitt A.]). 38 Zur Frage, ob die Vermietung von Kraftfahrzeugen von Art. 3 Abs. 2, 2. Spiegelstrich erfasst wird, siehe EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn. 22 ff. sowie unten S. 197. 39 Der Untersuchung von TNS Infratstest im Auftrag des bvh für das Jahr 2008 lässt sich leider nicht entnehmen, wie die sich die im Fernabsatz bestellten Dienstleistungen verteilen. Daher wurden hier die entsprechenden Angaben aus der Untersuchung aus dem Jahr 2007 (Fn. 14 [Abschnitt A.]) zugrunde gelegt. 40 Siehe Staudinger / Thüsing, § 312b Rn. 83; MünchKommBGB / Wendehorst, § 312b Rn. 84; Palandt / Heinrichs, § 312b Rn. 16; H. Roth, JZ 2000, 1013, 1016; auch der Gesetz-

II. Gang der Untersuchung

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Widerrufsrecht auf weitere 34% der im Fernabsatz bestellten Dienstleistungen keine Anwendung. Insgesamt verbleibt damit ein Anteil von nur ca. 16 % aller im Fernabsatz vertriebener Dienstleistungen mit einem Volumen von weniger als 1 Mrd. €, bei denen ein Widerruf überhaupt möglich ist. Gemessen am Gesamtvolumen des Versandhandels für das Jahr 2008 in Höhe von 34,5 Mrd. € machen diese Geschäfte nicht einmal 3% aller in Deutschland geschlossenen Fernabsatzverträge aus. Hinzu kommt, dass eine wichtige Gruppe von Dienstleistungen – die „Finanzdienstleistungen“ – gemäß Art. 3 Abs. 1, 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL nicht in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL fallen, sondern Gegenstand einer eigenen Richtlinie sind, der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (im Folgenden: F-Fernabsatz-RiL). 41 Angesichts der geringen praktischen Bedeutung, die dem Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Fernabsatz-RiL demnach bei Dienstleistungen zukommt, schien es angezeigt, sich auf den wirtschaftlich weitaus bedeutenderen Fernabsatz von Waren zu konzentrieren. Hinsichtlich der Vorgaben der F-Fernabsatz-RiL und ihrer Umsetzung in das deutsche Recht wird daher auf die Werke von Finke 42 und Schneider 43 verwiesen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird auf die Vorschriften der F-Fernabsatz-RiL nur eingegangen, sofern dies aus systematischen Gesichtspunkten einen Erkenntnisgewinn bei der Auslegung der Vorschriften der Fernabsatz-RiL verspricht. 44

II. Gang der Untersuchung Um eine Bewertung der deutschen Rechtsetzung auf dem Gebiet des Fernabsatzrechts vornehmen zu können, muss in einem ersten Schritt festgestellt werden, welche Vorgaben die Fernabsatz-RiL für die Umsetzung des Widerrufsrechts macht. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf das mit Einräumung der Widerrufsmöglichkeit verfolgte Ziel zu richten (dazu unten B.).

geber ist augenscheinlich davon ausgegangen, dass Pauschalreisen unter den Ausnahmetatbestand fallen, vgl. Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Drs. 14/2658, S. 33. 41 Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/ 27/EG. 42 Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, passim. 43 Schneider, Vertrieb von Versicherungen, passim. 44 Zur Zulässigkeit der systematischen Auslegung auf Ebene des Sekundärrechts siehe unten S. 37 ff.

32

A. Einführung

Anschließend ist die Frage zu erörtern, welche Vorstellungen der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung verfolgt hat. Bei der Ermittlung des gesetzgeberischen Willens kann in erster Linie auf die Gesetzesbegründungen Bezug genommen werden. Sofern sich dort zu bestimmten Fragestellungen keine (eindeutigen) Aussagen finden lassen, muss ggf. der objektive Wille des Gesetzes – wie er in der jeweiligen Norm zum Ausdruck gekommen ist – zugrunde gelegt werden. Anhand der Ergebnisse dieser Untersuchung soll beurteilt werden, ob die Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL vereinbar sind (dazu unten C.). Die Ergebnisse des zweiten Abschnitts dienen zugleich als Grundlage für den dritten und letzten Teil dieser Arbeit. In diesem soll der Frage nachgegangen werden, ob die Entscheidung des Gesetzgebers, das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL in Anlehnung an § 4 Abs. 1 Fernunterrichtsschutzgesetz a.F. 45 (im Folgenden: FernUSG a.F.) zu konstruieren und hinsichtlich der Rechtsfolgen auf das Rücktrittsrecht zu verweisen, 46 dem Gebot gerecht wird, Systembrüche im nationalen Recht zu vermeiden (dazu unten D.). Zugleich soll nach alternativen Anknüpfungspunkten für eine Integration des Widerrufsrechts der FernabsatzRiL im deutschen Privatrecht gesucht werden, die rückblickend betrachtet besser geeignet erscheinen, um eine möglichst „schonende“ Umsetzung zu gewährleisten.

III. Ergebnisse Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung mögen zwei Zielen dienen: Die Resultate des zweiten Teils können als Auslegungshilfe bei der Interpretation des deutschen Gesetzestextes dienen. Wird festgestellt, dass die Umsetzung an einzelnen Stellen nicht mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL vereinbar ist oder den Anforderungen, die der EuGH an die praktische Wirksamkeit der nationalen Regelung stellt, nicht gerecht wird, kann dies zugleich als Hinweis darauf verstanden werden, dass eine richtlinienkonforme Auslegung geboten sein kann. 47 Die Ergebnisse des dritten und letzten Teils können bei der in naher Zukunft zu erwartenden Revision der Vorschriften der Fernabsatz-RiL 48 als Ausgangspunkt für die Überarbeitung des nationalen Fernabsatzrechts dienen. 45 Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (Fernunterrichtsschutzgesetz – FernUSG) in der Fassung vom 24. 08. 1976, BGBl. I S. 2525. 46 Dazu unten S. 243. 47 Zu den Grundsätzen der richtlinienkonformen Auslegung vgl. Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, passim; Canaris, Richtlinienkonforme Auslegung, in: FS für Bydlinski, S. 47 ff.; W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, S. 250 ff. 48 Dazu oben S. 27 f.

B. Vorgaben des Europarechts Um beurteilen zu können, welche Anforderungen die Fernabsatz-RiL an die Umsetzung stellt und ob die Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers von der Regelung des Fernabsatzrechts mit der Richtlinie vereinbar sind, bedarf es der Auslegung der Richtlinienbestimmungen.

I. Auslegung von Richtlinien Für die Beantwortung der Frage, auf welche Methoden bei der Auslegung des Richtlinienrechts zurückgegriffen werden kann, kommt der Rechtsprechung des EuGH besondere Bedeutung zu, da dieser nach Art. 234 EGV das Auslegungsmonopol für das Gemeinschaftsrecht hat. Das Vorgehen des EuGH bei der Interpretation des Gemeinschaftsrechts ist allerdings nicht frei von Kritik geblieben. 1 Die Mehrzahl der Schriften, die sich der Untersuchung der Methoden des EuGH widmen, kommt aber zu dem Schluss, dass der Gerichtshof Auslegungsmethoden anwendet, die den deutschen Methoden entsprechen. 2 Zu berücksichtigen sind daher grammatikalische, historische, systematische und teleologische Auslegungskriterien. 3

1. Grammatikalische Auslegung Ausgangspunkt eines jeden Interpretationsversuchs ist auch auf Ebene des Gemeinschaftsrechts zunächst der Wortlaut. 4 Allerdings darf bei der Interpretation 1 Vgl. die Kritik bei Hommelhoff, in: Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, S. 29, 45. 2 Siehe nur Heiderhoff, Grundstrukturen, S. 188; Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 445; Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 220 EGV Rn. 27; Wegener, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 11; Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf, Band III, Art. 220 Rn. 42. 3 Vgl. Bleckmann, ZGR 1992, 364, 365; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 191; Grundmann / ders., JuS 2001, 529; Gebauer, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, S. 97 Rn. 4. 4 Dies entspricht dem üblichen Vorgehen des EuGH, siehe insoweit aus jüngerer Zeit EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn. 21; Grund-

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B. Vorgaben des Europarechts

des Richtlinientextes nicht einfach vom deutschen Verständnis des betreffenden Begriffs ausgegangen werden. Eine Orientierung am nationalen Recht ist grundsätzlich nur zulässig, wenn die Richtlinie für eine Definition ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist. 5 Fehlt es dagegen an einer solchen Verweisung, spricht eine Vermutung dafür, dass die Bedeutung des zu untersuchenden Begriffs autonom zu bestimmen ist. 6 Denn nur eine autonome Auslegung kann gewährleisten, dass das Gemeinschaftsrecht einheitlich angewandt und dem Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten Rechnung getragen wird. 7 Von einer autonomen Auslegung ist – außer in den Fällen eines ausdrücklichen Verweises auf nationales Recht – nur dann abzusehen, wenn eine einheitliche Begriffsbildung nicht möglich ist oder angesichts des ohnehin nur geringen Grads der Harmonisierung nicht geboten erscheint. 8 Bei dem Versuch, eine autonome Auslegung vorzunehmen, erweist sich die innerhalb der Gemeinschaft herrschende Sprachenvielfalt – inzwischen kennt die Gemeinschaft 23 Amtssprachen 9 – als besonders problematisch. Da die Rechtsakte der Gemeinschaft in allen Amtssprachen zu verfassen sind 10 und diese Fassungen gleichermaßen verbindlich sind, 11 verbietet sich die Orientierung an nur einer Sprachfassung. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet es mann / Riesenhuber, JuS 2001, 529; Schulte-Nölke, in: Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, S. 143, 157; Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 347. 5 Vgl. EuGH v. 14. 01. 1982, Rs. 64/81 (Corman / Hauptzollamt Gronau), Slg. 1982, 13 Rn. 8; EuGH v. 18. 01. 1984, Rs. 327/82 (Ekro / Produktschap voor Vee en Vlees), Slg. 1984, 107 Rn. 11. 6 Nach Auffassung des EuGH ist der Wortlaut eines sekundärrechtlichen Gemeinschaftsaktes „in der Regel“ autonom auszulegen, vgl. EuGH v. 17. 12. 1980, Rs. 149/79, (Kommission / Belgien), Slg. 1980, 3881 Rn. 19; EuGH v. 14. 01. 1982, Rs. 64/81 (Corman / Hauptzollamt Gronau), Slg. 1982, 13 Rn. 8; EuGH v. 19. 09. 2000, Rs. C-287/98 (Linster), Slg. 2000, I-6917 Rn. 43. 7 Siehe nur EuGH v. 9. 11. 2000, Rs. C-357/98 (The Queen / Secretary of State for the Home Department, ex parte: Nana Yaa Konadu Yiadom), Slg. 2000, I-9265, Rn. 26; vgl. auch Bleckmann, ZGR 1992, 364, 365; vgl. auch Grundmann / Riesenhuber, JuS 2001, 529. 8 Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 189. 9 Art. 1 der Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. EG 1958 Nr. L 17 S. 385, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006, ABl. EG 2006 Nr. L 363 S. 1. 10 Art. 4 der Verordnung Nr. 1 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. EG 1958 Nr. L 17 S. 385, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006, ABl. EG 2006 Nr. L 363 S. 1. 11 EuGH v. 6. 10. 1982, Rs. 283/81 (CILFIT / Ministero della Sanità), Slg. 1982, 3415 Rn. 18; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 192; Bieber / Epiney / Haag, Die EU, § 7 Rn. 53.

I. Auslegung von Richtlinien

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vielmehr, im Rahmen der Auslegung alle Sprachfassungen zu berücksichtigen. 12 Soweit sich dabei Divergenzen ergeben, ist nach Auffassung des EuGH 13 – die in der Literatur Zustimmung erfahren hat 14 – auf den Zweck und die Systematik des betroffenen Rechtsakts zurückzugreifen. Grundsätzlich belässt es der EuGH aber selbst dann, wenn die Betrachtung des Wortlauts zu einem (scheinbar) eindeutigen Ergebnis führt, nicht bei einer grammatikalischen Untersuchung, sondern zieht zur Auslegung auch den Sinn und Zweck sowie die Systematik der entscheidungserheblichen Regelung heran. 15 Letztendlich kann aus dem Wortlaut also nicht mehr als ein bloßes Indiz für eine bestimmte Auslegung gewonnen werden. 16 Es bedarf in jedem Fall noch der Hinzuziehung weiterer Auslegungskriterien.

2. Historische Auslegung Die historische Auslegung spielt bei der Auslegung des Sekundärrechts häufig nur eine untergeordnete Rolle. 17 Ein Grund hierfür ist darin zu sehen, dass die Verhandlungsprotokolle bzw. ein großer Teil der Gesetzgebungsmaterialien in der Vergangenheit oftmals nicht veröffentlicht wurden. 18 Im Rahmen der Auslegung können aber überhaupt nur solche Dokumente Berücksichtigung finden, die veröffentlicht wurden und daher der Allgemeinheit jederzeit zugänglich sind. 19 12

Siehe etwa EuGH v. 7. 07. 1988, Rs. 55/87 (Moksel / BALM), Slg. 1988, 3845 Rn. 15; EuGH v. 20. 11. 2001, Rs. C-268/99 (Jany), Slg. 2001, I-8615 Rn. 47; Schulte-Nölke, in: Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, S. 158; Bieber / Epiney / Haag, Die EU, § 9 Rn. 20. 13 EuGH v. 27. 10. 1979, Rs. 30/77 (Regina / Bouchereau), Slg. 1977, 1999 Rn. 14; EuGH v. 24. 10. 1996, Rs. C-72/95 (Aannemersbedrijf Kraaiieveld), Slg. 1996, I-5403 Rn. 28. 14 Bleckmann, ZGR 1992, 364, 365; ders., NJW 1982, 1177, 1180; Martiny, ZEuP 1998, 227, 242; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 192; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 530; Wegener, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 12. 15 Vgl. EuGH v. 7. 02. 1985, Rs. 19/83 (Wendelboe / L.J. Music), Slg. 1985, 457 Rn. 13 – 15; aus jüngerer Zeit siehe EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn. 26 – 28; zustimmend Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 193; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 530. 16 Zur Indizwirkung der Wortlautauslegung vgl. EuGH v. 7. 02. 1985, Rs. 19/83 (Wendelboe / L.J. Music), Slg. 1985, 457 Rn. 13 – 15. 17 Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 151; Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 348, 356; Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 262; Lutter, JZ 1992, 593, 599. 18 Wegener, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 12. 19 Vgl. Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 371; Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 27 Rn. 56; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 199; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 530; unklar insoweit Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 148.

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B. Vorgaben des Europarechts

Dagegen sollen Dokumente, die – auf einen entsprechenden Antrag hin – nur einzelnen Bürgern zugänglich gemacht werden, keine Beachtung finden. Als Begründung hierfür wird angeführt, dass sowohl das Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 254 EGV Ausdruck gefunden hat, als auch der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangen, dass das abwendbare Recht für alle Normadressaten vorhersehbar ist. 20 Seit der Neufassung des Art. 207 EGV durch den Amsterdamer Vertrag 1997 ist der Kreis der Dokumente, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, allerdings erweitert worden. Gemäß Art. 207 Abs. 3 S. 4 EGV sind nun in Verfahren, in denen der Rat als Gesetzgeber tätig wird, „die Abstimmungsergebnisse sowie die Erklärungen zur Stimmabgabe und die Protokollerklärungen“ zu veröffentlichen. 21 Bei Rechtsakten, die in der Zeit nach 1997 erlassen wurden, könnte die historische Auslegung daher an Bedeutung gewinnen. 22 Zu beachten ist allerdings, dass weiterhin nicht alle zu einem bestimmten Rechtsakt verfügbaren Dokumente zur Interpretation desselben herangezogen werden dürfen. Grundsätzlich können nur die Äußerungen der Gesetzgebungsorgane Berücksichtigung finden, deren Zustimmung für die Verabschiedung des betroffenen Rechtsaktes erforderlich war. Erklärungen von Organen, die wie die Kommission nur ein Initiativrecht haben 23 oder wie der Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) im Rahmen des Rechtsetzungsverfahrens lediglich angehört werden müssen, 24 sind nur zu beachten, soweit die entscheidenden Organe deren Erwägungen erkennbar in ihren Willen aufgenommen haben. 25

20 So Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 200; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 530. 21 Siehe dazu die Umsetzung in Anhang II Art. 11 Abs. 6 des Beschlusses des Rates vom 22. März 2004 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung (2004/338/EG, Euratom): „Nach ... der endgültigen Annahme des betreffenden Akts macht das Generalsekretariat alle mit diesem Akt zusammenhängenden Dokumente, die vor dem betreffenden Beschluss verfasst wurden und die nicht unter eine der Ausnahmen nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 und Absatz 3 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 fallen, wie informatorische Vermerke, Berichte, Zwischenberichte und Berichte über den Stand der Beratungen im Rat oder in einem seiner Vorbereitungsgremien („Beratungsergebnisse“), mit Ausnahme von Gutachten und Beiträgen des Juristischen Dienstes, der Öffentlichkeit zugänglich“. 22 Siehe Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf, Band III, Art. 220 Rn. 53; vgl. auch Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, § 1 Rn. 14, die davon spricht, dass die historische Interpretation des Sekundärrechts „erleichtert“ worden sei, und Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 451: „Das ... Erfordernis der Veröffentlichung ... dürfte für neuere Rechtsakte regelmäßig erfüllt sein“. 23 Siehe Art. 259 EGV. 24 Siehe Art. 262 EGV. 25 So Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 198; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 530.

I. Auslegung von Richtlinien

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Von den genannten Einschränkungen abgesehen, kann die historische Auslegung im Rahmen des sekundären Gemeinschaftsrechts aber durchaus von Bedeutung sein. So können aus den veröffentlichten Vorarbeiten zu den Rechtsakten der Gemeinschaft Rückschlüsse auf den Inhalt einzelner Bestimmungen gezogen werden. 26 Allerdings wird die historische Auslegung oftmals nur bemüht, um ein bereits auf andere Argumente gestütztes Auslegungsergebnis abzusichern. 27 Größere Beachtung finden regelmäßig nur die den Rechtsakten vorangestellten Erwägungsgründe, die Auskunft darüber geben, was den Gemeinschaftsgesetzgeber veranlasst hat, rechtsetzend tätig zu werden. 28 Diese dienen allerdings oftmals nur der Ermittlung des mit dem jeweiligen Rechtsakt verfolgten Regelungszwecks und sind daher eher als Bestandteil der teleologischen Auslegung anzusehen. 29

3. Systematische Auslegung Bei der systematischen Auslegung geht es darum, aus der Stellung einer Norm im Regelungsgefüge einer Vorschrift, eines Rechtsaktes oder des Gemeinschaftsrechts insgesamt einen Rückschluss auf ihren Inhalt zu ziehen. Ob und inwieweit systematische Erwägungen bei der Auslegung des Sekundärrechts überhaupt Berücksichtigung finden können, ist angesichts des fragmentarischen Charakters des europäischen Privatrechts aber noch Gegenstand der Diskussion. a) Berücksichtigung der Struktur der einzelnen Vorschrift Einigkeit besteht nur insoweit, als zum besseren Verständnis des Wortlauts einer Regelung auch deren sprachlicher Kontext berücksichtigt werden darf. Das bedeutet, dass bei der Interpretation einzelner Wörter einer Vorschrift auch auf den Satzzusammenhang und für das Verständnis eines Satzes auf den Textzusam-

26 Bieber / Epiney / Haag, Die EU, § 9 Rn. 21; Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 349; vgl. dazu auch EuGH v. 18. 04. 1989, Rs. 130/87 (Retter / Caisse de pension des employés privés), Slg. 1989, 865 Rn. 16: In der Entscheidung wird ausdrücklich auf die Sitzungsprotokolle des Ausschusses der Präsidenten der EGKS Bezug genommen. 27 So Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 149; zur eingeschränkten Bedeutung der Gesetzeshistorie bei der Auslegung des Sekundärrechts siehe auch Schulte-Nölke, in: Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, S. 143, 159. 28 Vgl. Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 148; Gebauer, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, S. 98 Rn. 5; zur Rechtsnatur der Begründungserwägungen siehe Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 200. 29 Siehe dazu bereits Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 148.

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B. Vorgaben des Europarechts

menhang abgestellt werden darf. 30 Dabei handelt es sich letztendlich aber auch weniger um eine systematische Auslegung im eigentlichen Sinne, als vielmehr um ein Element der Wortlautauslegung. 31 b) Berücksichtigung der äußeren Ordnung Ob das Verständnis einer Regelung außer durch die Erkenntnisse, die sich aus der Analyse der sprachlichen Zusammenhänge innerhalb einer Vorschrift ergeben, weiter dadurch gefördert werden kann, dass man die Stellung der Vorschrift in dem betreffenden Rechtsakt – insbesondere durch Betrachtung der Artikel und der Überschrift des Abschnitts, in dem die Regelung enthalten ist – berücksichtigt, ist umstritten. Es werden Zweifel daran geäußert, ob die einzelnen Rechtsakte der Gemeinschaft überhaupt in sich geschlossene, vollständige Systeme bilden, die Rückschlüsse auf den Gehalt einzelner, in ihnen enthaltener Regelungen zulassen. Dagegen spreche schon der Umstand, dass z. B. Richtlinien stets das Ergebnis kontrovers geführter politischer Verhandlungen seien, was die Gefahr von Unstimmigkeiten innerhalb des Rechtsaktes mit sich bringe. 32 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass Gesetzesentwürfe das Gesetzgebungsverfahren auch auf deutscher Ebene selten unverändert durchlaufen, sondern im Rahmen des politischen Entscheidungsprozesses oftmals so verändert werden, dass Unstimmigkeiten nicht ausgeschlossen werden können. 33 Trotzdem ist im deutschen Recht unumstritten, dass aus dem äußeren Zusammenhang einer Regelung Rückschlüsse auf deren Bedeutung gezogen werden können. 34 Gesetzesimmanente Widersprüche, die im Einzelfall auftauchen können, schließen ein derartiges Vorgehen nicht grundsätzlich aus. Dementsprechend hat der EuGH auf Ebene des Gemeinschaftsrechts ebenfalls keine Bedenken, einzelne Vorschriften des Sekundärrechts im Hinblick auf ihre Stellung innerhalb eines Rechtsaktes auszulegen. 35 30 Siehe nur EuGH v. 12. 07. 1990, Rs. C-155/89 (Belgien / Philipp Brothers), Slg. 1990, 3265 Rn. 20 („im übrigen ergibt sich aus dem System der genannten Vorschrift, dass ...“); Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 194; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 531. 31 Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 194; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 531; Canaris, Systemdenken, S. 91. 32 Dazu Schulte-Nölke, in: Schulze (Hrsg.), Auslegung europäischen Privatrechts und angeglichenen Rechts, S. 143, 158. 33 Als Beispiel sei hier nur genannt das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen (BT-Drs. 14/1246), der aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags nicht unerheblich geändert wurde, vgl. BT-Drs. 14/2752. 34 Vgl. exemplarisch BGH, DNotZ 2004, 373, 377 sowie aus jüngster Zeit BGH, NJWRR 2008, 1241, 1242; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 145. 35 Siehe EuGH v. 12. 03. 1996, Rs. C-441/93 (Panagis Pafitis / Trapeza Kentrikis Ellados), Slg. 1996, I-1347 Rn. 18 – 24; EuGH v. 11. 11. 1997, Rs. C-251/95 (SABEL / Puma),

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c) Berücksichtigung der inneren Ordnung Besonders intensiv diskutiert wird die Frage, ob und inwieweit die Rechtsetzung der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Privatrechts einen System- und Vollständigkeitsanspruch erhebt. Bildete das Europäische Privatrecht ein „inneres System“, könnten die Auslegungsbemühungen auch auf die darin zum Ausdruck kommenden Prinzipien bzw. Wertungen des Gesetzgebers gestützt werden; insoweit weist die systematische Auslegung eine gewisse Nähe zur teleologischen Auslegung auf. 36 Dies würde aber zunächst voraussetzen, dass die Regelungen des Europäischen Privatrechts überhaupt auf Prinzipien zurückzuführen sind. Vom Bestehen eines „Systems“ könnte darüber hinaus nur gesprochen werden, wenn diese Prinzipien in einem Verhältnis wertungsmäßiger Ordnung zueinanderstünden, d. h. in den einzelnen Rechtsregeln 37 in einer Art und Weise aufeinander abgestimmt wären, dass die dahinterstehenden, im gesamten (Privat-) Rechtssystem geltenden Wertungen des Gesetzgebers erkennbar würden. aa) Möglichkeit eines Systemdenkens im Bereich des Europäischen Privatrechts Es erscheint jedoch aus verschiedenen Gründen zweifelhaft, ob ein Systemdenken im Europäischen Privatrecht überhaupt möglich ist. Schließlich handelt es sich dabei um eine „kontinentaleuropäische Methode“, die nicht zu einer Rechtsgemeinschaft passt, der mit dem Vereinigten Königreich auch ein Mitglied angehört, das dem „Common law“ verbunden ist. Im Hinblick darauf, dass es zur Umsetzung des Richtlinienrechts stets der Mitwirkung des nationalen Gesetzgebers bedarf, stellt sich außerdem die Frage, ob Systembildung eigentlich Aufgabe des Gemeinschaftsgesetzgebers sein kann. Weiter könnte man einwenden, das Europäische Privatrecht könne schon deshalb kein vollständiges „System“ darstellen, weil der Gemeinschaftsgesetzgeber auf diesem Gebiet bisher nur Einzelfragen geregelt hat. 38 Riesenhuber 39 hat zu diesen Bedenken bereits ausführlich Stellung bezogen und dabei nachgewiesen, dass das Systemdenken auch auf Ebene des Gemeinschaftsrechts als Auslegungsmethode herangezogen Slg. 1997, I-6191 Rn. 20 – 24; EuGH v. 25. 10. 2001, Rs. C-112/99 (Toshiba Europe / Katun Germany), Slg. 2001, I-7945 Rn. 33 – 35. 36 Vgl. Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 201; Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 447; Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 27; ders., in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 195. 37 Die einzelnen Rechtsregeln sind Ausdruck eines Ausgleichs der ihr zugrunde liegenden Prinzipien, vgl. Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 15, 21. 38 Kritisch daher Flessner, JZ 2002, 14, 16, der die Entwicklung einer neuen, europäischen Methodenlehre für erforderlich hält. 39 Siehe Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 54 ff.

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werden kann. Im Folgenden sollen seine wichtigsten Argumente noch einmal kurz zusammengefasst werden. (1) Systemdenken als ausschließlich „kontinentaleuropäische Methode“ Riesenhuber 40 bestreitet nicht, dass es sich beim Systemdenken um eine Methode handelt, die dem englischen Rechtsdenken eher fremd ist, und dass vor diesem Hintergrund bezweifelt werden kann, ob sie auf Ebene des Europäischen Privatrechts Geltung beanspruchen kann. Er weist aber darauf hin, dass es im englischen Recht – auch außerhalb des Gesetzesrechts, in dem bereits der Gesetzgeber für eine gewisse systematische Ordnung sorge – Anzeichen für eine Systembildung gebe. So sei in der englischen Rechtsliteratur z. B. das Bestreben zu erkennen, nicht Einzelregelungen, sondern die sie tragenden Prinzipien zu betonen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht ausgeschlossen, dass das Systemdenken auch auf der Ebene des Europäischen Privatrechts bei der Entwicklung seiner eigenen Auslegungsmethoden Anerkennung finden werde, zumal diese Methode einige Überzeugungskraft genieße, da sie auf dem rechtsethischen Gleichheitssatz beruhe. 41 Dementsprechend müsse es erlaubt sein, das Systemdenken als Bestandteil einer Europäischen Methodenlehre vorzuschlagen. (2) Systembildung als Aufgabe des Gemeinschaftsgesetzgebers Die Tatsache, dass Richtlinien lediglich Ziele ausgeben, die noch einer Umsetzung in nationales Recht bedürfen, steht einem Systemdenken nach Ansicht von Riesenhuber 42 nicht entgegen. Zum einen ließen sich die Grundwertungen des Richtlinienrechts ebenfalls daraufhin überprüfen, ob sie in einem inneren Zusammenhang stehen. 43 Zum anderen dürfe aus dem Umstand, dass die nationalen Gesetzgeber durch die Gestaltungsfreiheit, die sie bei der Umsetzung der Richtlinienvorgaben haben, Systembildung betreiben können (und sollen 44), nicht der Rückschluss gezogen werden, dass der europäische Gesetzgeber von dieser Aufgabe vollständig entbunden sei. 45 Wegen des Einflusses, den das Gemeinschaftsrecht auf die nationalen Rechtsordnungen ausübe, müsse vielmehr 40

Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 58 ff. Dazu siehe Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 6 ff. 42 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 54 f. 43 Im Hinblick auf das gemeinschaftsrechtliche Gesellschaftsrecht vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 8 f. 44 Es ist ja gerade Aufgabe der nationalen Gesetzgeber, das Richtlinienrecht so in das nationale Recht umzusetzen, dass Wertungswidersprüche vermieden werden, dazu unten S. 75 ff. 45 A. A. Rittner, JZ 1995, 849, 851. 41

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auch der Richtliniengeber gehalten sein, Wertungswidersprüche zu vermeiden und einmal gesetzte Wertungen folgerichtig fortzuführen. Schließlich sei der Gemeinschaftsgesetzgeber nach dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue dazu angehalten, auf die Kompatibilität seiner Regelungen mit den nationalen Rechtssystemen der Mitgliedstaaten zu achten. 46 (3) Der fragmentarische Charakter des Gemeinschaftsrechts Die Rechtsetzung des Gemeinschaftsgesetzgebers auf dem Gebiet des Zivilrechts beschränkte sich zunächst auf Einzelfragen. Inzwischen ist eine Entwicklung vom Speziellen zum Allgemeinen feststellbar: 47 Auch zentrale Rechtsmaterien, wie z. B. der Verbrauchsgüterkauf, sind mittlerweile von Regelungen des Gemeinschaftsrechts betroffen. Trotzdem sind Kernfragen des Zivilrechts wie beispielsweise der Vertragsschluss (noch) nicht auf Ebene des Gemeinschaftsrechts geregelt; 48 insoweit bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten, wie sie sich im Rahmen des Aktionsplans der Kommission zu Schaffung eines kohärenten europäischen Vertragsrechts 49 vollziehen wird. 50 Bislang jedenfalls erfasst das Europäische Privatrecht nur einzelne Bereiche des allgemeinen Zivilrechts und kann daher als bloße „Teilrechtsordnung“ bezeichnet werden. 51 Sie erscheint daher gemessen am nationalen Zivilrechtssystem, wie Riesenhuber 52 einräumt, als „höchst lückenhaft“. Jedoch hält er eine Systembildung trotz dieses fragmentarischen Charakters des Europäischen Privatrechts für möglich. Die Tatsache, dass nur Teilbereiche des Zivilrechts geregelt seien, schließe nicht aus, dass sich die vorhandenen Regelungen auf wenige tragende Prinzipien zurückführen lassen. Diese wären allerdings nur dann als Bestandteile eines Systems anzusehen, wenn man davon ausgehen könne, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Entscheidung, welche Bereiche auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene geregelt werden sollen, einen Plan verfolge. Das Vorhandensein eines hinter den einzelnen (Teil-)Regelungen stehenden, gesetzgeberischen Plans ist 46

Dazu Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 198. Vgl. auch Grundmann, ZHR 163 (1999), 635, 675. 48 Dazu auch Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 56. 49 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – ein kohärentes Vertragsrecht – ein Aktionsplan, KOM(2003) 68 endg. 50 Wichtigstes Instrument zur Schaffung eines kohärenten Vertragsrechts ist nach Vorstellung der Kommission der CFR, der als Vorbild für künftige Legislativvorschläge dienen soll, vgl. KOM(2003) 68 endg., S. 19. Zum aktuellen Stand siehe zweiter Fortschrittsbericht der Kommission zum Gemeinsamen Referenzrahmen, KOM(2007) 447 endg. sowie unten S. 68 ff. 51 So Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 605 und ihm folgend Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 56. 52 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 56 f. 47

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schließlich Voraussetzung dafür, dass überhaupt von einer „inneren Ordnung“ des Rechts gesprochen werden kann. Diesen Plan sieht Riesenhuber 53 in dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgten Harmonisierungskonzept. 54 Die Existenz eines solchen Konzepts ist zwar gelegentlich bestritten worden – es wurde sogar bezweifelt, ob der Tätigkeit des Gemeinschaftsgesetzgebers überhaupt ein (erkennbares) Gesetzgebungskonzept zugrunde liegt. 55 Dem hält Riesenhuber 56 jedoch entgegen, dass man von der Fiktion ausgehen dürfe, dass der Gesetzgeber einen einheitlichen Plan verfolge, solange er nicht den Willen zu erkennen gebe, konzeptlos zu verfahren. Der Umstand, dass sich in der Politik der Kommission gerade ein Wechsel vom Konzept der Mindestharmonisierung 57 hin zum Konzept der Vollharmonisierung 58 abzeichnet, vermag diese Vermutung nicht zu erschüttern. Sie ist nur Ausdruck einer Änderung des gesetzgeberischen Willens und kann daher vielmehr als Beleg dafür angeführt werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht planlos handelt. Welchen Plan er im Einzelnen verfolgt und welche Wertungen hinter dem von ihm gesetzten Richtlinienrecht stehen, gilt es im Rahmen der systematischen Auslegung aufzudecken und so für die Interpretation der einzelnen Regelungen fruchtbar zu machen. (4) Ergebnis: Idee des Systemdenkens übertragbar Die Ausführungen von Riesenhuber zeigen, dass es nicht von vornherein ausgeschlossen ist, die Idee eines Systemdenkens auch auf das Europäische Privatrecht zu übertragen. Ob diese Auslegungsmethode letztendlich gemeinschaftsweit Akzeptanz finden wird, muss sich noch zeigen. Der EuGH hat jedenfalls keine Bedenken, bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts die inneren Zusammenhänge zu berücksichtigen, in denen eine Regelung steht: „Jede Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ist in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift auszulegen“. 59 Der Gerichtshof 53

Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 57. Zum Harmonisierungskonzept des Europäischen Schuldvertragsrechts siehe Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, Rn. 24 ff. sowie Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 211 ff. 55 W.-H. Roth, in: Grundmann / Medicus / Rolland (Hrsg.), Europäisches Kaufgewährleistungsrecht, S. 113, 116 (Fn. 23). 56 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 58. 57 Siehe „Vollendung des Binnenmarktes: Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat“, KOM(1985) 310 endg. 58 Siehe oben S. 29. 59 Std. Rspr. des EuGH, grundlegend EuGH v. 6. 10. 1982, Rs. 283/81 (CILFIT / Ministero della Sanità), Slg. 1982, 3415 Rn. 20; vgl. auch EuGH v. 14. 10. 1999, Rs. C-223/98 (Adidas), Slg. 1999, 7081 Rn. 23. 54

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geht also auch davon aus, dass die einzelnen Vorschriften des Sekundärrechts als ein Bestandteil des gesamten Gemeinschaftsrechts i.S. eines geordneten Ganzen anzusehen und daher entsprechend auszulegen sind. 60 In der Literatur wird ebenfalls nicht gezögert, Zusammenhänge zwischen Rechtsakten herzustellen, die eine vergleichbare Zielsetzung verfolgen. 61 Selbst Flessner 62, der unter Hinweis auf die fehlende Geschlossenheit des Gemeinschaftsrechts für die Entwicklung einer eigenständigen europäischen Methodenlehre plädiert, 63 geht nicht davon aus, dass die einzelnen Vorschriften völlig beziehungslos nebeneinanderstehen. Er nimmt vielmehr an, dass sie auf bestimmte „elementare Leitgedanken“ zurückzuführen sind. Diese „Bewertungselemente“ gelte es herauszuarbeiten, sie miteinander in Beziehung zu setzen und auf diese Weise die Anwendung des Europäischen Privatrechts zu „steuern“. 64 bb) Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts als Bestandteil eines Systems Bisher wurde festgestellt, dass der Gedanke des Systemdenkens jedenfalls dem Grunde nach auch auf das Gemeinschaftsprivatrecht übertragen werden kann. Offen gelassen wurde aber die Frage, wie weit dieses System bereits entwickelt ist, d. h. ob das Europäische Privatrecht bereits heute Ausdruck einer inneren Ordnung ist. Dann müsste es sich – wie es Riesenhuber 65 formuliert – „als widerspruchsfreie und folgerichtige Ausbildung allgemeiner Rechtsprinzipien“ darstellen. Dies ist im Ergebnis zu bejahen: Als Beleg dafür, dass die einzelnen Regelungen des Gemeinschaftsprivatrechts nicht zusammenhangslos nebeneinanderstehen, sondern auf allgemeine Grundsätze bzw. Prinzipien zurückzuführen sind, kann die Rechtsprechung des EuGH angeführt werden. Dieser hat bereits in mehreren Entscheidungen bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf allgemeine Rechtsprinzipien wie z. B. die Grundsätze der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes zurückgegriffen, die er in der Regel aus dem Primärrecht abgeleitet hat. 66 Im Bereich des Europäischen Privatrechts übt sich der Gerichtshof bisher zwar noch in Zurückhaltung; 67 doch auch hier finden sich 60

So bereits Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 62. Vgl. nur Schinkels, ZGS 2005, 179, 180, der einen Vergleich zwischen FernabsatzRiL und der F-Fernabsatz-RiL vornimmt. 62 Siehe Flessner, JZ 2002, 14, 16. 63 Vgl. auch Vogenauer, ZEuP 2005, 234, 252, 254. 64 Flessner, JZ 2002, 14, 18. 65 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 237. 66 Vgl. EuGH v. 6. 02. 1973, Rs. 48/72 (Brasserie De Haecht / Wilkin-Janssen), Slg. 1973, 77 Rn. 10; EuGH v. 25. 11. 1986, Rs. 201/85 (Klensch / Secrétaire d‘État), Slg. 1986, 3477 Rn. 21; EuGH v. 21. 03. 1991, Rs. C-314/89 (Rauh / Hauptzollamt Nürnberg / Fürth), Slg. 1991, I-1647, Rn. 17. 67 So die Bewertung von Heiderhoff, Grundstrukturen, S. 207. 61

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Urteile, in denen der EuGH auf allgemeine Rechtsgrundsätze Bezug nimmt. 68 Eine ausführliche Analyse der sich herausbildenden Prinzipien des Europäischen Privatrechts findet sich bei Riesenhuber 69 und Heiderhoff 70. Beide Autoren erbringen den Nachweis, dass dem Europäischen Privatrecht mit dem nationalen Recht vergleichbare 71 Prinzipien zugrunde liegen. Zu beachten ist allerdings, dass sich das Gemeinschaftsprivatrecht noch im Aufbau befindet; die Prinzipien können sich daher – jedenfalls in ihrer Gewichtung – noch verändern. 72 Dennoch sind die auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen beruhenden, systematischen Erwägungen gerade wegen der Lückenhaftigkeit des Gemeinschaftsprivatrechts schon heute von großer Bedeutung. Schließlich ermöglichen sie es, die Rechtsauslegung trotz des fragmentarischen Charakters des Europäischen Privatrechts vorhersehbar zu machen und leisten auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung der Rechtssicherheit. 73 Hinsichtlich der Frage, welche Prinzipien dem Europäischen Privatrecht nach seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand entnommen werden können, kann auf die Ausführungen von Riesenhuber 74 und Heiderhoff 75 verwiesen werden. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird nur dann auf einzelne Prinzipien eingegangen, wenn auf sie im Rahmen der Auslegung der Fernabsatz-RiL zurückgegriffen werden soll.

4. Teleologische Auslegung Die teleologische, d. h. die am Zweck des Rechtsaktes ausgerichtete Auslegung genießt in der Rechtsprechung des EuGH die weitaus größte Bedeu-

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Siehe nur EuGH v. 6. 02. 1973, Rs. 48/72 (Brasserie De Haecht / Wilkin-Janssen), Slg. 1973, 77 Rn. 6 – 10 und EuGH, Urt. v. 13. 12. 2001, Rs. C-481/99 (Heininger / Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG), Slg. 2001, I-9945 Rn. 47 (zum Grundsatz der Rechtssicherheit); EuGH v. 12. 05. 1998, Rs. C-367/96 (Kefalas), Slg. 1998, I-2843 Rn. 20 und EuGH v. 23. 03. 2000, Rs. C-373/97 (Dionisios Diamantis / Elliniko Dimosio, Organismos Ikonomikis Anasinkrotisis Epikhiriseon AE), Slg. 2000, I-1705 Rn. 33 (zur rechtsmissbräuchlichen Berufung auf das Gemeinschaftsrecht). 69 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 239 ff., insbesondere 555 ff. 70 Heiderhoff, Grundstrukturen, S. 187. 71 Heiderhoff, Grundstrukturen, S. 193 spricht davon, dass „die Grundsätze des europäischen Privatrechts denen des nationalen Privatrechts gleichen“. 72 Vgl. dazu Grundmann / Riesenhuber, JuS 2001, 529, 532. 73 Dazu Heiderhoff, Grundstrukturen, S. 199 f.; zur Bedeutung der Rechtssicherheit bei der Auslegung von Gemeinschaftsrecht siehe auch EuGH v. 6. 02. 1973, Rs. 48/72 (Brasserie De Haecht / Wilkin-Janssen), Slg. 1973, 77 Rn. 6 –10. 74 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 239 ff., insbesondere 555 ff. 75 Heiderhoff, Grundstrukturen, S. 187.

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tung. 76 Dies lässt sich mit den geschilderten Schwierigkeiten erklären, die sich beim Rückgriff auf die übrigen Auslegungsmethoden ergeben. 77 Vor dem Hintergrund, dass Rechtsregeln darauf ausgerichtet sind, die Lebensverhältnisse in der Zukunft zu gestalten, ist es aber auch gerechtfertigt, dem Zweck einer Regelung eine entscheidende Bedeutung zukommen zu lassen. 78 Bei der Ermittlung des Gesetzeszwecks spielen insbesondere die Erwägungsgründe eine bedeutende Rolle, die den Rechtsakten der Gemeinschaft gemäß Art. 253 EGV vorangestellt werden müssen; sie sind Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten objektiven Gesetzeszwecks. 79 Daneben kann bei der Erforschung der Zielsetzung auf teleologisch-systematische Erwägungen zurückgegriffen werden, d. h. die innere Verbindung mit anderen Vorschriften kann ebenfalls Einfluss auf die Zwecksetzung einer Vorschrift haben. 80 Ein weiterer Anhaltspunkt für die Zielsetzung einer Richtlinie kann sich aus der vom Gemeinschaftsgesetzgeber gewählten Rechtsgrundlage ergeben. 81 Zu beachten ist allerdings, dass es in der Regel nicht ausreicht, die allgemeine Zweckrichtung eines Rechtsaktes, die beispielsweise im „Verbraucherschutz“ liegen kann, herauszuarbeiten. Da die einzelne Regelung, die Gegenstand der Auslegung ist, regelmäßig das Ergebnis einer vom Gemeinschaftsgesetzgeber vorgenommenen Bewertung unterschiedlicher Interessen ist, z. B. der Interessen von Verbrauchern und Unternehmern, ist vielmehr die Zielsetzung der konkreten Regelung zu ermitteln. 82 Im Rahmen der teleologischen Auslegung können nach Ansicht des EuGH außerdem außergesetzliche bzw. formale Regelungszwecke Berücksichtigung finden. 83 So richtet der Gerichtshof die Auslegung auch an den Zielen des gesamten Gemeinschaftsrechts aus. 84 Von besonderer Bedeutung ist dabei der Gedanke der 76

Vgl. die Einschätzung von Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 38; Heiderhoff, Grundstrukturen, S. 178; Wegener, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EGV Rn. 14; Pernice / Mayer, in: Grabitz / Hilf, Band III, Art. 220 Rn. 42. 77 So Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 38. 78 Siehe Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 201; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 531. 79 Siehe Buck, Auslegungsmethoden des EuGH, S. 148. 80 Siehe Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 202; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 531; zu der an dieser Stelle zutage tretenden, engen Verbindung zwischen teleologischer und systematischer Auslegung siehe bereits oben S. 39. 81 Siehe Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 201; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 531. 82 Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 202. 83 Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 202; Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 355. 84 EuGH v. 6. 10. 1982, Rs. 283/81 (CILFIT / Ministero della Sanità), Slg. 1982, 3415 Rn. 20.

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Rechtsangleichung bzw. -vereinheitlichung, der durch das Sekundärrecht – insbesondere durch den Abbau von Wettbewerbsbeschränkungen – erreicht werden soll. Dies führt dazu, dass sich der Gerichtshof im Zweifel für eine integrationsfreundliche Auslegung entscheidet. 85 Insgesamt ist die Bedeutung der Vertragsziele für die Interpretation des Richtlinienrechts aber eher von untergeordneter Bedeutung. 86 a) Grundsatz des „effet utile“ Besonderer Erwähnung bedarf der Grundsatz des „effet utile“, den der EuGH bei der Interpretation von Richtlinienrecht besonders betont. Danach ist grundsätzlich derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, bei der die Norm die stärkste „praktische Wirkung“ bzw. den größten „praktischen Nutzen“ entfaltet. 87 Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass der mit der Vorschrift verfolgte Zweck möglichst vollständig erreicht wird. 88 Abgeleitet wird der Grundsatz des „effet utile“ aus dem (primären) Gemeinschaftsrecht, dem ein Gebot effektiven Rechtsschutzes immanent sei. 89 Nach Auffassung des Gerichtshofs verstößt nicht nur eine fehlende oder eine evident ungeeignete Umsetzung gegen den Grundsatz des „effet utile“. 90 Der nationale Gesetzgeber ist vielmehr angehalten, die „Formen und Mittel“ zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit „am besten eignen“. 91 Damit ist zwar eine Beeinträchtigung des Gestaltungsspielraums verbunden, der

85 So Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 202; a. A. Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 402. 86 So die Einschätzung von Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 357 und ihm folgend Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 202 Fn. 95. 87 Erstmalig Erwähnung findet der Effektivitätsgrundsatz in EuGH v. 15. 07. 1963, Rs. 34/62 (Bundesrepublik Deutschland / Kommission der EWG), Slg. 1963, 289, 318; siehe auch EuGH v. 8. 04. 1976, Rs. 48/75 (Royer), Slg. 1976, 497 Rn. 69 –73; EuGH v. 19. 11. 1991, Rs. 6/90 (Francovich / Republik Italien), Slg. 1991, I-5357 Rn. 33; EuGH v. 8. 06. 2006, Rs. C-60/05 (WWF Italia / Regione Lombardia), Slg. 2006, I-5083 Rn. 45; EuGH v. 18. 12. 2007, Rs. C-220/06 (Asociación Profesional de Empresas de Reparto y Manipulado de Correspondencia / Administración / General del Estado), Slg. 2007, I12175 Rn. 68. 88 Vgl. Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 219 f.; Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 461. 89 Vgl. Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 459. 90 Beispiele einer evident ungeeigeneten Umsetzung finden sich bei EuGH v. 10. 04. 1984, Rs. 14/83 (Colson und Kamann / Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891 Rn. 24; EuGH v. 10. 04. 1984, Rs. 79/83 (Harz / Tradax GmbH), Slg. 1984, 1921 Rn. 23 –24. 91 EuGH v. 8. 04. 1976, Rs. 48/75 (Royer), Slg. 1976, 497 Rn. 69 –73; dazu auch unten S. 77.

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den Mitgliedstaaten bei Umsetzung des Richtlinienrechts an sich zur Verfügung steht. 92Allerdings lässt sich die Rechtsprechung des EuGH mit dem Interesse an einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts rechtfertigen. 93 b) Auslegungsregel „im Zweifel für den Verbraucher“ Einige Stimmen im Schrifttum gehen davon aus, dass Bestimmungen der verbraucherschützenden Richtlinien „im Zweifel zugunsten des Verbrauchers“ auszulegen sind. 94 Ob ein solcher Grundsatz im Europäischen Privatrecht tatsächlich existiert, ist Gegenstand einer Kontroverse. aa) Argumente für eine Auslegungsregel „im Zweifel für den Verbraucher“ Ausgangspunkt für diese Diskussion sind die Schlussanträge der Generalanwälte Saggio und Tizzano aus den Jahren 1998 95 und 2001 96, die in zwei Verfahren, die jeweils die Pauschalreiserichtlinie 97 (im Folgenden: PauschalreiseRiL) betrafen, bei der Auslegung der Richtlinienvorschriften von dem Grundsatz ausgegangen sind, dass diese „im Zweifelsfall möglichst zugunsten desjenigen“ bzw. „am günstigsten für denjenigen auszulegen sind, der durch sie geschützt werden soll“. Dies sei der „Verbraucher touristischer Dienstleistungen“. Obwohl der EuGH seinen im Anschluss an die Schlussanträge ergangenen Entscheidun-

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Kritisch daher Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 461; vgl. auch Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, Band III, Art. 249 EGV Rn. 152; Wölk, Richtlinienumsetzung, S. 59; zum Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers unten S. 75 ff. 93 Auf den Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts nimmt der EuGH in ständiger Rechtsprechung immer wieder Bezug, vgl. nur EuGH v. 12. 03. 1996, Rs. C-441/93 (Pafitis u. a. / TKE u. a.), Slg. 1996, I-1347 Rn. 68 –70; EuGH v. 4. 07. 2000, Rs. C-387/97 (Kommission / Griechenland) Slg. 2000, I-5047 Rn. 82; EuGH v. 23. 03. 2000, Rs. C-373/97 (Dionisios Diamantis / Elliniko Dimosio, Organismos Ikonomikis Anasinkrotisis Epikhiriseon AE), Slg. 2000, I-1705 Rn. 34; vgl. auch Rechtsprechungsnachweise zur autonomen Auslegung von Begriffen des Gemeinschaftsrechts oben in Fn. 7 (Abschnitt B.). 94 Tonner, EuZW 2002, 403 ff.; Reich / Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, Tz. 18.22; Rösler, RabelsZ 71 (2007), 495, 506 f. 95 Schlussanträge des Generalanwalts Saggio vom 25. 06. 1998, Rs. C-140/97 (Rechberger), Slg. 1999, I-3499 Rn. 17. 96 Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano vom 20. 09. 2001, Rs. C-168/00 (Leitner), Slg. 2002, I-2631 R. 26. 97 Richtlinie des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (90/314/EWG), ABl. EG 1990 Nr. L 158 S. 59.

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gen einen solchen Grundsatz nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich – zugrunde gelegt hat, ist der Ansatz der Generalanwälte in der Literatur aufgegriffen und verschiedentlich gefordert worden, bei der Auslegung von Vorschriften des Verbraucherprivatrechts die Zweifelsregel „in dubio pro consumatore“ 98 zu beachten. Zur Begründung wird auf die Bedeutung des Verbraucherschutzes, wie er in Art. 95 Abs. 3 EGV zum Ausdruck kommt, sowie auf einzelne Vorschriften des Richtlinienrechts, insbesondere der Pauschalreiserichtlinie verwiesen, die eine einseitige Ausrichtung an den Interessen des Verbrauchers erkennen ließen. 99 Heiderhoff 100 spricht sich zwar nicht ausdrücklich für eine entsprechende Auslegungsregel aus, entnimmt dem verbraucherschützenden Charakter des Gemeinschaftsrechts aber jedenfalls das Gebot, die bestehenden Auslegungsgrundsätze zugunsten des Verbrauchers zu modifizieren. Da das Richtlinienrecht eine Tendenz zur Orientierung an den (einseitigen) Erwartungen des Verbrauchers erkennen lasse, müsse davon ausgegangen werden, dass den legitimen Verbrauchererwartungen im Rahmen der Auslegung ein höherer Stellenwert zukommen soll als den Interessen der Unternehmer. bb) Die Gegenargumente von Riesenhuber Ob sich dem Gemeinschaftsrecht tatsächlich eine entsprechende, das Verbrauchervertrauen betonende Tendenz entnehmen lässt, ist zu Recht bezweifelt worden. Riesenhuber hat darauf hingewiesen, dass das durch den Unternehmer auf Seiten seines Vertragspartners geweckte Vertrauen zwar durchaus geschützt werde. 101 Den vereinzelten Gemeinschaftsregelungen, die auf die „Erwartungen“ einer Vertragspartei Bezug nehmen, könne aber kein allgemeiner Grundsatz entnommen werden, wonach die Verbrauchererwartungen einseitig begünstigt werden sollen. Die betreffenden Vorschriften seien vielmehr Ausdruck des durch den Gemeinschaftsgesetzgeber gefundenen Ausgleichs zwischen den widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien und dienten daher nicht der einseitigen Bevorzugung der Belange einer der Vertragspartner. 102 Die Behauptung, das Gemeinschaftsrecht sei einseitig auf die Verbraucherinteressen ausgerichtet, ist auch deshalb nicht überzeugend, weil es bei dem 98 Zu der richtigen sprachlichen Fassung vgl. Riesenhuber, JZ 2005, 829 Fn. 1 a.E. sowie Adomeit, JZ 2006, 557. 99 Tonner, EuZW 2002, 403 ff.; Reich / Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, Tz. 18.22; Rösler, RabelsZ 71 (2007), 495, 506 f. 100 Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 123 f.; dies., Grundstrukturen, S. 348. 101 Riesenhuber, JZ 2005, 829, 833; vgl. auch Meller-Hannich, Schuldvertragsrecht, S. 259. 102 Riesenhuber, JZ 2005, 829, 833.

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durch das Richtlinienrecht geschützten Vertragspartner des Unternehmers nicht zwangsläufig um einen Verbraucher im technischen Sinne handelt. 103 Dies ergibt sich bereits aus den genannten Schlussanträgen der Generalanwälte, da sie die Pauschalreiserichtlinie betreffen, die eine vom üblichen Verbraucherbegriff abweichende Definition verwendet. Danach fällt unter den Begriff des Verbrauchers auch ein Gewerbetreibender, der eine Pauschalreise i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie bucht. 104 Es kann daher nicht von einer Zweifelsregelung zugunsten des Verbrauchers, sondern allenfalls zum Vorteil der „schwächeren“ bzw. der durch die jeweilige Richtlinie „begünstigten“ Vertragspartei gesprochen werden. 105 Soweit zur Begründung der den Verbraucher begünstigenden Auslegungsregel auf Art. 95 Abs. 3 EGV, der die Orientierung an einem hohen Verbraucherschutzniveau fordert, verwiesen wird, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Betrachtungsweise der Zielsetzung der in Art. 95 EGV enthaltenen Regelungskompetenz nicht gerecht wird. Die Vorschrift dient primär der Verwirklichung der in Art. 14 EGV genannten Ziele, d. h. der Realisierung des gemeinsamen Binnenmarktes. Die Regelung des Art. 95 Abs. 3 EGV soll lediglich gewährleisten, dass bei der Durchführung der insoweit erforderlichen Maßnahmen auch der Verbraucherschutz hinreichend berücksichtigt wird. 106 Zugleich soll sie den nötigen Spielraum schaffen, damit die in den einzelnen Mitgliedstaaten bereits bestehenden Verbraucherschutzregeln auch angesichts des eigentlichen Ziels des Art. 95 EGV – der Verwirklichung des Binnenmarktes – erhalten bleiben können. 107 Sie ist somit aber nicht etwa Ausdruck des Willens, den Binnenmarkt in erster Linie durch ein hohes Verbraucherschutzniveau zu realisieren. 108

103

Riesenhuber, JZ 2005, 829, 832. Tonner, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 12 Art. 2 Rn. 18. 105 Kritisch auch insoweit Riesenhuber, JZ 2005, 829, 833. 106 In diesem Sinne auch Drexl, Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 71; vgl. auch Riesenhuber, JZ 2005, 829, 831; a. A. Rösler, RabelsZ 71 (2007), 495, 507, der die Auffassung vertritt, der Marktschutz und nicht die Markterweiterung sei die „vorrangige Teleologie“. 107 Vgl. Kahl, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 95 Rn. 14; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Band II, Art. 95 EGV Rn. 65. 108 Wäre es wirklich das vorrangige Ziel des Gemeinschaftsgesetzgebers gewesen, ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau zu erzielen, hätte er keine Richtlinie mit Mindestklauseln erlassen (vgl. Art. 14 Fernabsatz-RiL), sondern allen Mitgliedstaaten verbindlich die Schaffung eines einheitlichen, besonders hohen Schutzniveaus vorgegeben; hierauf hat auch bereits Riesenhuber, JZ 2005, 829, 831 hingewiesen; ders., in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 208. 104

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B. Vorgaben des Europarechts

cc) Ungewissheit in Bezug auf Bedeutung der Auslegungsregel Darüber hinaus bleibt unklar, welche Bedeutung dem Auslegungsgrundsatz „im Zweifel für den Verbraucher“ eigentlich zukommen soll. Nach Ansicht von Tonner ist er Teil der teleologischen Auslegung 109 und hat zur Folge, dass ein nach Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze noch verbleibender Auslegungsspielraum nicht zu Lasten des Verbrauchers verwendet werden darf. 110 Riesenhuber hat dem entgegengehalten, dass man bei konsequenter Anwendung der teleologischen Auslegung auch ohne Anwendung einer solchen Zweifelsregel zu eindeutigen Ergebnissen kommt. 111 Die Anwendung eines Grundsatzes „im Zweifel für den Verbraucher“ birgt daher vielmehr die Gefahr, dass die Untersuchung der Zielsetzung der betroffenen Richtlinie verkürzt wird und vorschnell eine an den Interessen des Verbrauchers ausgerichtete Auslegung vorgenommen wird. Dabei drohen berechtigte, in der jeweiligen Richtlinie anerkannte Interessen der Unternehmer übergangen zu werden. Eine Richtlinie, die wie z. B. die Fernabsatz-RiL zumindest „auch“ den Interessen der Anbieter Rechnung tragen will (dazu unten S. 195), enthält ein vom Gemeinschaftsgesetzgeber ausdifferenziertes Regelungssystem, dessen Wertungen bei einer einseitigen Auslegung der Vorschriften zugunsten der Verbraucher missachtet würden. Zugleich stellt sich die Frage, anhand welcher Kriterien beurteilt werden soll, welche die für den Verbraucher „günstige“ Lösung ist. Im Einzelfall können die Verbraucher nämlich ganz unterschiedliche Interessen verfolgen. Dann stellt sich die Frage, wessen Interessen ausschlaggebend sein sollen. Ein Abstellen auf die Belange des jeweils betroffenen Verbrauchers kommt nicht in Betracht, da dies die Auslegung der Beliebigkeit preisgeben würde. 112 Also bliebe nur die Ausrichtung an einem „modellhaften Verbraucher“. Insoweit ist jedoch unklar, wie dessen Interessen festgestellt werden können. 113 Letztendlich könnte diese Frage nur unter Rückgriff auf das jeweils einschlägige Richtlinienrecht beantwortet werden. Denn wer zu dem in einer bestimmten Richtlinie geschützten Personenkreis gehört und welche berechtigten Interessen bzw. Erwartungen die Angehörigen dieser Gruppe in der konkreten Situation (z. B. bei Widerruf eines Fernabsatzvertrages) haben dürfen, ergibt sich erst aus einer Untersuchung der einschlägigen Richtlinie. Dies gilt erst recht, wenn 109

Tonner, JZ 2006, 400, 402. Tonner, EuZW 2002, 402, 403. 111 Riesenhuber, JZ 2005, 829, 831. 112 So bereits Riesenhuber, JZ 2005, 829, 833; vgl. auch Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 123, die darauf hinweist, dass „nicht immer darauf abgestellt werden [kann], was der Verbraucher gerade in einem konkreten Fall erwartet“. 113 Riesenhuber, JZ 2005, 829, 833 ist daher der Ansicht, dass der Auslegungsgrundsatz „im Zweifel für den Verbraucher“ viel zu unbestimmt ist. 110

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man wie Heiderhoff davon ausgeht, dass die zugunsten des Verbrauchers „modifizierte“ Auslegung auf dem Grundsatz der berechtigten oder legitimen Erwartungen beruht. Denn die Frage, welche Erwartungen berechtigt sind, kann sich nur danach richten, in welchem Umfang das Verbrauchervertrauen in der jeweiligen Richtlinie tatsächlich geschützt wird. 114 Wenn es also im Ergebnis auf die Auswertung der betreffenden Richtlinienvorschriften und der einschlägigen Erwägungsgründe ankommt, kann methodisch kein Unterschied zu der „normalen“ teleologischen Auslegung ausgemacht werden, die schließlich ebenfalls die (verbraucherschützende) Zielsetzung der einzelnen Richtlinienregelungen berücksichtigt. Für die Zweifelsregelung bedeutet dies, dass sie – sofern man sie überhaupt anerkennen will – jedenfalls nur im Anwendungs- bzw. Schutzbereich der jeweiligen verbraucherschützenden Richtlinie Geltung beanspruchen kann. dd) Gefahr einer gespaltenen Auslegung Hinzu kommt ein weiteres Problem: Bei Anwendung der Auslegungsregel „im Zweifel für den Verbraucher“ könnte es – jedenfalls im Bereich der Pauschalreiserichtlinie – zu einer gespaltenen Auslegung der Richtlinienvorschriften kommen. Da diese Richtlinie nicht nur den eine Pauschalreise buchenden Verbraucher, sondern auch den eine solche Dienstleistung in Anspruch nehmenden Unternehmer schützt, wäre es vorstellbar, dass ein und dieselbe Regelung unterschiedlich angewendet wird. Eine Abwägung der verschiedenen Auslegungsgesichtspunkte könnte bei einem geschäftlich Reisenden zu einem für ihn ungünstigen Auslegungsergebnis führen, während bei einem Verbraucher auf der Grundlage der hier diskutierten Zweifelsregelung eine für diesen günstige Auslegung vorzunehmen wäre. Eine solche gespaltene Auslegung dürfte jedoch nicht nur zu Problemen bei der Rechtsanwendung führen, sondern auch im Widerspruch zu der Intention des Gemeinschaftsgesetzgebers stehen, im Interesse des Binnenmarktes eine europaweit möglichst einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. 115 ee) Ergebnis: Kein Auslegungsgrundsatz „im Zweifel für den Verbraucher“ Wie gezeigt lassen sich zahlreiche Argumente gegen einen Auslegungsgrundsatz „im Zweifel für den Verbraucher“, der sich vorrangig an den Interessen der Verbraucher orientiert, anführen. Dagegen spricht vor allem, dass das Verbraucherschutzrecht – wie am Beispiel der Fernabsatz-RiL noch näher darzulegen 114

So letztendlich auch Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 123. Zum Bestreben des EuGH, eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen, siehe bereits oben S. 47. 115

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B. Vorgaben des Europarechts

sein wird (siehe unten S. 195) – einen Ausgleich von Unternehmer- und Verbraucherinteressen darstellt, der in der jeweiligen Norm seinen Ausdruck gefunden hat. Die dahinter stehende gesetzgeberische Wertung würde man bei einer einseitigen Begünstigung der Verbraucher ignorieren. 116 Daher wird im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht von einem Auslegungsgrundsatz „im Zweifel für den Verbraucher“ ausgegangen. 117

5. Rangfolge der Auslegungskriterien Abschließend soll auf die Frage eingegangen werden, ob sich in der Rechtsprechung des EuGH eine Rangfolge der genannten Auslegungskriterien abzeichnet, die dann Bedeutung erlangt, wenn die verschiedenen Methoden zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Einigkeit besteht insoweit, dass jedenfalls dem Wortlaut kein Vorrang gegenüber anderen Kriterien zukommt. 118 Ein eindeutiger Wortlaut findet sich angesichts der Sprachenvielfalt praktisch nie, 119 und selbst wenn die grammatikalische Auslegung zu einem vermeintlich klaren Ergebnis führt, belässt es der EuGH nicht dabei, sondern sichert dieses durch die Heranziehung weiterer Auslegungskriterien ab. 120 Unterschiedliche Meinungen bestehen darüber, welcher Stellenwert der teleologischen Methode zukommt. Angesichts der Tatsache, dass der EuGH – jedenfalls in älteren Entscheidungen 121 – ausschließlich auf teleologische Gesichtspunkte Bezug nimmt, könnte man zu dem Schluss kommen, dass diesem Kriterium Vorrang gegenüber den anderen Auslegungsmethoden zukommen soll. 122 Zu beachten ist aber, dass es auch zahlreiche Urteile gibt, in denen der EuGH für die Auslegung sowohl auf den Wortlaut als auch den Gesamtzusammenhang,

116 Vgl. Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 209; vor einer einseitigen Betrachtung der Interessen einer Gruppe im Rahmen der teleologischen Auslegung warnt auch Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 461. 117 Generell gegen eine Anerkennung als Auslegungsregel Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 209. 118 Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 400; Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 205. 119 So Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 205. 120 Siehe Nachweise in Fn. 15 (Abschnitt B.). 121 Vgl. Nachweise bei Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1178 (Fn. 12). 122 So Bleckmann, NJW 1982, 1177, 1178; vgl. auch Schwarze, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 220 EGV Rn. 27; für einen Vorrang der teleologischen jedenfalls gegenüber der grammatikalischen Auslegung Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 205; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 534.

II. Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL

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in dem dieser steht, sowie den Sinn und Zweck der Regelung abstellt. 123 Dies spricht dafür, dass die genannten Auslegungsmethoden grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinanderstehen. 124 Die Tatsache, dass der teleologischen Auslegung in der Rechtsprechung des EuGH dennoch große Bedeutung zukommt, dürfte allein darauf zurückzuführen sein, dass der Rückgriff auf die übrigen Auslegungsmethoden oftmals nicht ergiebig ist. 125 Daraus darf aber nicht der Rückschluss gezogen werden, dass die teleologische Auslegung stets Vorrang genießt. Im Einzelfall sind Widersprüche zwischen den einzelnen Auslegungskriterien im Rahmen einer abwägenden Entscheidung zu bewältigen. 126 Die Gewichtung der verschiedenen Methoden steht letztendlich also im Ermessen des EuGH. 127 Dieses wird nur begrenzt durch den Vorrang der primärrechtskonformen Auslegung. 128 Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine die Rangordnung betreffende Regel, da sie keinen Vorrang einzelner Auslegungskriterien bestimmt – sie kann lediglich zum Ausschluss einzelner Auslegungsergebnisse führen. 129

II. Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL im Hinblick auf das Widerrufsrecht Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen ist in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL geregelt. Danach kann der Verbraucher „jeden Vertragsschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Angabe von Gründen und ohne Strafzahlung widerrufen“. Hinsichtlich der weiteren Vorgaben in Bezug auf das Widerrufsrecht ist zwischen drei Phasen zu unterscheiden: die Rechtslage vor Ausübung des Widerrufs, den Anforderungen an den Widerruf selbst und die Regelung der Widerrufsfolgen.

123 Vgl. nur EuGH v. 1. 04. 1993, Rs. C-136/91 (Findling Wälzlager Handelsgesellschaft / Hauptzollamt Karlsruhe), Slg. 1993, I-1793 Rn. 11, wonach es „ständiger Rechtsprechung“ entspricht, bei der Auslegung einer Gemeinschaftsvorschrift nicht nur den Wortlaut, sondern auch den Zusammenhang, in dem die Vorschrift steht, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden. 124 So Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 386; Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 402. 125 Zu den Problemen z. B. bei der Beurteilung des Wortlauts siehe oben S. 33. 126 In diesem Sinn bereits Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 387. 127 Vgl. dazu auch Vogenauer, Auslegung von Gesetzen, S. 402. 128 Vgl. Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 63; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 532; Domröse, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, S. 139, 144. 129 Siehe Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 8 S. 206; Grundmann / ders., JuS 2001, 529, 534.

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B. Vorgaben des Europarechts

1. Vor Ausübung des Widerrufsrechts a) Erfüllungsansprüche der Vertragsparteien Wie der Fernabsatzvertrag zustande kommt, wird von der Fernabsatz-RiL nicht geregelt. 130 Die im ursprünglichen Kommissionsentwurf – KOM(92) 11 endg. – vorgesehene Regelung, wonach der Abschluss eines Fernabsatzvertrages eine näher definierte „Aufforderung durch den Lieferer“ voraussetzte, wurde im Laufe des Rechtsetzungsverfahrens ersatzlos gestrichen. Die Fernabsatz-RiL enthält jedoch Vorgaben zu der Frage, ob in der Phase nach Abschluss des Vertrages und vor Ablauf der Widerrufsfrist bzw. Ausübung des Widerrufsrechts bereits Leistungspflichten der Vertragsparteien bestehen. aa) Erfüllungsanspruch des Verbrauchers Ob der Verbraucher noch vor Ablauf der Widerrufsfrist Erfüllungsansprüche geltend machen kann, ist in der Fernabsatz-RiL nicht ausdrücklich geregelt. Aus Art. 7 Abs. 1 Fernabsatz-RiL und Erwägungsgrund 15 ergibt sich jedoch, dass die im Wege des Fernabsatzes aufgegebene Bestellung innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Übermittlung der Bestellung „auszuführen“ ist, wobei die Parteien insoweit auch eine abweichende Vereinbarung treffen können. 131 Da die Ausführung der Bestellung das Bestehen einer entsprechenden Verpflichtung voraussetzt, kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die vertragliche Hauptleistungspflicht des Unternehmers nach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers auch schon vor Ablauf der Widerrufsfrist wirksam sein soll. Hinzu kommt, dass das Widerrufsrecht, so Erwägungsgrund 14, als Ausgleich dafür gedacht ist, dass der Verbraucher die bestellte Ware vor Abschluss des Kaufvertrages – anders als in einem Geschäft – nicht „sehen“ und sich somit keinen direkten Eindruck davon machen kann. Dies soll er nach Abschluss des Kaufvertrages innerhalb der Widerrufsfrist nachholen können. Dann muss er aber auch einen Anspruch darauf haben, die Ware zu Prüfzwecken zu erhalten. Es entspricht daher der ganz h.M., dass die Fernabsatzrichtlinie dem Verbraucher bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist einen Erfüllungsanspruch gewähren will. 132 Zur Begründung wird auch auf Art. 6 Abs. 1 S. 3 Fernabsatz-RiL verwiesen. 133 Nach dieser Vorschrift beginnt die Widerrufsfrist nicht bereits mit Abschluss des 130 Lorenz, JuS 2000, 833, 834; Thole, Widerrufsrecht, S. 64; Fischer, Widerrufsrecht, S. 71; Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 3. 131 Art. 7 Abs. 1 Fernabsatz-RiL ist nach seinem Wortlaut („Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben,...“) dispositiv, vgl. auch BT-Drs. 14/2658, S. 18. 132 In diesem Sinne Thole, Widerrufsrecht, S. 64; Bülow, ZIP 1999, 1293, 1294; Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 190; vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 36. 133 Thole, Widerrufsrecht, S. 64.

II. Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL

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Kaufvertrages, sondern erst mit Erhalt der Ware durch den Verbraucher zu laufen. Der Fristbeginn setzt also voraus, dass die Ware an den Verbraucher ausgeliefert wird, was wiederum in aller Regel nur dann der Fall sein wird, wenn der Verbraucher auch einen entsprechenden Anspruch auf Lieferung der Ware hat. Schließlich kann auch auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL verwiesen werden, wonach die förmliche Belehrung des Verbrauchers „während der Erfüllung des Vertrages“ und „spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung“ der Ware erfolgen muss. Auch diese Regelung kann als Beleg dafür gewertet werden, dass ab Vertragsschluss ein Erfüllungsanspruch des Verbrauchers bestehen muss. bb) Erfüllungsanspruch des Unternehmers Davon zu trennen ist die Frage, ob vor Ablauf der Widerrufsfrist auch bereits ein Zahlungsanspruch des Anbieters gegen den Verbraucher besteht. Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL regelt, dass dem Verbraucher die von ihm erbrachten Zahlungen zu erstatten sind. Dies bedeutet zunächst nur, dass der Verbraucher auch schon vor Ende der Widerrufsfrist Zahlungen erbringen kann. Dass er hierzu auch verpflichtet werden darf, ergibt sich aus der Rechtsetzungsgeschichte der Richtlinie. Im geänderten Richtlinienvorschlag vom 7. Oktober 1993 134 war in Art. 8 noch eine Regelung zur „Finanziellen Sicherheit“ des Verbrauchers aufgenommen, wonach von dem Verbraucher vor der Lieferung des Erzeugnisses keine Bezahlung verlangt werden konnte. Der Umstand, dass diese Regelung nicht in die endgültige Fassung der Fernabsatz-RiL übernommen wurde, lässt erkennen, dass es möglich sein muss, den Verbraucher auch schon vor Erhalt der Ware – und somit noch vor Beginn der Widerrufsfrist – zur Zahlung zu verpflichten. 135 Aus Art. 4 Abs. 1 lit. a Fernabsatz-RiL ergibt sich, dass der Unternehmer ggf. sogar eine „Vorauszahlung“ verlangen kann. Demnach ist also auch eine vertraglich geregelte Vorleistungspflicht des Verbrauchers – wie sie im Fernabsatzhandel nicht unüblich ist 136 – mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. 137 Folglich besteht vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht nur eine Leistungs134 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 7. Oktober 1993, KOM(93) 396 endg., ABl. EG 1993 Nr. C 308 S. 18. 135 Vgl. auch Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 86; kritisch Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 82. 136 Oftmals sehen die AGB der Anbieter vor, dass die Ware erst nach Zahlungseingang versandt wird. So wird z. B. bei ebay regelmäßig der Eingang des vereinbarten Kaufpreises auf dem Konto des Verkäufers zur Voraussetzung für den Versand der Ware gemacht. Zur Zulässigkeit einer solchen Vorleistungsklausel bei Fernabsatzgeschäften OLG Hamburg, NJW 2007, 2264, 2266. 137 In diesem Sinne auch Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 86, der allerdings – insoweit nicht nachvollziehbar – der Ansicht ist, die Vorauszahlung müsse auf maximal 50 % des geschuldeten Preises begrenzt bleiben.

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B. Vorgaben des Europarechts

verpflichtung des Unternehmers; auch vom Verbraucher kann die Bezahlung des Kaufpreises verlangt werden. b) Belehrung über das Widerrufsrecht Die Fernabsatz-RiL wird als Beispiel dafür genannt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber versucht, seine Schutzzwecke – hier den Verbraucherschutz – in erster Linie mit Hilfe von Informationspflichten durchzusetzen. 138 Tatsächlich nennen Art. 4 und 5 Fernabsatz-RiL eine Vielzahl von Informationen, die dem Verbraucher vom Unternehmer vor Vertragsschluss oder während der Erfüllung des Vertrages – und somit vor Ablauf der Widerrufsfrist – zur Verfügung gestellt werden müssen. Der Zielsetzung dieser Arbeit entsprechend konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf die Belehrungspflichten, die sich auf das Widerrufsrecht des Verbrauchers beziehen. aa) Anforderungen an die Belehrung über das Widerrufsrecht Im Hinblick auf das Widerrufsrecht sieht die Fernabsatz-RiL eine zweifache Belehrung vor. Noch „rechtzeitig vor Abschluss“ des Vertrages muss der Verbraucher nach Art. 4 Abs. 1 lit. f. Fernabsatz-RiL über das „Bestehen eines Widerrufsrechts“ informiert werden, wobei es ausreicht, dass ihm die Informationen überhaupt zur Verfügung gestellt werden. Darauf, dass die erforderlichen Angaben gerade durch den Unternehmer als seinem Vertragspartner bereitgestellt werden, kommt es nicht an. 139 Trotzdem ist es im Ergebnis die Aufgabe des Unternehmers dafür Sorge zu tragen, dass der Verbraucher in die Lage versetzt wird, Kenntnis von den entsprechenden Informationen zu erlangen. Ob dieser die Belehrung letztendlich auch tatsächlich zur Kenntnis genommen hat, ist allerdings unerheblich. 140 Formvorgaben für die Belehrung bestehen nicht; 141 sie muss gemäß Art. 4 Abs. 2 Fernabsatz-RiL lediglich in einer an die verwendete Kommunikations138 So Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 566; vgl. auch Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 59; allgemein zur Bedeutung der Informationspflichten als Instrument des Verbraucherschutzes vgl. Grundmann, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, S. 159, 174; Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, S. 142 f. 139 Vgl. dazu auch Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen, BR-Drs. 84/04, S. 36. 140 Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 61. 141 Hinsichtlich der zu verwendenden Sprache verweist der Gemeinschaftsgesetzgeber in Erwägungsgrund 8 der Fernabsatz-RiL auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; kritisch hierzu Meents, Verbraucherschutz, S. 191. Nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers muss die Information nicht in jedem Fall in deutscher Sprache erteilt werden; die Verwendung einer anderen Sprache soll zulässig sein, „wenn der Unternehmer da-

II. Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL

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technik angepassten Weise erteilt werden. Allerdings muss der Hinweis auf das Widerrufsrecht nach Vertragsschluss – spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung 142 – gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL noch einmal schriftlich oder auf einem dauerhaften Datenträger 143 wiederholt werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Formanforderungen schon bei der vorvertraglichen Belehrung beachtet wurden. In diesem Fall erübrigt sich der erneute Hinweis auf „das Bestehen“ des Widerrufsrechts. Allerdings bleibt der Unternehmer nach Art. 5 Abs. 1 S. 2, 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL in jedem Fall verpflichtet, dem Verbraucher bis zur Lieferung der Ware „schriftliche Informationen über die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts ..., einschließlich der in Artikel 6 Absatz 3 erster Gedankenstrich genannten Fälle“ zu übermitteln, wodurch der Verbraucher letztendlich auch (noch einmal) auf die Existenz des Widerrufsrechts aufmerksam gemacht wird. Die Frage, welche Anforderungen an die „Schriftlichkeit“ der Belehrung zu stellen sind, soll hier nicht weiter vertieft werden. 144 Entscheidend muss sein, dass dem Verbraucher die Informationen über das Widerrufsrecht in einer verkörperten Form vorliegen, 145 die die jederzeitige Kenntnisnahme ermöglicht 146 und zugleich gewährleistet, dass der Unternehmer nicht mehr auf die Informationen zugreifen und diese ggf. im Nachhinein verändern kann.

von ausgehen kann, dass die Informationen trotzdem ... für den in Frage kommenden Kundenkreis verständlich sind“, vgl. Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Drs. 14/2658, S. 38. 142 Die Beschränkung auf den Zeitpunkt der Lieferung gilt für den im Rahmen dieser Untersuchung interessierenden Fall, dass Waren geliefert werden, die nicht zur Weitergabe an Dritte bestimmt sind. 143 Zum Begriff des dauerhaften Datenträgers vgl. Art. 2 lit. f. F-Fernabsatz-RiL: „Dauerhafter Datenträger [ist] jedes Medium, das es dem Verbraucher gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht“; siehe auch Erwägungsgrund 20: „Zu den dauerhaften Datenträgern gehören insbesondere Disketten, CD-ROMs, DVDs und die Festplatte des Computers des Verbrauchers, auf der die elektronische Post gespeichert wird, jedoch nicht Internet-Websites, es sei denn, sie erfüllen die in der Definition des Begriffs „dauerhaftes Medium“ enthaltenen Kriterien“. 144 Vgl. dazu Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 22 Rn. 51; der deutsche Gesetzgeber hält gemäß § 312c Abs. 2 S. 1 BGB eine Belehrung in „Textform“ nach § 126b BGB für ausreichend; kritisch dazu MünchKommBGB / Wendehorst, § 312c Rn. 104 –107. 145 Vgl. Meents, Verbraucherschutz, S. 197. 146 Vgl. dazu auch Erwägungsgrund 13 Fernabsatz-RiL, in dem der Gemeinschaftsgesetzgeber auf das Problem hinweist, dass „die mit Hilfe bestimmter elektronischer Technologien verbreitete Information ... häufig nicht beständig [ist]. Infolgedessen ist es notwendig, dass der Verbraucher rechtzeitig schriftlich Informationen erhält...“.

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B. Vorgaben des Europarechts

bb) Rechtsfolgen bei Verletzung der Belehrungspflicht Die Fernabsatz-RiL trifft für den Fall, dass der Unternehmer die vorvertragliche Informationspflicht aus Art. 4 nicht erfüllt, keine Regelung. Bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 5 ordnet sie gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL lediglich eine Verlängerung der Widerrufsfrist auf drei Monate an. Mit dieser äußerst geringen Fristverlängerung ist keine spürbare Sanktion verbunden. 147 Da es unwahrscheinlich ist, dass der nicht belehrte Verbraucher innerhalb dieser relativ kurzen Frist auf anderem Wege von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht erfährt, hat der Unternehmer einen Widerruf kaum zu befürchten. 148 Sofern hier auf Seiten des Anbieters also überhaupt eine Unsicherheit über das Fortbestehen des Vertragsverhältnisses besteht, endet dieser Zustand der Ungewissheit jedenfalls schon nach nur drei Monaten – der Unternehmer erlangt somit schnell Klarheit darüber, ob er noch mit einer Rückabwicklung des Vertrages rechnen muss. (1) Bedeutung der Belehrung für die Position des Verbrauchers Der Umstand, dass die Fernabsatz-RiL keine weiteren Sanktionsmaßnahmen kennt, mag zunächst verwirren. Schließlich lässt sich der Tatsache, dass im Ergebnis sogar ein zweifacher Hinweis auf das Widerrufsrecht erforderlich ist, entnehmen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber der Belehrung hohe Bedeutung beimisst. Dass der Verbraucher vom Unternehmer über die Einzelheiten des Widerrufsrechts informiert werden soll, obwohl die Mitgliedstaaten gemäß Art. 16 Fernabsatz-RiL angehalten sind, Maßnahmen „zur Unterrichtung der Verbraucher über das zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassene innerstaatliche Recht“ zu ergreifen, macht zudem deutlich, dass der Verbraucher nach Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers ohne die individuelle Belehrung nicht in der Lage ist, sein Widerrufsrecht wahrzunehmen. 149 Zwar mag es Fälle geben, in denen der Verbraucher die nötigen Informationen auf anderem Wege erlangt oder aufgrund 147 Vgl. Ausführungen bei Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 52; Meents, Verbraucherschutz, S. 202 ist der Ansicht, dass die Verlängerung der Widerrufsfrist keine „echte Strafe für den Lieferer darstellt“; siehe auch Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Anhang I Ziff. 4.7 (S. 22). 148 Siehe auch die Argumentation von Schwintowski, in: Schulze / Ebers / Grigoleit (Hrsg.), Informationspflichten, S. 267, 272, der der Ansicht ist, dass der Unternehmer sogar bei der einjährigen Widerrufsfrist nach § 5a Abs. 2 S. 4 VVG nur ein geringes Risiko eingeht, dass ein Widerruf erfolgt. 149 Vgl. auch EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 98 – 100 zur Belehrung über das Widerrufsrecht der HTürW-RiL: Danach ist der Verbraucher bei fehlender Belehrung nicht in der Lage, es durch Ausübung des Widerrufsrechts zu vermeiden, sich den Risiken des Geschäftes auszusetzen.

II. Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL

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besonderer Vorkenntnisse vom Widerrufsrecht weiß. Allein die Tatsache, dass der Verbraucher von der Existenz des Widerrufsrechts Kenntnis hat, macht aber die Belehrung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 Fernabsatz-RiL nicht entbehrlich. Denn in den grenzüberschreitenden Fällen, auf die die Fernabsatz-RiL zugeschnitten ist, werden ihm jedenfalls die Einzelheiten des ggf. nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates zu beurteilenden Widerrufsrechts 150 – so z. B. die Dauer der Widerrufsfrist – nicht bekannt sein. Die wenigen Fälle, in denen der Verbraucher tatsächlich keiner weiteren Informationen über sein Widerrufsrecht bedarf, spielen wegen der in der Fernabsatz-RiL vorgenommenen typisierenden Betrachtungsweise ohnehin keine Rolle: Wenn es für die Ausübung des Widerrufsrechts unerheblich ist, ob im Einzelfall tatsächlich ein Informationsdefizit auf Seiten des Verbrauchers vorlag, das es erforderlich macht, ihm die Inaugenscheinnahme der Ware zu ermöglichen, 151 muss es für das Belehrungserfordernis ebenfalls ohne Bedeutung bleiben, wenn der Verbraucher im Einzelfall überhaupt keines Hinweises auf das Widerrufsrecht bedurfte. Es ist vielmehr generell davon auszugehen, dass der Verbraucher ohne die Belehrung keine ausreichende Kenntnis von seinem Widerrufsrecht hat. Die Erteilung der entsprechenden Informationen ist demnach unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausüben kann, und somit für die Effektivität dieses Verbraucherschutzinstruments von fundamentaler Bedeutung – ohne entsprechende Kenntnis bliebe das Widerrufsrecht ein bloß formales Recht ohne praktische Bedeutung. 152 (2) Erforderlichkeit weiterer (Sanktions-)Maßnahmen Die Fernabsatz-RiL sieht trotzdem keine weiteren Maßnahmen zur Durchsetzung der Belehrungspflicht vor. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass aus Sicht des Gemeinschaftsgesetzgebers insoweit kein Handlungsbedarf besteht. 153 Er hat sich vielmehr entschieden, die Entwicklung geeigneter Sanktionsmaßnahmen in die Hände der nationalen Gesetzgeber zu legen. Nach Art. 11 Abs. 1 Fernabsatz-RiL sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Interesse der Verbraucher für geeignete und wirksame Mittel zu sorgen, „die die Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie gewährleisten“. Hierin kann die 150 Zu der Frage, nach welchem Recht sich das Widerrufsrecht in grenzüberschreitenden Fällen richtet, siehe unten S. 82. 151 Zum Umfang des Untersuchungsrechts des Verbrauchers eingehend unten S. 206. 152 So bereits Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 52, der in diesem Zusammenhang auf Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL verweist, dem zu entnehmen ist, dass das Widerrufsrecht mehr als ein bloß formales Recht sein soll. 153 Anders Meents, Verbraucherschutz, S. 195, der davon ausgeht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber an dieser Stelle eine „Lücke im Verbraucherschutz bei Fernabsatzverträgen bewusst in Kauf genommen“ hat.

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B. Vorgaben des Europarechts

an den nationalen Gesetzgeber gerichtete Aufforderung gesehen werden, durch rechtliche Maßnahmen – zu denen auch Sanktionsregelungen zählen können – sicherzustellen, dass die Belehrungspflichten aus Art. 4 und 5 Fernabsatz-RiL, die zu den in Art. 11 Abs. 1 Fernabsatz-RiL genannten Richtlinienbestimmungen zu zählen sind, 154 eingehalten werden. 155 Ein solches Vorgehen entspricht der im Bereich der Harmonisierung durch Richtlinien üblichen Aufgabenteilung zwischen der Gemeinschaft, die lediglich das Ziel – hier: die Einhaltung der Belehrungspflichten – festlegt, während es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, die für die Erreichung dieses Ziels erforderlichen Rechtsvorschriften zu schaffen. 156 Auf diese Weise kann dem Umstand, dass im Bereich von Sanktionsregelungen noch große Unterschiede in den Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten bestehen, 157 am besten Rechnung getragen werden. Die Überschrift des Art. 11 Fernabsatz-RiL – „Rechtsbehelfe bei Gericht oder Verwaltungsbehörden“ – erweckt allerdings den Anschein, dass sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Sanktionsmaßnahmen zu regeln, nur auf die Bereitstellung solcher Mittel bezieht, wie sie in Art. 11 Abs. 2 Fernabsatz-RiL ausdrücklich genannt sind. Danach ist den Verbraucherschutzverbänden, öffentlichen Einrichtungen und Berufsverbänden das Recht einzuräumen, Verstöße gegen die nationalen Umsetzungsvorschriften gerichtlich oder vor den zuständigen Verwaltungsbehörden geltend zu machen. Zu beachten ist insoweit jedoch, dass diese Verbandsklagebefugnis nach dem Wortlaut von Absatz 2 nicht die einzig denkbare Maßnahme ist, um die in Art. 11 Abs. 1 Fernabsatz-RiL geforderte Einhaltung der Richtlinienbestimmungen zu gewährleisten. Die einleitenden Worte von Absatz 2 („Die in Absatz 1 genannten Mittel schließen Rechtsvorschriften mit ein, wonach ...“) lassen vielmehr erkennen, dass die Einführung der dort geregelten Rechtsbehelfe nur eine von mehreren Möglichkeiten darstellt, wie die Beachtung der Richtlinienvorschriften sichergestellt werden kann. Zu beachten ist auch der Regelungsgehalt der weiteren Absätze von Art. 11 Fernabsatz-RiL, die es den Mitgliedstaaten erlauben, Regelungen zur Beweislastverteilung und zur Verantwortung von Lieferern und Betreibern von Kommunikationstechniken für die Verwendung unzulässiger Absatzpraktiken (Abs. 3) sowie Maßnahmen der freiwilligen Selbstkontrolle (Abs. 4) einzuführen. Da es sich hierbei offenkundig nicht um „Rechtsbehelfe bei Gericht oder Verwaltungsbehörden“ handelt, 154 Micklitz in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 154 geht davon aus, dass sich Art. 11 Abs. 1 Fernabsatz-RiL auf die Informations- und Aufklärungspflichten der Richtlinie bezieht. 155 So auch Micklitz, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 189, 203. 156 Art 249 EGV; vgl. dazu auch Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 274 sowie die Ausführungen unten auf S. 75 ff. 157 Auf die bestehenden Unterschiede weist Pinto, in: Schulze / Ebers / Grigoleit (Hrsg.), Informationspflichten, S. 157, 167 hin.

II. Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL

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ist anzunehmen, dass sich die Überschrift von Art. 11 Fernabsatz-RiL letztlich nur auf den Inhalt des Absatzes 2 bezieht und ihr daher keine Bedeutung für die Interpretation der übrigen Absätze beigemessen werden kann. Folglich ist der nationale Gesetzgeber bei der Schaffung von Sanktionsregelungen nicht auf die in Art. 11 Abs. 2 Fernabsatz-RiL genannten Maßnahmen beschränkt. cc) Ergebnis: Schaffung zusätzlicher Sanktionsmaßnahmen möglich Abschließend kann festgehalten werden, dass angesichts der Bedeutung, die der Widerrufsbelehrung im Hinblick auf die Effektivität des Widerrufsrechts zukommt, auf nationaler Ebene dafür gesorgt werden muss, dass die Unternehmer ihrer Verpflichtung, die Verbraucher über ihr Widerrufsrecht zu belehren, nachkommen. 158 Dabei kann der nationale Gesetzgeber auch andere als die in Art. 11 Abs. 2 Fernabsatz-RiL ausdrücklich genannten Maßnahmen ergreifen. Ob er sie auch (zusätzlich) ergreifen muss, ist eine Frage der effektiven Umsetzung, auf die noch einzugehen sein wird (dazu unten S. 115 ff.). c) Die Widerrufsfrist Eine konkrete Vorgabe enthält die Fernabsatz-RiL hinsichtlich der Widerrufsfrist: Diese beträgt gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL sieben Werktage. Aus dem Wortlaut der Regelung („mindestens sieben Werktage“) ergibt sich, dass es der Gemeinschaftsgesetzgeber aber auch für zulässig erachtet, den Verbrauchern eine längere Widerrufsfrist zu gewähren. Die hierzu erforderliche Berechtigung des nationalen Gesetzgebers ergibt sich aus Art. 14 FernabsatzRiL. Danach kann er „strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, um ein höheres Verbraucherschutzniveau für die Verbraucher sicherzustellen“. Ebenfalls in der Richtlinie geregelt ist der Beginn der Widerrufsfrist. Sie beginnt nach Art. 6 Abs. 1 S. 3, 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL erst zu laufen, wenn der Verbraucher die Ware erhalten hat und die in Art. 5 Fernabsatz-RiL genannten Informationen, die u. a. das Widerrufsrecht betreffen, in der dort vorgesehenen Form übermittelt worden sind. Ist lediglich die Belehrung erfolgt, die Übergabe aber unterblieben, bleibt das Widerrufsrecht zeitlich unbegrenzt bestehen, bis der Verbraucher Besitz an der Ware erlangt; erst dann beginnt die siebentägige Frist zu laufen. Hat dagegen bereits eine Übergabe stattgefunden und fehlt es nur an einer ordnungsgemäßen Belehrung, verfristet das Widerrufsrecht – auch wenn die Belehrung nicht nachgeholt wird – spätestens drei Monate nach Erhalt der Ware (vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 4 u. 5 Fernabsatz-RiL). Werden die gemäß Art. 5 Fernabsatz-RiL erforderlichen Informationen innerhalb der 158

Zum Gebot der effektiven Umsetzung der Informationspflichten siehe auch Koch, ZEuP 2006, 785, 796.

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B. Vorgaben des Europarechts

Dreimonatsfrist nachgeholt, beginnt die Frist von sieben Werktagen mit Zugang der Belehrung zu laufen (vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 6 Fernabsatz-RiL). Dies gilt auch, wenn die nachträgliche Belehrung erst am letzten Tag der Dreimonatfrist erfolgt. Der Verbraucher kann in diesem Fall ebenfalls die volle Bedenkzeit von sieben Werktagen ausschöpfen. 159

2. Ausübung des Widerrufsrechts a) Die rechtliche Konstruktion des Widerrufsrechts Soweit es um die Ausgestaltung des Widerrufsrechts geht, verzichtet die Richtlinie auf nähere Vorgaben und überlässt die Einzelheiten bewusst dem nationalen Gesetzgeber. In Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL ist lediglich geregelt, dass der Verbraucher „jeden Vertragsschluss im Fernabsatz ohne Angaben von Gründen [...] widerrufen“ können soll. Dabei ist zu beachten, dass allein aufgrund der Verwendung des Wortes „widerrufen“ in der deutschen Fassung der FernabsatzRiL keine Rückschlüsse auf die rechtliche Konstruktion des Widerrufsrechts auf nationaler Ebene gezogen werden dürfen. Denn die inhaltliche Ausgestaltung des Rechts ist gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV dem nationalen Gesetzgeber zugewiesen, wie auch in Erwägungsgrund 14 der Richtlinie noch einmal ausdrücklich klargestellt wird. Dies bedeutet, dass das Widerrufsrecht aus der Fernabsatzrichtlinie durchaus nicht mit anderen, dem deutschen Recht bereits bekannten Widerrufsrechten (aus anderen Richtlinien) vergleichbar oder gar identisch sein muss. Im Übrigen verspräche der vergleichende Blick auf die vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL bestehenden nationalen Widerrufsrechte ohnehin keinen großen Erkenntnisgewinn, da der Begriff des Widerrufs – wie Gernhuber 160 nachgewiesen hat – innerhalb des deutschen Sachrechts so unterschiedlich gehandhabt wird, dass seine Verwendung keinerlei Rückschluss auf den konkreten Inhalt des Rechts zulässt. 159 So jedenfalls das deutsche Verständnis der Fernabsatz-RiL, siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherschutzes sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Drs. 14/3195, S. 31; Micklitz, in: ders. / Reich (Hrsg.), Europäisches Verbraucherrecht, S. 593; Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 26 Rn. 59; Rott, in: Micklitz / Pfeiffer / Tonner / Willingmann (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 249, 255; Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 53; Tonner, BB 2000, 1413, 1417; siehe auch Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 79, der die Auffassung vertritt, aus Gründen der Gleichbehandlung müsse auch der Verbraucher, der das Widerrufsrecht nicht am letzten Tag der Dreimonatfrist ausgeübt hat, die Möglichkeit haben, das Widerrufsrecht noch innerhalb der folgenden sieben Werktage auszuüben. 160 Gernhuber, WM 1998, 1797, 1798; dazu auch Lorenz, Unerwünschter Vertrag, S. 53 ff.

II. Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL

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b) Die Form des Widerrufs Die Fernabsatz-RiL stellt keine formellen Anforderungen an die Ausübung des Widerrufsrechts. 161 Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass es nach Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL ins Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt ist, eine Form für die Ausübung des Widerrufsrechts vorzusehen. Eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Fernabsatz-RiL zeigt vielmehr, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bewusst gegen die Verknüpfung des Widerrufsrechts mit Formvorgaben entschieden hat, um dem Verbraucher einen formfreien Widerruf zu ermöglichen. Art. 11 Abs. 2 des ursprünglichen Richtlinienentwurfs der Kommission 162 sah vor, dass der Verbraucher ein „Dokument als Beweis für diese Rücksendung vorlegen können“ muss. Es fand sich demnach zwar keine Formvorschrift, aber eine Beweislastregelung in dem Richtlinienentwurf, die die Vorlage eines Dokuments erforderte. Diese Regelung wurde im Laufe des weiteren Rechtsetzungsverfahrens jedoch ersatzlos gestrichen. 163 Auch wenn die Hintergründe, die zu dieser Streichung geführt haben, aus den öffentlich zugänglichen Dokumenten nicht ersichtlich sind, kann angesichts dieser Änderung davon ausgegangen werden, dass der Verbraucher nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht mit einer irgendwie gearteten Dokumentationspflicht belastet werden sollte. Bestätigt wird diese Sichtweise durch die zwischenzeitlich in Kraft getretene F-Fernabsatz-RiL. Diese enthält zwar nur Vorgaben für den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen. Trotzdem können die in der F-Fernabsatz-RiL enthaltenen Regelungen auch bei der Interpretation der Fernabsatz-RiL Berücksichtigung finden, da nicht davon auszugehen ist, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber zwei im Wesentlichen gleiche Sachverhalte ungleich behandeln will. 164 Nach Art. 6 Abs. 6 S. 1 F-Fernabsatz-RiL soll die Widerrufserklärung in einer Weise mitgeteilt werden, „die einen Nachweis entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ermöglicht“. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich im Rahmen der F-Fernabsatz-RiL also zur Aufnahme einer Beweisregelung entschlossen. Anders als nach dem Entwurf der Fernabsatz-RiL ist der Beweis aber nicht zwingend durch ein „Dokument“ zu erbringen; vielmehr sollen dem Verbraucher alle anerkannten

161

Vgl. auch Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 24 Rn. 57; Loos, ZEuP 2007, 5,

16. 162

KOM(92) 11 endg., ABl. EG 1992 Nr. C 156 S. 14. Im gemeinsamen Standpunkt des Parlamentes und des Rates vom 29. Juni 1995 (ABl. EG 1995 Nr. C 288 S. 1) wurde die Regelung zur Beweissicherung nicht mehr aufgenommen. 164 Hierzu Schinkels, ZGS 2005, 179, 180; zu dem „engen systematischen Zusammenhang“ zwischen Fernabsatz-RiL und F-Fernabsatz-RiL siehe auch Lienhard, Vertragsschluss im EG-Privatrecht, S. 167. 163

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B. Vorgaben des Europarechts

Beweismittel des nationalen Rechts zur Verfügung stehen. 165 Dies bedeutet, dass der geforderte Nachweis im Falle eines telefonischen Widerrufs z. B. auch durch Zeugen erbracht werden kann. 166 Es bleibt daher auch im Anwendungsbereich der F-Fernabsatz-RiL dabei, dass vom Verbraucher nicht verlangt werden kann, den Widerruf in einer Form zu erklären, die den Urkundsbeweis ermöglicht. Dass ein mündlicher Widerruf ausreichen muss, ergibt sich auch aus einem Umkehrschluss zu Art. 6 Abs. 6 S. 2 F-Fernabsatz-RiL, wo es heißt: „Die Frist gilt als gewahrt, wenn die Mitteilung, sofern sie in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften dem Empfänger zur Verfügung stehenden und ihm zugänglichen Datenträger erfolgt, vor Fristablauf abgesandt wird“. Der Umstand, dass hier eine spezielle Fristenregelung für den in Papierform oder auf einem dauerhaften Datenträger erklärten Widerruf getroffen wird, macht deutlich, dass daneben auch noch andere Formen des Widerrufs – z. B. durch mündliche Erklärung – möglich sein müssen. 167 Nach alledem entspricht es nicht dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers, wenn die Ausübung des Widerrufsrechts im Fernabsatzrecht von der Erfüllung bestimmter Formerfordernisse abhängig gemacht wird.

3. Nach Ausübung des Widerrufsrechts a) Erlöschen der Hauptleistungspflichten Die Fernabsatz-RiL regelt nicht ausdrücklich, dass mit Erklärung des Widerrufs die Leistungspflichten aus dem Vertrag – sofern er schon geschlossen wurde – erlöschen. Im Hinblick auf den Zweck des Widerrufsrechts, dem Verbraucher die nachträgliche Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er an dem Vertrag festhalten und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen erfüllen will, und angesichts der Tatsache, dass beide Parteien nach Art. 6 Abs. 2 FernabsatzRiL zur Rückabwicklung der bereits empfangenen Leistungen verpflichtet sind (dazu sogleich), kann aber kein Zweifel daran bestehen, dass Unternehmer und Verbraucher mit Zugang des Widerrufs von den gegenseitigen Leistungspflichten frei werden. 165 Mit der Bezugnahme auf die nationalen Beweisvorschriften soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich die Beweisanforderungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat stark unterscheiden können. Die Regelung enthält aber keine an den nationalen Gesetzgeber gerichtete Ermächtigung, speziell für den Widerruf von Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen besondere Beweisvorschriften zu erlassen; dies stünde im Widerspruch zu dem von der F-Fernabsatz-RiL verfolgten Konzept der Vollharmonisierung, vgl. Schinkels, GPR 2005, 109, 111. 166 Vgl. Rott, BB 2005, 53, 60, der § 355 Abs. 1 S. 2 BGB vor diesem Hintergrund für gemeinschaftswidrig erachtet. So im Ergebnis auch Schinkels, GPR 2005, 109, 111. 167 So bereits Schinkels, GPR 2005, 109, 111; a. A. Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rn. 122.

II. Die einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL

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b) Weitere Folgen der Ausübung des Widerrufsrechts Hinsichtlich der Folgen des Widerrufs hat der Richtliniengeber gleich mehrere Vorgaben gemacht. In Art. 6 Abs. 1 S. 1 ist zunächst geregelt, dass die Ausübung des Widerrufsrechts keine „Strafzahlung“ nach sich ziehen darf. Das Verbot von Strafzahlungen soll sicherstellen, dass der Verbraucher nicht aus Sorge vor der Strafe von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten wird. Diesem Zweck dient auch die in Art. 6 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL enthaltene Vorgabe, dass „die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, [...] die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren [sind]“. Durch diese Beschränkung der Möglichkeit, den Verbraucher mit Kosten zu belasten, soll gemäß Erwägungsgrund 14 gewährleistet werden, dass dieser in seiner Entscheidung, ob er von dem Widerrufsrecht Gebrauch macht, frei bleibt und das Widerrufsrecht kein bloß formales Recht darstellt. Dem Wortlaut der genannten Richtlinienvorschriften kann zugleich entnommen werden, dass der Verbraucher zur Rücksendung der Ware verpflichtet ist. Zwar regelt Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL an sich nur die Frage, wer die „Kosten der Rücksendung“ der Ware zu tragen hat. Diese Regelung macht aber nur Sinn, wenn überhaupt eine Rücksendung der Waren erfolgt. Daher kann davon ausgegangen werden, dass eine entsprechende Verpflichtung des Verbrauchers bestehen soll. 168 Der Lieferer wiederum ist – dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 und 3 Fernabsatz-RiL – verpflichtet, die vom Verbraucher bereits erbrachten Zahlungen zu erstatten, und zwar kostenlos und innerhalb einer Frist von 30 Tagen. Die „weiteren Bedingungen und Einzelheiten“ der Rückabwicklung sind gemäß Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL Sache des nationalen Gesetzgebers.

4. Weitere Vorgaben, die im Hinblick auf das Widerrufsrecht von Bedeutung sind Zu beachten ist weiterhin, dass der Verbraucher gemäß Art. 12 Abs. 1 Fernabsatz-RiL auf das Widerrufsrecht nicht verzichten kann. 169 Aus Art. 14 Fernabsatz-RiL wiederum ergibt sich, dass es dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleibt, im Anwendungsbereich der Richtlinie strengere Bestimmungen, die ein höheres Verbraucherschutzniveau gewährleisten, zu erlassen oder aufrechtzuerhalten. 170 168 So auch Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 106; Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 134; Meents, Verbraucherschutz, S. 203. 169 Zu Art. 12 Abs. 1 siehe auch Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 33 Rn. 71. 170 Diese „Mindestklausel“ ist Ausdruck des Konzepts der Mindestharmonisierung, das Gegenstand der mit dem Weißbuch der Kommission zur „Vollendung des Binnen-

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B. Vorgaben des Europarechts

III. Zielsetzung der Fernabsatz-RiL Nach Erwägungsgrund 3 Fernabsatz-RiL ist es „für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes unabdingbar, dass der Verbraucher sich an ein Unternehmen außerhalb seines Landes wenden kann“. Die Richtlinie soll die Bereitschaft des Verbrauchers, Waren im grenzüberschreitenden Fernabsatz zu erwerben, fördern. 171 Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, dass den Verbrauchern ein „weitreichender Schutz“ gewährt wird. 172 Sie sollen darauf vertrauen können, dass ihnen auch beim Erwerb von Waren von einem außerhalb ihres Wohnsitzstaates ansässigen Anbieter ein ihnen bekanntes Verbraucherschutzniveau gewährt wird. 173 Zentrales Verbraucherschutzinstrument ist dabei das Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL, das dem Verbraucher eingeräumt wird, weil er „in der Praxis keine Möglichkeit“ hat, „vor Abschluss des Vertrages das Erzeugnis zu sehen“. 174 Das Widerrufsrecht dient demnach dem Ausgleich des Informationsdefizits, das dadurch entsteht, dass der Verbraucher die Ware vor Vertragsschluss nicht in Augenschein nehmen kann, und das ihn daran hindert, eine privatautonome Entscheidung zu treffen. 175 Entweder kann der Verbraucher vor Erhalt der Ware noch überhaupt keinen abschließenden Willen bilden 176 oder aber die Willensbildung erfolgt jedenfalls auf unsicherer Grundlage, weshalb die Kaufentscheidung in jedem Fall widerruflich bleiben soll. Auf diese Weise wird eine Gleichstellung mit dem Präsenzhandel angestrebt. 177 Dort fällt der Verbraumarktes“ vorgestellten „Neuen Strategie“ war, vgl. KOM(85) 310 endg., S. 18 ff. Danach sollte der Gemeinsame Markt durch Geltung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung realisiert werden; gleichzeitig sollte die Harmonisierung von Rechtsvorschriften auf das für Sicherheit und Gesundheit zwingend erforderliche Maß beschränkt werden; zum Konzept der Mindestharmonisierung siehe auch Conrad, Konzept der Mindestharmonisierung, passim. Zu der zu erwartenden Abkehr von diesem Konzept und der aktuellen Tendenz des Gemeinschaftsgesetzgebers, vollharmonisierende Richtlinien zu erlassen, siehe unten S. 95 ff. 171 Zur Bedeutung der Beteiligung der Verbraucher bei der Verwirklichung des Binnenmarktes vgl. Rösler, Europäisches Konsumentenvertragsrecht, S. 188. 172 Vgl. EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn. 20; vgl. auch Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 8, wonach die Bereitschaft der Verbraucher zum grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel durch „die Reduzierung der spezifischen Probleme des Fernabsatzes bewirkt werden“ soll. 173 Vgl. Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2.02 Rn. 7; Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 86, 118. 174 Siehe Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL. 175 Larenz / Wolf, BGB AT, § 39 Rn. 17. 176 Gernhuber, WM 1998, 1797, 1804 spricht in diesem Zusammenhang von „nicht ausreichend bedachten Geschäften“.

III. Zielsetzung der Fernabsatz-RiL

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cher die (endgültige) Entscheidung, ob er die Ware erwerben will, auch erst dann, wenn er Gelegenheit gehabt hat, diese in Augenschein zu nehmen. Letztlich steht aber nicht der Schutz des einzelnen Verbrauchers im Vordergrund: 178 Ziel der Fernabsatz-RiL und insbesondere des Widerrufsrechts ist vielmehr die Stärkung des allgemeinen Verbrauchervertrauens. 179 Die Gewissheit, dass die im Fernabsatz erworbene Ware in jedem Fall – unabhängig davon, von welchem Mitgliedstaat aus der Unternehmer seine Waren anbietet – zurückgegeben werden kann, soll die generelle Bereitschaft der Verbraucher, von den Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Fernabsatzhandels Gebrauch zu machen, steigern. 180 Dass bei Schaffung des durch die Fernabsatz-RiL gewährten (hohen) Verbraucherschutzniveaus nicht der Verbraucherschutz als solcher, sondern die Förderung des Binnenmarktes im Vordergrund stand, 181 ergibt sich auch bereits aus Erwägungsgrund 4 Fernabsatz-RiL, wonach die Harmonisierung der Verbraucherschutzvorschriften auch dem Abbau von möglichen Wettbewerbshindernissen dienen soll. Die Wahl der Ermächtigungsgrundlage, Art. 100a EGV a.F. 182 (jetzt: Art. 95 EGV), kann ebenfalls als Beleg dafür angeführt werden, dass der Verbraucherschutz lediglich als Mittel zur Förderung des Fernabsatzes und somit als weiterer Schritt auf dem Weg zur Vollendung des Binnenmarktes angesehen wurde. 183 177 Vgl. Wildemann, jurisPK-BGB, § 357 Rn. 42; Rott, VuR 2001, 78, 80; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2.02 Rn. 18; Brönneke, MMR 2004, 127, 132; siehe auch Empfehlungen der Ausschüsse zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen, BR-Drs. 84/1/04, S. 5 sowie das Muster der Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. 08. 2002, BGBl. I S. 3002, wonach dem Verbraucher die Prüfung der Ware ermöglicht werden soll, wie sie „im Ladengeschäft möglich gewesen wäre“; die Europäische Kommission weist in ihrer Antwort vom 03. 03. 1999 auf die Anfrage des österreichischen Bundeskanzleramtes hinsichtlich der korrekten Umsetzung der Fernabsatz-Richtlinie 97/7/EG, GZ: 901.480/2-VII / B/7/99 ebenfalls darauf hin, dass die Fernabsatz-RiL lediglich darauf abzielt, „den Fernabsatz denselben Grundsätzen zu unterwerfen, die für andere Absatzpraktiken gelten“; kritisch dazu Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 100. 178 Vgl. Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 87 f.: „Das Verbraucherrecht der Gemeinschaft ist ... vom Gedanken der Marktförderung geprägt. Dagegen kennt es nicht den im Grundgesetz angelegten Sozialstaatsgedanken“. 179 Vgl. auch Mitteilung der Kommission – Verbraucherpolitischer Aktionsplan 1999 – 2001, KOM(1998), 696 endg., S. 6: „Das Vertrauen der Verbraucher ist für den Erfolg der Wirtschaft von vitaler Bedeutung“. 180 Vgl. Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2.02 Rn. 7. 181 Vgl. Wolf, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 1 Rn. 3 f. 182 In der Fassung des Vertrages von Maastricht vom 7. 02. 1992 (ABl. EG 1992 Nr. C 191 S. 1). 183 Siehe auch Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Fn. 7.

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B. Vorgaben des Europarechts

IV. Der Gemeinsame Referenzrahmen Die Kommission hat 2003 die Idee aufgeworfen, einen Gemeinsamen Referenzrahmen (Common Frame of Reference – CFR) erarbeiten zu lassen. Dabei soll es sich um ein auf rechtsvergleichenden Forschungen beruhendes Regelwerk handeln, das gemeinsame Grundsätze, Begriffsdefinitionen und Mustervorschriften des europäischen Vertragsrechts enthält. 184

1. Zielsetzung des Gemeinsamen Referenzrahmens Mit dem CFR werden unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt: 185 Zum einen soll der Referenzrahmen als öffentlich zugängliches Instrument den Mitgliedstaaten und auch Drittstaaten beim Erlass neuer vertragsrechtlicher Regelungen oder bei der Änderung geltender Regelungen als Vorbild dienen. Auf diese Weise soll eine größere Annährung der Vertragsrechte der Mitglied- und Drittstaaten erreicht werden. Zum anderen ist daran gedacht, den CFR als „optionelles“, also von den Vertragsparteien wählbares Instrument zur Regelung ihrer vertraglichen Beziehungen zur Verfügung zu stellen. 186 Als solches soll es neben das jeweilige Vertragsrecht der Mitgliedstaaten treten. 187 Vorrangig soll der Referenzrahmen aber als Grundlage für die Überarbeitung des europäischen Verbrauchervertragsrechts herangezogen werden. Der CFR kann nach der Vorstellung der Kommission als Modell und Orientierungshilfe für künftige Gemeinschaftsregelungen auf dem Gebiet des europäischen Vertragsrechts dienen und auf diese Weise dazu beitragen, dass das europäische Vertragsrecht kohärenter ausgestaltet wird. 188 Wörtlich heißt es, „die Kommission [wird], wo immer dies möglich und zweckmäßig ist, darauf zurückgreifen und die entsprechenden Bestimmungen in ihre Legislativvorschläge aufnehmen.“ 189 Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Regelungen des Referenzrahmens – soweit sie Widerrufsrechte betreffen – auch bei der von der Kommission angestrebten Überarbeitung der Fernabsatz-RiL 190 einfließen werden. Der CFR 184 KOM(2003) 68 endg., S. 19; vgl. auch Mitteilung der Kommission zum Europäischen Vertragsrecht und Überarbeitung des gemeinschaftlichen Besitzstandes – weiteres Vorgehen, KOM(2004) 651 endg., S. 12. 185 Zu den Zielen, die mit dem CFR verfolgt werden sollen, siehe KOM(2003) 68 endg., S. 19. 186 Zu dieser als „Opt-in“-Modell bezeichneten Lösung KOM(2004) 651 endg., S. 19. 187 KOM(2003) 68 endg., S. 27; siehe auch KOM(2004)651 endg., S. 20. 188 Dazu KOM(2003) 68 endg., S. 19 sowie KOM(2004) 651 endg., S. 2. 189 KOM(2003) 68 endg., S. 18. 190 Dazu oben S. 27.

IV. Der Gemeinsame Referenzrahmen

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selbst liegt allerdings noch nicht vor, weshalb er im Rahmen der vorliegenden Untersuchung noch keine Berücksichtigung finden kann. Anfang 2008 wurde aber der akademische Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens (Draft Common Frame of Reference – im Folgenden: DCFR) publiziert. 191 Es handelt sich um einen von der Study Group on a European Civil Code 192 und der Research Group on Existing EC Private Law 193 erstellten Diskussionsentwurf, der von dem von der Kommission geplanten CFR zu unterscheiden ist. Angesichts der Tatsache, dass die Erarbeitung des DCFR von der Kommission finanziell unterstützt worden ist, ist aber zu erwarten, dass die Kommission in irgeneiner Form auf den jetzt vorgelegten Text zurückgreifen wird. 194 Es entspricht auch dem erklärten Willen der Herausgeber des DCFR, dass dieser als Vorlage für den zukünftigen CFR dienen soll. 195 Da folglich davon ausgegangen werden kann, dass sich der Inhalt des künftigen CFR stark am Inhalt des DCFR orientieren wird, sollen die widerrufsrechtlichen Regelungen des DCFR an dieser Stelle vorgestellt werden. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird an geeigneter Stelle darauf einzugehen sein, ob die Vorschriften des DCFR mit den hier gefundenen Ergebnissen im Einklang stehen.

2. Die widerrufsrechtlichen Regelungen des DCFR Bei der Anfang 2008 veröffentlichten Version des DCFR handelt es sich um eine „Interim Outline Edition“ ohne Kommentare, rechtsvergleichende Informationen und bewertende Analysen. Mit der Publikation der endgültigen Fassung des DCFR, der diese zusätzlichen Informationen umfassen wird, ist erst Ende 2008 zu rechnen. 196 Da ergänzende Erläuterungen zu den einzelnen Regelungen somit noch nicht zur Verfügung stehen, kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nur der Text der Mustervorschriften zu den Widerrufsrechten Berücksichtigung finden. Die Regelungen zum Widerrufsrecht („Right of withdrawal“) finden sich im fünften Kapitel des zweiten Buches des DCFR, das sich mit dem Vertrag und anderen Rechtsgeschäften („Contracts and other juridical acts“) befasst. Die Vor191

von Bar / Clive / Schulte-Nölke (Hrsg.), DCFR; die Herausgeber des DFCR unterscheiden zwischen dem „akademischen“ Entwurf des DCFR und dem „politisch autorisierten“ CFR, vgl. S. 5 der Einführung zum DCFR. 192 Siehe http://www.sgecc.net. 193 Siehe http://www.acquis-group.org. 194 So bereits Eidenmüller / Faust / Grigoleit / Jansen / Wagner / Zimmermann, JZ 2008, 529, 533. 195 Vgl. Ausführungen auf S. 6 der Einführung zum DCFR „A possible model für a political CFR“. 196 Dazu S. 4 der Einführung zum DCFR.

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B. Vorgaben des Europarechts

schriften untergliedern sich in zwei Abschnitte: In „Section 1“ (Art. II.-5:101 – 106 DCFR) sind die Ausübung des Widerrufsrechts und deren Folgen geregelt. „Section 2“ (Art. II.-5:201 –202 DCFR) lässt sich dagegen entnehmen, unter welchen Umständen einer Vertragspartei überhaupt ein Widerrufsrecht zustehen soll. a) Bestehen eines Widerrufsrechts bei Fernabsatzgeschäften Betrachtet man zunächst „Section 2“, fällt auf, dass dort nur zwei Widerrufsrechte vorgesehen sind. In Art. II-5:202 Abs. 1 DCFR wird dem Verbraucher das aus der Teilzeitwohnrechtrichtlinie 197 (im Folgenden: TzWr-RiL) bekannte Recht eingeräumt, Verträge über Teilzeitnutzungsrechte an Immobilien zu widerrufen. Dagegen ist das in Art. II.-5:201 Abs. 1 DCFR geregelte Widerrufsrecht für Fälle vorgesehen, in denen der Verbraucher seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung außerhalb von Geschäftsräumen („away from the business premises“) abgeben hat. Diese Formulierung ist an den Titel der Haustürwiderrufsrichtlinie 198 (im Folgenden: HTürW-RiL) angelehnt, die den „Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“ betrifft. Dadurch wird deutlich, dass sich das Widerrufsrecht nach Art. II.-5:201 Abs. 1 DCFR auf Haustürgeschäfte beziehen soll. Allerdings wurde darauf verzichtet, die in Art. 1 Abs. 1 HTürW-RiL geregelte Beschränkung auf bestimmte Vertragsschlusssituationen zu übernehmen. Dies führt zu einer nicht unerheblichen Erweiterung des Anwendungsbereichs des Widerrufsrechts. Da es nur noch darauf ankommt, dass die Willenserklärung des Verbrauchers außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers abgegeben wird, werden auch Verträge, die im Fernabsatz geschlossen werden, erfasst. Denn der Verbraucher wird regelmäßig nur dann – wie von der Fernabsatz-RiL vorausgesetzt – für den Vertragsschluss auf ein Fernkommunikationsmittel zurückgreifen, wenn er sich an einem anderen Ort und somit außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers befindet. 199 Dass Fernabsatzgeschäfte unter Art. II.-5:201 Abs. 1 DCFR fallen sollen, ergibt sich auch im Umkehrschluss zu Art. II.-5:201 Abs. 3 DCFR, der Ausnahmetatbestände gerade für solche Verträge regelt, die unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen sind. 197 Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, ABl. EG 1994 Nr. L 280 S. 83. 198 Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, ABl. EG 1985 Nr. L 372 S. 31. 199 Allerdings sind auch Fälle vorstellbar, bei denen zwar Fernkommunikationsmittel verwendet werden, die aber trotzdem nicht von Art. II.-5:201 (1) DCFR erfasst werden, siehe Eidenmüller / Faust / Grigoleit / Jansen / Wagner / Zimmermann, JZ 2008, 529, 545.

IV. Der Gemeinsame Referenzrahmen

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Die im Rahmen von Art. II.-5:201 Abs. 1 DCFR vorgenommene Vereinheitlichung verschiedener Widerrufstatbestände ist nicht unproblematisch. Während das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften vor allem auf die in diesem Fällen bestehende Überrumpelungssituation zurückzuführen ist, beruht das Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften auf dem Umstand, dass der Verbraucher die Ware vor deren Erhalt nicht in Augenschein nehmen kann. 200 Ob diesen unterschiedlichen Schutzzwecken hinreichend Rechnung getragen werden kann, wenn beide Widerrufsrechte auf einen einheitlichen Tatbestand zurückgeführt werden, darf bezweifelt werden. 201 Mit dem Versuch, die Widerrufsmöglichkeit auf ein möglichst allgemein gehaltenes, einheitliches Kriterium zurückzuführen, geht außerdem eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Widerrufsrechte einher. Dies wirft die Frage auf, wie der mit Art. II.-5:201 Abs. 1 DCFR verbundene Eingriff in den Grundsatz der Vertragsbindung 202 gerechtfertigt werden kann. 203 Insoweit bleibt abzuwarten, welche Argumente die Herausgeber in der für Ende des Jahres 2008 angekündigten kommentierten Fassung des DCFR zur Begründung ihres Entwurfs anführen werden. b) Widerrufsfrist, Erklärung und Rechtsfolgen des Widerrufs Gemäß Art. II.-5:101 Abs. 1 DCFR richten sich die Widerrufsfrist, die Ausübung des Widerrufs und die Widerrufsfolgen eines Widerrufsrechts, das unter „Section 2“ fällt, nach den Regelungen der „Section 1“. Daher sollen die entsprechenden Vorschriften – soweit sie für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung sind – im Folgenden kurz erläutert werden. aa) Beginn und Dauer der Widerrufsfrist Beginn und Dauer der Widerrufsfrist sind in Art. II.-5:103 DCFR geregelt. Danach beginnt die Widerrufsfrist, sobald der Vertrag geschlossen ist und der Verbraucher eine hinreichende Belehrung über sein Widerrufsrecht erhalten hat. Sofern wie bei der weit überwiegenden Anzahl der Fernabsatzgeschäfte die Lieferung von Waren geschuldet ist, 204 muss der Verbraucher darüber hinaus auch 200

Ausführlich zu den unterschiedlichen Schutzzwecken unten S. 91 ff. Dazu, dass die unterschiedlichen Schutzwecke gegen eine Vereinheitlichung der Widerrufsrechte sprechen, siehe unten S. 95. 202 Zur Geltung dieses Grundsatzes auch auf Ebene des Gemeinschaftsrechts siehe EuGH v. 16. 06. 1998, Rs. C-162/96 (Racke / Hauptzollamt Mainz), Slg. 1998, I-3655 Rn. 49; Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 104; Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 561. 203 Kritisch auch Eidenmüller / Faust / Grigoleit / Jansen / Wagner / Zimmermann, JZ 2008, 529, 546. 204 Siehe oben S. 30. 201

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B. Vorgaben des Europarechts

noch den Kaufgegenstand empfangen haben. 205 Auf diese Weise ist gewährleistet, dass er die Ware – wie es die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL gebietet 206 – vor der Entscheidung, ob er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen will, in Augenschein nehmen kann. Falls nur der Vertrag geschlossen worden ist, es aber an der Belehrung und / oder der Übergabe der Ware fehlt, beginnt die Widerrufsfrist (noch) nicht zu laufen. Trotzdem kann das Widerrufsrecht auch in diesem Fall – wie Art. II.5:103 Abs. 1 DCFR ausdrücklich klarstellt – jederzeit ausgeübt werden. Allerdings endet die Möglichkeit, sich wieder von dem Vertrag zu lösen, unter diesen Umständen spätestens ein Jahr nach Vertragsschluss. 207 Insoweit unterscheiden sich die Regelungen des DCFR von den entsprechenden Vorgaben der Fernabsatz-RiL, die für den Fall, dass Belehrung und Übergabe fehlen, ein zeitlich unbegrenztes Fortbestehen des Widerrufsrechts vorsieht. Zu einer Verfristung des Widerrufsrechts trotz fehlender Widerrufsbelehrung kann es nur kommen, wenn der Verbraucher die Ware bereits erhalten hat, 208 wobei die Widerrufsmöglichkeit in diesem Fall nach Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL schon nach drei Monaten und nicht erst nach einem Jahr endet. Die Entscheidung der Herausgeber des DCFR, den Beginn der einjährigen Höchstfrist nicht von der Lieferung der Ware abhängig zu machen, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass mit dem DCFR eine einheitliche Fristenregelung auch für solche Konstellationen geschaffen werden sollte, bei denen die Ausübung des Widerrufsrecht wie z. B. bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen nicht von einer Übergabe abhängig ist. Im Hinblick auf Fernabsatzverträge über Warenlieferungen bedeutet dies allerdings eine – kritische zu beurteilende – Abkehr von dem der Fernabsatz-RiL zu entnehmenden Grundsatz, wonach ein Verbraucher, der eine Ware im Fernabsatz bestellt hat, nur dann an den Vertrag gebunden sein soll, wenn er Gelegenheit hatte, den Kaufgegenstand in Augenschein zu nehmen. 209 bb) Erklärung des Widerrufs Der Verbraucher hat – gerechnet ab dem Zeitpunkt, an dem alle Voraussetzungen für den Beginn der Widerrufsfrist vorliegen – vierzehn Tage Zeit, um den Widerruf zu erklären, 210 wobei der rechtzeitige Versand der Widerrufserklärung ausreicht, um die Frist zu wahren. 211 Welche Anforderungen bei der Ausübung 205 206 207 208 209 210 211

Art. II.-5:103 Abs. 2 DCFR. Dazu oben S. 66 f. Art. II.-5:103 Abs. 3 DCFR. Art. 6 Abs. 1 S. 5 Fernabsatz-RiL; dazu auch oben S. 61. Vgl. Ausführungen auf S. 66. Art. II.-5:103 Abs. 3 DCFR. Art. II.-5:103 Abs. 4 DCFR.

IV. Der Gemeinsame Referenzrahmen

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des Widerrufsrechts zu beachten sind, ergibt sich aus Art. II.-5:102 DCFR. Danach wird das Widerrufsrecht durch entsprechende Benachrichtung der anderen Vertragspartei ausgeübt („A right to withdraw is exercised by notice to the other party“). Der Verbraucher muss allerdings keine Gründe für den Widerruf angegeben. 212 Auch die Einhaltung einer bestimmten Form ist nicht vorgesehen. Einer ausdrücklichen Erklärung des Widerrufs bedarf es nicht, wenn der Verbraucher die Ware kommentarlos zurücksendet. Denn in der Rücksendung des Vertragsgegenstandes ist ein konkludenter Widerruf zu sehen, sofern sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. 213 cc) Rechtsfolgen des Widerrufs Anders als die Fernabsatz-RiL, in der nicht explizit geregelt ist, dass mit Erklärung des Widerrufs die Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien erlöschen, 214 wird diese Rechtsfolge in Art. II.-5:105 Abs. 1 DCFR ausdrücklich angeordnet. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Rückabwicklungsverhältnisses wird in Art. II.-5:105 Abs. 2 DCFR auf die Vorschriften des dritten Buchs des DCFR verwiesen, die die Rückgewähr von Leistungen im Fall einer auf Nichterfüllung beruhenden Vertragsbeendigung regeln. Allerdings ist Art. II.-5:105 DCFR keine reine Verweisungsnorm: Die Vorschrift enthält selbst einige speziell auf die Widerrufssituation zugeschnittene Rückabwicklungsregelungen, durch die die entsprechenden Vorschriften aus dem Bereich der Nichterfüllung modifiziert werden („as modified by this Article“). 215 Nach Art. III-3.511 Abs. 1 DCFR haben die Vertragsparteien die von der jeweils anderen Vertragspartei empfangene Leistung zurückzugewähren. Soweit es sich um eine übertragbare Leistung (außer Geld) handelt, muss diese durch einen entsprechenden Übertragungsakt zurückgegeben werden („it is to be returned by transferring it“). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Rückübertragung mit unangemessenem Aufwand oder Kosten verbunden wäre: In diesem Fall kann der Rückgewährschuldner seine Rückgabepflicht durch Zahlung von Wertersatz in Höhe des Wertes der empfangenen Leistung erfüllen. 216 Soweit der Rückgewährschuldner eine Geldleistung empfangen hat, muss er der anderen Vertragspartei den Geldbetrag zurückzahlen. 217 Diese Rückzahlungsverpflich212

Art. II.-5:102 S. 2 DCFR. Art. II.-5:102 S. 3 DCFR. 214 Dazu oben S. 64. 215 Damit folgt der DCFR dem Beispiel des deutschen Gesetzgebers, der in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB zwar auch einen grundsätzlichen Verweis auf das Rücktrittsrecht aufgenommen hat, in § 357 BGB aber zahlreiche Sonderreglungen getroffen hat, die das Rücktrittsrecht an dieser Stelle modifizieren. 216 Art. III-3.511 Abs. 3 DCFR. 217 Art. III-3.511 Abs. 2 DCFR. 213

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B. Vorgaben des Europarechts

tung muss gemäß Art. II.-5:104 Abs. 2 S. 2 DCFR – wenn die Rückabwicklung auf dem Widerruf des Vertrages beruht – vom Unternehmer ohne Verzögerung erfüllt werden, spätestens jedoch 30 Tage nach Wirksamwerden des Widerrufs. Es ist davon auszugehen, dass diese Regelung die Vorschrift aus dem Recht der Nichterfüllung verdrängt, die anordnet, dass wechelseitig zurückzugewährende Leistungen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen („reciprocal“). 218 Denn auf das bei gegenseitigen Leistungsverpflichtungen an sich bestehende Zurückbehaltungsrecht gemäß Art. III.-3:401 DCFR („Withholding performance“) soll sich der Unternehmer offenbar nicht berufen können, wenn seit der Ausübung des Widerrufsrechts 30 Tage vergangen sind. Welche Verpflichtung den Verbraucher trifft, wenn er nicht mehr in der Lage ist, die Ware zurück zu geben oder diese jedenfalls nicht in dem ursprünglichen Zustand zurückgewähren kann, ergibt sich aus Art. III.-3:513 i.V. m. Art. II.5:105 Abs. 3 DCFR. Danach schuldet er grundsätzlich Wertersatz in Höhe des nach Erhalt der Ware eingetretenen Wertverlustes; bei deren Verlust oder Zerstörung muss er also Wertersatz in Höhe des gesamten Warenwertes leisten. Bei der Berechnung des Wertes der Ware ist dabei der im widerrufenen Vertrag vereinbarte Kaufpreis zugrunde zu legen. 219 Die Verpflichtung zur Zahlung von Wertersatz entfällt allerdings, wenn der Verbaucher die angemessene Sorgfalt („reasonable care“) aufgewendet hat, um eine Beschädigung, den Verlust oder die Zerstörung der Ware zu vermeiden. 220 Außerdem ist der Verbraucher dann nicht zum Wertersatz verpflichtet, wenn die Wertminderung auf die bloße Inaugenscheinnahme und das Erproben der Ware zurückzuführen ist („caused by inspection and testing“). 221 Dabei ist zu beachten, dass Inaugenscheinnahme und Erprobung von dem normalen Gebrauch („normal use“) der Ware zu unterscheiden sind: Belässt es der Verbraucher nicht beim Ausprobieren, sondern nimmt er die Ware in Gebrauch, schuldet er – sofern er ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist – für den dadurch verursachten Wertverlust Wertersatz. 222 Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion über den Umfang des Untersuchungsrechts, das dem Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften zustehen soll, 223 ist es sehr zu begrüßen, dass der DCFR an dieser Stelle versucht, insoweit eine eindeutige Regelung zu treffen. Es darf aber bezweifelt werden, ob sich die hier gewählte Abgrenzung in der Praxis bewähren würde. Denn es dürfte nicht immer leicht fallen, eine klare Grenze zwischen dem bloßen Ausprobieren und der Ingebrauchnahme der Ware zu ziehen. 218

Art. III.-3.511 Abs. 1 S. 2 DCFR. Art. III.-3:513 Abs. 2 S. 1 DCFR; zur Frage, ob eine derartige Berechnung des Wertersatzes mit dem Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL vereinbar wäre, siehe unten S. 217. 220 Art. II.-5:105 Abs. 3 lit. b DCFR. 221 Art. II.-5:105 Abs. 3 lit. a DCFR. 222 Art. II.-5:105 Abs. 4 DCFR. 223 Dazu ausführlich unten S. 206 ff. 219

C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers I. Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers Grundsätzlich ist eine Richtlinie gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV nur hinsichtlich ihres Ziels verbindlich, während die Wahl der zur Umsetzung erforderlichen Form und Mittel den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. Der – nur in der deutschen Sprachfassung zu findende 1 – Hinweis auf die bloße Verbindlichkeit des „Ziels“ darf allerdings nicht so verstanden werden, dass es dem nationalen Gesetzgeber erlaubt wäre, von den in der Richtlinie enthaltenen Detailregelungen abzuweichen, solange er nur den allgemeinen Zielvorstellungen der Richtlinie hinreichend Rechnung trägt. Die Mitgliedstaaten trifft vielmehr die Pflicht, im nationalen Rechtsraum den in der Richtlinie festgelegten Rechtszustand herzustellen. 2 Bei der Herstellung dieses Rechtszustands steht den Mitgliedstaaten allerdings ein gewisser Entscheidungsspielraum zu, 3 der es ihnen ermöglichen soll, die Richtlinienvorgaben so in das nationale Recht zu transferieren, dass nationale Besonderheiten berücksichtigt und Wertungswidersprüche und Friktionen mit dem bestehenden Recht vermieden werden können. 4 1 In anderen Sprachfassungen ist nicht von einem Ziel, sondern von Ergebnissen (résultat, risultato, resultado, result) die Rede, die erreicht werden müssen. 2 Grundlegend Ipsen, in: Hallstein / Schlochauer (Hrsg.), FS für Ophüls, S. 67, 74; heute allgemein anerkannt, siehe nur Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 249 Rn. 25; Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, Band III, Art 249 EGV Rn. 133; Wölk, Richtlinienumsetzung, S. 59 weist allerdings zurecht darauf hin, dass dem nationalen Gesetzgeber bei Herstellung des von der Richtlinie geforderten, sich durch Auslegung des gesamten Richtlinieninhalts ergebenden Rechtszustandes ein Gestaltungsspielraum verleiben muss. 3 Zur „Freiheit bei der Wahl der Mittel“ vgl. EuGH v. 10. 04. 1984, Rs. 14/83 (Colson and Kamann / Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891 Rn. 15; EuGH v. EuGH v. 25. 07. 1991, Rs. C-208/90 (Emmott / Minister for Social Welfare), Slg. 1991, I.4269 Rn. 18; aus jüngerer Zeit siehe EuGH v. 9. 11. 2006, Rs. C-216/05 (Kommission / Irland), Slg. 2006, I-10787 Rn. 26, wonach die „Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bei der Umsetzung der Richtlinie deren vollständige Wirksamkeit zu gewährleisten, wobei sie aber über einen weiten Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Mittel verfügen“. 4 Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 10; Streinz, EuropaR, Rn. 434; Oppermann, EuropaR, § 6 Rn. 85; Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, Band III, Art. 249 EGV Rn. 152; Ruffert, in: Callies / ders., EUV / EGV, Art. 249 Rn. 43; Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 249 Rn. 23; Vogel, GPR 2005, 164, 171.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

1. Beschränkung des Gestaltungsspielraums durch detaillierte Richtlinienregelungen Der Umfang des Entscheidungsspielraums hängt allerdings von den konkreten Vorgaben der Richtlinie ab und kann z.T. stark beschränkt werden. 5 Ob die Beschränkung allerdings so weit gehen kann, dass dem nationalen Gesetzgeber nur noch die Wahl der Form der Umsetzung verbleibt, 6 ist nicht unproblematisch. Es stellte sich die Frage, wo der funktionelle Unterschied zu dem Rechtsetzungsinstrument der Verordnung bliebe, die im Unterschied zur Richtlinie gerade keiner Umsetzung bedarf, sondern horizontale unmittelbare Geltung in den verschiedenen Mitgliedstaaten entfaltet. 7 Dies spricht dafür, dass dem nationalen Gesetzgeber bei der Richtlinienumsetzung – in Abgrenzung zur Verordnung – ein materieller Gestaltungsraum verbleiben muss, den er nutzen kann, um Konflikte mit der innerstaatlichen Rechtsordnung zu vermeiden. 8 Unabhängig von der Frage, wie hoch die Regelungsdichte der Richtlinie insgesamt sein darf bzw. wie weit der Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten insgesamt eingeschränkt werden darf, ist anerkannt, dass der Richtliniengeber grundsätzlich nicht daran gehindert ist, auch detaillierte Regelungen in die Richtlinie aufzunehmen. 9 Eine hohe normative Dichte kann aufgrund der zur regelnden Materie (z. B. bei technischen Richtlinien) oder im Interesse einer möglichst weitreichenden Rechtsangleichung erforderlich sein. 10 Soweit die Richtlinie detaillierte Vorgaben enthält, hat der nationale Gesetzgeber in der Regel nicht mehr die Möglichkeit, bei der Umsetzung eine alternative Lösung zu wählen, da er dadurch die Verwirklichung des Ziels der Richtlinie gefährden würde. Zum einen wäre die angestrebte Rechtsangleichung, d. h. die Schaffung einer gleichwertigen materiellen Regelung in allen Mitgliedstaaten dann schwerer erreichbar. Zum anderen drohte auf inhaltlicher Ebene eine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie, da mit den Richtlinienregelungen – sofern sie detaillierte 5

Herdegen, Europarecht, Rn. 178. In diesem Sinne Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 11. 7 Für eine horizontale unmittelbare Wirkung einzelner (detaillierter) Bestimmungen einer Richtlinie hat sich GA F.G. Jakobs ausgesprochen, vgl. Schlussanträge zu Rs. C316/93, Slg. 1994, I-763, Ziff. 28 ff.; der EuGH hat in dem anschließenden Urteil insoweit keine Aussage getroffen; daher bleibt es bei der vom EuGH bereits früher getroffenen Entscheidung, dass Richtlinien keine horizontale Wirkung entfalten, dazu grundlegend EuGH v. 26.02.182, Rs. 152/84 (Marshall / Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority), Slg. 1986, 723 Rn. 48 und EuGH v. 11. 06. 1987, Rs. 14/86 (Pretura di Salò), Slg. 1987, 2545 Rn. 19. 8 Wölk, Richtlinienumsetzung, S. 59. 9 So die h.M., siehe Streinz, EuropaR, Rn. 434; Oppermann, EuropaR, § 6 Rn. 88; Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 249 Rn. 26; Ruffert, in: Callies / ders., EUV / EGV, Art. 249 Rn. 45. 10 Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 249 Rn. 26. 6

I. Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers

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Bestimmungen enthalten – ein „Modellgesetz“ 11 zur Verfügung steht, das nach Auffassung des Gemeinschaftsgesetzgebers für die Erreichung des Ziels besonders geeignet ist und daher nicht durch nationale Regelungen ersetzt werden darf, die die Zielerreichung ggf. nicht in gleicher Weise sicherstellen. So kann die Umsetzung bei Bestehen einer ausführlichen Richtlinienbestimmung z. B. nicht durch eine Generalklausel erfolgen, die einen geringeren Detaillierungsgrad als die Richtlinie aufweist. 12

2. Beschränkung des Gestaltungsspielraums durch das Ziel einer effektiven Umsetzung Aber auch in Fällen, in denen dem nationalen Gesetzgeber ein gewisser Entscheidungsspielraum verbleibt, ist dieser bei der Umsetzung der Richtlinienvorgaben nicht völlig frei. Die Mitgliedstaaten müssen nach Ansicht des EuGH „zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus einer Richtlinie alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer Zielsetzung zu gewährleisten“. 13 Sie haben daher „innerhalb der ihnen ... belassenen Entscheidungsfreiheit die Formen und Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks am besten eignen“. 14 Dieses Gebot, den Regelungen des Gemeinschaftsrechts optimale Wirkung zu verschaffen, ist nicht nur bei Erlass der Normen zu beachten, die unmittelbar der Umsetzung der in einer Richtlinie vorgesehenen Rechte dienen. Sie schränkt den Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers vielmehr auch im Hinblick auf solche Regelungen ein, die sich nur mittelbar auf die Wahrnehmung dieser Rechte auswirken, sofern die Gefahr besteht, dass sie die Entscheidung des Betroffenen, von den ihm in der Richtlinie eingeräumten Rechten Gebrauch zu machen, negativ beeinflussen könnten. So kann eine ungünstige Rechtsfolgenregelung geeignet sein, den Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. 15 11 So die Wortwahl von Biervert, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 249 Rn. 26. 12 Herrmann, Richtlinienumsetzung, S. 211. 13 Ständige Rechtssprechung, grundlegend EuGH v. 10. 04. 1984, Rs. 14/83 (Colson and Kamann / Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891 Rn. 15; vgl. aus jüngerer Zeit EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 69; zum Gebot der Gewährleistung der vollständigen Wirksamkeit siehe auch bereits oben S. 46. 14 Vgl. EuGH v. 8. 04. 1976, Rs. 48/75 (Royer), Slg. 1976, 497 Rn. 69 –73; zur Kritik an dieser Rechtsprechung siehe Nachweise Fn. 92 (Abschnitt B.). 15 Vgl. Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 19 Rn. 10 sowie Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 882; näher dazu unten S. 162 ff.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

3. Weitere Vorgaben des EuGH für die Umsetzung Die Feststellung, dass die Mitgliedstaaten die praktische Wirksamkeit der Richtlinien gewährleisten müssen, ist Grundlage für weitere, die Umsetzung von Richtlinien betreffende Aussagen des Gerichtshofs geworden. So hat der EuGH entschieden, dass der Erlass ausdrücklicher Rechtsvorschriften unter Übernahme des Wortlauts der entsprechenden Richtlinienbestimmung zwar nicht unbedingt erforderlich ist; 16 ein allgemeiner Rechtsrahmen (etwa allgemeine verfassungsoder verwaltungsrechtliche Grundsätze) kann eine Umsetzung durch besondere Rechtsvorschriften überflüssig machen. Allerdings muss die vollständige Anwendung der Richtlinie auf eine hinreichend bestimmte und klare Weise gewährleistet sein. 17 Letzteres ist nach Ansicht des EuGH nicht der Fall, wenn die Umsetzung nur im Wege richtlinienkonformer Fortbildung der nationalen Rechtsprechung zur Auslegung des bestehenden nationalen Rechts (z. B. von unbestimmten Rechtsbegriffen oder Generalklauseln) erfolgen soll, da eine höchstrichterliche Rechtsprechung nicht die gleiche Klarheit und Bestimmtheit aufweise wie eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. 18 Folglich ist jedenfalls dann, wenn eine Richtlinie dem einzelnen Bürger Rechte verleihen oder Pflichten auferlegen will und noch keine entsprechende Regelung auf Ebene des nationalen Rechts existiert, eine förmliche und damit legislative Umsetzung erforderlich. 19 Außerdem muss die sich aus dem nationalen Recht ergebende Rechtslage in jedem Fall „hinreichend bestimmt und klar“ sein und den Begünstigten in die Lage versetzen, von allen seinen Rechten Kenntnis zu erlangen. 20

16

Vgl. nur EuGH v. 29. 04. 2004, Rs. C-194/01 (Kommission / Österreich), Slg. 2004, I-4579 Rn. 75. 17 EuGH v. 23. 05. 1985, Rs. 29/84 (Kommission / Deutschland), Slg. 1985, S. 1661 Rn. 23; eine Richtlinienumsetzung durch bloße Verwaltungspraxis ist nach ständiger Rechtsprechung allerdings nicht ausreichend, siehe EuGH v. 1. 03. 1981, Rs. 300/81 (Kommission / Italien), Slg. 1983, 449 Rn. 10 und aus jüngerer Zeit EuGH v. 9. 03. 2000, Rs. C358/98 (Kommission / Italien), Slg. 2000, I-1255 Rn. 17; so auch Wölk, Richtlinienumsetzung, S. 81; Ruffert, in: Callies / ders., EUV / EGV, Art. 249 Rn. 55. 18 EuGH v. 10. 05. 2001, Rs. C-144/99 (Kommission / Niederlande), Slg. 2001, I-3541 Rn. 21.; vgl. auch Herrmann, Richtlinienumsetzung, S. 190 f., 207 ff. 19 Herrmann, Richtlinienumsetzung, S. 210. 20 Ständige Rechtsprechung, siehe nur EuGH v. 23. 05. 1985, Rs. 29/84 (Kommission / Deutschland), Slg. 1985, S. 1661 Rn. 23; EuGH v. 30. 05. 1991, Rs. C-59/89 (Kommission / Deutschland), Slg. 1991, I-2607 Rn. 18; EuGH v. 23. 03. 1995, Rs. C-365/93 (Kommission / Griechenland), Slg. 1995, I-499 Rn. 9; EuGH v. 10. 05. 2001, Rs. C-144/99 (Kommission / Niederlande), Slg. 2001, I-3541 Rn. 17; zu dem Erfordernis einer hinreichend klaren und bestimmten Umsetzung von Richtlinienvorschriften vgl. auch Herrmann, Richtlinienumsetzung, S. 190 f., 210 ff.

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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4. Ergebnis: Einbringen eigener Zielvorstellungen möglich Soweit die vorstehend genannten Vorgaben des EuGH beachtet werden, ist der deutsche Gesetzgeber nicht gehindert, eigene Ziel- und Zweckvorstellungen in das Rechtsetzungsverfahren einzubringen. 21 Daher gilt es an dieser Stelle herauszuarbeiten, welche Vorstellungen der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung verfolgt hat. Diese können im weiteren Verlauf der Untersuchung allerdings nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie mit der Fernabsatz-RiL vereinbar sind. Denn es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedstaaten die Absicht haben, den sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen im vollen Umfang nachzukommen. 22 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der nationale Gesetzgeber klar erkennen lässt, dass er bewusst von den Vorgaben der Richtlinie abweichen will. 23

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers 1. Schaffung eines einheitlichen Widerrufsrechts Der deutsche Gesetzgeber hat die Umsetzung der Fernabsatz-RiL zum Anlass genommen, eine Vereinheitlichung der verschiedenen verbraucherschützenden Widerrufsrechte des Gemeinschaftsrechts in Betracht zu ziehen. a) Die Ausgangslage bei Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL Neben dem Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL kennt das Gemeinschaftsrecht noch zwei 24 weitere verbraucherschützende Widerrufsrechte. Diese sind in Art. 5 Abs. 1 S. 1 HTürW-RiL und Art. 5 Nr. 1 TzWr-RiL geregelt 21

Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 261; Wölk, Richtlinienumsetzung,

S. 60. 22 Vgl. Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 261; W.-H. Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, S. 272; Nach Auffassung des EuGH v. 16. 12. 1993, Rs. C-334/92 (Wagner Miret / Fondo de garantía salarial)), Slg. 1993, I-6911 Rn. 20, „hat jedes nationale Gericht bei der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts davon auszugehen, dass der Staat die Absicht hatte, den sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in vollem Umfang nachzukommen“. 23 Vgl. auch EuGH v. 4. 07. 2006, Rs. C-212/04 (Adeneler und andere / Ellinikos Organismos Galaktos), Slg. 2006, I-6057 Rn. 110, wonach die Verpflichtung zu richtlinienkonformer Auslegung „nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen“ dürfe. 24 Zwischenzeitlich sind auch noch das Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 F-Fernabsatz-RiL sowie nach Art. 14 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments

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und sehen von der Fernabsatz-RiL („sieben Werktage“) abweichende Widerrufsfristen vor. Während dem Verbraucher bei Haustürgeschäften zur Ausübung des Widerrufsrechts „sieben Tage“ zur Verfügung stehen, beträgt die Frist bei Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien „10 Tage“. Auch der Anknüpfungspunkt für den Beginn der Widerrufsfrist ist z.T. unterschiedlich: Kommt es nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 Fernabsatz-RiL auf den „Eingang“ der Ware beim Verbraucher an, ist nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 i.V. m. Art. 4 S. 3 HTürW-RiL und Art. 5 Nr. 1 TzWr-RiL für den Fristbeginn der Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Abgabe des Vertragsangebots durch den Verbraucher maßgeblich. Auf nationaler Ebene bestanden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Fernabsatz-RiL im Mai 1997 noch zwei weitere verbraucherschützende Widerrufsregelungen, die ebenfalls divergierende Fristenregelungen vorsahen. Nach § 4 FernUSG a.F. stand demjenigen, der einen Fernunterrichtsvertrag abschließt, das Recht zu, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der ersten Lieferung des Fernlehrmaterials zu widerrufen. Ferner konnte der Verbraucher, der einen Verbraucherkreditvertrag abgeschlossen hatte, seine Vertragserklärung gemäß § 7 Abs. 1 VerbrKrG a.F. 25 binnen einer Frist von einer Woche ab Erhalt einer gesondert zu unterschreibenden Belehrung über das Widerrufsrecht widerrufen. b) Die Zielsetzung der Vereinheitlichung Angesichts dieser Unterschiede war es ein zentrales Anliegen des deutschen Gesetzgebers, die nationalen Regelungen zur Fristbemessung und zu den Rechtsfolgen der verschiedenen verbraucherschützenden Widerrufsrechte im Zuge der Umsetzung der Fernabsatz-RiL zu vereinheitlichen. Zur Begründung wurde angeführt, dass „es auf die Dauer dem Verbraucherschutz nicht dient, wenn in den verschiedenen europäischen und nationalen Verbraucherschutzvorschriften unterschiedliche Fristen bzw. unterschiedliche Fristberechnungen für vergleichbare Widerrufsrechte vorgesehen sind“. 26 Zugleich sollte mit der Vereinheitlichung und der Integration der verbraucherschützenden Vorschriften in das BGB eine höhere Transparenz für den Rechtsanwender geschaffen werden. 27 Die Bedenken des Gesetzgebers im Hinblick auf die uneinheitliche Regelung der Widerrufsfristen sind nachvollziehbar. So ist aus Sicht des Verbrauchers auf und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zu Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. EG 2008 Nr. L 133 S. 66) dazu gekommen. 25 Verbraucherkreditgesetz nach Art. 1 des Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozessordnung und anderer Gesetze vom 17. 12. 1990, BGBl. I S. 2840. 26 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 42. 27 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drs. 14/6040, S. 79, 91 f.

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den ersten Blick nicht verständlich, warum das Widerrufsrecht nach der HTürWRiL sieben (Kalender-)Tage, nach der Fernabsatz-RiL aber sieben Werktage beträgt. Auch auf europäischer Ebene hat man erkannt, dass die Unterschiede für den Verbraucher verwirrend sind und insbesondere bei Überschneidungen von Richtlinien für Rechtsunsicherheit sorgen können. 28 Trotzdem muss daran gezweifelt werden, ob in der Vereinheitlichung der Fristenregelungen auf nationaler Ebene eine Lösung des Problems gesehen werden kann. aa) Stärkung des Verbrauchervertrauens in grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel Das Widerrufsrecht nach der Fernabsatz-RiL soll das Verbrauchervertrauen in den grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel stärken. 29 Das Wissen, bei Bestellungen in anderen Mitgliedstaaten in den Genuss eines vergleichbaren Verbraucherschutzniveaus zu kommen, soll mögliche Bedenken des Verbrauchers, bei einem ausländischen Anbieter zu kaufen, zerstreuen. Eine weitere Angleichung der verbraucherschützenden Vorschriften könnte daher ein geeignetes Mittel sein, um das Vertrauen der Verbraucher zu steigern. Allerdings reicht eine Vereinheitlichung auf nationaler Ebene hierfür nicht aus; sie erweist sich insoweit sogar eher als kontraproduktiv. (1) Keine Steigerung des Verbrauchervertrauens Man mag schon in Zweifel ziehen, ob die deutschlandweite Vereinheitlichung z. B. der Widerrufsfristen dem Verbraucher überhaupt Vorteile bringt. Wenn ja, dann sind diese Vorzüge auf denjenigen Verbraucher beschränkt, der seine Geschäfte innerhalb Deutschlands tätigt und sich daher auf die einheitliche Widerrufsfrist einstellen kann. Die nationale Vereinheitlichung fördert aber jedenfalls nicht das Vertrauen des europäischen Verbrauchers darauf, dass ihm in den verschiedenen Mitgliedstaaten ein vergleichbares Verbraucherschutzniveau gewährt wird, da sie zur Folge hat, dass innerhalb der Gemeinschaft unterschiedliche nationale Fristen für den auf der Fernabsatz-RiL basierenden Widerruf gelten. 30 28 Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Anhang I Ziff. 4.8.1 (S. 23). 29 Siehe oben S. 66. 30 Die Dauer der Widerufsfrist reicht von „sieben Werktagen“ (z. B. in Belgien und Österreich) bis zu „15 Tagen“ (in Slowenien und Malta), vgl. Übersicht zur „Dauer der Bedenkzeit in den Mitgliedstaaten“ in Anhang IV (S. 22) der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 21. November 2006, KOM(2006) 514 endg.

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Somit kann sie auch keinen Beitrag dazu leisten, dass der Verbraucher – wie vom Richtliniengeber gewünscht – verstärkt von den Möglichkeiten des Binnenmarktes Gebrauch macht. 31 (2) Belastung der Unternehmer durch nationale Vereinheitlichung Die nationale Vereinheitlichung der Widerrufsregelungen verfehlt aber nicht nur das Ziel, das Vertrauen der Verbraucher in grenzüberschreitende Fernabsatzgeschäfte zu stärken. Im Hinblick auf die erforderliche Beteiligung der Unternehmer am grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel erweist sie sich sogar als hinderlich. (a) Ausrichtung der Unternehmer auf die unterschiedlichen verbraucherschutzrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten Die Tatsache, dass zum Zweck der Vereinheitlichung der nationalen Vorschriften – auf der Basis von Art. 14 Fernabsatz-RiL – von einzelnen Vorgaben der Fernabsatz-RiL abgewichen werden muss, hat zur Folge, dass in dem betreffenden Staat andere rechtliche Anforderungen für das verbraucherschützende Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL gelten als in den übrigen Mitgliedstaaten. Dies stellt den Unternehmer vor ein besonderes Problem: Da ihm die Aufgabe obliegt, den Verbraucher ordnungsgemäß über die „Bedingungen und Einzelheiten“ des Widerrufsrechts zu belehren, muss er vor dem Markteintritt zunächst Erkundigungen über die Fernabsatzregelungen der Mitgliedstaaten einholen, in denen er seine Ware vertreiben will. Denn er kann nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass das an seinem Geschäftssitz geltende Fernabsatzrecht Anwendung findet. (b) Das auf den Fernabsatzvertrag anwendbare Recht Der Fernabsatzvertrag unterliegt – wenn dem Vertragsschluss eine Werbung im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers vorangegangen ist und dieser seine Bestellung dort abgegeben hat – bei Fehlen einer Rechtswahl gemäß Art. 29 Abs. 2 EGBGB dem Recht des Aufenthaltsstaates des Verbrauchers. Selbst bei Vorlie31 Selbst wenn man eine Vereinheitlichung der Fristen auf nationaler Ebene – auch im Hinblick darauf, dass eine entsprechende Vereinheitlichung auf europarechtlicher Ebene geplant ist, vgl. Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Anhang I Ziff. 4.8.1 (S. 23) – für wünschenswert hält, macht dies nicht die Schaffung eines einheitlichen Widerrufstatbestandes erforderlich: Es wäre ausreichend gewesen, die Dauer der Widerrufsfristen in den einzelnden Verbraucherschutzgesetzen bzw. den entsprechenden Vorschriften des BGB anzugleichen.

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gen einer Rechtswahl darf dem Verbraucher nach Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB unter diesen Umständen der durch die fernabsatzrechtlichen Regelungen des Aufenthaltsstaates gewährte Verbraucherschutz nicht entzogen werden, da sie zu den „zwingenden Bestimmungen“ zählen, von denen nicht zulasten des Verbrauchers abgewichen werden darf. 32 Die in Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB genannte, aufgrund des Verweises in Art. 29 Abs. 2 EGBGB auch bei Fehlen einer Rechtswahl relevante Anwendungsvoraussetzung, dass eine Werbung im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers erfolgt sein muss, 33 wird bei Fernabsatzgeschäften in der Regel erfüllt sein, da der Verbraucher ohne entsprechende Werbemaßnahmen nicht auf das Angebot des im Ausland ansässigen Unternehmers aufmerksam werden wird. Problematisch ist dies nur bei einem Vertrieb der Ware per Internet. 34 Hier stellt sich vor allem 35 die Frage, ob in dem Augenblick, in dem der Verbraucher von seinem Aufenthaltsstaat aus die Website / Homepage des Unternehmers aufruft, eine „Werbung in diesem Staat“ erfolgt i.S. des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. Geht man davon aus, dass eine Werbung im Aufenthaltsstaat des Verbrauchers schon dann vorliegt, wenn sich der Unternehmer eines Mediums bedient, das in dem Aufenthaltsstaat des Verbrauchers verfügbar ist, 36 wird jede Website, auf der Waren angeboten werden, 37 von Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 und somit auch von Art. 29 Abs. 2 EGBGB erfasst. Aber auch wenn man der Auffassung ist, dass diese Vorschrift nur solche Werbemaßnahmen erfassen will, die gezielt auf das Verbraucherland ausgerichtet sind, 38 führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Da 32

Vgl. Staudinger / Magnus, Art. 29 EGBGB Rn. 102. Nach Art. 29 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EGBGB liegt ein enger Bezug zum Aufenthaltsstaat des Verbrauchers, der die Anwendung der zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen dieses Staates rechtfertigt, auch dann vor, wenn der Unternehmer oder dessen Vertreter die Bestellung in dem Verbraucherstaat entgegengenommen hat oder eine organisierte Verkaufsfahrt in einen anderen Mitgliedstaat vorliegt, in dessen Rahmen der Verbraucher Waren erworben hat. Diese Voraussetzungen dürften bei Fernabsatzgeschäften jedoch in der Regel nicht erfüllt sein und sollen hier daher nicht eingehender untersucht werden. 34 Siehe Kropholler, IPR, § 52 V 2c) (S. 483). 35 Zu der Frage, wann bei einer Bestellung über das Internet die weitere Voraussetzung des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB erfüllt ist, wonach der Verbraucher die zum Vertragsschluss führende Rechtshandlung in seinem Aufenthaltsstaat vorgenommen haben muss, vgl. Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 250 ff. 36 MünchKommBGB / Martiny, Art. 29 EGBGB Rn. 35; Bamberger / Roth / Spickhoff, Art. 29 Rn. 12; Kronke, RIW 1996, 985, 988; vgl. auch Rumohr, Grenzüberschreitende Fernabsatzverträge, S. 90. 37 Dazu, dass eine Website / Homepage – soweit sie kommerzielle Angebote enthält – Werbung darstellt, vgl. Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 234; Borges, ZIP 1999, 565, 568. 38 Siehe Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht von Mario Giuliano und Paul Lagarde, BT-Drs. 10/503, S. 56; Horn, MMR 2002, 209, 213; speziell für Werbung im Internet: Borges, ZIP 1999, 565, 569 f. 33

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das Internet ein genuin internationales Medium ist, ist die auf einer Website enthaltene Werbung an die gesamte Welt adressiert und folglich auf jeden Staat der Erde ausgerichtet. 39 Der mit der Anwendbarkeit des Art. 29 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB verbundene Nachteil, sich ggf. auf eine Vielzahl verschiedener Rechtsordnungen einstellen zu müssen, ist dem Unternehmer auch zumutbar, wenn er sich zugleich die Vorteile eines weltweit verfügbaren Mediums, d. h. die Vergrößerung der Reichweite seiner Werbung, zunutze macht. 40 Ihm steht es schließlich frei, sein Internet-Angebot ausdrücklich auf bestimmte Staaten zu begrenzen und vom Abschluss von Verträgen mit in diesen Staaten ansässigen Verbrauchern abzusehen. 41 Wenn der Unternehmer allerdings – ganz im Sinne des Gemeinschaftsgesetzgebers, der den grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel schließlich fördern will – keine solche Beschränkung vornimmt, muss er seine Vertragsformulare bzw. seine Belehrungsmuster, mit denen er seine Informationspflicht aus Art. 4 und 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL erfüllen will, bei Fehlen einer Rechtswahl gemäß Art. 29 Abs. 2 EGBGB an das jeweilige nationale Recht des Aufenthaltsortes des Verbrauchers anpassen. Diese Aufgabe gestaltet sich naturgemäß schwierig, wenn die einzelnen Mitgliedstaaten im Rahmen der Vereinheitlichung der Verbraucherschutzrechte, z. B. durch die Verlängerung der Widerrufsfristen, jeweils unterschiedliche Verbraucherschutzniveaus etablieren. Bei Vorliegen einer Rechtswahl werden die Probleme bei der Vornahme einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung noch dadurch verstärkt, dass im Rahmen des Art. 29 Abs. 1 EGBGB das Günstigkeitsprinzip gilt, d. h. die verbraucherschützenden Regelungen des Aufenthaltsstaats des Verbrauchers setzen sich gegenüber den entsprechenden Vorschriften des gewählten Rechts nur dann durch, wenn sie dem Verbraucher einen stärkeren Schutz gewähren. 42 Folglich muss der Unternehmer bei Vornahme der Widerrufsbelehrung auch noch Überlegungen zu der Frage anstellen, welche Widerrufsregelungen für den Verbraucher im konkreten Einzelfall günstiger sind. 43 Da sich dies ex ante allerdings oftmals nur 39 Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 235; vgl. auch Staudinger / Magnus, Art. 29 EGBGB Rn. 71; a. A. Borges, ZIP 1999, 565, 569. 40 Hierzu ausführlich Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 239; Bamberger / Roth / Spickhoff, Art. 29 Rn. 12; siehe auch Rumohr, Grenzüberschreitende Fernabsatzverträge, S. 91. 41 Mankowski, RabelsZ 63 (1999), 203, 244 f.; Pfeiffer, NJW 1999, 3674, 3685; Bamberger / Roth / Spickhoff, Art. 29 Rn. 12; ähnlich auch MünchKommBGB / Martiny, Art. 29 EGBGB Rn. 36; kritisch zur Begrenzbarkeit der Werbewirkung einer Internetseite Rumohr, Grenzüberschreitende Fernabsatzverträge, S. 91. 42 Staudinger / Magnus, Art. 29 EGBGB Rn. 100; MünchKommBGB / Martiny, Art. 29 Rn. 59; Bamberger / Roth / Spickhoff, Art. 29 Rn. 18. 43 Zur Ermittlung des günstigeren Rechts vgl. auch Rumohr, Grenzüberschreitende Fernabsatzverträge, S. 131.

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schwer beurteilen lässt, droht die mit einer fehlerhaften Belehrung verbundene Verlängerung der Widerrufsfrist. 44 Die mit dem Günstigkeitsprinzip einhergehenden, besonderen Schwierigkeiten bestehen allerdings unabhängig davon, ob auf nationaler Ebene eine Vereinheitlichung der verbraucherschützenden Widerrufsregelungen erfolgt ist. Daher ist an dieser Stelle nicht weiter auf diese Problematik einzugehen. 45 (c) Abschreckende Wirkung für die Unternehmer Die vorstehenden Ausführungen zum anwendbaren Recht haben gezeigt, dass es aus Sicht des Unternehmers in jedem Fall – auch bei Vorliegen einer Rechtswahl – erforderlich ist, sich mit den fernabsatzrechtlichen Bestimmungen des Aufenthaltsstaates des Verbrauchers auseinanderzusetzen. Dies ist unproblematisch, solange sich die Mitgliedstaaten darauf beschränkt haben, die Richtlinienbestimmungen unverändert in das nationale Recht zu übertragen. Sofern sie aber im Interesse einer nationalen Vereinheitlichung ihrer Verbraucherschutzvorschriften von den Vorgaben des Richtlinienrechts abweichen, ist die Erarbeitung von länderspezifischen Vertriebskonzepten erforderlich. Der damit verbundene zeitliche wie finanzielle 46 Aufwand ist geeignet, die Unternehmer von einer wirtschaftlichen Betätigung in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten. Dies wird in eindrucksvoller Weise durch eine Umfrage belegt, die The Gallup Organisation Ende 2006 im Auftrag der Generaldirektion SANCO 47 durchgeführt hat. Immerhin 55 % der Unternehmen, die grundsätzlich Interesse an einem grenzüberschreitenden Verkauf ihrer Waren bekundet haben, haben die „Zusatzkosten für die Befolgung unterschiedlicher nationaler Gesetzgebungen zur Regelung von Geschäften mit Endverbrauchern“ als ein Hindernis für den grenzüberschreitenden Handel bezeichnet. 48 44 Dazu bereits Callies, ZEuP 2006, 742, 748 f.; zu den Folgen des Günstigkeitsprinzips siehe auch das Fallbeispiel bei Callies, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge, S. 362. 45 Die mit dem Günstigkeitsprinzip verbundene Rechtsunsicherheit soll dadurch überwunden werden, dass für Verbraucherverträge zukünftig das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers gilt, vgl. Art. 5 des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisses anzuwendende Recht (Rom I), KOM(2005), 650 endg.; kritisch dazu Callies, ZEuP 2006, 742, 749 ff. 46 Callies, ZEuP 2006, 742, 749 beziffert die Kosten, die bei der Erarbeitung eines länderspezifischen Vertriebsrechtskonzepts entstehen, mit mindestens 5.000 €. Diese Summe ist bei einem Vertrieb im gesamten Binnenmarkt mit 27 (!) zu multiplizieren. 47 DG „Santé et protection des consommateurs“ = Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz. 48 Flash Eurobarometer Nr. 186 – Die Einstellung von Unternehmen im Hinblick auf grenzüberschreitenden Handel und Verbraucherschutz, abrufbar unter http://ec.europa.eu /public_opinion/flash/fl_186_sum_de.pdf (Stand: September 2008), S. 9.

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(3) Ergebnis: Keine Steigerung des Verbrauchervertrauens Nach alledem erweist sich die mit einer nationalen Vereinheitlichung der Widerrufsregelungen einhergehende Veränderung des Verbraucherschutzniveaus gegenüber dem durch die Fernabsatz-RiL gewährten Schutz für das Ziel des Gemeinschaftsgesetzgebers als nicht hilfreich. Eine Steigerung des Verbrauchervertrauens in den grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel kann sie nicht bewirken. Darüber hinaus hat sie für die Unternehmer eher abschreckende Wirkung und kann so deren eigentlich gewünschte grenzüberschreitende Betätigung verhindern. Das macht die Vereinheitlichung zwar nicht generell unzulässig, da den Mitgliedstaaten in Art. 14 Fernabsatz-RiL ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt worden ist, zugunsten des Verbrauchers strengere Verbraucherschutzvorschriften vorzusehen. 49 Das Argument des deutschen Gesetzgebers, mit der nationalen Vereinheitlichung der Widerrufsvorschriften werde dem Verbrauchervertrauen im Sinne der Fernabsatz-RiL Rechnung getragen, hat sich aber jedenfalls als nicht stichhaltig erwiesen. bb) Ziel der Schaffung einer transparenten Regelung Der deutsche Gesetzgeber verfolgt mit der Vereinheitlichung der Widerrufsvorschriften und deren Integration in das BGB außerdem das Ziel, für eine bessere Verständlichkeit dieser Regelungen und auf diesem Wege letztlich für mehr Transparenz zu sorgen. 50 Letztendlich haben die gesetzlichen Regelungen zum Widerrufsrecht durch die Vereinheitlichung aber nicht an Klarheit gewonnen. (1) Die Erforderlichkeit von „Sondervorschriften“ für einzelne Widerrufsrechte Die Tatsache, dass es zu keinem signifikanten Transparenzgewinn gekommen ist, ist u. a. darauf zurückzuführen, dass die Vorgaben der in §§ 355 ff. BGB vereinheitlichten Richtlinien voneinander abweichen. Während z. B. Art. 5 Abs. 1 S. 1 HTürW-RiL für den Fristbeginn auf die ordnungsgemäße Belehrung abstellt, die bei Vertragsschluss bzw. bei Abgabe des Vertragsangebots durch den Verbraucher zu erfolgen hat, beginnt die Widerrufsfrist nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 49 Die Tatsache, dass sich in den verschiedenen Mitgliedstaaten im Bereich des Fernabsatzrechts unterschiedliche Verbraucherschutzniveaus entwickelt haben, ist also letztendlich auf das Konzept der Mindestharmonisierung (vgl. Fn. 170 [Abschnitt B.]) zurückzuführen, das in Art. 14 Fernabsatz-RiL Ausdruck findet. 50 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 42, wonach die „Chance der Vereinheitlichung genutzt werden“ soll, um zu verhindern, dass die „Rechtslage im Verbraucherrecht“ mit Schaffung eines weiteren Sondergesetzes zum Fernabsatzrecht „noch unübersichtlicher“ werde.

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Fernabsatz-RiL nicht vor Erhalt der Ware durch den Verbraucher. Dies führt dazu, dass neben der „vereinheitlichten“ Regelung zum Fristbeginn gemäß § 355 Abs. 1 S. 2 BGB eine separate Regelung für Fernabsatzgeschäfte erforderlich wurde (vgl. § 312d Abs. 2 BGB). Eine weitere Abweichung von § 355 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich im Hinblick auf den Umfang der Belehrung, die erforderlich ist, um die Widerrufsfrist in Gang zu setzen (vgl. § 312d Abs. 3 i.V. m. § 312c Abs. 2 BGB). Schon angesichts dieser Sonderregeln stellt sich die Frage, worin der Gewinn an Übersichtlichkeit und Verständlichkeit liegen soll, der durch die Schaffung der §§ 355 ff. BGB erreicht werden sollte. 51 (2) Ausrichtung an Vorgaben einer der vereinheitlichten Richtlinien Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung, 52 aber auch bei späteren Modifikationen 53 der vereinheitlichten Widerrufsregelungen stets ein konkretes Widerrufsrecht vor Augen hatte, auf die die jeweiligen Vorschriften zugeschnitten sind. Dies führt zu Unstimmigkeiten im Hinblick auf andere verbraucherschützende Widerrufsrechte, die z.T. auch die Verständlichkeit der Vorschriften erschweren. (a) Die Verpflichtung zur Rücksendung der Ware Als erstes Beispiel sei § 361a Abs. 2 S. 3 BGB a.F. bzw. § 357 Abs. 2 S. 1 BGB genannt, der vorschreibt, dass der Verbraucher bei Ausübung des Widerrufsrechts zur Rücksendung der Sache verpflichtet ist. Bei der Einführung dieser Verpflichtung hatte der deutsche Gesetzgeber offenbar die Situation beim Fernabsatzgeschäft im Blick. Da sich Unternehmer und Verbraucher bei dieser Art von Geschäften typischerweise an verschiedenen Orten befinden und die Ware daher nach der Bestellung an den Verbraucher versandt oder geliefert werden muss, soll auch die Rückabwicklung im Wege des Versands bzw. der „Rücksen51 Kritisch insoweit auch W.-H. Roth, JZ 2001, 475, 489: „§§ 311d-312c sind das Musterbeispiel einer unübersichtlichen Regelung“; zu der Beeinträchtigung der Transparenz durch die Schaffung von Ausnahmeregelungen für einzelne Widerrufsrechte siehe auch Thole, Widerrufsrecht, S. 164. 52 Der erste Schritt zur Vereinheitlichung war die Einführung der §§ 361a, 361b BGB durch Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. 06. 2000, BGBl. I S. 897. 53 Eine weitere Vereinheitlichung erfolgte durch die Integration der verbrauchschützenden Vorschriften in das BGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. 11. 2001, BGBl. I S. 3138. In der Folge gab es weitere Modifikationen der §§ 355 ff. BGB durch das Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten vom 23. 07. 2002, BGBl. I S. 2850, und das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. 12. 2004, BGBl. I S. 3102.

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dung“ der Ware erfolgen. 54 Bei Haustürgeschäften handelt es sich dagegen in der Regel – nach Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers sogar immer 55 – um ein Platzgeschäft, weshalb es für den einzelnen Verbraucher nur schwer nachzuvollziehen sein dürfte, warum er verpflichtet sein soll, die Ware im Fall des Widerrufs an den Unternehmer „zurückzusenden“. 56 (b) Die unbegrenzte Verlängerung der Widerrufsfrist Als zweites Beispiel mag die Regelung des § 355 Abs. 3 S. 3, 1. HS. BGB dienen, die im Anschluss an die Heininger-Entscheidung des EuGH 57 eingeführt wurde. Da der Gerichtshof im Hinblick auf die HTürW-RiL festgestellt hatte, dass eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts in Fällen fehlender Widerrufsbelehrung nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, sah sich der deutsche Gesetzgeber veranlasst, § 355 Abs. 3 BGB durch Ergänzung von Satz 3 dahingehend zu modifizieren, dass das Widerrufsrecht bei unterbliebener Belehrung gar nicht mehr verfristet. 58 Unabhängig davon, wie es zu bewerten ist, dass somit auch das verbraucherschützende Widerrufsrecht nach der FernabsatzRiL keiner zeitlichen Beschränkung mehr unterliegt, 59 hat die Erweiterung des § 355 Abs. 3 BGB um Satz 3 zur Folge, dass sich der Inhalt dieses Absatzes anhand des Wortlauts nur sehr schwer erschließt. 60 Der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, auf welche Fälle sich die Sechsmonatsfrist nach § 355 Abs. 3 S. 1 54 Schließlich ist auch nur in der Fernabsatz-RiL überhaupt von einer „Rücksendung“ der Ware die Rede (vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 2 Fernabsatz-RiL); siehe auch BT-Drs. 14/2658, S. 43 und 44: Dort wird im Zusammenhang mit der „Rücksendung“ immer auf Vorgaben aus der Fernabsatz-RiL Bezug genommen. 55 Nach Art. 1 Abs. 1 findet die HTürW-RiL nur Anwendung, wenn der Vertrag noch in der spezifischen Haustürsituation abgeschlossen wird. Die überschießende deutsche Umsetzung lässt es dagegen auch ausreichen, wenn der Vertrag erst später zustande kommt, sofern der Verbraucher durch die Verhandlungen in der Haustürsituation dazu veranlasst worden ist, dem Geschäft zuzustimmen (vgl. § 312 Abs. 1 S. 1 BGB). 56 Dies bedeutet zugleich eine Schlechterstellung des Verbrauchers gegenüber der alten Rückabwicklungsregelung nach § 3 Abs. 1 S. 1 HausTWG, wonach er lediglich zur „Rückgewähr“ der Ware verpflichtet war; dies gilt jedenfalls dann, wenn man davon ausgeht, dass der Leistungsort für die Rückgewährverpflichtung in diesem Fall der Ort ist, an dem sich die Ware bestimmungsgemäß befindet, vgl. MünchKommBGB / Ulmer, § 3 HausTWG Rn. 18. 57 EuGH, Urt. v. 13. 12. 2001, Rs. C-481/99 (Heininger / Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG), Slg. 2001, I-9945. 58 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten, BT Drs. 14/9266, S. 45. 59 Dazu unten S. 127 ff. 60 Schinkels, GPR 2005, 109, 112 weist darauf hin, dass Fristenregelung des § 355 BGB „kaum mehr zu beherrschen“ ist; auch nach Ansicht von MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 62 sind mit der Ergänzung von § 355 Abs. 3 um Satz 3 „Einbußen

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BGB überhaupt bezieht. Die Verlängerung der Widerrufsfrist setzt schließlich eine Missachtung der gesetzlichen Vorgaben durch den Unternehmer voraus. Aus § 355 BGB selbst ergibt sich aber nur das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung (vgl. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB), und die Folgen eines Verstoßes gegen diese Vorgabe sind bereits in § 355 Abs. 3 S. 3 BGB geregelt. Erst im Umkehrschluss zu § 312d Abs. 2 BGB, wonach der Beginn der regulären Belehrungsfrist von zwei Wochen bei Fernabsatzverträgen zusätzlich davon abhängig ist, dass die Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 2 BGB erfüllt sind, wird deutlich, dass § 355 Abs. 3 S. 1 BGB diejenigen Fälle erfasst, in denen zwar eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vorliegt, jedoch die zusätzlichen Informationspflichten nach § 312c Abs. 2 BGB i.V. m. § 1 BGB-InformationspflichtenVerordnung 61 (im Folgenden: BGB-InfoV) nicht beachtet wurden. 62 (c) Verlängerung der Widerrufsfrist bei nachträglicher Belehrung auf einen Monat Schließlich ist auch noch auf den ebenfalls im Anschluss an Heininger 63 neugefassten § 355 Abs. 2 S. 2 BGB hinzuweisen. Die Vorschrift sieht eine auf einen Monat verlängerte Widerrufsfrist vor, wenn der Verbraucher erst „nach Vertragsschluss“ in förmlicher Weise auf sein Widerrufsrecht hingewiesen wird. Mit dieser Fristverlängerung sollte ein „Rechtsbruch“ des Unternehmers geahndet werden, der darin zu sehen ist, dass er den Verbraucher zu spät belehrt hat. 64 Dabei hatte der deutsche Gesetzgeber offensichtlich die Regelung des Art. 4 HTürW-RiL vor Augen, wonach der Verbraucher „bei Vertragsschluss“ bzw. bei Abgabe des Angebots durch den Verbraucher zu belehren ist. 65 Sobald es um Fernabsatzgeschäfte geht, führt die Regelung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB jedoch zu einigen Irritationen, da die förmliche Widerrufsbelehrung – wenn es um die Lieferung von Waren geht – nach dem insoweit einschlägigen § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB auch noch zu einem viel späteren Zeitpunkt, nämlich „bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages“, vorgenommen werden kann. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum bei einer Belehrung, die nach Zustandekommen an Rechtssicherheit“ verbunden; vgl. auch Faustmann, VuR 2007, 8, 11; LG Dortmund, NJW 2003, 3355, 3356. 61 Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. 08. 2002, BGBl. I S. 3002. 62 Kommt der Vertrag im „elektronischen Geschäftsverkehr“ zustande, müssen gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB darüber hinaus auch die Informationspflichten nach § 3 BGB-InfoV erfüllt werden. Kommt der Unternehmer dieser Verpflichtung nicht nach, gilt ebenfalls die auf sechs Monate verlängerte Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 S. 1 BGB. 63 Siehe oben Fn. 57 (Abschnitt C.). 64 Zum Sanktionscharakter der Fristverlängerung siehe Franck, JR 2004, 45, 48; Schinkels, ZGS 2007, 14, 16 sowie unten S. 115. 65 So auch Schinkels, ZGS 2007, 14, 15; Kaestner / Tews, WRP 2004, 509, 513.

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des Vertrages, aber noch vor dem in § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Zeitpunkt und somit fristgerecht erfolgt, eine verlängerte Widerrufsfrist gelten soll; ein Rechtsbruch, der sanktioniert werden müsste, ist hier jedenfalls nicht zu erkennen. Vor diesem Hintergrund muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB nicht an die für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz geltende Belehrungsfrist des § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB gedacht hat. 66 Hierfür spricht auch, dass die Änderung der Vorschrift erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens vom Vermittlungsausschuss vorgenommen wurde. 67 Im Ergebnis liegt jedenfalls eine Regelung vor, die im Hinblick auf Fernabsatzgeschäfte widersprüchlich erscheint. Denn obwohl dem Unternehmer eigentlich eine längere Belehrungsfrist eingeräumt wird, ist er wegen § 355 Abs. 2 S. 2 BGB scheinbar 68 gezwungen, den Verbraucher schon bei Vertragsschluss über das Widerrufsrecht zu belehren. (3) Ergebnis: Keine transparente Regelung Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, sind die deutschen Widerrufsregelungen z.T. nur schwer nachvollziehbar. Diese Verständnisschwierigkeiten sind direkt auf das Vereinheitlichungskonzept des deutschen Gesetzgebers zurückzuführen, da sie entweder auf Sondervorschriften beruhen, die erforderlich wurden, weil eine vollständige Vereinheitlichung aufgrund der unterschiedlichen Richtlinienvorgaben letztendlich gar nicht möglich ist. Oder sie wurden dadurch verursacht, dass der Gesetzgeber die vereinheitlichten Vorschriften an den Vorgaben einer bestimmten Richtlinie ausgerichtet und dabei übersehen hat, dass zugleich Widersprüche zu anderen Richtlinien entstehen. Ein Gewinn an Transparenz und Verständlichkeit ist mit der Vereinheitlichung daher jedenfalls nicht verbunden. Hält man sich die Anforderungen vor Augen, die vom EuGH an die Rechtsklarheit von Umsetzungsregelungen gestellt werden, bestehen sogar Zweifel, ob die §§ 355 ff. BGB insoweit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts entsprechen. Schließlich muss die sich aus dem nationalen Recht ergebende Rechtslage so klar und bestimmt sein, dass der Begünstigte in der Lage ist, von seinen Rechten Kenntnis zu erhalten. 69 Für den Verbraucher als Inhaber des 66 So bereits Franck, JR 2004, 45, 49; Schinkels, ZGS 2007, 14, 16; Kaestner / Tews, WRP 2004, 509, 513. 67 Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung der Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten, BTDrs. 14/9633, S. 2; siehe auch Franck, JR 2004, 45, 48; Kaestner / Tews, WRP 2004, 509, 513. 68 Dazu, wie der gesetzgeberische Wille tatsächlich zu verstehen ist, siehe unten S. 134 ff. 69 Siehe oben S. 78.

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Widerrufsrechts gestaltet es sich aber durchaus nicht leicht, den vereinheitlichten Widerrufsregelungen zu entnehmen, welche Regelungen bei Abschluss eines Fernabsatzvertrages Anwendung finden sollen. Die insoweit bestehende Rechtsunsicherheit auf Seiten des Verbrauchers kann auch nicht durch die Verpflichtung des Unternehmers, den Verbraucher über die Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts zu belehren, ausgeglichen werden. Abgesehen davon, dass sich die Vornahme einer ordnungsgemäße Belehrung trotz des in der BGB-InfoV geregelten Belehrungsmusters für den Unternehmer als problematisch erwiesen hat, 70 fordert das Gebot der Rechtsklarheit, dass die gesetzlichen Regelungen, aus denen sich die Rechte des Verbrauchers ergeben, selbst hinreichend klar und bestimmt sind. Defizite in der Gesetzgebung können nicht dadurch ausgeglichen werden, dass ein Dritter – hier der Unternehmer – verpflichtet wird, dem Verbraucher die Rechtslage noch einmal verständlich vor Augen zu führen. Schließlich ergibt sich die Belehrungspflicht des Unternehmers schon aus der Fernabsatz-RiL selbst und steht daher neben der Verpflichtung des Gesetzgebers, für eine transparente Umsetzung der Richtlinienvorgaben zu sorgen. cc) Ergebnis: keine Steigerung von Verbrauchervertrauen oder Transparenz Die vom deutschen Gesetzgeber genannten Gründe, die aus seiner Sicht für eine Vereinheitlichung sprechen, vermögen nicht zu überzeugen. Sie ist weder geeignet, eine Steigerung des Verbrauchervertrauens in den grenzüberschreitenden Handel zu bewirken, noch dient sie der Verbesserung der Transparenz der gesetzlichen Regelungen. Es lassen sich vielmehr Argumente finden, die gegen eine Vereinheitlichung angeführt werden können. c) Argumente gegen eine Vereinheitlichung auf nationaler Ebene aa) Unterschiedliche Schutzzwecke der Widerrufsrechte Eine Zusammenfassung von Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Widerrufsrechte in einer Norm setzt voraus, dass es sich um „vergleichbare“ Widerrufsrechte handelt. Anderenfalls können nicht nur Sonderregelungen für einzelne Widerrufsrechte erforderlich werden, die – wie gezeigt – mit der angestrebten Rechtsvereinfachung nur schwer zu vereinbaren sind. Sofern die Widerrufsrechte unterschiedlichen Schutzzwecken dienen, droht auch ein Verstoß gegen die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Richtlinienumsetzung zu stellen sind. Nach Auffassung des EuGH muss der nationale Gesetzgeber bei der Um70

Näher dazu unten S. 114.

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setzung der Richtlinienvorgaben schließlich die Formen und Mittel wählen, „die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinien unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks am besten eignen“. 71 Wenn sich die Umsetzung somit an dem von der jeweiligen Richtlinie verfolgten Schutzzweck zu orientieren hat, kann eine einheitliche Umsetzung mehrerer Widerrufsrechte grundsätzlich nur erfolgen, wenn diese dieselben Ziele verfolgen. Ist dies nicht der Fall, besteht die Gefahr, dass die einheitliche Regelung nicht allen Schutzzwecken hinreichend Rechnung trägt. Mögliche Umsetzungsdefizite könnten auch nicht ohne weiteres im Wege richtlinienkonformer Auslegung ausgeglichen werden, da diese ebenfalls der Durchsetzung des mit der jeweiligen Richtlinie verfolgten Zweckes dient. Schließlich geht es darum, die Auslegung des nationalen Rechts „soweit wie möglich“ am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten. 72 Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass es dann, wenn die vereinheitlichte Vorschrift im Hinblick auf das Ziel einer der betroffenen Richtlinien richtlinienkonform ausgelegt wird, zugleich zu einer Beeinträchtigung der Zielsetzung einer anderen Richtlinie kommt. Dieses Ergebnis ließe sich nur vermeiden, indem man eine gespaltene Auslegung zulässt. Abgesehen davon, dass der BGH einer gespaltenen Auslegung grundsätzlich skeptisch gegenübersteht, 73 würde das mit der Vereinheitlichung verfolgte Ziel, die Rechtsanwendung zu vereinfachen, auf diese Weise endgültig ad absurdum geführt. Für die Frage, ob eine einheitliche Regelung der Widerrufsrechte aus der Fernabsatz-RiL, der HTürW-RiL und der TzWr-RiL möglich ist, kommt es also entscheidend darauf an, ob mit den Widerrufsrechten vergleichbare Schutzzwecke verfolgt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar lassen sich alle drei Richtlinien dem Verbraucherschutzrecht zuordnen, da sie die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers als der typischerweise schwächeren Vertragspartei schützen sollen. Im Übrigen ist aber wie folgt weiter zu differenzieren. (1) Der Schutzzweck des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL Auf den Zweck des verbraucherschützenden Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 Fernabsatz-RiL wurde bereits eingegangen. 74 Das Widerrufsrecht dient dem Ausgleich eines Informationsdefizits auf Seiten des Verbrauchers, das da71

EuGH v. 8. 04. 1976, Rs. 48/75 (Royer), Slg. 1976, 497 Rn. 69 –73; siehe auch oben

S. 77. 72 Ständige Rechtsprechung, grundlegend EuGH v. 13. 11. 1990, Rs. C-106/89 (Marleasing / Comercial Internacional de Alimentación), Slg. 1990, I-4135 Rn. 8; aus jüngerer Zeit vgl. EuGH v. 15. 05. 2003, Rs. C-160/01 (Mau / Bundesanstalt für Arbeit), Slg. 2003, I-4791 Rn. 36. 73 Vgl. BGH, NJW 2002, 1881, 1884. 74 Siehe oben S. 66.

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durch entsteht, dass er die Ware vor Vertragsschluss nicht sehen kann. Durch die Möglichkeit, den Kaufgegenstand wieder zurückgeben zu können, soll das Vertrauen der Verbraucher in den grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel gestärkt und somit ihre Bereitschaft, derartige Geschäfte zu tätigen, gefördert werden. Auf diese Weise soll das Widerrufsrecht zugleich einen Beitrag zur Vollendung des Binnenmarktes leisten; Fernabsatzgeschäfte sollen ausdrücklich gefördert werden. (2) Der Schutzzweck des Widerrufsrechts der TzWr-RiL Das Widerrufsrecht nach der TzWr-RiL dient ebenfalls dem Zweck, dem Verbraucher eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Aufgrund der Komplexität der Materie ist es dem Verbraucher bei Abschluss eines TimesharingVertrages oft nicht möglich, alle sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten zu überblicken. 75 Daher soll es ihm ermöglicht werden, die ihm vom Unternehmer überlassenen Informationen nach Vertragsschluss in Ruhe zu studieren, um anschließend – gut informiert – darüber entscheiden zu können, ob er an dem Vertrag festhalten will. 76 Neben dem Ziel, Informationsdefizite auszugleichen, dient das Widerrufsrecht nach der TzWr-RiL aber auch dem Schutz des Verbrauchers vor aggressiven Verkaufsmethoden; insbesondere dann, wenn es im Urlaub zum Abschluss eines Timesharing-Vertrages kommt, besteht die Gefahr einer Überrumpelung des Verbrauchers, der durch das Widerrufsrecht entgegengewirkt werden soll. 77 Insoweit unterscheidet sich der Schutzzweck von dem des Widerrufsrechts nach der Fernabsatz-RiL, bei dem der Überrumpelungsgefahr allenfalls eine untergeordnete Bedeutung zukommt. 78 (3) Der Schutzzweck des Widerrufsrechts der HTürW-RiL Dagegen steht bei der HTürW-RiL der Schutz des Verbrauchers vor Beeinträchtigungen seiner Entscheidungsfreiheit, die durch den situationsbedingten 75

Siehe insoweit auch Mankowski, WM 2001, 793, 798. Vgl. Erwägungsgrund 11 TzWr-RiL; siehe auch Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 29; Martinek, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 13 Rn. 57. 77 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zum Schutz der Erwerber bei Verträgen über die Nutzung von Immobilien als Teilzeiteigentum, KOM(1992) 220 endg., S. 40, 47; siehe auch Martinek, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 13 Rn. 156, der betont, dass dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden soll, seine Entscheidung „unbeeinflusst von den Werbeanstrengungen des Anbieters und frei von jedem psychologischen Druck“ noch einmal zu überprüfen. 78 Dazu Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 26; anders Reich, EuZW 1997, 581, der davon ausgeht, dass bei Fernabsatzgeschäften ein ähnliches Schutzbedürfnis wie bei Haustürgeschäften besteht. 76

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Überrumpelungseffekt entstehen können, im Vordergrund. 79 Aufgrund der Tatsache, dass der Verbraucher in den in Art. 1 HTürW-RiL genannten Situationen nicht damit rechnet, dass ein Geschäftsabschluss an ihn herangetragen wird, kann er sich auf diese Situation nicht einstellen, 80 während sich der Unternehmer gut auf das Verkaufsgespräch vorbereiten kann. 81 Folglich wird sich der Verbraucher den Verkaufsargumenten des Verkäufers nur schwer entziehen können; 82 zu einer rationalen Beurteilung seines Konsumbedarfs wird er oftmals nicht in der Lage sein. 83 Außerdem wird durch die körperliche Anwesenheit des Unternehmers oder seines Vertreters in der Wohnung oder am Arbeitsplatz ein gewisser Druck ausgeübt, den angebotenen Vertrag abzuschließen. 84 Hinzu kommt, dass es dem Verbraucher unter diesen Umständen auch verwehrt ist, das Produkt und die Konditionen, zu denen es verkauft werden soll, mit anderen Angeboten zu vergleichen. 85 Die mit der Widerrufsmöglichkeit verbundene Bedenkfrist soll dem Verbraucher die Gelegenheit geben, einen entsprechenden Preis- und Qualitätsvergleich nachzuholen und seine Entscheidung ohne die unmittelbare Einflussnahme durch den Unternehmer noch einmal zu überdenken. Nur soweit dem Verbraucher durch das Widerrufsrecht die Möglichkeit eröffnet wird, ein Vergleich der erworbenen Ware mit Konkurrenzangeboten vorzunehmen, dient das Widerrufsrecht der HTürW-RiL neben dem Überrumpelungsschutz auch dem Zweck, Informationsdefizite auszugleichen. 86

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Larenz / Wolf, BGB AT, § 39 Rn. 11. Die Erwägungsgrund 5 der HTürW-RiL sprechen davon, dass der Verbraucher „auf die Vertragsverhandlungen nicht vorbereitet ist“, siehe auch Larenz / Wolf, BGB AT, § 39 Rn. 10. 81 Mankowski, WM 2001, 793, 797 spricht in diesem Zusammenhang vom „Vorbereitungsvorteil“ des Unternehmers. 82 So bereits Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 26. 83 Es besteht die Gefahr, dass der Verbraucher Waren erwirbt, die überhaupt nicht seinen Bedürfnissen entsprechen, so Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, Kap. 2.01 Rn. 5. 84 Dazu Mankowski, WM 2001, 793, 797; Larenz / Wolf, BGB AT, § 39 Rn. 11; aufgrund dieser Umstände wird in dem „Hausbesuch“ des Unternehmers unter bestimmten Umständen eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG gesehen, dazu Köhler / Bornkamm, UWG, § 7 Rn. 111 f.; Harte-Bavendamm / Henning-Bodewig / Ubber, UWG, § 7 Rn. 45. 85 So Erwägungsgrund 5 der HTürW-RiL; BT-Drs. 10/2876, S. 6; dazu auch Mankowski, WM 2001, 793, 797. 86 Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 29; Larenz / Wolf, BGB AT, § 39 Rn. 11. 80

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(4) Konsequenzen der unterschiedlichen Schutzzwecke für das Ziel der Vereinheitlichung Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass zwar alle genannten Widerrufsrechte die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher schützen sollen, sich aber insoweit unterscheiden, als die Entscheidungsfreiheit aus unterschiedlichen Gründen beeinträchtigt zu werden droht. Mal steht ein Informationsdefizit, mal die Überrumpelungssituation im Vordergrund. Dies allein mag vielleicht noch nicht als entscheidendes Argument gegen die Schaffung einer einheitlichen Widerrufsregelung gewertet werden. Zu beachten ist aber, dass das Widerrufsrecht nach Art. 6 Fernabsatz-RiL ausdrücklich der Förderung des grenzüberschreitenden Fernabsatzhandels dienen soll, während die verbraucherschützenden Widerrufsrechte nach der HTürW-RiL und der TzWr-RiL die Sorge widerspiegeln, der Verbraucher könnte Opfer besonders aggressiver Verkaufsmethoden werden, und somit eine gewisse Missbilligung dieser Vertriebsmethoden zum Ausdruck bringen. Dies kann vor allem im Hinblick auf die Bewertung der Unternehmerinteressen von Bedeutung sein. Denn es scheint gerechtfertigt, diesen weniger Gewicht einzuräumen, wenn das Widerrufsrecht auf einem missbilligten Verhalten des Unternehmers beruht. 87 Daher kann dieser Unterschied bei der Umsetzung der Richtlinien nicht unberücksichtigt bleiben. Nach alledem sind die Zweifel, ob die verschiedenen Widerrufsrechte in einer einheitlichen Regelung so umgesetzt werden können, dass dem Schutzzweck jedes einzelnen Widerrufsrechts bestmögliche Geltung verschafft werden kann, begründet. Auf eine Vereinheitlichung sollte daher schon aus diesem Grund verzichtet werden. 88 bb) Aufgabe des Konzepts der Mindestharmonisierung Entscheidendes Argument gegen eine Vereinheitlichung auf nationaler Ebene ist aber die Aufgabe des Konzepts der Mindestharmonisierung, die sich in der aktuellen Verbraucherschutzpolitik der Gemeinschaft ankündigt. 89 Die Tatsache, dass die verbraucherschützenden Richtlinien bisher mindestharmonisierend waren, d. h. Öffnungsklauseln enthielten, die es den Mitgliedstaaten erlauben, zugunsten des Verbrauchers strengere Vorschriften zu erlassen, 90 war 87

So bereits Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 339, 341. Auch die Kommission strebt daher keine vollständige Harmonisierung aller Widerrufsregeln, sondern nur die einzelner Elemente – wie z. B. der Dauer der Widerrufsfrist – an, vgl. Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Anhang I Ziff. 4.8.1 (S. 23). 89 Dazu oben S. 29. 90 Vgl. Art. 14 Fernabsatz-RiL, Art. 8 HTürW-RiL und Art. 11 TzWr-RiL. 88

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und ist aber Voraussetzung dafür, dass überhaupt vereinheitlichte Regelungen geschaffen werden konnten. Denn sie erlaubt es den nationalen Gesetzgebern, einen gemeinsamen Verbraucherschutzstandard zu finden, der den Anforderungen aller Richtlinien gerecht wird. Zu diesem Zweck muss er lediglich eine Vorschrift schaffen, die sich nach den Vorgaben der jeweils verbraucherfreundlichsten Richtlinie richtet, und das Verbraucherschutzniveau der anderen Richtlinien – auf die Öffnungsklauseln gestützt – entsprechend anheben. 91 Auf diese Weise konnten z. B. auch die unterschiedlichen Widerrufsfristen 92 harmonisiert werden, da es dem Gesetzgeber aufgrund der Mindestharmonisierung möglich war, im nationalen Recht längere Fristen vorzusehen. Dies hat er genutzt, um mit der Widerrufsfrist von zwei Wochen eine einheitliche Regelung zu schaffen, die den Mindeststandards aller in § 355 BGB vereinheitlichten Richtlinien gerecht wird. (1) Keine Möglichkeit der Orientierung am höchsten Verbraucherschutzniveau Der unter dem Konzept der Mindestharmonisierung geltende Grundsatz, dass sich das Umsetzungsrecht lediglich nach der Gemeinschaftsregelung ausrichten muss, die das jeweils höchste Verbraucherschutzniveau gewährleistet, kann unter dem Konzept der Vollharmonisierung jedoch keine Geltung mehr beanspruchen. (a) Konflikt zwischen Richtlinien mit vollharmonisierendem und mindestharmonisierendem Charakter Da eine vollharmonisierende Richtlinie grundsätzlich 93 keine Abweichung von dem von ihr festgelegten Verbraucherschutzniveau erlaubt, muss sich die nationale Umsetzungsnorm zwingend an den Vorgaben dieser Richtlinie orientieren. 94 Dies bedeutet, dass eine Vereinheitlichung „auf höchstem Niveau“ nicht mehr möglich ist, wenn die vollharmonisierende Richtlinie im Hinblick auf eine bestimmte Rechtsfrage ein niedrigeres Verbraucherschutzniveau vorsieht als eine auf Mindestharmonisierung angelegte Richtlinie. 95 Bisher ist zwar noch kein solcher Konflikt offen zutage getreten, obwohl 2002 mit der F-Fernabsatz-RiL die 91

Vgl. dazu auch Rott, VuR 2001, 78, 79; Riehm, JZ 2006, 1035; Thole, Widerrufsrecht, S. 164. 92 Vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL („mindestens sieben Werktage“), Art. 5 Abs. 1 S. 1 HTürW-RiL („sieben Tage“) und Art. 5 Nr. 1 TzWr-RiL („10 Tage). 93 Etwas anderes gilt nur dann, wenn und soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten Abweichungen von den Richtlinienvorgaben ausdrücklich gestattet, vgl. Schinkels, GPR 2005, 109, 110. 94 Rott, BB 2005, 53. 95 So bereits Schinkels, GPR 2005, 109, 112.

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erste ein verbraucherschützendes Widerrufsrecht regelnde Richtlinie in Kraft getreten ist, die auf Vollharmonisierung angelegt ist. 96 Die Regelung in § 355 Abs. 2 S. 2 BGB, die für den Fall einer nach Vertragsschluss erfolgten Widerrufsbelehrung eine auf einen Monat verlängerte Widerrufsfrist vorsieht, ist zwar – wie schon mehrfach angemerkt worden ist 97 – nicht mit Art. 6 Abs. 1 S. 3 F-Fernabsatz-RiL vereinbar. Danach beläuft sich die Widerrufsfrist nämlich auch im Fall einer nachträglichen, d. h. nach Vertragsschluss erfolgten Belehrung zwingend auf 14 Kalendertage. Da die im deutschen Recht vorgesehene Fristverlängerung aber nicht durch eine der anderen, auf Mindestharmonisierung angelegten Richtlinien bindend vorgegeben ist, kann hier ohne Bedenken 98 eine Anpassung des nationalen Rechts an die Vorgaben der F-Fernabsatz-RiL erfolgen. In Anbetracht der Tatsache, dass auf dem Gebiet der verbraucherschützenden Widerrufsrechte jedoch bald mit weiteren Richtlinien zu rechnen ist, die ebenfalls dem Konzept der Vollharmonisierung folgen, 99 sind Konflikte, die darauf beruhen, dass diese Richtlinien hinter den Mindeststandards bestehender, mindestharmonisierender Richtlinien zurückbleiben, in der Zukunft ernsthaft zu erwarten. (b) Konflikt zwischen mehreren Richtlinien mit vollharmonisierendem Charakter Sobald die zweite auf Vollharmonisierung angelegte Richtlinie in Kraft getreten ist, ist eine Vereinheitlichung auf nationaler Ebene jedenfalls insoweit ausgeschlossen, als diese und die ebenfalls vollharmonisierende F-FernabsatzRiL unterschiedliche Standards setzen. 100 Schließlich darf von diesen Vorgaben 96 Zum vollharmonisierenden Charakter vgl. Erwägungsgrund 13 F-Fernabsatz-RiL: „Mit der vorliegenden Richtlinie soll ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleistet werden, um den freien Verkehr von Finanzdienstleistungen sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten sollten in den durch diese Richtlinie harmonisierten Bereichen keine anderen als die darin festgelegten Bestimmungen vorsehen dürfen, es sei denn, die Richtlinie sieht dies ausdrücklich vor“. 97 So Schinkels, GPR 2005, 109, 112; Domke, BB 2007, 341, 342; ders., BB 2006, 61, 62; Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rn. 420. 98 Der Verzicht auf die auf einen Monat verlängerte Widerrufsfrist wäre im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL unproblematisch, da bei einer Belehrung, die nach Vertragsschluss, aber spätestens mit Zugang der Ware erfolgt, ohnehin kein entsprechendes Sanktionsbedürfnis besteht, vgl. unten S. 134. 99 Vgl. Art. 21 des Geänderten Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbraucherkreditverträge und zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates, KOM(2005) 483 endg., und Erwägungsgrund 4 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsprodukten sowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben, KOM(2007) 303 endg. 100 Zur Gefahr des Konfliktes zweier vollharmonisierender Richtlinien, die unterschiedliche Standards setzen, siehe bereits Schinkels, GPR 2005, 109, 112.

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nicht abgewichen werden. Eine Vereinheitlichung auf nationaler Ebene kommt unter diesen Umständen nur in Betracht, wenn und soweit die Richtlinien bereits auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene vereinheitlicht bzw. aufeinander abgestimmt worden sind. Vor diesem Hintergrund kann der Plan des deutschen Gesetzgebers, auf nationaler Ebene eine Vereinheitlichung zu erzielen, nicht weiter verfolgt werden. 101 (2) Konsequenz für den deutschen Gesetzgeber Der Gesetzgeber hat das Konzept einer Vereinheitlichung auf Ebene des nationalen Rechts nur im Hinblick auf die fehlende Vereinheitlichung auf europäischer Ebene entwickelt. 102 Daher kann davon ausgegangen werden, dass es sich auch aus seiner Sicht spätestens mit Schaffung des von der Kommission 103 vorgeschlagenen und vom BMJ 104 grundsätzlich befürworteten „horizontalen Instruments“, das gemeinsame Regelungen für alle verbraucherschützenden Richtlinien enthalten soll (z. B. zur Dauer der Widerrufsfrist, den Modalitäten für die Wahrnehmung des Widerrufsrechts), selbst überlebt hat. Für den Fortgang der Überlegungen kann somit unterstellt werden, dass das Ziel der Vereinheitlichung der Widerrufsregelungen auf nationaler Ebene nicht weiter verfolgt wird. d) Ergebnis: Keine nationale Vereinheitlichung Die auf nationaler Ebene vorgenommene Vereinheitlichung der Widerrufsregelungen hat sich als nicht geeignet erwiesen, um die damit verfolgten Ziele – eine Stärkung des Verbrauchervertrauens in den grenzüberschreitenden Handel und ein höheres Maß an Transparenz der gesetzlichen Regelungen – zu erreichen. Die Tatsache, dass sich die in §§ 355 ff. BGB zusammengefassten Richtlinien im Hinblick auf ihre Zielsetzung zumindest graduell unterscheiden, lässt vielmehr Zweifel daran aufkommen, ob eine solche Vereinheitlichung überhaupt möglich ist. Jedenfalls vor dem Hintergrund der im Rahmen der aktuellen Verbraucherschutzpolitik angestrebten Vollharmonisierung der Verbraucherschutzrichtlinien auf Gemeinschaftsebene 105 und der damit verbundenen Aufgabe des Konzepts 101

So auch Schinkels, GPR 2005, 109, 112. Vgl. dazu BT-Drs. 14/2658, S. 42. 103 Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Ziff. 4.2 (S. 9); siehe auch bereits S. 28. 104 Vgl. Stellungnahme des Bundesjustizministeriums zum Grünbuch der Europäischen Kommission – Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz – vom 8. Mai 2007 (abrufbar unter http://ec.europa.eu/consumers/cons _int/safe_shop/acquis/responses/ms_bundesministerium.pdf), S. 5: das BMJ spricht sich „zurückhaltend“ für die Schaffung eines horizontalen Instruments aus. 105 Nachweise oben in Fn. 35 (Abschnitt A.). 102

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der Mindestharmonisierung ist nur noch wenig Raum für die Schaffung einheitlicher, richtlinienübergreifender Wiederrufsregelungen und dieser verbleibende Spielraum wird bereits von dem europäischen Gesetzgeber gefüllt. Soweit es möglich und sinnvoll erscheint, Regelungen, die für alle Widerrufsrechte gleichsam von Bedeutung sind, aus den Richtlinien zu „extrahieren“, sollen diese als „allgemeiner Teil“ des europäischen Verbraucherschutzrechts Gegenstand eines noch zu schaffenden „horizontalen Instruments“ werden. 106 Für den nationalen Gesetzgeber bedeutet dies, dass er bei der Umsetzung in nationales Recht für jedes verbraucherschützende Widerrufsrecht eine eigenständige Lösung suchen muss. Dementsprechend wird sich die vorliegende Bearbeitung darauf beschränken, die Möglichkeiten der Umsetzung der – insoweit isoliert zu betrachtenden – Vorgaben der Fernabsatz-RiL in das deutsche Recht zu untersuchen.

2. Vor Ausübung des Widerrufs a) Zustandekommen eines Vertrages als Voraussetzung für die Ausübung des Widerrufsrechts Der europäische Gesetzgeber geht davon aus, dass das Widerrufsrecht erst nach Abschluss eines Fernabsatzvertrages ausgeübt wird. Dies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL, wonach der Verbraucher „jeden Vertragsschluss“ widerrufen kann. aa) Anknüpfung des deutschen Gesetzgebers an Willenserklärung des Verbrauchers Nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers soll sich das Widerrufsrecht des Verbrauchers dagegen nicht auf den Fernabsatzvertrag, sondern auf die auf den Abschluss dieses Vertrages gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers beziehen. 107 Auch wenn eine genaue Begründung hierfür fehlt, dürfte die Anknüpfung an die Willenserklärung des Verbrauchers darauf zurückzuführen sein, dass dieser im deutschen Recht gemäß § 145 BGB auch schon vor Zustandekommen des Vertrages an sein Vertragsangebot gebunden ist. 108 Der Gesetzgeber wollte es dem Verbraucher also ermöglichen, sich auch in der Phase nach Ein106 Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Ziff. 4.2 (S. 10). 107 Vgl. § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und § 355 Abs. 1 S. 1 BGB. 108 Hierfür spricht auch die Wortwahl des Gesetzes, wonach der Verbraucher nach Erklärung des Widerrufs – abweichend von § 145 BGB – an seine auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung „nicht mehr gebunden“ ist, vgl. § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und § 355 Abs. 1 S. 1 BGB.

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treten dieser Bindungswirkung, aber vor Zustandekommen des Vertrages wieder von seiner Willenserklärung zu lösen. Tatsächlich erscheint es widersinnig, den Verbraucher zunächst – bis zur Annahme des Angebots durch den Unternehmer – an seiner Willenserklärung festzuhalten, wenn er sich jedenfalls nach Zustandekommen des Vertrages wieder von dem Rechtsgeschäft lösen kann. Trotzdem stellt sich die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber befugt ist, auf den Widerruf der Vertragserklärung des Verbrauchers abzustellen, wenn in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL von dem Widerruf des Vertragsschlusses die Rede ist. bb) Möglicher Verstoß gegen Vorgaben der Fernabsatz-RiL Grundsätzlich obliegt die nähere Ausgestaltung des Widerrufsrechts nach Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL dem nationalen Gesetzgeber. Der Gemeinschaftsgesetzgeber ist aber nicht gehindert, bestimmte inhaltliche Vorgaben hinsichtlich des angestrebten Rechtszustands zu machen, durch die der Gestaltungsfreiraum des Umsetzungsgesetzgebers eingeschränkt wird. 109 Dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Widerrufsrechts nicht völlig frei sind, ergibt sich auch daraus, dass sie nach Erwägungsgrund 14 nur zur Regelung der weiteren Bedingungen und Einzelheiten des Widerrufsrechts berufen sind; der Spielraum des nationalen Gesetzgebers endet also da, wo der Gemeinschaftsgesetzgeber selbst konkrete Vorgaben zur Regelung des Widerrufsrechts gemacht hat. Eine solche Vorgabe könnte in der Bezugnahme auf den „Vertragsschluss“ in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL zu sehen sein mit der Folge, dass der Abschluss eines Vertrages Voraussetzung für die Ausübung des Widerrufsrechts ist. 110 Dafür spricht, dass das Widerrufsrecht in einem Änderungsantrag des Europaparlaments aus dem Jahr 1993 111 als „Auflösungsrecht“ bezeichnet worden ist. Auch nach der in Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL zutage tretenden Konzeption des Widerrufsrechts scheint ein Vertragsschluss erforderlich. Schließlich soll dem Verbraucher Gelegenheit gegeben werden, seine Erwerbsabsicht zu überdenken, weil er „nicht die Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrages das Erzeugnis zu sehen“. Wenn also die endgültige Kaufentscheidung des Verbrau109

Nettesheim, in: Grabitz / Hilf, Band III, Art 249 EGV Rn. 152; vgl. auch Nachweise bei Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 11 Fn. 20. 110 In diesem Sinne Reich, EuZW 1997, 581, 584; Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 67. Nach Ansicht von Micklitz soll dann, wenn es an einem geschlossenen Vertrag fehlt, kein Widerrufsrecht nach der Fernabsatz-RiL gegeben sein; vielmehr richte sich die Widerrufsmöglichkeit des Verbrauchers dann nach den mitgliedstaatlichen Vorschriften über die Bindungswirkung des Angebots. 111 ABl. EG 1993 Nr. C 176 S. 90, Änderungsantrag 19 zu Art. 6 des Richtlinienentwurfs, KOM(1992) 11 endg.

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chers nach Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers davon abhängt, dass er die Ware zuvor in Augenschein nehmen kann, muss der Kaufgegenstand noch vor Ausübung des Widerrufsrechts an den Verbraucher geliefert werden. 112 Da die Lieferung aber in aller Regel nur erfolgen wird, wenn bereits ein Vertrag zustande gekommen ist, muss der Vertragsschluss dem Widerruf vorangehen. 113 Doch auch wenn es demnach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers entspricht, dass sich der Verbraucher vor Erklärung des Widerrufs einen Eindruck von der bestellten Ware verschaffen soll, darf das Widerrufsrecht im Ergebnis nicht davon abhängen, dass die Ware tatsächlich geliefert wird. Zum einen hätte es der Unternehmer unter diesen Umständen in der Hand, den Widerruf zu verhindern, indem er die Ware zurückhält. Der Verbraucher müsste dann theoretisch auf Erfüllung bzw. Lieferung der Ware klagen, nur um anschließend sein Widerrufsrecht ausüben zu können. Zum anderen ist vorstellbar, dass sich der Verbraucher auf anderem Weg – z. B. durch Aufsuchen eines Ladengeschäfts, das das bestellte Produkt ebenfalls zum Verkauf anbietet – Gewissheit darüber verschafft hat, ob die bestellte Ware seinen Vorstellungen entspricht. Ein Abweichen von dem von der Richtlinie vorgesehenen, typischen Geschehensablauf rechtfertigt es daher nicht, dem Verbraucher die Ausübung des Widerrufsrechts zu versagen. Dies muss auch für den Fall gelten, dass die Lieferung nur deshalb unterblieben ist, weil es noch nicht zu einem Vertragsschluss gekommen ist. Dem mit der Einführung des Widerrufsrechts verfolgten Ziel, das Verbrauchervertrauen in grenzüberschreitende Fernabsatzgeschäfte zu steigern, wird am besten dadurch Rechnung getragen, dass der Verbraucher die Gewissheit hat, sich jederzeit von einer bereits eingetretenen Bindung lösen zu können – mag sich diese auch nur auf die Willenserklärung des Verbrauchers beziehen. Zudem entspricht es auch den Interessen des Unternehmers, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht möglichst frühzeitig ausüben kann. Erfolgt der Widerruf noch vor Vertragschluss und somit auch vor Lieferung der Ware, kann der Unternehmer die mit dem Versand verbundenen Risiken des Verlustes oder der Beschädigung der Ware vermeiden. 114 Außerdem steht ihm die Ware sofort wieder zur Verfügung, kann also anderen Käufern angeboten werden. Dementsprechend sieht der DCFR vor, dass das Widerrufsrecht auch schon vor Beginn der Widerrufsfrist und somit noch vor Vertragsschluss 115 ausgeübt werden kann. 116

112 Aus diesem Grund beginnt auch die Widerrufsfrist gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 3 Fernabsatz-RiL erst mit Erhalt der Ware zu laufen. 113 Vgl. Bülow, ZIP 1999, 1293, 1295; Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 190. 114 Zur Verteilung des Risikos siehe unten S. 108. 115 Der Beginn der Widerrufsfrist setzt gemäß Art. II.-5:103 Abs. 2 DCFR den Abschluss des Vertrages voraus, vgl. auch S. 71.

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cc) Keine Beschränkung des Gestaltungsspielraums des nationalen Gesetzgebers Da den Interessen der Beteiligten und dem Zweck des Widerrufsrechts somit auch dann hinreichend Rechnung getragen wird, wenn das Widerrufsrecht bereits vor Vertragsschluss ausgeübt werden kann, muss bezweifelt werden, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber dadurch, dass in Art. 6 Abs. 1 S. 1 FernabsatzRiL vom Widerruf des Vertragsschlusses die Rede ist, festlegen wollte, dass ein Widerruf vor Abschluss des Vertrages nicht in Betracht kommt. Sollte dem Vertragsschluss wirklich eine solche Bedeutung zukommen, hätte sich der Gemeinschaftsgesetzgeber genau mit der Frage auseinandersetzen müssen, auf welche Art und Weise bzw. zu welchem Zeitpunkt bei Fernabsatzgeschäften überhaupt ein Vertrag zustande kommt – diese Thematik ist jedoch gerade nicht Gegenstand der Fernabsatz-RiL. 117 Das Abstellen auf den Vertragsschluss dürfte daher vielmehr darauf zurückzuführen sein, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber davon ausgegangen ist, dass vor diesem Zeitpunkt ohnehin noch keine Bindung der Vertragsparteien und somit auch kein Bedürfnis für ein Widerrufsrecht besteht. Die im deutschen Zivilrecht in § 145 BGB vorgesehene Bindung des Antragenden an das Vertragsangebot stellt insoweit eine Ausnahmevorschrift dar, die nicht nur vom gemeinrechtlichen Vertragsprinzip abweicht, 118 sondern auch in Widerspruch zu den vertragsrechtlichen Regelungen des romanischen Rechtskreises, des Common Law sowie des Europäischen Vertragsrechts steht. 119 Dementsprechend besteht nach dem DCFR grundsätzlich ebenfalls keine Bindung an das Vertragsangebot; dieses kann bis zu Annahme durch den Angebotsempfänger vielmehr frei widerrufen werden. 120 Der Gemeinschaftsgesetzgeber dürfte die deutsche Sonderregelung bei Verabschiedung der Fernabsatz-RiL daher nicht im Blick gehabt haben. Vor diesem Hintergrund darf der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL nicht so verstanden werden, dass vor Ausübung des Widerrufsrechts zwingend ein Vertrag geschlossen worden sein muss. Es muss vielmehr ausreichen, dass der Verbraucher in irgendeiner Form gebunden ist, d. h. nicht mehr verhindern kann, dass der Vertrag zustande kommt und er anschließend aus diesem Vertrag in Anspruch genommen wird. Folglich ist der deutsche Gesetzgeber vor dem Hintergrund des § 145 BGB nicht gehindert, den 116

Siehe Art. II.-5:103 Abs. 1 DCFR, wonach das Widerrufsrecht jederzeit vor Ende der Widerrufsfrist ausgeübt werden kann, „auch wenn die Widerrufsfrist noch nicht begonnen hat“ (even if that period has not begun). 117 Vgl. Nachweis in Fn. 130 (Abschnitt B.). 118 Vgl. Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1 S. 164 f. 119 Vgl. Büßer, Widerrufsrecht, S. 130; Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 45; MünchKommBGB / Kramer, § 145 Rn. 1 m.w. N.; vgl. auch Art. 16 Abs. 1 CISG: Das Angebot kann grundsätzlich bis Absendung der Annahmeerklärung widerrufen werden. 120 Art. II.-4:202 Abs. 1 DCFR.

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Widerruf auf die Willenserklärung des Verbrauchers zu beziehen, sofern gewährleistet ist, dass der Verbraucher im Fall des Zustandekommens des Vertrages auch von seinen vertraglichen Leistungspflichten frei wird. b) Erfüllungsanspruch des Verbrauchers aa) Die Konstruktion eines „schwebend wirksamen“ Vertrages Ursprünglich hatte der deutsche Gesetzgeber erwogen, für die Zeit vor Erklärung des Widerrufs eine mit § 1 Abs. 1 HTWG a.F. 121 vergleichbare Regelung zu schaffen. 122 Danach wäre der im Fernabsatz geschlossene Vertrag bis zum Ablauf der Widerrufsfrist schwebend unwirksam gewesen. 123 Folglich hätte der Verbraucher bis zum Fristablauf keinen Erfüllungsanspruch gehabt. Diese rechtliche Konstruktion hatte schon nach altem Recht zu Problemen bei der Durchführung von Haustürgeschäften geführt. Wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hatte, begann die Widerrufsfrist gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 HTWG a.F. nicht zu laufen. Aufgrund der damit verbundenen schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages stand dem Unternehmer im Grunde ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht zu. Da dies im Widerspruch zu der verbraucherschützenden Zielsetzung des HTWG stand, wurde nach Wegen gesucht, dem Verbraucher unter diesen Umständen trotzdem einen Erfüllungsanspruch zu gewähren. 124 So sollte es dem Unternehmer nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt sein, sich auf die schwebende Unwirksamkeit des Vertrages zu berufen. 125 Für die Umsetzung der Fernabsatz-RiL ist das Konzept eines schwebend unwirksamen Vertrages jedoch gänzlich ungeeignet, da dem Verbraucher schon vor Ablauf der Widerrufsfrist ein Erfüllungsanspruch zustehen muss; 126 schließ121 Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16. 01. 1986, BGBl. I S. 122. 122 Vgl. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zu einem Fernabsatzgesetz vom 20. 05. 1999 (BMJ Referat I B 2 3420/12 – 4), S. 95 f. 123 So BGH, NJW 1996, 57 zu § 1 Abs. 1 HausTWG a.F.; vgl. auch MünchKommBGB / Ulmer, § 1 HausTWG Rn. 6; Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 180; Boemke, AcP 197 (1997), 161, 164 m.w. N.; auch im Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zu einem Fernabsatzgesetz vom 20. 05. 1999 (BMJ Referat I B 2 3420/ 12 –4), S. 94 wird darauf hingewiesen, dass das Widerrufsrecht als ein Recht begriffen wird, dass die Wirksamkeit des Vertrages gar „nicht erst eintreten“ lässt. 124 Vgl. MünchKommBGB / Ulmer, § 1 HausTWG Rn. 6 und § 7 VerbrKrG Rn. 26 m.w. N. 125 Hierzu Boemke, AcP 197 (1997), 161, 172; Krämer, ZIP 1997, 93, 95; so bereits zum Abzahlungsgesetz Knütel, AcP 185 (1985), 309, 317. 126 Darauf wurde insbesondere hingewiesen von Bülow, ZIP 1999, 1293, 1295 und Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 190.

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lich beginnt die Widerrufsfrist nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 Fernabsatz-RiL überhaupt erst mit Lieferung der Ware zu laufen. Es musste also eine Regelung gefunden werden, die dem Verbraucher einen Anspruch auf Lieferung der Ware gewährt. Daher hat sich der Gesetzgeber letztendlich für die Konstruktion eines bis Fristablauf „schwebend wirksamen“ Vertrages entschieden. 127 Eine neue Kategorie der Vertragswirksamkeit wurde dadurch nicht begründet. Vielmehr sollte durch den Hinweis auf die schwebende Wirksamkeit nur zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich – wie bei der Anfechtung 128 – um einen Vertrag handelt, der zunächst wirksam ist, dessen Wirksamkeit aber nach einer Schwebephase wieder entfallen kann. 129 Folglich steht dem Verbraucher – in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL 130 – mit Zustandekommen des Vertrages auch ein Erfüllungsanspruch zu. 131 bb) Zulässigkeit der Vereinbarung eines Zurückbehaltungsrechts Problematisch ist aber, dass es der deutsche Gesetzgeber grundsätzlich für zulässig erachtet, wenn sich der Unternehmer in den AGB das Recht vorbehält, die Ware bis zum Ablauf der Widerrufs- bzw. Rückgabefrist zurückzuhalten. 132 Ein solcher Leistungsvorbehalt war im Hinblick auf die Interessenlage des Unternehmers bei Haustürgeschäften und Ratenzahlungsverträgen für erforderlich gehalten worden. 133 Nach altem Recht war in diesen Fällen schon aufgrund der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages gewährleistet, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist keine Leistung erbringen musste. Auf diese Weise konnte er es vermeiden, sich den mit der drohenden Rückabwicklung verbundenen Kosten und Risiken auszusetzen. 134 Diese Möglichkeit des „Selbst-

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Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 47: „Damit wird die Konstruktion der schwebenden Wirksamkeit für alle Verbraucherschutzgesetze eingeführt“. 128 Vgl. insoweit Lorenz, unerwünschter Vertrag, S. 51; allerdings entfaltet der Widerruf anders als das Anfechtungsrecht keine Rückwirkung, vgl. Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 52 sowie unten S. 247. 129 Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 54; Gernhuber, WM 1998, 1797, 1804. 130 Wenn in Art. 7 Abs. 1 Fernabsatz-RiL davon die Rede ist, dass die Ware spätestens 30 Tage nach Übermittlung der Bestellung geliefert werden muss, bedeutet dies nicht, dass ein Vertragsschluss entbehrlich ist – schließlich geht es nach der Überschrift des Art. 7 Fernabsatz-RiL um die „Erfüllung des Vertrags“. 131 Dies entspricht der ganz h.M., siehe nur Bülow / Artz, NJW 2000, 2049, 2052; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1418; Bodenstedt, Fernabsatzrichtlinie, S. 157. 132 Vgl. § 10 Nr. 1 AGBG a.F. sowie § 308 Nr. 1 BGB. 133 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 51. 134 Zu den Risiken und Kosten siehe Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 47 f.; vgl. auch BT-Drs. 14/6040, S. 199, in der auf das Risiko der „Abnutzung durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Sache“ hingewiesen wird.

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schutzes“ 135 sollte dem Unternehmer nach Vorstellung des Gesetzgebers auch nach Einführung des Konzepts der schwebenden Wirksamkeit erhalten bleiben. Die Interessen des Verbrauchers werden dadurch nicht beeinträchtigt, da dieser bei Haustür- und Ratenzahlungsgeschäften – anders als bei Fernabsatzverträgen – keines sofortigen Leistungsanspruchs bedarf. Schließlich geht es nicht darum, dem Verbraucher Gelegenheit zu geben, die Ware während der Widerrufsfrist (erstmals) in Augenschein zu nehmen. 136 Durch das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften soll dem Verbraucher vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, seine Kaufentscheidung ohne Präsenz des Unternehmers bzw. dessen Vertreters noch einmal in Ruhe zu überdenken. Bei Ratenzahlungsverträgen wiederum soll die mit dem Widerrufsrecht verbundene Überlegungsfrist es dem Verbraucher ermöglichen, sich nach Vertragsschluss anhand der ihm überlassenen „Vertragserklärungen“ 137 ein genaues Bild von der Finanzierungshilfe zu machen, die er in Anspruch nehmen will. 138 Die Übergabe der zu finanzierenden Ware ist hierfür nicht erforderlich. Mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL ist ein Zurückhalten der Leistung jedoch nicht vereinbar, da die Übergabe der Ware an den Verbraucher Voraussetzung dafür ist, dass dieser eine informierte Entscheidung darüber treffen kann, ob er den Kaufgegenstand behalten will. Daher darf dem Unternehmer auch nicht erlaubt werden, sich in seinen AGB das Recht einräumen zu lassen, die Ware zurückzuhalten. Dessen war sich auch der deutsche Gesetzgeber bewusst. 139 Trotzdem hat er darauf verzichtet, die Möglichkeit, einen Leistungsvorbehalt in den Vertrag aufzunehmen, auf Haustür- und Abzahlungsgeschäfte zu beschränken. 140 Nach seiner Auffassung war dies nicht erforderlich, da der Vereinbarung des Vorbehalts, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist zu leisten, im Fernabsatzrecht „schon der Umstand entgegen[-steht], dass die Widerrufsfrist erst mit der Lieferung zu laufen beginnt“. Tatsächlich ist eine Klausel, die dem Unternehmer für die Dauer der Widerrufsfrist ein Leistungsverweigerungsrecht gewährt, sinnlos, wenn die Widerrufsfrist ohne Erbringung der Leistung nicht zu laufen beginnt. 135 Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 372 spricht in diesem Zusammenhang von einer „Selbstschutzstrategie“ des Unternehmers. 136 Bei Abzahlungs- und Haustürgeschäften handelt es sich – jedenfalls in der Regel – um Direktgeschäfte, bei denen der Kaufgegenstand bereits vor Vertragsschluss in Augenschein genommen wird, vgl. Bülow, ZIP 1999, 1293, 1294. 137 Vgl. § 492 Abs. 3 BGB, wonach dem Darlehensnehmer eine Abschrift der Vertragserklärung, d. h. der in § 492 Abs. 1 BGB genannten Informationen, zur Verfügung gestellt werden muss. 138 Zum Zweck des Widerrufsrechts nach § 495 BGB vgl. auch MünchKommBGB / Habersack, § 495 Rn. 2. 139 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 51. 140 Der Gesetzgebers – vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 51 – stellt ausdrücklich klar, dass das Klauselverbot nach § 10 Nr. 1 AGBG a.F. bzw. § 308 Nr. 1 BGB der Vereinbarung eines Leistungsvorbehalts auch bei Fernabsatzverträgen nicht entgegensteht.

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Der Gesetzgeber geht vor diesem Hintergrund offenbar davon aus, dass ein solcher Leistungsvorbehalt bei Fernabsatzverträgen ohne rechtliche Bedeutung bleibt bzw. gar nicht erst vereinbart wird. Letzteres ist jedoch nicht gewährleistet, zumal eine Klausel, nach der der Unternehmer erst „nach Ablauf der Widerrufsfrist“ zur Leistung verpflichtet ist, im Hinblick darauf, dass die Widerrufsfrist ohne Lieferung der Ware nicht beginnt, auch so verstanden werden kann, dass der Leistungsvorbehalt unbegrenzt fortbesteht. 141 Unter diesen Umständen drohte ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Fernabsatz-RiL, wonach die Bestellung des Verbrauchers innerhalb von 30 Tagen ausgeführt werden muss. Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass eine solche Vereinbarung rechtlich bedeutungslos wäre, 142 bestünde die Gefahr, dass der Verbraucher auf die Geltendmachung seines Erfüllungsanspruchs verzichtet. Daher ist die Tatsache, dass die Aufnahme eines Leistungsvorbehalts in Fernabsatzverträge nicht ausdrücklich untersagt wurde, zumindest im Hinblick auf die vom EuGH geforderte Rechtsklarheit des Umsetzungsrechts zu kritisieren. c) Erfüllungsanspruch des Unternehmers Wie bereits festgestellt, 143 sieht die Fernabsatz-RiL vor, dass der Verbraucher auch schon vor Ablauf der Widerrufsfrist zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet werden kann. aa) Der Gedanke einer personell gespaltenen Wirksamkeit Für den Zahlungsanspruch des Anbieters ist – anders als für den Erfüllungsanspruch des Verbrauchers (vgl. Art. 7 Abs. 1 Fernabsatz-RiL) – keine spezielle Ausführungsvorschrift vorgesehen, die regelt, dass die Zahlung innerhalb einer bestimmten Zeit erbracht werden muss. Daher stellt sich die Frage, ob dem Verbraucher auf nationaler Ebene, gestützt auf Art. 14 Fernabsatz-RiL, das Recht eingeräumt werden kann, den Kaufpreis nach Erhalt der Ware oder sogar erst nach Ablauf der Widerrufsfrist zu bezahlen. Heinrichs 144 hat die Möglichkeit erwogen, im Rahmen der Umsetzung der Fernabsatz-RiL von einer personell gespaltenen Wirksamkeit 145 des Verbrauchervertrages auszugehen mit der Folge, dass mit Vertragsschluss nur die Lieferpflicht des Anbieters entsteht, während die Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers erst mit Ablauf der Widerrufsfrist wirksam wird. Er selbst hat allerdings eingewandt, dass es dem Ziel einer mög141 142 143 144 145

In diesem Sinne wohl AnwKommBGB / Kollmann, § 308 Rn. 16. So Staudinger / Coester-Waltjen, § 308 Nr. 1 Rn. 13. Siehe oben S. 55. Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 191. Hierzu Larenz / Wolf, BGB AT, § 44 Rn. 55.

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lichst widerspruchsfreien Integration der Verbraucherschutzvorschriften abträglich wäre, wenn mit dem Modell einer personell gespaltenen Wirksamkeit des Verbrauchervertrages eine neue, dem deutschen Recht bisher unbekannte Kategorie der Vertrags(un)wirksamkeit entstünde. Darüber hinaus erscheint auch fraglich, ob ein solches Umsetzungsmodell, das es dem Verbraucher ermöglichen würde, seine Zahlung bis zum Ablauf der Widerrufsfrist zurückzuhalten, mit den Vorgaben der Richtlinie vereinbar wäre. Zwar haben die nationalen Gesetzgeber gemäß Art. 14 Fernabsatz-RiL grundsätzlich die Möglichkeit, verbraucherfreundlichere Vorschriften zu erlassen. Dies gilt aber dann nicht, wenn das Gemeinschaftsrecht für die konkrete Rechtsfrage ein Regelungsmodell entwickelt hat und eine abweichende nationale Regelung die Zielsetzung der Richtlinie gefährden würde. So verhält es sich hier: Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich im Laufe des Rechtssetzungsverfahrens ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Unternehmer vor der Lieferung der Ware ein Zahlungsanspruch zustehen soll, und sich bewusst für eine entsprechende Regelung entschieden. 146 Zur Begründung wurde im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 29. Juni 1995 147 auf das „Risiko für den Lieferer“ verwiesen, das mit der Ablehnung einer Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers verbunden wäre. 148 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat es an dieser Stelle also für erforderlich gehalten, den Interessen der Unternehmer Vorrang einzuräumen. Diese Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers zugunsten der Belange der Unternehmer ist vom nationalen Gesetzgeber zu respektieren. Denn sie ist im Hinblick darauf erfolgt, dass anderenfalls eine Gefährdung der Zielsetzung der Fernabsatz-RiL drohte: Das mit einer Vorleistungspflicht des Unternehmers verbundene „Risiko“ könnte geeignet sein, die Unternehmer von der Teilnahme am Fernabsatzhandel abzuhalten. bb) Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers Letztendlich muss der Gedanke einer personell gespaltenen Wirksamkeit und die damit verbundene Gefahr, sich in Widerspruch zur Zielsetzung der Fernabsatz-RiL zu setzen, aber nicht weiter vertieft werden, da der deutsche Ge146 147

Dazu bereits oben S. 55. Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 29. Juni 1995, ABl. EG 1995 Nr. C 288

S. 1. 148 Den Interessen der Verbraucher an finanzieller Absicherung soll durch die Verpflichtung der Unternehmer aus Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL, den Kaufpreis nach Erklärung des Widerrufs „so bald wie möglich“ zu erstatten (dazu auch unten S. 169 ff.), sowie durch freiwillige Bestimmungen der betroffenen Berufskreise in Form von Verhaltenscodices Rechnung getragen werden, vgl. Empfehlung der Kommission vom 7. April 1992 über die Verhaltenscodices zum Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, 92/295/EWG, ABl. EG 1992 Nr. L 156 S. 21.

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setzgeber dem Vorschlag Heinrichs nicht gefolgt ist. Mit dem Hinweis, dass der Verbrauchervertrag bis Fristablauf (schwebend) wirksam sein soll, 149 hat er vielmehr zum Ausdruck gebracht hat, dass mit Vertragsschluss beiderseitige Leistungspflichten begründet werden. d) Verteilung des Zufallsrisikos beim Transport vom Anbieter zum Verbraucher Da der deutsche Gesetzgeber im Hinblick auf die Auslieferung bzw. den Versand der Waren keine eigenständige Regelung des Transportrisikos für Fernabsatzgeschäfte vorgesehen hat, ist zu untersuchen, ob die bereits bestehenden Gefahrtragungsregeln mit der Fernabsatz-RiL vereinbar sind oder ob ggf. eine Anpassung des nationalen Rechts erforderlich ist. Der Verbraucher hat die Ware bei einem auf dem Lieferweg eingetretenen, zufallsbedingten Verlust nicht „empfangen“ 150 bzw. „erlangt“ 151. Folglich kann er im Rahmen der Rückabwicklung nicht dazu verpflichtet werden, insoweit Wertersatz zu leisten. Dasselbe gilt, wenn die Ware auf dem Transportweg durch Zufall beschädigt wird. In diesem Fall hat der Verbraucher nie Besitz an einer unbeschädigten Sache erhalten. 152 Mit der Verteilung des Transportrisikos kann daher nur die Frage gemeint sein, ob der Verbraucher für die Ware trotzdem noch den (vollen) Kaufpreis bezahlen muss. Es geht also darum, welche Partei die sog. Gegenleistungs- oder Preisgefahr 153 trägt. aa) Verteilung der Gegenleistungsgefahr nach deutschem Recht Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB liegt die Gegenleistungsgefahr beim gegenseitigen Vertrag grundsätzlich beim Anbieter der Ware. Braucht er wegen des Untergangs der Ware auf dem Transportweg gemäß § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht mehr zu leisten, entfällt auch sein Anspruch auf die Gegenleistung, d. h. die Kaufpreiszahlung. Etwas anderes könnte sich nur aus § 447 Abs. 1 BGB ergeben, wonach die (Gegenleistungs-)Gefahr schon mit Absenden der Ware auf den 149

Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 47. Vgl. Wortlaut des § 346 Abs. 1 BGB. 151 Vgl. Wortlaut des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. 152 Vgl. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB, der eine Wertersatzpflicht des Rückgewährschuldners nur für den Fall vorsieht, dass sich der empfangene Gegenstand verschlechtert hat oder untergegangen ist. Im Bereicherungsrecht ist die Ersatzpflicht gemäß § 818 Abs. 1 BGB auf das erlangte „etwas“ beschränkt; § 818 Abs. 2 BGB erfasst lediglich Wertverluste, die nach Erlangung des Gegenstandes durch den Bereicherungsschuldner eingetreten sind. 153 Zu den Begriffen der Gegenleistungs- bzw. Preisgefahr vgl. Larenz, SchuldR I, § 21 I b. 150

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Käufer übergeht, wenn der Vertrag am Sitz des Verkäufers zu erfüllen gewesen wäre, die Ware auf Verlangen des Käufers aber an einen anderen Ort versandt wird. Die Frage, wo sich bei einem Versandhandelsgeschäft der Erfüllungsort für die Verpflichtung des Anbieters befindet, ist seit langem Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Die wohl herrschende Meinung geht davon aus, dass eine Bringschuld anzunehmen sei. Sie stützt sich dabei u. a. auf das Argument, dass der Versand der Ware im Versandhandel nicht „auf Verlangen des Käufers“ erfolge, sondern auf der Natur des Versandhandelsgeschäfts beruhe. 154 Da somit der Erfüllungsort am Wohnsitz des Käufers bzw. Verbrauchers liegt, sind die Voraussetzungen des § 447 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Das Transportrisiko liegt also beim Unternehmer – er trägt die Preisgefahr. Soweit der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 – auf die Vermutung des § 269 Abs. 1 BGB gestützt – die entgegengesetzte Auffassung vertreten hat, wonach der Erfüllungsort der Ort der Niederlassung des Versandhändlers sei, 155 führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar erfolgt die Versendung der Ware unter diesen Voraussetzungen „nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort“ i.S. des § 447 Abs. 1 BGB. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob der Versand – wie von der Gefahrtragungsregel vorausgesetzt – auch „auf Verlangen des Käufers“ erfolgt. Daran kann mit Recht gezweifelt werden, wenn der Anbieter dem Käufer – wie im klassischen Versandhandel – gar nicht die Wahl lässt, ob er die Ware abholen oder geliefert bekommen will. 156 Letztendlich kann diese Streitfrage hier jedoch dahinstehen, da die Gefahrtragungsregel des § 447 Abs. 1 BGB schon aus einem anderen Grund nicht eingreift: Da es sich bei den Fernabsatzverträgen, die in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL fallen, um Verträge zwischen einem Unternehmer (Verkäufer) und einem Verbraucher (Käufer) handelt, ist die Anwendung des § 447 Abs. 1 BGB bereits aufgrund des § 474 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. 157 Auch bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH, der im Versandhandel von einer Schickschuld ausgeht, bleibt es daher dabei, dass der Anbieter die Preisgefahr tragen muss. In Fällen, in denen das Vertragsangebot vom Verbraucher ausgeht 154

So OLG Karlsruhe, MMR 2008, 46, 48; Brüggemeier, WM 2002 1376, 1386; Medicus, BürgR, Rn. 275; Palandt / Heinrichs, § 269 Rn. 12; MünchKommBGB / Krüger, § 269 Rn. 20. 155 Vgl. BGH, DB 2003, 2487 = NJW 2003, 3341, 3342L; zustimmend Lorenz, JuS 2004, 105, 106; Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 49; Erman / Grunewald, § 447 Rn. 4. 156 So Jost / Fitzer / Mohn, BB 1997, 1165, 1168; nach Medicus, BürgR, Rn. 275 kann der Versand nicht „auf Verlangen des Käufers“ erfolgen, wenn schon der Verkäufer die Versendung anbietet. Das LG Schwerin, NJW-RR 2000, 868 verweist darauf, dass der Käufer auf die Art und Weise der Lieferung keinerlei Einfluss hat. 157 So auch BGH, DB 2003, 2487.

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und die Annahme dieses Angebots konkludent durch Versand der Ware erfolgen soll, fehlt es bei Verlust der Ware auf dem Transportweg sogar schon an einem Vertragsschluss, der Grundlage für den Kaufpreisanspruch sein könnte. 158 bb) Fortbestehen der Leistungspflicht des Unternehmers Für die Leistungspflicht des Unternehmers macht es keinen Unterschied, ob man von einer Schick- oder Bringschuld ausgeht, solange es sich bei der vom Anbieter geschuldeten Ware um eine Stückschuld handelt. Bei Untergang der Ware tritt dann in jedem Fall gemäß § 275 Abs. 1 BGB Unmöglichkeit ein – mit der bereits geschilderten Folge, dass der Verbraucher nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB auch seine Gegenleistung nicht mehr erbringen muss. Anders verhält es sich, wenn eine Gattungsschuld vereinbart worden ist. Folgt man der Ansicht des BGH, wonach sich der Leistungsort am Geschäftssitz des Unternehmers befindet, tritt in diesem Fall bereits mit Auswahl der konkreten Ware und deren Übergabe an den Transporteur gemäß § 243 Abs. 2 BGB Konkretisierung ein. Daher wird der Unternehmer nach § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei, wenn die Ware nicht beim Verbraucher ankommt oder aufgrund einer auf Zufall beruhenden Beschädigung von diesem als nicht erfüllungstauglich zurückgewiesen wird. 159 Geht man dagegen von einer Bringschuld des Versandhändlers aus, fehlt es in solchen Fällen an der für den Eintritt der Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB erforderlichen Konkretisierung, da der Anbieter nicht alles zur Erfüllung seiner Leistungspflicht Erforderliche getan hat. Er hätte dem Käufer die Ware an dessen Wohnsitz in einer den Annahmeverzug begründenden Weise anbieten müssen. 160 Hieran fehlt es, wenn die Ware nicht bzw. nur in beschädigter Form 161 beim Käufer ankommt. Folglich bleibt der 158

Vgl. Jost / Fitzer / Mohn, BB 1997, 1165, 1167; etwas anderes gälte nur, wenn man davon ausginge, dass der Zugang der in der Versendung der Ware zu sehenenden, konkludenten Willenserklärung gemäß § 151 S. 1 BGB entbehrlich wäre; dazu unten S. 139. 159 Da sich die Verpflichtung des Verkäufers gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB darauf erstreckt, dem Käufer eine mangelfreie Sache zu verschaffen, ist eine mangelbehaftete Sache nicht erfüllungstauglich; der Käufer darf die Annahme daher verweigern, vgl. Bamberger / Roth / Faust, § 434 Rn. 36. Es steht ihm allerdings auch frei, den Kaufgegenstand als Erfüllung anzunehmen und anschließend die Mängelgewährleistungsansprüche aus § 437 BGB geltend zu machen. 160 Vgl. Medicus, BürgR, Rn. 258; Bamberger / Roth / Unberath, § 294 Rn. 3; Palandt / Heinrichs, § 243 Rn. 5; MünchKommBGB / Emmerich, § 243 Rn. 28; Staudinger / Schiemann, § 243 Rn. 31. 161 Bietet der Anbieter dem Käufer eine beschädigte und somit mangelhafte Sache an, kann der Käufer dieses Angebot zurückweisen, vgl. BGHZ 114, 34, 40 (zum alten Schuldrecht) sowie Jud, JuS 2004, 841, 843 (zum neuen Schuldrecht); in Annahmebzw. Gläubigerverzug gerät er in diesem Fall nicht.

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Verkäufer in diesen Fällen zur Leistung verpflichtet, d. h. er muss die Ware noch einmal liefern. Zugleich besteht die Verpflichtung des Käufers zur Abnahme und Zahlung des Kaufpreises fort. Im Ergebnis trägt also stets der Verkäufer das Risiko eines Verlustes auf dem Weg zum Käufer. Den Wert der durch Zufall verloren gegangenen bzw. beschädigten Ware erhält er in keinem Fall ersetzt. Dies gilt auch dann, wenn der Käufer – bei Annahme einer Bringschuld – zur Kaufpreiszahlung verpflichtet bleibt, da die Zahlung nur Zug um Zug gegen Lieferung einer neuen Ware aus derselben Gattung erfolgt. Für den Verkäufer ist mit der Annahme einer Bringschuld allerdings der Vorteil verbunden, dass er – da die Verpflichtungen aus dem Schuldverhältnis fortbestehen – den im Vertrag angelegten Gewinn noch zu realisieren vermag. 162 Dagegen ist er bei einer Schickschuld aufgrund des Erlöschens der gegenseitigen Leistungspflichten darauf angewiesen, dass der Verbraucher die Ware noch einmal zum selben Preis bestellt. cc) Bewertung der deutschen Rechtslage im Hinblick auf die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL Bei Fernabsatzgeschäften lastet nach deutschem Recht also auf dem Anbieter das Risiko, dass die Ware auf dem Weg zum Käufer verloren geht oder beschädigt wird. Bei Stückschulden hat der Verlust der Ware zugleich ein Erlöschen der gegenseitigen Hauptleistungspflichten zur Folge, während bei Gattungsschulden umstritten ist, ob sich die Lieferpflicht bereits mit dem Versand auf einen bestimmten Gegenstand konkretisiert hat mit der Folge, dass § 275 Abs. 1 BGB eingreift. Ist der Käufer – wie von der Fernabsatz-RiL vorausgesetzt – Verbraucher, trägt der Unternehmer zudem die Gegenleistungs- bzw. Preisgefahr. Bedenken, ob dieser Rechtszustand mit der Fernabsatz-RiL vereinbar ist, bestehen nicht. Da der Richtlinie hinsichtlich der Gefahrtragung keine konkreten Vorgaben zu entnehmen sind, bleibt die Regelung dieser Materie dem nationalen Gesetzgeber überlassen. 163 Eine Anpassung der nationalen Gefahrtragungsrege162 Das Fortbestehen des Vertrages kann für den Anbieter allerdings zugleich ein Nachteil darstellen, wenn er sich die Ware erst noch selbst zu einem höheren Preis beschaffen muss. Sofern er nicht in Lage ist, die Ersatzware (rechtzeitig) zu liefern, kann er sich ggf. sogar schadensersatzpflichtig machen. 163 Konkrete Vorgaben hinsichtlich der Gefahrtragung, die bei Fernabsatzgeschäften über Verbrauchsgüter zu beachten wären, ergeben sich im Übrigen auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. EG 1999 Nr. L 171 S. 12 (Verbrauchsgüterkauf-RiL). Dort wird zwar auf den „Zeitpunkt der Lieferung“ Bezug genommen; dies bedeutet aber nicht, dass die Mitgliedstaaten die bestehenden Vorschriften über den Gefahrübergang ändern müssten, so ausdrücklich Erwägungsgrund 14.

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lungen wäre allenfalls dann erforderlich, wenn sie im Widerspruch zur Zielsetzung der Richtlinie stünden. Die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers, ob er am Vertrag festhalten will, ist aber nicht betroffen. Wenn man mit dem BGH davon ausgeht, dass die vertraglichen Hauptleistungspflichten bei Untergang der Sache auf dem Transportweg erlöschen, wird der Verbraucher in jedem Fall von seiner Zahlungspflicht frei. Ihm wird zwar die Möglichkeit genommen, selbst über das Fortbestehen des Vertrages zu entscheiden. Dies ist im Hinblick auf die Fernabsatz-RiL aber unbedenklich, da es dem Gemeinschaftsgesetzgeber nur darauf ankam, dass sich der Verbraucher von einer unter den Bedingungen der Informationsasymmetrie zustande gekommenen vertraglichen Bindung wieder lösen kann. Mit diesem Ziel steht es nicht im Widerspruch, wenn die Lösung bereits aus einem anderen Grund erfolgt, da auf diese Weise jedenfalls sichergestellt ist, dass der Verbraucher nicht an dem Vertrag festgehalten wird. Die geschilderten Gefahrtragungsregeln stehen auch nicht in Widerspruch zu dem mit der Fernabsatz-RiL verfolgten Gedanken der Förderung des Fernabsatzhandels durch die Schaffung von Rahmenbedingungen, bei denen auch die Interessen der Anbieter angemessen Berücksichtigung finden. Zwar hat der Unternehmer nach deutschem Recht die mit dem Versand der Ware verbundenen Risiken allein zu tragen. Die Verteilung des Zufallsrisikos gestaltet sich aber immer schwierig. 164 Vom nationalen Gesetzgeber kann daher insoweit nur verlangt werden, dass er sich von sachlichen Kriterien leiten lässt. Nur bei einer völlig willkürlichen Belastung der Unternehmer mit dem Transportrisiko, für die sich überhaupt keine sachlichen Anhaltspunkte finden lassen, könnte man daran zweifeln, ob die Risikoverteilung aufgrund der damit möglicherweise verbundenen Auswirkungen auf die Bereitschaft der Anbieter, am Fernabsatzhandel teilzunehmen, mit der Fernabsatz-RiL vereinbar ist. Die Belastung des Unternehmers mit den Risiken des Versands der Ware an den Verbraucher kann aber schon damit gerechtfertigt werden, dass dieser die Risiken besser beherrschen und Vorsorge gegen die Folgen eines Untergangs oder einer Verschlechterung der Ware treffen kann. 165 Mit dem Aspekt der Vorsorge ist vor allem die Möglichkeit des Anbieters gemeint, sich gegen mögliche Transportschäden versichern zu können, und zwar zu günstigeren Bedingungen als der Verbraucher. Da der Unternehmer die Versicherung für eine Vielzahl von Bestellungen abschließen kann, wird er vom Versicherer bessere Konditionen angeboten bekommen als der Käufer bzw. Verbraucher, der nur von Fall zu Fall Versicherungsschutz beantragen könnte. 166 Das „cheapest-insurer-Argument“, das als primär wirtschaftliches Kriterium inzwi-

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Dazu auch unten S. 216. So ausdrücklich BT-Drs. 14/6040, S. 243. 166 So bereits Borges, DB 2004, 1815, 1817, der angesichts der damit verbundenen Transaktionskosten schon bezweifelt, ob ein solcher Versicherungsschutz für Käufer überhaupt angeboten wird; zustimmend MünchKommBGB / Krüger, § 269 Rn. 20. 165

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schen an verschiedenen Stellen auch rechtliche Anerkennung gefunden hat, 167 lässt es gerechtfertigt erscheinen, den Unternehmer mit den Folgen des Verlustes oder der Verschlechterung der Ware auf dem Transportweg zu belasten. Hinzu kommt, dass der Verkäufer i. d. R. auch derjenige ist, der über die Art der Beförderung entscheidet und den Beförderer auswählt, so dass der Transport in seine „Risikosphäre“ fällt. 168 Soweit der Verkäufer bei Zugrundelegung der Auffassung des BGH mit Untergang der Ware zugleich die Möglichkeit verliert, durch Lieferung einer anderen Sache doch noch den Gewinn zu realisieren, genügt der Hinweis, dass das Vertrauen des Unternehmers darauf, den im Kaufpreis enthaltenen Gewinn zu erlangen, aufgrund des Widerrufsrechts des Verbrauchers im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL ohnehin nicht geschützt ist. 169 e) Inhalt der Belehrungspflichten Der deutsche Gesetzgeber hat ursprünglich das Ziel verfolgt, die inhaltlichen Anforderungen der Fernabsatz-RiL an die Belehrung über das Widerrufsrecht (fast) unverändert in das deutsche Recht zu übernehmen. 170 Lediglich an einer Stelle hat man es für erforderlich gehalten, über die Richtlinienvorgaben hinauszugehen: Um sicherzustellen, dass der Verbraucher die in Art. 5 Abs. 1 S. 2 Fernabsatz-RiL genannten, besonders wichtigen Informationen zu den Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts auch wirklich wahrnimmt, soll die entsprechende Belehrung in einer „hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form“ erteilt werden. 171 Später – im Rahmen der Integration der F-Fernabsatz-RiL – hat sich der Gesetzgeber dann allerdings entschlossen, den Unternehmer zu verpflichten, dem 167

So beruhen z. B. die gesetzlichen Haftungshöchstgrenzen für die Tatbestände der Gefährdungshaftung auf dem Gesichtspunkt der Versicherbarkeit der der Haftung zugrunde liegenden Risiken, siehe Nachweise bei Borges, DB 2004, 1815, 1817; beachte auch BT-Drs. 14/6040, S. 243: Der Gesetzgeber begründet die Nichtanwendung des 447 BGB auf Verbraucherverträge damit, dass „der Verkäufer besser als der Käufer in der Lage [ist], das Beförderungsrisiko in dem nach Sachlage gebotenen Umfang unter Versicherungsschutz zu bringen“. 168 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 243; kritisch zu der Verwendung des Sphärengedankens bei der Zuweisung des Zufallsrisikos Schinkels, Haftungsrisiko, S. 113. 169 Vgl. auch Borges, DB 2004, 1815, 1818. 170 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 8 und § 2 Abs. 3 S. 1 u. 2 Nr. 1 Fernabsatzgesetz vom 27. 06. 2000, BGBl. I S. 897 (im Folgenden: FernAG) sowie BT-Drs. 14/2658, S. 37 ff.; auch mit der im Rahmen der Schuldrechtsreform erfolgten redaktionellen Neufassung der Informationspflichten in § 312c BGB war keine inhaltliche Änderung verbunden, vgl. BTDrs. 14/6040, S. 168. 171 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 39.

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Verbraucher auch schon vor Abschluss des Vertrages bzw. vor Abgabe seiner Vertragserklärung 172 die Einzelheiten der Ausübung und der Rechtsfolgen des Widerrufs (formlos) mitzuteilen; der bloße Hinweis auf das „Bestehen eines Widerrufsrechts“, wie in Art. 4 Abs. 1 lit. f. Fernabsatz-RiL gefordert, reicht danach nicht mehr aus. 173 Eine unverhältnismäßige Belastung des Unternehmers dürfte damit nicht verbunden sein, da er die nötigen Informationen für die förmliche Belehrung, die „während der Erfüllung des Vertrages“ erfolgen soll, ohnehin zusammenstellen muss. Außerdem steht ihm das Belehrungsmuster nach Anlage 2 BGBInfoV zu Verfügung. 174 Dieses wurde mit Inkrafttreten der Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung 175 am 1. April 2008 neu gefasst. Hintergrund für die Überarbeitung der Widerrufsbelehrung war die in Literatur und Rechtsprechung bemängelte fehlende Klarheit und Verständlichkeit des alten Belehrungsmusters. 176 Teilweise wurde sogar in Zweifel gezogen, ob das Belehrungsmuster den gesetzlichen Vorgaben entspricht. 177 Der Verordnungsgeber hat versucht, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, indem er den Text der Widerrufsbelehrung an mehreren Stellen geändert und ergänzt hat. So soll z. B. der neu eingeführte „Gestaltungshinweis 3“ dem Unternehmer ermöglichen, die Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist auf die jeweilige Vertriebsart und den betroffenen Vertragstyp abzustimmen. 178 Es bleibt abzuwarten, ob die neu 172 Der Gesetzgeber hielt es für erforderlich, statt auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf den Augenblick abzustellen, in dem der Verbraucher seine Vertragserklärung abgibt, da dieser in Fällen, in denen das Warenangebot des Unternehmers als bloße invitatio ad offerendum bewertet werden muss, bereits mit Zugang seines Vertragsangebots gebunden ist, siehe BR-Drs. 84/04, S. 37. 173 Hintergrund dafür war die Regelung des Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a und d F-FernabsatzRiL, vgl. BR-Drs. 84/04, S. 51. 174 Dazu BR-Drs. 84/04, S. 52. 175 Dritte Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 4. 03. 2008, BGBl. I S. 292. 176 Siehe KG Berlin, NJW 2006, 3215, 3217; OLG Hamm, ZIP 2007, 824, 825; Palandt / Grüneberg, § 14 BGB-InfoV, Rn. 5; Föhlisch, MMR 2007, 139, 140. 177 Vgl. LG Halle, WM 2007, 119, 120, das § 14 BGB-InfoV einschließlich der Anlage 2 wegen Verstoßes gegen die Vorgaben der §§ 355 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB für unwirksam hält; so auch LG Koblenz, ZIP 2007, 638; Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 4; MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 57; ders., NJW 2002, 2931, 2932; einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorgaben konstatieren auch Marx / Bäuml, WRP 2004, 162, 167; Bodendiek, MDR 2003, 1, 3; Martis / Meinhof, MDR 2004, 4, 5; a. A. LG Kassel, NJW 2007, 3136, 3137; die Probleme bei der Vornahme einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung hat Jan Kaestner, Mitglied der Geschäftsführung bei der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., zu der Aussage veranlasst: „Es gibt heute im Onlinehandel keine Rechtssicherheit mehr“, zitiert nach Handelsblatt vom 15. Februar 2007, S. 12. 178 Vgl. Bekanntmachung der Begründung zur Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 12. März 2008, Bundesanzeiger 2008

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gefasste Widerrufsbelehrung geeignet ist, allen im Hinblick auf die alte Musterbelehrung geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen. 179 Aber selbst wenn das Muster für die Widerrufsbelehrung weiterhin Kritik hervorrufen sollte, vermag dies das Argument des deutschen Gesetzgebers, mithilfe eines Belehrungsmusters werde die ordnungsgemäße Belehrung erleichtert, 180 nicht grundsätzlich zu erschüttern. f) Sanktion bei unzureichender Belehrung des Verbrauchers Es wurde bereits dargelegt, dass der nationale Gesetzgeber aus Art. 11 Fernabsatz-RiL berechtigt und verpflichtet ist, Maßnahmen zur Durchsetzung der Bestimmungen der Fernabsatz-RiL zu treffen. 181 Sofern er sich entschließt, zur Durchsetzung der in Art. 4 und 5 Fernabsatz-RiL genannten Informationspflichten Sanktionsregelungen zu erlassen, müssen diese nach ständiger Rechtsprechung des EuGH „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. 182 Insgesamt stellt der Gerichtshof recht hohe Anforderungen an die „Effektivität“ von zivilrechtlichen Sanktionsmaßnahmen und schränkt den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten dabei mitunter beträchtlich ein. 183 aa) Fristverlängerung Die Fernabsatz-RiL selbst ordnet für den Fall der nicht erfolgten Belehrung nach Art. 5 Fernabsatz-RiL lediglich an, dass sich die Widerrufsfrist auf drei Monate verlängert. Dies allein stellt – wie bereits erörtert 184 – keine hinreichende Sanktion dar, um zu gewährleisten, dass der Unternehmer seinen Informationspflichten im Hinblick auf das Widerrufsrecht nachkommt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich daher entschieden, die Widerrufsfrist bei nicht ordnungsNr. 42, S. 957, 959. Die entsprechende Musterformulierung für Fernabsatzverträge findet sich in Buchstabe b. 179 Vgl. insoweit der Hinweis auf die nicht berücksichtigten Kritikpunkte bei Masuch, NJW 2008, 1700, 1702. 180 Siehe oben Fn. 174 (Abschnitt C.). 181 Siehe oben S. 59. 182 Ständige Rechtsprechung, siehe EuGH, Urt. v. 21. 09. 1989, Rs. 68/88 (Kommission / Griechenland), Slg. 1989, 2965 Rn. 24; aus jüngerer Zeit auch EuGH v. 26. 04. 2007, Rs. C-248/04 (Boehringer Ingelheim / Swingward Ltd), Slg. 2007, I-3391 Rn. 59; das Erfordernis einer „wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden“ Sanktion ist nun auch ausdrücklich in Art. 11 F-Fernabsatz-RiL aufgenommen worden. 183 Siehe nur EuGH v. 22. 04. 1997, Rs. C-180/95 (Draehmpael / Urania), Slg. 1997, I-2195 Rn. 22, wonach der innerstaatliche Schadensersatzanspruch wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Einstellung nicht von der Voraussetzung des Verschuldens abhängig sein darf; kritisch Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 459. 184 Siehe oben S. 58 ff.

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gemäßer Belehrung nach Art. 5 Fernabsatz-RiL auf unbegrenzte Zeit und somit über das von der Fernabsatz-RiL geforderte Maß hinaus zu verlängern. 185 Dass der Gesetzgeber bei Einführung der unbegrenzten Widerrufsfrist weniger die Anforderungen der Fernabsatz-RiL als vielmehr die Vorgaben der HTürW-RiL im Blick hatte, 186 schadet dabei nicht. Die Fristverlängerung stellt im Ergebnis eine Maßnahme dar, die geeignet ist, den Unternehmer auch im Fernabsatzhandel zur Vornahme einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung zu bewegen. Das Wissen um die Möglichkeit, ggf. auch noch Jahre nach Austausch der Leistungen zur Rückabwicklung des Vertrages verpflichtet werden zu können, dürfte eine abschreckende Wirkung auf den Unternehmer haben. Als problematisch könnte sich die Fristverlängerung allenfalls im Hinblick auf die vom EuGH angemahnte Verhältnismäßigkeit erweisen. In der Belastung des Unternehmers mit einem „lebenslangen“ Widerrufsrecht des Verbrauchers könnte ein unzumutbarer Eingriff in dessen berechtigtes Interesse an Rechtssicherheit verbunden sein. 187 Insoweit kann allerdings darauf verwiesen werden, dass der EuGH ein unbegrenztes Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften, d. h. bei Bestehen eines Widerrufsrechts nach Art. 5 HTürW-RiL, für unbedenklich gehalten hat. Die Fristverlängerung stelle keine übermäßige Beeinträchtigung der Interessen der Unternehmer dar, da diese „ihrem eigenen Bedürfnis nach Rechtssicherheit ohne Schwierigkeit dadurch Rechnung tragen [können], dass sie ihrer Obliegenheit zur Belehrung des Verbrauchers nachkommen“. 188 Diese Argumentation lässt sich auf den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL übertragen. 189 Auch hier kann der Unternehmer dadurch für Rechtssicherheit 185 Der Hinweis des deutschen Gesetzgebers, „Verstöße gegen die Informationspflichten der Artikel 4 und 5 FARL begründen ein verlängertes Widerrufsrecht“ (BT-Drs. 14/ 2658, S. 27), beruhte wohl auf einem falschen Verständnis der Fernabsatz-RiL, da diese für einen Verstoß gegen Art. 4 Fernabsatz-RiL gar keine Veränderung der Widerrufsfrist vorsieht. Auf nationaler Ebene kommt es nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB aber auch in diesem Fall zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist. 186 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Rechts der Vertretung der Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten, BT-Drs. 14/9266, S. 45 sowie S. 88 und S. 128. 187 Der EuGH geht ganz selbstverständlich von der Anwendung des Grundsatzes der Rechtssicherheit aus, vgl. nur EuGH v. 10. 07. 1997, Rs. C-261/95 (Rosalba Palmisani / Istituto nazionale della previdenza sociale), Slg. 1997, I-4025 Rn. 28; zur Geltung des Prinzips der Rechtssicherheit auf Ebene des Gemeinschaftsrecht siehe auch Heiderhoff, Grundstrukturen, S. 207. 188 EuGH, Urt. v. 13. 12. 2001, Rs. C-481/99 (Heininger / Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG), Slg. 2001, I-9945 Rn. 47. 189 Allgemein zur Übertragbarkeit der Aussagen des EuGHs in der Rechtssache Heininger (siehe vorherige Fußnote) auch auf die Fernabsatz-RiL siehe unten S. 127; dort auch Ausführungen zu der Frage, dass die in der Fernabsatz-RiL vorgesehene Begrenzung der verlängerten Widerrufsfrist auf drei Monate einer Ausdehnung der Frist ins Unendliche nicht entgegensteht.

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sorgen, dass er eine ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers vornimmt. Die Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der unbefristeten Verlängerung des Widerrufsrechts greifen damit im Ergebnis nicht durch. bb) Unterlassungsansprüche Der deutsche Gesetzgeber hat sich entschlossen, von der Ermächtigung in Art. 11 Abs. 2 Fernabsatz-RiL Gebrauch zu machen und neben der Verlängerung der Widerrufsfrist ins Unendliche ein Verbandsklagerecht einzuführen. Das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) 190 erlaubt es Verbraucherschutzverbänden, bei einem Verstoß gegen die Informationspflichten aus der Fernabsatz-RiL einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Unternehmer geltend zu machen. 191 Da somit neben der Fristverlängerung noch eine weitere Maßnahme zur Einhaltung der Bestimmungen der Fernabsatz-RiL getroffen worden ist, stellt sich die Frage, ob noch ein Bedürfnis nach weiteren (Sanktions-)Instrumenten besteht oder ob der deutsche Gesetzgeber seine Verpflichtung aus Art. 11 Abs. 1 FernabsatzRiL zur Schaffung von „geeigneten und wirksamen Mitteln“ zur Einhaltung der Informationspflichten bereits voll erfüllt hat. cc) Bedürfnis nach weiteren Sanktionsmaßnahmen Von einem wirksamen Mittel kann nur gesprochen werden, wenn die Möglichkeit, eine Unterlassungsklage nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG einzureichen, hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die Anbieter ihrer Belehrungspflicht nachkommen. Letzteres ist mit gutem Grund bezweifelt worden. 192 Zum einen wirkt selbst eine erfolgreiche Unterlassungsklage nur für die Zukunft, indem dem Unternehmer untersagt wird, sein pflichtwidriges Verhalten fortzusetzen. 193 Der vorangegangene Verstoß gegen die Informationspflichten wird dagegen nicht 190 Vgl. §§ 2, 4 des Unterlassungsklagengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. 08. 2002, BGBl. I S. 3422, 4346, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 16. 07. 2007, BGBl. I S. 1330 (im Folgenden UKlaG); zu den Einzelheiten dieses Verbandsklagerechts siehe Micklitz, Unterlassungsklagen, passim sowie Fritzsche, Unterlassungsanspruch, passim. Zur Vorläuferregelung des § 22 AGBG a.F. siehe Hensen, ZIP 2000, 1151, 1152; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1426; Tonner, BB 2000, 1413, 1419. 191 Dazu, dass das Verbandsklagerecht gerade auch für den Fall gedacht ist, dass der Lieferer seine Informationspflichten verletzt, siehe BT-Drs. 14/2658, S. 27 f. 192 Vgl. Rott, BB 2005, 53, 59; ausführlich zur Effektivität des kollektiven Rechtsschutzes ders., EuZW 2003, 5, 7 f.; a. A. wohl Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1156, der es für ausreichend hält, dass eine „Mindestsanktionierung“ durch die Unterlassungsklage gewährleistet ist. 193 Die Möglichkeit, eine Unterlassungsverfügung zu beantragen, ergibt sich aus § 5 UKlaG i.V. m. § 12 Abs. 2 UWG i.V. m. §§ 935, 940 ZPO; zur Durchsetzung der Unterlassungsverfügung stehen die in § 890 ZPO genannten Ordnungsmittel zur Verfügung.

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geahndet – dem Unternehmer fallen allenfalls die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zur Last. Zum anderen wirkt das abschließende Unterlassungsurteil nur inter partes, mit der Folge, dass jeder pflichtwidrig handelnde Anbieter einzeln verklagt werden muss. 194 Dies bedeutet aus Sicht des Unternehmers, dass er bis zur Erhebung der konkreten, gegen ihn gerichteten Klage relativ gefahrlos gegen seine Belehrungspflichten verstoßen kann. Die abstrakte Gefahr der Einreichung einer Unterlassungsklage stellt demzufolge aus seiner Sicht nur eine geringe Bedrohung dar. Vor dem Hintergrund, dass Sanktionen, mit denen ein Verstoß gegen gemeinschaftsrechtlich begründete Pflichten geahndet werden soll, nach Auffassung des EuGH wirklich „abschreckend“ sein müssen, 195 stellt die Unterlassungsklage für sich allein genommen daher kein hinreichend effektives Mittel zur Durchsetzung der Belehrungspflicht dar. 196 Eine deutlich stärkere abschreckende Wirkung dürfte da die unbegrenzte Verlängerung der Widerrufsfrist haben, die bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung eintritt. Zu beachten ist allerdings, dass diese nur bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus Art. 5 Fernabsatz-RiL eingreift; eine Verletzung der Informationspflicht aus Art. 4 Fernabsatz-RiL wird dagegen „nur“ mit einer Verlängerung der Widerrufsfrist auf sechs Monate sanktioniert. Außerdem sieht sich der Verbraucher dann, wenn er das Widerrufsrecht erst nach Monaten oder Jahren ausübt, ggf. großen Nutzungsersatzansprüchen ausgesetzt, die ihn von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten könnten. Im Ergebnis scheinen daher zusätzliche Sanktionsmaßnahmen durchaus geboten. dd) Anspruch auf Schadensersatz Der Gesetzgeber war sich dieses Umstands offenbar bewusst, sah aber dennoch keinen Handlungsbedarf, da er der Ansicht war, dass bereits eine weitere 194

Hierzu bereits Rott, EuZW 2003, 5, 8. Siehe Nachweise in Fn. 182 (Abschnitt C.). 196 Nach abweichender Ansicht von Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1156, soll die „Mindestsanktionierung“ durch die Unterlassungsklage wohl ausreichen, um eine Erfüllung der Belehrungspflicht zu gewährleisten. Dagegen hat z. B. der spanische Gesetzgeber ein Bedarf für zusätzliche, neben der Unterlassungsklage (acción de cesasión) stehende Sanktionsregelungen gesehen: Daher wird eine Missachtung der Belehrungspflichten nach der Fernabsatz-RiL gemäß Art. 65 Abs. 1 lit. ñ Ley 7/1996, de 15 de enero, de Ordenación del Comercio Minorista (im Folgenden: L.O.C.M.), BOE núm. 15, de 17 de enero de 1996, pág. 1243, als infracción grave (= schwerer Verstoß) gewertet, die gemäß Art. 68 Abs. 2 des Gesetzes mit einer Geldstrafe in Höhe von 500.001 bis 2.500.000 Peseten (= 2.494 bis 12.470 €) geahndet werden kann; die Regelung wurde eingeführt durch Art. 6 des Ley 47/2002, de 19 de diciembre, de reforma de la Ley 7/1996, de 15 de enero, de Ordenación del Commercio Minorista, para la transposición al ordenamiento jurídico español de la Directiva 97/7/CE, en materia de contratos a distancia, y para la adaptación de la Ley a diversas Directivas comunitarias, BOE núm. 304, de 20 de diciembre de 2002, pág. 44759. 195

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Sanktionsmaßnahme bestand: Der Verbraucher könne – jedenfalls bei einer Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten – einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltend machen. 197 In der Literatur herrscht Einigkeit darüber, dass die Möglichkeit, Schadensersatz verlangen zu können, aber auch bei Verletzung der nachträglichen Belehrungspflicht nach § 312c Abs. 2 BGB bzw. Art. 5 Fernabsatz-RiL bestehen muss. 198 (1) Grundsätzliche Eignung als Sanktionsmaßnahme Für die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs als eine individualschützende Maßnahme spricht, dass die Informationspflichten aus Art. 4 und 5 Fernabsatz-RiL vordringlich dem Schutz des zu belehrenden Verbrauchers und somit den Interessen des Einzelnen dienen. 199 Der Schadensersatzanspruch stellt für sich allein genommen zwar keine ausreichende Sanktion dar, da die Gefahr besteht, dass der Verbraucher von der zu seinen Gunsten bestehenden (Sanktions-) Regelung nie erfährt und sich folglich auch nicht auf sie berufen kann. 200 In Kombination mit der im Unterlassungsklagengesetz geregelten Verbandsklagebefugnis und der Fristverlängerung sollte auf diese Weise aber eine effektive Umsetzung der Informationspflichten gewährleistet sein. (2) Vorliegen der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs Ein Schadensersatzanspruch kann nur dann als wirksames Mittel zur Durchsetzung der Informationspflichten des Unternehmers angesehen werden, wenn regelmäßig auch die Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind.

197 So ausdrücklich BT-Drs. 14/2658, S. 27: „Daneben bestehen die allgemeinen schuldrechtlichen Ansprüche, z. B. auf Schadensersatz bei der Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten“; so auch MünchKommBGB / Wendehorst, § 312c Rn. 139; Staudinger / Thüsing, § 312c Rn. 94; H. Roth, JZ 2000, 1013, 1016; Bülow / Artz, Verbraucherprivatrecht, S. 76; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1155. 198 Siehe nur Staudinger / Thüsing, § 312c Rn. 125; MünchKommBGB / Wendehorst, § 312c Rn. 144; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1155. 199 Für einen Vorrang des individualrechtlichen Schutzes bei der Verletzung von Informationspflichten sprechen sich auch Magnus, in: Schulze / Ebers / Grigoleit (Hrsg.), Acquis communitaire, S. 291, 311 und Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, § 8 Rn. 235 aus; Koch, ZEuP 2006, 785, 791 weist darauf hin, dass es nicht dem Rechtsdurchsetzungskonzept des Privatrechts entspräche, gerade die in ihren Interessen Geschützten rechtlos zu stellen. 200 Zu diesem Problem vgl. auch Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, § 8 Rn. 236.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

(a) Pflichtverletzung durch nicht ordnungsgemäße Belehrung Das Vorliegen einer Pflichtverletzung i.S. des § 280 Abs. 1 BGB lässt sich bei einer fehlerhaften oder ganz unterlassenen Widerrufsbelehrung noch ohne Weiteres bejahen. Denn der EuGH hat in der Entscheidung „Schulte“ klargestellt, dass es sich bei der Belehrungspflicht des Unternehmers nicht lediglich um eine Obliegenheit, 201 sondern um eine echte Rechtspflicht handelt, 202 deren Verletzung den Unternehmer zum Ausgleich der Nachteile verpflichtet, die der Verbraucher aufgrund der unterbliebenen Belehrung erleidet. 203 Dieser an sich nur auf das Widerrufsrecht der HTürW-RiL bezogenen Aussage zur Rechtsqualität der Belehrungspflichten kann auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 85/577/EWG Bedeutung zugemessen werden. 204 Sie unterstreicht die Wichtigkeit der Belehrung für die gleichermaßen durch Art. 5 HTürW-RiL und Art. 6 Fernabsatz-RiL geschützte Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers und stützt auf diese Weise die in der Literatur im Vordringen befindliche Ansicht, wonach den Unternehmer nicht nur im Hinblick auf das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften, sondern auch hinsichtlich der Widerrufsrechte aus anderen verbraucherschützenden Richtlinien eine echte Rechtspflicht zur Belehrung trifft. 205 Anders als bei den immobilienfinanzierenden Kreditverträgen, die Gegenstand der Entscheidung „Schulte“ waren, besteht bei Fernabsatzverträgen auch kein Bedürfnis für die Rechtsprechung, statt an die unterbliebende Belehrung 201 In der Literatur wurde bisher teilweise die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Belehrung nach Maßgabe des § 355 BGB lediglich um eine Obliegenheit des Unternehmers handele, vgl. MünchKommBGB / Ulmer (4. Aufl. 2003), § 355 Rn. 44; Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 33. 202 EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215, insbesondere Rn. 94, in der von der „Verpflichtung zur Belehrung“ die Rede ist, sowie Rz. 100, wonach das nationale Recht „geeignete Maßnahmen“ zum Schutz der Verbraucher vor den Risiken vorsehen muss, die er bei ordnungsgemäßer Belehrung hätte vermeiden können; so auch BGH, NJW 2007, 357, 360; OLG Bremen, NJW 2006, 1210, 1213; OLG München, NJW 2006, 1811, 1814; Freitag, WM 2006, 61, 68; Knops, WM 2006, 70, 78; Staudinger, NJW 2005, 3521, 3524; Hoffmann, ZIP 2005, 1985, 1991; Piekenbrock, WM 2006, 466, 473; MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 44. 203 Nach Ansicht des EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 100 muss der Unternehmer die „Folgen der Verwirklichung“ der Risiken tragen, denen sich der ordnungsgemäß belehrte Verbraucher gar nicht erst ausgesetzt hätte. 204 So auch ausdrücklich MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 67; a. A. Freitag, WM 2006, 61, 66, der darauf hinweist, dass der Verbraucher im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL weniger schutzbedürftig sei als bei Haustürgeschäften, bei denen er dem unmittelbaren Einfluss des Unternehmers ausgesetzt sei. 205 Die Belehrungspflicht nach § 355 Abs. 2 BGB wird als Rechtspflicht angesehen von Palandt / Grüneberg, § 355 Rn. 13; Wildemann, JurisPK-BGB, § 355 Rn. 36; Erman / Saenger, § 355 Rn. 9; Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 752 f.

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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an eine unterlassene Aufklärung anzuknüpfen. 206 Die Verletzung der Informationspflicht konnte vom BGH schließlich nur deshalb nicht als Pflichtverletzung gewertet werden, weil es in dem von ihm entschiedenen Fall dann an der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und dem Abschluss des zu finanzierenden Immobiliengeschäfts, das den Schaden ausmachte, gefehlt hätte. Hier bestünde der Schaden aber schon im Abschluss des vom Verbraucher nicht gewünschten Fernabsatzvertrages selbst – an der Kausalität dürfte der Schadensersatzanspruch daher in den seltensten Fällen scheitern. (b) Verschulden Im Hinblick auf das Verschulden stellt sich die Frage, ob es bei der Beweislastumkehr gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB bleiben soll, oder ob dem Unternehmer der Einwand, er habe die mangelhafte Belehrung nicht zu vertreten, verwehrt werden kann. Dies wäre der Fall, wenn der „Inhalt des Schuldverhältnisses“ i.S. des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB durch das Richtlinienrecht, das eine wirksame Sanktionsmaßnahme fordert, dahingehend beeinflusst würde, dass von einer Garantiehaftung des Unternehmers auszugehen wäre. 207 Letztlich muss dies hier wohl nicht entschieden werden, da dem Unternehmer der Entlastungsbeweis ohnehin nicht gelingen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die Auffassung des deutschen Gesetzgebers zugrunde legt, dass eine ordnungsgemäße Belehrung bei Verwendung des in Anlage 2 der BGBInfoV zur Verfügung gestellten Musters sichergestellt ist. 208 (c) Schaden Der Schaden wird regelmäßig in der Bindung an den vorliegenden Fernabsatzvertrag selbst zu sehen sein. Soweit dieser noch weiterhin widerruflich ist, weil das Widerrufsrecht noch nicht erloschen ist, dürfte es daher regelmäßig an einem Schaden fehlen. 209 Eigenständige Bedeutung kann der Schadensersatzanspruch des Verbrauchers daher vor allem in Fällen erlangen, in denen das Widerrufsrecht aufgrund Fristablaufs nicht mehr ausgeübt werden kann. Dies betrifft Verstöße gegen die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 312c Abs. 1 BGB. Schließ206 So aber der BGH, NJW 2006, 2099; zu den daraus resultierenden Problemen siehe Röthel, GPR 2006, 184, 185. 207 Zum vergleichbaren Problematik in den Fällen der kreditfinanzierten Immobilienkaufverträge („Schrottimmobilien“) vgl. Jungmann, NJW 2007, 1562, 1566; Hoffmann, ZIP 2005, 1985, 1991; Kulke, NJW 2007, 357, 361. 208 Vgl. § 1 Abs. 4 S. 1 BGB-InfoV sowie BR-Drs. 84/04, S. 52; zur Kritik an Musterbelehrung bereits oben S. 114. 209 So bereits MünchKommBGB / Wendehorst, § 312c Rn. 139; Staudinger / Thüsing, § 312c Rn. 94.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

lich erlischt das Widerrufsrecht in diesem Fall gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB sechs Monate nach Lieferung der Ware. 210 Aber auch dann, wenn die Widerrufsfrist – bei einer Verletzung der nachträglichen Informationspflicht gemäß § 312c Abs. 2 BGB – unbegrenzt läuft, kann eine auf § 249 Abs. 1 BGB gestützte Rückabwicklung des Vertrages für den Verbraucher von Interesse sein, da ihn in diesem Fall nicht die Nutzungsersatz- und Wertersatzpflichten aus § 357 Abs. 1 BGB treffen. 211 (d) Rechtsfolge: Aufhebung des Vertrages Der Schadensersatzanspruch wird regelmäßig auf Aufhebung des Fernabsatzvertrags gerichtet sein. 212 Nach § 249 Abs. 1 BGB ist der Verbraucher so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht stünde. Insoweit muss allerdings unterstellt werden, dass der Verbraucher bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Informationspflichten von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hätte. 213 Denn da dem Verbraucher der Nachweis, dass er bei rechtzeitiger Belehrung den Widerruf erklärt hätte, kaum gelingen wird, bliebe der Schadensersatzanspruch ohne eine solche Vermutungsregel ohne praktische Relevanz und könnte somit nicht als wirksame Sanktionsmaßnahme angesehen werden. 214 210

§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB, der die Verlängerung der Widerrufsfrist regelt, verweist auf die Belehrung nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB, der durch § 312d Abs. 2 BGB modifiziert wird. § 312d Abs. 2 BGB wiederum nimmt nur auf die nachträgliche Belehrung gemäß § 312c Abs. 2 BGB, nicht jedoch auf die vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers eingreifende Belehrungspflicht nach § 312c Abs. 1 BGB Bezug. Daher gilt die unbegrenzte Widerrufsfrist im Ergebnis nur bei einem Verstoß gegen die Belehrung nach § 312c Abs. 2 BGB bzw. Art. 5 Fernabsatz-RiL; vgl. auch MünchKommBGB / Wendehorst, § 312c Rn. 142: Die unbegrenzte Verlängerung der Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB bezieht sich nur auf Fälle eine nicht ordnungsgemäßen nachträglichen Belehrung i.S. des § 312c Abs. 2 BGB. 211 Vgl. auch Bülow / Artz, Verbraucherprivatrecht, S. 76. 212 Vgl. H. Roth, JZ 2000, 1013, 1016; Bülow / Artz, Verbraucherprivatrecht, S. 76; Rott, BB 2005, 53, 59; MünchKommBGB / Wendehorst, § 312c Rn. 139. Dass ein Anspruch aus c.i.c auf Vertragsaufhebung gerichtet sein kann, entspricht der st. Rspr. seit BGH, NJW 1962, 1196, 1198; aus jüngerer Zeit vgl. BGH, NJW 2007, 1809, 1811; siehe auch Kaiser, Rückabwicklung, S. 23; Lorenz, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 329, 330. 213 Der BGH arbeitet bei Verletzung „allgemeiner“ vorvertraglicher Informationspflichten bereits mit einer Vermutungsregel, wonach die Informationspflichtverletzung für den Vertragsschluss kausal geworden ist, vgl. BGH, NJW 1998, 302, 303; NJW 2001, 2163. 214 Zur vergleichbaren Interessenlage bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht der HTürW-RiL vgl. Jungmann, NJW 2007, 1562, 1565; a. A. Bülow / Artz, Verbraucherprivatrecht, S. 76, die der Ansicht sind, dass „hohe Maßstäbe“ an die Kausalitätsprüfung zu stellen sind.

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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ee) Ergebnis: Sanktionsmaßnahmen ausreichend Die vorstehenden Ausführungen zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs haben gezeigt, dass dieser überhaupt nur dann ernsthaft in Betracht kommt, wenn man wie hier davon ausgeht, dass der Unternehmer angesichts des Belehrungsmusters, das der Gesetzgeber zur Verfügung stellt, den Nachweis mangelnden Verschuldens nicht erbringen kann. Weiter muss man unterstellen, dass der Verbraucher davon befreit ist, den Beweis zu erbringen, dass er den Fernabsatzvertrag bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung widerrufen hätte. Aber selbst dann dürfte der auf Aufhebung des Vertrages gerichtete Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB nur selten eigenständige Bedeutung erlangen, da der Verbraucher aufgrund der gesetzlich geregelten Verlängerung der Widerrufsfrist i. d. R. ohnehin noch die Möglichkeit haben wird, den Vertrag zu widerrufen. Vor diesem Hintergrund könnte man daran zweifeln, dass es sich um eine „abschreckende“ und „wirksame“ Sanktionsmaßnahme handelt. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Verlängerung der Widerrufsfrist auf sechs Monate bzw. auf unbegrenzte Zeit und der Verbandsklage für Verbraucherschutzverbände weitere Maßnahmen zur Durchsetzung der Informationspflichten getroffen hat. Hinzu kommt, dass der Verbraucher im Falle einer nicht ordnungsgemäßen nachträglichen Widerrufsbelehrung in den Genuss einer Haftungsprivilegierung kommt. Er haftet dann für Schäden, die an der Ware entstanden sind, nur noch nach Maßgabe des § 277 BGB. 215 In der Summe scheinen diese Maßnahmen durchaus geeignet, den Unternehmer zu motivieren, auf eine ordnungsgemäße Information des Verbrauchers hinsichtlich des Widerrufsrechts zu achten. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der deutsche Gesetzgeber den Ermessensspielraum, der ihm bei der Gestaltung der Sanktionsmaßnahmen zusteht, 216 gewahrt hat. 217 g) Die Länge der Widerrufsfrist aa) Die reguläre Widerrufsfrist Statt der in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL genannten Widerrufsfrist von sieben Werktagen soll dem Verbraucher nach dem Willen des deutschen Gesetz215 Siehe § 357 Abs. 3 S. 3 BGB; diese Regelung steht im Einklang mit der im Gemeinschaftsrecht erkennbaren Tendenz, den Verstoß gegen Informationspflichten durch den Eintritt von Rechtsnachteilen auf Seiten des Unternehmers zu ahnden, vgl. Magnus, in: Schulze / Ebers / Grigoleit (Hrsg.), Acquis communitaire, S. 291, 292. 216 So auch Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 52 f.; Micklitz, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 189, 203. 217 Eine Entscheidung des EuGH zu dieser Frage steht noch aus, vgl. auch Schinkels, GPR 2005, 109, 112.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

gebers für den Widerruf eine Frist von zwei Wochen zur Verfügung stehen. 218 Dies stellt eine nach Art. 14 Fernabsatz-RiL zulässige Verschärfung der Richtlinienvorgaben zugunsten des Verbrauchers dar. Schon aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL („mindestens sieben Werktage“) ergibt sich, dass der nationale Gesetzgeber nach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers eine längere Frist vorsehen kann. Die hierzu erforderliche Berechtigung ergibt sich aus Art. 14 Fernabsatz-RiL, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, zugunsten der Verbraucher strengere Bestimmungen als in der Richtlinie vorgesehen zu erlassen. Daran, dass die zweiwöchige Widerrufsfrist eine Veränderung zum Vorteil des Verbrauchers darstellt, bestehen trotz der vom österreichischen Gesetzgeber 219 geäußerten Bedenken keine Zweifel. (1) Die Bedenken des österreichischen Gesetzgebers (a) Die zweiwöchige Widerrufsfrist als Regelung zulasten des Verbrauchers In Österreich hat man sich gegen die Aufnahme einer 14tägigen Widerrufsfrist entschieden, weil man sich unsicher war, ob diese Änderung – wie von Art. 14 Fernabsatz-RiL vorausgesetzt – in jedem Fall einen höheren Verbraucherschutz bewirkt. Diese Besorgnis beruhte darauf, dass nach österreichischem Recht eine Sachverhaltskonstellation vorstellbar war, in der die Frist von 14 Kalendertagen ausnahmsweise hinter der Zeitspanne von sieben Werktagen zurückblieb. Dies betraf den Fall, dass das fristauslösende Ereignis auf den 24. Dezember 2003 gefallen wäre. Davon ausgehend, dass die Verordnung Nr. 1182/71 220 (im Folgenden: Frist-VO) auf die Fristberechnung Anwendung findet (dazu sogleich) und der Samstag somit nicht als Werktag anzusehen gewesen wäre, 221 hätte die siebentägige Werktagsfrist erst am 8. Januar 2004 geendet, während die Frist von 14 Kalendertagen schon am 7. Januar abgelaufen wäre. Dieses Ergebnis beruht aber auf der Besonderheit, dass der 6. Januar (Heilige Drei Könige) in Österreich – anders als in Deutschland – ein Feiertag ist und es daher zum Jahreswechsel zu einer außergewöhnlichen Kumulation von Feiertagen kommt, 218 BT-Drs. 14/2658, S. 42; vgl. auch § 3 Abs. 1 S. 1 FernAG a.F. i.V. m. § 361a Abs. 1 S. 2 BGB a.F. sowie § 312d Abs. 1 S. 1 BGB i.V. m. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB. 219 Regierungsvorlage betreffend Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetz – FernFinG) erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Versicherungsvertragsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz sowie das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert werden, 467 der Beilagen XXII. Gesetzgebungsperiode (GP), S. 7 f. 220 Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für Fristen, Daten und Termine. 221 Vgl. Art. 2 Abs. 2 Frist-VO, wonach „als Arbeitstage alle Tage außer Feiertagen, Sonntagen und Sonnabenden zu berücksichtigen“ sind.

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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die unter den speziellen Bedingungen des Jahres 2003/2004 – es gab keine Überschneidungen zwischen Feiertagen und Samstagen / Sonntagen – eine Erstreckung der siebentägigen Werktagsfrist auf 15 Kalendertage zur Folge hatte. Ein solcher Sonderfall, der auf der Feiertagsregelung eines anderen Mitgliedstaates beruht und eine ganz geringfügige Schlechterstellung des Verbrauchers gegenüber den Richtlinienvorgaben zur Folge hat, kann aber keine ernsthaften Zweifel an der generellen europarechtlichen Zulässigkeit der zweiwöchigen Widerrufsfrist begründen. Jedenfalls in Deutschland entsprechen sieben Werktage einer Frist von 9 bis 14 Kalendertagen. 222 Im Übrigen muss schon in Frage gestellt werden, ob die Grundannahme des österreichischen Gesetzgebers, dass Samstage nicht als Werktage anzusehen sind, zutreffend ist. Der Gedanke, sich insoweit auf die entsprechende Regelung der Frist-VO zu stützen, ist zwar naheliegend, da diese nach Art. 1 Frist-VO für alle Rechtsakte Geltung beansprucht, „die der Rat und die Kommission aufgrund des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ... erlassen haben bzw. erlassen werden“. Problematisch ist aber, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber bei Erlass der Fernabsatz-RiL offensichtlich einen eigenständigen Werktagsbegriff vor Augen hatte. Nach einem Symposiumsbericht von SchulteNölke, 223 der auf die Aussage eines Mitarbeiters des Generaldirektorats für Verbraucherschutz Bezug nimmt, ist man bei der Formulierung des Richtlinientexts davon ausgegangen, dass „Werktage“ mit den „Öffnungstagen der Post“ gleichzusetzen sind. Diesem Hinweis kann für sich genommen zwar kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden, da er nicht anhand von öffentlich zugänglichen Dokumenten nachvollzogen werden kann. Eine Bestätigung dafür, dass ein autonomer Begriff gewählt wurde, kann aber darin gesehen werden, dass mit dem „Werktag“ in der Fernabsatz-RiL eine andere Begrifflichkeit zugrunde gelegt wurde als in der Frist-VO, in der von „Arbeitstagen“ die Rede ist. 224 Zwar gibt es auch Sprachfassungen, in denen ein mit der Frist-VO übereinstimmender Begriff verwendet wird. 225 Aufgrund der unterschiedlichen Terminologie in den deutschen Sprachfassungen bleibt aber der Eindruck, dass im Rechtsetzungsverfahren nicht auf eine Übereinstimmung mit den Begrifflichkeiten der Frist-VO geachtet wurde. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die Frist-VO insoweit nicht als maßgeblich erachtet wurde. Dann darf die Fristberechnung aber auch nicht auf diese Verordnung gestützt werden; der Samstag kann folglich als Werktag 222

BT-Drs. 14/2658, S. 42. Schulte-Nölke, NJW 1998, 210, 211. 224 Vgl. auch den spanischen Richtlinienwortlaut von Art. 6 Abs. 1 S. 1 FernabsatzRiL („días laborales“) und Art. 2 Abs. 2 Frist-VO („días habiles“). 225 Die in der englischen („working days“), französischen („jours ouvrables“) und italienischen („giorni lavorativi“) Sprachfassung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL verwendeten Begriffe stimmen mit denen der jeweiligen Sprachfassung der Frist-VO überein. 223

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

angesehen werden. Unter diesen Voraussetzungen endete die nach Werktagen berechnete Widerrufsfrist auch in dem vom österreichischen Gesetzgeber gebildeten Beispiel vor Ablauf der Frist von 14 Kalendertagen. Daher kann dieses Beispiel nicht als Beleg dafür dienen, dass die Widerrufsfrist von zwei Wochen eine Regelung zulasten des Verbrauchers darstellt. (b) Erhöhte Gefahr des Erlöschens des Widerrufsrechts durch Ausführung der bestellten Dienstleistung Auch das zweite Argument des österreichischen Gesetzgebers, mit dem dieser die mutmaßliche Richtlinienwidrigkeit der nach Kalendertagen berechneten 14tägigen Widerrufsfrist begründet, vermag nicht zu überzeugen. Er sieht in dem Umstand, dass mit der in aller Regel eintretenden Verlängerung der Widerrufsfrist auch eine Ausdehnung der Frist verbunden ist, innerhalb derer das Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 3, 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL durch Beginn der Ausführung der bestellten Dienstleistung zum Erlöschen gebracht werden kann, eine für den Verbraucher nachteilige Regelung. Dabei lässt er jedoch außer Betracht, dass das Widerrufsrecht nur dann nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn die Dienstleistung „mit Zustimmung des Verbrauchers“ begonnen wird. Folglich hat es der Verbraucher selbst in der Hand, ob er sein Interesse an der Durchführung des Vertrages während des Laufs der Widerrufsfrist durch Abrufen der Dienstleistung vorzeitig „bekräftigt“ oder ob er die zweiwöchige Überlegungsfrist voll ausschöpft. Eine Verschlechterung seiner Rechtsposition ist damit nicht verbunden. (2) Die zweiwöchige Widerrufsfrist als Regelung zugunsten der Verbraucher Die Verlängerung der Frist auf zwei Wochen wirkt sich vielmehr zum Vorteil der Verbraucher aus, weil sie nicht nur in vielen Fällen eine Verlängerung der Widerrufsfrist zur Folge hat, sondern auch ein höheres Maß an Rechtssicherheit bedeutet. Für den einzelnen Verbraucher ist es leichter, eine Frist von zwei Wochen zu berechnen als einen Zeitraum von sieben Werktagen. Bei Zugrundelegung von Werktagen gestaltet sich die Fristberechnung schon deshalb schwierig, weil es allein in Deutschland von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Feiertage gibt, die auf die Länge der Widerrufsfrist Einfluss haben können. Hinzu kommt, dass die Frage, ob der Samstag zu den Werktagen zu zählen ist, in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt wird. 226 Ob der Versuch des spanischen Gesetzgebers, dadurch für klare Verhältnisse zu sorgen, dass er zur 226

Vgl. Hinweise bei Schulte-Nölke, NJW 1998, 210, 211; zu dem Problem auch Reich, EuZW 1997, 581, 585.

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Klärung dieser Frage auf das Recht „am Ort der Übergabe der Ware“ verweist, 227 mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls geht eine solche Regelung im Vergleich zur Zwei-Wochen-Frist nicht mit einem „Mehr“ an Rechtssicherheit einher. Schließlich bewirkt eine mit der zweiwöchigen Widerrufsfrist verbundene Fristverlängerung gemessen am Gemeinschaftsrecht auch keine unzumutbare Belastung der Unternehmer. Das ergibt sich schon daraus, dass sich die siebentägige Werktagsfrist unter bestimmten Umständen ebenfalls auf 14 Kalendertage erstrecken kann. Außerdem ist zu beachten, dass die Widerrufsfrist für im Fernabsatz abgeschlossene Finanzdienstleistungsverträge nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 F-Fernabsatz-RiL nun ebenfalls 14 Kalendertage beträgt. Wenn den Anbietern von Finanzdienstleistungen aus Sicht des Gemeinschaftsgesetzgebers eine zweiwöchige Widerrufsfrist zugemutet werden kann, kann für Anbieter von anderen Dienstleistungen und Waren – da keine Gründe für eine unterschiedliche Behandlung ersichtlich sind – nichts anderes gelten. bb) Die verlängerte Widerrufsfrist Abweichend von Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL beträgt die Widerrufsfrist nach Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL drei Monate, wenn der Anbieter seiner Verpflichtung, 228 dem Verbraucher die in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie genannten Informationen während der Vertragserfüllung schriftlich oder auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln, nicht nachkommt. Holt der Unternehmer die Belehrung innerhalb dieser Frist nach, gilt nach Art. 6 Abs. 1 S. 6 FernabsatzRiL ab diesem Zeitpunkt wieder die reguläre Widerrufsfrist von sieben Werktagen. Die maximale Widerrufsfrist beläuft sich somit auf drei Monate und sieben Werktage. 229 (1) Verlängerung der Widerrufsfrist bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, im deutschen Recht statt der Verlängerung der Widerrufsfrist um drei Monate eine Höchstfrist vorzusehen, innerhalb derer das Widerrufsrecht geltend gemacht werden muss. 227

Art. 44 Abs. 1 S. 2 L.O.C.M.; die Regelung wurde eingeführt durch Art. 3 des Ley 47/2002, de 19 de dicembre, de reforma de la Ley 7/1996, de 15 de enero, de Ordenación del Commercio Minorista, para la transposición al ordenamiento jurídico español de la Directiva 97/7/CE, en materia de contratos a distancia, y para la adaptación de la Ley a diversas Directivas comunitarias, BOE núm. 304, de 20 de diciembre de 2002, pág. 44759. 228 Zu der Frage, dass es sich bei der Belehrung nicht nur um eine Obliegenheit, sondern um eine echte Rechtspflicht handelt, siehe oben S. 120. 229 Siehe Nachweise in Fn. 159 (Abschnitt B.).

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(a) Hintergrund der Verlängerung der Widerrufsfrist auf unbestimmte Zeit Die Höchstfrist sollte ursprünglich ebenfalls drei Monate betragen. 230 Unter diesen Umständen wäre es dem Verbraucher, der erst kurz vor Ablauf dieser Frist die nach Art. 5 Fernabsatz-RiL erforderliche Belehrung erhält, aber nicht möglich gewesen, die ihm dann zustehende reguläre Widerrufsfrist von sieben Werktagen voll auszuschöpfen. Dies hat der deutsche Gesetzgeber erkannt und daher zunächst eine Höchstfrist von vier Monaten vorgesehen. 231 Dabei blieb es jedoch nicht: Bei dem Versuch, eine einheitliche Höchstfrist für alle verbraucherschützenden Widerrufsrechte zu schaffen, kam der Gesetzgeber vielmehr zu dem Schluss, dass eine Höchstfrist von sechs Monaten am besten geeignet sei, um einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Verbraucher und der Unternehmer zu gewährleisten. 232 Doch auch dieser Standpunkt wurde vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Heininger noch einmal revidiert. Der Gerichtshof hatte im Hinblick auf das verbraucherschützende Widerrufsrecht nach der HTürW-RiL festgestellt, dass der nationale Gesetzgeber für den Fall, dass der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, keine Befristung des Widerrufsrechts vorsehen dürfe. 233 Dieses Urteil beansprucht für den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL zwar keine Geltung. Da der deutsche Gesetzgeber aber an einer einheitlichen Fristenregelung für alle Widerrufsrechte festhalten wollte, entschloss er sich, auch im Hinblick auf das Widerrufsrecht nach der Fernabsatz-RiL eine (unbegrenzte) Verlängerung der Widerrufsfrist vorzusehen. Wenn die nachträgliche Belehrung über das Widerrufsrecht nach Art. 5 Abs. 1 S. 2, 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL bzw. § 312c Abs. 2 BGB i.V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV nicht oder nicht ordnungsgemäß erteilt wurde, soll es überhaupt keine Höchstfrist mehr geben; das Widerrufsrecht soll vielmehr ohne zeitliche Begrenzung fortbestehen. Sind dagegen nur die anderen in Art. 5 bzw. § 312c Abs. 2 BGB oder die in Art. 4 Fernabsatz-RiL bzw. § 312c Abs. 1 BGB genannten vorvertraglichen Informationen betroffen, soll es bei einer maximalen Widerrufsfrist von sechs Monaten bleiben. 234

230

BT-Drs. 14/2658, S. 43. BT-Drs. 14/3195, S. 31. 232 BT Drs. 14/6040, S. 198. 233 EuGH, Urt. v. 13. 12. 2001, Rs. C-481/99 (Heininger / Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG), Slg. 2001, I-9945 Rn. 48; dazu auch bereits oben S. 88. 234 Siehe BT-Drs. 14/9266, S. 45. 231

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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(b) Regelung zugunsten der Verbraucher i.S. des Art. 14 Fernabsatz-RiL Die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehene Verlängerung der Widerrufsfrist auf unbestimmte Zeit (für den Fall der nicht ordnungsgemäßen, nachträglichen Widerrufsbelehrung) bzw. auf sechs Monate (bei Fehlen sonstiger Informationen) wäre nur zulässig, wenn sie auf Art. 14 Fernabsatz-RiL gestützt werden könnte. 235 Danach kann der nationale Gesetzgeber zugunsten des Verbrauchers von den Vorgaben der Richtlinie abweichen. Eine für den Verbraucher vorteilhafte Regelung liegt vor, wenn sich dieser auch noch nach Ablauf der in der Fernabsatz-RiL festgelegten maximalen Widerrufsfrist von drei Monaten und sieben Werktagen von dem Fernabsatzgeschäft lösen kann. Diese Einschätzung gilt auch für Fälle, in denen das Widerrufsrecht nach Vorstellung des deutschen Gesetzgebers überhaupt keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen soll. Zwar steigt mit der Zeit die Wahrscheinlichkeit, dass die Ware beim Verbraucher einen Wertverlust erleidet. Im deutschen Umsetzungsrecht führt dies aber nicht zu einer Verschlechterung der Position des Verbrauchers im Rahmen der Rückabwicklung, da dessen Haftung bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung beschränkt ist. Für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretene Verschlechterung der Ware muss er nicht einstehen. 236 Soweit sich die Ware verschlechtert, genießt der Verbraucher außerdem – anders als bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Belehrung – die Privilegierung des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB, d. h. er haftet nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten. 237 Darüber hinaus steht ihm wegen Verletzung der Belehrungspflicht ggf. ein Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer zu, 238 der auf Befreiung von den mit der verspäteten Ausübung des Widerrufsrechts verbundenen Nachteilen gerichtet sein kann – schließlich ist der Verbraucher gemäß § 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung stünde.

235

Anders – soweit ersichtlich – nur Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 79, der ohne nähere Begründung die Auffassung vertritt, dass eine „Umgehung“ der Dreimonatsfrist unter Rückgriff auf Art. 14 Fernabsatz-RiL nicht möglich ist. 236 Der Verbraucher haftet für den durch die Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlust gemäß § 357 Abs. 3 S. 1 BGB nur dann, wenn er auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist; vgl. auch unten S. 202 ff. 237 Siehe § 357 Abs. 3 S. 3 BGB. 238 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 27 sowie oben S. 118.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

(c) Kein Überschreiten der Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums Auch wenn in der Verlängerung der Widerrufsfrist also eine das Verbraucherschutzniveau steigernde Regelung i.S. des Art. 14 Fernabsatz-RiL zu sehen ist, ist der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers an dieser Stelle nicht unbegrenzt. Sofern die in Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL vorgesehene Begrenzung des Widerrufsrechts auf drei Monate und sieben Werktage als Maßnahme zum Schutz der Unternehmerinteressen gewertet werden müsste, könnte eine übermäßige Verlängerung dieser Frist im Widerspruch zu den Richtlinienvorgaben stehen. Jedenfalls dann, wenn die mit dem vollständigen Verzicht auf eine Höchstfrist verbundene Rechtsunsicherheit zur Folge hätte, dass die Unternehmer auf einen (Fern-)Absatz ihrer Waren in Deutschland verzichteten, drohte – im Hinblick darauf, dass die Fernabsatz-RiL gerade die Förderung des grenzüberschreitenden Fernabsatzhandels zum Ziel hat 239 – ein Verstoß gegen das Gebot der effektiven Umsetzung. 240 In diesem Fall würde die FernabsatzRiL eine Sperrwirkung für die strengere deutsche Fristenregelung entfalten. 241 (aa) Anlass für die Begrenzung der Widerrufsfrist auf drei Monate Ob die Befristung des Widerrufs auf drei Monate Ausdruck des Willens Gemeinschaftsgesetzgebers ist, die Interessen der Unternehmer zu schützen, erscheint höchst zweifelhaft. Zwar wäre es theoretisch denkbar, dass auf diese Weise dem Bedürfnis der Anbieter nach Rechtssicherheit Rechnung getragen werden sollte. Dagegen spricht jedoch, dass der Unternehmer, der den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt, überhaupt nicht schutzbedürftig ist. Wie der EuGH in der bereits erwähnten Entscheidung Heininger klargestellt hat, können die Unternehmer „ihrem eigenen Bedürfnis nach Rechtssicherheit ohne Schwierigkeit dadurch Rechnung tragen, dass sie ihrer Obliegenheit zur Belehrung des Verbrauchers nachkommen“. 242 Auch wenn sich diese Ausführungen an sich nur auf die HTürW-RiL beziehen, können sie im Hinblick auf 239

Siehe oben S. 66. Auch ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit käme in Betracht, liegt im Ergebnis aber nicht vor: Da das Widerrufsrecht selbst nur eine Verkaufsmodalität i.S. der Keck-Formel darstellt (vgl. Remien, Vertragsrecht und Grundfreiheiten, S. 337; Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 13), kann in einer Bestimmung, die lediglich eine Verlängerung der Widerrufsfrist bewirkt, keine rechtfertigungsbedürftige Produktregelung gesehen werden. 241 Hierzu Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 222. 242 EuGH, Urt. v. 13. 12. 2001, Rs. C-481/99 (Heininger / Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG), Slg. 2001, I-9945 Rn. 47. 240

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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das Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL ebenfalls Geltung beanspruchen. Es ist kein Grund ersichtlich, warum es den Unternehmern im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL nicht zumutbar sein sollte, durch eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung selbst für die nötige Rechtssicherheit zu sorgen. 243 Die Tatsache, dass sich die korrekte Belehrung des Verbrauchers im deutschen Fernabsatzrecht mitunter schwierig gestaltet, kann insoweit zu keiner anderen Bewertung führen, da diese Probleme auf die Besonderheiten des nationalen Umsetzungsrechts – insbesondere die umstrittene Musterbelehrung 244 und die komplizierte Regelung des Fristbeginns (dazu sogleich) – zurückzuführen sind. Ein Grund dafür, die Unternehmer durch eine zeitliche Begrenzung der Widerrufsmöglichkeit zu schützen, kann also nicht ausgemacht werden. Ein Blick in Gesetzgebungsmaterialien zur Fernabsatz-RiL macht deutlich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Dreimonatsfrist auch nicht das Ziel verfolgt hat, die Unternehmerinteressen zu schützen. Dadurch, dass die reguläre Widerrufsfrist von sieben Werktagen bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung verlängert wird, sollte vielmehr die Bedeutung der Belehrung für die Ausübung des Widerrufsrechts betont werden. 245 Zugleich wurde mit der Möglichkeit, die Dreimonatsfrist durch eine nachträgliche Belehrung wieder auf sieben Werktage zu verkürzen, ein Anreiz für den Unternehmer geschaffen, die Information nachzuholen. 246 Die Tatsache, dass die Widerrufsfrist ausgerechnet auf drei Monate verlängert wurde, ist darauf zurückzuführen, dass insoweit das Konzept der TzWr-RiL als Vorbild diente. 247 Dort findet sich in Art. 5 Nr. 1 für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung ebenfalls eine Fristverlängerung auf drei Monate. Diese

243 Vgl. Rott, VuR 2002, 49, 53 sowie Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 338, der darauf hinweist, dass keine sachlichen Gründe für die unterschiedlichen Fristenregelungen erkennbar sind, die Fernabsatz-RiL und HTürW-RiL für den Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufbelehrung vorsehen. 244 Der Entwurf einer im Einklang mit dem Gesetz stehenden Belehrung fällt selbst dem dazu ermächtigten (vgl. Art. 245 EGBGB) Bundesministerium der Justiz schwer: Zur Kritik an dem Belehrungsmuster nach Anlage 2 BGB-InfoV siehe oben S. 114. 245 Im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 29. Juni 1995 im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie 95 / ... / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom... über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. EG 1995 Nr. C 288 S. 1, in dem die Dreimonatsfrist erstmals Erwähnung findet, wird die Fristverlängerung in der Bemerkung zu Art. 12 damit begründet, dass man einen „besseren Zusammenhang zwischen der Übermittlung der Informationen (insbesondere in Bezug auf das Widerrufsrecht) und der Ausübung des Widerrufsrechts“ herstellen wolle. 246 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 338 hält die Kombination von Fristverlängerung und Anreiz, die Frist wieder auf Normallänge zu verkürzen, sogar für das geeignete Modell für alle verbraucherschützenden Widerrufsrechte. 247 Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 29. Juni 1995, ABl. EG 1995 Nr. C 288 S. 1, Bemerkung zu Art. 12.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

Frist mag „erstaunlich kurz“ 248 erscheinen und daher vermeintlich zum Missbrauch einladen: Der Unternehmer, der die Belehrung über das Widerrufsrecht bewusst unterlässt, muss nur einen relativ kurzen Zeitraum der Ungewissheit überstehen; 249 und die Wahrscheinlichkeit, dass der Verbraucher in dieser Zeit von dritter Seite von seiner Widerrufsmöglichkeit erfährt, ist auch eher gering einzuschätzen. 250 Dennoch hatte der Gemeinschaftsgesetzgeber keinen Anlass, eine längere Frist vorzusehen. Da er die Mitgliedstaaten in Art. 11 Abs. 1 Fernabsatz-RiL verpflichtet hatte, bei Verstoß gegen die (Belehrungs-)Pflichten aus der Richtlinie zusätzlich zur Fristverlängerung „geeignete und wirksame“ Sanktionsmaßnahmen vorzusehen, war aus seiner Sicht hinreichend gewährleistet, dass Missbrauchsfälle unterbunden werden. 251 Daher kann die Kürze der Fristverlängerung im Ergebnis nicht als Beleg dafür gewertet werden, dass an dieser Stelle auf die Interessen der Unternehmer Rücksicht genommen werden sollte. Die im deutschen Recht vorgesehene unbegrenzte Verlängerung der Widerrufsfrist steht daher nicht im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL. (bb) Keine Beeinträchtigung des Fernabsatzhandels durch unbegrenzte Verlängerung des Widerrufsrechts Da es der Unternehmer durch die nachträgliche Übermittlung der fehlenden Informationen selbst in der Hand hat, für die nötige Rechtssicherheit zu sorgen, ist mit der unbegrenzten Widerrufsfrist kein Abschreckungseffekt verbunden, der geeignet wäre, die Fernabsatzhändler vom Vertrieb ihrer Waren in Deutschland abzuhalten. Folglich gefährdet sie nicht das Ziel der Fernabsatz-RiL, den grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel zu fördern – ein Verstoß gegen das Gebot der effektiven Umsetzung kann nicht festgestellt werden. 252 (d) Ergebnis: kein Widerspruch zur Fernabsatz-RiL Wie gezeigt steht die unbegrenzte Verlängerung der Widerrufsfrist nicht im Widerspruch zu den Vorstellungen des Gemeinschaftsgesetzgebers. Als Beleg hierfür kann auch der Umstand angeführt werden, dass die Begrenzung der Widerrufsmöglichkeit auf maximal drei Monate keine Aufnahme in die F-Fern248

So Kappus, EWS 1996, 273, 275 (Fn. 49). Micklitz / Reich, Verbraucherrecht, § 19 Rn. 33; Kappus, EWS 1996, 273, 275. 250 Mäsch, EuZW 1995, 8, 13 spricht in diesem Zusammenhang von einer „geringen Chance“. 251 Zum Erfordernis weiterer Sanktionen vgl. auch Micklitz / Reich, Verbraucherrecht, § 19 Rn. 33; Kappus, EWS 1996, 273, 275; Mäsch, EuZW 1995, 8, 13 sowie oben S. 115 ff. 252 So im Ergebnis auch Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 53. 249

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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absatz-RiL gefunden hat. Vielmehr kann der Verbraucher den Finanzdienstleistungsvertrag nach Art. 6 Abs. 1 S. 3, 2. Spiegelstrich F-Fernabsatz-RiL bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung ebenfalls zeitlich unbegrenzt widerrufen. 253 (2) Widerrufsfrist bei verspäteter Übermittlung der Informationspflichten Wie geschildert kann der Unternehmer nach Art. 6 Abs. 1 S. 6 Fernabsatz-RiL durch die nachträgliche Erteilung der dem Verbraucher geschuldeten Informationen jederzeit eine Rückkehr zur regulären Widerrufsfrist (von sieben Werktagen) bewirken. Auf diese Weise wird ein Anreiz für den Unternehmer geschaffen, die Belehrung nachzuholen. Gleichzeitig wird seinem Interesse nach Rechtssicherheit Rechnung getragen, indem ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, die Widerrufsfrist wieder auf einen überschaubaren Zeitraum zu verkürzen. (a) Verlängerung der Widerrufsfrist auf einen Monat bei verspäteter Belehrung Nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers soll bei einer verspäteten Erteilung der förmlichen Belehrung über das Widerrufsrecht i.S. des Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL allerdings nicht die ursprüngliche Widerrufsfrist von zwei Wochen zu laufen beginnen, sondern gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB ein einmonatiges Widerrufsrecht bestehen. 254 Welche Beweggründe den Gesetzgeber veranlasst haben, eine solche Verlängerung der Widerrufsfrist vorzusehen, bleibt unklar. 255 Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers kann in diesen Fällen nicht ausgemacht werden. Wie der Gesetzgeber selber feststellt, wird die „nachträgliche Widerrufsbelehrung beim Verbraucher besondere Aufmerksamkeit erregen“, 256 weshalb es ausreichen muss, wenn dem Verbraucher ab Empfang der Belehrung die reguläre Widerrufsfrist von zwei Wochen zur Verfügung steht.

253

Dazu auch Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, Rn. 131. Vgl. BT-Drs. 14/9633, S. 2 sowie Ausführungen des Berichterstatters Bocklet im BR-Plenarprotokoll der 778. Sitzung vom 12. Juli 2002, S. 403: „Damit ist eine versäumte Widerrufsbelehrung problemlos nachholbar. Die Widerrufsfrist wird bei Belehrungen nach Vertragsschluss von zwei Wochen auf einen Monat verlängert“. 255 Die Fristverlängerung wurde erst im Vermittlungsausschuss eingeführt und nicht näher begründet, vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Entwurf des OLGVertrÄndG, BT-Drs. 14/9633, S. 2. 256 BR-Drs. 503/02, S. 5 f. sowie BT-Drs. 14/9531, S. 3. 254

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

Da im Hinblick auf die unterlassene Belehrung von einem „Rechtsbruch“ des Unternehmers gesprochen wird, 257 liegt der Gedanke nahe, dass der Gesetzgeber mit der Fristverlängerung auf einen Monat vielmehr das Verhalten des Unternehmers, der den Verbraucher zunächst nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat, sanktionieren will. 258 Eine solche Sanktionsmaßnahme könnte auf Art. 11 Abs. 1 Fernabsatz-RiL gestützt werden. Sie stünde wohl auch nicht im Widerspruch zur Zielsetzung der Richtlinie, den Unternehmer zur nachträglichen Informationsübermittlung anzuhalten, da der Anreiz für den Unternehmer, die Widerrufsbelehrung nachzuholen, angesichts der nach deutschem Recht drohenden unbegrenzten Widerrufsmöglichkeit des Verbrauchers nicht geschmälert sein dürfte. Grundsätzlich bestehen daher im Hinblick auf die Fernabsatz-RiL keine Bedenken dagegen, die Widerrufsfrist bei einer verspäteten Belehrung auf einen Monat zu verlängern. 259 Eine Abweichung von den Vorgaben der Richtlinie könnte sich aber bei der Beurteilung der Frage ergeben, wann eine verspätete und somit nicht ordnungsgemäße Belehrung vorliegt. (b) Vorliegen einer verspäteten Belehrung Während die förmliche Belehrung über das Widerrufsrecht nach Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL bei dem Erwerb von Waren, die nicht für Dritte bestimmt sind, erst „zum Zeitpunkt der Lieferung“ erfolgen muss, soll die entsprechende Belehrung über das Widerrufsrecht nach deutschem Recht scheinbar schon zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen. Denn § 355 Abs. 2 S. 2 BGB sieht vor, dass bei Erteilung der Widerrufsbelehrung „nach Vertragsschluss“ die für die Fälle verspäteter Widerrufsbelehrung vorgesehene einmonatige Widerrufsfrist Anwendung finden soll. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die Belehrung nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers spätestens bei Vertragsschluss erfolgen soll. Ganz eindeutig ist der gesetzgeberische Wille allerdings nicht. (aa) Unklarer Wille des deutschen Gesetzgebers § 355 Abs. 2 S. 2 ist im Zusammenhang mit der Heininger-Entscheidung des EuGH 260 und folglich im Hinblick auf Haustürgeschäfte eingeführt worden. 261 257

BR-Drs. 503/02, S. 5 f. sowie BT-Drs. 14/9531, S. 3. Der Sanktionscharakter der Fristverlängerung wird auch betont von MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 54; Schinkels, ZGS 2007, 14, 17; Franck, JR 2004, 45, 48; a. A. Schirmbacher, CR 2006, 673, 675. 259 Anders ist dies im Hinblick auf die F-Fernabsatz-RiL zu beurteilen, da diese in Art. 6 Abs. 1 S. 3, 2. Spiegelstrich vollharmonisierend vorschreibt, dass mit der nach nachträglich erteilten Belehrung die 14tägige Widerrufsfrist zu laufen beginnt; dazu bereits oben S. 97. 260 EuGH v. 13. 12. 2001, Rs. C-481/99 (Heininger / Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG), Slg. 2001, I-9945 Rn 41 – 48. 258

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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Daher ließe es sich vertreten, dass die Vorschrift auf das verbraucherschützende Widerrufsrecht nach der Fernabsatz-RiL keine Anwendung finden soll. 262 Da der deutsche Gesetzgeber aber zugleich betont hat, an dem Konzept einer einheitlichen Regelung für alle Widerrufsrechte festhalten zu wollen 263 und sich auch aus dem Wortlaut des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Einschränkung ergeben, erscheint es gleichermaßen berechtigt davon auszugehen, dass diese Regelung auch im Anwendungsbereich der FernabsatzRiL Anwendung finden soll. 264 Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber für die Belehrung nach § 357 Abs. 3 S. 1 BGB, die speziell im Hinblick auf Fernabsatzverträge in das Gesetz aufgenommen wurde, 265 ebenfalls auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgestellt hat. Letztendlich wird der Wille des deutschen Gesetzgebers aber nur dann darauf gerichtet sein, § 355 Abs. 2 S. 2 BGB auch bei Fernabsatzgeschäften heranzuziehen, wenn dies mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL im Einklang steht. Denn da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass er bewusst von den Vorgaben dieser Richtlinie abweichen wollte, kann unterstellt werden, dass der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung angestrebt hat. 266 Daher gilt es im Folgenden zu untersuchen, ob die in § 355 Abs. 2 S. 2 BGB geregelte Fristverlängerung für Widerrufsbelehrungen, die erst nach Abschluss des Fernabsatzvertrages erfolgen, mit der Fernabsatz-RiL vereinbar ist. (bb) Vereinbarkeit des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB mit der Fernabsatz-RiL Hält man sich vor Augen, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Verlängerung der regulären Widerrufsfrist auf einen Monat auf einen „Rechtsbruch“ des Unternehmers reagieren will, der darin zu sehen ist, dass er den Verbraucher

261 Vgl. BT-Drs. 14/9633, S. 2 i.V. m. BR-Drs. 503/02, S. 5 f. bzw. BT-Drs. 14/9531, S. 3; so auch Schinkels, ZGS 2007, 14, 15; Kaestner / Tews, WRP 2004, 509, 513; Franck, JR 2004, 45, 49 geht ebenfalls davon aus, dass „nicht an die besondere Problematik für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz gedacht worden ist“. 262 Für eine entsprechende teleologische Reduktion des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB sprechen sich aus Franck, JR 2004, 45, 49 und Kaestner / Tews, WRP 2004, 509, 513; so im Ergebnis auch Schinkels, ZGS 2007, 14, 18, der § 312c Abs. 2 BGB als lex specialis gegenüber § 355 Abs. 2 S. 2 BGB ansieht; dazu auch OLG Hamburg, MMR 2007, 660, 661. 263 BR-Drs. 503/02, S. 4 sowie BT-Drs. 14/9531, S. 2. 264 So ausdrücklich KG Berlin, NJW 2006, 3215, 3217 und OLG Hamburg, BB 2006, 2327, 2328; a. A. Schinkels, ZGS 2007, 14, 18. 265 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 199, wo ausdrücklich auf die Situation bei „Abschluss eines Fernabsatzvertrags“ verwiesen wird. 266 Zur Annahme, dass der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung angestrebt hat, siehe bereits oben S. 79.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

nicht rechtzeitig über sein Widerrufsrecht belehrt hat, 267 kann die mit der Fristverlängerung verbundene Verschärfung des Richtlinienrechts an sich nur auf Art. 11 Abs. 1 Fernabsatz-RiL gestützt werden. Danach ist der nationale Gesetzgeber dazu aufgerufen und ermächtigt, Sanktionsvorschriften zu erlassen, die die Einhaltung der Richtlinienbestimmungen gewährleisten. Die Verlängerung der Widerrufsfrist kann auch grundsätzlich eine geeignete Sanktionsmaßnahme darstellen; dies ergibt sich schon daraus, dass Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Belehrung selbst eine Fristverlängerung vorsieht. Die Sanktion darf aber selbstverständlich nur in Fällen eingreifen, in denen tatsächlich ein Verstoß gegen die Richtlinienregelungen vorliegt. Daran fehlt es, soweit die Monatsfrist auch dann schon Anwendung finden soll, wenn die Widerrufsbelehrung nach Vertragsschluss, aber noch vor Eingang der Ware beim Verbraucher erfolgt. Denn wie bereits erwähnt, reicht es nach Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL aus, wenn die Informationspflichten spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung erfüllt werden. Da somit schon kein sanktionswürdiges Verhalten des Unternehmers vorliegt, 268 kann sich der deutsche Gesetzgeber hinsichtlich der Fristverlängerung – jedenfalls sofern die Belehrung bis zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware erfolgt – nicht auf Art. 11 Abs. 1 Fernabsatz-RiL berufen. Der Gesetzgeber könnte die auf einen Monat verlängerte Widerrufsfrist aber möglicherweise auf eine Verletzung der nationalen Belehrungsvorschriften stützen, sofern diese eine Belehrung bei Vertragsschluss erfordern. Dies setzt aber wiederum voraus, dass die Vorverlagerung des Belehrungszeitpunkts auf den Augenblick des Vertragsschlusses im Einklang mit den Richtlinienvorgaben steht. Angesichts der Tatsache, dass die Fernabsatz-RiL konkrete Vorgaben zu der Frage enthält, wann die Widerrufsbelehrung zu erfolgen hat, ist allerdings schon zweifelhaft, ob dem deutschen Gesetzgeber hier überhaupt ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Jedenfalls ist eine Abweichung vom Richtlinienrecht nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 14 Fernabsatz-RiL erfüllt sind. Ein relevanter Vorteil für den Verbraucher lässt sich allerdings nicht ausmachen, wenn er die Widerrufsbelehrung schon bei Vertragsschluss und nicht erst bei Empfang der Ware erhält. 269 Schließlich beginnt die Widerrufsfrist ohnehin erst mit Lieferung der Ware zu laufen, vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 3, 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL. Dagegen kann den Unternehmer die Verpflichtung, die förmliche Belehrung schon bei Vertragsschluss vornehmen zu müssen, vor sehr schwierige praktische Probleme stellen. Denn eine Widerrufsbelehrung vor Abgabe 267

Vgl. die Ausführungen oben auf S. 133. Zu dem Ergebnis, dass kein Rechtsbruch vorliegt, kommt auch Schinkels, ZGS 2007, 14, 16. 269 So bereits Schinkels, ZGS 2007, 14, 16; Franck, JR 2004, 45, 49 ist sogar der Ansicht, dass eine Belehrung, die erst zum Zeitpunkt der Lieferung erfolgt, dem Verbraucher sein Widerrufsrecht effektiver vor Augen führt als eine Belehrung bei Vertragsschluss. 268

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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der Willenserklärung des Verbrauchers soll ebenfalls ausgeschlossen sein, da sonst – wie der BGH im Hinblick auf Haustürgeschäfte entschieden hat 270 – die Gefahr bestünde, dass der Verbraucher die Belehrung bis zum Zustandekommen des Vertrages wieder vergessen hat. Diese Rechtsprechung dürfte auf die Belehrung nach Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL übertragbar sein, da im Fernabsatz ebenfalls damit gerechnet werden muss, dass sich der Verbraucher an eine ggf. Tage oder Wochen vor Abgabe seiner Willenserklärung erhaltene Widerrufsbelehrung nicht mehr erinnert. 271 Dass die förmliche Belehrung über die Einzelheiten des Widerrufsrechts nach Abgabe der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers erfolgen muss, ergibt sich aber auch schon aus der Fernabsatz-RiL selbst. Die Tatsache, dass diese zwischen der formlosen vorherigen Unterrichtung „vor Abschluss des Vertrages“ (Art. 4) und der schriftlichen Bestätigung der Informationen „während der Erfüllung des Vertrages“ (Art. 5) differenziert, macht deutlich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber eine ausschließlich vor der vertraglichen Einigung erfolgte Widerrufsbelehrung für nicht ausreichend erachtet hat. Vielmehr müssen die „Bedingungen und Einzelheiten“ des Widerrufsrechts dem Verbraucher „auf jeden Fall“ 272 auch nach Vertragsschluss, d. h. nach Abgabe seiner Willenserklärung, noch einmal übermittelt werden. Der späteren Belehrung kommt dabei das entscheidende Gewicht zu. Dies ergibt sich schon aus dem Umfang der dem Verbraucher zu übermittelnden Informationen: Während er im Rahmen der vorherigen Unterrichtung nach Art. 4 Abs. 1 lit. f. FernabsatzRiL nur über das „Bestehen eines Widerrufsrechts“ zu belehren ist, ist er nach Art. 5 Abs. 1 S. 2, 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL über „die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts“ zu informieren. Zu beachten ist auch, dass in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL anders als in Art. 4 FernabsatzRiL besondere Anforderungen an die Form der Belehrung gestellt werden. Außerdem ist nur für die Verletzung der Informationspflicht aus Art. 5 FernabsatzRiL bereits in der Richtlinie selbst eine Sanktion in Form der Fristverlängerung nach Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL vorgesehen. 270

BGH, NJW 2002, 3396, 3398. Vgl. insoweit auch Franck, JR 2004, 45, 46; Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 45; kritisch Krois / Naber, BLJ 2007, 77, 82; Woitkewitsch / Pfitzer, MDR 2007, 61, 64. 272 Vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 2 Fernabsatz-RiL, wonach die „schriftlichen Informationen über die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts“ dem Verbraucher auf jeden Fall übermittelt werden müssen, d. h. unabhängig davon, ob er vor Vertragsschluss schon einmal förmlich auf das Widerrufsrecht hingewiesen wurde; dazu auch Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 58; ders. / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 16 Rn. 34; die abweichende Auffassung von Bonke / Grellmann, NJW 2006, 3169, 3172 kann schon deshalb nicht überzeugen, weil erst im Rahmen der nachträglichen Belehrung „die Bedingungen und Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts“ zu übermitteln sind (vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 2 Fernabsatz-RiL). Im Rahmen der vorherigen Unterrichtung nach Art. 4 Abs. 1 f) Fernabsatz-RiL ist der Verbraucher dagegen lediglich über das „Bestehen eines Widerrufsrechts“ zu belehren. 271

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

Nach der Fernabsatz-RiL bedarf es also in jedem Fall einer förmlichen Widerrufsbelehrung des Verbrauchers nach Abgabe der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung des Verbrauchers. Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL geht aber noch darüber hinaus. Wenn dort geregelt ist, dass die Belehrung „während der Erfüllung des Vertrages“ erfolgen muss, bedeutet dies, dass der Vertrag zum Zeitpunkt der Belehrung schon zustande gekommen sein muss, d. h. es bedarf nicht nur der Willenserklärung des Verbrauchers, sondern auch der des Unternehmers. Damit ist die Vorstellung des deutschen Gesetzgebers, der Unternehmer möge den Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht belehren, nur schwer zu vereinbaren. Nur wenn man annimmt, dass eine zeitgleich mit Abschluss des Vertrages vorgenommene Belehrung noch den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL entspricht, wären überhaupt Fälle vorstellbar, in denen sowohl nach der Richtlinie als auch nach nationalem Recht die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Belehrung erfüllt sind. Für den Unternehmer würde dies allerdings bedeuten, dass er die förmliche Belehrung nur zu einem einzigen Zeitpunkt vornehmen könnte, nämlich im Augenblick des Zustandekommens des Vertrages. Im Hinblick auf die Richtlinie, die dem Unternehmer eine Belehrung in dem Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Zugang der Ware ermöglicht, stellt dies eine starke Beeinträchtigung seiner Interessen 273 dar, die auch nicht mit dem Gedanken des Verbraucherschutzes gerechtfertigt werden kann, da die Vorverlegung des Belehrungszeitpunkts – wie bereits erwähnt – mit keiner spürbaren Verbesserung der Position des Verbrauchers einhergeht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es dem Gemeinschaftsgesetzgeber nur darauf ankam, dass der Verbraucher jedenfalls nach Abgabe seiner Willenserklärung belehrt wird, und die förmliche Belehrung über das Widerrufsrecht folglich in der Zeit zwischen Abgabe der Willenserklärung durch den Verbraucher und Abschluss des Vertrages erfolgen kann, käme es zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Unternehmers. In Fällen, in denen Angebot und Annahme zeitlich zusammenfallen (z. B. bei einer telefonischen Bestellung 274) oder in denen das Angebot vom Unternehmer ausgeht und der Vertrag bereits mit der Annahmeerklärung des Verbrauchers zustande kommt (z. B. bei eBay-Auktionen 275), wäre es dem Unternehmer gar nicht möglich, den Verbraucher ordnungsgemäß zu belehren. Folglich wäre er in diesen Fällen immer der einmonatigen Widerrufsfrist ausgesetzt. Aber auch dann, wenn lediglich eine invitatio ad offerendum des Unternehmers vorliegt und das

273

Zur Bedeutung der Unternehmerinteressen siehe S. 195 ff. Auf die Probleme einer telefonischen Bestellung verweisen auch Franck, JR 2004, 45, 46 und Kaestner / Tews, WRP 2004, 509, 513. 275 In dem Einstellen des Ware bei eBay ist ein bindendes Angebot des Unternehmers nach § 145 BGB zu sehen, das mit der Gebotsabgabe durch den Verbraucher aufschiebend bedingt angenommen wird, BGH, NJW 2002, 363, 364. 274

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Vertragsangebot somit vom Verbraucher ausgeht, 276 träfe den Unternehmer die organisatorische (und ggf. mit weiteren Kosten verbundene) Last, den Verbraucher vor Versendung der Ware mittels eines Bestätigungsschreibens 277 oder einer entsprechenden Email 278 über sein Widerrufsrecht zu belehren. Eine mit der Ware versandte Belehrung erreichte den Verbraucher zu spät, da der Vertrag nach wohl h.M. bereits mit Absenden der Ware zustande kommt; der Zugang der Annahmeerklärung des Unternehmers soll unter diesen Umständen gemäß § 151 S. 1 BGB entbehrlich sein. 279 Der Aufwand, den der Unternehmer somit für eine ordnungsgemäße Belehrung betreiben müsste, und die in einigen Fällen nicht zu umgehende Belastung des Unternehmers mit der auf einen Monat verlängerten Widerrufsfrist führt wie gezeigt zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Unternehmerinteressen. 280 Folglich kann eine Vorverlegung des Belehrungszeitpunkts auch nicht auf Art. 14 Fernabsatz-RiL gestützt werden. Eine Abweichung von dem in der Richtlinie vorgesehenen Belehrungszeitpunkt ist nicht möglich. (cc) Ergebnis: keine Vorverlagerung des Belehrungszeitpunkts Wie gezeigt kann die Vorverlagerung des Zeitpunkts der förmlichen Widerrufsbelehrung, die mit einer Anwendung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB auf die Fernabsatz-RiL verbunden wäre, weder auf Art. 11 noch auf Art. 14 FernabsatzRiL gestützt werden. Daher ist davon auszugehen, dass diese Norm nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers nicht auf Fernabsatzgeschäfte Anwendung finden soll. Es ist also nicht erforderlich, dass die förmliche Belehrung über das Widerrufsrecht bereits bei Vertragsschluss erfolgt. In Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL muss es vielmehr ausreichen, wenn der Verbraucher bis zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware entsprechend belehrt wird. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V. m. § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV, wonach die Informationen über das Widerrufsrecht „spätestens bis zur Lieferung an den Verbraucher“ mitzuteilen sind. Folglich kommt die auf einen Monat verlängerte Widerrufsfrist für die verspätete Widerrufsbelehrung nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB erst dann zum Tragen, wenn die förmliche Belehrung des Verbrauchers nach Erhalt der Ware erfolgt ist. 281 276

Dazu, dass die Warenpräsentation auf einer Internetseite regelmäßig noch kein verbindliches Angebot, sondern lediglich eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten darstellt vgl. BGH, NJW 2005, 3567, 3568. 277 Franck, JR 2004, 45, 46. 278 Woitkewitsch / Pfitzer, MDR 2007, 61, 64. 279 Vgl. RGZ 102, 370, 372; Woitkewitsch / Pfitzer, MDR 2007, 61, 65; Palandt / Heinrichs, § 151 Rn. 4; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rn. 44; kritisch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 95; dazu auch Jost / Fitzer / Mohn, BB 1997, 1165, 1167. 280 So im Ergebnis wohl auch Schinkels, ZGS 2007, 14, 16.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

h) Beginn der Widerrufsfrist Die Widerrufsfrist beginnt nach Art. 6 Abs. 1 S. 3 Fernabsatz-RiL bei der Lieferung von Waren, sobald dem Verbraucher die Ware übergeben worden ist. Für die kurze Frist von sieben Werktagen gilt dies allerdings nur, wenn der Verbraucher zu diesem Zeitpunkt bereits eine förmliche Bestätigung der in Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL genannten Informationen, die u. a. das Widerrufsrecht betreffen, erhalten hat. Werden diese Informationen erst nach Lieferung der Ware übermittelt, beginnt die Widerrufsfrist gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 3 Fernabsatz-RiL auch erst zu dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher diese erhält. 282 Auch nach Vorstellung des deutschen Gesetzgebers soll die reguläre Widerrufsfrist nicht vor Erhalt der Ware zu laufen beginnen, vgl. § 312d Abs. 2 BGB. 283 Versäumt es der Unternehmer, den Verbraucher rechtzeitig, d. h. bis zur Lieferung der Ware, in der gebotenen Form über die Einzelheiten und Bedingungen seines Widerrufsrechts zu belehren, beginnt die Widerrufsfrist erst mit Übermittlung der fehlenden Informationen zu laufen. 284

3. Ausübung des Widerrufs a) Anforderungen an die Form der Widerrufserklärung Der deutsche Gesetzgeber macht die Wirksamkeit des Widerrufs davon abhängig, dass dieser – wenn er nicht konkludent durch Rücksendung der Ware erfolgt 285 – auf einem dauerhaften Datenträger 286 bzw. in Textform 287 erfolgt, 281 Nach Ansicht von Schinkels, ZGS 2007, 14, 18 kann § 355 Abs. 2 S. 2 BGB insoweit analog herangezogen werden. 282 Siehe auch oben S. 61. 283 Zum Fristbeginn bei Vereinbarung eines Sukzessivlieferungsvertrages siehe § 312d Abs. 2 Var. 3 BGB; kritisch Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 798. 284 Vgl. MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 54; Palandt / Grüneberg, § 355 Rn. 19. 285 Ein solcher konkludenter Widerruf durch schlichte Rücksendung der Ware soll nach Ansicht des Gesetzgebers ebenfalls möglich sein, vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 47 sowie § 361a Abs. 1 S. 2 BGB a.F. bzw. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB, vgl. hierzu auch MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 35; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rn. 21 sowie Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 431: Sofern der Absender nicht deutlich macht, dass er am Vertrag festhalten will, kann der Empfänger die Rücksendung nur so verstehen, dass das Rechtsgeschäft aufgehoben werden soll. 286 Vgl. Entwurf des Fernabsatzgesetzes, BT Drs. 14/2658, S. 43, 47. 287 Die Verwendung eines dauerhaften Datenträgers wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform durch das Erfordernis der Textform ersetzt, da diese im Zusammenspiel mit der Zugangsvorschrift des § 130 BGB zu denselben Ergebnissen führe wie der dauerhafte Datenträger, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drs. 14/7052, S. 191, 194, 195.

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vgl. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieses Formerfordernis soll dem Schutz des Verbrauchers dienen, da ihm dadurch, dass er gezwungen wird, seine Widerrufserklärung zu dokumentieren, der Beweis des Widerrufs erleichtert wird. 288 Da es sich um eine Verschärfung der Richtlinienvorgaben zugunsten des Verbrauchers handele, sei die Regelung gemäß Art. 14 Fernabsatz-RiL zulässig. 289 aa) Steigerung des Verbraucherschutzes i.S. von Art. 14 Fernabsatz-RiL Es erscheint allerdings höchst zweifelhaft, ob es sich bei dem Formerfordernis tatsächlich um eine das Verbraucherschutzniveau steigernde Regelung handelt. Zwar ist dem Gesetzgeber zuzugeben, dass der Zugang einer Widerrufserklärung, der nicht in irgendeiner Form dokumentiert worden ist, nur schwer dem Beweis zugänglich ist. Ob das Textformerfordernis insoweit geeignet ist, dem Verbraucher den Beweis zu erleichtern, ist allerdings fraglich, da sich der Unternehmer immer noch darauf berufen kann, die (schriftlich fixierte) Widerrufserklärung überhaupt nicht erhalten zu haben. 290 Darüber hinaus wird dem Verbraucher die Möglichkeit genommen, sich auf einen mündlich erfolgten Widerruf zu berufen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass es ihm z. B. aufgrund von Zeugenaussagen auch unter diesen Umständen gelingen würde, die Ausübung des Widerrufsrechts zu beweisen. Außerdem wäre es dem Verbraucher bei einem Textformerfordernis verwehrt, das Widerrufsrecht im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens auszuüben, obwohl der in der mündlichen Verhandlung erklärte Widerruf gemäß § 160 Abs. 2 ZPO in das Protokoll aufgenommen werden muss und daher beweiskräftig (vgl. § 165 ZPO) festgehalten wird, dass und wann der Widerruf erklärt worden ist. 291

288

Vgl. insoweit BT Drs. 14/2658, S. 47, wonach die Dokumentation des Widerrufs dazu dienen soll, diesen „leichter beweisbar“ zu machen. 289 BT Drs. 14/2658, S. 43. 290 So jetzt auch die Stellungnahme des Bundesjustizministeriums zum Grünbuch der Europäischen Kommission – Die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz – vom 8. Mai 2007 (Fn. 104 [Abschnitt C.]), S. 22; das BMJ spricht sich in der Folge dafür aus, „die Wahl der Form insgesamt dem Verbraucher [zu] überlassen“. 291 Sofern der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, verfristet das Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 3 S. 3 BGB nicht. Daher sind Fälle denkbar, in denen das Widerrufsrecht auch noch in der mündlichen Verhandlung ausgeübt werden kann. Der BGH hat dieses Problem im Zusammenhang mit dem AbzG a.F. diskutiert und abweichend vom Wortlaut des § 1b Abs. 1 AbzG a.F., der einen schriftlichen Widerruf erforderte, die Erklärung zu Protokoll des Gerichts für ausreichend gehalten, da dies der Schutzzweck des AbzG a.F. erfordere, vgl. BGH, NJW 1985, 1544, 1546. Siehe auch BGH, NJW 1990, 567, 570 zur Erklärung des Widerrufs durch einen dem Gericht in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schriftsatz.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

Vor diesem Hintergrund muss in Abrede gestellt werden, dass es sich bei dem Textformerfordernis um eine Regelung handelt, die zugunsten des Verbrauchers eingreift und daher nach Art. 14 Fernabsatz-RiL gerechtfertigt sein könnte. Trotzdem wird dieses Problem in der Literatur zur Fernabsatz-RiL kaum thematisiert. 292 bb) Erlass einer Formvorschrift im Rahmen des Gestaltungsermessens des nationalen Gesetzgebers Offenbar geht man davon aus, dass das Textformerfordernis eine Frage der näheren Ausgestaltung des Widerrufsrechts ist, die – wie Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL noch einmal ausdrücklich klarstellt – gemäß Art. 249 Abs. 3 BGB allein den Mitgliedstaaten überlassen ist. 293 Diese Einschätzung wäre aber nur dann zutreffend, wenn die Richtlinie insoweit gar keine Vorgaben enthielte. Es wurde jedoch bereits festgestellt, dass es nicht dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers entspricht, wenn die Ausübung des Widerrufsrechts im Fernabsatzrecht von der Erfüllung bestimmter Formerfordernisse abhängig gemacht wird. 294 Ein solches Richtlinienverständnis hat auch der spanische Gesetzgeber zugrunde gelegt, als er in Art. 44 Abs. 2 Ley 7/1999, de 15 de enero, de Ordenación del Comercio Minorista 295 (L.O.C.M.) geregelt hat, dass die Ausübung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL keinen Formerfordernissen unterliegt („El ejercicio del derecho de desistimiento no estará sujeto a formalidad alguna“). Offenbar geht sogar der deutsche Gesetzgeber selbst davon aus, dass seine Regelung von den Vorgaben der Richtlinie abweicht, da er sich in der Gesetzesbegründung hinsichtlich der durch die Textform bewirkten „Verstärkung“ des Richtlinienrechts auf Art. 14 Fernabsatz-RiL beruft. 296 Handelte es sich lediglich um eine Frage der rechtstechnischen Ausgestaltung des Widerrufsrechts, die im Einklang mit den Richtlinienvorgaben stünde, wäre eine Bezugnahme auf Art. 14 FernabsatzRiL, der es dem nationalen Gesetzgeber ermöglicht, zugunsten des Verbrauchers von den Regelungen der Richtlinie abzuweichen, nicht erforderlich gewesen. cc) Bewertung der Umsetzungsgesetzgebung Wie gezeigt, sind die Voraussetzungen für eine Verschärfung des Richtlinienrechts nach Art. 14 Fernabsatz-RiL nicht erfüllt, da das Erfordernis der Textform 292 Kritisch äußern sich im Hinblick auf der Fernabsatz-RiL – soweit ersichtlich – nur Loos, ZEuP 2007, 5, 16 und Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 332 ff. 293 Dahingehend Schinkels, GPR 2005, 109, 110. 294 Siehe oben S. 63. 295 Ley 7/1996, de 15 de enero, de Ordenación del Comercio Minorista (L.O.C.M.), BOE núm. 15, de 17 de enero de 1996, pág. 1243. 296 Vgl. Nachweis in Fn. 289 (Abschnitt C.).

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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keine „Besserstellung“ der Position des Verbrauchers bewirkt. Da das Textformerfordernis zudem dem erkennbaren Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers widerspricht, kann es nach hier vertretener Auffassung auch nicht auf Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL gestützt werden: Der nationale Gesetzgeber hat insoweit keinen Ermessenspielraum. 297 Es kann auch nicht argumentiert werden, dass die Interessen des Verbrauchers bereits dadurch ausreichend geschützt sind, dass er den Widerruf ggf. konkludent (und somit im Grunde formfrei 298) durch Rücksendung der Ware erklären kann. 299 Denn gesetzt den Fall, die Rücksendung der Ware erfolgt erst nach Ablauf der Widerrufsfrist, ist es dem Verbraucher in diesem Fall nicht möglich, sich auf einen zuvor mündlich erklärten Widerruf zu berufen, der rechtzeitig übermittelt wurde. Außerdem kommt ein Widerruf durch Rücksendung der Ware auch nicht immer in Betracht: Wenn der Kaufgegenstand noch nicht geliefert worden ist oder nach der Lieferung beim Verbraucher untergegangen ist, 300 kann der Widerruf nur durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Unternehmer erfolgen. Allerdings war sich der deutsche Gesetzgeber des Umstands, dass die von ihm verlangte Textform im Widerspruch zur Fernabsatz-RiL steht, nicht bewusst. Er sah darin vielmehr eine Maßnahme zum Schutz des Verbrauchers. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber bewusst über die Vorgaben der Richtlinie hinwegsetzen wollte. Daher ist anzunehmen, dass er – um Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht herzustellen – zukünftig nicht mehr an dem Textformerfordernis festhalten wird. Hierfür spricht auch, dass das BMJ in der Stellungnahme zum Grünbuch der Europäischen Kommission vom Mai 2007 301 vorgeschlagen hat, die Wahl der Form der Widerrufserklärung dem Verbraucher zu überlassen. Für den Fortgang dieser Untersuchung wird daher unterstellt, dass der Widerruf formlos möglich sein soll. Der Verzicht auf eine Formvorgabe steht auch im Einklang mit den Regelungen des DCFR, die ebenfalls keine bestimmte Form für die Erklärung des Widerrufs vorsehen. 302

297 So unter Hinweis das Gebot der effektiven Umsetzung im Ergebnis auch Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 334. 298 MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 35 stellt dazu fest, dass hinsichtlich der Rücksendung der Ware nur schwerlich von einer besonderen rechtsgeschäftlichen Form gesprochen werden könne. 299 Die Möglichkeit des konkludenten Widerrufs durch Rücksenden der Ware ergibt sich aus § 355 Abs. 1 S. 2 BGB. 300 Das Widerrufsrecht bleibt auch bei Untergang bzw. Verlust der Ware bestehen, dazu unten S. 148. 301 Nachweis oben in Fn. 290 (Abschnitt C.). 302 Siehe oben S. 72.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

b) Vereinbarung eines Rückgaberechts Der deutsche Gesetzgeber will dem Anbieter bei Fernabsatzverträgen die Möglichkeit einräumen, das Widerrufsrecht in bestimmten Fällen 303 durch ein Rückgaberecht zu ersetzen. 304 In diesem Fall kann der Widerruf grundsätzlich nur durch die Rückgabe bzw. Rücksendung der Ware erklärt werden; ein auf andere Art und Weise erklärter Widerruf bleibt ohne rechtliche Wirkung. Etwas anderes gilt gemäß § 356 Abs. 2 S. 1 BGB nur, wenn die Ware nicht „paketversandfähig“ ist. In diesem Fall kann der Verbraucher den Willen, den Vertrag zu widerrufen, dadurch zum Ausdruck bringen, dass er die „Rücknahme“ der Ware verlangt. Die Rückgabe verkörpert eine empfangsbedürftige Willenserklärung 305 und stellt somit ein Spezialfall des konkludenten Widerrufs dar. 306 Die Regelung entspricht der früheren Praxis des Versandhandels, in der es schon vor Erlass der Fernabsatz-RiL üblich war, dem Kunden auf freiwilliger Basis ein Rückgaberecht einzuräumen. 307 Das Rückgaberecht bringt dem Unternehmer den Vorteil, dass er aufgrund der Verknüpfung von Widerruf und Rückgabe sichergehen kann, die Ware zurückzuerhalten. Für den Verbraucher ist das Rückgaberecht allerdings mit dem Nachteil verbunden, dass er im Rahmen der Rückabwicklung kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann. 308 Außerdem wird dem Verbraucher die Möglichkeit genommen, das Widerrufsrecht auf andere Art und Weise, z. B. durch mündliche Erklärung, auszuüben. Schließlich kann sich der Verbraucher auch nicht vor Erhalt der Ware vom Vertrag lösen, da deren Rücksendung ja gerade Bedingung für die Ausübung des Widerrufsrechts ist. 309

303 Voraussetzung für die Vereinbarung eines Rückgaberechts ist gemäß § 356 Abs. 1 BGB, dass der Vertrag aufgrund eines Verkaufsprospekts geschlossen wird und im Verkaufsprospekt eine deutlich gestaltete Belehrung über das Rückgaberecht enthalten ist, der Verbraucher den Verkaufsprospekt in Abwesenheit des Unternehmers eingehend zur Kenntnis nehmen kann und dem Verbraucher das Rückgaberecht in Textform eingeräumt wird. 304 Siehe § 312d Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 356 BGB sowie BT Drs. 14/2658, S. 44, 48. 305 Staudinger / Kaiser, § 356 Rn. 36. 306 Vgl. Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 431. 307 Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 43 Rn. 88 sowie Stolte, Versandhandel, S. 142 m.w. N. 308 Kritisch insoweit Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 373; vgl. auch Staudinger / Kaiser, § 356 Rn. 3. 309 So bereits Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 175. Letztendlich wiegt der Umstand, dass der Widerruf erst nach Erhalt der Ware erklärt werden kann, aber nicht sehr schwer, da schließlich auch die Widerrufsfrist erst mit Erhalt der Ware beginnt, vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 3 Fernabsatz-RiL und § 312d Abs. 2 S. 1 BGB.

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aa) Begründung des deutschen Gesetzgebers Obwohl sich der deutsche Gesetzgeber bewusst war, dass das Rückgaberecht eine „gewisse Erschwerung“ des Widerrufsrechts für den Verbraucher mit sich bringt, hielt er die Einführung der Regelung für nicht richtlinienwidrig. Zum einen handele es sich um eine nur geringfügige Beeinträchtigung der Verbraucherrechte, die sich im Rahmen des dem nationalen Gesetzgeber gemäß Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL zustehenden Umsetzungsspielraums bewege. Zum anderen werde die mit dem Rückgaberecht einhergehende Belastung des Verbrauchers durch andere, zu seinen Gunsten über den Richtlinienstandard hinausgehende Regelungen ausgeglichen. So brauche der Verbraucher Kosten und Gefahr der Rücksendung nicht zu tragen, obwohl ihm die Rücksendekosten nach Art. 6 Abs. 1 S. 2 Fernabsatz-RiL auferlegt werden könnten; außerdem gelte zu seinen Gunsten eine verlängerte Widerrufsfrist von 14 Tagen. Schließlich – so die Gesetzesbegründung – diene die Regelung „dem Schutz des Verbrauchers, um dessentwillen auch das Widerrufsrecht nicht durch formlose Erklärung, sondern nur durch Erklärungen auf dauerhaftem Datenträger oder Rücksendung erfolgen können soll“. 310 Ob eine verlängerte Widerrufsfrist und die Befreiung von der Kostentragungspflicht bei der Rücksendung geeignet sind, um einen entsprechenden Ausgleich zugunsten des Verbrauchers zu schaffen, muss bezweifelt werden. Hier werden Regelungen, die die Voraussetzung (Dauer der Widerrufsfrist) und die Rechtsfolgen (Kostentragung bei Rückabwicklung) des Widerrufs betreffen, zu einer Regelung in Bezug gesetzt, die die Ausübung des Widerrufsrechts betrifft. 311 Der Umstand, dass die Widerrufsfrist verlängert worden ist, hilft dem Verbraucher wenig, wenn seine Widerrufserklärung deshalb unwirksam ist, weil er seinen Widerruf statt durch Rücksendung der Ware in Textform erklärt hat. Dies gilt erst recht für die Verteilung der Kosten der Rücksendung: Die Frage, wer die Rücksendekosten zu tragen hat, stellt sich überhaupt nicht, wenn der Widerruf wegen Missachtung des vereinbarten Rückgaberechts schon nicht wirksam erklärt worden ist. Ein relevanter Vorteil für den Verbraucher kann schließlich auch nicht darin erblickt werden, dass er bei Vereinbarung eines Rückgaberechts nicht an die sonst erforderliche Textform gebunden ist. 312 Denn ein konkludenter Widerruf durch Rücksendung der Ware ist auch dann möglich, wenn kein Rückgaberecht vereinbart ist. 313 Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung des deutschen Gesetzgebers, dass das Rückgaberecht trotzdem dem Schutz des Verbrauchers diene, nicht nachzuvollziehen. Sofern durch den Vergleich mit dem 310 311 312 313

Vgl. BT Drs. 14/2658, S. 44. Kritisch auch Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 151. Vgl. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB. Vgl. Ausführungen oben S. 140 ff.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

für die Widerrufserklärung geltenden Formerfordernis des dauerhaften Datenträgers zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass das Rückgaberecht – wie das für die Widerrufserklärung geltende Formerfordernis – nur scheinbar eine Erschwerung bedeute, letztendlich aber doch zum Vorteil des Verbrauchers wirke, ist diese Argumentation bereits dadurch widerlegt, dass nachgewiesen werden konnte, dass die Formvorgabe des § 355 Abs. 1 S. 1 BGB entgegen der Auffassung des Gesetzgebers eine den Verbraucher belastende und nicht mit der Fernabsatz-RiL vereinbare Regelung darstellt. 314 bb) Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts Die geschilderten Nachteile lassen das Rückgaberecht nach Auffassung von Mankowski als nicht mehr zeitgemäß erscheinen. 315 Beim Entwurf des erst Anfang 2008 veröffentlichten DCFR wurde dementsprechend darauf verzichtet, dem Unternehmer die Möglichkeit einzuräumen, das Widerrufsrecht durch ein Rückgaberecht zu ersetzen. 316 Nach hier vertretener Auffassung verstößt die mit dem Rückgaberecht verbundene Erschwerung des Widerrufs auch gegen die Vorgaben der Fernabsatz-RiL. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber – wie bereits geschildert 317 – bewusst darauf verzichtet hat, bestimmte (Form-)Vorgaben für die Ausübung des Widerrufsrechts zu machen: Für den wirksamen Widerruf des Verbrauchers soll vielmehr jede Art von Mitteilung ausreichen, sofern sich aus ihr mit hinreichender Klarheit ergibt, dass der Verbraucher nicht an dem Vertrag bzw. seiner auf Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärung festhalten will. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Widerruf nur durch Rückgabe der Ware erklärt werden könnte. Außerdem droht eine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts, da die Beschränkung auf das Rückgaberecht aufgrund der damit verbundenen Nachteile geeignet erscheint, den Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. (1) Negativer Einfluss auf Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers Dafür, dass sich das Rückgaberecht negativ auf die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher auswirken kann, spricht, dass der Verbraucher in diesem Fall vorleistungspflichtig ist. Der Umstand, dass er den Besitz an der Sache aufge314

Siehe oben S. 141 f. Siehe Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 373, der von einem „überlebten Institut“ spricht. 316 Art. II-5:102 S. 2 DCFR enthält lediglich eine Auslegungsregel, wonach in der Rückgabe der Ware regelmäßig ein Widerruf des Vertrages zu sehen ist, vgl. auch S. 72. 317 Siehe oben S. 63 f. 315

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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ben muss, ohne den Kaufpreis zurückerlangt zu haben, führt dazu, dass die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher mit einer zusätzlichen Unsicherheit verbunden ist: Aus seiner Sicht besteht die Gefahr, dass er am Ende weder die Ware noch den Kaufpreis (zurück)erhält. Dies kann dazu führen, dass er auf die Ausübung des Widerrufsrechts verzichtet. Die Unsicherheit wird noch dadurch verstärkt, dass der Verbraucher beurteilen muss, ob die Ware „paketversandfähig“ ist – nur dann ist der Widerruf durch Rückgabe im deutschen Recht zwingend vorgeschrieben. Dies ist für den Verbraucher allerdings nur dann leicht zu beurteilen, wenn er die Ware selbst als Paket erhalten hat, da er unter diesen Umständen weiß, dass ein Paketversand möglich ist. In anderen Fällen kann ihn die Beurteilung der Versandfähigkeit aber vor ernsthafte Probleme stellen – schließlich ist selbst unter Juristen nicht unumstritten, unter welchen Umständen die Ware „nicht als Paket versandt werden kann“. 318 Angesichts der Tatsache, dass ein Irrtum über die Versandfähigkeit die Unwirksamkeit des Widerrufs zur Folge haben kann, ist schon zweifelhaft, ob die Beurteilung dieser Frage hier überhaupt dem Verbraucher aufgebürdet werden darf. 319 Jedenfalls kann die damit verbundene Unsicherheit auf Seiten des Verbrauchers dazu führen, dass er zögert, sein Widerrufsrecht auszuüben. (2) Sonderfall: Untergang oder Verlust der Ware beim Verbraucher Besonders gefährdet ist die freie Ausübung des Widerrufrechts in Fällen, in denen die im Besitz des Verbrauchers befindliche Sache untergeht bzw. verloren wird. Eine Rückgabe bzw. Rücksendung der Ware kommt in diesem Fall nicht mehr in Betracht, und ein Rücknahmeverlangen kann der Verbraucher – wie soeben dargelegt – nur geltend machen, wenn ein Versand als Paket nicht mehr möglich ist.

318 Für die Beurteilung der Paketversandfähigkeit wird überwiegend auf das Gewicht der Ware abgestellt: Da die Deutsche Post AG nur Pakete bis zu einem Gewicht von 20 kg befördert, soll es an der Paketversandfähigkeit fehlen, wenn die Ware mehr als 20 kg wiegt, vgl. Palandt / Grüneberg, § 356 Rn. 9; MünchKommBGB / Masuch, § 356 Rn. 27; Bamberger / Roth / Grothe, § 356 Rn. 4; Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 886. Dem hält Wildemann, jurisPK-BGB, § 357 Rn. 22 allerdings mit Recht entgegen, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die Ware paketversandfähig ist, nicht auf die Beförderungsbedingungen eines einzelnen Paketdienstes ankommen kann. An der Paketversandfähigkeit soll es daher nur fehlen, wenn ein Transport als Paket aufgrund der Maße, des Gewichts oder eines anderen Grundes generell ausgeschlossen ist. 319 Die Schwierigkeit, die Paketversandfähigkeit der Ware beurteilen zu müssen, stellt sich für den Verbraucher auch bei Anwendung des gesetzlichen Widerrufsrechts, vgl. § 357 Abs. 2 S. 1 BGB. Anders als bei Vereinbarung eines Rückgaberechts hat ein Irrtum über die Versandfähigkeit der Ware an dieser Stelle aber keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Widerrufs. Daher scheint es hier auch weniger bedenklich, den Verbraucher mit der Beurteilung dieser Frage zu belasten.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

(a) Zerstörte Ware als nicht „paketversandfähige“ Ware Nun ließe sich zwar vertreten, dass eine nicht „paketversandfähige“ Ware vorliegt, da eine Sache, die zerstört ist, überhaupt nicht mehr – und daher auch nicht als Paket – versandt werden kann. 320 Dies hätte jedoch zur Folge, dass ein Rücknahmeverlangen an den Unternehmer gerichtet werden müsste, obwohl der Gegenstand gar nicht mehr vorhanden ist. Daher käme wohl kaum ein Verbraucher auf die Idee, den Unternehmer unter diesen Umständen zur Rücknahme der Ware aufzufordern. Falls er es doch täte, liefe er zugleich Gefahr, sich hinsichtlich der Fahrtkosten gemäß § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig zu machen, wenn der Unternehmer aufgrund des Rücknahmebegehrens einen erfolglosen Abholversuch unternimmt. 321 Der Verbraucher müsste dem Rücknahmeverlangen daher eine Erklärung beifügen, aus der hervorgeht, dass (und warum) die Abholung durch den Anbieter tatsächlich gar nicht mehr möglich ist 322 – dies kann man von einem juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher aber kaum erwarten. Die Annahme, dass bei Untergang der Ware ein Fall der fehlenden „Paketversandfähigkeit“ vorliegt, ist daher nicht geeignet, die freie Widerrufbarkeit des Fernabsatzgeschäfts zu gewährleisten. (b) Zurückgreifen auf das allgemeine Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB Die an dieser Stelle geäußerten Bedenken gegen die Vereinbarung eines Rückgaberechts könnten allenfalls dann als unbeachtlich zurückgewiesen werden, wenn es dem Verbraucher bei Verlust bzw. Untergang der Ware ohne weiteres möglich wäre, wieder auf das allgemeine Widerrufsrecht zurückzugreifen. Eine solche „Rückkehr“ zum Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1 S. 1 BGB wäre allerdings ausgeschlossen, wenn dieses mit Untergang der Ware bereits erloschen wäre. Nach der Fernabsatz-RiL ist die Ausübung des Widerrufsrechts jedoch nicht davon abhängig, dass der Verbraucher noch in der Lage ist, die Ware zurückzugewähren; es besteht somit auch in diesem Fall fort. 323 Dieser Vorgabe des Gemeinschaftsrechts hat der deutsche Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er bei der Regelung der Widerrufsfolgen durch Verweis auf das 320 In diesem Sinne wohl Staudinger / Kaiser, § 356 Rn. 39, MünchKommBGB / Masuch, § 356 Rn. 28. 321 Otte / Kapitza, ZGS 2004, 54. 322 So ausdrücklich Staudinger / Kaiser, § 356 Rn. 39. 323 Die Regelung, wonach der Verbraucher zur Rücksendung des Erzeugnisses „in seinem Originalzustand“ verpflichtet sein sollte, wurde im Rechtssetzungsverfahren gestrichen; dies kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass die Ausübung des Widerrufsrechts nicht davon abhängig sein sollte, dass eine Rückgabe im unbeschädigten Zustand überhaupt noch möglich ist, vgl. ausführlich dazu unten S. 189.

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Rücktrittsrecht diejenigen Vorschriften, die ein Erlöschen des Rücktrittsrechts im Falle des Untergangs der Sache vorsahen (§§ 351 bis 353 BGB a.F.), ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt hat. 324 Auch nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers soll das Widerrufsrecht bei Untergang der Sache also fortbestehen. 325 Zweifelhaft ist daher nur, ob dem Verbraucher trotz der Vereinbarung des Rückgaberechts ein Rückgriff auf das Widerrufsrecht gestattet ist. Hierzu äußert sich der Gesetzgeber nicht ausdrücklich; angesichts der Tatsache, dass der Schutzzweck des Rückgaberechts – die Sicherstellung, dass der Unternehmer die gelieferte Ware zurückerhält – ohnehin nicht mehr erreicht werden kann, gibt es aus teleologischer Sicht aber keinen Grund, den Verbraucher an dem Rückgaberecht festzuhalten. 326 Das vertraglich vereinbarte Rückgaberecht steht einer Berufung auf das allgemeine Widerrufsrecht daher nicht entgegen. Problematisch ist jedoch, dass dem einzelnen Verbraucher im Zweifel nicht bewusst sein wird, dass er den Vertrag noch widerrufen kann. Schließlich steht ihm nach dem Inhalt der mit dem Anbieter getroffenen Vereinbarung nur die Möglichkeit offen, die Ware zurückzugeben oder deren Rücknahme zu verlangen. Da diese beide Arten der Rückabwicklung aber schon aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich sind, besteht die Gefahr, dass der Verbraucher ganz auf die Ausübung seiner Rechte verzichtet. cc) Ergebnis: Verstoß gegen Zielsetzung der Richtlinie Im Ergebnis werden nur verhältnismäßig wenige Verbraucher in die Situation geraten, die Ware nicht zurückgewähren zu können. Dadurch, dass den betroffenen Verbrauchern nicht bewusst sein wird, dass sie unter diesen Umständen wieder auf das allgemeine Widerrufsrecht des § 355 Abs. 1 S. 1 BGB zurückgreifen können, und sie daher im Zweifel auf die Ausübung ihres Widerrufsrechts verzichten werden, droht daher noch keine Beeinträchtigung des allgemeinen Verbrauchervertrauens. Zu bedenken ist aber, dass neben den zuletzt geschilderten Rückabwicklungsschwierigkeiten bei Untergang bzw. Verlust der Ware im Zusammenhang mit dem Rückgaberecht noch weitere Probleme (Vorleistungspflicht des Verbrauchers) bzw. Rechtsunsicherheiten (Beurteilung der Versandfähigkeit der Ware) bestehen, die den Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abhalten können. Insgesamt scheinen die mit Vereinbarung 324 Bei der Neufassung des Rücktrittsrechts im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind die §§ 350 ff. BGB a.F. ersatzlos gestrichen worden, so dass im Rücktrittsrecht nun allgemein der Grundsatz gilt, dass die Unmöglichkeit der Rückgewähr des empfangenen Gegenstandes nicht zum Ausschluss des Rücktrittsrechts führt. 325 So schon Otte / Kapitza, ZGS 2004, 54, 55. 326 Otte / Kapitza, ZGS 2004, 54, 55.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

des Rückgaberechts verbundenen Probleme daher durchaus geeignet, das allgemeine Verbrauchervertrauen zu beeinträchtigen: Wegen der nachteiligen Folgen des Rückgaberechts bzw. der z.T. unklaren Rechtslage besteht die Gefahr, dass der Verbraucher bei Ersatz des aus seiner Sicht günstigeren Widerrufs- durch ein Rückgaberecht lieber auf den Erwerb der Ware im Wege des Fernabsatzes verzichtet. Dies stünde im eklatanten Widerspruch zu der vom Gemeinschaftsgesetzgeber gewünschten Förderung des Binnenmarktes durch eine Belebung des Fernabsatzhandels. Der Umstand, dass es sich bei dem Rückgaberecht um eine Regelung handelt, die schon vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL im deutschen Versandhandel weit verbreitet war, 327 führt zu keiner anderen Bewertung – denn abgesehen davon, dass dem Rückgaberecht keine gesetzliche Regelung zugrunde lag, können auch etablierte nationale Regelungen nur dann bestehen bleiben, wenn sie der Zielsetzung der Richtlinie nicht im Wege stehen. 328 Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Verbrauchervertrauens wäre nur dann ausgeschlossen, wenn das Rückgaberecht im Fernabsatzhandel lediglich eine ganz untergeordnete Rolle spielen würde und daher auch nur eine ganz geringe Zahl von Verbrauchern betroffen wäre. Davon kann aber nicht ausgegangen werden: Statistische Zahlen zum Verhältnis zwischen Widerrufs- und Rückgaberecht sind – soweit ersichtlich – zwar nicht verfügbar. Angesichts des Umstands, dass das (freiwillig gewährte) Rückgaberecht vor Verabschiedung der Fernabsatz-RiL im klassischen Versandhandel weit verbreitet war, ist jedoch zu vermuten, dass es auch heute im Fernabsatzhandel noch oft Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen ist. Davon ist wohl auch der deutsche Gesetzgeber ausgegangen, als er das Rückgaberecht gleichberechtigt neben das Widerrufsrecht treten ließ. 329 Vor diesem Hintergrund ist eine Beeinträchtigung des allgemeinen Verbrauchervertrauens durch die in § 356 BGB vorgesehene Möglichkeit des Unternehmers, das Widerrufs- durch ein Rückgaberecht zu ersetzen, ernsthaft zu befürchten. Sie steht daher im Widerspruch zur Fernabsatz-RiL. Der deutsche Gesetzgeber war sich dieses Umstands nicht bewusst – er ging schließlich davon aus, dass die Regelung dem Schutz des Verbrauchers dient. Da somit kein bewusster Verstoß gegen die Vorgaben der Fernabsatz-RiL vorliegt, kann unterstellt werden, dass eine richtlinienkonforme Umsetzung beabsichtigt war und auch weiterhin abgestrebt wird. Vor diesem Hintergrund kann angenommen werden, dass der deutsche Gesetzgeber an dem Rückgaberecht i.S. des § 356 BGB nicht festhalten wird. Für den weiteren Verlauf der Untersuchung wird daher davon ausgegangen, dass dem Unternehmer nicht (mehr) das Recht eingeräumt werden

327

Dazu bereits oben S. 144. Wölk, Richtlinienumsetzung, S. 61. 329 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 44: Das Rückgaberecht „ersetzt dann das gesetzliche Widerrufsrecht“. 328

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soll, die Rechte des Verbrauchers durch Vereinbarung eines Rückgaberechts zu beschränken. c) Anforderungen an die rechtzeitige Absendung des Widerrufs Nach Vorstellung des deutschen Gesetzgebers soll es für die Einhaltung der Widerrufsfrist ausreichen, wenn der Widerruf vor Ablauf der Widerrufsfrist abgesandt wird. 330 Damit übernimmt der Gesetzgeber die bereits aus § 2 Abs. 1 S. 1 Haustürwiderrufsgesetz a.F. (HTWG) 331 und § 5 Abs. 2 S. 1 Teilzeit-Wohnrechtegesetz a.F. (TzWrG) 332 bekannte Regelung zur Fristwahrung durch rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung auch für den Bereich der Fernabsatzverträge. Anders als Art. 5 Abs. 1 S. 2 HTürW-RiL und Art. 5 Nr. 2 S. 2 TzWr-RiL, die für Haustürgeschäfte und solche, die dem Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden dienen, ausdrücklich anordnen, dass der rechtzeitige Versand der (schriftlichen) Widerrufserklärung ausreicht, um die Widerrufsfrist zu wahren, enthält die Fernabsatz-RiL jedoch keine entsprechenden Vorgaben. Daher stellt sich die Frage, ob die Schaffung einer nationalen Vorschrift, die für die Wahrung der Widerrufsfrist auf den rechtzeitigen Versand der Widerrufserklärung abstellt, im Hinblick auf Fernabsatzverträge überhaupt gemeinschaftsrechtlich geboten oder – wegen der damit verbundenen Belastung der Unternehmer mit dem Verzögerungsrisiko – ggf. sogar richtlinienwidrig ist. Die Tatsache, dass die Fernabsatz-RiL in dieser Hinsicht keine ausdrückliche Regelung enthält, spricht in Abgrenzung zu den vorstehend genannten, anderen Verbraucherschutzrichtlinien dafür, dass es beim Widerruf von Fernabsatzgeschäften auf den rechtzeitigen Zugang der Widerrufserklärung beim Unternehmer ankommen soll. 333 Nach anderer Ansicht soll der Verbraucher die in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL eingeräumte Bedenkfrist von sieben Werktagen voll ausschöpfen können. Daher müsse es im Hinblick auf die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL ausreichen, wenn der Verbraucher die Widerrufserklärung am letzten Tag dieser Frist versende. 334 Dem ist entgegenzuhalten, dass schon allein aufgrund der Tatsache, dass die Widerrufsfrist im deutschen Recht auf zwei Wochen verlängert worden ist, hinreichend gewährleistet sein dürfte, dass

330

BT-Drs. 14/2658, S. 42. Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16. 01. 1986, BGBl. 1986 I S. 122. 332 Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden vom 20. 12. 1996, BGBl. 1996 I S. 2154. 333 In diesem Sinne auch Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 81. 334 Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 25 Rn. 57; zustimmend Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 63. 331

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dem Verbraucher volle „sieben Werktage“ für die Entscheidung, ob er die gelieferte Ware behalten oder zurücksenden will, zur Verfügung stehen. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber – wenn er es wirklich als unerlässlich angesehen hätte, dass der Verbraucher bei seiner Entscheidungsfindung die sieben Werktage voll ausschöpfen kann – eine ausdrückliche Regelung getroffen hätte; die Art. 5 Abs. 1 S. 2 HTürW-RiL und Art. 5 Nr. 2 S. 2 TzWr-RiL legen dies zumindest nahe. Es kann auch nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in die FernabsatzRiL schlicht „vergessen“ hat, da sich durchaus sachliche Gründe für eine Differenzierung zwischen Fernabsatzgeschäften einerseits und Haustürwiderrufsbzw. Teilzeitwohnrechtsgeschäften andererseits finden lassen. 335 Während es sich beim Fernabsatzhandel um einen aus Sicht des Gemeinschaftsgesetzgebers förderungswürdigen Vertriebsweg handelt, beruhen die Widerrufsrechte der Haustürwiderrufs- und der TzWr-RiL maßgeblich auf der mit der Vertragsschlusssituation verbundenen Überrumpelungsgefahr 336 und sind somit Ausdruck der rechtlichen Missbilligung von auf diesem Weg abgeschlossenen Geschäften. Aufgrund dieser unterschiedlichen Wertungen, die hinter den jeweiligen Vertragslösungsrechten stehen, scheint es gerechtfertigt, den Verbraucherschutz im Anwendungsbereich von Haustürwiderrufs- und TzWr-RiL durch Einräumung der Möglichkeit, die Widerrufsfrist bis zum letzten Tag auszuschöpfen, stärker zu gestalten als bei Fernabsatzgeschäften, bei denen es eher vertretbar erscheint, den Verbraucher mit dem Verzögerungsrisiko zu belasten. Die Erstreckung der aus § 2 Abs. 1 S. 1 HTWG a.F. und § 5 Abs. 2 S. 1 TzWrG a.F. bekannten Regelung auf das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL scheint daher nicht zwingend geboten. Eine Belastung des Unternehmers mit dem Verzögerungsrisiko ist aber auch im Rahmen von Fernabsatzgeschäften nicht unzulässig. Das ergibt sich aus einem Vergleich mit Art. 6 Abs. 6 S. 2 der 2002 in Kraft getretenen F-Fernabsatz-RiL. Dort findet sich nämlich eine mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 HTürW-RiL und Art. 5 Nr. 2 S. 2 TzWr-RiL vergleichbare Regelung, wonach die Widerrufsfrist als gewahrt gilt, „wenn die Mitteilung, sofern sie in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften dem Empfänger zur Verfügung stehenden und ihm zugänglichen Datenträger erfolgt, vor Fristablauf abgesandt wird“. Diese Vorschrift bezieht sich zwar nur auf den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen. Da aber keine Gründe ersichtlich sind, die an dieser Stelle eine unterschiedliche Behandlung des Distanzvertriebs von Finanzdienstleistungen und des Fernabsatzes von Waren und anderen Dienstleistungen

335 Anders Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 339, der keine sachlichen Gründe für gegeben hält. 336 Siehe oben S. 93 f.

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rechtfertigen würden, 337 kann die genannte Regelung der F-Fernabsatz-RiL als Ausdruck des Willens des Gemeinschaftsgesetzgebers gewertet werden, dass es für die Wahrung der Widerrufsfrist bei allen Fernabsatzgeschäften auf das rechtzeitige Versenden der Widerrufserklärung ankommen soll. Nach alledem steht der Wille des deutschen Gesetzgebers, den Verbraucher durch das Abstellen auf das rechtzeitige Versenden der Widerrufserklärung vor dem Risiko einer Verzögerung auf dem Transportweg zu schützen, im Einklang mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts. Die Herausgeber des DCFR haben in der Befreiung des Verbrauchers vom Verzögerungsrisiko scheinbar sogar einen Grundsatz des europäischen Verbraucherschutzrechts gesehen, der in Art. II.-5:103 Abs. 4 DCFR Aufnahme gefunden hat: Danach kommt es bei allen verbraucherschützenden Widerrufsrechten für die Fristwahrung lediglich auf das rechtzeitige Versenden der Widerrufserklärung an. 338 d) Zugang der Widerrufserklärung beim Unternehmer Die Tatsache, dass der Unternehmer im deutschen Fernabsatzrecht das Verzögerungsrisiko zu tragen hat, bedeutet nicht, dass dieser auch mit dem Verlustrisiko belastet wird. Nach ganz überwiegender Ansicht handelt es sich beim Widerruf vielmehr um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB erst mit Zugang beim Unternehmer wirksam wird. 339 Das Risiko, dass die Widerrufserklärung auf dem Weg zum Anbieter verloren geht, trägt somit der Verbraucher. 340 Anderer Ansicht sind – soweit ersichtlich – nur Reinicke / Tiedtke. 341 Bezugnehmend auf § 7 Abs. 2 S. 1 VerbrKrG a.F. legen die beiden Autoren dar, dass eine Regelung wie § 355 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB, wonach für die Wahrung der Widerrufsfrist das rechtzeitige Versenden der Widerrufserklärung genügt, so zu verstehen sei, dass dem Unternehmer nicht nur das Verzögerungs-, sondern auch das Verlustrisiko aufgebürdet werde.

337

Zu diesem Gesichtspunkt vgl. auch Schinkels, ZGS 2005, 179, 180. Siehe auch oben S. 72. 339 Palandt / Grüneberg, § 355 Rn. 10; Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 24; Wildemann, jurisPK-BGB, § 355 Rn. 19; Erman / Saenger, § 355 Rn. 7; MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 34; Larenz / Wolf, BGB AT, § 39 Rn. 40; Bamberger / Roth / Grothe, § 355 Rn. 13; Härting, FernabsatzG, Anh. § 3 Rn. 27; Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 196; vgl. auch Art. II.-5:102 S. 1 DCFR, wonach ebenfalls eine Mitteilung gegenüber der anderen Partei erforderlich ist. 340 So ausdrücklich Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 24; Härting, FernabsatzG, Anh. § 3 Rn. 27; Bamberger / Roth / Grothe, § 355 Rn. 13. 341 Reinicke / Tiedtke, ZIP 1992, 217, 219. 338

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aa) Reinicke / Tiedtke: Verlustrisiko ist vom Unternehmer zu tragen Zur Begründung verweisen Reinicke / Tiedtke zunächst auf die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts zu § 377 Abs. 4 HGB, der zur Fristwahrung ebenfalls die rechtzeitige Absendung der Mängelanzeige ausreichen lässt: Da der Käufer bei Lieferung einer mangelhaften Sache überhaupt erst durch das vertragswidrige Verhalten des Verkäufers zur Absendung der Mängelanzeige veranlasst werde, müsse dieser auch die Gefahr übernehmen, dass ihn die Anzeige nicht erreicht. 342 Unabhängig davon, dass es der BGH abgelehnt hat, der Ansicht des Reichsoberhandelsgerichts zu folgen, 343 lässt sich dieses „Veranlasserprinzip“ nicht auf das verbraucherschützende Widerrufsrecht nach der Fernabsatz-RiL übertragen, da dem Anbieter hier nicht der Vorwurf eines vertragswidrigen Verhaltens gemacht werden kann. Auch handelt es sich – anders als bei Haustürgeschäften – nicht um einen aus Sicht des Gesetzgebers zu missbilligen Vertriebsweg, 344 dessen Wahl eine Verlagerung des Verlustrisikos auf den Unternehmer rechtfertigen könnte. Daher kann der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts an dieser Stelle keine Bedeutung beigemessen werden. (1) Besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers Einzugehen ist aber auf das weitere Argument von Reinicke / Tiedtke, die darauf hinweisen, dass es dem Verbraucher in aller Regel nicht gelingen werde, den Zugang der Widerrufserklärung zu beweisen, wenn der Unternehmer deren Erhalt bestreite. 345 Daher werde eine Regelung, die das Verlustrisiko beim Verbraucher belasse, dessen schutzwürdigen Interessen nicht gerecht. Tatsächlich lässt sich nicht leugnen, dass sich der Verbraucher in einer schwierigen Situation befindet, wenn er sich einem Unternehmer gegenübersieht, der den Empfang der Widerrufserklärung schlicht leugnet. Ein Zugangsnachweis wird gewöhnlich nur gelingen, wenn er den Widerruf als Einschreiben 346 (oder als Email bzw. Fax mit Empfangsbestätigung 347) versandt hat. Dies kann angesichts des damit ver342

Reinicke / Tiedtke, ZIP 1992, 217, 219. Vgl. BGH, NJW 1987, 2235, 2236. 344 Siehe dazu ausführlich auf S. 201. 345 Reinicke / Tiedtke, ZIP 1992, 217, 219. 346 Bei Versendung eines Einwurf-Einschreibens spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Erklärung – wie vom Zusteller im Auslieferungsbeleg dokumentiert – in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen wurde, vgl. AG Paderborn, NJW 2000, 3722, 3723; zustimmend Saenger, JuS 2001, 899, 903; die Erklärung geht dem Empfänger daher zu, sobald mit der Leerung des Briefkastens zu rechnen ist, vgl. Dübbels, NJW 1997, 2503, 2504. Bei Verwendung eines Übergabe-Einschreibens oder eines Einschreibens mit Rückschein gilt der Zugang als bewiesen, wenn der Zusteller den Empfänger zuhause antrifft. Anderenfalls kommt es darauf an, ob der Empfänger das Schrift343

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bundenen Aufwands bzw. der Kosten jedoch nicht erwartet werden und wird auch vom deutschen Gesetzgeber nicht vorausgesetzt. (2) Trotzdem: Empfangsbedürftigkeit der Widerrufserklärung Gleichwohl vermögen diese Schwierigkeiten keine generelle Verlagerung des Zugangsrisikos bzw. der damit verbundenen Beweislast auf den Unternehmer als Empfänger der Willenserklärung zu rechtfertigen. Die Empfangsbedürftigkeit von Anfechtungs- und Widerrufserklärung ergibt sich schon aus dem Umstand, dass sie jeweils eine Reaktion des Empfängers erfordern. Er soll entweder von der Geltendmachung der noch nicht empfangenen Gegenleistung absehen oder diese – sofern sie schon erbracht wurde – umgehend zurückgewähren. Im Bereich der Fernabsatzgeschäfte kommt hinzu, dass der Unternehmer Gefahr läuft, mit einer Sanktion belegt zu werden, wenn er die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen nicht innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL erstattet. 348 Daher hat er ein schützenswertes Interesse am Erhalt der Widerrufserklärung. Dementsprechend regelt Art. 7 Abs. 4 S. 2 F-Fernabsatz-RiL für den Fall des Widerrufs von im Fernabsatzwege geschlossenen Finanzdienstleistungsverträgen, dass die Frist zur Rückzahlung des vom Verbraucher geleisteten Betrags 349 erst an dem Tag beginnt, „an dem der Anbieter die Mitteilung über den Widerruf erhält“. In der Fernabsatz-RiL findet sich zwar keine entsprechende ausdrückliche Regelung des Zugangserfordernisses. Trotzdem kann auch hier aufgrund der Vergleichbarkeit der Interessenlage nichts anderes gelten. Dafür, dass die Wirksamkeit einer Widerrufserklärung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL von ihrem Zugang beim Unternehmer abhängig sein soll, spricht auch der Vergleich mit den sekundärrechtlichen Regelungen anderer verbraucherschützender Widerrufsrechte: Art. 5 Abs. 2 HTürW-RiL und Art. 5 Nr. 2 S. 1 TzWr-RiL kann entnommen werden, dass die Widerrufserklärung dem Unternehmer zugehen muss. 350 Aus dem deutschen Wortlaut der HTürW-RiL („indem er dies ... anzeigt“) sowie aus der englischen („The giving of the notice“) und spanischen („La notificación realizada“) Sprachfassung ergibt sich mit hinstück, in der die Erklärung verkörpert ist, bei der Post abholt, ständige Rechtsprechung, siehe nur BGH, NJW 1998, 976, 977. 347 Die Empfangsbestätigung liefert beim Faxversand zwar kein Anscheinsbeweis, aber zumindest ein Indiz für den Zugang beim Empfänger, siehe BGH, NJW 1995, 665, 667; dagegen kann der Eingang- bzw. Lesebestätigung bei Emails ein Anscheinsbeweis für den Zugang zugebilligt werden, so Reichold, jurisPK-BGB, § 130 Rn. 39.1; Mankowski, NJW 2004, 1901, 1905. 348 Dazu näher unten auf S. 169 ff. 349 Die Frist beträgt gemäß Art. 7 Abs. 4 S. 1 F-Fernabsatz-RiL 30 Kalendertage. 350 So bereits Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 63.

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reichender Klarheit, dass die Widerrufserklärung dem Unternehmer zugegangen sein muss, wenn der Verbraucher von seinen vertraglichen Verpflichtungen frei werden will. Noch deutlicher ist der Wortlaut von Art. 5 Nr. 2 S. 1 TzWr-RiL, wonach der Verbraucher dem Unternehmer den Willen, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, „mitteilen“ muss; so auch die englische („he shall ... notify“) Richtlinienversion. Wenn sogar für diese Widerrufsrechte, die Ausdruck einer gewissen Missbilligung des Verhaltens des Anbieters sind, feststeht, dass ein Zugang erforderlich ist, kann für das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL, das nicht auf ein vorwerfbares Verhalten des Unternehmers zurückzuführen ist, nichts anderes gelten. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers bei der Übermittlung einer auf einem gesetzlichen Widerrufsrecht beruhenden Widerrufserklärung vermag es also nicht zu rechtfertigen, dem Unternehmer neben dem Verzögerungs- auch noch das Verlustrisiko aufzubürden. (3) Ergebnis: keine Verlagerung des Verlustrisikos auf den Unternehmer Wie gezeigt darf das Verlustrisiko nicht auf den Unternehmer verlagert werden. Diesen Vorgaben hat der deutsche Gesetzgeber entsprochen: Dem Wortlaut des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der „Widerruf ... gegenüber dem Unternehmer zu erklären“ ist, ist zu entnehmen, dass ein Zugang der Widerrufserklärung beim Unternehmer erforderlich ist. 351 bb) Andere Möglichkeiten, der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers Rechnung zu tragen Trotzdem ist die Sorge, dass es den Verbrauchern im Einzelfall trotz Empfangs der Widerrufserklärung durch den Unternehmer nicht gelingen wird, den Zugang zu beweisen, nicht unberechtigt. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Unternehmer versuchen werden, den Empfang von Widerrufserklärungen zu verhindern. Dem Bedürfnis der Verbraucher nach Schutz vor Unternehmern, die den Erhalt der Widerrufserklärung bewusst vereiteln oder einfach leugnen, kann aber auch auf andere Art und Weise als durch eine Verlagerung des Verlustrisikos Rechnung getragen werden.

351 Nach BT-Drs. 14/6040, S. 198 ging mit Schaffung des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB keine inhaltliche Änderung einher („Lediglich aus redaktionellen Gründen...“). Auch gemäß § 361a Abs. 1 S. 2 BGB a.F. bestand demnach das Erfordernis des Zugangs der Widerrufserklärung.

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(1) Mankowski: Änderung der Beweisanforderungen Mankowski vertritt die Ansicht, es sei eine Änderung des Beweismaßes zugunsten des Verbrauchers erforderlich, um die Effizienz des Widerrufsrechts gewährleisten zu können. 352 Dem kann nicht gefolgt werden. Eine grundsätzliche Beweislastumkehr scheidet schon deshalb aus, weil dies einer Verlagerung des Verlustrisikos auf den Unternehmer gleichkäme, die wie geschildert nicht mit den Vorgaben des Sekundärrechts zu vereinbaren wäre. 353 Es kann aber auch keine Beweiserleichterung zugunsten des Verbrauchers angenommen werden: Ein allgemeiner Erfahrungssatz, wonach bei einem Versand eines Schriftstücks mit der Post davon ausgegangen werden kann, dass dieses auch tatsächlich zugegangen ist, besteht nicht. Mag auch die Deutsche Post AG die Wahrscheinlichkeit eines Zugangs der von ihr transportierten Postsendungen am Tag nach ihrem Einwurf mit 93 % angeben 354 – es kommt doch immer wieder vor, dass Schriftstücke auf dem Postweg verloren gehen, so dass nach gefestigter Rechtsprechung kein entsprechender Anscheinsbeweis angenommen werden kann. 355 Eine andere Auffassung lässt sich auch vor dem Hintergrund, dass eine Beweiserleichterung im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL aus Gründen der Effektivität des Widerrufsrechts wünschenswert erscheint, nicht vertreten. Da der Anscheinsbeweis an tatsächliche Umstände – die Tatsache, dass ein Geschehen nach der Lebenserfahrung in einer ganz bestimmten Weise abläuft – anknüpft, kann er im Rahmen der Beweiswürdigung nur zum Tragen kommen, wenn die Gerichte davon überzeugt sind, dass ein entsprechender Erfahrungssatz existiert; dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Eine Überwindung der fehlenden Überzeugung aus rechtlichen Gründen ist nicht möglich, selbst wenn dies vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts geboten erscheint. Im Übrigen könnte auch nicht zwischen dem prima facie anzunehmenden Zugang von Widerrufserklärungen, die von einem Verbraucher versandt wurden, und sonstigen Schriftstücken, die von der Post transportiert werden, differenziert werden. 356 Folglich müsste der Anscheinsbeweis für den Zugang aller Arten von Schriftstücken gelten, mit der Folge dass das gesetzliche Zugangserfordernis nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB seine Bedeutung verlieren würde, da der Beweis des Zugangs allgemein durch den Nachweis der Absendung ersetzt würde. 357 352

Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 827. Siehe oben S. 155 f.; außerdem kann der potentielle Empfänger einer Postsendung den negativen Beweis, dass er das Schriftstück nicht erhalten hat, in der Regel gar nicht erbringen, so BGHZ 24, 308, 313. 354 Siehe BGH, NJW 1999, 2118. 355 Grundlegend BGHZ 24, 308, 312; vgl. auch BVerfG, NJW 1991, 2757; OLG Frankfurt, VersR 1996, 90, 91. 356 Anderer Ansicht offenbar Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 823. 357 Zu diesem Gesichtspunkt bereits kritisch BGHZ 24, 308, 313. 353

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(2) Recht des Verbrauchers, den Widerruf unverzüglich zu wiederholen Den schutzwürdigen Belangen der Verbraucher kann dadurch Rechnung getragen werden, dass es ihnen bei Verlust der Widerrufserklärung gestattet wird, den Widerruf unverzüglich zu wiederholen. Wenn der Empfänger einer Willenserklärung versucht, den Zugang zu vereiteln, indem er z. B. deren Annahme verweigert oder ein für ihn hinterlegtes Einschreiben trotz Erhalt der entsprechenden Benachrichtigung nicht abholt, ist anerkannt, dass der Absender die Möglichkeit haben soll, die Erklärung erneut zu versenden und so den Zugang doch noch zu bewirken; der Empfänger der Willenserklärung darf sich in diesem Fall gemäß § 242 BGB nicht auf die verspätete Absendung der zweiten Willenserklärung berufen. 358 Darüber hinaus könnte dem Verbraucher das Recht, die (Widerrufs-)Erklärung ggf. noch einmal zu versenden, aber auch in Fällen eingeräumt werden, in denen der Zugang vom Unternehmer bestritten wird. Schon vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL wurde vertreten, dass es dem Verbraucher in Fällen, in denen eine Widerrufserklärung nach § 7 Abs. 1 VerbrKrG a.F. 359 oder § 2 HTWG a.F. 360 (angeblich) nicht zugegangen war, möglich sein sollte, den Widerruf unverzüglich nach Erlangung der Kenntnis vom fehlenden Zugang zu wiederholen. Diese Möglichkeit sollte dem Verbraucher – sofern er in der Lage ist nachzuweisen, dass er die erste Widerrufserklärung rechtzeitig 361 und ordnungsgemäß 362 auf den Weg gebracht hat – auch im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL eingeräumt werden. 363 Anderenfalls könnte es angesichts der die Verbraucher treffenden Schwierigkeiten beim Nachweis des Zugangs der Widerrufserklärung zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Wirksamkeit des 358

Vgl. BGHZ 137, 205, 208 ff.; Medicus, BGB AT, Rn. 278 f.; Bork, BGB AT, Rn. 637; Flume, BürgR AT, § 14 3e). Der erneute Zustellversuch kann sogar entbehrlich sein, wenn der Empfänger die Annahme der Mitteilung grundlos verweigert oder den Zugang arglistig vereitelt, BGHZ 137, 205, 209. 359 OLG Dresden, NJW-RR 2000, 354; Staudinger / Kessal-Wulf, § 7 VerbrKrG Rn. 61; MünchKommBGB / Ulmer, § 7 VerbrKrG Rn. 44. 360 Teske, ZIP 1986, 624, 631; MünchKommBGB / Ulmer, § 2 HausTWG Rn. 3; a. A. Staudinger / Werner, § 2 HWiG Rn. 15; zur HTürW-RiL siehe auch Martinek, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 13 Rn. 179. 361 Vgl. Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 196; Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 24. 362 Das Widerrufsschreiben muss richtig adressiert und ausreichend frankiert sein, so dass bei normalem Verlauf der Dinge mit einem Zugang beim Unternehmer gerechnet werden kann. 363 So bereits Härting, FernabsatzG, Anh. § 3 Rn. 28; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 64; zustimmend auch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 196; für die Möglichkeit der unverzüglichen Nachholung des Widerrufs bei allen verbraucherschützenden Widerrufsrechten: Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 24; MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 38; Wildemann, jurisPK-BGB, § 355 Rn. 29; Bamberger / Roth / Grothe, § 355 Rn. 13; a. A. Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 826.

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Widerrufsrechts kommen. 364 Im Hinblick auf eine effektive Umsetzung des Widerrufsrechts scheint es daher geboten, dem Verbraucher die Wiederholung des Widerrufs zu ermöglichen. (a) Einwand der unzulässigen „Addition“ zweier Willenserklärungen Dagegen wird eingewandt, dass in diesem Fall eine unzulässige „Addition“ der rechtzeitigen Absendung einer mit dem Zugang einer anderen Willenserklärung stattfinde. 365 Dem ist entgegenzuhalten, dass ein Lösungsansatz, der dem Absender bei Scheitern des Zugangs eine erneute Vornahme der Erklärung ermöglicht, dem deutschen Recht nicht völlig fremd ist: Eine Überwindung des fehlenden Zugangs einer fristgerecht abgesandten Willenserklärung durch eine spätere, nach Fristablauf versendete Erklärung wird jedenfalls bei der Anfechtung, bei der es gemäß § 121 Abs. 1 S. 2 BGB ebenfalls nur auf das rechtzeitige Versenden der Anfechtungserklärung ankommt, für möglich gehalten. 366 Im Fall einer Zugangsvereitelung ist es – wie vorstehend geschildert – sogar weitestgehend anerkannt, dass der Absender die Möglichkeit hat, die Willenserklärung erneut zu versenden, ohne dass der Empfänger sich insoweit auf einen möglichen Fristablauf berufen kann. 367 Zu einer „Addition“ zweier Willenserklärungen kommt es dabei nicht: Vielmehr ist es dem Empfänger im Hinblick auf die – allein maßgebliche – zweite Willenserklärung nach § 242 BGB verwehrt, eine mögliche Verspätung geltend zu machen. Eine vergleichbare rechtliche Konstruktion ist auch bei der hier diskutierten Möglichkeit der Wiederholung der Widerrufserklärung zugrunde zu legen: Maßgeblich ist allein der später versandte Widerruf, wobei es dem Unternehmer in diesem Fall aus Gründen der Effektivität des Widerrufsrechts versagt bleiben muss, sich auf die nicht fristgerechte Absendung dieser Erklärung zu berufen. Der Einwand, es komme zu einer unzulässigen Verknüpfung der zuerst und der später abgesandten Widerrufserklärung, verfängt daher nicht.

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Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 823; vgl. auch OLG Dresden, NJW-RR 2000, 354 (zu § 7 VerbrKrG a.F.) und Martinek, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 13 Rn. 179 (zur gleichgelagerten Problematik im Bereich der HTürW-RiL). 365 Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 826; Staudinger / Werner, § 2 HWiG Rn. 15. 366 Soergel / Hefermehl, § 121 Rn. 10; zustimmend Palandt / Heinrichs, § 121 Rn. 4 sowie Erman / Palm, § 121 Rn. 4; MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 38 spricht in diesem Zusammenhang sogar von „anerkannten Grundsätzen“. 367 Vgl. die Nachweise in Fn. 358 (Abschnitt C.).

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

(b) Einwand der unzulässigen Vermischung von Verzögerungs- und Verlustrisiko Gegen die Möglichkeit, den Widerruf zu wiederholen, wird weiter vorgebracht, sie hebe die im Gesetz angelegte Differenzierung zwischen Verzögerungs- und Verlustrisiko auf. 368 Tatsächlich wird der Verbraucher unter diesen Umständen teilweise von dem Risiko, dass die Widerrufserklärung auf dem Weg zum Unternehmer verloren geht, befreit. Schließlich besteht die Möglichkeit, den Widerruf nachzuholen, zwangsläufig nicht nur in Fällen, in denen der Unternehmer den Zugang aus strategischen Gründen abstreitet, sondern auch dann, wenn die Widerrufserklärung den Anbieter tatsächlich nicht erreicht hat. Eine unterschiedliche Behandlung beider Fallgruppen scheitert an den damit verbundenen Beweisschwierigkeiten, von denen der Verbraucher gerade entlastet werden soll. Dennoch kommt es nicht zu einer unzulässigen 369 Verlagerung des Verlustrisikos auf den Unternehmer, da der Verbraucher weiter dafür Sorge tragen muss, dass die Widerrufserklärung ihren Empfänger auch tatsächlich erreicht. Das (rechtzeitige) Absenden des Widerrufs allein reicht unter keinen Umständen aus, um sich von dem Fernabsatzgeschäft zu lösen. Hinzu kommt, dass der Verbraucher den Widerruf nach allgemeiner Ansicht unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Verzögern, wiederholen muss, sobald er Anhaltspunkte 370 dafür hat, dass die Widerrufserklärung beim Unternehmer nicht angekommen ist. Ein Anzeichen dafür, dass noch kein Zugang erfolgt ist, sollte darin gesehen werden, dass der Verbraucher 30 Tage nach dem zu erwartenden Zugang der Widerrufserklärung noch keine Bestätigung seines Widerrufs erhalten hat bzw. noch keine Rückzahlung des von ihm bereits gezahlten Kaufpreises erfolgt ist. Auf die Frist von 30 Tagen abzustellen, scheint angebracht, da der Unternehmer nach Art. 6 Abs. 2 S. 4 Fernabsatz-RiL innerhalb von 30 Tagen auf den Widerruf reagieren muss und der Verbraucher daher im Vertrauen darauf, dass seine Widerrufserklärung bei Empfänger eingetroffen ist, nach Ablauf dieser Frist nicht mehr schutzwürdig ist. Er muss sich daher nach Ablauf der Frist an den Unternehmer wenden und sich nach dem Zugang der Willenserklärung erkundigen, um den Widerruf dann ggf. unverzüglich zu wiederholen. Auf diese Weise wird auch dem berechtigten Interesse des redlichen Unternehmers, möglichst schnell Klarheit darüber zu erlangen, ob der Verbraucher an dem Fernabsatzvertrag festhalten will, hinreichend Rechnung getragen. 371 Er hat auch keine negativen Konsequenzen zu befürchten, da die 30-tägige Rückzahlungsfrist des Art. 6 Abs. 2 S. 4 Fernabsatz368

Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 827. Hierzu oben unter S. 155 f. 370 Zum Beispiel bei Zahlungsaufforderung oder Lieferung von (weiteren) Waren durch den Unternehmer. 371 Vgl. auch Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 64, Härting, FernabsatzG, Anh. § 3 Rn. 28. 369

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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RiL, deren Missachtung Sanktionsmaßnahmen nach sich ziehen kann, erst beginnt, wenn er die (nachträglich versandte) Widerrufserklärung wirklich erhalten hat. (c) Ergebnis: Wiederholung des Widerrufs als geeignete Maßnahme Nach alledem scheint mit der Möglichkeit des Verbrauchers, den Widerruf bei gescheitertem Zugang unverzüglich zu wiederholen, eine Maßnahme gefunden, die geeignet ist, die Wirksamkeit des Widerrufsrechts zu gewährleisten, und dabei auch die durch die Fernabsatz-RiL geschützten Interessen der Unternehmer hinreichend berücksichtigt. 372 Zur Erzielung der erforderlichen Rechtsklarheit wäre allerdings eine ausdrückliche Regelung dieser Frage im Gesetz wünschenswert. (3) Andere Verteilung des Verlustrisikos bei konkludentem Widerruf durch Rücksendung der Ware? Trotz der Möglichkeit, den Widerruf ggf. zu wiederholen, trägt der Verbraucher weiterhin das Risiko, dass die Widerrufserklärung auf dem Weg zum Unternehmer verloren geht. Nach Ansicht einiger Autoren soll dies nicht gelten, wenn der Widerruf konkludent durch Rückgabe bzw. Rücksendung der Ware erklärt wird: Da der Versand nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers in diesem Fall auf Gefahr des Unternehmers erfolgen soll, 373 werde der Widerruf auch dann wirksam, wenn die Ware während des Transports verloren gehe. 374 Dem kann nicht gefolgt werden: 375 Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Schaffung dieser Gefahrtragungsregel, die sich an sich nur auf die Gegenleistungsgefahr bezieht, 376 auch eine Verlagerung des Zugangsrisikos beabsichtigt hat. Dabei wäre vor dem Hintergrund des allgemeinen gesetzlichen Zugangserfordernisses aus § 130 Abs. 1 S. 1 BGB in den Gesetzesmaterialien zumindest eine kurze Äußerung zu dieser Frage zu erwarten gewesen.

372 Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Wiederholungsmöglichkeit nicht bereits aus Gründen der Effektivität des Widerrufsrechts zwingend geboten ist, ergibt sich die Möglichkeit des nationalen Gesetzgebers, eine entsprechende Regelung zu erlassen, jedenfalls aus Art. 14 Fernabsatz-RiL. 373 BT-Drs. 14/2658, S. 44; vgl. auch § 357 Abs. 2 S. 2 BGB. 374 Bamberger / Roth / Grothe, § 355 Rn. 13; Palandt / Grüneberg, § 355 Rn. 10; Ring, AnwKomSR, § 355 Rn. 21, Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 431: Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 503 Rn. 41. 375 Ablehnend auch Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 24. 376 Dazu unten S. 220 ff.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

Gegen die Annahme, der Gesetzgeber habe für den Fall der konkludenten Widerrufserklärung eine Verlagerung des Zugangsrisikos beabsichtigt, spricht auch, dass es zu einer unterschiedlichen Behandlung von Verbrauchern, die den Widerruf durch Rücksendung der Ware erklären und solchen, die eine ausdrückliche Widerrufserklärung abgeben, kommen würde. Diese Ungleichbehandlung wäre nicht zu rechtfertigen, da der Verbraucher in beiden Fällen gleich schutzwürdig ist. Vor diesem Hintergrund kann dem deutschen Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er eine solche Regelung gewollt habe. Im Übrigen wäre eine solche Abwälzung des Zugangsrisikos auf den Unternehmer wie gezeigt auch mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren, das einen Zugang der Widerrufserklärung beim Unternehmer fordert. 377 cc) Ergebnis: Verlustrisiko ist grundsätzlich vom Verbraucher zu tragen Abschließend kann festgehalten werden, dass der Verbraucher bei der Übermittlung der Widerrufserklärung vom Verzögerungsrisiko befreit ist. Das Verlustrisiko hat er dagegen weiterhin zu tragen. Aufgrund der damit verbundenen Beweisschwierigkeiten droht jedoch eine Beeinträchtigung der Effektivität des verbraucherschützenden Widerrufsrechts. Vor diesem Hintergrund ist dem Verbraucher die Möglichkeit einzuräumen, den Widerruf unverzüglich zu wiederholen, wenn er Anhaltspunkte dafür hat, dass die zuerst versandte Widerrufserklärung ihren Empfänger nicht erreicht hat. Ein solcher Anhaltspunkt liegt vor, wenn der Unternehmer 30 Tage nach dem zu erwartenden Zugang des Widerrufs noch nicht auf diesen reagiert hat.

4. Nach Ausübung des Widerrufsrechts Hinsichtlich des nach Erklärung des Widerrufs eintretenden Rückabwicklungsverhältnisses enthält die Fernabsatz-RiL nur wenig konkrete Vorgaben. Grundsätzlich ist es nach Erwägungsgrund 14 der Richtlinie daher Sache des nationalen Gesetzgebers, die „weiteren Bedingungen und Einzelheiten“ der Rückabwicklung festzulegen. Zu beachten ist allerdings, dass die Effektivität des Widerrufsrechts maßgeblich von der Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufsrechts abhängt: Denn eine für den Verbraucher ungünstige Rechtsfolgenregelung führt indirekt zu einem Zwang, am Vertrag festzuhalten. 378 Daher gilt es zu untersuchen, ob die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehenen Rückabwick377

Dazu oben S. 155 f. So bereits Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 19 Rn. 10; vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 882; der Gemeinschaftsgesetzgeber bringt die Sorge, dass das Widerrufsrecht durch die Rechtsfolgeregelungen zu einem rein „formalen Recht“ oh378

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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lungsregelungen generell geeignet sind, die Verbraucher von der Ausübung ihres Widerrufsrechts abzuhalten, und daher gegen die Zielsetzung der Richtlinie, den Verbrauchern die freie Widerruflichkeit des Fernabsatzvertrages zu ermöglichen, verstoßen. a) Widerruf ohne Strafzahlung Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL soll der Verbraucher den Widerruf erklären können, ohne sich einer „Strafzahlung“ ausgesetzt zu sehen. Über das Ziel dieser Regelung besteht Einigkeit: Es soll verhindert werden, dass der Verbraucher durch eine drohende Zahlungsverpflichtung von der Ausübung des ihm zustehenden Widerrufsrechts abgehalten wird. 379 Einer kurzen Erörterung bedarf jedoch die Reichweite dieses Anspruchsauschlusses. aa) Bedeutung des Begriffs der Strafzahlung Da der Begriff der „Strafzahlung“ gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs ist, ist er autonom auszulegen, wobei die unterschiedlichen Sprachfassungen der Richtlinie zu berücksichtigen sind. 380 Insoweit ist festzustellen, dass sich im englischen („without penalty“), italienischen („senza alcuna penalità“) und spanischen („sin penalización alguna“) Wortlaut der Fernabsatz-RiL ebenfalls der Begriff der Strafe finden lässt. Dies lässt den Rückschluss zu, dass Zahlungen gemeint sein müssen, die überwiegend oder ausschließlich dem Zweck dienen, die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher zu sanktionieren. 381 Ein solcher Sanktionscharakter kommt Zahlungen zu, die anlässlich der Erklärung des Widerrufs zu leisten sind und die in keinem vernünftigen Verhältnis zu den auf Seiten des Anbieters tatsächlich entstandenen Kosten bzw. Wertverlusten stehen. Als Beispiel hierfür lassen sich z. B. überhöhte 382 Schadenspauschalierungen anführen. 383 Daneben sind aber erst recht auch solche Verpflichtungen als „Strafzahlung“ einzuordnen, die wie die Vertragsstrafe i.S. des § 339 BGB ausschließlich dem Ziel dienen, den Vertragspartner von der Vornahme einer be-

ne praktische Bedeutung verkommen könnte, in Erwägungsgrund 14 der Fernabsatz-RiL deutlich zum Ausdruck. 379 Vgl. nur Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, § 8 Rn. 388. 380 Dazu bereits oben S. 33 f. 381 Vgl. dazu Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 50. 382 Ob auch bereits die Vereinbarung einer angemessenen Schadenspauschalierung als „Strafzahlung“ zu werten ist, ist zweifelhaft, so aber wohl Reich / Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, Tz. 15.37; siehe auch Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 143; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 127. 383 Vgl. Reich, EuZW 1997, 581, 585.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

stimmten Handlung – hier der Erklärung des Widerrufs – abzuhalten. 384 Dagegen fallen Zahlungen, die lediglich der (wertmäßigen) Rückabwicklung des Vertrages dienen, indem sie für einen Ausgleich von Wertverlusten oder für die Abschöpfung von im Rahmen der Vertragsdurchführung erlangten Vermögensvorteilen sorgen, nicht unter den Begriff der Strafzahlung. 385 Ob und in welchem Umfang der Verbraucher insoweit zur Zahlung von Wertersatz verpflichtet werden kann, ist vielmehr eine Frage der „Kosten“, mit denen der Verbraucher belastet werden darf, ohne dass die Wirksamkeit seines Widerrufsrechts beeinträchtigt wird (dazu unten S. 187 ff.) bb) Umsetzungsbedarf im nationalen Recht Nach Klärung der Bedeutung des Begriffs der „Strafzahlung“ bleibt die Frage, welche Anforderungen an die Umsetzung dieses Sanktionsverbots zu stellen sind. Einige Mitgliedstaaten haben Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL zum Anlass genommen, eine ausdrückliche Regelung in die nationalen Umsetzungsgesetze aufzunehmen, in denen die Vereinbarung einer Strafzahlung untersagt wird. 386 In Deutschland besteht – soweit die überhöhte Pauschalierung des Schadensersatzes oder die Vereinbarung der Vertragsstrafe in AGB erfolgt – kein Umsetzungsbedarf, da derartige Klauseln gegenüber Verbrauchern gemäß § 309 Nr. 5 und 6 BGB keine Wirksamkeit beanspruchen können. 387 Eine Umgehung dieser Klauselverbote durch die Vereinbarung individualvertraglicher Vertragsstrafenregelungen ist nur schwer möglich, da §§ 307 bis 309 BGB bei den in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL fallenden „Verbraucherverträgen“ gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch dann zur Anwendung kommen, wenn die Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind. Daher ist die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, das Vertragsstrafenverbot aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL nicht gesondert zu normieren, nicht zu kritisieren. 384 So auch Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 143; Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, § 8 Rn. 388. 385 Vgl. Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, § 8 Rn. 388; Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 143. 386 Für Spanien vgl. Art. 44 Abs. 1 L.O.C.M.: „El comprador dispondrá de un plazo mínimo de siete días hábiles para desistir del contrato sin penazilación alguna y ...”; für Italien vgl. Art. 64 Abs. 1 des Decreto Legislativo, 6 settembre 2005, n. 206, Codice del consumo, a norma dell’articulo 7 della legge 29 luglio 2003, n. 229: „Per i contratti e per le proposte contrattuali a distanza ovvero negoziati fuori dai locali commerciali, il consumatore ha diritto di recedere senza alcuna penalità e ...” (Hervorhebungen durch den Autor). 387 Ein spezielles, auf die Ausübung des Widerrufsrechts zugeschnittenes Klauselverbot enthält auch Art. 44 Abs. 3 S. 3 L.O.C.M.: „Serán nulas de pleno derecho las cláusulas que impongan al consumidor una penalización por el ejercicio de su derecho de desistimiento o la renuncia al mismo“.

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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b) Rückabwicklungsverhältnis aa) Pflicht zur gegenseitigen Rückgewähr der Leistungen Sind zum Zeitpunkt des Widerrufs schon Leistungen ausgetauscht worden, müssen diese zurückgewährt werden. Für die vom Verbraucher bereits gezahlte Vergütung ergibt sich dies aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL, wonach die „geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten“ sind. Die den Verbraucher treffende Verpflichtung zur Rückgewähr der empfangenen Ware folgt aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 bzw. dem gleichlautenden Art. 6 Abs. 1 S. 2 Fernabsatz-RiL: Dort ist zwar an sich nur die Möglichkeit vorgesehen, den Verbraucher mit den „Kosten der Rücksendung“ der Ware zu belasten. Diese Regelung lässt jedoch zugleich erkennen, dass eine Pflicht zur Rücksendung der empfangenen Ware bestehen muss, da sich die Frage der Kostentragung sonst überhaupt nicht stellen würde. 388 Somit gibt die Fernabsatz-RiL nicht nur vor, dass überhaupt eine Rückgewähr des Kaufgegenstandes erfolgen muss. Sie ordnet sogar eine bestimmte Art der Rückabwicklung an, nämlich durch das Zurücksenden der Ware an den Anbieter; das bloße Bereithalten der Ware zur Abholung reicht somit nicht aus. Der deutsche Gesetzgeber hat den Vorgaben der Fernabsatz-RiL bei der Umsetzung Rechnung getragen. Aufgrund des in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB geregelten Verweises auf § 346 Abs. 1 BGB sind die Vertragsparteien im Fall des Widerrufs verpflichtet, die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, und zwar – wie sich aus § 357 Abs. 2 S. 1 BGB ergibt – im Wege der Rücksendung. Die wechselseitige Verpflichtung zur Rückgewähr der bereits ausgetauschten Leistungen ist auch im DCFR ausdrücklich geregelt. 389 bb) Erstattungspflicht des Unternehmers auch bzgl. Hinsendekosten Näherer Erläuterung bedarf an dieser Stelle die Frage, ob der Unternehmer dem Verbraucher auch die Kosten der Hinsendung erstatten muss oder ob er den vom Verbraucher gezahlten Preis für den Versand der Ware trotz Ausübung des Widerrufsrechts behalten darf. (1) Vorgaben der Fernabsatz-RiL Nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL sind dem Verbraucher die von ihm „geleisteten Zahlungen“ zu erstatten. 390 Da insoweit keine 388

Siehe bereits oben S. 65. Siehe oben S. 73. 390 Vgl. auch den englischen („the supplier shall be obliged to reimburse the sums paid by the consumer free of charge“) und den spanischen („el proveedor estará obligado 389

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Differenzierung zwischen dem gezahlten Kaufpreis und sonstigen Zahlungen (z. B. für den Versand) erfolgt, ist davon auszugehen, dass alle vom Verbraucher erbrachten Zahlungen zurückerstattet werden müssen; dies schließt die Versandkosten mit ein. 391 Bekräftigt wird diese Auffassung durch die Regelung des Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL, wonach dem Verbraucher die „Kosten der Rücksendung“ auferlegt werden können. Dies lässt den Rückschluss zu, dass die Kosten der Hinsendung gerade nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden sollen. 392 Nur eine dahingehende Auslegung des Richtlinienwortlauts steht auch im Einklang mit der Zielsetzung der Fernabsatz-RiL. Denn bestünde die Möglichkeit, den Verbraucher neben den Kosten der Rücksendung auch noch mit den Kosten der Hinsendung zu belasten, wäre eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Widerrufsrechts zu befürchten. Gerade bei geringwertigen Waren drohte die Gefahr, dass der Verbraucher angesichts der Höhe der Kosten der Hin- und Rücksendung von der Ausübung des Widerrufsrechts Abstand nimmt. 393 Es wären voraussichtlich auch nicht nur einzelne Verbraucher betroffen: Wenn die Mitgliedstaaten frei entscheiden könnten, ob die Verbraucher mit den Kosten der Hinsendung belastet werden dürfen, wäre zu befürchten, dass zahlreiche Verbraucher in die Situation gerieten, abwägen zu müssen, ob sich der Widerruf für sie angesichts der drohenden Kostenlast für Hin- und Rücksendung überhaupt noch lohnt. Damit drohte eine Beeinträchtigung des allgemeinen Verbrauchervertrauens in den Fernabsatzhandel, das durch die Fernabsatz-RiL gerade gestärkt werden soll. (2) Betrachtung der Rechtslage in Deutschland Die Frage, ob der Verbraucher im Fall des Widerrufs eines Fernabsatzvertrages einen Anspruch auf Erstattung der Hinsendekosten hat, ist im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelt. Ein solcher Anspruch könnte sich aber aus den die Rückabwicklung des Fernabsatzvertrages regelnden § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 346 Abs. 1 BGB ergeben. Dann müsste es sich bei den Hinsendekosten um eine vom Unternehmer „empfangene Leistung“ i.S. des § 346 Abs. 1 BGB handeln. Grundsätzlich zählen die Transportkosten jedoch zu den nicht im Rahmen des § 346 Abs. 1 BGB erstattungsfähigen Vertragskosten. 394 Aus § 448 Abs. 1 BGB

a devolver las sumas abonadas por el consumidor sin retención de gastos“) Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL, die ebenfalls die Rückzahlung des gesamten vom Verbraucher gezahlten Geldbetrags anordnen. 391 LG Karlsruhe, MMR 2006, 245; Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1340; Brönneke, MMR 2004, 127, 129. 392 So auch OLG Karlsruhe, MMR 2008, 46, 48. 393 Siehe OLG Karlsruhe, MMR 2008, 46, 48; Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1340; Brönneke, MMR 2004, 127, 129; a. A. Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 53.

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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ergibt sich zudem, dass der Käufer die Kosten der Versendung der Sache nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort zu tragen hat. Demnach scheint eine Erstattung der Hinsendekosten nach dem Wortlaut des Gesetzes ausgeschlossen. Die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts gebieten an dieser Stelle jedoch eine richtlinienkonforme Auslegung der deutschen Vorschriften. 395 Daher sind § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 346 Abs. 1 BGB dahingehend auszulegen, dass auch die vom Verbraucher gezahlten Kosten der Lieferung der Ware unter den Begriff der vom Unternehmer „empfangenen Leistung“ fallen. 396 Ein dahingehendes Verständnis der genannten Vorschriften ist mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar. Auch § 448 Abs. 1 BGB steht einer derartigen Auslegung nicht entgegen. Zum einen ist bei Abschluss eines Fernabsatzvertrages schon fraglich, ob überhaupt ein Versand „nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort“ im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Erfüllungsort am Sitz des Verkäufers läge, was für den Bereich des Versandhandels jedoch gerade umstritten ist. 397 Zum anderen hat das LG Karlsruhe zu Recht darauf hingewiesen, dass § 448 Abs. 1 BGB nur für den Fall eine Regelung trifft, dass der Kaufvertrag bestehen bleibt. 398 Dies ist bei Widerruf des Vertrages jedoch gerade nicht der Fall. Im Ergebnis ist also eine richtlinienkonforme Auslegung der deutschen Vorschriften möglich: Demnach hat der Verbraucher im Fall des Widerrufs nach § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 346 Abs. 1 BGB auch einen Anspruch auf Erstattung der bereits gezahlten Hinsendekosten. (3) Sonderfall: Abschluss eines eigenständigen Versendungsvertrages mit Fernabsatz-RiL vereinbar? Angesichts der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts ist abschließend auf die Frage einzugehen, wie der Fall zu behandeln wäre, wenn die Parteien einen eigenständigen Versendungsvertrag abgeschlossen hätten. Da sich das Widerrufsrecht nur auf den im Fernabsatz geschlossenen Kaufvertrag über den Erwerb der Ware bezieht, wären dem Verbraucher nach Erklärung des Widerrufs nur der Kaufpreis, nicht aber die Kosten der auf dem – weiterhin 394 So OLG Karlsruhe, MMR 2008, 46, 47; OLG Nürnberg, NJW-RR 2005, 1581; siehe auch Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 49; Palandt / Grüneberg, § 346 Rn. 5; MünchKommBGB / Gaier, § 346 Rn. 19. 395 OLG Karlsruhe, MMR 2008, 46, 47. 396 In diesem Sinne OLG Karlsruhe, MMR 2008, 46, 48; OLG Frankfurt, CR 2002, 638, 642; a. A. Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 213. 397 Siehe oben S. 109. 398 LG Karlsruhe, MMR 2006, 245, 246.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

wirksamen – Werkvertrag beruhenden Hinsendung zu erstatten. 399 Die Annahme eines neben dem Fernabsatzvertrag stehenden Versendungsvertrages ist aber zumindest in den Fällen, in denen der Verbraucher nicht die Wahl hat, ob er sich die Ware liefern lässt oder ob er sie im Geschäft des Unternehmers abholt, lebensfremd. Soweit der Anbieter dem Verbraucher – wie im Versandhandel allgemein üblich – nicht die Möglichkeit eröffnet, die Ware selbst abzuholen, ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um einen einheitlichen Vertrag handelt. 400 Aber selbst wenn der Anbieter ausdrücklich auf den Abschluss eines gesonderten Versendungsvertrages bestünde, kann eine solche Vereinbarung nach § 312f S. 2 BGB, der der Umsetzung von Art. 12 Abs. 1 Fernabsatz-RiL dient, keine Wirksamkeit entfalten. Denn da die Abwälzung der Versandkosten auf den Verbraucher wie gezeigt im Widerspruch zu der Fernabsatz-RiL steht, handelte es sich dabei um einen unzulässigen Verzicht des Verbrauchers auf sein Recht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL, wonach ihm alle im Hinblick auf das Fernabsatzgeschäft getätigten Zahlungen erstattet werden müssen. 401 cc) Anforderungen an Rückgewähr durch den Verbraucher Der Verbraucher kann sich nach § 357 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Ware zur Abholung durch den Unternehmer bereitzuhalten, sondern ist zur Rücksendung der Ware verpflichtet; dies entspricht den Vorgaben der Fernabsatz-RiL. Etwas anderes soll aber dann gelten, wenn die Ware nicht durch Paket versandt werden kann. Eine solche Beschränkung der Rücksendeverpflichtung des Verbrauchers ist der Fernabsatz-RiL unbekannt. Bedenken gegen ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie bestehen jedoch nicht, da die Regelung auf Art. 14 Fernabsatz-RiL gestützt werden kann: Sie entbindet den Verbraucher bei besonders schweren oder sperrigen Kaufgegenständen davon, ein geeignetes Transportmittel finden und dieses ggf. vorfinanzieren zu müssen. Aber auch für den Anbieter ist dieses Vorgehen mit Vorteilen verbunden. Er kann selber dafür sorgen, dass die Ware durch eine geeignete Transportperson befördert wird, wodurch die Wahrscheinlichkeit 399 Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man mit Schirmbacher, CR 2002, 642, 643 davon ausgeht, dass der Widerruf auch die Rückabwicklung des separaten Versendungsvertrages zur Folge hat: Dann wäre der Verbraucher – da die Lieferung nach der Natur des Erlangten nicht zurückgewährt werden kann – zur Leistung von Wertersatz verpflichtet; mit diesem Wertersatzanspruch könnte der Anbieter dann gegen den Anspruch des Verbrauchers auf Rückzahlung der Kosten der Hinsendung aufrechnen; so auch Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1339. 400 Siehe OLG Köln, MMR 2005, 111, 112. 401 So bereits OLG Karlsruhe, MMR 2008, 46, 48 und im Ergebnis – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 312f BGB – auch Brönneke, MMR 2004, 127, 129.

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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erhöht wird, dass der Kaufgegenstand unversehrt zu ihm zurückgelangt. Außerdem ist er auf diese Weise in der Lage, den Preis des Versandes zu kontrollieren, den er nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers grundsätzlich zu tragen hat. 402 Folglich wird durch das Abstellen auf die „Paketversandfähigkeit“ den Interessen beider Parteien Rechnung getragen. Ein Verstoß gegen die Zielsetzung der Fernabsatz-Richtlinie kann insoweit nicht festgestellt werden. Bedenken gegen die Regelung des § 357 Abs. 2 S. 1 BGB können allenfalls insoweit geäußert werden, als es sich für den Verbraucher im Einzelfall schwierig gestalten kann, die „Paketversandfähigkeit“ der empfangenen Ware zu beurteilen. 403 dd) Verpflichtung des Unternehmers zur Rückgewähr innerhalb von 30 Tagen Nach Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL muss der Anbieter den Kaufpreis sobald wie möglich, in jedem Fall aber binnen 30 Tagen 404 erstatten. Eine entsprechende Regelung ist auch in den DCFR aufgenommen worden. 405 Für die Mitgliedstaaten als Adressaten der Richtlinie stellt sich daher die Frage, auf welche Weise sie wirksam gewährleisten können, dass die Rückzahlung auch tatsächlich innerhalb dieser Frist erfolgt. Der deutsche Gesetzgeber erachtet es insoweit als ausreichend, dem Verbraucher für den Fall der nicht fristgerechten Rückzahlung einen Zinsanspruch zu gewähren, indem der Anbieter spätestens 406 nach Ablauf von 30 Tagen nach Zugang 407 der Widerrufsbelehrung ex lege in Verzug gerät. 408 Diese Regelung erscheint im Hinblick auf das vom EuGH entwickelte Effizienzgebot, wonach 402

Dazu sogleich auf S. 175. Dazu bereits oben S. 147. 404 Da die Fernabsatz-RiL nur von „Tagen“ und nicht von Werktagen spricht, sind Sonn- und Feiertage bei der Berechnung der Frist zu berücksichtigen, so Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 26 Rn. 61. 405 Siehe Art. II.-5:105 Abs. 2 S. 2 DCFR und oben S. 73. 406 Nach § 361a Abs. 2 S. 2 BGB a.F. war es nicht möglich, den Anbieter auch schon vor Ablauf der 30-Tage-Frist in Verzug zu setzen. Diese Einschränkung beruhte auf dem Verweis auf § 284 Abs. 3 BGB a.F., wonach der Schuldner einer Geldforderung stets erst nach 30 Tagen in Verzug geriet. Die Frage, ob es dem Schuldner – entgegen dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift – dennoch möglich sein sollte, den Unternehmer auch zu einem früheren Zeitpunkt in Verzug zu setzen (in diesem Sinne Härting, FernabsatzG, Anh. § 3 Rn. 49; Ring, Fernabsatzgesetz, Teil IV Art. 2 Rn. 123 m.w. N.), stellt sich heute nicht mehr: § 357 Abs. 1 S. 2 verweist nun auf § 286 Abs. 3 BGB, der vorsieht, dass der Widerruf spätestens nach Ablauf von 30 Tagen eintritt, d. h. unter den Voraussetzungen des § 286 Abs. 1 u. 2 BGB kann der Verzug auch schon zu einem früheren Zeitpunkt herbeigeführt werden. 407 Vgl. § 357 Abs. 1 S. 3 BGB: Danach beginnt die Erstattungspflicht mit Zugang der Widerrufserklärung. Die aktuelle Fassung des § 357 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB, der auch eine Verpflichtung des Verbrauchers regelt, die Waren innerhalb einer Frist von 403

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

die Sanktionen für einen Richtlinienverstoß „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen, 409 nicht unbedenklich. (1) Verzinsungspflicht als geeignetes Sanktionsmittel Dem Gemeinschaftsgesetzgeber ging es erkennbar darum, den Verbraucher im Hinblick auf die Rückzahlung des von ihm geleisteten Kaufpreises möglichst gut abzusichern. Zwar haben das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union im Gemeinsamen Standpunkt vom 29. Juni 1995 410 entgegen den ursprünglichen Vorschlägen nicht daran festgehalten, die Mitgliedstaaten zum Aufbau eines Garantiesystems für insolvenzbedingte Zahlungsausfälle zu verpflichten 411 oder eine Vorleistungspflicht des Unternehmers in der Richtlinie zu implementieren. 412 In der Begründung zum Gemeinsamen Standpunkt 413 macht der Gemeinschaftsgesetzgeber aber deutlich, dass er an dem Ziel, den Verbraucher vor einer möglichen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmers zu schützen, weiterhin festhält. 414 Dieser Schutz soll nun durch eine möglichst schnelle Rückzahlung des vom Verbraucher gezahlten Kaufpreises gewährleistet werden. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die im deutschen Recht vorgesehene Verzinsungspflicht geeignet ist, die Anbieter zu einer schnellen Rückabwicklung anzuhalten, da sie eine vergleichsweise geringe finanzielle Belastung des Unter30 Tagen – gerechnet ab Abgabe der Widerrufserklärung – zurückzugewähren, soll der Umsetzung der Vorgaben der F-Fernabsatz-RiL dienen, vgl. BT-Drs. 15/2946, S. 24 und BT-Drs. 15/3483, S. 22. 408 Vgl. des § 357 Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 286 Abs. 3 BGB. Für eine dahingehende Regelung hatte sich bereits Reich, EuZW 1997, 581, 585 ausgesprochen. Während Reich allerdings scheinbar davon ausging, dass die Verzugsregelung die einzig denkbare, wirksame Maßnahme zur Sicherstellung einer schnellen Rückzahlung des Kaufpreises darstellt, nahm der deutsche Gesetzgeber an, auch eine andere Regelung treffen zu können; die Verzugsregelung ist lediglich aus Gründen der Zweckmäßigkeit gewählt worden, vgl. Ausführungen in BT-Drs. 14/2658, S. 19 zur 30-Tage-Frist des Art. 7 Abs. 2 Fernabsatz-RiL, auf die in BT-Drs. 14/2658, S. 47 im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht nach Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL verwiesen wird. 409 Siehe oben S. 115. 410 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 19/95 vom Rat, ABl. EG 1995 Nr. C 288 S. 1. 411 Vgl. Art. 11b (Änderung Nr. 30) der Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 26. Mai 1993, KOM(92) 0011, ABl. 1993 Nr. C 176 S. 85. 412 Vgl. Art. 8 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 15. November 1993, KOM(93) 396 endg., ABl. EG 1993 Nr. C 308 S. 18. 413 Siehe Fn. 410 (Abschnitt C.). 414 Gemäß Anmerkung vi) des Gemeinsamen Standpunktes (Fn. 410 [Abschnitt C.]) entspricht die Regelung des Art. 6 Abs. 2 S. 2 (jetzt: Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL), wonach die Rückzahlung „so bald wie möglich“ erfolgen soll, dem „Ziel der Änderung Nr. 30“ der Stellungnahme des Europäischen Parlaments (Fn. 411 [Abschnitt C.]), die die Einführung eines Garantiesystems für insolvenzbedingte Zahlungsausfälle vorsah.

II. Zielvorstellungen des deutschen Gesetzgebers

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nehmers zur Folge hat. 415 Der spanische Gesetzgeber hat für den Fall der nicht fristgerechten Rückzahlung des Kaufpreises ein den Unternehmer viel stärker belastendes Sanktionsmittel vorgesehen: Erhält der Verbraucher sein Geld nicht innerhalb von 30 Tagen zurück, schuldet ihm der Unternehmer gemäß Art. 44 Abs. 6 LOCM 416 den doppelten Betrag. Allein die Tatsache, dass sich ein anderer Mitgliedstaat für eine strengere Regelung entschieden hat, bedeutet allerdings nicht, dass die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Lösung nicht hinreichend abschreckend oder gar völlig ungeeignet ist. Grundsätzlich steht dem nationalen Gesetzgeber bei der Beurteilung der Wirksamkeit einer Sanktionsmaßnahme ein weiter Beurteilungsspielraum zu, 417 und es lässt sich nicht leugnen, dass die mit dem Verzugseintritt verbundenen Konsequenzen jedenfalls einen gewissen Druck auf den Unternehmer ausüben, den Kaufpreis rechtzeitig zurückzugewähren. Eine abschreckende Wirkung ist mit der Verzugsregelung aber nur dann verbunden, wenn gewährleistet ist, dass der Anbieter nach Ablauf der 30 Tage auch tatsächlich in Verzug gerät. (2) Vorliegen der Voraussetzungen des Verzugs Aufgrund der Tatsache, dass die Rückabwicklung der ausgetauschten Leistungen nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers Zug um Zug erfolgen soll, 418 steht dem Unternehmer ein Zurückbehaltungsrecht zu – dies schließt den Eintritt des Verzuges aus. 419 Da beide Rückforderungsansprüche in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, 420 gilt dies selbst dann, wenn der 415

Kritisch auch die Mitteilung der Kommission zur Umsetzung der Richtlinie 1997/ 7/EG, KOM(2006) 514 endgültig, S. 12: Dort wird beanstandet, dass die Frist von 30 Tagen in den deutschen Umsetzungsvorschriften nicht ausdrücklich genannt wird. Diese Kritik dürfte allerdings dadurch zu entkräften sein, dass in § 286 Abs. 3 BGB, auf den in § 357 Abs. 1 S. 2 BGB verwiesen wird, ausdrücklich auf die Frist von 30 Tagen abgestellt wird. 416 Siehe oben Fn. 295 (Abschnitt C.). 417 Nachweise oben in Fn. 216 (Abschnitt C.). 418 Das Recht, sich auf § 320 BGB zu berufen, ergibt sich aus § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 348 S. 2 BGB; siehe auch Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 59. 419 Schon das Bestehen der Einrede gemäß § 320 BGB schließt nach h.M. den Eintritt des Verzugs aus, ohne dass es einer Geltendmachung der Einrede bedarf, vgl. BGH, NJW 1999, 53; NJW-RR 2003, 1318, 1319; Palandt / Heinrichs, § 286 Rn. 13; Alpmann, jurisPK-BGB, § 286 Rn. 9; Bamberger / Roth / Unberath, § 286 Rn. 13; MünchKommBGB / Ernst, § 286 Rn. 23; allgemein zum Eintritt des Verzuges bei Bestehen einer Einrede siehe Larenz, SchuldR I, § 23 I c; speziell zum Schuldnerverzug bei Rückgewähr des Kaufpreises nach Widerruf bereits Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 205. 420 Dieses Abhängigkeitsverhältnis ergibt sich aus dem in § 348 S. 2 BGB enthaltenen Verweis auf § 320 BGB.

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Anbieter die Einrede nicht ausdrücklich erhoben hat. 421 Dies bedeutet, dass der Unternehmer trotz Ablauf der 30-Tages-Frist grundsätzlich nicht in Verzug gerät, es sei denn, der Verbraucher ist entweder in Vorleistung gegangen oder hat dem Unternehmer die Rückgabe der Ware zumindest in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. 422 Für den Verbraucher bedeutet dies, dass er die Ware – wenn er den Unternehmer in Verzug setzen will – zum Unternehmer transportieren muss. 423 Zur Herbeiführung des Annahmeverzuges ist es zwar nicht erforderlich, dass der Kaufgegenstand dem Unternehmer übergeben wird. Der Verbraucher muss die von ihm geschuldete Leistung gemäß § 294 BGB aber so anbieten, dass der Gläubiger bzw. Unternehmer sie nur noch anzunehmen braucht. Qualifiziert man die Verpflichtung des Verbrauchers, die Ware an den Anbieter zurückzusenden, mit der ganz h.M. als Schickschuld, 424 liegt ein „Angebot“ im Sinne des Gesetzes daher erst dann vor, wenn die Sache beim Unternehmer angeliefert wird, so dass die Erfüllung nur noch davon abhängt, dass dieser darauf zugreift. 425 Der Eintritt der Verzugsfolgen setzt also in jedem Fall ein Tätigwerden des Verbrauchers voraus – dies allein ist Anlass genug, daran zu zweifeln, ob die Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers mit Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL vereinbar ist. Schließlich macht diese Regelung die Pflicht zur rechtzeitigen Rückzahlung nicht von einem entsprechenden Verhalten des Verbrauchers abhängig. Angesichts der hohen gesetzlichen Anforderungen für den Verzugseintritt – zu beachten ist insbesondere auch das Verschuldenserfordernis – ist zudem zu befürchten, dass es zahlreiche Fälle geben wird, in denen sich der Unternehmer auch nach Ablauf der 30-Tages-Frist nicht im Verzug befindet. Die nicht fristgerechte Rückzahlung des Kaufpreises durch den Anbieter bliebe für diesen dann ohne Folgen. 426

421 Zu dem Auswirkungen des Zurückbehaltungsrechts aus § 348 S. 2 i.V. m. § 320 BGB auf den Schuldnerverzug siehe Faust, jurisPK-BGB, § 348 Rn. 10 sowie Staudinger / Kaiser, § 348 Rn. 12. 422 Vgl. Faust, jurisPK-BGB, § 348 Rn. 10. 423 Kritisch hierzu Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 207. 424 Vgl. LG Kleve, NJW-RR 2003, 196; Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 207; Palandt / Grüneberg, § 357 Rn. 5; Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 9; Bamberger / Roth / Grothe, § 357 Rn. 6; H. Roth, JZ 2000, 1013, 1018. 425 Vgl. Staudinger / Löwisch, § 294 Rn. 14. 426 Zwar kann der Unternehmer gemäß § 348 S. 2 i.V. m. § 320 BGB auch seinen eigenen Anspruch auf Rückgewähr der Ware nicht durchsetzen, solange er nicht bereit ist, seine eigene Leistung zu erbringen. Dies führt im Hinblick auf die in der FernabsatzRiL enthaltenen zeitlichen Vorgaben für die Rückabwicklung aber zu keiner anderen Bewertung, da das Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts auf Seiten des Verbrauchers keinen Einfluss darauf hat, ob der Unternehmer seine Rückgewährpflicht innerhalb der Frist von 30 Tagen erfüllt; das Zurückbehaltungsrecht stellt lediglich ein Mittel dar,

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Der Verzug wäre folglich nur dann als wirksames Mittel zur Durchsetzung der 30-Tages-Frist anzusehen, wenn auf das Vorliegen der weiteren Verzugsvoraussetzungen, insbesondere auf das Erfordernis der Einredefreiheit des Rückzahlungsanspruchs, verzichtet werden könnte und der Eintritt der Verzugsfolgen nur vom Ablauf der Frist von 30 Tagen abhinge. Eine dahingehende Lösung widerspräche aber dem aus der Gesetzgebungsgeschichte ablesbaren Willen des deutschen Gesetzgebers: Angesichts des Wortlauts des ursprünglichen Gesetzentwurfs, der in § 361a Abs. 2 S. 2 BGB anordnete, dass der Unternehmer „mit seiner Erstattungspflicht spätestens 30 Tage nach Zugang der Erklärung des Verbrauchers nach § 349 in Verzug“ kommt, 427 wäre es vertretbar gewesen, in dem Fristablauf die einzige Voraussetzung für den Eintritt des Verzuges zu sehen. 428 Diese Regelung wurde aber noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren auf Empfehlung des Rechtsauschusses 429 geändert und durch einen in § 357 Abs. 1 S. 2 BGB aufgenommenen Verweis auf § 284 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. (jetzt: § 286 Abs. 3 S. 1 BGB) ersetzt. 430 Danach entfällt aber lediglich das Erfordernis einer Mahnung – die sonstigen Erfordernisse des Verzugs müssen vorliegen. 431 Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen des Verweises auf § 284 Abs. 3 S. 1 BGB nur auf einen Teil der dort geregelten Verzugsvoraussetzungen Bezug genommen werden sollte und es insbesondere nicht auf die Einredefreiheit des Rückzahlungsanspruchs ankommen soll. 432 Zum einen kann dem Wortlaut des § 361a Abs. 2 S. 2 BGB a.F. (jetzt: § 357 Abs. 1 S. 2 BGB) keine solche Einschränkung entnommen werden. Zum anderen macht die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, in der die Änderung des ursprünglichen Gesetzesentum überhaupt einen gewissen Druck auf den Unternehmer auszuüben, den Kaufpreis zurückzuzahlen (zum Zweck des § 320 BGB vgl. MünchKommBGB / Emmerich, § 320 Rn. 2). Es besteht zudem völlig unabhängig davon, wie viele Tage seit der Erklärung des Widerrufs bereits verstrichen sind. 427 Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Drs. 14/2658, S. 6. 428 So ist zu erklären, dass Roth / Götz, RIW 1999, 924, 929 ohne weitere Begründung davon ausgehen, dass der Unternehmer unabhängig davon in Verzug gerät, „ob ein Angebot des Verbrauchers zur Rückgabe der Sache vorliegt“. 429 Siehe BT-Drs. 14/3195, S. 9. 430 Siehe Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages zum Gesetz über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Drs. 237/00, S. 5. 431 Gemäß der Beschlussempfehlung des Rechtsauschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, BT-Drs. 14/2752, S. 11, sollte durch die Einführung des § 284 Abs. 3 BGB an den übrigen Voraussetzungen des Verzugs nichts geändert werden. Dies sollte insbesondere auch für die Frage gelten, „ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Einrede nach § 320 BGB den Verzugseintritt ausschließt“. 432 Anders Gaertner / Gierschmann, DB 2000, 1601, 1605, die auch angesichts des in § 361a Abs. 2 S. 2 BGB a.F. enthaltenen Verweises auf § 284 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. davon ausgehen, dass der Unternehmer nach Ablauf von 30 Tagen auch dann in Verzug gerät, wenn er selbst die Ware vom Verbraucher noch nicht zurückerhalten hat.

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wurfs und die Bezugnahme auf § 284 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. vorgeschlagen wird, hinreichend deutlich, dass es die einzige Aufgabe der Verweisungsvorschrift ist, den Beginn der 30-Tages-Frist abweichend vom Verzugsrecht zu bestimmen. 433 Ohne das Erfordernis, einen anderen Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn finden zu müssen, hätte die Regelung nach Auffassung des Rechtsausschusses nämlich vollständig gestrichen werden können. 434 Dies kann nur bedeuten, dass sich die übrigen Voraussetzungen und Rechtsfolgen bei Versäumen der 30-tägigen Rückzahlungsfrist nach Vorstellung des deutschen Gesetzgebers unmittelbar aus § 284 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. (jetzt: § 286 Abs. 3 S. 1 BGB) ergeben sollen. 435 Folglich kann der Unternehmer nicht in Schuldnerverzug geraten, solange ihm die Einrede des nicht erfüllten Vertrages zusteht. 436 (3) Ergebnis: Verzugsregelung keine hinreichend effektive Maßnahme Da somit nicht in allen Fällen gewährleistet ist, dass der Unternehmer 30 Tage nach Empfang der Widerrufserklärung in Verzug gerät, stellt der Rückgriff auf die Vorschriften des Schuldnerverzugs nach hier vertretener Ansicht keine hinreichend effektive Maßnahme dar, um eine schnelle Rückzahlung des Kaufpreises sicher zu stellen. Der deutsche Gesetzgeber ist daher angehalten, entweder dafür Sorge zu tragen, dass mit Ablauf der 30-Tage-Frist in jedem Fall Verzug eintritt oder eine andere Sanktionsmaßnahme in das Gesetz aufzunehmen. Die vorliegende Regelung wird den Vorgaben der Fernabsatz-RiL jedenfalls nicht gerecht. Der DCFR kann insoweit allerdings auch nicht als Beispiel herangezogen werden: Dort ist zwar ausdrücklich geregelt, dass die Rückzahlung innerhalb von 30 Tagen erfolgen muss. An das Versäumen dieser Frist werden aber keine Sanktionen geknüpft.

433 Im Anwendungsbereich der Widerrufsrechte kommt es für den Fristbeginn – anders als in § 284 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. geregelt – nicht auf den Zugang einer Zahlungsaufforderung, sondern den Empfang der Widerrufserklärung an. 434 Wörtlich heißt es in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Drs. 14/3195, S. 33: „Eine vollständige Streichung kommt nicht in Betracht, da die Frist zur Rückzahlung an den Verbraucher nicht erst mit einer Zahlungsaufforderung, sondern schon mit dem Widerruf beginnen muss“. 435 Sollte es sich dennoch so verhalten, dass der Gesetzgeber auf das Erfordernis der Einredefreiheit des Rückzahlungsanspruchs verzichten wollte, dürfte es insoweit jedenfalls an einer hinreichend klaren Umsetzung fehlen, die es den Begünstigten ermöglicht, von ihren Rechten Kenntnis zu nehmen, dazu oben S. 78. 436 Hierauf haben bereits Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 205 hingewiesen.

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ee) Kosten der Rücksendung der Ware Neben der an anderer Stelle 437 erörterten Frage, wer bei der Rücksendung der Ware die Transportgefahr zu tragen hat, ist im Rahmen der Rückabwicklung von besonderer Bedeutung, auf wessen Kosten der Versand erfolgt. Hierzu hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL eine Aussage getroffen, wonach die Kosten der Rücksendung dem Verbraucher „auferlegt werden können“. Diese Formulierung lässt erkennen, dass dem nationalen Gesetzgeber ein mehrfaches Wahlrecht zustehen soll: Er kann zum einen selbst verbindlich regeln, wer die Kosten des Versands zu tragen hat und diese dabei nach eigenem Ermessen zwischen Anbieter und Verbraucher verteilen. Zum anderen könnte die Verteilung der Kosten den Vertragsparteien überlassen werden, um so den Anbietern die Möglichkeit zu eröffnen, sich durch eine für die Verbraucher attraktive Rückabwicklungsregelung von ihren Wettbewerbern zu unterscheiden. Insgesamt ist den Mitgliedstaaten an dieser Stelle also ein großer Gestaltungsspielraum eingeräumt worden. Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 357 Abs. 2 S. 2 BGB entschlossen, die Versandkosten grundsätzlich dem Unternehmer aufzuerlegen und nur dann, wenn der Preis der zurückzusendenden Sache 40 Euro nicht übersteigt, 438 eine vertragliche Abwälzung dieser Kosten auf den Verbraucher zuzulassen. (1) Kritik an Belastung des Unternehmers mit Rücksendekosten Obwohl diese Regelung nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Fernabsatz-RiL steht, ist sie im Hinblick auf die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL zu kritisieren. Die Regelung mag zwar auf den ersten Blick besonders verbraucherfreundlich erscheinen, da sie dem Verbraucher prinzipiell eine kostenfreie Rückabwicklung des Vertrages ermöglicht. Eine solche Betrachtungsweise greift jedoch – wie Rühl 439 nachgewiesen hat – zu kurz: Zunächst kann schon daran gezweifelt werden, ob diese Regelung den Verbrauchern tatsächlich zum Vorteil gereicht. Denn die Anbieter werden sich gezwungen sehen, die Kosten der Rücksendung in ihre Verkaufspreise mit einzukalkulieren, so dass sie zumindest mittelbar doch von den Verbrauchern getragen werden müssen. Die Entlastung des einzelnen, das Widerrufsrecht wahrnehmenden Verbrauchers erfolgt also auf Kosten der übrigen am Fernabsatzhandel teilnehmenden Verbraucher. Im Ergebnis stünde eine solche Lösung daher nur dann im Einklang mit der Zielsetzung der Fernabsatz-RiL, wenn diese vorrangig dem Schutz der Interessen des 437

Siehe unten S. 220. Vgl. § 357 Abs. 2 S. 3 BGB: danach kommt eine Abwälzung der Rücksendekosten auf den Verbraucher außerdem auch dann in Betracht, wenn dieser die Gegenleistung oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht hat. 439 Rühl, EuZW 2005, 199, 200 f. 438

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einzelnen Verbrauchers zu dienen bestimmt ist. Tatsächlich war der Fokus des Gemeinschaftsgesetzgebers aber darauf gerichtet, das allgemeine Verbrauchervertrauen zu stärken. 440 Vor diesem Hintergrund scheint mit einer Kostenregelung, die den Einzelnen entlastet, aber eine gleichmäßige Belastung aller Verbraucher zur Folge hat, wenig gewonnen. Betrachtet man die Anbieterseite, erweist sich eine solche Kostenregelung im Hinblick auf das Richtlinienziel – die Verwirklichung des Binnenmarktes – ebenfalls als wenig förderlich. Während es nach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers eigentlich zu einem Abbau von Wettbewerbshindernissen kommen soll, die auf den unterschiedlichen nationalen Verbraucherschutzvorschriften beruhen, 441 ist die Belastung der Anbieter mit den Kosten der Rücksendung gerade geeignet, den Wettbewerb im Versandhandel zu beeinträchtigen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Unternehmen mit einem kleineren Umsatz größere Probleme haben werden, die Versandkosten zu kompensieren, und ihre Preise daher stärker anheben müssen als Anbieter mit hohen Umsatzzahlen; dies kann die Konkurrenzfähigkeit der kleineren Versandhäuser beeinträchtigen. 442 Hierbei handelt es sich zwar nicht um die Folgen einer auf unterschiedlichen nationalen Rechtsregeln beruhenden Wettbewerbsverzerrung, auf deren Beseitigung die Fernabsatz-RiL eigentlich abzielt. Daher kann auch kein unmittelbarer Widerspruch zur Zielsetzung der Richtlinie feststellt werden. Dennoch steht die angesichts der Kostentragungsregel drohende faktische Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Widerspruch zu der Intention des Gemeinschaftsgesetzgebers, den Versandhandel als Mittel zur Verwirklichung des Binnenmarktes zu fördern. Dies wurde aber letztendlich in Kauf genommen, als man sich entschlossen hat, die Regelung der Kostentragung den Mitgliedstaaten zu überlassen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber der Auffassung war, die Verteilung der Rücksendekosten werde – auch wenn sie zulasten der Unternehmer erfolgt – keinen entscheidenden Einfluss auf die Erreichung der Richtlinienziele haben. Diese Einschätzung ist trotz der hier geäußerten Bedenken zu respektieren. (2) Übernahme der erhöhten Rücksendekosten bei Verbringung der Ware an einen anderen Ort durch den Verbraucher Zu klären bleibt die Frage, wer die zusätzlichen Kosten zu tragen hat, die dadurch entstehen, dass der Verbraucher die Ware zwischenzeitlich an einen anderen Ort verbracht hat. Die Fernabsatz-RiL trifft für diesen Fall keine ausdrückliche Regelung. Es widerspricht aber dem auch im Europäischen Privat440 441 442

Siehe oben S. 67. Vgl. Erwägungsgrund 4 der Fernabsatz-RiL. Rühl, EuZW 2005, 199, 200.

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recht Geltung beanspruchenden Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme, 443 wenn der Verbraucher den erworbenen Gegenstand in Kenntnis des Widerrufsrechts an einen anderen Ort verbringt und dadurch bewusst – die mögliche Rückgabeverpflichtung vor Augen – zusätzliche Kosten verursacht. 444 Daher muss der Verbraucher diese über die regelmäßigen Kosten hinausgehenden Belastungen nach hier vertretener Auffassung selber tragen, auch wenn im Übrigen der Unternehmer zur Übernahme der Versandkosten verpflichtet ist. 445 Dies gilt nur dann nicht, wenn er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, da er dann auch nicht mit der Rücksendung der Ware rechnen musste. (3) Anspruch des Verbrauchers auf Zahlung eines Vorschusses Im Hinblick auf die in der Literatur diskutierte Frage, ob dem Verbraucher angesichts der Kostentragungspflicht des Unternehmers ein Vorschussanspruch eingeräumt werden muss 446 oder ob von ihm verlangt werden kann, die Kosten des Versandes zunächst auszulegen, 447 ist anzumerken, dass sich jedenfalls aus der Fernabsatz-RiL kein Anspruch auf eine solche Vorschusszahlung ergibt. Zwar trägt der Verbraucher – wenn er die Rücksendekosten auslegen muss – das Insolvenzrisiko. 448 Vor dem Hintergrund, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber im Laufe des Rechtssetzungsverfahrens entschlossen hat, auf die Schaffung eines Garantiesystems für insolvenzbedingte Zahlungsausfälle zu verzichten, 449 kann allerdings davon ausgegangen werden, dass der Schutz vor der Zahlungsun443 Dazu, dass der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme auch im Europäischen Privatrecht Geltung beansprucht, siehe unten S. 181 ff. 444 Relevant wird dies ohnehin erst bei einem Verbringen der Ware in einen anderen Mitgliedstaat, da die großen in Deutschland tätigen Paketdienste – Deutsche Post AG (DHL), Deutscher Paketdienst (DPD), United Parcel Service (UPS), Hermes Versand, German Parcel (GLP) – die Höhe der Versandkosten bei einem Versand innerhalb Deutschlands nicht von der Entfernung abhängig machen. 445 Etwas anderes mag gelten, wenn die Ware vom Verbraucher bestimmungsgemäß an einen anderen Ort verbracht wurde. Da dies aber eine entsprechende (zumindest konkludente) Abrede zwischen den Vertragsparteien voraussetzt, wird ein solcher Fall nur äußerst selten vorkommen; grundsätzlich a. A. Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 56. 446 In diesem Sinne Bülow / Artz, NJW 2000, 2049, 2052; Wildemann, jurisPK-BGB, § 357 Rn. 27. 447 Gegen einen Vorschussanspruch Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 887; H. Roth, JZ 2000, 1013, 1018; beachte auch Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 55 sowie MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 17, die einen Anspruch auf Kostenvorschuss mit der Begründung ablehnen, dass der Verbraucher die Möglichkeit habe, die Ware unfrei zurückzusenden – dazu unten S. 183. 448 Vgl. Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1341. 449 Vgl. Anmerkung vi) des Gemeinsamen Standpunktes (Fn. 410 [Abschnitt C.]), wonach die Einrichtung eines solches Garantiesystems, das sich auf „alle Verpflichtungen des Lieferers“ – also auch auf die Pflicht zur Erstattung der Rücksendekosten – beziehen

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fähigkeit des Anbieters – solange es nicht um die Rückzahlung des Kaufpreises geht 450 – nicht Gegenstand der Fernabsatz-RiL ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Verbraucher nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL verpflichtet werden kann, die Kosten der Rücksendung selbst zu tragen. Dann muss es erst recht möglich sein, ihn mit dem Risiko zu belasten, die vom ihm verauslagten Rücksendekosten ggf. nicht zurückzuerhalten. Im Übrigen wäre ein Vorschussanspruch auch nur schwer mit dem Recht des Verbrauchers zu vereinbaren, den Widerruf konkludent durch das Zurücksenden der Ware zu erklären. 451 Denn um den Kostenvorschuss geltend zu machen, müsste der Verbraucher seine Absicht, die Ware zurückzusenden, vorher anzeigen. Auf diese Weise würde die an sich mit dem konkludenten Widerruf verbundene Erleichterung, die gerade darin besteht, außer dem Versand der Ware nichts weiter veranlassen zu müssen, entfallen. Zudem verbliebe die empfangene Ware bis zum Eingang des Vorschusses und somit länger als nötig in seinem Besitz, was das Risiko einer Beschädigung oder einer Zerstörung der Ware, für die der Verbraucher ggf. einstehen muss, 452 erhöht. Ein Vorschussanspruch wäre also nicht nur mit Vorteilen für den Konsumenten verbunden; daher scheint die Gewährung eines solchen Zahlungsanspruchs aus Sicht der Verbraucher auch nicht erforderlich. Die Frage, ob die Mitgliedstaaten unter Berufung auf Art. 14 FernabsatzRiL trotzdem berechtigt wären, eine entsprechende Vorschusspflicht des Unternehmers vorzusehen, kann dahinstehen, da jedenfalls der deutsche Gesetzgeber keine solche Regelung getroffen hat. ff) Weitere Vorgaben für die Rücksendung der Ware Die bisher untersuchten Rückgewährregelungen des deutschen Fernabsatzrechts entsprechen den Vorgaben der Fernabsatz-RiL. Im Zusammenhang mit muss, Aufgabe der betroffenen Berufskreise ist und daher nicht in der Fernabsatz-RiL geregelt werden soll; siehe auch die Empfehlung der Kommission vom 7. April 1992 über die Verhaltenscodices zum Verbraucherschutz bei Vertragsschlüssen im Fernabsatz, 92/295/EWG: Dort wird den Berufsvereinigungen von Lieferern empfohlen, sich Verhaltenscodices zu geben, die u. a. Regelungen zur finanziellen Absicherung der Verbraucher enthalten sollen; zu der in der Folge eingeführten „Trusted-Shops Garantie“ siehe Stolte, Versandhandel, S. 235. 450 Vor einem insolvenzbedingten Verlust des Rückzahlungsanspruchs soll der Verbraucher durch die Verpflichtung des Unternehmers aus Art. 6 Abs. 2 S. 3 FernabsatzRiL, wonach die Vorauszahlungen des Verbrauchers innerhalb von 30 Tagen zu erstatten sind, geschützt werden, vgl. Anmerkung vi) des Gemeinsamen Standpunktes (Fn. 410 [Abschnitt C.]); siehe auch oben Fn. 414 (Abschnitt C.). 451 Hierzu oben S. 143. 452 Dazu unten S. 211 ff.

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der Rückabwicklung stellen sich aber noch weitere Fragen, die in der Richtlinie selbst nicht ausdrücklich geregelt sind. Sie zu beantworten, bleibt daher grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen. (1) Wahl eines bestimmten Versandwegs Im Zusammenhang mit der Verteilung der Kosten der Rücksendung wird die Frage aufgeworfen, ob der Unternehmer – wenn er schon die Kosten übernehmen muss – dem Verbraucher zumindest Vorgaben hinsichtlich der Art des Versandes machen oder sogar die Wahl eines bestimmten Transporteurs vorschreiben kann (dazu unten (a)). Für den Fall, dass die Festlegung bestimmter Anforderungen an den Versand unzulässig sein sollte bzw. entsprechende Anweisungen nicht bestehen, ist weiter zu überlegen, ob der Verbraucher bei der Wahl der Versandart völlig frei ist oder ob er aus Gründen der Rücksichtnahme auf die Interessen des Unternehmers gewissen Einschränkungen unterliegt (dazu unten (b)). (a) Vorgaben des Unternehmers hinsichtlich des Versandwegs Grundsätzlich stehen dem Verbraucher alle Versandwege offen, um die Ware zu dem Anbieter zurückzubefördern. Der Unternehmer hat aber, insbesondere wenn er die Kosten des Versandes tragen muss, ein Interesse daran, dass der Verbraucher eine besonders kostengünstige Versandart oder eine bestimmte Transportperson, die sich z. B. als besonders zuverlässig erwiesen hat, 453 wählt. Daher wird er geneigt sein, dem Verbraucher eine bestimmte Art des Versandes vorzuschreiben bzw. zumindest nahe zu legen. Solche Versandhinweise des Anbieters sind unproblematisch, solange sie lediglich eine konkrete Möglichkeit der Rücksendung aufzeigen, ohne andere Versandarten auszuschließen. 454 Anders ist es zu bewerten, wenn für den Verbraucher der Eindruck entsteht, ihm stünde nur der vom Unternehmer aufgezeigte Versandweg offen oder bestimmte Versandarten seien vollständig ausgeschlossen. 455 Als problematisch kann sich dabei insbesondere die Beilage eines Retourescheins erweisen. Dieser erleichtert den Versand für den Verbraucher zwar zunächst, weil alle für die Rücksendung relevanten Informationen bereits aufgedruckt sind und sich somit das Ausfüllen eines Paketscheins erübrigt. 456 Auch 453 Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Unternehmer – wie gemäß § 357 Abs. 2 S. 2 BGB vorgesehen – auch die Transportgefahr tragen muss. 454 Vgl. Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1343. 455 So hat das OLG Hamburg, Beschl. v. 24. 01. 2008, Az: 3 W 7/08, entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung unzulässig ist, in der darauf hingewiesen wird, dass unfrei zurückgesandte Waren nicht entgegengenommen würden. 456 Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1342.

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entbindet es den Konsumenten davon, die Rücksendekosten auszulegen, da der Versand mittels Retourscheins auf Kosten des Anbieters erfolgt. 457 Zu einer Beeinträchtigung des Widerrufsrechts könnte es aber kommen, wenn der Verbraucher den Retoureschein aus Versehen verlegt oder verliert. Kommt er in diesem Fall (irrtümlich) zu dem Schluss, dass er die Ware nicht mehr zurücksenden kann und zögert er deshalb, sein Widerrufsrecht auszuüben, kann darin eine Beeinträchtigung der durch die Fernabsatz-RiL geschützten Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers gesehen werden. 458 Aber auch wenn die vom Unternehmer vorgeschlagene Art der Versendung noch technisch durchführbar ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie von den Verbrauchern aus irgendeinem Grund als ungünstig empfunden wird. Sofern die Verbraucher die Versandvorgaben des Anbieters in einem solchen Fall dahingehend interpretieren, dass eine andersartige Versendung der Ware ausgeschlossen ist, werden sie sich in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt fühlen. Ob dies der Fall ist, hängt letztendlich davon ab, wie der Unternehmer die Belehrung über die Rücksendemodalitäten gestaltet. Es besteht aber zumindest die potentielle Gefahr, dass eine Vielzahl von Verbrauchern durch missverständliche Versandangaben bei der Ausübung des Widerrufsrechts negativ beeinflusst wird. Daher ist darauf zu achten, dass der Hinweis auf eine bestimmte Rücksendemöglichkeit – z. B. durch Verwendung des Retourescheins – so gestaltet ist, dass sichergestellt ist, dass er als Empfehlung und nicht als Einschränkung der Versandmöglichkeiten verstanden wird. Ist diese Voraussetzung gewahrt, stellt ein entsprechender Hinweis keine Bedrohung für das allgemeine Verbrauchervertrauen dar, sondern dient vielmehr der Erleichterung der Rückabwicklung. Eine ausdrückliche Regelung dieser Frage findet sich in der deutschen Gesetzgebung nicht. Die Wahrung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers kann insoweit aber durch eine von der Rechtsprechung zu überwachende, richtlinienkonforme Auslegung des § 357 Abs. 2 BGB erreicht werden. (b) Pflicht zur Wahl eines günstigen Versandwegs Es ist dem Verbraucher nicht zumutbar, vor dem Rücksenden der Ware die Preise verschiedener Paketdienste miteinander zu vergleichen, nur um eine mög457

Vgl. Hinweise der Deutschen Post zum „Retourenpaket“, abrufbar unter http://www .dhl.de/dhl?xmlFile=1165 (Stand: September 2008). Sofern der Eindruck erweckt werden sollte, dass die Rücksendung nur dann kostenfrei ist, wenn der mitgeschickte Retourschein verwendet wird, ist dies ggf. nicht mit § 357 Abs. 2 S. 3 BGB vereinbar; ein Verstoß gegen die Vorgaben der Fernabsatz-RiL liegt dagegen nicht vor: Denn der Umstand, dass der Verbraucher die Kosten des Versandes ggf. selbst tragen muss, reicht nach Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht aus, um ihn von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. Anderenfalls dürfte Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL nicht ausdrücklich die Möglichkeit vorsehen, den Verbraucher mit ebendiesen Kosten zu belasten. 458 Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582.

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lichst günstige Versandart zu finden. Wollte man dies von den Verbrauchern verlangen, würde die Rückabwicklung durch den mit dem Preisvergleich verbundenen Aufwand unverhältnismäßig erschwert, was wiederum negativen Einfluss auf die Widerrufsbereitschaft der Konsumenten hätte. Trotzdem kann die Freiheit des Konsumenten bei der Wahl des Versandwegs auch nicht grenzenlos sein. Jedenfalls dann, wenn er eine unverhältnismäßig teure Art des Versandes wählt, scheint zweifelhaft, ob der Anbieter zur Übernahme der (vollen) Kosten verpflichtet werden kann. (aa) Begrenzung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers bei der Wahl des Versandweges Gegen eine Belastung des Unternehmers mit den überteuerten Versandkosten spricht zum einen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber bei den in Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL genannten „Kosten der Rücksendung“ nur an die regelmäßigen Versandkosten gedacht haben dürfte. 459 Dies lässt sich dem Wortlaut zwar nicht ausdrücklich entnehmen, ergibt sich aber aus dem Umstand, dass die Versendungskosten nach der Fernabsatz-RiL schließlich auch dem Verbraucher auferlegt werden können: Insoweit versteht sich von selbst, dass Mehrkosten, die durch eine vom Anbieter empfohlene, 460 besonders kostenintensive Rücksendung verursacht werden, auch vom diesem zu tragen sind und nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden können. 461 Dann muss aber auch im umgekehrten Fall – bei grundsätzlicher Kostentragungspflicht des Anbieters – gelten, dass dieser nur die gewöhnlichen Kosten des Versandes übernehmen muss. Zum anderen gilt auch im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das den Verbraucher verpflichtet, die berechtigten Interessen des Anbieters zu wahren. (bb) Das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Europäischen Privatrecht Dem Gemeinschaftsrecht lässt sich (noch) kein allgemeiner Grundsatz von Treu und Glauben entnehmen. 462 Einzelne Ausprägungen dieses Prinzips finden 459 Vgl. auch die deutsche Regelung des § 357 Abs. 2 S. 3 BGB, wonach dem Verbraucher auch nur die regelmäßigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden können. 460 Dass der Anbieter eine bestimmte Versandart nur empfehlen, nicht aber für alle Fälle verbindlich vorgeben kann, wurde bereits festgestellt, siehe S. 179. 461 In diesem Sinne wohl auch Bamberger / Roth / Grothe, § 357 Rn. 8; Palandt / Gründeberg, § 357 Rn. 6. 462 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 410 ff., Röthel, Konkretisierung von Generalklauseln, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 9, S. 213, 229; differen-

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sich jedoch in verschiedenen sekundärrechtlichen Regelungen, so auch in der Fernabsatz-RiL: Dort heißt es in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie, dass die vorvertraglichen Informationen unter Beachtung der „Grundsätze der Lauterkeit bei Handelsgeschäften“ erteilt werden sollen. Diese Formulierung deutet zwar auf eine wettbewerbsrechtliche Regelung hin – der Vergleich mit der englischen („the principles of good faith in commercial transactions“) und der spanischen Richtlinienfassung („los principios de buena fe en materia de transacciones comerciales“) macht jedoch deutlich, dass es eigentlich um die Wahrung des Prinzips von Treu und Glauben geht. 463 Bestätigt wird dies auch durch Betrachtung des Wortlauts von Art. 3 Abs. 2 F-Fernabsatz-RiL, wo es heißt, dass bei Erfüllung der Informationspflichten durch den Unternehmer „insbesondere der Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr ... zu wahren“ ist. Wegen der vergleichbaren Interessenlage muss dieser Grundsatz auch für den in der Fernabsatz-RiL geregelten Vertrieb von Waren und anderen Dienstleistungen gelten. 464 Nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 Fernabsatz-RiL bezieht sich das Gebot, die Grundsätze von Treu und Glauben zu wahren, allerdings nur auf die Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher die in Art. 4 Abs. 1 FernabsatzRiL genannten Informationen zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund bleibt unklar, ob auch der Verbraucher nach Treu und Glauben verpflichtet ist, auf die Interessen seines Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Hierfür spricht, dass das Gebot der Rücksichtnahme immer erst im Rahmen einer Sonderbeziehung bzw. eines Schuldverhältnisses zwischen mindestens zwei Personen Geltung beansprucht und ihm daher ein Element der Gegenseitigkeit innewohnt. 465 Aber auch wenn man aufgrund des Wortlauts der Fernabsatz-RiL davon ausgeht, dass sich aus der Richtlinie selbst keine Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme ergibt, bedeutet dies nicht, dass der Verbraucher auf die Intereszierend Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 131: Es sei unzweifelhaft, dass es den Grundsatz von Treu und Glauben auch im Gemeinschaftsrecht gebe; offen sei vielmehr nur, ob sich bereits ein eigener, europäischer Maßstab von Treu und Glauben entwickelt habe; vgl. auch Grünbuch der Kommission zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz, KOM(2006) 744 endg., Anhang I Ziff. 4.3 (S. 19): Dort wird die Frage aufgeworfen, ob in das zu schaffende „horizontale Instrument“ zum Verbraucherschutzrecht auch eine generalklauselartige Regelung des Gebots von Treu und Glauben aufgenommen werden soll. 463 So unter Hinweis auf die englische und französische Sprachfassung bereits Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, Rn. 558. 464 Zur Übertragbarkeit der Wertungen der F-Fernabsatz-RiL siehe bereits oben S. 152. 465 Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, Rn. 568 spricht in diesem Zusammenhang von der Verpflichtung zur wechselseitigen Rücksicht; auch Art. 1:201 der Principles of European Contract Law (Lando-Principles), abgedruckt in von Bar / Zimmermann (Hrsg.), Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, S. 110, 112 regeln eine Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme.

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sen des Unternehmers keine Rücksicht nehmen muss. Wie der EuGH entschieden hat, kann bei der Anwendung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts auch auf nationale Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben zurückgegriffen werden, solange die effektive und einheitliche Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften dadurch nicht gefährdet wird. 466 Eine solche Beeinträchtigung von Effektivität und Einheitlichkeit ist in der Regel nicht zu befürchten, wenn die konkrekte Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben – hier das Rücksichtnahmegebot – bereits auf Ebene des Gemeinschaftsrechts Anerkennung gefunden hat. 467 So liegt es hier: Der Gedanke der wechselseitigen Rücksichtnahme spiegelt sich z. B. in Art. 3 und 4 Handelsvertreterrichtlinie 468 und Art. 4 Pauschalreise-RiL wieder. 469 Folglich kann die im deutschen Recht in § 241 Abs. 2 BGB verankerte Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme 470 grundsätzlich auch im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL Geltung beanspruchen. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Anwendung des Rücksichtnahmegebots aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls zu einer Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der Fernabsatz-RiL führen würde. 471 (cc) Verstoß gegen Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme Wenn der Verbraucher unverhältnismäßig hohe Versandkosten verursacht und dadurch das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verletzt, kann er sich gegenüber dem Unternehmer schadensersatzpflichtig machen. 472 Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er sich des Umstands, dass der von ihm gewählte Versandweg mit besonders hohen Kosten verbunden ist, bewusst ist. Ohne entsprechende Kenntnis des Verbrauchers fehlt es am Element der Vorwerfbarkeit, dessen es bedarf, um ihn nach § 280 Abs. 1 i.V. m. § 241 Abs. 2 BGB für die entstandenen Mehrkosten haften zu lassen. 473 Allerdings kann der Verbraucher wegen des damit verbundenen Aufwands nicht zu Nachforschungen über die Versandkosten verpflichtet werden. Daher 466

EuGH v. 12. 05. 1998, Rs. C-367/96 (Kefalas), Slg. 1998, I-2843 Rn. 19 ff. Vgl. Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, Rn. 576. 468 Richtlinie des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (86/653/ EWG), ABl. EG 1986 Nr. L 382 S. 17. 469 Dazu auch Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, Rn. 568. 470 Zu Inhalt und Umfang dieser Rücksichtnahmepflichten siehe Staudinger / Olzen, § 241 Rn. 380 ff. 471 Vgl. Riesenhuber, Europ. Vertragsrecht, Rn. 576. 472 Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 55; zu weitgehend wohl Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 207, die einen Verstoß gegen § 242 BGB schon für den Fall annehmen wollen, dass sich der Verbraucher nicht der kostengünstigsten Sendungsart bedient. 473 Vgl. Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1343. 467

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empfiehlt es sich aus Sicht der Anbieter, entsprechende Hinweise in die dem Verbraucher ausgehändigten Unterlagen aufzunehmen, so z. B. die Bitte, wegen der damit verbundenen hohen Kosten auf eine unfreie Rücksendung der Ware 474 oder einen Versand per Nachnahme 475 zu verzichten. 476 Entscheidet sich der Verbraucher unter diesen Umständen trotzdem für eine der vom Anbieter angeführten, besonders teuren Versandarten, verstößt er vorsätzlich gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und macht sich daher im Hinblick auf die entstandenen Mehrkosten schadensersatzpflichtig. 477 Dies gilt nur dann nicht, wenn die Wahl einer günstigeren Versandart für den Verbraucher mit einem Mehraufwand verbunden ist, der dem Verbraucher nicht zumutbar ist, weil eine Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit droht. 478 Im Hinblick auf die unfreie Versendung der Ware bzw. den Versand per Nachnahme wird diese Voraussetzung jedoch regelmäßig nicht gegeben sein, da der Aufwand des Verbrauchers – Aufsuchen der nächsten Postfiliale und Ausfüllen eines Paketscheins – auch bei Versand mittels eines frankierten Paketes gleich bleibt. Hinzu kommt lediglich die Belastung, die Kosten des Versands vorfinanzieren zu müssen – dies kann dem Verbraucher aber, wie bereits gezeigt, 479 durchaus zugemutet werden, ohne dass eine Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit zu befürchten wäre. (2) Wahl einer bestimmten Transportverpackung Im Hinblick auf die Rücksendung ist weiter von Interesse, ob dem Verbraucher die Verwendung einer bestimmten Transportverpackung, z. B. der Originalverpa474 Das vom Empfänger einer unfreien Sendung zu zahlende Pauschalentgelt beträgt bei der DHL 12,00 Euro (Stand: September 2008) und ist damit bei Paketen bis 5 kg, die die Mehrzahl der Rücksendungen ausmachen dürften, nur unwesentlich günstiger als ein Versand per Nachnahme – die Versandkosten belaufen sich insoweit auf 12,50 Euro (vgl. nachfolgende Fußnote). Der Auffassung von Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 208, dass die unfreie Versendung eine im Vergleich zum Versand per Nachnahme kostengünstigere und daher in jedem Fall zulässige Alternative darstellt, kann daher nicht gefolgt werden. 475 Bei einem Versand per Nachnahme fallen neben den normalen Portokosten für das Paket (6,90 bis 9,90 Euro) Nachnahmegebühren in Höhe von 3,60 Euro sowie ein Übermittlungsentgelt von 2,00 Euro an (Stand: September 2008). 476 Nach Ansicht von Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1343 soll schon ein Hinweis auf eine „mögliche Erstattungspflicht bei Wahl eines unnötig teuren Versandwegs“ ausreichend sein. 477 Die nach nationalem Recht bestehenden Bestimmungen über Schadensersatz werden durch die Fernabsatz-RiL nicht berührt, vgl. Antwort der Kommission vom 03. 03. 1999 auf die Anfrage des österreichischen Bundeskanzleramtes hinsichtlich der korrekten Umsetzung der Fernabsatz-Richtlinie 97/7/EG, GZ: 901.480/2-VII / B/7/99. 478 Zur Frage des zumutbaren Mehraufwands auch Brönneke, MMR 2004, 127, 131. 479 Siehe oben S. 176 f.

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ckung, vorgegeben werden kann. Eine solche Anweisung könnte die Entschlussfreiheit des widerrufsberechtigten Verbrauchers beeinträchtigen, sofern dieser z. B. nicht mehr im Besitz der Originalverpackung ist 480 oder die gewünschte Verpackung aus seiner Sicht nur schwer zu beschaffen ist. Zwar ist das Widerrufsrecht in solchen Fällen nur dann unmittelbar betroffen, wenn der Widerruf – z. B. bei Vereinbarung eines Rückgaberechts gemäß § 356 BGB – gerade durch das Versenden der Ware erfolgen soll. 481 Aber auch in den Fällen, in denen es um die Rückgewähr des Kaufgegenstandes nach bereits erfolgtem Widerruf geht, kann die vorgeschriebene Nutzung einer bestimmten Verpackungsart bewirken, dass der betroffene Verbraucher im Hinblick auf die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung zögert, sein Widerrufsrecht auszuüben. Daher scheint es im Hinblick auf die Wirksamkeit des Widerrufsrechts geboten, solche Anweisungen des Anbieters als mit der Fernabsatz-RiL unvereinbar anzusehen, die von dem Verbraucher die Verwendung einer ganz bestimmten Transportverpackung fordern. Dabei gehen Auslegungszweifel gemäß § 305c Abs. 2 BGB 482 zulasten des Anbieters: Nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung muss z. B. selbst die Bitte, die Ware in der Originalverpackung zurückzusenden, nach Auffassung des OLG Hamm so verstanden werden, dass der Verbraucher in jedem Fall das vom Anbieter verwendete Versandmaterial benutzen muss, mit der Folge, dass eine solche Klausel unwirksam ist. 483 Dagegen ist unstreitig, dass der Verbraucher eine für den Rückversand geeignete Verpackung wählen muss, 484 weshalb ein dahingehender Hinweis des Anbieters unschädlich ist. 485 (3) Pflicht zur Aufbewahrung und Rücksendung der Produktverpackung Von der Problematik der Wahl einer bestimmten Transportverpackung zu unterscheiden ist die Frage, ob der Verbraucher zumindest zur Rückgabe der Ware in der mitgelieferten Produktverpackung verpflichtet ist. 486 Insoweit ist zu beachten, dass ein Weiterverkauf der zurückgesandten Ware ohne Produktverpackung nicht bzw. nur mit erheblichen Preisabschlägen möglich ist. Die Anbieter ha480

So das OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582. Dazu OLG Frankfurt / M., MMR 2006, 325, 326. 482 Da es sich bei einem Fernabsatzvertrag, der in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL fällt, um einen Verbrauchervertrag handelt, finden §§ 305 ff. BGB gemäß § 310 Abs. 2 BGB regelmäßig Anwendung. 483 Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582. 484 MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 16; die Kaufsache muss in einer gegen typische Transportgefahren geschützten Weise zurückgesandt werden, vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582. 485 Vgl. auch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 203. 486 Hierzu bereits Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1339. 481

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ben also ein erhebliches Interesse daran, dass sie ihre Waren in der originalen Produktverpackung zurückerhalten. Das Aufbewahren dieser Verpackung für die Zeit der Widerrufsfrist ist dem Verbraucher – sofern er über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist – auch zumutbar. 487 Schließlich wäre er bei Vereinbarung eines Umtausch- bzw. Rückgaberechts im Präsenzhandel ebenfalls verpflichtet, die Ware in der ursprünglichen Verpackung zurückzugeben. Da die FernabsatzRiL nur die Gleichstellung mit dem Präsenzhandel, nicht jedoch eine Besserstellung des Verbrauchers zum Ziel hat, 488 dürfen insoweit also die gleichen Anforderungen an den Verbraucher gestellt werden. 489 Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Verbraucher im Falle des Verlustes bzw. der Beschädigung der Produktverpackung gehindert wäre, sein Widerrufsrecht auszuüben. Soweit die Schadhaftigkeit der Verpackung auf das bloße Öffnen und Auspacken der Ware zurückzuführen ist (z. B. Beschädigung des Aufdrucks der Verpackung durch das Abreißen eines Klebebandes), ist ein solches Verhalten ohnehin noch von der Fernabsatz-RiL gedeckt: Der Verbraucher soll sich wie im Ladengeschäft einen Eindruck von der erworbenen Ware machen können, weshalb das Öffnen der Verpackung – z. B. um einen Blick in die Bedienungsanleitung werfen zu können – möglich sein muss. 490 Ist hierbei eine (leichte) Beschädigung der Produktverpackung unvermeidlich, geht dies zulasten des Anbieters. Aber auch bei einer unnötig starken Beschädigung oder dem Verlust der Produktverpackung ist das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen: Dieses besteht unabhängig davon, ob und in welcher Form die Rückabwicklung noch möglich ist; es kann sogar bei völligem Verlust der Ware selbst noch ausgeübt werden. 491 Der durch die beschädigte bzw. verloren gegangene Produktverpackung auf Seiten des Anbieters eingetretene Wertverlust ist vielmehr erst im Rahmen der Rückabwicklung vom Verbraucher auszugleichen und zwar im Wege des Wertersatzes nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB. 492 Zur Regelung

487 Das Urteil des OLG Hamm (Fn. 480 [Abschnitt C.]) steht der hier vertretenen Auffassung, dass dem Verbraucher zugemutet werden kann, die originale Produktverpackung aufzubewahren und wieder zu verwenden, nicht entgegen. Aus dem Hinweis des Gerichts, dass die Verpackung „gegen typische Transportgefahren“ schützen muss, ergibt sich nämlich, dass sich das Urteil des OLG Hamm nur auf die Transportverpackung, nicht jedoch auf die Produktverpackung bezog; a. A. wohl MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 16. 488 Siehe oben S. 66. 489 So im Ergebnis auch OLG Frankfurt, MDR 2006, 919, 920, wonach die Originalverpackung zu den „empfangenen Leistungen“ gehört, die gemäß § 346 Abs. 1 BGB zurückzugewähren sind. 490 Nicht mehr von Richtlinienzweck umfasst ist dagegen die testweise Ingebrauchnahme der Ware, vgl. dazu S. 206 ff. 491 Dazu oben S. 148; vgl. auch Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1340. 492 So bereits Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1341.

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eines entsprechenden Ersatzanspruchs ist der nationale Gesetzgeber gemäß Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL ermächtigt. Da der Verbraucher sein Widerrufsrecht weiterhin ausüben können soll, ist es wichtig, dass durch die vom Anbieter vorgenommene Belehrung nicht der falsche Eindruck entsteht, bei einer Beschädigung bzw. dem Verlust der Produktverpackung sei der Widerruf ausgeschlossen. 493 Es sollte vielmehr ausdrücklich klargestellt werden, dass das Widerrufsrecht in diesem Fall trotzdem ausgeübt werden kann. Zugleich darf aber der Hinweis erfolgen, dass die Produktverpackung möglichst aufgehoben werden sollte, da anderenfalls eine Wertersatzverpflichtung bestehen kann. c) Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen Der deutsche Gesetzgeber hat keine Bedenken dagegen, den Verbraucher nach § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB mit Wertersatzansprüchen zu belasten, wenn die Ware nach Empfang durch den Verbraucher beschädigt wird oder untergeht. Darüber hinaus soll der Verbraucher gemäß § 357 Abs. 3 S. 1 BGB sogar für den durch die erstmalige Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlust haften, wenn er vom Unternehmer bei Vertragsschluss ausdrücklich auf diese Rechtsfolge und darauf, wie er sie vermeiden kann, hingewiesen worden ist. Vor dem Hintergrund, dass die Fernabsatz-RiL in Art. 6 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 nur die Möglichkeit vorsieht, den Verbraucher mit den „Kosten der Rücksendung“ der Ware zu belasten, hat sich eine Kontroverse darüber entwickelt, ob eine Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen überhaupt zulässig ist. Besonders umstritten ist die Verpflichtung des Verbrauchers zum Ersatz des durch die Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlustes, da vielfach davon ausgegangen wird, dass das Recht zur (kostenlosen) Ingebrauchnahme der gelieferten Ware ein zentraler Bestandteil der Fernabsatz-RiL ist (dazu unten bb)). Aber auch die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehene Wertersatzverpflichtung bei Untergang oder Beschädigung der Ware ist vielfach kritisiert worden (dazu unten cc)). Bevor jedoch eine Auseinandersetzung mit der speziell auf diese Fragen ausgerichteten Kritik erfolgt, soll erörtert werden, ob eine Wertersatzverpflichtung nach Wortlaut, Systematik und Zielsetzung der FernabsatzRiL schon grundsätzlich nicht in Betracht kommt (dazu sogleich aa)).

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Eine solche Belehrung verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, vgl. OLG Frankfurt, MDR 2006, 919, 920.

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aa) Grundsätzliche Zulässigkeit der Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen (1) Die Betrachtung des Wortlauts („Kosten“) Aus der Regelung des Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL, wonach die „einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, [...] die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren“ sind, wird teilweise gefolgert, dass es dem nationalen Gesetzgeber generell untersagt sei, den Verbraucher mit Wertersatzpflichten zu belasten. 494 Insoweit ist aber schon zweifelhaft, ob die Verpflichtung zur Zahlung von Wertersatz überhaupt unter den Begriff der „Kosten“ gefasst werden kann. Als Begriff des Gemeinschaftsrechts ist die Bedeutung dieses Wortes autonom zu bestimmen. 495 Eine Definition findet sich in der Richtlinie nicht. Brönneke geht davon aus, dass mit den Kosten „finanzielle Lasten“ des Verbrauchers gemeint sind, denen „keine Bereicherung auf seiner Seite gegenübersteht“. 496 Legt man ein derartiges Verständnis des Kostenbegriffs zugrunde, wirkt sich dies auf die hier diskutierte Wertersatzverpflichtung des Verbrauchers wie folgt aus: Die Überlassung des Kaufgegenstandes zu Prüfzwecken bewirkt beim Verbraucher zunächst einen – jedenfalls vorübergehenden – Vermögenszuwachs. Daher stellt die Verpflichtung zur Zahlung von Wertersatz für einen Verlust oder die Verschlechterung der Ware bei saldierender Betrachtungsweise keine zusätzliche Belastung des Vermögens des Verbrauchers und somit keine „Kosten“ dar. Jedenfalls eine mit dem tatsächlichen Wertverlust korrespondierende 497 Wertersatzpflicht dürfte folglich mit dem Wortlaut der Fernabsatz-RiL vereinbar sein. 498 Zwingend ist eine dahingehende Auslegung allerdings nicht: Schinkels weist zu Recht darauf hin, dass der Richtlinienwortlaut letztendlich mehrdeutig ist. 499 So soll der Begriff der Kosten nach Ansicht von Pfeiffer so zu verstehen sein, dass er „alle diejenigen Rechnungspos494 Vgl. Franck, JR 2004, 45, 47; kritisch auch Hager, in: Ernst / Zimmermann (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 429, 448; Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 369; Brüggemeier / Reich, BB 2001, 213, 215; Artz, Jb.J.ZivRWiss. 2001, 227, 252; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 104; Thole, Widerrufsrecht, S. 100; MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 6; Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band III, A3 Rn. 85; differenzierend Rott, VuR 2001, 78, 80. 495 Siehe oben S. 33 f. 496 Brönneke, MMR 2004, 127, 132. 497 Zur Frage, wie es sich auswirkt, dass sich die Höhe der Wertersatzpflicht nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers nicht am objektiven Wert der Ware, sondern an der Höhe der vereinbarten Gegenleistung ausrichten soll, vgl. unten S. 217. 498 Der Umstand, dass der Verbraucher nach Untergang der Sache wieder „entreichert“ ist, kann an dieser Stelle keine Rolle spielen; dieser Aspekt ist im Folgenden unter dem Gesichtspunkt zu diskutieren, ob die Wertersatzpflicht gegen das Gebot der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie verstößt. 499 Vgl. Schinkels, ZGS 2005, 179.

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ten erfasst, die kein Gewinnelement enthalten“. 500 Letztlich lässt der Richtlinienwortlaut an dieser Stelle also keinen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers zu. Im Übrigen wurde schon darauf verwiesen, dass es der EuGH selbst in Fällen, in denen ein scheinbar eindeutiger Wortlaut vorliegt, nicht bei einer grammatikalischen Auslegung belässt, sondern weitere Auslegungskriterien heranzieht. 501 Da systematische Argumente, die Rückschlüsse auf die allgemeine Zulässigkeit von Wertersatzansprüchen zulassen, nicht ersichtlich sind, 502 ist im Folgenden auf die Rechtssetzungsgeschichte und auf die mit der Fernabsatz-RiL verfolgten Regelungsziele einzugehen. (2) Auswertung der Richtlinienhistorie Gegen die Zulässigkeit einer Wertersatzpflicht für die Verschlechterung oder den Untergang der Ware führt Kammerer die Entstehungsgeschichte der Fernabsatz-RiL an. 503 Er verweist darauf, dass die ursprünglich in Art. 11 Abs. 1 S. 1 des Geänderten Richtlinienvorschlags der Kommission vom 15. 11. 1993 504 enthaltene Regelung, wonach der Verbraucher zur Rücksendung des Erzeugnisses „in seinem Originalzustand“ verpflichtet sein sollte, nicht in die Fernabsatz-RiL übernommen wurde. Kammerer wertet diesen Umstand offenbar als Beleg dafür, dass der Verbraucher die Ware in jedem beliebigen Zustand zurücksenden kann, ohne Ersatzansprüche befürchten zu müssen. Dieser Rückschluss ist jedoch keinesfalls zwingend: Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass die in dem Richtlinienentwurf enthaltene Formulierung nur gestrichen wurde, um zu verhindern, dass die Mitgliedstaaten bzw. deren Gerichte den Wortlaut der Richtlinie falsch verstehen und dahingehend interpretieren, dass eine Rücksendung ausgeschlossen sein soll, sobald die Ware nicht mehr im Originalzustand zurückgewährt werden kann. 505 Die Streichung der betreffenden Worte kann jedenfalls nicht als klares Zeichen dafür gewertet werden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Willen hatte, den Verbraucher von allen Wertersatzansprüchen wegen Verschlechterung der Sache freizustellen. Ein Ersatzanspruch wegen des Untergangs 500

Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 51. Siehe oben S. 35. 502 Zu den systematischen Argumenten, die speziell den Ersatzanspruch für den mit der Ingebrauchnahme verbundenen Wertverlust betreffen, siehe unten S. 204. 503 Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 124. 504 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM(93) 396 endg., ABl. EG 1993 Nr. C 318 S. 18. 505 Die Gefahr, dass dem Richtlinienwortlaut diese Bedeutung beigemessen würde, wäre vor allem in England gegeben. Denn dort ist die Anfechtung eines Vertrages ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Anfechtungsberechtigte nicht mehr in der Lage ist, das Erlangte in seinem ursprünglichen Zustand herauszugeben, vgl. Hellwege, JZ 2005, 337, 339. 501

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oder des Verlustes der Sache wäre im Übrigen auch dann nicht ausgeschlossen, wenn man der Auffassung von Kammerer folgen wollte: Denn selbst wenn der Verbraucher die Ware in jedem beliebigen Zustand zurücksenden dürfte – die Verpflichtung, die Ware überhaupt zurückzuschicken, bliebe bestehen. Letztendlich lassen sich aus der Richtlinienhistorie also ebenfalls keine gesicherten Erkenntnisse darüber erzielen, ob eine Wertersatzverpflichtung des Verbrauchers zulässig ist oder nicht. Entscheidende Bedeutung muss daher der Frage zukommen, ob eine entsprechende Wertersatzpflicht generell geeignet ist, die Verbraucher von der Ausübung ihres Widerrufsrechts abzuhalten und so dessen praktische Wirksamkeit zu beeinträchtigen. (3) Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts Mit der Einräumung des Widerrufsrechts verfolgt der Gemeinschaftsgesetzgeber die Absicht, dem Verbraucher die Möglichkeit einzuräumen, seine Kaufentscheidung nach Erhalt der Ware noch einmal zu überdenken. Er soll sich bis zum Ablauf der Widerrufsfrist frei entscheiden können, ob er an dem Kaufvertrag festhalten will: Der Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Fernabsatz-RiL („ohne Strafzahlung“ und „einzige Kosten“) lässt die Intention des Gemeinschaftsgesetzgebers erkennen, dass der Verbraucher nicht durch irgendwelche mit dem Widerruf verbundenen Zahlungen davon abgehalten werden soll, sein Widerrufsrecht auszuüben. 506 Dies ergibt sich auch aus Erwägungsgrund 14 der Richtlinie, wonach verhindert werden soll, dass das Widerrufsrecht angesichts der drohenden Kostenlast zu einem rein „formalen Recht“ ohne praktische Bedeutung wird. Vor diesem Hintergrund erscheint zweifelhaft, ob eine den Verbraucher treffende Wertersatzverpflichtung mit der Zielsetzung der Fernabsatz-RiL vereinbar ist. Denn das Bewusstsein, im Fall des Widerrufs mit Wertersatzansprüchen belastet zu werden, könnte die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers beeinträchtigten; indirekt könnte sie den Verbraucher dazu zwingen, am Vertrag festzuhalten. 507 Diese Bedenken ließen sich dadurch ausräumen, dass man die Belastung des Verbrauchers mit derartigen Ansprüchen – wie von Teilen der Literatur gefordert wird 508 – von vornherein für ausgeschlossen hält. Allerdings ginge der 506 Ring, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt (Hrsg.), Neues Schuldrecht, S. 347, 362; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 103. 507 So bereits Huber / Faust, Schuldrechtsmodernisierung, § 19 Rn. 10; vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 882. 508 So Franck, JR 2004, 45, 47; Micklitz / Reich, BB 1999, 2093, 2095; Ring, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt (Hrsg.), Neues Schuldrecht, S. 347, 362; Tonner, BB 2000, 1413, 1416, Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 104; vgl. auch Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 371.

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vollständige Ausschluss von Wertersatzansprüchen mit einer erheblichen Belastung des Unternehmers einher: Dieser hätte die Folgen eines Wertverlustes stets allein zu tragen. Seinem Interesse entspricht es daher, den Verbraucher für den eingetretenen Wertverlust haften zu lassen. Indes ist unklar, inwieweit die Interessen des Unternehmers im Rahmen der auf den Schutz der Verbraucher ausgerichteten 509 Fernabsatz-RiL überhaupt Berücksichtigung finden können. Im Folgenden gilt es daher zu untersuchen, ob im Hinblick auf die Effektivität des Widerrufsrechts wirklich jede Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen ausgeschlossen ist (dazu unten (a)). Falls dies nicht der Fall ist, ist im Anschluss zu erörtern, ob es angesichts der – im Rahmen der Fernabsatz-RiL zu beachtenden – Interessen der Unternehmer zulässig erscheint, die Verbraucher zum Wertersatz zu verpflichten. Dies ist nicht der Fall, wenn eine Abwägung der unterschiedlichen Belange von Verbrauchern und Unternehmern ergibt, dass es die vorrangigen Interessen des Verbrauchers gebieten, die Folgen eines Wertverlustes in jedem Fall den Unternehmern aufzuerlegen (dazu unten (b)). (a) Verbot jedweder Belastung der Verbraucher mit Wertersatzansprüchen Eine drohende Wertersatzverpflichtung kann sich negativ auf die Bereitschaft des einzelnen Verbrauchers auswirken, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass jede Erschwerung des Widerrufs durch wirtschaftlich nachteilige Folgen ausgeschlossen ist. 510 Die Effektivität des Widerrufsrechts ist nur gefährdet, wenn es angesichts der mit dem Widerruf verbundenen, für den Verbraucher negativen Rechtsfolgen zu einem rein „formalen Recht“ ohne praktische Bedeutung wird. (aa) Nur einzelne Verbraucher von Wertersatzpflicht betroffen Zu beachten ist, dass die Wertersatzverpflichtung anders als Regelungen, die z. B. die Form oder die Frist des Widerrufs und somit die Ausübung des Widerrufsrechts betreffen, lediglich mittelbar Wirkung entfaltet: Die Gefahr, dass sie die Entscheidung des Verbrauchers, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, beeinflussen und auf diese Weise die Effektivität des Widerrufsrechts beeinträchtigen, ist daher grundsätzlich geringer, als bei Regelungen, die sich unmittelbar auf die Wirksamkeit des Widerrufs auswirken. Hinzu kommt, dass von der Wertersatzpflicht nur einzelne Verbraucher – die, bei denen die Ware 509

Siehe oben S. 66. In diesem Sinne Hager, in: Ernst / Zimmermann (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 429, 448; Ring, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt (Hrsg.), Neues Schuldrecht, S. 347, 362; Tonner, BB 2000, 1413, 1416; Micklitz / Reich, BB 1999, 2093, 2095. 510

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einen Wertverlust erleidet – betroffen sind, während z. B. die Form des Widerrufs von allen Verbrauchern zu beachten ist. Eine Regelung, die lediglich die Entscheidungsfreiheit einzelner Verbraucher beeinträchtigt, vermag jedoch das durch die Fernabsatz-RiL geschützte allgemeine Verbrauchervertrauen 511 und somit die Effektivität des Widerrufsrechts nicht ernsthaft zu gefährden. Dies ergibt sich auch aus der aktuellen Rechtsprechung des EuGH, die im Folgenden erörtert werden soll. (bb) Standpunkt des EuGH zur Belastung einzelner Verbraucher mit für sie ungünstigen Rechtsfolgenregelungen bei Haustürgeschäften Der EuGH hat in den Entscheidungen zu den sog. „Schrottimmobilien“ vom Oktober 2005, die die Anwendung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts nach der HTürW-RiL betrafen, 512 festgestellt, dass kein Verstoß gegen das Gebot der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie vorliegt, wenn der Verbraucher nach Ausübung des Widerrufsrechts gezwungen ist, das für die Finanzierung der Immobilie verwendete Darlehen sofort zurückzuzahlen sowie die marktüblichen Zinsen zu entrichten. Dies vermag auf den ersten Blick zu überraschen, da eine solche Regelung zur Folge hat, dass der Verbraucher – wie sich auch der EuGH bewusst ist 513 – im Falle des Widerrufs sogar schlechter steht als bei Fortbestehen des Vertrages: Während er das Darlehen vor Ausübung des Widerrufsrechts nur in monatlichen Raten begleichen muss, ist er nach Erklärung des Widerrufs zur sofortigen Zahlung des gesamten Darlehensbetrags verpflichtet. Angesichts dieser Konsequenzen ist die Ausübung des Widerrufsrechts für den Verbraucher hier nicht von Interesse; er wird im Zweifel auf sein Recht auf Widerruf des Vertrages verzichten. Dementsprechend haben die klagenden Verbraucher, das Ehepaar Schulte, in der Rechtssache C-350/03 geltend gemacht, dass eine Regelung, die den Verbraucher zur sofortigen Rückgewähr des Darlehens verpflichtet, nicht mit dem Schutzzweck des Widerrufsrechts – die Entlassung des Verbrauchers aus allen vertraglichen Verpflichtungen – vereinbar sei. 514 Auch das OLG Bremen sowie das LG Bochum haben in ihren an den EuGH gerichteten Vorlagebeschlüssen der Sorge Ausdruck verliehen, dass die Verpflichtung zur (sofortigen) Rückzahlung 511

Dazu bereits oben S. 67. EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 und EuGH v. 25. 10. 2005, Rs. 229/04 (Crailsheimer Volksbank eG / Conrads), Slg. 2005, I-9273. 513 EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 56. 514 EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 83. 512

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des Darlehens den Verbraucher von der Geltendmachung des ihm zustehenden Widerrufsrechts abhalten könnte. 515 Daher stünde eine solche Verpflichtung nicht im Einklang mit dem Gebot der Effektivität des Verbraucherschutzes. 516 Diese Bedenken hinsichtlich des „effet utile“ der Richtlinie werden vom EuGH jedoch nicht geteilt. Der Gerichtshof verweist auf Art. 5 Abs. 2 HTürW-RiL, der anordnet, dass der Verbraucher aus allen aus dem widerrufenden Vertrag erwachsenden Verpflichtungen zu entlassen ist. Dies bedeute sowohl für den Verbraucher selbst als auch für den Darlehensgeber eine „Wiederherstellung der ursprünglichen Situation“. 517 Daher stehe die Richtlinie weder der Verpflichtung zur sofortigen Rückzahlung des Darlehens noch der Verzinsungspflicht entgegen. 518 Selbst wenn die mit dem Widerruf verbundenen Rechtsfolgen im Einzelfall also „faktisch“ zum Ausschluss des Widerrufsrechts führen können, stellt dies nach Auffassung des EuGH – sofern es nur um die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, d. h. um die Rückgewähr der ausgetauschten Leistungen (zzgl. Nutzungen) geht – keinen Verstoß gegen den Grundsatz der praktischen Wirksamkeit einer Richtlinie dar. (cc) Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH auf Fernabsatzgeschäfte Die Feststellungen des EuGH können bei der hier zu beantwortenden Frage, ob die Verpflichtung des Verbrauchers zur Zahlung von Wertersatz wegen eines an der Ware oder durch den Verlust der Ware eingetretenen Wertverlustes mit der Fernabsatz-RiL vereinbar ist, nicht unberücksichtigt bleiben. Schließlich geht es auch bei der hier diskutierten Wertersatzpflicht um die Rückabwicklung des Vertrages, und Verbraucher und Unternehmer sind gemäß Art. 6 Abs. 2 Fernabsatz-RiL nach Erklärung des Widerrufs – wie im Rahmen der HTürWRiL – zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen und somit zur Wiederherstellung der ursprünglichen Situation verpflichtet. 519 Außerdem ist die Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs nach Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL wie im Anwendungsbereich der HTürW-RiL grundsätzlich 520 dem nationalen Gesetzge515 OLG Bremen, Vorlagebeschluss v. 27. 05. 2004 (2 U 20/02, 23/02, 53/02), NJW 2004, 2238, 2241; LG Bochum, Vorlagebeschluss v. 29. 07. 2003 (1 O 795/02), NJW 2003, 2612, 2615. 516 LG Bochum, NJW 2003, 2612, 2615. 517 EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 88. 518 EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 89, 93. 519 Siehe oben S. 65. 520 Wie weit die Gestaltungsmacht des nationalen Gesetzgebers, die im Bereich der Fernabsatz-RiL durch Art. 6 Abs. 2 und Erwägungsgrund 14 eine Beschränkung erfahren

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ber überlassen. Vor diesem Hintergrund scheint es gerechtfertigt, der Rechtsprechung des EuGH zur HTürW-RiL auch für die Beurteilung des Umfangs des von der Fernabsatz-RiL gewährten Verbraucherschutzes Bedeutung beizumessen. Wenn jedoch im Rahmen der HTürW-RiL noch nicht einmal der faktische Ausschluss des Widerrufsrechts zu einer Beeinträchtigung des Gebots der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie führt, kann im Bereich des Fernabsatzes nicht in jeder Erschwernis des Widerrufs durch die Rückabwicklungsregelungen ein Verstoß gegen den verbraucherschützenden Charakter der Fernabsatz-RiL gesehen werden. (dd) Ergebnis: Nicht jede Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen bedeutet Beeinträchtigung der Effektivität des Widerrufsrechts Durch die Rechtsprechung des EuGH wird die hier vertretene Auffassung bestätigt, wonach es im Hinblick auf die vom nationalen Gesetzgeber zu gewährleistende Effektivität des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL grundsätzlich unschädlich ist, wenn einzelne Verbraucher durch sie belastende Rückabwicklungsregelungen, die lediglich der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands dienen, von der Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten werden. Eine nationale Wertersatzregelung ist erst dann nicht mehr mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn die Mehrheit oder jedenfalls eine große Zahl von Verbrauchern von ihr betroffen sind und infolgedessen das allgemeine Verbrauchervertrauen beeinträchtigt wird. 521 Nur unter diesen Umständen droht auch ein allgemeiner Bedeutungsverlust des Widerrufsrechts mit der Folge, dass es als bloß „formales Recht“ i.S. von Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL angesehen werden muss. (b) Verstoß gegen das Gebot der Gewährleistung der vollständigen Wirksamkeit Aber auch wenn nur einzelne Verbraucher von einer Wertersatzpflicht betroffen sein werden und somit keine Beeinträchtigung des allgemeinen Verbrauchervertrauens droht, könnte in der Belastung der Verbraucher mit Wertersatzansprüchen eine Beeinträchtigung der Effektivität des Widerrufsrechts gesehen werden. Schließlich sind die Mitgliedstaaten nach Auffassung des EuGH angehalten, „zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus einer Richtlinie alle erforderlichen Maßnahmen [zu] ergreifen, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie gemäß ihrer hat, die sich so in der HTürW-RiL nicht findet, tatsächlich geht, wird im weiteren Gang der Darstellung noch zu untersuchen sein. 521 Ob angesichts der deutschen Wertersatzregelungen nur eine Belastung einzelner oder der Mehrheit der Verbraucher droht, ist im Rahmen der unten (siehe bb) und cc)) folgenden Untersuchung der einzelnen Wertersatzregelungen zu erörtern.

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Zielsetzung zu gewährleisten“. 522 Ein Verstoß gegen das Gebot einer effektiven Umsetzung liegt also nicht nur dann vor, wenn das Widerrufsrecht aufgrund des mit einer Rechtsfolgenregelung verbundenen Vertrauensverlustes zu einem rein formalen Recht zu werden droht, sondern bereits dann, wenn die vom Gemeinschaftsgesetzgeber angestrebte, vollständige Wirksamkeit gefährdet wird. Insoweit ist zu beachten, dass den Verbrauchern im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL ein „weitreichender Schutz“ gewährt werden soll. 523 Jedenfalls dann, wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Schaffung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL ausschließlich die Interessen der Verbraucher im Blick gehabt hätte, wäre daher davon auszugehen, dass der Verbraucher nicht mit Wertersatzansprüchen belastet werden dürfte. Dies würde allerdings bedeuten, dass die Unternehmer einen möglichen Wertverlust, den die Ware beim Verbraucher erleidet, stets selber tragen müssten. Schinkels verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es für den „effet utile“ der FernabsatzRiL nicht erforderlich sei, dass der Unternehmer die Folgen jeglichen exzessiven Gebrauchs durch den Verbraucher trägt. 524 Selbst Kammerer muss als Befürworter einer weitgehenden Befreiung des Verbrauchers von Wertersatzansprüchen einräumen, dass bei einem vollständigen Anspruchausschluss die Gefahr eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Verbrauchers bestünde, und plädiert im Ergebnis dafür, den Verbraucher für grob fahrlässig oder vorsätzlich verursachte Wertverluste haften zu lassen. 525 Das in diesen Äußerungen spürbar werdende Unbehagen darüber, dass die Interessen der Unternehmer völlig in den Hintergrund treten könnten, ist gerechtfertigt, da der Fernabsatz-RiL entnommen werden kann, dass auch die Unternehmerinteressen Berücksichtigung finden sollen. (aa) Bedeutung der Unternehmerinteressen im Bereich der Fernabsatz-RiL Tonner ist der Ansicht, die verbraucherschützenden Richtlinien seien lediglich Ausdruck einer Abwägung zwischen Binnenmarkt- und Verbraucherschutzzielen; Anhaltspunkte dafür, dass auch die Interessen der Anbieter Berücksichti522

EuGH v. 15. 10. 2005, Rs. C-350/03 (Schulte / Badenia AG), Slg. 2005, I-9215 Rn. 69; zum Gebot der Gewährleistung der vollständigen Wirksamkeit siehe auch bereits oben S. 77. 523 Vgl. EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn. 20. 524 Schinkels, ZGS 2005, 179, 180. 525 Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 124; dies ist nur konsequent: Denn es besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass der Verbraucher jedenfalls für die schuldhafte Beschädigung bzw. den Untergang der Sache Schadensersatz leisten muss (dazu unten S. 211 ff.), obwohl auch die Gefahr, Schadensersatz leisten zu müssen, eine abschreckende Wirkung auf den Verbraucher haben könnte.

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gung finden sollen, seien nicht vorhanden. 526 Vielmehr sei es – wie sich aus Art. 100a Abs. 3 EWGV a.F. (Art. 95 Abs. 3 EGV) ergebe – das Ziel des Richtlinienrechts, im Interesse des Binnenmarktes ein hohes Verbraucherschutzniveau zu etablieren. Diese Sichtweise lässt allerdings außer Betracht, dass sich der Binnenmarkt nur verwirklichen lässt, wenn die Anbieter auch bereit sind, ihre Produkte auf dem gemeinsamen Markt anzubieten. Daher darf die Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufsrechts nicht dazu führen, dass der Fernabsatz für die Unternehmer so unattraktiv wird, dass diese gänzlich auf diesen Vertriebsweg verzichten. Diese Gefahr wäre aber z. B. bei Fehlen einer Wertersatzpflicht für den mit der Ingebrauchnahme verbundenen Wertverlust zumindest in den Branchen, in denen die erstmalige Nutzung der Ware mit einem besonders starken Wertverlust verbunden ist, gegeben. 527 Denn da der Unternehmer gemäß Art. 7 Abs. 1 Fernabsatz-RiL zur Lieferung des Produktes verpflichtet ist, könnte er die Ingebrauchnahme anders als im Rahmen der HTürW-RiL nicht verhindern. 528 Folglich wäre er – da er die in Gebrauch genommene Ware regelmäßig nicht mehr als „neu“ und somit nur mit z.T. erheblichen Preisabschlägen weiterveräußern kann – gezwungen, entweder die Preise für seine Produkte insgesamt anzuheben, 529 um den im Fall des Widerrufs zu erwartenden Wertverlust ausgleichen zu können, oder ganz davon Abstand zu nehmen, seine Waren im Wege des Fernabsatzes zu vertreiben. Beides stünde im Widerspruch zu dem erklärten Ziel des Gemeinschaftsgesetzgebers, durch die Förderung des grenzüberschreitenden Fernabsatzes einen wichtigen Beitrag zur Vollendung des Binnenmarktes leisten zu wollen. Die Förderung des Binnenmarktes, die Ziel des Art. 100a EWGV a.F. bzw. Art. 95 EGV ist, 530 kann also nur erreicht werden, wenn den Interessen aller Marktbeteiligten Rechnung getragen wird. Dem steht der von Tonner ins Feld geführte Art. 100a Abs. 3 EWGV a.F. (Art. 95 Abs. 3 EGV), der lediglich auf die Verbraucherinteressen Bezug nimmt, nicht entgegen. Wie bereits festgestellt, 531 526

Tonner, JZ 2006, 400, 403. Der Gesetzgeber verweist in BT-Drs. 14/6040, S. 199 auf das Beispiel des Erwerbs einen Neuwagens, der allein durch die erstmalige Zulassung einen Wertverlust von etwa 20% erleide. 528 Darauf weist auch die Gesetzesbegründung hin, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 199; ebenso Lorenz, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 329, 350. 529 Dies wirkt sich mittelbar auch für die Verbraucher ungünstig aus und kann deren Interesse an der Nutzung des Vertriebswegs Fernabsatz schmälern; zum Problem der Abwälzung steigender Kosten der Anbieter auf die Verbraucher vgl. auch Rühl, EuZW 2005, 199, 200. 530 Vgl. Wortlaut des Art. 95 Abs. 1 S. 1 EGV: „Soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist, gilt abweichend von Artikel 94 für die Verwirklichung der Ziele des Artikels 14 die nachstehende Regelung“ (Hervorhebung durch den Autor); dazu auch bereits oben S. 67. 531 Siehe oben S. 49. 527

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soll diese Regelung lediglich gewährleisten, dass bei einer auf Art. 100a EWGV a.F. (jetzt Art. 95 EGV) gestützten Veränderung der Wettbewerbsbedingungen 532 innerhalb der Gemeinschaft auch den Interessen der Verbraucher als Marktteilnehmer ausreichend Rechnung getragen wird. Letztlich ist die Ermächtigungsgrundlage, auf die sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bei Erlass der FernabsatzRiL gestützt hat, also nicht Ausdruck einer einseitigen Orientierung an den Verbraucherinteressen, sondern kann als Beleg dafür angeführt werden, dass die Richtlinie zumindest auch den Interessen der Unternehmer dienen soll, die ihre Produkte im Fernabsatz vertreiben. Daher ist davon auszugehen, dass die Unternehmerinteressen bei der Umsetzung der Fernabsatz-RiL nicht vollständig in den Hintergrund treten sollen. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Interessen der Unternehmer zu berücksichtigen sind, lässt sich dem Gesetzgebungsverfahren entnehmen. So hatte die Kommission im Geänderten Richtlinienvorschlag vom 7. Oktober 1993 533 in Art. 8 eine Regelung zur „Finanziellen Sicherheit“ des Verbrauchers aufgenommen, wonach von dem Verbraucher vor der Lieferung des Erzeugnisses keine Zahlung verlangt werden konnte. Diese Regelung ist im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 29. Juni 1995 534 nicht übernommen worden, weil es nach Auffassung von Rat und Parlament angesichts „des Risikos für den Lieferer“ nicht zweckmäßig gewesen wäre, eine vorherige Bezahlung zu untersagen. Die drohende Beeinträchtigung der Interessen der Anbieter hat also dazu geführt, dass diese im Gesetzgebungsverfahren eingeführte, verbraucherfreundliche Regelung wieder gestrichen wurde. Insoweit lässt sich nicht leugnen, dass eine Abwägung der gegenläufigen Interessen von Verbrauchern und Unternehmern stattgefunden hat. Auch der EuGH hat inzwischen – in seiner ersten Entscheidung zur Fernabsatz-RiL – ausdrücklich festgestellt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber bei Erlass der Richtlinie auch den Interessen der Unternehmer Rechnung tragen wollte. In dem von ihm entschiedenen Fall ging es um die Reichweite der Ausnahmeregelung des Art. 3 Abs. 2, 2. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL: Der High Court of Justice (England & Wales) hatte dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob Automietverträge „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen [im

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Art. 100a Abs. 1 EWGV a.F. bzw. Art. 95 Abs. 1 EGV erfasst nicht nur die Schaffung verkehrserleichternder Maßnahmen, sondern auch die Beseitigung verkehrsbeschränkender bzw. wettbewerbsverzerrender Regelungen, vgl. Tietje, in: Grabitz / Hilf, Band II, Art. 95 EGV Rn. 18. 533 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz vom 7. Oktober 1993, KOM(93) 396 endg., ABl. EG 1993 Nr. C 308 S. 18. 534 Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 29. Juni 1995, ABl. EG 1995 Nr. C 288 S. 1.

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Bereich] Beförderung“ darstellen. 535 Nach Ansicht des EuGH legt der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2, 2. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL nahe, dass nicht nur die Beförderung von Personen und Waren, sondern auch das bloße „zur Verfügung Stellen“ eines Beförderungsmittels erfasst sein soll. 536 Danach würde die Bereichsausnahme auch für im Wege des Fernabsatzes geschlossene Automietverträge Geltung beanspruchen. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung 537 belässt es der Gerichtshof jedoch nicht bei einer nur am Wortlaut orientierten Auslegung; vielmehr müsse die Bedeutung des Begriffs der „Beförderung“ unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem er verwendet wird, und des mit der Regelung des Art. 3 Abs. 2, 2. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL verfolgten Ziels bestimmt werden. 538 Insoweit verweist der EuGH auf die Schlussanträge der Generalanwältin, 539 die im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausführlich erörtert, was den Gemeinschaftsgesetzgeber dazu bewogen hat, bestimmte Dienstanbieter von der Anwendung einiger Vorschriften der Fernabsatz-RiL – u. a. dem Widerrufsrecht nach Art. 6 – auszunehmen. Da es sich um Dienstleistungen handelt, bei denen der Anbieter im Hinblick auf die Bestellung gewisse Aufwendungen tätigen muss, die im Falle des Widerrufs nicht kompensiert werden könnten, kommt die Generalanwältin zu dem Schluss, dass der Grund der Regelung darin zu sehen sei, „den Dienstanbieter insbesondere vor kurzfristigen Abbestellungen einer bereits reservierten Leistung zu schützen“. 540 Die Vorschrift dient also – wie auch der EuGH im Anschluss an die Generalanwältin ausdrücklich feststellt 541 – der Berücksichtigung der Belange der Anbieter bestimmter Dienstleistungen. Diese sollen vor den unverhältnismäßigen Nachteilen bewahrt werden, die im Falle der kostenlosen Stornierung der Bestellung drohen. Nach Ansicht des Gerichtshofs steht daher fest, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Schaffung der Fernabsatzrichtlinie nicht nur den Schutz der Interessen der Verbraucher, die Fernkommunikationsmittel verwenden, sondern auch den Schutz der Interessen der Anbieter bestimmter Dienstleistungen vor Augen hatte. 542 Angesichts dieser Feststellung des EuGH – mag sie sich auch nur auf die Interessen der Anbieter einzelner 535 Ersuchen um Vorabentscheidung, vorgelegt mit Beschluss des High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, vom 21. Juli 2003 in dem Rechtsstreit EasyCar (UK) Ltd. gegen Office of Fair Trading, ABl. EG 2003 Nr. C 226 S. 12. 536 EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn. 24 ff. 537 Dazu bereits oben S. 33 f. 538 EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn. 21. 539 Schlussanträge der Frau Generalsanwalt Christine Stix-Hackl vom 11. 11. 2004, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 (Rn. 31 ff.). 540 Schlussanträge der Frau Generalsanwalt Christine Stix-Hackl vom 11. 11. 2004, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 (Rn. 40). 541 EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn. 28. 542 EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-336/03 (easycar / OFT), Slg. 2005, I-1947 Rn 28.

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Dienstleistungen beziehen – lässt sich nicht behaupten, dass die Unternehmerinteressen bei der Verabschiedung der Fernabsatz-RiL gar keine Rolle gespielt haben. Als Zwischenergebnis kann an dieser Stelle daher festgehalten werden, dass die Belange der Unternehmer bei Verabschiedung der Fernabsatz-RiL durchaus Berücksichtigung gefunden haben. Noch nicht geklärt ist damit aber, welche Bedeutung den Unternehmerinteressen bei der hier zu erörternden Verteilung des Risikos eines zwischenzeitlich eingetretenen Wertverlustes zukommen soll. Diese Frage kann nur mithilfe der Richtlinie selbst beantwortet werden. 543 Da es sich um eine Fragestellung handelt, die die Rückabwicklung nach Ausübung des Widerrufsrechts betrifft, ist im Folgenden zu untersuchen, in welcher Weise die Interessen der Unternehmer im Rahmen des Art. 6 Fernabsatz-RiL, der das Widerrufsrecht regelt, Niederschlag gefunden haben. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob der Richtlinie eine klare Aussage dazu zu entnehmen ist, welche Interessen im Rahmen der Rückabwicklung Vorrang genießen sollen. Danach bestimmt sich dann der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bei Schaffung der entsprechenden Umsetzungsvorschriften. (bb) Bedeutung der Unternehmerinteressen im Bereich des Widerrufsrechts Art. 6 Abs. 3 Fernabsatz-RiL sieht Ausnahmen vom Widerrufsrecht des Verbrauchers in Fällen vor, in denen der Widerruf für den Unternehmer mit besonderen Nachteilen verbunden wäre. So ist der Widerruf z. B. bei verderblichen Waren oder bei solchen Produkten ausgeschlossen, die nach den Vorstellungen des Verbrauchers gesondert angefertigt wurden. Diese Regelung soll den Unternehmer erkennbar davor schützen, nach dem Widerruf eine Ware zurücknehmen zu müssen, die aufgrund der speziell auf den Kunden zugeschnittenen Eigenschaften oder des Verlustes der Verwendbarkeit unverkäuflich geworden ist. Letztlich handelt es sich bei Art. 6 Abs. 3 Fernabsatz-RiL allerdings um eine Ausnahmeregelung, die – wie die Regelung des Art. 3 Abs. 2 FernabsatzRiL – Ausdruck dafür ist, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Interessen der Anbieter bestimmter Produkte berücksichtigen wollte, aber keine Aussage zur generellen Bedeutung der Unternehmerinteressen im Fall des Widerrufs zulässt. Anders verhält es sich mit der Regelung des Art. 6 Abs. 2 sowie Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL, die für den Fall des Widerrufs die Rückabwicklung des Vertrages anordnen. Dabei kann sich der Verbraucher nicht darauf beschränken, die Ware zur Abholung bereitzuhalten: Wie sich aus der Möglichkeit, den 543 Franzen, JZ 2003, 321, 326, 331 geht noch darüber hinaus und fordert, im Rahmen der Auslegung auch solche Interessen zu berücksichtigen, die zwar nicht im Gemeinschaftsrecht geschützt, aber im innerstaatlichen Recht berücksichtigungsfähig sind.

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Verbraucher mit den „Kosten der Rücksendung“ zu belasten, ergibt, erstreckt sich seine Verpflichtung darauf, die Ware an den Unternehmer zurückzusenden. 544 Diese Regelung dient den Interessen der Unternehmer, die damit von der Aufgabe entbunden sind, die Ware beim Verbraucher abzuholen. Hinzu kommt, dass der Verbraucher nach dem Konzept der Fernabsatz-RiL auch noch mit den Kosten dieser Rücksendung belastet werden darf. Dies lässt den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers erkennen, den Bedürfnissen der Unternehmer auch im Rahmen der Rückabwicklung nach Ausübung des Widerrufsrechts Rechnung tragen zu wollen. (cc) Vorrang der Verbraucherinteressen Angesichts der Tatsache, dass im Rahmen der Rückabwicklung jedenfalls auch die Bedürfnisse der Unternehmer Berücksichtigung finden sollen, spricht dem Grunde nach nichts gegen die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, den Verbraucher mit dem Risiko eines zwischenzeitlichen Wertverlustes zu belasten, zumal ihm in Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL ausdrücklich die Befugnis eingeräumt worden ist, die weiteren „Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts“ zu regeln. Anders wäre es nur zu beurteilen, wenn der Fernabsatz-RiL insoweit eine eindeutige Wertung zugunsten der Verbraucherinteressen zu entnehmen wäre. Dann würde der deutsche Gesetzgeber mit seiner Entscheidung, den Verbraucher mit Wertersatzansprüchen zu belasten, gegen das Gebot verstoßen, die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie zu gewährleisten, und somit die Grenzen des ihm zustehenden Gestaltungsermessens überschreiten. Eine grundsätzliche Wertung zugunsten der Verbraucher aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Fernabsatz-RiL um eine Maßnahme des Verbraucherschutzrechts handelt, kann nicht angenommen werden: Eine Auslegungsregel i.S. von „Im Zweifel für den Verbraucher“ kann für das Europäische Privatrecht – wie bereits nachgewiesen 545 – keine Geltung beanspruchen. 546 Es müsste sich aus der Richtlinie also schon ein konkreter Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die Interessen der Unternehmer bei der Verteilung des Risikos eines Wertverlustes hinter die Interessen der Verbraucher zurücktreten sollen. Ein solcher ist jedoch nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, dass dem Verbraucher überhaupt ein Widerrufsrecht eingeräumt worden ist, kann nicht als Beleg dafür gewertet werden, dass die Interessen 544

Siehe dazu bereits oben S. 65. Siehe oben S. 47 ff. 546 Ohnehin könnte ein solcher Grundsatz überhaupt nur dann zum Tragen kommen, wenn trotz aller Anstrengungen am Ende noch Auslegungszweifel verbleiben, so übereinstimmend Tonner, JZ 2006, 400, 403 und Riesenhuber, JZ 2005, 829, 831. 545

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der Unternehmer im Fall des Widerrufs zurücktreten müssen. Ein solcher Rückschluss wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Widerrufsrecht als Reaktion des Gemeinschaftsgesetzgebers auf ein zu missbilligendes Verhalten des Unternehmers angesehen werden müsste. 547 Dies ist jedoch nicht der Fall: Der Vertrieb von Waren im Fernabsatz wird vom Gemeinschaftsgesetzgeber nicht missbilligt, sondern im Interesse des Binnenmarktes gerade für besonders förderungswürdig gehalten. 548 Die abweichende Ansicht von Franck 549, der meint, dass das Widerrufsrecht nicht nur auf der eingeschränkten Prüfmöglichkeit des Verbrauchers vor Erhalt der Ware beruhe, sondern auch einen Ausgleich dafür gewähren soll, dass der Vertragsschluss im Fernabsatz teilweise auf aggressive Verkaufsmethoden zurückzuführen sei und generell in einer „besonderen psychologischen Situation“ zustande komme, in der sich der Verbraucher zur Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung verlocken lasse, vermag nicht zu überzeugen. 550 Richtig ist zwar, dass die Fernabsatz-RiL den Verbraucher – wie sich Erwägungsgrund 5 entnehmen lässt – auch vor aggressiven und somit zu missbilligenden Verkaufsmethoden schützen will. Dieser Schutz wird aber nicht durch das Widerrufsrecht, sondern durch die in Art. 9 Fernabsatz-RiL aufgeführten Maßnahmen gewährleistet. 551 Außerdem ist zu beachten, dass der EuGH selbst bei Haustürgeschäften, d. h. bei Geschäften, bei denen die Gefahr einer Überrumpelung des Verbrauchers besteht und die daher missbilligenswert erscheinen, keine Bedenken gegen eine den Verbraucher belastende Rückabwicklungsregelung geäußert hat, sofern diese lediglich der „Wiederherstellung der ursprünglichen Situation“ dient. 552 Deshalb bestehen im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL, d. h. bei Geschäften, die nach Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers sogar ausdrücklich gefördert werden sollen, ebenfalls keine Bedenken dagegen, den Verbraucher mit Wertersatzansprüchen zu belasten: Schließlich dienen diese lediglich der wertmäßigen Rückabwicklung des Vertrages 553 und somit der „Wiederherstellung der ursprünglichen Situation“. Ein Vorrang der Verbraucherinteressen, der es dem nationalen Gesetzgeber im Interesse der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts generell unter547

Vgl. Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 339. Dazu bereits oben S. 67; vgl. auch H. Roth, JZ 2000, 1013: Dem Anbieter können Bedenken gegen den Vertrag nicht zugerechnet werden. 549 Franck, JR 2004, 45, 47. 550 Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2.02 Rn. 18 weist darauf hin, dass beim Abschluss von Fernabsatzverträgen „keinesfalls notwendig eine spezifische Überrumpelungsgefahr“ besteht; anders wohl Hager, in: Ernst / Zimmermann (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 429, 448, der bei Fernabsatzverträgen vom Vorliegen einer „Überrumpelungssituation“ ausgeht. 551 So bereits Schinkels, ZGS 2005, 179, 180; vgl. auch Lorenz, in: Schulze / SchulteNölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 329, 351 (Fn. 85). 552 Siehe oben S. 192 f. 553 Dazu auch unten S. 212. 548

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sagt, die Verbraucher mit Wertersatzansprüchen zu belasten, kann also nicht festgestellt werden. Die Verteilung des Risikos eines nach Lieferung der Ware eingetretenen Wertverlustes liegt daher – wie sich aus Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL ergibt – grundsätzlich im Ermessen der Mitgliedstaaten. (4) Ergebnis: keine grundsätzliche Unzulässigkeit von Wertersatzansprüchen Vorstehende Ausführungen haben gezeigt, dass eine Wertersatzverpflichtung des Verbrauchers nach Wortlaut, Rechtssetzungsgeschichte und Zielsetzung der Fernabsatz-RiL nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Für eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehenen Wertersatzansprüche mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL vereinbar sind, ist es aber erforderlich, gesondert auf die hier in Rede stehenden Wertersatzansprüche einzugehen und insbesondere zu untersuchen, ob die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehenen Wertersatzregelungen geeignet sind, die praktische Wirksamkeit des Widerrufsrechts zu beeinträchtigen. 554 bb) Wertersatz für den mit der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Ware verbundenen Wertverlust Im Mittelpunkt der in der Wissenschaft geführten Diskussion um die Zulässigkeit von Wertersatzansprüchen steht die Frage, ob der Verbraucher zum Ersatz des durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme verursachten Wertverlustes verpflichtet werden darf. Der deutsche Gesetzgeber hält eine entsprechende Wertersatzverpflichtung für zulässig und stützt sich zur Begründung seiner Auffassung maßgeblich auf den Wortlaut der Fernabsatz-RiL. (1) Das Wortlautargument Mit der Frage, ob ein Wertersatzanspruch, der auf der Ingebrauchnahme der Ware beruht, überhaupt zu den „Kosten“ gezählt werden darf, 555 setzt sich der deutsche Gesetzgeber nicht näher auseinander. Aus seiner Sicht können derartige Wertersatzansprüche schon deshalb nicht von dem Verbot des Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL, den Verbraucher mit Kosten, die „infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts“ (Hervorhebung durch den Autor) anfallen, zu belasten, erfasst sein, weil der Wertverlust, der durch die Ingebrauchnahme der Ware entstehe, und die darauf beruhende Wertersatzpflicht keine Folge des Widerrufs seien, sondern auf dem Verhalten des Verbrauchers vor Ausübung des Widerrufsrechts 554 555

Zu diesem Vorgehen bereits Schinkels, ZGS 2005, 179, 180. Dazu oben S. 188.

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beruhten. Insoweit sei es dem nationalen Gesetzgeber gemäß Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL aber unbenommen, „weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts festzulegen“. 556 Die Auffassung des Gesetzgebers wird gestützt von Gößmann, die darauf verweist, dass der Zusatz „infolge der Ausübung des Widerrufsrechts“ (Hervorhebung durch den Autor) überhaupt nur deshalb in die Richtlinie aufgenommen worden sei, um klarzustellen, dass derartige, infolge der Nutzung der Ware entstandenen Ersatzansprüche nicht ausgeschlossen sein sollen. 557 Dieser Verweis auf das Rechtssetzungsverfahren kann hier allerdings – wenn überhaupt 558 – nur als schwaches Argument gewertet werden, da Gößmann ihre Angaben nicht anhand von öffentlich zugänglichen Dokumenten belegen kann. 559 Daher ist die Argumentation des deutschen Gesetzgebers einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bringt das Wort „infolge“ zum Ausdruck, dass etwas „als Folge“ einer Handlung oder eines Ereignisses geschieht und beschreibt somit eine zeitliche Abfolge. 560 Als Ereignis kommt hier nur die Ausübung des Widerrufsrechts in Betracht, d. h. die Abgabe der Widerrufserklärung. Schwieriger zu beurteilen ist, was unter den Folgen zu verstehen ist. Damit sind in jedem Fall solche Belastungen erfasst, die erst im Rahmen der Rückabwicklung entstehen. Daher sind z. B. Verwaltungs- oder Bearbeitungsgebühren, mit denen der Unternehmer versucht, die mit der Rückabwicklung verbundenden Aufwendungen auf den Verbraucher abzuwälzen, nicht mit der Fernabsatz-RiL vereinbar. 561 Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass auch solche Verbindlichkeiten dazugehören, die bereits vor dem Widerruf angefallen, aber erst im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts zu erstatten sind. Für die vom deutschen Gesetzgeber vorgenommene Interpretation des Wortlauts, wonach nur die Belastung mit solchen Kosten ausgeschlossen sein soll, die im Zeitraum nach Erklärung des Widerrufs anfallen, spricht, dass die einzigen in Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL ausdrücklich erwähnten Kosten – die Kosten der Rücksendung – ebenfalls erst nach Ausübung des Widerrufrechts entstehen. 556

BT-Drs. 14/6040, S. 199; zustimmend Bodenstedt, Fernabsatzrichtlinie, S. 160. Gößmann, MMR 1998, 88, 91. 558 Zur Verwertbarkeit von nicht veröffentlichten Dokumenten siehe bereits oben S. 35. 559 So bereits Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 371; a. A. Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 52, der der Ansicht ist, die Behauptung Gößmanns lasse sich anhand von entsprechenden Ausführungen in einem Bericht des Vermittlungsausschusses belegen. 560 Vgl. Eintrag zu dem Begriff „infolge“ bei „Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache im 20. Jahrhundert“ (www.dwds.de); gleichzeitig wird mit der Verwendung des Wortes „infolge“ aber auch eine Kausalitätsbeziehung zum Ausdruck gebracht. 561 Vgl. insoweit Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 26 Rn. 61. 557

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Die Folgen einer vor Erklärung des Widerrufs erfolgten Ingebrauchnahme der Ware würden demnach von der Fernabsatz-RiL gar nicht erfasst. 562 Dies wiederum bedeutete, dass der nationale Gesetzgeber grundsätzlich – solange die praktische Wirksamkeit des Widerrufsrechts gewährleistet ist – nicht gehindert wäre, dem Verbraucher eine entsprechende Wertersatzpflicht aufzuerlegen. Allerdings ist auch eine andere Interpretation des Richtlinienwortlautes möglich: Im Hinblick auf die konkrete, in Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL gewählte Formulierung scheint es ebenfalls vertretbar davon auszugehen, dass sich die Befreiung des Verbrauchers von der Kostenerstattungspflicht auch auf diejenigen „Kosten“ erstrecken soll, die in einem bloßen Kausalzusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts stehen. 563 Hinzu kommt, dass sich eine isolierte Betrachtung nur des deutschen Wortlautes der Fernabsatz-RiL ohnehin verbietet. Nach Ansicht des EuGH erfordert es der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass bei der Auslegung des Sekundärrechts alle Sprachfassungen berücksichtigt werden. 564 Daher ist zu beachten, dass z. B. die englische Richtlinienfassung („because of“) 565 anders als die deutsche Version eine Formulierung wählt, die als Beleg dafür gewertet werden kann, dass ein bloßer Kausalzusammenhang zwischen Widerruf und Kostenerstattungspflicht ausreichen soll. Dies macht deutlich, dass dem Wortlaut der Richtlinie an dieser Stelle keine entscheidende Bedeutung zukommen kann. (2) Der sprachliche Zusammenhang Es lässt sich allerdings ein systematisches Argument finden, das die Auffassung des deutschen Gesetzgebers unterstützt. Bei der Auslegung des in Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL geregelten Verbotes, den Verbraucher im Rahmen der Rückabwicklung mit Kosten zu belasten, ist der sprachliche Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL zu beachten, wo geregelt ist, dass die vom Verbraucher bereits geleisteten Zahlungen nach Ausübung des Widerrufs „kostenlos zu erstatten“ sind. Diese Regelung kann sich notwendigerweise nur auf Kosten beziehen, die nach Erklärung des Widerrufs im Zuge der Rückabwicklung angefallen sind (z. B. Kosten der Überweisung des Geldes o.ä.). Andere Kosten, die dem Anbieter vor dem Widerruf durch die bloße Entgegennahme des Geldes 562 So auch Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 343; Franck, JR 2004, 45, 47; Rolland, in: Haas / Medicus / Rolland / Schäfer / Wendtland (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 4. Kap. Rn. 106. 563 So ausdrücklich Franck, JR 2004, 45, 47 sowie Wildemann, jurisPK-BGB, § 357 Rn. 42. 564 Dazu bereits oben S. 34. 565 Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL lautet in der englischen Richtlinienfassung wie folgt: „The only charge that may be made to the consumer because of the exercise of his right of withdrawal is the direct cost of returning the goods“.

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entstanden sein könnten, sind hier kaum denkbar. 566 Außerdem wird durch die Verbindung der Worte „kostenlos“ und „erstatten“ hinreichend deutlich, dass es nur um Belastungen gehen kann, die im Rahmen der „Erstattung“, d. h. bei der Rückgewähr des Geldes, anfallen. Wenn aber mit den „Kosten“ in Satz 1 von Art. 6 Abs. 2 Fernabsatz-RiL nur Aufwendungen gemeint sein können, die nach Ausübung des Widerrufsrechts entstehen, liegt aufgrund der systematischen Nähe die Vermutung nahe, dass sich auch Satz 2 der Regelung mit den „Kosten“ nur auf Belastungen bezieht, die nach Ausübung des Widerrufsrechts im Rahmen der Rückabwicklung anfallen. 567 Folglich weist der Wortlaut in seinem sprachlichen Zusammenhang darauf hin, dass Belastungen, die wie der Wertersatzanspruch für den bei Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlust auf einem Verhalten vor Widerrufsausübung beruhen, nicht ausgeschlossen sind. (3) Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie Gegen eine entsprechende Wertersatzpflicht wird jedoch angeführt, dass die praktische Wirksamkeit des Widerrufsrechts gefährdet würde, da die drohende Zahlungsverpflichtung den Verbraucher davon abhalten könnte, das Widerrufsrecht auszuüben. 568 Auch der deutsche Gesetzgeber räumt ein, „dass das Widerrufs- oder Rückgaberecht des Verbrauchers wesentlich erschwert, wenn nicht gar zum Teil ganz ausgeschlossen würde, wenn dem Verbraucher die Verpflichtung auferlegt würde, einen durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstehenden erheblichen Wertverlust tragen zu müssen“. 569 Ein allgemeiner Funktionsverlust des Widerrufsrechts wäre allerdings – wie bereits erörtert – nur zu befürchten, wenn die Wertersatzpflicht nicht nur im Einzelfall, sondern bei der Mehrheit der Verbraucher zum Tragen käme. Letzteres hängt wiederum davon ab, ob die Ingebrauchnahme, die zu dem Wertverlust führt, nach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers Voraussetzung dafür ist, dass der Verbraucher beurteilen kann, ob er die Ware behalten oder von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen will. In diesem Fall würde die Wertersatzpflicht regelmäßig alle Verbraucher treffen, die im Fernabsatzhandel Waren bestellen, so dass die Gefahr bestünde, dass das Widerrufsrecht bedeutungslos würde. Daher bliebe dem nationalen Gesetzgeber keine andere Möglichkeit, als das Risiko der Entwertung 566

Einzig vorstellbarer Kostenfaktor: Die Gebühren bzw. Transaktionskosten, die den Anbietern bei der Verwendung einer Kreditkarte in Rechnung gestellt werden. Sie werden von den Kreditkartengesellschaften in Form eines Abschlags (Disagio) erhoben. 567 In diesem Sinne wohl auch Rolland, in: Haas / Medicus / Rolland / Schäfer / Wendtland (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 4. Kapitel, Rn. 106; auf den systematischen Zusammenhang weist auch Meller-Hannich, Schuldvertragsrecht, S. 168 hin. 568 Thole, Widerrufsrecht, S. 100; Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 369; Hager, in: Ernst / Zimmermann (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 429, 448. 569 BT-Drs. 14/6040, S. 199.

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der Ware durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme dem Unternehmer aufzuerlegen. Sollte sich allerdings herausstellen, dass die Ingebrauchnahme der Ware nach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht erforderlich ist und ein entsprechendes Verhalten des Verbrauchers demnach nicht in den Schutzbereich der Fernabsatz-RiL fällt, wäre eine Regelung zulasten des Verbrauchers zulässig. (a) Recht des Verbrauchers auf Ingebrauchnahme der Ware Der deutsche Gesetzgeber verweist darauf, dass der Verbraucher die hier in Rede stehende Wertersatzpflicht vermeiden könne, indem er sich auf eine „Prüfung“ der Ware beschränke und es unterlasse, den Kaufgegenstand noch während des Laufs der Widerrufsfrist so in Gebrauch zu nehmen, dass sie anschließend nicht mehr als „neu“ verkauft werden könne. 570 Er geht also erkennbar davon aus, dass dem Verbraucher kein Recht auf (kostenlose) Ingebrauchnahme der Ware zusteht. Um beurteilen zu können, ob dieser Standpunkt mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL vereinbar ist, ist zunächst zu definieren, was unter einer „Ingebrauchnahme“ eigentlich zu verstehen ist. In der Richtlinie selbst findet dieser Begriff keine ausdrückliche Erwähnung. Es handelt sich vielmehr um einen vom deutschen Gesetzgeber gewählten Ausdruck, der eine über das bloße Auspacken und das Betrachten der Ware hinausgehende Verwendung bzw. ein sonstiges Verhalten des Verbrauchers umschreibt, das zur Folge hat, dass die Ware nach der Rückgabe nicht mehr als „neu“ verkauft werden kann. 571 (aa) Erfordernis der Ingebrauchnahme nach der Fernabsatz-RiL In Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL wird zur Begründung des Widerrufsrechts angeführt, dass der Verbraucher vor Abschluss des Vertrages keine Möglichkeit hat, die bestellte Ware „zu sehen“. Auch nach der englischen („to see the product“) und der spanischen („ver el producto“) Fassung der Richtlinie soll dem Verbraucher durch das Widerrufsrecht nur ein Ausgleich dafür gewährt werden, dass er das Produkt vor Vertragsschluss nicht mit den eigenen Augen betrachten kann. Ihm soll demnach durch das Widerrufsrecht also lediglich die Möglichkeit eingeräumt werden, die Ware anzusehen, bevor er sich entscheidet, ob er sie behalten oder von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen will. Das Ingebrauchnehmen, d. h. die Verwendung der Ware zu dem dafür vorgesehenen Zweck, ist vom Wortlaut des Erwägungsgrunds 14 dagegen nicht gedeckt. 572 570

Siehe BT-Drs. 14/6040, S. 200 sowie § 357 Abs. 3 S. 2 BGB. Vgl. Ausführungen in BT-Drs. 14/6040, S. 200: Als Beispiel für ein sonstiges Verhalten wird die Beantragung der Zulassung eines im Wege des Fernabsatzes erworbenen Kraftfahrzeugs genannt, die – auch wenn der Wagen gar nicht gefahren wird – einen Wertverlust von 20 % zur Folge habe. 571

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Auch nach dem Sinn und Zweck des Widerrufsrechts ist eine Ingebrauchnahme nicht erforderlich. Zwar lassen sich bestimmte Eigenschaften eines Produktes häufig erst im Rahmen der (erstmaligen) Benutzung überprüfen. Zu beachten ist jedoch, dass es dem Verbraucher auch im Präsenzhandel in der Regel nicht gestattet ist, das Produkt, an dem er interessiert ist, vor dem Kauf in Gebrauch zu nehmen. Ein Vorführgerät, das es dem Käufer ermöglicht, die Funktionsweise des Produktes auszuprobieren, ist nämlich nur gelegentlich vorhanden. 573 Selbst bei Spezialgeschäften, die eine sehr eingehende Beratung anbieten, kann kaum erwartet werden, dass alle zum Verkauf stehenden Geräte auch als Vorführgeräte zur Verfügung stehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich wie z. B. bei vollautomatisch funktionierenden Kaffeemaschinen um sehr hochwertige Produkte handelt, die nach der erstmaligen Benutzung nur noch als Vorführgeräte – verbunden mit einem entsprechenden Wertverlust – verkauft werden können. Daher vermag die Auffassung von Schinkels 574, der davon ausgeht, dass der Kaufgegenstand beim Fernabsatz zugleich die Funktion eines Vorführgerätes hat, nicht zu überzeugen. Soweit Schinkels der Ansicht ist, dass das von der Fernabsatz-RiL eingeräumte Prüfungsrecht den Verbraucher jedenfalls dann zur kostenlosen Ingebrauchnahme des Kaufgegenstandes berechtigen soll, wenn es die Komplexität des Gerätes nach der Verkehrsanschauung erfordert, 575 führt dies zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung des Verbrauchers im Fernabsatz im Verhältnis zum Käufer im stationären Handel. Letzterer kann das Produkt nämlich nur dann kostenlos in Gebrauch nehmen, wenn sich der Verkäufer damit einverstanden erklärt hat und ein entsprechendes Vorführmodell zur Verfügung stellt. Ein Anspruch darauf, das Produkt testweise in Gebrauch nehmen zu dürfen, besteht selbst bei sehr komplexen Geräten nicht. 576 Gleiches muss auch für den Fernabsatz gelten, da sich keine Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber bei Verabschiedung der Richtlinie beabsichtigt hat, den Verbraucher im Verhältnis zu anderen Absatzformen besser zu stellen. 577 Er wollte mit Schaffung 572

Darauf weisen auch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 142 hin. Nicht zutreffend ist die Annahme von Schinkels, ZGS 2005 179, 182, wonach z. B. den potentiellen Käufern von Espressovollautomaten im Nahabsatz „praktisch flächendeckend“ Vorführgeräte zur Verfügung stehen; vgl. dazu auch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 143, die der Ansicht sind, dass es nicht üblich ist, dass ein Verbraucher die Ware im stationären Handel ausprobieren kann. 574 Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 64 und 66. 575 Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 64; ähnlich Marx / Bäuml, WRP 2004, 162, 165 und Fischer, ZAP 2002, Fach 2, 351, 358, der davon ausgeht, dass die Prüfung im Einzelfall eine Ingebrauchnahme erforderlich machen kann. 576 So auch Rott, VuR 2001, 78, 80 und 86. 577 Vgl. insoweit auch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 143. 573

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des Widerrufsrechts vielmehr nur eine Gleichstellung mit dem Präsenzhandel erreichen. 578 Es muss daher auch im Bereich der Fernabsatzgeschäfte auf die Entscheidung des Verkäufers bzw. Anbieters ankommen: Gestattet er die kostenlose Ingebrauchnahme der an den Verbraucher gelieferten Ware ausdrücklich oder sieht er davon ab, seinen Vertragspartner gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 BGB darüber zu belehren, dass er den mit der Ingebrauchnahme verbundenen Wertverlust zu tragen hat, steht es dem Verbraucher frei, den Kaufgegenstand wie ein Vorführgerät zu nutzen. Hat der Anbieter dagegen darauf hingewiesen, dass er mit einer kostenlosen Ingebrauchnahme nicht einverstanden ist, kommt diese bei Fernabsatzgeschäften ebenso wenig in Betracht wie im stationären Handel. Es ist dann die Entscheidung des Verbrauchers, entweder einen anderen Fernabsatzhändler oder einen Verkäufer im Präsenzhandel zu suchen, der die Nutzung des gelieferten Kaufgegenstandes als Vorführgerät gestattet bzw. ein entsprechendes Vorführgerät zur Verfügung stellt, oder auf die Ingebrauchnahme zu verzichten. Ein solcher Verzicht stellt keine Einschränkung des durch die FernabsatzRiL gewährten Verbraucherschutzes dar, da die Richtlinie dem Verbraucher wie gezeigt lediglich die Inaugenscheinnahme des gelieferten Gegenstandes ermöglichen will. Die Ingebrauchnahme liegt dagegen außerhalb des Schutzzwecks der Fernabsatz-RiL. 579 Dementsprechend unterscheidet auch auch der DCFR zwischen der bloßen Inaugenscheinnahme bzw. dem Ausprobieren der Ware (inspection and testing), die nicht zum Wertersatz verpflichten, und einem mit dem Gebrauch des Vertragsgegenstands (normal use) verbundenen Wertverlust, der von dem Verbraucher zu ersetzen ist. 580 (bb) Zurückweisung der Kritik von Rott Rott kritisiert die hier diskutierte Wertersatzpflicht mit dem Hinweis, dass der Verbraucher – wenn er die Ware in Gebrauch nehmen wolle – faktisch auf sein Widerrufsrecht verzichten müsse. Ein solcher Verzicht auf das Recht zum Widerruf sei aber nicht mit Art. 12 Abs. 1 Fernabsatz-RiL vereinbar. 581 Diese Kritik vermag jedoch nicht zu überzeugen: Es ist schon fraglich, ob ein solcher faktischer Verzicht von der Regelung des Art. 12 Abs. 1 Fernabsatz-RiL, die nach ihrem erkennbaren Zweck nur den rechtsgeschäftlichen Verzicht des Ver578

Nachweise in Fn. 177 (Abschnitt B.). Siehe bereits H. Roth, JZ 2000, 1013, 1019; so im Ergebnis auch Rolland, in: Haas / Medicus / Rolland / Schäfer / Wendtland (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, 4. Kap. Rn. 106, der feststellt: „Dieser Bereich ist von der Richtlinie nicht besetzt“; vgl. auch Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1154, der darauf hinweist, dass die „normale Warenprüfung“ von der Ingebrauchnahme zu unterscheiden ist. 580 Siehe oben S. 74. 581 So Rott, VuR 2001, 78, 85; ihm beipflichtend Ring, AnwKomSR § 357 Rn. 40. 579

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brauchers auf seine durch die Richtlinie eingeräumten Rechte verhindern will, 582 überhaupt erfasst wird. Es liegt näher, die Problematik des durch die drohende Wertersatzpflicht bedingten Verzichts unter dem Gesichtspunkt der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie zu diskutieren: Insoweit wurde jedoch gerade festgestellt, dass der Verbraucher nach der Fernabsatz-RiL keinen Anspruch auf Ingebrauchnahme der Ware hat. 583 Folglich stellt es keine Einschränkung, sondern vielmehr eine Erweiterung der Verbraucherrechte dar, wenn diesem die Möglichkeit eingeräumt wird, die Ware – unter Inkaufnahme der dann drohenden Wertersatzpflicht – trotzdem in Gebrauch zu nehmen. 584 (cc) Die Stellungnahme der Kommission aus dem Jahr 1999 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Antwort der Kommission auf die Anfrage des österreichischen Bundeskanzleramtes zur korrekten Umsetzung der Fernabsatz-RiL vom 03. 03. 1999. 585 Die Stellungnahme der Kommission wird gelegentlich 586 als Beleg dafür angeführt, dass eine Nutzungs- oder Wertersatzentschädigung nach dem Sinn und Zweck der Fernabsatz-RiL ausgeschlossen sei. Bevor auf den Inhalt des Dokuments eingegangen wird, ist allerdings noch einmal darauf hinzuweisen, dass für die Auslegung des Sekundärrechts grundsätzlich nur die veröffentlichten Erwägungen der Gesetzgebungsorgane, die dem Rechtsakt in dem konkreten Fall zustimmen mussten, von Bedeutung sein können. 587 Zu diesen Organen zählt die Kommission, die gemäß Art. 100a EWGV a.F. im Verfahren auf Erlass der Fernabsatz-RiL lediglich über ein Vorschlagsrecht verfügte, nicht. Daher kann den Äußerungen der Kommission kein großes Gewicht beigemessen werden; sie können allenfalls als ergänzendes Argument zur Bestätigung eines bereits gefundenen Auslegungsergebnisses herangezogen werden. Abgesehen davon lässt sich der Stellungnahme der Kommission nach hier vertretener Auffassung auch nicht entnehmen, dass eine Ersatzpflicht für den mit 582 Vgl. Micklitz / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 33 Rn. 71; Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 31. 583 Dies räumt auch Rott, VuR 2001, 78, 86 ein. 584 Anders Rott, VuR 2001, 78, 85, der behauptet, der Verbraucher müsse zwischen Ingebrauchnahme und faktischem Verzicht auf das Widerrufsrecht „wählen“. 585 Antwort der Europäischen Kommission vom 03. 03. 1999 auf die Anfrage des österreichischen Bundeskanzleramtes hinsichtlich der korrekten Umsetzung der FernabsatzRichtlinie 97/7/EG, GZ: 901.480/2-VII / B/7/99. 586 Vgl. Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 371; Micklitz, in: Grabitz / Hilf, Band IV, A 3 Rn. 85. 587 Siehe oben S. 36.

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der Ingebrauchnahme verbundenen Wertverlust ausgeschlossen sein soll. Zwar wird auch von der Kommission betont, dass der Verbraucher „vor jeglichem Entscheidungsdruck“ bewahrt werden müsse, der sich daraus ergeben könne, „dass er bei der Rücksendung der bestellten Ware im Regelfall mit Entgeltforderungen des Verkäufers konfrontiert wäre“. Zu beachten ist jedoch, dass auch die Kommission eine Wertersatzpflicht im Hinblick auf die Effektivität des Widerrufsrechts offenbar nur dann für bedenklich hält, wenn der Verbraucher mit ihr nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig („im Regelfall“) belastet wird. Die Tatsache, dass der Verbraucher dem Anbieter im Einzelfall Wertersatz schuldet, schadet also nicht. 588 Außerdem darf nicht übersehen werden, dass die Kommission ebenfalls zwischen der „Begutachtung“ der Ware und ihrem „Gebrauch“ unterscheidet: 589 Sie weist darauf hin, dass die „sorgfältige Begutachtung“ nicht als Gebrauch angesehen werden könne, da die Ware dann – im Falle eines Gebrauchs – nicht mehr als „neu“, sondern als „gebraucht“ einzustufen wäre. Dies würde zu einer „sehr erheblichen“ Wertminderung der Ware führen, „für die dann der Konsument aufzukommen hätte“. Diese Ausführungen lassen zwei Rückschlüsse zu: Einerseits hält es die Kommission nicht für ausgeschlossen, das dem Verbraucher die Kosten des Gebrauchs auferlegt werden. Vielmehr stellt sie sogar ausdrücklich fest, dass eine durch den Gebrauch bedingte Wertminderung vom „Konsumenten“ zu tragen ist. Andererseits wird zugleich klargestellt, dass bei der bloßen Begutachtung der Ware gerade noch kein Fall des Gebrauchs gegeben ist, so dass es bereits aus diesem Grund zu keiner Wertersatzverpflichtung des Verbrauchers kommen kann. In diesem Zusammenhang wird auf ein Beispiel aus dem Präsenzhandel verwiesen: Da Kleidungsstücke, die in einem Warenhaus von einem Kunden anprobiert werden, in der Praxis weiterhin als „neu“ angeboten würden, müsste dies auch bei Anprobe von im Fernabsatzhandel erworbener Bekleidung gelten. Die Stellungnahme der Kommission verdeutlicht insoweit noch einmal die mit der Richtlinie verfolgte Zielsetzung, den Verbraucher im Fernabsatz mit dem Kunden im Präsenzhandel gleichzustellen. 590 Von noch größerer Bedeutung ist an dieser Stelle allerdings, dass die Feststellung der Kommission, die „sorgfältige Begutachtung“ sei kein zum Wertersatz verpflichtender Gebrauch der Ware, erkennen lässt, dass dem Verbraucher mit der Übergabe der Ware lediglich die Möglichkeit der Begutachtung der Ware 588

So bereits oben S. 67. Wörtlich heißt es am Ende der Seite 1 der Stellungnahme (Fn. 585 [Abschnitt C.]): „Wenn die sorgfältige Begutachtung einer Ware bereits als „Gebrauch“ angesehen würde, dann wäre die davon betroffene Ware regelmäßig nicht mehr als „neu“, sondern als „gebraucht“ einzustufen, was ebenso regelmäßig zu einer sehr erheblichen Wertminderung der Ware führen würde, für die dann der Konsument aufzukommen hätte.“ 590 Dazu bereits oben S. 66. 589

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eingeräumt werden sollte. Entschließt er sich, die Ware darüber hinaus in Gebrauch zu nehmen, ist dies nicht mehr vom Schutzzweck der Richtlinie umfasst. Folglich steht das hier gefundene Auslegungsergebnis nicht im Widerspruch zu den Ausführungen der Kommission, sondern wird durch diese sogar bestätigt. (b) Ergebnis: keine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im Hinblick auf die praktische Wirksamkeit des Widerrufsrechts keine Bedenken dagegen bestehen, die Verbraucher zum Ersatz des durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlustes zu verpflichten, da sie nach der Fernabsatz-RiL nicht dazu berechtigt sind, die zur Ansicht erhaltenen Waren auch in Gebrauch zu nehmen. (4) Ergebnis: kein Widerspruch zur Fernabsatz-RiL Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann davon ausgegangen werden, dass der deutsche Gesetzgeber im Rahmen des ihm nach Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL zustehenden Gestaltungsermessens handelt, wenn er sich entschließt, den Verbraucher zum Ausgleich des mit der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme verbundenen Wertverlustes zu verpflichten. Ein Verstoß gegen die Vorgaben der Fernabsatz-RiL – insbesondere gegen das Gebot der Wahrung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts – liegt nicht vor, da der Verbraucher kein geschütztes Interesse daran hat, die ihm gelieferte Ware kostenlos in Gebrauch zu nehmen. Im Hinblick auf die Zielsetzung des Widerrufsrechts, sich von der vertraglichen Verpflichtung wieder vollständig lösen zu können, könnte sich allenfalls der Umstand als problematisch erweisen, dass sich die Höhe des Wertersatzanspruchs gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 BGB nach der vereinbarten Gegenleistung berechnet (dazu näher auf S. 217 f.) cc) Wertersatz wegen Verschlechterung oder Untergang der Ware Der Verbraucher soll nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers auch dann Wertersatz leisten müssen, wenn die dem Verbraucher im Rahmen des Fernabsatzgeschäfts überlassene Ware beschädigt oder zerstört wird. 591 Da es dabei nicht darauf ankommt, ob der Verbraucher die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat, 592 trägt er auch die Gefahr des zufälligen Verlustes bzw. der zufälligen Beschädigung der Sache. Anders verhält es sich nur, wenn

591 592

Vgl. § 357 Abs. 1 S. 1 BGB i.V. m. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB. Siehe nur Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 45.

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der Verbraucher nicht (oder nicht ordnungsgemäß 593) über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist: In diesem Fall soll er nur für die eigenübliche Sorgfalt einstehen müssen; 594 eine Haftung für Zufall scheidet insoweit aus. 595 Ob dieser gesetzgeberische Wille mit den Vorgaben bzw. dem Schutzzweck des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL vereinbar ist, ist ebenfalls Gegenstand der Diskussion. Bedenken gegen eine entsprechende nationale Regelung werden vor allem im Hinblick auf die im Regelfall den Verbraucher treffende Haftung für den zufälligen Untergang der Ware (dazu unten (2)) und bezüglich der Höhe des Wertersatzanspruchs geäußert (dazu unten (3)), der sich nach dem Willen des Gesetzgebers nach der Höhe der vereinbarten Gegenleistung richten soll. 596 Von diesen Streitpunkten abgesehen, bestehen allerdings keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine entsprechende Wertersatzverpflichtung des Verbrauchers (dazu sogleich (1)). (1) Grundsätzliche Unbedenklichkeit der Wertersatzverpflichtung Wie gezeigt, stehen Wortlaut, Richtlinienhistorie und auch Zwecksetzung der Fernabsatz-RiL einer Wertersatzverpflichtung des Verbrauchers grundsätzlich nicht entgegen. Insbesondere die Gefahr, dass das von der Richtlinie geschützte allgemeine Verbrauchervertrauen geschädigt werden könnte, besteht nicht, sofern nur ein kleiner Teil der Verbraucher von der Wertersatzpflicht betroffen ist und diese lediglich der Rückabwicklung des Vertrages bzw. der „Wiederherstellung der ursprünglichen Situation“ dient. 597 Diese Voraussetzungen können als erfüllt angesehen werden: Zum einen werden nur einzelne Verbraucher überhaupt in die Situation geraten, Wertersatz leisten zu müssen, weil sie nicht mehr in der Lage sind, die Ware im unbeschädigten bzw. unveränderten Zustand zurückzugewähren. Zum anderen handelt es sich bei der Verpflichtung zum Wertersatz letztendlich um nichts anderes als um eine „Rückabwicklung dem Werte nach“: 598 Wenn der Verbraucher nicht mehr in der Lage ist, die Ware im Originalzustand zurückzugewähren, soll er die empfangene Leistung zumindest wertmäßig zurückgeben müssen. Der Verbraucher 593 Ob der Unternehmer umfassend über das Widerrufsrecht aufklären muss oder ob an dieser Stelle ein einfacher Hinweis ausreicht, ist umstritten, vgl. Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 132. 594 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 200 sowie § 357 Abs. 3 S. 3 i.V. m. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB. 595 Vgl. Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 65; Staudinger / Kaiser, § 346 Rn. 181; Bamberger / Roth / Grothe, § 346 Rn. 52. 596 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 196 sowie § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 346 Abs. 2 S. 2 BGB. 597 Dazu bereits oben S. 191 ff. 598 Siehe Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 31; MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 33.

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wird auf diese Weise also lediglich an der sich schon aus der Fernabsatz-RiL selbst ergebenden Verpflichtung zur Rückgewähr des Kaufgegenstandes festgehalten. 599 Solange sich eine Rechtsfolgenregelung jedoch im Rahmen dessen bewegt, was in der Richtlinie ohnehin vorgesehen ist, kann kein Verstoß gegen deren Zielsetzung angenommen werden. Im Übrigen stellt die Ersatzverpflichtung keinen Eingriff in die durch die Fernabsatz-RiL geschützten Interessen des Verbrauchers dar. Denn dieser hat kein Recht dazu, mit der Sache so zu verfahren, dass deren (unbeschädigte) Rückgewähr unmöglich wird: Wie bereits festgestellt, 600 ist noch nicht einmal die Ingebrauchnahme der Ware vom Schutzzweck der Richtlinie gedeckt. Dann kann ein Verhalten des Verbrauchers, das zur Beschädigung oder Zerstörung bzw. dem Verlust der Ware führt, erst recht nicht dem Schutz der Richtlinie unterfallen. 601 Dem Grunde nach bestehen daher keine Bedenken, den Verbraucher zur Zahlung von Wertersatz für einen durch Verschlechterung oder den Untergang der Ware bedingten Wertverlust zu verpflichten. Uneinigkeit besteht aber darüber, ob es mit der Fernabsatz-RiL vereinbar ist, den Verbraucher auch für den zufallsbedingten Wertverlust haften zu lassen. (2) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Verteilung des Zufallsrisikos Der deutsche Gesetzgeber bringt mit dem in § 357 Abs. 3 S. 1 BGB enthaltenen Verweis auf § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB zum Ausdruck, dass der Verbraucher auch bei zufälligem Untergang bzw. einer zufälligen Verschlechterung der Ware Wertersatz schulden soll. Da es für die Anwendung des § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB unerheblich ist, ob das zum Wertverlust führende Ereignis vor oder nach Erklärung des Widerrufs eintritt, 602 schuldet der Verbraucher auch dann Ersatz, wenn sich der zufallsbedingte 603 Verlust oder die Beschädigung der Ware erst auf dem Rücktransport ereignet. Eine Zufallshaftung scheidet nur dann aus, wenn der Verbraucher nicht über das Bestehen des Widerrufsrechts belehrt worden ist und auch nicht anderweitig hiervon Kenntnis erlangt hat. In diesem Fall hat

599

Vgl. hierzu S. 65. So im Ergebnis bereits auf S. 208. 601 Nach H. Roth, JZ 2001, 1013, 1019 liegt die Verpflichtung zum Wertersatz insgesamt außerhalb des Schutzzwecks der Richtlinie, so auch Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 343. 602 Zum Rücktrittsrecht vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 194; Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 46; Staudinger / Kaiser, § 346 Rn. 127. 603 Hat der Verbraucher den nach Erklärung des Rücktritts bzw. Widerrufs eingetretenen Wertverlust zu vertreten, kommt gemäß § 346 Abs. 4 BGB daneben auch ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht; § 357 Abs. 4 BGB steht dem nicht entgegen, siehe unten S. 222. 600

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

er – wie sich aus § 357 Abs. 3 S. 3 BGB 604 ergibt – nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einzustehen. Diese Verteilung des Zufallsrisikos hat vielfältige Kritik erfahren. Zwar können der Fernabsatz-RiL selbst keine konkreten Vorgaben im Hinblick auf die Gefahrtragung entnommen werden. Es wird aber behauptet, dass die Abwälzung des Zufallsrisikos auf den Verbraucher dem Schutzzweck der Richtlinie widerspreche. 605 Kritisiert wird auch die nach Ansicht vieler Autoren unsachgemäße Verknüpfung der Zufallshaftung mit der Kenntnis des Verbrauchers von seinem Widerrufsrecht. 606 Darüber hinaus wird bemängelt, dass der widerrufsberechtigte Verbraucher auf diese Weise schlechter gestellt werde als der Inhaber eines gesetzlichen Rücktrittsrechts. 607 Schließlich wird darauf hingewiesen, dass die Gefahrtragungsregel im Widerspruch zur Risikoverteilung beim Kauf auf Probe nach § 454 BGB stehe. 608 An dieser Stelle kann nicht auf alle Kritikpunkte eingegangen werden, da die gesetzgeberischen Vorstellungen lediglich im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL zu untersuchen sind. Es erfolgt daher nur eine Auseinandersetzung mit den Argumenten, die Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit der Regelung begründen. (a) Verstoß gegen den Schutzzweck der Fernabsatz-RiL: Befreiung von den Risiken eines Versendungskaufs? Nach Ansicht von Schinkels ist die Haftung des Verbrauchers für den zufälligen Wertverlust nicht mit dem Schutzzweck der Fernabsatz-RiL zu vereinba604 Verschiedentlich wird angezweifelt, ob sich der Gesetzgeber des Umfangs dieser Verweisung und der damit verbundenen Zufallshaftung des Verbrauchers überhaupt bewusst gewesen ist, vgl. Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 70 sowie Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. XLVIII. Angesichts des klaren Wortlauts des § 357 Abs. 3 S. 3 BGB ist für die vorliegende Untersuchung allerdings davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Verbraucher bei Kenntnis seines Widerrufsrecht für den zufälligen Untergang oder die zufällige Verschlechterung der Sache haften lassen will. 605 Schinkels, ZGS 2005, 179, 183; ders., in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 70. 606 Siehe Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 70; Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. XLVIII; Hellwege, Rückabwicklung, S. 72; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 188; vgl. auch Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 68; Meßling, Lösung rechtsgeschäftlicher Bindung, S. 279; Bamberger / Roth / Grothe, § 357 Rn. 14; Hager, in: Ernst / Zimmermann (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 429, 449; gegen eine Haftung des Verbrauchers für den zufälligen Untergang der Ware auch Rott, VuR 2001, 78, 82. 607 Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 900; Bülow, NJW 2002, 1145, 1149 spricht von einer „Deprivilegierung“ des Verbrauchers. 608 Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 69; ders., ZGS 2005, 179, 183.

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ren. 609 Er verweist in diesem Zusammenhang auf Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL, dem zu entnehmen sei, dass der Käufer vor allen Risiken geschützt werden soll, die durch den Versand der Ware entstehen und denen der Verbraucher bei einem Kauf im Ladengeschäft nicht ausgesetzt wäre. Zu diesen „spezifischen Fernabsatzrisiken“ sei auch die Gefahr zu zählen, dass die Ware beim Verbraucher aufgrund Zufalls untergeht oder sich verschlechtert, da dieses Risiko bei herkömmlichen Geschäften, d. h. im Präsenzhandel, beim Verkäufer liege. Daher müsse die Gefahr eines Wertverlustes auch im Fernabsatz vom Verkäufer bzw. Unternehmer getragen werden. Dieser Ansicht liegt nach hier vertretener Auffassung eine zu weitgehende Interpretation des Richtlinientextes zugrunde. Zwar ist es richtig, dass durch das Widerrufsrecht eine gewisse Gleichbehandlung mit dem Präsenzhandel erzielt werden soll: Es soll das Informationsdefizit ausgeglichen werden, das auf Seiten des Verbrauchers entsteht, wenn er die Ware vor der Bestellung nicht „sehen“ kann. 610 Erwägungsgrund 14 verlangt nach seinem Wortlaut aber keinesfalls, die Verbraucher von allen Nachteilen zu befreien, die mit einem Distanzgeschäft verbunden sind. Wäre eine umfassende Befreiung des Verbrauchers von allen Belastungen, die mit dem Versand der Ware verbunden sind, beabsichtigt gewesen, dürfte der Verbraucher auch nicht mit den Kosten der Rücksendung belastet werden – dies ist in Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL aber sogar ausdrücklich vorgesehen. Die angestrebte Gleichstellung von Verbrauchern, die ihre Ware auf dem Fernabsatzwege erwerben, und solchen, die sich zum Erwerb des Produktes in das Geschäft des Unternehmers begeben, ist demnach darauf beschränkt, den Verbrauchern auch im Fernabsatz die Möglichkeit einzuräumen, das Produkt vor der endgültigen Kaufentscheidung in Augenschein zu nehmen. Dies bedeutet wiederum, dass finanzielle Belastungen der Verbraucher – auch wenn sie im Präsenzhandel nicht anfallen würden – nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind, sondern nur dann, wenn sie dazu geeignet sind, diese von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten und auf diese Weise das Widerrufsrecht zu entwerten. Nun lässt sich nicht leugnen, dass die Entscheidungsfreiheit des von der Wertersatzpflicht betroffenen Verbrauchers beeinträchtigt wird. 611 Ein allgemeiner Bedeutungsverlust des Widerrufsrechts ist im Hinblick auf die Verteilung des Zufallsrisikos dennoch nicht zu befürchten, da wiederum nur einzelne Verbraucher in die Situation kommen werden, wegen eines zufallsbedingten Wertverlustes Ersatz leisten zu müssen. Daher handelt der Gesetzgeber im Rahmen des ihm in 609 Schinkels, ZGS 2005, 179, 183; ders., in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 70; ähnlich Rott, in: Micklitz / Pfeiffer / Tonner / Willinigmann (Hrsg.), Widerruf und Rückabwicklung, S. 249, 265 sowie ders., VuR 2001, 78, 82, der darauf hinweist, dass der Verbraucher im Präsenzhandel die Folgen des zufälligen Untergangs der Ware in den Geschäftsräumen auch nicht tragen müsse. 610 Siehe oben S. 66. 611 Hager, in: Ernst / Zimmermann (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 429, 450.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL eingeräumten Gestaltungsermessens, wenn er eine entsprechende Wertersatzverpflichtung vorsieht. (b) Überschreiten der Grenzen des Ermessensspielraums des Gesetzgebers Der Vorwurf, im deutschen Recht werde eine unsachgemäße Verknüpfung von Zufallshaftung und Kenntnis des Verbrauchers von seinem Widerrufsrecht vorgenommen, vermag an dieser Einschätzung im Ergebnis nichts zu verändern. Den Kritikern der deutschen Wertersatzregelung ist zwar zuzugeben, dass die Argumentation des Gesetzgebers im Hinblick auf die Verteilung des Zufallsrisikos nicht zu überzeugen vermag: In der Gesetzesbegründung wird darauf verwiesen, dass den Verbraucher, der Kenntnis von seinem Widerrufsrecht habe, im Hinblick auf die empfangene Ware „gesteigerte Pflichten“ träfen. 612 Da Zufallsschäden aber gerade dadurch charakterisiert werden, dass sie unabhängig von dem Maß der angewandten Sorgfalt eintreten, kann dies nicht zur Begründung der Zufallshaftung herangezogen werden. 613 Trotzdem hat der Gesetzgeber die Grenzen des ihm zustehenden Gestaltungsermessens nicht überschritten. Die Verteilung des Zufallsrisikos stellt stets eine schwer zu lösende Aufgabe dar, da sich immer auch Argumente für die gegenteilige Lösung finden lassen. 614 Daher muss dem Gesetzgeber insoweit ein weiter Ermessensspielraum zugebilligt werden. Ein Verstoß gegen die Fernabsatz-RiL wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn sich keine sachlichen Gründe für die Entscheidung, dem Verbraucher das Zufallsrisiko zuzuweisen, finden ließen. In diesem Fall könnte ein Widerspruch zu dem mit der Fernabsatz-RiL angestrebten, möglichst umfassenden Verbraucherschutz bestehen. 615 Der Entscheidung, den Verbraucher mit dem Zufallsrisiko zu belasten, liegt aber eine nachvollziehbare Wertung zugrunde, auch wenn diese – wie gezeigt – in der Gesetzesbegründung nur unzureichend zum Ausdruck kommt. Anders als in den Fällen des gesetzlichen Rücktrittsrechts, in denen der Rücktrittsgegner die Ursache für die Rückgewähr der Leistungen gesetzt hat und deshalb auch das Zufallsrisiko tragen muss, 616 beruht die Rückabwicklung im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL nicht auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Anbieters. Darüber hinaus hat der Unternehmer angesichts der Tatsache, 612

BT-Drs. 14/6040, S. 200. Hierauf haben bereits verschiedene Autoren hingewiesen, vgl. Nachweise in Fn. 606 (Abschnitt C.). 614 Zur Problematik der Risikoverteilung anhand des Beispiels des § 350 BGB a.F. vgl. Flessner, NJW 1972, 1777, 1780; siehe auch Hellwege, JZ 2005, 337, 342. 615 Dazu siehe oben S. 66. 616 Vgl. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB. 613

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dass die Widerrufsfrist erst mit Übergabe der Ware an den Verbraucher zu laufen beginnt, auch keine Möglichkeit, die Ware zurückzuhalten und somit in seiner Risikosphäre zu belassen. 617 Im Hinblick auf die Risikoverteilung bei Rücksendung der Ware kommt hinzu, dass der Verbraucher die Kontrolle über die Verpackung der Ware hat und – in den Grenzen des Rücksichtnahmegebots 618 – die Transportperson auswählen kann: Daher liegt der Versand in seiner Risikosphäre. Insoweit besteht übrigens eine Parallele zur Vereinbarung eines Rücktrittsrechts im Präsenzhandel: Dort muss der Verbraucher als Käufer ebenfalls das Risiko tragen, dass die Ware auf dem Weg zum Geschäft des Verkäufers durch Zufall beschädigt oder zerstört wird. 619 Da die Fernabsatz-RiL es nicht zum Ziel hat, den Verbraucher im Fernabsatz besser zu stellen als im stationären Handel, 620 scheint es also gerechtfertigt, das Risiko der zufälligen Verschlechterung bzw. des zufälligen Untergangs der Ware auch im Fernabsatz mit deren Entgegennahme auf den Verbraucher übergehen zu lassen. Jedenfalls kann nicht behauptet werden, die Belastung des Verbrauchers mit dem Zufallsrisiko sei Ausdruck gesetzgeberischer Willkür. Nur dann könnte ihm aber der Vorwurf gemacht werden, seinen Ermessensspielraum überschritten zu haben. (3) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Berechnung der Höhe des Wertersatzes Zweifel an der Vereinbarkeit der Wertersatzverpflichtung mit dem Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL werden aber dadurch begründet, dass der deutsche Gesetzgeber durch den in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltenen Verweis auf § 346 Abs. 2 S. 2 BGB zum Ausdruck gebracht hat, dass bei der Berechnung der Höhe des Wertersatzes die im Vertrag vereinbarte Gegenleistung zugrunde gelegt werden soll. 621 Denn diese Regelung hat – wie auch der deutsche Gesetzgeber nicht leugnet 622 – zur Folge, dass der Verbraucher trotz Widerrufs an dem ver617

Hierauf weisen auch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 132 hin. Zur Bedeutung des Gebots der Rücksichtnahme auf Ebene des Europäischen Privatrechts siehe oben S. 181 f. 619 § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB, der den Empfänger der Ware von der Zufallshaftung befreit, kommt im Fall eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts nicht zur Anwendung. 620 Dazu bereits oben S. 186. 621 Vgl. insoweit die Kritik bei Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 194 (Fn. 69); Arnold / Dötsch, NJW 2003, 187, 188; Rott, VuR 2001, 78, 82; Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 74; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1154; zur genauen Berechnungsweise vgl. Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 81 f. 622 BT-Drs. 14/6040, S. 196 spricht insoweit von einem „Festhalten an den vertraglichen Bewertungen“. 618

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traglichen Äquivalenzverhältnis festgehalten wird: Er schuldet im Rahmen der Rückabwicklung nicht lediglich Ersatz für den objektiven Wert der gelieferten Ware, sondern muss dem Anbieter – da die Gegenleistung Maßstab der Wertersatzpflicht ist – zusätzlich auch noch den darin enthaltenen Gewinn ersetzen. Dies hat zur Folge, dass der Verbraucher dann, wenn er die Ware nicht mehr zurückgewähren kann, überhaupt keinen Anspruch gegen den Anbieter geltend machen kann: Seinem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises steht ein gleich hoher 623 Wertersatzanspruch des Anbieters gegenüber, mit dem dieser die Aufrechnung erklären kann. Für die betroffenen Verbraucher ist das Widerrufsrecht daher wirtschaftlich wertlos. 624 Eine generelle Entwertung des Widerrufsrechts dürfte damit jedoch nicht verbunden sein, da – wie bereits festgestellt – nur ein kleiner Teil der Verbraucher von den Wertersatzansprüchen betroffen sein wird. 625 Letztlich kann die Frage, ob eine Beeinträchtigung des allgemeinen Verbrauchervertrauens droht, an dieser Stelle allerdings offen bleiben, da die Wahl der Gegenleistung als Grundlage für die Berechnung des Wertersatzanspruchs schon aus einem anderen Grund nicht mit der Fernabsatz-RiL vereinbar ist. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat in Art. 6 der Richtlinie klar zum Ausdruck gebracht, dass der Verbraucher das Recht haben soll, sich nachträglich von dem im Fernabsatzweg geschlossenen Vertrag zu lösen. Damit ist es nicht zu vereinbaren, wenn der Verbraucher trotz Ausübung des Widerrufsrechts im Rahmen der Rückabwicklung an das in dem Vertrag festgeschriebene Äquivalenzverhältnis gebunden bleibt. 626 Dies wird noch deutlicher, wenn man die Gesetzesbegründung zu § 346 Abs. 2 S. 2 BGB liest: Der deutsche Gesetzgeber war der Ansicht, dass das Festhalten an den „vertraglichen Bewertungen“ im Bereich 623

Zu einer Reduzierung des Wertanspruchs kann es nach Vorstellung des Gesetzgebers nur kommen, wenn die Ware mangelhaft war: Denn dann ist der Wert der Gegenleistung, der Grundlage für die Berechung des Wertersatzanspruchs ist, entsprechend zu mindern, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drs. 14/ 6857, S. 22. Ein solcher Fall dürfte im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL aber die Ausnahme sein, da das Widerrufsrecht keine Mangelhaftigkeit der Ware voraussetzt, sondern unabhängig davon besteht. 624 Arnold / Dötsch, NJW 2003, 187, 188. 625 Arnold / Dötsch, NJW 2003, 187, 188 verweisen darauf, dass dies im Hinblick auf Wertersatz für in Anspruch genommene Dienstleistungen möglicherweise anders zu beurteilen ist; siehe auch Schinkels, ZGS 2005, 179, 184; da die Dienstleistungen aber nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind, kann dies an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. 626 So ausdrücklich auch Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 74; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1154; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 191; der Ansicht, dass der Gewinnanteil des Anbieters bei der Berechnung des Wertersatzanspruches keine Berücksichtigung finden kann, sind auch Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 194 (Fn. 69); Rott, VuR 2001, 78, 82; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1285.

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des Rücktrittsrechts interessengerecht sei, „weil die aufgetretene Störung allein die Rückabwicklung, nicht aber die von den Parteien privatautonom ausgehandelte Entgeltabrede betrifft“. 627 Die Vorstellung, dass dem Vertragsschluss eine privatautonome Entscheidung der Parteien zugrunde liegt, trifft aber gerade im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL nicht zu. Das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL beruht schließlich auf der Erwägung des Gemeinschaftsgesetzgebers, dass der Verbraucher aufgrund der Tatsache, dass er das Produkt vor dem Kauf nicht sehen kann, nicht in der Lage ist, eine ausreichend informierte Entscheidung zu treffen. 628 Daher soll ihm die Möglichkeit gegeben werden, sich im Rahmen einer zweiten Entscheidung wieder vollständig von dem geschlossenen Vertrag zu lösen. Diesen Vorgaben wird das deutsche Recht nicht gerecht, wenn es vom Verbraucher verlangt, dem Anbieter bei Untergang, Verlust oder Verschlechterung der Sache den entgangenen Gewinn zu ersetzen. Gleiches gilt für die entsprechende Regelung des DCFR, da der zu leistende Wertersatz auch hier anhand der Gegenleistung und somit unter Einbeziehung der im Kaufpreis enthaltenen Gewinnspanne des Unternehmers berechnet werden soll. 629 Aufgrund der Tatsache, dass § 346 Abs. 2 S. 2 BGB nur im Rahmen eines Verweises zur Anwendung berufen wird, ist allerdings zu vermuten, dass sich der deutsche Gesetzgeber dieser Problematik nicht bewusst war. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass er sich bewusst über die Vorgaben der Richtlinie hinwegsetzen wollte. Daher kann für den Fortgang der Untersuchung unterstellt werden, dass der deutsche Gesetzgeber – wenn er sich der Problematik bewusst gewesen wäre – eine richtlinienkonforme Umsetzung gewählt hätte und für die Berechnung der Höhe des Wertersatzanspruchs folglich nicht auf die Gegenleistung, sondern auf den objektiven Wert der untergegangenen bzw. beschädigten Sache abgestellt hätte. dd) Ergebnis: Wertersatzpflichten mit Fernabsatz-RiL vereinbar Wie gezeigt sind die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehenen Wertersatzpflichten grundsätzlich mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL vereinbar. Da überhaupt nur einzelne Verbraucher betroffen sein werden, droht keine Beeinträchtigung des allgemeinen Verbrauchervertrauens und somit auch keine generelle Entwertung des Widerrufsrechts. Unabhängig davon kommt ein Verstoß gegen die Fernabsatz-RiL auch schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Wertersatzregelung im Rahmen dessen hält, was in der Richtlinie ohnehin vorgesehen ist: Die Wertersatzansprüche treten als Rückabwicklung „dem Werte nach“ lediglich an die Stelle der von der Fernabsatz-RiL selbst vorgesehenen Verpflichtung, 627 628 629

BT-Drs. 14/6040, S. 196. Siehe oben S. 66. Siehe oben S. 74 f.

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die ausgetauschten Leistungen im Fall des Widerrufs wechselseitig zurückzugewähren. Soweit der Verbraucher auch Ersatz für den mit der Ingebrauchnahme verbundenen Wertverlust leisten muss, ist darauf hinzuweisen, dass das Interesse des Verbrauchers, die Ware vor Ausübung des Widerrufsrechts kostenlos in Gebrauch zu nehmen, von der Fernabsatz-RiL nicht geschützt ist. Bedenken gegen die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehenen Wertersatzregelungen können daher nur insoweit erhoben werden, als gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 BGB zur Berechung der Höhe des Wertersatzanspruchs auf die vertraglich vereinbarte Gegenleistung abgestellt werden soll. Dies ist mit dem Zweck des Widerrufsrechts, das dem Verbraucher ein vollständiges Lösen von der vertraglichen Bindung ermöglichen soll, nicht zu vereinbaren. Da § 346 Abs. 2 S. 2 BGB nur im Rahmen einer Verweisung zur Anwendung gelangt, kann allerdings davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber dieses Problems nicht bewusst war und er daher nicht an der an der Gegenleistung orientierten Berechung des Wertersatzanspruchs festhalten wird. d) Die Verteilung des Transportrisikos bzw. der Gegenleistungsgefahr bei Rücksendung der Ware zum Anbieter Die Rücksendung der Ware soll nach dem erklärten Willen des deutschen Gesetzgebers auf Gefahr des Anbieters erfolgen. 630 Nach zutreffender Ansicht von H. Roth kann dabei nicht die Leistungsgefahr – also die Gefahr, bei Untergang der Sache noch mal leisten zu müssen – gemeint sein, 631 da es sich bei der vom Verbraucher zurückzusendenden Ware immer um eine Stückschuld handelt, 632 deren Verlust bzw. irreversible 633 Beschädigung zwangsläufig zur Anwendung des § 275 Abs. 1 BGB führt. 634 Wie bei der Hinsendung 635 geht es also auch an dieser Stelle um die Gegenleistungsgefahr, d. h. um die Frage, ob der Verbraucher ein bereits gezahltes Entgelt auch dann in voller Höhe vom Anbieter zurückverlangen kann, wenn die Ware auf dem Rückweg durch Zufall untergeht oder sich verschlechtert. Die Aussage des Gesetzgebers, dass die Rücksendung 630

Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 44 zu § 361a BGB a.F. sowie § 357 Abs. 2 S. 2 BGB. H. Roth, JZ 2001, 1013, 1018 f.; Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 886; a. A. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 357 Rn. 6. 632 Siehe nur Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 19; Staudinger / Kaiser, § 346 Rn. 69; Bamberger / Roth / Grothe, § 346 Rn. 31. 633 Dazu, welche Anstrengungen der Rückgewährschuldner unternehmen muss, wenn die Verschlechterung der Ware erst nach Rücktritts- bzw. Widerrufserklärung eingetreten ist und wieder behoben werden kann, siehe Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 35 m.w. N. 634 Zur Anwendung des § 275 im Rahmen der Rückabwicklung vgl. Faust, jurisPKBGB, § 346 Rn. 35. 635 Siehe oben S. 108 ff. 631

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auf „Gefahr des Unternehmers“ erfolgen soll, ist daher so zu verstehen, dass der Verbraucher seinen Rückzahlungsanspruch behalten soll. Eine dahingehende Gefahrverteilung ist auch zwingend geboten, um den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Fernabsatz-RiL gerecht zu werden. 636 Schließlich sind dem Verbraucher nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL die von ihm geleisteten Zahlungen „zu erstatten“. Mit dieser Vorgabe wäre es nicht vereinbar, wenn der Anbieter im Fall eines (rück)transportbedingten Verlustes bzw. der Beschädigung der Ware von seiner Rückzahlungsverpflichtung frei würde. 637 Verbliebe der im gezahlten Kaufpreis enthaltene Gewinnanteil beim Anbieter, stünde dies auch im Widerspruch zum mit der Fernabsatz-RiL verfolgten Ziel, es dem Verbraucher zu ermöglichen, sich durch den Widerruf wieder vollständig von dem im Vertrag festgeschriebenen Äquivalenzverhältnis zu lösen. 638 Der deutsche Gesetzgeber handelt also im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie, wenn er die Gegenleistungsgefahr dem Unternehmer aufbürdet. Zweifeln könnte man allenfalls daran, ob überhaupt eine ausdrückliche Regelung dieser Frage speziell für die Rückabwicklung von Fernabsatzverträgen erforderlich ist. Jedenfalls dann, wenn man sich wie der deutsche Gesetzgeber in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB für eine entsprechende Anwendung der Rücktrittsvorschriften entscheidet, scheint eine eigenständige Regelung dieser Frage nicht notwendig, da § 326 Abs. 1 S. 1 BGB, der zum Entfallen der Gegenleistungspflicht führt, im Rahmen der Rückabwicklung gegenseitiger Verträge keine Anwendung findet. 639 Allerdings wird auch vertreten, dass das ursprüngliche Synallagma im Rahmen der Rückabwicklung berücksichtigt werden müsse mit der Folge, dass der Käufer, dem die Rückgabe der Kaufsache aufgrund eines von ihm nicht zu vertretenden Umstands unmöglich wird, den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises entsprechend § 323 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 326 Abs. 1 S. 1 BGB) verliere. 640 Angesichts dieser Auffassung – auch wenn sie nur Ausdruck einer Mindermeinung ist 641 – ist eine ausdrückliche Regelung der Gefahrtragung im Ergebnis zu begrüßen. Nach dem Vorstehenden ist der Kaufpreis also auch dann an den Verbraucher zurückzuzahlen, wenn der Kaufgegenstand auf dem Rückweg zum Unternehmer 636 So bereits BR-Drs. 84/2/04, S. 2; Rott, BB 2005, 53, 61; allgemein gegen Belastung des Verbrauchers mit dem Risiko des Versendungskaufs Reich / Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, § 15 Rn. 36; dies., Fernabsatzrichtlinie, Rn. 61. 637 Wenn der Kaufpreis noch nicht gezahlt worden ist, kann im Ergebnis nichts anderes gelten: Nach Art. 6 Abs. 1 S. 2 Fernabsatz-RiL ist in diesem Fall ausgeschlossen, dass der Unternehmer den Kaufpreisanspruch noch geltend macht. 638 Vgl. Ausführungen zur Berechnung der Höhe des Wertersatzes auf S. 219. 639 Dies ergibt sich aus § 348 BGB, der nur auf §§ 320, 322 BGB verweist. 640 Larenz, SchuldR I, § 26b 3. 641 Gegen eine entsprechende Anwendung des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB: Staudinger / Kaiser, § 348 Rn. 19; Bamberger / Roth / Grothe, § 348 Rn. 2; MünchKommBGB / Gaier, § 348 Rn. 3; Faust, jurisPK-BGB, § 348 Rn. 7.

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durch Zufall untergeht oder beschädigt wird. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Verbraucher in diesem Fall Wertersatz für den Verlust oder die Verschlechterung leisten muss. 642 e) Schadensersatzpflicht des Verbrauchers aa) Haftung des Verbrauchers für nach Ausübung des Widerrufsrechts eingetretene Schäden Mangels einer erkennbaren Einschränkung ist davon auszugehen, dass sich der in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltene Verweis auf die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt auch auf § 346 Abs. 4 BGB bezieht. 643 Demnach soll der Verbraucher nach Vorstellung des deutschen Gesetzgebers für einen nach Ausübung des Widerrufsrechts 644 eingetretenen Schaden haften, sofern dieser auf einer Verletzung der Rückgewährpflicht beruht und schuldhaft herbeigeführt worden ist. Eine solche Schadensersatzregelung ist im Hinblick auf die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL unbedenklich und steht daher im Gestaltungsermessen des nationalen Gesetzgebers nach Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL. Da es sich um die Haftung für einen nach Erklärung des Widerrufs eingetretenen Schaden handelt, dessen Entstehung vor Ausübung des Widerrufsrechts noch nicht absehbar ist, ist keine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers bei Ausübung des Widerrufsrechts zu befürchten. Auch die potentielle Gefahr einer solchen Schadensersatzhaftung ist für sich allein genommen nicht geeignet, den Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ohnehin als gering einzuschätzen. Zum anderen hat es der Verbraucher auch selbst in der Hand, die Schadensersatzhaftung zu vermeiden, indem er seinen Rückgewährpflichten unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nachkommt, d. h. die Ware möglichst umgehend und unter Verwendung einer für den Rückversand geeigneten Verpackung an den Anbieter zurückschickt. Aus diesem Grund dürfte die drohende Schadensersatzpflicht bei der Entscheidung über die Ausübung des Widerrufsrechts, wenn überhaupt, nur ganz selten eine Rolle spielen – eine generelle Entwertung des Widerrufsrechts ist daher nicht zu befürchten.

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Dazu bereits oben S. 213 ff. Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 33; MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 8. 644 § 346 Abs. 4 BGB bezieht sich auf die Verletzung der in Absatz 1 genannten Rückgewährpflichten und kann daher nur Fälle erfassen, in denen die Rückgewährpflicht schon entstanden, d. h. das Widerrufsrecht schon ausgeübt ist. 643

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bb) Haftung des Verbrauchers für vor Ausübung des Widerrufsrechts eingetretene Schäden Angesichts der Tatsache, dass der Inhaber eines gesetzlichen Rücktrittsrechts nach Auffassung des Gesetzgebers ab Kenntnis des Rücktrittsrechts und somit auch schon vor Erklärung des Rücktritts zu einem sorgsamen Umgang mit dem Leistungsgegenstand verpflichtet ist und bei Verletzung dieser Rücksichtnahmepflicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB für den eingetretenen Schaden haftet, 645 stellt sich die Frage, ob der über sein Widerrufsrecht belehrte Verbraucher ebenfalls einer solchen Haftung ausgesetzt sein soll. Der in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltene Verweis auf das Rücktrittsrecht lässt keinen eindeutigen Rückschluss auf den gesetzgeberischen Willen zu, da § 280 Abs. 1 BGB eine Vorschrift des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ist. Allerdings kommt durch die Bezugnahme auf die Vorschriften des gesetzlichen Rücktrittsrechts zum Ausdruck, dass der widerrufsberechtigte Verbraucher – von den in § 357 BGB enthaltenen Sonderregelungen abgesehen – wie der Inhaber eines gesetzlichen Rücktrittsrechts behandelt werden soll. Daher liegt die Vermutung nahe, dass ein Verbraucher, der von seinem Widerrufsrecht weiß, ebenfalls zu einer sorgfältigen Behandlung der empfangenen Ware verpflichtet sein soll. Dagegen ließe sich jedoch anführen, dass der Verbraucher nach § 357 Abs. 4 BGB („Weitergehende Ansprüche bestehen nicht“) nur den in § 357 und §§ 346 ff. BGB ausdrücklich genannten Ansprüchen ausgesetzt sein soll. Sofern diese Regelung so zu verstehen ist, dass ein auf § 280 Abs. 1 BGB gestützter Schadensersatzanspruch ausgeschlossen sein soll, käme eine Haftung des Verbrauchers – auch bei einem rücksichtslosen Umgang mit der Ware – nicht in Betracht. 646 Es bestehen allerdings Zweifel, ob § 357 Abs. 4 BGB wirklich ein solches Verständnis zugrunde gelegt werden kann. Der Umstand, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu der Vorgängerregelung, § 361a Abs. 2 S. 6 BGB a.F., darauf hingewiesen hat, dass „weitergehende Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereichung und ähnliche Ansprüche“ ausgeschlossen sein sollen, 647 deutet vielmehr darauf hin, dass nicht ergänzend auf die Vorschriften anderer Rückabwicklungsmodelle (§§ 818 ff. oder §§ 987 ff. BGB) zurückgegriffen werden darf. 648 645

BT-Drs. 14/6040, S. 195; zu den im Hinblick auf eine mögliche Rückabwicklung bestehenden „vorgreiflichen Rücksichtnahmepflichten“ vgl. Kaiser, Rückabwicklung von Verträgen, S. 268 ff. sowie Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. XLVI. 646 In diesem Sinne Palandt / Grüneberg, § 357 Rn. 16; Bamberger / Roth / Grothe, § 357 Rn. 16; Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 32; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 197. 647 BT-Drs. 14/2658, S. 47. 648 MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 52 kommt im Hinblick auf den Schutzzweck des § 357 Abs. 4 BGB ebenfalls zu dem Schluss, dass die „Haftung des Unternehmers nach dem allgemeinen Zivilrecht“ nicht ausgeschlossen sein soll.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

Es sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, den widerrufsberechtigten Verbraucher anders zu behandeln als den Inhaber eines gesetzlichen Rücktrittsrechts. Letzterer muss auf die Interessen seines Vertragspartners Rücksicht nehmen, obwohl dieser sogar die Ursache für die Rückabwicklung des Vertrages gesetzt hat. Dann muss der Verbraucher im Fernabsatzhandel aber erst recht zur Rücksichtnahme verpflichtet sein. Schließlich kann seinem Vertragspartner – dem Unternehmer, der seine Waren im Fernabsatz vertreibt – nicht einmal der Vorwurf gemacht werden, für die Rückabwicklung des Vertrages verantwortlich zu sein. Dass das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme auch im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL Geltung beanspruchen kann, wurde bereits festgestellt. 649 Die Kommission hat in ihrer Stellungnahme zur korrekten Umsetzung der Fernabsatz-RiL 650 sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es das Ziel der Richtlinie sei, „den Fernabsatz denselben Grundsätzen zu unterwerfen, die auch für andere Absatzpraktiken gelten“. Die Bestimmungen des nationalen Rechts über Schadensersatz seien daher „auf Fernabsatzgeschäfte ebenso anzuwenden ... wie auf Sachverhalte, die mit einem normalen Kaufgeschäft in Zusammenhang stehen“. Folglich bestehen prinzipiell keine Bedenken dagegen, dem Verbraucher, der seine Ware im Fernabsatz erwirbt und deshalb zum Widerruf berechtigt ist, dasselbe Maß an Rücksichtnahme abzuverlangen wie dem Käufer, der seine Ware in einem Geschäft erworben hat und aufgrund einer Pflichtverletzung seines Vertragspartners zum Rücktritt berechtigt ist. Anders wäre es nur zu beurteilen, wenn die den Verbraucher treffende Schadensersatzpflicht die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL gefährdete. Zieht man insoweit die vom EuGH zu den Haustürgeschäften entwickelten, auch auf Fernabsatzverträge übertragbaren 651 Grundsätze heran, ist dies jedoch nicht der Fall. Zum einen wird die Schadensersatzpflicht nur einzelne Verbraucher treffen, so dass eine Beeinträchtigung des allgemeinen Verbrauchervertrauens nicht ernstlich zu befürchten ist. Zum anderen dient die Ersatzpflicht – wie vom EuGH vorausgesetzt – auch nur dazu, den Zustand vor Abschluss des Fernabsatzvertrages wiederherzustellen, indem die Vermögenseinbußen ausgeglichen werden, die der Unternehmer aufgrund der Lieferung der Ware an den Verbraucher erlitten hat. 652 Der ihm ohnehin zustehende Wertersatzanspruch 653 wird insoweit 649

Siehe oben S. 183; zu den Rücksichtnahmepflichten im Hinblick auf eine mögliche Rückabwicklung grundlegend Kaiser, Rückabwicklung von Verträgen, S. 268 ff.; Staudinger / dies., § 346 Rn. 195 m.w. N.; speziell zu § 357 BGB siehe auch Faust / Huber, § 10 Rn. 39. 650 Antwort der Kommission vom 03. 03. 1999 auf die Anfrage des österreichischen Bundeskanzleramtes hinsichtlich der korrekten Umsetzung der Fernabsatz-Richtlinie 97/ 7/EG, GZ: 901.480/2-VII / B/7/99; zur Bedeutung dieses Dokuments siehe oben S. 209. 651 Dazu oben S. 193. 652 Einen entgangenen Gewinn kann der Verkäufer allerdings nicht geltend machen, da er das Risiko der Rückabwicklung mit der Wahl des Vertriebswegs „Fernabsatz“ und der

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in vielen Fällen nicht ausreichen, so z. B. wenn die zur Reparatur der Ware erforderlichen Kosten höher sind als der zu ersetzende Wertverlust. 654 cc) Ergebnis: keine Bedenken gegen Schadensersatzverpflichtung Nach der hier vorgenommenen Auslegung des § 357 Abs. 4 BGB ist eine Schadensersatzhaftung des Verbrauchers für Schäden, die vor Erklärung des Widerrufs entstanden sind, nicht ausgeschlossen. Somit haftet der Verbraucher nach deutschem Recht für alle von ihm verursachten Schäden der Ware, unabhängig davon, ob diese vor oder nach Erklärung des Widerrufs eingetreten sind. Damit entspricht die deutsche Rechtslage der Vorstellung der Kommission, die ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass im Fernabsatzhandel im Hinblick auf Schadensersatzansprüche die gleichen Grundsätze gelten sollen wie im Präsenzhandel. Die im deutschen Recht vorgesehene Schadensersatzhaftung des Verbrauchers ist auch mit der Fernabsatz-RiL vereinbar, da keine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts droht. f) Verpflichtung des Verbrauchers zum Nutzungsersatz Nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers soll der Verbraucher nicht nur den durch die erstmalige Ingebrauchnahme bewirkten, besonderen Wertverlust ausgleichen müssen. 655 Wenn er die im Wege des Fernabsatzes bestellte Ware nach der Lieferung in Gebrauch nimmt, soll er vielmehr auch für die gewöhnliche, durch die Abnutzung eingetretene Wertminderung durch Zahlung einer Nutzungsentschädigung Ersatz leisten müssen. 656 Sie berechnet sich nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers anhand des Umfangs der Nutzung durch den Rückgewährschuldner im Verhältnis zu der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer des betreffenden Gegenstandes. 657

damit verbundenen Widerrufsmöglichkeit des Verbrauchers bewusst in Kauf genommen hat. Insoweit entspricht die deutsche Rechtslage den Vorgaben der Fernabsatz-RiL: Denn nur wenn es dem Verläufer verwehrt ist, den (entgangenen) Gewinn geltend zu machen, wird dem mit dem Widerrufsrecht verfolgten Zweck, dem Verbraucher die vollständige Lösung von dem Vertrag zu ermöglichen, Rechnung getragen. 653 Siehe oben S. 211 ff. 654 Vgl. hierzu Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 96. 655 Dazu bereits oben S. 202 ff. 656 § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 346 Abs. 1 Alt. 2 BGB. 657 BT-Drs. 14/6040, S. 193.

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aa) Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL Eine solche Nutzungsersatzpflicht könnte wiederum gegen Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL verstoßen, wonach die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung sind. 658 Allerdings wurde bereits festgestellt, dass unter den „Kosten“ nur solche finanziellen Belastungen zu verstehen sind, denen kein entsprechender Vermögenszuwachs auf Seiten des Verbrauchers gegenübersteht. Bei der hier diskutierten Verpflichtung zum Nutzungsersatz geht es jedoch nicht um einen Eingriff in das schon vor Abschluss des Fernabsatzvertrages bestehende Vermögen des Verbrauchers, sondern um die Abschöpfung der bei ihm infolge der Nutzung eingetretenen Bereicherung. Demnach fällt die Nutzungsersatzpflicht nicht unter den Begriff der Kosten i.S. des Art. 6 Abs. 2 S. 2 Fernabsatz-RiL. 659 Die durch sie bewirkte Belastung der Verbraucher steht folglich nicht im Widerspruch zum Wortlaut der Richtlinie. bb) Verstoß gegen die Zielsetzung der Fernabsatz-RiL Aber auch aus teleologischen Gesichtspunkten, d. h. unter dem Blickwinkel der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie, bestehen keine Bedenken gegen eine entsprechende Verpflichtung des Verbrauchers zur Nutzungsentschädigung. 660 Wenn – wie gezeigt – schon das Interesse des Verbrauchers an der erstmaligen Ingebrauchnahme der Ware nicht von der Fernabsatz-RiL geschützt ist, gilt dies erst recht für die Nutzung des Kaufgegenstandes über einen ggf. längeren Zeitraum: Ein Recht zur Nutzung steht dem Verbraucher nicht zu. 661 Dem Gemeinschaftsgesetzgeber ging es schließlich nur darum, dem Verbraucher eine Inaugenscheinnahme der Ware zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund droht auch keine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts: Denn wenn die Nutzung der Ware nach Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht Voraussetzung für die Ausübung des Widerrufsrechts ist, werden nicht alle oder auch nur die Mehrheit der Verbraucher von der Ersatzpflicht betroffen sein. 662 658 Ein Verstoß gegen die Fernabsatz-RiL wird bejaht von Wildemann, jurisPK-BGB, § 357 Rn. 20; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, 2.02 Rn. 20; Micklitz, ZEuP 1999, 875, 887; ders. / Reich, Fernabsatzrichtlinie, S. 27 Rn. 61; Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 195; Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 371. 659 Schinkels, ZGS 2005, 179 weist im Hinblick auf den englischen Richtlinienwortlaut darauf hin, dass nicht anzunehmen sei, dass ein Engländer die Abschöpfung einer Bereicherung mit „charge“ bezeichnen würde. 660 Anders Micklitz, ZEuP 1999, 875, 887; ders. / Reich, BB 1999, 2093, 2095; so wohl auch Tonner, BB 2000, 1413, 1416. 661 Vgl. auch H. Roth, JZ 2000, 1013, 1019.

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Unabhängig davon besteht aber selbst bei den Verbrauchern, die sich im Einzelfall doch einer Nutzungsersatzpflicht ausgesetzt sehen, nicht die Gefahr, dass sie aus diesem Grund von der Wahrnehmung ihres Widerrufsrechts Abstand nehmen. Denn anders als bei der Verpflichtung zum Ersatz des durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlustes, der sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers schon mal auf 20% des Kaufpreises belaufen kann, 663 ist die zu erwartende Belastung des Verbrauchers hier viel geringer. Schließlich erlischt das Widerrufsrecht gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL selbst bei fehlender Widerrufsbelehrung spätestens drei Monate nach der Lieferung. 664 Die innerhalb dieses kurzen Zeitraums anfallenden Nutzungsersatzansprüche dürften der Höhe nach nicht geeignet sein, den Verbraucher von einem Widerruf abzuhalten. 665 Zu beachten ist außerdem, dass dem Verbraucher zuvor auch die entsprechenden Gebrauchsvorteile zugeflossen sind, er bei „saldierender Betrachtung“ also gar keine Werteinbuße hinnehmen muss. 666 Seine Interessen werden durch die Pflicht zum Nutzungsersatz daher weniger stark berührt als im Fall der Wertersatzpflicht für den durch die Ingebrauchnahme eingetretenen besonderen Wertverlust, bei dem seinem Vermögen kein entsprechender Gegenwert zugeflossen ist. Demgegenüber hat der Unternehmer, dessen Ware einen nutzungsbedingten Wertverlust erlitten hat, ein schützenswertes 667 Interesse daran, hierfür einen Ausgleich in Gestalt einer Nutzungsentschädigung zu erhalten. Insoweit dient die Nutzungsersatzpflicht also nur der Wiederherstellung des ursprünglichen Zu662 Im deutschen Recht dürfte aufgrund der Regelung des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB (vgl. auch die Musterbelehrung in Anlage 2 BGB-InfoV) gewährleistet sein, dass die Verbraucher regelmäßig darüber belehrt werden, dass die Ingebrauchnahme der Ware mit Kosten verbunden ist. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Verbraucher auf eine Nutzung verzichtet. 663 BT-Drs. 14/6040, S. 199. 664 An dieser Stelle ist ohne Belang, dass sich der deutsche Gesetzgeber entschlossen hat, die Widerrufsfrist nach der Entscheidung „Heininger“ auf unbegrenzte Zeit zu verlängern (dazu oben S. 88). Zwar ist vorstellbar, dass sich der betroffene Verbraucher im Falle eines Widerrufs, der erst nach mehreren Monaten oder sogar Jahren erfolgt, einer erheblichen Ersatzforderung ausgesetzt sieht. Jedoch ist die damit verbundene, drohende Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit nicht mehr am Gemeinschaftsrecht zu messen, da dem Verbraucher nach Ablauf der Dreimonatsfrist gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL überhaupt kein Widerrufsrecht mehr zusteht. 665 So auch bereits Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 65; ders., ZGS 2005, 179, 180. 666 So bereits Brönneke, MMR 2004, 127, 132. 667 Die Interessen der Unternehmer verdienen im Anwendungsbereich der FernabsatzRiL jedenfalls insoweit Schutz, als aus ihrer Sicht ungünstige Rückabwicklungsregelungen dazu geeignet sein können, ihre Bereitschaft, am grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel zu partizipieren, zu mindern. Dies stünde im Widerspruch zu der Zielsetzung der Fernabsatz-RiL, Geschäfte dieser Art zu fördern, vgl. dazu bereits oben S. 195 ff.

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stands. 668 Daher bestehen im Ergebnis keine Bedenken dagegen, den Verbraucher und nicht den Unternehmer mit den Folgen der Nutzung zu belasten. 669 cc) Auswertung der Stellungnahme der Kommission Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der bereits zitierten Stellungnahme der Kommission zur korrekten Umsetzung der Fernabsatz-RiL. 670 Zwar heißt es dort, dass die Berechnung eines Entgeltes für die Benützung der Ware „wohl eine unerschöpfliche Quelle für Streitigkeiten“ darstellen und „zu großer Verunsicherung bei Konsumenten führen“ könnte. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass dieser Hinweis im Zusammenhang mit der Feststellung erfolgt, dass die sorgfältige Begutachtung der Ware, die von der Richtlinie gewährleistet werden soll, noch keinen Gebrauch darstellt. 671 Es liegt daher nahe, dass sich die Ausführungen der Kommission lediglich auf die Frage beziehen, ob für die bloße Begutachtung des Kaufgegenstandes eine Nutzungsentschädigung beansprucht werden kann – nur insoweit wären auch Schwierigkeiten bei der Berechnung der Höhe des Entschädigungsanspruchs zu erwarten. Sofern es bei der Begutachtung der Ware bleibt, besteht nach deutschem Recht jedoch schon keine Verpflichtung zum Nutzungsersatz. 672 Dieser wird nur für den über die Begutachtung hinausgehenden Gebrauch eines Produktes geschuldet. Insoweit sind aber wiederum keine Unsicherheiten im Hinblick auf die Berechnung der Ersatzverpflichtung zu erwarten, da zu diesem Zweck das anerkannte und nachvollziehbare Kriterium der linearen Teilwertabschreibung herangezogen wird. 673 dd) Ergebnis: keine Bedenken gegen Nutzungsersatzpflicht Nach alledem bestehen keine Bedenken dagegen, dass dem Verbraucher vom deutschen Gesetzgeber die kostenlose Nutzung der Sache verwehrt wird. 674 Mit 668

Zu diesem Erfordernis bereits oben S. 193. So auch Meentz, Verbraucherschutz bei Rechtsgeschäften im Internet, S. 205. 670 Antwort der Europäischen Kommission vom 03. 03. 1999 auf die Anfrage des österreichischen Bundeskanzleramtes hinsichtlich der korrekten Umsetzung der FernabsatzRichtlinie 97/7/EG, GZ: 901.480/2-VII / B/7/99. 671 Vgl. insoweit auch Ausführungen auf S. 210. 672 Anders noch die Altregelung gemäß § 361a Abs. 2 S. 6 BGB a.F., wonach der Verbraucher nach h.M. schon für die bloße Gebrauchsmöglichkeit eine Nutzungsvergütung schulden sollte, vgl. Nachweise bei Staudinger / Kaiser, § 361a Rn. 86. Dieses Problem stellt sich jetzt nicht mehr, vgl. Kaestner / Tews, WRP 2005, 1335, 1346; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 183. 673 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 193; so auch die st. Rspr. seit BGH, NJW 1991, 2484, 2485 sowie aus jüngerer Zeit BGH, VersR 2006, 1370 Rn. 12; anderer Ansicht soweit ersichtlich nur Lütcke, Fernabsatzrecht, § 357 Rn. 37, der den Nutzungsersatz anhand des üblichen oder gedachten Mietzinses berechnen will. 669

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der Verpflichtung des Verbrauchers zum Nutzungsersatz wird letztendlich nur dem Grundgedanken der Fernabsatz-RiL Rechnung getragen, die – wie Art. 6 Abs. 2 entnommen werden kann – nach Ausübung des Widerrufsrechts eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangt. Als problematisch erweist sich lediglich der Umstand, dass sich die Höhe des Nutzungsersatzes nach Vorstellung des deutschen Gesetzgebers wiederum nach der Höhe der Gegenleistung richten soll. 675 Demnach müsste auch der im Bruttopreis enthaltene Gewinnanteil des Unternehmers bei der Berechnung der Höhe des Nutzungsersatzes berücksichtigt werden. Dies steht – wie bereits an anderer Stelle erörtert 676 – im Widerspruch zur Zielsetzung der Fernabsatz-RiL, weil der Verbraucher auf diese Weise an dem vertraglichen Äquivalenzverhältnis festgehalten wird, obwohl es ihm durch das Widerrufsrecht gerade ermöglicht werden soll, sich vollständig von dem Vertrag zu lösen. 677 Es wurde aber bereits festgestellt, 678 dass die Anknüpfung an die Gegenleistung nicht in dem Bewusstsein erfolgt ist, dadurch gegen die Fernabsatz-RiL zu verstoßen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass es dem Willen des deutschen Gesetzgebers entspricht, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen: Die Höhe des zu zahlenden Nutzungsersatzes muss folglich anhand des objektiven Wertes der Ware berechnet werden. g) Pflicht zur Nutzung im Rahmen der ordnungsgemäßen Wirtschaft Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Verpflichtung des Verbrauchers zur Zahlung einer Entschädigung für die gezogenen Nutzungen nicht gegen die Vorgaben der Fernabsatz-RiL verstößt. Der Wille des deutschen Gesetzgebers geht aber noch darüber hinaus: Der Verbraucher soll – wie im Bereich des Rücktrittsrechts – auch dazu verpflichtet sein, Wertersatz für nicht gezogene Nutzungen zu leisten. 679 Zwar lässt sich weder der Gesetzesbegründung des Fernabsatzgesetzes (FernAG) noch der des Schuldrechtsmodernisie674 Anders Schinkels, ZGS 2005, 179, 180, der entgegen der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass die Ingebrauchnahme und somit die Nutzung jedenfalls bei besonders komplexen Produkten Teil des von der Richtlinie geschützten Prüfrechts des Verbrauchers ist. 675 So Bockholdt, AcP 206(2006), S. 769, 800 und Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 137 unter Hinweis auf § 346 Abs. 2 S. 2 BGB. 676 Siehe Ausführungen auf S. 217 f. 677 Schinkels, in: Gebauer / Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap. 7 Rn. 74; kritisch auch Brönneke, MMR 2004, 127, 133. 678 Siehe oben S. 219. 679 Dies gilt allerdings nur für die Zeit bis zur Ausübung des Widerrufsrechts; für die Zeit danach ist kein Wertersatz geschuldet, vgl. Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 44.

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rungsgesetzes ein ausdrücklicher Hinweis darauf entnehmen, dass der deutsche Gesetzgeber die Absicht hatte, den Verbraucher mit einer entsprechenden Wertersatzpflicht zu belasten. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 357 Abs. 1 S. 1 BGB, der ohne eine den Nutzungsersatz betreffende Einschränkung 680 auf die §§ 346 – 348 BGB verweist, muss allerdings davon ausgegangen werden, dass es der gesetzgeberischen Intention entspricht, dass § 347 Abs. 1 BGB auch im Bereich der verbraucherschützenden Widerrufsrechte entsprechende Anwendung finden soll. 681 Diese Regelung hat in der Literatur bisher vergleichsweise wenig Resonanz erfahren. 682 Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass nur wenig Fälle vorstellbar sind, in denen dieser Anspruch tatsächlich praktische Bedeutung erlangt (dazu sogleich unter aa)). Trotzdem erscheint die Zurückhaltung verwunderlich, wenn man sich vor Augen hält, dass das deutsche Recht den Verbraucher in eine ausweglose Lage versetzt: Auf der einen Seite gebietet es ihm, die empfangene Ware in Gebrauch zu nehmen. Auf der anderen Seite schuldet er aber – wenn er diesem Gebot nachkommt – zugleich Wertersatz für den durch diese Ingebrauchnahme entstandenen Wertverlust. 683 Der Verbraucher befindet sich also in einer Situation, in der er es gar nicht vermeiden kann, Ersatzansprüchen ausgesetzt 680 In § 357 Abs. 2 und 3 BGB ist im Hinblick auf die Nutzungsersatzpflicht nichts „anderes bestimmt“ i.S. des § 357 Abs. 1 S. 1 BGB, das gegen eine Anwendung des § 347 Abs. 1 BGB sprechen könnte. 681 Vgl. MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 8; Wildemann, jurisPK-BGB, § 357 Rn. 19; Bamberger / Roth / Grothe, § 357 Rn. 16; Palandt / Grüneberg, § 357 Rn. 7; Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 882; siehe auch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 138, die allerdings davon ausgehen, dass der Anspruch auf Ersatz nicht gezogener Nutzungen keine praktische Bedeutung haben dürfte. Zweifel am Umfang der Verweisung auf das Rücktrittsrecht könnten sich allenfalls aus dem Umstand ergeben, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 361a Abs. 2 BGB a.F. (BT-Drs. 14/2658, S. 47) nur auf den Inhalt der §§ 346 und 349 BGB a.F. Bezug nahm, nicht jedoch auf § 347 BGB a.F., in dessen Satz 2 die Pflicht zum Ersatz nicht gezogener Nutzungen geregelt war. Sofern der Gesetzgeber auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollte, dass der Verbraucher keiner derartigen Ersatzpflicht ausgesetzt sein sollte, wäre dieser gesetzgeberische Wille auch im Rahmen des § 357 Abs. 1 BGB zu beachten, da diese Neuregelung nach Auffassung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 199) inhaltlich der Vorgängerreglung entsprechen soll. Zu berücksichtigen ist aber, dass § 361a Abs. 2 S. 6 BGB a.F. eine abschließende Nutzungsersatzregelung enthielt, die den Verweis auf §§ 346 S. 2, 347 S. 2 BGB a.F. entbehrlich machte. Da diese eigenständige Nutzungsersatzregelung im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes nicht übernommen wurde, sprechen die besseren Argumente dafür, dass sich der Verweis in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB auch auf § 347 Abs. 1 BGB beziehen soll. 682 Faust, jurisPK-BGB, § 347 Rn. 6 hält die Anwendung des § 347 Abs. 1 BGB unter Hinweis darauf für zulässig, dass das Richtlinienrecht insoweit keine Vorgaben enthalte. Auf die Frage, ob eine solche Ersatzpflicht die Effektivität des Widerrufsrechts beeinträchtigen könnte, geht er allerdings nicht ein. 683 Siehe oben S. 202 ff.

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zu sein. Allein diese „Systemwidrigkeit“ 684 ist Anlass genug, die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehene Verpflichtung zum Ersatz nicht gezogener Nutzungen zu kritisieren. 685 Ob sie allerdings auch zu einer Beeinträchtigung der Wirksamkeit des Widerrufsrechts und somit zu einem Verstoß gegen die Fernabsatz-RiL führt, gilt es im Folgenden noch zu untersuchen (dazu sogleich unten bb)). aa) Praktische Bedeutung der Ersatzverpflichtung Um die Frage der praktischen Bedeutung der Wertersatzpflicht für nicht gezogene Nutzungen beurteilen zu können, ist zunächst festzustellen, nach welchen Kriterien sich die Haftung des Verbrauchers nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers richten soll. Grundsätzlich muss ein Rückgewährschuldner gemäß § 347 Abs. 1 S. 1 BGB, auf den § 357 Abs. 1 S. 1 BGB Bezug nimmt, für diejenigen Nutzungen Ersatz leisten, die er entgegen den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht zieht. (1) Mögliches Eingreifen der Privilegierung des § 347 Abs. 1 S. 2 BGB Teile der Literatur 686 gehen davon aus, dass sich die Verweisung in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB und somit der gesetzgeberische Wille auch auf die Privilegierung des § 347 Abs. 1 S. 2 BGB bezieht. Danach würde zugunsten des Verbrauchers der weniger strenge Maßstab der „eigenüblichen Sorgfalt“ Anwendung finden, d. h. der Verbraucher müsste die Ware nur dann einer wirtschaftlichen Verwendung zuführen, wenn er auch aus anderen, vergleichbaren Sachen Nutzungen zu ziehen pflegt. Verwendete er seine sonstigen Sachen dagegen für gewöhnlich nicht zu wirtschaftlichen Zwecken, wäre er auch im Hinblick auf die durch den Fernabsatzvertrag erworbene Sache nicht angehalten, diese wirtschaftlich zu nutzen. Eine Grenze wäre erst bei grober Fahrlässigkeit erreicht, d. h. beim Unterlassen einer Nutzung, die ganz naheliegend ist und jedermann einleuchtet. 687 Ein solcher Fall dürfte aber praktisch nicht vorkommen: Da die Waren im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL zum privaten Gebrauch erworben werden, ist kaum vorstellbar, dass es Fälle gibt, in denen sich dem Verbraucher eine wirtschaftliche Nutzung geradezu aufdrängen muss. Letztendlich muss die Frage, ob die Privilegierung des § 347 Abs. 1 S. 2 BGB nach der Vorstellung des Gesetzgebers zur Anwendung kommen soll, an die684

Begriff von Schwab / Witt, Neues Schuldrecht, S. 281, 221. Vgl. auch Ring, in: Dauner-Lieb / Konzen / Schmidt (Hrsg.), Neues Schuldrecht, S. 347, 359; Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 51. 686 Vgl. MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 49; Wildemann, jurisPK-BGB, § 357 Rn. 19; Palandt / Grüneberg, § 357 Rn. 7; Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 43. 687 MünchKommBGB / Gaier, § 347 Rn. 12. 685

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ser Stelle allerdings nicht weiter vertieft werden, wenn eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers für nicht gezogene Nutzungen selbst bei Zugrundelegen des strengeren Maßstabs der „ordnungsgemäßen Wirtschaft“ i.S. des § 347 Abs. 1 S. 1 BGB nicht bzw. nur in seltenen Fällen in Betracht kommt. Die tatsächliche Bedeutung der den Verbraucher treffenden Wertersatzverpflichtung wäre dann auf jeden Fall sehr gering, was wiederum im Hinblick auf die Frage einer möglichen Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts von Bedeutung wäre. Im Folgenden gilt es daher zu untersuchen, ob im Bereich der Fernabsatzgeschäfte Anwendungsfälle vorstellbar sind, in denen die unterbliebene Nutzung der empfangenen Ware gegen die Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft verstößt. 688 (2) Verstoß gegen Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft Die Obliegenheit zur Nutzung der vom Anbieter erhaltenen Ware besteht nur dann, wenn diese Nutzung der ordnungsgemäßen Wirtschaft entspricht. (a) Maßgeblichkeit der vertraglichen Vereinbarung Maßstab ist insoweit nach h.M. 689 die vertragliche Vereinbarung der Parteien: Sieht der Vertrag eine bestimmte Art der Verwendung vor, ist diese maßgeblich; anderenfalls ist die übliche Verwendung geschuldet. 690 Für den Fernabsatzkauf hat dies folgende Konsequenzen: Wenn der Anbieter den Verbraucher gemäß § 357 Abs. 3 S. 1 BGB dahingehend belehrt hat, dass er die Ware zwar prüfen, nicht aber kostenlos in Gebrauch nehmen darf, entspricht die Nutzung nicht der vertraglich vereinbarten Verwendung und somit auch nicht der ordnungsgemäßen Wirtschaft. 691 Denn in der Belehrung wird ihm – sofern sie den Vorgaben der Musterbelehrung in Anlage 2 der BGB-InfoV entspricht 692 – zumindest nahegelegt, die Ware nicht in Gebrauch zu nehmen. Folglich kann er nicht zur Zahlung 688 Nach dem Wortlaut der Norm setzt § 347 Abs. 1 S. 1 BGB weiter voraus, dass die Nutzung überhaupt möglich gewesen ist. Dieser Voraussetzung kommt jedoch keine eigenständige Bedeutung zu, da im Falle der Unmöglichkeit bereits nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft keine Nutzung erwartet werden kann, vgl. Faust, jurisPKBGB, § 347 BGB Rn. 19. 689 Staudinger / Kaiser, § 347 Rn. 9; Faust, jurisPK-BGB, § 347 BGB Rn. 14; zur Lösung nach der Auffassung von Gaier, MünchKommBGB / Gaier, § 347 Rn. 6 sogleich. 690 Faust, jurisPK-BGB, § 347 BGB Rn. 14. 691 Vgl. Hager, AnwKSR, § 347 Rn. 2, der darauf hinweist, dass eine Nutzung dann nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft liegt, wenn diese nach dem Vertrag nicht gestattet war. 692 Dort heißt es unter der Überschrift Widerrufsfolgen: „Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt“.

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einer Entschädigung verpflichtet sein, wenn er es in einem solchen Fall unterlässt, Nutzungen zu ziehen. Aber auch in Fällen, in denen eine entsprechende Belehrung des Verbrauchers fehlt, kommt man letztendlich zu keinem anderen Ergebnis, da der von beiden Parteien verfolgte Vertragszweck zu berücksichtigen ist, 693 und dies ist im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL der Verkauf von Waren zur privaten Nutzung durch den Verbraucher. Da somit eine wirtschaftliche Nutzung der Waren nach dem Inhalt des Vertrages nicht vorgesehen ist, ist diese also auch bei Fehlen einer Belehrung nicht geschuldet. (b) Maßgeblichkeit des objektiven Maßstabs der vernünftigen Wirtschaftsführung Gaier geht davon aus, dass es für die Frage, ob nach den Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft eine ökonomische Nutzung der Waren geboten ist, auf den objektiven Maßstab der vernünftigen Wirtschaftsführung ankommen soll. 694 Doch auch bei Zugrundelegung dieses Maßstabs dürfte eine wirtschaftliche Nutzung der vom Verbraucher empfangenen Ware regelmäßig nicht geschuldet sein. Zwar mögen einige der im Wege des Fernabsatzes veräußerten Gegenstände objektiv dazu geeignet sein, Erträge zu erwirtschaften. Eine wirtschaftliche Nutzung ist aber trotzdem nur dann geboten, wenn eine solche Verwendung auch wirtschaftlich vernünftig ist. 695 Dies hängt in besonderem Maße davon ab, ob mit der baldigen Rückgewähr des empfangenen Gegenstandes gerechnet werden muss: Wenn die Rückgabe in allernächster Zeit bevorsteht, ist es angezeigt, eine Nutzung wegen der damit verbundenen Gefahren für den Gegenstand zu unterlassen. 696 Der Verzicht auf eine wirtschaftliche Verwendung liegt in einem solchen Fall im Interesse beider Parteien: Da der Verbraucher für eine Verschlechterung bzw. den Untergang der Ware einstehen muss, 697 muss ihm daran gelegen sein, jede gefahrerhöhende Verwendung zu vermeiden. Aber auch der Anbieter hat ein Interesse daran, dass eine wirtschaftliche Nutzung der Ware unterbleibt. Sofern er es versäumt hat, den Verbraucher gemäß § 357 Abs. 3 S. 1 BGB zu belehren, muss er den mit der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme verbundenen Wertverlust selber tragen. Daher gebieten die Regeln der ordnungsgemäßen 693

Bamberger / Roth / Grothe, § 347 Rn. 2; Faust, jurisPK-BGB, § 347 Rn. 9; Staudinger / Kaiser, § 347 Rn. 9; dies., JZ 2001, 1057, 1067. 694 MünchKommBGB / Gaier, § 347 BGB Rn. 6. 695 Vgl. MünchKommBGB / Gaier, § 347 BGB Rn. 7. 696 Faust, jurisPK-BGB, § 347 BGB Rn. 16; auch MünchKommBGB / Gaier, § 347 Rn. 7 weist darauf hin, dass z. B. bei Vereinbarung eines vertraglichen Rücktrittsrechts eine Nutzung des empfangenen Gegenstandes, die mit Gefahren für die Sache verbunden ist, unterbleiben darf. 697 Zur Wertersatzverpflichung des Verbrauchers siehe oben S. 211 ff.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

Wirtschaft aus seiner Sicht in diesem Fall keine mit der Gefahr der Abnutzung verbundene, wirtschaftliche Nutzung des Gegenstandes. 698 Aber auch dann, wenn eine ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers erfolgt ist, scheint keine abweichende Bewertung angezeigt: Sie ist ja gerade Ausdruck des Willens des Anbieters, dass die Ingebrauchnahme möglichst unterbleiben soll. Soweit dieser Wille auf „vernünftigen“ Erwägungen beruht, erscheint es gerechtfertigt, ihn auch bei Zugrundelegung des nach Ansicht von Gaier 699 maßgeblichen, objektiven Maßstabs zu berücksichtigen. Es stellt sich daher die Frage, ob die wirtschaftliche Nutzung des empfangenen Gegenstandes trotz des Umstands, dass das Abnutzungsrisiko in diesem Fall beim Verbraucher liegt, für den Anbieter mit Nachteilen verbunden ist, die es objektiv vorteilhaft und somit „vernünftig“ erscheinen lassen, dass der Verbraucher auf eine entsprechende Verwendung verzichtet. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass z. B. die Vermietung der Sache an einen Dritten zur Folge hat, dass der Verbraucher gehindert ist, die Ware nach Ausübung des Widerrufsrechts schnellstmöglich zurückzugewähren, weil er sie zunächst von dem Mieter zurückfordern muss. Dabei sind gerade die Fernabsatzgeschäfte auf eine schnelle Rückabwicklung ausgerichtet – dies kommt in Art. 6 Abs. 2 S. 3 FernabsatzRiL 700 und Art. 7 Abs. 5 F-Fernabsatz-RiL 701 deutlich zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, dass auch die objektiv verstandenen Interessen der Anbieter keine wirtschaftliche Verwendung der Ware durch den Verbraucher gebieten, wenn mit der baldigen Rückabwicklung des Vertrages zu rechnen ist. Letzteres ist im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL stets der Fall, da der Verbraucher bis zum Ablauf der Widerrufsfrist ohne weitere Voraussetzungen jederzeit von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen kann. Vor diesem Hintergrund scheint eine Nutzung der vom Verbraucher empfangenen Ware also auch bei einem objektiven Verständnis des Begriffs der Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft nicht angezeigt. (c) Ergebnis: Wirtschaftliche Nutzung im Regelfall nicht geboten Wie gezeigt ist eine wirtschaftliche Nutzung des vom Verbraucher empfangenen Gegenstands grundsätzlich nicht geboten – unabhängig davon, ob man 698 Zur vergleichbaren Interessenlage bei Bestehen eines Rücktrittsrecht vgl. Faust, jurisPK-BGB, § 347 BGB Rn. 17. 699 Vgl. MünchKommBGB / Gaier, § 347 Rn. 6. 700 Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL lautet: „Die Erstattung hat so bald wie möglich, in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen zu erfolgen.“ 701 Art. 7 Abs. 5 F-Fernabsatz-RiL lautet: „Der Verbraucher gibt unverzüglich und nicht später als binnen 30 Kalendertagen vom Anbieter erhaltene Geldbeträge und / oder Gegenstände an den Anbieter zurück. Diese Frist beginnt an dem Tag, an dem der Verbraucher die Mitteilung über den Widerruf abschickt.“

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bei der Bestimmung der Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft i.S. des § 347 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Vertrag oder auf den Maßstab der vernünftigen Wirtschaftsführung abstellt. (3) Ergebnis: geringe praktische Bedeutung des Ersatzanspruchs Angesichts der Tatsache, dass eine wirtschaftliche Nutzung des Kaufgegenstandes durch den Verbraucher regelmäßig nicht geboten ist, dürften die Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs wegen nicht gezogener Nutzungen nach § 347 Abs. 1 S. 1 BGB nur selten gegeben sein. 702 Wenn aber ohnehin nur wenige Anwendungsfälle zu erwarten sind, kann die Frage, ob zugunsten des Verbrauchers auch noch die Privilegierung des § 347 Abs. 1 S. 2 BGB eingreift, an dieser Stelle offen bleiben: Es steht in jedem Fall fest, dass die Verpflichtung, Ersatz für nicht gezogene Nutzungen leisten zu müssen, im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL nur geringe praktische Bedeutung genießt. bb) Vereinbarkeit der Ersatzpflicht mit den Richtlinienvorgaben Der Tatsache, dass die Ersatzpflicht für nicht gezogene Nutzungen nur geringe praktische Bedeutung erlangen wird, ist von Bedeutung für die Frage, ob die in § 347 Abs. 1 S. 1 BGB geregelte Nutzungsobliegenheit geeignet ist, die praktische Wirksamkeit des Widerrufsrechts zu beeinträchtigen. Denn eine Entwertung des Widerrufsrechts wäre nur zu befürchten, wenn nicht lediglich einzelne, sondern die Mehrzahl der Verbraucher von der in Rede stehenden Rechtsfolgenregelung betroffen wäre. Dies ist jedoch nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu befürchten. Trotzdem könnten Bedenken gegen die Belastung der Verbraucher mit dem Ersatzanspruch nach § 347 Abs. 1 S. 1 BGB erhoben werden. Der EuGH hat zur HTürW-RiL zwar entscheiden, dass sogar der faktische Ausschluss des Widerrufsrechts durch eine einzelne Verbraucher belastende Rückabwicklungsregelung mit dem Gedanken eines effektiven Verbraucherschutzes vereinbar ist, hat in diesem Zusammenhang aber darauf hingewiesen, dass damit lediglich die „Wiederherstellung der ursprünglichen Situation“ erreicht wird, zu der der Verbraucher nach dem Richtlinienrecht ohnehin verpflichtet ist. 703 Dies lässt den Rückschluss zu, dass eine Belastung des Verbrauchers mit einer für ihn ungünstigen Rechtsfolgenregelung nur dann keinen Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz darstellt, wenn sie nur dazu dient, die Parteien des Vertrages so zu stellen wie vor Abschluss des Fernabsatzvertrages. 704 Die Verpflichtung zum Ersatz nicht 702

Vgl. auch Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 138. Zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Fernabsatzgeschäfte bereits oben S. 193 f. 704 Vgl. dazu auch Ausführungen auf S. 193. 703

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

gezogener Nutzungen gemäß § 347 Abs. 1 S. 1 BGB geht jedoch darüber hinaus: Der Unternehmer erhält bei Annahme einer solchen Ersatzpflicht nicht nur die Ware zurück, die ungebraucht geblieben ist und daher nicht an Wert verloren hat, sondern bekommt darüber hinaus auch noch den Wert der (nicht genutzten) Gebrauchsmöglichkeit ersetzt. Nun ließe sich zwar argumentieren, dass auch der Anspruch aus § 347 Abs. 1 S. 1 BGB letztendlich nur der Rückabwicklung dient, weil er bewirkt, dass der Wert der Nutzungsmöglichkeit im Fall der Rückabwicklung (wieder) dem Rückgewährgläubiger zugewiesen wird. 705 Dies würde aber voraussetzen, dass die Nutzungsmöglichkeit zuvor auf den Rückgewährschuldner übergegangen ist. Für den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass dem Verbraucher als Rückgewährschuldner nach dem erkennbaren Willen sowohl des europäischen 706 als auch des deutschen Gesetzgebers 707 gerade nicht die Nutzungsmöglichkeit, sondern lediglich das Recht, die Ware in Augenschein zu nehmen, eingeräumt werden soll. Dem einzelnen Unternehmer steht es zwar frei, dem Verbraucher trotzdem ein Nutzungs- bzw. Erprobungsrecht einzuräumen. 708 Ob allerdings der Gedanke einer mit § 347 Abs. 1 S. 1 BGB verbundenen Nutzungsobliegenheit des Verbrauchers mit der Intention der Fernabsatz-RiL vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Letztlich können die hier geäußerten Bedenken jedoch zurückstehen, wenn die drohende Ersatzpflicht im Ergebnis überhaupt nicht geeignet ist, die (wenigen) betroffenen Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. Schließlich gilt das vom EuGH im Hinblick auf die Effektivität des Widerrufsrechts entwickelte Gebot, dass die den Verbraucher belastende Rechtsfolgenregelung der Rückabwicklung der ausgetauschten Leistungen dienen muss, nur für den Fall, dass ein Verzicht des Verbrauchers auf die Ausübung des Widerrufsrechts droht. 709 Dies ist jedoch – auch wenn man § 347 Abs. 1 S. 1 BGB im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL für anwendbar hält – nicht zu befürchten, da selbst in den Fällen, in denen die Voraussetzungen dieses Anspruchs gegeben sind, nur mit einer äußerst geringfügigen Belastung der betroffenen Verbraucher zu rechnen ist. Grund hierfür ist, dass das Widerrufsrecht gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 4 Fernabsatz-RiL selbst bei fehlender Widerrufsbelehrung spätestens drei Monate nach Eingang der Ware beim Verbraucher erlischt. Der in diesem kurzen Zeitraum anfallende Betrag dürfte kaum geeignet sein, den je705

Vgl. Staudinger / Kaiser, § 347 Rn. 6. Siehe Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL, der das Widerrufsrecht damit begründet, dass der Verbraucher die Ware vor der Bestellung nicht „sehen“ kann; dazu auch oben S. 66. 707 Gemäß § 357 Abs. 3 S. 2 BGB ist nur das Recht auf „Prüfung“ der Ware durch den Verbraucher geschützt; ein Recht auf (kostenlose) „Ingebrauchnahme“ steht dem Verbraucher gerade nicht zu. Zur Abgrenzung dieser Begriffe siehe oben S. 206. 708 Siehe oben S. 208. 709 Siehe oben S. 192 f. 706

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weiligen Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. 710 Soweit der Widerruf im deutschen Recht angesichts der Regelung des § 355 Abs. 3 S. 1 BGB auch noch zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt erfolgen kann und daher ggf. ein deutlich höherer Ersatzanspruch wegen der nicht gezogenen Nutzungen droht, ist dies im Hinblick auf die hier zu untersuchende Effektivität des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL ohne Belang, da das Interesse des Verbrauchers, sich wieder von dem Fernabsatzvertrag zu lösen, nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des Art. 6 Abs. 1 S. 4 FernabsatzRiL nicht mehr von der Richtlinie geschützt ist. 711 Nach alledem besteht nicht die Gefahr, dass es aufgrund der Nutzungsersatzpflicht nach § 347 Abs. 1 S. 1 BGB zu einer Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL kommt. cc) Ergebnis: keine Beeinträchtigung der Effektivität des Widerrufsrechts Mit seiner Entscheidung, den Verbraucher zum Ersatz nicht gezogener Nutzungen zu verpflichten, verstößt der deutsche Gesetzgeber nach hier vertretener Auffassung nicht gegen das Gebot der effektiven Umsetzung des Widerrufsrechts. Er handelt vielmehr noch im Rahmen des ihm nach Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL zustehenden Gestaltungsermessens. Trotzdem ist die Norm rechtspolitisch fragwürdig, da sie von dem Verbraucher die wirtschaftliche Nutzung der Ware verlangt, obwohl deren Ingebrauchnahme bei Fernabsatzgeschäften nach der Vorstellung des Gesetzgebers wegen des damit verbundenen Wertverlustes grundsätzlich unterbleiben soll. Zu kritisieren ist die Regelung auch insoweit, als zumindest der Eindruck entsteht, dass auch hier bei der Berechnung der Höhe des Ersatzanspruchs die vertraglich vereinbarte Gegenleistung zugrunde gelegt werden soll. 712 Ein solches Festhalten des Verbrauchers am vertraglich festgelegten Äquivalenzverhältnis ist jedoch – wie bereits ausführlich dargelegt 713 – nicht mit der Zielsetzung des Fernabsatz-RiL vereinbar. h) Aufwendungsersatzanspruch des Verbrauchers In der Literatur wird davon ausgegangen, dass der in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltene Verweis auf die Vorschriften des gesetzlichen Rücktrittsrechts auch 710 Zur vergleichbaren Argumentation bei der Belastung des Verbrauchers mit einem Anspruch auf Nutzungsersatz für tatsächlich gezogene Nutznungen siehe oben S. 226. 711 Vgl. dazu bereits die Ausführungen in Fn. 664 (Abschnitt C.). 712 Faust, jurisPK-BGB, § 347 Rn. 21; a. A. Staudinger / Kaiser, § 347 Rn. 13. 713 Siehe Ausführungen zur Berechnung des Wertersatzes für einen durch Beschädigung oder Untergang der Ware eingetretenen Werverlust auf S. 217 f.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

den Aufwendungsersatzanspruch nach § 347 Abs. 2 BGB umfasst. 714 Tatsächlich findet sich weder in den genannten Rechtsvorschriften noch in den Gesetzesmaterialien ein Hinweis darauf, dass § 347 Abs. 2 BGB von der Verweisung ausgenommen sein soll. Demnach muss der Unternehmer dem Verbraucher im Fall der widerrufsbedingten Rückabwicklung auch die getätigten Verwendungen ersetzen. 715 Die Kompetenz des deutschen Gesetzgebers zur Regelung dieser Materie ergibt sich aus Erwägungsgrund 14 Fernabsatz-RiL. Die praktische Relevanz des Verwendungsersatzanspruchs dürfte aber zumindest in Fällen, in denen der Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, gering sein. Ein Verbraucher, der die mögliche Rückabwicklung vor Augen hat, wird – von den gewöhnlichen Erhaltungskosten abgesehen 716 – nicht geneigt sein, Verwendungen auf die Sache zu tätigen. Dies gilt insbesondere für Aufwendungen, die zur wirtschaftlichen Nutzung der Ware erforderlich wären. Nutzungsermöglichende Verwendungen sind zwar nach § 347 Abs. 2 BGB ebenfalls ersatzfähig. 717 Da dem Verbraucher bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Belehrung nach § 357 Abs. 3 S. 1 BGB aber bekannt ist, dass er bei Gebrauch der Ware nicht nur Nutzungsersatz, 718 sondern auch Wertersatz für den mit der Ingebrauchnahme entstandenen Wertverlust schuldet, 719 wird er in aller Regel auf eine Nutzung verzichten. Folglich besteht aus seiner Sicht auch kein Bedürfnis für die Vornahme von nutzungsermöglichenden Verwendungen. Anders ist es zu beurteilen, wenn der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist: Da er in diesem Fall nicht davon ausgehen wird, dass er die empfangene Ware wieder zurückgeben kann, wird er sie behandeln wie sein übriges Eigentum: Es ist daher durchaus nicht ausgeschlossen, dass er – neben den ge714 MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 51; Staudinger / Kaiser, § 357 Rn. 46; Erman / Saenger, § 357 Rn. 12; Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 155; Faust, jurisPKBGB, § 347 Rn. 41; vgl. zu § 361a Abs. 2 S. 1 BGB a.F. auch H. Roth, JZ 2000, 1013, 1019; Härting, FernabsatzG, Anh. § 3 Rn. 66; Thole, Widerrufsrecht, S. 93. 715 Unerheblich ist dabei, ob die Verwendungen vor oder nach Erklärung des Widerrufs getätigt wurden, vgl. Faust, jurisPK-BGB, § 347 Rn. 43; Staudinger / Kaiser, § 347 Rn. 1; Bamberger / Roth / Grothe, § 347 Rn. 1; Annuß, JA 2006, 184, 188. 716 Nach § 347 Abs. 2 BGB können anders als nach § 994 Abs. 1 BGB auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten ersetzt verlangt werden, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 197, Faust, jurisPK-BGB, § 347 Rn. 47; MünchKommBGB / Gaier, § 347 Rn. 19; Bamberger / Roth / Grothe, § 347 Rn. 5; Palandt / Grüneberg, § 347 Rn. 3. 717 Soweit es sich um Verwendungen auf die Sache handelt, sind diese sogar notwendig i.S. von § 347 Abs. 2 S. 1 BGB, vgl. Faust, jurisPK-BGB, § 347 Rn. 47; Staudinger / Kaiser, § 347 Rn. 31 ff. Dagegen sind Kosten, die nicht der Sache selbst zugute kommen, sondern lediglich der Nutzungsziehung dienen (z. B. Benzinkosten für Kfz), nur nach § 347 Abs. 2 S. 2 BGB zu ersetzen, vgl. Faust, jurisPK-BGB, § 347 Rn. 50; MünchKommBGB / Gaier, § 347 Rn. 19; für eine entsprechende Anwendung des § 347 Abs. 2 S. 1 BGB Staudinger / Kaiser, § 347 Rn. 40. 718 Hierzu oben S. 225 ff. 719 Hierzu oben S. 202 ff.

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wöhnlichen Erhaltungskosten – ggf. auch weitere, z. B. nutzungsermöglichende Verwendungen auf die Sache tätigt. Eine Beeinträchtigung der Effektivität des Widerrufsrechts ist angesichts des Verwendungsersatzanspruchs nicht zu befürchten. Da es sich um einen Anspruch handelt, der sich nicht gegen den Verbraucher, sondern gegen den Unternehmer richtet, 720 ist er nicht geeignet, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zu beeinträchtigen. Das Wissen, die von ihm vorgenommenen Verwendungen im Fall des Widerrufs ersetzt zu bekommen, wird den Verbraucher vielmehr darin bestärken, von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Den Interessen der Unternehmer wird durch die deutsche Regelung des Verwendungsersatzanspruchs ebenfalls ausreichend Rechnung getragen, so dass nicht die Gefahr besteht, dass ihre Bereitschaft, den Vertriebsweg Fernabsatz zu nutzen, gemindert wird. Die Unternehmer schulden nämlich regelmäßig nur dann Verwendungsersatz, wenn sie durch die Verwendung auf die Sache auch tatsächlich bereichert sind. Sofern sie den Verbraucher darauf hinweisen, dass er eine Ingebrauchnahme der Ware nach Möglichkeit unterlassen soll, 721 entspricht die Nutzung und somit auch die diesbezüglich vorgenommene Verwendung nicht mehr dem vertraglich vereinbarten bzw. vorausgesetzten Gebrauch – dann fehlt es aber auch an der Notwendigkeit dieser Verwendung. 722 Ein Anspruch aus § 347 Abs. 1 S. 1 BGB kommt daher nicht in Betracht. Der Verbraucher kann seine Verwendungen vielmehr nur nach § 347 Abs. 2 S. 2 BGB ersetzt verlangen, d. h. ein Ersatzanspruch besteht nur, wenn der Unternehmer durch die Verwendung auch tatsächlich bereichert ist. Anders verhält es sich nur, wenn er es versäumt hat, den Verbraucher entsprechend zu belehren. In diesem Fall ist der Unternehmer im Hinblick auf den drohenden Verwendungsersatzanspruch aber auch nicht schutzbedürftig.

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MünchKommBGB / Masuch, § 357 Rn. 51 weist darauf hin, dass dem Unternehmer in den „Ausnahmefällen“, in denen er ebenfalls eine Sachleistung empfangen hat, auch ein Verwendungsersatzanspruch zustehen kann. Diese Überlegung dürfte aber eher theoretischer Natur bleiben, da der Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages schuldet, vgl. auch Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL, wonach dem Verbraucher die „geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten“ sind. 721 Nach § 357 Abs. 3 S. 1 BGB hat der Unternehmer den Verbraucher darüber zu belehren, wie er es vermeiden kann, Wertersatz für den mit der Ingebrauchnahme der Ware verbundenen Wertverlust leisten zu müssen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Verbraucher darauf hinzuweisen ist, dass er die Ware nach Möglichkeit nicht in Gebrauch nehmen soll, vgl. auch das Muster für die Widerrufsbelehrung, Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV. 722 Vgl. Faust, jurisPK-BGB, § 347 Rn. 47; Staudinger / Kaiser, § 347 Rn. 32 ff.; dies., JZ 2001, 1057, 1068; im Ergebnis wohl auch MünchKommBGB / Gaier, § 347 Rn. 19, der zwar einen objektiven Maßstab zugrunde legen, dabei aber die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien berücksichtigen will.

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C. Gestaltungsentscheidungen des deutschen Gesetzgebers

III. Ergebnis: Vereinbarkeit der Umsetzungsgesetzgebung mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts Die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Regelung zur Umsetzung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Fernabsatz-RiL ist entgegen der vielfältigen Kritik zum großen Teil mit den Vorgaben der Richtlinie vereinbar. Insbesondere der im deutschen Recht vorgesehene Wertersatzanspruch für den mit der Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlust steht nicht im Widerspruch zur Zielsetzung der Richtlinie, da diese dem Verbraucher lediglich die Inaugenscheinnahme, nicht jedoch den Gebrauch der Ware ermöglichen will. Wie festgestellt werden konnte, stehen die Regelungen des deutschen Rechts ganz überwiegend auch im Einklang mit den Vorschriften des Anfang 2008 veröffentlichten DCFR. Im Hinblick auf das Gebot der effektiven Umsetzung des Richtlinienrechts rufen allerdings einige Regelungen auch Bedenken hervor, so z. B. die in § 355 Abs. 1 S. 2 BGB vorgesehene Textform der Widerrufserklärung, die dem Unternehmer in § 356 BGB eingeräumte Möglichkeit, das Widerrufs- auf ein Rückgaberecht zu beschränken, die Vorverlagerung des Zeitpunktes der förmlichen Widerrufsbelehrung, der in § 355 Abs. 2 S. 2 BGB zum Ausdruck kommt, sowie die aufgrund des Verweises auf § 346 Abs. 2 S. 2 BGB vorzunehmende Berechnung der Wertersatzansprüche anhand der vertraglich vereinbarten Gegenleistung. Insoweit ist aber bereits darauf hingewiesen worden, dass keine bewussten Richtlinienverstöße des deutschen Gesetzgebers vorliegen, so dass für den Fall einer zu erwartenden Überarbeitung des deutschen Fernabsatzrechts davon auszugehen ist, dass nicht an den entsprechenden Regelungen festgehalten werden soll. Ob es auch gegenwärtig schon möglich ist, an den problematischen Punkten im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu einer Anwendung des deutschen Rechts zu gelangen, die mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL in Einklang steht, ist angesichts des Wortlauts der aktuellen Fernabsatzregelungen allerdings zweifelhaft. Dies zu untersuchen, ist aber – wie bereits angekündigt – nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. 723 Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich vielmehr auf die Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten dem deutschen Gesetzgeber angesichts der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts verblieben sind, um das Ziel einer transparenten und möglichst widerspruchsfreien Umsetzung in das nationale Recht zu erreichen.

723 Zum Versuch einer richtlinienkonformen Auslegung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB siehe Franck, JR 2004, 45, 49; Kaestner / Tews, WRP 2004, 509, 513; vgl. auch Schinkels, ZGS 2007, 14, 18.

D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte Nachdem im vorigen Kapitel geklärt worden ist, von welchen Überlegungen der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Fernabsatz-RiL geleitet wurde und inwieweit diese Vorstellungen angesichts der Vorgaben der Richtlinie bei der Umsetzung überhaupt Berücksichtigung finden dürfen, geht es im Folgenden darum zu untersuchen, ob die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Umsetzung in § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und § 355 Abs. 1 S. 1 BGB dem Gebot einer transparenten und möglichst „schonenden“ Umsetzung gerecht wird. Zugleich soll erörtert werden, welches der im deutschen Zivilrecht bereits bestehenden (Vertrags-)Lösungsrechte als Modell für eine Umsetzung hätte dienen können bzw. in Zukunft dienen kann. Dabei muss es das Ziel sein, eine möglichst widerspruchsfreie Integration des Widerrufsrechts in die bestehende Privatrechtsordnung zu ermöglichen.

I. Umsetzungsbedarf im deutschen Recht Eine ausdrückliche Umsetzung wäre entbehrlich gewesen, wenn im deutschen Recht schon ein dem Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL entsprechendes Vertragslösungsrecht bestanden hätte, das den Vorgaben der Richtlinie auch im Hinblick auf die Rechtsfolgenregelungen gerecht geworden wäre. Dies war – wie der deutsche Gesetzgeber festgestellt hat 1 – jedoch nicht der Fall: Das deutsche (Vertrags-)Recht kannte keine Vorschriften, die auf Fernabsatzverträge zugeschnitten waren. 2 Sofern viele Versandhändler ihren Kunden auch schon vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL ein Umtausch- oder Rücktrittsrecht eingeräumt hatten, geschah dies nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, sondern auf freiwilliger Basis. 3 Das einzige gesetzlich geregelte Widerrufsrecht, dem eine mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL vergleichbare Zielsetzung zugrunde lag, 4 fand sich in § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. Dieses war allerdings auf Fernunterrichtsverträge beschränkt, d. h. auf die Bestellung von Lernmaterial; der Fernabsatz von 1 2 3 4

Siehe Ausführungen in BT-Drs. 14/2658, S. 17. Reich, EuZW 1997, 581. Dazu bereits Stolte, Versandhandel, S. 142 und 201. Näher dazu sogleich auf S. 254.

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

sonstigen Waren und Dienstleistungen wurde von diesem Widerrufsrecht nicht erfasst. Auch von den bereits bestehenden verbraucherschützenden Widerrufsrechten nach § 1 Abs. 1 HTWG a.F., § 5 Abs. 1 TzWrG a.F. und § 7 Abs. 1 VerbrKrG a.F. wurden Fernabsatzverträge grundsätzlich 5 nicht erfasst. Der Gedanke einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften auf telefonische Vertragsabschlüsse – d. h. auf einen Teil der von der Fernabsatz-RiL erfassten Fernabsatzgeschäfte – war im Gesetzgebungsverfahren sogar ausdrücklich verworfen worden. 6 Im Übrigen sahen die genannten Vorschriften vor, dass der Vertrag bis zum Ablauf der Widerrufsfrist schwebend unwirksam sein sollte. 7 Eine solche Konstruktion wäre nicht geeignet gewesen, die Vorgaben der Fernabsatz-RiL umzusetzen; 8 schließlich sollen den Parteien auch schon vor Beginn der Widerrufsfrist Erfüllungsansprüche zustehen. 9 Da somit bei Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL im Jahr 1997 keine Regelung vorhanden war, die der Umsetzung der Fernabsatz-RiL hätte dienen können, war ein Tätigwerden des deutschen Gesetzgebers erforderlich. 10

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB 1. Die Regelung in § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und § 355 Abs. 1 S. 1 BGB Der deutsche Gesetzgeber nahm sich bei der Umsetzung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL zunächst die bereits bestehenden Regelungen anderer verbraucherschützender Widerrufsrechte zum Vorbild: Die Formu5 Anders nur, wenn bei Abschluss des Fernabsatzvertrages zufällig auch die Voraussetzungen eines der genannten Widerrufsrechte vorlagen; wenn z. B. ein Time-SharingVertrag im Fernabsatz vertrieben wurde, konnte § 5 Abs. 1 TzWrG a.F. Anwendung finden. Eine solche Konstellation dürfte aber die absolute Ausnahme darstellen und machte eine Umsetzung daher nicht entbehrlich. 6 Vgl. Entwurf eines Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 15. 02. 1985, BT-Drs. 10/2876, S. 11; der BGH, NJW 1996, 929, 930 hat in der Folge auch eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 1 HausTWG a.F. auf telefonische Vertragsschlüsse abgelehnt. 7 Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften und entsprach der ganz h.M., siehe Nachweise in Fn. 123 (Abschnitt C.). 8 Auf dieses „Manko“ verweist auch Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 165. 9 Siehe oben S. 54 ff. 10 So im Ergebnis auch Pützhoven, Verbraucherschutz, 171; Bodenstedt, Fernabsatzrichtlinie, S. 120.

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lierung des Widerrufsrechts in § 3 Abs. 1 S. 1 des Referentenentwurfs zum FernAG 11 (im Folgenden: RefEFernAG) lehnte sich an den Wortlaut der § 1 Abs. 1 HTWG a.F., § 5 Abs. 1 TzWrG a.F. und § 7 Abs. 1 VerbrKrG a.F. an. 12 Auch hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs verwies § 4 Abs. 1 S. 1 RefEFernAG auf Vorschriften des HTWG a.F. 13 Diese Konstruktion hat in der Literatur 14 heftige Kritik erfahren, da der Verbraucher aufgrund der damit verbundenen schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages vor Ablauf der Widerrufsfrist keinen Anspruch auf Lieferung der Ware hätte geltend machen können. 15 Ein solcher Erfüllungsanspruch wird von der Fernabsatz-RiL jedoch vorausgesetzt, um dem Verbraucher die Inaugenscheinnahme der Ware zu ermöglichen. 16 Vor diesem Hintergrund wurde die Anknüpfung an § 1 Abs. 1 HTWG a.F., § 5 Abs. 1 TzWrG a.F. und § 7 Abs. 1 VerbrKrG a.F. im weiteren Gesetzgebungsverfahren auch tatsächlich nicht beibehalten. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr entschlossen, die Regelung des § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. bei der Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL zum Vorbild zu nehmen, 17 da dieses so konstruiert ist, dass „der Vertrag während der Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts schwe-

11 Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz zu einem Fernabsatzgesetz vom 20. 05. 1999 (BMJ Referat I B 2 3420/12 – 4, im Folgenden: RefEFernAG). 12 § 3 Abs. 1 S. 1 RefEFernAG lautete: „Die auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers wird erst wirksam, wenn er sie nicht binnen einer Frist von 7 Werktagen widerruft“. Soweit im Referentenentwurf (RefEFernAG, S. 95) darauf hingewiesen wird, dass diese Formulierung auch an § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. „angelehnt“ sei, ist dies nicht nachzuvollziehen: Wie Bülow, ZIP 1999, 1293, 1295 bereits deutlich gemacht hat, ist das Widerrufsrecht nach § 4 Abs. 1 FernUSG ganz anders konstruiert (siehe dazu weitere Ausführungen im Text). Dies hat der Gesetzgeber später auch selbst anerkannt, indem er in BT-Drs. 14/2658, S. 41 das Widerrufsrecht nach § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. und die Widerrufsrechte nach § 1 Abs. 1 HausTWG a.F., § 5 Abs. 1 TzWrG a.F. und § 7 Abs. 1 VerbrKrG a.F. als unterschiedliche „Konstruktionsvarianten“ bezeichnet hat. 13 § 4 Abs. 1 S. 1 RefEFernAG lautete: „Auf den Widerruf finden, soweit im folgenden nichts abweichendes bestimmt wird, §§ 3 und 4 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Anwendung“. 14 Bülow, ZIP 1999, 1293, 1294 f. hat unter der Überschrift „Unsinniges im Fernabsatz“ Kritik an der Regelung des RefEFernAG geäußert; auch Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 190 hält eine Regelung, die den Vertrag für schwebend unwirksam erklärt und den Verbraucher daher Erfüllungsansprüche versagt, für „offensichtlich unvereinbar“ mit der Konzeption der Fernabsatz-RiL. 15 Siehe nur BGHZ 119, 283, 298: „Aus einem schwebend unwirksamen Vertrag kann weder Erfüllung, noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden“. 16 Dazu bereits oben S. 54. 17 Nach BT-Drs. 14/2658, S. 42 sollte ein Widerrufsrecht „nach dem Modell des Fernunterrichtsschutzgesetzes“ eingeführt werden. § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. bestimme daher „Unter Übernahme der Konstruktion des Fernunterrichtsschutzgesetzes ..., dass der Verbraucher an seine Vertragserklärung nicht gebunden ist, wenn er diese fristgerecht widerruft“, so BT-Drs. 14/2658, S. 47.

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bend wirksam ist“. 18 Im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs wurde allerdings nicht an das eigenständige Rückabwicklungsregime des § 4 Abs. 4 FernUSG a.F. angeknüpft, sondern prinzipiell – Abweichungen waren in § 361a Abs. 1 S. 2 bis 6 BGB a.F. geregelt – auf die Vorschriften des Rücktrittsrechts verwiesen. 19 Diese Konstruktion ist auch im Rahmen der Schuldrechtsreform bei der Übernahme der Widerrufsregelungen in §§ 355 ff. BGB beibehalten worden. 20 a) Dogmatische Einordnung des Widerrufsrechts Die Entscheidung, dem Widerrufsrecht eine solche Struktur zu geben, hat eine Menge Fragen aufgeworfen. Problematisch ist die deutsche Widerrufsregelung schon deshalb, weil Regelungen zweier Rechtsinstitute miteinander kombiniert werden. Obwohl § 4 Abs. 1 FernUSG a.F., der hier als Modell gedient hat, so konstruiert ist, dass der Vertrag unter einer auflösenden Bedingung – dem Widerrufsrecht – steht, 21 und daher eine Rückabwicklung über das Bereicherungsrecht nahe gelegen hätte, 22 hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die Rücktrittsvorschriften für anwendbar zu erklären. 23 Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bei 18

BT-Drs. 14/2658, S. 41. Nach § 361a Abs. 2 BGB a.F. finden „die Vorschriften dieses Titels, soweit nichts anderes bestimmt ist, [auf das Widerrufsrecht] entsprechende Anwendung“. 20 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 198 zu § 355 BGB: „§ 355 Abs. 1 und 2 RE entspricht dem bisherigen § 361a Abs. 1, der lediglich der besseren Übersichtlichkeit wegen in zwei Vorschriften geteilt wird“ sowie BT-Drs. 14/6040, S. 199 zu § 357 BGB: „Absatz 1 entspricht dem bisherigen § 361a Abs. 2 Satz 1 und 2“ und „Absatz 2 entspricht dem bisherigen § 361a Abs. 2 Satz 3“. 21 So die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht – Fernunterrichtsschutzgesetz – (FernUSG), BT-Drs. 7/4245, S. 33, wonach „die Wirkungen der Erklärung [des Teilnehmers] jedoch mit Eintritt der auflösenden Bedingung – dem Widerruf – entfallen“. Für eine Ausgestaltung des Widerrufsrechts aus § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. als auflösende Bedingung auch Bülow, NJW 1993, 2837, 2838; ders., ZIP 1999, 1293, 1295; ders., WM 2000, 2361; Faber / Schade, FernUSG, § 4 Rn. 3; Gernhuber, WM 1998, 1797, 1804 geht von einer Rechtsbedingung aus, auf die §§ 158 ff. BGB nicht anzuwenden seien; a. A. Boemke, AcP 197 (1997), 161, 168; Fuchs, AcP 196 (1996), 313, 324. 22 Die Pflicht zur Rückübertragung von bereits ausgetauschten Leistungen wird von der wohl noch h.M. im Fall des Eintritts einer auflösenden Bedingung aus § 812 BGB hergeleitet, siehe unten S. 292. 23 Die Vorschriften des Rücktrittsrechts entsprachen nach Ansicht des Gesetzgebers den Regelungen aus den bestehenden Verbraucherschutzgesetzen, vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 47: Absatz 2 „erklärt insofern die Vorschriften des Rücktrittsrechts für anwendbar. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage. Bisher wurde allerdings der Inhalt der §§ 349 und 349 BGB dazu in den Vorschriften wiederholt, was mit einer Verweisung einfacher auszudrücken ist“. 19

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der Übernahme der Konstruktion des Fernunterrichtsschutzgesetzes ohne erkennbaren Anlass und ohne nähere Begründung vom Wortlaut des § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. abgewichen ist: Der Teilnehmer eines Fernunterrichtsprogramms war nach dem Widerruf an seine Willenserklärung „nicht gebunden“, während der Verbraucher gemäß § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und § 355 Abs. 1 S. 2 BGB bei Ausübung des Widerrufsrechts an seine Willenserklärung „nicht mehr gebunden“ ist. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Widerrufsrecht in dogmatischer Hinsicht nur schwer einordnen: 24 aa) Systematische Erwägungen In der Literatur wird oftmals ein Vergleich zum gesetzlichen Rücktrittsrecht gezogen; 25 besonders deutlich wird dies bei Bülow, 26 nach dessen Meinung es sich bei dem Widerrufsrecht „um nichts anderes als ein gesetzliches Rücktrittsrecht [handelt], das in Voraussetzungen ... und Folgen ... besonders ausgestaltet ist“. Die Deutung des Widerrufs- als gesetzliches Rücktrittsrecht beruht maßgeblich auf der systematischen Einordnung des Widerrufsrechts im Fünften Titel des Dritten Abschnitts 27 des Schuldrechts des BGB sowie darauf, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs auf das Rücktrittsrecht verwiesen hat. 28 Außerdem seien die Unterschiede zwischen Widerrufs- und Rücktrittsrecht im deutschen Recht so gering, dass es nicht gerechtfertigt sei, von zwei grundsätzlich verschiedenen Rechtsinstituten auszugehen. 29 Mit der Anlehnung an § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. und der Konstruktion eines „schwebend 24 Es gibt allein mehrere Dissertationen, die sich der Aufgabe gewidmet haben, das Widerrufsrecht dogmatisch zu erfassen, siehe nur Fischer, Widerrufsrecht, passim; Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 157 ff.; 181; Thole, Widerrufsrecht, S. 67 ff.; Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 177 f.; Büßer, Widerrufsrecht, S. 195 ff.; näher dazu unten S. 250 ff. 25 Von einem besonders ausgestalteten gesetzlichen Rücktrittsrecht sprechen Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 177; Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 181; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1282; Bülow, WM 2000, 2361, 2362; ders. / Artz, NJW 2000, 2049, 2052; v. Koppenfels, WM 2001, 1360, 1365; Staudinger / Kaiser, § 361a Rn. 17; Ring, in: Dauner-Lieb / Heidel / Lepa / Ring (Hrsg.), Das neue Schuldrecht, § 12 Rn. 115; Palandt / Grüneberg, § 355 Rn. 3; Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 18; MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 9; Bamberger / Roth / Grothe, § 355 Rn. 3; Ring, AnwKomSR, § 355 Rn. 12. 26 Bülow, WM 2000, 2361, 2362. 27 Die Einordung gilt für § 355 BGB; die Altregelung gemäß § 361a BGB a.F. fand sich im zweiten Abschnitt des Schuldrechts. Für die in der Literatur vorgenommene Zuordnung zum Rücktrittsrecht hat dieser Unterschied allerdings keine Bedeutung. 28 Statt vieler nur MünchKommBGB / Masuch, § 355 Rn. 9. 29 So Kammerer, Harmonisierung des Verbraucherrechts, S. 177; nach Ansicht von Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1282 handelt es sich bei dem Widerrufsrecht „der Sache nach“ um ein gesetzliches Rücktrittsrecht.

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wirksamen“ 30 Vertrages solle nur erreicht werden, dass bereits mit Vertragsschluss gegenseitige Leistungspflichten entstehen. Insoweit unterscheide sich die Rechtslage aber nicht von der Situation bei Annahme eines Rücktrittsrechts, da auch hier zunächst gegenseitige Erfüllungsansprüche bestünden, die mit Erklärung des Rücktritts erlöschen. 31 bb) Wille des deutschen Gesetzgebers Die Einordnung des Widerrufsrechts als besonders gestaltetes Rücktrittsrecht ist dennoch – zu Recht – nicht unumstritten. Sie ist mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar, der sich in der Gesetzesbegründung ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob das Widerrufsrecht wie ein Rücktrittsrecht gestaltet werden soll und sich dann unter Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. bewusst gegen eine solche Konstruktion entschieden hat. 32 Lediglich hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs sollte auf die Vorschriften des Rücktrittsrechts Bezug genommen werden, und dies auch nur, weil der Gesetzgeber der Ansicht war, dass diese große Ähnlichkeit zu den Rückabwicklungsregelungen in den bereits bestehenden Verbraucherschutzgesetzen 33 aufwiesen. 34 Der Rechtsfolgenanordnung kann daher kein besonderes Gewicht bei der Beurteilung der Rechtsnatur des Widerrufsrechts zukommen. 35 Im Übrigen ist auch schon fraglich, ob die Annahme des Gesetzgebers, dass die vor Umsetzung der Fernabsatz-RiL existierenden Widerrufsregelungen im Hinblick auf ihre Rechtsfolgen mit den §§ 346 ff. BGB vergleichbar waren, überhaupt zutraf. Der BGH hat in § 3 Abs. 1 S. 1 HTWG a.F. jedenfalls einen „besonders ausgestalteten Bereicherungsanspruch“ gesehen; 36 mit dieser Rechtsprechung hat sich der deutsche Gesetzgeber jedoch nicht auseinandergesetzt. 30

BT-Drs. 14/2658, S. 41. Vgl. Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1282; Bülow / Artz, NJW 2000, 2049, 2052. 32 Erneut BT-Drs. 14/2658, S. 42; auf den abweichenden gesetzgeberischen Willen weist auch Tonner, BB 2000, 1413, 1415 hin; Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 369 spricht in diesem Zusammenhang von einer „gewissen gesetzgeberischen Abneigung gegen eine echte Rücktrittskonstruktion“; siehe auch ders., Beseitigungsrechte, S. 53 f. 33 Siehe § 5 Abs. 6 TzWrG a.F. und § 3 HausTWG a.F., auf den in § 7 Abs. 4 VerbrKrG a.F. verwiesen wird. 34 Wörtlich heißt es in BT-Drs. 14/2658, S. 42: „Für diesen Standort [im Rücktrittsrecht des BGB] spricht, dass die Verbraucherschutzgesetze dem Widerruf nahezu einheitlich Rücktrittsfolgen mit Ausnahmen zugunsten des Verbrauchers beimessen“. 35 Gegen das Bestreben, von der Rechtsfolgenseite auf den Charakter eines Rechtsbehelfs zu schließen, auch Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 53 und Reiner, AcP 203 (2003), 1, 35. 36 BGH, NJW 1996, 57, 58; NJW 1999, 1636, 1637; zustimmend Gernhuber, WM 1998, 1797, 1802. 31

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cc) Anknüpfung des Widerrufsrechts an die Willenserklärung des Verbrauchers Gegen die Interpretation des Widerrufs- als Rücktrittsrecht spricht außerdem, dass sich das Widerrufsrecht nach dem Wortlaut des § 361a Abs. 1 S. 1 BGB 37 a.F. sowie § 355 Abs. 1 S. 1 BGB 38 anders als das Rücktrittsrecht nicht auf den Vertrag, sondern nur auf die Willenserklärung des Verbrauchers bezieht. 39 Dies hat Gernhuber 40 dazu bewogen, eine Parallele zu den Anfechtungsrechten des BGB zu ziehen. 41 Dagegen spricht jedoch, dass der Widerruf anders als die Anfechtung nach ganz h.M. 42 keine Rückwirkung entfaltet. Bei der Rückwirkung handelt es sich um eine normative Fiktion, die im Gesetz ausdrücklich angeordnet sein muss. 43 In §§ 361a ff. BGB a.F. und §§ 355 ff. BGB fehlt es jedoch an einer mit § 142 Abs. 1 BGB vergleichbaren Regelung. Sofern man davon ausgeht, dass dem verbraucherschützenden Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1 S. 1 BGB – wie bei § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. – die Funktion einer auflösenden Bedingung zukommt, 44 ergibt sich bereits aus § 159 BGB, dass eine Rückwirkung nicht in Betracht kommt: Nach dieser Vorschrift entfaltet eine Bedingung nur dann Rückwirkung, wenn eine dahingehende rechtsgeschäftliche Bestimmung getroffen worden ist. Folglich enden die Rechtswirkungen der 37

§ 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. hatte folgenden Wortlaut: „Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss eines Vertrags mit einem Unternehmer gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat“. 38 § 355 Abs. 1 S. 1 BGB lautet: „... so ist er an seine auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden“. 39 Kritisch insoweit Mankowski, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 357, 369; ders., Beseitigungsrechte, S. 54; Reiner, AcP 203 (2003), 1, 29; ausdrücklich gegen die Einordnung als Rücktrittsrecht Gernhuber, WM 1998, 1797, 1804; BGH, BB 2004, 1246 = NJW-RR 2004, 1058 hält wohl trotz auf der Anknüpfung an die Willenserklärung des Verbrauchers eine Einordnung als gesetzliches Rücktrittsrecht für möglich. 40 Gernhuber, WM 1998, 1797, 1804. 41 Für eine Parallele zum Anfechtungsrecht auch Reiner, AcP 203 (2003), 29; Lorenz, JuS 2000, 833, 835; Ring, AnwKomSR, § 355 Rn. 13; Thole, Widerrufsrecht, S. 115 ist der Ansicht, es handle sich um ein der Anfechtung nahe stehendes, gesetzliches Rücktrittsrecht; ähnlich Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 53; Härting, FernabsatzG, Anh. § 3 Rn. 12 spricht sogar von einem „seltsamen Zwitterwesen“ zwischen Rücktritts- und Anfechtungsrecht. 42 Statt vieler Mankowski, WM 2001, 833, 842; v. Koppenfels, WM 2001, 1360, 1365; Thole, Widerrufsrecht, S. 114; anders wohl nur Reiner, AcP 203 (2003), 1, 29, der von einer rückwirkenden Vernichtung der Willenserklärung ausgeht. 43 Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 52; Fischer, Widerrufsrecht, S. 213; Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte; S. 180. 44 So Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 52; Piepenbrock / Schmitz, K & R 2000, 378, 383.

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Willenserklärung grundsätzlich – bei Fehlen einer entsprechenden vertraglichen Regelung – mit Wirkung ex nunc. 45 Obwohl § 159 BGB in diesem Fall keine direkte Anwendung findet, soll dies auch gelten, wenn keine rechtsgeschäftliche Bedingung vorliegt, sondern es sich um eine Rechtsbedingung handelt. 46 dd) Wortlaut des Gesetzes („nicht mehr gebunden“) Besondere Schwierigkeiten bei der Auslegung bereitet der Wortlaut des Gesetzes („nicht mehr gebunden“). (1) Unwirksamkeit als Rechtsfolge des Widerrufs Teilweise wird vertreten, der Widerruf bewirke – wie die Anfechtung – die „Vernichtung“ bzw. die Nichtigkeit der Willenserklärung des Verbrauchers. 47 Die Wortwahl des Gesetzgebers sei insoweit lediglich etwas „ungenau“. 48 Für die Annahme, der Widerruf führe zur Unwirksamkeit der Willenserklärung, ließe sich auch der vom Gesetzgeber selbst gewählte Begriff der „schwebenden Wirksamkeit“ anführen. Wenn der Vertrag in der Zeit vor Erklärung des Widerrufs (schwebend) wirksam sein soll, scheint es jedenfalls nicht abwegig davon auszugehen, dass der Vertrag bzw. die Willenserklärung des Verbrauchers nach Ausübung des Widerrufsrechts unwirksam sein soll. 49 Gegen eine dahingehende Interpretation der Funktionsweise des Widerrufsrechts lässt sich allerdings anführen, dass mit Eintritt der Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung zugleich die Basis für vertragliche Abreden, die sich auf die Rückabwicklung beziehen, entfallen würde. Aus § 361a Abs. 2 S. 3 BGB a.F. und § 357 Abs. 2 S. 3 BGB ergibt sich aber, dass es eine entsprechende Vereinbarung über die Rücksendekosten möglich sein muss. Folglich stehen diese Vorschriften der Annahme, dass der Widerruf zur Unwirksamkeit der Vertragserklärung des Verbrauchers führt, entgegen. 50 45 Vgl. BGH, NJW 1997, 1706, 1707; Staudinger / Bork, § 158 Rn. 3; Brox BGB AT, Rn. 492; Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 52; Palandt / Heinrichs, § 159 Rn. 1; Larenz / Wolf, BGB AT, § 50 Rn. 35. 46 Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 52; a. A. Fischer, Widerrufsrecht, S. 213. 47 Lorenz, JuS 2000, 833, 835; Reiner, AcP 203 (2003), 1, 32. 48 Lorenz, JuS 2000, 833, 835. 49 Ähnlich argumentiert Reiner, AcP 203 (2003), 1, 33, der in der schwebenden Wirksamkeit eine Parallele zum Anfechtungsrecht sieht, das – bei Erklärung der Anfechtung – schließlich auch zur Unwirksamkeit des betroffenen Rechtsgeschäftes führt; siehe auch Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 164, der angesichts der Konstruktion der „schwebenden Wirksamkeit“ davon ausgeht, dass „der Gesetzgeber im Auge [hat], dass der Widerruf die Unwirksamkeit von Willenserklärung und Vertrag zur Folge hat“. 50 So bereits Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 170, 175.

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Dieses Problem stellt sich nicht, wenn man von einem aufschiebend bedingten Vertrag oder vom Bestehen eines Rücktrittsrechts ausgeht: Bei Eintritt einer (auflösenden) Bedingung verliert das bedingte Rechtsgeschäft gemäß § 158 Abs. 2 BGB zwar seine „Wirkung“; dies betrifft aber nur die Hauptleistungspflichten. Wie sich aus § 159 BGB ergibt, der es den Parteien eines bedingten Vertrages ermöglicht, rechtsgeschäftlich eine Rückbeziehung der Folgen des Bedingungseintritts zu vereinbaren, kann der Vertrag auch nach Eintritt der (auflösenden) Bedingung noch Rechtswirkungen entfalten. Dass der Bedingungseintritt anders als die Anfechtung keine vollkommene „Vernichtung“ der Vertragserklärungen zur Folge haben kann, wird auch dadurch deutlich, dass sich der Rückgewähranspruch nach Ansicht von einigen Autoren aus dem Vertrag selbst ergeben soll. 51 Auch der Rücktritt führt nach heute h.M., die sich auf die Gesetzesbegründung stützen kann, 52 nicht zum Wegfall des Vertrages. Dieser bleibt vielmehr bestehen und wandelt sich in ein Rückgewährschuldverhältnis um, das in den §§ 346 ff. BGB näher geregelt ist. 53 Bei Vertragsschluss wirksam vereinbarte Abreden im Hinblick auf die Rückabwicklung hätten demnach auch bei Annahme eines Rücktrittsrechts weiter Bestand. Der Wortlaut des Gesetzes („nicht mehr gebunden“) legt allerdings eine Konstruktion des Widerrufsrechts als (auflösende) Bedingung oder als Rücktrittsrecht nicht unbedingt nahe. (2) Gebundenheit i.S. von „Unwiderruflichkeit“ „Gebundenheit“ bzw. „Bindung“ könnte an dieser Stelle im Sinne von „Unwiderruflichkeit“ verstanden werden, was dem Sprachgebrauch in §§ 145, 873 Abs. 2 und 875 Abs. 2 BGB entspräche. 54 Dies würde bedeuten, dass der Verbraucher vor Erklärung des Widerrufs gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 BGB zunächst an seine dem Unternehmer zugegangene Vertragserklärung gebunden wäre. Erst nach Ausübung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts wäre er „nicht mehr gebunden“ und könnte seine auf Abschluss des Fernabsatzvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen – so als ob er einen Widerrufsvorbehalt i.S. von § 145 a.E. BGB vereinbart hätte. Dies würde allerdings bedeuten, dass 51

Siehe Nachweise in Fn. 22 (Abschnitt D.); Staudinger / Bork, § 159 Rn. 9 führt in diesem Zusammenhang aus, dass man „wird annehmen können, dass eine vertraglicher Rückgewähranspruch regelmäßig stillschweigend mitvereinbart ist, wenn die Partien eine auslösende Bedingung vereinbart haben“. 52 BT-Drs. 14/6040, S. 191: „Einverständnis besteht auch darüber, dass der Rücktritt den Vertrag nicht im Ganzen aufhebt, sondern ihn in ein Abwicklungsverhältnis mit vertraglicher Grundlage umwandelt“. 53 Siehe nur Kaiser, Rückabwicklung, S. 111 und Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 144, jeweils mit weiteren Nachweisen, auch zur früher herrschenden Lehre. 54 Siehe Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 47 f.

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trotz Ausübung des Widerrufsrechts zunächst weiterhin eine wirksame Willenserklärung des Verbrauchers vorläge, die Grundlage eines (weiterhin) wirksamen Vertrages sein kann. Folglich wäre ein zweiter Widerruf erforderlich, um die Unwirksamkeit der Willenserklärung herbeizuführen und sich auf diese Weise von dem möglicherweise schon geschlossenen Vertrag zu lösen. 55 Eine solche Regelung wäre nicht nur höchst „merkwürdig“, 56 sondern auch nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, das schließlich vorsieht, dass bereits mit Ausübung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL die Rückabwicklung des Vertrages eingeleitet wird. 57 Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber mit der Wahl des Begriffs der „Gebundenheit“ zum Ausdruck bringen wollte, die Willenserklärung sei bis zur Erklärung des Widerrufsrechts „unwiderruflich“. (3) Gebundenheit i.S. von „Selbstbindung“ Im Ergebnis besteht unter den Autoren, die sich intensiv mit dem Wortlaut des Gesetzes auseinandersetzen, Einigkeit darüber, dass der Gesetzgeber mit Verwendung des Begriffs der „Gebundenheit“ zum Ausdruck bringen wollte, dass der Verbraucher während des Laufs der Widerrufsfrist dem mit der Willenserklärung zum Ausdruck gebrachten Rechtsfolgenwillen Folge leisten muss, nach Erklärung des Widerrufs aber von der Pflicht zur Befolgung dieser Selbstverpflichtung befreit sein soll. Pott spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Willenserklärung des Verbrauchers für diesen nach Ausübung des Widerrufsrechts „nicht mehr maßgeblich“ sein soll. 58 Nach Ansicht von Fischer wird dem „auf eine vertragliche Regelung gerichteten und geäußerten“ Willen des Verbrauchers „die rechtliche Anerkennung“ genommen. 59 Unklar ist aber, auf welchem rechtstechnischen Weg dieses Ziel erreicht werden kann. (a) Die Ansicht von Thole Der Auffassung Tholes, wonach das Freiwerden von der Gebundenheit mit dem Verlust der Wirksamkeit der Vertragserklärung des Verbrauchers gleichzusetzen ist, 60 stehen die bereits im Zusammenhang mit der Anfechtung 61 geäu55 So ausdrücklich Thole, Widerrufsrecht, S. 76; siehe auch Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 50. 56 So Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 50. 57 Kritisch insoweit auch Thole, Widerrufsrecht, S. 79. 58 Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 50 f., 157. 59 Fischer, Widerrufsrecht, S. 214. 60 Thole, Widerrufsrecht, S. 82 f. 61 Siehe oben S. 247.

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ßerten Bedenken entgegen: Sollte die Willenserklärung des Verbrauchers mit Widerruf unwirksam werden, fehlte es an einer Grundlage für vertragliche Abreden im Hinblick auf die Rückabwicklung, die nach Auffassung des Gesetzgebers aber gerade möglich sein sollen. 62 (b) Die Ansicht von Pott Pott kommt – unter Berücksichtigung systematischer Zusammenhänge – zu dem Schluss, dass der Gesetzeswortlaut so gelesen werden müsse, als ob in § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. bzw. § 355 Abs. 1 S. 1 BGB stünde, der Verbraucher sei nach dem Widerruf „nicht mehr so wie ursprünglich gebunden“. Denn der Widerruf bewirke, dass die gegen den Verbraucher gerichteten, auf seiner Willenserklärung basierenden Erfüllungsansprüche entfielen. Zugleich bliebe der Verbraucher aber insoweit an die Willenserklärung und den Vertrag gebunden, als die Parteien wirksame Vereinbarungen hinsichtlich der Rückabwicklung des Vertrages getroffen haben. 63 Somit führe der Widerruf im Ergebnis wie der Rücktritt nach §§ 346 ff. BGB zur Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis. 64 Diese Sichtweise leidet aber – wie Pott selbst einräumt 65 – daran, dass nicht erklärt werden kann, wie es zur Umgestaltung des vertraglichen Schuldverhältnisses kommt, wenn sich der Widerruf gar nicht auf den Vertrag, sondern lediglich auf die Willenserklärung des Verbrauchers bezieht. 66 Pott ist vor diesem Hintergrund geneigt, in dem verbraucherschützenden Widerrufsrecht ein Gestaltungsrecht „sui generis“ zu sehen; letztendlich hält er aber doch eine Einordnung als besonderes gesetzliches Rücktrittsrecht für angezeigt. 67 (c) Die Ansicht von Fischer Fischer geht an dieser Stelle noch einen Schritt weiter und erblickt in dem verbraucherschützenden Widerrufsrecht eine dogmatische Konstruktion, die sich deutlich von den anderen „Vertragsbindungslösungsrechten des BGB“ unterscheidet. 68 Zu diesem Schluss kommt Fischer, weil er in der „Gebundenheit“, auf die das Widerrufsrecht einwirkt, eine „eigene Kategorie der (Selbst-)Bindung 62 Gegen die Unwirksamkeit der Willenserklärung als Folge des Widerrufs vor diesem Hintergrund auch Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 175. 63 Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 161, 180. 64 Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 161. 65 Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 162. 66 Siehe zu dieser Problematik auch bereits oben S. 247. 67 Pott, Widerrufs- und Rückgaberechte, S. 181. 68 Fischer, Widerrufsrecht, S. 208 f.

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an die Verbrauchererklärung“ erblickt. 69 Demnach entfaltet die Willenserklärung des Verbrauchers als Ausdruck seines Rechtsfolgewillens eine Bindungswirkung (im Sinne einer Selbstverpflichtung) nicht nur im Hinblick auf den Inhalt der Willenserklärung, 70 sondern auch in Bezug auf den Inhalt bzw. die Rechtsfolgen des künftigen Vertrages. Der Vertragsinhalt soll also auch schon vor der Vertragsannahme durch den Unternehmer für den Verbraucher Geltung beanspruchen. 71 Der Widerruf bewirkt dann, dass der Belastung des Verbrauchers mit der vertraglichen Verpflichtung die rechtliche Anerkennung versagt wird. 72 Mit dieser Interpretation des Widerrufsrechts gelingt es Fischer zwar, eine Erklärung dafür zu finden, warum der Widerruf der Willenserklärung des Verbrauchers die Bindung an den Vertrag beseitigt. Er nimmt dabei aber in Kauf, sich in Widerspruch zu der gängigen Vertragsrechtsdogmatik zu setzen, wonach sich die Parteien eines Vertrages erst durch den Vertragsschluss, d. h. erst mit Annahme des Vertragsangebots durch die andere Partei unter die „lex contractus“ als die für sie maßgebliche Regelung unterwerfen. 73 Besonders problematisch ist dabei, dass der Eindruck entsteht, dass nur „Verbrauchererklärungen“ eine derartige „(Selbst-)Bindung“ an die Rechtsfolgen des beabsichtigten Vertrages aufweisen. 74 Dies würde bedeuten, dass mit den verbraucherschützenden Widerrufsrechten eine zweite Kategorie von (auf Verbraucher beschränkte) Willenserklärungen in das BGB eingeführt worden wäre. Da damit ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Dogmatik der Willenserklärungen verbunden wäre, wäre zu erwarten gewesen, dass sich der Gesetzgeber mit dieser Frage im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich auseinandersetzt. Dies hat er jedoch nicht getan. Hinzu kommt, dass die Sichtweise von Fischer zur Folge hätte, dass ausgerechnet die Verbraucher vor Erklärung des Widerrufs einer weitreichenderen Bindung unterliegen als Personen, die bei Abgabe ihres Vertragsangebots zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken handeln. Dies ist mit dem Gedanken des Verbraucherschutzes nur schwer vereinbar. 69

Fischer, Widerrufsrecht, S. 204. Mit der Abgabe eines auf einen Vertragsschluss gerichteten Angebots bringt der Antragende zum Ausdruck, dass er sein Angebot als künftige Vertragsgrundlage gelten lassen will, siehe Larenz / Wolf, BGB AT, § 29 Rn. 19. 71 Fischer, Widerrufsrecht, S. 206 spricht in Fn. 1367 davon, dass der Verbraucher die vertraglichen Rechtfolgen insofern schon vor Annahme des Vertragsangebots durch den Unternehmer „vorwegnimmt“. 72 Daneben soll das Widerrufsrecht, dem insofern eine „zweifache Wirkung“ zukomme, auch die Beseitigung der Bindungswirkung (im Sinne von Unwiderruflichkeit) bewirken, vgl. Fischer, Widerrufsrecht, S. 204 f., 207; dazu bereits S. 249. 73 So heißt es bei Larenz / Wolf, BGB AT, § 29 Rn. 6:„Der Vertrag ist ein zweiseitiger Akt rechtlicher Geltungserzeugung ... Nur die Erklärungen beider [Vertragspartner] zusammen vermögen die vertragliche Regelung in Geltung zu setzen“. 74 Vgl. Ausführungen von Fischer, Widerrufsrecht, S. 204 und 206, die sich nur auf „Verbrauchererklärungen“ beziehen. 70

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Vor diesem Hintergrund muss bezweifelt werden, ob der Gesetzgeber mit der Wahl des Wortes „Gebundenheit“ in § 355 Abs. 1 S. 1 BGB wirklich eine neue Kategorie der Bindung in das Privatrecht einführen wollte. Die Ausführungen von Fischer können aber jedenfalls als weiterer Beleg dafür gewertet werden, wie schwer es ist, das verbraucherschützende Widerrufsrecht – so wie es heute in § 355 Abs. 1 S. 1 BGB geregelt ist – in die Dogmatik des BGB einzuordnen. ee) Ergebnis: dogmatische Einordnung zweifelhaft Letztlich haben die Versuche, anhand des Wortlauts des § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. bzw. § 355 Abs. 1 S. 1 BGB eine Erkenntnis über die Wirkungsweise des Widerrufsrechts zu gewinnen, zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt. Die Formulierung „nicht mehr gebunden“ lässt aber auch keinen eindeutigen Rückschluss auf die Konstruktion des Widerrufsrechts zu. 75 Hinzu kommt, dass Gesetzeshistorie und Systematik – wie gezeigt – in unterschiedliche Richtungen weisen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht möglich, das Widerrufsrecht dogmatisch einzuordnen. 76 b) Ergebnis: Anforderungen an Umsetzung nicht gewahrt Angesichts der Schwierigkeiten, die bei dem Versuch, das Widerrufsrecht dogmatisch zu erfassen, deutlich geworden sind, wird vielfach davon ausgegangen, dass es sich um ein Gestaltungsrecht eigener Art handelt. 77 Nun ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich unbenommen, neue Rechtsinstitute in das BGB einzuführen. Seiner Aufgabe, bei der Umsetzung der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts die nationalen Regelungszusammenhänge zu wahren und Brüche in der gesetzlichen Systematik zu vermeiden, 78 wird er aber nur gerecht, wenn das Widerrufsrecht keinem der bestehenden Rechtsinstitute des deutschen Privatrechts zugeordnet werden kann. Bestünde im deutschen Recht dagegen bereits ein mit dem Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL vergleichbares Rechtsinstitut, entspräche es dem Gedanken einer möglichst „schonenden“ Umsetzung, das Widerrufsrecht als (spezielle) Ausformung dieses Rechtsinstituts in das bestehende Recht zu integrieren. Aus diesem Grund soll im Folgenden untersucht werden, ob 75 So bereits Reiner, AcP 203 (2003), 1, 14: „Die Schwierigkeiten bei der systematischen Einordnung des Widerrufsrechts beruhen darauf, dass der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften keinen eindeutigen Aufschluss über die Wirkungsweise des Widerrufsrechts gibt“. 76 Siehe auch Thole, Widerrufsrecht, S. 116: „Eine direkte, dogmatisch saubere Zuordnung dieses Verbraucherschutzinstruments zu einem dem deutschen Zivilrecht bereits bekannten Rechtsinstrument ist nicht möglich“. 77 Siehe Nachweise in Fn. 67 und Fn. 68 (jeweils Abschnitt D.). 78 Zu den Anforderungen an die Umsetzung bereits oben S. 23.

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eine Zuordnung des verbraucherschützenden Widerrufrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL zu einem bestehenden (Vertrags-)Lösungsrecht möglich gewesen wäre.

2. Umsetzung außerhalb des BGB: Anknüpfung an § 4 FernUSG a.F. Da das Widerrufsrecht nach § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. bei der Einführung des § 361a Abs. 1 S. 1 BGB a.F. als Vorbild gedient hat, drängt sich die Frage auf, warum der Gesetzgeber den Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht einfach auf Fernabsatzverträge i.S. von Art. 2 Nr. 1 Fernabsatz-RiL erweitert hat. Immerhin gewährleistet die Konstruktion des in § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. geregelten Widerrufsrechts, dass bereits mit Abschluss des Vertrages und somit noch vor Ablauf der Widerrufsfrist Erfüllungsansprüche des Verbrauchers bestehen. 79 Auch die Dauer der Widerrufsfrist von zwei Wochen und die Tatsache, dass diese erst mit Zugang des Lehrmaterials zu laufen beginnt, 80 entspricht den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers 81 und steht im Einklang mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL. 82 a) Vergleichbare Zielsetzung von § 4 Abs. 1 FernUSG a.F. Mit dem Widerrufsrecht des Fernunterrichtsschutzgesetzes wird auch eine ähnliche Zielsetzung verfolgt wie mit dem Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL. 83 Auch bei Fernunterrichtsverträgen besteht auf Seiten des Teilnehmers ein Informationsdefizit, weil es ihm vor Erhalt des Lehrmaterials schwer fallen wird, „die Qualität des angebotenen Fernlehrgangs und dessen Eignung für seine Bedürfnisse richtig einzuschätzen“. 84 Allerdings zeigt sich bei der Frage, wie sich der Teilnehmer nachträglich, d. h. nach Vertragsschluss, die 79 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht – Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG), BT-Drs. 7/4245, S. 15: „Solange der Widerruf nicht erklärt worden ist, ist der Fernunterrichtsvertrag wirksam. 80 § 4 Abs. 1 S. 1 FernUSG a.F. lautete: „Der Teilnehmer ist an die auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung nicht gebunden, wenn er sie dem Veranstalter gegenüber innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der ersten Lieferung des schriftlichen oder audiovisuellen Lehrmaterials schriftlich widerruft“. 81 Zur Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die Widerrufsfrist auf zwei Wochen zu verlängern, siehe oben S. 123 ff. 82 Zu den Vorgaben der Fernabsatz-RiL im Hinblick auf Länge und Beginn der Widerrufsfrist siehe oben S. 61. 83 Dazu bereits Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 238. 84 So die Begründung in BT-Drs. 7/4245, S. 12.

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für seine Entscheidung erforderlichen Informationen verschaffen soll, zugleich ein wesentlicher Unterschied zum Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL: So soll der Teilnehmer des Fernunterrichtprogramms die Möglichkeit haben, das Unterrichtsmaterial „gemäß dem angestrebten Lehrgangsziel“ zu „benutzen“, 85 ohne dabei den Wert des bestimmungsgemäßen Gebrauchs vergüten zu müssen. 86 Unterrichtsmaterial gehört nämlich zu den sog. Erfahrungsgütern, deren Qualität erst durch ihre Verwendung beurteilt werden kann. 87 Dagegen handelt es sich bei den übrigen Produkten, die im Fernabsatz bezogen werden, in der Regel um Suchgüter, bei denen der Käufer die Produktqualität vor der endgültigen 88 Kaufentscheidung durch bloße Inspektion der Ware feststellen kann. 89 Daher hat der Verbraucher nach dem Konzept des allgemeinen, auf der Fernabsatz-RiL beruhenden Fernabsatzrechts, dem der deutsche Gesetzgeber erkennbar folgt, 90 lediglich das Recht, die Ware in Augenschein zu nehmen. Nimmt er sie dennoch in Gebrauch, schuldet er nicht nur Nutzungsersatz, sondern soll nach Vorstellung des Gesetzgebers – bei Vorliegen einer entsprechenden Belehrung – sogar Ersatz für den durch die erstmalige Ingebrauchnahme entstandenen Wertverlust leisten. 91 Dieser Unterschied allein hätte eine Umsetzung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL durch Erweiterung des Anwendungsbereichs des FernUSG a.F. aber nicht unmöglich gemacht, da man für Fernunterrichtsverträge im Hinblick auf die Frage des Nutzungsersatzes eine Sonderregelung hätte treffen können, wie sie auch heute in § 4 Abs. 3 FernUSG vorgesehen ist. 92 85

BT-Drs. 7/4245, S. 16. Beachte § 4 Abs. 5 FernUSG a.F.: „Der Wert der Überlassung des Gebrauchs oder der Benutzung der Sachen oder der Erteilung des Unterrichts bis zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufs ist nicht zu vergüten“. 87 Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 238; zum Begriff des Erfahrungsguts auch Grundmann, JZ 2000, 1133, 1140; Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, Kap. 15 3.2. 88 Bei Produkten, die im Fernabsatz erworben werden, ist es dem Verbraucher zwar verwehrt, sie vor der Bestellung in Augenschein zu nehmen, so dass sie ihre Qualität als Suchgut verlieren. Aufgrund des Widerrufsrecht bleibt ihm die endgültige Entscheidung darüber, ob der die Ware behalten will, aber vorbehalten, bis er den Kaufgegenstand erhalten und somit die Möglichkeit zu dessen „Inspektion“ bekommen hat. Daher ist es gerechtfertigt, ihnen doch die Qualität eines Suchgutes zuzubilligen, so überzeugend Grundmann, JZ 2000, 1133, 1140. 89 Zum Begriff des Suchguts Grundmann, JZ 2000, 1133, 1140 und Schäfer / Ott, Ökonomische Analyse, Kap. 15 3.2. 90 Siehe oben S. 206 ff. 91 Vgl. § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 346 Abs. 1 und § 357 Abs. S. 1 BGB sowie oben S. 202 ff. 92 § 4 Abs. 3 FernUSG lautet: „Abweichend von § 346 Abs. 1 in Verbindung mit § 357 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist der Wert der Überlassung des Gebrauchs oder 86

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

b) Die Entscheidung für eine Integration des Widerrufsrechts in das BGB Letztlich muss an dieser Stelle allerdings nicht abschließend darüber entschieden werden, ob die Regelung des § 4 FernUSG a.F. für eine Umsetzung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL geeignet gewesen wäre. Denn der Wille des Gesetzgebers, das Widerrufsrecht in das BGB zu integrieren, 93 steht einer Regelung dieser Materie in einem Sondergesetz entgegen. Unbestreitbar können mit einem solchen Schritt Vorteile verbunden sein: So strebt der Gesetzgeber auf diese Weise ein höheres Maß an Transparenz an. 94 Tatsächlich scheint die Integration der verbraucherschützenden Regelungen in das BGB grundsätzlich geeignet, für ein leichteres Verständnis der gesetzlichen Regelungen zu sorgen. 95 Die Tatsache, dass die mit der Schuldrechtsreform in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführten Widerrufsregelungen im Ergebnis keine Verbesserung der Transparenz bewirkt haben, 96 steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Schließlich beruht die mangelnde Transparenz der §§ 312 ff. BGB und §§ 355 ff. BGB nicht darauf, dass die Widerrufsrechte in das BGB überführt wurden, sondern ist auf den Versuch, zugleich eine einheitliche Regelung aller Widerrufsrechte zu schaffen, zurückzuführen. 97 Durch die Integration von verbraucherschützenden Vorschriften wird außerdem die Stellung des Bürgerlichen Gesetzbuches als zentrale Zivilrechtskodifikation betont und somit dem Bedeutungsverlust, den das BGB durch die vorher bestehenden zahlreichen Sondergesetze erfahren hat, entgegengewirkt. 98 Soweit der Gesetzgeber der Ansicht ist, der Verbrauchervertrag sei „die typische Erscheinungsform des schuldrechtlichen Vertrages“ 99 und der Verbraucherschutz „ein ... schuldrechtsimmanenter allgemeiner Schutzgedanke“ 100 ist die Regelung dieser Materie im BGB auch aus systematischen Gründen geboten. 101 Ferner können die verbraucherschützenden Regelungen und die sonstigen Vorschriften des Privatrechts auf diese Weise besser aufeinander abgestimmt werden. 102 der Benutzung der Sachen oder der Erteilung des Unterrichts bis zur Ausübung des Widerrufs nicht zu vergüten“. 93 Hierzu BT-Drs. 14/6040, S. 79 und oben S. 80 ff. 94 BT-Drs. 14/6040, S. 79. 95 Vgl. Vogel, GPR 2005, 164, 166. 96 Dazu oben S. 86 ff. 97 Dazu bereits oben S. 90. 98 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 79; Vogel, GPR 2005, 164, 166. 99 BT-Drs. 14/6040, S. 91. 100 BT-Drs. 14/6040, S. 91. 101 So bereits Vogel, GPR 2005, 164, 166. 102 Siehe BT-Drs. 14/6040, S. 97: „Nur durch die Integration der zivilrechtlichen Nebengesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch ist zudem auf längere Frist gewährleistet,

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Neben diesen positiven Erwartungen, die an eine Integration der verbraucherschützenden Vorschriften und somit auch des Widerrufsrechts nach der Fernabsatz-RiL gestellt werden, lassen sich allerdings auch Argumente gegen eine solche Maßnahme finden. Es wird insbesondere vor einer Leitbildfunktion des integrierten Verbraucherschutzrechts gewarnt, die zu einer weiteren Lockerung der vertraglichen Bindungswirkung und einer Verschiebung des bestehenden Wertungsmodells des Vertragsrechts hin zu einem stärker paternalistischen Ansatz führen könnte. 103 Trotzdem ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Integration grundsätzlich zu respektieren, da die systematische Verordnung einer Regelung, die auf einer Richtlinie beruht, im Belieben der Mitgliedstaaten steht. 104 Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich das verbraucherschützende Widerrufsrecht der FernabsatzRiL tatsächlich in das BGB integrieren lässt, weil es entweder ein vergleichbares Lösungsrecht oder einen ähnlichen Vertragstyp gibt. Nur wenn dies nicht der Fall ist und das Widerrufsrecht quasi ein Fremdkörper innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs darstellen würde, wäre die Entscheidung für eine Integration zu kritisieren und eine Regelung außerhalb des BGB zu favorisieren. c) Ergebnis: keine Umsetzung im Rahmen des § 4 FernUSG a.F. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für eine Integration des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL in das BGB entschieden. Wegen der geschilderten Nähe z. B. zum Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht ist auch nicht ausgeschlossen, dass das Widerrufsrecht im BGB verortet werden kann. In Betracht kommt auch eine Regelung des Fernabsatzvertrages als eine besondere Art des Kaufvertrages, z. B. als spezielle Ausprägung des Kaufs auf Probe. Daher werden im Folgenden in Übereinstimmung mit dem Willen des deutschen Gesetzgebers zunächst die Möglichkeiten einer Integration des Widerrufsrechts in das BGB erörtert. Die Frage, ob eine Umsetzung im Rahmen des Fernunterrichtsschutzgesetzes hätte erfolgen können, wird nur wieder aufgegriffen, wenn sich im Fortgang der Untersuchung herausstellt, dass eine Übernahme des Widerrufsrechts in das Bürgerliche Gesetzbuch ohne die Gefahr von systematischen Verwerfungen nicht möglich gewesen wäre.

wieder eine Homogenität in der Regelung des Privatrechts herzustellen und das (zivilrechtliche) Verbraucherrecht an den Grundprinzipien des Bürgerlichen Gesetzbuches auszurichten“. 103 Vogel, GPR 2005, 164, 167. 104 Vogel, GPR 2005, 164; zum Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers bereits oben S. 75.

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

3. Das Widerrufsrecht als gesetzliches Rücktrittsrecht Angesichts der Tatsache, dass § 357 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Rückabwicklung grundsätzlich auf §§ 346 ff. BGB verweist und dass die Mehrzahl der Autoren, die sich um eine dogmatische Einordnung des Widerrufsrechts bemüht haben, darin ein besonders ausgestaltetes gesetzliches Rücktrittsrecht gesehen haben, 105 soll an erster Stelle erörtert werden, ob das Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL wie ein gesetzliches Rücktrittsrecht hätte konstruiert werden können. Es geht also darum, dem Ansatz von Bülow 106 und Heinrichs 107 zu folgen, die es für möglich gehalten haben, das Widerrufsrecht als ein gesetzliches „Rücktrittsrecht“ i.S. von § 346 BGB auszugestalten. 108 Das Zustandekommen des Vertrages in der Fernabsatzsituation würde demnach zu einem gesetzlich geregelten Rücktrittsgrund führen, der den Verbraucher innerhalb einer Frist von zwei Wochen zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Auf diese Weise wäre – wie von der Fernabsatz-RiL gefordert – gewährleistet, dass bereits vor Ausübung des Widerrufsrechts gegenseitige Erfüllungsansprüche bestehen. Dies legt eine Umsetzung des Widerrufsrechts als besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht nahe. Trotzdem bestehen auch erhebliche Bedenken gegen eines solche Einordnung, die teilweise bereits angeklungen sind. 109 a) Vertragsbezogenheit des Rücktrittsrechts Die Konstruktion eines Rücktrittsrechts, das auf den Vertrag bezogen ist, lässt sich nicht mit der Vorstellung des Gesetzgebers vereinbaren, wonach sich der Widerruf auf die Willenserklärung des Verbrauchers beziehen soll. 110 Dahinter steht der Gedanke, dass es dem Verbraucher in Fällen, in denen das Vertragsangebot von ihm ausgeht, ermöglicht werden soll, sich auch dann von seiner gemäß § 145 BGB mit Zugang bindend gewordenen Willenserklärung zu lösen, wenn der Unternehmer diese noch nicht angenommen hat. Dieses Ziel lässt sich mit einem echten Rücktrittsrecht nicht erreichen, da es vor Zustandekommen des Vertrages an dem Bezugspunkt für das Rücktrittsrecht fehlt. 111 Der Verbraucher könnte daher erst nach Abschluss des Vertrages wirksam von diesem zurücktre105

Vgl. Nachweise in Fn. 25 (Abschnitt D.). Bülow, ZIP 1999, 1293, 1295. 107 Heinrichs, FS für Medicus, S. 177, 191. 108 Dafür auch Lorenz, in: Schulze / Schulte-Nölke (Hrsg.), Schuldrechtsreform, S. 329, 336; Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 78. 109 Siehe oben S. 246 ff. 110 Vgl. Wortlaut von § 355 Abs. 1 S. 1 BGB: „... an seine ... Willenserklärung nicht mehr gebunden“. 111 Vgl. Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 54; Reiner, AcP 203 (2003), 1, 33. 106

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ten. Zögerte der Unternehmer die Annahme des Vertragsangebots heraus, bliebe der Verbraucher beim Erwerb von Alltagsgegenständen somit bis zu zwei Wochen an sein Angebot gebunden; diesen Zeitraum kann der Unternehmer in seinen AGB als Annahmefrist bestimmen. 112 Ob darin ein Verstoß gegen die Vorgaben der Fernabsatz-RiL zu sehen ist, ist fraglich, da Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL ebenfalls nur vom Widerruf des „Vertragsschlusses“ spricht, wobei allerdings schon darauf hingewiesen wurde, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Wahl dieser Formulierung der Bindungswirkung des Vertragsangebots im deutschen Recht wahrscheinlich nicht bewusst war. 113 Jedenfalls dürfte der Zielsetzung der Fernabsatz-RiL – der Steigerung des Verbrauchervertrauens in den Fernabsatzhandel – besser Rechnung getragen werden, wenn dem Verbraucher die Möglichkeit eingeräumt würde, sich jederzeit von einer bereits eingetretenen Bindung zu lösen. Dies ließe sich bei Bestehen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts nur dadurch erreichen, dass man dem Verbraucher im Hinblick auf die ohnehin bestehende Möglichkeit, von dem zukünftigen Vertrag zurücktreten zu können, das Recht einräumte, abweichend von § 145 BGB auch schon vor Zustandekommen des Vertrages den Widerruf seines Vertragsangebots zu erklären. 114 Schließlich ist kein Grund ersichtlich, warum er – wenn er die Macht hat, die Durchführung des Vertrages zu verhindern bzw. diesen rückgängig zu machen – nicht auch die Befugnis haben sollte, die noch nicht angenommene Vertragsofferte zu widerrufen. Dagegen spricht jedoch, dass der Widerruf des Vertragsangebots schon das Zustandekommen des Vertrages verhindern würde, während der Vertrag im Fall des Rücktritts bestehen bliebe und sich lediglich in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelte. 115 Der Widerruf der noch nicht angenommen Vertragserklärung des Verbrauchers hätte demnach ganz andere Rechtsfolgen als das auf der Fernabsatz-RiL beruhende Rücktrittsrecht, das nach Vertragsschuss Anwendung fände. Insbesondere wäre eine vertragliche Abrede im Hinblick auf die Kosten der Rücksendung, wie sie vom deutschen Gesetzgeber beabsichtigt ist, nicht möglich, da die Vertragserklärung des Verbrauchers mit dem Widerruf erlöschen und so ihre Wirksamkeit verlieren würde. 116 Folglich ist der Gedanke, dem Verbraucher, der eine Ware im Fernabsatz bestellt hat, abweichend von § 145 BGB den Widerruf seines 112 Vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2005, 1515, 1516; Palandt / Grüneberg, § 308 Rn. 4; Bamberger / Roth / Becker, § 308 Rn. 8; Erman / Roloff, § 308 Rn. 4. 113 Siehe oben S. 102. 114 In diesem Sinne interpretiert Büßer, Widerrufsrecht, S. 228 f. die bestehende Widerrufsregelung: Vor Annahme des Vertragsangebots des Verbrauchers entspräche die Ausübung des Widerrufsrechts dem Widerruf einer Willenserklärung; nach Zustandekommen des Vertrages habe das Widerrufsrecht die Funktion eines Rücktritts vom Vertrag; kritisch hierzu Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 54 Fn. 146. 115 Kaiser, Rückabwicklung, S. 509 formuliert des Ziel des Rücktritts folgendermaßen: Es gehe um „die Wiederherstellung des Zustandes, wie er nach Vertragsschluss, aber vor dem Leistungsaustausch bestand“; siehe auch Bamberger / Roth / Grothe, § 346 Rn. 1.

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dem Unternehmer bereits zugegangenen Vertragsangebots zu ermöglichen, zurückzuweisen. Somit hätte der Verbraucher vor Zustandekommen des Vertrages allerdings keine Möglichkeit, sich von seiner bindenden Vertragserklärung zu lösen. Dies wäre nicht mit den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers zu vereinbaren, der dem Verbraucher erkennbar eine auf seine Willenserklärung bezogene Widerrufsmöglichkeit einräumen wollte. b) Die Regelung des § 346 Abs. 2 S. 2 BGB Gegen eine Ausgestaltung des Widerrufsrechts als Rücktrittsrecht spricht auch der bereits erwähnte Umstand, dass der Verbraucher im Fall des Rücktritts gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 BGB an dem vertraglich festgelegten Äquivalenzverhältnis festgehalten wird. 117 Angesichts dieser Regelung wird deutlich, dass das Rücktrittsrecht von der Gesetzessystematik her der falsche Standort für die Integration des Widerrufsrechts ist (dazu unten aa)). Darüber hinaus steht sie im Widerspruch zu den Vorgaben der Fernabsatz-RiL (dazu unten bb)). aa) Systematische Erwägungen Führt man sich noch einmal den Schutzzweck des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL vor Augen, wird sichtbar, dass eine Einordnung als Rücktrittsrecht – wenn die Eingliederung entsprechend der Gesetzessystematik erfolgen soll – nicht in Betracht kommt. (1) Kein Schutz vor Fehlern bei der Willensbildung im Rücktrittsrecht Das Widerrufsrecht dient dem Ausgleich des Informationsdefizits, das dadurch entsteht, dass der Verbraucher die Ware vor Vertragsschluss nicht sehen kann. Es soll den Verbraucher somit vor möglichen Defekten in der Willensbildung schützen, die darauf beruhen, dass er sich vor Vertragsschluss nicht darüber vergewissern kann, ob die bestellte Ware seinen Vorstellungen entspricht. Regelungen zum Schutz vor Fehlern bei der Willensbildung finden sich allerdings grundsätzlich im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 119 ff. BGB). Dagegen greift das Rücktrittsrecht in Fällen ein, in denen es erst im Rahmen der Durchführung des Vertrages zu Problemen kommt, d. h. beim Auftreten von Leistungsstörungen; 118 Willensmängel bleiben auf dieser Ebene grundsätz-

116 Vgl. MünchKommBGB / Kramer, § 146 Rn. 2 f., wonach die Willenserklärung mit Erklärung des Widerrufs erlischt, d. h. ihre verbindliche Kraft verliert. 117 Siehe zu dieser Problematik bereits oben S. 217 f.

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lich unberücksichtigt. 119 Es wird vielmehr unterstellt, dass der Vertrag fehlerfrei zustande gekommen ist – dies ist auch der Grund, warum es aus Sicht des Gesetzgebers gerechtfertigt erscheint, im Fall des Rücktritts bei der Berechnung der Wertersatzpflicht für eine beschädigte oder untergegangene Sache gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 BGB die im Vertrag bestimmte Gegenleistung zugrunde zu legen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu wörtlich: „Das grundsätzliche Festhalten an den vertraglichen Bewertungen erscheint interessengerecht, da die aufgetretene Störung allein die Rückabwicklung, nicht aber die von den Parteien privatautonom ausgehandelte Entgeltabrede betrifft. Soweit auch diese beeinträchtigt ist, etwa weil die Voraussetzungen der §§ 119 Abs. 2, 123 BGB vorliegen, hat der Gläubiger die Möglichkeit, den Vertrag anzufechten“. 120 Dieser Standpunkt des Gesetzgebers hat berechtigterweise Kritik erfahren; insbesondere ist auf den Widerspruch hingewiesen worden, der dadurch entsteht, dass § 346 Abs. 2 S. 2 BGB nur bei Bestehen einer Wertersatzverpflichtung eingreift, während die Parteien dann, wenn die Rückabwicklung in Natur erfolgt, nicht an die Entgeltabrede gebunden bleiben. 121 Trotzdem ist der gesetzgeberische Wille, wie er sich in § 346 Abs. 2 S. 2 BGB manifestiert hat, zu beachten. Dies wiederum bedeutet, dass das Rücktrittsrecht nicht der richtige Standort ist, um das einen potentiellen Mangel in der Willensbildung betreffende Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL zu regeln. 122 (2) Sachliche Nähe zwischen Widerrufsund vertraglichem Rücktrittsrecht Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis von Kaiser auf die sachliche Nähe von verbraucherschützendem Widerrufsrecht und vertraglichem Rücktrittsrecht. 123 Zwar ist richtig, dass die Ursache für die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts häufig in der mangelnden Entschlussfreude einer der Vertragsparteien liegt. Es geht also – anders als bei gesetzlichen Rücktrittsrechten – um Probleme bei der Willensbildung: Dem Vertragspartner soll Gelegenheit gegeben werden, seine Entscheidung für den Vertrag noch einmal zu überdenken, wenn er sich bei Vertragsschluss noch nicht sicher ist, ob er sich überhaupt ver118

Zu dieser Abgrenzung auch Kaiser, Rückabwicklung, S. 509; Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 62 f., 81. 119 Dazu Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 23. 120 BT-Drs. 14/6040, S. 196. 121 Dazu Faust, jurisPK-BGB, § 346 Rn. 76. 122 Siehe bereits Lorenz, JuS 2000, 833, 838, der der Ansicht ist, dass das Widerrufrecht bei Fernabsatzverträgen eher dem Recht der Willensmängel zuzuordnen sei. Ähnlich Reiner, AcP 203 (2003), 1, 30: Beim Widerruf gehe es wie bei der Anfechtung um den Schutz der freien Willensbildung. 123 Staudinger / Kaiser, § 355 Rn. 18.

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traglich binden will. Allerdings bezieht sich die bei Vertragsschluss bestehende Unsicherheit anders als bei Fernabsatzgeschäften nicht auf die Beschaffenheit oder die Geeignetheit der Ware für eine bestimmte Verwendung, sondern vielmehr auf andere, nach Vertragsschluss eintretende und damit noch ungewisse Umstände. 124 Es geht um Fälle, in denen einer Vertragspartei die Reaktion auf spätere Entwicklungen ermöglicht werden soll. So kann sich z. B. der Verkäufer die Möglichkeit offen halten wollen, die Ware nach Vertragsschluss zu einem höheren Preis an einen Dritten zu verkaufen. Aus Sicht des Erwerbers kann das vertragliche Rücktrittsrecht vor allem dem Zweck dienen, die Risiken des Geschäfts auf den Verkäufer abzuwälzen, indem ihm z. B. die Möglichkeit eingeräumt wird, die Waren bei deren Unverkäuflichkeit zurückzugeben. Sofern die fehlende Bereitschaft, einen Vertrag abzuschließen, dagegen darauf zurückzuführen ist, dass der Erwerber im Unklaren darüber ist, ob er den Kaufgegenstand wirklich gebrauchen kann, finden §§ 346 ff. BGB – selbst wenn ausdrücklich ein „Rücktrittsrecht“ vereinbart worden ist – keine Anwendung. Denn sofern es darum geht, einer Partei lediglich eine Überlegungsfrist zu verschaffen, liege nach zutreffender Ansicht von Mankowski 125 ein materielles Reurecht, d. h. eine Potestativbedingung 126 und kein Rücktrittsrecht vor. Diese Abgrenzung liegt auf einer Linie mit der Vorstellung des Gesetzgebers: Da dieser im Rücktrittsrecht davon ausgeht, dass die Entgeltabrede bzw. der Vertrag privatautonom ausgehandelt wurde, 127 müssen sich die Unsicherheiten bei der Willensbildung, denen durch Einräumung eines vertraglichen Rücktrittsrechts Rechnung getragen werden soll, auf objektiv nachvollziehbare, zukünftige Ereignisse beziehen. Nur so ist auch ein Gleichlauf mit den gesetzlichen Rücktrittsrechten gewährleistet, die ebenfalls nur eine Reaktion auf Vertragsstörungen, die nach Vertragsschluss entstehen, ermöglichen. Soll einem Vertragspartner dagegen die Möglichkeit gewährt werden, seine Entscheidung noch einmal zu bedenken, und vereinbaren die Parteien deshalb ein Lösungsrecht, das er ohne Angabe von Gründen, d. h. aus rein subjektiven Erwägungen, ausüben kann, ist darin der Abschluss eines (auflösend) bedingten Vertrages zu sehen. 128 124

Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 81. Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 81. 126 Dazu Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 80. 127 Nachweis in Fn. 120 (Abschnitt D.). 128 Soweit in der Literatur die (Gegen-)Ansicht vertreten wird, bei Einräumung des Rechts, sich durch bloße Willenserklärung nachträglich wieder vom Vertrag lösen zu können, handele es sich i. d. R. um einen Rücktrittsvorbehalt und nicht um eine auflösende Wollensbedingung (vgl. MünchKommBGB / Westermann, § 158 Rn. 22; Medicus, JuS 1988, 1, 3), beziehen sich die Ausführungen noch auf das alte Rücktrittsrecht vor der Schuldrechtsreform. Da die Regelung des § 346 Abs. 2 S. 2 BGB, die Ausdruck der gesetzgeberischen Vorstellung ist, dass der Vertrag privatautonom ausgehandelt worden ist, erst mit der Schuldrechtsreform eingeführt worden ist, kann diesen Stimmen daher kein großes Gewicht mehr beigemessen werden. 125

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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Als weiteres Argument für die Einordnung eines vertraglich vereinbarten Reurechts als Potestativbedingung lässt sich ein Vergleich mit den gesetzlichen Anfechtungsrechten anführen, 129 die ebenfalls die Willensbildung betreffen und die nach überwiegender Ansicht gesetzliche Potestativbedingungen darstellen. 130 Für die hier vorgenommene Abgrenzung spricht auch, dass sich das Gesetz für den Spezialfall, dass die endgültige Entscheidung des Erwerbers nur auf Grundlage einer Prüfung bzw. Erprobung des Kaufgegenstandes erwartet werden kann, 131 mit den Vorschriften des Kaufs auf Probe (§§ 454 f. BGB) ausdrücklich für die Konstruktion eines (aufschiebend) bedingten Vertrages entschieden hat. 132 Nach alledem ist die behauptete sachliche Nähe zwischen Widerrufs- und vertraglichem Rücktrittsrecht im Ergebnis nicht gegeben. (3) Ergebnis: kein Schutz der Privatautonomie durch das Rücktrittsrecht Letztendlich ist weder das gesetzliche noch das vertragliche Rücktrittsrecht vom Gesetzgeber dafür vorgesehen, eine privatautonome Entscheidung der Vertragsschließenden zu gewährleisten; diese wird vom Rücktrittsrecht vielmehr vorausgesetzt. Anderenfalls ließe es sich nicht rechtfertigen, dass der Rücktrittsberechtigte im Fall des Rücktritts gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 BGB an das vertraglich festgelegte Äquivalenzverhältnis gebunden bleibt. Problemen bei der Willensbildung kann – auch im Rahmen eines vertraglichen Rücktrittsrechts – nur insoweit Rechnung getragen werden, als sich die den Vertragsschluss erschwerende Ungewissheit auf Umstände bezieht, die erst nach Vertragsschluss eintreten. Systematische Erwägungen sprechen also dagegen, das Widerrufsrecht der FernabsatzRiL dem Rücktrittsrecht zuzuordnen. bb) Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht Unabhängig davon, ob man den vorstehenden Erwägungen folgen will und eine Einordnung des Widerrufsrechts als Rücktrittsrecht schon aus systematischen Erwägungen ablehnt, kommt eine Umsetzung als Rücktrittsrecht auch schon deshalb nicht in Betracht, weil das mit § 346 Abs. 2 S. 2 BGB verbundene Festhalten 129

Vgl. auch Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 80. Bereits in den Motiven zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1 S. 219, heißt es: „Das anfechtbare Rechtsgeschäft steht unter einer auflösenden Rechtsbedingung, deren Eintritt besonderer Bestimmung zufolge rückwirkende Kraft hat“; dazu auch BGH, NJW-RR 1987, 1456; Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 433 m.w. N. 131 Dazu Staudinger / Mader, § 454 Rn. 12. 132 Zum Kauf auf Probe siehe § 454 Abs. 1 S. 2 BGB: „Der Kauf ist im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen“. 130

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

des Verbrauchers an dem vertraglich festgelegten Äquivalenzverhältnis – wie bereits festgestellt 133 – nicht mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL vereinbar ist: Die vom deutschen Gesetzgeber zur Begründung des § 346 Abs. 2 S. 2 BGB angeführte Vermutung, dass die vertragliche Abrede privatautonom ausgehandelt worden ist, trifft im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL nicht zu. Das Widerrufsrecht gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL wird dem Verbraucher schließlich gerade deshalb gewährt, weil davon auszugehen ist, dass er – ohne die Ware zu sehen – nicht in der Lage ist, eine privatautonome Entscheidung zu treffen. c) Ergebnis: keine Umsetzung als Rücktrittsrecht Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, ist das Rücktrittsrecht nicht zur Umsetzung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL geeignet. Vor allem systematische Gründe sprechen gegen eine Umsetzung im Rahmen der §§ 346 ff. BGB. Hinzu kommt, dass das mit § 346 Abs. 2 S. 2 BGB verbundene Festhalten am vertraglich festgelegten Äquivalenzverhältnis im Widerspruch zur Zielsetzung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 FernabsatzRiL steht, es dem Verbraucher zu ermöglichen, sich jederzeit wieder vollständig von der eingegangenen Bindung zu lösen. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass es natürlich denkbar wäre, im Rahmen der Umsetzung eine Regelung zu schaffen, die § 346 Abs. 2 S. 2 BGB auf Widerrufsrechte für nicht anwendbar erklärt. Darin wäre jedoch nicht nur eine geringfügige Modifizierung, sondern eine starke Abweichung von den Grundsätzen des Rücktrittsrechts zu sehen, die zu der Frage führt, warum das Widerrufsrecht dann überhaupt als Rücktrittsrecht ausgestaltet werden sollte. Es liegt vielmehr nahe, ein Rückabwicklungsregime zu suchen, das bei der Berechnung von Wertersatzansprüchen lediglich den objektiven Wert der Ware zugrunde legt. Letztlich ist eine Umsetzung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL im Rahmen der §§ 346 ff. BGB also ausgeschlossen. Da auch kein anderes Rechtsinstitut des allgemeinen Schuldrechts ersichtlich ist, dass als Anknüpfungspunkt für die Umsetzung dienen könnte, ist im Folgenden der Frage nachzugehen, ob eine Zuordnung zum Allgemeinen Teil des BGB in Betracht kommt.

133

Siehe oben S. 217 f.

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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4. Zuordnung zum Allgemeinen Teil des BGB: das Widerrufsrecht als Anfechtungs- oder Widerrufsrecht i.S. des § 145 BGB Für eine Verankerung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches spricht, dass es den Verbraucher – wie bereits erläutert 134 – vor einer Beeinträchtigung der Willensbildung schützen und ihm so eine privatautonome Entscheidung ermöglichen soll. 135 Denn dort – im 1. Buch des BGB – ist geregelt, ob und unter welchen Umständen man sich im Fall einer mangelhaften Willensbildung bzw. bei einer noch nicht abgeschlossenen Meinungsbildung wieder von der Bindung an seine Willenserklärung und somit auch von dem ggf. schon geschlossenen Vertrag lösen kann. Der Schutz vor Fehlern bei der Willensbildung wird im deutschen Recht durch das Anfechtungsrecht (§§ 119 ff. BGB) gewährleistet; mit der Anfechtung der Willenserklärung entfällt auch die Bindung an den Vertrag. 136 Vor diesem Hintergrund scheint es angezeigt, eine Ausgestaltung des Widerrufsrechts als Anfechtungsrecht in Betracht zu ziehen (dazu unten bb). Denkbar ist aber auch, in der Möglichkeit des Verbrauchers, seine Willenserklärung nach Erhalt der Ware, d. h. wenn er sich eine endgültige Meinung gebildet hat, zu widerrufen, eine Ausnahme zu § 145 BGB zu sehen, wonach der Absender einer Willenserklärung nach deren Zugang beim Erklärungsempfänger an diese gebunden ist. 137 Dem Verbraucher wäre es demnach gestattet, seine Willenserklärung – als ob er sich den Widerruf gemäß § 145 a.E. BGB einseitig vorbehalten hätte – auch noch nach deren Zugang beim Unternehmer zu widerrufen, mit der Folge dass die im Übrigen schon bindend gewordene Willenserklärung 138 nachträglich ihre Rechtswirkungen verliert (dazu unten cc)). 139 In beiden Fällen – sowohl bei der Einordnung als Anfechtungsrecht als auch bei Annahme eines von § 145 BGB abweichenden 134

Siehe oben S. 66. Für eine Eingliederung im 1. Buch des BGB auch Wetzel, ZRP 2001, 117, 126: Die §§ 355 ff. BGB „regeln die Bindung an eine Willenserklärung und haben im Schuldrecht gleichfalls nichts zu suchen“; vgl. auch Jansen, AcP 207 (2007), 425, 430. 136 Larenz / Wolf, BGB AT, § 36 Rn. 125; Mankowski, Beseitigungsrecht, S. 26; siehe auch Staudinger / Roth, § 142 Rn. 15; MünchKommBGB / Busche, § 142 Rn. 15; Bamberger / Roth / Wendtland, § 142 Rn. 3; Huber, jurisPK-BGB, § 142 Rn. 8. 137 An sich regelt § 130 Abs. 1 S. 2 BGB nur, dass der Eintritt der Wirksamkeit einer Willenserklärung verhindert werden kann, wenn dem Empfänger spätestens bei Erhalt der Willenserklärung ein Widerruf zugeht; aus dieser Vorschrift ergibt sich aber zugleich, dass der Widerruf der (wirksam gewordenen) Willenserklärung nach deren Zugang grundsätzlich ausgeschlossen und der Absender insoweit an seine Erklärung gebunden ist, vgl. Bork, BGB AT, Rn. 724. 138 Dazu BGH, NJW 1984, 1885, 1886; Mankowski, Beseitigungsrecht, S. 159; Staudinger / Bork, § 145 Rn. 27. 139 Bork, BGB AT, Rn. 653. 135

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

gesetzlichen Widerrufsvorbehalts – wäre gewährleistet, dass bereits mit Vertragsschluss beiderseitige Erfüllungsansprüche entstehen (dazu sogleich aa)). a) Konsequenzen der Einordnung als Anfechtungs- oder Widerrufsrecht aa) Bestehen von Erfüllungsansprüchen ab Vertragsschluss Sowohl bei einer Ausgestaltung des Widerrufsrechts als Anfechtungsrecht als auch bei einer Einordnung als gesetzlicher Widerrufsvorbehalt wäre sichergestellt, dass vor Ausübung des Widerrufsrechts Erfüllungsansprüche bestünden: 140 Vor Erklärung der Anfechtung, die gemäß § 142 Abs. 1 BGB ex tunc die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge hat, ist die anfechtbare Willenserklärung wirksam und der Erklärende an die mit ihr eingegangene Verpflichtung gebunden. 141 Bei Annahme eines einseitigen (gesetzlichen) Widerrufsvorbehalts wiederum läge ebenfalls eine wirksame und verbindliche Willenserklärung vor, da der Erklärende – anders als bei der invitatio ad offerendum – mit Rechtsbindungswillen handelt. Ihm steht lediglich das Recht zu, die Bindung durch Ausübung des Widerrufsrechts wieder zu beseitigen und so zu bewirken, dass die Rechtswirkungen der Erklärung ex nunc entfallen. 142 bb) Anknüpfung an die Willenserklärung des Verbrauchers Der einseitig vorbehaltene Widerruf und das Anfechtungsrecht knüpfen – wie vom deutschen Gesetzgeber gewünscht 143 – an die Willenserklärung und nicht an den Vertrag an. 144 Daher wäre, anders als bei Annahme eines Rücktrittsrechts, 145 gewährleistet, dass ein Widerruf auch in der Zeit nach Zugang und vor Annahme der Bestellung des Verbrauchers erfolgen kann. 146 140

Zu diesem Erfordernis bereits oben S. 54 ff. Allg. Meinung, siehe nur Bork, BGB AT, Rn. 792; Larenz / Wolf, BGB AT, § 44 Rn. 19. 142 Staudinger / Bork, § 145 Rn. 27. 143 Siehe oben S. 258. 144 So jedenfalls die ganz h.M., zu § 145 BGB vgl. Palandt / Heinrichs, § 145 Rn. 4; Erman / Armbrüster, § 145 Rn. 16; Bamberger / Roth / Eckert, § 145 Rn. 39; zu § 142 BGB vgl. Staudinger / Roth, § 142 Rn. 15; Bork, BGB AT, Rn. 915; Bamberger / Roth / Eckert, § 142 Rn. 3. 145 Zu dieser Problematik siehe oben S. 247 und S. 258. 146 Zum Anfechtungsrecht vgl. insoweit Thole, Widerrufsrecht, S. 114; Gernhuber, WM 1998, 1797, 1804; Reiner, AcP 203 (2003), 1, 33; zu § 145 BGB siehe auch Thole, Widerrufsrecht, S. 112, deren Ausführungen sich allerdings nur auf die Zeit vor Vertragsschluss beziehen. 141

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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cc) Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht Die Erklärung des Widerrufs hätte eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zur Folge: Sowohl die Anfechtung 147 als auch die Ausübung des zugunsten des Antragenden vorbehaltenen Widerrufsrechts 148 führen zur Anwendung der §§ 812 ff. BGB. (1) Vereinbarkeit mit dem Willen des deutschen Gesetzgebers Die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht scheint auf den ersten Blick nur schwer mit dem Willen des deutschen Gesetzgebers vereinbar. Dieser hatte sich bei der Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL durch das FernAG für eine Anknüpfung an §§ 346 ff. BGB entschieden, weil er der Ansicht war, dass die Rücktrittsregelungen weitestgehend mit den Rückabwicklungsregelungen der damals noch geltenden Verbraucherschutzgesetze übereinstimmten. 149 Sofern diese Entscheidung des Gesetzgebers zugleich als bewusstes Votum gegen eine Umsetzung im Rahmen der §§ 812 ff. BGB gewertet werden müsste, stünde dies Überlegungen, die von einer Anknüpfung der Widerrufsfolgen an das Bereicherungsrecht ausgehen, entgegen. Denn es erschiene im Hinblick auf die Zielsetzung, Ansatzpunkte für die in naher Zukunft anstehende Überarbeitung des nationalen Fernabsatzrechts zu entwickeln, wenig sinnvoll, eine Umsetzungsoption zu erörtern, die der Gesetzgeber bereits erwogen und dann ausdrücklich verworfen hat. Allerdings hatte sich der deutsche Gesetzgeber soweit ersichtlich überhaupt nicht die Mühe gemacht zu prüfen, ob auch eine Ausrichtung der Widerrufsfolgen am Bereicherungsrecht möglich gewesen wäre. Dabei scheint ein Rückgriff auf das Bereicherungsrecht angesichts der Tatsache, dass der BGH in § 3 Abs. 1 S. 1 HTWG a.F. einen „besonders ausgestalteten Bereicherungsanspruch“ gesehen hat, 150 nicht abwegig. Der BGH stützt seine Auffassung zwar nicht in erster Linie darauf, dass die Rechtsfolgen des Widerrufs eine besondere Nähe zu §§ 818 ff. BGB aufweisen. Er verweist vielmehr darauf, dass der in der Haustürsituation geschlossene Vertrag nach § 1 Abs. 1 S. 1 HTWG a.F. bis zur Erklärung des Widerrufs schwebend unwirksam war und eine Rückabwicklung nach Rücktrittsrecht somit überhaupt nicht in Betracht kam. 151 Denn ein (wirksames) Vertragsverhältnis, das in ein Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff. 147

Mankowski, Beseitigungsrecht, S. 876. Mankowski, Beseitigungsrecht, S. 877. 149 Nachweis oben in Fn. 34 (Abschnitt D.). 150 BGHZ 131, 82, 88 = BGH, NJW 1996, 57, 58. 151 Vgl. BGHZ 131, 82, 88: „Als besonders ausgestalteter Bereicherungsanspruch setzt dieser Anspruch voraus, dass ein wirksamer Vertrag nicht zustande gekommen ist und Erfüllungsansprüche nicht bestanden haben“; dazu auch Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1284 (Fn. 101). 148

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

BGB hätte umgewandelt werden können, lag nicht vor. 152 Allerdings hätte der BGH den Vergleich mit dem Bereicherungsrecht wohl nicht erwogen, wenn aus seiner Sicht gravierende Unterschiede zwischen den von § 3 Abs. 1 S. 1 HTWG a.F. angeordneten Rechtsfolgen und den §§ 818 ff. BGB bestanden hätten. Vor diesem Hintergrund erscheint zweifelhaft, ob die vor Verabschiedung des Fernabsatzgesetzes (FernAG) bestehenden Rückabwicklungsregelungen der einzelnen Verbraucherschutzgesetze – wie vom Gesetzgeber behauptet – tatsächlich eine größere Nähe zum Rücktrittsrecht aufwiesen. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da das Rücktrittsrecht im Rahmen der zu einem späteren Zeitpunkt erfolgten Schuldrechtsreform vom Gesetzeber bewusst auf die bereicherungsrechtlichen Regelungen zur Rückabwicklung gegenseitiger Verträge abgestimmt wurde. 153 Auch wenn gelegentlich in Zweifel gezogen wird, ob es tatsächlich gelungen ist, alle Wertungswidersprüche, die aus dem Nebeneinander von Rücktritts- und Bereicherungsrecht resultierten, zu beseitigen 154 – da jedenfalls der Gesetzgeber davon ausgeht, nun zwei vergleichbare Rückabwicklungsregime geschaffen zu haben, 155 kann nicht davon ausgegangen werden, dass er zwingend an der Anknüpfung am Rücktrittsrecht festhalten würde. Im Übrigen wurde bereits im Zusammenhang mit den Ausführungen zu § 346 Abs. 2 S. 2 BGB darauf hingewiesen, dass in Anbetracht der Unvereinbarkeit dieser Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht nicht zu erwarten ist, dass sich der Gesetzgeber weiterhin für eine Anwendung der §§ 346 ff. BGB auf das Widerrufsrecht aussprechen würde. 156 Der Wille des Gesetzgebers steht einer Ausrichtung der Rechtsfolgen des Widerrufs an §§ 818 ff. BGB daher nicht entgegen. (2) Vorgaben des Gemeinschaftsrechts Wie bereits festgestellt, 157 verstößt die im Rücktrittsrecht gemäß § 346 Abs. 2 S. 2 BGB fortbestehende Bindung der Parteien an das vertraglich festgelegte Äquivalenzverhältnis gegen das Ziel der Fernabsatz-RiL, es dem Verbraucher zu ermöglichen, sich durch Ausübung des Widerrufsrechts vollumfänglich von 152

Dazu auch Gernhuber, WM 1998, 1797, 1802. Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 194 f.: Im Zusammenhang mit dem Wegfall der §§ 350 bis 353 BGB a.F. wird ausgeführt, dass „für die Rückabwicklung nach Rücktritts- und Bereicherungsrecht, soweit möglich, gleiche Prinzipien gelten sollten“. 154 Kritisch insbesondere Hellwege, JZ 2005, 337, 338, der für die Schaffung eines einheitlichen Rückabwicklungstypus plädiert, der die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge einheitlich regelt. 155 Reiner, AcP 203 (2003), 1, 35 ist ebenfalls der Ansicht, dass sich die Rückabwicklung nach Rücktritts- und Bereicherungsrecht keine bedeutenden Unterschiede (mehr) aufweisen. 156 Dazu oben S. 220. 157 Siehe oben S. 217 f. 153

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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der vertraglichen Verpflichtung zu lösen. Dieses Problem stellt sich nicht, wenn §§ 818 ff. BGB auf die Rückabwicklung Anwendung finden: Hier richtet sich ein möglicher Wertersatzanspruch gemäß § 818 Abs. 2 BGB nach dem objektiven Wert der Ware. 158 Dies spricht für eine Anknüpfung der Widerrufsfolgen an das Bereicherungsrecht. dd) Ergebnis: Anknüpfung an das Bereicherungsrecht unbedenklich Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass dem Grunde nach 159 keine Bedenken dagegen bestehen, dass §§ 818 ff. BGB auf die Rückabwicklung eines widerrufenen Fernabsatzvertrages Anwendung finden. b) Das Widerrufsrecht als Anfechtungsrecht aa) Argumente für eine Ausgestaltung des Widerrufs als Anfechtungsrecht Eine Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL als Anfechtungsrecht liegt – wie bereits erwähnt 160 – deshalb nahe, weil es in beiden Fällen um den Schutz der freien Willensbildung geht. Das Widerrufsrecht soll dem Verbraucher einen Ausgleich dafür gewähren, dass er die Ware vor der Bestellung nicht sehen kann und daher unter einer informationellen Schwäche im Hinblick auf die Eigenschaften bzw. die Beschaffenheit der Ware leidet. Dies birgt die Gefahr, dass er bei Abgabe der Bestellung von falschen Vorstellungen geleitet wird. Insoweit besteht eine Parallele zum Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 2 BGB, der einen Irrtum des Erklärenden im Hinblick auf bestimmte Eigenschaften der Ware voraussetzt. Für die Einordnung des Widerrufsrechts bei §§ 119 ff. BGB lässt sich noch ein weiteres Argument finden. Der Zustand vor Erklärung der Anfechtung entspricht nämlich der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers von der Situation vor Ausübung des Widerrufsrechts, in der das Rechtsgeschäft „schwebend wirksam“ sein soll. 161 Denn da die Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB bewirkt, dass die zunächst eintretenden Rechtswirkungen der auf Abschluss eines Vertrages gerichteten Willenserklärung rückwirkend wieder beseitigt werden und es somit zu einem Übergang von der Wirksamkeit in die Unwirksamkeit kommt,

158

Vgl. Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 26; MünchKommBGB / Lieb, § 818 Rn. 44. Zu den Einzelheiten vgl. unten S. 297 ff. 160 Siehe oben S. 265. 161 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 47: „Damit wird die Konstruktion der schwebenden Wirksamkeit für alle Verbraucherschutzgesetze eingeführt“. 159

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

kann der Zustand vor Erklärung der Anfechtung mit „schwebender Wirksamkeit“ beschrieben werden. 162 bb) Das Widerrufsrecht als voraussetzungslos gewährtes Lösungsrecht? Das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL unterscheidet sich allerdings dadurch von der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB, dass nicht vorausgesetzt wird, dass tatsächlich ein Willensmangel besteht; 163 das Widerrufsrecht kann vielmehr auch in Fällen ausgeübt werden, in denen sich die Gefahr eines Irrtums nicht realisiert hat und die Ware ganz genau den Vorstellungen des Erwerbers entspricht. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine unvermeidbare Folge der typisierten Betrachtungsweise der Fernabsatz-RiL: Das Gesetz unterstellt bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – hier dem Erwerb einer Ware im Fernabsatz durch einen Verbraucher – eine Beeinträchtigung der Willensbildung und entbindet den Verbraucher insoweit davon, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen. Dies führt zwangsläufig zu einem Übermaß an Schutz, weil sich auch Verbraucher auf das Widerrufsrecht berufen können, die sich eine zutreffende Meinung über den Kaufgegenstand bilden konnten. 164 Dennoch wird das Widerrufsrecht nicht etwa voraussetzungslos gewährt, 165 sondern ist von Umständen abhängig, die das Vorliegen einer mangelhaften Willensbildung ernstlich vermuten lassen. Letztlich setzen also sowohl die Anfechtung als auch die Willensbeeinträchtigung – jedenfalls dem Grunde nach – eine Willensbeeinträchtigung voraus. Die beiden Beseitigungsrechte unterscheiden sich nur dadurch, dass unterschiedliche Anforderungen an den Nachweis dieser Willensbeeinträchtigung gestellt werden. Dies allein schließt eine Einordnung des Widerrufs- als Anfechtungsrecht nicht aus. cc) Die drohende Schadensersatzpflicht nach § 122 Abs. 1 BGB Gegen eine derartige Ausgestaltung des Widerrufsrechts könnte jedoch eingewandt werden, dass die Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB regelmäßig eine Schadensersatzpflicht des Anfechtenden nach § 122 Abs. 1 BGB zur Folge

162

Reiner, AcP 203 (2003), 1, 33; Staudinger / Roth, § 142 Rn. 5; Lorenz, Unerwünschter Vertrag, S. 51; a. A. Medicus, BGB AT, Rn. 492, der nur in den Konstellationen von einer schwebenden Wirksamkeit sprechen möchte, in denen die Ursache für den Übergang von der Wirksamkeit in die Unwirksamkeit von außen und nicht vom Urheber der Erklärung selbst kommt. 163 Vgl. dazu auch v. Koppenfels, WM 2001, 1360, 1365. 164 Dazu auch Lorenz, Unerwünschter Vertrag, S. 167. 165 So zu Recht Reiner, AcP 203 (2003), 1, 30.

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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hat. 166 Die Verpflichtung, dem Anfechtungs- bzw. Widerrufsgegner den Vertrauensschaden zu ersetzen, wäre wohl kaum mit der Fernabsatz-RiL vereinbar, da sie geeignet wäre, die Verbraucher vom Widerruf des Fernabsatzvertrages abzuhalten, und daher die Effektivität des Widerrufsrechts beeinträchtigen könnte. Im Ergebnis ist dies jedoch nicht ernstlich zu befürchten: Schließlich entfällt die Schadensersatzpflicht nach § 122 Abs. 2 BGB, wenn der Erklärungsgegner die Anfechtbarkeit bzw. die Widerruflichkeit kannte oder kennen musste. Diese Voraussetzung wäre auf Seiten eines Unternehmers, der Waren im Fernabsatz vertreibt, regelmäßig erfüllt: Da er den Verbraucher sogar über die Widerrufsmöglichkeit belehren muss, 167 kann davon ausgegangen werden, dass er sich des Bestehens eines solchen Beseitigungsrechts bewusst war oder es zumindest hätte kennen müssen. 168 Folglich schuldet ihm der Verbraucher keinen Schadensersatz. Dies ist auch sachgerecht, da dem Unternehmer, der mit der Rückgabe der Ware rechnen muss, kein Vertrauensschaden entstehen kann. Letzten Endes stünde § 122 Abs. 1 BGB einer Umsetzung des Widerrufsrechts im Rahmen der §§ 119 ff. BGB also nicht entgegen. dd) Der Umfang des Schutzes der Entscheidungsfreiheit in § 119 Abs. 2 BGB Wie gezeigt, bestehen im Hinblick auf die Zielsetzung von Widerrufs- und Anfechtungsrecht starke Parallelen. Allerdings geht der Schutzzweck des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL noch über die Zielsetzung des § 119 Abs. 2 BGB hinaus. Die Entscheidungsfreiheit wird im Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL in einem viel weiteren Umfang geschützt: Während § 119 Abs. 2 BGB nur bei Irrtümern über verkehrswesentliche Eigenschaften der Ware ein Anfechtungsrecht gewährt, erfasst das Widerrufsrecht jede Art von Eigenschafts- bzw. Motivirrtum 169 Diesem Umstand könnte indes durch eine tatbestandliche Erweiterung des Anfechtungsrechts Rechnung getragen werden. 170 Die Zielsetzung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL unterscheidet sich aber noch in einem weiteren Punkt von der des § 119 Abs. 2 BGB: Während das Anfechtungsrecht nur bei Willensbeeinträchtigungen eingreift, die zu einem Willensmangel führen, schützt das Widerrufsrecht den Verbraucher nicht nur vor (potentiellen) Willensmängeln, sondern erfasst auch Konstellationen, in denen es – wegen der informationellen Schwäche des Verbrauchers – noch überhaupt nicht zu einer endgültigen Meinungsbildung gekommen 166 167 168 169 170

Siehe Thole, Widerrufsrecht, S. 114. Siehe oben S. 56 und S. 115. So überzeugend Reiner, AcP 203 (2003), 1, 31 f. So bereits Reiner, AcP 203 (2003), 1, 31. Vgl. Reiner, AcP 203 (2003), 1, 31.

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ist. Das Widerrufsrecht ist schließlich auch auf Konstellationen zugeschnitten, in denen der Verbraucher die Ware bewusst „zur Ansicht“ bestellt, ohne sich zuvor ein (vermeintlich) abschließendes Bild davon gemacht zu haben, über welche Eigenschaften diese verfügt bzw. ob er sie wirklich benötigen kann. 171 Insoweit schafft das Widerrufsrecht für den Verbraucher die Möglichkeit, seine endgültige Entscheidung über den Erwerb der Ware erst nach Erhalt derselben und somit in Kenntnis aller notwendigen Umstände zu fällen. Wenn somit der Entscheidungsprozess bei Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers noch gar nicht abgeschlossen sein muss, weist das Widerrufsrecht – trotz der teilweisen Übereinstimmung mit der Zielsetzung des § 119 Abs. 2 BGB – letztendlich eine größere Nähe zum einseitigen Widerrufsvorbehalt nach § 145 a.E. BGB auf (dazu sogleich unter cc)). Hinzu kommt, dass die Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB die rückwirkende Nichtigkeit der Willenserklärung bewirkt und somit mittelbar auch zur Vernichtung des Vertrages führt, der auf der angefochtenen Erklärung beruht. 172 Dies verhindert, dass die Parteien eine vertragliche Abrede im Hinblick auf die Rückabwicklung treffen können, da mit dem Vertrag auch die Grundlage für eine entsprechende Vereinbarung entfällt. Eine solche Absprache soll nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers aber – jedenfalls im Hinblick auf die Kosten der Rücksendung der Ware – gerade möglich sein. 173 Insoweit entspricht die Rechtswirkung von § 142 Abs. 1 BGB also nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers von den Folgen des Widerrufs. ee) Ergebnis: mangelnde Eignung der §§ 119 ff. BGB zur Umsetzung des Widerrufsrechts Die Tatsache, dass das Widerrufsrecht nicht nur bei Willensmängeln, sondern auch in Fällen eingreifen soll, in denen der Willensbildungsprozess noch nicht endgültig abgeschlossen ist, spricht jedenfalls dann gegen eine Einordnung als Anfechtungsrecht, wenn – was im Folgenden zu untersuchen ist – ein anderes Rechtsinstitut vorhanden ist, dass dieser Zielsetzung besser Rechnung tragen kann. Zu beachten ist außerdem, dass die von § 142 Abs. 1 BGB für den Fall der Ausübung des Anfechtungsrechts angeordnete Rechtsfolge – die rückwirkende Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts – nicht mit der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers vereinbar ist, der davon ausgeht, dass Verbraucher und Unternehmer vertragliche Vereinbarungen treffen können, die im Fall der Rückabwicklung Geltung beanspruchen. Daher ist das Anfechtungsrecht nicht zur Umsetzung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL geeignet. 171 172 173

Siehe oben S. 66. Siehe dazu Nachweise in Fn. 136 (Abschnitt D.). Dazu bereits oben S. 248.

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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c) Das Widerrufsrecht als (gesetzlicher) einseitiger Widerrufsvorbehalt Für eine Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL als (gesetzlichen) einseitigen Widerrufsvorbehalt i.S. des § 145 BGB spricht die vergleichbare Zielsetzung beider Rechtsinstitute. aa) Vergleichbare Zielsetzung von Widerrufsrecht und Widerrufsvorbehalt Gemäß § 130 Abs. 1 S. 2 und § 145 BGB wird eine auf einen Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung mit ihrem Zugang beim Empfänger wirksam und zugleich bindend, wobei „Bindung“ hier so zu verstehen ist, dass der Erklärende sein Angebot nicht mehr einseitig widerrufen kann. 174 Aus § 145 a.E. BGB ergibt sich jedoch, dass der Antragende diese Bindung ausschließen kann. Von dieser Möglichkeit wird er in der Regel dann Gebrauch machen, wenn er sich noch unsicher ist und seine Entscheidung für den Vertragsschluss noch einmal überdenken will. Dabei ist es unerheblich, worauf seine Unentschlossenheit zurückzuführen ist: Soweit die Unsicherheit auf die Beschaffenheit der Ware zurückzuführen ist, macht es keinen Unterschied, ob sich der Antragende im Vorfeld des Vertragsschlusses ungenügende oder falsche Vorstellungen von der Beschaffenheit des Kaufgegenstands gemacht hat. Letztlich dient der Widerrufsvorbehalt also dem Ziel, die endgültige Entscheidung darüber, ob der Erklärende an seiner Willenserklärung bzw. dem darauf basierenden Vertrag festhalten will, aufzuschieben. Hier zeigt sich die große Ähnlichkeit mit dem Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL. Dieses wird dem Verbraucher gewährt, weil er sich nach Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers aufgrund der Tatsache, dass er die Ware vor Abgabe der Bestellung nicht sehen kann, noch keine abschließende Meinung bilden kann. Für eine Vergleichbarkeit beider Lösungsrechte lässt sich auch der Umstand anführen, dass die Erklärung des Widerrufs jeweils im Belieben des Erklärenden bzw. des Verbrauchers steht. Anders als bei der Anfechtung muss dieser keinen Nachweis darüber erbringen, dass die Ware tatsächlich nicht seinen Vorstellungen entspricht. Vor diesem Hintergrund liegt eine Umsetzung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts in Anlehnung an den Widerrufsvorbehalt nach § 145 a.E. BGB auf den ersten Blick durchaus nahe. 175 Im Hinblick auf die Zielsetzung von Widerrufsvorbehalt nach § 145 a.E. BGB und Widerrufsrecht nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL lassen sich jedoch 174 Vgl. Palandt / Heinrichs, § 145 Rn. 3; Bamberger / Roth / Eckert, § 145 Rn. 32; MünchKommBGB / Kramer, § 145 Rn. 18; Erman / Armbrüster, § 145 Rn. 14. 175 So bereits Pfeiffer / Dauck, NJW 1997, 30, 33.

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

auch Unterschiede ausmachen: Bei Fernabsatzgeschäften ist die Unsicherheit des Verbrauchers nach Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers auf die Eigenschaften bzw. die Verwendbarkeit der Ware bezogen, während der Erklärende im Fall eines einseitigen Widerrufsvorbehalts i.S. des § 145 a.E. BGB auch ganz andere Beweggründe haben kann, die Bindung an das Angebot auszuschließen. 176 Das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL betrifft insoweit also einen „Spezialfall“ des Widerrufsvorbehalts. Dies wird sich in der Praxis allerdings kaum auswirken: Einerseits wird derjenige, der sich den Widerruf seines Angebots gemäß § 145 a.E. BGB vorbehält, in der Regel ohnehin nicht offen legen, aus welchen Gründen er dies tut. Andererseits kann der Verbraucher von dem Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL – da er seine Beweggründe nicht darlegen muss 177 – auch dann Gebrauch machen, wenn aus seiner Sicht im Hinblick auf die Beschaffenheit der Sache nie eine Unklarheit bestand. Im Ergebnis ist die Willenserklärung des Anbieters bzw. Verbrauchers in beiden Fällen frei widerruflich. Für die hier vorzunehmende systematische Einordnung des Widerrufsrechts der FernabsatzRiL kann der festgestellte Unterschied aber dennoch von Bedeutung sein. Wenn es eine Regelung gäbe, das speziell den Unsicherheiten Rechnung trägt, die auf Seiten des Erwerbers im Hinblick auf die Geeignetheit bzw. Verwendbarkeit der Ware bestehen können, könnte dieses – verglichen mit § 145 BGB – der geeignetere Standort für die Umsetzung sein. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Regelungen des Kaufs auf Probe in §§ 454 f. BGB (dazu sogleich). Unabhängig davon sprechen aber auch noch andere Gründe gegen eine an § 145 a.E. BGB ausgerichtete Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL. bb) Das Vertragsangebot als Anknüpfungspunkt für den Widerrufsvorbehalt An erster Stelle ist der Umstand zu nennen, dass der einseitig vorbehaltene Widerruf i.S. des § 145 a.E. BGB nach einhelliger Meinung nur bis zum Zugang der Annahmeerklärung erfolgen kann oder jedenfalls unmittelbar danach erklärt werden muss. 178

176 So kann der Widerrufsvorbehalt z. B. darauf beruhen, dass der Antragende selbst noch nicht mit Sicherheit beurteilen kann, ob er die Ware überhaupt bzw. zu dem angebotenen Preis beschaffen kann, vgl. dazu BGH, NJW 1984, 1885, 1886. 177 Riesenhuber, System und Prinzipien, S. 332, spricht insoweit von der „Tatbestandslosigkeit“ der Widerrufsrechte. 178 Dass der Widerruf nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur bis zur Annahme des Angebots möglich sein sollte, ergibt sich im Umkehrschluss aus der Begründung für die mit dem BGB eingeführte Bindung an den Antrag. In den Motiven zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1 S. 165 heißt es insoweit: „Sollte ein Widerruf des an den Empfänger gelangten Antrags vor dem Wirksamwerden der Annahmeerklärung noch zulässig sein, so würde der Antragsempfänger nach Befinden schwer geschädigt werden“

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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Dies verdeutlicht, dass der Widerrufsvorbehalt lediglich eine Ausnahme zu der in § 130 Abs. 1 S. 2 und § 145 BGB angeordneten Bindung an das Vertragsangebot darstellt und nicht das Recht umfasst, sich auch von dem geschlossenen Vertrag wieder zu lösen. 179 Dagegen ist in dem Widerrufsrecht der FernabsatzRiL dem Grunde nach ein Vertragslösungsrecht zu sehen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Widerrufsfrist erst mit Lieferung der Ware – die typischerweise erst nach Vertragsschluss erfolgt – beginnt. 180 Um den Vorgaben der Fernabsatz-RiL gerecht zu werden, müsste man es dem Verbraucher daher erlauben, sein Vertragsangebot auch noch nach Zustandekommen des Vertrages zu widerrufen und so mittelbar auch die Bindung an den Vertrag zu beseitigen. Darüber hinaus dürfte der Widerruf auch nicht auf die Fälle beschränkt bleiben, in denen der Antrag auf Vertragsschluss vom Verbraucher ausgeht. Ein Widerruf i.S. des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL muss vielmehr auch dann möglich sein, wenn das Vertragsangebot vom Unternehmer ausgeht und der Verbraucher bereits die Annahme dieses Angebots erklärt hat. Derartige Konstellationen sind in der Rechtspraxis durchaus von Bedeutung. Die Art und Weise, wie Vertragsschlüsse bei eBay zustande kommen, kann als Beleg dafür dienen: In der Freischaltung der Online-Auktion ist das Angebot des Unternehmers zu sehen, das durch das Gebot des Verbrauchers (aufschiebend bedingt) angenommen wird. 181 Wenn man es nun aber – um den Vorgaben der Richtlinie gerecht zu werden – für zulässig hielte, dass nicht nur das Vertragsangebot, sondern auch die Annahmeerklärung des Verbrauchers widerrufen werden kann, und es außerdem möglich wäre, den Widerruf auch noch zwei Wochen nach Vertragsschluss zu erklären, bekäme das auf dem Widerrufsvorbehalt i.S. des § 145 a.E. BGB beruhende Widerrufsrecht einen ganz anderen Charakter: Es müsste unter diesen Umständen als Ausnahme oder doch zumindest als Modifizierung des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ angesehen werden. 182 Die Verankerung einer (Hervorhebung durch den Autor); für eine Ausübung des Widerrufs nur bis zur Annahme des Angebots auch MünchKommBGB / Kramer, § 145 Rn. 7; Larenz / Wolf, BGB AT, § 29 Rn. 40; für einen Widerruf auch noch unverzüglich nach Zustandekommen des Vertrages Flume, BGB AT, § 35 I 3c; Erman / Armbrüster, § 145 Rn. 16; offengelassen von BGH, NJW 1984, 1885, 1886; Staudinger / Bork, § 145 Rn. 27; Bamberger / Roth / Eckert, § 145 Rn. 39. 179 Siehe Bork, BGB AT, Rn. 725 (Fn. 32): „Es sollte indessen dabei bleiben, dass ein einmal geschlossener Vertrag nicht widerrufen werden kann“ sowie Larenz / Wolf, BGB AT, § 29 Rn. 40: „Ein Widerruf ist nicht mehr möglich, wenn dem Antragenden bereits die Annahmeerklärung zugegangen ist, da damit der Vertrag geschlossen ist“ (Hervorhebung durch den Autor). 180 Dass nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers (siehe oben S. 99) im Einzelfall auch schon vor Zustandekommen des Vertrages ein Widerruf möglich sein soll, steht dieser Auffassung nicht entgegen. 181 Siehe BGH, NJW 2002, 363, 364; NJW 2005, 53, 54. 182 Vgl. insoweit Meller-Hannich, Schuldvertragsrecht, S. 178 f.

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

solchen Regelung im Allgemeinen Teil des BGB brächte wegen der prominenten Stellung – auch wenn es sich um eine Ausnahmevorschrift handelte – die Gefahr einer weiteren Aufweichung des Grundsatzes der Vertragsbindung mit sich: Sie könnte als argumentativer Anknüpfungspunkt für weitere Lockerungen der vertraglichen Bindungswirkung herangezogen werden. 183 Zugleich macht die Tatsache, dass eine Änderung der Rechtsnatur des auf dem Widerrufsvorbehalt beruhenden Widerrufsrechts erforderlich wäre, deutlich, dass § 145 BGB a.E. BGB – da die Regelung nicht für die Lösung von der vertraglichen Bindung konzipiert ist – letztendlich doch nicht für die Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL geeignet ist. cc) Fortfall der Rechtswirkungen der Willenserklärung infolge des Widerrufs Gegen eine Anknüpfung an § 145 a.E. BGB spricht außerdem der Umstand, dass der Widerruf nach einseitig vorbehaltenem Widerrufsrecht zum Fortfall der Rechtswirkungen der Willenserklärung und somit mittelbar auch zum Erlöschen des Vertrages führt. Vereinbarungen, die die Parteien für den Fall der Rückabwicklung getroffen haben, verlören somit ebenfalls ihre Wirksamkeit; die Rückabwicklung richtete sich ausschließlich nach Bereicherungsrecht. 184 Dies entspricht nicht den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers, der den Parteien jedenfalls im Hinblick auf die Kosten der Rückabwicklung ausdrücklich eine entsprechende Abrede ermöglichen will. Dass der Gedanke einer vertraglich modifizierten Rückabwicklung nur schwer mit der Konstruktion des § 145 a.E. BGB vereinbar ist, ergibt sich im Übrigen auch schon daraus, dass die Vorschrift einen einseitigen Widerrufsvorbehalt regelt. Die vertragliche Festlegung der Rückabwicklungsmodalitäten setzt aber gerade das Einverständnis des Vertragspartners und somit eine gegenseitige Vereinbarung voraus. 185 Auch deshalb scheint der Widerrufsvorbehalt nicht das richtige Rechtsinstitut zur Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL zu sein. dd) Ergebnis: mangelnde Eignung des § 145 a.E. BGB zur Umsetzung des Widerrufsrechts Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass sich der einseitige Widerrufsvorbehalt i.S. des § 145 a.E. BGB trotz des Umstands, dass er dem Erklärenden ähnlich wie das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL eine Überle183 184 185

Zu dieser Problematik auch Vogel, GPR 2005, 164, 167. Vgl. Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 877. Dazu auch Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 877.

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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gungsfrist einräumen will, nicht für die Umsetzung dieses Lösungsrechts eignet. Die Inkompatibilität beider Rechtsinstitute beruht vor allem darauf, dass die Möglichkeit, von dem einseitig vorbehaltenen Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, nur im vorvertraglichen Bereich besteht, während in der Fernabsatz-RiL die Befreiung von der vertraglichen Bindung im Vordergrund steht. d) Ergebnis: keine Zuordnung zum Allgemeinen Teil des BGB Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass sich Anfechtungsrecht und Widerrufsvorbehalt nicht für eine Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL eignen. Da im 1. Buch des BGB keine weiteren Rechtsinstitute ersichtlich sind, die für eine Integration des Widerrufsrechts in Betracht kommen könnten, scheidet eine Umsetzung im Rahmen des Allgemeinen Teils des BGB letztendlich aus.

5. Zuordnung zum besonderen Schuldrecht: Der Fernabsatzvertrag als besondere Form des Kaufs auf Probe Nachdem feststeht, dass sich weder im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch in den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts ein Rechtsinstituts finden lässt, das sich als Anknüpfungspunkt für eine Integration des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL eignet, kommt nur die Zuordnung zu einem Vertragstyp des besonderen Schuldrechts in Betracht. Dabei ergibt sich allerdings das Problem, dass das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL nach Art. 2 Nr. 1 Fernabsatz-RiL grundsätzlich 186 auf alle im Fernabsatz geschlossenen Verträge Anwendung findet, die eine „Ware oder Dienstleistung“ betreffen. Demnach gilt es auch bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen, wie z. B. beim Abschluss eines Stromlieferungsvertrages am Telefon oder der Bestellung eines Telefonanschlusses über das Internet. Derartige Dienstleistungsverträge wurden aufgrund ihrer vergleichsweise geringen wirtschaftlichen Bedeutung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bisher außer Betracht gelassen. 187 Bei dem an dieser Stelle vorzunehmenden Versuch, den „Fernabsatzvertrag“ einem bestimmten Vertragstyp des besonderen Schuldrechts zuzuordnen, kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch sie in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL fallen. Denn die Tatsache, dass das Widerrufsrecht sowohl für Warenlieferungsals auch Dienstleistungsverträge Geltung beansprucht, macht eine Zuordnung zu 186 Die Ausnahmen sind in Art. 3 Fernabsatz-RiL geregelt: so findet das Widerrufsrecht z. B. auf Verträge über Finanzdienstleistungen keine Anwendung. 187 Dazu ausführlich oben S. 29 f.

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

einem einzigen Vertragstyp an sich unmöglich. Grundsätzlich müsste also für alle Vertragstypen, die in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL fallen, eine eigenständige Widerrufsregelung gefunden werden. Etwas anderes gälte nur dann, wenn sich für die Umsetzung besonders geeignete Regelungen eines Vertragstyps finden ließen, die die weit überwiegende Anzahl der Anwendungsfälle abdeckten. Unter diesen Umständen schiene es denkbar, die entsprechenden Vorschriften als alleinigen Anknüpfungspunkt für die Umsetzung des Widerrufsrechts zu wählen. Die auf diese Weise gefundenen fernabsatzrechtlichen Regelungen könnten dann – ggf. ergänzt um einige Sondervorschriften – auf die anderen von der Fernabsatz-RiL erfassten Vertragstypen entsprechende Anwendung finden. 188 Angesichts der Tatsache, dass Verträge über die Lieferung von Waren den weitaus größten Teil der in Deutschland abgeschlossenen Fernabsatzverträge ausmachen 189 und es sich dabei in aller Regel 190 um Kaufverträge handeln wird, liegt es nahe, zunächst in den kaufvertraglichen Regelungen des BGB nach einem geeigneten Anknüpfungspunkt für die Integration des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 Fernabsatz-RiL zu suchen. In Betracht käme eine Umsetzung im Rahmen der Vorschriften des Kaufs auf Probe. Schließlich sind §§ 454 f. BGB für Fälle konzipiert, in denen eine abschließende Kaufentscheidung erst nach einer Besichtigung bzw. Erprobung der Ware erwartet werden kann. Damit scheint eine gewisse Nähe zum verbraucherschützenden Widerrufsrecht gegeben. Ob die Regelungen des Kaufs auf Probe tatsächlich einen vergleichbaren Zweck wie Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL verfolgen und ob sie im Übrigen auch den sonstigen Anforderungen genügen, die das Gemeinschaftsrecht und der nationale Gesetzgeber an die Umsetzung stellen, soll im Folgenden untersucht werden.

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Näher dazu unten auf S. 308. Siehe oben S. 29 f. 190 Nach Ansicht von Junker, jurisPK-BGB, § 312b Rn. 22 werden „typischerweise Kaufverträge über körperliche Gegenstände“ geschlossen; auf Verträge über die Lieferung noch herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen bzw. Waren finden die Vorschriften des Kaufrechts gemäß § 651 BGB ebenfalls Anwendung. Dagegen fällt die zeitweise Überlassung von Waren im Rahmen eines Mietvertrags nach h.M. nicht unter den Tatbestand der „Lieferung von Waren“, sondern stellt eine „Dienstleistung“ dar, die gegenüber dem Mieter erbracht wird, vgl. MünchKommBGB / Wendehorst, § 312b Rn. 34; Palandt / Grüneberg, § 312b Rn. 10c; Erman / Saenger, § 312b Rn. 3; Junker, jurisPK-BGB, § 312b Rn. 26. 189

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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a) Die sachliche Nähe von Widerrufsrecht und Kauf auf Probe aa) Vergleichbare Zielsetzung von Widerrufsrecht und Kauf auf Probe Beim Kauf auf Probe steht der Kaufvertrag gemäß § 454 Abs. 1 S. 2 BGB im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung der Ware durch den Käufer. Die Rechtswirkungen des Vertrages treten also erst mit der Billigung des Kaufgegenstandes durch den Käufer ein. Diese muss innerhalb der zwischen den Parteien vereinbarten bzw. nach Ablauf einer angemessenen Frist erklärt werden. 191 Während des Laufs dieser Frist ist dem Käufer Gelegenheit zu geben, sich einen Eindruck von der Beschaffenheit der Ware machen zu können. Zu diesem Zweck ordnet § 454 Abs. 2 BGB an, dass der Verkäufer dem Käufer – obwohl aufgrund der aufschiebenden Bedingung noch keine Verpflichtung zur Übergabe und Eigentumsverschaffung nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB besteht 192 – die Untersuchung der Ware gestatten muss. 193 Die Billigung bzw. Missbilligung durch den Käufer kann allerdings unabhängig davon erfolgen, ob er die Sache tatsächlich untersucht und ob er dabei festgestellt hat, dass sie nicht seinen Vorstellungen entspricht. Selbst wenn sie sich als für den vereinbarten Zweck als geeignet erwiesen hat, kann sie der Käufer ablehnen. 194 Demnach steht der Vertrag bis zum Ablauf der Billigungsfrist völlig im Belieben des Käufers, weshalb der Kauf auf Probe mitunter auch als „Kauf auf Belieben“ bezeichnet wird. 195 Insoweit ist die Rechtslage identisch mit der bei Bestehen des verbraucherschützenden Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL, dessen Ausübung ebenfalls an keine Voraussetzungen geknüpft ist. Insbesondere bedarf es in beiden Fällen keiner Begründung der Entscheidung des Käufers bzw. Verbrauchers. Auch der Grund, warum dem Käufer bzw. Verbraucher die Möglichkeit eingeräumt wird, die Ware vor der endgültigen Erwerbsentscheidung zu untersuchen bzw. in Augenschein zu nehmen, ist vergleichbar: Er ist vorher nicht in der Lage, eine abschließende Entscheidung über den Erwerb der Ware zu treffen. 196 Die Unsicherheit bzw. die mangelnde Entschlussfähigkeit beruht auch in beiden Fällen auf demselben Umstand: einem Informationsdefizit, das im Hinblick auf die Beschaffenheit bzw. Eignung der zu erwerbenden Ware besteht. 191

Vgl. § 455 S. 1 BGB. Bamberger / Roth / Faust, § 454 Rn. 7. 193 Zu der Frage, ob dem Käufer die Ware zum Zweck der Untersuchung übergeben werden muss, siehe unten S. 285. 194 Reinicke / Tiedtke, Kaufrecht, Rn. 932. 195 Larenz, SchuldR II/1, § 44 I; Staudinger / Mader, § 454 Rn. 24. 196 Zum Kauf auf Probe vgl. KG, NJW 1974, 1954 m.w. N. 192

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

Die Vorschriften des Kaufs und Probe und das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL dienen demnach dem gleichen Zweck. Der einzige Unterschied, der insoweit auszumachen ist, ist darin zu sehen, dass diese Informationsschwäche bei Fernabsatzgeschäften stets auf dem Umstand beruht, dass es sich um ein Distanzgeschäft handelt und der Verbraucher die Ware daher vorher nicht sehen kann. Die Vereinbarung eines Kaufs auf Probe kommt dagegen auch bei Platzgeschäften in Betracht, wenn z. B. aufgrund der Komplexität des Kaufgegenstands eine eingehende Untersuchung bzw. Erprobung desselben erforderlich erscheint. Dies ist aber nicht etwa Ausdruck einer inhaltlichen Divergenz, sondern macht lediglich deutlich, dass das Fernabsatzgeschäft – so wie es in der Fernabsatz-RiL konzipiert ist – ein Spezialfall des Kaufs auf Probe darstellt, der wiederum als Sonderform des Kaufs angesehen wird. Daher scheint der 1. Titel des 8. Abschnitts des 2. Buchs des BGB („Kauf, Tausch“) unter dem Gesichtspunkt der Gesetzessystematik ein geeigneter Standort für die Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL zu sein. bb) Abweichende Ansicht des BGH: unterschiedliche Zielsetzung Eine solche Einordnung des Widerrufsrechts stünde allerdings im Widerspruch zur Ansicht des BGH. Dieser vertritt nämlich die Auffassung, dass die Billigungsfrist des Kaufs auf Probe und das Widerrufsrecht für Fernabsatzgeschäfte „unterschiedliche Ziele“ verfolgen. 197 Mit dem Kauf auf Probe werde der Zweck verfolgt, dem Käufer Gelegenheit zur Prüfung der Tauglichkeit der Ware zu geben. Das Fernabsatzrecht diene dagegen nicht nur dem Ausgleich von Informationsdefiziten hinsichtlich der Ware, sondern solle den Verbraucher auch vor der Gefahr schützen, dass er nicht die nötigen Informationen über die Person seines Vertragspartners – des Unternehmers – erhält. Er habe nämlich vielfach nicht die Möglichkeit, sich einen Eindruck von der Seriosität seines Vertragspartners zu machen. Diese Entscheidung vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen: Zwar hat der BGH recht mit der Annahme, dass es Aufgabe des Fernabsatzrechts ist, sicherzustellen, dass der Verbraucher Informationen zur Person seines Vertragspartners erhält. Er irrt aber, soweit er davon ausgeht, dass dies gerade durch das Widerrufsrecht, d. h. die Möglichkeit, die Ware innerhalb eines gewissen Zeitraums zurückzugeben, gewährleistet werden soll. Die mit dem Widerrufsrecht verbundene Bedenkfrist dient lediglich dem Ziel, dem Verbraucher Gelegenheit zu geben, sich einen Eindruck von der Ware zu machen. Dies ergibt sich schon aus Erwägungsrund 14 Fernabsatz-RiL, der klarstellt, dass das Widerrufsrecht deshalb eingeführt wurde, weil der Verbraucher in der Praxis keine Möglichkeit habe, „vor Abschluss des Vertrages das Erzeugnis zu sehen“. Von der fehlen197

BGH, NJW-RR 2004, 1058, 1059.

II. Mögliche Rückabwicklungsmodelle innerhalb des BGB

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den Möglichkeit, sich einen Eindruck von der Person seines Vertragspartners machen zu können, ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede. Dies ist auch logisch, da sich die Informationslage des Verbrauchers während des Laufs der Widerrufsfrist insoweit überhaupt nicht verändert. 198 Dem Interesse des Verbrauchers, Angaben zu seinem Vertragspartner zu erhalten, wird daher an anderer Stelle Rechnung getragen: Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a Fernabsatz-RiL muss der Verbraucher bereits vor Abschluss des Vertrages über die Identität des Unternehmers informiert werden; diese Information ist ihm nach Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL bis spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung noch einmal förmlich zu bestätigen. Ein Zusammenhang mit dem Widerrufsrecht besteht demnach nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Belehrungspflicht verletzt wird: Sie hat – anders als die fehlende Belehrung über das Widerrufsrecht selbst – nicht die Verlängerung der Widerrufsfrist zur Folge, sondern führt ggf. zu einem Anspruch auf Schadensersatz. 199 Da auch die mit dem Widerrufsrecht verbundene Bedenkzeit es dem Verbraucher letztendlich also nur ermöglichen soll, sich von der Beschaffenheit bzw. Tauglichkeit der Ware zu überzeugen, kann kein Unterschied zu dem mit der Billigungsfrist des Kaufs auf Probe verfolgten Zweck festgestellt werden. Die Zielsetzung von Widerrufsrecht und Kauf auf Probe ist entgegen der Auffassung des BGH vielmehr identisch. 200 cc) Die Rechtslage im Versandhandel vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL Die hier vorgenommene Zuordnung des Fernabsatzvertrages zum Kauf auf Probe wird dadurch bestätigt, dass in der im Versandhandel üblichen Einräumung eines Rückgaberechts auch schon vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL die Vereinbarung eines Kaufs auf Probe i.S. des § 495 BGB a.F. gesehen wurde. Nach Ansicht des OLG Bamberg 201 durfte ein Käufer, dem von einem Versandhandelsunternehmen das Recht eingeräumt wurde, die Ware innerhalb von 14 Tagen zurückzugeben, „nach Treu und Glauben“ davon ausgehen, dass „die Katalogware mit Zusendung gem. §§ 494, 495 BGB zum Kauf auf Besicht“ angeboten werde. Auch in der Literatur wurde unter diesen Umständen ein Kauf auf

198

Dazu bereits Schulte-Nölke, LMK 2004, 138, 139. Dazu oben S. 118 ff. 200 Vgl. auch Staudinger / Thüsing, § 312d Rn. 25; nach Aigner / Hofmann, Fernabsatzrecht, Rn. 96 soll das Widerrufsrecht nach § 312d BGB daher – sofern es dabei zu keiner Verkürzung des Verbraucherschutzes kommt – sogar durch die Vorschriften des Kaufs auf Probe ersetzt werden können. 201 OLG Bamberg, NJW 1987, 1644. 199

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

Probe angenommen. 202 Teilweise ging man sogar vom Bestehen einer entsprechenden Verkehrssitte im Versandhandel aus – demnach sollten §§ 494 f. BGB a.F. auch ohne ausdrückliche Vereinbarung eines Rückgaberechts Anwendung finden. 203 dd) Ergebnis: Vergleichbare Zielsetzung liegt vor Die Untersuchung der Vorschriften des Kaufs auf Probe hat ergeben, dass mit §§ 454 f. BGB ein ähnlicher Zweck verfolgt wird wie mit Einräumung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL: In beiden Fällen geht es darum, dem Käufer bzw. Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Ware vor der endgültigen Kaufentscheidung zu untersuchen bzw. in Augenschein zu nehmen. Dieser Eindruck wird dadurch bestätigt, dass das freiwillig gewährte Rückgaberecht im Versandhandel vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL ebenfalls als Kauf auf Probe angesehen wurde. b) Billigung eines unwirksamen statt Widerruf eines wirksamen Vertrages Trotz der großen sachlichen Nähe von Widerrufsrecht und dem aufschiebend bedingten Kauf auf Probe könnte eine Umsetzung im Rahmen der §§ 454 f. BGB schon daran scheitern, dass die genannten Vorschriften – anders als von der Fernabsatz-RiL vorausgesetzt – nicht den Widerruf eines (schwebend) wirksamen, sondern die Billigung des bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung ohne Rechtswirkungen bleibenden Vertrages vorsehen. aa) Das Erfordernis der Billigung des Vertrages durch den Käufer Grundsätzlich ist die inhaltliche Ausgestaltung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL Aufgabe des nationalen Gesetzgebers. 204 Soweit die Fernabsatz-RiL allerdings konkrete Vorgaben zu Ausübung und Wirkungsweise des Widerrufsrechts macht, sind diese von den Mitgliedstaaten zu beachten.

202 Siehe Jost / Fitzer / Mohn, BB 1997, 1165, 1167; Stolte, Versandhandel, S. 69 m.w. N. 203 So ausdrücklich Schildt, JR 1995, 89, 95. 204 Näher oben S. 62.

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(1) Dogmatische Konstruktion von Kauf auf Probe und Widerrufsrecht Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL setzt die Erklärung des Widerrufs 205 und somit ein Tätigwerden des Verbrauchers voraus, wenn dieser die Rechtsfolgen des Vertrages vermeiden will. Dagegen muss der Käufer bei Vereinbarung eines Kaufs auf Probe nichts unternehmen, wenn er sich gegen den Vertrag entscheidet. Denn das Gesetz verlangt in § 454 Abs. 1 BGB grundsätzlich eine positive Bestätigung („Billigung“) des Vertrages durch den Käufer. Wenn diese unterbleibt, entfaltet der Vertrag keine Rechtswirkungen. Dies macht deutlich, dass dem Kauf auf Probe eine grundsätzlich andere dogmatische Konstruktion zugrunde liegt als dem Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL. Dieser Unterschied wirkt sich in der Rechtspraxis aber nicht aus, wenn davon ausgegangen werden kann, dass § 455 S. 2 BGB eingreift: Nach dieser Vorschrift entfällt das Erfordernis einer ausdrücklichen Billigung, wenn die Ware dem Käufer zum Zweck der Untersuchung übergeben worden und die Billigungsfrist verstrichen ist; das Schweigen des Käufers wird in diesem Fall als Zustimmung gewertet. Folglich ist der Käufer – wie auch von der FernabsatzRiL vorgesehen – gezwungen, den Willen, nicht an dem Geschäft festhalten zu wollen, gegenüber dem Verkäufer zu äußern. Er muss also ausdrücklich oder konkludent die „Missbilligung“ des Vertrages erklären. (2) Pflicht zur Übergabe der Ware im Rahmen des Untersuchungsrechts Entscheidende Frage ist somit, ob § 455 S. 2 BGB bei Kaufverträgen „auf Probe“, die im Fernabsatz geschlossen werden, anwendbar ist. Dies hängt davon ab, ob der Unternehmer unter diesen Umständen zur Übergabe der Ware an den Käufer verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung könnte sich aus § 454 Abs. 2 BGB ergeben, wonach dem Käufer die „Untersuchung“ des Kaufgegenstands zu gestatten ist. Allerdings ist der Verkäufer grundsätzlich nur verpflichtet, den Kaufgegenstand zu beschaffen und bereitzustellen. Ob er die Ware auch an den Käufer übergeben muss oder ob die Untersuchung am Sitz des Verkäufers zu erfolgen hat, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls: Eine Verpflichtung zur Übergabe der Ware kann sich aus dem Kaufvertrag oder der Verkehrssitte ergeben. 206 Bei Fehlen 205 Zum Erfordernis der Erklärung des Widerrufs gegenüber dem Unternehmer siehe auch S. 153 ff. 206 Staudinger / Mader, § 454 Rn. 15; Faust, jurisPK-BGB, § 454 Rn. 7; dass eine einvernehmliche Übergabe möglich sein muss, ergibt sich schon im Umkehrschluss zu § 455 S. 2 BGB.

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einer entsprechenden Vereinbarung hat die Untersuchung gemäß § 269 BGB im Zweifel beim Verkäufer zu erfolgen. 207 Eine Untersuchung der Ware am Sitz des Verkäufers stünde aber im Widerspruch zum Konzept des im Fernabsatz geschlossenen Kaufs auf Probe. Schließlich sind Fernabsatzverträge gerade dadurch gekennzeichnet, dass sich der Käufer weder bei der Bestellung noch bei der Vertragsdurchführung zum Verkäufer begeben muss. Daher kann davon ausgegangen werden, dass sich die Verpflichtung des Verkäufers, die Ware zum Zweck der Untersuchung an den Käufer zu liefern, unter diesen Umständen – selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung – schon aus dem Vertrag selbst ergibt. Hinzu kommt, dass es im Versandhandel bei Vereinbarung eines Kaufs auf Probe auch schon vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL üblich war, dem Käufer den Kaufgegenstand zu liefern, damit er diesen während der vereinbarten „Erprobungsfrist“ untersuchen konnte. Daher scheint es sogar vertretbar, vom Bestehen einer entsprechenden Verkehrssitte ausgehen. Demnach kann sich der Verkäufer im Versandhandel – und wegen der vergleichbaren Sachlage auch bei allen anderen Arten von Fernabsatzverträgen – nicht darauf beschränken, die Ware bereitzustellen, sondern muss sie – wie von § 455 S. 2 BGB vorausgesetzt – an den Käufer übergeben bzw. liefern. 208 (3) Ergebnis: Erklärung der „Missbilligung“ erforderlich Da es bei einem Kauf auf Probe, der im Fernabsatz geschlossen wird, erforderlich ist, dem Verbraucher die Ware im Rahmen des ihm zustehenden Untersuchungsrechts zu übergeben, findet § 455 S. 2 BGB Anwendung, d. h. in dem Schweigen des Käufers ist eine Billigung des Vertrages zu sehen. Für den Käufer bedeutet dies, dass er – wenn er sich letztendlich gegen den Erwerb der Ware entscheidet – die Missbilligung des Vertrages zum Ausdruck bringen muss. Letztendlich bedarf es also einer gegen den Eintritt der (endgültigen) vertraglichen Bindung gerichteten Willenserklärung des Erwerbers bzw. Verbrauchers. Insoweit entspricht die Rechtslage beim Kauf auf Probe der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers von der Wirkungsweise des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL.

207

Bamberger / Roth / Faust, § 454 Rn. 7. Eine solche Übergabeverpflichtung besteht auch dann, wenn davon ausgegangen wird, dass der Vertrag unter einer auflösenden Bedingung steht und dem Käufer daher bereits vor Ablauf der Erprobungsfrist ein Erfüllungsanspruch zusteht, dazu sogleich S. 285. 208

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bb) Wirksamkeit des Vertrages vor Ablauf der Untersuchungs- bzw. Widerrufsfrist Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit von Kauf auf Probe und FernabsatzRiL werden aber dadurch hervorgerufen, dass der Kauf auf Probe gemäß § 454 Abs. 1 S. 2 BGB im Zweifel aufschiebend bedingt ist. Demnach können die Vertragsparteien vor Erklärung der Billigung bzw. dem Ablauf der Billigungsfrist noch keine Erfüllungsansprüche geltend machen. 209 Der Vertrag ist zwar wirksam geschlossen, entfaltet aber – jedenfalls im Hinblick auf die Hauptleistungspflichten – noch keine Rechtswirkungen. 210 Die Fernabsatz-RiL sieht jedoch vor, dass der Verbraucher einen Anspruch auf Lieferung der Ware hat, damit er sie vor der endgültigen Kaufentscheidung in Augenschein nehmen kann. 211 Damit ist die Konstruktion eines aufschiebend bedingten Vertrages nicht vereinbar. Zu beachten ist allerdings, dass der Käufer nach hier vertretener Auffassung bereits aufgrund des ihm nach § 454 Abs. 2 BGB zustehenden Untersuchungsrechts einen Anspruch auf Übergabe der Ware hat. 212 Die Anforderungen der Fernabsatz-RiL wären insoweit also gewahrt. Darüber hinaus ist es im Hinblick auf die Zielsetzung der Richtlinie – der Förderung des Fernabsatzhandels – aber geboten, auch den Unternehmern einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zuzubilligen. Denn sollte es ihnen versagt sein, vor Ablauf der Widerrufsfrist einen Zahlungsanspruch geltend zu machen, wäre zu befürchten, dass sie wegen des damit verbundenen Risikos der Vorausleistung von der Nutzung des Vertriebswegs „Fernabsatz“ Abstand nähmen. 213 Nur eine Regelung, die beiden Vertragsparteien bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist Erfüllungsansprüche gewährt, entspräche auch dem Willen des deutschen Gesetzgebers. 214 Die Tatsache, dass schon mit Vertragsschluss gegenseitige Leistungspflichten begründet werden sollen, schließt eine Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL im Rahmen der Vorschriften des Kaufs auf Probe jedoch nicht aus. Da §§ 454 f. BGB dispositiv sind und § 454 Abs. 1 S. 2 BGB auch nur „im Zweifel“ vom Abschluss eines aufschiebend bedingten Vertrages ausgeht, kann für die Fernabsatzgeschäfte, die in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL 209 Staudinger / Bork, Vorbem zu §§ 158 – 163 Rn. 6; MünchKommBGB / H.P. Westermann, § 158 Rn. 38; Larenz / Wolf, BGB AT, § 50 Rn. 3. 210 Zur (umstrittenen) Rechtslage vor Eintritt der (Wollens-)Bedingung siehe unten S. 286. 211 Siehe oben S. 54. 212 Siehe oben S. 283. 213 Dazu bereits oben S. 106. 214 Vgl. den Hinweis auf die Konstruktion des „schwebend wirksamen“ Vertrages, BTDrs. 14/2658, S. 47; dazu bereits oben S. 107.

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fallen, auch die Konstruktion eines auflösend bedingten Vertrages gewählt werden, ohne dass dadurch ein Wertungswiderspruch innerhalb der Vorschriften des Kaufs auf Probe entsteht. Auf diese Weise wäre gewährleistet, dass beiden Vertragsparteien bereits mit Vertragsschluss Erfüllungsansprüche zustehen. cc) Ergebnis: Missbilligung eines auflösend bedingten Vertrages Die genannten Bedenken im Hinblick auf die dogmatische Konstruktion des Kaufs auf Probe und ihre Vereinbarkeit mit der Fernabsatz-RiL greifen im Ergebnis nicht durch. Bei einem Kauf auf Probe, der im Fernabsatz geschlossen wurde, muss der Käufer seine „Missbilligung“ zum Ausdruck bringen, wenn er nicht an dem Vertrag festhalten will. Wie von der Fernabsatz-RiL gefordert, ist also eine entsprechende Willensäußerung gegenüber dem Unternehmer erforderlich. Den Anforderungen, die die Richtlinie im Hinblick auf die Rechtslage vor Ablauf der Widerrufsfrist stellt, kann ebenfalls Rechung getragen werden, indem statt eines aufschiebend bedingten Vertrages die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung angenommen wird: Auf diese Weise ist gewährleistet, dass beiden Vertragsparteien bereits mit Vertragsschluss Leistungsansprüche zustehen. Mit der Annahme eines auflösend bedingten Vertrages wird zugleich ein weiteres, allerdings überwiegend dogmatisches Problem entschärft, dass im Rahmen der Vorschriften des Kaufs auf Probe diskutiert wird. Es geht dabei um die Frage, ob die Vereinbarung einer Bedingung, deren Eintritt ausschließlich vom Willen einer der Parteien abhängig ist (sog. „Wollensbedingung“), überhaupt zulässig bzw. rechtlich beachtlich ist. Dies wird mit der Begründung in Zweifel gezogen, dass es jedenfalls dann, wenn es sich wie bei § 454 Abs. 1 S. 2 BGB um eine aufschiebende Bedingung handelt, deren Eintritt auf einer freien, völlig willkürlichen und nicht an bestimmten Maßstäben auszurichtenden Entscheidung beruht, vor Bedingungseintritt an einer auch nur irgendwie bindenden Geltungserklärung des Käufers fehle. 215 Bei dem Abschluss eines auflösend bedingten Vertrages wird die Zulässigkeit der Vereinbarung einer „Wollensbedingung“ dagegen nicht in Zweifel gezogen. 216 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Käufer – wie bei Vereinbarung eines Rücktrittsrechts – bereits ab Vertragsschluss einem Erfüllungsanspruch ausgesetzt ist. Vor diesem Hintergrund steht außer Frage, dass er auch mit einem entsprechenden Rechtsbindungswillen gehandelt haben muss. Es kann 215 MünchKommBGB / Westermann, § 158 Rn. 21; Larenz / Wolf, BGB AT, § 50 Rn. 20; vgl. auch Flume, BGB AT, § 38 2. d); Medicus, BGB AT, Rn. 831; Bork, BGB AT, Rn. 1261. 216 Für die Zulässigkeit der Vereinbarung einer „Wollensbedingung“ bei Vereinbarung einer auflösenden Bedingung: Soergel / Wolf, Vor § 158 Rn. 26; Staudinger / Bork, Vorbem zu §§ 158 – 163 Rn. 18; Flume, BGB AT, § 38 2. d).

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daher – anders als bei einem aufschiebend bedingten Vertrag – nicht behauptet werden, es fehle schon an einer Geltungserklärung eines der am Vertragsschluss Beteiligten. c) Die weiteren Voraussetzungen und Folgen der Vereinbarung eines Kaufs auf Probe Bisher konnte festgestellt werden, dass die Vorschriften des Kaufs auf Probe unter systematischen Gesichtspunkten ein geeigneter Standort für die Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL sind, und dass sich ein solches Widerrufsrecht auch dogmatisch – nämlich als Missbilligung eines auflösend bedingten Kaufs auf Probe – bei §§ 454 f. BGB einordnen lässt. 217 Im Folgenden gilt es nun zu untersuchen, ob bei Anwendung der Vorschriften des Kaufs auf Probe auch die übrigen Anforderungen, die das Gemeinschaftsrecht und der deutsche Gesetzgeber an die Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL stellen, erfüllt sind. Zu diesem Zweck sind die Vorschriften, die für den Kauf auf Probe gelten, noch näher zu erläutern. Dabei soll wiederum zwischen der Rechtslage vor Ausübung des Widerrufs, den Anforderungen an die Widerrufserklärung und der Regelung der Widerrufsfolgen unterschieden werden. aa) Vor Ausübung des Widerrufs bzw. Erklärung der Missbilligung (1) Zustandekommen des Vertrages als Voraussetzung für Missbilligung Nach Vorstellung des deutschen Gesetzgebers soll das Widerrufsrecht auf die Willenserklärung des Verbrauchers bezogen sein, damit dieser die Möglichkeit hat, das Widerrufsrecht auch schon vor Vertragsschluss auszuüben, um sich von einem gemäß § 145 BGB bereits bindend gewordenen Vertragsangebot lösen zu können. 218 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 454 Abs. 1 S. 2 BGB nicht die Willenserklärung bzw. das Vertragsangebot des Käufers, sondern der „Kauf“, d. h. der zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, unter einer Bedingung steht. Demnach bliebe der Verbraucher bei Eintritt der Bedingung vor Vertragsschluss, d. h. bei Erklärung des Widerrufs bzw. der Missbilligung vor Annahme des Vertragsangebots durch den Unternehmer, trotzdem an sein Vertragsangebot gebunden. Dies wäre an sich nicht mit der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers vereinbar. Auch der Zielsetzung der FernabsatzRiL – der Steigerung des Verbrauchervertrauens in den Fernabsatzhandel – wür217 Für Vergleichbarkeit auch Schulte-Nölke, LMK 2004, 138; Schinkels, ZGS 2005, 179, 183. 218 Siehe oben S. 99.

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de grundsätzlich besser Rechnung getragen, wenn man dem Verbraucher die Möglichkeit einräumte, sich von der Bindung an das Vertragsangebot wieder lösen zu können. Zu beachten ist allerdings, dass es aus Sicht des Verbrauchers in der hier diskutierten Konstellation – bei einem Vertragsangebot, das auf den Abschluss eines bedingten Vertrages gerichtet ist – kein Problem darstellt, wenn er an das Vertragsangebot gebunden bleibt. Denn der Vertrag, auf den das Angebot gerichtet ist, kann angesichts des zwischenzeitlichen Eintritts der Bedingung – der Missbilligung des Vertrages – ohnehin keine Rechtswirkungen mehr entfalten. Dies bedeutet, dass der Verbraucher unter keinen Umständen mehr zur Zahlung des Kaufpreises gezwungen werden kann. Seine Rechtslage unterscheidet sich insoweit nicht von der eines Verbrauchers, der nicht mehr an seine Vertragserklärung gebunden ist. Anders als dieser bliebe der Verbraucher bei Anwendung der Vorschriften des Kaufs auf Probe allerdings zur sorgfältigen Behandlung der Ware und ihrer Rücksendung verpflichtet, falls der Anbieter die Ware irrtümlich doch noch versendet und das Vertragsangebot auf diese Weise konkludent annimmt. Diese (Neben-)Pflichten träfen den Verbraucher aber auch dann, wenn die Bedingung erst nach Zustandekommen des Vertrages eingetreten wäre. 219 Die Position des Verbrauchers erfährt also keine Verschlechterung im Vergleich zum „Normalfall“, in dem der Widerruf bzw. die Missbilligung der Ware erst nach Vertragsschluss erfolgt. Daher scheint es im Hinblick auf das zu schützende Verbrauchervertrauen im Ergebnis unbedenklich, dass die „Missbilligung“ als auflösende Bedingung nur auf den Vertrag, nicht aber auf die Willenserklärung des Verbrauchers bezogen ist. Die vorstehenden Ausführungen setzen allerdings voraus, dass eine vor Vertragsschluss erklärte Missbilligung auch tatsächlich zum Eintritt der auflösenden Bedingung führt. Dies könnte mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, dass die Bedingung – Ausbleiben der Missbilligung – vor Annahme des Vertragsangebots durch den Verkäufer noch gar nicht wirksam vereinbart war. Zu beachten ist aber Folgendes: In Fällen, in denen ein nicht von den Parteien beeinflussbares Ereignis – z. B. die Verweigerung einer bestimmten Genehmigung – zur (auflösenden) Bedingung eines Vertrages gemacht wird, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Bedingung eingetreten ist, wenn die Verweigerung der Genehmigung schon vor Annahme des Vertragsangebots erfolgt. Nichts anderes kann gelten, wenn es sich bei der Bedingung – wie im Fall des Kaufs auf Probe – um eine Potestativbedingung handelt, deren Eintritt vom Willen einer der Vertragsparteien abhängig ist. Eine Wiederholung der Missbilligungserklärung durch den Käufer ist daher nicht erforderlich. Die Bedingung ist vielmehr bereits mit Zugang der Missbilligungserklärung beim Verkäufer eingetreten – unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt bereits die Annahme des Vertragsangebots 219

Zur Rückgabeverpflichtung siehe unten S. 303.

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des Käufers erfolgt ist. Hier liegt der entscheidende Unterschied zum Rücktrittsrecht: Eine vor Zustandekommen des Vertrages abgegebene Rücktrittserklärung ginge mangels Bezugspunkt ins Leere; der Verbraucher müsste also abwarten, bis der Unternehmer sein Vertragsangebot angenommen hat oder er müsste die Widerrufserklärung ggf. nach Abschluss des Vertrages noch einmal abgeben, um wirksam vom Vertrag zurücktreten zu können. 220 Geht man wie hier davon aus, dass der Käufer den Bedingungseintritt beim Kauf auf Probe auch schon vor Zustandekommen des Vertrages herbeiführen kann mit der Folge, dass er nicht mehr zur Zahlung des Kaufpreises, sondern allenfalls zur Rückabwicklung verpflichtet werden kann, werden §§ 454 f. BGB den Anforderungen, die deutscher Gesetzgeber und Fernabsatz-RiL insoweit an die Umsetzung des Widerrufsrechts stellen, gerecht. (2) Die Verteilung des Transportrisikos beim Kauf auf Probe Hinsichtlich der Verteilung des Transportrisikos, d. h. der Gegenleistung- oder Preisgefahr, ergäben sich bei Anwendung der §§ 454 f. BGB auf Fernabsatzverträge keine Unterschiede zur gegenwärtigen Rechtslage: 221 Da die Anwendung der Gefahrtragungsregel des § 447 BGB im Anwendungsbereich der FernabsatzRiL – gegenüber einem Verbraucher – gemäß § 474 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist, hat in jedem Fall der Unternehmer die Preisgefahr zu tragen. Da im Hinblick auf die Fernabsatz-RiL keine Bedenken gegen eine derartige Risikoverteilung bestehen, 222 bestünde an dieser Stelle also kein Umsetzungsbedarf. (3) Belehrungspflichten Schon vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL war es üblich, dass die Versandhändler ihre Kunden auf das Bestehen des auf § 454 Abs. 1 S. 2 BGB beruhenden Rückgaberechts hingewiesen haben. Eine dahingehende gesetzliche Verpflichtung bestand jedoch nicht. Um den Anforderungen, die Art. 4 und 5 FernabsatzRiL im Hinblick auf die Widerrufsbelehrung aufstellen, gerecht zu werden, bedürfte es daher in jedem Fall der Aufnahme entsprechender Belehrungspflichten bei §§ 454 f. BGB. Dabei ist darauf zu achten, dass für die Vornahme der förmlichen Widerrufsbelehrung – wie in der Fernabsatz-RiL vorgesehen – auf den Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Lieferung der Ware abgestellt wird. 223

220

Zu dieser Problematik bereits oben S. 258. Siehe oben S. 108 ff. 222 Ausführlich dazu oben S. 111. 223 Zur insoweit zumindest missverständlichen gegenwärtigen Rechtslage siehe oben S. 134. 221

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D. Verortung des Widerrufsrechts im System bestehender Lösungsrechte

(4) Dauer und Beginn der Untersuchungs- bzw. Widerrufsfrist Um den Schwebezustand zwischen Abschluss des Vertrages und der möglichen Missbilligung der Ware und die damit verbundene Ungewissheit für den Verkäufer zu begrenzen, sieht § 455 BGB vor, das die Vertragsparteien eine Frist für die Untersuchung vereinbaren. 224 Fehlt es an einer entsprechenden Vereinbarung, hat der Verkäufer die Möglichkeit, einseitig eine „angemessene“ Frist zu bestimmen, innerhalb derer der Käufer die Missbilligung erklären muss. Die genaue Länge und der Beginn der Widerrufsfrist sind gesetzlich allerdings nicht geregelt. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Frist in Fällen, in denen die Untersuchung i.S. des § 454 Abs. 2 BGB wie bei Fernabsatzgeschäften von der Übergabe der Ware abhängt, nach dem Willen der Vertragsparteien regelmäßig erst mit Erhalt der Ware beginnen soll. 225 Nach dem Gesetzeswortlaut ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Vertragsparteien im Einzelfall eine abweichende Vereinbarung treffen. Daher wird § 455 BGB in der vorliegenden Fassung den Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 S. 3, 1. Spiegelstrich Fernabsatz-RiL, wonach die Widerrufsfrist frühestens mit Erhalt der Ware beginnt, nicht gerecht. Soweit die Dauer der Billigungsfrist ebenfalls zur Disposition der Vertragsparteien steht, ist außerdem nicht sichergestellt, dass der Verbraucher die in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL vorgesehen Frist von sieben Werktagen ausschöpfen kann. Vor diesem Hintergrund wäre eine gesetzliche Normierung des Zeitpunkts des Beginns und der Dauer der Untersuchungsfrist für Verträge, die in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL fallen, erforderlich. bb) Die Erklärung der Missbilligung bzw. die Ausübung des Widerrufs (1) Anforderungen an die Erklärung der Missbilligung des Vertrages Da die Missbilligung zum Fortfall der Rechtswirkungen des Vertrages führt, handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, 226 d. h. um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Ausübung dieses Gestaltungsrechts ist formlos möglich; §§ 454 f. BGB sehen keine Form für die Erklärung der Missbilligung vor. Damit entspricht die Rechtslage den Vorgaben der Fernabsatz-RiL, die 224 Zur „ratio legis“ des § 455 BGB siehe auch MünchKommBGB / Westermann, § 455 Rn. 1; Staudinger / Mader, § 455 Rn. 1. 225 Nach Ansicht von MünchKommBGB / Westermann, § 455 Rn. 2 ist der Zeitpunkt der Übergabe der Ware bei der Berechnung einer angemessenen Frist „zu berücksichtigen“. 226 Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 80; Palandt / Weidenkaff, § 454 Rn. 9; bei einem Gestaltungsrecht handelt es sich um die einer Person zustehenden Befugnis, durch rechtsgeschäftliche oder rechtsgeschäftsähnliche Handlung ein Rechtsverhältnis ohne Zustimmung oder Mitwirkung des Gegners eineseitig zustande zu bringen, inhaltlich näher zu bestimmen, zu ändern oder aufzuheben, vgl. Leverenz, Jura 1996, 1.

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ebenfalls ein Zugang der Widerrufserklärung fordert, 227 die Ausübung des Widerrufs aber nicht von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig machen will. 228 Soweit sich der deutsche Gesetzgeber in § 355 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB entschieden hat, für den fristgerechten Widerruf auf die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung abzustellen, 229 fehlt es beim Kauf auf Probe an einer vergleichbaren Regelung; der Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift bei §§ 454 f. BGB steht aber nichts entgegen. (2) Die Vereinbarung eines Rückgaberechts Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung des in § 356 BGB geregelten Rückgaberechts an der schon vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL herrschenden Praxis des Versandhandels orientiert, dem Käufer die Rücksendung der Ware zu ermöglichen. 230 Die mit der Vereinbarung eines solchen Rückgaberechts einhergehende Beschränkung der Rechte des Käufers – er konnte die Missbilligung des Vertrages nur durch Rücksendung, nicht aber z. B. durch schriftliche Erklärung zum Ausdruck bringen – war zulässig, da die Vorschriften des Kaufs auf Probe, die auf derartige Versandhandelsgeschäfte Anwendung fanden, 231 dispositiv sind. Mit der Fernabsatz-RiL ist es jedoch nicht zu vereinbaren, wenn dem Verbraucher die Möglichkeit genommen wird, den Willen, nicht an dem Fernabsatzvertrag festhalten zu wollen, auch auf andere Weise als durch Rücksendung der Ware zu erklären. 232 Daher wäre bei Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL im Rahmen der §§ 454 f. BGB dafür Sorge zu tragen, dass das Recht, die Missbilligung bzw. den Widerruf des Fernabsatzvertrages z. B. auch durch mündliche oder schriftliche Erklärung zum Ausdruck bringen zu können, nicht abbedungen werden kann. cc) Nach Erklärung der Missbilligung bzw. Ausübung des Widerrufsrechts Die Rückabwicklung des nach Ausbleiben der Billigung bzw. Erklärung der Missbilligung erforderlichen Rückabwicklung des Vertrages ist in §§ 454 f. BGB nicht ausdrücklich geregelt. Dies könnte zu Problemen hinsichtlich der Anforderungen führen, die an eine transparente Umsetzung zu stellen sind: Grundsätzlich 227

Dazu oben S. 155. Siehe oben S. 63. 229 Zur Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit der Fernabsatz-RiL siehe oben S. 151. 230 Dazu bereits oben S. 145. 231 Dazu oben S. 281. 232 Siehe oben S. 146 ff. 228

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muss die Umsetzung des Richtlinienrechts in einer Weise erfolgen, die es den Parteien ermöglicht, von ihren Rechten (und Pflichten) Kenntnis zu erlangen. Daher müssen die sich aus dem nationalen Recht ergebenden Regelungen hinreichend klar und bestimmt sein. 233 Aus diesem Grund wäre – unabhängig davon, ob die im Folgenden vorgenommene Auslegung der Vorschriften des Kaufs auf Probe den Vorgaben der Fernabsatz-RiL im Hinblick auf die Rückabwicklung gerecht wird – eine ausdrückliche Normierung der Rückabwicklungsregeln erforderlich. (1) Die Rückabwicklung des Vertrages (a) Pflicht zur gegenseitigen Rückgewähr der empfangenen Leistungen nach §§ 454 f. BGB Hinsichtlich der Frage, nach welchen Vorschriften sich die Rückabwicklung des Kaufs auf Probe nach Eintritt der auflösenden Bedingung richtet, werden zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten: Teilweise wird angenommen, dass sich die Rückgewährpflicht stets aus dem bedingten Vertrag selbst ergebe. 234 Mehrheitlich wird allerdings davon ausgegangen, dass sich die Rückabwicklung grundsätzlich nach Bereicherungsrecht richtet. 235 Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn die Parteien keine vertragliche Regelung getroffen haben. 236 Im Ergebnis wird sich der Anspruch auf Rückgewähr der bereits erbrachten Leistungen nach beiden Ansichten in den meisten Fällen aus dem Vertrag selbst ergeben. Denn die Vertragsparteien, die für einen bestimmten Fall die Auflösung des Vertrages vorgesehen haben, werden auch die Rückabwicklung der bereits ausgetauschten Leistungen bedacht haben. Daher kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass zumindest stillschweigend ein vertraglicher Rückgewähranspruch vereinbart werden sollte. 237 (b) Übertragbarkeit auf den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL Sofern die Vorschriften des Kaufs auf Probe nun als Anknüpfungspunkt für die Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL herangezogen werden sollen, kommt es allerdings nicht in Betracht, den Parteien das Recht einzuräu233

Siehe oben S. 78. Medicus, BGB AT, Rn. 840; Flume, BGB AT, § 40 2d; Bamberger / Roth / Rövekamp, § 159 Rn. 7. 235 Staudinger / Bork, § 158 Rn. 22; ders., BGB AT, Rn. 1264; Soergel / Wolf, § 158 Rn. 29; MünchKommBGB / Westermann, § 158 Rn. 57; Erman / Armbrüster, § 159 Rn. 1; Larenz / Wolf, BGB AT, § 50 Rn. 51. 236 So ausdrücklich BGH, MDR 1959, 658. 237 Vgl. Staudinger / Bork, § 159 Rn. 9; Erman / Armbrüster, § 159 Rn. 1; Larenz / Wolf, BGB AT, § 50 Rn. 51. 234

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men, die Rückabwicklung nach ihren Vorstellungen (vertraglich) zu gestalten. Auf diese Weise ließe sich nicht gewährleisten, dass die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts z. B. zur Rückgewähr des Kaufpreises innerhalb einer bestimmten Frist eingehalten werden. Daher ist die Vertragsfreiheit der Parteien insoweit gesetzlich zu begrenzen: Nur soweit es die Fernabsatz-RiL zulässt und es mit den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers vereinbar ist, darf die Gestaltung der Rückabwicklung in die Hände von Unternehmer und Verbraucher gelegt werden: Dies betrifft die Verteilung der Rücksendekosten und die Möglichkeit der kostenlosen Ingebrauchnahme der Ware. Insoweit haben die Parteien des Fernabsatzvertrages auch bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage und in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL die Möglichkeit, vertragliche Abreden zu treffen: Die Kosten der Rücksendung können gemäß § 357 Abs. 2 S. 3 BGB – wenn der Preis der zurückzusendenden Ware 40 Euro übersteigt – dem Verbraucher auferlegt werden. Die Frage, ob der Verbraucher die Ware in Gebrauch nehmen kann, ohne für den dafür entstandenen Wertverlust Ersatz leisten zu müssen, hängt gemäß § 357 Abs. 3 S. 1 BGB ebenfalls von der vertraglichen Gestaltung ab. Außerhalb dieses den Vertragsparteien verbleibenden Gestaltungsspielraums bedarf es klarer gesetzlicher Vorgaben für die Rückabwicklung. Die Normierung eines eigenständigen, auf alle Einzelfragen eingehenden Rückabwicklungsregimes ist allerdings nicht unbedingt erforderlich, sofern den Anforderungen der Fernabsatz-RiL und den zu berücksichtigen Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers auch durch Verweis auf ein bereits bestehendes Rückabwicklungsregime Rechnung getragen werden kann. In Betracht kommt dabei nur ein Verweis auf das Bereicherungsrecht: Zum einen wurden die Vorschriften des Bereicherungsrechts bei Vereinbarung eines auflösend bedingten Kaufs auf Probe – sofern keine vorrangige vertragliche Regelung existierte – auch bisher schon für anwendbar gehalten; die Bezugnahme auf §§ 812 ff. BGB stünde daher im Einklang mit der gegenwärtigen Systematik des Gesetzes und würde daher helfen, Wertungswidersprüche innerhalb des Rechts des Kaufs auf Probe zu vermeiden. Zum anderen kommt ein Rückgriff auf die Vorschriften des Rücktrittsrechts nicht in Betracht, da die Regelung des § 346 Abs. 2 S. 2 BGB – wie bereits ausführlich erörtert – im Widerspruch zur Zielsetzung des Art. 6 Abs. 1 S. 1 FernabsatzRiL steht, dem Verbraucher eine vollständige Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit zu ermöglichen. Daher gilt es im Folgenden zu untersuchen, ob die Vorschriften des Bereicherungsrechts geeignet sind, eine Umsetzung der Vorgaben der FernabsatzRiL unter gleichzeitiger Beachtung des Willens des deutschen Gesetzgebers zu gewährleisten. Sofern dies erforderlich sein sollte, wäre eine Modifikation der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsregelungen durch eine bei §§ 454 f. BGB eingefügte, speziell auf Fernabsatzverträge zugeschnittene Rückabwicklungsregelung – vergleichbar mit § 357 BGB – möglich. Solange die durch diese

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Sondervorschrift vorgenommene Anpassung des Bereichungsrechts an die Erfordernisse des Fernabsatzrechts geringfügig bleibt, wird der Verweis auf das Bereicherungsrecht durch sie nicht grundsätzlich in Frage gestellt. (c) Die Verpflichtung des Verbrauchers zur Rücksendung der Ware Ausgehend von der hier zugrunde gelegten These, dass bei einer Integration des Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatz-RiL im Rahmen der Vorschriften des Kaufs auf Probe hinsichtlich der Rückabwicklung auf das Bereicherungsrecht verwiesen werden sollte, richtete sich der Anspruch des Unternehmers auf Rückgewähr der Ware im Fall der Missbilligung nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB. 238 Danach schuldet der Käufer bzw. Verbraucher allerdings nur die Herausgabe der Ware, nicht auch deren Rücksendung. Denn Leistungsort für die Verpflichtung aus § 812 BGB ist gemäß § 269 Abs. 1 BGB grundsätzlich der Wohnsitz des Käufers als Rückgewährschuldner. 239 Dies entspräche aber nicht den Vorgaben der Fernabsatz-RiL, die eine Rücksendung der Waren fordert. 240 Nun ließe sich zwar vertreten, dass sich bei einem Fernabsatzgeschäft „aus der Natur des Schuldverhältnisses“ ein anderer Erfüllungsort für die Rückgewährpflicht des Käufers ergibt. Eine dahingehende Auslegung des Vertrages läge aber in der Hand der Rechtsprechung und kann daher – da die Entwicklung der Rechtsprechung insoweit nicht vorhersehbar ist – nicht das gleiche Maß an Rechtssicherheit bieten wie eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Rücksendepflicht des Käufers. Dementsprechend hat sich der deutsche Gesetzgeber in § 357 Abs. 2 S. 1 BGB dazu entschlossen, die Rücksendepflicht ausdrücklich zu normieren, und hat sich nicht darauf verlassen, dass § 269 Abs. 1 BGB dahingehend ausgelegt wird, dass eine Schickschuld des Verbrauchers besteht. Folglich bedürfte es auch im Rahmen der hier diskutierten Umsetzung der Widerrufsregelung der FernabsatzRiL bei §§ 454 f. BGB einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, aus der sich ergibt, dass der Käufer bzw. Verbraucher zur Rücksendung der empfangenen Ware verpflichtet ist. (d) Die Kosten der Rücksendung der Ware Geht man also davon aus, dass der Käufer auch bei Anwendung des Bereicherungsrechts zur Rücksendung der Ware verpflichtet ist, muss er grundsätzlich auch die Kosten der Rücksendung tragen. Denn jede Partei trägt die Kosten, die 238 Zur Anwendbarkeit der condictio ob causam finitam (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB) bei Eintritt einer auflösenden Bedingung vgl. Staudinger / Lorenz, § 812 Rn. 79. 239 BGH, MDR 1862, 399, 400; Palandt / Heinrichs, § 269 Rn. 16; MünchKommBGB / Lieb, § 812 Rn. 332. 240 Dazu bereits oben S. 65.

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bei der Erfüllung der ihr obliegenden, gesetzlichen (Rücksende-)Verpflichtung anfallen, selbst. Will der deutsche Gesetzgeber also an der in § 357 Abs. 2 S. 2 und 3 BGB vorgenommenen Verteilung der Kosten der Rücksendung festhalten, bedürfte es auch bei einer Umsetzung im Rahmen der Vorschriften des Kaufs auf Probe einer entsprechenden Kostentragungsregel. Ein Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht wäre nicht zu befürchten, da die Verteilung der Rücksendekosten im freien Belieben der Mitgliedstaaten steht. 241 (e) Verpflichtung des Verkäufers bzw. Unternehmers zur Rückgewähr innerhalb von 30 Tagen Der Anspruch des Käufers bzw. Verbrauchers auf Rückgewähr des Kaufpreises ergäbe sich bei der hier vorgenommenen Zuordnung des Fernabsatzrechts zu den Vorschriften des Kaufs auf Probe ebenfalls aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB. Dieser Anspruch muss vom Unternehmer gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 3 FernabsatzRiL spätestens 30 Tage nach Erklärung des Widerrufs bzw. der Missbilligung erfüllt werden. Der deutsche Gesetzgeber will die Einhaltung dieser Frist dadurch gewährleisten, dass der Unternehmer spätestens nach Ablauf von 30 Tagen in Verzug gerät. 242 Diese Regelung vermochte den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben jedoch nicht zu genügen. Der Verweis auf die Verzugsvorschriften musste aufgrund der entsprechenden Anwendung der Rücktrittsvorschriften schon deshalb Kritik erfahren, weil es angesichts des Zurückbehaltungsrechts des Unternehmers nach § 348 S. 2 i.V. m. § 320 BGB regelmäßig an den Voraussetzungen des Verzuges fehlen dürfte. 243 Diese Bedenken kämen bei einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht nicht in gleicher Weise zum Tragen: Denn anders als die im Rücktrittsrecht Anwendung findende Einrede gemäß § 320 BGB schließt die im Bereicherungsrecht bestehende Möglichkeit, ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machen zu können, den Eintritt des Verzuges nicht von vornherein aus; es ist vielmehr erforderlich, dass der Schuldner bzw. Unternehmer sein Zurückbehaltungsrecht geltend macht. 244 Dennoch muss auch bei Anwendung des Bereicherungsrechts bezweifelt werden, ob ein Verweis auf das Verzugsrecht ausreicht, um den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen. Schließlich hat es der Unternehmer in der Hand, durch Erhebung der Einrede des § 273 Abs. 1 BGB den Eintritt der Verzugsfolgen zu verhindern. Der Käufer müsste also in Vorleistung gehen, wenn er sicher gehen will, dass der Unternehmer in Verzug gerät. Selbst dann wäre aber nicht gewährleistet, dass die Verzugsfolgen – wie in Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL vorausgesetzt 245 – 30 241 242 243 244 245

Dazu ausführlich auf S. 175 ff. Siehe Verweis in § 357 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 286 Abs. 3 BGB. Siehe oben S. 171. Vgl. Larenz, SchuldR I, § 23 I c. Vgl. auch § 357 Abs. 1 S. 2 BGB.

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Tage nach Erklärung des Widerrufs bzw. der Missbilligung eintreten. Denn hat der Unternehmer zunächst von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht, beginnt die 30-Tages-Frist des § 286 Abs. 3 BGB frühestens mit Wegfall des Zurückbehaltungsrechts, d. h. mit Rücksendung der Ware durch den Verbraucher. Abgesehen davon bestehen grundsätzliche Zweifel, ob der drohende Verzugseintritt überhaupt geeignet ist, den Unternehmer zu einer fristgerechten Rückzahlung des Kaufpreises anzuhalten. 246 Vor diesem Hintergrund erscheint es bei einer Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 S. 3 Fernabsatz-RiL im Rahmen der Vorschriften des Kaufs auf Probe empfehlenswert, eine Regelung in das Gesetz aufzunehmen, die sich nicht auf den Verweis auf die Verzugsvorschriften beschränkt, sondern für den Fall einer verspäteten Rückzahlung des Kaufpreises eine (zusätzliche) spürbare Sanktion vorsieht. Als Beispiel könnte die bereits erwähnte Regelung des spanischen Rechts dienen, die den Unternehmer bei Versäumen der Rückzahlungsfrist zur Zahlung der doppelten Summe des zu erstattenden Betrags verpflichtet. 247 (f) Pflicht zur Erstattung der Hinsendekosten Der Anspruch auf Erstattung der Hinsendekosten ergibt sich ebenfalls aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB. Auf Entreicherung kann sich der Unternehmer insoweit nicht berufen. Die Kosten der Hinsendung zählen nicht zu den gemäß § 818 Abs. 3 abzugsfähigen Erwerbsunkosten des Verkäufers; 248 es handelt sich vielmehr um Vertragskosten des Käufers, 249 da sie der von ihm empfangenen Leistung – dem gelieferten Kaufgegenstand – zugeordnet sind. 250 Ein Rechtsgrund für die vom Käufer bzw. Verbraucher erbrachte Bezahlung der Versandkosten wäre trotz Erklärung des Widerrufs nur dann gegeben, wenn man vom Abschluss eines eigenständigen Versendungsvertrages ausginge. Dies ist aber – wie bereits dargelegt – jedenfalls in Fällen, in denen der Käufer gar keine Möglichkeit hat, die Ware selbst beim Verkäufer abzuholen, abwegig. 251 Im Übrigen wäre der Abschluss eines gesonderten Versandvertrages auch nicht mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL vereinbar, da er einem nach Art. 12 Abs. 1 Fernabsatz-RiL unzulässigen Verzicht auf den Anspruch auf Erstattung der „geleisteten Zahlungen“ nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL gleichkäme. 252 Allerdings ist 246

Dazu oben S. 170. Siehe oben S. 171. 248 Allgemein zur Berücksichtigung der Erwerbsunkosten im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB vgl. BGH, NJW 1970, 2059; NJW 1993, 648, 652; Erman / Westermann, § 818 Rn. 39; Palandt / Thomas, § 818 Rn. 42; MünchKommBGB / Lieb, § 818 Rn. 78; Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 37. 249 Siehe bereits oben S. 166. 250 Vgl. dazu auch Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 37. 251 Siehe oben S. 167. 252 Siehe Ausführungen auf S. 167. 247

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der Abschluss eines gesonderten, nur auf den Versand bezogenen Vertrages im Anwendungsbereich der §§ 454 f. BGB nicht vollständig ausgeschlossen. Um an dieser Stelle die Einhaltung der Richtlinienvorgaben gewährleisten zu können, wäre daher eine ausdrückliche Regelung der Verteilung der Hinsendekosten wünschenswert. (g) Vorgaben hinsichtlich Versand und Verpackung Hinsichtlich der Anforderungen, die an den Käufer bzw. Verbraucher im Hinblick auf die Wahl eines bestimmten Versandwegs oder einer geeigneten Transportverpackung gestellt werden können, hat der Gesetzgeber in §§ 355 ff. BGB keine speziellen Regelungen getroffen. Solche sind aber auch nicht erforderlich, da mit den allgemeinen Regelungen, insbesondere dem auch im Gemeinschaftsrecht geltenden Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, sachgerechte Ergebnisse erzielt werden können. 253 Daher bedürfte es auch bei einer Umsetzung im Rahmen der §§ 454 f. BGB keiner ausdrücklichen Normierung dieser Frage. (2) Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzansprüchen (a) Berechnung der Höhe des Wertersatzanspruchs Bei Verlust oder Verschlechterung der Ware schuldet der Käufer bzw. Verbraucher auch bei Anwendung des Bereicherungsrechts gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz. Die Berechnung der Höhe des Wertersatzanspruchs richtet sich – anders als bei § 346 Abs. 2 S. 2 BGB – nicht nach der vereinbarten Gegenleistung, sondern nach dem objektiven Wert des betroffenen Gegenstands. 254 Insoweit steht die Regelung im Einklang mit den Vorgaben des Europarechts. 255 (b) Ersatz für den durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlust Der deutsche Gesetzgeber sieht – in Einklang mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL 256 – vor, dass der Verbraucher dem Unternehmer den Wertverlust zu ersetzen hat, der aufgrund der Ingebrauchnahme der Ware entsteht. Ein solcher Anspruch könnte dem Verkäufer bzw. Unternehmer auch bei Umsetzung des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts im Rahmen der §§ 454 f. BGB eingeräumt werden. Sofern der Käufer bei einem „normalen“ Kauf auf Probe einen 253 254 255 256

Dazu ausführlich oben auf S. 178 ff. Vgl. Nachweis in Fn. 158 (Abschnitt D.). Siehe Ausführungen auf S. 268. Siehe Feststellung auf S. 211.

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Anspruch auf kostenfreie Erprobung der Ware hat, drohte aber ein Wertungswiderspruch innerhalb der Vorschriften des Kaufs auf Probe. (aa) Umfang des Untersuchungsrechts des Käufers gemäß § 454 Abs. 2 BGB Nach Ansicht von Mader 257 soll der Verkäufer alle Wertmindungen, die auf dem „normalem Untersuchungsablauf“ beruhen, entschädigungslos hinnehmen müssen. Dem Käufer stünde demnach das Recht zu, die Ware zu erproben, ohne für damit einhergehende, den Wert der Ware beeinflussende Veränderungen einstehen zu müssen. Eine derartige Bewertung der Position des Käufers ließe sich bei Annahme eines aufschiebend bedingten Kaufs auf Probe dadurch rechtfertigen, dass man einen Vergleich mit dem Rechtsinstitut der Leihe zieht: 258 Da bei der Leihe gemäß § 602 BGB kein Ersatz für die vertragsmäßige Abnutzung des Gegenstandes geschuldet wird, schiene es vertretbar, in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift davon auszugehen, dass die durch die Untersuchung herbeigeführte Wertminderung auch beim Kauf auf Probe keine Ersatzpflicht des Käufers auslösen soll. Allerdings erscheint zweifelhaft, ob Kauf auf Probe und Leihe tatsächlich miteinander vergleichbar sind. Schließlich ist das Verhalten des Verkäufers beim Kauf auf Probe letztendlich auf den Abschluss eines zweiseitigen Kaufvertrages abzielt; die Überlassung der Kaufsache erfolgt also nicht „unentgeltlich“ i.S. des § 598 BGB, sondern in Erwartung des Abschlusses eines entgeltlichen Vertrages. An der Vergleichbarkeit mit der Leihe fehlt es aber auf jeden Fall dann, wenn man wie hier vom Abschluss eines auflösend bedingten Vertrages ausgeht. Hier will der Verkäufer dem Käufer die Ware nicht nur vorübergehend zum Zweck der Untersuchung überlassen, sondern mit der Übergabe zugleich seine bereits entstandene Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllen. 259 Das Recht, die Ware ohne eine mögliche Ersatzverpflichtung in Gebrauch nehmen zu können, könnte sich daher nur aus einer vertraglichen Abrede ergeben. Angesichts der Bezeichnung des Vertrages als „Kauf auf Probe“ spricht eine gewisse Vermutung dafür, dass der Käufer das Recht haben soll, die Ware zu „erproben“, d. h. sie in Gebrauch zu nehmen. Anderseits wird der Kauf auf Probe in § 454 Abs. 1 S. 1 BGB mit einem Kauf „auf Besichtigung“ gleich 257

Staudinger / Mader, § 454 Rn. 17. Zur Vergleichbarkeit beider Rechtsinstitute BGH, NJW 1992, 2413, 2415. 259 Vgl. BGH, NJW 1992, 2413, 1415: das Urteil nimmt zwar Bezug auf einen Kauf unter Rücktrittsvorbehalt, dürfte wegen der vergleichbaren Sach- und Rechtslage auch auf den vorliegenden Fall eines auflösend bedingten Kaufs auf Probe übertragbar sein. 258

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gestellt: Insoweit scheint die Wortwahl des Gesetzes eher dafür zu sprechen, dass der Käufer darauf beschränkt ist, die Ware in Augenschein zu nehmen. Auch § 454 Abs. 2 BGB lässt keinen eindeutigen Rückschluss auf die Befugnisse des Käufers zu: Nach dieser Vorschrift ist dem Käufer die „Untersuchung“ der Ware zu gestatten. Eine Untersuchung der Ware kann aber sowohl durch die bloße äußere Begutachtung der Ware als auch durch die Ingebrauchnahme derselben erfolgen. Letztendlich kommt es also auf die konkrete vertragliche Vereinbarung an: Die Grenzen des Untersuchungsrechts werden sich regelmäßig aus dem Vertrag selbst ergeben. Damit ist aber noch keine Erkenntnis darüber gewonnen, ob dem Käufer das Recht, die Ware in Gebrauch zu nehmen, „kostenlos“ gewährt wird. Auch insoweit wird es auf die jeweilige vertragliche Regelung ankommen. Da es bei der Beurteilung der Frage, ob dem Käufer beim Kauf auf Probe ein Erprobungsrecht zusteht und ob er dieses Recht ausüben kann, ohne ggf. zum Ersatz des damit verbundenen Wertverlustes verpflichtet zu sein, also auf die konkrete vertragliche Vereinbarung ankommt, steht fest, dass die Vorschriften des Kaufs auf Probe selbst nicht das Recht vermitteln, die Ware kostenlos in Gebrauch zu nehmen. Folglich droht auch kein Widerspruch zum Konzept des Kaufs auf Probe, wenn im Rahmen der Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL geregelt wird, dass der Verbraucher bei einer Ingebrauchnahme der Ware, die einen Wertverlust zur Folge hat, Ersatz leisten muss. (bb) Anspruch auf Wertersatz nach Bereicherungsrecht Geht man wie hier davon aus, dass das Bereicherungsrecht auf das Rückabwicklungsverhältnis Anwendung findet, ergibt sich der Anspruch des Verkäufers auf Ersatz des mit der Ingebrauchnahme eingetretenen Wertverlustes aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 i.V. m. § 818 Abs. 2 BGB: Da es im Bereicherungsrecht an einer mit § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 2. HS. BGB vergleichbaren Regelung, die die Ersatzpflicht des Rückgewährschuldners im Hinblick auf die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretene Verschlechterung beschränkt, fehlt, ist davon auszugehen, dass der Käufer als Bereicherungsschuldner auch für den Wertverlust einstehen muss, der dadurch entstanden ist, dass die Ware nun nicht mehr als „neu“, sondern nur noch als „gebraucht“ weiterveräußert werden kann. 260 Sofern der Käufer vom Verkäufer ausdrücklich darüber belehrt worden ist, dass er die Ingebrauchnahme der Ware zu unterlassen hat, kommt außerdem ein auf § 280 Abs. 1 BGB gestützter Schadensersatzanspruch des Verkäufers in Betracht. 260 Zu der Frage, wann die Grenzen der kostenlosen Untersuchung bzw. Inaugenscheinnnahme überschritten sind und ein Fall der ersatzpflichtigen Ingebrauchnahme vorliegt, siehe bereits oben S. 206 ff.

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(cc) Ergebnis: Belastung des Verbrauchers mit Wertersatzanspruch möglich Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass der Verkäufer bei Anwendung des Bereicherungsrechts Ersatz für den mit der Ingebrauchnahme verbundenen Wertverlust verlangen kann. Der Umstand, dass dem Verkäufer ein solcher Anspruch zusteht, steht auch nicht im Widerspruch zum Regelungskonzept des Kaufs auf Probe. Sofern der deutsche Gesetzgeber daran festhalten will, dass der Käufer nur dann zur Zahlung eines entsprechenden Wertersatzes verpflichtet ist, wenn er vom Unternehmer auf die drohende Ersatzverpflichtung und die Möglichkeit, wie diese vermieden werden kann, hingewiesen worden ist (siehe § 357 Abs. 3 S. 1 BGB), steht es ihm frei, eine Regelung in die Vorschriften des Kaufs auf Probe aufzunehmen, die den Umfang der Wertersatzverpflichtung aus § 818 Abs. 2 BGB ggf. entsprechend beschränkt. (c) Wertersatz wegen Verschlechterung oder Untergang der Ware Für eine sonstige, d. h. nicht auf die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Ware zurückzuführende Verschlechterung der Ware oder deren Untergang bzw. Verlust muss der Käufer nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 i.V. m. § 818 Abs. 2 BGB ebenfalls Ersatz leisten, und zwar auch dann, wenn der Wertverlust auf Zufall beruht. Insoweit entspricht die Rechtslage den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers, die – wie bereits nachgewiesen 261 – mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind. (d) Berufung auf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB Wenn §§ 812 ff. BGB auf die Rückabwicklung des aufschiebend bedingten Kaufs auf Probe Anwendung finden, stellt sich die Frage, ob sich der Käufer bei Beschädigung oder Verlust des Kaufgegenstandes gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen kann: Nur eine Regelung, bei der er weiterhin zum Wertersatz verpflichtet bleibt, wäre mit dem Ziel einer vollständigen Rückabwicklung des Vertrages vereinbar. 262 (aa) Verschärfte Haftung des Käufers bzw. Verbrauchers Sofern es nach Erhalt der Ware, aber vor Erklärung der Missbilligung zu einer Verschlechterung oder dem Verlust derselben kommt, kann sich der Käufer 261

Dazu oben S. 213. Dazu, dass auch das Interesse des Unternehmers an zumindest wertmäßiger Rückabwicklung des Fernabsatzvertrages geschützt ist, siehe oben S. 194 ff. 262

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insoweit nicht Entreicherung berufen. Ihn trifft – wenn er auf sein Widerrufsrecht hingewiesen worden ist – die verschärfte Haftung nach § 820 Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 818 Abs. 4 BGB. Nach dieser Vorschrift haftet der Empfänger einer Sache nach den „allgemeinen Vorschriften“, wenn entweder der mit der Leistung bezweckte Erfolg als unsicher oder der spätere Wegfall des Rechtsgrundes von beiden Parteien 263 als möglich angesehen wurde. Die Vorschrift bezieht sich schon nach ihrem Wortlaut ausdrücklich auf die im Fall des auflösend bedingten Vertrages anwendbare condictio ob causam finitam. 264 Nach Ansicht von Lieb 265 stellt die Rückforderung von Leistungen, die im Hinblick auf einen auflösend bedingten Vertrag erbracht worden sind, sogar den „Hauptanwendungsfall“ dieser Vorschrift dar. Folglich kann sich der Käufer nicht auf Entreicherung berufen; er schuldet vielmehr nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz. Etwas anderes gilt nur, wenn der Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass er von der Möglichkeit des späteren Wegfalls des Rechtsgrundes keine Kenntnis hatte; § 820 Abs. 1 S. 2 BGB könnte mithin keine Anwendung finden. Allerdings wäre unter diesen Umständen nicht damit zu rechnen, dass überhaupt ein Widerruf erfolgt, so dass sich die Frage nach einer (verschärften) Haftung des Verbrauchers im Rahmen der Rückabwicklung letztendlich gar nicht stellte. 266 Für die Zeit nach Erklärung der Missbilligung ergibt sich die verschärfte Haftung des Käufers aus § 819 Abs. 1 BGB: Nach dieser Vorschrift haftet der Empfänger einer Leistung verschärft, wenn er das Fehlen des rechtlichen Grundes und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, d. h. die Rückgewährpflicht, gekannt hat; die bloße Kenntnis der Umstände, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt, reicht nicht aus. 267 Diese Voraussetzung – die Kenntnis von der Rückgewährpflicht – ist gegeben, sobald der Käufer die Missbilligung 263 Insoweit unterscheidet sich § 820 BGB von § 819 Abs. 1 BGB: Während letztere Vorschrift positive Kenntnis (nur) des Empfängers vom Fehlen des Rechtsgrundes voraussetzt, erfordert § 820 BGB eine qualifizierte Ungewissheit beider Parteien darüber, ob ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Leistung vorliegt, vgl. Singer, JR 1983, 356, 360. 264 Nach anderer Ansicht sollen darüber hinaus auch Fälle der condictio indebiti erfasst sein, vgl. MünchKommBGB / Lieb, § 820 Rn. 6. 265 MünchKommBGB / Lieb, § 820 Rn. 8; siehe auch Staudinger / Lorenz, § 820 Rn. 6. 266 Wirklich Bedeutung würde die fehlende Anwendbarkeit des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB nur dann erlangen, wenn der Verbraucher nachträglich belehrt wird, die Ware aber schon vor dieser Belehrung untergegangen ist. Dann kann sich der Verbraucher nach § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen. Bei Anwendung der aktuellen Widerrufsregelung gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB haftete er dagegen für den entstandenen Wertverlust, allerdings wegen § 357 Abs. 3 S. 3 i.V. m. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB nur bei Verletzung der eigenüblichen Sorgfalt. Im Ergebnis ist der Verbraucher hier also in beiden Fällen privilegiert. 267 Std. Rspr., vgl. BGH, NJW 1992, 1415, 1417; NJW 1998, 2433, 2434.

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des Vertrages erklärt hat. Denn von da an muss ihm klar sein, dass er sie zurückgeben muss. Folglich ist es ihm verwehrt, sich auf einen nach der Missbilligung eingetretenen Wegfall der Bereichung zu berufen. 268 Im Ergebnis ist es dem Käufer also sowohl bei einem vor Erklärung der Missbilligung eingetretenen Wertverlust als auch bei einer danach stattfindenden Verschlechterung bzw. Zerstörung der Ware nicht möglich, sich auf Entreicherung zu berufen. Er bleibt vielmehr in jedem Fall – wie von der Fernabsatz-RiL vorausgesetzt – zur Leistung von Wertersatz verpflichtet. (bb) Anwendbarkeit der Saldotheorie Hinzu kommt, dass – da es um die Rückabwicklung gegenseitiger Ansprüche geht – die Saldotheorie eingreift. 269 Folglich ist der Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises ggf. in Höhe des bei ihm eingetretenen Wertverlustes zu kürzen. 270 Auf diese Weise wird der Verkäufer so gestellt als habe er von dem Käufer Wertersatz erlangt. Zu beachten ist aber, dass die Saldotheorie nur dann zugunsten des Verkäufers eingreifen kann, wenn dieser bereits den Kaufpreis erlangt hat. Sofern dies nicht der Fall ist, er bei Lieferung der Ware also in Vorleistung gegangen ist, können seine Interessen nicht durch die Saldotheorie gewahrt werden. Letztlich schadet dies aber nicht, da der Käufer aufgrund der Haftungsverschärfung nach §§ 819 Abs. 1, 820 Abs. 1 S. 2 BGB auch in solchen Fällen zum Wertersatz verpflichtet bleibt. (3) Verteilung des Transportrisikos bzw. der Gegenleistungsgefahr bei Rücksendung der Ware zum Anbieter Kommt es im Rahmen der Rücksendung zu einer auf Zufall beruhenden Beschädigung oder einem entsprechenden Verlust der Ware, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf den Rückzahlungsanspruch des Käufers hat. Nach dem erklärten Willen des deutschen Gesetzgebers, 271 der im Einklang mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL steht, soll der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises im Fernabsatzrecht in jedem Fall erhalten bleiben. Auch diesen Vorgaben werden die Vorschriften des Kaufs auf Probe gerecht. 268

Vgl. auch Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 52. Ständige Rechtsprechung, siehe nur BGH, NJW 1988, 3011, NJW 1998, 1951, 1952; NJW 2000, 3064; WM 2007, 1739, 1742; vgl. auch Erman / Armbrüster, § 159 Rn. 1. 270 Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 42; Palandt / Sprau, § 818 Rn. 48; zur Vereinbarkeit einer solchen Anspruchskürzung mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL siehe sogleich auf S. 303. 271 Vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 44 zu § 361a BGB a.F. sowie die Regelung des § 357 Abs. 2 S. 2 BGB. 269

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Grundsätzlich besteht der Anspruch des Käufers bzw. Verbrauchers auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB auch dann fort, wenn die von ihm empfangene Ware einen Wertverlust erleidet oder gar gänzlich verloren geht. Im Fall eines auflösend bedingten Kaufs auf Probe findet im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung allerdings die Saldotheorie Anwendung. 272 Dies bedeutet, dass der Rückzahlungsanspruch des Käufers ipso iure um den Wertverlust zu kürzen ist, der dadurch entstanden ist, dass die Ware auf dem Rückweg zum Verkäufer zufallsbedingt zerstört wird oder sich verschlechtert. Eine solche Regelung könnte gegen Art. 6 Abs. 2 S. 1 Fernabsatz-RiL verstoßen, wonach dem Verbraucher die „geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten“ sind. Zu beachten ist aber, dass die Saldotheorie den Rückzahlungsanspruch des Käufers nicht ausschließt, sondern lediglich eine Kürzung des eigenen Anspruchs des Verbrauchers um die auf seiner Seite eingetretene Wertminderung bewirkt. Den im Kaufpreis enthaltenen, über den Warenwert hinausgehenden Gewinn erhält der Verbraucher daher in jedem Fall erstattet. 273 Die Saldotheorie führt im Ergebnis also nur zu einer Verrechnung, wie sie der Verkäufer bzw. Unternehmer im Übrigen auch durch die Erklärung der Aufrechnung bewirken könnte, und steht daher nicht im Widerspruch zu Fernabsatz-RiL. (4) Schadensersatzpflicht des Käufers bzw. Verbrauchers Wie vom deutschen Gesetzgeber – im Einklang mit der Fernabsatz-RiL 274 – vorgesehen, ist der Käufer beim Kauf auf Probe bei einer schuldhaften Verschlechterung oder Zerstörung der Ware auch zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet. (a) Haftung wegen Verletzung der vertraglichen Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit der Ware Der Käufer haftet bei Abschluss eines aufschiebend bedingten Kaufs auf Probe i.S. des § 454 Abs. 1 S. 2 BGB für eine Beschädigung oder den Verlust des Kaufgegenstands. Auch wenn der Vertrag zunächst an sich noch keine Rechtswirkungen entfaltet, soll bereits vor der Billigung die vertragliche (Neben-)Pflicht

272

Siehe oben S. 302. Insoweit besteht ein wichtiger Unterschied zu Regelung des § 346 Abs. 2 S. 2 BGB, die bewirkt, dass im Rücktrittsrecht bei vollständiger Zerstörung der Ware gar keine Erstattung des Kaufpreises mehr erfolgt und daher wie gezeigt auch nicht mit der FernabsatzRiL vereinbar ist, dazu oben S. 217 ff. 274 Siehe oben S. 224. 273

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des Käufers bestehen, mit der übergebenen Sache sorgsam umzugehen. 275 Bei einer Verletzung dieser Pflicht muss der Käufer gemäß § 280 Abs. 1 BGB für den entstandenen Schaden haften. Dies muss auch gelten, wenn man wie hier von der Vereinbarung eines auflösend bedingten Vertrages ausgeht: Sofern der Käufer weiß, dass er die Ware ggf. zurückgeben muss, kann angenommen werden, dass hier ebenfalls eine vertragliche Nebenpflicht zum sorgsamen Umgang mit der Ware besteht. Eine solche Rücksichtnahmepflicht besteht auch bereits nach gegenwärtiger Rechtslage 276 und steht daher im Einklang mit den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers; die darauf beruhende Schadensersatzpflicht ist mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL ebenfalls vereinbar. 277 Nach Ansicht des BGH soll der Schadensersatzanspruch des Verkäufers wegen der Verschlechterung der Ware bei einem aufschiebend bedingten Kauf auf Probe innerhalb von sechs Monaten ab Rückgabe an den Verkäufer verjähren. 278 Der Bundesgerichtshof stützt seine Auffassung auf eine Gesamtanalogie zu § 558 BGB a.F. (jetzt: § 548 Abs. 1 BGB) sowie §§ 606, 1057 BGB. Diesen Vorschriften wird der allgemeine Rechtsgrundsatz entnommen, dass bei Gebrauchsüberlassungsverhältnissen im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs eine rasche Abwicklung etwaiger Schadensersatzansprüche geboten ist. Grund hierfür sei, dass der überlassene Gegenstand in rascher Folge verschiedenen Personen zugänglich gemacht werden könne und die Feststellung von Schaden und Schädigern mit dem Fortschreiten der Zeit daher immer schwieriger werde. 279 Da der Kaufgegenstand dem Käufer beim Kauf auf Probe auch nur zur vorübergehenden Besichtigung bzw. zur kurzfristigen Erprobung überlassen werde und somit eine vergleichbare Lage wie bei der Leihe bestehe, sei eine schnelle Abwicklung etwaiger Schadensersatzansprüche an dieser Stelle ebenfalls geboten. 280 Diese Auffassung des BGH hat im Schrifttum Zustimmung erfahren. 281 Ob die kurze Verjährungsfrist auch in Fällen Geltung beansprucht, in denen der Kauf auf Probe wie hier auflösend bedingt ist, hat die Rechtsprechung – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. Da die Begründung für die o. g. Gesamtanalogie, nämlich die mit der mehrfachen, kurzfristigen (Gebrauchs-)Überlassung der Ware verbundene Schwierigkeit, Schäden und deren Verursacher festzustellen, bei einem auflösend bedingten Kauf auf Probe aber

275

Vgl. BGH, NJW 1992, 2413, 2414; siehe auch allgemein zum bedingten Rechtserwerb: Palandt / Heinrichs, Einf. v. § 158, Rn. 8. 276 Siehe oben S. 223 f. 277 Dazu bereits oben S. 224. 278 Siehe BGH, NJW 1992, 2413, 2414. 279 BGHZ 55, 392, 397 = NJW 1971, 1131, 1132. 280 BGH, NJW 1992, 2413, 2415. 281 Zustimmend Tiedtke, JZ 1997, 931, 932; Staudinger / Mader, § 454, Rn. 17; Erman / Grunewald, § 455 Rn. 7.

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ebenfalls zutrifft, kann davon ausgegangen werden, dass die auf sechs Monate beschränkte Verjährungsfrist auch auf diese Konstellationen übertragbar ist. Auf Schadenersatzansprüche wegen des Verlustes oder der Zerstörung des Kaufgegenstandes dürfte die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten dagegen keine Anwendung finden. Die vom BGH angeführte Gefahr einer (schnellen) Weitergabe der Ware und die damit verbundene Schwierigkeit, im Nachhinein den Schadensverursacher ausfindig zu machen, bestehen nicht, wenn die Sache vom Käufer überhaupt nicht mehr zurückgewährt werden kann. Dementsprechend erklären §§ 548 Abs. 1, 606, 1057 BGB, die die Grundlage für die vom BGH vorgenommene Analogie bilden, die sechsmonatige Verjährungsfrist auch nur auf Schadensersatzansprüche wegen einer Veränderung oder Verschlechterung der überlassenen Sache für anwendbar. Folglich bleibt es bei Verlust oder Untergang der Ware bei der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 BGB. (b) Schadensersatz nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts Neben der Haftung des Käufers wegen Missachtung der Pflicht zum sorgsamen Umgang mit dem Kaufgegenstand kann sich eine Schadensersatzpflicht auch aus dem Umstand ergeben, dass der Käufer nicht mehr in der Lage ist, die Ware im unbeschädigten Zustand zurückzugewähren. Die Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Schäden, die in der Zeit vor der Missbilligung entstanden sind, ergibt sich – wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist – aus § 820 Abs. 1 S. 2 BGB, der auf § 818 Abs. 4 BGB und somit auf die allgemeinen Vorschriften verweist. Danach haftet der Käufer gemäß §§ 292, 989 BGB verschuldensabhängig für alle an der Ware oder durch den Verlust derselben eingetretenen Schäden. 282 Für die Zeit nach der Missbilligung ergibt sich die Haftung des Käufers dann aus §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 i.V. m. §§ 292, 989 BGB. Soweit der Schadensersatzanspruch auf einer bloßen Verschlechterung der Sache beruht, ist wiederum ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung in Analogie zu §§ 548 Abs. 1, 606, 1057 BGB entwickelte kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten zu erwägen. (5) Verpflichtung des Käufers bzw. Verbrauchers zum Nutzungsersatz Nach dem mit der Fernabsatz-RiL vereinbaren 283 Willen des deutschen Gesetzgebers soll der Verbraucher bei Nutzung der Ware auch Nutzungsersatz schul282 Bei einem unverschuldeten Untergang des Kaufgegenstandes wird der Käufer grundsätzlich frei, es sei denn er befand sich bereits im Verzug: In diesem Fall haftet er gemäß §§ 292, 990 Abs. 2, 287 S. 2 BGB auch für den zufälligen Untergang der Sache, vgl. BGHZ 83, 293, 299; Staudinger / Lorenz, § 818 Rn. 50. 283 Siehe zusammenfassend oben auf S. 228.

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den. 284 Ein solcher Anspruch ist grundsätzlich auch bei Anwendung des Bereicherungsrechts gegeben: 285 Nach § 818 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Herausgabepflicht auf die gezogenen Nutzungen, für die gemäß § 818 Abs. 2 BGB – wenn sie nicht in Natur herausgegeben werden können – Wertersatz zu leisten ist. Zu beachten ist aber, dass die Missbilligung als auflösende Bedingung keine Rückwirkung hat; die Bedingung wirkt – wie sich im Gegenschluss zu § 159 BGB ergibt – nur ex nunc. 286 Das bedeutet, dass der Käufer die gezogenen Nutzungen trotz § 818 Abs. 1 BGB regelmäßig behalten kann, da er sie aufgrund des ursprünglich wirksamen Vertrages und somit mit Rechtsgrund erlangt hat. 287 Nur dann, wenn die Parteien gemäß § 159 BGB ausdrücklich vereinbart haben, dass die Bedingung Rückwirkung entfalten soll, ist der Käufer zur Zahlung von Nutzungsersatz verpflichtet. Dies reicht nicht aus, um den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers gerecht zu werden. Schließlich soll der Verbraucher in jedem Fall zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen verpflichtet sein. Der gewünschte Nutzungsersatzanspruch ergibt sich aber aus § 820 Abs. 1 S. 2 i.V. m. §§ 292, 987 Abs. 1 BGB. Danach hat der Verbraucher dem Unternehmer die Nutzungen zu erstatten, die er in Kenntnis des Widerrufsrechts gezogen hat. Für die Zeit nach Erklärung der Missbilligung ist der Käufer – solange er den Kaufgegenstand nicht zurückgewährt – ebenfalls zur Zahlung von Nutzungsersatz verpflichtet. 288 Die entsprechende Anspruchsgrundlage findet sich in § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 i.V. m. § 818 Abs. 1 BGB. (6) Nutzungsobliegenheit und Aufwendungsersatz Eine Verpflichtung des Käufers zum Ersatz nicht gezogener Nutzungen könnte sich aus § 820 Abs. 1 S. 2 i.V. m. §§ 292, 987 Abs. 2 BGB ergeben. Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs dürften aber – wie bei Anwendung des § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 347 Abs. 1 BGB – auch hier regelmäßig nicht vorliegen. Zum einen ist schon zweifelhaft, ob die Nutzung der Ware vor Ablauf der Widerrufsfrist dem objektiven Maßstab einer „ordnungsgemäßen Wirtschaft“ entspricht. 289 Zum anderen dürfte es jedenfalls am erforderlichen Verschulden des Verbrauchers fehlen: Wenn dieser über sein Widerrufsrecht belehrt worden

284

Zur Nutzungsersatzpflicht des Verbrauchers siehe oben S. 225 ff. Vgl. Soergel / Wolf, § 159 Rn. 2. 286 Dazu Soergel / Wolf, § 158 Rn. 29; Medicus, BGB AT, Rn. 840; Larenz / Wolf, BGB AT, § 50 Rn. 51. 287 Vgl. Larenz / Wolf, BGB AT, § 50 Rn. 51; Medicus, BGB AT, Rn. 840. 288 MünchKommBGB / H.P. Westermann, § 454 Rn. 10. 289 Zur vergleichbaren Problematik bei Anwendung des § 347 Abs. 2 BGB siehe oben S. 233. 285

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ist, 290 darf er davon ausgehen, dass eine wirtschaftliche Nutzung in der kurzen Zeit bis zum Ablauf der Widerrufsfrist nicht geboten ist. Als Grundlage für einen möglichen Aufwendungsersatzanspruch des Verbrauchers könnte § 820 Abs. 1 S. 2 i.V. m. §§ 292, 994 Abs. 2 BGB herangezogen werden. Der Anspruch dürfte aber ebenfalls ohne große praktische Bedeutung bleiben, da der über sein Widerrufsrecht belehrte Verbraucher nicht bereit sein wird, Verwendungen auf die Sache vorzunehmen. In Betracht kommt allenfalls ein Anspruch auf Erstattung der gewöhnlichen Erhaltungskosten, die dem Verbraucher – auch wenn man § 994 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 994 Abs. 2 BGB entsprechend anwenden will 291 – zu ersetzen sind, da er in jedem Fall zur Zahlung von Nutzungsersatz verpflichtet sein soll. Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von der bei Anwendung der gegenwärtigen Widerrufsregelung, vgl. § 357 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 347 Abs. 2 BGB. (7) Ergebnis: Bereicherungsrecht als geeignetes Rückabwicklungsregime Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass das Bereicherungsrecht geeignet ist, die Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers von der Rückabwicklung des Fernabsatzvertrages weitestgehend zu erfüllen; auch den Anforderungen der Fernabsatz-RiL kann auf diese Weise Rechnung getragen werden. Soweit Modifikationen der gesetzlichen Regelungen erforderlich sind, handelt es sich lediglich um geringfügige Abweichungen, die die Grundsätze der Vorschriften des Kaufs auf Probe bzw. des Bereicherungsrechts unberührt lassen. d) Ergebnis: das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL als Sonderfall des Kaufs auf Probe Nach alledem steht fest, dass die Vorschriften des Kaufs auf Probe ein geeigneter Standort für eine Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL sind. Hierfür spricht nicht nur die vergleichbare Zielsetzung beider Rechtsinstitute, sondern auch der Umstand, dass die Anforderungen von Fernabsatz-RiL und die Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers bei einer Umsetzung in Anlehnung an §§ 454 f. BGB gewahrt werden können. Zwar wären einige Modifikationen des geltenden Rechts erforderlich. So müsste unter anderem – sofern nicht auf der Basis des von der Kommission vorgeschlagenen „horizontalen Instruments“ einheitliche Regelungen für alle verbraucherschützenden Widerrufsrechte ge290 Nur bei Vorliegen einer solchen Belehrung kann überhaupt von der Anwendbarkeit des § 820 Abs. 1 S. 2 BGB ausgegangen werden, vgl. oben S. 301. 291 So der BGH, NJW 1966, 446, 447; siehe auch Palandt / Bassenge, § 994 Rn. 8; MünchKommBGB / Medicus, § 994, Rn. 23.

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schaffen werden – die Verpflichtung zur Belehrung über das Widerrufsrechts sowie eine Regelung zur Dauer der Widerrufsfrist aufgenommen werden, da diese nicht im freien Belieben des Verkäufers stehen darf. 292 Im Interesse einer transparenten Regelung sollte für die Frage der Rückabwicklung zudem ein ausdrücklicher Verweis auf §§ 812 ff. BGB in das Gesetz aufgenommen werden. Zugleich müsste klargestellt werden, ob die auf diese Weise in das Gesetz aufgenommenen, die Vorschriften des Kaufs auf Probe ergänzenden Regelungen für alle Arten von Geschäften oder nur – wie von der Fernabsatz-RiL vorgesehen – im Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher Anwendung finden sollen. Derartige Änderungen bzw. Ergänzungen der §§ 454 f. BGB ließen die tragenden Grundsätze des Kaufs auf Probe und des Bereicherungsrechts jedoch unberührt – die Entstehung von Wertungswidersprüchen innerhalb des BGB wäre daher nicht zu befürchten. Soweit sich der Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL auch auf andere Vertragsarten bezieht, die nicht dem Kaufrecht zuzurechnen sind, müssten für diese Verträge grundsätzlich entsprechende Regelungen geschaffen werden. Allerdings hätte ein solches Vorgehen zur Folge, dass das BGB gleich an mehreren Stellen um größtenteils gleichlautende Vorschriften ergänzt werden müsste. Dies stünde im Widerspruch zum Bestreben sowohl des deutschen als auch des europäischen Gesetzgebers, die Widerrufsregelungen – soweit möglich – zu vereinheitlichen. Vor diesem Hintergrund scheint es vorzugswürdig, die Vorschriften des Kaufs auf Probe insoweit für entsprechend anwendbar zu erklären. Die damit verbundene Konzentration der fernabsatzrechtlichen Widerrufsregelungen in §§ 454 f. BGB ließe sich damit rechtfertigen, dass die Vorschriften des Kaufs auf Probe – da sie auf alle auf einem Kaufvertrag beruhenden Warenlieferungsverträge Anwendung fänden – ohnehin für die weitaus größte Zahl aller Fernabsatzgeschäfte Geltung beanspruchen würden. 293 Es stellte sich nur die Frage, ob die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 454 f. BGB durch Verweise in den Vorschriften der einzelnen, von der Fernabsatz-RiL erfassten Schuldverhältnisse zu gewährleisten wäre oder ob sie direkt im Rahmen der Vorschriften des Kaufs auf Probe angeordnet werden sollte. Für die Schaffung einer allgemeinen, grundsätzlich 294 auf alle Warenlieferungs- und Dienstleistungsverträge bezogenen Regelung innerhalb der §§ 454 f. BGB spricht, dass sich angesichts der im Vertragsrecht geltenden Typenfreiheit nur auf diese Weise wirklich sicherstellen ließe, dass auch wirklich alle Schuldverhältnisse, die in den Anwendungsbereich der Fernabsatz-RiL fallen, erfasst würden. Mit der Entscheidung für eine derartige Umsetzung des Widerrufsrechts der Fernabsatz-RiL wäre allerdings zugleich 292 Nach Art. 6 Abs. 1 Fernabsatz-RiL muss die Widerrufsfrist mindestens sieben Werktage betragen. 293 Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Warenlieferungsverträge im Fernabsatzhandel siehe oben S. 29 f. 294 Zu den Ausnahmen siehe Art. 3 Fernabsatz-RiL.

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das Problem verbunden, dass sich die auf Fernabsatzgeschäfte bezogenen Regelungen für Dienstleistungsverträge systemwidrig in dem Titel „Kauf, Tausch“ in dem achten Abschnitt des zweiten Buchs des BGB wieder fänden. Die Tatsache, dass sich die im allgemeinen Teil des BGB und im allgemeinen Schuldrecht geregelten Rechtsinstitute, die als Anknüpfungspunkt für eine zentrale, für alle von der Fernabsatz-RiL erfassten Vertragstypen Geltung beanspruchende Umsetzung des Widerrufsrechts in Betracht gekommen wären, im Ergebnis als ungeeignet erwiesen haben, lässt es aber vertretbar erscheinen, diese Systemwidrigkeit in Kauf zu nehmen. Die erforderliche Transparenz ließe sich dadurch gewährleisten, dass man die Überschrift des Kapitels „Kauf auf Probe“ durch einen Hinweis auf die dann ebenfalls an dieser Stelle geregelten „Fernabsatzgeschäfte“ ergänzte. Sollte das auf Fernabsatzverträge bezogene Widerrufsrecht – wie hier vorgeschlagen – als Sonderfall des Kaufs auf Probe in das nationale Recht übertragen werden, wäre allerdings zu beachten, dass es sich – anders als bei ausdrücklicher Vereinbarung eines (auflösend bedingten) Kaufs auf Probe – bei dem auf dem Widerrufsrecht beruhenden „Missbilligungsrecht“ nicht um eine echte Bedingung i.S. des § 158 BGB handeln kann. Da das Widerrufsrecht nicht auf einer vertraglichen Abrede, sondern auf einer gesetzlichen Vorgabe beruht, kommt nur eine Ausgestaltung als auflösende Rechtsbedingung in Betracht. Dies stellt jedoch kein Bruch mit der Dogmatik des Gesetzes dar, sondern folgt daraus, dass das Widerrufsrecht nicht zur Disposition der Vertragsparteien steht. 295 Trotzdem bleibt es dabei, dass es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung des Vertrages handelt, die mit Erklärung des Widerrufs entfällt. Die Rechtslage ändert sich nur insoweit, als dass §§ 158 ff. BGB keine unmittelbare Anwendung finden können. Von praktischer Relevanz dürfte aber nur die fehlende Anwendbarkeit von § 159 BGB und § 162 BGB sein. Der Möglichkeit, gemäß § 159 BGB eine „Rückbeziehung“ der Folgen des Bedingungseintritts vereinbaren zu können, bedarf es jedoch im Ergebnis nicht, da der Käufer bzw. Verbraucher aufgrund des im Fernabsatzrecht Anwendung findenden § 820 Abs. 1 S. 2 BGB auch schon für die vor Erklärung des Widerrufs gezogenen Nutzungen sowie für einem bei ihm eingetretenen Wertverlust Ersatz leisten muss. Dem Rechtsgedanken des § 162 BGB – Schutz bei treuwidriger Vereitelung des Bedingungseintritts – kann wiederum auf andere Weise Rechnung getragen werden: Sofern der Unternehmer versucht, den Widerruf des Vertrages dadurch zu verhindern, dass er den Verbraucher nicht ordnungsgemäß 295 Soweit der Gesetzgeber z. B. im Zusammenhang mit dem Widerrufsrecht nach § 4 Abs. 1 FernUSG a.F., der bei der gegenwärtigen Umsetzung des Widerrufsrechts in § 355 Abs. 1 BGB als Vorbild gedient hat, von einer „auflösenden Bedingung“ spricht, kann es sich im Ergebnis auch nur um eine Rechtsbedingung handeln; auch bereits nach alten Recht wurde in den verbraucherschützenden Widerrufsrechten eine (aufschiebende) Rechtsbedingung gesehen, vgl. Boemke, AcP 197 (1997), 161, 180; Fischer / Machunsky, Haustürwiderrufsgesetz, Rn. 285.

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belehrt, wird den berechtigten Interessen der Verbraucher schon dadurch gedient, dass sich die Widerrufsfrist unbegrenzt verlängert; außerdem drohen dem Unternehmer ggf. Schadensersatzansprüche sowie eine Abmahnung durch die Verbraucherverbände. 296 Wenn der Unternehmer dagegen versucht, den Zugang der Widerrufs- bzw. Missbilligungserklärung zu verhindern, ist der Verbraucher schon dadurch ausreichend geschützt, dass ihm nach allgemeiner Auffassung die Wiederholung des Widerrufs ermöglicht werden muss, ohne dass sich der Unternehmer in diesem Fall auf einen zwischenzeitlich eingetretenen Fristablauf berufen könnte. 297 Schließlich bedeutet die Tatsache, dass das Widerrufsrecht bei einer Umsetzung im Rahmen der Vorschriften des Kaufs auf Probe nicht als echte Bedingung, sondern als Rechtsbedingung anzusehen wäre, keine wesentliche Änderung der untersuchten Rechtslage bei Anwendung der §§ 454 f. BGB und steht daher dem Gedanken, das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL als Sonderfall des Kaufs auf Probe anzusehen und im Rahmen der §§ 454 f. BGB in das BGB zu übertragen, nicht entgegen.

III. Zusammenfassung Das Fernabsatzrecht in seiner heutigen Ausprägung bedarf der Überarbeitung – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Die Kommission selbst hat deutlich gemacht, dass die Fernabsatz-RiL ihr primäres Ziel, das Verbrauchervertrauen in den grenzüberschreitenden Fernabsatzhandel zu stärken, nicht erreicht hat. Auch die Unternehmer sind zögerlich bei der Entscheidung, ihre Waren außerhalb des Heimatmarktes anzubieten, da sie die Zusatzkosten scheuen, die mit der Erarbeitung von länderspezifischen Vertriebsrechtskonzepten verbunden sind. Letztere sind erforderlich, weil sich das nationale Fernabsatzrecht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat immer noch stark unterscheidet. Aufgrund der in Art. 14 Fernabsatz-RiL vorgesehenen Möglichkeit, zugunsten der Verbraucher von den in der Richtlinie festgelegten Mindeststandards abzuweichen, fehlt es an einem einheitlichen Schutzniveau, an dem sich die Unternehmer ausrichten könnten. Die fehlende Vereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene ist zugleich der Grund dafür, dass die Verbraucher kein Vertrauen in das Fernabsatzrecht anderer Mitgliedstaaten haben. Sie gehen oftmals davon aus, dass ihnen im Ausland weniger Schutz geboten wird als in ihrem Wohnsitzstaat. Die Reaktion des deutschen Gesetzgebers auf dieses Problem – der Versuch einer Vereinheitlichung der nationalen Widerrufsregelungen – hat sich als kon296 297

Ausführlich dazu oben S. 115 ff. Siehe oben S. 156 ff.

III. Zusammenfassung

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traproduktiv erwiesen. Die mit der nationalen Vereinheitlichung einhergehenden Abweichungen vom Schutzniveau der Fernabsatz-RiL sind nicht geeignet, das Vertrauen von Konsumenten zu gewinnen, die ihren Wohnsitz außerhalb Deutschlands haben. Darüber hinaus war mit der Vereinheitlichung ein starker Verlust an Transparenz und Übersichtlichkeit der gesetzlichen Regelung verbunden, der es Verbrauchern und Unternehmern erschwert, von ihren Rechten und Pflichten Kenntnis zu nehmen. Schon aus diesem Grund darf das Konzept einer nationalen Vereinheitlichung der Widerrufsregelungen nicht weiter verfolgt werden. Hinzu kommt, dass die Kommission nun eine Vereinheitlichung auf europäischer Ebene anstrebt, die entsprechende nationale Bemühungen überflüssig macht. Abgesehen von den mit der Vereinheitlichung der Widerrufsregelungen in §§ 355 ff. BGB verbundenen Schwierigkeiten haben sich die nationalen Umsetzungsvorschriften zum großen Teil als richtlinienkonform erwiesen. Nur wenige Punkte rufen Bedenken hervor: So hat sich die vom deutschen Gesetzgeber geforderte Textform der Widerrufserklärung als nicht mit der Richtlinie vereinbar erwiesen. Historische und systematische Argumente belegen, dass die Möglichkeiten des Verbrauchers, den Widerruf zu erklären, nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht durch Form- oder Beweislastvorschriften beschränkt werden dürfen. Abgesehen davon ist die im deutschen Recht vorgeschriebene Textform auch gar nicht geeignet, mögliche Beweisschwierigkeiten des Verbrauchers zu verringern. Denn das Vorliegen einer verkörperten Widerrufserklärung liefert keinen Beweis dafür, dass dem Unternehmer die Widerrufserklärung auch tatsächlich zugegangen ist. Dem berechtigten Anliegen, dem insoweit beweisbelasteten Verbraucher zu helfen, könnte vielmehr durch eine Regelung Rechnung getragen werden, in der dem Verbraucher die Möglichkeit eingeräumt wird, den Widerruf bei Verlust der Widerrufserklärung ggf. unverzüglich zu wiederholen. Ebenfalls nicht mit den Vorgaben der Fernabsatz-RiL vereinbar ist die in § 356 BGB vorgesehene Beschränkung des Widerrufsrechts auf ein Rückgaberecht. Die damit verbundene Vorleistungspflicht ist geeignet, die Entscheidungsfreiheit der betroffenen Verbraucher negativ zu beeinflussen und steht daher im Widerspruch zu der Zielsetzung der Fernabsatz-RiL, die freie Widerruflichkeit des Fernabsatzvertrages zu gewährleisten. Bedenken ruft auch die Regelung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB hervor, da sie scheinbar eine Vorverlagerung des Zeitpunkts der förmlichen Widerrufsbelehrung auf den Augenblick des Vertragsschlusses zur Folge hat. Diese bedeutete eine Abweichung von der Regelung des Art. 5 Abs. 1 Fernabsatz-RiL, die aber weder auf Art. 11 noch auf Art. 14 Fernabsatz-RiL gestützt werden könnte: Es liegt weder ein sanktionswürdiges Verhalten des Unternehmers vor, noch handelt es sich um eine den Verbraucherschutz steigernde Regelung. Darüber hinaus besteht ein gesetzesimmanenter Widerspruch zu § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB, der dahingehend zu lösen ist, dass es bei Fernabsatzverträgen für den Beginn der regulären, zweiwöchigen Widerrufs-

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frist ausreichen muss, wenn die Widerrufsbelehrung spätestens bei Lieferung der Ware erfolgt. Der oft erhobene Vorwurf, auch die vom deutschen Gesetzgeber vorgesehenen Rechtsfolgenregelungen seien nicht mit der Fernabsatz-RiL vereinbar, da sie den Verbraucher mittelbar dazu zwängen, an dem Fernabsatzvertrag festzuhalten, verfängt im Ergebnis nicht. Zwar kann eine für den Verbraucher ungünstige Rechtsfolgenregelung im Einzelfall geeignet sein, diesen von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Im Hinblick auf den Schutzzweck der FernabsatzRiL – der Steigerung des allgemeinen Verbrauchervertrauens – verbietet sich jedoch eine solche einzelfallbezogene Betrachtungsweise. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Rechtsfolgenregelungen nur der (wertmäßigen) Rückabwicklung des Vertrages und somit den ebenfalls schützenswerten Interessen der Unternehmer dienen. Die Unternehmerinteressen verdienen vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Fernabsatz-RiL ebenfalls Beachtung, da eine negative Rechtsfolgenregelung die Attraktivität des Fernabsatzhandels schmälert und somit die Bereitschaft der Anbieter, von diesem Vertriebsweg Gebrauch zu machen, negativ beeinflussen kann. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Verteilung des Risikos des Wertverlustes, der mit der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Ware verbunden ist. Der bisher vorherrschenden Auffassung, dass der Verbraucher nicht mit einem entsprechenden Ersatzanspruch belastet werden darf, liegt die irrige Vorstellung zugrunde, dass der Verbraucher im Fernabsatzhandel einen Anspruch auf „kostenfreie“ Ingebrauchnahme der Ware hat. Ein solches Recht sieht die Fernabsatz-RiL jedoch nicht vor: Wie sich aus Erwägungsgrund 14 ergibt, soll mit dem Widerrufsrecht lediglich der Nachteil ausgeglichen werden, der dadurch entsteht, dass der Verbraucher die Ware vor der Bestellung nicht „sehen“ kann. Der Verbraucher soll also insoweit in die gleiche Lage versetzt werden wie im Präsenzhandel, wo er die Ware vor der endgültigen Kaufentscheidung in Augenschein nehmen kann. Ein Recht auf Ingebrauchnahme der Ware besteht aber auch bei einem Kauf im Ladengeschäft nicht; es steht dem Verkäufer frei, dem Kunden ein Vorführgerät zur Verfügung zu stellen oder nicht. Dann muss es aber auch im Versandhandel dem Unternehmer überlassen bleiben zu entscheiden, ob der Verbraucher die Ware kostenlos in Gebrauch nehmen kann. Schließlich ging es dem Gemeinschaftsgesetzgeber bei Schaffung der Fernabsatz-RiL nur um die Gleichstellung mit dem Präsenzhandel – Anhaltspunkte dafür, dass eine Besserstellung des Verbrauchers beabsichtigt war, sind nicht ersichtlich. Trotz der Tatsache, dass die deutschen Umsetzungsvorschriften überwiegend mit den Vorgaben des Europarechts vereinbar ist, ist die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Umsetzung in mehrfacher Hinsicht zu kritisieren. Der mit der Vereinheitlichung der Vorschriften verbundene Tranzparenzverlust wurde bereits angesprochen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Anknüpfung an zwei verschiedene Rechtsinstitute – das Widerrufsrecht nach § 4 FernUSG a.F. und

III. Zusammenfassung

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das Rücktrittsfolgenrecht – dazu geführt hat, dass eine klare dogmatische Einordnung des Widerrufsrechts nicht möglich ist. Dem Anspruch einer möglichst widerspruchsfreien, transparenten Umsetzung wird der deutsche Gesetzgeber also nicht gerecht. Die Bezugnahme auf das Rücktrittsrecht verbietet sich außerdem schon deshalb, weil die Anwendung der §§ 346 ff. BGB – wie der deutsche Gesetzgeber selbst ausführt – voraussetzt, dass eine privatautonome Entscheidung der Vertragsschließenden vorliegt; nur so lässt sich die in § 346 Abs. 2 S. 2 BGB geregelte Berechnung von Ersatzansprüchen nach der Höhe der vertraglich vereinbarten Gegenleistung rechtfertigen. Das Widerrufsrecht der Fernabsatz-RiL regelt jedoch gerade den Fall, dass noch keine privatautonome Entscheidung vorliegt, weil sich der Verbraucher noch keinen unmittelbaren Eindruck von der zu erwerbenden Ware machen konnte. 298 Leider hat sich der deutsche Gesetzgeber nicht die Mühe gemacht, nach alternativen Anknüpfungspunkten im BGB zu suchen, d. h. nach Rechtsinstituten, die für eine Umsetzung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts besser geeignet erscheinen. Angesichts der Tatsache, dass ein schon vor Inkrafttreten der Fernabsatz-RiL im Versandhandel gewährtes, freiwilliges Rückgaberecht als „Kauf auf Probe“ angesehen wurde, hätte es zumindest nahegelegen, eine Einordnung des Widerrufsrechts bei §§ 454 f. BGB in Betracht zu ziehen. Eine eingehende Untersuchung dieser Vorschriften hat ergeben, dass sie – entgegen der Auffassung des BGH – eine vergleichbare Zielsetzung wie Art. 6 Abs. 1 FernabsatzRiL verfolgen. Darüber hinaus wäre auch die mit der Anwendung der §§ 454 f. BGB verbundene (subsidiäre) Anwendung des Bereicherungsrechts gut geeignet, den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers von der Rückabwicklung Rechnung zu tragen, ohne gegen die Vorgaben der Fernabsatz-RiL zu verstoßen. Die Modifikationen des deutschen Rechts, die im Rahmen der Umsetzung erforderlich (gewesen) wären, ließen die Grundsätze der Vorschriften des Kaufs auf Probe und des Bereicherungsrechts unberührt – mit der Entstehung von Wertungswidersprüchen wäre daher nicht zu rechnen. Vor diesem Hintergrund ist zu hoffen, dass sich der deutsche Gesetzgeber bei der anstehenden Überarbeitung der verbraucherschützenden Widerrufsrechte nicht scheut, das bisherige Konzept der nationalen Vereinheitlichung und der Ausrichtung der Widerrufsfolgen an §§ 346 ff. BGB in Frage zu stellen und nach neuen Wegen für eine Umsetzung des Widerrufsrechts nach Art. 6 Abs. 1 Fernabsatz-RiL sucht. Bei den Vorschriften des Kaufs auf Probe gemäß §§ 454 f. BGB könnte er dabei fündig werden. Letztendlich stellen die Fernabsatzgeschäfte lediglich einen – auf den Distanzvertrieb beschränkten – Sonderfall des Kaufs auf Probe dar.

298 Der Begriff einer „privatautonomen Entscheidung“ ist angelehnt an das Verständnis, das der deutsche Gesetzgeber beim Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts zugrunde gelegt hat, dazu oben S. 218.

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Sachwortverzeichnis Abnutzung 225, 234, 298 Abnutzungsrisiko 234 Absatzpraktiken, unzulässige 60 Abschreckungseffekt 132 Absendung, rechtzeitige 151, 154, 291 AGB 104, 105, 164, 259 Anfechtungsrecht 265, 266, 269, 270, 270 – 273, 277 Anscheinsbeweis 157 Äquivalenzverhältnis 218, 221, 229, 237, 260, 263, 264, 268 Aufenthaltsstaat 82, 83 Auflösungsrecht 100 Aufwendungsersatzanspruch 237, 238, 307 Auslegung – autonome 34 – gespaltene 51, 92 – richtlinienkonforme 32, 167, 180 Auslegungskriterien 33, 35, 52, 53, 189 Auslegungsmethoden 33, 40, 45, 52, 53 Auslegungsmonopol 33 Auslegungsspielraum 50 Automietverträge 197 Bedenkfrist 94, 151, 280 Bedingung – auflösende 288, 306 – aufschiebende 286 Belehrung – fehlerhafte 85, 120 – förmliche 55, 114, 134, 136 – 139 – individuelle 58 – nachträgliche 62, 128, 131

Belehrungsmuster 84, 114 Bereicherungsrecht 244, 266 –269, 276, 292 – 296, 299, 307 Besitzstand, gemeinschaftlicher 27 Bestätigungsschreiben 139 Betrachtungsweise, typisierende 59, 270 Beweiserleichterung 157 Beweislast 155 Beweislastregelung 63 Beweislastumkehr 121, 157 Beweislastverteilung 60 Bindungswirkung 100, 252, 257, 259, 276 Binnenmarktes – Förderung des 67, 150, 196 – Vollendung des 29, 67, 93, 196 Bringschuld 108, 109 –111 Charakter, fragmentarischer 37, 41, 44 Datenträger, dauerhafter 57, 64, 127, 140, 145, 146, 152 Dienstleistungen 25, 28 –31, 47, 72, 127, 152, 182, 197, 198, 242, 277 Distanzgeschäft 215, 280 effet utile 46, 77, 92, 193, 195 Einredefreiheit 173 Einschreiben 154, 158 Entreicherung 296, 300, 301, 302 Entscheidung, privatautonome 66, 219, 263 – 266, 313 Entscheidungsfreiheit 77, 92 –95, 112, 120, 146, 180, 181, 184, 190, 192, 215, 222, 239, 271, 311

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Sachwortverzeichnis

Erfahrungsgüter 255 Erfüllungsanspruch 54, 55, 55, 103, 106, 243, 286 Erfüllungsort 109, 167, 294 Erhalt der Ware 55, 55, 61, 66, 74, 87, 106, 139, 140, 144, 190, 201, 265, 290, 300 Erhaltungskosten, gewöhnliche 238, 307 Erprobungsrecht 236, 299 Erwägungsgründe 37, 45, 51 Fahrtkosten 148 Feiertag 124 Fernabsatzgesetz 26 Fernunterrichtsschutzgesetz 32 Fernunterrichtsvertrag 80 Finanzdienstleistungen 31, 63, 127, 152 Finanzdienstleistungsvertrag 133 Formerfordernis 141, 146 Formvorgaben 56, 63 Fristablauf 64, 103, 104, 108, 152, 159, 173, 310 Fristbeginn 55, 80, 86, 174 Fristberechnung 80, 124 – 126 Fristverlängerung 58, 89, 97, 115 – 117, 119, 127, 131, 133 – 136, 137 Fristwahrung 151, 153, 154 Garantiehaftung 121 Gebrauch, normaler 74 Gebrauchsvorteil 227 Gefahrtragungsregeln 108, 112 Gegenleistungsgefahr 108, 161, 220, 221, 302 Geltungserklärung 286, 287 Gemeinschaftsprivatrecht 43, 44 Gemeinschaftstreue, Grundsatz der 41 Gesamtanalogie 304 Geschäftssitz 82, 110 Gestaltungsrecht 251, 253, 290

Gestaltungsspielraum 75, 77, 115, 130, 136, 175, 199 Gewinnanteil 221, 229 Gleichbehandlung 34, 204, 215 Günstigkeitsprinzip 84 Haftung für Zufall 212 Haftungsprivilegierung 123 Harmonisierungskonzept 42 Haustürgeschäft 70, 71, 80, 88, 103, 104, 116, 120, 134, 137, 151, 154, 192, 201, 224, 242 Heininger-Entscheidung 88, 134 Hinsendekosten 165 –167, 296 Höchstfrist 127 –130 Horizontaler Ansatz 28 Identität des Unternehmers 281 Inaugenscheinnahme 59, 74, 208, 226, 240, 243 Informationen / Informationspflicht, vorvertragliche 58, 119, 128, 182 Informationsasymmetrie 112 Informationsdefizit 59, 95, 215, 254, 279 Ingebrauchnahme, erstmalige 187, 225, 255 Insolvenzrisiko 177 Integration, widerspruchsfreie 241 invitatio ad offerendum 138, 266 Kauf – auf Belieben 279 – auf Besichtigung 278, 298, 304 – auf Probe 214, 278 –287, 289, 291, 297, 298, 299, 303, 304, 309, 313 Kosten – der Hinsendung 165, 166, 296 – der Rücksendung 65, 145, 165, 166, 175, 176, 178, 179, 181, 187, 188, 200, 203, 215, 226, 259, 272, 293, 294 Kostenbegriff 188

Sachwortverzeichnis Leihe 298, 304 Leitbildfunktion 257 Leitgedanken 43 Lösungsrecht 254, 257, 262, 270 Markt, gemeinsamer 196 Markteintritt 82 Methodenlehre, europäische 43 Mindestharmonisierung 42, 95 – 99 Mindeststandards 96, 97, 310 Missbrauchsfälle 132 Nichterfüllung 73, 74 Nichtigkeit, rückwirkende 272 Nutzungsentschädigung 209, 225 – 228 Nutzungsersatzanspruch 306 Nutzungsersatzpflicht 225 – 229, 237 Nutzungsobliegenheit 235, 236, 306 Öffnungsklausel 95 Ordnung – äußere 38 – innere 39, 42, 43 Originalverpackung 185 Pauschalreise 47, 49, 51, 183 Platzgeschäft 88 Potestativbedingung 262, 263, 288 Präsenzhandel 186, 207, 208, 210, 215, 217, 225, 312 – Gleichstellung mit dem 66, 186, 208, 312 Preisgefahr 108 – 111, 289 Privatrecht, europäisches 39 – 44, 47, 177, 181, 200 Recht zur Nutzung 226 Rechtsangleichung 46, 76 Rechtsbedingung 248, 309, 310 Rechtsbindungswille 266, 286 Rechtsgrundsätze 44

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Rechtsprinzipien 43 Rechtssicherheit 36, 43, 44, 116, 126, 130, 132, 133, 294 Rechtsunsicherheit 81, 91, 130 Rechtsvereinheitlichung 46 Rechtswahl 82 –85 Referenzrahmen, gemeinsamer 28, 68, 68, 69 Retoureschein 180 Reurecht 262 Risikosphäre 113, 217 Rückabwickelung – dem Werte nach 212, 219 – wertmäßige 201 Rückgaberecht 143 –151, 205, 240, 282, 311, 313 Rücknahmeverlangen 147, 148 Rücksendung, unfreie 184 Rücksichtnahme, gegenseitige 177, 181 – 184, 224, 297 Rücksichtnahmepflicht 223, 304 Rücktrittsrecht, gesetzliches 245, 251, 258 Rückzahlung – fristgerechte 169, 171, 172, 296 – rechtzeitige 172 Saldotheorie 302, 303 Sanktion 58, 115, 119, 136, 137, 155, 296 Sanktionsmaßnahme 119, 121 –123, 134, 136, 171, 174 Schadensersatz 118, 119, 224, 271, 281, 303, 305 Schadensersatzpflicht 222 –225, 270, 303 – 305 Schickschuld 109, 111, 172, 294 Schrottimmobilien 192 Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 230 Sorgfalt – eigenübliche 212 – in eigenen Angelegenheiten 129, 214

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Sachwortverzeichnis

Strafzahlungen, Verbot von 65 Suchgüter 255 Synallagma 221 Systembildung 39 – 41 Systembruch 32 Systemdenken 39, 40, 40, 40 Teilrechtsordnung 41 Teilwertabschreibung, lineare 228 Timesharing-Vertrag 93 Transparenz 23, 80, 86, 90, 91, 98, 256, 309, 311 Transportkosten 166 Transportrisiko 108, 109, 112 Transportverpackung 184, 185, 297 Transportweg 108 – 110, 112, 113, 153 Treu und Glauben, Grundsatz / Prinzip von 181, 182, 183, 281 Typenfreiheit 308 Übergabe der Ware 72, 105, 127, 210, 217, 283, 285, 290 Überlegungsfrist 105, 126, 262, 277 Überrumpelungssituation 71, 95 Umsetzung – legislative 78 – richtlinienkonforme 135, 150, 219 – transparente 91, 291 Umsetzungsdefizite 29, 92 Umtauschrecht 186, 241 Untergang der Sache 112, 149, 220 Unterlassungsklagengesetz 117, 119 Unternehmerinteressen 95, 130, 131, 139, 195, 197, 199, 312 Untersuchung der Ware 279, 284, 299 Untersuchungsfrist 290 Unwirksamkeit, schwebende 103 Veranlasserprinzip 154 Verbandsklage 123 Verbandsklagebefugnis 60, 119

Verbandsklagerecht 117 Verbrauchererwartungen, legitime 48 Verbraucherkreditvertrag 80 Verbraucherschutzniveau 49, 61, 65, 66, 81, 96, 96, 96, 130, 141, 196 Verbrauchsgüterkauf 41 Vereinheitlichung 24, 29, 71, 79 –86, 90 – 92, 95 – 99, 310, 311, 312, 313 Verhalten – rechtsmissbräuchliches 195 – sanktionswürdiges 136, 311 Verjährungsfrist 304, 305 Verkaufsmethoden, aggressive 201 Verkehrssitte 282, 283 Verlust, zufallsbedingter 108 Verpackung 185, 186, 217, 222, 297 Versand per Nachnahme 184 Versandfähigkeit 147, 149 Versandhandel, klassischer 25, 109, 150 Versandhinweise 179 Versandkosten 166, 168, 175 –177, 181, 183, 296 Versendungsvertrag 167 Versicherung 112 Vertrag – auflösend bedingter 286, 298, 301, 304 – aufschiebend bedingter 285, 286 – schwebend wirksamer 103, 104, 244, 246, 269 Vertragsbindung 276 – Grundsatz der 71 Vertragsfreiheit 293 Vertragskosten 166, 296 Vertragslösungsrecht 241, 275 Vertragsprinzip, gemeinrechtliches 102 Vertragsstrafe 163, 164 Vertrauensschaden 271 Verwaltungs- oder Bearbeitungsgebühren 203 Verwendung – Notwendigkeit der 239

Sachwortverzeichnis – nutzungsermöglichende 239 – übliche 232 Verzicht 130, 143, 208, 233, 236 – faktischer 208 – unzulässiger 168, 296 Verzinsungspflicht 170, 193 Verzögerungsrisiko 151 – 153, 162 Verzug 169, 171, 171 – 175, 295 Vollharmonisierung 29, 42, 96 – 99 Vorausleistung 285 Vorauszahlung 55 Vorführgerät 207, 208, 312 Vorleistung / Vorleistungspflicht 55, 107, 149, 170, 172, 295, 302, 311 Vorschussanspruch 177, 178

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Widerrufsfrist – reguläre 123, 127, 128, 131, 133, 140 – Verlängerung der 58, 84, 85, 88, 89, 89, 117, 118, 123, 126 –136, 281 – Wahrung der 151, 153 Widerrufsrecht – Effektivität des 61, 157, 159, 162, 191, 194, 210, 236, 237, 239, 271 – Zweck des 64, 92, 93, 93, 102, 192, 207, 212, 220, 260 Widerrufsvorbehalt 249, 266, 272 –277 Widerrufs, Wiederholung des 159, 161, 310 Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands 193, 194, 228, 229 Willensbeeinträchtigung 270

Werbung 82, 83 Werktag 124, 125 Wert, objektiver 218, 219, 229, 264, 269, 297 Wertersatz 73, 74, 108, 164, 188, 191, 193, 202, 208, 210 – 213, 219, 222, 229, 230, 238, 297, 299 – 302, 306 – für nicht gezogene Nutzungen 229 Wertungswiderspruch 286, 298 Wettbewerbshindernis 67, 176 Widerruf, konkludenter 73, 145 Widerrufsbelehrung 61, 72, 84, 88, 89, 97, 114, 116, 120, 123, 128 – 139, 169, 227, 236, 240, 289, 311 Widerrufserklärung 63, 140, 141, 143, 145, 151 – 162, 174, 240, 287, 289, 291, 311 – Abgabe der 203 – Erhalt / Zugang der 153 – 156, 160, 162, 291 – Versand der 72, 151

Willensbildung 66, 260 –263, 265, 270 Willenserklärung, empfangsbedürftige 144, 153, 290 Willensmangel 260, 270, 271 Wirksamkeit – personell gespaltene 106, 107 – schwebende 104 Wohnsitz 109, 110, 294, 311 Wollensbedingung 286 Zinsanspruch 169 Zufallsrisiko 216, 217 Zugangsnachweis 154 Zurückbehaltungsrecht 74, 144, 171, 295 Zusatzkosten 85, 310 Zustandekommen des Vertrages 90, 99, 100, 104, 137, 258, 259, 275, 287 –289 Zweifel – im Zweifel für den Verbraucher 47, 50, 51